113 98 3MB
German Pages 405 [410] Year 2013
isbn 978-3-515-10239-1
VSWG-B 220
Michaela Schmölz-Häberlein
Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts
Kleinstadtgesellschaft(en)
statisch war, sondern eine beträchtliche demographische und wirtschaftliche Dynamik aufwies sowie von geographischer und sozialer Mobilität geprägt war. Außerdem lebte die lutherische Bevölkerungsmehrheit hier mit Angehörigen unterschiedlicher konfessioneller und religiöser Minderheiten – Katholiken, Reformierten, Täufern, Juden – auf engem Raum zusammen. Ein besonderes Augenmerk der Autorin liegt auf den spezifischen Handlungsspielräumen, Lebenswelten und Erfahrungen von Frauen.
www.steiner-verlag.de
Geschichte
Franz Steiner Verlag
Franz Steiner Verlag
Schmölz-Häberlein
Obwohl Kleinstädte mit weniger als 2000 Einwohnern die Städtelandschaft des Alten Reiches maßgeblich prägten, liegen bislang nur wenige Untersuchungen zu ihrer Sozial- und Kulturgeschichte vor. Diese Studie zur badischen Amtsstadt Emmendingen rekonstruiert auf breiter Quellengrundlage gesellschaftliche Entwicklungen, ökonomische Aktivitäten, materielle Kultur, Lebensläufe und familiäre Konflikte in einer ‚typischen‘ südwestdeutschen Kleinstadt des 18. Jahrhunderts. Michaela Schmölz-Häberlein zeigt, dass diese Kleinstadtgesellschaft keineswegs
VSWG – Beihefte 220
Michaela Schmölz-Häberlein Kleinstadtgesellschaft(en)
vierteljahrschrift für sozialund wirtschaftsgeschichte – beihefte Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet
band 220
Michaela Schmölz-Häberlein
Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung:
Umschlagabbildung: Ansicht der Stadt Emmendingen um 1820 (Sammlungen der Stadt Emmendingen) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10239-1
Für Teresa
INHALT Vorwort .................................................................................................... 11 I. I. 1. I. 2. I. 2.1. I. 2.2. I. 2.3. I. 3. I. 4. I. 5.
Einleitung ............................................................................................... 13 Thema ...................................................................................................... 13 Forschungstand ........................................................................................ 16 Geschlechtergeschichte ....................................................................... 16 Kleinstadtforschung ............................................................................ 20 Lokal- und Regionalgeschichte........................................................... 21 Quellen..................................................................................................... 23 Methoden ................................................................................................. 26 Aufbau der Arbeit .................................................................................... 28
II. II. 1. II. 2. II. 3. II. 4. II. 5.
Emmendingen zwischen 1650 und 1800: Ein Überblick .................... 31 Bevölkerungsentwicklung ....................................................................... 31 Verfassung und Verwaltung .................................................................... 36 Bauliche Entwicklung.............................................................................. 41 Wirtschaftliche Entwicklung und Berufsstruktur .................................... 47 Eine Stadt und viele Kriege ..................................................................... 56
Lebensläufe Emmendinger Frauen im 18. Jahrhundert ................... 62 Vorbemerkung ......................................................................................... 62 Zwei Schwestern: Christine Elisabeth Ottin (1717–1792), Kaufmannsfrau, und Sophia Friederike Ottin (1731–1807), Pfarrersfrau .............................................................................................. 63 III. 3. Anna Maria Elisabeth Wildersinnin (1728–1777), Bürgermeistertochter und Buchbindergattin....................................................... 70 III. 4. Magdalena Wilhelmina Rabusin (1715–1761), Pfarrerstochter und Burgvögtin ....................................................................................... 79 III. 5. Wilhelmina Patientia Männerin (1722 – nach 1793), Beamtentochter und Säcklersgattin ....................................................................... 85 III. 6. Maria Regina Bürklinin (1705–1771), Pfarrerstochter und Stadtschreibergattin ......................................................................................... 92 III. 7. Anna Maria Barbara Stiefelin (1653–1726), Webermeisterin ................ 96 III. 8. Jentha Josefa Dreifußin (vor 1700–1756), Vertreterin der jüdischen Minderheit ............................................................................... 98 III. 9. Verena Weberin (1728– nach 1793), reformierte Dienstmagd und Hintersassin .................................................................................... 102 III. 10. Cornelia Goethe (1750–1777) – eine Emmendingerin?........................ 104 III. 11. Kleinstadtgeschichte im Spiegel von Frauenbiographien ..................... 107
III. III. 1. III. 2.
8
Inhalt
IV. IV. 1. IV. 2. IV. 3. IV. 4. IV. 5.
Ehe, Haushalt und Familie ................................................................. 108 Normative Grundlagen .......................................................................... 108 Eheanbahnung, Sexualität und Illegitimität........................................... 111 Ehen in Emmendingen: Heiratsalter, Eheschließung, Ehescheidung .... 121 Zur Bedeutung von Wiederverheiratung ............................................... 131 Schwangerschaft, Geburt, Krankheit und Tod ...................................... 135
V. V. 1. V. 2. V. 3. V. 4. V. 5. V. 6.
Kindheit und Jugend, Bildung und Ausbildung ............................... 152 Kindheit in Emmendingen ..................................................................... 152 Mädchen und Jungen in der Schule ....................................................... 157 Lateinschule und Universität ................................................................. 164 Buchkultur in Emmendingen ................................................................. 167 Lehrjahre, Dienstjahre, Wanderjahre..................................................... 180 Jugendkultur: Bräuche, Delikte und „Kaffeehaussitzen“ ...................... 190
VI. VI. 1. VI. 2. VI. 3.
Frauen in der städtischen Ökonomie ................................................. 199 Weibliche Erwerbstätigkeit ................................................................... 199 Frauen auf dem Kapital- und Grundstücksmarkt .................................. 212 Geschlecht und geschäftliches Scheitern ............................................... 223
VII.
Rathaus, Marktplatz, Wirtshaus, Kirche und Friedhof: Geschlecht und städtische Öffentlichkeit .......................................... 240 Öffentliche Räume in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt ..................... 240 Das Rathaus ........................................................................................... 248 Der Marktplatz ....................................................................................... 253 Wahlen von Männern, Wahlen von Frauen ........................................... 257 Frauen und Männer im Wirtshaus ......................................................... 263 Der Platz in der Kirche .......................................................................... 272 Friedhof und Begräbnis ......................................................................... 279
VII. 1. VII. 2. VII. 3. VII. 4. VII. 5. VII. 6. VII. 7. VIII. VIII. 1. VIII. 2. VIII. 3. VIII. 4. VIII. 5. VIII. 6.
Devianz und Geschlecht ...................................................................... 287 Frauen und Männer im Gefängnis ......................................................... 287 Injurien und ihr sozialer Kontext ........................................................... 291 Ehebruch und Inzest .............................................................................. 298 Ehekonflikte........................................................................................... 302 Eigentumsvergehen und ihr sozialer Kontext ........................................ 314 Emotionen, Interessen und physische Gewalt in Emmendinger Familien ................................................................................................. 327
IX.
Schlussbemerkung ............................................................................... 333
X. X. 1. X. 2.
Anhang .................................................................................................. 337 Scheidungen bei den jüdischen Einwohnern Hochbergs ....................... 337 Bücherbesitz in Emmendingen während des 18. Jahrhunderts ............. 340 Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... 351 Abbildungen und Tabellen .................................................................... 351 Quellen- und Literaturverzeichnis ......................................................... 352
Inhalt
9
Personenregister..................................................................................... 383 Ortsregister ............................................................................................ 402
VORWORT Als ich im Januar 1994 das Angebot erhielt, im Rahmen der damals neu konzipierten Geschichte der Stadt Emmendingen die Periode zwischen 1650 und 1800 zu bearbeiten, ahnte ich noch nicht, dass dies der Beginn einer 15 Jahre dauernden intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema werden würde. Ein erster Blick in das städtische Archiv und in das Repertorium des Generallandesarchivs Karlsruhe ließ jedoch bereits erahnen, welche Schätze hier zu heben waren. Schnell war klar, dass der Überblick über die Stadtgeschichte des späten 17. und 18. Jahrhunderts lediglich der Auftakt zu einer umfassenderen Beschäftigung mit Emmendingen und seinen Bewohnern sein würde. Auf dem Weg vom Archiv zum Buch haben mich zahlreiche Institutionen und Personen unterstützt und begleitet. Mein Dank gebührt zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive, besonders Hans-Jörg Jenne im Stadtarchiv Emmendingen, der alle meine Wünsche unbürokratisch erfüllte und hervorragende Arbeitsbedingungen für eine Mutter kleiner Kinder bereitstellte. Gerhard A. Auer vom Kreisarchiv Emmendingen hat manche Türen zu schwer zugänglichen Archivbeständen geöffnet und mich in verschiedene regionalgeschichtliche Projekte eingebunden. Die Kirchenbücher konnten noch vor ihrer Überstellung an das Archiv des Evangelischen Oberkirchenrats in Karlsruhe im evangelisch-lutherischen Gemeindearchiv Emmendingen eingesehen werden. Die Gemeindearchive Denzlingen und Eichstetten ermöglichten mir die Auswertung der Grund- und Unterpfandprotokolle, und die reichhaltigen Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe erwiesen sich als weitere reiche Fundgrube. Die Konsultation des Archivs der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) bestätigte die Vermutung enger Beziehungen zwischen der badischen Oberamtsstadt und dem Zentrum des Pietismus. Der Austausch mit dem damaligen Archivleiter und heutigen Direktor der Franckeschen Stiftungen, Dr. Thomas Müller-Bahlke, war ausgesprochen fruchtbar. Drei Jahre lang, von 1995 bis 1998, wurde die Arbeit an diesem Projekt durch ein Stipendium im Rahmen des Hochschulsonderprogramms II/III an der Universität Augsburg gefördert und von Prof. Dr. Rolf Kießling betreut. Marion MaggSchwarzbäcker vom Frauenbüro der Universität Augsburg gebührt mein Dank für die unkomplizierte Unterstützung und insbesondere für die Gewährung von Zulagen zur Finanzierung der Kinderbetreuung zu einer Zeit, als dies an deutschen Universitäten noch keineswegs selbstverständlich war. Während eines einjährigen Aufenthalts an der Pennsylvania State University (1999/2000) konnte ich die Bibliothek des Juniata College mit ihren umfangreichen historischen Buchbeständen nutzen. Die Gespräche mit dem inzwischen verstorbenen Archivar des College, Prof. Dr. Donald F. Durnbaugh, waren dabei stets motivierend. Die Arbeit am Max Kade Institute for German-American Studies
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Vorwort
unter der Leitung von Prof. Dr. A. Gregg Roeber und Prof. Dr. Francis G. Gentry im Sommer 2000 ermöglichte es mir, die Spuren einiger Emmendinger über den Atlantik hinweg zu verfolgen. Für Einladungen zu Tagungen und den Gedankenaustausch zu Themen der Geschlechter-, Sozial- und Regionalgeschichte danke ich besonders Prof. Dr. André Holenstein (Bern), dessen Wege sich eine Zeitlang bei Konferenz- und Archivbesuchen immer wieder mit meinen kreuzten, Prof. Dr. Barbara KrugRichter (Saarbrücken), Dr. Gisela Wilbertz (Lemgo), Prof. Dr. Martin Dinges (Stuttgart) und Prof. Dr. Hartwin Brandt (Bamberg). Ausgesprochen anregend war der Austausch mit den Mitarbeitern und Freunden im Freiburger DFG-Projekt „Reichweite und Grenzen der Integration ethnischer und religiöser Minderheiten in der Frühen Neuzeit“, Dr. Martin Zürn, Dr. Irmgard Schwanke und Eva Wiebel. Für das Korrekturlesen des Manuskripts und zahlreiche Anmerkungen danke ich herzlich Prof. Dr. Hermann Wellenreuther (Göttingen) und Dr. Manfred Franze (Ebermannstadt). Kurt Heinzmann (Freiburg-Tiengen) versorgte mich mit zahlreichen familiengeschichtlichen Informationen und Dr. Hans-Jörg Künast (Augsburg) mit bibliographischen und buchgeschichtlichen Hinweisen. Die Verantwortung für alle verbliebenen Fehler und Irrtümer liegt selbstverständlich allein bei mir. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2011 von der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz als Habilitationsschrift angenommen. Mein besonderer Dank gilt hier Prof. Dr. Gerhard Dohrn-van Rossum, der das Erstgutachten übernommen hat, und Prof. Dr. Christoph Fasbender, der als Dekan die Habilitationskommission geleitet hat. Prof. Dr. Susanne Schötz (Dresden) und Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber (Augsburg) haben meine Forschungen über Jahre hinweg gleichermaßen wohlwollend und kritisch begleitet und die externen Gutachten verfasst. Den Herausgebern der VSWG-Beihefte, insbesondere Prof. Dr. Günther Schulz (Bonn), gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in ihre Schriftenreihe. Dr. Thomas Schaber und Katharina Stüdemann betreuten das Manuskript von Seiten des Steiner-Verlags. Eva Wiebel (Konstanz) erstellte den Satz. Für Druckkostenzuschüsse in Zeiten klammer Kassen möchte ich mich ganz herzlich bei der Stadt Emmendingen, der Sparkasse Breisgau-Nord, der Bürgerstiftung Emmendingen und der Volksbank Breisgau-Nord e.G. sowie beim Landkreis Emmendingen bedanken. Die Arbeit an dieser Monographie hat – mit verschiedenen Unterbrechungen – viele Jahre in Anspruch genommen. Mein Mann Mark hat mich auf dem langen Weg in jeder erdenklichen Weise unterstützt und ermuntert. Unsere Kinder Maximilian und Teresa haben nicht nur Emmendingen und seine Umgebung auf vielen Ausflügen mit uns erkundet, sondern mich auch sonst immer wieder in den Alltag zurückgeholt. Alle drei haben ihren Anteil an diesem Buch, das ohne sie sicher ein anderes geworden wäre. Bamberg, im August 2012 Michaela Schmölz-Häberlein
Entsinnt ihr euch? Ich nahm euch auf die Reise, gleich Vögeln solltet ihr die Erde schaun. Die Bäume rauschten euch die alte Weise: Wie Frucht und Blatt dem Element zu traun. (Marie Luise Kaschnitz, Der alte Garten)
I. EINLEITUNG 1. THEMA In einem fiktiven Gespräch mit ihren Protagonistinnen, der jüdischen Kauffrau Glikl, der katholischen Nonne Marie de l’Incarnation und der protestantischen Künstlerin und Naturforscherin Maria Sybilla Merian, mit dem die Historikerin Natalie Zemon Davis ihr Buch „Drei Frauenleben“ einleitet, unterstellt Merian der Historikerin, dass nicht die historischen Figuren, sondern sie selbst auf Abenteuer aus sei. Alle drei historischen Persönlichkeiten fragen die Autorin, wie ihre unterschiedlichen Lebensweisen, Wertvorstellungen und Glaubensauffassungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können, denn das Geschlecht sei für sie nicht das Verbindende.1 Davis’ biographischer Zugang zu drei völlig unterschiedlichen Frauengestalten des 17. Jahrhunderts zeigt viele Gemeinsamkeiten auf: die Bedeutung von Herkunft und Familie, von Geburt und Tod, von Bildung und besonders von Religion. Alle drei Frauen hinterließen umfangreiche schriftliche Zeugnisse und waren aufgrund der aktiven Gestaltung ihrer Handlungsspielräume und der Reflexion darüber sicher nicht der Regelfall von Frauen des 17. Jahrhunderts. Gerade ihr Ausnahmecharakter ermöglicht es der Historikerin jedoch, die Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion weiblicher Lebensgestaltung in der Frühen Neuzeit auszuloten. Das Anliegen, eine Geschichte der badischen Kleinstadt Emmendingen im 18. Jahrhundert unter geschlechtergeschichtlicher Perspektive zu schreiben, mag im Vergleich zu Davis’ „Drei Frauenleben“ noch weitaus gewagter erscheinen, da mit Ausnahme von Cornelia Schlosserin, der Schwester Johann Wolfgang von Goethes und Frau des badischen Oberamtmanns und Physiokraten Johann Georg Schlosser, keine Selbstzeugnisse überliefert sind. Und gerade Cornelia Schlosserin, deren Leben wiederholt in populärwissenschaftlichen und literarischen Werken beschrieben wurde,2 wird in diesem Buch nur eine Nebenrolle spielen, da sie insgesamt nur dreieinhalb Jahre in Emmendingen lebte und in dieser Zeit eine große soziale und mentale Distanz zu den übrigen Bewohnerinnen und Bewohnern der kleinen Amtsstadt hielt. Biographien „einfacher“ Frauen – von Pfarrer-, Kaufmanns- und Handwerkerfrauen, Tagelöhnerinnen und Dienstmägden – sind 1 2
Davis, Drei Frauenleben, S. 7–10. Damm, Cornelia Goethe. Benz, Cornelia Goethe. Pohl, Miniaturen. Rothmund, Cornelia.
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Einleitung
nach meiner Überzeugung weitaus geeigneter, um sowohl „typische Probleme der jeweiligen Alltags- und Lebenswelt als auch charakteristische Ereignisse und Strukturen der (…) Stadtgeschichte“ darzustellen.3 Es geht hier also um eine Biographik der „kleinen Leute“, um Frauen, von deren Lebensumständen wir nur durch die Auswertung serieller Quellen Kenntnis erhalten. Die vergleichsweise wenigen „Egodokumente“ in Form von Suppliken und Verhörprotokollen, die aus Emmendingen im 18. Jahrhundert überliefert sind, bieten zwar punktuelle Einblicke in die Motive und Verhaltensweisen von Individuen.4 In erster Linie basiert die folgende Darstellung von weiblichen Lebensläufen und Geschlechterrollen im 18. Jahrhundert jedoch auf der reichhaltigen Überlieferung serieller Quellen wie Ratsprotokollen, Rechnungen, Eheverträgen, Testamenten, Vermögensinventaren, Kirchenbüchern sowie Kauf-, Tausch- und Unterpfandprotokollen. Die dichte Quellenüberlieferung ermöglichte es, eine erstaunliche Menge an Informationen über das demographische und ökonomische Verhalten Emmendinger Frauen, ihre Lebensumstände, Familien- und Sozialbeziehungen, Alltags- und Krisenerfahrungen zusammenzutragen. Die vorliegende Arbeit gleicht damit einem Puzzle, das aus unzähligen Einzelteilen zusammengesetzt ist. Mit Davis’ „Drei Frauenleben“ hat diese Studie gemeinsam, dass sie neben dem Faktor „Geschlecht“ auch konfessionelle bzw. religiöse Unterschiede stets mitberücksichtigt. In der zur lutherischen Markgrafschaft Baden-Durlach (ab 1771 zur Markgrafschaft Baden) gehörenden Stadt, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa tausend Einwohner zählte, lebten neben Lutheranern auch Angehörige verschiedener konfessioneller bzw. religiöser Minderheiten. Im Jahre 1732 waren zehn Prozent der Haushaltsvorstände keine Lutheraner: Es gab damals sieben jüdische, einen katholischen, zwei calvinistische und einen reformierten Haushalt. Unter den 180 Haushalten des Jahres 1769 finden sich drei katholische, ein reformierter und sechs jüdische Haushalte. Dies entspricht einem nichtlutherischen Bevölkerungsanteil von etwa sechs Prozent. Im Jahre 1804 waren elf Prozent der Einwohner jüdischen Glaubens, während der Anteil der Katholiken bei knapp drei Prozent lag.5 Auch in mehreren Landgemeinden des Oberamts Hochberg lebten Juden, und einige große Hofgüter in der näheren Umgebung Emmendingens waren an Täufer verpachtet.6 Schließlich grenzte das Oberamt an katholische vorderösterreichische Gebiete an, und innerhalb des Oberamts gab es 3 4
5
6
Scheffler/Wilbertz, Einleitung, S. 10. Vgl. Bumiller, Biographik, S. 29–43. Zu seriellen Quellen besonders S. 36–37. Zu EgoDokumenten und ihrem Nutzen für die Geschichtswissenschaft vgl. Schulze (Hrsg.), EgoDokumente. Berechnet aus StadtA Emmendingen, B IV/3 Fasz. 7 Salzumlageregister; Geographisch statistische Beschreibung 1804, S. 334 in Verbindung mit einer Familienrekonstitution. Nicht berücksichtigt ist hierbei die Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit der Dienstboten, da diese kaum durch die Kirchenbücher zu fassen sind und auch sonst nur in den Quellen erscheinen, wenn sie straffällig geworden sind. Vgl. Häberlein/Schmölz-Häberlein, Eighteenth-Century Mennonites. Schmölz-Häberlein, Täufer, Juden. Schmölz-Häberlein, „Wiedertäufer, die wackere Leut sind“.
Einleitung
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katholische Enklaven, zu denen vielfältige wirtschaftliche und soziale Beziehungen bestanden. Eine Studie über Emmendingen im 18. Jahrhundert verspricht daher auch Aufschlüsse über das Zusammenleben unterschiedlicher religiöser Gruppen. In den letzten beiden Jahrzehnten sind zwar mehrere wichtige Studien zur Koexistenz verschiedener christlicher Religionsgemeinschaften7 bzw. von Christen und Juden8 in mitteleuropäischen Stadt- und Landgemeinden entstanden. Die Verknüpfung einer Perspektive auf das Zusammenleben in einer religiös differenzierten Gemeinde mit einem geschlechtergeschichtlichen Blickwinkel wurde in der deutschsprachigen Frühneuzeitforschung bislang jedoch nur von Claudia Ulbrichs innovativer mikrohistorischer Untersuchung der lothringischen Gemeinde Steinbiedersdorf geleistet.9 Die weibliche Bevölkerung Emmendingens war jedoch nicht nur in religiöser, sondern auch in ständischer und sozialer Hinsicht vielfältig differenziert. Mit Begriffen wie „Kleinstadt“ oder „Ackerbürgerstadt“ assoziiert man zwar häufig eine homogene, statische und selbstgenügsame Bevölkerung, doch zeigen die Quellen, dass Städte wie Emmendingen auch von erheblicher Mobilität und Dynamik geprägt waren. Während es einzelne Kaufleute und unternehmerisch handelnde Gewerbetreibende zu beträchtlichem Reichtum und Ansehen bringen konnten,10 waren auch sozialer Abstieg und geschäftliches Scheitern nicht selten. Von den bürgerlichen Haushalten der Kaufleute und Gewerbetreibenden, die die Mehrheit der Bevölkerung bildeten, sind einerseits die privilegierten Haushalte der Beamten und Pfarrer zu unterscheiden, die als markgräfliche Bedienstete von bürgerlichen Rechten und Pflichten befreit waren. Andererseits grenzten sich die Bürger von den unterprivilegierten Gruppen der – in der Regel armen – Hintersassen und Tagelöhner ab.11 Zugleich waren Beamte, Händler, Gewerbetreibende und Unterschichten keine monolithischen Gruppen, sondern auf vielfältige Weise miteinander verflochten. Die Untersuchungsgemeinde wird daher als ein sozial und ökonomisch differenzierter Mikrokosmos betrachtet. An diese dreifache Differenzierung nach Geschlecht, Religion und Stand schließt sich eine Reihe von Fragen an: Sind die Orte, an denen wir Frauen begegnen, eher geschlechtsspezifisch oder eher sozial bzw. ständisch geprägt? In welchen Kontexten treten Frauen als eigenständige, homogene Gruppe in Erscheinung, in welchen nahmen sie den ihnen gesellschaftlich zugewiesenen Platz ein? Was verbindet die Amtmanns- und die Pfarrersgattin mit der Frau des Handwerksmeisters und Tagelöhners, die Ehefrau mit der ledigen Mutter, die Bürgerfrau oder –witwe mit der Dienstbotin oder gar mit der Vagantin? Wie wirkt sich 7 8
Zschunke, Oppenheim. François, Die unsichtbare Grenze. Ullmann, Nachbarschaft und Konkurrenz. Ullmann, Kontakte und Konflikte. Deventer, Das Abseits. Rauscher, Langenlois. 9 Ulbrich, Shulamit und Margarete. Ingendahl, deren Arbeit sich mit Witwen in der Reichstadt Ravensburg im 17. und 18. Jahrhundert auseinandersetzt, klammert hingegen die Bikonfessionalität weitgehend aus. Ingendahl, Witwen. 10 Ein Beispiel bei Schmölz-Häberlein, Johann Wilhelm Zimmermann. 11 Vgl. ausführlich Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 322-355.
16
Einleitung
die Religionszugehörigkeit auf die Lebensverhältnisse von Frauen und ihr Verhältnis zueinander aus? Was hatten christliche und jüdische Frauen gemeinsam, worin unterschieden sie sich? Ist die sozioökonomische Stellung oder die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe letztlich wichtiger als der Aspekt des Geschlechts?12 Mittels einer möglichst umfassenden Rekonstruktion der Lebenswelten und Erfahrungen Emmendinger Frauen des 18. Jahrhunderts sollen Antworten auf diese Fragen gegeben, Zusammenhänge zwischen Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft exemplarisch verdeutlicht und die Unterschiede zu den Handlungsspielräumen und Erfahrungen von Männern herausgearbeitet werden.13
2. FORSCHUNGSSTAND Als Sozial- und Geschlechtergeschichte einer südwestdeutschen Kleinstadt im 18. Jahrhundert kann diese Untersuchung auf kein unmittelbares Vorbild zurückgreifen, da kleine Städte im deutschsprachigen Raum bislang nicht unter einer geschlechtsspezifischen Perspektive untersucht wurden und die Heterogenität der Quellen eine Kombination verschiedener Untersuchungsansätze unumgänglich macht. Eine Reihe von thematischen, konzeptionellen und methodischen Impulsen bezieht sie jedoch aus der neueren Geschlechtergeschichte, insbesondere zur Frühen Neuzeit, aus der historischen (Klein-)Stadtforschung sowie aus lokal- und regionalgeschichtlichen Arbeiten.
2.1. Geschlechtergeschichte In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Einsicht, dass „die historischen Erfahrungen von Männern und Frauen sehr unterschiedlich sind“,14 die internationale Geschichtswissenschaft stark verändert. Auch innerhalb der deutschsprachigen Forschung hat die Frauen- und Geschlechtergeschichte ihr ursprüngliches Nischendasein mittlerweile überwunden und sich als fester Bestandteil des geschichtswissenschaftlichen „Mainstream“ etabliert.15 Die dynamische und teilweise rasante Entwicklung des Forschungsfelds dokumentieren eine Reihe von Sammelbänden,16 Forschungsüberblicken und Einführungswerken17 sowie eigene Zeitschrif-
12 Zur Problematik von Stand und Geschlecht vgl. die Ausführungen bei Opitz, Um-Ordnungen, S. 134–137. 13 Vgl. hierzu auch Kessel/Signori, Geschichtswissenschaft, S. 116–117. 14 Wunder, Er ist die Sonn’, S. 7. 15 Einen Überblick über die Entwicklung des Forschungsfeldes geben Schwarzkopf u.a., Geschlechtergeschichte. Opitz, Um-Ordnungen, S. 16–86. 16 Wunder/Vanja (Hrsg.), Weiber. Ulbricht (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern. Rublack (Hrsg.), Gender. Hausen, Frauengeschichte. Medick/Hausen (Hrsg.), Geschlechtergeschichte.
Einleitung
17
ten.18 Bereits in den 1990er Jahren erschienen mehrere Werke, die einen Überblick über die vielfältigen Rollen, Lebensformen und Erfahrungen von Frauen in der Frühen Neuzeit geben. Während Heide Wunders Überblicksdarstellung sich auf Mitteleuropa konzentriert, beziehen die englische Historikerin Olwen Hufton, deren Werk „Frauenleben“ gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen umfassend berücksichtigt, sowie die von einem französischen Historiker(innen)team verfasste „Geschichte der Frauen“ ihr Anschauungsmaterial vor allem aus dem westeuropäischen Raum.19 Als programmatische Schrift, die das Feld der Geschlechtergeschichte maßgeblich konstituiert hat, ist Joan Scotts Essay zu Gender als Kategorie der Forschung in mancher Hinsicht bis heute wegweisend. Scott machte darin nachdrücklich auf die Abhängigkeit historischer Rekonstruktion und Interpretation von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Machtverhältnissen aufmerksam. „Die Realität, auf die sich die Interpretation der HistorikerIn bezieht, wird erst durch die Interpretation selbst produziert, obwohl sich die Legitimität dieser Interpretation auf den Glauben an eine Realität stützt, die außerhalb oder vor dem Akt des Interpretierens existiert. Geschichtswissenschaft funktioniert also in einem unentwirrbaren Zusammenhang von Realität und Interpretation, die ständig verleugnet wird.“20 Die Einbeziehung der Dimension Gender ermöglicht es Scott zufolge, Lebensbereiche, die scheinbar ausschließlich auf männliche Normen und Werte hin ausgerichtet waren und sind, unter einem neuen Blickwinkel zu untersuchen und die häufig verborgene bzw. übersehene Rolle von Frauen sichtbar zu machen.21 Dabei hat das englische Wort Gender gegenüber dem deutschen „Geschlecht“ den Vorteil, dass es soziale und kulturelle Rollenzuweisungen fokussiert und nicht wie der deutsche Begriff auch das biologische Geschlecht (Sex) einschließt. Durch die Untersuchung sozialer und kultureller Konstruktions- und Verständigungsprozesse kann Scott zufolge die „stillschweigende Festschreibung von Männlichkeit und Weiblichkeit auf angeblich unhintergehbare biologische und/oder epistemologische Gegebenheiten (…) aufgesprengt werden.“22 Obwohl dieser Ansatz vielfach kritisiert worden ist, hat Scotts Postulat, „Geschlecht“ nicht primär als biologische, sondern vielmehr als soziale und kulturelle Kategorie zu verstehen, die Entwicklung des Forschungsfeldes nachhaltig geprägt. In gewisser Weise bestätigt die Tatsache, dass sich inzwischen auch die Männergeschichte als eigene Subdisziplin etabliert hat, die sich mit dem historischen Wandel von
17 Opitz, Um-Ordnungen. Griesebner, Feministische Geschichtswissenschaft. Habermas, Geschlechtergeschichte. Kessel/Signori, Geschichtswissenschaften. Schwarzkopf u.a., Geschlechtergeschichte. 18 Für den deutschsprachigen Raum ist hier insbesondere die Zeitschrift L’Homme zu nennen. 19 Wunder, Er ist die Sonn’. Hufton, Frauenleben. Duby/Perrot (Hrsg.), Geschichte der Frauen Bd. 3. 20 Scott, Nach der Geschichte, S. 6. Zur Kritik an Scott vgl. Opitz, Um-Ordnungen, S. 60–69. 21 Scott, Gender. Vgl. auch Bock, Women´s History, S. 7–30. 22 Stephan/von Braun, Einleitung, S. 3–4.
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Einleitung
Männlichkeitskonzepten und Männerrollen befasst, besonders nachdrücklich den Erfolg der modernen Geschlechtergeschichte.23 Es kann an dieser Stelle allerdings nicht darum gehen, einen weiteren Überblick über Tendenzen und Stand der Geschlechtergeschichte zu geben. Vielmehr sollen hier lediglich einige Forschungsstränge knapp skizziert werden, die für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung sind. Zu nennen sind zunächst Studien, die die Lebenszusammenhänge von Frauen in der frühneuzeitlichen Stadt und ihre Teilnahme am städtischen Alltag wie auch in bestimmten Ausnahmesituationen – etwa Unruhen und Revolten – thematisiert haben. Den Untersuchungen von Natalie Zemon Davis und Arlette Farge zu Frauen im frühneuzeitlichen Lyon und Paris kommt hier eine Pionierrolle zu.24 Für den deutschsprachigen Raum liegt mittlerweile eine Reihe von „Frauen-Stadtgeschichten“ vor, die das Ziel verfolgen, „im überschaubaren städtischen Kontext die ökonomischen, sozialen, politischen, kulturellen und geschlechtsspezifischen Faktoren in ihrem Zusammenhang zu analysieren.“25 Ausführlich auf die Periode der Frühen Neuzeit gehen unter anderem die „Frauen-Stadtgeschichten“ zu Basel, Karlsruhe, Münster und Magdeburg ein. Diese in der Regel von Teams von Autor(inn)en verfassten Werke stellen allerdings mitunter recht heterogene Sammlungen von Einzelbeiträgen dar.26 Dass die Erforschung der sozialen, wirtschaftlichen und öffentlichen Aktivitäten von Frauen in frühneuzeitlichen Städten nach wie vor erhebliche Defizite aufweist, hat jüngst Susanne Claudine Pils betont.27 Weiterhin sind für diese Arbeit sozialgeschichtliche und historischanthropologische Studien zu den Themen Ehe, Sozialisation, Sexualität und körperliche Wahrnehmung von besonderem Interesse, weil sie deutlich gemacht haben, dass es sich dabei nicht um anthropologische Konstanten handelte, sondern um Konzepte bzw. Institutionen, die historischem Wandel unterlagen und von einer Vielzahl von Faktoren – herrschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen, religiösen und wissenschaftlichen Weltbildern, individuellen Dispositionen – beeinflusst wurden.28 Neuere Forschungen zur Rolle von Frauen in der frühneuzeitlichen Wirtschaft betonen zwei gegensätzliche Tendenzen. Auf der einen Seite hat eine Reihe von 23 Vgl. zur Männergeschichte Schmale (Hrsg.), MannBilder. Dinges (Hrsg.), Hausväter. Dinges (Hrsg.), Männer. Eifert (Hrsg.), Was sind Frauen? Kühne, Männergeschichte. Opitz, UmOrdnungen, S. 77–86. 24 Davis, Frauen und Gesellschaft. Farge, Women in the City. 25 Labouvie (Hrsg.), Magdeburg, S. 4. 26 Wunder (Hrsg.), Frauen in der Stadt. Stadt Karlsruhe (Hrsg.), Karlsruher Frauen. Alfing/Schedensack (Hrsg.), Münster. Labouvie (Hrsg.), Magdeburg. Vgl. auch den Sammelband von Hödl (Hrsg.), Frauen in der Stadt. 27 Pils, Raum schichten. 28 Burghartz, Zeiten der Reinheit. Gleixner, Hebammen. Labouvie, Beistand in Kindsnöten. Labouvie, Andere Umstände. Lorenz, Kriminelle Körper. Lorenz, Schwangerschaftswahrnehmungen. Lorenz, Leibhaftige Vergangenheit. Lutz, Ehepaare. Metz-Becker, Geburtshilfe. Schlumbohm (Hrsg.), Geschichte der Geburt. Van Dülmen (Hrsg.), Körper-Geschichten. Zum Verhältnis von Geschlechtergeschichte und historischer Sozialisationsforschung vgl. Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 83–84.
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Studien eine zunehmende Verdrängung von Frauen aus dem Wirtschaftsleben durch Zünfte, Gilden und andere Korporationen konstatiert,29 auf der anderen Seite wurden die vielfältigen Formen häuslicher und außerhäuslicher weiblicher Erwerbsarbeit (Taglohn, Heimarbeit, Gesindedienst etc.) dokumentiert.30 Ungeachtet obrigkeitlicher und korporativer Versuche, Frauen aus Tätigkeiten in Gewerbe und Handel auszuschließen oder diese zu beschränken, blieben Frauen weiterhin intensiv in Produktions- und Austauschprozesse eingebunden. Insbesondere Studien zu großen Handels- und Gewerbestädten wie Augsburg und Leipzig haben gezeigt, dass zünftige und obrigkeitliche Reglementierungen keineswegs zwangsläufig zur Exklusion von Frauen führen mussten und Frauen sowohl im Kleinund Einzelhandel als auch in einigen Zunfthandwerken sehr präsent waren.31 Die Kriminalitätsgeschichte, die sich in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft seit den späten 1980er Jahren entwickelt hat und bis heute einen Schwerpunkt im Bereich der Frühen Neuzeit aufweist,32 hat geschlechtsspezifischen Fragestellungen und Perspektiven von Anfang an große Aufmerksamkeit geschenkt. Zum einen enthalten Strafgerichtsakten eine Vielzahl von Informationen zu Frauen, die aus anderen Quellen nicht oder nur schwer zu rekonstruieren sind; zum anderen haben Vergleiche weiblicher und männlicher Delinquenz sowie detaillierte Untersuchungen der Verhaltensweisen und Strategien von Frauen vor Gericht neue Einsichten in die soziale und kulturelle Konstruktion bzw. „Markierung“ von Geschlecht in der Vormoderne erbracht.33 Für die Stadt Emmendingen und das Oberamt Hochberg sind zwar keine Kriminalakten seriell überliefert, da diese offenbar im Rahmen von „Säuberungsaktionen“ des Generallandesarchivs Karlsruhe um die Mitte des 19. Jahrhunderts vernichtet wurden, aber die Ratsund Kirchenzensurprotokolle im Stadtarchiv Emmendingen enthalten Informationen über zahlreiche innerstädtische Konflikte und Fälle von deviantem Verhalten, für deren Untersuchung Fragestellungen und Erkenntnisse der historischen Kriminalitätsforschung fruchtbar gemacht werden können. Insgesamt wird „Geschlecht“ in dieser Untersuchung – in Übereinstimmung mit Positionen der Geschlechtergeschichte – als zentrales gesellschaftliches Strukturprinzip verstanden und untersucht. Es geht darum, die Aktivitäten und Verhaltensweisen von Frauen im städtischen Leben sichtbar zu machen, die Handlungs29 Wiesner, Working Women. Dies., Guilds. Ogilvie, A Bitter Living. 30 Dürr, Mägde in der Stadt. Medick, Weben und Überleben. Fitz, Heimarbeit. Rippmann/ Simon-Muscheid/ Simon (Hrsg.), Arbeit, Liebe, Streit. 31 Werkstetter, Frauen im Zunfthandwerk. Schötz, Handelsfrauen. Vgl. auch Barth-Scalmani, Salzburger Handelfrauen. Labouvie, Unternehmerinnen. Ingendahl, Witwen. 32 Die Entwicklung der historischen Kriminalitätsforschung in Deutschland dokumentieren die Sammelbände von Blauert/Schwerhoff (Hrsg.), Waffen der Justiz. Blauert/Schwerhoff (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte. Siehe ferner den Aufsatz von Eibach, Kriminalitätsgeschichte sowie die Einführung von Schwerhoff, Aktenkundig und gerichtsnotorisch. 33 Vgl. Ulbricht (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin. Rublack, The Crimes of Women. Simon-Muscheid, Reden und Schweigen. Griesebner, Geschlecht als mehrfach relationale Kategorie. Griesebner, Konkurrierende Wahrheiten. Griesebner/Mommertz, Fragile Liebschaften.
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spielräume und Erfahrungen von Frauen und Männern vergleichend zu rekonstruieren und die Bedeutung des Geschlechterverhältnisses für die gesellschaftliche Ordnung der Stadt aufzuzeigen.
2.2. Kleinstadtforschung Die Stadtgeschichte hat in der deutschen wie in der internationalen Geschichtswissenschaft eine lange Tradition. Nachdem lange Zeit Fragen der Verfassung und Verwaltung, der Bevölkerungsentwicklung sowie der Wirtschafts- und Sozialstruktur im Mittelpunkt stadtgeschichtlicher Forschungen standen,34 erfreuen sich in den letzten Jahren rituelle, kommunikative und symbolische Praktiken35 sowie die soziale und kulturelle Konstruktion urbaner Räume verstärkter Aufmerksamkeit.36 Dabei dominieren zumindest im deutschsprachigen Raum bis heute Arbeiten zu großen Städten wie Augsburg, Nürnberg, Basel, Köln, Frankfurt und Hamburg. Das disproportionale Interesse an diesen „Großstädten“ dürfte auf deren historische Bedeutung ebenso zurückzuführen sein wie auf den Reichtum verfügbarer Quellen und etablierte Forschungstraditionen. Vor dem Hintergrund der Beobachtung, dass die große Mehrzahl der europäischen Städte in der Frühen Neuzeit Kleinstädte mit weniger als 2.000 Einwohnern waren, schenkt die Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren auch diesen kleineren Städten zunehmend Beachtung und fragt nach ihren administrativen, sozialen und wirtschaftlichen Charakteristika sowie nach ihrer Funktion und Bedeutung im Rahmen des frühneuzeitlichen Urbanisierungsprozesses.37 Als einflussreich erwies sich Mack Walkers bereits 1971 publizierte Studie „German Home Towns“. Walker stellte darin die These auf, dass deutsche Städte zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Ende des Alten Reichs, unabhängig von ihrem Rechtsstatus als freie Reichsstadt oder landesherrliche Stadt, von einer konservativen, selbstgenügsamen und innovationsfeindlichen Grundhaltung geprägt waren: „(…) the home town could not live with motion and change; stability, like separateness, was a condition of its existence and part of its definition.“ Walkers provokative These warf grundlegende Fragen nach dem Verhältnis von Tradition und Fortschritt, Statik und Dynamik in den Städten des Heiligen Römischen Reiches auf, die bis heute kontrovers diskutiert werden.38 34 Vgl. Gerteis, Städte. Schilling, Stadt in der Frühen Neuzeit. Friedrichs, German Cities. Ders., Early Modern City. Knittler, Die europäische Stadt. 35 Vgl. Schlögl (Hrsg.), Interaktion und Herrschaft. Poeck, Rituale der Ratswahl. 36 Vgl. besonders Rau/Schwerhoff (Hrsg.), Gotteshaus und Taverne. Rau/Hochmuth (Hrsg.), Machträume. 37 Aus europäischer Perspektive siehe Clark (Hrsg.), Small Towns. Forschungsüberblicke bei Flachenecker, Städte. Friedrichs, German Cities. Reininghaus, Idylle. Keller, Kleinstädte. Keller, Zwischen Stagnation. Für das 19. und 20. Jahrhundert siehe auch Zimmermann (Hrsg.), Kleinstadt. 38 Walker, German Home Towns, S. 5. Eine prägnante Zusammenfassung und Kritik von Walkers Thesen findet sich bei Keller, Zwischen Stagnation, S. 354–356.
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Ferner hat die Forschung die Rolle kleiner Städte mit Hilfe stadtgeographischer Konzepte von Zentralität und Stadt-Umland-Beziehungen betrachtet und ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Außenbeziehungen im Rahmen vormoderner „Städtelandschaften“ bzw. „Städtenetzwerke“ untersucht.39 Während die richtungsweisenden Arbeiten von Rolf Kießling zu Ostschwaben und von Tom Scott zum Oberrheingebiet sich auf das Spätmittelalter und die beginnende Neuzeit konzentrieren,40 haben Carl A. Hoffmann und Kathrin Keller die wirtschaftliche, soziale und politisch-administrative Rolle landesherrlicher Städte und Marktorte in Altbayern und Kursachsen im 17. und 18. Jahrhundert analysiert.41 Während diese Studien einem primär strukturgeschichtlichen und funktionalistischen Ansatz verpflichtet sind, wird die hier untersuchte Kleinstadt Emmendingen in erster Linie als Lebens- und Erfahrungsraum42 ihrer Bewohnerinnen und Bewohner betrachtet. Die Erkenntnisse der neueren Kleinstadtforschung sind dabei jedoch in zweifacher Hinsicht relevant. Zum einen sind die Lebensläufe und Handlungsweisen Emmendinger Frauen vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass die Stadt im späten 17. und 18. Jahrhundert dynamische Entwicklungsprozesse durchlief, mit denen ein Zugewinn an administrativen und wirtschaftlichen Zentralitätsfunktionen verbunden war (vgl. Kapitel II). Norbert Schindler hat diese Entwicklung jüngst mit Norbert Elias´ These vom „Prozess der Zivilisation“ in Verbindung gebracht.43 Zum anderen wird die Kleinstadt hier nicht als isolierter Mikrokosmos gesehen, sondern stets im Kontext ihrer Beziehungen zum Umland sowie zu anderen Städten innerhalb des oberrheinischen Raums. Dies gilt insbesondere für Migrationsprozesse sowie für Handels-, Kreditund Sozialbeziehungen der Einwohnerinnen und Einwohner Emmendingens (vgl. Kapitel V–VI).
2.3. Lokal- und Regionalgeschichte Die Forschungen zum badischen Oberrheingebiet in der Frühen Neuzeit konzentrierten sich lange Zeit auf den ländlichen Raum, insbesondere auf Probleme der Agrarverfassung sowie das Verhältnis von Herrschaft und Untertanen. Einen zeitlichen Schwerpunkt bildete die Periode aufgeklärter Reformpolitik unter Markgraf Karl Friedrich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Während Albrecht Strobel und Clemens Zimmermann sich auf Intentionen und Wirkungen staatli39 Vgl. Epstein (Hrsg.), Town and Country. Gräf, Kleine Städte. Keller/Gräf (Hrsg.), Städtelandschaft. Rudert/Zückert (Hrsg.), Kleine Städte. Speziell zum süddeutschen Raum: Treffeisen/Andermann (Hrsg.), Landesherrliche Städte. Flachenecker/Kießling (Hrsg.), Städtelandschaften. Flachenecker/Kießling (Hrsg.), Schullandschaften. 40 Kießling, Die Stadt und ihr Land. Kießling, Herrschaft-Markt-Landbesitz. Kießling, Kleinstädte und Märkte. Scott, Freiburg and the Breisgau. Scott, Mittel- und Kleinstädte. Scott, Regional Identity. 41 Hoffmann, Integration. Hoffmann, Landesherrliche Städte. Keller, Kleinstädte in Kursachsen. 42 Zu „Erfahrung“ als historischer Kategorie vgl. Münch (Hrsg.), Erfahrung. 43 Schindler, Prozess der Zivilisation.
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cher Reform- und Modernisierungsbestrebungen in der ländlichen Gesellschaft konzentrierten,44 hat André Holenstein in einer breit angelegten neuen Untersuchung und in einer Reihe von Aufsätzen das Verhältnis von Herrschaft und Untertanen in der Markgrafschaft Baden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Kommunikationsprozess beschrieben. Am Beispiel der Umsetzung obrigkeitlicher Gesetze und Verordnungen, der Praxis von Ortsvisitationen, Rug- und Frevelgerichten sowie Bittschriften und Suppliken von Untertanen zeigt Holenstein, dass Regierung und Verwaltung im Staat des Ancien Régime keine einseitig „von oben“ gesteuerten Prozesse waren, sondern Lokalbeamte und dörfliche Gesellschaften auf die administrative Praxis in vielfältiger Weise Einfluss nahmen.45 Im Kontext der Forschungen zum „aufgeklärten Absolutismus“ in Baden und der Regierungs- und Verwaltungspraxis des markgräflichen Staates im späteren 18. Jahrhundert hat auch die Person Johann Georg Schlossers (1739–1799), der zwischen 1774 und 1787 als Oberamtmann in Emmendingen wirkte und dort eine Reihe von administrativen Reformprojekten lancierte sowie eine rege philosophische und literarische Tätigkeit entfaltete, wiederholt das Interesse der Forschung gefunden.46 Seit den 1980er Jahren entstand eine größere Zahl von Stadt- und Ortsgeschichten zu oberrheinischen Städten wie Lahr, Endingen und Kenzingen47 sowie zu Dorfgemeinden des ehemaligen Oberamts Hochberg, das von Emmendingen aus verwaltet wurde. Diese in der Regel für ein interessiertes Laienpublikum konzipierten Werke sind keiner expliziten Fragestellung verpflichtet, sondern darum bemüht, ein möglichst vielfältiges und facettenreiches Bild der jeweiligen Lokalgeschichte vom Mittelalter bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert zu vermitteln. Für die vorliegende Arbeit liefern sie mitunter wichtige Hintergrund- und Vergleichsinformationen.48 Die wissenschaftlich anspruchsvollste dieser Stadt- und Ortsgeschichten ist zweifellos die von Heiko Haumann und Hans Schadek herausgegebene Stadtgeschichte von Freiburg im Breisgau; für Freiburg liegen außerdem eigene Untersuchungen zur demographischen Entwicklung und zur Sozialstruktur im 17. und 18. Jahrhundert vor.49 Für Emmendingen existierte bis vor kurzem lediglich die Ende des 19. Jahrhunderts von Heinrich Maurer geschriebene und wissenschaftlich längst überholte Stadtchronik. Nach einem kurzen Überblick über die Stadtgeschichte in der Kreisbeschreibung aus dem Jahre
44 Strobel, Agrarverfassung. Zimmermann, Reformen. 45 Holenstein, Bittgesuche, Gesetze und Verwaltung. Holenstein, Gesetzgebung und administrative Praxis. Holenstein, Klagen, anzeigen, supplizieren. Holenstein, Ordnung und Unordnung. Holenstein, Gute Policey. 46 Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Hrsg.), Johann Georg Schlosser. Gothein, Johann Georg Schlosser. Liebel, Enlightened Bureaucracy. Van der Zande, Bürger und Beamter. 47 Stadt Lahr (Hrsg.), Lahr. Treffeisen (Hrsg.), Kenzingen. Gaiser (Hrsg.), Endingen. 48 Vgl. exemplarisch Auer (Hrsg.), Vörstetten. Auer/Zotz (Hrsg.), Weisweil. Steffens (Hrsg.), Eichstetten. Auer (Hrsg.), Sexau. Schmidt (Hrsg.), Teningen. 49 Haumann/Schadeck (Hrsg.), Geschichte der Stadt Freiburg Bd. 2. Reiling, Bevölkerung, Schyle, Einwohner. Huggle, Johann Simler.
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200150 erschien der erste Band einer neuen Emmendinger Stadtgeschichte, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts reicht, im Herbst 2006. In meinem Beitrag zur Entwicklung zwischen 1650 und 1800 habe ich versucht, das von Maurer gezeichnete und seither oft wiederholte Bild eines „trübselige(n) Zustand(s)“, aus dem Emmendingen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts dank Johann Georg Schlossers Reformeifer erwacht sei, grundlegend zu revidieren.51 Schließlich befassen sich mehrere Untersuchungen mit den religiösen Minderheiten im frühneuzeitlichen Oberrheingebiet. Zur Geschichte der badischen Juden verfassten Berthold Rosenthal und Anton Zehnter bereits vor dem Zweiten Weltkrieg grundlegende Darstellungen.52 Seit Ende der 1980er Jahre sind Studien mit regional- und heimatgeschichtlichem Bezug entstanden, die oft wichtige Detailinformationen enthalten.53 André Holenstein legte einen zentralen Beitrag zur Praxis der Schutzaufnahme von Juden in der Markgrafschaft Baden vor.54 Mit den jüdischen und täuferischen Minderheiten im Oberamt Hochberg habe ich mich in mehreren Aufsätzen beschäftigt.55 In vergleichender Perspektive ist schließlich die Studie von Irmgard Schwanke zu Fremden in der katholischen Reichsstadt Offenburg im 17. und 18. Jahrhundert hervorzuheben, die zahlreiche neue Erkenntnisse zu den Lebensbedingungen, ökonomischen Aktivitäten und Integrationschancen von Zuwanderern und religiösen Minderheiten bietet.56
3. QUELLEN Da diese Arbeit eine umfassende Rekonstruktion weiblicher Lebenszusammenhänge, Handlungsspielräume und Verhaltensmuster anstrebt, basiert sie vor allem auf seriellen Quellen. Die Emmendinger Stadtrechnungen sind seit 1617 überliefert und seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges lückenlos erhalten. Auch die seit 1701 vollständig vorhandenen Ratsprotokolle bilden zahlreiche Aspekte städtischen Lebens ab; sie sind jedoch eine heterogene Quelle. Die Aufzeichnung von Ereignissen erfolgte ohne stringente innere Logik, und die inhaltlichen Schwerpunkte verschoben sich im Laufe des 18. Jahrhunderts. Während sich zu Beginn des Jahrhunderts beispielsweise noch das Aufdingen, also die offizielle Einschrei50 51 52 53
Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung. Maurer, Emmendingen, Zitat S. 97. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte. Rosenthal, Heimatgeschichte. Zehnter, Geschichte der Juden. Vgl. Schwemmer, Friedhöfe in Emmendingen. Günther, Symbole, S. 57–63. Günther, Juden aus Ihringen und Eichstetten. Günther, Emmendinger Juden. Teschenmacher, Juden in Emmendingen. 54 Holenstein, Bitten um den Schutz. 55 Schmölz-Häberlein, Integration und Ausgrenzung. Schmölz-Häberlein, „Wiedertäufer, die wackere Leute sind“. Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte. Schmölz-Häberlein, Täufer. Schmölz-Häberlein/Häberlein, Ansiedlung von Täufern. Häberlein/SchmölzHäberlein, Eighteenth-Century Mennonites. 56 Schwanke, Fremde in Offenburg. Ferner auch Schwanke, Nachbarschaft auf Zeit. Schwanke, Von Kaufleuten.
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bung von Lehrverträgen, in den Protokollen findet, ist dieser Vorgang im späteren 18. Jahrhundert nur noch in den Unterlagen der Zünfte dokumentiert.57 Auch Streitfälle zwischen Gemeindemitgliedern sind zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch detailliert in den Ratsprotokollen wiedergegeben; später finden sie sich in Einzelakten. Grundstücks- und Kreditgeschäfte wurden seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in eigenen Grund- und Unterpfandprotokollen und nicht mehr im Ratsprotokoll festgehalten. Außerdem nimmt der Umfang dieser Quellengattung gegen Ende des Untersuchungszeitraums deutlich zu, während die Qualität der Informationen spürbar nachlässt. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Selbstverwaltungskompetenzen der Stadt von der Landesherrschaft eingeschränkt und teilweise an das Oberamt übertragen wurden – ein Befund, der sich mit anderen Untersuchungen zu Städten am Ende des Ancien Régime deckt.58 Die erwähnten Grund- und Unterpfandprotokolle wurden im Hinblick auf die ökonomischen Aktivitäten von Emmendinger Frauen und Männern ausgewertet, und die Frevelgerichts- und Kirchenzensurprotokolle lieferten zahlreiche Informationen zu innerstädtischen Konflikten sowie zu Übertretungen kirchlicher und staatlicher Normen. Wiederholt enthalten Protokolle Hinweise, dass neue Regelungen zu ihrer Führung erlassen wurden. Im Gerichtsprotokoll der Gemeinde Niederemmendingen von 1775, das von Johann Georg Schlosser begonnen wurde, sind beispielsweise Richtlinien zur Protokollierung festgehalten. Demnach wurde nun auf eine saubere Trennung von Kauf- und Tauschkontrakten, Obligationen, Heiratsabreden und Testamenten Wert gelegt. Zur besseren Verwaltung der Einträge wurde verfügt, dass „die Nahmen der contrahierenden Persohnen (…) nicht nach dem Taufnahmen einzutragen“ seien, sondern als Ordnungskriterium der „Geschlechtsnahme“ zu verwenden sei59 – ein Hinweis darauf, dass bis dahin nicht konsequent der Nachname als Systematisierungskriterium verwendet wurde. Eine für die Emmendinger Sozialgeschichte sehr ergiebige Quelle sind die mehr als 500 Nachlass-, Zubringens- und Übergabeinventare aus dem 18. Jahrhundert, die Besitzverhältnisse und Vermögensentwicklung von Individuen und Familien dokumentieren. Unter kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten sind besonders die Auflistungen der Kleidung und des Buchbesitzes interessant, weil sie Rückschlüsse auf den Wandel von Kleidermoden und Lesegewohnheiten erlauben.60 Heiratsverträge, die die Rechte und Pflichten der Eheleute festschrieben, sowie Testamente, die den Transfer des Vermögens nach dem Tod des Erblassers 57 Außer den Protokollen der Weberzunft haben sich keine Zunftprotokolle erhalten. Allerdings finden sich im Stadtarchiv Emmendingen einige Meisterlisten, Gründungsurkunden oder Fragmente von Einschreibebüchern anderer Zünfte. Zur Auswertung der Weberzunftprotokolle vgl. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber. 58 Vgl. hierzu die Ausführungen von Rügge, Die deutschen Städte, S. 21–22. 59 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775. 60 Hilfreich in diesem Kontext war besonders die Arbeit von Medick, Weben und Überleben. Medick, Kultur des Ansehens. Zur Identifizierung von Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts wurde auf die Online-Kataloge der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, der Badischen Landesbibliothek sowie den Karlsruher Virtuellen Katalog zurückgegriffen.
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regelten, erwiesen sich für die Rekonstruktion von Sozialbeziehungen und Geschlechterverhältnissen als aufschlussreich. Akten der städtischen Institutionen, die Protokolle der Hochberger Weberzunft sowie die fragmentarische Überlieferung zu anderen Zünften ergänzen die Quellenbasis. Das Verordnungsbuch des Oberamts, das die Jahre von 1755 bis 1823 abdeckt, wurde offenbar nicht regelmäßig geführt, da es große Lücken aufweist. Es enthält oberamtliche Anweisungen an den Bürgermeister, den Spezialsuperintendenten als obersten Vertreter der lutherischen Kirche im Oberamt und die markgräflichen Bediensteten.61 In den Quellen finden sich immer wieder Briefe und autobiographische Notizen, die Einblicke in das Denken und Handeln von Individuen vermitteln. Aber auch zahlreiche Aussagen in Verhandlungen vor Rat und Gericht der Stadt, Suppliken und Verhörprotokolle lassen sich als Ego-Dokumente62 lesen und erlauben Aussagen zur Selbstwahrnehmung und Mentalität von Individuen. Sehr hilfreich bei der Rekonstruktion von Lebensläufen, familiären Beziehungen und demographischen Strukturen waren die zum großen Teil von dem früheren Stadtarchivar Ernst Hetzel erstellten und im Emmendinger Stadtarchiv verwahrten genealogischen Karteien der Stadt und des Stabes Emmendingen.63 Für eine Reihe von Umlandgemeinden existieren ebenfalls genealogische Familienkarteien oder gedruckte Ortssippenbücher, die in Kombination mit dem Emmendinger Material zur Rekonstruktion von Migrations- und Heiratsmustern verwendet wurden. Ergänzend zu den reichhaltigen Beständen des Emmendinger Stadtarchivs wurden die Emmendingen betreffenden Aktenbestände des Badischen Generallandesarchivs Karlsruhe herangezogen, die unter anderem eine Reihe zusätzlicher Testamente und Eheverträge enthalten.64 Neben dem Verlust der Kriminalakten stellt besonders die lückenhafte Überlieferung der Oberamtsprotokolle ein Manko dar, denn diese sind erst seit den 1770er Jahren – und noch dazu unvollständig – vorhanden. Nach einer Aussage des Stadtchronisten Heinrich Maurer wurden die Amtsprotokolle seit dem Jahre 1695 im späten 19. Jahrhundert noch in Karlsruhe aufbewahrt, so dass auch diese wohl einer Bereinigung der Bestände zum Opfer fielen.65 Trotz dieser Verluste bieten die mehr als 1500 die Stadt Emmendingen betreffenden Akten im Badischen Generallandesarchiv einen umfangreichen Fun-
61 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), 62 Vgl. hierzu besonders Schulze (Hrsg.), Ego-Dokumente. 63 Der Stab Emmendingen umfasste die Dörfer Niederemmendingen, Wasser, Kollmarsreute, Maleck und Windenreute mit den Höfen Zeismatt und Weiherhof, die zwar nicht die Privilegien und die Leibfreiheit der Stadt genossen, jedoch in Gerichts- und Steuerangelegenheiten mit der Stadt administrativ verbunden waren. 64 Zentral sind vor allem die Bestände GLA Karlsruhe, 198 und 137. Olivia Hochstrasser wies mich dankenswerter Weise darauf hin, dass bei dem von ihr bearbeiteten einzigen im Archiv vorhandenen Fall einer Kindsmörderin in Karlsruhe auf der Akte ein Vermerk aus den 1860er Jahren stehe, dass diese Akte nicht wie die übrigen Criminalia vernichtet werden solle. Dies könnte den Verlust sämtlicher Prozessakten erklären. 65 Maurer, Lateinschule, S. 4.
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dus an Informationen zu zahlreichen Aspekten der Stadtentwicklung und des städtischen Lebens. Um die Außenbeziehungen der Emmendinger Bevölkerung, etwa Migrationsverhalten und auswärtige Geschäftskontakte, zu untersuchen, wurden zudem ausgewählte Bestände der Gemeindearchive Niederemmendingen,66 Eichstetten am Kaiserstuhl und Denzlingen herangezogen. Die jüdischen Einwohner Niederemmendingens bildeten gemeinsam mit den Emmendinger Juden eine Gemeinde, und die Eichstetter Juden wurden fast das ganze 18. Jahrhundert über auf dem Emmendinger Begräbnisplatz bestattet. Denzlingen und Eichstetten waren außerdem relativ große und reiche Gemeinden, die rege Kontakte zur Amtsstadt unterhielten. Im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale fanden sich Hinweise zu einigen Emmendinger Bürgersöhnen, die dort zu Pfarrern oder Apothekern ausgebildet wurden. Als wichtiges Hilfsmittel zur Rekonstruktion von Bildungswegen erwiesen sich die Universitätsmatrikel. Unter den gedruckten Quellen verdient ferner die Beschreibung der Markgrafschaft Hochberg des Emmendinger Arztes Wilhelm Ludwig Willius als umfassende statistische Bestandsaufnahme des Oberamts am Ende der 1770er Jahre besondere Beachtung.67
4. METHODEN Um der Menge der Einzelbelege aus den seriellen Quellen Herr zu werden, wurde das Material prosopographisch in einer EDV-gestützten relationalen Datenbank erfasst. Mehr als 8.000 Personen konnten so verzeichnet werden, die wiederum mit 30.000 Beziehungen untereinander in ihr familiäres, gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld eingebunden werden konnten. 12.000 Daten zu den Besitzverhältnissen einzelner Personen sowie ungefähr die gleiche Zahl an Daten zu Aktivitäten und Ereignissen, die diese Personen betreffen, verdichten das Bild. Das Strukturprinzip der Datenbank besteht darin, dass sowohl personenbezogene Informationen wie Beruf, Konfession und Herkunftsort als auch Ereignisse wie Eheschließungen, Vertragsabschlüsse und Ämterbesetzungen bestimmten Akteuren zugeordnet werden können. Ferner können Beziehungen zwischen Personen – z.B. Verwandtschaft, Patenschaft, Vormundschaft, Arbeitsverhältnisse und Kreditbeziehungen – systematisch abgefragt werden. Damit kann die Datenbank sowohl unter quantitativen Gesichtspunkten – etwa zur Ermittlung des Durchschnittsalters bei der Erstheirat oder zur Berufsstruktur – als auch zur Rekonstruktion individueller Lebensläufe und sozialer Beziehungsgeflechte abgefragt werden. Eckhard Henning zufolge geht es bei der prosopographischen Methode nicht nur „um die Materialerfassung auf dem dünnen Boden des biographischen Vor-
66 Niederemmendingen gehört heute zur Stadt Emmendingen und sein Gemeindearchiv wurde ins Stadtarchiv eingegliedert. 67 Willius, Beschreibung. Zu Willius ausführlich die Kapitel II und V.
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felds, sondern um die analytische Auswertung der von ihr erstellten Sammel- oder Kollektiv-Biographien (...).“68 In dieser Studie werden die prosopographischen Daten einerseits verwendet, um individuelle Lebensläufe zu rekonstruieren. Mit der Rekonstruktion der Biographien „einfacher“ Individuen nimmt die Arbeit Impulse der Mikrogeschichte auf, die gezeigt hat, dass auch auf der Grundlage der Auswertung seriellen Quellenmaterials die Lebensumstände und Vorstellungswelten von Individuen69 sowie die Lebensverhältnisse in einem kleinräumigen Untersuchungsgebiet, etwa einem Haus70 oder in einer Gemeinde,71 detailliert erforscht werden können. Aus Sicht der Mikrogeschichte wird durch die Wahl eines kleinen Untersuchungsgegenstands die Analyse sozialer Feinstrukturen ermöglicht, deren Kenntnis wiederum ein neues Licht auf größere gesellschaftliche Entwicklungs- und Veränderungsprozesse wirft.72 Andererseits dient das prosopographische Datenmaterial dazu, Personen in ihre familiären, verwandtschaftlichen und sozialen Beziehungskontexte einzubetten und damit die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergründe von in den Quellen dokumentierten Ereignissen – etwa Wahlen, Geschäftsabschlüssen oder Konflikten – sichtbar zu machen. Hilfreich für die Konzeptualisierung des Verhältnisses von Individuum und sozialer Umgebung erweist sich hierbei das sozialanthropologische Konzept des Netzwerks. Die Netzwerkanalyse sieht Akteure als interdependente Individuen an, deren Beziehungen untereinander ihre individuellen Handlungs- und Verhaltensweisen beeinflussen, wobei die Verbindungen zwischen den Akteuren dem Transfer von – materiellen wie immateriellen – Ressourcen dienen.73 Die Anwendungsmöglichkeiten des Netzwerkkonzepts, das von Wolfgang Reinhard in den 1970er Jahren unter dem Begriff „Verflechtung“ in die deutschsprachige Frühneuzeitforschung eingeführt wurde,74 sind inzwischen an verschiedenen Untersuchungsgegenständen – etwa an städtischen Eliten,75 Scharfrichterfamilien,76 aufständischen Bauern77 und Lokalbeamten78 – erprobt worden.
68 Henning, Sozialgenealogie und Historische Demographie, Zitat S. 8. 69 Ginzburg, Der Käse und die Würmer. Ulbricht, Welt eines Bettlers. Huggle, Johann Simler. Einen methodisch innovativen Ansatz zu Biographien Lemgoer Bürgern und Bürgerinnen verpflichtet sich Wilbertz/Scheffler, Biographieforschung und Stadtgeschichte. 70 Hochstrasser, Ein Haus und seine Menschen. 71 Beck, Unterfinning. Van Deursen, Graft. Medick, Weben und Überleben. Sabean, Property, Production. Sabean, Kinship in Neckarhausen. Schlumbohm, Lebensläufe, Familien, Höfe. Schindler, Prozess der Zivilisation. 72 Vgl. hierzu Ulbricht, Mikrogeschichte, besonders S. 352–354. Schulze (Hrsg.), Alltagsgeschichte. Vgl. zur sozialgeschichtlichen Biographieforschung auch Gestrich/Knoch/Merkel, Biographie. 73 Wasserman/Faust, Social Network Analysis, S. 4. 74 Reinhard, Freunde und Kreaturen. Zur Weiterentwicklung des Konzepts auf dem Gebiet der römischen Elitenforschung vgl. Reinhardt, Verflechtung. 75 Sieh-Burens, Oligarchie. Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger. 76 Aus dem umfangreichen Werk von Gisela Wilbertz zu Scharfrichtern sei hier exemplarisch verwiesen auf: Wilbertz, Scharfrichter und Abdecker. Wilbertz, Mobilität.
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Während sich diese Studien in der Regel auf die prosopographische Erfassung und Analyse sozial mehr oder weniger homogener Gruppen konzentrieren, fehlen bislang umfassendere Rekonstruktionen sozialer Netzwerke in dörflichen und kleinstädtischen Gesellschaften.
5. AUFBAU DER ARBEIT Das folgende Kapitel gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte der Stadt zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Ende des Alten Reiches. Es vermittelt grundlegende Informationen zur Bevölkerungsbewegung, baulichen Entwicklung, Verfassung und Verwaltung sowie zur Wirtschafts- und Sozialstruktur Emmendingens und zeigt, welchen Einfluss die Kriege des späten 17. und 18. Jahrhunderts auf die Stadtentwicklung hatten. Als grundlegendes Faktum erscheint hier die Entwicklung von einer im Dreißigjährigen Krieg weitgehend zerstörten Kleinstadt mit wenigen hundert Einwohnern um 1650 zu einer prosperierenden Amtsstadt mit annähernd 1200 Bewohnern um 1800. Das anschließende Kapitel über die Lebenswege von neun Emmendinger Frauen stellt den Versuch dar, das seriell erhobene Quellenmaterial für einen biographiegeschichtlichen Zugang fruchtbar zu machen. Die hier vorgestellten Frauen wurden einerseits aufgrund der relativ großen Zahl an Spuren ausgewählt, die sie in den städtischen Quellen hinterlassen haben; andererseits repräsentieren sie verschiedene gesellschaftliche Schichten, religiöse Gruppen und Generationen. Neben den Frauen von erfolgreichen Kaufleuten, Beamten und Pfarrern, die in frühneuzeitlichen Quellen im allgemeinen besser dokumentiert sind als andere soziale Gruppen, richtet sich der Blick auch auf eine Weberin, eine ledige Dienstmagd und eine Vertreterin der jüdischen Minderheit. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit Ehe, Haushalt und Familie. Es präsentiert demographische Informationen zu Heiratsalter und Lebenserwartung sowie Quellenbefunde zu den Praktiken der Eheanbahnung, aber auch zu vor- und außerehelicher Sexualität, die gesellschaftlich offenbar weithin toleriert waren, im Verlauf des 18. Jahrhunderts jedoch von der markgräflichen Obrigkeit zunehmend stigmatisiert und sanktioniert wurden. Auf der Grundlage der zahlreich überlieferten Eheverträge werden ökonomische, soziale und rechtliche Aspekte der Eheschließung thematisiert. Während Ehescheidungen sehr selten vorkamen, wurden zahlreiche Ehen durch den frühzeitigen Tod eines Ehepartners aufgelöst, und Wiederverheiratungen waren ein häufiges Phänomen. Ferner zeigt dieses Kapitel, welche Erfahrungen Emmendinger Frauen mit elementaren Lebenssituationen wie Schwangerschaft, Geburt, Krankheit und Tod machten. Das fünfte Kapitel widmet sich Aspekten von Kindheit und Jugend und thematisiert die schicht-, geschlechts- und gruppenspezifisch ungleich verteilten Bil77 Zürn, Ir aigen libertet. Vgl. besonders die methodischen Überlegungen zur Nutzung des Netzwerkskonzepts für die Widerstandsforschung, S. 453–462. 78 Brakensiek, Fürstendiener.
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dungs- und Ausbildungschancen. Mit der Volksschule wird ein Bereich betrachtet, der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wiederholt Gegenstand staatlicher und lokaler Initiativen wurde; unter anderem wurden Mädchen und Jungen seit den 1770er Jahren getrennt unterrichtet und die Lehrinhalte deutlich „modernisiert“. Während die Möglichkeiten einer höheren akademischen Bildung sowie einer formalen Berufsausbildung grundsätzlich männlichen Jugendlichen vorbehalten waren, versuchten zumindest einzelne Emmendinger Frauen, die begrenzten Chancen zu nutzen, sich selbst weiterzubilden. Eine wesentliche Grundlage dafür stellten die Buchbestände in Privathaushalten dar, deren Umfang und thematisches Spektrum sich in der zweiten Jahrhunderthälfte erheblich verbreiterten. Am Ende des Kapitels wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich in Emmendingen lokale Formen einer eigenständigen jugendlichen Gruppenkultur finden. Kapitel sechs beschäftigt sich mit der Rolle von Frauen in der städtischen Ökonomie. Es untersucht die Erwerbstätigkeiten, denen Frauen als ungelernte Arbeitskräfte, als Ehefrauen und Witwen von Handwerkern sowie im Klein- und Einzelhandel nachgingen, und beschreibt ihre Aktivitäten auf den lokalen und regionalen Kapital- und Gütermärkten. Mehrere ausführlich dokumentierte Gantverfahren erlauben überdies Einblicke in die Handlungs- und Verhaltensweisen von Frauen im Falle geschäftlicher Schwierigkeiten. Das siebte Kapitel geht den Zusammenhängen von Geschlecht und Öffentlichkeit nach und untersucht die Präsenz von Frauen und Männern in öffentlichen Räumen wie dem Rathaus, dem Marktplatz, der Kirche, dem Friedhof und den städtischen Wirtshäusern sowie bei besonderen zeremoniellen Ereignissen wie Huldigungen, Herrscherbesuchen und Hinrichtungen. Eine günstige Überlieferungssituation zu Hebammenwahlen erlaubt es überdies, männliche und weibliche Wahlen im Emmendingen des 18. Jahrhunderts zu vergleichen. Das achte Kapitel widmet sich deviantem Verhalten unter geschlechtergeschichtlicher Perspektive. Die sozialen Kontexte von Injurienklagen werden hier ebenso untersucht wie Fälle von Ehebruch und Inzest sowie Ehestreitigkeiten. Weiterhin geht dieses Kapitel der Frage nach, worin sich weibliche und männliche Formen von Gewalt- und Eigentumsdelinquenz unterschieden. Das Schlusskapitel fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammen. In Quellen des 18. Jahrhunderts wurden die Gattinnen von Beamten, Pfarrern und anderen hochgestellten Personen mit dem Nachnamen ihres Mannes geführt, an den die Endung „-in“ angehängt wurde. Frauen aus bürgerlichen Kaufmannsund Handwerkerfamilien hingegen behielten in der Regel ihren Mädchennamen bei, der ebenfalls mit der Endung „-in“ geschrieben wurde. Die Gattin des Burgvogts Böck z.B. erscheint in Emmendinger Quellen als „Böckin“, die Gattin des Buchbinders Karl Christian Eisenlohr als „Wildersinnin“. Dies gilt grundsätzlich sowohl für die christlichen als auch für die jüdischen Einwohnerinnen der Stadt.79
79 Beispiele finden sich in zahlreichen Kaufverträgen, in den Ratsprotokollen sowie in den Grund- und Unterpfandprotokollen im Stadtarchiv Emmendingen, ferner in GLA Karlsruhe, 198/303 (Verkauf des Heilbronnerischen Gutes 1744). Vgl. hierzu auch Ulbrich, Shulamit
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Einleitung
Gingen die Witwen von Beamten und Pfarrern eine weitere Ehe mit einem bürgerlichen Einwohner ein, traten sie zumeist wieder unter ihrem Mädchennamen auf. Da diese Praxis nicht streng durchgehalten wurde, werden Frauen in dieser Arbeit unter ihrem Mädchennamen mit der Endung „-in“ geführt. Damit versucht diese Studie der zeitgenössischen Terminologie Rechnung zu tragen, ohne unnötige Verwirrung zu stiften. Erst mit der Einführung des Code Napoléon in Baden wurde offiziell der Nachname des Mannes zum gemeinsamen Familiennamen erhoben,80 jedoch behielten die Frauen in den Kirchenbucheinträgen ihren Mädchennamen auf jeden Fall bis 1828.81
und Margarete, S. 94, 164. Zu einem ähnlichen Befund für Amtsfrauen und -witwen vgl. Ingendahl, Witwen, S. 118–121. 80 Vgl. ausführlich Hull, Sexuality, S. 372–406. 81 Diese Beobachtung trifft sowohl für die Amtsstadt Emmendingen als auch die Dörfer des Oberamts wie beispielsweise Eichstetten zu. Etwa um 1829 wird die Führung eines Familiennamens in den Kirchenbüchern dann obligatorisch, die weibliche Endung „-in“ verschwindet daraufhin langsam. Der Code Napoléon fand also in der Praxis keine Anwendung. Freundliche Mitteilung Kurt Heinzmann, Freiburg/Tiengen.
Denn wer die Städte gesehen, die großen und reinlichen, Ruht nicht, künftig die Vaterstadt selbst, so klein sie auch sei zu verzieren. (Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea, Dritter Gesang, Vers 25–26)
II. EMMENDINGEN ZWISCHEN 1650 UND 1800: EIN ÜBERBLICK 1. BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG Zwei Faktoren prägten die Bevölkerungsentwicklung Emmendingens im Untersuchungszeitraum: die demographische Erholung von den Verlusten des Dreißigjährigen Krieges und die Niederlassung von Angehörigen religiöser Minderheiten. Die Stadt zählte 1648 nur noch 32 Bürger, wovon nur acht ihr Bürgerrecht vor 1629 erhalten hatten. Neun Bürgersöhne konnten in die Bürgerschaft aufgenommen werden; hinzu kamen 15 von auswärts Zugezogene.1 Der Bevölkerungsverlust lag etwa bei 75 Prozent.2 Die Bevölkerung wuchs in den folgenden 150 Jahren stark an. Bis zum Jahre 1732 hatte sich die Einwohnerzahl gegenüber dem Stand am Ende des Dreißigjährigen Krieges bereits verdoppelt. Die auf der Grundlage der Salzregister und einer Familienrekonstitution errechnete Bevölkerungszahl inklusive der jüdischen und katholischen Einwohner, der herrschaftlichen Beamten sowie der Knechte und Mägde lag in diesem Jahr bei 520 Personen, die in 112 Haushalten lebten, was einem Durchschnitt von 4,6 Personen pro Haushalt entspricht. Neben sieben jüdischen Haushalten, gab es einen katholischen Bürger und Haushaltsvorstand sowie zwei calvinistische und einen reformierten Bürger. Im Jahre 1738 wohnten in Emmendingen neben 93 Bürgern sechs Hintersassen, 23 ledige Bürger- und Hintersassensöhne und acht schutzverwandte Juden.3 Im Jahre 1758 umfasste die männliche Bürgerschaft „zu Emmendingen mit Einbegriff des noch zu Plobsheim wohnenden Gärtners Wilhelm Nagels und des Schuemachers Fried(rich) Schüßelin zu Gundelfingen“ 106 Personen, von den Stabsorten zählte Windenreute 52, Maleck 31, Kollmarsreute 33, Wasser 24 und Niederemmendingen 22 Personen. Insgesamt lebten in Stadt und Stab 268 Bürger ohne die Witwen, „die noch ihr eigenes Gewerb führen“. Da Niederemmendingen kirchlich zur Gemeinde Mundingen gehörte, waren 246 Männer Mitglieder der 1 2
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GLA Karlsruhe, 115/285, fol. 93r. Berechnet aus Maurer, Zustand, S. 482. Die Bevölkerungsverluste im Oberrheingebiet waren generell sehr hoch. Vgl. zu Offenburg Schwanke, Fremde in Offenburg, und zu Freiburg Reiling, Bevölkerung. Schyle, Einwohner. StadtA Emmendingen, B/IV/3-7 Salzumlageregister. Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 68–75, 82–89, 96–97. Jakob, Erbhuldigung 1738, S. 65–66.
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Emmendinger Kirchengemeinde. An Hintersassen lebten 18 in Emmendingen, vier in Windenreute, einer in Maleck, zwei in Wasser und acht in Niederemmendingen. Von den 33 Hintersassen gehörten also 26 zur Kirchengemeinde der Stadt.4
Abb. 1: Plan der Stadt Emmendingen (Mitte des 18. Jahrhunderts)5
Für das Jahr 1769 lassen sich aufgrund der Salzumlageregister 896 Personen in 180 Haushalten errechnen, was einem Durchschnitt von 5,0 Personen entspricht.6 In einer offiziellen Zählung von 1770 wurden in Emmendingen jedoch nur 138 Haushalte (ohne die Einwohner jüdischen Glaubens) erfasst. Nach dieser Quelle standen 102 Haushalten verheiratete und ledige Bürger, 18 Haushalten Witwen, 15 Hintersassen und dreien Witwer vor, allerdings waren hier die Beamtenhaushalte ausgenommen.7 Eine statistische Beschreibung der Markgrafschaft Baden von 1804 nennt für Emmendingen eine Einwohnerzahl von 1480 Personen; elf Prozent der Einwohner waren damals jüdischen, drei Prozent katholischen Glaubens.8
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Stadtarchiv Emmendingen B 1a/1, Rüg- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Emmendingen 19. Juni 1758, fol. 84r–92v, 100v–107v. Städtische Sammlungen Emmendingen, Nr. 1376. StadtA Emmendingen, B/IV/3-7 Salzumlageregister. Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 68–75, 82–89, 96–97. GLA Karlsruhe, 115/397, fol. 110r. Berechnet aus StadtA Emmendingen, B IV/3-7 Salzumlageregister; Geographisch statistische Beschreibung 1804, S. 334 in Verbindung mit der Familienrekonstitution. Im württembergi-
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Abb. 2: Geburten und Sterbefälle in Emmendingen9
Das Bevölkerungswachstum resultierte sowohl aus einem natürlichen Geburtenüberschuss als auch aus einer positiven Wanderungsbilanz. Die folgende graphische Darstellung der Geburts- und Sterbefälle zeigt einen langfristigen Aufwärtstrend der Geburten und weist für die meisten Jahre einen Geburtenüberschuss aus. Andererseits blieb Emmendingen auch im 18. Jahrhundert nicht von demographischen Krisen verschont. In Kriegsjahren, aber auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten wurden in den Kirchenbüchern der Stadtpfarrei mehr Todesfälle als Geburten registriert.10 Ein großer Teil der Zuwanderer stammte naturgemäß aus dem näheren Umland. Dienstboten kamen sowohl aus badischen Landgemeinden als auch aus benachbarten vorderösterreichischen Territorien, aus Württemberg und der Schweiz. Vor allem in den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg spielte die Zuwanderung aus der Schweiz eine wichtige Rolle. Zwischen 1650 und 1800 lassen sich mehr als 130 Schweizer und Schweizerinnen in Emmendingen nachweisen, die Mehrzahl davon im späteren 17. Jahrhundert. Die meisten Schweizer Zuwanderer kamen aus den Kantonen Basel, Bern und Zürich, aber auch Personen aus Schaffhausen, dem Thurgau und Solothurn finden sich in den Quellen. Während viele Schweizer nur wenige Jahre als Hintersassen, Tagelöhner oder Hirten in Emmen-
schen Laichingen wurden um dieselbe Zeit Katholiken nur als Dienstmägde, Knechte und Hirten geduldet. Medick, Weben und Überleben, S. 591–592. 9 Graphik nach Fogleman, Auswanderung, S. 106. 10 Fogleman, Auswanderung aus Baden.
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dingen blieben und dann weiter zogen,11 begründeten einige Schweizer Familien, die über mehrere Generationen hinweg in der Stadt und ihrer Umgebung ansässig blieben. Zu den wichtigeren Herkunftsregionen Emmendinger Neubürger und Hintersassen des späteren 17. und 18. Jahrhunderts gehörten außerdem der Schwarzwald, das Elsass, Tirol und Vorarlberg, von wo mehrere katholische Bauhandwerker (Maurer, Steinhauer und Brunnenmacher) zuwanderten.12 Im Jahre 1680 findet sich der erste Jude in den Akten der Stadt Emmendingen, „Löwel, der Jud“, der die Münze und das städtische Salzhandelsmonopol gepachtet hatte und bis 1684 in der Landvogtei wohnte. Zwei weitere jüdische Namen begegnen uns bis 1689 in den Quellen.13 Danach lassen sich für mehr als 25 Jahre keine Juden mehr in Emmendingen nachweisen. Das 1715 erneut aufgelegte baden-durlachische Landrecht verwies explizit darauf, dass „eine Zeit lang Juden an ettlichen Orthen Unseres Fürstenthums /(...) vor diesen geduldet“ wurden, doch habe der Landesherr „aus Liebe/ so Wir gegen unserer Christlichen Religion, und dann unsere Underthanen tragen/ solche aus demselben allerdings abgeschafft/ wollen auch ihnen in künfftigen Zeiten/ darinn zu wohnen/ hiemit verbotten haben.“ Den markgräflichen Untertanen wurde jeder geschäftliche Kontakt mit Juden, außer auf freien Wochen- und Jahrmärkten, bei Strafe untersagt.14 Bereits ein Jahr später, 1716, erfolgte jedoch die offizielle Aufnahme von fünf jüdischen Familien in den herrschaftlichen Schutz nach Emmendingen durch Markgraf Karl Wilhelm. Diese fünf Familien sollen durch die Vermittlung des vorderösterreichischen Juden Josef Günzburger aus der Schweiz und dem Elsass nach Emmendingen gekommen sein.15 Außerdem trifft die Aufnahme der Juden in die Stadt zeitlich mit der Erhebung einer neuen Türkensteuer zusammen, die die Markgrafschaft in diesem Jahr entrichten sollte und zu der auch die Juden im badischen Oberland Beiträge zahlten.16 Indizien weisen ferner darauf hin, dass schon vor dem Jahre 1716 Juden ein – eventuell zeitlich begrenztes – Aufenthaltsrecht in Hochberg hatten. Schon im August 1715 erhielt der Jude Daniel Heilbron(ner), eine Markterlaubnis für den Handel mit Pferden in der Reichsstadt Offenburg. Die 11 Die Angaben beruhen auf meiner Prosopographie der Emmendinger Einwohnerschaft. Dass die meisten Schweizer Einwanderer sich nicht dauerhaft in Hochberg niederließen, bestätigt die Untersuchung von Kurt Heinzmann zu Eichstetten. Heinzmann, Einwanderung der Schweizer. Vgl. hierzu auch jüngst Schwanke, Fremde in Offenburg. 12 Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 287. Zu den Tiroler Bauhandwerkern vgl. auch den Überblick von Reinhold Reith, Tiroler Bauhandwerker, S. 1034–1036. Zu den Vorarlbergern Michael C. Maurer/Anton Schindling, Italienische Baumeister und bildende Künstler, besonders S. 687–688. 13 Schmölz-Häberlein, Integration, S. 366–367. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1680. Maurer, Emmendingen, S. 114. Löwel soll aus Hagenau im Elsass stammen und dieses Salzmonopol bereits seit 1670 innegehabt haben. Vgl. dazu Kahn, Juden von Sulzburg, S. 11. Rosenthal, Heimatgeschichte, S. 199 nennt als seinen Herkunftsort Kandern, macht dazu jedoch keine weiteren Angaben. 14 Lands-Ordnung 1715, S. 145–148, Zitat S. 145. 15 Schmölz-Häberlein, Integration, S. 363. Rosenthal, Heimatgeschichte, S. 201. Zum Schutzjudentum vgl. Battenberg, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 53–79, besonders S. 72–76. 16 Rosenthal, Heimatgeschichte, S. 201.
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dortigen Ratsprotokolle bezeichneten ihn als Eichstetter Juden,17 obwohl zu diesem Zeitpunkt offiziell noch keine Juden in Hochberg lebten. In Emmendingen ist Heilbronner 1716 als Vorsteher der Gemeinde nachweisbar. Von dort zog er nach amtlichen Angaben 1720 mit seiner Frau Blümche nach Eichstetten.18 Für welchen Ort sein Schutzbrief ausgestellt war, ist nicht mehr zu klären. Schutzort und Wohnort mussten nicht immer identisch sein.19 Dies erschwert die Berechnung der Zahl der in der Stadt lebenden Familien und verweist auch auf die Binnenmigration der Judenschaft innerhalb des Amtes Hochberg. Während zu Beginn der jüdischen Ansiedlung noch einige Breisacher Juden in Emmendingen begraben wurden, können keine familiären Verbindungen zu den im vorderösterreichischen Breisach lebenden Juden nachgewiesen werden. Nach einem Konflikt der Hochberger Juden mit dem Breisacher Rabbiner Günzburger zu Beginn der 1730er Jahre endete ihre Beziehung 1753, als Günzburger zum Christentum konvertierte.20 Im Jahre 1762 lebten im Oberamt Hochberg und der Exklave Sulzburg 57 jüdische Männer, 60 Frauen, 150 Kinder und 33 Dienstboten. Allein für Hochberg wurden 1776 38 jüdische Männer, 30 Frauen, 137 Kinder und 35 Dienstboten gezählt. Die Höhe des Schutzgeldes, das die Hochberger Juden zu entrichten hatten, lag in den 1770er Jahren bei rund 1135 Gulden im Jahr.21 Im Jahre 1775 wohnten sieben jüdische Haushaltsvorstände und drei Witwen in der Stadt Emmendingen;22 drei Jahre später waren es bereits elf jüdische Familien und zwei Witwen.23
17 Schwanke, Fremde in Offenburg, S. 77. 18 Vgl. hierzu auch Heinzmann, OFB Eichstetten, Nr. 5137. Heilbronner, Daniel (Reb Jechiel), *um 1680 † Eichstetten 1764. Reb Jechiel war 1727 der reichste der sechs Juden in Eichstetten und besaß ein Vermögen von 400 Gulden. Er war Gabbai und Vorsteher der jüdischen Gemeinde und ist in der Emmendinger Friedhofsordnung von 1728 genannt. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:2. Sein Grabstein ist auf dem Emmendinger Friedhof überliefert. Der Grabstein führt die Inschrift „Jechiel, Sohn des Mose Eli, aus Eichstetten“. Er war verheiratet mit Blümche, *um 1680. † Eichstetten 1762. Sie wurde ebenfalls auf dem Emmendinger Friedhof bestattet. Ihre Inschrift lautet: „Hier ruht eine tugendhafte Frau, Frau Blümche, Tochter des Herrn Samuel, die Frau des ehrenwerten Herrn Jechiel aus Eichstetten“. Günther, Grabsteine, 1990, S. 92. 19 Vgl. hierzu Schmölz-Häberlein, Integration, mit weiteren Beispielen. 20 Zu den Beziehungen der Breisacher und Hochberger Judenschaften vgl. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:1, 34:3, 34:4, 34:7, 34:8, 34:9, 34:10, 34:12, 34:14, 34:16. Eva Wiebel, die an einer Untersuchung zu Minderheiten in der vorderösterreichischen Festungsstadt Breisach arbeitet, kann ebenfalls weder familiäre noch geschäftliche Verbindungen zwischen Hochberger und Breisacher Juden nachweisen. Frdl. Mitteilung Eva Wiebel/Konstanz. 21 GLA Karlsruhe, 74/3704. 22 GLA Karlsruhe, 115/199, fol. 26v. 23 GLA Karlsruhe, 115/198, fol. 76r.
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2. VERFASSUNG UND VERWALTUNG Emmendingen hatte seit dem Jahr 1418 das Marktrecht und wurde 1590 zur Stadt erhoben. Die Einwohner wurden von der Leibeigenschaft befreit und erhielten die Freizügigkeit. Allerdings behielt sich der Landesherr ein Mitspracherecht bei der Bürgeraufnahme vor. Die städtischen Repräsentanten waren seitdem Bürgermeister, Gericht und Stadtrat, die der Herrschaft der Vogt bzw. später der Oberamtmann.24 Mit dem Umzug der herrschaftlichen Verwaltung von der Hochburg in die Stadt wurde 1689 die Zentralitätsfunktion der Stadt gestärkt. Da die landständische Verfassung im 18. Jahrhundert außer Kraft gesetzt war und im Gegensatz zu den vorderösterreichischen Gebieten keine intermediären Gewalten in Gestalt mächtiger adeliger Grund- und Gerichtsherren vorhanden waren, war die Markgrafschaft Baden vor allem bäuerlich und kleinstädtisch geprägt. Dieser Umstand prägte den Charakter lokaler Herrschaft und das politisch-administrative System, da Ortsbewohner und staatliche Verwaltung in direkter Beziehung miteinander standen und die staatlichen Behörden Kontrolle über die lokale Selbstverwaltung ausüben konnten.25 Ähnliche Strukturen finden sich zu dieser Zeit auch in Württemberg.26 Emmendingen war um 1800 Verwaltungssitz von 29 Ortschaften mit ca. 20.000 Einwohnern. Dem Oberamt stand ein adeliger Landvogt bzw. der Oberamtmann vor, beigeordnet waren ihm die bürgerlichen Beamten. Dem Oberamt unterstellt waren die Stadt- und Amtsschreiberei, Teilungs- und Rechnungsrevisoren, der Landkommissar, die Stadtmagistrate bzw. Ortsvorgesetzten sowie vier Hatschiere (Polizeydiener) und ein Kanzleibote. Das dem Oberamt zugeordnete Spezialat mit dem Superintendenten war für die Stadt- und Landpfarreien, die städtischen Pädagogien oder Lateinschulen sowie die Kirchenzensur zuständig. Ebenfalls dem Oberamt zugeordnet waren die Landphysikate für die medizinische Versorgung. Ferner lebten in der Stadt wichtige Kameralbeamte. Das Oberforstamt beschäftigte Oberforstmeister, Forstverwalter, (Ober-) Förster und Waidgesellen. Die Verwaltung der Naturaleinkünfte übernahmen die Amtskellerei, die Fronverwaltung und die Burgvogtei.27 Auch die Schatzungseinnehmerei war in der Amtsstadt angesiedelt. Zuständig für das Bauwesen waren ein Landbaumeister und ein Werkmeister. Ein Renovator und ein Geometer lebten ebenfalls in der Stadt.28 24 Vgl. hierzu Treffeisen, Von der ersten Erwähnung. 25 Die Landstände traten 1668 in Emmendingen zusammen. Der Landtag wurde in diesem Jahr letztmalig einberufen, da der Markgraf die herrschaftlichen Kompetenzen fortan ganz an sich zog und ohne ständische Mitwirkung regierte. Holenstein, Gute Policey I, S. 121–122. Leiser, Privilegierte Untertanen, S. 22–45. Treffeisen, Stadtgeschichte. Scott, Regional Identity, S. 137–142. Scott, Mittel- und Kleinstädte, S. 59–60. Maurer, Baden, S. 5–10. 26 Sabean, Schwert, S. 16, Sabean, Property, Production, S. 75. 27 Die ebenfalls zur Verwaltung der Naturaleinkünfte bestimmte Geistliche Verwaltung befand sich nicht in Emmendingen, sondern im benachbarten Nimburg. 28 Vgl. ausführlich Holenstein, Gute Policey I, S. 124–136.
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Die Oberamtmänner des 18. Jahrhunderts waren Verwaltungsbeamte, Polizeichefs und Justizbeamte in einer Person. In ihren Kompetenzbereich fielen die unterschiedlichsten Aufgaben wie die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die Bekämpfung des Bettler- und Vagantenwesens, die Instandhaltung von Straßen und Wegen und die Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel. Sie hatten für die Umsetzung der Verordnungen und Erlasse der markgräflichen Regierung in Stadt und Amt zu sorgen, waren für die Abhaltung von Rug- und Frevelgerichten zuständig, bearbeiteten Bitt- und Beschwerdeschriften der markgräflichen Untertanen und schlichteten Konflikte. Gegenüber dem Emmendinger Stadtrat nahm der Oberamtmann als Vertreter der Regierung eine Aufsichts- und Kontrollfunktion wahr. Er überwachte die Umsetzung der markgräflichen Anordnungen, entlastete auch die städtische Rechnungslegung und demonstrierte so, dass es mit der städtischen Autonomie nicht weit her war.29 Nicht nur Johann Georg Schlosser, sondern auch seine Vorgänger und Nachfolger ließen durch ihre administrative Praxis30 keinen Zweifel daran, dass die höchste Autorität beim Landesherrn lag, und nahmen regelmäßig an den Sitzungen des Rates teil. Städte wie Emmendingen hatten zwar begrenzte Selbstverwaltungskompetenzen, und die Einwohner badischer Amtsstädte waren „privilegierte Untertanen“, aber eben doch Untertanen.31 Dass dies den Bürgern durchaus bewusst war, zeigt eine Beschwerde des Stadtschreibers Karl Engelhard Eisenlohr aus dem Jahre 1756. Er merkte darin an, dass ein Emmendinger Bürger, dem ein Urteil des Stadtrates nicht gefalle, sich sofort an das Oberamt wenden würde.32 Bürgermeister, Rat und Gericht wurden jährlich im Rathaus in Gegenwart und mit Zustimmung der herrschaftlichen Amtleute gewählt. Bürgermeister, Baumeister und Räte mussten dem Vertreter der Obrigkeit und der Gemeinde Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Jahres ablegen.33 Der Stadtrat, der zugleich das Stadtgericht bildete, bestand aus zwölf Räten, darunter dem Bürgermeister und dem Baumeister. Diese wechselten in der Regel in zweijährigem Turnus ihre Geschäftsbereiche. Zu den Aufgaben des Bürgermeisters gehören Polizeikompetenzen, die Aufsicht über die städtischen Bediensteten und die Einhaltung der Gewerbeordnung. Gemeinsam mit dem städtischen Baumeister war er für den Zustand der Brücken, Tore, Mauern sowie der Landstraßen und Wege im Emmendinger Bann verantwortlich, ebenso für die Ausstattung der Schulen.34 Die Richter verloren im Laufe des 18. Jahrhunderts ihre Funktionen im 29 Vgl. hierzu auch Holenstein Gute Policey I, S. 250–252, 378–386. 30 Zur administrativen Praxis badischer Amtmänner vgl. Holenstein, Bittgesuche, Holenstein, Gesetzgebung. Holenstein, Kommunikatives Handeln. 31 Vgl. Leiser, Privilegierte Untertanen. 32 GLA Karlsruhe, 115/397, fol. 61r. Eisenlohr verstand es, sich als Vermittler zwischen Stadt und Staat zu positionieren. Zur Problematik der verschiedenen Loyalitäten eines Stadtschreibers vgl. Brakensiek, Lokale Amtsträger, S. 58. 33 StadtA Emmendingen, C/VIII Ratsprotokolle. Holenstein, Gute Policey I, S. 134, Zimmermann Grenzen, S. 33. 34 Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 83–84. Holenstein, Gute Policey I, S. 135.
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Bereich der niederen Gerichtsbarkeit an das Oberamt. Sie waren jedoch noch als Zeugen, Urkundspersonen und bei der Schlichtung von Alltagskonflikten von Bedeutung.35 Der Stadtrat behandelte Vormundschaftsangelegenheiten und Mundtoterklärungen. Ferner verteilte er kommunale Aufgaben, organisierte öffentliche Baumaßnahmen, beaufsichtigte die städtischen Gewerbe, traf Maßnahmen im Bereich der Armenfürsorge und setzte sich gegenüber dem Oberamt für städtische Belange ein. Die jährlichen Bürgerversammlungen, auf denen die Gemeindegüter verpachtet, die Rechnung gelegt und der Rechnungsführer entlastet sowie die öffentlichen Ämter neu vergeben wurden, fanden in der Regel zwischen Ende Dezember und Anfang Februar auf dem Rathaus statt.36 Besonders zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde der Termin bevorzugt auf den 26. Dezember gelegt, da der Rat sowohl am Tag des Heiligen Stephan als auch an St. Martin auf Rechnung der Stadt „vergastet“ wurde.37 Bei einer insgesamt geringen Anzahl an Bürgern – im Jahre 1703 waren beispielsweise 33 Männer der Stadt wahlberechtigt38 – zeigt sich ein hoher Partizipationsgrad im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Während um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch jeder vierte Mann im Rat der Stadt saß, verschob sich dieses Verhältnis bis zum Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge des Bevölkerungswachstums. Nun war „nur“ noch jeder 17. Bürger ein Ratsmitglied, aber immer noch jeder siebte bekleidete ein öffentliches Amt. Da jedoch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die Ratsämter unbesoldet waren und nur die Bürgermeister mit einer geringen Summe entschädigt wurden, war die Gemeinde natürlich daran interessiert, Männer in den Rat zu wählen, die sich dieses „Ehrenamt“ auch leisten konnten. Die elf Bürgermeister der Amtsstadt im 18. Jahrhundert gehörten in der Regel zu den vermögenden Einwohnern und übten mit ihren Brotberufen auch Mittlerfunktionen zwischen verschiedenen Interessengruppen aus. Vier führten ein Wirtshaus, drei davon als Metzger- und Zunftmeister, einer als Leiter der Poststation. Zwei waren angesehene Handelsleute mit überregionalen Verbindungen, drei waren Handwerksmeister (Glaser, Seiler, Schuhmacher) und standen ihrer jeweiligen Zunft vor. Einer der Bürgermeister führte die einzige Apotheke der Stadt, und einer war Chirurg. Auch unter den Ratsmitgliedern findet sich eine hohe Anzahl an Wirten.39 Die meisten Ratsherren fungierten zeitweilig auch als Kirchenrüger und beaufsichtigten die Moral und Lebensführung der Einwohner
35 Holenstein, Gute Policey I, S. 135. 36 In Kriegszeiten konnten sie nicht immer regelmäßig abgehalten werden. Die Versammlung für das Jahr 1713 beispielsweise fand erst Ende Mai des darauf folgenden Jahres statt. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 24.5.1714, fol. 142r–148v. 37 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 26.2.1701, fol. 1r. 38 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 26.2.1703, fol. 12v. Zur Bedeutung des Bürgerrechts als konstitutive Bedingung für die gleichberechtigte Teilhabe an Gemeinderechten vgl. Häberlein, Konfessionelle Grenzen, S. 167–173. 39 Vgl. hierzu auch Kümin, Wirtshaus und Gemeinde, S. 86.
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somit nicht nur als Vertreter der weltlichen, sondern auch der geistlichen Ordnung.40 Neben der niederen Gerichtsbarkeit wurde auch die Hochgerichtsbarkeit in der Amtsstadt ausgeübt. Der Bürgermeister war gleichzeitig der Blutrichter. Die zwölf Malefizrichter setzten sich aus den Schultheißen und Vögten des Oberamtes zusammen. Außerdem gehörten dem Gericht der Oberamtmann, der Stadtschreiber und der Stadtpfarrer an.41 Der Stadtschreiber wurde vom Landesherrn besoldet und amtierte zugleich als Oberwaisenpfleger des Oberamts Hochberg. Ihm kam damit eine Scharnierfunktion zwischen dem Stadtrat und dem Oberamt zu. Neben der Führung der Ratsprotokolle und der städtischen Akten oblag ihm die Führung der Protokolle der Zünfte. Generell war er für alle wichtigen protokollarischen Einträge zuständig und fungierte auch als Notar.42 Obwohl seit der Stadtgründung die Möglichkeit bestand, dass „gleich nach jeder Stadtrechungs Abhör nicht eben nur dieser oder jener, sondern der ganze Rath entlassen und dann wieder neu besetzt werden könne und solle,“ war das Oberamt in der Regel nicht daran interessiert, den Rat komplett auszuwechseln, sondern strebte Kontinuität an.43 Bis 1760 erhielten die Ratsmitglieder als Anerkennung jedes Jahr zwei silberne Löffel geschenkt, die in der Regel in Straßburg eingekauft wurden.44 Johann Josef Schöchlin besaß bei seinem 50. Geburtstag im Jahre 1745 immerhin 15 Ratslöffel, die in seinem Inventar mit 45 Gulden veranschlagt wurden.45 Als dieses Geschenk auf Weisung des Oberamts 1760 abgeschafft bzw. reduziert werden sollte, reichten alle Ratsverwandten ihr Rücktrittsgesuch beim Oberamt ein. Sie argumentierten, dass allein der Schaden, den sie durch die Abnutzung ihrer Mäntel im Amt erlitten, größer war als der Wert der Ratslöffel. Darauf wurden nicht nur die Ratslöffel beibehalten, sondern auch die Aufwandsent-
40 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 7.2.1726, fol. 85v. Vgl. hierzu die aufschlussreiche Graphik zu Inspektions- und Informationsverfahren bei Holenstein, Gute Policey I, S. 251. 41 Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 73. Schmölz-Häberlein, Scharfrichter. Vgl. auch Kap. VII. Seit 1655 mussten die Urteile dem Landesherrn „ad revidendum“ vorgelegt werden, d.h. die Urteile hatten nur vorläufigen Rechtscharakter. Mauer, Baden, S. 9. 42 Neben Karl Engelhard Eisenlohr wurde Karl Wilhelm Baurittel, der von 1775–1798 Stadtschreiber in Emmendingen war und eine Ausbildungsschrift für angehende Skribenten verfasste, zu den „annerkannt besten Stadt- und Amtsschreibern des Landes“ gezählt, „der das Inventar- und Teilungswesen wissenschaftlich verstand, bündig griff und seine Scribenten tüchtig kontrollierte.“ Baurittel, Anleitung (vgl. Anhang 2). Vgl. allgemein zu diesem Absatz Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 348–355. 43 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 29.1.1760, fol. 100v–103r. Stadtprivileg 101r, Mäntel 102v–103r. 44 Im Jahre 1749 kaufte die Stadt Emmendingen 26 silberne Löffel a 91 1/2 Lot in Straßburg für 110 Gulden und 8 Kreuzer. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1749. 45 StadtA Emmendingen, B 1b/1191.
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schädigung für die Ratsherren erhöht. Noch 1777 bestellte die Stadt 14 Löffel bei dem Colmarer Goldschmied Pröschel für beinahe 155 Gulden.46 In diesem Konflikt spiegeln sich das Selbstverständnis der Ratsmitglieder und die symbolische Bedeutung des Ratslöffels. Für die Ratsverwandten war er ein Zeichen ihrer Ehre und Bedeutung der und Ausdruck einer städtischen Tradition, auf die das Oberamt keinen Einfluss haben sollte. Immer wieder versuchten das Oberamt und die Regierung in Karlsruhe, die städtische Autonomie einzuschränken, doch gelang es dem Stadtrat wiederholt, zumindest Teilerfolge zu erzielen. Bereits 1698 hatte die Geistliche Verwaltung versucht, der Stadt den ihr zustehenden dritten Teil der Frevelgebühren streitig zu machen. 1754 erhielt die Stadt durch ein Hofgerichtsurteil das Privileg des städtischen Drittteils an den Strafen „wegen nicht wiederhohltem Ehebruchs, hurrerey und frühem Beyschlaff“ bestätigt, und die Frevelverwaltung hatte daraufhin die einbehaltenen Gelder auszuzahlen.47 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte die Geistliche Verwaltung, der Stadt die Gerichtsbarkeit und die damit verbundenen Bußgelder vollständig zu entziehen, was ihr jedoch erst 1806, nach dem Ende des Alten Reiches und der völligen Reorganisation des badischen Staates, endgültig gelang.48 Als Oberamtssitz hatte Emmendingen auch zentralen Funktionen im Kirchenund Bildungswesen. In der lutherischen Amtsstadt wirkten zwei Geistliche: der Stadtpfarrer, der in der Regel gleichzeitig Superintendent der Markgrafschaft Hochberg war,49 und ein Diakon. Der Superintendent hatte die Oberaufsicht über das kirchliche Leben, die Rechtssprechung in kirchlichen Angelegenheiten und Eheproblemen sowie das Schulwesen. Die Diakone arbeiteten u.a. in der Emmendinger Lateinschule, die für die höhere Schulbildung der männlichen Jugend der Stadt und des Amtes konzipiert war und diese auf die Universität vorbereiten sollte. Bereits seit 1558 gab es in der Stadt eine Volksschule; 1764 besuchten diese 125 Kinder.50 Da die Volksschule in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch im Bereich der Mädchenbildung nicht mehr als ausreichend erachtet wurde, richtete man in den 1770er Jahren in Baden-Durlach Strick-, Spinn- und Nähschulen ein, deren Lehrerstellen bald ausschließlich von Frauen besetzt wurden, während der „klassische“ Schulunterricht noch lange in den Händen der Männer blieb. Zu Beginn der 1780er Jahre gründete der Textilfabrikant Samuel Vogel mit Unterstützung des Oberamtmanns Schlosser ein Waisenhaus, an das eine eigene Schule angegliedert war. Diese Fabrikschule schien der vom Oberamtmann Schlosser vertretenen Konzeption einer Bildung zu entsprechen, welche die traditionelle religiöse Unterweisung durch die Erziehung der Jugend zu arbeitsamen, 46 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1777. Einige Jahre zuvor kaufte die Stadt für 150 Gulden und 24 Kreuzer 30 Silberlöffel bei dem Goldschmied Tobias Krug am Barfüßerplatz in Straßburg. C/IX Stadtrechnung 1770. 47 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 11.2.1754, fol. 143v. 48 Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 72. 49 Die Ausnahme ist Johann Nikolaus Sander, Superintendent während der Amtszeit Johann Georg Schlossers, der seinen Dienstsitz in Köndringen hatte. 50 Günther, Reformationsjahrhundert, S. 156. Vgl. Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 88.
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für Staat und Gesellschaft nützlichen Individuen ersetzen sollte.51 Manche von Schlossers Zeitgenossen wie der Schulrat Bouginé in Karlsruhe fanden jedoch, dass die Industrieschule ihrem Bildungsauftrag nur mangelhaft nachkam, da der Schulunterricht sich auf eineinhalb Stunden am frühen Morgen zwischen fünf Uhr 30 und sieben Uhr beschränkte und sich der Tagesablauf ansonsten einzig an den Bedürfnissen der Fabrik orientierte, während die „Kinderlehre“ (Katechismusunterricht) in den späten Abend verlegt wurde.52 Da die Anstalt wenig rentabel arbeitete, wurde der Betrieb von Vogel nach Schlossers Wegzug 1786 eingestellt und das so genannte „Waisenhaus“ aufgelöst.53 Das Projekt eines „modernen“ Unterrichts im Sinne Schlossers war gescheitert.54
3. BAULICHE ENTWICKLUNG Eine Beschreibung aus dem Jahre 1804 vermittelt das Bild einer blühenden Landstadt: „Emmendingen, eine an der Elz und Bretten gelegene Stadt, der Sitz des Oberamtes, Oberforstamtes und Spezialats mit 1316 christlichen und 164 jüdischen Einwohnern, einer Kirche, 6 herrschaftlichen, 3 zu Kirchen und Schulen gehörigen, 166 Wohn= und 111 Nebengebäude, welche mit 368.886 Gulden in der Brandversicherung liegen. Die Stadt, welche in einer sehr schönen und fruchtbaren Gegend liegt, und in welcher zwei Heerstraßen von Frankfurt nach Basel, und von Breisach nach Waldkirch durchkreuzen, hat eine Post, eine Apotheke, und 4 Thore (...). Sie bestehet aus der eigentlichen Stadt und 2 neu angelegten Vorstädten. Jene hat meistens alte, aber doch viele gute Häuser, breite Gassen, einen schönen im Viereck gebauten Marktplatz; diese sind vor dem oberen und unteren Thor neu und regelmäßig erbauet, die letztere hat besonders eine sehr breite Straße, welche mit lauter massiven, gleich hohen Häusern besetzt ist.“55 Diesem Bericht zufolge hatte sich Emmendingen in den 150 Jahren seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges von einer weitgehend zerstörten Ackerbürgerstadt hin zu einer ansehnlichen Amtsstadt mit wichtigen Verwaltungs- und Versorgungsfunktionen für ihr Umland entwickelt.
51 Der Superintendent Johann Nikolaus Sander bekämpfte vehement Schlossers Bildungsvorstellungen. Von Sander wird berichtet, er „sei vom Pietisten August Herman Franke als Lehrer am Weisenhaus in die Erziehungskunst eingeführt worden“. Vgl. Issel, Eichstetten, S. 109. Siehe auch Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 512. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 105–107. 52 Gothein, Schlosser, S. 69. 53 GLA Karlsruhe, 198/753. In der Beschreibung der Markgrafschaft Hochberg von 1804 wird die Schließung der Anstalt im Jahre 1788 auf die zu hohen Löhne der Arbeiter zurückgeführt. Geographische, statistische Beschreibung, S. 336. 54 Vogels Sohn führte um 1800 das Unternehmen als Handelsgeschäft für Schuhhanf und agrarische Produkte weiter. Im 19. Jahrhundert begann die industrielle Verarbeitung von Hanf in Emmendingen. Vgl. Jenne, Hanf, Tabak und Revolution, S. 93–95. 55 Geographisch statistisch, topographische Beschreibung, S. 334.
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Am Ende des Dreißigjährigen Krieges befand sich die Stadt in einer katastrophalen Lage. Von vormals 112 Häusern standen noch 36, die jedoch teilweise nicht mehr bewohnbar waren. 45 Häuser, 24 Stallungen, die fürstliche Kanzlei und das Haus der Geistlichen Verwaltung samt Stall waren niedergebrannt.56 Wichtigste Aufgaben waren daher zunächst die Neuordnung der städtischen Finanzen, der Wiederaufbau einer funktionierenden Verwaltung und die Wiederherstellung der Gebäude und der Stadtmauern. Im Jahre 1650 forderte der Burgvogt Heinrich Wilhelm Maler die Stadt auf, da „dermalen nicht allein gemeiner Stadt Emmendingen Sachen in schädlicher Confusion, Unordnung und Abgang liegen blieben“, einen Ratstag einzuberufen, um die wichtigsten Angelegenheiten neu zu regeln. Diese Neuregelung betraf zum einen den Salzhandel, zweitens die Wiedereinrichtung einer Badstube, drittens sollte das Stadttor wieder in Stand gesetzt werden, viertens sollten die Gräben um die Stadt gesäubert und das Holz abgehauen, fünftens ein Nachtwächter bestellt, sechstens ein neues Stadtarchiv angelegt werden, zu dem der Bürgermeister einen Schlüssel erhielt. Siebtens sollte ein Stadtschreiber im Namen des Bürgermeisters die Rechnung führen, achtens sollten die Gefälle und Zinsen ordentlich eingezogen und neuntens schließlich mehrere Hinterlassenschaften geregelt werden.57 Im September 1650 kam der Stadtrat zum ersten Mal nach dem Dreißigjährigen Krieg zusammen und begann damit, die Anordnungen des Burgvogtes umzusetzen. Als erste Maßnahme hatten die wenigen Einwohner die Stadtgräben zu säubern und wild wachsende Bäume und Sträucher zu roden.58 Der Wiederaufbau ist eng mit dem Namen des Bürgermeisters Leonhard Ohmberger verbunden, der zwischen 1641 und 1669 mit kleineren Unterbrechungen der Stadt vorstand und die Bürgerschaft wiederholt auf den baden-durlachischen Landtagen in Emmendingen und Sulzburg repräsentierte.59 Aus den Baurechnungen geht hervor, dass während Ohmbergers Amtszeit große Anstrengungen unternommen wurden, um die Kriegsschäden zu beseitigen.60 1653 erhielt der Zimmermann Georg Barten für den Bau des Badhauses 51 Gulden.61 Das Badhaus, das in den folgenden Jahren neu verpachtet wurde, brachte der Stadt einen Mietzins von zehn Gulden im Jahr ein.62 1661 wurden die städtischen Was-
56 GLA Karlsruhe, 115/285. Ludwig, Die evangelischen Pfarrer, S. 83. 57 StadtA Emmendingen, B/IV/3-7. Gnädigste Herrschaft an die Stadt Emmendingen vom 18.9.1650, gez. Maler. 58 StadtA Emmendingen, B/IV/1-1, Extrakt Stadtratsprotokoll vom 23.9.1650, fol. 19r. 59 Maurer, Zustand, S. 392, 399, 419. 60 So zahlte die Stadt dem Schreiner Ulrich Hofmeyster mehr als vier Gulden, dem Kantengießer Georg Vögelin von Freiburg fünf Gulden und fünf Batzen, Marx Schmid für Zimmererarbeiten etwas mehr als einen Gulden, Hans Fritsch sieben Gulden, Niclaus Laußer von Teningen vier Gulden und fünf Batzen sowie dem Schreiner Konrad Hübel 13 Batzen für Arbeiten an den städtischen Gebäuden. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1652. 61 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1653. 62 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1668. Der Bader Capar Röthlin von Malterdingen ist für das Jahr 1668 als Mieter belegt. 1676–1679 konnte das Badhaus wegen der Kriegszeiten nicht verpachtet werden, und 1688 entrichtete „auß dem obern Theil“ des Bades Baruch
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serbrunnen wieder instand gesetzt. Ferner wurden die Straßen der Stadt gepflastert.63 In den folgenden Jahren wurden neue Turmuhren angeschafft, da die alten im Krieg verloren gegangen waren.64 Die im Krieg stark beschädigte Stadtmauer wurde zunächst notdürftig repariert65 und seit 1668 neu gebaut.66 Im Jahre 1680 schloss die Stadt mit der Herrschaft einen Vertrag, der vorsah, dass der für die Mauer notwendige Kalk gegen die Kosten für die Steine aufgerechnet werden solle, welche die Herrschaft für den Bau des Hauses benötigte, in dem die landesherrliche Münze untergebracht werden sollte.67 Der Maurer Benedikt Minger baute zusammen mit seiner Frau nahezu im Alleingang an der Stadtmauer, und nach seinem Tod führten seine Witwe und der Maurergeselle Georg Lechleitner den Betrieb fort.68 Sie erhielten 1681/82 von der Stadt 111 Gulden und 12 Kreuzer für Bauarbeiten im heutigen Münzhof und weitere 41 Gulden für Arbeiten an der Stadtmauer, die zur weiteren Befestigung einiger Rondelle dienten, sowie am Zoll- und Hirtenhaus.69 Mit dem aus dem etwa 40 Kilometer entfernten elsässischen Müttersholz stammenden Matthias Brandstetter, der bis in die 1730er Jahre als Maurer in der Amtsstadt tätig war, führte Georg Lechleitner die Stadtmauer im Münzhof 1683/84 fort.70 Doch die unter so großen Mühen erbaute Stadtmauer musste in den Jahren 1688/89 auf Befehl der Franzosen geschleift werden, die im Pfälzischen Erbfolgekrieg vor den Toren Emmendingens standen.71 Die Brücken über die Elz und den Brettenbach wurden wiederholt repariert und erneuert,72 und im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die ganze Stadt gepflastert.73 Weitere Maßnahmen im Bereich der städtischen Infrastruktur dienten der
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Brückher, „der Jud“, wieder die Summe von zehn Gulden. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1688. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1662, 1664. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1662–1667. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1665–1772. StadtA Emmendingen, B/IV/1-1, fol. 20r, Extrakt Stadtratsprotokoll vom 17.2.1668 ohne Folioangabe des nicht mehr vorhandenen Protokollbandes. Dass Emmendingen zur Münzstätte wurde, registrierten auch die Bürger der umliegenden Gemeinden mit großem Interesse. Der Mundinger Bürger Michael Schäffelt hielt diese Nachricht in seinem Tagebuch fest. Tagebuch des Michael Schäffelt in Mundingen, abgedruckt in Herbst/Wägner, Mundingen, S. 172ff. Zu der Bedeutung von Gesellen für die Weiterführung eines Handwerks durch eine Witwe vgl. Ingedahl, Witwen, S. 155. Werkstetter, Frauen im Zunfthandwerk, S. 144–153, 184–186. Hochstrasser, Hof, Stadt, Dörfle, S. 47. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1681/82. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1683/84. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1691. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706. Im Jahre 1704 erhielt der Waldkircher Zimmermann Jakob Rueß für das Reparieren der Brücke vor dem Freiburger Tor 20 Gulden. 1721 verdienten die Maurer Matthias Brandstetter und Hans Feistenauer an den Brücken vor dem Hochburger Tor 44 Gulden und 10 Kreuzer. C/IX Stadtrechnung 1721. Für weitere Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen vgl. C/IX Stadtrechnungen 1730, 1741, 1750, 1752, 1759, 1761, 1766, 1779. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1718. So beschäftigte Emmendingen 1718 den Durlacher Pflasterer Ludwig Pfecht und bezahlte ihm für seine Arbeiten 385 Gulden 13 Bat-
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Verbesserung und dem Ausbau der Wasserversorgung. 1732 schloss die Stadt einen Bauakkord mit dem Bildhauer Johann Felician Hegenauer von Pfullendorf, da der „steinerne Röhrenbrunnen auf dem Marktplatz hin und wieder ausgelaufen“ war. In den 1790er Jahren wurde der katholische Brunnenmacher Konrad Duß mit der Aufsicht über die städtischen Brunnen betraut und erhielt dafür ein jährliches Entgelt von 85 Gulden.74 Daneben wurden zahlreiche öffentliche Gebäude neu errichtet oder wieder instand gesetzt. Im Jahre 1707 ordnete die baden-durlachische Regierung den Neubau der herrschaftlichen Zehntscheuer an.75 1714 wurde das Gefängnis im Freiburger Tor für 69 Gulden renoviert, „da weder Schloß noch Thür bei den Gefängnüssen“ vorhanden waren.76 Im Jahre 1726 wurde auf städtische Kosten ein neues Hirtenhaus gebaut.77 1729 mauerte Matthias Brandstetter das Schützenhaus.78 Zwischen 1735 und 1771 wurden immer wieder Bauarbeiten am Schloss vorgenommen.79 1742 erhielt Werkmeister Anton Schrotz für den Bau der Landvogtei 107 Gulden,80 und von 1747 bis 1750 wurde am Forstmeisterhaus gebaut.81 Johannes Abiger verdiente 1759 am neu erbauten Waschhaus am Hochburger Tor die Summe von 77 Gulden und 42 Kreuzern.82 Im Jahre 1761 brach man das alte Landschreiberhaus am Freiburger Tor ab und errichtete ein neues Gebäude.83 Ferner entstand bis 1778 das neue Landvogteihaus.84 Abigers Sohn Johann Friedrich verdiente 1786 mit Zimmerarbeiten am Hechelhaus 100 Gulden.85 Der 1729/30 errichtete neue Rathausbau, der an Stelle eines älteren am Marktplatz entstand und noch heute steht, war eines der Prestigeprojekte der Stadt und kostete insgesamt 1725 Gulden 39 Kreuzer. Das Bauprojekt wurde in Angriff genommen, „nachdem das alte Rath-Hauß Gebäu sich in so schlechtem baufälligen Stande befunden, dass man zur Verhütung besorglich Unglücks, solches abzubrechen und aus dem Fundament herauß neu aufzuführen sich genötigt gesehen.“86
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zen. Franz Meyer von Kenzingen erhielt für das Pflaster um den Stockbrunnen im Jahre 1757 die Summe von 16 Gulden und 24 Kreuzern. Im gleichen Jahr wurde Johann Bartholomäus Weidentaler aus Müllheim für seine Arbeit mit 147 Gulden und 12 Kreuzern entlohnt. C/IX Stadtrechnung 1759. Vgl. auch C/IX Stadtrechnungen 1727, 1761, 1764, 1774, 1779, 1782, 1784. In der mit 8000 Einwohnern zehn Mal so großen Residenzstadt Koblenz waren im 18. Jahrhundert nur die Hauptstraßen gepflastert. François, Koblenz, S. 36. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1798. GLA Karlsruhe, 198/10. GLA Karlsruhe, 198/11. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1726. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1729. GLA Karlsruhe, 198/13, 14. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1742. GLA Karlsruhe, 198/15. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1759. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1761. GLA Karlsruhe, 198/12. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1786. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1729. Skizzen vom Rathaus vor und nach dem Neubau sind abgebildet bei, Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 292, 318.
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1728 legten Mathias Brandstetter und sein Kompagnon, der Vorarlberger Hans Feistenauer, den Grundstein für das neue Rathaus und erhielten bei dieser Gelegenheit 363 Gulden sowie drei Gulden Trinkgeld.87 Am Bau arbeiteten zahlreiche Handwerker des Oberamtes. Hans Georg Driller, ein Maler aus dem benachbarten katholischen Reute, erhielt für das Streichen der Fenster und das Bemalen des steinernen Herrscherdenkmals 20 Gulden. Der Glaser Christoph Wildersinn verdiente an den Fenstern zum Rathaus 148 Gulden. Im Jahr 1730 gab die Stadt noch weitere 1508 Gulden im Bereich des öffentlichen Bauwesens aus.88 Mit den Infrastrukturmaßnahmen und Bauprojekten von städtischer und oberamtlicher Seite ging eine rege private Bautätigkeit einher. Innerhalb der Altstadt wurden die alten durch neue, geräumigere Häuser ersetzt, und Emmendingen entwickelte sich allmählich auch optisch zu einer Amtsstadt mit repräsentativen Herrschaftsgebäuden und mehrgeschossigen Bürgerhäusern, die das Wachstum der Bevölkerung und den zunehmenden Wohlstand widerspiegelten.89 Im Jahre 1757 erteilte Markgraf Karl Friedrich die Erlaubnis, eine Vorstadt in Richtung Niederemmendingen anzulegen. Diejenigen Bürger, die in der neuen Vorstadt bauten, erhielten zahlreiche Privilegien, unter anderem den Nachlass des Bürgergeldes bei der Aufnahme in die Stadt und die Befreiung von Steuern auf zehn Jahre.90 Diese landesherrliche Bauförderung diente der Schaffung von Wohnraum für die wachsende Bevölkerung und trug der zunehmenden Bedeutung der Oberamtsstadt als Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum für das Umland Rechnung.91 Da die Vorstadt Modellcharakter haben sollte, war der Landesherr an einem repräsentativen Aussehen interessiert. Der Karlsruher Schreiner Christian Sehring fertigte ein Holzmodell der geplanten Vorstadt.92 1759 reiste der Karlsruher Bauinspektor Müller in die Amtsstadt und fertigte für 28 Gulden einen Plan („Riß“) und ein Modell der Vorstadt an.93 Im Jahre 1787 musste die Stadt beim Markgrafen 3000 Gulden zu zweieinhalb Prozent aufnehmen, um Steuerabschreibungen für die Bürgerhäuser vor dem Mühlburger Tor gewähren zu können.94 Im Gegensatz zu den genannten öffentlichen und privaten Gebäuden ließ der Zustand der Emmendinger Stadtkirche das ganze 17. und 18. Jahrhundert hin87 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1728. Zu Feistenauer vgl. ausführlich SchmölzHäberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 313. 88 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1730. Johann Georg Siebenhaar fertigte 1747 ein neues Tor am Rathausportal für 13 Gulden. C/IX Stadtrechnung 1747. 1785 erhielt das Rathaus eine Uhr, die der Freiburger Uhrmacher Filling für 140 Gulden lieferte und deren Gehäuse der Freiburger Glockengießer Sebastian Beyer für 28 Gulden und 30 Kreuzer fertigte. C/IX Stadtrechnung 1785. 89 Überflüssiges Taschenbuch, S. 81. 90 StadtA Emmendingen, B/IV/4, fol. 1r. GLA Karlsruhe, 198/26. Maurer, Emmendingen, S. 98–99. 91 Zur herrschaftlichen Bauförderung durch Steuererleichterung und Kontrolle vgl. besonders Ostenrieder, Oettingen, S. 37–45. 92 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1757. 93 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1759. 94 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 1.6.1787. Getilgt wurde das Darlehen „zur Begünstigung der Erbauung“ am 12.6.1816.
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durch zu wünschen übrig, da weder die Stadt noch der Landesherr hier größere Investitionen tätigten. Im späten 17. Jahrhundert wurde der Kirchenraum für die Bevölkerung zu klein. Die Stadt klagte bereits 1699, dass die in „allhiesige(r) Stadt und Staab herum wachsende Jugend und Bürgerssöhne sich also vermehrt“ hätten, dass eine Vergrößerung der Stadtkirche unausweichlich sei.95 In der Folgezeit wurden zwar immer wieder Reparaturmaßnahmen an den Uhren, den Glocken oder dem Dach vorgenommen,96 doch blieb der Kirchenbau wegen fehlender Mittel Stückwerk. Der geplante Neubau des Gotteshauses wurde 1749 vom Markgrafen aus finanziellen Gründen nicht genehmigt,97 obwohl der Dachstuhl in einem so schlechten Zustand war, dass „nicht nur die Früchte auf dem Speicher bei Regen, Wind und Schlechtwetter sehr benetzet werden,“ sondern auch „viele aus der Kirche unter dem Gottesdienst weichen und aus der Kirche gehen müßen“. Der Emmendinger Superintendent wandte sich im gleichen Jahr in einer fast schon verzweifelt anmutenden Bittschrift an den Markgrafen und ersuchte ihn dringend, Maßnahmen zum Erhalt des Kirchturms einzuleiten, „weilen die Gefahr des Einfallens alltäglich größer scheinet, und jedermann besorget wird, es möchte das Dach abschießen, oder bey ersterm Sturmwind die Spitzen des Thurms abgeworfen werden, wobei ein großes Unglück und Jammern an Menschen und Gebäuden entstehen könnte.“98 Im Jahre 1773 erstellte der damaligen Landbaumeister Karl Friedrich Meerwein einen Plan zum Bau einer neuen Kirche, der jedoch nicht umgesetzt wurde.99 Markgraf Karl Friedrich ordnete im Jahre 1758 an, dass zumindest die Innenräume der Kirche repräsentativ ausgestaltet werden sollten, und forderte daher die Stadt auf, „dass ihr wegen der Kirchenbekleidung einen Vorschlag thun sollet, wie solche in den Stand zu setzen, dass sie bei denen benachbarten Catholischen kein Gespött erwecke.“100 Auch wenn Hofrat Zink es 1799 ironisch auf die „Bescheidenheit“ der Emmendinger zurückführte, dass le95 GLA Karlsruhe, 198/524. 96 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1707–1709. 1708 reparierte der Sulzburger Uhrmacher Franz Kelnlin die Kirchturmuhr, und der Freiburger Georg Jakob Maler lieferte dazu die gemalten Tafeln für 27 Gulden. 1722 wurde eine neue Kirchturmuhr für 103 Gulden angeschafft und „einem fremden Schieferdecker“ für die Aufstellung des Kreuzes auf dem Kirchturm fünf Gulden bezahlt. C/IX Stadtrechnungen 1722, 1727. Weitere Baumaßnahmen C/IX Stadtrechnungen 1741, 1784. 97 GLA Karlsruhe, 198/535. 98 GLA Karlsruhe, 198/524. Zum Zustand der Kirchen in der Markgrafschaft Hochberg vgl. Baten, Reformation, S. 85–122, besonders S. 92–94. Steffens, Gemeinde, S. 242, 246–247. In Eichstetten beklagte sich der Vogt Trautwein 1742, dass „bey starckem Regen-Wetter der Regen biß in die Kirche herunter fließt.“ Steffens, Gemeinde, S. 247. Kaspar Trautwein war der erste Ehemann der Anna Katharina Stuckin, die in zweiter Ehe mit dem Emmendinger Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann verheiratet war, vgl. Kap. 6. Schmölz-Häberlein, Zimmermann, S. 78. 99 GLA Karlsruhe, 198/525. Der Plan für die Kirche ist abgebildet in Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 297. Das von Meerwein geplante Schloss in der Vorstadt wurde gebaut und beherbergt heute das Amtsgericht. Zu diesem Entwurf vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 293. 100 StadtA Emmendingen, B/VI/1-14.
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diglich ein Holzturm die Stadtkirche zierte, war eher der Mangel an Geld für dieses Provisorium verantwortlich.101 Bei der Errichtung und Ausstattung von Sakralbauten mussten Emmendingen und die anderen Orte des Oberamts auf qualifizierte Handwerker aus benachbarten Territorien zurückgreifen, da Handwerke wie die Glockengießerei und der Orgelbau nicht dort beheimatet waren. Auch andere kirchliche Gebäude und Einrichtungen erfuhren im Laufe des 18. Jahrhunderts Veränderungen. Das Diakonatshaus, nach seiner Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg zwischen 1697 und 1699 von Matthias Brandstetter wieder aufgebaut, sollte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Landbaumeister Meerwein umgebaut werden. In diesem Gebäude befand sich auch die Schulstube. Das Pfarrhaus war 1783 so baufällig, dass „ein Stück nach dem anderen hinweg fällt, und Menschen und Vieh in täglicher, augenscheinlicher Gefahr sind.“102 Die im Laufe des 18. Jahrhunderts stark anwachsende Bevölkerung erforderte schließlich auch eine Vergrößerung der Friedhofsanlage. Dieses Thema findet sich 1763 erstmals in den Akten erwähnt, als festgestellt wurde, dass der Gottesacker „mit Toden nun fast angefüllet seye“.103 Deshalb kaufte die Stadt ein neues Feld an, und der Maurer Johann Georg Bergtold bekam im folgenden Jahr den Auftrag, die neue Friedhofsmauer zu errichten, wofür er 127 Gulden erhielt.104
4. WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG UND BERUFSSTRUKTUR Das Bild Emmendingens in der Literatur ist bis heute von der Sichtweise der Physiokraten des 18. Jahrhunderts geprägt. Emmendingen hatte, so die Sicht der aufgeklärten Reformer, „im Verhältnis zu der Zahl seiner Bewohner eine der kleinsten Gemarkungen, deren Ertrag nicht hinreichte, die Bevölkerung zu ernähren.“105 Im 18. Jahrhundert ging man davon aus, dass der Wohlstand einer Gemeinde in direkter Relation zur bewirtschafteten Fläche stand, da nur der Anbau von Nahrungsmitteln, der Abbau von Rohstoffen und die Viehwirtschaft als gewinnbringend eingestuft wurden.106 Dieses Bild ist jedoch revisionsbedürftig. Die Verlegung der Verwaltungsbehörden von der unweit Emmendingens gelegenen Hochburg in die Stadt in den 1680er Jahren spielte für die weitere Entwicklung eine große Rolle.107 Konnte Emmendingen Mitte des 17. Jahrhunderts noch als ein typisches Ackerbürgerstädtchen bezeichnet werden, so wandelte es sich nach der Verlegung der Verwaltungsorgane zu einem Zentralort. 1731 wurde 101 102 103 104 105
Überflüssiges Taschenbuch, S. 79–80. GLA Karlsruhe, 198/530, 531, 532. StadtA Emmendingen, B/VIII/6-3. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1764. Maurer, Emmendingen, S. 103, 105. Gothein, Schlosser. Vgl. hierzu auch Jenne, Hanf, Tabak und Revolution. Jenne übernimmt hier unreflektiert die Aussagen der Physiokraten des 18. Jahrhunderts und konstruiert so eine Kontinuität der wirtschaftlichen Benachteiligung. 106 Vgl. hierzu allgemein Strobel, Agrarverfassung im Übergang, S. 63–64. 107 Vgl. zur Bedeutung der Aufwertung von einer Ackerbürgerstadt zu einer Amtsstadt allgemein, Gerteis, Städte, S. 31.
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festgehalten, dass „nicht der vierte Teil von der bürgerschafft sich von dem Ackerbau nehren“ würde.108 Eine Aufstellung von 1756 bekräftigt diese Aussage. Von 138 Haushalten wurden sieben als „reich“, 70 als „mittelmäßig“ und 61 als „arm“ eingestuft. Dieser zeitgenössischen Einschätzung zufolge gehörten demnach etwa fünf Prozent der Einwohner zur Oberschicht, gut die Hälfte zur Mittelschicht und knapp die Hälfte zur Unterschicht.109 Zu den reichen Haushalten gehörten der Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann und seine zweite Frau Anna Katharina Stuckin, die Witwe des Eichstetter Vogts Johann Kaspar Trautwein; sein Stiefbruder, der Chirurg Emanuel Christian Eccard, der in diesem Jahr eine zweite Ehe mit Elisabeth Tramplerin eingegangen war; der Handelsmann Johann Melchior Ott und seine Frau Maria Magdalena von Bazendorfin; der Glaser und Bürgermeister Otto Ludwig Hartmann und seine Frau Maria Magdalena Schöpflin; und der Posthalter Johann Christian Sander, der seine Frau Anna Maria Lurtzingin aus Straßburg mitgebracht hatte, wo er sich vor seiner Niederlassung im Heimatort als Kaufmann etabliert hatte. Maria Sophia Leglerin, die Tochter des Adlerwirts Johann Wilhelm Legler, der 1754 verstorben, machte ihren zweiten Ehemann Simon Reinbold ebenfalls zu einem der reichsten Männer Emmendingens. Zu dieser vermögenden Gruppe zählte schließlich auch der Löwenwirt Johann Georg Knoderer und seine Frau Anna Maria Erlerin. Beruflich gliederte sich die Emmendinger Gesellschaft 1756 in drei Bauern und 91 „Professionisten“, in der Regel Handwerker. Das kultivierte Land umfasste damals 300 Juchert Ackerfeld, 120 Juchert Mattenfeld (Wiesen) sowie 13– 20 Juchert Reben.110 Nicht einmal drei Prozent der Bevölkerung lebten also um die Mitte des 18. Jahrhunderts ausschließlich von der Landwirtschaft, doch bezog ein großer Teil zusätzlich zu seinem Handwerk einen Teil des Lebensunterhalts aus der Bewirtschaftung von Gütern. Ärmere Bewohner bestritten ihren Lebensunterhalt durch Mischerwerbsformen, etwa als Weber und Totengräber, als Schuhmacher und Zoller oder auch durch eine Kombination von Amtstätigkeit für die Stadt und gewerblicher Arbeit.111 Das Steueraufkommen der Gemeindemitglieder könnte einen Indikator für die gesellschaftliche Schichtung darstellen. Im Jahre 1789 war der Schatzungsfuß auf 15 Kreuzer pro 100 Gulden Vermögen festgelegt. Erstaunlich ist jedoch, dass in diesem Jahr mehrere der reichsten Emmendinger nicht als Steuerzahler verzeichnet sind. Ein Vergleich der Steuerliste mit Vermögensangaben aus anderen Quellen zeigt, dass nur ein Teil des Grundbesitzes überhaupt besteuert wurde, da die Vermögen einer Reihe von Personen deutlich zu niedrig veranschlagt wurden. Zur Spitzengruppe gehörten demnach der Posthalter Johann Christian Sander mit einem Vermögen von 2510 Gulden, Johann Jakob Zimmermann mit 1593 Gulden, 108 109 110 111
StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 22.11.1731, fol. 339r–339v. GLA Karlsruhe, 115/397. GLA Karlsruhe, 115/397. Ein Juchert entspricht ca. 36 Ar (1 Ar = 100 m2). Mitterauer, Familie und Arbeitsorganisation, S. 270. Schmölz-Häberlein. Stadtgeschichte, S. 318–355.
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Johann Michael Knoderer mit 1379 Gulden und der Bürgermeister Emanuel Christian Eccard mit 1048 Gulden. 21 Personen versteuerten zwischen 400 und 800 Gulden, 22 zwischen 300 und 400 Gulden. Bei 100 Personen wurde das Vermögen zwischen 100 und 300 Gulden veranschlagt, und bei 54 belief es sich auf weniger als 100 Gulden. Unter den Einwohnern mit weniger als 100 Gulden steuerbarem Vermögen befanden sich auch die reichen Brüder Kreglinger. Bei seiner Eheschließung im Jahre 1782 brachte der Posthalter Johann Christoph Kreglinger 2300 Gulden in die Ehe ein. Sein Bruder, der Adlerwirt Adam Friedrich Kreglinger, besaß bei seiner Hochzeit ein Jahr später 2200 Gulden. Bürgermeister Eccards Vermögen belief sich in seinem Todesjahr 1798 auf 7500 Gulden, er versteuerte also nur ein Siebtel seines Vermögens.112 Die Steuerlisten des 18. Jahrhunderts geben somit nicht die realen Besitzverhältnisse wieder, sie geben lediglich Auskunft über die der Besteuerung unterworfenen Liegenschaften. Legt man moderne Kriterien an das Steuersystem des 18. Jahrhunderts an, so zeigt sich, dass Handel und Gewerbe offenbar ebenso steuerfrei waren wie alle Formen mobilen Kapitals, d.h. Personen mit einem gut gehenden Gewerbe und wenig Land zahlten trotz teilweise beträchtlicher Vermögen kaum Steuern. In einem städtischen Zentrum profitierten die Einwohner besonders von einem derartigen Steuersystem. Allerdings lässt sich beobachten, dass gerade die reichsten Emmendinger einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in Grundbesitz investierten, der zu dieser Zeit zweifellos die sicherste Form der Kapitalanlage darstellte.113 Nachlassinventare zeigen, dass sich das Vermögen zahlreicher Individuen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Laufe ihres Lebenszyklus beträchtlich vermehrte. Während der Weber Bernhard Heimhofer bei seiner Eheschließung 1747 gerade einmal sieben Gulden in der Tasche hatte, brachte er es am Ende seines Lebens und nach zwei Ehen auf immerhin 522 Gulden.114 Auch der Weber Johann Jakob Schneider, der 1771 nur etwas mehr als 60 Gulden sein eigen nannte, hatte sein Vermögen bis 1793 auf ansehnliche 1500 Gulden gesteigert.115 Der Färber Johann Friedrich Lapp hatte 1743 ein Vermögen von 3250 Gulden.116 Sein ältester Sohn brachte es im Jahre 1785 bereits auf mehr als 10.000 Gulden, obwohl er das väterliche Erbe mit drei Geschwistern teilen musste.117 Der Kübler Johann Friedrich Scheelmann kam 1773 nach Emmendingen und heiratete die zweimal verwitwete und 25 Jahre ältere Anna Rosina Barbara Heinrichin. Als er 25 Jahre später starb, hatten die Eheleute beinahe 2000 Gulden gemeinsam erwirtschaftet und verfügte über 5570 Gulden an Liegenschaften und persönlichem Besitz.118 Der relative wirtschaftliche Erfolg dieser Personen ist neben ihrer persönli112 Nähere Angaben zum Vermögen einzelner Personen gibt Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 311–316. Vermögensangaben nach StadtA Emmendingen B 1b/335, 722, 723. 113 Vgl. hierzu ausführlich Schmölz-Häberlein, Zimmermann, S. 80–87. 114 StadtA Emmendingen, B 1b/575. 115 StadtA Emmendingen, B 1b/1172, 1185. 116 StadtA Emmendingen, B 1b/ 797. 117 StadtA Emmendingen, B 1b/802. 118 StadtA Emmendingen, B 1b/1100.
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chen Geschäftstüchtigkeit vor allem auf eine steigende Nachfrage der Umlandgemeinden nach gewerblichen Gütern und Dienstleistungen zurückzuführen, mit der ein wachsendes Angebot in der Amtsstadt korrespondierte. Der Ausbau des Straßen- und Postnetzes trug ebenfalls zur Entwicklung der Stadt bei.119 Seit 1709 verband die Post dreimal pro Woche Frankfurt mit Basel. Poststationen in den oberen Markgrafschaften waren das hochbergische Emmendingen, das im Oberamt Badenweiler liegende Müllheim und die Kalte Herberge an der Grenze zum Territorium des Bischofs von Basel. Ab 1742 wurde die Verbindung weiter ausgebaut.120 Außerdem lag die Stadt an einer Verbindungsstraße vom Elsass über die Grenz- und Garnisonsstadt Breisach zur vorderösterreichischen Stadt Waldkirch, von der aus man über das Prechtal nach Württemberg sowie in das fürstenbergische Donaueschingen reisen konnte.121 Hochberg verfügte mit dem Rheinhafen in Weisweil über eine Verbindung nach Basel und vor allem nach Amsterdam, die auch für den Transport von Auswanderern nach Nordamerika genutzt wurde.122 Neben der Verwaltungsfunktion als Amtsstadt erfüllte Emmendingen auch die Funktion eines Marktorts an „der Grenze zwischen unterschiedlich gestalteten Wirtschaftsräumen“.123 Die Anbindung an Fernverkehrswege begünstigte das Exportgewerbe,124 und die Marktorte Malterdingen und Eichstetten sowie die Stadt Emmendingen zogen Kunden aus den umliegenden vorderösterreichischen Gebieten an.125 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts etablierten sich Kaufleute aus Frankfurt und Pforzheim in der Stadt.126 Seit 1721 gab es eine eigene Apotheke, die sich bis zum Ende des Alten Reiches in der Hand von Mitgliedern der zugewanderten Familie Willius befand, die ihre Söhne in Halle ausbilden ließ.127 1744 etablierte sich mit 119 Erster Posthalter wurde der Emmendinger Kronenwirt Leonhard Knoderer, der die Posthalterei an seinen Schwiegersohn, den Bürgermeister und Chirurgen Johann Christian Sander weitergab. Dieser vererbte das Amt an seinen Sohn und dieser mit der Vermählung seiner Tochter 1778 an den Karlsruher Posthaltersohn Johann Christoph Kreglinger. 120 Viermal pro Woche kamen ein Postkurier und einmal der Postwagen durch die Stadt. Dallmeier, Quellen Postwesen Bd. II, Nr. 546 (Durlach 11.4.1709) S. 283–284, Nr. 692 (Basel 11.8.1742) S. 394–396, Nr. 744 (Karlsruhe 16.6.1749) S. 439–441, Nr. 886 (Karlsruhe 20.5.1783) S. 580–584. Zur ökonomischen und kommunikativen Bedeutung der Post, vgl. North, Genuss und Glück, S. 40–44. 121 Geographisch statistisch, topographische Beschreibung, S. 334. 122 Vgl. hierzu Wokeck, Trade in Strangers, Kap. 4. Häberlein, Weisweil. Moltmann, Auswanderung. 123 Gerteis, Städte, S. 29. 124 Vergleichbares stellte Anke Sczesny zu Ostschwaben fest. Sczesny, Kontinuität und Wandel, S. 39. 125 Vgl. hierzu Scott, Regional Identity, besonders seine Analyse der Marktgründungen, S.73– 175. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 102–105. 126 Vgl. hierzu auch Schwanke, Fremde in Offenburg. Sie konstatiert, dass die meisten großen Kaufleute nicht aus der Reichstadt stammen, sondern Migranten, unter anderem aus Italien und Savoyen, waren. 127 Maurer, Emmendingen, S. 142. OSB Wollbach, Nr. 3020, 3236. StadtA Emmendingen, B 1b/1472. Ein genauer Herkunftsort kann nicht ermittelt werden, jedoch sprechen seine familiären Beziehungen für das Oberrheingebiet. Vgl. auch Zippel, Willius, S. 43–44. Zur Ausbil-
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dem aus der unteren Markgrafschaft stammenden Karl Christoph Eisenlohr ein Buchbinder, der auch im Buchhandel tätig war und Hochberg sowie das katholische Kloster St. Peter im Schwarzwald belieferte.128 Emmendinger Kaufleute und Gewerbetreibende hatten Geschäftsbeziehungen zu Kaufleuten in kommerziellen Zentren des Alten Reichs, im benachbarten Elsass und in der Schweiz. So pachtete der Schlosser Nikolaus Sorg im Jahre 1715 die neu erbaute Schleiferei und die Bleiche für 35 Gulden im Jahr und hinterlegte eine Bürgschaft des Colmarer Handelsmanns Johann Albrecht Hauer.129 Der Handelsmann Matthias Berblinger hatte 1776 Beziehungen zur Firma Stausch in Straßburg, zu Panticoe und Lotzbeck in Lahr und zu Mainone in Freiburg.130 Franz Anton Blum unterhielt Kontakte zu den Handelshäusern Schweighauser in Straßburg, Ulendörfer in Nürnberg, den Firmen Rons, Obermaier, Wetzstein und Burkhard sowie Balthasar Trautlin in Basel, ferner zu den Firmen Hugo, Müller und Nürnberger in Lahr. Auch zu den Firmen der Italiener Mainone in Freiburg und Bolongaro in Frankfurt gab es regelmäßige Beziehungen.131 Der Sattler Johannes Grün schuldete dem Bremer Handelsmann Dellenbusch 1796 für Waren die Summe von 63 Gulden 30 Kreuzer, wovon er nach einem Vergleich etwas mehr als 31 Gulden zu zahlen hatte. Auch Josias Daiber in Schorndorf erhielt von ihm im gleichen Jahr noch 34 Gulden für Waren.132 Der Färber Georg Jakob Bürklin hatte 1790 dem Lahrer Klose noch 60 Gulden für Färbereiwaren zu zahlen.133 Karl Wilhelm Baurittel lieh dem Handelsmann Folz in Roth bei Nürnberg 3500 Gulden, die sich bei seinem Tod 1798 inklusive der Zinsen auf mehr als 4300 Gulden beliefen.134 Somit werden regelmäßige Beziehungen mit den oberrheinischen Wirtschaftszentren Basel, Straßburg, Lahr, Colmar und Freiburg sowie Kontakte zu den großen Handelszentren Leipzig, Frankfurt, Bremen und Nürnberg in den Quellen fassbar. Neben den Kaufleuten verfügten insbesondere die Gastwirte über ansehnliche Vermögen und weit reichende Beziehungen. Die Zahl der Wirtshäuser nahm im Laufe des 18. Jahrhunderts zu: 1701 gab es fünf,135 1712 waren es bereits sechs136
128 129 130 131
132 133 134 135 136
dung der Söhne vgl. Kapitel V. In der Residenzstadt Koblenz gab es zur gleichen Zeit zwei Apotheken. François, Koblenz, S. 40. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 11.5.1744, fol. 9r. C/IX Stadtrechnung 1744. Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 327–328. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 16.4.1716, fol. 190v–191r. Die Bürgschaft war am 3.9.1715 ausgestellt worden. StadtA Emmendingen, B 1b/70. GLA Karlsruhe, 198/82, 118. Die Bolongaro betrieben u.a. Tabakhandlungen in Frankfurt. Zu ihnen vgl. Wustmann, Bolongaro. Augel, Italienische Einwanderung, S. 331. Franz Anton Mainone ließ sich 1767 in Freiburg zünftig nieder. Augel, Italienische Einwanderung, S. 398. Zum Angebot italienischer Händler vgl. Reves, Präsenz von Händlern, S. 315–317. Zu den italienischen Händlern in der Residenzsstadt Dresden, siehe Hochmuth, Distinktionshändler, S. 245–249. StadtA Emmendingen, B 1b/209. StadtA Emmendingen, B 1b/230. GLA Karlsruhe, 198/79. StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 2. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 26.12.1712, fol. 129r.
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und 1751 acht Gasthäuser.137 Das Beispiel von Johann Wilhelm Zimmermann, dem langjährigen Bürgermeister, Wirt und Zunftmeister der Metzger verdeutlicht, welche Möglichkeiten der Vermögensvermehrung in diesen Gewerben bestanden. Schon bei seiner ersten Heirat 1725 brachte es Zimmermann auf ein Vermögen von über 13.100 Gulden. Seine zweite Frau, die Witwe des Eichstetter Vogts Kaspar Trautwein, brachte die stolze Summe von beinahe 30.000 Gulden mit in die Ehe, und bei ihrem Tod 1782 wurde das Gesamtvermögen der Eheleute auf mehr als 86.000 Gulden geschätzt. Zimmermanns ökonomische und familiäre Beziehungen reichten über das Gebiet des Oberamts hinaus in die Herrschaft Mahlberg.138 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts besaß jeder Emmendinger Wirt ein Vermögen von mehr als 10.000 Gulden.139 Spätestens 1792 hatte mit dem Handelsmann und Vorsinger Jakob Levi Maier auch ein Vertreter der jüdischen Minderheit ein Wirtshaus in Emmendingen eröffnet.140 Auch eine Konditorei mit Kaffeeausschank konnte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablieren. Johann Christian Reicherts Geschäft geriet allerdings in der Zeit der Koalitionskriege in Zahlungsschwierigkeiten. Er hatte Außenstände in Freiburg und Lahr, unter anderem für Zucker und italienische Zitronen.141 Im Verlauf des 18. Jahrhunderts schritt auch die Differenzierung des städtischen Gewerbes voran. So waren im Bauhandwerk Steinbrecher, Steinhauer, Stückwerker, Paliere,142 Brunnenmacher und Glaser tätig. Im Metall verarbeitenden Gewerbe kamen zu Messer-, Waffen-, Zeug-, Nagel-, Kupfer- und Kettenschmieden Blechner, Zinngießer, Rotgießer, Schnallenmacher, Nadler, Gürtler und Siebmacher hinzu. Auch im Holz verarbeitenden Gewerbe wurden die klassischen Berufe des Wagners, Schreiners, Zimmermanns und Küfers durch Kübler, Dreher und Instrumentenbauer ergänzt. Das Pelz und Leder verarbeitende Gewerbe umfasste Schuhmacher, Sattler, Riemer, Rot- und Weißgerber sowie Kürschner. Hechler, Säckler und Seiler verarbeiteten Hanf weiter. Bleicher und Färber veredelten die Produkte der Baumwoll- und Leineweber. Bildweber, Perücken-, Hut- und Knopfmacher, Hosen- und Strumpfstricker, Posamentierer sowie Leistenschneider und Kammmacher stellten Kleidung und Accessoires her. Im Jahre 1746 gab es im Bereich der Nahrungsgewerbe sieben Bäcker und sechs Metzger und im Textil- und Bekleidungshandwerk sechs Schneider, zwei Weber und einen Knopfmacher. Im Leder verarbeitenden Gewerbe arbeiteten elf Schuhmacher, ein Sattler, drei Rotgerber, ein Weißgerber und zwei Kürschner, im Metall verarbeitenden Gewerbe zwei Schmiede, ein Kupferschmied, ein Messerschmied und ein Nagelschmied. Im Holz verarbeitenden Gewerbe waren zwei Wagner, ein Dreher und zwei Küfer tätig. Im Baugewerbe arbeiteten ein Maurer und ein Glaser. Ein Seiler, drei Hafner, ein Seifensieder und Kerzenmacher sowie 137 138 139 140
Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 96. Schmölz-Häberlein, Zimmermann, S. 80. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 324–328. Günther, Emmendinger Juden II, S. 65. Das Wirthaus liegt in der heutigen Karl-FriedrichStraße. 141 Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 346–348. 142 In Baden werden die Paliere (Bauleiter) als Baliere bezeichnet.
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ein Buchbinder ergänzten das handwerkliche Spektrum. Weiteren Bedarf sah der damalige Bürgermeister Wilhelm Ludwig Willius noch für je einen Schlosser, Schmied, Dreher, Wagner, Schreiner, Zimmermann, Sattler, Küfer, Spengler und Maurer. Die beiden Müller fehlen hingegen ebenso in der Liste wie die drei Kaufleute und die beiden Ziegler.143 Willius ließ an den meisten Handwerkern kein gutes Haar, und seine Aufstellung weist auf ein Kernproblem der Stadt hin. Es fehlte eine Anzahl an spezialisierten Berufen, und viele drängten in das lukrative Gastgewerbe. Fast jeder zehnte bürgerliche Haushalt betrieb um 1751 ein Wirtshaus.144 Ende des 18. Jahrhunderts etablierten sich ein Uhrmacher und ein Instrumentenbauer. Bürstenbinder, Kaminfeger, Gärtner und Rebleute lebten ebenso in Emmendingen wie Diener, Kutscher und Rittmeister. Zeitweise gab es sogar einen Stadtmusikanten. Landbaumeister, Geometer, Werkmeister und der herrschaftliche Küfer bildeten neben dem Oberamtmann und dem Stadtschreiber die Gruppe der obrigkeitlichen Bediensteten.145 Klar zu fassen ist die Zentralitätsfunktion Emmendingens in einer Petition des zugewanderten Strumpfstrickers Jakob Gerber aus dem Jahre 1779, in der er ausführte, dass er „sein erlerntes Strickerhandwerk in seinem Geburtsort nicht zu treiben im Stande, sondern genöthiget seye in einer Stadt wie hier seine Unterkunft zu suchen“ und von dort aus das Umland zu beliefern.146 Viele der neuen Berufe wurden durch Zuwanderer etabliert, die sich ein gutes Auskommen und Standortvorteile erhofften. Bemerkenswert ist ferner, dass sich erst Ende des 18. Jahrhunderts ein Bürgersohn zum Kaminkehrer ausbilden ließ, nachdem diese Tätigkeit mehr als 100 Jahre lang von Auswärtigen, vor allem von „Welschen“ (Italienern, eventuell auch Schweizern aus Graubünden und dem Tessin) ausgeübt worden war.147 Die Handwerke waren in Gebietszünften organisiert. In der Amtsstadt fanden in der Regel die Zunftversammlungen in einer der Zunftherbergen statt, und häufig stellten die Handwerker der Amtsstadt auch einen der beiden Zunftmeister.148 Die Neugründung der Zünfte nach dem Dreißigjährigen Krieg zog sich bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hin. Während sich die Maurer bereits 1649 zusammenschlossen,149 gaben sich die Weber in den 1660er Jahren eine Zunftord143 144 145 146
StadtA Emmendingen, B/IV/2, Fasz. 168. Vgl. ausführlich Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 322–323. Vgl. hierzu Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 82–86. StadtA Emmendingen, C/VIII/13 (Ratsprotokoll 1778), 11.11.1778, fol. 35r–36v. C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 28.1.1779, fol. 7v. C/IX Stadtrechnung 1778. 147 Vgl. zu den Kaminkehrern im Oberrheingebiet Schwanke, Kaufleute, S. 133–135. Allgemein, Augel, Einwanderung. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706, 1717, 1720–1732, 1739, 1742 nennen als Kaminkehrer zunächst zwölf Jahre lang Jakob Rondum bzw. Rondon, dann Jakob Comeida bzw. Comatita. In den 1760er und 1770er Jahren kehrte Jakob Ungerer aus Lörrach die Kamine; vgl. Stadtrechnungen 1762–1777. Seit 1779 vermerken die Stadtrechnungen einen Kaminkehrer Reger aus Mahlberg. 148 Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 92. 149 StadtA Emmendingen, B/V/2, Fasz. 64.
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nung, und seit den 1680er Jahren sind regelmäßige Zunftversammlungen belegt. Die Glaser schlossen sich hingegen erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die Sattler um 1730 zusammen.150 Das Gründungsjahr der Metzgerzunft ist nicht nachweisbar, doch müssen diese sich gleich nach dem Dreißigjährigen Krieg neu formiert haben, um Ausbildung und Niederlassung regeln zu können.151 Die Bäcker bildeten mit den Müllern 1662 eine gemeinsame Zunft.152 Die Leineweberzunft, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch den Weber des benachbarten vorderösterreichischen Klosters Tennenbach integrierte und in Hochberg wohnenden Täufern wiederholt die Weberlaubnis erteilte, verhinderte später die Aufnahme von Katholiken und verschärfte in den 1760er Jahren die Vorschriften für die Gesellen- und Meisterprüfung.153 Der Zusammenschluss der Maurer beschränkte sich zwar auf das Oberamt, doch wurden katholische Handwerker in ihren Reihen aufgenommen. All diesen Zünften ist die Beschränkung auf das Oberamt Hochberg gemein; sie alle legten am Dreikönigstag dem Oberamt ihre Rechnungen vor.154 Die Zunft der Chirurgen hingegen umfasste die Oberämter Hochberg und Badenweiler sowie die nordbadischen Ämter einschließlich der Residenzstadt Karlsruhe. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts versuchten die Chirurgen und Ärzte des Oberamtes Hochberg eine eigene Zunft in Emmendingen zu errichten, was jedoch am Veto aus Karlsruhe scheiterte.155 Die Buchbinderzunft hingegen war zwar kleinräumiger, doch überterritorial organisiert und schloss die Emmendinger, Müllheimer und Freiburger Buchbinder ein, da eine Zusammenarbeit bei Gesellen- und Meisterprüfungen unabdingbar war.156 Die heterogenen Strukturen der Zünfte, die zum Teil territorial auf das Gebiet eines Oberamtes oder der Markgrafschaft begrenzt, zum Teil territorial übergreifend organisiert waren, spiegeln die differenzierten Anforderungen an gewerbliche Organisationsformen in einem Herrschaftsgebiet wider, das aufgrund seiner territorialen Kleinkammerung offen für solche Lösungsansätze sein musste. Gemischtkonfessionelle Zünfte wie diejenigen der Maurer und Weber waren nicht nur in den kleinen Städten Baden-Durlachs, sondern auch in der Residenzstadt Karlsruhe zu finden und zeigen, dass eine konfessionelle Gemengelage in vielen Orten Baden-Durlachs vorhanden war.157 Langfristig führten diese Entwicklungen zu einer höheren Professionalisierung. Ausbildung und Weiterbildung der Handwerker und Dienstleistungsberufe finden im Emmendinger Buchbesitz ihren Niederschlag, der neben religiösen 150 StadtA Emmendingen, B/V/2 Fasz. 2. 151 Ausführlich zu den Handwerken siehe Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 324–328. 152 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1. Rug und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen und Vogtei Mundingen, 2.12.1661. 153 Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 90–92. 154 Holenstein, Gute Policey I, S. 261. 155 StadtA Emmendingen, B/IV/2, Fasz. 168. 156 StadtA Emmendingen, B/V/2 Fasz. 2. 157 Wagner, Stadtgründung, S. 112. Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 309–315, 327. Allgemein, Häberlein, Konfessionelle Grenzen.
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Werken Fachliteratur umfasste. Der Strumpfstricker Nikolaus Parell hatte bei seinem Tode im Jahre 1748 zwei Farbbücher,158 eines davon war 1753 noch im Besitz seiner Witwe Sophia Elisabeth Kleinin.159 Ebenso besaß der aus Sachsen stammende Kürschner Johann Jakob Pollack bei seiner Eheschließung 1755 ein Farbbuch.160 Der Schmied Jakob Hermann hatte ein „texterisches Viehseuchenbuch“,161 das ihm für den Umgang mit Tieren möglicherweise hilfreich war, denn der insgesamt rudimentäre Stand der Tiermedizin erwies sich in Zeiten regelmäßig wiederkehrender Viehseuchen als gravierendes gesundheitliches und ökonomisches Problem.162 Der Apothekergeselle Johann Christian Stephani besaß Wieglebs „Chemische Versuche” und Hagens „Apothekerkunst“.163 Der Emmendinger Landphysikus Wilhelm Ludwig Willius trat selbst als Autor in Erscheinung. Neben seiner in Halle entstandenen Dissertation verfasste er ein Hebammenhandbuch und eine Landesbeschreibung, für die er von Markgraf Karl Friedrich 1769 drei Louis d’Or verehrt bekam.164 Diese topographische Beschreibung erschien 1783 in Nürnberg. Willius war überdies Mitglied der kaiserlichen Akademie der Naturforscher.165 Seine Beschreibung der Markgrafschaft war eine deskriptive Bestandsaufnahme der natürlichen Gegebenheiten, ökonomischen Verhältnisse und des „Charakters“ der Einwohner und sollte als Basis für die Verbesserung der Lebensumstände und die Vermehrung der Einwohnerzahl dienen. Sie dürfte wohl als Vorbild für die 1793 gesetzlich vorgeschriebene Auskunftspflicht der Physikate gedient haben.166 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Emmendingen erste Versuche, Manufakturen zu etablieren. 1775 errichtete Samuel Vogel mit Unterstützung des 158 StadtA Emmendingen, B 1b/244. 159 StadtA Emmendingen, B 1b/611. 160 StadtA Emmendingen B 1b/955. Ob er eines von Parell gebrauchte oder ein spezielles für sein Handwerk besaß, ist nicht zu ermitteln. 161 Es handelt sich hierbei wohl um ein Buch von Johann Nikolaus Textor. StadtA Emmendingen, B 1b/433. 162 Immer wieder traten Viehseuchen auf, vgl. GLA Karlsruhe, 198/750. 115/198. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1777, 1783. 163 StadtA Emmendingen, B 1b/1055. Carl Gottfried Hagen, der Autor, war ursprünglich Apotheker, später dann Professor für Physik, Chemie, Mineralogie in Berlin. 164 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1769. Zur Bedeutung der Geschenke als Mittel der politischen Kommunikation vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke. 165 Am 1. Januar 1652 gründeten einige Ärzte in der Freien Reichsstadt Schweinfurt die Academia Naturae Curiosorum. Ihnen ging es um die Vertiefung naturwissenschaftlicher Kenntnisse zum Nutzen der Medizin. Die Gründungsstatuten („leges“) setzten „die weitere Aufklärung auf dem Gebiet der Heilkunde und den daraus hervorgehenden Nutzen für die Mitmenschen“ zur Richtschnur. Diese älteste, heute unter dem Namen Leopoldina in Halle existierende Akademie der Naturforscher wurde 1677 durch Kaiser Leopold I. anerkannt und erhielt 1687 ein Privileg als Reichsakademie. Seit 1670 wurden die Ephemeriden herausgegeben, die erste medizinische Schriftenreihe, die ebenfalls bis heute existiert. URL: http://de.wikipedia.org/ wiki/Deutsche_Akademie_der_Naturforscher_Leopoldina, 20.11.2008. 166 Holenstein, Gute Policey I, S. 271. Genannt werden 16 Rubriken wie die Lage des Ortes, Waldbeschaffenheit, Luft- und Wasserqualität etc. Holenstein kennt jedoch nicht die Beschreibung von Willius.
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Oberamtmanns Schlosser die erwähnte Musterausbildungsstätte für Waisenkinder, und 1784 erhielt er das markgräfliche Privileg, eine Spinnerei anzuschließen, die jedoch 1787 wieder geschlossen werden musste.167 Auch die Ansiedlung eines Essigsieders im Jahre 1785 gehörte in den Kontext der Versuche, frühindustrielle Betriebe zu etablieren. Johann Jakob Autenrieth erhielt vom Oberamt die Genehmigung, eine Siederei und eine Tabakfabrik zu errichten. Mit seinem Tod im Jahre 1789 und der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Zahlungsunfähigkeit musste auch dieses Unternehmen nach kurzer Zeit wieder seine Pforten schließen. Eine großbetriebliche Textilproduktion und Tabakfabrikation konnten sich erst im 19. Jahrhundert dauerhaft in der Stadt ansiedeln.168 Im Jahre 1790 eröffnete Andreas Christian Stuck einen Bierausschank mit eigener Brauerei, und 1799 konnte Jakob Friedrich Dreyer eine weitere Brauerei eröffnen.169 Bier, das bis dahin aus Lahr oder Straßburg eingeführt werden musste und daher sehr teuer war, machte nun der einheimischen Wein- und Schnapsproduktion ernsthaft Konkurrenz: 1804 gehörte die Bierbrauerei bereits zu den wichtigsten Gewerben in der Stadt.170 Die Entwicklung Emmendingens von einem Ackerbürgerstädtchen zu einem Verwaltungszentrum mit einem differenzierten Angebot an Handwerken und Dienstleistungsberufen war zum Zeitpunkt der Fertigstellung von Willius’ Beschreibung weit gediehen. Die Frondienste im Straßenbau mussten 1785 abgeschafft und die Kosten nach dem Schatzungsfuß auf alle Bürger und Hausbesitzer des Ortes umgelegt werden, da damals in Emmendingen kaum noch jemand Vieh hielt und es daher kaum mehr Ochsengespanne gab.171 Gegen Ende des Untersuchungszeitraums hatte sich die Stadt zu einem wirtschaftlichen Zentrum des Oberamts Hochberg entwickelt. Emmendingen unterschied sich sowohl optisch als auch hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und administrativen Funktionen – wenn auch nicht in der Bevölkerungszahl – stark von den umliegenden Gemeinden.
5. EINE STADT UND VIELE KRIEGE Obwohl die Emmendinger Quellen des späteren 17. und 18. Jahrhunderts relativ wenige detaillierte Beschreibungen darüber enthalten, wie die Stadt die zahlreichen Kriege des Zeitalters erlebte, ermöglichen es die Beilagen zu den Stadtrechnungen sowie vereinzelte Bemerkungen in den Akten und den Kirchenbüchern, ein relativ dichtes Bild der Belastungen der Bewohner in Kriegszeiten zu zeich-
167 Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 105–107. Gemmert, Textilunternehmen, S. 105– 115. 168 Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 108. Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 96. 169 StadtA Emmendingen, B V/2 Fasz. 2. Schmölz-Häberlein/Treffeisen, Kreisbeschreibung, S. 96. 170 Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 327. 171 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 20.12.1785, fol. 124v–125r.
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nen.172 1672 unterbrach der sog. Holländische Krieg die Wiederaufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg und zog die rechtsrheinischen Gebiete stark in Mitleidenschaft. Im April 1675 floh aufgrund der Kriegseinwirkungen ein Teil der Bevölkerung nach Basel,173 eine Erfahrung, die sich in den folgenden Jahren sich mehrfach wiederholte.174 Leonhard Ohmberger notierte 1689 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs in der Stadtrechnung, dass 16 Gulden „bey alhiesiger Plünderung von den Franzosen mir vnd meiner Haußfrawen auß den Säckhen genommen worden“ seien.175 Die Kosten der französischen Besatzung und die Schäden, die die Einwohner durch den Krieg erlitten, beliefen sich auf ungefähr 2200 Gulden.176 Im 18. Jahrhundert war das Oberrheingebiet immer wieder Durchzugsgebiet kaiserlicher und französischer Truppen. Während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) schrieb der Weber Johann Adam Müller aus Mundingen in sein Tagebuch: „Mehrere Jahre ist Niemand mehr sicher gewesen, und während der Freiburger Belagerung war Alles theuer, weil durch das leidige Kriegswesen soviel verderbt worden.“177 Erneut flohen zahlreiche Einwohner.178 Gegen Ende des Krieges berichtete der Geheime Rat von Glocken 1714 nach Karlsruhe: „hingegen ist der Zustand in der Markgrafschaft Hochberg und der Herrschaft Badenweyler deplorabler als selbiges bisher beschrieben worden, in dem die Dörfer und Flecken beydes an Häusern als wegen Abgangs alles Viehs gänzlich desoliert, und anbey die Unterthanen mit großen Schulden verhaftet sind.“179 Während des Polnischen Erbfolgekrieg (1733–1735/38) hatten die Emmendinger Metzger die von den Franzosen besetzte Stadt Kehl mit Vieh zu versorgen.180 Ferner mussten der französischen Generalität verschiedene Waren im Wert von rund 250 Gulden nach Offenburg und Kehl gesandt werden. Der Markgraf erließ der Stadt wegen der hohen Kriegsbelastung ein Sechstel der jährlichen Schatzung, die die Stadt dennoch von den Bürgern und den jüdischen Einwohnern einziehen musste, um die Kosten des Krieges decken zu können.181 Als im Jahre 1734 Prinz Eugen mit der kaiserlichen Armee in den Breisgau einrückte, wurden Emmendingen und seine Umgebung erneut Durchzugsgebiet der Truppen. Wieder waren Kontributionen und Naturallieferungen an beide Seiten zu entrichten;182 einem zeitgenössischen Bericht zufolge war „viel Volks aller 172 Vgl. hierzu umfassend, Schmölz-Häberlein, „Weil durch das leidige Kriegswesen soviel verderbt worden“, in: Schmölz-Häberlein, Stadtgesschichte Emmendingen, S. 299–310. 173 Herbst, Mundingen, S. 43. Auch der Markgraf Friedrich Magnus (1647–1709) musste in dieser Zeit wiederholt seinen Hof nach Basel ins Exil verlagern. Mauer, Baden. S. 5. 174 In Kollmarsreute beispielsweise starb 1677 der Ihringer Bürger Ludwig Dettinger „auf der Flucht“. StadtA Emmendingen, Genealogie Kollmarsreute. Herbst, Mundingen, S. 172ff. 175 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1689. 176 GLA Karlsruhe, 115/292. 177 Herbst, Mundingen, S. 51–52. 178 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1712–1713. 179 GLA Karlsruhe, 74/1679. 180 Steffens, Dorf und Landesherrschaft, S. 205. 181 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1733–1735. 182 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1734–1735.
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Enden eingelegt worden, Husaren und Reuter, daher Alles theuer, weil durch das Flüchten und Verschleppen vieles verdorben worden.“183 Vermögende Bürger wie der Apotheker Wilhelm Ludwig Ferdinand Willius lagerten ihren Besitz an verschiedenen Orten ein – auf der Hochburg, in der Stadt Basel und in ihrem Wohnort Emmendingen, wie das Nachlassinventar seiner Frau von 1735 zeigt.184 Nach dem Ende des Polnischen Erbfolgekriegs blieb Emmendingen nur eine kurze Ruhepause, ehe der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) das Oberrheingebiet einmal mehr in Mitleidenschaft zog.185 Fouragelieferungen186 und der Durchzug der französischen und österreichischen Truppen belasteten die Stadt. Fünf Monate lang hatten sich die österreichisch-ungarischen Truppen mit Frauen und Kindern in der Stadt häuslich eingerichtet. Ihr Aufenthalt kostete die Stadt insgesamt 311 Gulden.187 Anschließend wurde Emmendingen zum Hauptquartier der französischen Truppen im Oberamt Hochberg. In einer Ratssitzung im Oktober 1744 wurde darüber verhandelt, wie die umfangreichen Lieferungen an Heu, Stroh und Hafer für die Truppen aufzutreiben seien. Jeder Haushalt hatte eine bestimmte Quote zu stellen und die Ratsverwandten Willius und Hartmann die Zusammenführung in ein Magazin zu leiten. Von dort aus wurden die täglichen Rationen verteilt.188 Die Stadt beherbergte überdies viele Flüchtlinge aus den umliegenden Gemeinden; zusätzlich wurden aus Sicherheitsgründen auch Sachwerte dorthin gebracht.189 Die Kriegserfahrungen der Einwohner der Markgrafschaft Hochberg konnten durchaus unterschiedlich sein. Während Adam Müller in seinem Tagebuch lediglich vermerkt, „eine deutsche Armee ist im Elsass gestanden; im Jahre 1744 ist wieder eine französische Armee nach der Ernte gekommen und hat Freiburg belagert; es hat niemand dabey Gefahr oder Schaden“,190 heißt es bei Agatha Schuhmachers Sterbeeintrag im Niederemmendinger Kirchenbuch, sie habe „durch die franz(ösische) Kriegsangst sich also abgeängstigt, dass sie von Sinnen gekommen und in solchem Elend gestorben.“191 1746 waren erneut Soldaten in der gesamten Stadt Emmendingen einquartiert, darunter auch einer bei den Eheleuten Schuhmacher. Nachdem Schuhmacher wiederholt versucht hatte, eine „Ausloschierung“ des Soldaten zu erreichen, eskalierte die Situation, und es kam zu Injurien, im Zuge derer unter anderem dem Soldaten das „gegebene Essen vorgeworffen“ 183 Herbst, Mundingen, S. 53. 184 StadtA Emmendingen, B 1b/1472. 185 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1740. C/IX Stadtrechnung 1743. C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.10.1744, fol. 22v–24r. 186 Herbst, Mundingen, S. 53–54. 187 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1744. 188 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.10.1744, fol. 24r–29r. Auch die Täufer auf dem Meiereigut auf der Hochburg hatten 1745 zwei Monate lang französische Truppen zu versorgen, was sie 145 Gulden kostete. Schmölz-Häberlein, Wiedertäufer, die wackere Leut sind, S. 50–51. 189 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.10.1744, fol. 26v. Vgl. auch Schmölz-Häberlein, Ehrverletzung als Strategie, S. 363. 190 Herbst, Mundingen, S. 45. 191 StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen.
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wurde. Seine Frau hatte sich aufgrund finanzieller Probleme mit dem Soldaten angelegt. Der „beklagtin ihr böses Maul“ war dabei stadtbekannt.192 Nachdem der Siebenjährige Krieg (1756–1763) Emmendingen weitgehend verschont hatte, wurde die kleine Stadt während der Französischen Revolutionskriege der 1790er Jahre zum letzten Mal im hier behandelten Zeitraum zum Kriegsschauplatz. Als die Franzosen 1796 in die Stadt einzogen, kam es wiederholt zu Plünderungen und Gelderpressungen,193 ehe ein Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte.194 Eine Zeit lang herrschte daraufhin in Emmendingen und Umgebung eine trügerische Ruhe. Auf dem Rückzug aus Bayern und Schwaben nahm die französische Armee im Oktober 1796 in Emmendingen und in der Gegend um Malterdingen Quartier. Die Autorität der militärischen Führer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits stark gelitten, und es herrschte ein großes Durcheinander. Auch das Oberamt stellte fest, dass dies beim Einfall der Revolutionstruppen in Deutschland noch völlig anders gewesen sei. Die Beamten versuchten sich damit zu trösten, dass diese zügellose Armee in Bayern und Schwaben weit ärger als am Oberrhein gewütet und dort kaum einen Nagel in den Häusern zurückgelassen habe.195 Die Soldaten wurden in den Ställen einquartiert, die Garben in den Scheunen und Tennen als Viehfutter konfisziert oder durch untergebrachtes Vieh und Soldaten ruiniert. Die Truppen konfiszierten Ochsen, Kühe und Schweine. Der Weinvorrat wurde „auf eine mehr als viehische Art gesoffen“, und den Fußgängern auf der Straße ihre Kleidung abgenommen. Der Oberamtmann von Liebenstein zog schließlich folgende Bilanz: „In mehreren Häusern findet man nur noch die leeren Wände, Kisten und Kästen nebst Fenstern zerschmettert, Türen und Fensterladen verbrannt, die Bettfedern mutwillig herumgestreut, die Scheuren meistens geleeret, Ochsen, Kühe und Schweine entweder geschlachtet oder fortgeschleppt, und beim Abschied steckten sie [die Franzosen] das Hirtenhaus noch in Brand, mit welchem auch ein Teil vom Schulhaus abgebrannt ist, und neben all diesem wurden die armen Bewohner auch noch an Kleidungsstücken beinahe bis auf das Hemd ausgeplündert, so dass sich viele gegen die schon einbrechende Kälte fast nicht zu schützen wissen.“196 Im Nachlassinventar des Wilhelm Blum, das im Jahre 1797 angefertigt wurde, steht der Satz: „Alle übrigen Kleider seien dem Verstorbenen durch die Franzosen genommen worden.“197 Allerdings scheint die Lage, trotz aller Ausschreitungen, noch einigermaßen erträglich gewesen zu sein, denn die komplette Bevölkerung von Wasser floh in diesen Tagen nach
192 StadtA Emmendingen, C/VIII/4, Ratsprotokoll 1744–1749, 7.11.1746, fol. 141v–143r und 5.12.1746, fol. 149v–150r (Zitate 140v, 150r). Vgl. zu dem Fall ausführlich, SchmölzHäberlein, Ehrverletzung als Strategie? 193 GLA Karlsruhe, 115/378. 194 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1795–1798. 195 GLA Karlsruhe, 115/378. 196 GLA Karlsruhe, 115/378. 197 StadtA Emmendingen, B 1b/129.
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Emmendingen, da es ihr in der Stadt sicherer erschien als auf dem Dorf. In der Amtsstadt drängten sich wieder die Flüchtlinge.198 Am 19. Oktober kam es erneut zu Gefechten zwischen den Österreichern und den Franzosen. In einer Quelle heißt es, „man sieht bei Nacht alle Blitze des großen und kleinen Gewehrs, es wird keine Kirche gehalten, und wurde geblindert, uns schmägte kein Essen und Trincken.“199 Vor der Stadt standen die kaiserlichen Truppen mit ihren Kanonen und in der Stadt die Franzosen, die bereits einen langen, demoralisierenden Rückzug hinter sich hatten. Nach ihrem Abzug stellte der Oberamtmann von Liebenstein fest, dass die Franzosen wie „wahre Kannibalen“ in Emmendingen und im gesamten Oberamt gehaust hätten.200 Die kaiserliche Armee rückte schließlich in die Stadt ein, und die Franzosen verließen sie auf der anderen Seite.201 Als die Franzosen Emmendingen räumten, zerstörten sie die eben erst wieder hergestellte Elzbrücke völlig. Doch auch nach dem Abzug besserte sich die Lage zunächst nicht. „Gott stehe uns bei!“ beendete Liebenstein seinen Bericht nach Karlsruhe, als die österreichischen Truppen sich wiederum einquartierten und mit Naturallieferungen versorgt werden mussten.202 Auch in den folgenden Jahren war Emmendingen immer wieder Durchgangsstation bei Truppenbewegungen.203 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Emmendingen im späten 17. und 18. Jahrhundert zwar durch Kriegseinwirkungen immer wieder finanzielle Verluste und Rückschläge hinnehmen musste, sich in diesen gut hundert Jahren aber trotzdem von einer kleinen Ackerbürgerstadt zu einem Verwaltungssitz mit zentralen Funktionen gemausert hatte. Ein umfangreiches Bauprogramm führte zur Erweiterung der Stadt, die Bevölkerung stieg kontinuierlich an und Emmendingen übernahm zentrale Funktionen für das Umland. Auch die wirtschaftliche Nachfrage wuchs, die Berufsstruktur differenzierte sich, Luxusgewerbe etablierten sich und die Markt- und Distributionsfunktion der Amtsstadt für das Umland wurde gestärkt. Die Zahl der Zuwanderer, die in dem prosperierenden Städtchen ihre Zukunft sahen, wuchs, und neben Handwerkern aus hochbergischen Gemeinden etablierten sich Zuwanderer aus größeren Städten. Emmendingen war darüber hinaus mit Ausnahme der Amtszeit Johann Georg Schlossers Sitz des Spezialsuperintendenten und damit kirchlicher Mittelpunkt des Oberamts. Ferner befand sich dort die einzige weiterführende Schule im nördlichen Breisgau, die die Bürger- und Beamtensöhne aus der Stadt und dem Umland auf die Universität vorbereitete.204 Trotz der Kleinräumigkeit und der auch um 1800 noch recht bescheide-
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GLA Karlsruhe, 137/50. Steffens, Revolutionskriege, S. 351. GLA Karlsruhe, 115/378. GLA Karlsruhe, 115/378. Bei Schmidt, Teningen, Mundingen, S. 188, heißt es hingegen: „Beim Aufeinandertreffen zwischen Köndringen und Malterdingen wurde General Beaupuy durch eine Kanonenkugel getötet.“ 202 GLA Karlsruhe, 115/378. 203 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1800. 204 Vgl. zu den Schulen Kap. V.
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nen Bevölkerungszahl bewegten sich Frauen und Männer in Emmendingen im 18. Jahrhundert unzweifelhaft in einem urbanen Raum.
Wir Männer stecken voller Mängel; Es leugne, wer es will! Die Weiber gegen uns sind Engel. Nur taugen, wie ein Kenner will, Drei kleine Stück – und die sind zu erraten – An diesen Engeln nicht gar zuviel: Gedanken, Wort´ und Taten. (Gotthold Ephraim Lessing, Lobspruch des schönen Geschlechts)
III. LEBENSWEGE EMMENDINGER FRAUEN IM 18. JAHRHUNDERT 1. VORBEMERKUNG Der Rekonstruktion individueller Lebenswege von Frauen aus seriellen Quellen, wie sie für diese Arbeit ausgewertet wurden, sind naturgemäß enge Grenzen gesetzt. Da diese Dokumente in administrativer bzw. fiskalischer Absicht entstanden, thematisieren sie vorrangig elementare demographische Erfahrungen wie Geburt, Heirat und Tod, Besitz- und Vermögensverhältnisse, ökonomische Aktivitäten wie Kauf- und Kreditgeschäfte sowie Konflikte. Über das Aussehen von Personen, ihre Selbstwahrnehmung und die Motive ihres Handelns geben Ratsund Gerichtsprotokolle, Suppliken, Verträge und Testamente hingegen nur in Einzelfällen und in knapper Form Auskunft. Außerdem sind wohlsituierte, sesshafte, ökonomisch aktive und konfliktbereite Individuen tendenziell stärker repräsentiert als arme, mobile und wirtschaftlich passive. Dennoch verspricht die Rekonstruktion weiblicher Lebensläufe aus seriellen Quellen beträchtlichen Erkenntnisgewinn. Aus demographischen, ökonomischen und sozialgeschichtlichen Informationen lassen sich Kurzbiographien zusammensetzen, die zeigen, über welche Handlungsspielräume Frauen des 18. Jahrhunderts verfügten, wie sie diese nutzten und wie sie mit Erfahrungen wie Eheleben und Ehelosigkeit, Kinderreichtum und Kinderlosigkeit, ökonomischem Erfolg und Misserfolg, familiärer Solidarität und familiären Konflikten umgingen. Soweit es die Quellen erlauben, versucht dieses Kapitel also einen Annäherung an die individuelle, die „menschliche“ Seite der Bewohnerinnen einer frühneuzeitlichen badischen Kleinstadt. Die zehn Frauen, um die es im Folgenden geht, wurden einerseits ausgewählt, weil über sie besonders reichhaltige Informationen in Form von Testamenten, Zurbingens- und Nachlassinventaren, Grund- und Pfandprotokollen oder in Ratsund Frevelprotokollen dokumentierten Konflikten vorliegen. Andererseits repräsentieren sie aber auch in demographischer, sozialer, konfessioneller und „cha-
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rakterlicher“ Hinsicht ein breites Spektrum und verdeutlichen dadurch die Bandbreite weiblicher Erfahrung.
2. ZWEI SCHWESTERN: CHRISTINE ELISABETH OTTIN (1717–1792), KAUFMANNSFRAU, UND SOPHIA FRIEDERIKE OTTIN (1731–1807), PFARRERSFRAU Die beiden Schwestern Christine Elisabeth und Sophia Friederike Ottin stammten nicht aus einer alteingesessenen Emmendinger Familie. An ihrem Beispiel lassen sich daher die Integrationschancen aufzeigen, die Emmendingen im 18. Jahrhundert als wachsendes Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum bot. Ihr Vater Johann Melchior Ott, der im Jahre 1687 in der Reichsstadt Frankfurt am Main auf die Welt kam, brachte neben einer guten Ausbildung und einem gewissen Vermögen zahlreiche überregionale Kontakte mit, als er sich im Alter von 27 Jahren in der Amtsstadt als Kaufmann niederließ. Der Rat nahm sein Gesuch um Bürgerannahme 1714 an und gewährte Ott gegen Bezahlung von zwei Gulden die Fronfreiheit, weil er nach eigener Aussage „das arbeithen nicht gewohnt“ war.1 Im Februar desselben Jahres heiratete er die in Grenzach geborene Maria Magdalena von Bazendorf, eine Schwägerin des in der Stadt ansässigen Präzeptors und Diakons Johann Lorenz Rheinberger.2 In den folgenden 20 Jahren, zwischen 1715 und 1734, brachte seine Frau zehn Kinder zur Welt, von denen fünf noch im Kindesalter starben. Der erstgeborene Johann Samuel wurde nur dreieinhalb Jahre alt. Die zweitgeborene Christine Elisabeth – später eine erfolgreiche Kaufmannsfrau – wurde 75 Jahre alt, die drittgeborene Margarete Magdalena heiratete den Kameralbeamten Zangmeister und erreichte mindestens ihr 50. Lebensjahr.3 Das vierte Kind, Katharina Regina, heiratete 1742 den 28 Jahre alten Bötzinger Pfarrer Jakob Friedrich Bertsch,4 der noch im gleichen Jahr verstarb. Wenige Monate danach ehelichte sie seinen Nachfolger im Amt, den Pfarrer Johann Wilhelm Maler.5 Ka1 2
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StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 8.2.1714, fol. 139v. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen, Eheschließung 20.2.1714. Möglicherweise handelt es sich bei seiner Frau um eine Pfarrerstochter. Die Schwester der Ehefrau war mit dem Diakon Rheinberger verheiratet. Weitere Aufschlüsse dazu in: StadtA Emmendingen, B 1b/947. C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778). C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757). Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 38. Sie ist zu diesem Zeitpunkt das letzte Mal in den Quellen fassbar. Da sie nicht in Emmendingen verstarb, ist mir ihr Todesdatum nicht bekannt. Eintrag im Kirchenbuch Vörstetten, 7.2.1742. Dort war Johann Friedrich Bertsch am 20.5.1714 als Sohn des dortigen Pfarrers Johann Jakob Bertsch und seiner Frau Maria Elisabeth Eccard, einer Pfarrerstocher auch geboren. Freundliche Mitteilung Dieter Ohmberger/Denzlingen. Im Ehebuch Bötzingen findet sich unter dem 2.10.1742 folgender Eintrag: „Den 2ten 8bris wurden allhier ich Joh. Wilh. Maler dermahliger Seelsorger und Fr. Katharina Regina, gebohr. Ottin, meines Antecessoris nachgelassenen Wittib, von meinem Schwager Christian Samuel Rheinberger dermaliger Seelsorger der Evangelischen Gemeinde im Prechtal copuliert.“ Freundliche Mitteilung Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. Auch erwähnt OSB Müll-
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tharina Regina starb sechs Jahre später im Alter von nur 27 Jahren im Kindbett. Der als fünftes Kind geborene Heinrich Ludwig übernahm schließlich das Geschäft des Vaters und wurde 60 Jahre alt. Die drei Mädchen, die nun folgten, starben alle zwischen dem vierten Lebensmonat und dem fünften Lebensjahr. Sophia Friederike war das neunte Kind; als zehntes und letztes Kind wurde noch ein Sohn geboren, der jedoch ebenfalls mit nicht einmal fünf Jahren verschied. Die Geschichte der Otts macht die extrem unterschiedlichen Lebenschancen der Kinder einer wohlhabenden Emmendinger Bürgerfamilie ebenso deutlich wie die Verflechtung zwischen erfolgreichen Kaufleuten, Pfarrern und Beamten. Johann Melchior Ott machte in der Stadt Karriere. Im Jahre 1725 wurde er mit 38 Jahren in den Rat gewählt, aus dem er erst 53 Jahre später aus Altersgründen ausschied.6 1729 wurde er neben Joseph Schöchlin Baumeister und damit städtischer Rechnungsführer,7 1737 erfolgte seine Wahl zum Bürgermeister. Von den 58 stimmberechtigten Bürgern erhielt er 21 Stimmen, die übrigen 37 verteilten sich auf vier weitere Kandidaten.8 Trotz der relativ geringen Stimmenzahl stand der Zuwanderer 23 Jahre nach seiner Niederlassung in Emmendingen damit an der Spitze der Bürgerschaft. Zehn Jahre später, 1747, bat er das Oberamt aus Altersgründen und wegen verschiedener Krankheiten um die Genehmigung, das Bürgermeisteramt niederlegen zu dürfen.9 Mit diesem Gesuch scheiterte er, denn seine Kompetenz war zu diesem Zeitpunkt allgemein anerkannt und seine Position in der Stadt gefestigt. Dauerhaft krank oder altersschwach konnte er auch nicht gewesen sein, da er noch mehr als 30 Jahre lebte. Fast 20 Jahre später ernannte ihn die markgräfliche Regierung 1768 zum Kommerzienrat. Im städtischen Alltag verzichtete er jedoch auf den Gebrauch des Titels.10 Nachdem er seine erwachsenen Kinder bereits ausgesteuert hatte, erfolgte nach dem Tod von Otts Frau, die 1762 im Alter von 70 Jahren starb, ein zweiter größerer Vermögenstransfer an seine Nachkommen, unter denen er mehr als 6000 Gulden verteilte.11 Sein einziger überlebender Sohn Johann Heinrich heiratete 1751 in Frankfurt am Main die Bürgerstochter Christine Mergenbaum, ließ sich anschließend jedoch heim Nr. 1941. Stammtafeln Zandt. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Sie heiratete mit 21 Jahren zum ersten Mal. Ihr zweiter Mann, den sie kurz nachdem sie Witwe geworden war, ehelichte, war bei der Hochzeit 26 Jahre alt. Zum Heiratsalter von Pfarrern und Pfarrfrauen vgl. Schorn-Schütte, Pfarrfrauen, S. 218. Im von Schorn-Schütte untersuchten norddeutschen Raum lag das durchschnittliche Erstheiratsalter der Männer bei 31 Jahren und der Frauen bei 23 bis 24 Jahren. 6 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 6.4.1725, fol. 173r. C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 28.1.1779, fol. 8v. 7 In dieser Zeit leistete sich die Stadt aufgrund des erhöhten Verwaltungsaufwands wegen des Baus des Rathauses einen zweiten Baumeister. Zum Rathausbau vgl. Kapitel 2. StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 21.1.1729, fol. 284r. C/IX Stadtrechnung 1729. 8 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 28.1.1737, fol. 23r–25r. 9 GLA Karlsruhe, 198/213. 10 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 8.9.1768, fol. 287v–288r. Privileg vom 15.8.1768. 11 StadtA Emmendingen, B 1b/947.
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in seiner Heimatstadt Emmendingen nieder. Die familiären Verbindungen zu Johann Melchior Otts Geburtsstadt wurden durch die Hochzeit von Johann Heinrichs 1753 geborener Tochter Maria Sophie mit dem Frankfurter Handelsmann Peter Florenz Mettenius in der dritten Generation aufrecht erhalten.12 Mettenius stand im Jahre 1784 Pate für Georg Eduard Schlosser, den Sohn des Emmendinger Amtmanns Johann Georg Schlosser, der ebenso wie seine erste und zweite Frau aus Frankfurt stammte.13 Das familiäre Netzwerk der Ott war also über mehrere Generationen hinweg mit der Reichs- und Messestadt Frankfurt am Main verknüpft. Hier zeigt sich ein Muster der doppelten Integration, das auch für andere süddeutsche Kaufmannsfamilien, vor allem aus Italien und Savoyen, nachgewiesen werden konnte.14 Die regelmäßige Kommunikation mit Verwandten in einem Handelszentrum wie Frankfurt war im Emmendingen des 18. Jahrhunderts kein Problem mehr, da die Stadt an das Thurn- und Taxis’sche Postnetz angebunden war. Da Verwandte Johann Melchior Otts in Müllheim lebten, hatte die Familie auf der Achse Frankfurt-Basel noch ein zweites Standbein. Verwandte in Nürnberg banden eine weitere große Handelsstadt in das familiäre Netzwerk ein. Otts Tochter Christine Elisabeth heiratete 1735 im Alter von 18 Jahren den 1706 geborenen Handelsmann und damit elf Jahre älteren Georg Heinrich Schlözer aus dem in der Grafschaft Hohenlohe gelegenen Neuenstein.15 Zwei Jahre nach der Eheschließung erhielt Schlözer das Emmendinger Bürgerrecht.16 Schlözer und seine Frau waren aktiv am Handelsgeschäft Johann Melchior Otts beteiligt. Der Ehekontrakt vom 22. März 1735 zeigt, dass Otts Geschäft hierarchisch strukturiert war und Sohn und Schwiegersohn eng in das Unternehmen einband. Christine Elisabeth erhielt 500 Gulden als Heiratsgut, und das Ehepaar wurde am väterlichen Geschäft beteiligt. Der Unterhalt der Schlözers sollte ebenso wie derjenige der Schwiegereltern aus dem Handelsgeschäft bestritten, doch dabei kein „Übermaß getrieben“ werden. Schlözer verpflichtete sich, „nach bestem Vermögen und sonsten zu der Handlung zu helfen und den gemeinsamen Nutzen zu befördern.“ Die Eheleute sollten sich gegenseitig beerben, falls sie keine Kinder hinterließen. Johann Melchior Ott baute sein Haus am Marktplatz völlig um, damit das junge Ehepaar dort ausreichend Platz fand. Schlözer fing „auf Ostern die Handlung mit an, und verspricht bey seinem Gewissen u. Ehren derselbigen nach bestem Vermögen Tag und Nacht, wie es immer erfordert werden mag, treulich und unverdrossen als einem christlichen, redlichen und ehrlichen Kaufmann, insonderheit auch lieben Tochtermann gebühret, vorzustehen, auch mit solcher Treu und Aufrichtigkeit in allem zu handlen, wie er solchs dereinst für Gott und Herr 12 StadtA Emmendingen Genealogie Emmendingen, Eheschließung am 18.8.1772 in Emmendingen. 13 Müller, Goethe Erinnerungen, S. 108. Zu Schlosser und seinen Ehen vgl. unten Kap. III.9. 14 Vgl. Schwanke, Offenburg, S. 192–213. Häberlein/Schwanke/Wiebel/Zürn, Fremde. Integration und Distinktion als Parametern der frühneuzeitlichen Gesellschaft finden in jüngster Zeit verstärkte Aufmerksamkeit. Zur Begriffsklärung vgl. Schmidt/Carl, Einleitung, S. 7–16. 15 StadtA Emmendingen, B 1b/1144. 16 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 20.2.1737, fol. 21r–21v. C/IX Stadtrechnungen 1736–1737.
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für allen und jeden ehrlichen Leuten mit gutem Gewissen zu verantworten getraut.“17 Johann Melchior Ott blieb lebenslänglich der Leiter des Geschäfts, und es sollte darin nichts ohne sein Wissen und seinen Willen geschehen. Die beiden Geschäftspartner sollten sich aber die Arbeit gleichmäßig teilen, und was das Ehepaar Schlözer selbst erwirtschaftete, durfte es alleine genießen. Da der Schwiegervater sechs Kinder hatte, sollte Schlözer den sechsten Teil des Gewinns als Profit erhalten. Der Zeitpunkt des Eintritts von Otts Sohn Johann Heinrich, der zu diesem Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt war, und des einjährigen Johann Nikolaus Friedrich, der jedoch bereits mit fünf Jahren verstarb, in das Geschäft wurde in dem Ehekontrakt genau festgelegt. Die Mitarbeit seiner Ehefrau im gemeinsamen Handel wurde von Schlözer finanziell entlohnt. Sie erhielt jedes Jahr die Summe von 50 Gulden in ihren Sparhafen einbezahlt, was sich im Laufe der Ehe auf die stolze Summe von 1500 Gulden addierte.18 Das Ehepaar hatte durch die Teilhabe am väterlichen Geschäft zweifellos sehr günstige wirtschaftliche Startbedingungen. Johann Melchior Ott und sein Schwiegersohn waren aufgrund ihrer Verbindungen nach Frankfurt, Nürnberg, Basel und Müllheim in der Lage, die Nachfrage der Emmendinger, Hochberger und vorderösterreichischen Bevölkerung nach Haushalts-, Luxus- und Kolonialwaren zu befriedigen. 1730 zahlte die Stadt an Ott 55 Gulden für zwei in Frankfurt gekaufte eiserne Öfen19 und 1766 „bei Serenissimo höchster Anwesenheit“ für Schießpulver und Papier zur „Illumination“ – also für das obligatorische Feuerwerk – mehr als 43 Gulden.20 Lange Zeit bezog die Stadt auch „das gewöhnlich in Zucker und Caffee bestehende Neujahrsgeschenk“ der Beamten aus dem Ottschen Laden.21 1756 wurde in einem Bericht des Oberamts an die Regierung in Karlsruhe vermerkt, dass Ott quasi ein Monopol in der Stadt besitze und es im Interesse der Stadt läge, dass mehr Handelsleute angesiedelt würden, denn die Bauern würden generell nicht bei Ott einkaufen.22 Im Jahre 1749 begann das Ehepaar Schlözer, selbst Haus- und Grundbesitz zu erwerben. Sie kauften für 500 Gulden von Johannes Hermann ein altes Haus samt Hof am Markt.23 Der Kauf eines eigenen Hauses hing möglicherweise mit der absehbaren Eheschließung des jüngeren Bruders und Geschäftsnachfolgers Jo17 18 19 20 21
StadtA Emmendingen, B 1b/1144. StadtA Emmendingen, B 1b/1144. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1730. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1766. Vgl. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1717, 1763. Geschenke waren in der Regel ein zuverlässiger Indikator für den Stellenwert und Charakter der Beziehungen zwischen politischen Akteuren, wie in diesem Fall der Stadt und ihrer Amtsträger auf der einen und den fürstlichen Beamten auf der anderen Seite. Zur Bedeutung des Schenkens als Mittel der politischen Kommunikation und zur Registrierung vergebener Geschenke vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, besonders S. 41–49, 97–111. Hochmuth, Distinktionshändler, S. 225. Hochmuth, Globale Güter, S. 137–138. 22 GLA Karlsruhe, 115/397, fol. 87v. 23 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 16.6.1749, fol. 320v–321r.
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hann Heinrich Ott, die 1751 erfolgte, zusammen und spiegelt den Wunsch des Ehepaars, auf räumliche Distanz zu Johann Melchior Ott zu gehen. 1751 gelang es ihnen, das benachbarte Grundstück von Martin Bickel für 140 Gulden24 und das ebenfalls angrenzende Grundstück der Susanna Klingenfußin für 120 Gulden hinzuzukaufen.25 1754 konnten sie von Salome Mentonin, der Witwe des Einnehmers Rabus, einen Küchengarten für 251 Gulden26 und von Susanna Klingenfußin ein kleines Grundstück vor ihrem Haus für 120 Gulden erstehen.27 Noch im selben Jahr wurde der Küchengarten durch den Kauf des angrenzenden Baumgartens von Anna Rosina Zandtin für 220 Gulden erweitert.28 1758 erwarben die Eheleute ein weiteres Gartengrundstück für 430 Gulden von der in Karlsruhe lebenden verwitweten Emmendingerin Christina Maria Sanderin.29 1771 arrondierten sie ihren Besitz ein weiteres Mal. Ihr Nachbar Bernhard Klingenfuß veräußerte ihnen einen Teil eines Hofes für 337 Gulden.30 Im Vergleich zu anderen Emmendingern investierten die Schlözers jedoch kaum in Äcker und Wiesen, da ihr Kapital im Handelsgeschäft gebunden war. 1777 verkauften sie ihren Gras- und Baumgarten an der Bretten für 700 Gulden an die Stadt Emmendingen, da sie ihn wohl aus Altersgründen nicht mehr bewirtschaften wollten.31 Ferner stifteten sie für die Ratsstube Porträts des Markgrafenpaares, die noch heute im alten Rathaus hängen.32 Da die Ehe der Schlözers kinderlos blieb, konnte Christine Elisabeth ihre Arbeitskraft ganz dem Geschäft widmen. In ihrem Haushalt waren mehrere Dienstboten beschäftigt; 1769 leben dort vier erwachsene Personen.33 Die Beziehung der Christine Elisabeth Ottin zu ihren zahlreichen Neffen und Nichten war ungewöhnlich eng; sie sollten nach dem Tod der Eheleute als Intestaterben das Vermögen erben. Einen ihrer Neffen, den 1762 geborenen Heinrich Ludwig Ott, hatte jedoch das Fernweh gepackt. Nach dem Tode seines Vaters Johann Heinrich Ott im Jahre 1783 machte er sich in die Neue Welt auf34 und segelte mit einem Schiff der Westindischen Kompanie, der „Batavia“ unter dem Kapitän Derk van der Wal, nach Paramaribo. Er arbeitete als Plantagenverwalter in der niederländischen Kolonie Surinam und verstarb 1785 auf einer Plantage namens „La Jalousie“. Wie viele andere Europäer erlag er vermutlich dem ungewohnten Klima oder einer Tropenkrankheit. Nach Eingang der Sterbeurkunde aus Paramaribo erfolgte 1786
24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 3.2.1751, fol. 34v–36r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 1.4.1751, fol. 41r–42r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 20.5.1754, fol. 155r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.3.1754, fol. 146r–146v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 9.10.1758, fol. 39v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 18.9.1758, fol. 33v. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 13.6.1771, fol. 153r–154r. StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 30.1.1777, fol. 9r–10v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 2.8.1762, fol. 225v. StadtA Emmendingen, B IV/3-7. GLA Karlsruhe, 198/140.
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in Emmendingen die „Abstandspflegrechnung“, in der Otts Geschwister als Erben eingesetzt wurden.35 In ihrem gemeinsamen Testament von 1783 setzten sich die Eheleute Schlözer gegenseitig als Universalerben ein. Außerdem wurde die freie Verfügungsgewalt der Ehefrau über ihren Sparhafen festgeschrieben. Erst nach dem Tod beider Eheleute sollten die Intestaterben ausbezahlt werden.36 Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1785 führte Christine Elisabeth ihren Haushalt in diesem Sinne weiter. Sie verlieh ihr Geld zu fünf Prozent an Emmendinger und Personen aus den umliegenden Hochberger Landgemeinden. 1786 schuldete ihr Christine Elisabeth Bickelin ein Kapital von 150 Gulden, das sie bereits von ihrer Mutter übernommen hatte.37 1787 waren auf Jakob Friedrich Kochs Darlehen von 250 Gulden 9 Gulden 22 Kreuzer an Zinsen aufgelaufen.38 Johann Michael Bürklins Darlehen von 200 Gulden war 1790 auf 208 Gulden 30 Kreuzer angewachsen.39 Leonhard Scherberger nahm 1792 250 Gulden zur Bezahlung eines „kürzlich erkauften halben Häusleins“ auf.40 Als Witwe folgte Christine Elisabeth den gleichen Geschäftsgrundsätzen, die sie in den 50 Jahren ihrer Ehe befolgt hatte. Ihre 14 Jahre jüngere Schwester, die 1731 geborene Sophia Friederike, heiratete im Alter von 20 Jahren den Pfarrer Ernst Friedrich Bürklin, der aus einer alteingesessenen badischen Beamten- und Pfarrerfamilie stammte. Bürklin, ein Sohn des Karlsruher Kirchenrats, hatte seine Ausbildung am Pädagogium Pforzheim und am Gymnasium in Karlsruhe begonnen und anschließend die Universitäten Erlangen und Halle besucht. 1748 wurde er in den Pfarrdienst aufgenommen. Im November 1751 supplizierte der junge Bürklin um die Erlaubnis zur Eheschließung, nachdem er sich „mit Gott und meiner Eltern und Anverwandten Beystimmung“ entschlossen hatte, „mit des (...) Johann Melchior Ott ehelich ledigen Tochter (...) in einen christlichen Eheverspruch“ einzutreten.41 Dem Gesuch wurde stattgegeben. Nach seiner ersten Anstellung in Rüppur bei Karlsruhe, wo die ersten Kinder geboren wurden, kam die Familie 1763 nach Vörstetten und 1764 in die Geburtsstadt von Bürklins Frau.42 Das Ehepaar hatte insgesamt neun Kinder, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten. Ein Sohn starb unverheiratet im Alter von 19 Jahren. Der 1754 geborene Johann Ernst trat in die Fußstapfen seines
35 GLA Karlsruhe, 198/141. 36 StadtA Emmendingen, B 1b/1144. Testament (gemeinsames Testamentum clausum) von Georg Heinrich Schlözer und Christine Elisabeth Ott 25.11.1783. Zur Bedeutung von Testamenten als Quellen zur Rekonstruktion von Lebensläufen, insbesondere von Frauen, vgl. Wunder, Vermögen, S. 227–240. 37 StadtA Emmendingen, B 1b/285. 38 StadtA Emmendingen, B 1b/698. 39 StadtA Emmendingen, B 1b/230. 40 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 21.6.1792, fol. 71r–72v. 41 Supplik an den Markgrafen um die Erlaubnis zur Eheschließung, 13.10.1751. Krieger, Bürklin-Wolf, S. 216–217. 42 GLA Karlsruhe, 115/241, Kirchenvisitation Emmendingen, 4.5.1764. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1763.
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Vaters und wurde Pfarrer.43 Die Töchter heirateten ebenfalls Beamte: Katharina Friederike 1776 den Oberamtssekretär Karl Friedrich Ziegler,44 Christine Elisabeth 1779 den Wasser- und Wegebauinspektor Ludwig Winter45 und Anna Christine 1786 den Arzt und Landphysikus der Herrschaft Mahlberg Gottlieb Gustav Eisenlohr, einen Sohn des Laufener Pfarrers Johann Jakob Eisenlohr.46 Als die Kinder bereits aus dem Haus waren, nahm Sophia Friederike ihren alten Vater Johann Melchior Ott bei sich auf und versorgte ihn.47 Der Arzt Willius berichtete, dass Ott „mit vieler Munterkeit des Leibes bis auf kurze Zeit vor seinem Lebensende, und mit voller Beibehaltung der Seelenkräfte bis zu seiner gänzlichen Vollendung seines Alter(s)“ lebte.48 Der Haushalt der Eheleute Bürklin verfügte im Jahr 1773 über ein Jahreseinkommen von rund 700 Gulden,49 wozu die zahlreichen Liegenschaften der Familie einiges beitrugen. Zum einen hatte Bürklin seit 1764 systematisch Ackerflächen in Emmendingen gekauft, zum anderen hatte seine Frau ein nicht unbeträchtliches Vermögen in die Ehe eingebracht. Als Bürklin 1781 starb, ordnete die nun 50jährige Sophia Friederike die Finanzen neu und verkaufte einen großen Teil der Liegenschaften. Der neue Pfarrer Christian Bernhard Gockel, Schwager der Goethe-Muse Friederike Brion,50 kaufte von ihr sechs Mannshauet51 Acker „auf dem Rieder“ für 355 Gulden. Ferner gingen ein Juchert Matten für 610 Gulden an Johann Friedrich Hartmann und Johann Georg Siebenhaar, zweieinhalb Mannshauet „im Gottesackerfeld“ für 260 Gulden an den Apotheker Johann Christoph Willius und etwas mehr als ein Juchert Matten „in den Haslen“ für 370 Gulden an den Posthalter Johann Christian Sander. Der Schuhmacher Konrad Süß, ein Freund des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz, kaufte vier Manns-
43 GLA Karlsruhe, 115/258. OSB Sexau, Nr. 369. Matrikel Tübingen 3, Nr. 37128, S. 249. Krieger, Bürklin-Wolf. Genealogie Emmendingen. Kirchenbuch Vörstetten. 44 StadtA Emmendingen, B 1b/1521. C/IX Stadtrechnung 1766. Müller, Goethe-Erinnerungen, S. 13. Krieger, Geschichte. Genealogie Emmendingen. 45 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790). C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800). Maurer, Emmendingen, S. 176. Krieger, Bürklin-Wolf. Genealogie Emmendingen. 46 Krieger, Bürklin-Wolf, S. 221, 514. 47 Krieger, Bürklin-Wolf, S. 218. 48 Willius, Beschreibung, S. 185. 49 GA Denzlingen, 1 AN-10. 50 Die Beziehung zwischen Goethe und Friederike Brion ist bis heute ein fester Bestandteil der Goethe-Literatur. Vgl. bspw. Die Zeit, 28.3.2002. Gockel hatte im Herbst 1766 Maria Magdalena Brion (1747 Sesenheim – 1772 Eichstetten) geheiratet. Nach ihrem Tod schloss er im März 1773 die Ehe mit Salome Danzeisen, einer Bürgerstochter aus Eichstetten am Kaiserstuhl. Kaiser, Geschichte, S. 132–133. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 202. Issel, Eichstetten, S. 106. Korrespondenz mit Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. 51 Ein Mannshauet entspricht der Fläche, die ein Mann an einem Tag mit der Haue bearbeiten konnte, ein Juchert, die Fläche, die ein Ochsengespann an einem Tag pflügen konnte.
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hauet Matten „auf dem Rieder“ für 234 Gulden.52 Außerdem erstand der Niederemmendinger Christian Moser drei Mannshauet Acker für 320 Gulden.53 Die Pfarrerswitwe sicherte sich ein geregeltes Einkommen, indem sie das aus diesen Verkäufen erlöste Kapital von 2149 Gulden zum größten Teil mit fünfprozentiger Verzinsung verlieh. So vergab sie 1784 ein Darlehen von 200 Gulden an den Glaser Wilhelm Hartmann.54 Im gleichen Jahr liehen sich Andreas Möringer und Anna Katharina Müller aus Niederemmendingen 50 Gulden für ihre eigenen Belange und 150 Gulden als Aussteuer für ihre Tochter.55 1799 schuldete ihr der Eichstetter Martin Danzeisen die Summe von 150 Gulden,56 und der Hafner Johann Daniel Zaberer hatte 1806 bei ihr ebenfalls eine Darlehensschuld von 150 Gulden.57 Während ihrer Witwenschaft zeigte die Pfarrerfrau, dass sie darin geübt war, ihren Haushalt wirtschaftlich zu führen und ihr Vermögen zu mehren. Aber erst als Witwe begegnet sie uns in den Quellen als eigenständig handelnde Person.58 Beide Schwestern nutzten das ökonomische und soziale Kapital, das sie aus ihrem Elternhaus mitbrachten, und investierten es in die Zukunft ihrer Familie. Während Sophia Friederike erst in der Zeit ihrer Witwenschaft als ökonomisch handelnde Frau fassbar ist, war ihre ältere Schwester Christine Elisabeth auch als Ehefrau wirtschaftlich aktiv. Sophia Friederike erzog ihre Kinder und versorgte ihren Vater im Alter, eine Aufgabe, die dem Rollenbild der evangelischen Pfarrerfrau in hohem Maße entsprach, während ihre kinderlose Schwester sich stärker im ökonomischen Bereich engagierte und enge Beziehungen zu Neffen und Nichten pflegte.59
3. ANNA MARIA ELISABETH WILDERSINNIN (1728–1777), BÜRGERMEISTERSTOCHER UND BUCHBINDERGATTIN Wie der Vater der Ottschen Schwestern war Johann Christoph Wildersinn, der Vater von Anna Maria Elisabeth, kein Emmendinger Bürgersohn. Er wurde 1678 in Pforzheim geboren und erlernte das Glaserhandwerk. Im Zusammenhang mit seiner Eheschließung mit Anna Barbara Schickin, der Witwe des Christoph Ohmberger, wurde er 1704 in das Bürgerrecht aufgenommen.60 Anna Barbara Schickin 52 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 25.10.1781, fol. 157v– 159r. Zu Süß vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 315. 53 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775, 25.10.1781. 54 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 26.3.1784, fol. 137r–138r. 55 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1776, 13.11.1784. 56 GA Eichstetten, C/IV/4 Pfandbuch 3 (1790–1811), 22.10.1799, fol. 102r–102v. 57 StadtA Emmendingen, B 1b/1517. 58 Vgl. hierzu Schorn-Schütte, Pfarrfrauen, S. 220–221. Ingendahl, Witwen, S. 118–121. 59 Die Bedeutung von Onkel und Tanten hat jüngst Marion Trévisi für Frankreich während der Zeit der Aufklärung detailliert untersucht, vgl. Trévisi, Au cœur de la parenté. 60 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706. Genealogie Emmendingen, Bürgeraufnahme 11.2.1704.
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hatte nach dem Tod ihres Mannes den Betrieb zunächst alleine weitergeführt und war 1703 mit dem Gesetz in den Konflikt gekommen, weil sie ein Fass mit „altem“ Wein ohne Bezahlung des Ungelts gelagert hatte. Obwohl sie diesen angeblich nur in Kommission für den Pfarrer von Bahlingen aufbewahrte, wurde ihr eine Strafe von 15 Gulden auferlegt.61 Im Jahre 1711 fungierte Wildersinn als Pfleger für seinen Stiefsohn Johann Georg Ohmberger, als dieser einen von seinem Vater geerbten Acker verkaufte, um seine Ausbildung als Barbier und Chirurg zu finanzieren.62 Die Eheschließung ermöglichte Johann Christoph Wildersinn, die Meisterstelle sowie die Stubenwirtsgerechtigkeit seines „Ehevorfahren“ zu übernehmen, und kurze Zeit später folgte er diesem in verschiedenen öffentlichen Ämtern nach. 1707 erscheint er als Ratsverwandter, drei Jahre später hatte er das Amt des Almosenpflegers inne, 1712 wurde er zum Baumeister gewählt, zwei Jahre darauf zum Umgelder, also zum Aufseher über den Weinkauf und die Weintaxe, und seit 1717 war er abwechselnd Bürgermeister und Baumeister.63 Bereits kurz nach seiner Wahl in den Stadtrat wurde er mit einer städtischen Delegation in die Residenz des badischen Markgrafen nach Durlach gesandt. Dort wurden die Gesandten jedoch von einem französischen Angriff überrascht, und ihre Flucht gestaltete sich lang und kostspielig.64 Während seiner Amtszeit als Bürgermeister setzte Wildersinn sich für die Verbesserung der Infrastruktur ein. „[D]ieweilen Er nach sieben jährig höchst rühmlich geführtem Bürgermeister Ambts in welcher Zeit Er nicht nur die gantze Statt pflastern, um und um bemauren, sondern auch viele Weg und Stege ausbauen und bessern laßen“, bat er 1723 darum, sein Amt niederlegen zu dürfen.65 1726 wurde er zum Schatzungsumleger gewählt.66 Auch in seinem eigenen Gewerbe, dem Glaserhandwerk, demonstrierte Wildersinn organisatorische Fähigkeiten, denn er gründete mit zwei weiteren Meistern, darunter dem ersten Ehemann seiner späteren zweiten Frau, die Hochberger Glaserzunft.67 Wildersinn war auch in der Zeit des Rathausbaus der einzige Emmendinger Glaser, der im Auftrag der Stadt arbeitete. Neben der Stubenwirtschaft, die natürlich auch ein Umschlagplatz für Informationen war, und dem Glasergewerbe betrieb er wie die meisten Emmendinger etwas Landwirtschaft im Nebenerwerb und hatte vier Rinder und zwei Schweine in seinem Stall stehen.68 Nachdem seine erste Frau im September 1724 kinderlos verstorben war, heiratete er knapp neun Monate später die seit 1723 verwitwete Glasermeisterin Ma61 StadtA Emmendingen, B 1a/1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Dienstag 11. Dez. 1703. 62 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 3.12.1711, fol. 120r. 63 StadtA Emmendingen C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 1704, fol. 16r. 26.12.1712, fol. 128r. Er erhielt 21 von 34 Stimmen. 24.5.1714, fol 146r. C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.3.1723, fol. 96v. 64 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 7.7.1707, fol. 50v. 65 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.3.1723, fol. 96v. 66 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 5.9.1726, fol. 214v. 67 StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 2. 68 StadtA Emmendingen, B IV/3 Fasz. 7.
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ria Margarete Schickin, die mit Karl Wilhelm Hartmann verheiratet gewesen war.69 Ob zwischen der ersten und zweiten Frau von Wildersinn, die beide den Namen Schick führten, ein Verwandtschaftsverhältnis bestand, kann aufgrund der Neolokalität der Frauen nicht eindeutig geklärt werden.70 Maria Margarete brachte keine eigenen Kinder mit in die Ehe, gebar Wildersinn jedoch vier Kinder, wovon drei erwachsen wurden. Im Jahre 1732 lebte eine weitere Person im Haushalt der Eheleute, wohl ein Geselle oder eine Dienstmagd.71 Im Jahr seines Todes 1735, in dem Johann Melchior Ott als Bürgermeister die Amtsgeschäfte führte, hatte Wildersinn das Amt des städtischen Baumeisters inne. Aufgrund einer Krankheit konnte er das letzte Vierteljahr seines Lebens die Rechnung nicht mehr ordnungsgemäß führen.72 Bei seinem Sterbeeintrag vermerkte der Pfarrer: „18jähriger Bürgermeister von E[mmendingen], ein guter Christ und aufrichtiger redlicher Mann, welcher der Bürgerschaft rühmlich vorgestanden“.73 Kurz nach dem Tod ihres Mannes ging Maria Margarete Schickin mit dem deutlich jüngeren, in Emmendingen geborenen Glaser Heinrich Lang eine neue Ehe ein und gebar ihm 1739 noch einen Sohn. Die Kinder – die siebenjährige Anna Maria Elisabeth, die vier Jahre alte Friederike Wilhelmine und der zwei Jahre alte Christoph – bekamen damit einen Stiefvater, der später auch die Ausbildung seines Stiefsohnes übernahm. Außer Anna Maria Elisabeth und ihrer Schwester, die sich nach Malterdingen verheiratete und noch 1779 lebte, starben alle Familienangehörigen früh. Zu Beginn der 1760er Jahre waren aus dieser „Patchworkfamilie“ nur noch die beiden Schwestern am Leben.74 Anna Maria Elisabeth Wildersinnin heiratete 1744 im Alter von nur 16 Jahren den acht Jahre älteren Buchbinder Karl Christoph Eisenlohr, einen Bruder des Emmendinger Stadtschreibers und kaiserlichen Notars und Mitglied einer hoch angesehenen baden-durlachischen Beamten- und Pfarrerfamilie.75 Das extrem 69 70 71 72 73 74
StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen, Eheschließung 1.5.1725. Zur Neolokalität von Frauen vgl. Schmölz-Häberlein, Zimmermann. StadtA Emmendingen, B IV/3 Fasz. 7. StadtA Emmendingen C/IX Stadtrechnung 1734–1735. StadtA Emmendingen, Genealogie. Sterbeeintrag vom 19.8.1735. StadtA Emmendingen, B 1b/782. Ihr gemeinsamer Sohn Christian Gottlieb Lang kam am 18.1.1739 in Emmendingen zur Welt und verstarb im August 1761 als Glasergeselle in seiner Heimatstadt. Johann Christoph Wildersinn verstarb im September 1761, kurz nach seinem Stiefbruder. Seine Ehe mit der vermögenden Emmendinger Bürgerstochter Maria Elisabeth Leglerin blieb kinderlos. Diese heiratete noch zwei weitere Male. Aus diesen Ehen gingen ebenfalls keine Kinder hervor. Vgl. Genealogie Emmendingen. Friederike Wildersinnin findet sich anlässlich eines Erbfalls in C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 27.1.1777, fol. 347r–349v. 75 Ihr Mann wurde 1720 als Sohn des Pfarrers Johann Jakob Eisenlohr in Laufen geboren. Sein acht Jahre älterer Bruder Karl Engelhard kam in Stein bei Pforzheim zur Welt. Seine in Durlach geborene Mutter verstarb 1774 in Emmendingen, wohin sie nach 1769 gezogen war. Bereits in den 1740er Jahren findet sie sich jedoch als Kreditorin in den städtischen Unterlagen. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1745, 1769. C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754. Genealogie Emmendingen. DGB 101, S. 101. OSB Müllheim, Nr. 2727. Zu Karl Engelhard Eisenlohr, dem Stadtschreiber vgl. StadtA Emmendingen, B 1b/242. B V/2, Fasz. 69. C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778). C/VIII/4 (Ratsprotokoll
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niedrige Heiratsalter der Braut verweist einerseits auf das hohe Sozialprestige der beiden Familien Wildersinn und Eisenlohr und ermöglichte es Anna Maria Elisabeth Wildersinnin andererseits, den Haushalt des Stiefvaters frühzeitig zu verlassen. Der Buchbinder Eisenlohr etablierte einen neuen Geschäftszweig in der kleinen Amtsstadt. Eine solche Neugründung in einer kleinen Stadt wie Emmendingen war zwar relativ risikoreich, da die Marktbedingungen noch nicht abgeschätzt werden konnten. Mit der Niederlassung an einem neuen Ort vermied Eisenlohr aber auch die Konkurrenz bereits etablierter Buchbinder.76 Die Heirat mit der Tochter des ehemaligen Bürgermeisters dürfte seine Eintrittskarte in die Emmendinger Geschäftswelt gewesen sein. Im Laufe ihrer 29 Jahre dauernden Ehe gebar Anna Maria Elisabeth zehn Kinder. 15 Monate nach ihrer Eheschließung kam ihr erstes Kind auf die Welt. Im Abstand zwischen zwei und drei Jahren entband sie in den folgenden 26 Jahren regelmäßig. Der längste Geburtenabstand waren die fünf Jahre zwischen dem siebten und achten Kind.77 Mit 43 Jahren kam Anna Maria Elisabeth das letzte Mal nieder; dieses Kind starb gleich bei der Geburt. Auch das dritte und sechste Kind starben noch als Kleinkinder, während sieben erwachsen wurden. Im Jahre 1753 äußerte sich die Gattin des Buchbinders über ihre Erfahrungen mit der Emmendinger Hebamme, die der wichtigste Beistand der Frauen bei der Geburt war: „Sie wisse nichts von der alten (Hebamme) als alles Liebs und Guts, sie seye ihr allzeit (...) anständig gewesen. Verlange keine andere und gebe keiner ihre Stimme“.78 1769 wohnten in ihrem Haushalt sechs Personen über zwölf Jahren. Zwei Kinder waren bereits ausgezogen, eine 15-jährige Tochter sowie drei Kleinkinder
1744–1749). C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757). C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768). Einzugsregister 1774, unkl. C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754. C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773. Genealogie Emmendingen. Genealogie Emmendingen. GA Eichstetten, Pfandbuch 1 (1762–1774). GLA Karlsruhe, 198/17. DGB 34, S. 83. DGB 101, S. 113. Karl Engelhard heiratete die 14 Jahre jüngere Charlotte Eleonore du Bosque, eine Tochter des reformierten Obristleutnant Henry du Bosque, der spätestens ab 1726 einen Wohnsitz in Emmendingen hatte. Ihre ältere Schwester Auguste heiratete mit dem späteren Spezialsuperintendenten Nikolaus Sander in eine etablierte Familie ein. Henry du Bosque ist eine schillernde Persönlichkeit. Zu den Stationen seines Lebens gehörten: Kurfürstlich Brandenburgischer Fähnrich; 1705 Unterleutnant im Schwäbischen Kreisregiment zu Fuß in Baden-Durlach; 1712 Titular-Hauptmann; 1723 Kompanieführer in Schwäbisch Hall, wo seine Tochter Auguste 1719 geboren wurde; 1731–32 Hauptmann in Pforzheim; 1732–46 Führer des Lindauer Kontingents; 1741 Sekonde; 1742 Premier Major; 1745 Obristleutnant des baden-durlachischen Kreisregiments. DGB 101, S. 113–114, StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. In seinem Sterbeeintrag vermerkte der Emmendinger Pfarrer am 27.12.1754: „welche auf ihren eigentümlichen Gütern La Guillonie u. Oavillé i.d. Provinz Languedoc als heimliche Reformierte lebten“. 76 Wittmann, Geschichte, S. 83. 77 In Hochberg wurde überwiegend gestillt. Der Abstand zwischen den Geburten lässt ebenfalls auf das Stillen der Kinder schließen. Vgl. zu Hochberg Heinzmann, OFB Eichstetten, S. 814. 78 StadtA Emmendingen, B 1b/308, 782. C/IX Stadtrechnung 1775. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/166, 604.
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waren noch zu Hause. Demnach lebten zwei weitere Personen im Haushalt, wohl Dienstpersonal, Lehrlinge oder Gesellen.79 Der Haushalt des Ehepaars Karl Christoph Eisenlohr und Anna Maria Elisabeth Wildersinnin gehörte zu den wohlhabenden der Stadt. Nach Eisenlohrs Tod im Jahre 1773 wurde das Vermögen der Eheleute auf mehr als 13.000 Gulden beziffert.80 Ihr Haus samt Hof, Scheuer und Schweinestall in der unteren Stadt hatte 1777 einen Wert von 1800 Gulden.81 Vier Jahre zuvor war das Anwesen noch auf 1500 Gulden veranschlagt worden,82 so dass die Eisenlohrs innerhalb weniger Jahre 300 Gulden Wertzuwachs verzeichneten. Vermutlich handelt es sich um das Anwesen, das der Vater der Frau im Jahre 1704 für 142 Gulden gekauft hatte.83 Die Speisekammer war gefüllt mit Ancken (Butter), Schweineschmalz, 100 Pfund Speck, Bohnen, Dörrobst, zehn Sestern Kartoffeln, Weizen und Mehl. Dazu kamen Kirschwasser, Hefebranntwein und 17 Saum Wein. Vier Spinnräder samt zugehörigen Kunkeln, Garnhaspeln, Garnwinden und Bügeleisen verweisen auf die häuslichen Arbeiten der Frauen. Die Schlafzimmer waren ausgestattet mit drei Himmelbetten, drei einfachen Bettladen, zwei Kinderbettladen und einer Kinderwiege samt Strohsäcken, Deckbetten und Kissenbezügen aus Barchent sowie baumwollenen Couverts. Allein die Bett- und Tischwäsche hatte einen Wert von 500 Gulden.84 Zur Aufbewahrung der relativ wertvollen Kleidung und Wäsche dienten vier Schränke („Kästen“) aus Tannenholz, davon zwei mit Aufsatz, und eine Truhe („Koffer“). Ein Nachtstuhl sorgte für eine gewisse Bequemlichkeit. In den Wohnräumen standen ein Schrank aus Eichenholz im Wert von 18 Gulden und eine Nussbaumkommode mit Aufsatz im Wert von 20 Gulden, ferner ein Kindersessel, ein Schemel sowie ein Schiefertisch. Ein Sessel samt Kissen, ein grüner Sessel, sechs einfache Stühle, vier mit Leder bezogene Stühle, drei einfache Tische sowie ein Tisch aus Nussbaumholz vervollständigten das Mobiliar. In der Küche gab es Zinn-, Kupfer-, Messing- und Eisengeschirr im Wert von 90 Gulden, außerdem ein Kaffeebrett, eine Kaffeemühle und ein komplettes Kaffeeservice aus Porzellan für zwölf Personen.85 Sechs silberne Kaffeelöffel, 14 silberne Löffel sowie eine
79 StadtA Emmendingen, B IV/3-7. 80 StadtA Emmendingen, B 1b/307. Das Inventar des Hauses ist rekonstruiert aus dem Nachlassinventar von 1773 und dem der Frau von 1777. B 1b/308. 81 StadtA Emmendingen, B 1b/308. 82 StadtA Emmendingen, B 1b/307. 83 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 1704, fol. 13v. 84 Die Bedeutung der Bettwäsche für den frühneuzeitlichen Haushalt ist nicht hoch genug zu veranschlagen. Sie symbolisiert den Wohlstand der Familie, war ein zenraler Aspekt der Aussteuer und bedeutete nach Sandgruber und Schindler den materiellen Wert schlechthin. Sandgruber, Alltag und materielle Kultur, S. 36. Schindler, Prozess der Zivilisation, S. 226–227. 85 Für Traunstein konnte Schindler für die Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls feststellen, dass der Kaffee und das damit verbundene Geschirr in den Oberschichten der Landstädte schon weit verbreitet waren und wohl auch schon vereinzelt vom Gesinde getrunken wurde. Schindler, Prozess der Zivilisation, S. 220–221. Allgemein zu Kaffee und Tee als Getränk der Oberund Mittelschicht, vgl. Menninger, Genuss im kulturellen Wandel, S. 313–353, 384–395. Zu
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vergoldete silberne Salzbüchse gehörten zum Gedeck. Eine Wanduhr, vierzehn Porträts und drei Spiegel schmückten die Wände. Seltsam mutet das Kruzifix im Inventar an, das man eher in einem katholischen Umfeld erwarten könnte. Vermutlich stammte es ebenso wie der Granatenpaternoster (Rosenkranz) aus dem Erbe eines Cousins der Frau.86 Die Eisenlohrs besaßen ferner zwei Vogelkäfige und allerlei Zierrat: zwei Balsambüchsen, eine Dose aus Schildpatt mit silbernem Reif, eine Granatenschnur, silberne Knöpfe, zwei Muschelbüchsen, eine silberne Tabakdose, eine silberne Tabaquiere,87 verschiedene Schmuckstücke – darunter ein roter Granat mit Perlen und silbernem vergoldeten Kreuz –, drei Paar silberne Schuhschnallen und eine Messing beschlagene Flinte. Die zahlreichen Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände demonstrieren denWohlstand, das gesellschaftliche Distinktionsbedürfnis und die „Zivilisiertheit“88 dieses Haushalts. Materielle Fülle und Differenzierung kennzeichnet auch die Kleidung der Familie. Anna Maria Elisabeth Wildersinnin hatte bei ihrem Tod im Jahre 1777 17 Halstücher im Schrank, davon sieben aus Seide, ein taftenes, eines aus Krepp, sieben aus Musselin, die teilweise bestickt waren, und ein violettes Baumwolltuch. Ferner besaß sie die gleiche Anzahl an Kappen in verschiedenen Farben, die aus Materialien wie Samt und Krepp gefertigt und teilweise mit Spitzen verziert waren. Ihre Röcke aus verschiedenen Stoffarten waren schwarz, braun, blau, rotweiß und blau-weiß, unter den dazugehörenden „Wämsle“ war auch eines violettweiß gestreift.89 Ihre Kleidung entsprach der einer wohlhabenden Bürgersfrau und zeigte in Farbwahl und Stoffarten bereits den Wandel von ständischer Kleidung hin zu Kleidung als bürgerlichem Konsumgut mit individuellen Zeichen an. Die meisten Kleidungsstücke dürfte sie über das Ottsche Handelshaus bezogen haben. Ihr gut gefüllter Kleiderschrank unterstrich ihre soziale Stellung und damit auch ihr Ansehen am Ort. Die große Zahl an schmückenden Kleidungsstücken zeigt, dass die Wildersinnin gewohnt war, Staat zu machen.90 Nach dem Tode ihres Mannes führte Anna Maria Elisabeth Wildersinnin das Geschäft bis zu ihrem eigenen Ableben vier Jahre später weiter. Zu Lebzeiten hatte sie nicht weniger als vier Mal geerbt. Beim Tod ihres Vaters 1735 wurde das ererbte Vermögen noch unter Pflegschaft gestellt. 1756 erbte sie von ihrer Mutter Maria Margarete Schickin 120 Gulden 35 Kreuzer.91 Zwanzig Jahre später ver-
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den verschiedenen Sorten des Kaffeegeschirrs am Beispiel Dresdens, Hochmuth, Globale Güter, S. 142–143 und 145–147. StadtA Emmendingen, B 1b/307. Ihr Onkel heiratete in der Reichsstadt Augsburg vermutlich eine Katholikin. Ob er selbst konvertierte, ist nicht klar. Zu den Tabakutensilien vgl. auch Hochmuth, Globale Güter, S. 143–144. Vgl. dazu Schindler, Prozess der Zivilisation, S. 213–227. StadtA Emmendingen, B 1b/308. Kleidung und Kleiderfarben brachten nicht nur individuelle Präferenzen zum Ausdruck, sondern waren auch Teil der kollektiven Identitätsbildung. Vgl. hierzu ausführlich Medick, Weben und Überleben, S. 380–397, 405–406. Medick, Kultur des Ansehens. Allgemein auch Münch, Lebensformen, S. 352–354. North, Genuss und Glück, S. 72–75. Sandgruber, Anfänge der Konsumgesellschaft, S. 285–290. Deneke, Aspekte der Modernisierung. StadtA Emmendingen, B 1b/782.
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machte eine kinderlose Tante, Anna Maria Schickin aus dem Prechtal,92 ihr und ihrem Vetter Ulrich Wildersinn, einem Glaser aus Augsburg, die Summe von 200 Gulden.93 Der Bruder ihres Vaters, der Pforzheimer Johann Rudolf Wildersinn, hatte in erster Ehe die Witwe des Augsburger Glasermeisters Johann Cremer und 1704 in zweiter Ehe die Witwe des Bierbrauers Isaak Sedelmeier geheiratet und sich in der Reichsstadt als Bürger niedergelassen.94 Im Gegensatz zu anderen Emmendinger Frauen ist die Wildersinnin nicht in Kredit- und Kaufgeschäften fassbar. Da aber auch ihr Mann nicht viel Geld in diesen Wirtschaftszweig investierte, muss man davon ausgehen, dass alles Kapital für die Buchbinderei und den Buchhandel benötigt wurde. Der Buchhandel war überterritorial organisiert, und die Abnehmer hatten häufig größere Summen bei der Buchbinderfamilie angeschrieben. Die Stadt schuldete der Eisenlohrschen Witwe 1775 in verschiedenen Posten einen Betrag von vier Gulden 31 Kreuzer.95 Wie ihre Eltern und die meisten ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger betrieb die Wildersinnin zusätzlich eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Neben dem üblichen Federvieh – vier Gänsen, fünf Hühnern und einem Hahn – befanden sich in ihrem Stall drei Schweine, drei Kühe, darunter eine trächtige, und ein Kalb. Auf der Tenne lagen 13 Zentner Heu und Öhmd als Viehfutter.96 Bei ihrem Tod im Jahre 1777 belief sich das Gesamtvermögen der Anna Maria Elisabeth Wildersinnin auf 12.874 Gulden. Wenn man bedenkt, dass sie einen Teil des Vermögens bereits an die Kinder übergeben hatte, wird deutlich, dass sie den Betrieb mit Gewinn weitergeführt hatte. Bei ihrem Tod hatte sie Guthaben in Höhe von insgesamt 699 Gulden 40 Kreuzer bei ihren Kunden ausstehen und eine Buchbestellung für die Leipziger Ostermesse beim Frankfurter Verlag Heinrich Ludwig Brönner über 59 Gulden 50 Kreuzer aufgegeben.97 Auch das Eisenlohrsche Geschäft profitierte von den guten Verbindungen nach Basel, Frankfurt und Leipzig, eventuell auch von den familiären Verbindungen nach Augsburg. Das Lager war gut mit Büchern gefüllt, und alle notwendigen Materialien für die Buchbinderei waren vorhanden. So hatte die Witwe vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes fünf Büchsen Gold, 25 Pfund Leim, so genanntes „Waldkirchner“ und marmoriertes Basler Papier, 40 Pfund Pappdeckel, 65 Schafsleder, sechs Schweineleder und 15 Bund Buchbinderspäne in der Werkstatt. Der Gesamtwert der Materialien belief sich auf 100 Gulden. Die gängigen Bücher der Zeit waren in erheblichen Mengen vorrätig. Den größten Teil der Lagerbestände machte die 92 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 27.1.1777, fol. 347r–349v. 93 StadtA Emmendingen, B 1b/307. 94 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen stützt sich auf eine Mitteilung des evangelischen Pfarramts Tiengen vom 8.8.1955. OSB Meißenheim S. 199. 95 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. 96 StadtA Emmendingen, B 1b/308. 97 StadtA Emmendingen, B 1b/308. Heinrich Ludwig Brönner (1702–1769) ehelichte 1727 die Druckerwitwe Maria Elisabeth Bauer und begründete mit ihr noch im selben Jahr „Brönners Druckerey“ in Frankfurt/Main. Der Verlag von Brönner stellte eine große Bandbreite an Druckerzeugnissen her, darunter beispielsweise Erbauungsbücher, Karten und naturwissenschaftliche Werke.
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religiöse Literatur aus: 520 kleine Katechismen in verschiedenen Ausgaben, 262 Gesangbücher, 323 Kinderlehren, zwölf Exemplare des Neuen Testaments, 192 Bibeln in verschiedenen Ausführungen und zehn Gebetbücher. Hinzu kamen pietistisch geprägte Werke wie Arndts Wahres Christentum (4), Fütterers Glaubensgespräch in drei Bänden (1), Johann Quirsfelds Myrthengarten (24) und Johann Friedrich Starcks Gebetbuch (26).98 Dass Arndts „Wahres Christentum“ um diese Zeit nicht mehr in großen Stückzahlen auf Lager war, zeigt, dass die alte „Trösterliteratur“ im späten 18. Jahrhundert an Bedeutung verlor, denn zu Beginn des Jahrhunderts befand sich dieses Werk noch in den meisten Emmendinger Haushalten.99 In einen weiteren religiösen Kontext gehörten 630 Spruchbücher und 12 Exemplare eines Buches mit dem Titel „Ach und Weh“. Für den Bedarf der Beamtenschaft hatte die Witwe Eisenlohr das Badische Landrecht und fünf Exemplare des juristischen Werks von Cellarius vorrätig. Für die Schulkinder gab es 300 ABC-Bücher sowie 55 Exemplare der Biblischen Historien.100 Die religiösen Titel und Schulbücher waren die Haupteinnahmequelle der Buchbinder, die gelehrten Werke hingegen ein Zusatzangebot für wenige.101 Für das Emmendinger „Bildungsbürgertum“ und die Schüler der Lateinschule gab es sechsmal Ciceros Briefe, viermal Ovids Werke, zweimal die Fabeln des Phaedrus, zweimal das Testamentum Graecum, eine Kindergeographie von Johann Georg Zimmermann, die Bücher „der Nationalstolz“ und „die Einsamkeit“,102 ein Buch über die Verbesserung des Weinbaus, eines über Viehseuchen sowie Zobels Hand- und Reisebuch. Außerdem konnte man eine Anweisung zum Briefeschreiben (6), ein französisches Dictionnaire, Knebels Grammatik (2), ein Physikalisches Lexikon, ein Werk über Orthographie und eine badische Geschichte in fünf Bänden erwerben. Einer der großen Abnehmer der in Karl Christoph Eisenlohrs Werkstatt gebundenen Bücher war das Kloster St. Peter im Schwarzwald. Pater „Großkeller“ schuldete der Witwe Eisenlohr 1777 drei Gulden, Pater Anselm sechs Gulden, 98 Ähnliches findet sich auch in den Inventaren, die Hans Medick für Laichingen ausgewertet hat. Vgl. Medick, Weben und Überleben, besonders S. 505–560. Zur Person Johann Quirsfelds ADB XXVII, S. 48. 99 Zur Bedeutung der Trösterliteratur vgl. Medick, Weben und Überleben, S. 533, mit weiterer Literatur. Ähnlich wie in Laichingen ging der Bestand von Johannes Arndts Werken in Emmendingen im Verlauf des 18. Jahrhunderts zurück, während in Tübingen, Speyer und Frankfurt kein Rückgang festgestellt wurde. Die Trost- und Erbauungsbücher von Valentin Wudrian (1584–1625), Heinrich Müller (1631–1675), Bonifacius Stölzlin (1603–1677) und Johann Gerhard (1582–1637) waren in Emmendingen nur vereinzelt vorhanden. Zum Inhalt dieser Bücher vgl. die Zusammenfassung und Einordnung bei Gleixner, Pietismus, S. 32–40. 100 Johannes Hübners „Zweymal zwey und fünfzig auserlesene Biblische Historien aus dem Alten und Neuen Testament“ wurden häufig im Unterricht verwendet. Vgl. hierzu Holenstein, Gute Policey II, S. 581. 101 Wittmann, Geschichte, S. 81–84. 102 Der Schweizer Arzt und Schriftsteller Johann Georg Zimmermann (1728–1795) war seit 1768 Leibarzt des Königs von Großbritannien in Hannover und ab 1786 Leibarzt Friedrichs II. von Preußen. Zimmermanns Schriften setzen sich mit tages- und gesundheitspolitischen Themen auseinander. Er übersetzte auch Werke aus dem Französischen.
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Pater Konrad sechs Gulden und 58 Kreuzer,103 Pater Placidus zehn Gulden und 49 Kreuzer, der Prior des Klosters 52 Kreuzer und das Kloster als Institution 35 Gulden und 24 Kreuzer.104 Karl Christoph Eisenlohr hatte zwischen 1771 und 1773 auch die 17 großformatigen Atlanten gebunden, die nach der Säkularisierung in die Universitätsbibliothek Freiburg gelangten.105 Eisenlohrs Nachlassinventar sowie das seiner Frau weisen auf einen multikonfessionellen Kundenkreis hin: beide hatten nicht nur religiöse Bücher für die protestantischen Bewohner der Markgrafschaft Hochberg, sondern auch Schriften für Täufer und Katholiken auf Lager.106 Als Anna Maria Elisabeth Wildersinnin 1777 starb, lebten noch sieben ihrer Kinder. Ihre Tochter Christine Margarete heiratete 1763 Georg Jakob Blum, den Sohn des Emmendinger Kaufmanns Anton Blum und der Anna Maria Nägelin, der sich in Teningen niedergelassen hatte. Noch im gleichen Jahr verstarb der Ehemann mit nur 24 Jahren. Aus dieser kurzen Ehe brachte sie jedoch zusammen mit ihrer Aussteuer ein ansehnliches Vermögen mit,107 als sie ein Jahr später den Emmendinger Handelsmann und späteren Ratsverwandten Reinhard Menzer ehelichte.108 Sie gebar in ihrer zweiten Ehe zwei Kinder. Die jüngere Tochter Christine Friederike heiratete 1776 den Papierfabrikanten und Apotheker Wilhelm Sonntag und ließ sich in der Kaiserstuhlgemeinde Eichstetten nieder.109 Zwei Söhne der Wildersinnin lernten in der heimischen Werkstatt das Buchbinderhandwerk. Johann Jakob Christoph wurde 1765 ledig gesprochen und 1771 als Bürger angenommen.110 1773 heiratete er die Witwe des Weißgerbers Georg Jakob Mylius, Maria Magdalena Klipfelin, die ein Kind aus erster Ehe mitbrachte. Von seinen Eltern erhielt er ein Haus in der Stadt als Aussteuer.111 Sein Geschäft
103 Bei Pater Konrad könnte es sich um den Bibliothekar des Klosters, Pater Konrad Bohrer, handeln, der auch den Hauptkatalog der Bibliothek geschrieben hat. 104 StadtA Emmendingen, B 1b/307. 105 Verschiedene Atlanten enthalten den Vermerk „compactura facta est Emmendingae“. Vgl. hierzu Oehme, Kartensammlung, S. 139–140. Es handelt sich bei dem Buchbinder Karl Christoph Eisenlohr nicht um den bei Oehme erwähnten (gest. 11.3.1813), sondern um dessen Vater Karl Christoph Eisenlohr (geb. 11.7.1720 in Laufen, gest. 26.05.1773 in Emmendingen). 106 StadtA Emmendingen, B 1b/307, 308. Vgl. hierzu auch Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 327–328. 107 StadtA Emmendingen, B 1b/320. Der Ehevertrag mit Georg Jakob Blum wurde in der „Braut Eltern Behausung und zwar in der oberen Stub“ unterzeichnet. Damit ist auch klar, dass es sich um ein repräsentatives, mindestens zweistöckiges Haus handelte. In ihrem Ehevertrag mit Reinhard Menzer ist von einem der Frau gehörigen Haus in Emmendingen die Rede. B 1b/406. 108 StadtA Emmendingen, B 1b/307, 865. C/IX Stadtrechnung 1763. 109 DGB 101, S. 115. OFB Eichstetten. Korrespondenz mit Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. Ihre Urgroßmutter, die Mutter ihres Großvaters Christoph Wildersinn, stammte ebenfalls aus der Familie Sonntag. 110 StadtA Emmendingen, B V/2/2. C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 8.8.1771, fol. 173r. C/IX Stadtrechnung 1771. 111 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1773. GLA Karlsruhe, 198/340.
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lief jedoch schlecht, und bereits 1784 wurde er vergantet.112 Aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor, die sich teilweise wieder in Emmendingen etablieren konnten. Auch sein acht Jahre jüngerer Bruder Karl Christoph Eisenlohr erlernte das väterliche Handwerk. Vier Monate nach dem Tod der Mutter heiratete er die Emmendinger Bürgertochter Maria Magdalena Klipfelin, die zufällig denselben Namen wie ihre Schwägerin hatte. Zu dieser Zeit lebte er als Bürger in Freiburg,113 1798 vermählte er sich in zweiter Ehe mit Regina Juliane Knodererin, die aus reichem Emmendinger Haus stammte.114 Aus diesen beiden Ehen gingen fünf Kinder hervor. Zwei weitere Söhne des Buchbinders Karl Christoph Eisenlohr und seiner Frau schlugen die Beamtenlaufbahn ein. Während Heinrich Christoph Oberrechnungsrat und Zuchthausverwalter in der Residenzstadt Karlsruhe wurde,115 trat Christian Friedrich in die Fußstapfen seines Großvaters väterlicherseits und wurde Pfarrer.116 Über den 1769 geborenen Sohn Ernst Wilhelm ist nicht mehr bekannt, als dass er zum Zeitpunkt des Todes der Mutter noch lebte. Anna Maria Elisabeth Wildersinnin war eine tüchtige Geschäftsfrau: Sie finanzierte mit ihrem Mann zweien ihrer Söhne eine akademische Ausbildung. Zwei weitere Söhne wurden in ihrem Betrieb ausgebildet. Die Töchter heirateten in angesehene Familien ein und setzten die Tradition der Familie fort, aus der sowohl Handwerker als auch Pfarrer, Verwaltungsbeamte und Unternehmer hervorgingen. Mit ihrer Buchbinderei und dem Buchhandel bildeten die Eisenlohrs gleichsam ein Bindeglied zwischen einem prosperierenden Gewerbe und der akademischen Gelehrsamkeit, die Teile ihrer Familie pflegten.
4. MAGDALENA WILHELMINA RABUSIN (1715–1761), PFARRERSTOCHTER UND BURGVÖGTIN Magdalena Wilhelmina Rabusin stammte aus einer in Baden-Durlach fest etablierten Pfarrer- und Beamtenfamilie. Sie war das jüngste der sechs Kinder des 1716 verstorbenen Emmendinger Stadtpfarrers Christoph Rabus und der Margarete Salome Weiningerin. Wie die Wildersinnin verlor auch sie ihren Vater noch im Kleinkindalter. Noch vor ihrer Geburt im Jahre 1715 wurde ihr Vater „auf der Kanzel (...) vom Schlag gerührt.“ In den folgenden Monaten erholte er sich zunächst und konnte nochmals für kurze Zeit sein Amt ausüben und predigen. Doch „am 8.10. während einer Beerdigung, die der Diacon hielt, ward er vom 2. Schlag getroffen, der ihn des Verstandes und der Sprache beraubte“. Er verstarb sechs Tage später.117 Nach dem Tod ihres Mannes blieb ihre Mutter Margarete Salome Weiningerin mit vermutlich fünf Kindern – von zwei Brüdern wissen wir nur das 112 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle1776–1787), 5.1.1784, fol. 231v– 233r. 113 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1777. 114 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 115 StadtA Emmendingen, B 1b/307, 308. DGB 34, S. 84. DGB 101, S. 115. 116 StadtA Emmendingen, B 1b/307, 308. DGB 34, S. 84. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 136. 117 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Sterbeeintrag vom 14.10.1716.
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Geburtsdatum, ihr weiterer Lebensweg ist nicht bekannt – in Emmendingen und investierte zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes 125 Gulden in ein Haus mit Garten am Kirchhof, das sie von Heinrich Wilhelm Malers Erben erwarb und in das wohl die Familie zog, nachdem sie das Pfarrhaus verlassen musste.118 Margarete Salome Weiningerin starb 1749.119 Einer ihrer Söhne, der 1702 geborene August Friedrich Rabus, studierte nach seiner Schulzeit auf dem Lörracher Pädagogium von 1721 bis 1723 an der Universität Straßburg Theologie. 1726 verstarb er in Emmendingen.120 Sein drei Jahre älterer Bruder Karl Gottlieb Rabus durchlief eine Verwaltungskarriere: er war 1726 Kanzlist, dann 1728 Skribent und ab 1729 Schatzungseinnehmer und starb 1743 als Landschaftseinnehmer in Emmendingen. Wilhelmina Magdalena Rabusin konnte durch die Ehe mit dem verwitweten Burgvogt Matthias Gottlieb Böck, den sie 1737 im Alter von 22 Jahren ehelichte, ebenfalls ihre soziale Stellung als Beamtentochter halten. Böck hatte seine erste Frau Susanna Maria Meyerin nach acht Jahren Ehe 1736 in Emmendingen zu Grabe getragen, nachdem sie ihm drei Kinder geboren hatte. Die Rabusin brachte im Laufe ihrer Ehe einen Sohn und eine Tochter zur Welt. Alle Böckschen Kinder überlebten das Kindesalter. Die drei Mädchen scheinen nach auswärts geheiratet zu haben, da sich in Emmendingen keine Eheschließungen nachweisen lassen. Der Sohn Johann Gottfried aus Böcks erster Ehe wurde Pfarrer,121 der Sohn aus zweiter Ehe, Christian Friedrich Böck, arbeitete zeitweilig in der fürstlichen Einnehmerei als Skribent. Er verließ die Stadt nach dem Tod der Mutter, so dass keine weiteren Angaben zu ihm vorliegen.122 Nach Eheschließung mit der Rabusin ging man daran, seine Liegenschaften in Emmendingen „gerichtl(ich) zu affirmieren“. Nachdem die Kinder erster Ehe ihr Erbe ausbezahlt bekommen hatten, musste festgestellt werden, ob Böcks Vermögen zur Sicherung seiner Dienstkaution ausreichte. Seine Güter wurden vom Stadtrat zu diesem Zeitpunkt auf einen Wert von 350 Gulden veranschlagt.123 118 StadtA Emmendingen, Familienarchiv Sander-1, Kaufbrief vom 27.9.1718. C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 5.9.1720, fol. 48r–48v. 119 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 120 Matrikel Straßburg Bd. 1, S. 467, 493, 567, 961. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 121 Böck wurde 1730 auf der Hochburg geboren und starb 1780 als Pfarrer in Kandern. Nach der Lateinschule in Emmendingen besuchte er das Gymnasium Karlsruhe, studierte in Halle und Jena, kam als Diakon 1752–1753 nach Emmendingen und 1754 nach Karlsruhe-Mühlburg, 1756 wurde er Pfarrer in Bötzingen, 1768 dann in Feuerbach und 1776–1780 wirkte er in Kandern. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757). C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763). Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/83. 115/241. Maurer, Schule, S. 39. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 66. In der Bötzinger Kirchenvisitation von 1764 heißt es über ihn: „Es ist kein Mensch, wann man Kopf vor Kopf abhöre, der nicht übrigens wohl mit dem Herrn Pfarrer zufriden.“ GLA Karlsruhe, 115/241, Kirchenvisitation Bötzingen, 16./17.3.1764. 122 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 123 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 4.7.1737, fol. 41v–42v. Ein ausreichendes Vermögen war die Voraussetzung, um eine Bürgschaft für das Amt geben zu können. Vgl. hierzu François, Koblenz, S. 95.
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Kurz nach der Eheschließung begannen die Eheleute planmäßig Grundstücke aufzukaufen, wobei die Kenntnis der lokalen Verhältnisse, die Magdalena Wilhelmina Rabusin mitbrachte, von großem Nutzen gewesen sein dürfte. 1738 kauften sie von Balthasar Stierlin viereinhalb Mannshauet Acker „in der Romanei“ für 132 Gulden sowie einen Gulden Trinkgeld und ein Viertel Gerste.124 1739 erwarben sie von Jakob Friedrich Hartmann ein halbes Juchert Wiesen für 100 Gulden,125 1742 von Jakob Scherberger zwei zweidrittel Mannshauet Wiesen für 90 Gulden126 und 1746 von der Stadt aus den so genannten Heilbronnischen Gütern ein halbes Juchert zweieinhalb Mannshauet Wiesen für 96 Gulden.127 Ferner verlieh der Burgvogt Geld zu fünf Prozent an Hochberger Einwohner. Seine Kenntnis der Vermögensverhältnisse der Untertanen, die er aus den Grundund Unterpfandprotokollen ziehen konnte, dürfte seine Entscheidung, wem er Kredit gewährte, maßgeblich beeinflusst haben. Wenn er selbst Kredite aufnahm, mussten diese von seiner Frau mitgetragen werden. Außerdem tätigte seine Frau selbständig Kreditgeschäfte. So schuldete 1743 Bernhard Klingenfuß Böcks „Frau Eheliebstin“ ein Kapital von 50 Gulden zu fünf Prozent, das grundpfandlich abgesichert wurde.128 Das nach Böcks Tod im Jahre 1753 erstellte Inventar vermittelt einen detaillierten Überblick über die Kreditgeschäfte der Eheleute, die zahlreiche Landgemeinden des Oberamts Hochberg einbezogen. Damals hatten sich Michael Schöpflin aus Bahlingen 50 Gulden, die Witwe des Bickensohler Vogts Johann Birmelin 106 Gulden, Matthias Schmidt aus derselben Gemeinde 50 Gulden und weitere Bickensohler insgesamt 103 Gulden 20 Kreuzer in kleineren Posten geliehen. Der junge Michael Birmelin aus Ihringen stand bei Böck mit 91 Gulden 40 Kreuzer in der Kreide. Michael Henninger aus Königschaffhausen hatte 66 Gulden 40 Kreuzer aufgenommen. Martin Hug aus dem gleichen Ort hatte 100 Gulden geliehen, die sich mit Zinsen bereits auf 110 Gulden akkumuliert hatten. Die Königschaffhausener Bürger Georg Mattly und Jakob Henninger schuldeten je 50 Gulden. Andreas Grotz aus Leiselheim hatte sich ebenfalls 50 Gulden geliehen, und das Darlehen des Malecker Vogts Johann Paul Schöchlin in Höhe von 500 Gulden war bereits auf 512 Gulden aufgelaufen. Der Rüppurer Peter Bühler musste noch 24 Gulden 56 Kreuzer zurückbezahlen, und der Kredit an den Sexauer Samuel Mößner von 111 Gulden war auf 120 Gulden 42 Kreuzer angewachsen. Der Teninger Daniel Breisacher musste 55 Gulden zurückbezahlen. Die Weisweiler Thomas Gaßin und Emanuel Eccard hatten ein Kapital von 100 Gulden aufgenommen, und die Erben des Hans Jakob Lapp aus Wasser schuldeten Böck noch 48 Gulden. Ein Herr Haußler aus Basel schließlich sollte ihm vier Gulden 24 Kreuzer zurückbezahlen. Im Gegenzug hatte die Familie zahlreiche Forderungen zu begleichen. Dem Maurer Johannes Feistenauer schuldeten sie 450 Gulden für 124 125 126 127 128
StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 8.7.1738, fol. 60v–61r. StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 16.4.1739, fol. 82v. StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 25.7.1742, fol. 156r–156v. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 24.1.1746, fol. 96v–98v. StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 17.4.1743, fol. 166v–167r.
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Arbeitslohn und Materialkosten, ebenso dem Glaser Georg Heinrich Lang, dem Stiefvater der Wildersinnin, einen Betrag von 44 Gulden 41 Kreuzer. Beim Handelsmann Johann Melchior Ott waren 110 Gulden 50 Kreuzer für Waren aufgelaufen, und auch der Buchbinder Karl Christoph Eisenlohr hatte noch 10 Gulden 48 Kreuzer für Bücher zu erhalten. Dem Stadtschreiber Karl Engelhard Eisenlohr schuldete die Familie Böck 50 Gulden, dem aus Savoyen stammenden Handelsmann Franz Josef Gäß in Freiburg 1500 Gulden129 und dem Ottoschwandener Pfarrer Trampler 450 Gulden.130 Nach Böcks Tod entledigte sich Magdalena Wilhelmina Rabusin eines Teils der Liegenschaften zur Tilgung der Schulden. So verkaufte sie zusammen mit ihrem Sohn Friedrich an Johann Gimpel viereinhalb Mannshauet Acker „in der Romanei“ für 152 Gulden131 und an Jakob Kiefer zwei Mannshauet Garten für 53 Gulden 50 Kreuzer.132 Das Kreditgeschäft führte sie jedoch erfolgreich weiter. Ihre Erben erlösten 1762 650 Gulden aus Ackerverkäufen,133 und die Veräußerung des von ihrer Mutter 1718 für 125 Gulden erworbenen und in ihrer Ehe systematisch modernisierten und erweiterten Hauses direkt am Kirchhof brachte sogar 2300 Gulden ein.134 Das 1754 angefertigte Nachlassinventar des Burgvogts bietet weitere Einblicke in die Vermögensverhältnisse des Ehepaars. Magdalena Rabusin besaß das von ihrer Mutter ererbte Haus, das zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 1800 Gulden hatte. Neben zahlreichen Güterstücken gehörte dem Burgvogt ein weiteres Haus mit Äckern und Wiesen in Durlach aus der Hinterlassenschaft seiner ersten Frau im Wert von 1764 Gulden. Die Böcks hatten wie die meisten Bürger der Stadt einen Stall mit Federvieh – zwei Gänsen, einer „welschen“ Henne (Pute), neun Hühnern und einem Kapaun. Außerdem standen in ihrem Stall drei Kühe, zwei Läufer (Jungschweine), ein Schwein und ein braunes Pferd. Ein weiteres hatte Böck kurz zuvor an den jüdischen Viehhändler Günzburger für 30 Gulden verkauft.135 In den Schlafräumen des Hauses gab es diverse Himmelbetten, einfache Betten und ein Kinderbett. Allein das Ehebett hatte einen Wert von 56 Gulden. Bettzeug und Leinwand im Schrank wurden auf 900 Gulden veranschlagt. Ein Perückenstock verweist auf die Haartracht des herrschaftlichen Beamten. In Schränken und Truhen wurde die Kleidung aufbewahrt. Kommoden, teilweise mit Intarsien verziert, drei Kaffeetische, eine lange Tafel, zwei Tabletts, verschiedene Tische, 129 Kaufleute aus Savoyen spielten im Oberrheingebiet für den Handel mit Konsumgütern eine große Rolle, vgl. Häberlein, Savoyische Kaufleute. 130 GLA Karlsruhe, 198/83. Zur Familie Gäß vgl. Raynaud, Savoyische Einwanderungen, S. 203. 131 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 17.6.1754, fol. 167r–168v. 132 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 17.6.1754, fol. 167r–168r. 133 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 3.5.1762, fol. 194v–196r. 134 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 3.5.1762, fol. 200v–201r. 135 In Emmendingen gab es zu dieser Zeit keine jüdische Familie mit dem Namen Günzburger. Günzburger finden sich zu diesem Zeitpunkt in der vorderösterreichischen Stadt Breisach, dem hochbergischen Ihringen und in Schmieheim im Oberamt Mahlberg, wo auch mehrere Töchter von Emmendinger Schutzjuden einheirateten.
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sechs Sessel mit gestreiftem halbleinenem Bezug, sechs weitere Sessel und sechs Stühle möblierten die Wohnräume. Ferner besaßen die Eheleute einen eigenen Bücherschrank, ein Klavier und zwei „Pyramiden“. Ein Registraturkasten sowie ein Pult verwiesen auf die Arbeit des Hausherrn. Die Wände schmückten ein Kupferstich der Kaiserin Maria Theresia, ein Porträt der Markgräfin Augusta Maria im schwarz-goldenen Rahmen, Bildnisse der Markgräfin Magdalena Wilhelmina und der Prinzessin Katharina Barbara, ein Porträt des Königs von Schweden sowie Porträts des verstorbenen Spezials und des Prorektors Rabus, also des Vaters und eines Bruders der Frau. Zahlreiche weitere Porträts wurden nicht gesondert im Inventar aufgelistet. Eine Sonnenuhr, fünf Spiegel mit Rahmen, ein Spiegel mit Wandlichtern sowie eine Kaffeemühle gehörten ebenfalls zum Haushalt. Der Tisch wurde mit Porzellangeschirr, Gabeln und Messern aus Silber und Glas gedeckt. Japanisches Porzellan war in großen Mengen vorhanden. Die kleinen Salzbüchsen waren gläsern mit silbervergoldetem Rahmen oder aus getriebenem Silber. Die silbern fassonierte Zuckerschale und eine weitere mit Muschelarbeiten veranschaulichen Wohlstand und zeitgenössischen Geschmack. Deutlich zeigt sich hier der Unterschied zum Inventar des durchaus ansehnlich eingerichteten Hauses der Wildersinnin zwanzig Jahre später. Porzellan, Silberwaren, Spiegel und individuelle Familienporträts finden sich in den Häusern der Beamten schon wesentlich früher und waren in der Regel auch repräsentativer.136 Das gleiche gilt für die Bibliothek. Hier standen 1754 ca. 250 Bücher, die Magdalena Wilhelmina Rabusin gehörten und auf 40 Gulden veranschlagt wurden. Das Verzeichnis ist leider verschollen. Zusätzlich war sie auch im Besitz der Bibliothek ihres Vaters im Wert von 80 Gulden. Ihr Mann besaß 80 Bücher, deren Titel alle überliefert sind. Mit insgesamt 370 Titeln dürfte der Haushalt der Eheleute Böck der bücherreichste in der Stadt gewesen sein.137 Die Kleiderschränke waren ebenfalls reich gefüllt. In Burgvogt Böcks Schrank hingen ein blauer Tuchmantel mit goldenen Borten, der auf 18 Gulden veranschlagt wurde, und ein Mantel aus schwarzem Zeug, der wohl zu Ratssitzungen getragen wurde.138 Ferner findet sich eine Reihe von Kombinationen für unterschiedlichste Anlässe. Ein so genanntes Sommerkleid umfasste einen Rock mit zwei Hosen in gelb melierter Farbe mit goldenen Borten und „camellionen“ Knöpfen. Ein anderes Ensemble bildeten ein sächsisch grüner Rock mit „Camisol“ (Ärmelweste) und Hose mit vergoldeten Knöpfen sowie ein „Cremosin“ und eine rote Seidenweste mit goldenen Verschlüssen. Ein weiterer Rock mit Hose in grauer Farbe war mit rotem und weißem Taft gefüttert und hatte silberne Knöpfe. Auch der fürstengraue Rock mit rotem Futter und silbernen Spangenknöpfen, ei136 Zur Wohnkultur im 18. Jahrhundert vgl. zusammenfassend, North, Genuss und Glück, S. 77– 97. Friedhoff, »Magnificence« und »Utilité«. Am Beispiel der Familie Oberhueber in Traunstein, Schindler, Prozess der Zivilisation, S. 213–227. 137 Zum Inhalt des Bücherschranks des Burgvogts Böck vgl. Kap. V.4. 138 Die Qualität des Tuches entschied darüber, ob jemand „gut betucht“ war. Vgl. Medick, Weben und Überleben, S. 406. Zur Bedeutung der Farbe blau sowie deren Aufwertung durch einen goldenen Bortenbesatz vgl. S. 415–416. Blau hielt erst ab Mitte der 1760er Jahre Einzug in die Mode vermögender Bewohner Laichingens, vgl. S. 416–423.
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ner schwarzen Hose sowie einem „Camisol“ mit breiten Borten dürfte in Emmendingen aufgefallen sein, denn in der Farbe der Röcke und Hosen hob sich die Kleidung des Burgvogtes von derjenigen der bürgerlichen Einwohner der Stadt ab, deren gute Kleidung bzw. Sonntagskleidung in der Regel braun oder schwarz war.139 Des weiteren lagen in seinem Schrank ein roter Rock, eine Hose aus weißem und eine aus schwarzem Gämsenleder, eine blaue Tuchhose, 13 barchentene Hemden, 42 Manschettenhemden, ein grünes „Camisol“, sieben weiße Halsbinden, verschiedenste Handschuhe, vier Paar seidene Strümpfe, ein Paar samtlederne Schuhe, weiße Stiefelmanschetten und Stiefel mit Sporen. An Kopfbedeckungen fanden sich eine Pelzkappe, mehrere Baumwollkappen, ein Hut mit goldenen Borten und zwei weitere mit silbernen Borten. Zu guter Letzt gehörte auf den Kopf eines fürstlichen Dieners auch eine Perücke. Böck besaß deren gleich drei.140 Die Kleidung von Böcks Gattin orientierte sich offenbar stark an der französischen Mode. Dazu gehörten zwei weiße barchentene, mit Wolle genähte Mäntel, drei blaue und ein gelbes „Mantelet“ aus Damast sowie ein violettes „Mantelet“ mit passender Schürze. Ferner hatte sie einen weißen Sommerpalatin.141 Ein schwarzes Hochzeitskleid aus Damast, ein schwarzes wollenes Kleid, ein rotes „Curennekleid“ mit weißen Blumen, alle zwischen 10 und 20 Gulden geschätzt, hingen ebenso im Schrank wie die dazugehörenden drei Reifröcke und zwei „Marterpalatine“. Eine mit persischen Blumenmustern bedruckte „Endrienne“ sowie schwarze, blaue und gestreifte Exemplare desselben Kleidungsstücks, drei schwarzseidene „Banjolets“ und eine „Crevée“ ergänzten die repräsentative Garderobe. Außerdem hatte die Burgvögtin verschiedene Röcke, Schürzen und einen gelben Nachtrock in ihrem Schrank. An Fußbekleidung waren Schlupfer, „Federschlupfer“,142 zwei Paar blaue und ein Paar goldbestickte Pantoffeln sowie bestickte Schuhe im Haus.143 Die Kleidung des Burgvogts und seiner Frau unterschied sich in Material, Machart und Farbgebung deutlich von derjenigen der bürgerlichen Einwohner der Stadt. Sie war Ausdruck ihres Standes als hohes Beamtenpaar und Repräsentanten der Staatsgewalt vor Ort und symbolisierte damit die „Lesbarkeit der wohlgeordneten Welt“.144 Als Statussymbole können auch die Kutsche, die mit grauem Tuch
139 Zur Bedeutung von Farbe und der Kleidung der einfacheren Leute vgl. auch Medick, Weben und Überleben, S. 409–412. Medick, Kultur des Ansehens, S. 203–207. 140 GLA Karlsruhe, 198/83. Die große Anzahl an Hemden und Kombinationen zeigt bei Böck ein ausgeprägtes Modebewusstsein. Vgl. zum späten 18. Jahrhundert ein Beispiel eines jüdischen Kaufmanns bei North, Genuss und Glück, S. 73–74. 141 Hierbei könnte es sich entweder um einen Kragen aus Pelz, leichtem Stoff oder Spitze handeln oder um ein vornehmeres Hals- bzw. Brusttuch. 142 Hierbei könnte es sich um mit Federn besetzte flache Schuhe zum „hineinschlüpfen“ handeln. Vgl. für die Zeit nach der französischen Revolution Medick, Weben und Überleben, S. 439. 143 GLA Karlsruhe, 198/83. 144 Dinges, Der „feine Unterschied“, S.149. Zur Kleidung allgemein Münch, Lebensformen, S. 344–354.
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bespannt war und auf 112 Gulden veranschlagt wurde, eine scharlachrote und eine grüne Schabracke sowie die beiden Schlitten im „Schopf“ gelten.145 Wie andere Emmendinger Frauen führte auch Magdalena Wilhelmina Rabusin den Haushalt nach dem Tod ihres Ehemannes eigenständig weiter. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, der 1740 verstorbenen Maria Barbara Rabusin, die der Stadt 1730 einen Kredit über 300 Gulden zur Finanzierung des prestigeträchtigen Rathausbaus eingeräumt hatte,146 vergab die Burgvögtin jedoch keine Kredite an die Stadt. Da der Burgvogt für die Verwaltung der Naturaleinkünfte in Hochberg zuständig war, hatte er enge Beziehungen zu den Hochberger Landgemeinden und verlieh sein Geld überwiegend an deren Bewohner. Magdalena Wilhelmina Rabusin setzte diese Praxis der Kreditvergabe fort und konnte dabei auf intime Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten zurückgreifen.147 Von den anderen hier vorgestellten Einwohnern und Einwohnerinnen Emmendingens unterschieden sich die Eheleute Böck durch ihren Luxus- und Kulturkonsum, durch den sie ihren Status und ihre Distinktion als landesherrliches Beamtenpaar demonstrativ unterstrichen.148
5. WILHELMINA PATIENTIA MÄNNERIN (1722 – NACH 1793), BEAMTENTOCHTER UND SÄCKLERGATTIN Wilhelmina Patientia Männerin war das einzige überlebende Kind des Rechnungsrats und Forstverwalters Johann Gottlieb Männer, der aus dem Württembergischen stammte, und der Maria Barbara Wegelerin, die ebenfalls nicht aus Hochberg kam. Als ihr Vater 1742 und ihre Mutter 1743 starben, hinterließen sie nach Abzug aller Schulden außer einem Regenschirm und einem Klavier lediglich ein Vermögen von knapp 97 Gulden.149 Für die Tochter eines landesherrlichen Beamten war dies ein bescheidenes Startkapital. Zu ihren Pflegern wurden der Schneider und Pfarrersohn Christian Josua Berblinger und der Förster Georg Friedrich Jutzler bestellt.150 In den folgenden Jahren versuchte die „Jungfer Wil145 GLA Karlsruhe, 198/83. 146 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1730. Maria Barbara Rabusin war die dritte Ehefrau des 1653 in Lindau geborenen und 1727 in Malterdingen verstorbenen Pfarrers Georg Emanuel Eccard. Nach dessen Tod ehelichte sie den Regierungsrat und Schatzungseinnehmer Johann Nikolaus Koch, der jedoch 1730 ebenfalls verschied. Sie lebte noch weitere zehn Jahre als Witwe in der Stadt. C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718). Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/332. OSB Haltingen Nr. 449. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 128. Eilers, Malterdingen. 147 Um einen genauen Überblick über das Ausmaß der Beziehungen zu erhalten, müssten die Unterpfandprotokolle aller Hochberger Landgemeinden durchgegangen werden. 148 Zu Vorreiterrolle der Beamtenschaft bei der Ausbildung einer neuen Wohn- und Konsumkultur vgl. North, Genuss und Glück, S. 86–87, 95. Zur Distinktion im Sinne von „Abgrenzung als Auszeichnung“ vgl. Dinges, Der feine Unterschied, S. 50, und den Forschungsüberblick von Schmidt/Carl, Einleitung, S. 13–16. 149 StadtA Emmendingen, B 1b/1074. 150 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 6.1.1744, fol. 175r.
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helmina“ gemeinsam mit ihren Pflegern, die Schulden ihrer Eltern zu begleichen. So verkaufte sie 1744 „zur Abzahlung dero vorhandener Passiv Schulden“ eineinhalb Juchert Hofstatt, Garten und Acker, die sie geerbt hatte, für 284 Gulden an den Nachfolger ihres Vaters als Forstverwalter Georg Friedrich Storck.151 Kurz vor ihrer Eheschließung mit dem verwitweten Säcklermeister Elias Christoph Sattler, der ebenfalls aus dem Württembergischen stammte, unternahm sie selbst eine Reise nach Württemberg, in die Heimat ihres Vaters.152 Ihr Mann Elias Christian Sattler hatte 1748 im Alter von 24 Jahren das Emmendinger Bürgerrecht erhalten.153 Mit ihm wurde seine erste Frau, die neun Jahre ältere Straßburgerin Maria Salome Krebsteinin, in das Bürgerrecht aufgenommen. Sie verschied noch im gleichen Jahr.154 Aus dieser Ehe sind keine Kinder nachweisbar. Sechs Monate nach dem Tod der ersten Frau heirateten Sattler und Wilhelmina Patientia Männerin am 29. April 1749 in Emmendingen. Die Hochzeit wurde mit Tanz auf dem Rathaus feierlich begangen.155 In den folgenden siebzehn Jahren gebar Wilhelmina Patientia ihrem Mann fünf Kinder. Der erste Sohn kam neun Monate nach der Hochzeit zur Welt. Zwillinge gebar sie dann nach einem Abstand von etwas mehr als zwei Jahren. Elf Jahre nach der Hochzeit entband sie ein Mädchen und 1766 mit 44 Jahren noch einmal einen Sohn. Zur Emmendinger Hebamme und ihren Leistungen äußerte sich die Männerin im Jahre 1753: „sie habe keine Klag wieder die Schwörerin, habe ihre Sache verrichtet wie es praf seye, sie verlange auch keine andere.“156 Nach der Eheschließung erwarb Sattler einige Ackerflächen auf Emmendinger Gemarkung, und 1760 kaufte das Ehepaar für 140 Gulden von Eleonora Müllerin ein schmales zweistöckiges Haus mit Stall an der Hauptgasse in der unteren Stadt.157 Bei Sattlers Tod im Jahre 1780 wurde dessen Wert auf 600 Gulden veranschlagt. Im Haus standen damals drei Betten und zwei Himmelbetten. In zwei kleinen Kästen und zwei Kleiderkästen war die Wäsche und Kleidung verstaut. Allein Bett- und Leinwand wurden auf 320 Gulden geschätzt. In der guten Stube gab es sechs Stühle und einen Tisch aus Nussbaum. An der Wand hing eine Schlaguhr. Zahlreiche weitere Tische und Stühle sowie acht Sessel sind im Inventar verzeichnet. Ein goldener und ein schwarzer Spiegel schmückten die Wände. Ein Brettspiel diente dem Zeitvertreib. Acht silberne Löffel, ein Kaffeelöffel, silberne Schuhschnallen, ein goldener Kugelring und eine Kette gehörten zu den wertvollen Gebrauchsgegenständen und Accessoires im Hause des Ratsverwandten Sattler.158 Im Bücherschrank standen eine katholische Bibel in neun 151 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 6.1.1744. 152 StadtA Emmendingen, B 1b/1074 (Pflegrechnung Jungfer Männerin). 153 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 4.3.1748, fol. 208r–208v. 1.8.1748, fol. 259v–260r. C/IX Stadtrechnung 1748. Hetzel, Bürgerannahmen, S. 223. 154 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 4.3.1748. C/IX Stadtrechnung 1748. Genealogie Emmendingen. Hetzel, Bürgerannahmen, S. 223. 155 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1749. Genealogie Emmendingen. 156 GLA Karlsruhe, 198/604. 157 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 29.1.1760, fol. 99v. 158 StadtA Emmendingen, B 1b/1074.
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Bänden im Wert von sechs Gulden, die wohl eine repräsentative Investition darstellte,159 eine Tübinger Bibel im Wert von zwei Gulden, ein silbern beschlagenes Gesangbuch, das vier Gulden wert war, ein ebenfalls silbern beschlagenes Kommunionbüchlein, ein Neues Testament und Steins Predigtbuch.160 Die Sendbriefe des Salzburger Exulanten Joseph Schaitberger waren eine Art „Reliquie“ württembergischer protestantischer Frömmigkeit und verwiesen ebenso wie die Tübinger Bibel auf die familiäre Herkunft der Eheleute.161 Neben der üblichen Erbauungsliteratur waren ein Staats- und Zeitungslexikon, Hübners Naturlexikon sowie ein Gärtnerbuch vorhanden. Weitere Bücher wurden nur summarisch mit einem Gulden veranschlagt. Sattlers Handwerksgeräte beliefen sich auf einen Wert von fünf Gulden, für 200 Gulden hatte er Waren auf Lager. Schuldforderungen für geleistete Säcklerarbeit weisen auf einen größeren Kundenkreis in der Stadt und den umliegenden Gemeinden hin. Beamte und deren Bedienstete, darunter der Hofrat Johann Georg Schlosser, ferner Pfarrer und Chirurgen sowie die Schulmeister von Teningen und Köndringen finden sich unter seinen Kunden. In den dreißig Jahren bis zu Elias Sattlers Tod hatte sich der Wohlstand der Familie nur in bescheidenem Umfang vermehrt. Schuld daran dürfte unter anderem die sehr konfliktreiche Beziehung der Eheleute gewesen sein, die wiederholt in den Kirchenzensurprotokollen ihren Niederschlag fand. Nach sieben Ehejahren beschwerte sich Wilhelmina Patientia Männerin bei der Kirchenzensur über ihren Mann, das dieser ständig im Wirtshaus sitze, „sich vollsaufen, nicht arbeiten und ihr Vermögen durchbringen“ würde. Sattler verteidigte sich, er würde „zu zeiten in dem Würthshaus einen Schoppen trincken, sich aber vor dem Betrincken in acht nehmen, die Nachlässigkeit im Arbeiten würde ihm niemand aufbürden können, welches seine Nachbarn bezeugen können.“ Da Sattler einen geregelten Lebenswandel nachweisen konnte, hatte Wilhelmina „ihrem Ehemann durch Reichung der Hand eine bessere Verträglichkeit zu versprechen.“ Das Gericht empfahl Sattler aber auch, sich künftig „besser (zu) betragen“.162 Die Äußerungen der Eheleute zeigen, dass es in diesem Konflikt um die Autorität im Haushalt ging. Sattler nahm seiner Meinung nach lediglich an der Geselligkeit teil und beeinträchtigte dadurch weder seine Arbeitsleistung noch seine Haushaltsführung.
159 Auch im Inventar des württembergischen Totengräbers Christoph Laichinger findet sich eine „Große Pfaffische Bibel“ im Wert von sechs Gulden. Vgl. Medick, Weben und Überleben, S. 513. Ob es sich hier wie dort um eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundsätzen des eigenen Glaubens handelte, ist aus dem Überlieferungskontext nicht ersichtlich. 160 In den Quellen wird immer von Steins Predigtbuch gesprochen; höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei um das Predigtbuch von Friedrich Christian Steinhofer (1706–1761). 161 Es handelt sich hier um den „Neu-vermehrter Evangelischer Sendbrief“. Zu den Salzburger Exulanten vgl. Walker, Salzburger. Ausführlich zu Schaitberger und der Verbreitung seiner Schriften vgl. Medick, Weben und Überleben, S. 469, 541. 162 StadtA Emmendingen, B/VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 5.3.1756.
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Seine Frau hingegen bezichtigte ihn, durch sein Zechen den Haushalt zu ruinieren.163 Bereits nach kurzer Zeit eskalierte der Konflikt erneut. 1759 wurden die Sattlers wieder zu „ihrer uneinigen Ehe“ befragt. Sattler erwiderte, „es seye nicht auszustehen, wie seine Frau ihn immerfort mit falschen Soubhons (Unterstellungen) plage.“ Sattler zufolge lag die Ursache ihres Ehestreits in der „Jalousie (Eifersucht) seiner Frauen“, die sich einbilde, dass er ihr nicht treu sei. Da nach Auffassung Sattlers nichts von ihren Unterstellungen der Wahrheit entspräche, sehe er einer Untersuchung gelassen entgegen. Seine Frau sagte daraufhin aus, sie „habe es von anderen Leuthen“, dass ihr Mann sie betrüge. Sattler bestätigte, „diese Uneinigkeit währte bereits schon bey 8 biß 9 Jahren und seye noch keine Magd von ihm weggegangen, da sie nicht gesagt, er habe mit ihr zuthun gehabt.“ Wegen des letzten Streits mit der Frau sei er sogar beim Oberamt und im Spezialat gewesen. Die Eifersucht seiner Frau habe durch einen Vorfall mit ihrer Nachbarin neue Nahrung erhalten. „Die Seifensiederin, als welche seine Gevatterin, habe als ihr Namenstag gewesen und sie deßwegen Küchlein gebacken, ihm und seiner Ehefrau auch ein Küchlein gebacken, er seye aber nicht zu Hauß gewesen, da er aber nach Hauß gekommen, so habe ihm seine Frau das Küchlein vorgestellt und es mit ihm verzehrt.“ Einige Tage später habe er mit der Seifensiederin, weiteren Nachbarn und einem Fremden, „der bey ihr geweßen gelacht, seine Frau aber habe hierüber angefangen, ob das Herum Gelächter schon wiederum angehe.“ Sie habe sofort angenommen, dass er mit der Seifensiederin über sie lache. „Er seye natürl(icher) dingen darüber erschrocken und habe gefragt was sie machte, worauf sie versezte, wann die Seifensiederin eine brave Frau wäre, so backte sie nicht vor anderer Weiber Männer Küchlein und dergl(eichen) Vorwurff müße er alle Tage anhören, da als dann er auch aufbrenne und er zuweilen zuschlagen könne.“164 Das Schenken von Küchlein aus Mehl, Eiern und Milch, die häufig noch mit Apfelscheiben, Salbei und Holunderbeeren verfeinert und in Lewat- oder Nußöl ausgebacken wurden, war in Hochberg ein traditioneller Brauch zur Ernte- und zur Fasnachtszeit.165 Einem Mann Küchlein zu schenken, unterstrich zum einen die Hochachtung, die man ihm entgegenbrachte, stellte aber gleichzeitig auch die Rolle der Ehefrau in Frage, die ihm dieses Gericht vorenthielt, oder es konnte auf eine Form der sexuellen Kontaktaufnahme hinweisen.166 Die Eifersuchtsregungen der Frau waren also nicht unbegründet, fühlte sie sich doch als schlechte Hausfrau herabgewürdigt, was Sattler wiederum als Argument zu seinen Gunsten ins Spiel bringen konnte. Nachdem die Sitzung wegen einer wichtigen Sache beim Oberamt unterbrochen werden musste, wurde die Verhandlung einen Monat später weitergeführt. In der Zwischenzeit hatten die Eheleute nicht vermocht, ihren Konflikt beizulegen. 163 Vgl. hierzu auch die Diskussion bei Tlusty, Bacchus und die bürgerliche Ordnung, besonders S. 137–139. 164 StadtA Emmendingen, B/VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 1.6.1759. 165 Willius, Beschreibung, S. 194–195. 166 Göttsch, Kleider in Ehren, S. 205–206.
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„Die Ursache ihres Ehestreits rühre gar nicht her von einer Jalousie,“ so die Männerin, „sondern daß ihr Mann so viel mal des Abends aus dem Haus gehe, und mit seiner Compagnie des Nachts biß 11. biß 12. Uhr ausbleibe, trincke und spiele.“ Dies geschehe auch während des Tages, wenn sie in den Garten gehen müsse. Dann – so die Aussage der Männerin – käme Sattler nicht nur seiner Arbeit nicht nach, sondern überlasse auch „die Gesellen und den Jungen ihren Willen und Faulheit.“ Aus diesem Grund würde ihr Vermögen immer weiter reduziert. Was die Seifensiederin betreffe, „so könne Sie gleichwohl nicht leugnen, daß er mit seinem öffteren Umgang mit ihr sich verdächtig mache, es wäre also besser, wann er selbiges unterliese.“ Sattler konnte die Vorwürfe seiner Frau nicht auf sich sitzen lassen, denn Müßiggang und fehlende Aufsicht über seine Lehrjungen und Gesellen waren schwerwiegende Vorwürfe. So kehrte Sattler den Spieß um und bezichtigte seine Frau als schlechte Haushälterin: Er müsse ihr immer „alles nachsehen“. Auch diesmal wurden wieder beide Eheleute ermahnt. Falls Sattler noch einmal zu lange im Wirtshaus sitze, erwarte ihn eine Turmstrafe; seine Frau hingegen sollte ihre Eifersucht zügeln und sich des „Friedens mehr befleißigen.“167 Die Angriffe auf die Ehefrau des Seifensieders Johann Georg Schmiedmeyer, Anna Sophia Leppertin, und das den beiden unterstellte Verhältnis gewinnt an Brisanz, wenn man in Betracht zieht, dass die Leppertin 35 Jahre jünger war als ihr Mann. Hinzu kommt, dass beide Ehen der Seifensiederin kinderlos geblieben waren. Weder das Seifensiederehepaar noch die Nachbarn vermochten jedoch eine reale Ursache zu erkennen, die die Vorwürfe der Frau rechtfertigten.168 Sattlers Stellung in der Gemeinde konnten seine Ehestreitigkeiten im Übrigen nichts anhaben. Er wurde 1760 in den Rat gewählt und blieb dessen Mitglied bis zu seinem Tode im Jahre 1779.169 Nach dem Tod ihres Mannes musste Wilhelmina Patientia Männerin sich regelmäßig außer Haus verdingen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. 1781 versuchte sie ein Darlehen von 50 Gulden für eine Reise ins Württembergische aufzunehmen, ohne dass wir den Grund ihres Ansinnens erfahren. Ob sie dort noch Angehörige hatte oder ob sie die Familie ihres Mannes aufsuchen wollte, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Ihr Gesuch wurde jedenfalls vom Stadtrat abgewiesen und sie aufgefordert, „künftig fleißiger zu arbeiten und sich dadurch ihre Nahrung ohne Schulden machen zu verschaffen zu suchen.“170 Nachdem sie sich 1780 bereits wegen ihrer Geldsorgen genötigt sah, sich von Landbaumeister Karl Friedrich Meerwein 250 Gulden zu leihen, nahm sie 1784 erneut 20 Gulden wegen ihrer „dermalige(n) kränkliche(n) Umstände“ ihm auf.171 167 StadtA Emmendingen, B/VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 6.7.1759. 168 Johann Georg Schmiedmeyer, dessen Geburtsort in Ungarn lag, und seine zweite Frau Anna Sophia Leppertin starben beide innerhalb weniger Monate im Jahre 1769. Sie führten ein unauffälliges Leben und erscheinen ansonsten nicht in den Frevelgerichts- oder Kirchenzensurprotokollen. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen 169 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 170 StadtA Emmendingen, B 1b/1074. 171 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 1780, fol. 51v–52v und 22.9.1784, fol. 142v–143r.
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Im Jahre 1786, kurz nach der Eheschließung ihres zweiten Sohnes, bat Wilhelmina Patientia Männerin, in ein Armenhaus aufgenommen zu werden, da sie „in so kümmerlichen Umständen (lebe), daß sie hier nicht wohl länger bleiben kann, zumal da sie mit ihren Kindern, die auch nichts übrig haben, schon lange in Uneinigkeit lebt, und auch sonst niemand sie ins Haus lassen will.“172 Im gleichen Jahr verkaufte sie auch ihr Haus für 805 Gulden an den Schuhmacher Johann Georg Rist.173 1791 befreite sie die Stadt wegen ihres hohen Alters von ihrem Beitrag zu den Fuhr- und Taglohnkosten.174 Ihr ältester Sohn Karl Christian Sattler erlernte das väterliche Handwerk und ließ sich in Emmendingen bürgerlich nieder. Nachdem er 1776 von der Wanderschaft zurückgekehrt war, führte er dreieinhalb Jahre lang die Werkstatt für seinen kranken Vater, wofür er nach dessen Tod einen Lohn von 107 Gulden erhielt.175 Er heiratete 1781 die bereits schwangere Anna Maria Berblingerin, eine Tochter des ehemaligen Pflegers seiner Mutter Christian Josua Berblinger. Sein Vermögen belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 285, das der Braut auf 110 Gulden. Die Hochzeitsgeschenke wurden auf 41 Gulden veranschlagt.176 Der zweite Sohn Jakob Christoph Sattler erlernte als erster Emmendinger überhaupt in Ettlingen das Kaminkehrerhandwerk. 1785 ließ er sich bürgerlich in der Stadt nieder.177 Dass er im Jahr zuvor angeklagt worden war, die Schweizer Dienstmagd Maria Murifruh „im Denzlinger Wald genotzüchtigt“ zu haben,178 hatte keine weiteren Folgen für ihn, da die junge Frau eine Fremde war und somit keine Fürsprecher hatte.179 Die Eheschließung mit Katharina Barbara Poppelinin, 172 StadtA Emmendingen, B 1b/1074. Zu der Übernahme der Pflichten eines Bürgers durch seine Witwe vgl. Ingendahl, Witwen, S. 45. Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 31, 37. 173 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 19.6.1786, fol. 320r– 321r. 174 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 23.11.1791, fol. 100r. C/IX Stadtrechnung 1791. 175 StadtA Emmendingen, B 1b/1074. 176 StadtA Emmendingen, B 1b/1075. 177 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.6.1785, fol. 110v. C/IX Stadtrechnung 1785. 178 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 179 Vgl. zu einer Vergewaltigung einer jungen Frau, die über einen guten Leumund verfügte, einer im Ort ansässigen Familie entstammte und überdies Zeugen für die Tat beibringen konnte: Ulrich, A Midwife´s Tale, S. 102–126. Thatcher Ulrich konnte die Vergewaltigung von Rebeccah Forster und ihre Folgen anhand von Gerichtsakten und des Tagebuchs der Hebamme rekonstruieren. Vergewaltigungen ereigneten sich meist auf freiem Feld, an Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften oder wie in diesem Fall in Waldstücken. Göttsch sieht darin einen Hinweis, dass der Schutz der Frauen an der Dorf- bzw. Stadtgrenze endete. Göttsch, Kleider in Ehren, S. 203. Zur Bedeutung des Ortes für die Einschätzung des Deliktes als Vergewaltigung vgl. Künzel, Tat-Orte. Maren Lorenz weist darauf hin, dass in den gerichtsmedizinischen Diskursen des 18. Jahrhunderts eine Vergewaltigung in den meisten Fällen nicht vorstellbar war. Lorenz, Schmerz in Liebeshitze. In Emmendingen gibt es einige Hinweise, dass während der französischen und österreichischen Besatzung es vereinzelt zu Vergewaltigungen gekommen sein könnte. GA Emmendingen (Taufbuch 1772–1799, Eintrag
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die ein Jahr später mit einem Tanz auf dem Rathaus gefeiert wurde,180 war nicht die erste Wahl der Braut. Sie hatte zwei Jahre zuvor versucht, sich mit dem reformierten Küfer Valentin Riechen zu verheiraten, der damals im herrschaftlichen Keller beschäftigt war. Obwohl Riechens Vermögen über 590 Gulden betrug, verweigerte man ihm die Bürgerannahme und damit auch die Erlaubnis zur Eheschließung.181 In der Ehe Sattlers mit der Poppelinin wurden drei Kinder geboren: Ein Jahr nach der Hochzeit ein Junge, 1790 ein weiterer Sohn und 1803 eine Tochter. Zum Zeitpunkt von Sattlers Tod im Jahre 1805 mussten noch 50 Gulden Zuchthauskosten für seine Frau an die Kurfürstliche Zuchthausverwaltung in Bruchsal gezahlt werden. Die Ursache ihrer Einweisung ist nicht zu ermitteln.182 Katharina Barbara Poppelinin starb 1811 in Emmendingen. Die Tochter des Ehepaars Sattler, Maria Wilhelmine, zahlte 1782 im Alter von dreißig Jahren eine Unzuchtstrafe von acht Gulden und ist danach nicht mehr in den Quellen nachweisbar. Sie hatte im August 1781 einen Sohn namens Jakob Huber zur Welt gebracht, dessen Vater ein Postknecht aus Köndringen war.183 Dieser heiratete sie aber nicht, da er ein Jahr später in Emmendingen erneut Vater eines unehelichen Sohnes mit einer anderen Frau wurde.184 Die 1754 geborene Christine und die 1766 geborene Maria Margarete scheinen Emmendingen als junge Frauen verlassen zu haben, denn sie finden sich nicht mehr in den Quellen Wilhelmina Patientia Männerins Leben stellt sich als ein ständiges Hadern mit ihrem Schicksal dar. Der frühe Tod ihres Vaters und das geringe Vermögen, das er ihr hinterlassen hatte, ermöglichten der Beamtentochter kein ihrer Stellung und Herkunft angemessenes Auskommen. Sie hatte keinen Beamten, sondern einen Handwerker geheiratet – und noch dazu einen, der sich gerade erst in Emmendingen niedergelassen hatte. Obwohl nicht alle Beamtenkinder in die Fußstapfen ihrer Väter treten konnten, da die Ausbildungskosten hoch und der Personalbedarf des vormodernen Staates zu gering war, empfand sie diese Verbindung offenbar als demütigenden Statusverlust. Die Folge war eine zutiefst zerstrittene Ehe, die möglicherweise auch die Ursache für die Normverstöße der Kinder, ihre geringe Verwurzelung in Emmendingen und ihr schlechtes Verhältnis zur Mutter war. Wo Wilhelmina Patientia Männerin sich nach 1793 aufgehalten hat und wann, wo sie gestorben ist, ist nicht zu klären. Das Sozialkapital der Familie scheint mit dem Tod des Ehemannes verbraucht gewesen zu sein.
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vom 12.02.1792 „ein fremder Soldat, den sie weiter nicht kenne“, Eintrag vom 13.06.1797. „Vater angeblich ein französischer Soldat von der Patriotischen Armee, der sie mit Gewalt geschändet haben soll.“ StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 2.1.1783, fol. 1r. StadtA Emmendingen, B 1b/1077. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1781, 1782. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1781. Genealogie Emmendingen.
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6. MARIA REGINA BÜRKLININ (1705–1771), PFARRERSTOCHTER UND STADTSCHREIBERGATTIN Maria Regina Bürklinin stammte wie Magdalena Wilhelmina Rabusin aus einer evangelischen Pfarrerfamilie. Ihr in Bahlingen am Kaiserstuhl geborener Vater Friedrich Bürklin war seinerseits der Sohn eines Pfarrers.185 Nach dem Studium und der ersten Pfarrstelle wurde Bürklin bald Geistlicher Verwalter in Karlsruhe. Maria Reginas Mutter, Maria Regina Rühlinin, war die zweite Frau ihres Vaters. Ein Halbbruder aus dessen erster Ehe arbeitete von 1739 bis 1769 als Schulmeister in Köndringen.186 Nach dem Tod Friedrich Bürklins in der Residenzstadt Karlsruhe zog Maria Regina Rühlinin 1734 zu ihrer Tochter nach Emmendingen. Diese hatte inzwischen den aus Biberach an der Riß stammenden Georg Friedrich Gaupp geheiratet, der seit 1727 Stadtschreiber in Emmendingen war.187 Der Stadtschreiber war ein Bediensteter des Landesherrn und fungierte zugleich als Oberwaisenpfleger in Hochberg. Neben den Ratsprotokollen und den städtischen Akten führte er die Zunftprotokolle sowie die Grund- und Unterpfandprotokolle und war zugleich Notar.188 In den 15 Jahren ihrer Ehe gebar Maria Regina ihrem Mann sieben Kinder, von denen fünf erwachsen wurden. Nachdem sich die junge Familie in Emmendingen etabliert hatte, begann Georg Friedrich Gaupp mit dem Erwerb von Grundstücken als Kapitalanlage. 1732 kaufte er vom Posthalter Johann Christian Sander zwei Mannshauet Garten vor dem Niederemmendinger Tor für 130 Gulden.189 Ein Jahr darauf erwarb er vom Niederemmendinger Stabhalter Mößinger eineinhalb Mannshauet Acker „in der Breite“ und bezahlte dafür 52 Gulden sieben Kreuzer.190 1735 vergrößerte er den Garten um ein halbes Juchert neben dem Mühlentor, das er für 129 Gulden von Johann Simon Blum kaufte.191 1740 erstand er vom Kollmarsreuter Vogt Hans Georg Gutjahr sechs Mannshauet Acker „auf dem Bürklin“ für 100 Gulden,192 und 1741 erwarb er von Leonhard Scherberger zwei Mannshauet Acker „in der Breite“ für 90 Gulden und einen Gulden Trinkgeld.193 Als er 1743 im Alter von 50 Jahren starb, waren seine Kinder alle noch minderjährig. Seine Frau Maria Regina Bürklinin heiratete nicht mehr und zog ihre Kinder allein groß. Genauso wie die Mutter der Magdalena Wilhelmina Rabusin versuchte sie diesen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Besonders
185 Krieger, Bürklin-Wolf, S. 518. Zur Biographie des Vaters vgl. ebd., S. 27–51. 186 GLA Karlsruhe, 115/233. Krieger, Bürklin-Wolf. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 187 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 11.3.1727, fol. 220r. 188 Vgl. zu den Aufgaben des Stadtschreibers ausführlich Kap. II.2. 189 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 22.1.1732, fol. 345v–346r. 190 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 2.3.1733. 191 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 12.7.1735, fol. 392v–393r. 192 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 22.3.1740, fol. 104v–105r. 193 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 25.9.1741.
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in die Ausbildung ihrer Söhne investierte sie einen großen Teil ihres Vermögens.194 Ihr 1728 geborener Sohn Ernst Friedrich Gaupp besuchte zuerst die Emmendinger Lateinschule195 und wurde 1744 nach Halle geschickt, um seine Studien fortzusetzen. Bereits sein Vater scheint in Halle ausgebildet worden zu sein. Ernst Friedrich wurde dort in die zweite Klasse der Lateinschule aufgenommen. Seine Lehrer bescheinigten ihm, er habe „sich jederzeit wohl verhalten, u. ist von Natur eines stillen Gemüths.“196 Im April 1751 erfolgte seine Anstellung als Informator an der Weingartenschule, einer der vier Deutschen Schulen der Glauchaschen Anstalt, wie die Franckeschen Stiftungen in Halle zu diesem Zeitpunkt hießen. Seine Beurteilung deutet bereits an, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechterte: „Ist bewegl(ich) von Gemüth hat keine sonderl(ich) studia mäßiges donum sehr schlechte Sitten, schwach Regim(en).“197 1753 wurde Gaupp in Emmendingen als „ohnlängst von Universitaten zurück gekommener Sohn, in einer incurablen mania“ bezeichnet. Da sich sein Gesundheitszustand nicht besserte, erfolgte seine Einweisung in das Pforzheimer Waisenhaus. Noch 1783 hielt er sich dort auf.198 Sein Studium der Theologie in Halle hatte die Familie zwischen 700 und 800 Gulden gekostet.199 Eine ähnlich kostspielige Ausbildung war für die jüngeren Söhne nicht mehr finanzierbar. Mit dem Ausbruch von Ernst Friedrichs Krankheit war die Strategie der Mutter, die einen Großteil des Familienvermögens in sein Studium investiert hatte, gescheitert.200 Um den Lebensunterhalt der Familie zu finanzieren und das Studium des ältesten Sohnes an der Universität bezahlen zu können, hatte Maria Regina Bürklinin 1746 ein Zweitel Acker „auf dem Bürklin“ für 130 Gulden an den Adlerwirt Johann Karl Samuel Kiefer verkauft.201 1748 veräußerte sie erneut ein Grundstück. Der Schuhmacher und Stubenwirt Johann Georg Koch erwarb zwei Mannshauet Garten vor dem unteren Tor für 192 Gulden, wobei sich die Verkäuferin den „diesjährigen Nutzen“ vorbehielt.202 Trotz ihrer angespannten finanziellen Lage konnte sie zu dieser Zeit noch Geld zu fünf Prozent Zinsen verleihen. Der Eichstetter Bürger Hans Georg Sonner war ihr 1747 den Betrag von 60 Gulden schuldig203, zwei Jahre später Adam Frei die gleiche Summe.204 194 Auf den Beitrag von Frauen zur akademischen Ausbildung ihrer Söhne verweist besonders Gleixner, Pietismus, S. 295–297, 342–343. 195 Maurer, Schule, S. 39. 196 AFST, L3, S. 237, Nr. 1419. Der Stadtamtmann von Biberach Johann Gottlieb Gaupp, vermutlich der Vater des aus der oberschwäbischen Reichsstadt Biberach an der Riß stammenden Amtschreibers, bedankte sich 1717 für das Tractamentum. AFST, A 170:130. 197 AFST, H, D 24a, S. 441c 198 StadtA Emmendingen, B 1b/391. Zu dieser Institution vgl. Stier, Fürsorge. 199 StadtA Emmendingen, B 1b/389. 200 StadtA Emmendingen, B 1b/389. Zur Problematik, dass nachgeborene Söhne und besonders Töchter nicht die gleichen Möglichkeiten der Bildung erhalten konnten, vgl. Gleixner, Pietismus, S. 295–297, 342–343. 201 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.11.1746, fol. 139r. 202 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 14.10.1748, fol. 261r–261v. 203 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 1.4.1747, fol. 25r.
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Als ihre Tochter Johanna Eberhardina Friederike Gauppin den 1749 zum Bürger angenommenen Sohn des Lahrer Oberamtsaktuars und Posamentierer Philipp Jakob Frank heiratete,205 konnte die Mutter ihr eine Mitgift von 200 Gulden mitgeben.206 In den zehn Jahren ihrer Ehe mit Frank entband Johanna Eberhardina Friederike fünf Kinder. Sie verstarb zehn Tage nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes im Kindbett. Franks Ehefrau hatte 1753 noch über die Emmendinger Hebamme ausgesagt: „Wann sie wieder in diese Umstände komme, wolle sie jene wieder holen“.207 Noch im Jahr ihres Todes erhielten die Kinder eine Stiefmutter, Barbara Eva Streblerin aus Wolfenweiler, die in der Ehe mit Frank noch zehn eigene Kinder bekam.208 1756 erwarb Frank von seiner Schwiegermutter Maria Regina Bürklinin für 300 Gulden vier Mannshauet Garten vor dem oberen Tor, da diese unter anderem für die Unterbringung des Sohnes im Pforzheimer „Tollhaus“ erneut Geld benötigte.209 1767 musste Frank 300 Gulden bei Wilhelm Friedrich Nagel aufnehmen, um seine Schulden bei seiner Schwiegermutter tilgen zu können.210 Somit war Frank auch noch nach dem Tod seiner ersten Frau mit ihrer Familie finanziell verbunden. Die jüngere Tochter Christina Regina Gauppin heiratete 1757 im Alter von 24 Jahren den acht Jahre älteren verwitweten Sattler Johann Reinhard Schmid.211 Schmids erste Frau Maria Katharina Sanderin war nach knapp zwei Jahren Ehe im Kindbett gestorben. Die Tochter aus dieser Verbindung namens Maria Elisabeth wurde von der Stiefmutter aufgezogen.212 Christina Regina Gauppin brachte acht Kinder zur Welt, von denen drei als Kleinkinder starben. Ihr Mann kaufte 1768 für 205 Gulden von seiner Schwiegermutter Maria Regina Bürklinin vier Mannshauet Garten „in der Breite“.213 Christina Reginas Schwester Katharina Wilhelmina blieb unverheiratet und lebte wie ihre Mutter bis zu ihrem Tod im Hause ihres Schwagers. Dort wurde sie verpflegt,214 und nach dem Tod ihrer Schwester führte sie ihrem Schwager den Haushalt, wodurch sie einen Anspruch auf 200 Gulden erwarb.215 Diese familiäre Konstellation hatte demnach auch eine wirtschaftliche 204 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 30.5.1749, fol. 60r. 205 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 5.5.1749, fol. 316v. C/IX Stadtrechnung 1749. 206 StadtA Emmendingen, B 1b/389, 31.12.1748. 207 GLA Karlsruhe, 198/604. 208 Das Paar heiratete am 16.6.1759. OFB Schallstadt-Wolfenweiler, Nr. 525. 209 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 15.3.1756, fol. 259v–260r. 210 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 8.1.1767, fol. 137r–140r. C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 3.1.1767, fol. 172v–174v. B 1b/913. C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 23.5.1775, fol. 39r–39v. 211 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 16.1.1758, fol. 5v. Eilers, Köndringen. 212 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1755. Genealogie Emmendingen. Eilers, Alsacien. 213 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 10.5.1768. 214 StadtA Emmendingen, B 1b/391. Zum Altersitz im Haus der Kinder vgl. Ingendahl, Witwen, S. 128–137. 215 StadtA Emmendingen, B 1b/1150.
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Dimension. Übernahmen Familienmitglieder die Haushaltsführung, wurde diese Arbeit finanziell entgolten. Hingegen schuldete Maria Regina Bürklinin, die mehr als zehn Jahre im Haus ihres Schwiegersohns gelebt hatte, diesem bei ihrem Tod für Brennholz noch 100 Gulden.216 Von den 400 Gulden, die sie ihrem Schwiegersohn Johann Reinhard Schmid 1771 geliehen hatte, blieben nach Abzug der Ausgaben für ihre Bestattung und anderes ihr vorgestrecktes Geld noch 285 Gulden für die Verteilung unter den Erben. Ihr Silber und Geschmeide hatte die Witwe „bej Ermangelung anderen Vermögens nach und nach alles verkauft und verbraucht“.217 Der jüngste Sohn der Familie, der 1741 geborene Karl Christian Gaupp, war erst zwei Jahre alt, als sein Vater starb. Nachdem sich die Hoffnungen, welche die Familie in die Ausbildung des ältesten Sohnes zum Theologen gesteckt hatte, durch dessen Krankheit zerschlagen hatten, waren die Mittel für die Ausbildung des Jüngsten beschränkt. Karl Christian lernte das Posamentierhandwerk – entweder bei seinem Schwager, dem Posamentierer Frank, oder in dessen Heimatstadt Lahr.218 Der Fall Gaupp ist durchaus typisch für nachgeborene Söhne herrschaftlicher Beamter, die aus Kostengründen sowie aufgrund des begrenzten Personalbedarfs einen anderen Beruf wählen mussten. Daher erlernten viele dieser Söhne einen Handwerksberuf, ließen sich in Emmendingen bürgerlich nieder und heirateten eine Bürgertochter. Karl Christian Gaupp wurde 1767 als Bürger und Meister in der Stadt angenommen.219 In seinem Haushalt lebten 1769 zwei erwachsene Personen.220 Erst 1771 heiratete er die „Jungfer“ Charlotte Sophia Johanna Fischerin, Tochter eines verstorbenen Schatzungseinnehmers aus Karlsruhe, der während der Amtszeit von Gaupps Vater als Oberamtsaktuar in Emmendingen beschäftigt war.221 Seine Braut kam acht Monate nach der Hochzeit mit ihrem einzigen Kind, einer Tochter, nieder. Zwei Jahre nach ihrem Tod heiratete Karl Christian Gaupp 1779 Katharina Elisabeth Stierlinin, die Tochter eines verstorbenen Emmendinger Weißgerbers. Im Ehevertrag verschrieb Gaupp ihr einen Kindsteil, außerdem sollte der Zugewinn in der Ehe nach dem Tod eines Ehepartners gemäß dem Landrecht im Verhältnis zwei zu eins geteilt werden. Von den gemeinsamen sechs Kindern wurden vier erwachsen. 222 Maria Regina Bürklinin konnte trotz der zahlreichen Schicksalsschläge ihre Familie zusammenhalten und ermöglichte ihren jüngeren Kindern die Integration in die Emmendinger Gesellschaft. Die Krankheit des ältesten Sohnes, die einen Großteil ihres Vermögens verschlungen hatte, engte ihren finanziellen Hand216 StadtA Emmendingen, B 1b/389. 217 StadtA Emmendingen, B 1b/389. 218 Gaupps Posamentierwerkzeug wurde 1781 von dem Lahrer Johann Paul Seifermann geschätzt. StadtA Emmendingen, B 1b/390. 219 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 10.9.1767, fol. 222v; 12.11.1767, fol. 231r. C/IX Stadtrechnung 1767. 220 StadtA Emmendingen, B IV/3–7. 221 StadtA Emmendingen, B 1b/390. C/IX/77 Stadtrechnung 1770. Genealogie Emmendingen. 222 GLA Karlsruhe, 198/351 (Eheverspruch Karl Christian Gaupp und Katharina Elisabeth Stierlin, 21.6.1781). Zur Bedeutung der Heiratsverträgen vgl. Ingendahl, Witwen, S. 153–158.
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lungsspielraum deutlich ein. Dennoch finanzierte sie auch ihren anderen Söhnen eine Ausbildung, ihre Töchter erhielten eine Aussteuer, und das familiäre Netz scheint, im Gegensatz zum Fall der Männerin, gut funktioniert zu haben. Ihre Kinder versorgten ihre alternde Mutter, die sie nach dem Tod des Vaters allein erzogen und bei der Gründung und dem Aufbau eigener Familien unterstützt hatte.
7. ANNA MARIA BARBARA STIEFELIN (1653–1726), WEBERMEISTERIN Anna Maria Barbara Stiefelin entstammte einer Handwerkerfamilie. Ihre Familie gehörte zu den ersten, die sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Stadt niedergelassen hatten. Ihr Vater, der seit 1651 in Emmendingen nachweisbare Weber Johann Stiefel, wurde dort im Jahre 1653 in das Bürgerrecht aufgenommen.223 Zum Zeitpunkt seiner Bürgerannahme war Stiefel bereits mit Ursula Gengenbachin verheiratet. Das Ehepaar hatte acht gemeinsame Kinder, von denen fünf innerhalb der ersten drei Lebenswochen verstarben. Nur die erstgeborene Anna Maria Barbara und die beiden letztgeborenen Söhne, der Weber Johann Georg Stiefel, der sich in Ihringen niederließ, und der Schuhmacher Johann Stiefel, der nach Durlach zog, erreichten das Erwachsenenalter. Im Jahre 1680 heiratete Anna Maria Barbara Stiefelin den vier Jahre älteren, aus Hornberg stammenden Weber Johann Ludwig Heimhofer, der erst 1687 das Bürgerrecht erhielt.224 Sie gebar ihrem Mann in zwölf Ehejahren drei Kinder, die alle erwachsen wurden. Die 1681 geborene Tochter Anna Katharina heiratete 1702 Johannes Schüsselin, einen Schuhmacher aus dem Wiesental, mit dem sie acht Kinder hatte, von denen fünf das Erwachsenalter erreichten.225 Anna Maria Barbara Stiefelin übernahm nach dem Tod ihres Mannes Johann Ludwig Heimhofer 1707 den Betrieb, bis ihr ältester Sohn Johann Friedrich Ausbildung und Wanderjahre abgeschlossen hatte. Ihr jüngerer Sohn, der 1695 geborene Johann Ludwig, trat 1709 im Alter von 14 Jahren seine Lehrstelle im mütterlichen Betrieb an und wurde anschließend von seinem Bruder fertig ausgebildet.226 Im Gegenzug dafür, dass Johann Friedrich die Güter seines Bruders unentgeltlich nutzen durfte, verpflichtete er sich, diesem zwei Gulden Wochenlohn und neue Kleidung zu bezahlen.227 Die Mutter hatte den Betrieb bis zur Übergabe an den ältesten Sohn selbständig geführt, denn sie zahlte von 1707 bis 1709 das jähr-
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StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1653. Hetzel, Bürgerannahmen, S.181. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B/V/2-65, 66, 67. C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718). Genealogie Emmendingen. Zur Weiterführung des Handwerks vgl. Werkstetter, Augsburg. Werkstetter, Witwen, S. 87–98. Sczesny, Kontinuität, S. 210, 283, 337–340. Ingendahl, Witwen, S. 52, 107–114, 145–147. 227 StadtA Emmendingen, B/V/2-65 Leineweber (1685–1732).
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liche Leggeld an die Weberzunft,228 sprach 1707 Michael Meyer aus Wangen im Elsass mit „gutem Zeugnis“ ledig229 und nahm wohl auch an den Zunfttagen teil. Dies ist indirekt zu erschließen, weil 1718 eine Witwe aus Oberschaffhausen bestraft wurde, nachdem sie nicht zum Zunfttag erschienen war, obwohl sie einen Gesellen beschäftigt hatte. Solange die Frauen Lehrlinge ausbildeten beziehungsweise Gesellen beschäftigten, waren sie zur Teilnahme verpflichtet.230 Als Tochter, Schwester und Ehefrau eines Webers war Anna Maria Barbara Stiefelin von klein auf mit dem Metier vertraut und führte den Betrieb erfolgreich. Wahrscheinlich hatte sie auch während der Ehe auf einem eigenen Stuhl gearbeitet.231 Noch 1762 wurde auf einem Zunfttag der Hochberger Weberzunft betont, dass kein Geselle für sich allein arbeiten dürfe, sondern immer einem Meister oder einer Meisterin unterstellt sein müsse.232 Ihr ältester Sohn Johann Friedrich hatte im Februar 1708 sein Meisterstück gemacht und erhielt die Erlaubnis, mit drei Stühlen zu weben. Da er im Haushalt seiner Mutter lebte, musste er sein Meistergeld erst nach erfolgter Eheschließung zahlen.233 Er heiratete im Dezember 1709 die gleichaltrige Anna Maria Lappin, die Tochter des Schwarzfärbers Johannes Lapp.234 Seine Frau schenkte sechs Kindern das Leben, die alle erwachsen wurden. 1714 übergab Anna Maria Barbara Stiefelin im Alter von 61 Jahren ihrem ältesten Sohn das Haus und schenkte ihm 76 Gulden, weil sie „wegen recht sich habenden hohen Althers mit ihrer Handarbeith ihr Stücklein Brot nimmer verdienen könne.“ Der Sohn hatte zuvor versprochen, „daß er sie von dato an in seinem Vorschlag auff- und annehmen, Sie sowohl bei gesunden als kranken Tagen auch in hiesigen Kriegszeithen in Essen und Trinckhen, auch notwendiger Kleidung die Tag ihres Lebens erhalten“ wolle.235 Doch Anna Maria Barbara Stiefelin setzte sich noch lange nicht auf ihr Altenteil. Sie verstarb 1726 im Alter von 73 Jahren. Von 1724, als ihre Schwiegertochter starb, bis zu ihrem eigenen Tod hatte sie ihrem Sohn den Haushalt geführt und die sechs Kinder versorgt. Sieben Monate nach dem Tod der Mutter ging Johann Friedrich Stiefel mit Anna Maria Zinningerin eine zweite Ehe ein.236 Sie gebar ihm fünf weitere Kinder, die ebenfalls alle erwachsen wurden.
228 StadtA Emmendingen, B/V/2-65 Leineweber (1685–1732), Brudertag, 13.6.1707 und Brudertag, 20.5.1709. 229 StadtA Emmendingen, B/V/2-65 Leineweber (1685–1732). 230 StadtA Emmendingen, B/V/2-65 Leineweber (1685–1732), Weberzunfttag, 6.7.1718, fol. 100v. 231 Michael Mitterauer konstatiert, dass das Nebeneinander individueller Erwerbstätigkeiten von Mann und Frau gerade in kleineren Städten durchaus geläufig war. Mitterauer, Arbeitsorganisation, S. 293. Zur informellen Ausbildung, Ingendahl, Witwen, S. 51 232 StadtA Emmendingen, B/V/2-69 Leineweber (1755–1832), Brudertag der Leineweberzunft, 1.6.1762, fol. 14r. Zur Leineweberzunft vgl. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber. 233 StadtA Emmendingen, B V/2-65 Leineweber (1685–1732), Brudertag, 28.5.1708. 234 StadtA Emmendingen, B 1b/572. Genealogie Emmendingen. 235 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 28.2.1714, fol. 141r–142r. 236 StadtA Emmendingen, B 1b/572. Genealogie Emmendingen.
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Erleben durfte Anna Maria Barbara Stiefelin noch, dass ihr Sohn Johann Friedrich 1721 zum Zunftmeister der Leineweber gewählt wurde.237 Nicht mehr miterlebt hat sie hingegen, dass ihre Tochter Anna Katharina um 1730 ihren Mann Johannes Schüsselin „bößlich verlaßen haben und dato (im Jahre 1746, M.S.-H.) noch nicht bekandt seyn solle, wo sie sich dermalen aufhalte? oder ob sie noch am leben seye?“238
8. JENTHA JOSEFA DREIFUßIN (VOR 1700–1756), VERTRETERIN DER JÜDISCHEN MINDERHEIT Das folgende Lebensbild unterscheidet sich von den anderen dieses Kapitels bereits dadurch, dass Jentha Josefa Dreifußin nicht den gleichen rechtlichen Status hatte wie die Bürger- und Beamtenfrauen und als Jüdin am Rande der christlichen Mehrheitsgesellschaft stand. Trotzdem weist ihr Leben deutliche Gemeinsamkeiten mit dem der anderen Frauen auf. Der Versuch, das Leben einer jüdischen Frau im 18. Jahrhundert nachzuzeichnen, stößt allerdings aufgrund der Quellenlage auf große Schwierigkeiten. Da die innerjüdische Überlieferung verschollen ist und die amtlichen Quellen wenig dazu hergeben, ist man noch mehr auf fragmentarische Einzelbelege angewiesen als bei christlichen Frauen.239 Über die Herkunftsfamilie der Jentha Josefa Dreifußin schweigen die Quellen. Sicher ist daher nur ihr Vatersname. Ihr erster Ehemann war Moses Weil, der 1716 als einer der ersten Juden in Emmendingen in den Schutz aufgenommen wurde. Vermutlich waren die beiden zum Zeitpunkt der Schutzaufnahme bereits verheiratet. Dem Ehepaar Weil gelang es 1722 als erstem jüdischem Ehepaar, in Emmendingen ein eigenes Haus zu erwerben. Es lag direkt im Zentrum der Stadt neben der Landvogtei und kostete 210 Gulden.240 Fünf Jahre später wurde das Vermögen der Eheleute auf 300 Gulden veranschlagt.241 Vergleichswerte für die christliche Bevölkerung Emmendingens sind für diese Zeit nur vereinzelt vorhanden, da Inventare erst für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts seriell überliefert sind.242 Der Hafner Diebold Wehrlin verfügte 1708 beispielsweise nur über 100 237 StadtA Emmendingen, B V/2-67. 238 StadtA Emmendingen, B 1b/1229. 239 Claudia Ulbrich zeichnet die Lebenswelt einer jüdischen Frau im lothringischen Dorf Steinbiedersdorf nach in: Ulbrich, Shulamit und Margarete. 240 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 23.9.1723, fol. 130v–131r. 241 Zehnter, Geschichte der Juden, S. 668. 242 Kurt Heinzmann konnte für die christlichen Einwohner der Gemeinden Bahlingen, Eichstetten, Opfingen und Tiengen für das Jahr 1700 folgende Vermögensklassen ermitteln: Ort VKL 1, mehr als zwei VKL 2, ein oder zwei VKL 3, Zugtiere, oder Zugtiere, keine Zugtiere über 400 Gulden unter 400 Gulden Bahlingen 24,5 % 41,0 % 34,5 % Eichstetten 22,4 % 52,2 % 25,4 % Opfingen 17,9 % 51,2 % 31,0 % Tiengen 27,0 % 32,4 % 40,5 %
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Gulden.243 Der 1731 verstorbene Naphtali Hertzel Pickard hatte mit 700 Gulden ein deutlich höheres Vermögen, ebenso Marx Weil mit 500 Gulden,244 doch Moses Weil nahm bereits den dritten Platz in der Vermögenshierarchie der jüdischen Einwohner ein. Er gehörte zu den Käufern des Emmendinger Judenfriedhofs und liegt auch dort begraben. Seine Grabinschrift beinhaltet die Ehrentitel „Haupt“ und „Fürst“, was ihn als bedeutend für die jüdische Gemeinde ausweist.245 Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1731 führte Jentha Josepha Josepha Dreifußin dessen Geschäfte zunächst eigenständig weiter. Sie zahlte den Weidzins wie die anderen Juden246 und lebte vermutlich mit ihrem Sohn Jakob, dem einzigen sicher nachweisbaren Kind, in dem Haus bei der Landvogtei. Laut Salzumlageregister von 1732 wohnten dort zwei über zwölf Jahre alte Personen.247 Im selben Jahr heiratete Jentha Dreifußin in zweiter Ehe Nathan Sulzer aus Grussenheim,248 der mit der Eheschließung den Schutzstatus des Moses Weil übernahm249 und bis zu seiner Landesverweisung im Jahre 1750 den jährlichen Zins für die Weidenutzung entrichtete.250 Durch die Heirat mit der vermutlich älteren Jentha konnte sich Nathan Sulzer also ein Aufenthaltsrecht in der Markgrafschaft BadenDurlach sichern.251 Doch die neue Ehe brachte Jentha Josepha Dreifußin nicht die erhoffte Sicherheit, denn in der Folgezeit gerieten die Eheleute Sulzer immer tiefer in Schulden. So nahmen Jentha und ihr Mann bei dem Stabhalter Nikolaus Schmid von Köndringen 100 Gulden auf und gaben dafür als Unterpfand Jenthas Haus bei der Landvogtei „dergestalten, als wann Sie mit bezahlung zinnß und Capital auf bestimbte Zeit nicht einhalten würden, der Debitor macht und Gewalt haben solle,
243 244
245 246
247 248
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Diese Vermögensklassen können nicht uneingeschränkt auf die Amtsstadt übertragen werden, da dort die Zahl der Zugtiere nicht unbedingt etwas über das tatsächliche Vermögen aussagt. Freundliche Mitteilung, Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 27.9.1708, fol. 67r. Zehnter, Geschichte der Juden, S. 668. Die beiden unterschrieben 1727 auch die Vollmacht für David Günzburger, der sich um eine Ermäßigung der Umlage anlässlich der Hochzeit des Erbprinzen bemühte. Sie versicherten darin, die ihm anfallenden Unkosten zu übernehmen. Da die Umlage für die Juden kaum zu leisten war, veranlasste der Markgraf eine Erhebung über deren Vermögensumstände. Daher sind uns Vermögensangaben für das Jahr 1727 überliefert, die sich für das Oberamt Emmendingen auf 13.288 Gulden summierten. Davon sollten fünf Prozent abgeführt werden. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:3. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:2. Vgl. hierzu auch Günther, Emmendinger Juden I, S. 35. StadtA Emmendingen, Stadtrechnung 1732. Zur Bedeutung der Allmende für die jüdischen Bewohner und zu Konflikten um die Nutzung kommunaler Ressourcen vgl. Ullmann, Streit um die Weide. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 106. StadtA Emmendingen, B IV/3-7. Die Familie Sulzer und der eigentlich nur in dieser Familie vorkommende Vorname Nathan sind für das ganze 18. Jahrhundert im elsässischen Grussenheim belegt. Dénombrement Général des juifs, S. 94. GLA Karlsruhe, 74/3720. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1734–1750. André Holenstein verweist auf die Bedeutung des Schutzes für die Familie. Holenstein, Bitten um den Schutz.
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das Unterpfand anzugreifen und sich also bezahlt zu machen“. Jentha Dreifußin verzichtete dabei auf alle „dem weibl(ichen) Geschlecht zu statten kommende(n) Beneficium.“252 Dieser Verzicht auf die weiblichen Rechte zeigt, wie prekär die finanzielle Lage der Familie war.253 Nathan Sulzer musste die Markgrafschaft verlassen, da in den Schutzbriefen die Schutzaufkündigung für Bankrotteure explizit vorgesehen war.254 Die Schutzaufnahme ihres Sohnes Jakob aus erster Ehe gestaltete sich dementsprechend schwierig. Mehrere Male musste er „supplicando einkommen.“ Bereits 1754 bat er den Stadtrat um ein Zeugnis seines Wohlverhaltens, das seine Bitte um den Schutz untermauern sollte. Der Stadtrat gewährte ihm dieses.255 Im Jahre 1756, sechs Jahre nach dem erzwungenen Weggang seines Stiefvaters, stellte der mittlerweile verheiratete Jakob Weil ein weiteres Gesuch um Schutzannahme. „Er habe“, so Jakob Weil, „einen StiefVater gehabt, nahmens Nathan Sulzer, welcher von seiner Mutter aus Armuth weggegangen“ sei und 280 Gulden Schulden auf sein väterliches Haus aufgenommen habe. Weil führte an, dass „mein gewesener Stiefvater nicht nur ein ziemliches von meinem väterlichen Vermögen durchgebracht, sondern auch sich endlich flüchtig gemacht, und meine Mutter mir zur Erhaltung zurückgelassen“ habe. Als sein Stiefvater 1750 die Markgrafschaft verließ, stand Jakob im Elsass in Diensten. Im Anschluss daran hatte er ein Jahr lang in Karlsruhe Handel getrieben. Auf sein Gesuch von 1756 hin wurde ihm der Schutz schließlich bewilligt.256 Zwei Jahre später machte ihm die Stadt allerdings die Auflage, er solle sein Haus bei der Landvogtei wegen Sicherheitsmängeln abbrechen und im Frühjahr neu aufführen, sonst werde es zwangsweise verkauft.257 1755 hatte Jakob Weil die 1729 geborene Rosina Polackin geheiratet und eine eigene Familie gegründet. Zu diesem Zeitpunkt muss er im Haus seiner Mutter 252 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 5.3.1744 fol. 149v–150v. 1785 wurde die eheliche Gütergemeinschaft der jüdischen Familien in einem Generaldekret erneut geregelt. Maurer, Baden Nr. 2788 (26.10.1785), „die Theilnahme der Judenweiber an Gewinn und Verlust der Männer während der Ehe betreffend.“ Jentha konnte wie die anderen jüdischen Frauen auch schreiben. Vgl. zur Alphabetisierung für das Spätmittelalter: Keil, Geschäftserfolg, S. 43–47. Zum Verzicht auf die „weiblichen Rechte“, um Schaden von der Familie abzuwenden, siehe auch Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 92. 253 Vgl. Ullmann, Merle und Simon Ulman, S. 276. Zu den christlichen Einwohnern Württembergs vgl. auch Sabean, Allianzen, S. 460–479. 254 André Holenstein kann in seinem Beitrag über jüdische Suppliken beide Möglichkeiten aufzeigen. Holenstein, Bitten um den Schutz, S.134. Vgl. zur Praxis in Hochberg SchmölzHäberlein, Täufer, Juden. Ein Generalreskript wurde 1748 zur Regelung von jüdischen Konkursen erlassen. Maurer, Baden Nr. 1600 (04.03.1748), 2238 (11.11.1767). 255 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 17.6.1754, fol. 177r. 256 GLA Karlsruhe, 137/168. 257 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 5.7.1758, fol. 23v. Bereits im September 1755 hatten Jakob Weil und seine Mutter durch den Feuerbeschauer die Mahnung erhalten, in dem Haus „bey der Landvogtey solle das starcke feuren diesen Winter über aufhören, bis auf das Frühjahr das Feuerwerk durchgehend aufgeführt“ werde. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 15.12.1755, fol. 247r–247v.
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gelebt haben, die ihn, wie es üblich war, mit Erlaubnis des Markgrafen im ersten Jahr seiner Ehe unter ihrem Dach beherbergte. Jakobs Frau gebar 1756 ihr erstes von nachweislich fünf Kindern und Jentha Dreifußin dürfte deren Geburt noch erlebt haben, bevor sie im gleichen Jahr verschied und auf dem Emmendinger Friedhof begraben wurde. Ihr noch erhaltener Grabstein spricht von ihr als „geachteter Frau“, der Tochter des Moses und Ehefrau des „ehrenwerten Herrn Nathan“.258 Diese Grabinschrift zeigt, dass die Sprache derartiger Inschriften hochgradig normiert war.259 Während Jenthas erster Ehemann Moses durchaus erfolgreich gewirtschaftet hatte, brachte Nathan seine Frau in existentielle Schwierigkeiten und wurde des Landes verwiesen. Jenthas Schwiegertochter ehelichte zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1775 den 16 Jahre jüngeren Baruch Schwab und ermöglichte diesem damit die Aufnahme in den Schutz. Sie machte dabei bessere Erfahrungen als ihre Schwiegermutter.260 Mit 46 Jahren gebar sie Baruch noch eine Tochter, die mit dem aus Eichstetten stammenden und in Emmendingen in den Schutz aufgenommenen Nathan Dukas Haas eine gute Partie machte.261 Jentha Josepha Dreifußin war möglicherweise eine streitbarere Frau, denn 1731 zahlte sie eine Frevelstrafe, da sie den Sabbat gebrochen hatte.262 Ob diese Strafe in Zusammenhang mit dem lange schwelenden Konflikt der Emmendinger Juden mit ihrem geistlichen Oberhaupt, dem Rabbiner David Günzburger in Breisach, stand, kann nicht geklärt werden. Der Eintrag findet sich in einem zufällig erhaltenen Register der Frevelstrafen aus dem Jahre 1731, in dem auch viele ihrer männlichen Glaubensgenossen wegen Scheltens des Rabbiners verzeichnet wurden.263 Erst 1738 konnten diese Auseinandersetzungen zwischen den markgräflichen Juden und dem Rabbiner David Günzburger, in denen auch eine Abordnung der Emmendinger Juden, der unter anderem ihr zweiter Mann Nathan Sulzer und ihr Beistand Alexander Weil angehörten, vor dem Markgrafen in Karlsruhe Stellung bezog, beigelegt werden.264 Eine „ledige jüdische Weibsperson“ aus Emmendingen namens Sara Weil trat 1748 im Alter von 21 Jahren in Pforzheim zum evangelischen Glauben über und erhielt den Namen Christina Friederika Gottlieb. Da Hinweise auf die Eltern der Frau fehlen, konnten im Ausschlussverfahren drei Emmendinger Judenfamilien 258 259 260 261
Zu ihren Grabstein vgl. Günter, Emmendinger Juden I, S. 38. Vgl. hierzu vor allem Kap. 2 von Preuß, Krone. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795). C/IX Stadtrechnungen 17931800. GLA Karlsruhe, 74/3704. Holenstein, Bitten um den Schutz. Günther, Emmendinger Juden I, S. 61. Günther, Rabbi, S. 34. 262 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1731. 263 In diesem Jahr hatten die oberländischen Juden Günzburger auch eine Vollmacht erteilt, mit dem Markgrafen wegen der Erhöhung des Schutzgeldes zu verhandeln. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:8. 1733 erließ der Markgraf ein Dekret, dass die oberländischen Juden ihren Schultheißen und Rabbinern zu gehorchen hatten. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:10. 264 Hetzel, Anfänge, S. 43, 44. Vgl. Kapitel II.
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ermittelt werden, in die Sara Weilin hineingeboren sein könnte.265 Allen drei Familien ist gemeinsam, dass die männlichen Haushaltsvorstände noch vor Saras sechstem Geburtstag verschieden; eine davon ist die Familie der Jentha Dreifußin. Das junge Mädchen war aufgrund familiärer Umstände wohl schon früh aus dem Haus gegeben worden. Dass ihre Unterweisung vor der Taufe im Pforzheimer Waisenhaus erfolgte, lässt auf eine dortige Unterbringung nach dem Tod des Vaters schließen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass es sich bei Sara um ein illegitimes Kind handelte, das der Mutter weggenommen und in die Obhut des Staates gegeben wurde.266 Die Konversion wäre damit die konsequente Folge einer Erziehung in einem christlich geprägten Umfeld. Sara Weilin bzw. Christina Friederika Gottliebin heiratete im Januar 1750 den Pforzheimer Bürger und Rotgerbermeister Lorenz Dietrich Jayser. Dass sie in Emmendinger Quellen nicht erwähnt wird, hat wohl mit ihrem frühen Wegzug aus der Gemeinde und eventuell mit ihrer Herkunftsfamilie zu tun. Wenn Sara tatsächlich die Tochter der Dreifußin war, hätte diese binnen kurzer Zeit erleben müssen, wie ihr Kind ihrem Glauben abschwor, ihr Vermögen weitgehend verloren ging und ihr zweiter Mann des Landes verwiesen wurde. Ihr Sohn Jakob war der einzige, der ihr durch die Übernahme des väterlichen Schutzes ein Auskommen sichern konnte.
9. VERENA WEBERIN (1728 – NACH 1793), REFORMIERTE DIENSTMAGD UND HINTERSASSIN Die am 1. Januar 1728 im schweizerischen Siblingen geborene und in der reformierten Konfession getaufte Hintersassin, Magd und Tagelöhnerin Verena Weberin hinterließ für eine Vertreterin der Unterschicht eine erstaunliche Anzahl von Spuren in den archivalischen Quellen. Nur ihr Todesdatum ist unbekannt, da sie 1793 im Alter von 65 Jahren wegen „Wahnsinns“ in das Pforzheimer Tollhaus eingeliefert wurde.267 Seit ihrem 24. Lebensjahr arbeitete sie in Emmendingen als Dienstmagd, und nach dem Tod ihrer langjährigen Dienstherrin Verena Küblerin 1772 wurde sie als Hintersassin angenommen.268 Von ihr erbte Verena Weberin für „Pfleg und warttung“ und „wegen ihres guten Willens“ einen Betrag von sechs Gulden.269 Dies war kein ganz ungewöhnlicher Fall, denn 1763 erhielt Anna Maria Wöhringerin von ihrem Dienstherrn Johann Georg Knoderer schriftlich zugesichert, dass sie 50 Gulden erhalten sollte, wenn sie ihm bis zu seinem Tod treu diente.270 Verena Küblerin, die 1698 ebenfalls in Siblingen geboren wurde und in erster Ehe mit dem aus dem selben Ort stammenden Steinhauer, Maurer und Ziegler Wilhelm Walter verheiratet war, war wohl als junge Ehefrau nach Em265 Juden in Karlsruhe, S. 375. Die Taufe wurde am 1.12.1748 vollzogen. 266 Ulbrich merkt an, dass uneheliche jüdische Kinder in Frankreich ihren Müttern weggenommen und zwangsgetauft wurden. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 247. 267 StadtA Emmendingen, B 1b/1405. 268 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 9.4.1772, fol. 229v. 269 StadtA Emmendingen, B 1b/1199. 270 StadtA Emmendingen, B 1b/687.
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mendingen gekommen. Ihr Mann ist seit 1729 in den städtischen Rechnungen nachweisbar und wurde 1737 in das Bürgerrecht aufgenommen. Nach dem Tod des Zieglers Nagel kauften die Eheleute die Ziegelei für 925 Gulden von dessen Erben.271 Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1743 verkauften die Witwe und ihre beiden Schwäger in Landeck die Ziegelei für 1685 Gulden an den Ziegler Paul Kiefer.272 Das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder, und auch aus der zweiten Ehe, die Verena Küblerin 1744 mit dem verwitweten Ratsverwandten und Küferzunftmeister Johann Joseph Schöchlin schloss, gingen keine Kinder hervor. Schöchlins erste Frau war bei der Geburt des neunten Kindes, das noch am Tage der Geburt verstarb, im Kindbett gestorben.273 Es steht also zu vermuten, dass Verena Küblerin mit Verena Weberin eine entfernte Verwandte aus ihrem Heimatort nach Emmendingen kommen ließ. Ob sie wie ihre Magd ebenfalls der reformierten Religion angehörte, ist nicht mehr zu klären. Verena Weberin besuchte jedenfalls regelmäßig die lutherische Kirche und den Katechismusunterricht, konvertierte jedoch nicht offiziell.274 Als ihre Dienstherrin zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes selbst verschied, schuldete sie Verena Weberin noch 24 Gulden Lohn.275 Da die Arbeit im Haushalt nicht mehr zur Existenzsicherung ausreichte, arbeitete Verena mit Erlaubnis ihrer neuen Dienstherrin auch im Taglohn.276 Seit 1772 wohnte sie im Haus des Schneiders Georg Heinrich Bickel, wofür sie fünf Gulden Miete zahlte. Bickel hatte 1793 bei ihr ein Kapital von 78 Gulden aufgenommen.277 Bereits während ihrer Zeit als Dienstmagd verlieh Verena Weberin Geld an Bürger und Bürgerinnen der Stadt. Da es sich in der Regel um kleinere Beträge handelte, waren diese nicht grundpfandlich abgesichert, und man erhält nur durch die systematische Auswertung der Inventare einen kleinen Einblick in ihre Kreditgeschäfte. Die seit 1752 verwitwete Hafnermeisterin Katharina Barbara Wagnerin hatte 10 Gulden bei ihr aufgenommen, die bei ihrem Tod im Jahre 1771 inklusive der Zinsen von 30 Kreuzern zurückgezahlt wurden.278 Der Skribent Johann Georg Meyer schuldete ihr bei seinem Tod 1774 drei Gulden,279 und Maria Katharina Wagnerin war ihr 1778 die Summe von 10 Gulden und 30 Kreuzer Zins schuldig.280 Bei seinem Tod 1783 hatte der Schreiner Friedrich Gmelin noch Darlehensschulden von 48 Gulden,281 und Anna Maria Enderlinin, die Ehefrau des Rotgerbers Martin Kohlschein, hatte ihr 1783 noch vier Gulden Taglohn zu zah-
271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281
StadtA Emmendingen, B 1b/1401. StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 28.1.1744, fol. 176r–176v. StadtA Emmendingen, Genealogie. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 9.4.1772, fol. 229v. StadtA Emmendingen, B 1b/1201. StadtA Emmendingen, B 1b/1199. StadtA Emmendingen, B 1b/1405. StadtA Emmendingen, B 1b/1341. StadtA Emmendingen, B 1b/862. StadtA Emmendingen, B 1b/1189. StadtA Emmendingen, B 1b/444.
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len.282 Der Schuhmacher und Bettelvogt Jeremias Schillinger hatte 1784 25 Gulden bei ihr aufgenommen.283 Bei der Abfassung ihres Vermögensinventars im Jahre 1793 schuldeten ihr die Stadt Emmendingen 45 Kreuzer ausstehenden Lohn für zweieinhalb Tage Arbeit,284 der Wagner Jakob Friedrich Bittmann 54 Kreuzer, der Bäcker Johann Georg Stierlin einen Gulden, der Küfer Christian Dölter drei Gulden und der Zimmermann Adam Retscher denselben Betrag. Der Küfer Wilhelm Schöchlin, Sohn ihres verstorbenen Dienstherrn, hatte 25 Gulden von ihr geliehen. Ihr Bruder Johann Jakob Weber in Siblingen schuldete ihr 100 Gulden zu fünf Prozent. Der einzige Passivposten war der Lohn für die Magd Anna Maria Wiedingerin, die ihr aufwartete, bis sie ins „Tollhaus“ eingeliefert wurde, und dafür sechs Gulden 30 Kreuzer zu fordern hatte.285 Persönliche Habe hatte Verena Weber nicht viel. In ihrem Kleiderschrank befand sich die einfache Kleidung einer Magd und Tagelöhnerin: sieben Hemden, drei Röcke, zwei Wamse, drei so genannte „Fürtücher“, zwei Schürzen und Strümpfe. Als einzigen Luxus besaß sie ein Paar schwarze Pelzhandschuhe im Wert von 20 Kreuzern. Im Gegensatz zu den anderen Frauen hatte Verena Weberin keine Haube im Schrank, denn dieses Kleidungsstück unterschied die verheiratete Frau von der unverheirateten, die ihr Haar unbedeckt trug.286 Vielleicht sind die beiden Bücher, die sie besaß, ein Hinweis, dass sie doch nicht so im lutherischen Glauben heimisch geworden war, wie es ihr regelmäßiger Gottesdienstbesuch vermuten ließ. Sie nannte ein reformiertes Gesangbuch im Wert von 6 Kreuzern und eine katholische Bibel im Wert von 30 Kreuzern ihr Eigen. Neben dem üblichen Geschirr besaß sie eine Kaffeemühle. An Bargeld hatte sie 45 Gulden und 30 Kreuzer bei sich zu Hause. Ihr gesamtes Vermögen wurde auf 353 Gulden und 23 Kreuzer veranschlagt. Da es ihr nicht gelang, während ihres langen Aufenthalts in Emmendingen familiäre Kontakte zu den etablierten Familien herzustellen, hinterließ sie über die Zeit ihrer Anwesenheit hinaus keine Spuren in der Stadt.
10. CORNELIA GOETHE (1750–1777) – EINE EMMENDINGERIN? Cornelia Schlosserin, geborene Goethe, die erste Ehefrau des zwischen 1774 und 1787 in Emmendingen wirkenden Oberamtmanns Johann Georg Schlosser und zweifellos die berühmteste Frau der frühen Neuzeit, die in der Amtsstadt lebte, passt nicht recht in das Bild der hier vorgestellten Emmendingerinnen. Ihr Aufenthalt hat ausschließlich in literarischen Quellen seinen Niederschlag gefunden. Sie hat weder im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Stadt eine Rolle gespielt, noch entsprach sie dem Bild einer typischen Beamtengattin. Außer ihrem 282 283 284 285 286
StadtA Emmendingen, B 1b/1201. StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 2.1.1784, fol. 123v–124v. StadtA Emmendingen, B 1b/1405. C/IX Stadtrechnung 1793. StadtA Emmendingen, B 1b/1405. Göttsch, Kleider in Ehren, S. 210–211.
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Todeseintrag drei Wochen nach der Geburt der zweiten Tochter und den beiden Geburtseinträgen in den Kirchenbüchern ist die Schlosserin in keiner zeitgenössischen Emmendinger Quelle zu finden. Cornelia Goethe beklagte sich in ihren Briefen an Freunde und Bekannte bitter über ihr Leben in der kleinen Amtsstadt: sie befinde sich, schrieb sie, hier ganz allein in einer Einöde, in der „auf 30 – 40 Meilen kein Mensch zu finden“ sei.287 Mit ihren harten Urteilen über Emmendingen wurde die gebildete Frankfurter Bürgerstochter, die in der Provinz – und wohl auch in ihrer Ehe – unglücklich war, jedoch den anderen Frauen in der Kleinstadt nicht gerecht, im Gegensatz zu ihrer „Ehenachfahrin“ Johanna Falmerin. Während seiner Ehe mit Cornelia entwickelte auch ihr Ehemann keine nähere Beziehung zur Emmendinger Bevölkerung. Schlosser schilderte 1776 in einem Brief sein Verhältnis zu den Einwohnern folgendermaßen: „Ich habe da anderthalb Hundert Bürger um mich, deren Wohlfart ich besorgen soll, und die doch selten selbst wissen, was ihre Wohlfart ist – doch wer weis es? Wahrlich (…), es ist sehr schwehr, es ist fast unmöglich in der Welt Leute glücklich zu machen, die so in tausend und tausend Verhältnisse verwickelt sind, so in und ausser sich zu kämpfen haben, daß sie alle 2 Schritte anstoßen. Auch ist wirklich das Gebäude von menschlicher Mühseeligkeit so zusammengesetzt, daß an dieser dädalistischen Maschine alle Augenblicke etwas fehlen muß.“288 Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahre 1777 lernte Johann Georg Schlosser mehr über die „tausend Verhältnisse“ der Bewohner Emmendingens, denn seit seiner zweiten Eheschließung mit der Frankfurterin Johanna Falmerin, die noch im gleichen Jahr stattfand, wurde er auch geschäftlich in der Stadt aktiv. Schlosser und seine Frau legten nun ein Verhaltensmuster an den Tag, welches für die Beamten dieser Zeit typisch war. Sie kauften ein Haus, investierten in Grundstücke und vergaben Kredite. Noch im Jahre 1777 lieh Oberamtmann Schlosser der Gemeinde Niederemmendingen 200 Gulden zum Bau eines neuen Schulhauses,289 die ein Jahr später wieder abgelöst wurden.290 Im November 1778 investierte das Ehepaar Schlosser 6500 Gulden in den Kauf der Landvogtei291 und baute das Haus für seine Bedürfnisse um. 1784 kaufte Schlosser von der Witwe des Pfarrers Feigler aus der Erbmasse des Handelsmanns Johann Melchior Ott zwei Häuser am Marktplatz und etwas über vier Mannshauet Garten vor dem Hochberger Tor für 8100 Gulden.292 Auch Äcker wurden zugekauft: 1779 eineinhalb Juchert Acker für 80 Gulden von dem Dinglinger Bürger Martin Kromer und seiner Frau.293 1781 erwarben die Eheleute Schlosser von der Stadt Emmendingen zwei Juchert zwei Drittel Manns287 Vgl. z.B. Schupp, Schlosser, S. 114–137, Zitat S. 120. 288 Johann Georg Schlosser an Jakob Michael Reinhold Lenz, Emmendingen, 13.1.1776, in: Stöber, Johann Gottfried Röderer, S. 164. Vgl. hierzu auch Günther, Lenz, S. 9–31. Zum Selbstverständnis der Amtsträger vgl. Brakensiek, Lokale Amtsträger, S. 61–62. 289 StadtA Emmendingen, C/IX Gemeinderechnung Niederemmendingen 1777. 290 StadtA Emmendingen, C/IX Gemeinderechnung Niederemmendingen 1778–1779. 291 Hetzel, Schlosser, S. 109. 292 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 27.1.1784 (1783 sic!), fol. 234r–236r. Auch Hetzel, Schlosser, S. 109. 293 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775, 21.1.1779.
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hauet Matten an der Bretten hinter der Landvogtei für 916 Gulden, welche sie zu einem Garten mit Sommerhäuschen umgestalteten.294 1786 pachtete Schlosser die Bretten und das Weiberbächlein von der Stadt, um sich deren Fischreichtum zunutze zu machen.295 Außerdem hatte er Wiesen von Emmendinger Bürgern gepachtet, beispielsweise 1782 vom Altbürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann, dem er einen Zins von 198 Gulden schuldete.296 Haus und Garten wurden bei Schlossers Wegzug 1787 an den Handelsmann Johann Jakob Hertner verkauft.297 Mit Christine Elisabeth Ostermannin begleitete das Ehepaar eine konvertierte Emmendinger Jüdin als Dienstbotin nach Karlsruhe.298 Auch nach dem Wegzug der Schlossers blieben ihre geschäftlichen und privaten Beziehungen nach Emmendingen bestehen. Der Schuhmacher Johann Jakob Schöchlin erhielt 1791 von Hofrat Schlosser ein Darlehen über 100 Gulden, das er 1796 tilgte.299 Der Metzger Johann Michael Krayer nahm 1792 800 Gulden bei Schlosser auf.300 Der Rotgerber Johann Gottlieb Hetzel lieh sich 1793 von Hofrat Schlosser in Karlsruhe einen Betrag von 1000 Gulden.301 Der Sattler Johannes Grün hatte 1794 ein Darlehen von 500 Gulden bei Schlosser aufgenommen,302 das 1796 auf 507 Gulden aufgelaufen war.303 Während Schlosser dem Metzger Karl Friedrich Göring 1799 1000 Gulden lieh,304 hatte Johanna Falmerin dem Küfer Johann Georg Danzeisen 4000 Gulden zu viereinhalb Prozent Zins vorgeschossen.305 Peter Florenz Mettenius, der Frankfurter Kaufmann, der 1784 bei Georg Eduard Schlosser Pate stand, war mit einer Emmendinger Bürgerstochter und Enkeltochter Johann Melchior Otts verheiratet.306
294 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 4.2.1781, fol. 149r– 150r. Zur Bedeutung der Gärten für das Bürgertum des 18. Jahrhunderts siehe North, Genuss und Glück, S. 101–115. Friedhoff, »Magnificence« und »Utilité«, S. 747–751. 295 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1786. 296 StadtA Emmendingen, B 1b/1535. 297 StadtA Emmendingen, C/V/2 (Kauf-, Tauschprotokolle 1787–1798), 24.7.1787, fol. 9r–12v. C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 3.5.1787, fol. 209r. 298 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 9.3.1789, fol. 259r–260r, B 1b/942. Zur Geschichte der Elisabeth Ostermann vgl. Schmölz-Häberlein, Integration und Ausgrenzung, S. 396f. Hier wird ausführlich auf die Lebensgeschichte dieser zum Christentum konvertierten jüdischen Familie eingegangen. 299 StadtA Emmendingen, B 1b/1204. Obligation enthalten. 300 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 6.8.1791, fol. 58v–61r. 301 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 12.7.1793, fol. 95v–97v. 302 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 5.11.1794, fol. 132r–134r. 303 StadtA Emmendingen, B 1b/209. 304 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 26.1.1799, fol. 214v–215r. 305 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 26.1.1799, fol. 213r–214r. 306 Müller, Erinnerungen, S. 108.
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11. KLEINSTADTGESCHICHTE IM SPIEGEL VON FRAUENBIOGRAPHIEN Das Schreiben von Biographien Emmendinger Frauen des 18. Jahrhunderts stößt angesichts der ungleichmäßigen Quellenüberlieferung an Grenzen. In der Regel liegen zu vermögenden Frauen mehr Quellenbelege vor als zu ärmeren, zu Bürger- und Beamtengattinnen mehr als zu Hintersassinnen und Dienstmägden, zu christlichen Frauen mehr als zu jüdischen. Dennoch demonstrieren die Biographien der Jentha Josepha Dreifußin und der Verena Weberin, dass auch über das Leben von Vertreterinnen religiöser Minderheiten und gesellschaftlicher Unterschichten auf der Basis serieller Quellen Aussagen möglich sind. Betrachtet man die Lebensläufe der hier vorgestellten Frauen zusammenfassend, zeigt sich, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Rollenanforderungen ihr Leben selbst mitgestalteten. Neben der Erziehung und Ausbildung der Kinder, der Versorgung von alten oder mittellosen Verwandten und der Sorge um die eigene Nachkommen sowie eventuelle Stiefkinder trugen sie ihren Teil zum Familieneinkommen bei. Alle hier vorgestellten Frauen konnten ihren eigenen Namen schreiben und hatten die Schule besucht. Sie kauften und tauschten Grundstücke, vergaben Kredite und nahmen Darlehen auf, forderten ihre Rechte vor Gericht ein und waren für Lehrlinge, Gesellen, Knechte und Mägde mitverantwortlich. Die Ehen, die diese Frauen mit Ausnahme von Verena Weberin eingingen, erscheinen in den Quellen primär als Wirtschafts- und Erwerbsgemeinschaften.307 Nach dem Tod ihrer Ehemänner nahmen diese Frauen die Rechte, die Witwen in der Fortführung des Haushalts, des Betriebs und der Güterverwaltung zukamen, aktiv wahr. Darüber hinaus demonstrieren mehrere hier rekonstruierte Biographien, dass die Grenzen zwischen der Pfarrer- und Beamtenschaft einerseits, dem kleinstädtischen Bürgertum andererseits fließend waren. Während die Forschung in der Regel davon ausgeht, dass die frühneuzeitliche Beamtenschaft aufgrund ihrer Stellung, Herkunft, Bildung und familiären Verflechtung ein weitgehend homogenes Milieu bildete,308 demonstrieren die Emmendinger Beispiele, dass zwischen Beamten, Pfarrern, Kaufleuten und Gewerbetreibenden vielfältige familiäre, geschäftliche und soziale Beziehungen bestanden. Vor allem nachgeborene Söhne von Pfarrern und Beamten erlernten häufig ein Handwerk, weil es sich ihre Eltern gar nicht leisten konnten, sämtlichen Kindern eine kostspielige akademische Bildung zu eröffnen.
307 Zum Ehepaar als Arbeispaar vgl. Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 31, 37. Ingendahl, Witwen, S. 45. 308 Vgl. besonders Brakensiek, Fürstendiener.
eine wirklich gute Wirthinn und jedem Mann unstreitig eine vortreffliche Frau (Nutzbares galantes Frauenzimmerlexicon 17731)
IV. EHE, HAUSHALT UND FAMILIE 1. NORMATIVE GRUNDLAGEN „Was bringen sie zusammen Was geben ihnen ihre Väter Ob und wie sie sich und ihre Kinder erhalten, und Darf man Hoffnung haben, dass das neue Paar brave Bürger und Unterthanen gibt?“2
Diese für eine bürgerliche Eheschließung zentralen Fragen warfen im Jahre 1785 der Emmendinger Bäckermeister Johann Georg Poppelin und der Mundinger Metzgermeister Jakob Breithaupt auf, als sie gemeinsam an den Rat der Stadt supplizierten, um die Bürgeraufnahme von Breithaupts Sohn zu erreichen und damit die Basis für eine Eheschließung mit Poppelins Tochter zu legen. Die Stadt lehnte das Gesuch ab. Die Supplik zeigt, dass die Antragsteller grundlegende Normen der frühneuzeitlichen Gesellschaft verinnerlicht hatten und in ihrem Sinne zu instrumentalisieren versuchten. Im Vordergrund standen Fragen nach der auskömmlichen Nahrung des prospektiven Ehepaars und ihrem Beitrag zum gemeinen Nutzen der Stadt.3 Von zentraler Bedeutung waren dabei das Vermögen, die Mitgift der Eltern, die Fähigkeit zur Erziehung der zukünftigen Kinder und schließlich die Rolle als Bürger- und Meisterpaar in Stadt und Territorialstaat. Warum aber lehnte die Stadt diese Bürgeraufnahme ab, obwohl offensichtlich alles für die Brautleute sprach und sich ihre Väter für diese verbürgten? Hatte die Stadt neben dem Einwand der Metzgerzunft, dass Emmendingen bereits mit Fleischern „übersetzt“ sei, weitere Gesichtspunkte bei ihrer Ablehnung berücksichtigt? Welche Gründe sprachen aus der Perspektive des „gemeinen Nutzens“4 gegen die Annahme, obwohl der Leumund des Bräutigams gut war und er ein nicht unbedeutendes Vermögen mitbringen sollte? Offiziell wurde angeführt, dass das Metzgerhandwerk ihn und seine zukünftige Familie in einer Stadt mit lediglich 200 Haushalten nicht ernähren könne. Außerdem seien noch sechs Bürgersöhne als Metzgergesellen auf Wanderschaft, und diese hätten auf jeden Fall Anspruch
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Zitiert nach Cöppicus-Wex, Verlust der Alternative, S. 276. Supplik des Bäckers Johann Georg Poppelin von Emmendingen und des Jakob Breithaupt von Mundingen bezüglich der Heirat ihrer Kinder, Emmendingen 17.2.1785. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), Anlagen. Vgl. hierzu Blickle, Nahrung und Eigentum. Schulze, Gemeinnutz. Vgl. hierzu Blickle, Nahrung und Eigentum, S. 73–93.
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auf Bürgeraufnahme.5 Maßgeblich für die Ablehnung waren wohl Leumund und Charakter der Braut, denn dies war schon das zweite Eheprojekt der Katharina Elisabeth Poppelinin, das trotz umfangreicher Bemühungen scheiterte.6 Nur drei Monate nach dem ablehnenden Bescheid heiratete die junge Frau einen Emmendinger Bürgersohn von zweifelhaftem Ruf, einen Sohn der Wilhelmina Patientia Männerin.7 Diesem konnte als Bürgerssohn die Aufnahme nicht verwehrt werden, und eine Eheschließung mit der Poppelinin brachte gleich zwei Emmendinger, über die in der Stadt geredet wurde, unter die Haube. Eine Eheschließung markierte in der frühmodernen Gesellschaft den Eintritt in die Welt der Erwachsenen. Lyndal Ropers Analyse von Heiraten in der frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft hebt besonders drei Aspekte hervor: den Transfer von Eigentum, die rituelle Artikulation sozialer Unterschiede und die Allianz zweier Familiensysteme.8 Wichtigste Voraussetzungen für die Gründung einer Familie und die damit verbundene selbständige Niederlassung waren die Genehmigung der Ehe durch die Obrigkeit, die Aufnahme der Eheleute in das städtische Bürgerrecht sowie der Eintritt des Mannes in eine Handwerkszunft. Die jungen Frauen verließen zu diesem Zeitpunkt meist den elterlichen Haushalt oder den Gesindedienst und waren künftig für die Führung des eigenen Haushalts zuständig. Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die Bürgerschaft waren der Leumund des Paares, das Vermögen und die ökonomische Leistungsfähigkeit. Neben dem im Gesindedienst gesparten Geld und dem erlernten Beruf des Mannes war in diesem Kontext der Vermögenstransfer der Eltern auf die erwachsenen Kinder, die Mitgift, für die Gründung des Hausstandes von besonderer Bedeutung.9 Gleichzeitig brachte die Mitgift aber auch eine Verpflichtung gegenüber der Elterngeneration mit sich. Ferner wurde von den jungen Eheleuten die baldige Zeugung von Nachkommen erwartet. Kinder ermöglichten den Transfer des Besitzes in die nächste Generation und boten im Alter im Idealfall Sicherheit und Schutz vor Armut. Eltern verbanden mit der Eheschließung der Nachkommen die Hoffnung, im Alter bei diesen ein Auskommen zu finden und gleichzeitig die Zukunft der Familie zu sichern. Diese Erwartungen und Traditionen wurden in der oben erwähnten Supplik von Poppelin und Breithaupt aufgegriffen. Eheverträge, die für Emmendingen in großer Zahl überliefert sind, legten neben der ökonomischen Ausstattung des jungen Paares besonderen Wert auf die Versorgung des zu erwartenden Nachwuchses und regelten die Verwaltung und 5 6 7
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StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 3.3.1785, fol. 94v–96r. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 2.1.1783, fol. 1v. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785. Genealogie Emmendingen. Zur Geschichte ihrer Familie vgl. Kapitel VIII. Auch ihre Schwester scheiterte mit ihren ersten beiden Ehegesuchen. Vgl. hierzu auch die Biographie von Wilhelmina Patientia Männerin in Kapitel III.4. Roper, Going to Church, besonders S. 71–72, 81–93. Für Württemberg sind die Untersuchungen zu Neckarhausen und Laichingen hervorzuheben. Vgl. Sabean, Property, Production. Medick, Weben und Überleben. Zur Bedeutung der Eheschließung vgl. allgemein Dülmen, Fest der Liebe, S. 67–79, Wunder, Er ist die Sonn’, S. 80–86. Hull, Sexuality, S. 77, 90. Vgl. hierzu auch Ingendahl, Witwen, S. 45.
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Vererbung des Besitzes im Falle des Todes eines der Ehegatten.10 Das baden-durlachische Landrecht legte fest, dass die Eheabsprachen in Gegenwart von „wenigst fünff der nechstgesipten Freunden/ oder anderer erbarer glaubwürdigen Personen“ erfolgen sollten und anschließend im Amts- oder Gerichtsbuch offiziell beglaubigt werden beziehungsweise ein Heiratsbrief ausgestellt werden musste.11 Außerdem wurde vom Stadtschreiber ein so genanntes Zubringensinventar erstellt, das den Besitz der Ehepartner getrennt aufführte, um im Falle von Vermögensuntersuchungen, Todesfällen und Erbteilungen verlässliche Informationen über das Vermögen zu Beginn der Ehe zu haben. Die Obrigkeit nahm auch sonst in vielfältiger Form auf Eheschließungen Einfluss.12 So hatten Hochzeiten in der Regel an einem Montag oder nach 1704 an einem Dienstag stattzufinden,13 und nicht mehr als 40 Personen sollten daran teilnehmen.14 Das Heiratsalter der Männer wurde in den 1730er Jahren auf 25 Jahre, dasjenige der Frauen auf 18 Jahre angehoben. Diese Regelung, die insbesondere für junge Männer eine längere Wartezeit bis zum Beginn der legitimen sexuellen Aktivität bedeutete, führte offensichtlich zu einem Anstieg vorehelicher Sexualität und einer höheren Zahl unehelicher Geburten.15 War die Braut schwanger, wurde ihr das Tragen des Brautkranzes verboten.16 War einer der Ehegatten bereits verwitwet, hatte die Feierlichkeit normalerweise ohne Tanz stattzufinden. Auch die Wartezeit bis zur erneuten Vermählung war in den Landesordnungen geregelt. So hatten Witwen, die schwanger waren, bis zur Geburt des Kindes zu warten. Generell legte man einen Zeitraum von sechs Monaten fest, in dem die überlebenden Partner „die Todten und Abgestorbenen“ ehrlich betrauern und dadurch ihre „ehelich Lieb und Treu“ bezeugen sollten. Während bei Frauen die sechsmonatige Witwenschaft als Norm angesehen wurde, konnten Männer um die Erlaubnis zu einer früheren Heirat nachsuchen, wenn sie glaubhaft machen konnten, dass eine
10 Rechtsgeschichtlich werden Heiratsverträge häufig als gemeines Witwen-/Witwermedium betrachtet. Ingendahl, Witwen, S. 72. 11 Landrecht 1710 Vierter Teil, Titel 24. Zu Eheverträgen allgemein vgl. Werkstetter, Witwen, S. 86. 12 Zur Entwicklung des badischen Eherechts im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Wüstenberg, Evangelisches Eheschließungsrecht, S. 34–36. 13 Landrecht 1715 Erster Teil, Titel 7 § 9. Die Verlegung auf den Dienstag erfolgte aus dem Grund, dass die Sonntagsruhe nicht mehr durch Vorbereitungen gestört werden sollte. OFB Eichstetten, S. 819–820. 14 Landrecht 1715 Erster Teil, Titel 7, § 1. 15 Vgl. hierzu besonders die Studie von Wolfgang Weber zu den Nachbargemeinden Emmendingens. Weber, Bevölkerungsgeschichte, S. 236–260. OFB Eichstetten, S. 822. OFB Opfingen, S. 17. Im lothringischen Steinbiedersdorf galt vorehelicher Geschlechtsverkehr als Eheanbahnung und -versprechen. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 86. Zur normativen Regelung der Eheschließung vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 179–180, 289 mit Hinweisen auf die einschlägigen Policeyordnungen. 16 1714 wurde eine neue Verordnung bezüglich der Gebühren für schwangere Bräute und der Brautgewänder herausgegeben, die jedoch keine weite Verbreitung fand. Vgl. Hull, Sexuality, S. 97.
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Frau zur Führung ihres Hausstandes unabdingbar wäre.17 Hinzu kam, dass auch die Rechte des Nachwuchses aus der vorangegangenen Beziehung gewahrt werden mussten. Auch für die so genannten Einkindschaften – Kinder, die bei der Wiederverheiratung in die neue Ehe mitgenommen wurden –, gab es gesetzliche Bestimmungen. Die Kinder erster Ehe mussten mit denjenigen aus zweiter Ehe rechtlich gleichgestellt werden, und keinem der Kinder durfte ein Nachteil an seinem Erbe entstehen.18
2. EHEANBAHNUNG, SEXUALITÄT UND ILLEGITIMITÄT Hinweise auf Eheanbahnungen, die nicht zu einer Heirat führten, geben einzelne Verhandlungen vor dem Ehegericht in der badischen Residenzstadt Karlsruhe. Um in seiner Heimatstadt eine gute Partie zu machen, löste der Emmendinger Bürgersohn und Küfer Georg Friedrich Schöchlin um die Mitte des 18. Jahrhunderts seine Verlobung mit der Pforzheimerin Ottilia Sachsin und reiste deswegen zweimal nach Karlsruhe. Neben 40 Gulden Entschädigung für die Sachsin kostete ihn dies weitere neun Gulden an Reisekosten und vier Gulden 30 Kreuzer an Strafgebühren.19 Die Beweggründe für die Annullierung des Eheversprechens waren wohl ausschließlich finanzieller Natur, denn eine emotionale Beziehung Schöchlins zu der 19 Jahre älteren Emmendinger Witwe Eva Erlerin ist aufgrund der wiederholten Ehestreitigkeiten, die in den Quellen dokumentiert sind, wohl auszuschließen.20 Der Seilergeselle Johann Gottlieb Eccard musste sich ebenfalls vor dem Karlsruher Ehegericht verantworten. Während seiner Gesellenzeit in Basel, die er im Haus des Seilermeisters Herzog verbrachte, hatte er sich nach Aussage der Dienstmagd Elisabeth Fischerin in der Adventszeit 1779 mit ihr „fleischlich vermischt“ und war demnach der Vater ihres in Durlach zur Welt gekommenen unehelichen Kindes. Wegen der Eheverspruchs- und Vaterschaftsklage der aus Lahr gebürtigen Elisabeth Fischerin wurde Johann Gottlieb Eccard von seinem Vater von der Wanderschaft nach Hause gerufen. Der Fall war offenbar bereits vor dem Basler Ehegericht verhandelt worden, anscheinend mit einem unbefriedigenden Ausgang für die Frau. Eccard rechtfertigte sich damit, dass er „auf eine unglückli17 Landrecht 1710, Dritter Teil, Titel 14, „Wie bald ein Ehegemächt nach des anderen tödtlichen Ableiben, sich wiederum verheuraten möge“. 18 Landrecht 1710 Vierter Teil, Titel 27. Sie sollten „in Erblicher Gerechtigkeit gleiche Kind seyn (…)/ als wären sie alle von ihrer beeder Leiben geboren“. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 181. Maurer, Baden Nr. 908 (12.03.1720), 980 (18.03.1722), 1565 (15.10.1746). 19 StadtA Emmendingen, B 1b/1192, 1194. Genealogie Emmendingen. Es handelt sich hier um Ausgaben, die in Zusammenhang mit dem Ehegerichtsurteil vom 7.12.1753 anfielen und die im Zubringensinventar der Eheleute akribisch verzeichnet wurden. Zur Auflösung von Eheversprechen vgl. auch Burghartz, Zeiten der Reinheit, S. 151–177. 20 Vgl. hierzu Kapitel VI und VIII. Zur moralischen Verurteilung durch die Gesellschaft bei Eheschließung eines jungen Mannes mit einer deutlich älteren Frau, vgl. Moser-Rath, Kirchevolk, S. 123.
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che Art für ihn daselbst bekandtschaft mit ihr gehabt, eine zeitlang mit ihr in einem Haus gelebt“ habe, und sagte aus, dass er die „Fischerin nicht unzüchtig beschlafen und geschwängert, noch viel weniger ihr die Ehe versprochen“ habe. In seiner Verteidigung zog er ihre weibliche Ehre in Zweifel, denn „sie seye eine bekandte freche dirnen, (...) und in Basel habe sie hauptsächlich so wie in ihrer heurath einen schlechten Lebenswandel geführt.“21 Worauf Eccard mit dieser Bezugnahme auf eine angebliche Ehe anspielte, ob es sich bei Elisabeth Fischerin also um eine geschiedene oder verwitwete Frau handelte, ist nicht zu klären. Die Frau hatte wohl das Haus ihres Basler Meisters verlassen und war, nachdem sie schwanger geworden war, zurück in ihre Heimatstadt gegangen, wo sie ihr Kind zur Welt brachte und das für Eccard zuständige Karlsruher Ehegericht anrief. Inwieweit die Klage auf Einlösung des Eheversprechens und die Anerkennung der Vaterschaft berechtigt und die Verteidigung des Mannes wahr oder nur strategisch geschickt war, kann hier nicht abschließend geklärt werden. Klar erkennbar sind jedoch Argumentationsmuster, die für derartige Fälle typisch sind. Nach Aussage der Frau hatte der Mann ihr die Ehe versprochen, worauf sie ihm den Beischlaf gestattete – ein fragiles Bündnis, das ein nicht einklagbares Versprechen mit einer konkreten Handlung verknüpfte. Die Frau wurde schwanger und der Mann fühlte sich nicht mehr an das Versprechen gebunden. Eine Eheschließung mit dem Seilergesellen und Bürgermeistersohn hätte Elisabeth Fischerin eine angesehene Stellung in der Emmendinger Gesellschaft ermöglicht. Während die Frau mit dieser Logik ihre Ehre verteidigte, beharrte Eccard darauf, nie mit ihr geschlafen zu haben, und unterstellte ihr einen unehrenhaften Lebenswandel. Seinen Aussagen wurde jedoch nicht uneingeschränkt geglaubt, denn obwohl er die Frau angeblich „nicht unzüchtig beschlafen und geschwängert“ hatte, bezahlte er ein Jahr später die Unzuchtsstrafe von acht Gulden.22 Eine Ehe mit Elisabeth Fischerin kam nicht zustande. Eccard heiratete erst 1784 und ließ sich dann in Emmendingen nieder.23 Auch wenn es nicht zu Klagen vor dem Ehegericht kam, finden sich Hinweise auf Eheanbahnungen vor allem im Fall von Normverstößen. Im Jahre 1777 verbrachte der Schneidergeselle Michael Bannwart an einem Sonntag nach Einbruch der Dunkelheit eine halbe Stunde in der Schlafkammer der 25 Jahre alten Eisenlohrschen Dienstmagd Sybilla Greinerin, wo diese im Bett lag, „er aber nur davor gestanden“ und „nichts unzüchtiges unternommen“ habe. Obwohl Michael Bannwart und Sybilla Greinerin übereinstimmende Aussagen zu dem Vorfall vor dem Oberamt machten, glaubte man ihnen nicht und unterstellte ihnen, „Unzucht miteinander gehalten“ zu haben.24 Auch Katharina Schmidin zahlte ein Jahr später
21 GLA Karlsruhe, 61/6745, 12.9.1782 Nr. 716. Vgl. Labouvie, Andere Umstände, S. 58. 22 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1783. 23 Vgl. zu Eheversprechen und ihrer Einklagung und Auflösung vor Gericht ausführlich Burghartz, Zeiten der Reinheit, S. 151–177. Im vorliegenden Fall war auch noch ein Kind zu alimentieren, daher wurde besonders genau nachgeforscht. Hull, Sexualstrafrecht, S. 231. 24 GLA Karlsruhe, 61/6728, 13.8.1777. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Gleixner, „Das Mensch“, S. 196, 203–204.
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wegen „verdächtigem Zuwandeln“ eine Strafgebühr.25 Wie Susanna Burghartz feststellt, handelte es sich bei dem Besuch in der Schlafkammer einer jungen Frau um ein Eheanbahnungsritual, das den jungen Leuten die Möglichkeit gab, unter Ausschluss der kommunalen Öffentlichkeit ihre Zukunft zu besprechen. Während sich dieser Brauch in der Praxis über Jahrhunderte hielt, änderte sich die Einstellung der Obrigkeit dazu. Aus einer legitimen Art des Werbens und einer ritualisierten Form der Sexualität wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts ein zu bestrafendes Delikt – die Unzucht.26 Die Strafen wurden in der Markgrafschaft Baden in den 1770er Jahren deutlich verschärft. Bannwart und die Greinerin wurden für ihr Vergehen acht Tage in den Turm gesperrt.27 Als der in Niederemmendingen geborene Johann Georg Schuh, der als Schweinehirt in Wasser arbeitete, nach seiner Eheschließung mit Anna Maria Bertschin 1746 die Strafe von 16 Gulden wegen zu frühem Beischlaf erlegte, wurde in den Stadtrechnungen vermerkt, dass „solcher Beyschlaff in hiesiger Stadt in des Metzgers Jakob Zimmermanns Haus geschehen“ sei und daher der Stadt ein Drittel der Strafgebühr zustand, die 1748 auch verbucht wurde.28 1754 untersuchte die Kirchenzensur die uneheliche Schwängerung der Magd des katholischen Hintersassen und Maurermeisters Johannes Feistenauer, Katharina Foßlerin, durch dessen gleichfalls katholischen Maurergesellen Johann Georg Bergtold. Dabei wurde ermittelt, dass Feistenauer „diese beiden und noch andere seiner Maurerhandwercksgesellen zu einander in eine Cammer gelegt“ habe und so eine Mitschuld an der Schwängerung trage. Bergtold und Katharina Foßlerin mussten die Unzuchtsstrafe an das Oberamt abführen. Sie heirateten drei Monate vor der Geburt des ersten Kindes, und Bergtold musste versichern, dass er die Kinder im lutherischen Glauben erziehen werde.29 Es war also allgemein bekannt, wo und wann die Jugend sich vor der Eheschließung traf, und teilweise waren junge Männer und Frauen sogar in ein und demselben Raum untergebracht. Der voreheliche Verkehr junger Frauen und Männer war durch Regeln normiert, die 25 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1773. 26 Burghartz, Zeiten der Reinheit, S. 237–240. Schwerhoff, Aktenkundig, S. 160. Vgl. auch Gleixner, „Das Mensch“, S. 162–164. Zum Anstieg vorehelicher Geburten in Hochberg vgl. OFB Eichstetten, S. 822. Für andere südbadischen Gemeinden, Knodel, Demographic Behaviour, S. 185–208. 27 GLA Karlsruhe, 61/6728, 13.8.1777. Anfang des 18. Jahrhunderts waren noch vier Tage „Weibergefängnis“ üblich. Hull, Sexualstrafrecht, S. 226. 28 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1748. 16 Gulden waren die übliche Strafgebühr. Im Jahre 1781 wurde die Gebühr halbiert, wenn die Schwangere sich selbst anzeigte. Vgl. Hull, Sexuality, S. 98,122. 29 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 5.8.1754. C/IX Stadtrechnung 1754. Sie heirateten am 22. Juni 1754 und die Tochter Katharina Barbara wurde am 14.9.1754 geboren. Zu sexuellen Kontakten von Mägden und Gesellen auch Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 265. Zur gemischkonfessionellen Eheschließung in Hochberg vgl. Maurer, Baden Nr. 1546 (22.05.1745), 1681 (23.02.1751). Zur gemischkonfessionellen Eheschließung allgemein, Häberlein, Konfessionelle Grenzen, S. 179–181. Müller, Karlsruhe, S. 32, 225– 226. Wagner, Stadtgründung, S. 113. Zum Reichsrecht und dem Umgang mit Mischehen siehe Freist, Zwischen Glaubensfreiheit und Gewissenszwang.
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der Kontrolle durch das soziale Umfeld unterworfen waren und bei denen von einer generellen Heiratsfähigkeit ausgegangen wurde. Die Erwachsenen und die Altersgenossen achteten genau auf die Einhaltung der Regeln.30 Dabei unterscheidet Göttsch im Hinblick auf den Besuch junger Männer bei jungen Frauen in der Kammer, dem so genannte „Nachtfreien“, drei Stufen der Annäherung: 1. der gemeinsame Besuch mehrerer junger Männer vor dem Fenster eines Mädchens; 2. der Besuch eines einzelnen Mannes und das gemeinsame Verbringen der Nacht auf dem Bett ohne eine intime Beziehung und 3. die Einwilligung zum Geschlechtsverkehr nach einem Eheversprechen.31 Aktenkundig wurden diese Fälle nur, wenn Grenzen der Schicklichkeit und Moral überschritten waren, Normübertretungen angezeigt wurden,32 oder der Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft nach sich zog. Heiratete das Paar nach seiner Verfehlung, hatte die fällige Geldund Ehrenstrafe langfristig für es keine nachteiligen Folgen. Im Gegensatz zu legitimen Formen der Sexualität standen Vorwürfe sexueller Nötigung. So war der Metzgergeselle Michael Bürcklin von Köndringen 1711 „zu Hannß Heinrichs Tochter zum Loch eingestiegen“ und hatte „ihr Ungebühr zugemutet“, wofür er eine Geldstrafe von acht Gulden zu erlegen hatte. Am gleichen Tag wurde der Schuhmachergeselle Hans Georg Breindlin, der bei Baltzer Ruf in Köndringen arbeitete, wegen desselben Tatbestands ebenfalls zu acht Gulden verurteilt, denn dieser war „nächtlicherweis in Hannß Jacob Mollingers Haus“ zu dessen Magd „eingeschlichen“.33 An diesem Tag fand offenbar ein Fest statt, auf dem sich die jungen Leute trafen und das einige junge Männer zum Ausgangspunkt sexueller Abenteuer machten, die von den Frauen so nicht intendiert waren.34 1772 musste der ledige Friedrich Schöchlin von Maleck wegen eines „ohngebührlichen nächtl(ichen) Besuchs“ bei einer jungen Frau in Emmendingen eine Strafe von vier Gulden entrichten.35 Wer dieses Vergehen anzeigte, geht aus den Quellen nicht hervor. Möglich wäre, dass die Besuche von den Mädchen nicht gewünscht waren, aber auch, dass die Haushaltvorstände die jungen Männer nicht als passend für eine spätere Eheschließung ansahen und daher einschritten. Für die jungen Männer war damit auch ein Ehrverlust verbunden, wenn die ganze Stadt erfuhr, dass sie mit ihrer Werbung gescheitert waren.36
30 Vgl. dazu auch Dürr, Schwäbisch Hall, S. 254–255. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 342. Labouvie, Andere Umstände, S. 11–12. Gleixner, „Das Mensch“, S. 182–186. Lutz, Ehepaare, S. 358–359. 31 Göttsch, Kleider in Ehren, S. 201, 208. Vgl. auch Beck, Illegitimität. 32 Aussagen, wie Wettmann-Jungblut sie für Freiburg („oft hart aneinander gesessen und einander verliebt liebkosset“) findet, sind in Emmendingen nicht überliefert. Auch sind keine Liebesbriefe etc. erhalten. Wettmann-Jungblut, Gefühlswelt, S. 138–139. 33 StadtA Emmendingen, B 1a-1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 27. März 1711. Göttsch, Kleider in Ehren, S. 202 mit ähnlichen Beispielen. 34 Vgl. zu ähnlichen Vorfällen auch Gleixner, „Das Mensch“, S. 204–205. 35 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1772. 36 Göttsch, Kleider in Ehren, S. 202. Claudia Ulbrich hingegen argumentiert, dass der Gewaltvorwurf die Ehre der Frau retten sollte, diese jedoch einer Ehe nicht abgeneigt sein musste. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 85.
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Hier manifestiert sich die Diskrepanz zwischen sexuellen Normen der kleinstädtischen Gesellschaft und der obrigkeitlichen Definition der Unzucht. Die jungen Männer und Frauen gaben sich Eheversprechen, denen häufig ein Beischlaf folgte. In der Regel wurde die Ehe dann vor der Gemeinde durch die kirchliche Trauung besiegelt. War jedoch schon vorher eine Schwangerschaft eingetreten, war die Verfehlung offensichtlich und das junge Paar trat dann „ohne Kranz“ vor den Altar und hatte eine Unzuchtsstrafe zu zahlen.37 Als der Bauernknecht Nikolaus Metzger 1739 Magdalena Güntherin aus dem benachbarten Wasser heiratete, vermerkte der Pfarrer: „Die Braut war ohne Crantz, dieweilen sie solchen zu tragen sich schon vor ettlichen Jahren durch ihre Unzucht unwürdig gemacht, der Bräutigam aber hat einen Crantz getragen.“38 Anna Maria Göringin, Bürgermeistertochter von Emmendingen und Witwe des 31 Jahre älteren Vogtes in Eichstetten, brachte 1706 ein Kind zur Welt, das in seinem Sterbeeintrag des gleichen Jahres als „ein Hurenkind der alten Vögtin, 25 Wochen alt“ bezeichnet wurde. Aufgrund ihres sozialen Standes gereichte ihr der Vorfall jedoch nicht weiter zum Nachteil, denn sie heiratete im gleichen Jahr erneut.39 Susanne Kieferin entband 1717 ein uneheliches Kind, dessen Vater der Sohn des Teninger Vogtes Kaspar Heß war. Im Taufeintrag wurde vermerkt, die Mutter habe „in des Vogts Haus gedient. Er wurde von ihr freigesprochen, dass er sie nicht heiraten dürfen, doch dass er den Bastard alimentiere.“40 Eva Lehmannin durfte 1720 den Vater ihres Kindes, einen katholischen Maurer, nicht heiraten, doch musste dieser das Kind alimentierten.41 Drei Jahre später heiratete sie einen Emmendinger Bürger.42 Der Schneider Matthias Rist hingegen entzog sich 1751 der Eheschließung und der Alimentation des von ihm gezeugten Kindes. Das Kirchenbuch bemerkt lapidar: „ist Soldat worden und hat die Hure nicht heiraten wollen“.43
37 Hull, Sexualstrafrecht, S. 226, 230. Hull, Sexuality, S. 100–106. Emmendingen schreibt Hull durchgehend „Emmentingen“. Vgl. ebd., S. 75, 104. 38 StadtA Emmendingen, Genealogie Wasser. Zum Tragen der Brautkrone Göttsch, Kleider mit Ehren, S. 209–211. Hull, Sexualstrafrecht, S. 226. 39 Korrespondenz mit Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. Zur Eheschließung nach der Geburt eines unehelichen Kindes auch OFB Eichstetten, S. 822. 40 StadtA Emmendingen, Genealogie Wasser. Die Gerichte gaben sich Mühe, den Vater des Kindes zu Unterhaltszahlungen, Kindbettzahlungen und wenn möglich zur Ehe zu zwingen. Hull, Sexualstrafrecht, S. 230. Immer wieder kam es vor, dass reiche Familien nicht in die Verbindung der Kinder einwilligten. Insbesondere bei Paaren, die aus unterschiedlich vermögenden Schichten kamen, war dies häufig der Fall. Gleixner, „Das Mensch“, S. 166–170, 177–178. 41 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 42 OSB Sexau, Nr. 3064. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Die Problematik, dass sich Männer durch den Wegzug ins Ausland ihren Unterhaltspflichten entziehen konnten, war auch Gegenstand landesherrlicher Mandate. StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen. Zur Möglichkeit sich der Unterhaltspflicht zu entziehen, in dem man zum Militär ging, vgl. Hull, Sexualstrafecht, S. 229–230. 43 StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen.
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Anna Katharina Elisabeth Abigerin musste 1777 vor dem Oberamt eine uneheliche Schwangerschaft eingestehen. Als Vater des Kindes gab sie den Maurergesellen Johann Güttle aus dem württembergischen Amt Tuttlingen an, der in Denzlingen in Diensten gewesen sei und ihr versprochen habe, sie zu heiraten. Er sei aber nicht mehr im Lande, sondern nach Hause zurückgekehrt.44 Sie trat zehn Jahre nach der Geburt ihres unehelichen Kindes in den Stand der Ehe.45 Da „dem Gerücht nach die ledige Tochter des Becker Bernhard Hessen sich schwanger befinden solle“, hatte sich die 19-jährige Katharina Barbara Hessin 1776 vor der Kirchenzensur zu verantworten. Sie hatte allerdings einen starken familiären Rückhalt, denn ihre Mutter übernahm für sie den schwierigen Gang, da Katharina Barbara selbst sich „Unpässlichkeit halber nicht einfinden“ konnte. Die Mutter sagte aus, dass „ihre Tochter ihre uneheliche Schwangerschaft eingestanden und den Gottlieb Eckermann von Ottoschwanden gebürtig zum Vater angegeben (habe), als welcher sie im letzt verwichenen Herbst in diesen unglückl(ichen) Fall gebracht.“46 Eckermann musste acht Gulden Unzuchtsstrafe bezahlen.47 Das Kind aus dieser Beziehung wurde nur drei Monate alt.48 Sechs Jahre später hatte Katharina Barbara ein weiteres uneheliches Kind mit Friedrich Eichler. Trotzdem konnte sie 1786 den sechs Jahre älteren Witwer Johann Georg Koch heiraten, mit dem sie sieben gemeinsame Kinder hatte.49 Die Magd Anna Katharina Danzeisen wurde 1778 von dem Emmendinger Bürgersohn Georg Friedrich Lang geschwängert. Sie verteidigte sich damit, dass er ihr ein Eheversprechen gegeben habe. Lang erhielt ebenso wie die Magd eine Geld- und Leibesstrafe.50 Er heiratete die Frau jedoch nicht. Ihr uneheliches Kind brachte sie in ihrem Geburtsort Eichstetten zur Welt. Sie heiratete im Juni 1786 den neun Jahre älteren Witwer Michael Grünwald, dem sie zwei Söhne gebar.51 Als Johann Michael Kiefer 1777 Eva Christina Schöchlinin von Maleck geschwängert hatte, widersetzte er sich zunächst der Heiratsaufforderung des Oberamts, da er die „Pöcke“ nicht ehelichen wolle. Dieser Widerstand brachte ihm die üblichen Strafen ein, und letztendlich kam es doch zu einer Eheschließung.52
44 GLA Karlsruhe, 61/6727, 2.6.1777. Aus einer Abrechnung Willius’ wissen wir, dass er regelmäßig Frauen, die einer Schwangerschaft verdächtigt wurden, untersuchte. Vgl. GLA Karlsruhe, 137/206. Vgl. auch Gleixner, „Das Mensch“, S. 107–110. 45 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. Genealogie Emmendingen. 46 StadtA Emmendingen, B/VI/1-17 Kirchenzensurprotokoll, 1.5.1776. C/IX Stadtrechnung 1776. Genealogien Emmendingen, Mundingen. OSB Ottoschwanden, Nr. 1142. Zur Hilfe durch Familienangehörige bei eher wohlhabenden Familien vgl. Gleixner, „Das Mensch“, S. 113. 47 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1776. 48 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 49 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. Genealogie Emmendingen. 50 GLA Karlsruhe, 61/6731, 30.9.1778. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1778. 51 OFB Eichstetten, Nr. 1456. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 52 GLA Karlsruhe, 61/6726, 10.3.1777. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1777. Genealogie Emmendingen. Damit konnte das Gericht die Eheschließung durchsetzen, ansonsten hätte er das Kind alimentieren müssen. Hull, Sexualstrafrecht, S. 230.
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Christina Maria Ostermannin, Tochter des in Emmendingen konvertierten ehemaligen jüdischen Vorsingers Isaak Zadock,53 wurde von ihrem Vater, als sie „schwanger und im Elend war“, von Basel nach Hause geholt, „wozu ich gezwungen war, weil ich wusste, dass sie nichts Gutes im Sinne hatte.“ Im Vermögensinventar gab der Vater ihre Entbindungskosten mit 22 Gulden an. Er setzte sich auch dafür ein, dass der Schwängerer seiner Tochter in Emmendingen zum Hintersassen angenommen wurde, damit er die junge Frau heiraten konnte.54 Die jüdischen Einwohner der Stadt zahlten bisweilen Unzuchtsstrafen, so 1757 der „Juden=Vorsinger“ Hirsch Meyer und seine Ehefrau Boune Mosis, und zwar den gleichen Betrag wie ihre christlichen Nachbarn.55 Die Toleranz gegenüber ledigen Müttern war offensichtlich höher, wenn es sich um Bürgerstöchter handelte, als im Falle fremder Frauen. Als 1775 Salomea Rothin um die Schutzannahme in Emmendingen nachsuchte, wurde ihr Gesuch abgelehnt, „da die Stadt mit dergl(eichen) Leuthen bereits übersetzt sei“, doch gestattete man ihr, „während ihrer Kindbettzeit sich dahier aufhalten zu dörfen.“56 Sie hatte ihre Tochter Eleonore sieben Tage vor der Ratssitzung zur Welt gebracht; das Kind starb noch im gleichen Jahr in Emmendingen.57 Der Vater war ein Emmendinger Bürgersohn, der zu diesem Zeitpunkt noch als Knecht diente.58 1784 entband dieselbe Frau in Emmendingen erneut ein uneheliches Kind.59 Außer einer Unzuchtsstrafe von acht Gulden drohten Frauen im Falle unehelicher Geburten Ehrenstrafen, die ihnen selbst und ihrer Umgebung ihre „Verfehlung“ sichtbar vor Augen führen sollten. Frauen, die unverheiratet schwanger waren, wurden auf einem so genannten Hurenkarren, der durch die Stadt gezogen wurde, öffentlich zur Schau gestellt. Anscheinend wurde dieser häufig beansprucht, denn er musste immer wieder repariert werden.60 Männer hingegen hatten 53 Schmölz-Häberlein, Integration. Holenstein, Hatschiere. 54 StadtA Emmendingen, B1b/942. Karl Christian Ostermann war der einzige Jude in Emmendingen, der mit seiner Familie zum Christentum konvertierte. Zu diesem Fall vgl. Schmölz-Häberlein, Integration, S. 394–397. 55 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1757. Zur erfolgreichen bzw. erfolglosen Eheanbahnung durch vorehelichen Geschlechtsverkehr vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 244–253. Zur unehelichen Schwangerschaft einer jüdischen Witwe ebd., S. 223–231. Fälle von unehelichen Schwangerschaften jüdischer Frauen auch bei Preuß, Krone, S. 124–133. Allerdings werden hier keine christlichen Strafgebühren erwähnt, wie überhaupt die Rolle der Obrigkeit bei ihr unklar bleibt. Dass jüdische Untertanen mit demselben Strafmaß wie ihre christlichen Nachbarn bedacht wurden, konnte auch Barbara Rajkay für die geteilte Herrschaft Oettingen nachweisen. Rajkay, Verflechtung, S. 178. 56 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 23.11.1775, fol. 89v. Auch in ländlichen Gemeinden erhielten nur diejenigen Frauen keine Hilfe, die keine soziale Anbindung hatten, bzw. durchreisende Frauen wurden während ihres Kindbetts gepflegt und sollten danach weiterziehen. Labouvie, Andere Umstände, S. 30–31, 133, 235–236. 57 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 58 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775, Frevelstrafe wegen Beischlafs. 59 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 60 Vgl. GLA Karlsruhe, 137/172, 173. Auch in Nassau-Zweibrücken mussten Frauen seit den 1740er Jahren einen „Schellenkarren“ ziehen. Labouvie, Andere Umstände, S. 61–62. Vgl. ferner Hochstrasser, Hof, Stadt, Dörfle, S. 83–84. Hochstrasser kann die Veröffentlichung
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nur die Buße von acht Gulden zu entrichten und waren für den Unterhalt des Kindes verantwortlich. Bei ausreichendem Sozial- und Ehrkapital war für die Frauen durchaus eine (Re-)Integration in die städtische Gesellschaft möglich und musste nicht – wie in der Literatur immer wieder behauptet wird – zu sozialer Ausgrenzung und Armut führen.61 In der Regel fing das soziale Netz der kleinstädtischen Gemeinschaft sowie der benachbarten Dörfer die ledigen Mütter auf, und den meisten gelang es, sofern sie nicht den Vater ihres Kindes ehelichten, doch wenigsten einen Witwer zu heiraten. Ähnlich wie in der schwäbischen Residenzstadt Oettingen zerstörten illegitime Kinder nicht grundsätzlich die Chancen auf dem Heiratsmarkt und „auch jene, die ohne konkrete Heiratsabsichten den gesetzlich festgelegten Pfad der Tugend verließen, konnten mit Milde und Nachsicht rechnen, sofern sie in die ökonomische und soziale Ordnung der Stadt eingebunden waren.“62 Wenn ein uneheliches Kind zu alimentieren war, mussten dessen Ansprüche gegenüber dem Stiefelternteil und möglichen Halbgeschwistern klar geregelt werden. Der 26-jährige Bäckermeister Johann Georg Heß heiratete im August 1789 die vier Jahre ältere Bürgerstochter Christina Stierlinin.63 Die Braut hatte bereits ein uneheliches Kind von dem aus Eger stammenden Wolfgang Taubernmerkel mit Namen Christian, das bei der Eheschließung neun Monate alt war. Laut Ehevertrag sollte Christian im Falle des Ablebens seiner Mutter seinen Pflichtteil erhalten.64 Waren keine gemeinsamen Kinder vorhanden, fiel ihre übrige Hinterlassenschaft dem Bräutigam zu. Auch wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, das Vermögen Christians zu nutzen, bis er 20 Jahre alt war. Sollte Heß ohne gemeinsame Kinder vor seiner Frau versterben, sollte ihr seine Hinterlassenschaft gehören. Heß versprach, sein Stiefkind „christlich zu erziehen, ihm die gehörige Kost und Kleidung zu geben, das Schulgeld vor dasselbe bestreiten und wann es zum
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dieser so genannten Hurenstrafen im Karlsruher Wochenblatt nachweisen. Damit wurde die Tat über das engere städtische Umfeld hinaus publik. Hull geht davon aus, dass nach 1761 der Hurenkarren nur noch nach der zweiten unehelichen Schwängerung gezogen werden musste. Hull, Sexuality, S. 121. Sie verweist darauf, dass zwischen strafendem Staat und bestrafender Öffentlichkeit schwer zu trennen war, und aus dem Ritual der Ehrenstrafe das System der Ehre gestärkt hervorging. Hull, Sexuality, S. 91–92. Zur Reform in den Jahren 1798/99 vgl. ebd., S. 130–133. Zu Ehrenstrafen im Allgemeinen Hull, Sexualstrafrecht, S. 231. Julia Maurer kann allein für 1754 drei entsprechende Verfügungen nachweisen vgl. Maurer, Baden Nr. 1795, 1796, 1803. Aussagen wie die von Stannek sind m. E. zu pauschal. „Uneheliche Schwangerschaft bedeutete fast immer sozialen Abstieg und Abstieg in die Armut, wenn es den Frauen nicht gelang, eine Heirat mit dem Kindsvater durchzusetzen und so ihre Ehre wieder zu erlangen. Den Meistertöchtern verbaute sie jede Chance auf eine standesgemäße Heirat mit einem ehrlichen Handwerksgesellen.“ Stannek, Armut, S. 105. Rajkay, Verflechtung, S. 182–192, 194. Labouvie, Andere Umstände, S. 33–35, 57–61. Dass die für Unzucht verhängten Schandstrafen die Frauen nicht für immer entehrten, sondern vor allem die Ordnung wiederherstellten, betont auch Hull, Sexualstrafrecht, S. 232–233. StadtA Emmendingen, B 1b/594. C/IX Stadtrechnung 1789. Genealogie Emmendingen. Hier wurden die gesetzlichen Bestimmungen zu Erbansprüchen von Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen genau eingehalten.
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Hl. Abendmahl gegangen sein werde, selbiges ein Handwerck, welches das Kind nebst dem Pfleger erwählen wird, auf seine Kosten erlernen lassen, auch bis es die Lehre erstanden in ordentl(icher) Kleidung zu unterhalten.“ Sollte die Lehre mehr als 30 bis 40 Gulden kosten, war festgelegt, dass der Rest aus dem Vermögen des Kindes bestritten werden sollte.65 Für den armen Bäckergesellen war Christina Stierlinin eine gute Partie. Beim Eintritt in die Ehe hatte er praktisch kein Vermögen. Die Braut hingegen besaß 755 Gulden und ermöglichte Heß somit die Etablierung als Handwerker in seiner Heimatstadt.66 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verschärfte sich die obrigkeitliche Ehe- und Moralpolitik durch die rigorose Haltung des Oberamtmanns Johann Georg Schlosser. Heiratswillige junge Paare erhielten häufig keine obrigkeitliche Genehmigung und wurden aufgrund ihres vollzogenen Beischlafs strafrechtlich belangt.67 Oberamtmann Schlossers Stellungnahme zu der wiederholten Bitte des jungen Bürgersohnes Schindler aus Köndringen um Annahme seiner Verlobten zeigt, dass er dem Zusammenhang von Eheversprechen und anschließender Bitte um die Bürgeraufnahme nicht akzeptierte. Es handelte sich in seinen Augen um ein reines Unzuchtsdelikt, das im Nachhinein legitimiert werden sollte, weil die Braut „vom Supplikanten uneheliche geschwängert wurde“.68 Besonders betonte Schlosser, „die Verführung der Purschen wird auch geringer seyn, wenn die Mägden durch sie keine Unterkunft hoffen können und die Gemeinden (…) auf die Reinheit ihrer Orte achten.“69 Die Gemeinde sollte ihre „Reinheit“ verteidigen wie eine Jungfrau ihre Ehre. Der Ordnungsdiskurs Johann Georg Schlossers richtete sich gegen ein unkontrolliertes Anwachsen der pauperisierten Unterschichten, dessen Ursachen er in frühen Eheschließungen, ungezügelter Sexualität und einer fehlenden Vorbildfunktion junger Eltern gegenüber ihren Kindern sah.70 Schlosser
65 GLA Karlsruhe, 198/383 (Ehevertrag Johann Georg Heß und Christina Stierlin, 29.6.1789). 66 StadtA Emmendingen, B 1b/595. Zur Hypergynie vgl. Sabean, Porperty and Production, S. 238. Ingendahl, Witwen, s. 277. 67 Vgl. die Geschichte des Seilers Johannes Schindler aus Köndringen, der Probleme hatte, eine Heiratserlaubnis für seine Braut aus dem Nachbardorf zu erhalten, bei Kopfmann. Kopfmann, Bemühungen, S. 47–68. Allerdings sind Kopfmanns Interpretationen im Lichte der modernen Sozialgeschichte nur mit Einschränkungen zu gebrauchen. Breit, Leichtfertigkeit. Gleixner, „Das Mensch“. Beck, Illegitimität. Burghatz, Zeiten der Reinheit, S. 162–163, 175–178. Hull, Sexuality, S. 75 verweist darauf, dass 1654 für frühen Beischlaf von Frauen eine Strafe von vier Wochen Gefängnis sowie eine Ehren- und eine Geldstrafe festgesetzt war; die Männer mussten nur die Hälfte der Strafe absitzen. 68 Kopfmann, Bemühungen, S. 60. Das junge Paar erhielt nach der Geburt des Kindes doch noch die Erlaubnis zur Heirat. Eine Schwangerschaft konnte durchaus von den jungen Leuten geplant sein, um die Eheschließung gegen den Willen der Eltern und der Herrschaft zu erreichen. Vgl. Labouvie, Andere Umstände, S. 44–50. 69 Brief Schlossers an den Markgrafen vom 16.6.1775, GLA Karlsruhe, 229/54920. Abgedruckt bei Kopfmann, Bemühungen, S. 61. 70 GLA Karlsruhe, 115/397. Ähnlich argumentierte auch der Nimburger Pfarrer Dittenberger im Jahre 1779. GLA Karlsruhe, 115/223. Abgedruckt bei Kopfmann, Bemühungen, S. 57–58.
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sah wie viele seiner Zeitgenossen auch keinen Zusammenhang zwischen den Gebühren für vorehelichen Beischlaf und Unzucht und der Zahl der Kindstötungen.71 Die Verschärfung der Bürgeraufnahmebedingungen und der Genehmigungspraxis für Heiraten äußerte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Ablehnung entsprechender Gesuche. 1764 wies der Emmendinger Stadtrat Johann Georg Poppelins Supplik um Aufnahme in die Bürgerschaft ab, obwohl er die geschiedene Tochter des Ratsmitgliedes Leonhard Scherberger heiraten wollte und diese auch ein halbes Haus besaß. Der Rat argumentierte mit der „Übersetzung“ des Handwerks; zudem besäße Poppelin ein eigenes Haus in Mundingen und könne sich dort als Bürgersohn niederlassen.72 Seine wiederholten Suppliken führten schließlich zu seiner Bürgerannahme durch die Landesherrschaft73 und zur Eheschließung mit Maria Salome Scherbergerin, der geschiedenen Frau des Christian Moser, noch vor der Geburt des gemeinsamen Kindes. Das Ehepaar zahlte die Strafgebühren für frühen Beischlaf.74 Zwei Bewerber um die Hand ihrer gemeinsamen Tochter Katharina Elisabeth sollten später – wie oben bereits erwähnt – ebenfalls abgewiesen werden. 1782 wurde Thomas Klaibers Gesuch um Bürgerannahme abgewiesen, obwohl sich die Braut „nicht vom Sollicitanten, sondern von einem anderen ohnehelich schwängern lassen“.75 Der Maurergeselle Johannes Schadt bat 1783 um Bürgeraufnahme, um die von ihm „geschwächte“ Regina Tschirain zu heiraten. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass er das Handwerk noch nicht soweit beherrsche, dass er einen eigenen „Riß“ (Bauplan) anfertigen könne, und „da er ohnehin einen schlechten Weeg hierzu eingeschlagen habe“,76 habe er die Unzuchtsstrafe zu zahlen.77 Auch die im gleichen Jahr eingereichte Petition des Maurers Johann Jakob Burgbacher wurde abgewiesen, obwohl er eine Maurerwitwe heiraten wollte.78 Der Küfer Christian Schumm bat 1793 um Aufnahme in das Bürgerrecht, um die von ihm „geschwächte“ Maria Elisabeth Ristin heiraten zu können. Sein Antrag wurde zuerst abgewiesen.79 Das Paar zahlte noch im gleichen Jahr die Unzuchtsstrafe an das Oberamt.80 Die Beziehung der beiden jungen Leute hatte jedoch trotz der bestehenden Hürden Bestand. Drei Jahre später konnte Schumm seine Braut heiraten und wurde ins Bürgerrecht aufgenommen.81 Das Gesuch des Maurergesellen Johannes Demmer von 1798, der die Tochter des 71 Hull, Sexuality, S. 122. Hull, Sexualstrafrecht, S. 234. Zu Kindsmord allgemein: Ulbricht, Kindsmord. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 127–132. 72 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 18.1.1764, fol. 2r. 73 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 6.6.1764, fol. 26v. C/IX Stadtrechnung 1764. 74 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1764. 75 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 15v–16r. 76 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 16.1.1783, fol. 8v–9r. 77 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1783. 78 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 3.1.1793, fol. 182v–183r. 79 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 17.10.1793, fol. 211r–211v, 12.1.1795, fol. 296r–297r. 80 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1793. 81 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1795. Genealogie Emmendingen.
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Maurers Bergtold, die zwei uneheliche Kindern hatte, heiraten wollte, hatte hingegen keinen Erfolg.82
3. EHEN IN EMMENDINGEN: HEIRATSALTER, EHESCHLIEßUNG, EHESCHEIDUNG Zwischen 1700 und 1800 sind 672 Eheschließungen in Emmendingen belegt. Damit existiert eine gute Datenbasis für die Rekonstruktion demographischen Verhaltens.83 Tab. 1: Erstehen in Emmendingen zwischen 1710–1719 und 1750–1769 M 26–30
M 31–35
M > 36
F 26–30
F 31–35
F < 36
Summe
1710– 17 24 1719 39,5 % 55,8 %
2 4,7 %
-
14 18 9 32,6 % 41,9 % 20,1 %
1 2,3 %
1 2,3 %
43
1750– 20 28 6 1 14 26 8 6 1 1769 36,4 % 50,9 % 10,9 % 1,8 % 25,5 % 47,3 % 14,5 % 10,9 % 1,8 %
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Alter
M 20–25
F 15–20
F 21–25
Zwischen 1700 und 1719 wurden in der Stadt Emmendingen 43 Erstehen geschlossen, für die das Heiratsalter der Ehepartner bekannt ist. 17 junge Männer heirateten in der Altersgruppe zwischen 20 und 25 Jahren, 24 in der Altersgruppe zwischen 26 und 30 Jahren und nur zwei zwischen 31 und 35 Jahren. Bei den Frauen heirateten 14 zwischen 15 und 20 Jahren, 18 zwischen 21 und 25 Jahren und neun zwischen 26 und 30 Jahren. Eine Frau war bereits Anfang 30, eine weitere – was sehr ungewöhnlich war – 49 Jahre alt. In den 1750er Jahren hatte sich das Heiratsalter etwas erhöht und folgte damit der generellen Tendenz des 18. Jahrhunderts. Bei den in den Jahren 1750 bis 1769 geschlossen 55 Erstehen waren 20 Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, 28 zwischen 26 und 30 und sechs zwischen 31 und 35 Jahren. Ein weiterer Mann heiratete erstmals mit 38 Jahren. Bei den Frauen finden sich 14 in der Gruppe der 15- bis 20-jährigen, 26 im Alter von 21 bis 25 Jahren, acht 26- bis 30-jährige sowie sechs Frauen, die im Alter zwischen 31 und 35 vor den Traualtar traten. Eine Frau war bei ihrer Heirat bereits 39 Jahre alt. Die Altersdifferenz der Ehepaare bei Erstehen lag meist zwischen einem und fünf Jahren, wobei es nicht selten vorkam, dass die Frau einige Jahre älter war. Die Männer heirateten in der Regel nach ihrem 25. Lebensjahr, da sie dann keinen Heiratsdispens mehr brauchten, die Frauen meist nach ihrem 20.
82 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 20.9.1798, fol. 330r. 83 Für Baden und Württemberg liegen mehrere grundlegende Studien zum demographischen Verhalten in ländlichen Gemeinden vor. Knodel, Demographic Behaviour. Maisch, Notdürftiger Unterhalt. Medick, Weben und Überleben. Siehe auch die Analysen in den Ortsfamilienbüchern von Eichstetten und Opfingen. OFB Eichstetten. OFB Opfingen.
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Lebensjahr.84 Allerdings verschob sich das Heiratsalter in den untersuchten Zeiträumen nach hinten, wesentlich weniger Bräute waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter 20 und auch das der Bräutigame erhöhte sich. Frühere Eheschließungen kamen vor, wenn es sich um vermögende Ehepartner handelte und durch den Tod der Eltern bereits die Übergabe des Vermögens an die jüngere Generation erfolgt war. Späte Ehen finden sich vor allem bei Personen aus den unteren Schichten, beispielsweise bei Frauen, die jahrelang als Magd gedient hatten und in ihren Mittvierzigern ihren zum Witwer gewordenen Dienstherrn heirateten.85 Diese Frauen kamen häufig nicht aus der Stadt, sondern waren im Zuge ihrer Dienstverpflichtung dorthin gegangen. Im Gegensatz zu diesen häufig aus armen Verhältnissen stammenden Frauen bauten etablierte Familien durch konsequente Neolokalität ihrer Gemahlinnen bzw. Töchter überlokale familiäre Netzwerke auf und setzten diese strategisch ein, wie das Beispiel der Bürgermeisterfamilie Zimmermann zeigt.86 Für die jüdischen Einwohner Emmendingens können keine Angaben zum Heiratsalter getroffen werden, da ein zu geringes Sample von Daten zu Geburtsund Heiratsjahr vorliegt, um allgemein gültige Aussagen treffen zu können. Für Metz wurde ein reales Heiratsalter für Männer zwischen den 23. und 29. und für Frauen wischen dem 17. und 24. Lebensjahr festgestellt.87 Für Emmendingen dürfte das Durchschnittsalter etwas höher gelegen haben. So heiratete 1786 beispielsweise der 39-jährige, in Müllheim geborene Lazarus Bloch die 27-jährige Judith, eine Tochter des Judenschultheißen Jonas Weil. Sandel Samuel Veit schloss 1779 als 26-jähriger mit der 18 Jahre alten Mariana Günzburgerin den Bund fürs Leben. Hertzel (Naftali) Weil heiratete im Jahre 1775 als 26-jähriger die 28-jährige, aus Eichstetten stammende Schena Dreifußin.88 Luise Schorn-Schütte hat für evangelische Pfarrer ein Durchschnittsalter von 31 Jahren und für ihre Frauen von 23 bis 24 Jahren bei der Erstehe errechnet.89 Im Falle der zehn Emmendinger Pfarrer, deren vitalstatistische Daten uns für das 18. Jahrhundert vorliegen, weicht das Heiratsalter deutlich davon ab. Im Schnitt heirateten diese Geistlichen mit 26 Jahren. Der spätere Spezial Christian Bernhard Gockel war mit 23 Jahren der jüngste, Johann Friedrich Mylius mit 31 der Älteste. Bei den Pfarrersfrauen lag das durchschnittliche Heiratsalter bei etwas über 21 Jahren. Wilhelmina Magdalena Stalpin, Ehefrau des Pfarrers Christian Pringsauf, 84 Zum Dispens und zur Eheschließung vgl. exemplarisch Maurer, Baden Nr. 1335 (30.04.1737), 1485 (04.08.1742), 1498 (01.02.1743), 1749 (09.01.1753). OFB Eichstetten, S 806. 85 Vgl. hierzu Wunder, Er ist die Sonn’, S. 44–45, 48–50. Medick hat für Laichingen ein Durchschnittsalter bei Erstehen von 26,2 Jahren für Männer und 25,5 Jahren für Frauen ermittelt. Medick, Weben und Überleben, S. 316ff. 86 Schmölz-Häberlein, Zimmermann. Ulbrich kann für das lothringische Steinbiedersdorf ebenfalls nachweisen, dass Neolokalität ein tendenziell weibliches Phänomen war. Ulbrich, Shulamit und Margrethe, S. 74, 122. 87 Vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 196. 88 Schmölz-Häberlein, Integration, S. 369–372. 89 Schorn-Schütte, Pfarrfrauen, S. 218.
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war mit 18 Jahren die Jüngste, Juliana Romanin, die 1734 in der Karlsruher Hofkirche Samuel Brodhag das Ja-Wort gab, mit 25 Jahren die älteste Pfarrersfrau, die eine Erstehe einging. Zwischen den Ehepartnern wurde in der Regel ein Ehevertrag aufgesetzt, der im frühen 18. Jahrhundert meist erst nach der Trauung schriftlich festgehalten wurde, ab der Mitte des Jahrhunderts hingegen stets vor der kirchlichen Eheschließung. Der Ehevertrag regelte die rechtlichen und ökonomischen Aspekte einer Ehe und fixierte die Gleichheit bzw. Ungleichheit der Ehepartner als rechtsund handlungsfähige Personen. Die Eheverträge regelten die Verwaltung des Vermögens, die Höhe der Mitgift sowie die Verteilung des Vermögens nach dem Tod eines Ehepartners.90 Jeder Vertrag begann mit dem Postulat, dass die Eheleute „zur Mehr- und Fortpflanzung des Menschlichen Geschlechts, sodann zur Ehr- und Fortpflanzung christlicher Kirche“ beitragen sollten.91 Darauf folgten die Aufzählung der Vermögens, die Übertragung von Eigentumswerten, die Regelung von Nutzungsansprüchen, die Verteilung des Vermögens im Erbfall mit und ohne Kinder und, im Falle eventueller Wiederverheiratungen, die Sicherung des Vermögens der Kinder aus vorangegangenen Ehen sowie die Vorkehrungen für ihre Erziehung und Ausbildung. Heiratsverträge fixierten somit die ökonomische Basis der Ehe als einer Institution, die laut Heide Wunder „auf Besitz basierte und die Grundlage für die Haushaltsgründung darstellte. Die Haushaltsposition vermittelte der Ehefrau, der ‚Hausfrau und Mutter‘, Zugang zu Autorität und Herrschaftsfunktionen; die ungleiche Verteilung der Berechtigung von Ehefrau und Ehemann im Ehegüterrecht schloss auch die Ehefrau nicht von der Herrschaft im Haushalt aus.“92 Eheverträge spiegeln auch den sozialen Status der Ehepartner wider. Bei ökonomisch und sozial gleichwertigen Ehepartnern wurde auf ein vergleichbar hohes Einbringen geachtet. War einer der Ehepartner deutlich ärmer als der andere, wurden häufig differenzierte Nutzungs- und Übergaberegeln festgelegt, die der Familie des vermögenden Teils eine Rückführung des Vermögens im Falle von dessen kinderlosem Tod ermöglichten. Die Regelungen in den Eheverträgen konnten nur noch testamentarisch, insbesondere durch ein gemeinsames Testament der Eheleute rückgängig gemacht werden.93 Als der Metzgergeselle Johann Karl Göring und die Bürgertochter Maria Barbara Rauchin aus Königschaffhausen 1738 die Ehe schlossen, versprachen sie „einander ihr christlich lieb, treu und gutmeinen, der Vesten Hoffnung: durch Ge90 Vgl. auch Enders, Bürde und Würde, besonders S. 127. Zur Bedeutung des gleichwertigen Einbringens in die Ehe und Ehestreitigkeiten bei Fehlinformation durch einen der beiden Vertragpartner vgl. Lutz, Ehepaare, S. 256–258. Ingedahl, Witwen, S. 161–162, 262–263. 91 Vgl. exemplarisch GLA Karlsruhe, 198/311 (Eheabrede Johann Georg Berger und Maria Salome Reinbold, 21.11.1771). 198/325 (Eheabrede Joseph Bürklin und Anna Flick, 30.6.1719). 92 Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 31. Ingendahl, Witwen, S. 45. 93 Vgl. zu Eheverträgen Sabean, Property, Production, S. 223–246. Ingendahl, Witwen, S. 161– 162, 253–258, 262–263.
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bot, Vorbitt und Fleiß in ihrem Beruf von Gott auch das Ihme gefällige in ihrer künftigen Ehe zu erhalten.“ Jeder der beiden Partner behielt sein eingebrachtes Vermögen als Eigentum. Göring brachte ein von seinen Eltern übernommenes Haus, dessen Wert mit seinem zukünftigen Erbe verrechnet werden sollte, und einen zugehörigen Baumgarten in die Ehe ein. Die Braut erhielt von ihren Eltern für 100 Gulden „Ruhbett und Weißzeug“ und einen Wagen Heu im Jahr.94 Georg Friedrich Bacher überschrieb 1745 in seinem Ehevertrag mit Magdalena Brüstlinin seiner „geliebten Braut, zur Bezeugung der vor sich tragenden Liebe, Seine behaußung (....) und zwar dergestalt, dass die Hochzeiterin auf solches Haus 2000 fl. zu fordern haben soll.“ Im Gegenzug verschrieb Magdalena Brüstlin „ihrem geliebten Hochzeiter zu beweißung ihrer Gegenliebe, auf den Fall Sie vor Ihme mit Tod abgehet, zu einem wahr(haf)tigen Eigenthum die Summe von 400 Gulden“.95 Der Krämer Georg Jakob Blum überschrieb seiner Frau Christine Margarete Eisenlohrin 1763 als Ehesteuer Hausrat, eine Kuh, Wein und das Nutzungsrecht an einem Juchert Matten. Der Vertrag wurde in dem Haus der Brauteltern, des Buchbinders Karl Christoph Eisenlohr und seiner Frau Anna Maria Wildersinnin, „in der oberen Stube gegen die Straße“ ausgefertigt und wurde von mehreren Zeugen unterschrieben.96 Wenige Monate später verstarb der junge Ehemann. Ein Jahr später heiratete Christine Margarethe Eisenlohrin, die „Blumsche Witwe“, den Handelsmann Reinhard Menzer. Sie verschrieb ihm „ein Vermögen lt. Verlassenschaftsinventar ihres 1. Mannes vom 24.3.1763“ sowie ein Juchert Matten und ihr 1755 erkauftes Haus im Wert von 1220 Gulden in der unteren Stadt um 700 Gulden.97 Der Metzger und Rebstockwirt Johann Friedrich Hartmann schloss 1771 einen Ehevertrag mit Christina Trautweinin. Hartmann erhielt von seinen Eltern ein Haus mit Wirtsgerechtigkeit sowie ein Mannshauet Küchengarten. Der Vater behielt sich jedoch das Meisterrecht vor. Die Braut erhielt als Morgengabe 500 Gulden und ein Jahr später nochmals denselben Betrag.98 Die hier exemplarisch vorgestellten Eheverträge aus einem Sample von 223 erhaltenen Verträgen dokumentieren einige Möglichkeiten privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen zukünftigen Ehepaaren. Sie spiegeln stets auch den sozialen Status der Eheleute sowie die ökonomischen Voraussetzungen der Verbindung wider. Heirateten zwei ökonomisch und sozial gleichrangige Personen, wurde auch in den Verträgen ein reziprokes Geben und Nehmen vereinbart. Handelte es sich um Personen aus sozial und ökonomisch divergierenden Gruppen, lag es im 94 GLA Karlsruhe, 198/360 (Ehevertrag Johann Karl Göring und Maria Barbara Rauch, 25.4.1738). 95 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 2.7.1745. 96 GLA Karlsruhe, 198/320 (Eheverspruch Georg Jakob Blum und Christina Margarete Eisenlohr, 1763). 97 GLA Karlsruhe, 198/406. Die erste Ehe führte zu einem Vermögens- und damit auch zu einem Machtzuwachs der Frau. Vgl. dazu auch Ingendahl, Witwen, S. 36. 98 GLA Karlsruhe, 198/371 (Ehevertrag Friedrich Hartmann und Christina Trautwein, 15.9.1771). Zur Bedeutung der Übergabe des Hauses oder Hausteils der Eltern an die nachfolgende Generation bei der Eheschließung vgl. auch Medick, Weben und Überleben, S. 328– 336.
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Interesse der wohlhabenderen Familie, ihren Anteil am Vermögen zu sichern und dem ärmeren Partner zwar einen gesicherten Lebensunterhalt in Aussicht zu stellen, ihm jedoch nicht im Todesfall das Vermögen zu übertragen.99 Auch in der jüdischen Bevölkerung Emmendingens wurde die ökonomische Basis einer Ehe vertraglich abgesichert, und die Eheverträge weisen Parallelen zu denen ihrer christlichen Nachbarn auf.100 Obwohl nur ein Ehevertrag vom Beginn des 19. Jahrhunderts in voller Länge erhalten ist, geben die städtischen Quellen Hinweise auf frühere Eheverträge. Dem Ratsprotokoll des Jahres 1745 zufolge überschrieb Jakob Weil seinem Schwiegersohn Moses Weil außer der Ehesteuer einen Bauplatz bei der Burgvogtei. Bis das Haus gebaut war, sollte das junge Ehepaar im Hause des Vaters der Braut wohnen. Beide Männer setzten unter das Abkommen ihre Unterschrift, Jakob auf Hebräisch, Moses auf Deutsch.101 Hier handelte es sich um die in den Schutzbriefen zugesicherte, eigentlich für die Söhne übliche Regelung, dass jungvermählte Paare im Haus der Eltern ein Jahr lang ohne eigenen Schutzbrief leben durften.102 Dass das Zusammenleben auf engem Raum nicht ohne Probleme vor sich ging, zeigt ein Ratsprotokolleintrag aus dem folgenden Jahr. Alexander Weil und Veit Samuel klagten dort nämlich gegen Jakob Weil, „dass derselbe verwichenen Samstag an ihrem Schabbes, nachmittags wie Sie wieder in ihre Schulen gehen wollen, in seines Tochtermanns Stuben, wo sie beede Kläger niederst gesessen mit einer Hauen auf sie beede looß gegangen und wie man ihm selbige aus der hand gewunden, ihnen davor in die Haarn gefallen und Sie daran gezogen, alles ohne den geringsten ihme gegebenen Anlaß.“ Jakob Weil gestand dies ein, denn er wollte „die Kläger in seinem Hauß nicht leyden, dann wann schon sein Tochtermann darinnen wohne, so seye doch das hauß sein.“ Moses Weil bestätigte die Aussage der Kläger. Sein Schwiegervater Jakob Weil musste daraufhin drei Gulden Strafe zahlen. Jakob Weil erhob gegen die beiden Kläger seinerseits den Vorwurf, „Wann er was handle und in seinem haus was sage, so seye er gleich bei Ihnen 2 Verrathen, und werde hernach selbiger durch sie verdorben.“ Er forderte den Rat der Stadt auf, Alexander Weil und Veit Samuel zu verbieten, sein Haus zu betreten.103
99 Eine gute Zusammenfassung zum Erbrecht bietet Ingendahl, Wiwen, S. 48–49. 100 Zu jüdischen Eheverträgen als sozialgeschichtlicher Quelle im Elsass vgl. Fraenkel, Memoire juive. Zu Steinbiedersdorf in Lothringen vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 239. Die Obrigkeit regelte auch bei den Juden die Voraussetzungen wie Alter und Vermögensumstände für Eheschließungen detailliert. Vgl. exemplarisch Maurer, Baden Nr. 1232 (10.12.1732), 1272 (8.10.1733), 1305 (12.03.1936). 101 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 13.5.1745, fol. 69r–70r. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten die meisten Juden rudimentäre Schreibkenntnisse in der deutschen Sprache. Vgl. auch Schwanke, Offenburg, S. 108. 102 Erhalten ist uns nur der Schutzbrief für Marum Weil (um 1728–1778), Sohn des Salomon, Eichstetten, 23. Januar 1750 in einer Abschrift. StadtA Freiburg, B 1/245. Frégonneau, Marktflecken, S. 563–577. 103 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 21.2.1746, fol. 109r–110r.
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Die Tochter des verstorbenen Isaak Dukas, Keyle, heiratete 1761 den auf Schloss Martinsburg in Wettolsheim wohnenden elsässischen Schutzjuden Abraham Wilstaeter. Als Beistände der Frau fungierten ihre beiden Brüder Abraham von Emmendingen und Mayr von Eichstetten. Ihre Mitgift betrug 600 Livres, und die Ketouba (Widerlegung) wurde auf 1200 Livres festgelegt.104 Bräunle, die Witwe des Kippenheimer Schutzjuden Marum Weil, schuldete ihrer in Emmendingen verheirateten Tochter 1782 noch 100 Gulden von der Mitgift, da sie noch nicht alle Außenstände eingetrieben hatte. Mutter, Tochter und Schwiegersohn legten daraufhin vor dem Stadtrat die Zahlungsmodalitäten fest.105 Der aus Müllheim gebürtige Emmendinger Schutzjude Lazarus Bloch setzte mit seiner Verlobten im Oktober 1785 einen Ehevertrag auf.106 In dem Ehevertrag zwischen Moses Weil und Fradel Dukas von Sulzburg, der am 25. Juni 1799,107 drei Jahre nach der Hochzeit im Februar 1796, vor dem Rabbiner in Eichstetten aufgesetzt wurde, versprach Löw Dukas seiner Tochter eine Mitgift von 2400 Gulden. Davon erhielt sie bei der Hochzeit 1200 Gulden. Die andere Hälfte wurde in Form von Schuldverschreibungen und barem Geld ausgehändigt und musste 104 Der Ehevertrag wurde vom Colmarer Notar Besson auf Schloss Wettolsheim ausgestellt. Aufgrund eines Erlasses König Ludwigs XIV. von 1701 mussten die Eheverträge, die vor einem jüdischen Rabbiner geschlossen wurden, bei einem Notar bzw. einer amtlichen Stelle hinterlegt werden. Dieses Gesetz galt bis zum Jahre 1791. Zur Ketouba: Da eine Jüdin bei einer Scheidung keinen Anspruch auf einen Teil des Vermögens des Ehemannes hat bzw. eine Witwe nicht erbberechtigt ist, wird bei der Eheschließung eine feste Summe vereinbart, die der Frau in einem solchen Falle zusteht. Fraenkel, Memoire juive, S. 309. Ein weiterer Bruder namens Marx findet sich ab 1756 in Niederemmendingen; sein Bruder Abraham arbeitete bei ihm als Knecht. Zu diesem Zeitpunkt befahl ihm der Rabbiner, seinem Bruder bei der Ernährung und Erziehung der unmündigen Geschwister zu helfen. GLA Karlsruhe, 137/168. Siehe auch Holenstein, Bitten, S. 141. Die elsässischen Judendörfer, in die Emmendinger einheirateten, waren die ca. fünf Kilometer voneinander entfernt gelegenen Dörfer Soultz und Bollwiller 15 Kilometer nordwestlich von Mulhouse und das südwestlich von Colmar gelegene und eine Fußstunde entfernte Wettolsheim. Das Dorf Grussenheim, aus dem Jenthas Mann Nathan Sulzer stammte, befindet sich etwa 15 Kilometer südöstlich von Colmar auf dem Weg zum Rheinübergang bei Marckolsheim. Zu den beiden anderen Fällen jüdischer Heiratsverbindungen ins Elsass siehe Kapitel V.3. Die Summe die in der Ketouba festgelegt wurde, war in der Regel fiktiv und überstieg häufig das Vermögen der Familie. Birgit Klein gibt für das Oberrheingebiet eine Ketouba von 600 Gulden an. Klein, Erbinnen in Norm und Praxis, S. 184. 105 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 26.3.1782, fol. 23r–24r. Bräunle lebte nach dem Tod ihres Mannes bei ihrer Tochter Rifgen, die mit Isaak Wolf verheiratet war. Dieser hatte drei Jahre zuvor seinen Wohnsitz von Opfingen nach Emmendingen verlegt. 1785 konnte er seinen Schutz auf Niederemmendingen ziehen. Bräunle unterzeichnete selbst (Breunle), ebenso ihr Schwiegersohn Isaak. Zu Isaak Wolf vgl. Schmölz-Häberlein, Integration, S. 370, 375 und Holenstein, Bitten, S. 119. 106 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.9.1784, fol. 80v. 107 Vermutlich wurde der Ehevertrag am 25.5.1795 aufgesetzt und unterschrieben. Das Jahr 1799 steht jedoch im Unterpfandprotokoll. Kopien aller Eheverträge mussten den Oberämtern in Übersetzung vorgelegt werden. Vgl. Lewin, Geschichte, S. 5. Leider sind keine weiteren Verträge aus dieser frühen Zeit überliefert, erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist ihre Überlieferung häufiger.
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von dem jungen Ehepaar mit einem „Leibgeding“ von 60 Gulden jährlich verzinst werden. Dafür verlangte der Vater der Braut die Ausstellung einer gerichtlichen Obligation als Sicherheit.108 Bereits 1796 hatte Moses Weil versucht, seinem Schwiegervater die nötigen Sicherheiten zu geben. „Er habe allerdings in Rücksicht, dass seiner Frau statt dem halben ein ganzes Sohns Erbtheil zugesichert worden, auch seiner Seits die Verbindlichkeit auf sich genommen, auch seiner Frau für die eingebrachte Ehesteuer und Hochzeit geplante ad 1950 fl gerichtliche Sicherheit auf seinem dahier eigenthümlich besitzenden Hauß samt Zugehörten zu geben.“ Er sei daraufhin mit seinen Verwandten auf der Emmendinger Stadtschreiberei gewesen, wo man ihnen gesagt habe, „dass eine solche Verschreibung ohnnöthig sei.“ Der Behörde zufolge sei „eine derartige Sicherheitsleistung in pos. frau allerdings überflüssig, als bei einem Entstehenden Concurs die frau mit ihrem heurathsguth ohnediß einen der Hypothaten weit vorgehenden Vorzug genieset.“109 1799 erhielt sein Schwiegervater dann doch die Sicherheiten, die er sich ausbedungen hatte. Da für die Juden in solchen Fällen nicht der städtische Rat zuständig war und sich auch das Oberamt nicht zuständig fühlte, musste für Löw Dukas eine Sonderregelung getroffen werden, die darin bestand, dass sein Schwiegersohn eine Schuldverschreibung an ihn in das Unterpfandprotokoll eintragen ließ. Der Ehevertrag zwischen Joseph Weil von Emmendingen und Maille Mayer von Müllheim vom 26. Januar 1801 ist der erste, der uns im vollen Wortlaut vorliegt. Darin wurde vereinbart, dass der Bräutigam Joseph seine Braut Mayle unter den Trauhimmel führen und die Ehe nach dem Gesetz Moses und Israels durch den Trauring besiegeln lassen sollte. Jacob Mayer versprach seiner Tochter eine Aussteuer von 1100 Gulden, wovon 900 Gulden am Hochzeitstag und 200 Gulden nach zwei Jahren zu bezahlen waren, ferner „Morgengaben, Schengas’sche Kleidung, Samstag, Feyertag, Markttäg110 wie auch ein aufgerichtetes Bett samt dazugehörigem zu geben.“ Der Hochzeitstermin wurde auf den 2. April 1802 festgelegt. Für den Fall, dass eine der Parteien die Abrede nicht einhielt, wurden 400 Gulden Strafe vereinbart.111 Der Trauungsakt wurde vom lutherischen Pastor oder dem jüdischen Rabbiner, seltener auch von einem katholischen Geistlichen des benachbarten vorderösterreichischen Klosters Tennenbach vollzogen. Wenn das Ehepaar es sich fi108 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), fol. 230r–232r. 109 StadtA Emmendingen, B 1b/1408, Trennung von Tisch und Bett (Reskript vom 13. Mai 1785 E.G.N. 25). Julius Schmidt hat für die jüdische Gemeinde im südbadischen Ort Kirchen festgestellt, dass ab 1735 „auch die Judenweiber mit ihrem eingebrachten Vermögen haftbar für die Schulden ihrer Männer“ gewesen seien. Schmidt, Kirchen, S. 233. Da dieses Reskript für die ganze Markgrafschaft Baden-Durlach gelten sollte, hätte es auch auf Emmendingen Auswirkungen haben müssen. Jedoch findet sich hierfür kein Beleg, und auch Jentha Dreifußin musste explizit auf alle ihre weiblichen Rechte verzichten, um den Kredit ihres Mannes absichern zu können. 110 Hierbei handelt es sich um Kleidung für jede Gelegenheit in der Öffentlichkeit. 111 StadtA Emmendingen, B 1b/1409. Auf die Bedeutung der Kleidung als Statussymbol verweist auch Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 96.
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nanziell leisten konnte, wurde zu Hause oder auf dem Rathaus getanzt. Dies bezeugen die im Laufe des 18. Jahrhunderts immer häufigeren Tanzgeldzahlungen, die im Ratsprotokoll vermerkt sind. Als der Kaufmann Johann Jakob Mollinger 1713 zum zweiten Mal heiratete, wurde ein Tanz gehalten. Auch als der Sohn des Emmendinger Bürgermeisters und spätere Vogt von Maleck, Johann Paul Schöchlin, im gleichen Jahr vor den Traualtar trat, fand in Emmendingen der Tanz statt.112 Als Hertzel (Naftali) Weil 1775 die Eichstetter Schutzjudentochter Schena Dreifußin heiratete, erlaubte ihnen der Rat, ihren Tanz auf dem Rathaus zu halten: „der Jud Hertzel hat den 21. Februar Hochzeit gehabt und Tanz gehalten“.113 Auch Lazarus Bloch „des Judenschulzen Dochtermann“, tanzte 1786 auf seiner Hochzeit.114 Jüdische Hochzeitsfeste im Rathaus der Stadt Emmendingen sind in den 1780er und 1790er Jahren wiederholt belegt.115 Hochzeiten waren oft kostspielig, da sie öffentliche Demonstrationen der Gastfreundschaft waren und dazu beitrugen, die Ehe zu legitimieren.116 Als 1722 eine Tochter des Spezialsuperintendenten Nikolaus Louis den Bund fürs Leben schloss, erhielt sie von der Stadt vier Gulden zehn Kreuzer geschenkt. 1724 wurden Auguste Marie, der Tochter des Burgvogts und Forstmeisters Otto Ludwig von Dungern, anlässlich ihrer Hochzeit 16 Gulden verehrt.117 Die Stadt drückte damit ihre Ehrerbietung gegenüber den Familien aus. In mehreren Inventaren finden sich Hinweise auf die Ausgaben für das Fest. 1748 schuldete der Strumpfstricker Nikolaus Parell seinem Schwiegervater 48 Gulden für die Hochzeit.118 Der Kürschner Christoph Holzschuh hatte 1749 noch 14 Gulden beim Lammwirt Legler für seine Hochzeit zu bezahlen.119 Der Schreiner Christian Blum erhielt 1773 von seinen Eltern die Kosten der Hochzeitsfeier beim Rebstockwirt Hartmann in Höhe von 12 Gulden sowie den Hochzeitswein und das Fleisch bezahlt, was zusammen mit einem Paar Hosen auf 12 Gulden 45 Kreuzer veranschlagt wurde.120 1780 hatte der Kürschner Johann Michael Schneider seiner Frau 50 Gulden für die Hochzeit und seine Hochzeitskleider zu zah-
112 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1712–1713. Weitere Beispiele: Die zweite Hochzeit des Hintersassen und Maurers Matthias Adler 1725, die Eheschließung des Buchbinders Karl Christian Eisenlohr 1777 oder die des Säcklers und Totengräbers Johann Jakob Rist 1780. C/IX Stadtrechnungen 1725, 1777, 1779. 113 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. OFB Eichstetten Nr. 5057 kennt einen Schmaie Dreifuß, der um 1770 in Eichstetten heiratete und um 1747 auch dort geboren sein soll. Bei ihm könnte es sich um einen Bruder der Braut handeln. 114 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785. 115 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), fol. 64r; C/IX, Stadtrechnungen 1776, 1781, 1783, 1785, 1786, 1793, 1795–1800. Vgl. auch Häberlein/Schmölz-Häberlein, Competition and Cooperation. 116 Vgl. hierzu auch Tlusty, Bacchus, S. 206–208. 117 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1722–1724. Die Eheschließungen selbst fanden nicht in Emmendingen statt, die jungen Frauen lebten von da an nicht mehr in der Stadt. 118 StadtA Emmendingen, B 1b/244. 119 StadtA Emmendingen, B 1b/611. 120 StadtA Emmendingen, B 1b/118.
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len.121 Der Schuhmacher Konrad Süß war seiner Frau 1789 noch 44 Gulden 20 Kreuzer für die Hochzeit schuldig.122 1776 beliefen sich die Hochzeitskosten des Kutschers Joseph Frei und der Eva Katharina Sauterin auf 35 Gulden.123 Als der Adlerwirt Christian Reinbold 1789 Margaretha Birmelinin heiratete, erhielt das Hochzeitspaar Geschenke im Wert von mehr als 215 Gulden,124 was auf eine entsprechend große Hochzeitsfeier schließen lässt.125 Hochzeiten fanden in der Frühen Neuzeit in der Regel nicht am Wochenende statt. In Eichstetten wie auch in Emmendingen wurde vorzugsweise am Montag getraut, seit 1704 auch am Dienstag, wie es in der Landesordnung festgelegt war.126 1695 musste der Emmendinger Johann Georg Rist seine Braut Anna Katharina Mercklinin „wegen vorgegangenem unzüchtigen Beischlafs an einem Mittwoch“ heiraten.127 Einen punktuellen Einblick in Hochzeitsbräuche gibt eine Verordnung von 1771, der zufolge „das Kettenvorspannen so die Hochzeitsleuthe aufhalten soll, und eine schändliche bettlerey ist, zumal da mit Sprengung der Ketten und mit dem sezen zu Pferd über selbige leicht Unglück geschehen kann“ abgestellt werden sollte.128 Ehen wurden zwar geschlossen „bis der Tod Euch scheidet“, aber dieses Scheiden durch den Tod konnte schon nach kurzer Zeit eintreten. Aber auch Ehen, die mehr als drei Jahrzehnte Bestand hatten, waren nicht selten. Die mittlere Ehedauer bei Erstehen lag in der benachbarten Gemeinde Eichstetten bei 28,8 Jahren und für Opfingen bei 29,2 Jahren.129 Johann Melchior Ott heiratete im Alter von 27 Jahren die 21-jährige Maria Magdalena von Bazendorf, mit der er mehr als 48 Jahre verheiratet war. Dass seine Frau trotz der Geburt von zehn Kindern 70 Jahre alt wurde und Ott sie noch 17 Jahre überlebte, war für die damalige Zeit so außergewöhnlich, dass es sogar in die Landesbeschreibung von Willius Eingang fand.130 Die Ehe Gustav Friedrich Eccards mit Anna Maria Sanderin hielt 37 Jahre; für seine Frau war es allerdings die zweite Ehe. Die Ehe des Strumpfstrickers Christian Letzmann bestand bis zu seinem Tod 28 Jahre, seine Frau überlebte ihn um fünf Jahre. 37 Jahre lebte der Schuhmacher Georg Vetterlin mit seiner Frau zusammen, die ihn um 22 Jahre überlebte und 80 Jahre alt wurde.131 Der Landbaumeister Karl Friedrich Meerwein und die gleichaltrige Maria Elisabeth Schlettweinin lebten 25 Jahre zusammen.
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StadtA Emmendingen, B 1b/1777. StadtA Emmendingen, B 1b/1280. StadtA Emmendingen, B 1b/375. StadtA Emmendingen, B 1b/983. Zur Bedeutung einer großen Hochzeit als Statussymbol vgl. Tlusty, Bacchus, S. 143–144. OFB Eichstetten, S. 819–820. Issel, Eichstetten, S. 82. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen, Eheeintrag vom 16.10.1695. StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), 16.9.1771. Die durchschnittliche Dauer von Ehen lag in den Hochberger Gemeinden Opfingen und Eichstetten bei 25 bis 30 Jahren. OFB Opfingen, S. 18–19, 30. OFB Eichstetten, S. 807–810. 130 Willius, Beschreibung, S. 185. 131 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen.
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Meerwein überlebte seine Frau um 18 Jahre, heiratete jedoch nicht mehr.132 Die Eheleute Schlözer bildeten eine mehr als 50 Jahre dauernde Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Obwohl die meisten Ehen durch den Tod eines Ehepartners gelöst wurden, kamen vereinzelt auch Scheidungen vor.133 Der Weber Johann Jakob Schneider und seine Ehefrau Maria Elisabeth Schöchlinin trennten sich nach mehr als 13 Jahren Ehe und wurden „ihrer ärgerlichen EheStreitigkeiten halber auf 1 Jahr quoad Thorum & Mensam mit dem beifügen geschieden, daß der Ehfrau eine Competenz O(ber)Amtl(lich) reguliert werden solle.“134 Zwei Jahre später übergaben Schneider und seine geschiedene Frau einen großen Teil des Vermögens an ihre Kinder. Diese versprachen, das getrennt lebende Paar mit 50 Gulden jährlich zu alimentieren, solange die Frau lebte.135 Anna Ursula Schmidin, deren Ehe ebenfalls konfliktträchtig war, wurde 1746 vom Rat ermahnt, „daß Sie dereinst vor den dritten Pfennig stehen müße und sie also sich auch darum zu bekümmern habe, so lange biß ihre unfriedliche ehe cum bonis allenfalls getrennt werde“.136 Solange keine offizielle Trennung von ihrem Mann erfolgt war, haftete sie für dessen Schulden mit ihrem ehelichen Drittel des Vermögens. Johann Matthias Meyer und seine zweite Frau Elisabeth Zieboldin wurden ebenfalls von Tisch und Bett geschieden, ihr Vermögen geteilt.137 Die zweite Frau des Zinngießers Johann Peter Hartmann, Maria Ansteinin, ließ sich 1783 scheiden und zog anschließend wieder in ihre Heimatstadt Colmar. Hier wurde die Ehe nicht nur von Tisch und Bett getrennt, sondern aufgelöst. Hartmann, der aus einer prominenten Emmendinger Familie stammte, führte Zeit seines Lebens ein unstetes Leben. Bereits drei Jahre nach der Eheschließung mit seiner ersten Frau bekam seine Magd Anna Maria Reuthin ein uneheliches Kind von ihm. 1789 war er, obwohl er das Bürger- und Meisterrecht in seiner Heimatstadt hatte, als Glockengießergeselle in Straßburg auf der Wanderschaft. 1796 trat er im Zusammenhang mit den französischen Revolutionskriegen in ein Hohenlohisches Regiment ein und verstarb später auf dem Marsch nach Russland in Oberschlesien.138 Auch in der erfolgreichen Familie Ott gab es ein „schwarzes Schaf“. Johann Heinrich Otts 1756 geborene Tochter Henriette Elisabeth heiratete im Mai 1779
132 GLA Karlsruhe, 198/405. Eheverspruch mit Maria Elisabeth Schlettwein, ohne Ort und Jahr. Genealogie Emmendingen. 133 Zu Scheidungen in Bayern vgl. Beck, Frauen. Zum Norddeutschen Raum die ausgezeichnete Studie von Lutz, Ehepaare, die auch die Hintergründe für die Trennung nachzeichnet. 134 StadtA Emmendingen, B 1b/1181 (1787). Zur Scheidung auch Göttsch, Kleider in Ehren, S. 208. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 275–277. 135 StadtA Emmendingen, B 1b/1182 (Vermögensübergabe). 136 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 5.12.1746, fol. 151v. Zur Problematik der Vermögensaufteilung im Scheidungsfall vgl. Enders, Bürde und Würde, S. 128. 137 StadtA Emmendingen, B 1b/863. Dass die geschiedenen Eheleute an einem Ort lebten, war durchaus üblich. Vgl. auch Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 299. 138 StadtA Emmendingen, B 1b/546, 551. Kirchenbuch Vörstetten, Christian Hartmann, 9.2.1773.
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Johann Christian Feigler, Pfarrer in Wies.139 Drei Jahre später wurde ihr Mann, der damals eine Anstellung in Tegernau innehatte, „wegen Standeswidrigem Verhalten des Landes verwiesen“.140 1783 erfolgte die Scheidung wegen dessen verschwenderischen Lebenswandels und Zahlungsunfähigkeit. Feigler hatte auch einen großen Teil des Vermögens seiner Frau durchgebracht.141 Das restliche Vermögen wurde oberamtlich sichergestellt. Die 1790 geschlossene dritte Ehe von Georg Friedrich Schwörer mit der aus Bottingen stammenden ebenfalls verwitweten Ursula Küchlin wurde bereits nach kurzer Zeit geschieden. Seine Frau schuldete ihm bei seinem Tod im Jahre 1794 noch einen Teil seines jährlichen Unterhalts von zehn Gulden.142 Auch bei den jüdischen Einwohnern gab es die Möglichkeit einer Ehescheidung, doch sind keine derartigen Fälle in den Quellen fassbar.143
4. ZUR BEDEUTUNG VON WIEDERVERHEIRATUNG Da aus Sicht der meisten männlichen Haushaltsvorstände eine Frau für die Führung des Haushalts und die Erziehung der Kinder unabdingbar war, war eine baldige Wiederverheiratung nach dem Tod der Ehefrau die Regel. Auch Frauen heirateten wieder, wenn es ihnen die Umstände erlaubten.144 Da bei Wiederverheiratungen die komplizierten Erbschaftsansprüche der Kinder, der Herkunftsfamilie des verstorbenen Ehepartners und des zukünftigen Partners geregelt werden mussten, sind hier die Eheverträge besonders aufschlussreich. Wiederverheiratungen veränderten mitunter das Alters- und Beziehungsgefüge innerhalb der Familie,145 wenn Witwen wesentlich jüngere Männer beziehungsweise Witwer deutlich jüngere Frauen heirateten. Vermögende Witwen, die einen Handwerksbetrieb führten, waren durchaus begehrt; hingegen fielen die Chancen auf Wiederverheiratung mit der Zahl der unversorgten Kinder.146 Eheschließungen mit vermögenden Witwen und ledigen Müttern konnten ärmeren Handwerksgesellen die Möglichkeit eröffnen, sich in einer Stadt bürgerlich niederzulassen und sich dort zu etablieren. Die vertragliche Regelung der Vermögensverhältnisse diente der Absicherung individueller Rechte und Positionen in139 GLA Karlsruhe, 61/6537, Proklamationsschein, 15.3.1779. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 140 Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 157. 141 StadtA Emmendingen, B 1b/404. Während in protestantischen Gebieten die Trennung von Tisch und Bett durchaus häufiger vorkam, kann sie Ulbrich im katholischen Steinbiedersdorf nicht nachweisen. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 87. 142 StadtA Emmendingen, B 1b/1246. Genealogie Emmendingen, 23.3.1790. 143 Vgl. Ullmann, Merle und Simon, S. 277. Zur jüdischen Scheidung vgl. Anhang 1. 144 Für eine Wiederverheiratung innerhalb des ersten halben Jahres nach dem Tod des Ehegatten war ein Dispens seitens des Oberamtes notwendig. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 287. 145 Vgl. hierzu Mitterauer, Familie und Arbeitsteilung, besonders S. 171–176. 146 Knodel, Demographic Behaviour, S. 153–184. Imhof, Wiederverheiratung. Imhof, Verlorene Welten. Ulbrich, Shulamit und Margarete. Ingendahl, Witwen, S. 71–72, 253–259.
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nerhalb vormoderner „Patchwork“-Familien. So versprachen die Mutter und der Stiefvater der vier Kinder des Georg Friedrich Blum im Jahre 1793, diese „christlich zu erziehen, unklagbar in gesunden und krancken Tagen zu verpflegen, ihrem Stande gemäß zu kleiden und das Schulgeld für sie zu bestreitten ohne für alle (...) Aufwand den Kindern an ihrem väterl(ichen) Vermögen einst vor abzukürzen.“147 Als der 59-jährige Witwer Lorenz Eitelmann im Jahre 1700 zum vierten Mal vor den Altar trat und die gleichaltrige Witwe Anna Kirchhof heiratete, setzte er eigenhändig ein Eheversprechen auf. Demnach hatte er „versprochen ihr Man zu sein und sie mein lieb Hausfrau zu sein.“ Das Vermögen, das die Frau in die Ehe einbrachte, sollte nach ihrem Tod an ihre Kinder in Eichstetten fallen, das Vermögen des Mannes an dessen Kinder aus den vorangegangenen Ehen. Aufgrund des Alters der Eheleute waren keine gemeinsamen Nachkommen mehr zu erwarten.148 Zwischen dem 25jährigen Küfermeister Johann Jakob Enderlin und seiner 22 Jahre älteren Braut Anna Maria Ohmbergerin149 wurde 1705 ebenfalls ein Ehevertrag aufgesetzt. Die Witwe des Johann Josef Schöchlin überschrieb ihrem Ehemann 100 Gulden sowie neun Mannshauet Acker und ein Juchert Matten. Außerdem brachte sie die Gastwirtschaft zum Löwen in die Ehe ein. Die Mitgift des Bräutigams belief sich auf 120 Gulden sowie die ihm von seinen Eltern übertragene Nutzung von eineinhalb Mannshauet Acker.150 Vier Jahre später war Enderlin bereits Witwer. Seine zweite Ehe schloss er 1711 mit der Witwe Leonhard Knoderers, Anna Maria Heßin.151 Nun war seine finanzielle Situation wesentlich besser, so dass er seiner 26 Jahre alten Braut sieben Mannshauet Acker, ein Juchert Matten und zweieinhalb Mannshauet Reben überschreiben konnte, während sie ihm ein lebenslanges Wohnrecht in ihrem halben Haus versprach.152 Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, von denen nur die 1724 geborene Anna Maria das Erwachsenalter erreichte. Beide Ehepartner hatten es in ihrer ersten Ehe mit wesentlich älteren Gefährten zu tun gehabt. Leonhard Knoderer war 27 Jahre älter als seine dritte Frau gewesen, und seine Kinder aus den vorherigen Ehen erbten den größten Teil des Liegenschaftsvermögens im Wert von 2.942 Gulden.153 Nach dem Tod Enderlins heiratete Anna Maria Heßin noch zweimal. Ihre vierte Ehe mit dem neun Jahre jüngeren Metzger Johannes Frei154 stand allerdings unter keinem 147 StadtA Emmendingen, B 1b/123, (Eheschließung Eva Wolfsberger mit Johann Christoph Martin, 1793). Vgl. B 1b/824. GLA Karlsruhe, 198/399. 148 GLA Karlsruhe, 198/341 (Eheverspruch Lorenz Eitelmann und Anna Kirchhofer, 2.8.1700). 149 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706. Genealogie Emmendingen. Generell wurden Ehen zwischen jüngeren Männern und deutlich älteren Frauen von der frühneuzeitlichen Gesellschaft mitunter moralisch verurteilt, da die Wahrscheinlichkeit der Erzeugung von Nachkommen hier unwahrscheinlich war. Vgl. Moser-Rath, Kirchenvolk, S. 123. 150 GLA Karlsruhe, 198/342 (Eheverspruch Jakob Enderlin und Anna Maria Ohmberger, 1715). Zur Macht und Vermögen von Witwen, sowie zur Hypergynie vgl. Sabean, Property, Production, S 238. Ingendahl, Witwen, S. 107–114, 151–160. 151 StadtA Emmendingen, B 1b/343. C/IX Stadtrechnung 1721. Genealogie Emmendingen. 152 GLA Karlsruhe, 198/343 (Ehevertrag zwischen Hans Jakob Enderlin und Anna Maria Heß, 1721). 153 StadtA Emmendingen, B 1b/686. 154 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen.
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glücklichen Stern, denn Frei war streit- und trunksüchtig. Als ihm die Stadt den Pachtvertrag für die Gastwirtschaftsräume im Rathaus kündigte, begründete sie diesen Schritt mit „seiner beständigen Trunckenheit, so er mehrere Zeit als der Mond voll ist /:wie man im Sprüchwort sagt:/ dadurch sich seine Frau und die Stieffkinder ins Verderben, die Würthschafft selbsten aber in üblen Ruf bringt.“155 Die Ehe des 24 Jahre alten Chirurgen Gustav Friedrich Eccard mit der zwei Jahre jüngeren Witwe des Martin Argast, Anna Maria Sanderin, im Jahre 1710 wurde laut Ehevertrag „durch sonderbare Schickung Gottes und beider elterl(ich) beliebt(en) Consens“ beschlossen. Dem Bräutigam wurde von seinem Vater eine Aussteuer nach „der Gebühr“ versprochen. Die Braut erhielt ein von ihrem Vater auf dem Bauplatz ihres ersten Mannes erbautes Haus im Wert von 1000 Gulden, wovon der Vater ihr 200 Gulden schenkte. Die restlichen 800 Gulden sollte sie in die väterliche Erbmasse einwerfen. Eccard versprach, dass er die beiden Töchter seiner Frau „getreulich annehmen und Sie in allen Wohlanständigen Tugenden, Vorderst aber zur Christ- und furcht Gottes auferziehen wolle.“156 Von den acht gemeinsamen Kindern erreichten vier das Erwachsenenalter. Ihr Sohn Emanuel Christian Eccard schloss 1745 einen Ehevertrag mit der „tugendbegabten Frauen“ Sybilla Elisabeth Malerin, der Witwe des Jakob Mollinger. Sollten aus der Ehe keine Kinder hervorgehen und sie vor ihm sterben, überschrieb Sybilla Elisabeth Malerin ihrem Gatten ihr Haus und ihre sämtlichen Güter sowie die Summe von 500 Gulden. Eccard hingegen verschrieb ihr die Hälfte seiner Hinterlassenschaft. Falls „während der Ehe ein Unglück vom Feuer sich begäbe, und der Schaden nicht wiederum selbst hergestellt werde, der Herr Hochzeiter aus ihrer Verlassenschaft deßfalls völlig indemniert werde“.157 Der 64-jährige Kaspar Bacher heiratete im Dezember 1723 in vierter Ehe seine langjährige Dienstmagd Elisabeth Mössingerin, die zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt war. Bacher war bereits fünf Jahre Witwer, als er sich zu einer neuen Ehe entschloss. Im Ehevertrag wurde vereinbart, dass Elisabeth Mössingerin „als eine rechtschaffene Hausfrau seine Kinder erziehen“ solle. Beim Tod des Mannes erhielt sie, sofern das Paar keine gemeinsamen Kinder hätte, ihr eingebrachtes Vermögen von 50 Gulden ausbezahlt. Diese Summe entsprach dem Lohn, den ihr der Bräutigam schuldete. Elisabeth Mössingerin erhielt ferner ein lebenslängliches Wohnrecht im Haus Bachers sowie die Nutzung von zwei Juchert Ackerfeld. Der Hinweis auf die Erziehung der Kinder war ein standardisierter Topos, da das jüngste der 14 Kinder Bachers zu diesem Zeitpunkt bereits 21 Jahre alt war.158 Elisabeth Mössingerin starb sechs Jahre vor ihrem Mann im Alter von 61 Jahren. Diese Hypergamie mit dem 20 Jahre älteren vermögenden Witwer Kaspar Bacher 155 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 26.12.1747, fol. 186v. Vgl. Kap. VII.2 156 GLA Karlsruhe, 198/332 (Ehevertrag Gustav Friedrich Eccard und Anna Maria Sander, 15.9.1710). 157 GLA Karlsruhe, 198/322 (Ehevertrag Emanuel Christian Eccard und Sybilla Elisabeth Maler, 19.2.1745). 158 Zum Aufbau eines Ehevertrags und seiner standardisierten Artikel vgl. Ingedahl, Witwen, S. 161–163.
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ermöglichte der aus Erlenbach in der Schweiz stammenden Dienstmagd zwar keine eigenen Kinder, aber doch einen gesicherten Lebensabend.159 Der Krämer Johann Georg Roth garantierte in seinem Ehevertrag von 1729 Agatha Christina Hitzigin, einer Tochter des Weiler Pfarrers,160 ein lebenslängliches Wohnrecht in seinem Haus sowie die Nutzung eines Gartens am Freiburger Tor. Ferner erhielt sie von ihrem Bräutigam 60 Gulden als Voraus.161 Nach dem Tod ihres Mannes heiratete die mittlerweile 40-jährige Agatha Christina Hitzigin im Jahre 1745 den 32-jährigen Bäcker Johann Georg Trautmann. Sie starb 1775 in Emmendingen. Nach ihrem Tod ging Trautmann noch zwei weitere Ehen ein, die alle kinderlos blieben.162 Trautmanns dritte Frau wurde von ihm als Universalerbin eingesetzt. Seine Geschwister erhielten ein Legat von 100 Gulden und die Kleidung des Verstorbenen.163 Auch für die jüdische Minderheit sind einige Fälle von Wiederverheiratung dokumentiert. Im Jahre 1755 schloss Baile (Beyle) Weilin, eine Tochter des Emmendinger Vorstehers Jakob Weil und „jezo eine Wittib von Moses Weil“164 im elsässischen Soultz einen Ehevertrag mit dem Witwer Juda Lehmann Bloch. Für den Unterhalt ihres Sohnes Jonas hatte der Bräutigam aufzukommen. Die Mitgift der Braut wurde mit 1000 Livres beziffert und die Ketouba auf 1400 Livres, falls das Ehepaar Kinder haben sollte, bzw. auf 1300 Livres festgelegt, wenn die Ehe ohne Kinder bleiben sollte.165 Baile Weilin hatte in ihre erste Ehe, die wohl 1745 geschlossen wurde, als Ehesteuer einen Bauplatz, „auf welchen beede Eheleuthen ein ihrem Wesen gemäßes Gebäu und Wohnung stellen mögen“, eingebracht.166 Ihr Sohn Jonas aus erster Ehe wurde 1773 in Emmendingen in den Schutz genommen und nutzte wohl das elterliche Haus.167 Miriam Veitin, die Tochter eines Emmendinger Schutzjuden, die in erster Ehe mit dem Schmieheimer Schutzjuden Israel Günzburger verheiratet war, ehelichte nach dem Tode ihres Mannes im Jahre 1777 den zweimal verwitweten Model Weil. Model oder auch Mordechai Weil war bereits 1754, im Jahr seiner ersten Eheschließung, in den Emmendinger Schutz aufgenommen worden. Aus Miriam Veitins erster Ehe, die wohl Anfang der 1770er Jahre geschlossen wurde, stammte ein Sohn namens Israel, der ein halbes Jahr alt war, als seine Mutter wieder heiratete. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war Model sicher über 50 Jahre alt, sei159 GLA Karlsruhe, 198/308 (Ehevertrag Kaspar Bacher und Elisabeth Mössinger, 1723). StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Wunder, Er ist die Sonn’, S. 445 zeigt, dass viele unvermögende Frauen erst spät heiraten konnten und somit oft keine eigenen Kinder mehr bekamen. Vgl. Ingendahl, Witwen, S. 277. Sabean, Property, S. 236. 160 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1731. Genealogie Emmendingen. 161 GLA Karlsruhe, 198/437, Ehevertrag 10.11.1729. 162 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1754. Genealogie Emmendingen. 163 StadtA Emmendingen, B 1b/1332. 164 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 7.1.1754, fol. 142v. 165 Fraenkel, Memoire juive, S. 432. 166 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 13.7.1745, fol. 69r–70r. Nach dem Tod ihres Mannes zahlte sie noch ein Jahr lang Weidgeld in Emmendingen. C/IX Stadtrechnung 1755–1756. 167 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 4.3.1773, fol. 273v.
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ne Frau dürfte in den 1750er Jahren geboren sein. Sie hatten noch zwei gemeinsame Kinder, die jedoch das Kindesalter nicht überlebten.168 Miriam Veitin erschien 1782 mit ihrem Ehemann und ihrem Beistand, ihrem Bruder Selig Samuel, vor dem Emmendinger Stadtrat, um ihre Mitgift abzusichern. Da die im Januar 1777 vereinbarte Vermögensabsprache sie von dem Zugewinn wie von etwaigen Verlusten in der Ehe ausschloss und ihr Mann große Verluste in seinem Handelsgeschäft erlitten hatte, musste Miriam Veitin ihr eingebrachtes Vermögen zu ihrer eigenen Sicherheit grundpfandrechtlich absichern. Miriam unterschrieb eigenhändig das Protokoll.169 Ihr Sohn Israel, der sich „bekanntermaßen“ in Emmendingen „stets fromm, ehrlich und rechtschaffen verhalten“ hatte,170 supplizierte Ende der 1790er Jahre mehrfach, um in den Schutz aufgenommen zu werden.171 Er hatte 1797 die fünf Jahre jüngere Tochter des Jonas Weil, Sarah, geheiratet und lebte im Hause seines Schwiegervaters.172
5. SCHWANGERSCHAFT, GEBURT, KRANKHEIT UND TOD Cornelia Goethe, die Ehefrau des Oberamtmanns Johann Georg Schlosser, gebar in den knapp dreieinhalb Jahren ihres Aufenthalts in Emmendingen zwei Kinder, die am 18. Oktober 1774 zur Welt gekommene Anna Maria Louise und die am 16. Mai 1777 geborene Elisabeth Katharina Julia. Drei Wochen nach der zweiten Geburt, am 8. Juni 1777, verstarb sie im Alter von 27 Jahren. Im Gegensatz zu den meisten Emmendinger Frauen, die während der Schwangerschaft und Geburt wohl ausschließlich von der Hebamme und anderen Frauen aus der Nachbarschaft begleitet wurden, konsultierte das Ehepaar Schlosser den Emmendinger Landphysikus Johann Wilhelm Willius. Als der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz vom Tod Cornelias erfuhr, „überfiel er den hiesigen Arzt, so die Schlosser behandelt hatte,“ der nach Meinung des Kommerzienrats Vogel „ein ebenso geschickter, als redlicher und geachteter Mann war, (…) in seinem Haus; er packte ihn an, machte ihm die anfallendsten Vorwürfe und würde ihn erdrosselt haben, wenn nicht seine Familie Nachbarn um Hülfe gerufen hätte.“ Kurze Zeit später wollte Lenz „noch einmal in das Haus des Dr. Willius und machte noch einmal den Versuch, densel-
168 StadtA Emmendingen, B 1b/1409. C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1796–99). GLA Karlsruhe, 61/3314, 74/918. Holenstein, Bitten, S. 113. 169 StadtA Emmendingen, C/V/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 16.1.1782, fol. 135v–136v. Sie unterschreibt in deutsch-hebräischer Schrift als „Miriam bat Pfeifer“, ihr Mann in derselben Schrift „das will ich Model Weil“. 170 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 19.11.1797, fol. 211r. Zu Attestaten seitens der christlichen Öffentlichkeit vgl. auch Preuß, Krone, S. 18–32. Grundlegend: Holenstein, Bitten. 171 GLA Karlsruhe, 61/3314 Prot. Hofrat, 16.10.1798 HRN 10810. 172 StadtA Emmendingen, B 1b/1409. C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799). Jüdische Genealogie. Holenstein, Bitten, S. 113. Zum Wohnrecht im Haus der Eltern bzw. der Schwiegereltern vor einer eigenen Schutzaufnahme vgl. Schmölz-Häberlein, Täufer und Juden.
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ben zu mißhandeln.“ Der Kaufmann Johann Wilhelm Maler, der im gleichen Haus wohnte, verhinderte jedoch weiteres Unheil.173 Goethes Schwester widerfuhr mit dem Tod im Kindbett ein typisch frühneuzeitliches Frauenschicksal. Frauen gebaren im Laufe ihrer Ehe bis zum Einsetzen der Menopause in der Regel alle 18 bis 24 Monate ein Kind,174 und nicht wenige Emmendinger Frauen starben im 18. Jahrhundert im Kindbett oder an den Spätfolgen einer Geburt. Jede Geburt barg die Gefahr in sich, dass die Mutter sie nicht überlebte.175 John E. Knodel stellt fest, dass in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 5,4 von 1000 Geburten zum Tod der Mutter innerhalb der ersten Lebenswoche des Kindes und 9,5 Geburten zum Ableben innerhalb der ersten sechs Wochen führten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts liegen die Werte etwas niedriger: bei 4,3 bzw. 7,6 von 1000 Geburten.176 Da Frauen durchschnittlich fünf Kinder zur Welt brachten, schätzt Knodel die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau im 18. Jahrhundert im Kindbett starb, auf etwa fünf Prozent.177 Zwischen 1700 und 1799 gab es in Emmendingen nachweislich 28 Fälle von Tod im Kindbett. Die Hintersassenfrau Katharina Hodelin wurde im Jahre 1757 „durch die Geburt am 24.4. verdorben und starb an Brand“.178 Christina Elisabeth Sanderin, die Ehefrau des Pfarrers Friedrich Joachim Kiefer, starb drei Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes Christina Elisabeth im Februar 1745 im Kindbett. Anna Ursula Kromerin, die Ehefrau des Sonnenwirts Johann Gimpel, verschied 1758 sechzehn Tage nach der Geburt des ersten Kindes aus ihrer zweiten Ehe. Sie hatte bereits zwei Kinder aus erster Ehe. Katharina Barbara Brühlin starb 1760 elf Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Anna Eva Mössingerin, der ihr Mann Johann David Schöpflin zur Geburt eines ihrer Kinder ein mit Silber beschlagenes Gesangbuch im Wert von fünf Gulden „in einem Kindbett verehrt“ hatte, überlebte 1777 die Geburt ihres neunten Kindes nicht.179 So risikoreich Schwangerschaft und Geburt auch waren, wurden Kinder doch als Segen, Kinderlosigkeit hingegen als Makel empfunden. Kinder symbolisierten 173 Brief des Emmendinger Kommerzienrats Vogel vom 6.9.1831, in: Stöber, Johann Gottfried Röderer, S. 172–174, Zitat S. 172, 173. 174 Knodel, Demographic Behaviour. Medick, Weben und Überleben. Maisch, Notdürftiger Unterhalt. 175 Vgl. auch Burguière/Lebrun, Familienmodelle, S. 179–182. Das durchschnittliche Intervall zwischen zwei Geburten lag in Eichstetten bei 2,5 Jahren. Zu Geburtsintervallen, Kindbettsterblichkeit, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung zu Eichstetten vgl. OFB Eichstetten, S. 803–827. 176 Knodel, Demographic Behaviour, S. 105. 177 Knodel, Demographic Behaviour, S. 115. Maisch kann eine Kindbettsterblichkeit von 0,62 Prozent bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts und anschließend von 1,03 Prozent feststellen. Maisch, Notdürftiger Unterhalt, S. 291–293. Weitere Zahlen bei Labouvie, Andere Umstände, S. 168–169. 178 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen, Sterbeeintrag 26.10.1758. 179 StadtA Emmendingen, B 1b/493. Zum Kindbettod in Eichstetten vgl. OFB Eichstetten, S. 808. Zur steigenden Wahrscheinlichkeit des Kindbetttodes bei Mehrfachgebärenden vgl. Labouvie, Andere Umstände, S. 170 und zum Umgang mit der Verstorbenen bzw. Sterbenden S. 190–197. Leider haben sich für Hochberg keine derartig anschaulichen Berichte erhalten.
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neben der Erfüllung des religiösen Gebotes der Fortpflanzung in der ehelichen Gemeinschaft auch soziale Ehre. In manchen Konflikten zwischen Frauen wurde dies sehr deutlich ausgesprochen.180 Bei einem Streit zwischen Anna Rosina Barbara Heinrichin und Maria Magdalena Röschin hatte die letztere ihre Kontrahentin angeblich „ohnendlich gescholten, auch hinzu gesetzt, sie hätte schon lang Kinder haben können, wann sie gewollt hätte.“ Anna Rosina Barbara Heinrichin war zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt und hatte erst einmal entbunden; das Kind starb nach einem Jahr. Danach wurde sie nie mehr schwanger, und in ihrem Alter war die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Schwangerschaft nur noch gering. Anna Rosina Barbara, der dieser Vorwurf offensichtlich zu schaffen machte, warf hingegen Maria Magdalena Röschin vor, dass diese durch Überanstrengung fahrlässig eine Fehlgeburt herbeigeführt habe: Sie habe bemerkt, dass die Nachbarin „sich ohnlängst überlupft, wovon sie um ihre Leibesfrucht gekommen seyn werde.“181 Anna Rosina Barbara Heinrichin war der Zusammenhang zwischen harter körperlicher Arbeit und dem Risiko einer Fehlgeburt durchaus bewusst.182 Außerdem beschimpfte sie die Ehefrau des Schuhmachers Johann Georg Rist als „eine Landfahrerin“. Die Heinrichin hatte dafür 30 Kreuzer in das Almosen abzuführen, während die Röschin aufgrund ihrer Armut keine Geldstrafe zahlen konnte und 24 Stunden eingesperrt wurde.183 Maria Magdalena Röschin, die 13 Jahre jünger als ihre Nachbarin war, gebar in den folgenden Jahren noch fünf Kinder. Da nur wenige Selbstzeugnisse von Emmendinger Bürgern erhalten geblieben sind, geben die Aufzeichnungen Emanuel Christian Eccards einen seltenen Eindruck von den emotionalen Reaktionen auf die Geburt eines Kindes wider. Am „1. Juny 1777 hat der Liebe Gott uns Eltern abends zwischen 6 und 7 Uhr mit einem Töcherlein erfreut und den 3. Juny durch die heilige Tauff in den gnaden Bund Gottes einverschreibt worden, worinnen ihr der namen beigelegt worden Christina Friederika.“184 Völlig anders müssen die Eheleute Johann Jakob Schöchlin und Christina Kellerin reagiert haben, als die Frau 1775 im benachbarten Kollmarsreute von zwei toten Mädchen, die „an der Brust zusammengewachsen“ waren, entbunden wurde.185 Die Geburt eines Kindes war ein einschneidendes Erlebnis im Leben einer Frau, und südwestdeutsche Frauen konsultierten religiöse Ratgeber, die wie Bonifacius Stöltzlins „Geistlicher Adler-Stein“ Hilfe in der Not boten.186 Schon der Titel dieses Buches verweist darauf, dass dieses Buch das Gebet explizit an die 180 Ein sehr anschaulicher Fall findet sich in Medick, Weben und Überleben, S. 352–353. Zur Kinderlosigkeit in Eichstetten vgl. OFB Eichstetten, S. 810. Vgl. generell Münch, Lebensformen, S. 215–216. 181 StadtA Emmendingen, B/VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 7.7.1758. 182 Labouvie geht davon aus, dass im 18. Jahrhundert keine Verbindung zwischen harter körperlicher Arbeit und Fehlgeburt gezogen wurde. Labouvie, Andere Umstände, S. 77–78. 183 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 7.7.1758. 184 StadtA Emmendingen, Familienarchiv Sander-1. 185 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen, 14.9.1775. 186 Die erste Auflage erschien 1652 in Ulm. Bonifacius Stöltzlin lebte von 1603–1677. Zur Bedeutung Stölzlins vgl. Gleixner, Pietismus, S. 279–282.
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Stelle von volksmagischen Praktiken der Schadensabwehr setzte.187 Stöltzlin wandte sich mit erbaulichen Texten und Gebeten an die Frau als eine „Werkstatt Gottes“, deren Ehre durch die Schwangerschaft gemehrt werde.188 Regina Berblingerin und ihre Nichte Maria Elisabeth Berblingerin brachten dieses Buch mit in die Ehe.189 Da nur wenige andere Emmendinger Frauen den „Adler-Stein“ besaßen, handelte es sich vielleicht um eine innerfamiliäre Tradition. Auch die Hebammen besaßen nur wenige Erbauungsbücher. Als die Hebamme Anna Maria Bickelin 1748 verstarb, nannte sie eine Bibel, ein Gebetbuch, ein Gesangbuch, eine Handbibel, ein Neues Testament und ein Predigtbuch sowie Johann Friedrich Starcks Gebetbuch ihr Eigen. In der Regel war dem Gebetbuch seit 1731 der so genannte Krankentrost angeheftet, der sich mit Geburt, Krankheit und Tod auseinandersetzte.190 Die Hebamme Anna Maria Rosina Langin, verheiratete Schöchlinin, über die die Emmendinger Frauen 1753 ausführlich befragt wurden, besaß 1763 zwei Karlsruher Gesangbücher, ein Neues Testament und ein Gebetbuch von Starck. 1779 finden sich die Biblischen Historien, eine Tübinger Bibel und Johannes Arndts „Paradiesgärtlein“ in ihrem Inventar.191 Im Besitz der Hebamme Maria Elisabeth Langin befanden sich bei ihrem Tod 1779 vier Gesangbücher und eine Straßburger Handbibel.192 Alle drei waren offensichtlich stark in der religiösen Tradition verwurzelt. Arndts und Starcks Bücher waren erbauliche Schriften, die Texte zu den schweren Stunden des Lebens wie Geburt, Krankheit und Tod enthielten. Auch Texte für Gebärende, Kindbetterinnen und Unfruchtbare waren darin zu finden. Die Kinder wurden ein bis zwei Tage nach der Geburt getauft. Totgeborene Kinder wurden in der Regel nicht mehr posthum getauft. Damit fehlte ihnen ein eigener Name, und sie wurden nicht in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen. Lebte das Kind nur kurze Zeit, übernahm die Hebamme die Taufe im Beisein der bei der Geburt anwesenden Frauen, um wenigstens die Aufnahme in
187 Medick, Weben und Überleben, S. 472. 188 Hierzu ausführlich Medick, Weben und Überleben, S. 543–544. 189 Regina Berblingerin lebte von 1719–1799. Als sie 1740 heiratete, brachte sie das Buch mit in die Ehe. StadtA Emmendingen, B 1b/1362. Ihr Ehemann, der Schuhmacher und Zoller Georg Friedrich Vetterlin (1717–1777), verstarb 22 Jahre vor ihr. In diesem Zusammenhang wurde ein Inventar angelegt, in dem sich das Buch erneut findet. B 1b/1362. Maria Elisabeth Berblingerin (1752–1839) heiratete 1777 den Witwer und Schulmeister Georg Friedrich Klein. StadtA Emmendingen, B 1b/678. Großvater bzw. Urgroßvater der beiden Frauen war der Sexauer Vogt Ernst Jakob Berblinger, ein Sohn des Schopfheimer Superintendenten Mathias Konrad Berblinger. 190 Anna Maria Bickelin (1680–1748) war von 1723 bis zu ihrem Tod Hebamme. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechungen 1723–1748. B 1b/1013. Zum „Krankentrost“ und seinen Gebeten aus Anlass der „Unfruchtbarkeit der Ehefrauen“ vgl. Gleixner, Pietismus, S. 59–60, 282–283, 292. 191 StadtA Emmendingen, B 1b/1244. 192 Maria Elisabeth Langin (1706–1779) stand von 1748–1776 auf der Gehaltsliste der Stadt. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1748–1776. B 1b/1243.
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die Glaubensgeeinschaft zu besiegeln und durch die Benennung des Kindes auch eine individuelle Trauer zu ermöglichen.193 Paten der Kinder wurden Verwandte, Bekannte, oft aber auch wohlhabende und einflussreiche Emmendinger Bürger. Dabei erhielten die Eltern das so genannte Göttelgeld, also das Taufgeschenk, mit einem Patenbrief. Von dem 1785 geborenen Wilhelm Heinrich Maler ist sein Patenbrief überliefert.194 Für den späteren Landbaumeister Karl Friedrich Meerwein aus Leiselheim standen 1737 neben mehreren Personen aus seinem Geburtsort auch der Pfarrer Johann Leonhard Resch sowie die damals 18-jährige Jungfer Margarete Magdalena Ottin aus Emmendingen Pate.195 Als Emanuel Christian Eccard, Sohn des Chirurgen Gustav Friedrich Eccard und seiner Frau Anna Maria Sanderin, am 20. September 1718 getauft wurde, erhielt er vier Personen als „Gevatter“: den Landphysikus Dr. Johann Michael Brodhag, den Pfarrer von Mundingen, Nikolaus Louis, die „Jungfrau“ Augusta Maria von Dungern, Freiin von Weyhern, und die Ehefrau des Pfarrers von Ottoschwanden.196 Der Landphysikus Johann Philipp Metz stand 1740 Pate für Georg Karl Philipp Franz, einen Tiengener Pfarrerssohn.197 Die Übernahme von Patenschaften durch Akademiker, Pfarrer und Landadelige machte den sozialen Status der Familie sichtbar. Patenkinder wurden wiederholt als Erben eingesetzt. So vermachte Barbara Stiefvaterin Hans Michel Lepperts Kindern, „welche sie aus der Tauf gehoben“ hatte, ein Legat in Form von einem halben Juchert Wiesen.198 Für die Kinder der jüdischen Konvertiten Isaak Zadock und seiner Frau Caroline Bärin übernahmen führende Emmendinger Bürger wie der zu dieser Zeit reichste Einwohner Johann Melchior Ott die Patenschaft und bedachten sie mit Patengeschenken.199 Hinweise auf Kindbettzechen oder eigene Frauenfeste finden sich in Emmendingen nicht.200 Allerdings müssen anlässlich von Taufen und Hochzeiten 193 Im Jahre 1754 zahlte die Stadt für zwei Hebammenbücher, die im Notfall bei Kindstaufen zu gebrauchen waren, zehn Kreuzer an das Oberamt. StadtA Emmendigen, C/IX Stadtrechnung 1754. Die Hebammen waren von den Geistlichen instruiert worden, um eine ordnungsgemäße Taufe vollziehen zu können. Bei Totgeburten wurde häufig nur der Nachname und der Zusatz „Kind“, „Tochter“ oder „Sohn“ in das Taufregister eingetragen, so dass wir von der Geburt wissen, auch wenn keine Aufnahme in die Kirchengemeinde erfolgte. Häufig gab es jedoch Streit, wenn die Hebamme einen anderen Glauben hatte als die Familie des zu taufenden Kindes. Vgl. für Hochberg Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 321–323. Allgemein: Labouvie, Andere Umstände, S. 171–190. Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 66–71. Zur Pflicht zur Nottaufe vgl. auch Metz-Becker, Geburtshilfe, S. 238. 194 Vgl. hierzu Lutz, Patenbrief, S. 58–62. Mit dem Lahrer Schneider Johann Michael Walter wurden die Beziehungen des Vaters des Kindes, des Färbers Johann Burkhard Maler, zu seinem Geburtsort verstärkt. Zur Patenwahl auch Labouvie, Andere Umstände, S. 220–235. 195 (Ernst Hetzel), Meerwein, S. 41–42. 196 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Taufbuch, Eintrag vom 20.9.1718. 197 Georg Karl Philipp Franz starb 1778 als Zeughausinspektor in Batavia. Brommer, Pfarrkirche, S. 223–234. 198 GLA Karlsruhe, 198/736, Testament vom 15.5.1733. 199 StadtA Emmendingen, B 1b/952. Dass Neuchristen erhebliche Geld- und Sachspenden als Patengeschenke erhielten, ist bekannt. Vgl. hierzu Agethen, Bekehrungsversuche, S. 86. 200 Labouvie, Andere Umstände, S. 203–217.
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mitunter Böller abgeschossen worden sein, jedenfalls wurde diese Praxis immer wieder verboten.201 Von Feiern anlässlich der Geburt eines Kindes wissen wir nur aus Konfliktsituationen, die einmal einen jüdischen Einwohner, einmal einen katholischen Untertanen des Klosters Tennenbach betrafen. So beschwerte sich 1769 der Judenschultheiß Jonas Weil über die Weigerung des Metzgers Georg Jakob Trautwein, Tiere zu schächten, „da er es ihme zumal auf ein Kindbett versprochen gehabt“. Seine Frau Madlen war in diesem Jahr von einem Sohn namens Abraham entbunden worden. Der Metzger musste nach eigener Aussage sein Versprechen zurückziehen, weil er sonst an der Haut des Tieres drei Gulden verloren hätte. Er versicherte aber, „dem Jud (...) auf seines Kindes beschneidung Fleisch (zu) verschaffen, und wurde vom Stadtrat angehalten, der Juden Kindbetterin, und auf der bevorstehenden Beschneidung geschächtetes Fleisch nach Nothdurfft zu beschaffen“.202 Die Aussage des christlichen Metzgers lässt erkennen, dass er die religiösen Bräuche der jüdischen Minderheit kannte. Im September 1781 wandte sich der katholische Meier auf dem Laberhof, Matthias Strecker, an den Abt des Klosters Tennenbach. Seine Frau sei um Mitternacht von einer Tochter entbunden worden. Um sechs Uhr morgens seien dann sechs Männer und die Hebamme aus dem badischen Maleck heraufgekommen, hätten ihn vom Stall, wo er beim Viehfüttern gewesen sei, in die Stube gerufen und ihm mitgeteilt, dass sie das Kind „nacher Emmendingen zur tauff übertragen“ müssten. Matthias Strecker wurde aufgefordert, freiwillig mitzukommen, ansonsten würde er gebunden abgeführt. In Emmendingen wurde dann sein Kind auf den Namen Katharina getauft, wobei der lutherische Stabhalter von Maleck und seine Frau als Taufzeugen auftraten.203 Daraufhin hätten die Bauern und die selbsternannten Paten in einem Emmendinger Wirtshaus drei Maß Wein getrunken. Der Vater des Kindes hätte an diesem Fest nicht teilnehmen dürfen und wie die lutherische Hebamme nur zugeschaut.204
201 StadtA Emmendingen, C/VIII/18, (Ratsprotokoll 1796–1799), 12.1.1797, fol. 99v. Das Strafmaß wurde auf 15 Gulden festgelegt. 202 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 13.7.1769, fol. 40v. 203 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Taufbuch, Eintrag vom 22.9.1781. 204 Während der Prälat des Klosters in seinem Protestschreiben gegen diese Aktion die emotionalen Aspekte des Falls betonte, die „Liebe der Mutter“, die noch im Kindbett lag, und die „Todtesforcht“, die sie ausstehen musste, anführte, entgegnete ihm Oberamtmann Schlosser kurz und bündig, dass die Untertanen den badischen Gesetzen zu gehorchen hätten. Es würde ihnen jedoch freistehen, Klage zu erheben. GLA Karlsruhe 106/84. In GLA Karlsruhe, 229/63472 findet sich dieser Vorfall ebenfalls ausführlich dokumentiert. Vgl. hierzu auch Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte.
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Ehe, Haushalt und Familie Tab. 2: Kindersterblichkeit in Emmendingen205 Gesamt Geburtsjahrgänge 1700–1719 Geburtsjahrgänge 1750–1769
289 480
Davon lebend Geborene 285 452
† < 1 Jahr
† 1–4 Jahre
64 142
38 95
Wie andere südwestdeutsche Gemeinden hatte Emmendingen in der Frühen Neuzeit eine hohe Kindersterblichkeit zu verzeichnen. In den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts starben 35,8 Prozent der lebend geborenen Kinder innerhalb der ersten fünf Lebensjahre – 22,5 Prozent während der ersten 12 Lebensmonate und weitere 13,3 Prozent im Kleinkindalter. John E. Knodel hat für die 14 von ihm untersuchten deutschen Dörfer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Kindersterblichkeit von 36,2 Prozent errechnet. Dieser Durchschnittswert entspricht ziemlich genau dem Emmendinger Wert für das frühe 18. Jahrhundert.206 Hingegen kommt Hans Medick für das württembergische Laichingen auf eine Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit von 45,6 Prozent im ersten und 48,7 Prozent im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Dort lag die Kindersterblichkeit also deutlich höher als in Emmendingen.207 In der Folgezeit stieg die Mortalität in der badischen Amtsstadt allerdings signifikant an. Ein Extremjahr war 1738, als unter 22 Geburten sechs Totgeburten zu verzeichnen waren und acht Neugeborene bereits nach wenigen Tagen starben; nur knapp 36 Prozent der Kinder überlebten in diesem Jahr die ersten Tage nach der Geburt. Damals verzeichnete Emmendingen die höchste Sterberate im gesamten Amt Hochberg.208 In den Jahren 1750 bis 1769 lag die Säuglingssterblichkeit in Emmendingen bei 31,4 Prozent, und weitere 21,0 Prozent der lebend Geborenen verstarben als Kleinkinder. Mit 52,4 Prozent lag die Kindersterblichkeit in Emmendingen nun deutlich über den von Knodel für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts errechneten Durchschnittswerten für südbadische (35,8 bzw. 38,8 Prozent) und süddeutsche Dorfgemeinden (34,2 Prozent).209 Einen ähnlichen Anstieg der Mortalität wie Emmendingen erlebte Laichingen, wo zwischen 1750 und 1759 36,2 Prozent 205 Das Sample umfasst alle in Emmendingen geborenen Kinder christlichen Glaubens. Kinder, die in den Nachbargemeinden geboren wurden (beispielsweise Niederemmendingen oder Wasser) und über die ebenfalls die vitalstatistischen Daten vorliegen, wurden nicht berücksichtigt. Zu Eichstetten und Opfingen vgl. OFB Eichsetten, S. 811–812. OFB Opfingen, S. 22–23. 206 Knodel, Demographic Behaviour, S. 44. 207 Medick, Weben und Überleben, S. 356. 208 GLA Karlsruhe, 137/209. Von 600 Einwohnern überlebten 73 dieses Jahr nicht. Damit verstarben zwölf Prozent der Bevölkerung. Haupttodesursachen waren epidemische Krankheiten (15), hitzige und inflammatorische (10) sowie „gemeine“ Krankheiten (46). Leider liegen keine Hinweise auf die Ursachen vor. Die Zahl der geborenen Kinder wurde berechnet aus den vitalstatistischen Daten. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Die Zahl der Totgeburten wie auch der Todesfälle in den ersten Lebenstagen lag in der Regel deutlich niedriger. Vgl. auch Labouvie, Andere Umstände, S. 160–161. 209 Knodel, Behaviour, S. 44. Vgl. auch Imhof, Säuglingssterblichkeit.
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und zwischen 1760 und 1769 39,3 Prozent der lebend geborenen Kinder im ersten Lebensjahr verstarben. Im Kleinkindalter starben dort in den 1750er Jahren 17,1 Prozent und in den 1760er Jahren 23,1 Prozent.210 Die vergleichsweise hohe Kindersterblichkeit in Emmendingen ist ein Indiz dafür, dass das Bevölkerungswachstum auf engem Raum zu einer Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse führte. Jedoch war im Oberamt Hochberg das Stillen von Kleinkindern, wie Kurt Heinzmann nachweisen konnte, weit verbreitet.211 Falsche Ernährung wie in Medicks Untersuchungsort Laichingen war demnach nicht der Grund für einen Anstieg der Kindersterblichkeit.212 Während die meisten Säuglinge und Kleinkinder zweifellos an Infektionskrankheiten starben, fielen manche auch Unfällen zum Opfer.213 Im Jahre 1690 „verbrühte sich“ die drei Monate alte Maria Katharina Jößlin „mit einem Hafen voll siedenden Kaffee.“214 Ein Jahrhundert später passierte das gleiche dem elf Monate alten Friedrich Wilhelm Rüdemann.215 1701 wurde ein Säugling „von einem Schwein in der Wiege angegriffen und verletzt.“216 Johann Jakob Enderlin, der an einem Sommertag des Jahres 1729 „nachmittags in ein Züberlein voll siedendes Wasser rücklings gefallen und am 7. abends um 9 Uhr gestorben“ war, war sieben Jahre alt.217 Der zehnjährige Johann Jakob Reinbold ertrank im Januar 1789 unter dem Eis des Mühlenbachs.218 Um die Bandbreite individueller Erfahrungen zu verdeutlichen, die durch quantitative Angaben eher verdeckt wird,219 sollen im Folgenden die Schwangerschafts- und Geburtserfahrungen einiger Emmendinger Frauen exemplarisch vorgestellt werden. Maria Barbara Kellerin (1713–1780) heiratete im Alter von 25 Jahren den Witwer Johann Bernhard Heß, der drei minderjährige Kinder mit in die Ehe brachte. In den elf Jahren ihrer Ehe gebar sie sieben Kinder bei einer durchschnittlichen Geburtenfolge von 18 Monaten. Fünf Kinder starben vor der Vollendung des ersten Lebensjahrs, und auch der 1742 geborene Sohn Johann Wilhelm wurde nur fünf Jahre alt. Lediglich das vierte Kind, die 1745 geborene Tochter Maria Barbara, erreichte ein hohes Alter. Beim Tod ihres Mannes war Maria Barbara Kellerin 37 Jahre alt und lebte danach noch 30 Jahre lang als Witwe im Haus ihres Stiefsohnes Johann Bernhard Heß, der bei ihrer Eheschließung mit seinem Vater vier Jahre alt war. 210 Medick, Weben und Überleben, S. 356. Weitere Vergleichszahlen bei Labouvie, Andere Umstände, S. 160–171. 211 OFB Eichstetten, S. 814. 212 Vgl. hierzu OFB Eichstetten, S. 815. Medick, Weben und Überleben, S. 365–367. 213 Vgl. hierzu auch Wunder, Er ist die Sonn’, S. 39. 214 Sterbeeintrag der Maria Katharina Jößlin vom 30.7.1690, StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 215 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendigen, Totenbuch 1772–1810, Eintrag vom 7.4.1798. 216 Sterbeeintrag des Johannes Würner vom 27.6.1701, StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 217 Sterbeeintrag des Johann Jakob Enderlin vom 9.7.1729, StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 218 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Totenbuch 1772–1810, Eintrag vom 20.1.1779. 219 Vgl. Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 36–38.
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Bei der Inventarisierung des Vermögens ihres verstorbenen Ehemannes gab die Witwe 1750 an, „dass sie schwangeren Leibes sich befinde, und ihrem Erachten nach dermahl in der 15.ten Woch sothaner Schwangerschaft seye.“220 Diese Schätzung war ziemlich genau, da sie am 30. Mai 1750, sechs Monate nach dem Tode ihres Mannes, ihre Tochter Christina Regina entband. Bei ihrer siebten Schwangerschaft verfügte Maria Barbara Kellerin bereits über das Wissen, um das Stadium der Schwangerschaft richtig einzuschätzen. Zu einer Zeit, da eine Schwangerschaft zumeist erst bei der ersten Kindbewegung als gesichert angesehen wurde, war sich Maria Barbara Kellerin der Vorgänge in ihrem Körper bewusst. Durch die Angabe, dass sie sich in anderen Umständen befand, sicherte sie sich aber auch ab: Frauen wiesen bei Vermögensteilungen nach dem Tod ihrer Ehegatten wiederholt auf Schwangerschaften hin, um die Erbansprüche des ungeborenen Kindes zu sichern und deutlich zu machen, dass sie wirklich von ihrem verstorbenen Ehemann schwanger waren.221 Anna Maria Eginin gab bei der Vermögensaufstellung anlässlich des Todes ihres Gatten im August 1790 an, dass „sie dermalen nicht mit bestimmt angeben könne, ob sie von ihrem verstorbenen Ehemann sich schwanger befinde oder nicht“.222 Die 31-jährige hatte im März desselben Jahres den 33-jährigen Tagelöhner Johann Michael Roth geheiratet. Ihre Ehe dauerte jedoch gerade 18 Wochen, als ihr Mann schon das Zeitliche segnete. Als 23-jährige hatte Anna Maria Eginin bereits ein uneheliches Kind bekommen, das bei ihrer Eheschließung acht Jahre alt war. Nach dem frühen Tod ihres Mannes heiratete sie nicht mehr und blieb bis zu ihrem Tod 18 Jahre später Witwe.223 Die Aussagen der Frauen über ihre Erfahrungen bei der Geburt waren in ihrer knappen Ausdrucksweise typisch für das 18. Jahrhundert. Gefahren und Leiden wurden in einfachen, eher untertreibenden Formulierungen ausgedrückt.224 Die Familiengeschichte des Apothekers Wilhelm Ludwig Willius ist in zweifacher Hinsicht aufschlussreich: Zum einen zeigt sie, dass das medizinische und heilkundige Wissen des Haushaltsvorstands die Überlebenschancen seiner Kinder 220 StadtA Emmendingen, B1b/411. Eva Labouvie bemerkt: „Es erstaunt deshalb nicht, daß Frauen in illegitimen Beziehungen zumeist eher Anzeichen einer Schwangerschaft zu bemerken glaubten und besser um die zeitlichen, situativen und kausalen Zusammenhänge ihrer Gravidität wußten, als verheiratete Frauen, die keinen vergleichbaren Zwang oder Drang zur Selbstbeobachtung ihres Körpers unterlagen.“ Ledige Frauen in Lothringen konnten den Zeitpunkt ihrer Empfängnis genau angeben, wenn sie sich selbst anzeigten. Labouvie, Andere Umstände, S. 12 (Zitat), 19. 221 Vgl. StadtA Emmendingen, B 1b/692, 885, 1344. 222 StadtA Emmendingen, B 1b/1056. 223 StadtA Emmendingen, B 1b/1056. C/IX Stadtrechnung 1782. Genealogien Emmendingen und Niederemmendingen. Zum Erbrecht unehelicher Kinder vgl. u.a. Maurer, Baden Nr. 1529 (06.07.1744) 224 Laurel Thatcher Ulrich verweist bei der Analyse von Geburtsberichten aus Neuengland im 18. Jahrhundert auf die sparsame Verwendung sprachlicher Mittel, die für sie vor allem „kulturelle Eigenart, ein Schutz vor Enttäuschungen und ein Zeichen des blinden Gehorsams gegenüber Gott“ waren. Ulrich, Ihre Arbeit, S. 30–49, Zitat S. 30–31. Vgl. Medick, Weben und Überleben, S. 370–373.
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offenbar nicht erhöhte, zum anderen handelt es sich um den für Emmendingen im 18. Jahrhundert singulären Fall wiederholter Zwillingsgeburten. Willius war zweimal verheiratet. Seine erste Frau, die im Alter von 28 Jahren in der Elz ertrank, gebar in den neun Jahren ihrer Ehe vier Kinder, von denen nur eines, der spätere Arzt Wilhelm Ludwig Willius, das Kleinkindalter überlebte. Ein Sohn starb mit 13 Monaten und die Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen, wurden drei Monate alt. Sie starben am gleichen Tag. Willius’ zweite Frau lebte mit ihm 26 Jahre zusammen und entband sieben Kinder, darunter ein weiteres Zwillingspaar. Ein Mädchen starb als Säugling, und ein Sohn verschied im Alter von 17 Jahren in Halle. Alle anderen Kinder aus dieser Verbindung wurden erwachsen.225 In Emmendingen gab es bis 1800 insgesamt zwölf Zwillingsgeburten unter den lutherischen und nachweislich eine unter den jüdischen Einwohnern. Darunter waren drei Totgeburten; zwölf Kinder starben innerhalb der ersten Lebenswoche, fünf wurden zwischen drei Wochen und elf Monate alt. Sechs erreichten das Erwachsenenalter, darunter die Geschwisterpaare Johanna Eleonora und Johann Christian Willius sowie Nelson und Seligmann Abraham Herzel.226 Mehrere historisch-demographische Studien haben festgestellt, dass die Kinder wohlhabender Eltern keine besseren Überlebenschancen hatten als die Nachkommen ärmerer Gemeindemitglieder,227 und das Oberamt Hochberg228 mit seiner Amtsstadt Emmendingen bildete in dieser Hinsicht offenbar keine Ausnahme. Der Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann hatte aus erster Ehe fünf Kinder, von denen zwei im Kindesalter verstarben. Aus der zweiten Ehe stammten zwei Töchter, von denen eine noch als Säugling starb. 229 Damit lag die Kindersterblichkeit in der reichen Metzgerfamilie etwa im Emmendinger Durchschnitt. Von den 14 Kindern des wohlhabenden Krämers Johann Jakob Mollinger, der selbst 73 Jahre alt wurde und viermal verheiratet war, überlebte kein einziges das Kleinkindalter.230 Während der Geburt standen den Frauen Nachbarinnen, Freundinnen sowie die städtische Hebamme bei. Von der Stadt erhielt die Hebamme in den 1660er Jahren eine Vergütung von sechs Gulden im Jahr sowie einen Klafter Brennholz.231 Im 18. Jahrhundert wurden ihr nur noch fünf Gulden bezahlt.232 Der To225 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 226 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Es handelt sich um fünf „gemischte“, fünf weibliche und drei männliche Zwillinge. Das Geschwisterpaar Model und Samuel Bloch wurde erst 1804 geboren. Vgl. Schmölz-Häberlein, Integration, S. 340. Labouvie stellt ein höheres Risiko für Totgeburten bei Zwillingsgeburten fest. Labouvie, Andere Umstände, S. 167. 227 Knodel, Demographic Behaviour, S. 71–74; Medick, Weben und Überleben, S. 368–369. 228 Zu Eichstetten vgl. OFB Eichstetten, S. 825. In Eichstetten lag die Kindersterblichkeit bis zum 15. Lebensjahr in der oberen Vermögensklasse bei 30,1 Prozent, in der mittleren bei 23,5 Prozent und in der untersten bei 24,2 Prozent. Die mittlere Kinderzahl lag in der oberen Gruppe bei 5,9, in der mittleren bei 5,3 sowie in der untersten bei 4,8 Kindern. 229 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 230 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 231 „… daß Barbara, Paul Richters Wittiben, so bis dato das Hebammen Amt versehn, die gewohnliche Belohnung, benantl(ich) 6 fl. zeitwährend ihrer Bedienung, von gemeiner Stadt
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deseintrag der Magdalena Grimmelin, der Ehefrau des Johann Friedrich Roth, aus dem Jahre 1719 gibt über ihr Wirken Auskunft: „13 Jahr lang war sie Hebammen und hat über 500 Kinder empfangen. Am 18.9.(17)19 hat sie noch das Kind vom Schwerer notgetauft.“233 Alle im 18. Jahrhundert in Emmendingen arbeitenden Hebammen entbanden während ihrer Amtszeit mehrere hundert Kinder. Sie stammten aus Handwerkerhaushalten; für Pfarrersfrauen ist keine Tätigkeit in der Geburtshilfe belegt.234 Obwohl nur verheiratete Frauen die Hebamme wählten, stand diese auch ledigen Müttern zur Verfügung. Der einzige Fall von Kindsmord in den Emmendinger Quellen betraf die aus dem benachbarten Wasser stammende Anna Maria Jenne (Jennich), die als „Hure von Wasser“ bezeichnet wurde. Sie hatte 1750 ein erstes uneheliches Kind von Bernhard Scherberger. Dem Kirchenbuch zufolge hatte sie „Ende November oder Anfang Dezember 1755 (…) ein Tod Kind geboren. Da sie es in Lumpen wickelte und einige Tage liegen ließ, auch Schwangerschaft und Geburt des Kindes leugnete, kam sie in den Verdacht des Kindsmords. Der Verdacht wurde stärker, da sie fortlief, als man sie verhaften wollte.“235 Außerdem wurde am 27. April 1770 die Eichstetterin Anna Maria Ottin wegen Kindsmords enthauptet.236 Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm allerdings der Einfluss der Männer auf die Geburtshilfe zu. Waren zunächst allein die Erfahrung der Hebamme und das Vertrauen der Frauen in sie ausschlaggebend, wurden Ausbildung und Prüfung ihres Wissens später einem männlichen Arzt übertragen. Bereits im Jahre 1720 erhielt Dr. Johann Michael Brodhag zwölf Gulden und 30 Kreuzer für die Examinierung von drei Hebammen.237 Elisabeth Junckerin, die zweite Ehefrau des Sei-
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236 237
wegen gereichet werden soll.“ GLA Karlsruhe, 137/205, Extractus Stadtratsprotokoll vom 3. August 1663, fol. 111a. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1700–1800. Vgl. Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 63–64. Zur Bewertung der Arbeit von Labouvie vgl. Dinges, Geburt. Die Biographie einer Hebamme im Lothringen des 18. Jahrhunderts findet sich in Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 66–73. StadtA Emmendingen, Genealogie Kollmarsreute. Zur Bedeutung der Nottaufe vgl. Labouvie, Andere Umstände, S. 171–176. Schorn-Schütte betont, dass in Norddeutschland Pfarrersfrauen als Hebammen tätig waren. Schorn-Schütte, Pfarrfrauen, S. 222–223. StadtA Emmendingen, Genealogie Wasser. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich eine große Debatte um den Kindsmord und die damit einhergehenden Strafen. Vgl. Hull, Sexuality, S. 111–122. Ulbricht, Kindsmord. Labouvie, Andere Umstände, S. 50–58, 87–102. Opitz, Mutterschaft, S. 87–88. Meumann, Findelkinder. Ab 31.10.1778 wurde in Baden keine Kindsmörderin mehr mit dem Tode bestraft. Nach einer Ehrenstrafe mit Prangerstehen wurde die Frau ins Zuchthaus überführt. GLA Karlsruhe, 74/3902. Schmölz-Häberlein, Scharfrichter, S. 37. OFB Eichstetten, Nr. 2798. Issel, Eichstetten, S. 107. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1720. In der Residenzstadt Koblenz wurden derartige Fortbildungen erst Ende des 18. Jahrhunderts üblich. François, Koblenz, S. 40. Zur Zunahme des männlichen Einflusses auf die Geburtshilfe und zur Einrichtung der ersten Hebammenlehranstalt in Straßburg 1728 durch Jakob Fried vgl. Metz-Becker, Geburtshilfe, S. 239–241. Doch bereits vor Errichtung dieser Ausbildungsstätte prüften die Hochberger Ac-
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lermeisters Johann Melchior Keller, äußerte sich 1753 anlässlich einer Befragung, wie sie die Hebamme beurteile, sie „habe die Schwörerin 3mahl gebraucht, so weit keine Klage, H(err) Doctor müße immer das meiste bey ihr tun, seye eine harte Gebährerin, man möge machen was mann (sic!) wolle, es seye ihr alles eins“.238 Mit Dr. Johann Samuel Rheinsberger erhielt das Oberamt in den 1760er Jahren einen eigenen Hebammenmeister, der seinen Wohnsitz in Eichstetten hatte.239 Dort wurden die Emmendinger Hebammen nachweislich in den 1780er Jahren ausgebildet und zweimal im Jahr geschult.240 1767 wurden die Hebammen aufgefordert, über jede Geburt einen Bericht zu schreiben und bei ungewöhnlichen Vorkommnissen den Landphysikus zu informieren.241 Das Interesse an einer professionellen Geburtshilfe zeigte sich sowohl in diesen Fortbildungsmaßnahmen als auch in der regelmäßigen Instandhaltung der Hebammenstühle. So erhielt der Schreiner Johann Christian Siebenhaar 1776 für einen neuen Hebammenstuhl beinahe sieben Gulden, und die gleiche Summe erhielt der Sattler Johann Reinhard Grün für das Polstern von zwei Stühlen mit Rosshaar und das Beziehen mit Leder.242 Auch entsprechendes Unterrichtsmaterial wurde auf Gemeindekosten beschafft: die Stadt bezahlte 1775 Hofrat Gustav Friedrich Jägerschmidt für zwei Exemplare des „Hebammenunterrichts“ und den Arzt Willius für ein Hebammen-
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coucheure die Frauen, die ihr Wissen jedoch meist bei älteren erfahrenen Frauen erworben hatten. GLA Karlsruhe, 198/604, Bericht des Spezials Wagner an das Oberamt, 13. Sonntag nach Trinitatis 1753. Labouvie erwähnt, dass in den Städten bei schwierigen Geburten regelmäßig Accoucheure oder Chirurgen hinzugezogen wurden, Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 75. Labouvie, Andere Umstände, S. 105–106. StadtA Emmendingen, B/IV/2-168. Geographisch, statistische Beschreibung 1804, S. 347. Burguière/Lebrun, Familienmodelle, S. 182 schreiben, dass sich Entbindungskurse generell nach 1760 nachweisen lassen. In diesen zeitlichen Rahmen fügt sich auch Hochberg ein. Ähnliche „Modernisierungsbestrebungen“ fanden zeitlich versetzt in allen Gegenden des Alten Reiches statt und führten dazu, dass die Hebamme nicht mehr aus der Mitte der Frauen gewählt, sondern zu einem Ausbildungsberuf wurde, den Frauen nur durch einen wissenschaftlich legitimierten männlichen Ausbilder erlernen konnten. Vgl. exemplarisch Barth-Scalmani, Hebammenausbildung. Metz-Becker, Geburtshilfe. Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 32– 33. Johann Samuel Rheinberger (1747–1815) war ein Sohn des Pfarrers Christian Samuel Rheinberger in Sexau. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1787, 1789, 1791, 1792, 1798. GA Eichstetten, C/VIII/3 (Befehlsbuch 1765–1832), 13.6.1767, Dr. Willius an die Ortsvorgesetzten. In den Emmendinger und Eichstetter Beständen sind jedoch keine derartigen Berichte überliefert. Auch im GLA Karlsruhe finden sich keine Hinweise auf deren Existenz. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1776. Ein ähnlicher Eintrag in der Stadtrechnung 1787. Eva Labouvie ist der Meinung, dass die Hebammenstühle, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts aufkamen, von den Frauen in dem von ihr untersuchten Raum nicht akzeptiert wurden. Jedoch sollen sie in den Städten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitet gewesen sein, was sie auf die ärztliche Kontrolle der Hebammen bzw. die Anwesenheit von Ärzten zurückführt. Für Emmendingen sind keine Äußerungen zum Geburtsverlauf erhalten. Labouvie, Andere Umstände, S. 114–115.
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buch.243 Im gleichen Jahr hatte „Herr Hofrath Schloßer allhier (...) der Stadt als ein Beitrag zu Anschaffung eines neuen HebammenStuhls aus eigener Bewegung in Gegenwarth des StadtMagistrats“ eine Summe von fünf Gulden gegeben.244 Dieser Beitrag ist wohl vor dem Hintergrund der zweiten Schwangerschaft seiner Frau Cornelia zu sehen, deren erste Niederkunft im Beisein der Hebamme Anna Maria Rosina Schöchlinin glücklich verlaufen war. 1789 erhielt die Hebamme auf Stadtkosten ein neues „Klistier Köfferle“ für ihre Arbeit.245 Tab. 3: Lebenserwartung christlicher Emmendinger Männer und Frauen246 Sterbealter Geburtsjahrgänge 1700–1719
20–39 36
Frauen 40–59 34
Geburtsjahrgänge 1750–1769
63
74
60+ 62 101
20–39 11
Männer 40–59 50
60+ 51
35
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Emmendinger Männer und Frauen, die im 18. Jahrhundert das Erwachsenenalter erreichten, hatten relativ gute Chancen, 60 Jahre und älter zu werden, doch scheint sich die Lebenserwartung im Verlauf des Jahrhunderts insgesamt verringert zu haben. Während 27,3 Prozent der zu Beginn des 18. Jahrhunderts geborenen Frauen und 9,8 Prozent der Männer im Alter zwischen 20 und 39 Jahren verschieden, erlebten 47,0 Prozent der Frauen und 45,6 Prozent der Männer ihren 60. Geburtstag. Das höhere Mortalitätsrisiko der Frauen während der reproduktiven Phase wurde also durch eine höhere Sterblichkeit der Männer im Alter zwischen 40 und 59 Jahren ausgeglichen. In der zweiten Jahrhunderthälfte stieg vor allem der Anteil der Männer, die im Alter zwischen 20 und 39 starben, signifikant an (von 9,8 auf 16,9 Prozent), während sich die Sterblichkeit jüngerer Frauen sogar leicht verbesserte. Die Wahrscheinlichkeit, ein Alter von mindestens 60 Jahren zu erreichen, sank indessen für Frauen von 47,0 auf 42,4 Prozent und für Männer von 45,6 auf 43,0 Prozent. Eine Verringerung der Lebenserwartung der erwachsenen Bevölkerung im Verlauf des 18. Jahrhunderts, wie sie sich in den Emmendinger Daten abzeichnet, hat auch Hans Medick für das württembergische Laichingen 243 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. Beide hatten ein eigenes Hebammenbuch geschrieben. Das Buch von Jägerschmidt war gerade erst auf den Markt gekommen. In diesen Jahren erschienen eine große Zahl an Unterrichtsbüchern für Hebammen von Medizinern, deren eigentliches Zielpublikum wohl eher die unterrichtenden Ärzte waren. Vgl. Metz-Becker, Geburtshilfe, S. 242–243. Einem Generaldekret von 1779 zufolge sollte allen Hebammen eine Hebammeninstruktion auf Kosten der Gemeindekasse beschafft werden. Maurer, Baden Nr. 2606 (21.01.1779). 244 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1776. 245 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1789. Diese Hebammenkoffer enthielten auch die Schere, mit der die Nabelschnur durchtrennt wurde. Labouvie, Andere Umstände, S. 125. 246 Hier werden alle Personen erfasst, deren Geburts- und Sterbedatum bekannt ist. Für viele Personen, die in die Umlandgemeinden ab- oder aus diesen zuwanderten, aber auch für einige Fernwanderer wie Johann Melchior Ott, liegen die vitalstatistischen Daten vor.
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konstatiert.247 Sie stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass sich die hygienischen Verhältnisse mit dem Wachstum der Stadt verschlechterten. Einzelne Personen erreichten natürlich ein hohes Alter: Johanna Eleonore Willius, eine Tochter des ersten Emmendinger Apothekers, wurde 81 Jahre alt, die Jüdin Miriam Schwab, die Tochter von Baruch Schwab, erlebte ihr 84. Lebensjahr, und Katharina Wilhelmina, Tochter des Bürgermeisters Johann Melchior Ott, wurde 82 Jahre alt. Ihr Vater vollendete beinahe das 92. Lebensjahr. Der aus Steffisburg in der Schweiz stammende Calvinist Caspar Bacher wurde 82 Jahre alt. Auch der Schutzjude Jonas Weil, der mehr als 40 Jahre Judenschultheiß war, wurde 86 Jahre alt. Der Arzt Wilhelm Ludwig Willius beklagte sich in seiner Beschreibung der Markgrafschaft Hochberg über diejenigen Einwohner, die „entweder die Krankheiten blos, wie man zu reden pflegt, der Natur überlassen, und gar nichts brauchen, und diese kommen öfters am besten durch. Oder sie nehmen Zuflucht zu hitzigen über gewählten Hausmitteln, zu erhitzendem Verhalten, zu starken und selbst wählenden Brech- und Purgiermitteln, zu unrechter Zeit anzustellenden Aderlässen und dergleichen mehr.“ Besonders schlimm sei es, wenn die Hochberger ihre Kranken unwissenden Barbieren, Badern „und anderen dergleichen Würgeengeln“ anvertrauten.248 Immerhin gab es laut Willius „in unserer Markgrafschaft hin und wieder auch einige, welche sich mit den Ihrigen einem rechtmäßigen Arzt ganz allein überlassen.“249 Francisca Loetz stellte in ihrer Arbeit zur Medikalisierung in Baden fest, dass die Bevölkerung die unterschiedlichen medizinischen Angebote additiv bzw. komplementär nutzte.250 Nachlassinventare und Protokolleinträge, die vereinzelt Hinweise auf Krankheiten und ärztliche Behandlungen geben, verifizieren diese Aussage.251 Johann Georg Reinbold sah im Jahre 1772 die Ursache seines Bankrotts in der langwierigen Krankheit seiner Frau, die nach vier Ehejahren 1753 gestorben war. Reinbold, der nach dem Tod seiner Frau nicht mehr heiratete und seine Tochter alleine erzog, erklärte, „die verstorbene Ehefrau habe er kränklich bekommen, solches aus den vielen Arzneiausgaben ihrer 2. Pflegrechnung abzunehmen. Ihre kränklichen Leibeszuständ haben die ganze Ehe hindurch gewähret“, und sie hätte deshalb keinen ordentlichen Haushalt führen können. Da „die ordentliche Medici alhier und in der Gegend an ihr verlegen geweßen,“ sei er „mit Verlust vieler Zeit und Geld bey denen sogenannten Doctoren hin und her im Land biß auf den Schwarzwald hinauf und ins Elsaß hinüber nachgelauffen“ und habe Arzneien für seine Frau geholt.252 Ob die hohen Kosten für die Konsultation auswärtiger Ärzte und die Beschaffung von Medikamenten wirklich für einen Bankrott verantwort-
247 Medick, Weben und Überleben, S. 377. Hingegen bleibt die durchschnittliche Lebenserwartung in der benachbarten Gemeinde Eichstetten in etwa gleich. OFB Eichstetten, S. 818. 248 Willius, Beschreibung, S. 227. 249 Willius, Beschreibung, S. 228. Ähnliche Probleme gab es in anderen Städten; vgl. etwa François, Koblenz, S. 38–39. 250 Loetz, Medikalisierung, S. 310–314, 322. 251 Vgl. exemplarisch StadtA Emmendingen, B 1b/544, 1054, 1138, 1189, 1194, 1305. 252 StadtA Emmendingen, B 1b/978.
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lich waren, der sich 19 Jahre nach dem Tod seiner Frau ereignete, sei dahingestellt. Auch der Küfer Andreas Veith beklagte sich bitter darüber, dass er einen großen Teil seines Vermögens zur Finanzierung der Arztrechnungen seiner Frau aufwenden musste. „Es müßte ihme also sehr schmertzhafft fallen, daß er ohnerachtet er während der 6 ½ jährigen Ehe vieles bei seiner Frau ausgehalten und härter als ein Knecht gearbeitet, dennoch einen Theil von seinem Beibringen verliehren müßte.“253 Das Vermögen der Eheleute war in den letzten zwei Jahren vor dem Tod der Frau um 450 Gulden zurückgegangen, denn angesichts der Tatsache, dass sie „so elend krank darnieder gelegen, daß sie selbst so wenig in der Haushaltung thun konndte, daß sie vielmehr selbst mit einer eigenen Persohn oder durch meine Beihülfe unterstützt, und ihro dadurch ihr elender Stand aus nothwendiger Pflicht und dem Ruff des Mittleidens zu erleichtern gesucht werden“ musste, war eine solide Haushaltführung nicht mehr möglich. Der Rebmann Johannes Schneider äußerte sich 1755 anlässlich der Inventarisierung seines Vermögens über die letzten Jahre seiner Ehe mit Anna Gutjahrin: „Nun lebte mit meiner verstorbenen Frau bis hieher 35 Jahr in einem friedlichen Ehestand und erzeugte mit ihro 3 Kinder 2 Söhne und 1 Tochter, welch letztere ein gantzes Jahr biß zu ihren Ende in krancken Umständen war, die Mutter aber 3 1/2 Jahr krank und 7. Jahr als blind danieder lagen, wobei leicht zu erachten, was vor Mühe in solchem Elend ich der dermalige Witwer ausstehen musste.“ Die lange Krankheit der Frau sowie Krankheit und Tod der 19-jährigen Tochter Maria Barbara Schneiderin 1751 führten aufgrund der hohen Arzt- und Pflegekosten zu einem starken Rückgang des Vermögens.254 Beide Frauen fielen als Arbeitskräfte lange aus, und Schneider musste dafür die Magd Anna Maria Heimhoferin einstellen. Nach dem Tod seiner Frau heiratete Schneider 1755 die 33 Jahre jüngere Magd und hatte mit ihr noch zwei Kinder, wovon allerdings nur die Tochter das Erwachsenenalter erreichte. Im Jahre 1763 erkrankte die Mutter an einer Gliederlähmung.255 Der krankheitsbedingte Ausfall einer Frau und dessen Folgen für die häusliche Wirtschaft wurden wiederholt thematisiert. 1771 wurde der Schuhmacher Johann Jakob Schöchlin vor den Rat der Stadt geladen und wegen seiner Schulden befragt. Diese rührten Schöchlin zufolge „von sein und des Weibs Krankheiten, daher auch entstandene(n) Versäumnisse(n) und Kosten“ her.256 Der Bäcker Jakob Friedrich Grünwald ersuchte 1789 den Stadtrat um Nachlass einer Strafe von fünf Gulden: „da nun aber selbige Zeit meine Frau todt krank lag, habe ich freylich nicht aus deren Ursach, meinem Handwerck, wie sichs gebühret vorstehen können. Dann niemand habe ich können anstellen, und von meiner todtkranken Frau habe ich nicht gehen können“.257 253 254 255 256 257
StadtA Emmendingen, B 1b/1352. StadtA Emmendingen, B 1b/1170. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, Stadtrechnung 1755. B 1b/573, 1170. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 14.3.1771, fol. 131v. StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), Anhang, Brief vom 25.11.1789.
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Der siebenjährige Christian Friedrich Kromer wurde nach dem Tod seiner Eltern 1797 von dem kinderlosen Johann Michael Kiefer und seiner Ehefrau in Pflege genommen. Christian Friedrichs Eltern hatten ihm und jedem seiner ebenfalls noch minderjährigen Geschwister ein Vermögen von mehr als 2500 Gulden hinterlassen.258 Doch erkrankte der Junge bald und sein Pflegevater führte im Nachlassinventar des Kindes aus, „derselbe hat 10. tag lang alles ins bett laufen laßen, wo meine Frau täglich einige Stunden nur mit waschen hat müßen zubringen, mittlerzeit ich notwendiger weiße, bey dem kranken habe seyn müßen.“ Für seine Bemühungen, dem kranken Kind eine adäquate Pflege angedeihen zu lassen, erhielt das Ehepaar aus dem Nachlass des Kindes 30 Gulden.259 Der Hofküfer Johann Daniel Schöpflin setzte in seinem Testament für seine siebenjährige Tochter Eva Friederika ein Legat von 100 Gulden für die Behandlung ihres „schadhaften Auges“ aus.260 Die Familie des Andreas Grafmüller erlitt Vermögenseinbußen von fast 2000 Gulden, die die Witwe Anna Maria Schöchlinin auf „die vielen Krankheiten, die besonders ihren letzteren Ehemann und ihre Familie überhaupt betroffen“ hätten, zurückführte. Diese seien „hauptsächlich die Ursache, dass ihr Vermögen so sehr in Abgang gerathen“ sei.261 Manche Einwohner vertrauten angesichts der begrenzten Möglichkeiten der damaligen Heilkunst auf medizinische Ratschläge, die ihnen so genannte Hausapothekenbücher lieferten. In Johann Jakob Mollingers und Johann Wilhelm Leglers Bücherschränken stand das Buch „Sicherer und Geschwindter Arzt“ des Dr. Theodor Zwinger.262 Maria Magdalena Wolfin vertraute auf Weißbachs Krankenbuch.263 Auch Bücher wie die „Landapotheke“ konnten in Emmendingen erworben werden.264 Andere Einwohner verließen sich auf religiösen Beistand. Der „Evangelische Krankentrost“ von Johann Jakob Otto fand sich viermal in Emmendinger Inventaren.265 Die in diesem Kapitel präsentierten Befunde unterstreichen sowohl die Unsicherheit des Lebens im Emmendingen des 18. Jahrhunderts als auch die Bedeutung von Ehe und Familie. Voraussetzungen für eine Heirat waren vor allem ein guter Leumund, ein ausreichendes Vermögen und die Aussicht, in der Kleinstadt beruflich ein Auskommen zu finden. Während die Bevölkerung ein gegebenes 258 StadtA Emmendingen, B 1b/754. 259 StadtA Emmendingen, B 1b/755. 260 StadtA Emmendingen, B 1b/493. Die junge Frau wurde 30 Jahre alt und starb kurz nach der Entbindung ihres zweiten Kindes. Ob die Kur ihr Leiden lindern konnte, ist nicht zu ermitteln. Als ihre Pfleger wurden der Schreiner Johann Georg Siebenhaar und der Bürgermeister Otto Ludwig Hartmann bestellt. Sie heiratete den Maurer Johann Georg Bergtold, der ein Stipendium der Stadt bekommen hatte. 261 StadtA Emmendingen, B 1b/471. 262 StadtA Emmendingen, B1b/823, 881. Es handelt sich um den gleichen Autor wie im Fall von „Dr. Zwingers Kräuterbuch“, das sich bei den Eheleuten Eisenlohr fand. 263 StadtA Emmendingen, B 1b/541. 264 StadtA Emmendingen, B 1b/308. 265 StadtA Emmendingen, B 1b/308, 493, 698, 1075. Johann Jakob Otho lebte von 1631–1669. Wesentlich mehr Anklang fand der Autor auf der Schwäbischen Alb. Medick, Weben und Überleben, S. 547.
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Eheversprechen als Basis einer späteren Heirat offenbar weithin akzeptierte und auch bestimmte Formen vorehelicher Kontakte zwischen jungen Männern und Frauen tolerierte, ging die obrigkeitliche Moralpolitik im Verlauf des Jahrhunderts verschärft gegen vor- und außereheliche Sexualität vor. Die Hochzeit markierte als feierlicher „rite de passage“ den Eintritt in die Welt der Erwachsenen und wurde entsprechend aufwändig begangen. Die materielle und rechtliche Seite der ehelichen Verbindung wurde in Eheverträgen detailliert geregelt. Diese Befunde gelten grundsätzlich sowohl für die evangelische Bevölkerungsmehrheit als auch für die jüdische Minderheit. Da Emmendingen von einer hohen Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit geprägt war sowie Schwangerschaft und Geburt für die Frauen stets ein Risiko darstellten, waren Krankheit und Tod allgegenwärtig. Zahlreiche Ehen wurden durch den frühzeitigen Tod eines der Ehepartner aufgelöst, und es kam relativ häufig zu Wiederverheiratungen. Da die in solchen Fällen geschlossenen Eheverträge auch die Ansprüche von Kindern aus früheren Verbindungen zu berücksichtigen hatten, erhöhte sich die Komplexität der rechtlichen Bestimmungen. Im Bereich der Geburtshilfe und medizinischen Betreuung gab es zwar Ansätze zur Professionalisierung, doch die Erfolge ärztlicher Heilkunst waren nicht nur im Falle Cornelia Goethes äußerst begrenzt, und längere Krankheiten von Familienmitgliedern stellten eine schwere finanzielle Belastung der Haushalte dar.
Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen; So wie Gott sie uns gab, so muß man sie haben und lieben, Sie erziehen aufs beste zu jeglichen lassen gewöhren. Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben. (Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea, Dritter Gesang, Vers 47–50)
V. KINDHEIT UND JUGEND, BILDUNG UND AUSBILDUNG 1. KINDHEIT IN EMMENDINGEN „Bring doch, wenn Dirs nicht zu lästig ist, 2 gemeine Käfige und 2 Vögel die singen mit, Canarien oder andere. Ich ersetze Dir die Auslage, ich will meinen Mädchen eine Freude machen“,1 schrieb Johann Georg Schlosser im Oktober 1777, zehn Tage nach dem dritten Geburtstag seiner ältesten Tochter Anna Maria Louise, an seinen Freund Johann Gottfried Röderer. Seine jüngere Tochter Elisabeth Katharina Julia war damals gerade fünf Monate alt, und der Tod seiner Frau Cornelia lag vier Monate zurück.2 Auf den ersten Blick scheint diese Briefstelle gut zu der geläufigen Auffassung zu passen, dass sich im 18. Jahrhundert zunächst in den bürgerlichen und adeligen Oberschichten eine neue Einstellung zu Kindern herausbildete und die Kindheit zunehmend als eigene Lebensphase wahrgenommen wurde, in der Kinder besonderer Fürsorge und Zuwendung bedurften.3 Da von anderen Emmendingerinnen und Emmendingern kaum Selbstzeugnisse überliefert sind, lässt sich ihre Einstellung zu Kindern nur aufgrund fragmentarischer Quellenzeugnisse – insbesondere aus Zubringens- und Nachlassinventaren sowie aus Akten und Protokolleinträgen über Konfliktfälle – skizzieren. Inventare wie dasjenige des Burgvogts Böck oder der Eheleute Eisenlohr führen mitunter Kindermöbel wie Wiegen, Kinderbetten, seltener auch Kinderstühle, Kindersessel und Kindertische auf.4 An Kinderkleidung finden sich Kappen in verschiedenen Farben und Hemden; häufig wurde getragene Erwachsenenkleidung zu Kinderkleidern umgearbeitet.5 In der Werkstatt des Strumpfwirkers 1 2
3 4 5
Brief Johann Georg Schlossers an Johann Gottfried Röderer, Emmendingen, 28.10.1777, abgedruckt in: Stöber, Röderer, S. 154. Anna Maria Louise wurde am 18. Oktober 1774 und Elisabeth Katharina Julia am 16. Mai 1777 geboren. Drei Wochen nach der zweiten Geburt, am 8. Juni 1777, verstarb Cornelia Goethe im Alter von 27 Jahren. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Vgl. Kapitel III.9. Ariès, Geschichte der Kindheit. Shorter, Geburt der modernen Familie. Burguièr/Lebrun, Der Priester der Fürst. Vgl. exemplarisch StadtA Emmendingen, B 1b/79, 209, 230, 307, 308, 411, 433, 540, 575, 660, 876, 891, 947, 1150, 1192, 1305, 1379, 1492. StadtA Emmendingen, B 1b/224, 540.
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Christian Friedrich Letzmann waren 1741 zehn Formen für Kinderstrümpfe vorhanden.6 Kinderwägen gab es nur in wenigen Haushalten; allerdings stand in vielen ein Leiterwagen.7 Johann Jakob Pollack verfügte 1755 über eine Kinderwaage,8 und in den Haushalten Johann David Schöpflins und Christian Heinrich Hartmanns waren 1769 bzw. 1793 „Kinderbettschüsseln“ vorhanden.9 Anlässlich ihrer Taufe wurden Kindern Geschenke verehrt.10 Inventare verzeichnen wiederholt „Tauftücher“ aus Taft. Sybilla Eccardin hatte 1746 ein weißes und ein blaues, Maria Magdalena Wolfin 1760 ein blaues mit weißem Futter und Christian Hartmann 1793 ein rotes im Schrank.11 Auf Spielzeug gibt es nur vereinzelte Hinweise: Sophia Elisabeth Kleinin besaß 1748 eine silberne Kinderklepper mit einem Achat und vier Schellen,12 und die Inventare Johann Wilhelm Malers von 1783 sowie Georg Jakob Knoderers aus den 1790er Jahren verzeichnen Rasseln.13 Johann Georg Hurter hatte 1773 einen Kinderdegen14 und Johann Michael Mühlhof 1785 zwei sog. „Kinderläufer“ im Haus.15 Die meisten Rasseln und anderen Spielsachen wurden wahrscheinlich wegen ihres geringen Werts nicht verzeichnet. Die in den Haushalten des Kaufmanns Johann Melchior Ott, des Sattlers Johann Reinhard Grün, des Bäckers Jakob Friedrich Koch sowie des Stadtschreibers und Hofrats Karl Wilhelm Baurittel verzeichneten Brettspiele hingegen dürften primär dem Zeitvertreib der Erwachsenen gedient haben. Sicher gilt dies für Baurittels Spieltisch.16 Ebenso dienten die Vogelkäfige in den Häusern wohlhabender Familien, etwa im Haushalt der Anna Maria Wildersinnin17 und des Bürgermeisters Johann Wilhelm Zimmermann, wohl nicht in erster Linie dem Vergnügen der Kinder, sondern sind eher als familiäre Statussymbole anzusehen.18 Darüber hinaus berichten einige Quellenzeugnisse von spielenden Kindern. Im Jahre 1719 wurde der neun Jahre alte Christian Reichert „auf der gautschen“, 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
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17 18
StadtA Emmendingen, B 1b/826. StadtA Emmendingen, B 1b/209, 660, 1492. StadtA Emmendingen, B 1b/955. StadtA Emmendingen, B 1b/493, 547. Vgl. StadtA Emmendingen, B 1b/305, 798, 800, 808, 911, 981, 1371. Lutz, Patenbrief, S. 58– 62. StadtA Emmendingen, B 1b/541, 547, 1533. Der Wert ist jeweils mit drei Gulden angegeben. Vgl. zu Württemberg Unseld, Eintritt ins Leben, S. 20–21. StadtA Emmendingen, B 1b/611. StadtA Emmendingen, B 1b/692. StadtA Emmendingen, B 1b/619. StadtA Emmendingen, B 1b/884. Hierbei handelt es sich wohl um ein sogenanntes Gängelband, die gewöhnliche Lauflernhilfe für Kinder bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Diese geschirrartige Haltevorrichtung diente auch der Beschränkung des Bewegungsraums für Kleinkinder. StadtA Emmendingen, B 1b/947 (1762). B 1b/209 (1795). B 1b/698 (1787). GLA Karlsruhe, 198/79 (1798). Weitere Hinweise auf Spiele in StadtA Emmendingen, B 1b/548 (1794), B 1b/849 (1786), B 1b/1074 (1780), B 1b/981 (1778), B 1b/1029 (1773), B 1b/1260 (1802), B 1b/1473 (1764). StadtA Emmendingen, B 1b/307. StadtA Emmendingen, B 1b/1535.
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also einer Schaukel, die in einer Scheune aufgehängt war, „dergestalt in die Höhe geschleudert, biß der bub darunter gefallen, die hüfft zu brechen und das obere rechte Bein zerquetscht.“19 Aus der Klage der Barbara Stephanin gegen Leonhard Knoderer auf Ersatz der Barbierkosten für ein „entzwey geworfenes Nasenbein“ aus dem Jahre 1711 erfahren wir von einem kollektiven Badevergnügen. Der Vater des Kindes behauptete nämlich, Barbara Stephanin hätte, „als sein und andere Buben gebadet“, die Jungen „mit anderen Meidlin gereitzet, Item die Kleider getrachtet zu verbergen.“ Deshalb „könnte wohl sein, daß sein Söhnlein“ mit Steinen nach der Klägerin geworfen habe. Als weitere Zeugin wurde Knoderers Magd Anna Gucklerin gehört. Sie betonte die Unschuld der Klägerin: sie selbst habe zwar „deß Metzgers Büblins Hosen genommen“, doch „deß Adlerwürths Magd hette nichts angerührt und sie nicht gereitzet“.20 Bei dem „Söhnlein“ handelte es sich entweder um den damals achtjährigen Leonhard oder den elfjährigen Georg Ludwig Knoderer. Die Jungen badeten wohl regelmäßig in den Flüssen. Wie der tragische Fall des Lateinschülers Sigismund Sexauer zeigt, konnte dies durchaus gefährlich sein. Der Sohn des Schultheißen Sexauer aus Schmieheim wohnte in Niederemmendingen, um in der Stadt die weiterführende Schule zu besuchen. „Den 4. Juni 1766 ging er gleich nach der Mittags.Schul mit etlichen Cameraden an die Elz, darin zu baden. Und als er sich tiefer als jene hinein wagte, ertrank er zum großen Leidwesen seiner Eltern und zum Schrecken der Emmendinger.“21 Obwohl die Inventare keine Bälle verzeichnen, war Ballspielen offenbar ein beliebtes Freizeitvergnügen. Nachdem mehrmals Kirchenfenster durch Ball spielende Kinder eingeworfen worden waren, ordnete der Stadtrat 1794 an, dass diese in der Schule „gehörig gezüchtigt werden mögen, als welches das einzige Mittel sey“, den „Mutwillen der Jugend“ zu bändigen.22 Außerdem kam es während und nach der Kinderlehre wiederholt zu Streichen und Raufereien. Im Jahre 1706 trieben Leonhard Frey und Hans Georg Steinhilber in „offentlicher Kinderlehr Gelechter und Nahrenboßen“.23 An einem Sonntag des Jahre 1767 hatten mehrere Jugendliche „unter der Kinderlehr, in des Dölters Haus miteinander im Garten gespielt“.24 Während der Kinderlehre am Dreikönigstag 1770 hatten Jugendliche Unfug getrieben und einander „ins Gesicht geschlagen“.25 Wilhelm Friedrich Meyer beschwerte sich 1776, dass sonntags nach der Kinderlehre „des Schmid Gözen 10-jähriger Bub sein 3-jähriges Kind mit Fäusten zu Boden geschlagen“ habe. Dies habe ihn so aufgebracht, dass er den Jungen geohrfeigt ha19 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 10.3.1719, fol. 15r–15v. 20 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 20.8.1711, fol. 118v. 21 OSB Schmieheim Nr. 1525. Der neunjährige Kaspar Bacher ertrank 1697 ebenfalls beim Baden in der Elz, und auch mehrere Erwachsene kamen beim Schwimmen beziehungsweise durch einen Sturz in die Elz ums Leben. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 22 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 14.7.1796, fol. 63v–64r. 23 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 5. Febr. 1706. 24 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 6.2.1767. 25 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 12.1.1770.
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be.26 Im Jahre 1790 ließ Maria Elisabeth Berblingerin Kinder und Jugendliche in ihrer Scheune „Comedie“ spielen.27 Die Obrigkeit holte bei den regelmäßig stattfindenden Visitationen Erkundigungen ein, ob Schulkinder zu Wirthausgelagen, nächtlichen Tänzen oder während der Schulzeit zu Fronarbeiten und Jagden mitgenommen wurden.28 Häufiger als das Spielen von Kindern wurden in den Quellen naturgemäß die Arbeit, Mühe und Kosten, die sie ihren Eltern verursachten, thematisiert. Familien mit kleinen Kindern beschäftigten häufig Mägde, die bei der Kinderbetreuung und im Haushalt halfen oder die Frauen im Kindbett betreuten.29 Anna Eva Kreyerin berichtete der Kirchenzensur im Jahre 1757, dass ihr Schwiegersohn „zu nacht um halb ein Uhr berauscht nach Hauß gekommen, da sie eben sein Kind, jetzo 14 Wochen alt, wegen dessen Unpäßlichkeit in der Stube herumgetragen“ habe.30 Regina Heimhoferin beschuldigte ihren Mann Jakob Rist 1764 mangelnder Fürsorge für die Familie; insbesondere warf sie ihm vor, dass er sie nicht kochen lasse, „aus Forcht, es möchte was davon kommen (...) lasse es sonstwo kochen und mittlerweil müße sie und das Kind darben.“31 Auch Anna Katharina Prachtin erhob 1765 Vorwürfe gegen ihren Ehemann Jakob Friedrich Grünwald, dass er sie und die Kinder nicht versorge und sie „würklich jezo weder brod noch Geld im Hause in ihrer Gewalt habe.“ Zwei Jahre später zeigte der Pfarrer Grünwald beim Rat der Stadt „als ein SabbatsVerächter und Schänder“ an und bemerkte, dass „er wieder ein liederliches Leben führe, und seine Ehefrau durch dermaßene Verwünschungen und bezüchtigungen mißhandle, auch an ihr das Kirchengehen nicht leiden könne, und übrigens die Kinder hunde p. nenne.“ 32 Dass die Kindererziehung überwiegend Sache der Frauen war, zeigen die Aussagen von Männern, die die Vernachlässigung ihrer Kinder damit entschuldigten, dass ihre Frauen krank seien oder im Wochenbett lägen. So gab Philipp Jakob Frank im Jahre 1767 vor der Kirchenzensur an, dass er seine Kinder wegen „seines Weibs Kranckheit“ nicht in die Schule geschickt habe. Damit vermochte er die Zensoren allerdings nicht zu überzeugen, denn er war „schon fernd vergeblich gewarnet worden“ und hatte öffentlich geäußert, er „wolle lieber seine Kinder tod schlagen, alß zur Straf diesfalls ins Häuslein gehen.“33 Immerhin wurde einer seiner Söhne später Lehrer in Ihringen.34 Karl Wilhelm Hartmann hatte 1769 zu erklären, warum er „seinen 2 Kinderen statt des Mittagessens, Branntwein und Ap26 27 28 29 30 31 32 33
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StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 1.5.1776. StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 20.5.1790, fol. 205r. Holenstein, Gute Policey I, S. 333. StadtA Emmendingen, B 1a Fasz. 5, 21. und 23. Juli 1745. Zum Kontext dieses Falles vgl. Kapitel VIII. StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 2.9.1757. StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 3.2.1764. StadtA Emmendingen, B 1b/478. StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 11.1.1765. Vierteljährliche Berichte an das Oberamt wegen Schulversäumnissen waren Pflicht. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 260. StadtA Emmendingen, B 1b/389, 391. Genealogie Emmendingen. OSB Ihringen, Nr. 610.
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fel gereichet, worauf sie (...) in der Schule sich ungebührlich verhalten und geschlaffen“ hätten. Hartmann behauptete, damit nichts zu tun zu haben, und gab die Schuld seiner Frau, „die jezo in Wochen liegt“.35 Außerdem griffen Mütter ein, wenn ihre Kinder von Fremden gezüchtigt wurden, und machten damit deutlich, dass sie die Kompetenz zur Erziehung ihrer Kinder beanspruchten. Im Jahre 1748 hatte eine Magd des Maurers Johannes Feistenauer das Kind des Kaufmanns Anton Blum geschlagen, als es die Hoftüre schloss. Daraufhin war die Magd von der Mutter des Kindes „auf den boden gerissen und mit fäusten“ traktiert worden.36 Waisenkinder finden vor allem als Kostenfaktor in städtischen Rechnungen Erwähnung. So übernahm die Stadt für Simon Roth die Zehrungskosten in Höhe von 48 Kreuzern, die dieser „für seines Bruders Kind, daß 1723 in das Pforzheimer Weisenhaus gekommen“, ausgelegt hatte.37 Im Jahre 1792 sagte Johann Friedrich Abiger vor dem Rat aus, dass er das ihm übertragene Pflegekind nicht zu sich nehmen und erziehen könne, weil dies „seine Ehefrau ein für allemal nicht zugeben wolle“ und er sich fügen müsse, „um nun dem Eheunfrieden vorzubeugen.“ Seine Frau sei der Meinung, dass sie „nicht die Zeit (habe), sich mit der Erziehung dieses Kindes abzugeben“.38 Auch die Kinder von im Gefängnis sitzenden Bürgern mussten versorgt werden. 1786 zahlte die Stadt an Friedrich Heimhofer aus der Almosenkasse drei Gulden „Kostgeld für die jüngsten 2. Buben des eingetürmten Beck Bernhard Hessen alhier.“39 Die von Andreas Gestrich konstatierte „Reproduktion der öffentlichen Dominanz der männlichen Jugend durch die Historiker“40 lässt sich auch im Falle Emmendingens nicht vermeiden, da diese häufiger in den Quellen erwähnt wird – sei es aufgrund von Unfällen, sei es in der Schule oder bei Aktivitäten von Jugendgruppen. Da Mädchen sich in der Regel im Haus aufhielten, fielen sie weniger auf und waren auch seltener bei Konflikten zugegen. Dies ist auch bei den folgenden Abschnitten über Schule, Ausbildung und Jugendkultur in Rechnung zu stellen.
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StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 3.2.1769. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.4.1748, fol. 218r–218v. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1723–1724. StadtA Emmendingen, B 1b/891. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1786. Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 132.
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2. MÄDCHEN UND JUNGEN IN DER SCHULE Das Oberamt Hochberg hatte André Holenstein zufolge um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch einen „Nachholbedarf im Ausbau des Schulwesens“.41 Zu diesem Zeitpunkt existierten in Emmendingen eine Volksschule oder „teutsche Schule“ und eine weiterführende Schule, die Lateinschule. Der religiösen Unterweisung diente die „Kinderlehre“ oder Sonntagsschule, deren Besuch für Lehrlinge, Knechte und Mägde obligatorisch war. Die Sonntagsschule sollte das in der Volksschule erworbene Wissen vertiefen und die Kenntnis der Grundsätze des evangelisch-lutherischen Glaubens festigen.42 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entstanden zudem eine 1783 erstmals belegte Realschule, die Unterricht in praktischen Fächern erteilte,43 sowie Strick-, Näh- und Spinnschulen. Damit verfügte die badische Kleinstadt gegen Ende des Untersuchungszeitraums über ein differenziertes Schulsystem, in dem die Bildungschancen allerdings geschlechtsspezifisch ungleich verteilt waren: Während der Besuch der Volksschule und Kinderlehre für Mädchen wie Jungen obligatorisch war, standen die Latein- und die Realschule ausschließlich der männlichen Jugend offen. Die Näh- und Spinnschulen hingegen sollten den Mädchen und Jungen praktische Kenntnisse vermitteln.44 Der im 17. Jahrhundert entstandenen und zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneut publizierten baden-durlachischen Landesordnung zufolge sollte der Elementarschulunterricht vor allem der Vermittlung von religiösen Grundsätzen und Grundkenntnissen im Schreiben, Lesen und Rechnen dienen. Sobald die Kinder 41 Holenstein, Gute Policey II, S. 572. Holenstein stützt sich hier auf Schmale, Schule, S. 649, der seine Kenntnisse aus einer unveröffentlichten Dissertation von 1979 bezieht. Die darin behauptete schulische Unterversorgung um die Mitte des 18. Jahrhunderts ist für Hochberg angesichts des hohen Alphabetisierungsgrads der männlichen und weiblichen Einwohner nicht nachzuvollziehen. Schmale verweist darauf, dass der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung auf die schulische Versorgung schließen lässt. Schmale, Schule, S. 653–654. 42 Die Eisenlohrs hatten Hunderte von „Kinderlehren“ für den Sonntagsschulunterricht auf Lager. StadtA Emmendingen B 1b/307, 308. Zu den Sonntagsschulen in Baden vgl. Windelband, Verwaltung, S. 143–144. Zimmermann, Reformen, S. 113–122. Allgemein: Burguière/Lebrun, Familienmodelle, S. 192. 43 Holenstein, Gute Policey II, S. 583. Allerdings wurden in Baden-Durlach schon 1767 Realschulen eingeführt, daher ist es möglich, dass es schon vor dieser Erwähnung eine Realschule in der Amtsstadt gegeben hat. Maurer, Baden Nr. 2240 (13.11.1767). Zimmermann, Reformen, S. 92–129. Der Lehrer Elias Hagner erhielt 1783 für Unterricht in der Knabenrealschule vier Gulden und 15 Kreuzer und 1785 für das Halten der Sonntagsschule einen Gulden und 30 Kreuzer. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1783, 1785. 44 In Hochberg mussten bis zum Winter 1768 mindestens zwei Spinnschulen eingerichtet werden, die die Verarbeitung von feinem Hanf oder Flachs unterrichten sollten und 1770 wurde kontrolliert, ob diese in Gang gebracht worden waren. Holenstein, Gute Policey I, S. 266 Anm. 79, 80. Vgl. allgemein Schmale, Schule, S. 648, 656. Ludwig, Hochberg, S. 103–105. Dass Kleinstädte eine größere Differenzierung an Schulformen aufweisen als Landgemeinden, ist auch für Sachsen nachgewiesen. Vgl. Keller, Kleinstädte in Kursachsen, S. 332–342. Keller, Schule und Bildung. Maurer, Baden Nr. 2219 (18.09.1767), 2260 (10.06.1768), 2619 (19.11.1779). Zimmermann, Reformen, S. 92–129.
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„ihres Hertzens=Gedancken/ mit dem Mund verständlich außsprechen könen“, waren ihre Eltern verpflichtet, sie „vor allen Dingen zur Forcht Gottes, als die ein Anfang ist aller Weisheit/ zu dem Gebet und Cathechismo / mit allem Fleiß und Treu anzuweisen/ und dieselbe berechter Zeit/ (…) zu den Schulen zu schicken/ damit sie darinnen nicht allein die Fundament des Christlichen Glaubens / sondern auch das Schreiben/ Lesen/ und anders/ so einem jeden/ seinem Alter und Verstand nach/ zu lernen von nöten/ begreifen und fassen mögen.“45 Wie andere frühneuzeitliche Territorialstaaten stellte damit auch die badische Landesordnung die Erziehung der Jugend zu frommen und gottesfürchtigen Untertanen sowie den Erwerb notwendiger Kenntnisse in den Mittelpunkt.46 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Modernisierung des Schulwesens zu einem Kernanliegen aufgeklärter Politik in der Markgrafschaft Baden. Die Schulaufsicht wurde deutlich intensiviert, neue praktische und weiterführende Schulen wurden eingerichtet, und in Karlsruhe wurde 1768 ein Lehrerseminar gegründet.47 In Emmendingen sind seit der Jahrhundertmitte zunächst verstärkte Bemühungen um einen regelmäßigen Volks- und Sonntagsschulbesuch zu beobachten. Als der Schuhmacher Johann Georg Stiefel seine Kinder 1754 nicht in die Schule gehen ließ und sich weigerte, ihr Schulgeld zu bezahlen, riet ihm die Stadt nachdrücklich zur Zahlung und zu pünktlicher Anwesenheit seiner Kinder, „oder man werde ihn zu empfindl(icher) Straff ziehen.“48 Die Kirchenzensur erlegte dem Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann 1758 eine Buße von acht Kreuzern auf, weil er seine Mägde Anna Maria Schneiderin und Anna Foßlerin nicht wie vorgeschrieben zur Kinderlehre geschickt hatte. Der Spezialsuperintendent bemerkte bei dieser Gelegenheit, es „wäre auch dem Gesind zu gönnen, daß ihnen ihre Meisterschafft zu weilen an Wercktagen, da doch die vielen Feyertage jezo eingestellt, das Jahr hindurch ettliche Stunden zu ihren eigenen Angelegenheiten, um deren willen die meisten den Sonntag dazu mißbraucht, angedeyen ließe.“49 Die Hochberger Synodalverordnung von 1764 machte Eltern für das Fehlen schulpflichtiger Kinder im Unterricht haftbar. Bei unentschuldigtem Fehlen hatten sie eine Turmstrafe abzubüßen, bzw. „weil (…) das Eintürmen hier nicht bei allen angehe (…) eine Geldstrafe“ von 15 Kreuzern ins Almosen zu bezahlen.50 Im selben Jahr wurde Maria Katharina Wagnerin vor die Kirchenzensur gerufen, „da die 45 Landrecht 1715 Erster Teil, Titel 2 §1. 46 Vgl. Schmale, Schule, S. 632. 47 Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 332, II, S. 573, 580–586. Zimmermann, Reformen, S. 92– 129. 48 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 8.2.1754. Ursache der verstärkten Überwachung war vermutlich ein an 28.9.1753 erlassenes Dekret zur Schulpflicht. Maurer, Baden, S. 9 und Nr. 1787 Auch in der Generalsynodalverordnung von 1756 wurde darauf eingegangen, Nr. 1894 (25.05.1756). Vgl. auch Holenstein, Kommunikatives Handeln, S. 201. 49 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 1.12.1758. 50 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 6.6.1764, fol. 28r. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 162. Schmale, Schule, S. 635–636.
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Ermahnung des Bürgermeister Amts nicht angeschlagen, ihre Kinder hinfüro umso mehr zur Schule zu schicken“. Das Fernbleiben ihrer Kinder vom Unterricht war um so weniger zu rechtfertigen, als „aus dem Almosen das Schulgeld bezahlt werde, und zur Entschuldigung nicht mehr der Mangel der Schuhen vorzuschicken“ sei.51 Auch die Anwesenheit in der Sommer- und der Sonntagsschule wurde kontrolliert. Der Besuch der 1764 erstmals nachweisbaren, vormittags zwischen elf und zwölf Uhr stattfindenden Sommerschule, die „der Jugend sehr nützlich seyn“ sollte, war insbesondere für junge Dienstboten und größere Kinder, die bereits im elterlichen Betrieb oder auf dem Feld arbeiteten, obligatorisch.52 Im Jahre 1765 wurden Matthias Engler, der Glaser Johann Jakob Reinhard und Andreas Grafmüller gerügt, weil die Dienstmägde der beiden ersteren und die Tochter des letzteren nicht in der Schule erschienen waren.53 Das Wachstum der Stadtbevölkerung und die Einrichtung neuer Schulen zogen entsprechende Investitionen nach sich. Aufgrund steigender Schülerzahlen beschloss der Stadtrat im Jahre 1765 die Einstellung eines neuen Lehrers und die Trennung der bis dahin gemischten Klassen in eine Knaben- und eine Mädchenschule und setzte damit eine Entwicklung um, die in anderen Städten der Markgrafschaft Baden bereits üblich waren.54 Im selben Jahr erhielten die Schüler der Knaben- und Mädchenschule „zur Aufmunderung“ Brezeln geschenkt, wofür die Stadt 16 Gulden ausgab.55 Es dauerte allerdings noch vier Jahre, bis der Beschluss zur Einrichtung geschlechtlich getrennter Schulen umgesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt besuchten 59 Jungen und 72 Mädchen den Unterricht.56 Ferner wurde die Einrichtung der Knabenschule erneuert. Dem Schreiner Johann Georg Siebenhaar bezahlte die Stadt 1765 mehr als 20 Gulden für vier Tafeln und einige „lange“ Stühle. Zwei Jahre später fertigte der Schreiner Martin Haußer eine Rechentafel sowie Zirkel, Lineal und Winkelmaß.57 Die Mädchen erhielten 1765 eine neue Notentafel.58 Der Glaser Johannes Stierlin besserte 1769 die Fenster aus,59 und ein 51 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 7.12.1764. 52 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 11.4.1764, fol. 20v–21r. 53 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 11.1.1765. In den 1760er Jahren stieg die Anzahl der landesherrlichen Verordnungen zum Schulwesen. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 166, 174–175, mit Hinweis auf insgesamt 136 Erwähnungen von „Schulangelegenheiten“ in den badischen Policeyordnungen. 54 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 7.3.1765, fol. 81r–82r. 55 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1765. 56 Wanner, Emmendinger Volksschule, S. 38–39. Visitation der Schule durch Spezial Nikolaus Sander, Quelle nicht angegeben. 57 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1767. Dies hing eng zusammen mit dem Ausbau des Geometrieunterrichts. Maurer, Baden Nr. 2254, 2255 (13.05.1768), 2261 (17.06.1768), 2286 (28.10.1768). 58 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1765. Der Instrumentenbauer und Schreiner Martin Haußer erhielt dafür einen Gulden und 30 Kreuzer. Bei Visitationen wurde regelmäßig nach den Kenntnissen im Notenlesen und dem Vorhandensein einer Notentafel gefragt. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 331–332. 59 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. Er erhielt dafür fünf Gulden achteinhalb Kreuzer.
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Jahr später baute der Glaser Karl Wilhelm Hartmann für 11 Gulden neue Fenster ein.60 Auch neue Schulbücher wurden angeschafft: 1768 kaufte die Stadt für die Knabenschule zwei „Malerische Geometrie und Arithmie“-Lehrbücher für zwei Gulden,61 1769 drei „Weghabt und Fischerische Vorschriebene“ für einen Gulden62 und die „Anfangsgründe der Böckmännischen Mechanik“ für 23 Kreuzer.63 Im Jahre 1772 erhielt die Mädchenschule ein eigenes Gebäude.64 Außer in Emmendingen gab es eine nach Geschlechtern getrennte Volksschule innerhalb des Oberamts Hochberg nur noch in der großen Marktgemeinde Eichstetten.65 Als Johann Georg Schlosser 1774 seinen Dienst als Oberamtmann in Emmendingen antrat, machte er die „Modernisierung“ des Schulwesens zu einem seiner wichtigsten Anliegen und sandte mehrere im Geist der Aufklärung konzipierte Denkschriften zum Bildungswesen an den Karlsruher Hofrat. Unter anderem setzte er sich für eine Verstärkung der Schulaufsicht und eine Verringerung traditioneller religiöser und moralischer Lerninhalte zugunsten eines praktischen Unterrichts im Nähen, Stricken und Spinnen ein, durch den Kinder aus den unteren Schichten zu arbeitsamen, nützlichen Untertanen erzogen werden sollten. Wie in anderen Bereichen seines Wirkens zeigt sich jedoch auch im Bereich des Schulwesens, dass Schlossers Reformbemühungen keine grundsätzlichen Neuerungen darstellten, sondern vielmehr Bestrebungen fortsetzten, die bereits mindestens ein Jahrzehnt vor seinem Eintreffen in Emmendingen im Gange waren. Zudem stieß eine einseitige, ökonomisch motivierte Betonung des praktischen Unterrichts innerhalb des Oberamts auf entschiedenen Widerspruch. Ein vehementer Kritiker von Schlossers Bildungsvorstellungen war der in Köndringen lebende Spezialsuperintendent des Oberamts Hochberg Nikolaus Sander, der durch den Halleschen Pietismus geprägt war und die Ende des 17. Jahrhunderts von August Hermann Francke gegründeten Bildungseinrichtungen aus eigener Anschauung kannte. Sander sah zwar die Vorteile eines breit angelegten praktischen Unterrichts, den Schlosser propagierte, er war jedoch der Meinung, dass die Kinder in den Ferien bereits genug häusliche und landwirtschaftliche Arbeit verrichteten. Eine Verringerung der Zahl der Schulstunden, um die Kinder als Spinner einzusetzen, wie dies in der von Schlosser unterstützten Textilmanufaktur und Spinn60 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1770. 61 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1768. Die Anschaffung erfolgte zeitgleich mit dem Generaldekret, und weiteren Verordnungen, dass die Speziale die Schulen auf den Geometrieunterricht hin inspizieren sollen. Gleichzeitig wurde der Geometrieunterricht ausgebaut und die Schulung der Lehrer in dem neuen Fach angeordnet Maurer, Baden Nr. 2254, 2255 (13.05.1768), 2261 (17.06.1768), 2286 (28.10.1768), 2359 (23.03.1770). 62 Dieses Buch wurde eventuell für den neu eingeführten deutschen und lateinischen Kalligraphieunterricht gebraucht. Maurer, Baden Nr. 2344 (17.11.1769), 2386 (7.12.1770). 63 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. Die Anschaffung geht auf ein Generaldekret des gleichen Jahres zurück, „dass in jeder Schule ein Exemplar der Bockmännischen Mechanik aus dem Commun-Aerariis angeschaft“ werden sollte. Maurer, Baden Nr. 2313 (10.03.1769). 64 StadtA Emmendingen, C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 9.9.1779, fol. 46r. 65 Holenstein, Gute Policey II, S. 582. Zur Entwicklung unterschiedlicher Typen von Mädchenschulen Schmale, Schule, S. 659–665.
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schule Samuel Vogels vorgesehen war, stieß bei ihm auf Unverständnis. Dem Nützlichkeitsdenken Schlossers setzte Sander eine stärker ganzheitlich orientierte Sicht schulischen Lernens entgegen, die auch Kinder aus den unteren Schichten nicht nur als Arbeitskräfte ansah. 66 Die Qualität des Schulunterrichts hing natürlich in starkem Maße von der Qualifikation der Lehrer ab. Bis ins zweite Drittel des 18. Jahrhunderts handelte es zumeist um ärmere Männer, die aus der Handwerkerschaft stammten und durch die Erteilung von Unterricht sowie die Übernahme des Sigristendienstes in der Kirche ihr Einkommen aufbesserten. Der Emmendinger Kaspar Tschira wurde bei seiner Bürgerannahme im Jahre 1746 noch als Schneider geführt.67 Kurze Zeit darauf wurde er zum Sigristen gewählt.68 Später arbeitete er als Schulmeister und erhielt 1764 einen Jahreslohn von 90 Gulden.69 Zeitweise wurde er wegen seines Lebenswandels gerügt, doch bescheinigte man ihm auch, dass er die Schulkinder zu guten Untertanen erzog.70 Ein Visitationsbericht über die Knabenschule aus dem Jahre 1766 hob besonders die Lernfortschritte seines Sohnes Johann Georg Kaspar Tschira hervor: „Die KnabenSchul des Provisors Seifrieds ist gut und auch die Anfangs Gründe der lateinischen Sprach werden darinne wohl gelehrt, und ist bereits ein Schüler daraus, namens Tschira in das Pädagogium mit Nutzen promoviert worden.“71 Drei Jahre später wurde der junge Tschira als Lehramtskandidat geführt;72 später wirkte er als Schulmeister in einer Nachbargemeinde. 66 Siehe hierzu Holenstein, Gute Policey II, S. 572–586. Zu den unterschiedlichen Bildungskonzepten Schlossers und Sanders vgl. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, S. 105–107. Siehe allgemein auch Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 133–134. Die Darstellung Schlossers in der älteren Literatur ist in diesem Bereich überaus positiv, alle Neuerungen wurden ihm zugeschrieben. Vgl. generell zum Wandel des Bildes von Amtsträgern, vor allem Amtmännern, Brakensiek, Lokale Amtsträger, S. 49–50. 67 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.11.1746, fol. 137v. Schmale, Schule, S. 692. Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 162. Der im benachbarten Wasser tätige Lehrer war der aus Frankfurt gebürtige Perückenmacher Holzapfel. 68 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.11.1746, fol. 143v–145r. 69 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.11.1746, fol. 137v. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts verdienten 75 Prozent der Elementarschullehrer maximal 100 Gulden. Damit dürfte Tschira eher gut bezahlt gewesen sein. Schmale, Schule, S. 693, 696. 70 Im Kirchenzensurprotokoll wurde vermerkt: „der Sigrist Tschira ist schon gut, aber dem Trunck ergeben. Er begehrt sehr viel und bringt viel Neues auf.“ Außerdem fülle er zuviel Kommunionwein ein, so „daß alle oder die meisten Communion-Sonntagen nachmittags man hernach die Unmäßigkeit dem Sigristen deutlich ansehe.“ GLA Karlsruhe, 115/241 Kirchenvisitation Emmendingen, 4.5.1764. 71 GLA Karlsruhe, 115/24 Kirchenvisitation Emmendingen, 8.9.1766. Ein Jahr zuvor wurde Seifried noch negativ charakterisiert. „Die deutsche Bubenschul ist mit dem Provisor Seifried schlecht bestellt, von Zeit zu Zeit kommen Klagen wieder ihn, er führe immer fort die Kinder hart zu traktieren und zeiget sich, daß gleich am anfang einige Bürger mit allem Grund sich beklagt über das unbarmherzige und wieder alle vernünftige Schulzucht laufende Verfahren des Seifrieds mit denen ihm anvertrauten Kindern, wodurch in Forcht versezt worden, maßen sie harte Streiche leiden müßen, wo sie nichts verschuldet haben, und der Provisor sich unterfängt auch ihnen Gesetze vorzuschreiben in Absicht ihrer Geschäfts auch außer der Schul“. GLA Karlsruhe, 115/242 Kirchenvisitation Emmendingen, 1765. 72 StadtA Emmendingen, B 1a/1 (Frevelgericht 1657–1769).
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Während die Lehrer an den Volks- und den weiterführenden Schulen ausschließlich männlich waren, unterrichteten in der Spinn- und Nähschule Frauen. Die Spinnschule leitete 1776 die aus Wasser gebürtige Eva Heßin,73 die Nähschule wurde im selben Jahr der Frau des Perückenmachers Vollrath, Barbara Menchin, anvertraut.74 Nach deren Tod im Jahre 1782 übernahm die ledige Bürgerstochter Anna Regina Tschirain die Nähschule,75 die sie auch nach ihrer Eheschließung weiterführte.76 Hingegen wurde die Strickschule, die sowohl Mädchen als auch Jungen ausbildete, dem Stadtboten und gelernten Strumpfstricker Christian Friedrich Letzmann und seiner Frau unterstellt. Nach Letzmanns Tod führte seine Frau den Unterricht für die Mädchen weiter.77 Der Tagelöhner Jakob Friedrich Schmid übernahm seit 1779 die Strickschule für Knaben.78 Auch nach Schlossers Weggang blieb der Zustand der Schulen ein wichtiges Anliegen der Gemeinde. Im Jahre 1787 erhielt eine der Schulstuben einen neuen eisernen Rundofen im Wert von 41 Gulden.79 Im folgenden Jahr lieferte der Buchbinder Karl Christoph Eisenlohr vier Exemplare von Rochows „Kinderfreund zum Gebrauch in der Schule“, eines damals modernen Lesebuches, zum Preis von zwei Gulden.80 Ferner beschäftigte sich der Stadtrat mit Fragen der Lernumgebung und Schulsicherheit. Da die „Straße voller Menschen und Vieh wäre und die Schulkinder diese ohne Lebensgefahr nicht passieren könnten, anderntheils aber das Geschrey von Menschen und Vieh zu groß sey“, wurde der Erwerb des ehemaligen Wohnhauses der Familie Schlosser als Schulgebäude in Erwägung gezogen.81 Nach Beschwerden von Eltern, dass der Zeitpunkt des Schulbeginns nicht einheitlich sei, ordnete der Stadtrat 1789 an, dass der Unterricht an jedem Tag zur gleichen Zeit beginnen solle, damit die angebliche Unkenntnis des Schulanfangs nicht mehr als Ausrede für säumigen Schulbesuch benutzt werden konnte. Seit 1789 hatten die Lehrer dem Emmendinger Stadtrat auch Verzeichnisse der Schüler vorzulegen, die den Unterricht nicht regelmäßig besuchten. Diese sollten am Sonntag von der Kanzel verlesen werden, damit kein Einwohner sich
73 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 3.7.1776, 5.11.1777, 6.11.1782, 3.11.1784. 74 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 3.7.1776, 5.11.1777, 6.11.1782. 75 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 6.11.1782. 76 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 3.11.1784. 77 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 6.11.1782, 3.11.1784. 78 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 1.11.1780, 6.11.1782, 3.11.1784. 79 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. 80 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1788. Das ursprünglich unter dem Titel der Bauernfreund erschienene Lesebuch war ursprünglich für die preußischen Volksschulen konzipiert, dass die Lücke zwischen Fibel und Bibel füllen und über das bloße Buchstabieren hinaus gehen und sich dem Erfahrungsbereich der Kinder widmen sollte und enthielt 79 Lesestücke von ca. 150 Worten. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 835–850, 1239. Zur Bedeutung der neuen Schulbücher vgl. allg. Schmale, Schule, S. 719. 81 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 3.4.1788, fol. 24r–29v.
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mit Nichtwissen entschuldigen konnte.82 Im folgenden Jahr wurden mehrere Eltern wegen Fernbleibens ihrer Kinder vom Unterricht bestraft.83 Zweimal im Jahr mussten die Schulkinder ein öffentliches Examen ablegen. Dabei wurde eine Belohnung für besondere Leistungen verteilt. Die in Hüffenhard bei Heilbronn lebende Mutter des 1780 in Emmendingen verstorbenen Bürgers Andreas Veith unterstützte dieses Anreizsystem, indem sie ihren Anteil an der Erbschaft des Sohnes in Höhe von 31 Gulden der Emmendinger Schule stiftete.84 In die 1780er Jahre fallen auch die Anfänge eines modernen Fremdsprachenunterrichts. 1785 wurde kurzfristig ein Französischlehrer aus der Stadtkasse bezahlt, doch das Projekt scheiterte an der mangelnden Nachfrage der Schüler und den Kosten.85 Ende des 18. Jahrhunderts kam Johann Georg Fleck, der seit 1784 in Niederemmendingen beschäftigt war, als Knabenschullehrer nach Emmendingen. Er hatte im elsässischen Jebsheim „das französische erlernt“ und konnte Unterricht in dieser Sprache erteilen.86 Die jüdischen Einwohner Emmendingens organisierten den Schulunterricht ihrer Kinder zunächst selbst. Die Kinder wurden „vom 6ten biß 11ten Jahr theils bei denen Judenschulmeistern, theils in der Synagog, in dem Hebräischen und unseren Ceremonien unterrichtet“.87 Im Jahre 1776 wurde die allgemeine Schulpflicht auch auf die jüdischen Einwohner Hochbergs ausgedehnt, die künftig zusätzlich eine „deutsche Schreib-, Rechnungs- und Les-Schule“ besuchen sollten.88 Da sie es sich nicht leisten konnten, einen zusätzlichen Lehrer anzustellen, baten die Emmendinger Juden darum, dass der christliche Volksschullehrer ihre Kinder separat unterrichten sollte, da ein gemeinsamer Unterricht „wegen der Unart der Christen Jungen (ihnen) zu gefährlich scheine.“ 89 Die so genannte „Judenschule“ scheint bald darauf ihren Betrieb aufgenommen zu haben, denn bereits ein Jahr später berichtete Oberamtmann Schlosser dem Markgrafen: „Die Teutsche Lesund Schreibschule für die Juden hat eine so gute Wirkung gehabt, daß ich mit Verwunderung bei deren gelegentlichen Visitationen die Kinder überall in den 82 83 84 85 86
StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 26.11.1789, fol. 169v–170r. StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 20.5.1790, fol. 212r–212v. StadtA Emmendingen, B 1b/1353. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785. GLA Karlsruhe, 229/74785. StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen. Zur Nachfrage nach Französischunterricht gegen Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Schmale, Schule, S. 673. 87 GLA Karlsruhe, 115/199, fol. 27r. Es handelt sich hier um dem Typus der jüdischen Armenschule, da sich die Emmendinger keinen Privatunterricht leisten konnten. Zur Armenschule vgl. Breuer, Deutsch-jüdische Geschichte I, S. 177. 88 Lewin, Juden, S. 14–15. Rosenthal, Heimatgeschichte, S. 228–229. Rürup, Judenemanzipation, S. 245–246. Holenstein, Bitten, S. 130. Zu jüdischen Schulen in größeren Städten allgemein auch Schmale, Schule, S. 665–666. 89 GLA Karlsruhe, 115/199, fol. 9v. Die jüdischen Einwohner schrieben am 23. Dezember 1775 an den Markgrafen, dass „ein jeder unserer Judenschaft einen Vorsinger und nebst diesem einen Schulmeister halten muß, derer Verköstig- und Belohnung uns ohnehin schwer fällt, in dem unter den Emmendinger 7 Haushaltungen und drei Witwen (...) mehrerenteils arme und unvermögliche sich befinden.“ Zitat fol. 26v.
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wenigen Monaten im Buchstabieren und Lesen auch im Schreiben soweit gebracht fand, als die Christenkinder in ettlichen Jahren nicht zukommen pflegen.“90 Für die jüdische Minderheit waren Kindererziehung und Schulbildung zentrale Elemente der Bewahrung ihrer religiösen und kulturellen Identität: Jüdische Familien, die ihren Schutz in die Amtsstadt verlegen wollten, argumentierten in ihren Aufnahmegesuchen wiederholt, dass sie ihre Kinder auf eine jüdische Schule zu schicken wünschten.91 Wie ihre christlichen Nachbarn konnten jüdische Einwohnerinnen und Einwohner Emmendingens durchweg schreiben. Sie unterzeichneten Dokumente in hebräischer Schrift. Die konvertierte Jüdin Caroline Bär war „in den Schriften Moses wohl belesen, der hebräischen Sprache mächtig“,92 und 1782 unterschrieb die Witwe Marum Weils im Emmendinger Ratsprotokoll mit ihrem hebräischen „Handzeichen“.93 1785 musste der Konvertit Christian Ostermann (Isaak Zadock) dem Schullehrer im benachbarten Ort Maleck eine „Spezifikation aus dem Hebräischen Orginal ins Deutsche dictier(en).“94 Der vermögende Emmendinger Jude Baruch Schwab legte dem Rat 1781 einen eigenhändig in deutscher Schrift verfassten Kaufkontrakt mit Model Weil vor, den er selbst in deutscher Schreibschrift unterzeichnete, während Model Weil hebräisch unterschrieb.95
3. LATEINSCHULE UND UNIVERSITÄT Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ergriffen die baden-durlachischen Beamten Johann Christoph von Wimpfen, Johann Georg Fürderer, Johann Christoph Roßkopf und Friedrich Bürklin die Initiative zur Einrichtung einer Lateinschule in der Amtsstadt Emmendingen.96 Nachdem „dermahlen die meisten Fürstl(ichen) Bedienten da wohnen“ und deren Kinder „durch Conversation mit honesten Leuthen in moribus besser undt mehr als auff einem Dorf unter den Bauren könnten culti90 GLA Karlsruhe, 115/199, fol. 36r. Schlosser an den Markgrafen, Emmendingen, 4.11.1776. Das wöchentliche Visitieren der Schule durch den Pfarrer war seit 1754 in Badenweiler vorgeschrieben. Er hatte dort Schreibproben zu nehmen und am Ende eines jeden Quartals Bericht zu erstatten. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 260, 275. 91 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 14r–14v. Vgl. Schmölz-Häberlein, Integration, S. 370, 375. Holenstein, Bitten, S. 119. 92 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Taufbuch, Eintrag vom 15.3.1761. StadtA Emmendingen, Jüdische Genealogie. Dieser Vorgang wird auch erwähnt bei Günther, Schlosser, S. 108, 110, 118, Anm. 20. 93 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), fol. 24r. 94 StadtA Emmendingen, B 1b/952. 95 StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 5.6.1781, Anlage 70, fol. 168r. Während Baruch Schwab Kaufverträge in deutscher Schrift verfasste, schrieb der Hatschier und konvertierte Jude Christian Ostermann wichtige Dokumente Zeit seines Lebens in hebräischer Schrift. Vgl. Schwanke, Offenburg, S. 107–108. 96 Soweit nicht anders belegt, beziehen sich die folgenden Abschnitte auf die Arbeit von Maurer, Lateinschule. Vgl. auch Hetzel, Die Anfänge, S. 40–42. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 388–389.
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viert werden“, würde eine solche weiterführende Schule für die Beamten- und Bürgerkinder des Oberamtes „eine erwünschte Commodität sein“. Müssten die Jungen auf weiterführende Schulen außer Landes geschickt werden, würden deren Eltern einen großen Teil ihres Vermögens dorthin transferieren.97 Ausschlaggebend für diese Initiative war also der Wunsch der Beamten nach einer höheren Schule zur Vorbereitung ihrer männlichen Nachkommen auf ein Studium.98 Die Absolventen der Emmendinger Lateinschule konnten sich zunächst gleich an der Universität immatrikulieren; im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde es allerdings üblich, vor dem Universitätsbesuch noch die obersten Klassen des Gymnasiums in Durlach, Karlsruhe oder Lörrach zu absolvieren. Der Besuch der Lateinschule begann in der Regel im zehnten oder elften Lebensjahr und dauerte drei bis vier Jahre. Im Zeitraum zwischen 1740 und 1780, für den uns erstmals gesicherte Zahlen vorliegen, besuchten 152 Schüler die Lateinschule; zwischen 1780 und 1810 waren es nochmals 113. Für die Jahre 1740 bis 1745 liegt ein komplettes Schülerverzeichnis vor. Von den damals 20 Schülern kamen 13 aus Emmendingen, zwei aus Vörstetten und jeweils einer aus dem Prechtal, aus Hauingen, Bickensohl, Bötzingen und Denzlingen. Unter den in Emmendingen beheimateten Schülern befanden sich zwei Apothekersöhne, der Sohn eines Wirts, ein Sohn eines Chirurgen, ein Filius des Landschreibers, ein Sohn des Burgvogts, vier Söhne des Amtmanns August Menzer, zwei Söhne des Hofküfers und ein Sprössling des herrschaftlichen Fruchtmessers. Unter den auswärtigen Schülern waren fünf Pfarrersöhne, ein Lehrersohn und ein Sohn des Bötzinger Vogts. Bemerkenswert ist zum einen die Zahl der männlichen Emmendinger Jugendlichen, die auf die weiterführende Schule gingen. Da es im Jahre 1750 in der Stadt nur 20 Knaben im Alter zwischen elf und 14 Jahren gab, dürfte ein Drittel bis die Hälfte der Knaben die Lateinschule besucht haben.99 Zum Vergleich: In der katholischen Residenzstadt Koblenz besuchten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein Viertel der männlichen zwölf bis 16-jährigen die höhere Schule, das so genannte Collegium.100 Zum anderen entstammten die Schüler vorwiegend der lokalen Oberschicht: Insbesondere die Dominanz der Beamten- und Pfarrerkinder ist augenfällig. Der Diakon Krause bemerkte gegen Ende des 18. Jahrhunderts: „Wenige Schüler waren zum Studieren bestimmt; der große Theil bestand aus Bürgerssöhnen, die meistens nur kurze Zeit in der Schule blieben und dann das väterliche Handwerk erlernten.“101 Der Besuch der Emmendinger Lateinschule war also in mehrfacher Hinsicht ein Selektionskriterium: zum einen in geschlechtsspezifischer Hinsicht,
97 Zitat abgedruckt in Maurer, Lateinschule, S. 7. 98 Der Mangel an guten Schulen, die die Söhne von Staatsdienern auf eine Beamtenlaufbahn vorbereiteten, stellte im Alten Reich generell ein Problem dar. Vgl. Brakensiek, Fürstendiener, S. 64. Zu Sachsen, Keller, Eine feine lateinische Schul. Zu den Lehrern an der Lateinschule in Emmendingen Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 388–389. 99 Berechnet aus StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 100 François, Koblenz, S. 73–74. 101 Maurer, Lateinschule, S. 21.
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da nur Jungen diese weiterführende Schule besuchen konnten, dann in sozialer Hinsicht, und zuletzt hinsichtlich des Bildungsstands der Eltern. Diese Selektion verstärkte sich noch, wenn die Schüler die Lateinschule verließen, denn Absolventen aus Beamten- und Pfarrerfamilien besuchten wesentlich öfter die Universität als ihre Klassenkameraden aus Kaufmanns- und Handwerkerfamilien.102 Auffallend viele Söhne von Amtleuten und Geistlichen, die die Emmendinger Lateinschule besucht hatten, gingen zum Studium nach Halle.103 Dies gilt für zwei der vier Söhne des Amtmanns August Menzer,104 den Sohn des Burgvogts Matthias Gottfried Böck, der in Halle und Jena Theologie studierte,105 die Apothekersöhne Friedrich Karl und Wilhelm Ludwig Willius,106 den Theologen Johann Christian Samuel Sander,107 Johann Friedrich Lapp, einen Neffen des Spezialsuperintendenten Nikolaus Sander,108 sowie für Christoph Immanuel Hauber, Sohn eines Arztes und Neffe eines Pfarrers.109 Durch die Aufenthalte Emmendinger Schüler und Studenten in den Franckeschen Stiftungen sowie das Wirken der Spezialsuperintendenten Johann Christoph Wagner110 und Nikolaus Christian Sander111 dürfte der Hallesche Pietismus im 18. Jahrhundert im Oberamt Hochberg einen nicht unerheblichen Einfluss erlangt haben.112 Johann Christian
102 In Koblenz besuchten dreimal so viele Jungen aus der Beamtenschicht die höhere Schule wie aus dem kaufmännischen und gewerblichen Bürgertum. François, Koblenz, S. 97. 103 Für einen kurzen Überblick über die Entstehung der Franckeschen Stiftungen und ihrer Ausbildungsrichtungen vgl. Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 149–151. 104 StadtA Emmendingen, B 1b/242, 308, 865. GLA Karlsruhe, 198/406. Maurer, Lateinschule, S. 39. Maurer, Emmendingen, S. 175. Genealogie Emmendingen. AFSt, S L 3, S. 529 Nr. 6062. AFSt, S A I 194, S. 359. 105 GLA Karlsruhe, 198/83. 115/241. Maurer, Lateinschule, S. 39. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 66. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 106 AFST, SL 8, 59/6390. StadtA Emmendingen, B 1b/1472, 1473. Maurer, Lateinschule, S. 39. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 107 StadtA Emmendingen, B 1b/242, 308, 865. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/406. 115/241 Kirchenvisitation Bahlingen, 16.2.1764. Maurer, Lateinschule, S. 39. Maurer, Emmendingen, S. 175. 108 Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 362. StadtA Emmendingen, B 1b/802. 109 StadtA Emmendingen, B 1b/1533. GLA Karlsruhe, 198/17. DGB 7, S. 76. Stammtafel Zandt, Nr. 94. AFSt, S B I 94. S L 5, S. 23 Nr. 9747. 110 AFSt, Biographie Wagner. 111 Sander soll selbst in den Franckeschen Stiftungen studiert haben. Er schickte später seinen Pflegesohn Christian Samuel nach Halle und vermittelte mehrere Emmendinger Waisenjungen dorthin. Eberhard Gothein meinte, dass Sander das Hallesche Schulwesen in Hochberg eingeführt und damit die Schulen, denen er als Superintendent mehr als 30 Jahre vorstand, sehr geprägt habe. Issel, Eichstetten, S. 109. Gothein, Schlosser, S. 46. 112 Als Erneuerungsbewegung innerhalb des Protestantismus wandte sich der Pietismus gegen die Erstarrung der lutherischen Orthodoxie und setzte vor allem auf die Förderung innerer, persönlicher Frömmigkeit durch die religiöse Erziehung der Kinder, das Abhalten von Gebetsstunden im kleinen Kreis (Konventikel) und die private Lektüre der Bibel und erbaulicher Schriften. Zu „echter“ religiöser Erfahrung konnten Christen nach Auffassung der Pietisten nicht mit dem Verstand, sondern nur mit dem Herzen gelangen. Während der Pietismus württembergischer Prägung die chiliastische Eschatologie betonte, war der Hallesche Pietismus
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Gottlieb Schöpflin, der Sohn des Hofküfers, studierte nach dem Besuch der Emmendinger Lateinschule und einem Aufenthalt am Gymnasium in Straßburg an der dortigen Universität und in Jena Theologie und wurde Pfarrer.113 Johann Georg Wolf, ein Sohn des herrschaftlichen Fruchtmessers, ging nach Ende seiner Schulzeit ebenfalls auf die Universität. Im Jahre 1753 wurden die Kosten seiner akademischen Ausbildung auf mehr als 855 Gulden beziffert. Er wirkte später als Lehrer am Durlacher Pädagogium.114 Obwohl höhere Bildung in der Frühen Neuzeit grundsätzlich eine Domäne der Männer war, gelang es immer wieder einzelnen Frauen, sich an Universitäten zu immatrikulieren.115 Zu diesen seltenen Ausnahmefällen gehörte auch die Ehefrau des verstorbenen Emmendinger Landschreibers Ägidius Weiß. Nach dem Tod ihres Mannes und einer kinderlosen Ehe schrieb sie sich im April 1729 an der Universität Tübingen ein. Die Matrikel enthalten folgenden Eintrag: „Ex concluso senatus academici ist zu inscribirn admittiert worden Frau Hoffrätin von Durlach die 20. aprilis anno 1729 cum filio unico, Herrn Stifft Verwalter Rieker Frau Tochter mit Namen Regina Barbara Weißin, verwitwete Hoffrätin und Landschreiberin zu Emmendingen.“116 Über ihren Studienerfolg und ihre wissenschaftlichen und kulturellen Interessen ist leider nichts Näheres bekannt.
4. BUCHKULTUR IN EMMENDINGEN Studien zum Buchbesitz und Leseverhalten süddeutscher Stadt- und Landbewohner wie Hans Medicks Untersuchung zum württembergischen Weberort Laichingen haben eindrucksvoll gezeigt, dass im 18. Jahrhundert von einem „Volk ohne Buch“ keine Rede mehr sein kann. Bücher standen in nahezu jedem Laichinger Haushalt, wobei die große Mehrzahl der Texte religiösen bzw. erbaulichen Charakter hatte.117 Auch für Emmendingen überliefern die Zubringens- und Nachlassinventare zahlreiche Informationen zum Buchbesitz der Bevölkerung. Leider wurden Bücher teilweise nur summarisch verzeichnet, und in vielen Fällen lässt sich nicht unterscheiden, welche Bücher vom Mann und welche von der Frau in die
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deutlich mehr diesseitsorientiert und förderte besonders die Schulbildung, die Mission und die Medizin. Vgl. Brecht/Deppermann (Hrsg.), Pietismus I. Gleixner, Pietismus, S. 76–79, 87. StadtA Emmendingen, B 1b/493. Genealogie Emmendingen. Maurer, Lateinschule, S. 39. Gymnase Jean Sturm II, Nr. 538, S. 33. Matrikel Jena III, S. 585. Matrikel Straßburg II, Nr. 4793, S. 429. StadtA Emmendingen, B 1b/1379. Münch, Lebensformen, S. 121–122. Niemeyer, Ausschluß oder Ausgrenzung. Matrikel Tübingen III, Nr. 32710, S. 72. Medick, Weben und Überleben, S. 447–560. Neumann hat den Bücherbesitz in der Universitätsstadt Tübingen anhand der Inventare untersucht. Im Gegensatz zu Tübingen finden sich in Emmendingen kaum Inventare ohne die Nennung von Büchern, wenn auch in manchen armen Familien nur das Gesangbuch verzeichnet war. Vgl. Neumann, Bücherbesitz. Allgemein, North, Genuss und Glück, S. 6–32. Die Literatur in den Emmendinger Inventaren wird im Text und in den Fußnoten nur abgekürzt angeführt. Die ausführlichen Titelangaben finden sich in Anhang 2.
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Ehe eingebracht wurden. Dennoch lässt sich in einigen Fällen detailliert rekonstruieren, wie die Bibliotheken in Emmendinger Haushalten aussahen. In der Bibliothek des Burgvogts Matthias Gottlieb Böck und seiner Ehefrau standen um die Mitte des 18. Jahrhunderts mehr als 350 Werke. Während die Bücher von Böcks Frau Madgalena Wilhelmina Rabusin nur summarisch aufgelistet wurden, sind für die Bände aus dem Besitz Böcks die Titel angegeben. Neben Werken über Recht und Verwaltung, den markgräflichen Verordnungen und geistlichen Erbauungsbüchern besaß der herrschaftliche Beamte zahlreiche wissenschaftliche Bücher, Ratgeber, Historien, Reisebeschreibungen und geographische Werke sowie Zeitschriften. Böck verfügte über eine komplette Ausgabe das Journals „Europäischer Staats-Secretarius“, die bis zu dessen Verbot im Jahre 1735 reichte.118 Außerdem besaß er David Fassmanns „Gespräche in dem Reiche derer Todten“, einen großen Publikumserfolg des 18. Jahrhunderts,119 einige Adelslexika und Bücher über Wappenkunde. Das Buch „Glück bei Hof“ sollte wohl richtige Umgangsformen in der höfischen Gesellschaft vermitteln. Vermutlich aus beruflichen Gründen hatte Böck eine Abhandlung zum Zehntrecht und eine Beschreibung kaiserlicher Begräbnisse,120 denen auch in kleinen Städten offiziell gedacht wurde, angeschafft. Theologischen bzw. erbaulichen Charakter hatten unter anderem ein Werk des reformierten Pietisten Friedrich Adolf Lampe121 sowie ein Buch über das Laster der Trunkenheit.122 Böcks besonderes Interesse galt offenbar der Geschichte und Geographie. An geographischer Literatur besaß er einen Atlas mit 78 Karten, eine Beschreibung der Städte Europas, Cellarius’ Geographie, ein historisch-geographisches Lexikon in vier Bänden, Johann Hübners Geschichte der Geographie in drei Bänden, ferner ein Buch über den Neckar, eines über den Elbstrom und eines über den Rhein. Der Bestand an historischer Literatur umfasste Johann Gottfried Groß’ Weltgeschichte von 1745/46 in zwei Bänden, „Prinz Eugens Heldentaten“ in sechs Bänden, die „Salzburger Emigranten Historien“ in zwei Bänden, eine von Voltaire verfasste Biographie König Karls XII. von Schweden, ein „Staatsgespräch“ zwischen den Königen Jakob II. von England und Philipp V. in Spanien, „Historische Nachrichten vom bergischen Successionsstreit“, eine Einleitung zur Universalgeschichte 118 Der „Europäische Staats-Secretarius“ wurde 1735 verboten und gehörte zu den intellektuell anspruchsvollen Zeitschriften des frühen 18. Jahrhunderts. Das Blatt bewegte sich als „räsonierendes Journal“ auf einem gefährlichen Terrain. Zur Bedeutung von Zeitschriften vgl. Gestrich, Absolutismus, S. 184–200, 306 Anm. 245. 119 Über 22 Jahre hinweg wurden insgesamt 239 „Entrevuen“ veröffentlicht, darunter u.a. ein Streitgespräch zwischen Papst Sixtus V. und Molière. Es handelte sich um eine Mischung aus Belehrung und Kritik. Fassmann hatte enge Beziehungen zum Halleschen Pietismus und hatte bei Francke studiert. Vgl. Gestrich, Absolutismus, S. 73, 192–193. 120 GLA Karlsruhe, 198/83 nennt „Georg Bickel, Historische Beschreibungen kaiserlicher Begräbnisse“. Dieser Titel konnte bibliographisch nicht nachgewiesen werden. 121 Beim Autor handelt es sich um Friedrich Adolf Lampe (1683–1729). Das Inventar gibt den Titel mit „der heilige Brautschmuck“ wieder. Ein Buch mit diesem Titel konnte nicht nachgewiesen werden. 122 Es könnte sich hierbei um Johann Laurentius Höltzlin, Abwehrung von den Lastern der Trunckenheit, gehandelt haben.
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von Caspar Bennonis Harisy und ein Werk mit dem Titel „Geheimnis der Freimaurer“. Ferner besaß der Burgvogt Böck Wagners „Reys- und Hauspostille“ über Ungarn und die Türkei, ein Exemplar des „Nouveau Dictionnaire du Voyageur“, „Dr. Zwingers Kräuterbuch“ und die Komödien des Terenz. Als gebildeter Beamter hatte er natürlich auch ein lateinisches Lexikon. Außerdem fanden sich einige Bücher, deren Inhalt eher kurios anmutet: „Historien von Ordenleuten samt ihrem geistlichen Habit“, eine Geschichte der weiblichen Orden, und „Die schöne Schottländerin“, eine Schrift über das Leben Jenny Camerons, der Geliebten des Stuart-Thronprätendenten. Schließlich war eine Sammlung von Schubarts Gedichten vorhanden.123 Der „Reys- und Handkalender für Frauenzimmer“124 sowie die Tatsache, dass sich die Bibliothek ihres Vaters in ihren Händen befand, verweisen auf die literarischen Interessen von Böcks Frau Magdalena Wilhelmina Rabusin. Sie zeigen, dass Magdalena Wilhelmina wohl über eine Bildung verfügte, die deutlich über die Inhalte hinausging, welche die Emmendinger Volksschule vermitteln konnte.125 Außer dem Inventar des Ehepaars Böck ist leider kein weiteres aussagekräftiges Nachlassinventar aus der Schicht der Beamten überliefert.126 „Einen auserlesenen obgleich nicht großen Büchervorrat“ besaß um 1770 der Pfarrer und spätere Spezialsuperintendent von Hochberg Christian Bernhard Gockel, der in erster Ehe mit Margarete Brion, einer Schwester der Goethe-Muse Friederike verheiratet war.127 Von besonderem Interesse sind indessen die Inventare der Bibliotheken von drei Emmendinger Lehrern, da Lehrer als Multiplikatoren von Bildungsinhalten und geistigen Strömungen angesehen werden können.128 Von den im Folgenden vorgestellten Bibliotheken der Maria Barbara Schöchlinin, die zweimal mit 123 GLA Karlsruhe, 198/83. 124 Es handelt sich wohl um den Frauenkalender, zu dem Sidonia Hedwig Zäunemann (1714– 1740) das Vorwort schrieb. 1738 wurde diese an der Universität Göttingen zur poeta laureata gekrönt. 125 Während bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts „gelahrten“ Frauen ein Platz in der Gesellschaft zugestanden wurde, änderte sich dies gegen Ende des Jahrhunderts. Nun wurde die Frau in der patriarchalischen Familie in der Rolle der Hausfrau, Mutter und anpassungsfähigen Gefährtin gesehen. Zur Veränderung des Inhalts eines dieser Frauenlexika vgl. Cöppicus-Wex, Verlust der Alternative. Zu den Almanachen und Kalendern ausführlich: Schmid, Bestimmung zur Mutter. 126 Beamte und Bürgermeister konnten so genannte Privatinventare anfertigen und waren nicht zur Anlage eines öffentlichen Inventars verpflichtet. Diese wurden in der Regel zwar erstellt, finden sich jedoch selten in den Beständen des Stadtarchivs sowie des Generallandesarchivs in Karlsruhe. 127 Friederike Brion inspirierte Goethe zu den so genannten Friederiken-Liedern wie „Es schlug mein Herz geschwind zu Pferde“ und „Mailied“. Siehe GLA Karlsruhe, 115/246 Kirchenvisitation Eichstetten, 13.3.1770. 1787 fanden sich im Nachlass seines Schwiegervaters Brion 171 Bücher im Wert von 131 Gulden 57 Kreuzer. Darunter befanden sich pietistische Schriften von Philipp Jakob Spener u.a. sowie Werke des Dogmatikers Gerhard und des Juristen Benedikt Carpzow. In der ortsgeschichtlichen Literatur wurde dazu angemerkt: „Leider enthält die Bibliothek gar nichts, was schöngeistige Neigung der Brionschen Familie belegen könnte: nicht einmal Klopstock!“ Kaiser, Geschichte, S. 140. 128 Wittmann, Geschichte, S. 123.
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Schulmeistern verheiratet war und deren Bücher erbte, des Mädchenschulmeisters Johann Kaspar Tschira, der im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts in Emmendingen unterrichtete, und des Lehrers Georg Friedrich Erhard Fischer, der gegen Ende des Jahrhunderts an der Mädchenschule tätig war, sind daher weitergehende Aufschlüsse über kulturelle Wandlungsprozesse, etwa über die Rezeption aufklärerischer Gedanken oder neuer pädagogischer Konzepte, zu erwarten. Das Nachlassinventar der Schulmeisterwitwe Maria Barbara Schöchlinin, die 1776 nach 21 Jahren im Witwenstand verstarb, verzeichnet 26 Bücher.129 Darunter befanden sich eine Bibel, eine Württemberger Handbibel, ein Choralbuch, drei Karlsruher Gesangbücher, Werke von Benjamin Schmolcken und Johannes Arndt, eine württembergische Landesordnung, eine lateinische Grammatik, ein französisches Wörterbuch, ein weiteres Wörterbuch sowie ein Rechenbuch. Ein von Johann Jakob Rambach aus Halle verfasstes „Sittenbüchlein“130 könnte auf die Ausbildung eines ihrer beiden Ehemänner im Franckeschen Waisenhaus schließen lassen. Ferner listet das Inventar Johann Hübners „Zweimal 52 auserlesene biblische Geschichten“,131 eine „Beschreibung bayer. Kriege“, einen „Briefsteller“, eine Anweisung zum Briefeschreiben, eine Fabelsammlung, einen Gedichtband zum „Irdischen Vergnügen in Gott“ sowie eine anonyme Schrift über einen „flüchtigen Pater“ auf. Bonifacius Stöltzlins beliebtes Trost- und Erbauungsbuch „Geistlicher Adler-Stein“ komplettierte die Bibliothek. Der Buchbesitz der Maria 129 Maria Babara Schöchlinin war in ihrer ersten Ehe, die sie 1716 einging, mit dem Schulmeister Johannes Wagner verheiratet, der vor 1749 verschied. Anschließend heiratete sie den Schulmeister Johann David Walduff in Eichstetten und wurde 1755 erneut Witwe. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Korrespondenz mit Kurt Heinzmann/FreiburgTiengen. StadtA Emmendingen, B 1b/1388. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zum lothringischen Steinbiedersdorf, wo sich 1763 in der Lehrerbibliothek nur zwei Bücher befanden. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 176. 130 Rambachs „Erbauliches Handbüchlein für Kinder“ enthält neben Stücken mit ausschließlich katechetischem Charakter Gebete, Verhaltens- und Sittenregeln sowie religiöse Exempelerzählungen für Kinder, sowohl für Knaben als auch für Mädchen. Vorwiegend dient das Buch dazu, in den Pietismus einzuführen. Rambach selbst wurde in Halle ausgebildet und wurde dort 1727 ordentlicher Professor und schließlich Nachfolger von August Hermann Francke. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 259–279, 1697. 131 Das ganze 18. Jahrhundert hindurch, aber auch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dieses Werk von großer Bedeutung für die religiöse Erziehung der protestantischen Jugend. Noch 1788 wurden allen badischen Spezialaten mitgeteilt, dass eine verbesserte Auflage des Werks aus der Druckerei ausgeliefert worden sei und wie damit in Schule und Ausbildung zu verfahren sei. Maurer, Baden Nr. 2846 (08.02.1788). Der badische Kirchenrat Johann Ludwig Ewald (1747–1822) konnte hier durchsetzen, dass alle Geschichten aus dem Buch gestrichen wurden, die nicht der bürgerlichen Sexualmoral entsprachen und alle „zweideutigen“ Historien wurden durch „Schickliche“ ersetzt. Bei diesen Historien handelt es sich um das einzige katechetische Werk des Autors, der überwiegend Realienliteratur publizierte. Es diente der grundlegenden Einführung in den Bibelunterricht anfangs ausschließlich für die Lateinschulen, dann auch für die Volksschulen und sollte die selbstständige Lektüre fördern. Es betont jedoch auch die Funktion des „Ganzen Hauses“, wo die Erziehungspflicht beim Hausvater liegt. Vgl. hierzu und zum Verbreitungsgebiet des Werkes Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 231–259. Zum Gesamtwerk vgl. Sp. 1423–1432 und zu Ewald 1224.
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Barbara Schöchlinin umfasste also vorwiegend religiöse und praktische Standardwerke und lässt keine spezifischen literarischen oder gelehrten Interessen ihrer verstorbenen Gatten erkennen. Von dem 1774 verstorbenen Schulmeister Kaspar Tschira sind sowohl das Zubringensinventar von 1749 als auch das Nachlassinventar überliefert. Ein Vergleich beider Inventare erlaubt es, das Wachstum und die Veränderungen in der Zusammensetzung seiner Bibliothek nachzuvollziehen. Im Jahre 1749 wies der Buchbesitz des gelernten Schneiders eindeutig einen religiösen Schwerpunkt auf. Tschira besaß damals mehrere Bibelausgaben und Gesangbücher, Philipp Jakob Speners Katechismus sowie Klassiker der Trost- und Erbauungsliteratur wie Johannes Arndts „Paradieß-Gärtlein“, die „Übung des wahren Christenthums durch geistreiche Gebäter“, Thomas a Kempis’ „Von der Nachfolgung Christi“, ein Buch mit dem Titel „Bettkunst“ (sic!), „die Glaubensbrob“ sowie Johann Gerhards „Betrachtungen“.132 Der Bücherbestand zeigt deutliche Einflüsse des lutherischen Pietismus, der eine Reaktion auf Erstarrungserscheinungen innerhalb der protestantischen Orthodoxie war. Johann Gerhards Werk verband die Erneuerungsbestrebungen des Pietismus mit den tradierten Lehren der lutherischen Kirche. Philipp Jakob Speners 1675 veröffentlichte „Pia Desideria“ gilt als Programmschrift des lutherischen Pietismus und führte zu einer raschen Verbreitung pietistischer Ideen in Mitteleuropa. Johann Thommens „Musikalischer Christenschatz mit Noten“133 sowie das obligatorische Gesangbuch repräsentierten den evangelischen Kirchengesang. Ferner besaß Tschira Meyers „Hauspostille“ in zwei Bänden, ein Nürnberger Handbuch sowie ein Gartenbuch von „Schwimmers“. Eine französische Grammatik, Lechners Rechenbuch und ein „Rechnungsbüchlein“ vervollständigten die Ausstattung des angehenden Lehrers.134 25 Jahre später war Tschiras Bibliothek wesentlich umfangreicher. Außer den bereits genannten Werken besaß er nun Ernst Friedrich Zobels „Hand- und Reißbuch“, Adam Volkmanns „Notariatskunst“, eine „Anweisung zu teutschen Briefen“, Abraham Gotthelf Kästners „Anfangsgründe zur Mathematik“ und „Anfangsgründe zur Arithmetik“, das „alte Algebrabuch“ von Maler und Christian Wolffs „Anfangs Gründe in den mathematischen Wissenschaften“.135 Ferner hatte 132 Er besaß zwei Bibelausgaben, darunter eine illustrierte Leipziger Bibel, verschiedene Gesangbücher (Durlacher, Straßburger, Colmarer), den Durlacher und den Colmarer Kathechismus sowie ein Durlacher Kommunionbüchlein. Der von August Bohse herausgegebene „Briefsteller“ wandte sich an die studierende Jugend und diente dem Reden und Schreiben „als den beyden unentbehrlichen Dolmetschern der menschlichen Gedanken“. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1123–1124. Zu Juckers „Briefsteller“ vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1455–145. 133 Hierbei handelt es sich um Johann Thommen, Musikalischer Christenschatz, Basel 1745. Die Lieder bildeten die Grundlage vieler evangelischer Gesangsbücher. StadtA Emmendingen, B 1b/1345. 134 StadtA Emmendingen, B 1b/1345. 135 Christian Wolffs (1679–1754) Werk war über den Bereich der Mathematik hinaus wegweisend. Aufgrund seiner Systematisierung der rationalistischen Philosophie, die die Leibnizsche Lehre in einigen Bereichen modifizierte, erlangte Wolff, der in Halle Professor für Philosophie war, großen Einfluss auf die Gelehrtenwelt seiner Zeit. Er vermittelte zahlreiche seiner
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sich Tschira eine „Einleitung zur Chemie“ von Roth, Matthäus Werners „Mündliche Sprüche“, ein Buch mit dem Titel „Feldmesser wie auch Sonnenuhrmacher“ und „Der teutsche Redner“ angeschafft. Auch das baden-durlachische Landrecht und die Landesordnung sowie ein „Pontisches Lexikon“ waren vorhanden.136 Langs Lateinische Briefe, ein lateinisches Lexikon, die Fabeln des Phaedrus und Cornelius Nepos’ Schriften geben Hinweise auf den Inhalt des Lateinunterrichts. Diese Werke gehörten zum verbindlichen Lektürekanon, den die Schulordnung für die höheren Bildungsanstalten vorschrieb. Vermutlich kamen diese lateinischen Bücher, eventuell auch einige der mathematischen und historischen Werke, nach dem Tod von Tschiras ältesten Sohn, der die Lateinschule besucht hatte und später ebenfalls als Lehrer arbeitete, im Jahre 1772 in den Haushalt des Vaters oder sie wurden während dessen Schulzeit angeschafft. Auch im Bereich der historischen Literatur hatte Tschira seine Bibliothek aufgestockt. 1774 besaß er eine Lebensbeschreibung des Markgrafen Ludwig von Baden, eine „Einleitung zur allgemeinen Welthistorie“ sowie ein zentrales Werk zur Konfessionsgeschichte Badens und ganz speziell Emmendingens: Johannes Pistorius’ „Beweggründen warum Markgraf Jakob zu Annehmung der katholischen Religion 1591“ veranlasst wurde.137 Im Bereich der religiösen Literatur ist ebenfalls eine Verschiebung zu erkennen. Luthers „Erklärungen über den kleinen Katechismus“ und das um die Mitte des 17. Jahrhunderts erstmals erschienene Erbauungsbuch „Das Gülden Kleinod Davids“ waren neu hinzugekommen. Vor allem aber hatte Tschira neuere, seit Mitte des 18. Jahrhunderts auf den Markt gekommene religiöse bzw. erbauliche Werke erworben. Dazu gehörten August Pfeifers „Postill“, Johannes Bischofs „kathechetische Erklärungen“, Karl Heinrich Bogatzkys „Güldenes Schatzkästlein der Kinder Gottes, deren Schatz im Himmel“, Johann Anastasius Freilinghausens „Grundlegung der Theologie“, Johann Adolf Hoffmanns „Betrachtungen über die Werke Jesu“ und Meiers „Gedanken über den Zustand der Seelen nach dem Tod“. Mit diesen Werken fanden zeitgenössische pietistische Strömungen Eingang in Tschiras Lektüre. Während ein Lehrer im württembergischen Laichingen zu dieser Zeit noch ausschließlich religiöse Werke besaß,138 hatte Tschira den religiösen Grundbestand seiner Bücher um Werke aus verschiedenen weltlichen Wissensgebieten sowie um zeitgenössische Erbauungsliteratur erweitert. Außerdem besaß Tschira ein Klavier und eine Geige; in seinem Haushalt wurde also offenbar auch Hausmusik gepflegt. Einen ganz anderen Charakter hatte die Bibliothek des in Karlsruhe geborenen und wohl auch dort ausgebildeten Mädchenschulmeisters Georg Friedrich Schüler auf philosophische Lehrstühle an Universitäten in protestantischen deutschen Territorien und trug damit wesentlich zur Überwindung des protestantischen Dogmatismus bei. Zu seinen Schulbüchern vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1975–1976. 136 StadtA Emmendingen, B 1b/1344. 137 Ausführlich mit diesem Thema beschäftigte sich jüngst: Günther, Reformation in der Krise. 138 Vgl. hierzu Medick, Weben und Überleben, S. 520–530. Medick kann den Buchbesitz einer Schulprovisorenfamilie über mehrere Generationen hinweg rekonstruieren. Erst ab den 1790er Jahren finden sich dort auch Grammatiken und Mathematikbücher.
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Fischer, der 1800 starb. In seinem Nachlassinventar wurden die rund 150 Bücher nur summarisch mit mehr als 94 Gulden veranschlagt.139 Genauere Aufschlüsse gibt jedoch das Nachlassinventar seiner Frau aus dem Jahre 1803.140 Fischer hatte 1796 Maria Eleonore Krämerin, eine Tochter eines evangelischen Pfarrers, geheiratet.141 Auch im Haushalt der Fischers gab es religiöse und erbauliche Werke: eine alte deutsche Bibel, eine Basler Bibel, eine lateinische Bibelausgabe, eine französischsprachige „Pfaffische Bibel“, das Neue Testament, zwei badische Gesangbücher, Johann Hübners Biblische Historien, ein „Güldenes Schatzkästlein der Kinder Gottes“ von Karl Bogatzky und Johann Anastasius Freylinghausens „Grundlegung der Theologie“. Ein „Kompendium Theologiae“ von Martin Geier, Heinrich Müllers „Kenntnisse der Theologie“, Werke mit Titeln wie „Christ am Sonntag“, „Christ in Einsamkeit“ oder „Empfindung des Christen“, Predigten von Johann Samuel Pazke, Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem und „Stockhausen“, eine „Augsburger Konfessionshistorie“ sowie Christoph Starkes „Ordnung des Heils“ lassen verschiedene Schlussfolgerungen zu. Entweder hatte Fischer ursprünglich eine theologische Ausbildung erhalten oder seine Frau hatte eine größere Sammlung religiöser Schriften von ihrem Vater geerbt. Der Bestand an altsprachlichen Werken umfasste zwei Lehrbücher für den Lateinunterricht,142 Wörterbücher – unter anderem das von Immanuel Johann Gerhard Scheller – Grammatiken sowie Werke von Cicero, Horaz, Ovid, Sallust, Vergil, Erasmus von Rotterdam und die im Lehrplan vorgeschriebenen Fabeln des Phaedrus „Fabulae Aesopoae“, ferner die „Colloquia Latina“ von Lang, ein rhetorisches Kompendium. Zwei hebräische Grammatiken, Johann Buxdorfs Lexikon des Hebräischen, zwei griechische Grammatiken, die Äneis und die Odyssee vervollständigten Fischers Bibliothek der alten Sprachen.143 Eine französische Grammatik war ebenfalls in seinem Besitz. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten historische und geographische Werke. Fischer besaß die „Staatsverfassung der heutigen vornehmsten europäischen Reiche“ des Göttinger Historikers und Statistikers Gottfried Achenwall, „Frankreichs neue Verfassung“, „Sechs Auszüge der Geschichte Badens“, Johann Georg Essichs „Welthistorie“144 samt Johann Christian 139 StadtA Emmendingen, B 1b/362. 140 StadtA Emmendingen, B 1b/972. 141 Die Ehe wurde in Malterdingen geschlossen. Freundliche Auskunft von Rolf Eilers/Freiburg. Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete Maria Eleonore den Emmendinger Konditor Johann Christian Reichert. StadtA Emmendingen, Genealogie. 142 Das von Christian Gottfried Schütz und Johann Salomo Semler herausgegebene Elementarwerk für die niederen lateinischen Schulen und Gymnasien ist ausschließlich von Schütz verfasst. Semler steht nur auf dem Titelblatt. Es ist u.a. ein Methodenbuch für angehende Lehrer, außerdem enthält es Lektionspläne etc. In seiner Einleitung befasst sich Schütz ausführlich damit, warum es sinnvoll ist, Latein zu lernen, und das ganze Werk ist auf eine umfassende Bildung hin konzipiert. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1057–1081. 143 Die Odyssee erfuhr zu dieser Zeit durch die Übersetzung in Hexameter von Johann Heinrich Voss (1751–1826) eine Renaissance. 144 Essich verfasste sein Kompendium der Weltgeschichte für Anfänger der geschichtlichen Studien mit einem Anhang von Zeittafeln und Geographischen Anmerkungen. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1239–1240.
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Volz’ Anhang, die Erdbeschreibungen Friedrich Osterwalds und Johann Christoph Pfennigs, die „Helvetische Galerie“ sowie weitere geographische Beschreibungen.145 Ein Atlas mit 22 Karten sowie 15 lose Landkarten unterstreichen Fischers geographisches Interesse. Der badische Staatskalender und Carl Friedrich Gerstlachers Kompilation der badischen Gesetze dienten als Nachschlagewerke. Aber Fischer war auch literarisch interessiert. Er besaß zwei Exemplare von Johann Martin Millers „Siegwart – eine Klostergeschichte“, Bücher wie „Der indianische Weltweise“ und „Der Verbrecher ohne Seinesgleichen“146 und das schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts beliebte Werk „Der abgefertigte Jesuit“ von Hector Gottfried Masius. An zeitgenössischen literarischen Werken finden sich Goethes sämtliche Schriften, „Kleists Sämtliche Werke“, Klopstocks „Messias“ und die Gedichte von Johann Peter Uz.147 Auch eine französische und eine deutsche Ausgabe des Telemach,148 Satiren von Gottlieb Wilhelm Rabener und die „Ossian“-Dichtungen waren vorhanden.149 Von Fischers Beschäftigung mit der zeitgenössischen Pädagogik zeugen Titel wie „Der höfliche Schüler“, „Anleitung zur Wahl anständiger Sitten“, Christian Gotthilf Salzmanns „Von der Erziehung des Kindes“ sowie die „Wochenschrift für Erziehung der Jugend“.150 In diesen Kontext gehören auch ein Buch über Me145 Darunter finden sich Titel wie „Erläuterung des Erdbodens“ und „Erdbeschreibung“. 146 Zu diesem Titel können keine näheren Angaben gemacht werden. 147 Bei Klopstocks „Messias“ handelte es sich um eine epische Dichtung über das Leben Christi in Hexametern, das „als das Werk des Übergangs von der intensiven zur extensiven Lektüre“ bezeichnet wird. Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 106. Johann Peter Uz (1720–1796) gehörte wie Friedrich von Hagedorn zum „Halleschen Freundeskreis“, der das Anakreon pflegte. Hagedorns Schriften finden sich im Haushalt von Matthias Berblinger spätestens seit 1777. StadtA Emmendingen, B 1b/69. 148 Dieser umfangreiche, zwischen 1690 und 1695 entstandene Reise- und Bildungsroman, erschien 1733 zum ersten Mal in deutscher Sprache. Der pseudo-historische und utopische Roman knüpft an den dritten und vierten Gesang des Homers an. Der Sohn des Odysseus, Telemach, und dessen Lehrer reisen durch verschiedene antike Staaten auf der Suche nach seinem Vater. Die Verhältnisse auf dieser Reise spielen auf zeitgenössische Zustände an. In den in Emmendingen vorhandenen Totengesprächen des David Fassmann finden Telemach und Robinson Crusoe zusammen und kommentieren Auszüge aus den Werken Fenelons und Defoes. Die Übersetzung von Schütz, die wohl in Emmendingen vorhanden war, wandte sich in Prosa an alle Stände. Vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 970–994, 1251–1265. Der Nürnberger Georg Philipp Platz (Plats), der eine Interpretation des Telemach veröffentlichte, war bekannt durch seine Lehrwerke, die Kindern die französische Sprache näher bringen sollten. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. 1670–1671. 149 Dieses Werk war eine Neudichtung des Schotten James Macpherson (1736–1796), galt aber zu seiner Zeit als authentisch und war prägend für die im Sturm und Drang entstehende Volksdichtung. Die Wirkung Ossians in Deutschland zeigte sich 1766 in der Veröffentlichung von Heinrich Wilhelm von Gerstenbergs „Gedichte eines Skladen“. 150 Diese von Christian Friedrich Böckh herausgegebene Wochenschrift wandte sich an alle Stände und sollte eine christliche und vernünftige Kinderzucht befördern. Sie enthält eine Sammlung zeitgenössischer erziehungstheoretischer Texte. Grundlage sind die folgenden drei Erziehungsformen: 1. die allgemeine private, die zu Hause stattfindet, 2. die öffentlichen Schulen und 3. die private Erziehung durch Hauslehrer. Vgl. hierzu Handbuch der Kinderund Jugendliteratur II, Sp. 108–113.
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taphysik und Logik sowie die „Betrachtungen“ des Philosophen und Pädagogen Johann Georg Feder. Für letzteres Werk konnte kein genauer Titel ermittelt werden, jedoch kommen zwei Bücher in Frage: Eines davon beschäftigte sich mit dem Unterricht von Kindern aus verschiedenen Religionsgemeinschaften. Das zweite ist eine Auseinandersetzung mit Jean Jacques Rousseaus Werk „Emile“, das einen neuen Zugang zur Erziehung forderte und statt Disziplin die Zuneigung zu Kindern und deren Förderung betont. Feder kann damit als „progressiver“ Pädagoge des ausgehenden 18. Jahrhunderts angesehen werden, und seine Werke dürften nicht ohne Einfluss auf den Mädchenschulmeister Fischer gewesen sein. Dasselbe gilt für Georg Ernst Waldaus Werk „Über die Toleranz“ und Christian Gotthilf Salzmanns pädagogische Schrift, die die Erziehung der Mädchen zur Ehefrau und Mutter betonte.151 Sofern man von Fischers Buchbesitz auf seine Unterrichtspraxis schließen kann, war die Mädchenbildung in Emmendingen um 1800 erstaunlich „modern“. Dies bedeutet freilich auch, dass Mädchen systematisch auf eine Rolle als Hausfrau, Mutter und dienende Gefährtin des Mannes vorbereitet wurden.152 Schließlich besaß Georg Friedrich Fischer auch ein erstaunlich breites Spektrum an Schulbüchern: Johann Andreas Löhrs Lesefibel „Neues Bilder ABC Buch“153, Georg Christian Raffs „Naturgeschichte für Kinder“,154 Physiklehrbücher, Johann Jacob Eberts „Natürliche Geschichte“,155 Werke zur Syntax, eine Grammatik und Johann Christoph Gottscheds einflussreiche „Deutsche Sprachkunst“,156 die u.a. die Erlernbarkeit der Dichtkunst mit Hilfe eines Regelkanons propagierte und sich gegen „Sprachverwilderung“ wandte. Vom selben Autor
151 Vgl. Schmale, Schule, S. 726. 152 Vgl. u.a Toppe, Mutterschaft. Cöppicus-Wex, Verlust der Alternative. Schmid, Bestimmung, S. 107. Mayerhöfer, Bei den Virginibus. 153 Das 1796 erstmals erschienene ABC von Johann Andreas Löhr war für besonders lernbegierige Kinder ab dem 5. Lebensjahr konzipiert und sollte die verstärktes Interesse am Lesen hatten. Vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 922–925. 154 Die in Dialogform aufgebaute Naturgeschichte, in einem „Ton geschrieben […] wie es Kinder haben wollen“, behandelt in drei Teilen das Pflanzen-, Tier- und Mineralreich und geht vom unmittelbaren Erfahrungshorizont des Kindes aus und gehörte bald zu den populärsten Kinderbüchern des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 1022–1027, 1238. 155 Diese Naturlehre war für Kinder von 10–12 Jahren aus dem gehobenen Bürgertum und dem Adel konzipiert und in Form von 275 Briefen verfasst, die einen systematischen Abriss der gesamten Naturlehre abdecken sollten. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 1010–1014. 156 Aus dem Kurztitel ist nicht zu erkennen, ob es sich hierbei um die 1748 erschienene „Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst“ für Erwachsene oder den später erschienenen „Kern der Deutschen Sprachkunst“ handelt. Letzteres Buch sollte zur Förderung des muttersprachlichen Unterrichts verwendet werden. Mit diesem Werk sollte Schottels veraltete deutsche Grammatik von 1641 ersetzt werden. Vgl. hierzu ausführlich Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 813–821, 1227–1228.
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besaß Fischer auch die „Deutsche Schaubühne“.157 Georg Friedrich Fischer gehörte wohl einer der Lesegesellschaften an, die sich Ende des 18. Jahrhunderts in Emmendingen etablierten. Der Spezialsuperintendent Johann Bernhard Gockel hatte 1798 ein „Lese=Institut für die Schulmeister seiner Diöces“ eingerichtet; eine ebenfalls von Gockel gegründete Lesegesellschaft der Hochberger Geistlichen debattierte Bücher theologischen und pädagogischen Inhalts.158 In den drei untersuchten Lehrerbibliotheken spiegelt sich ein Wandel der Lehr- und Lektüreinhalte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wider. Während in der ersten Jahrhunderthälfte noch überwiegend religiöse und erbauliche Literatur gelesen wurde, verbreiterte sich nach 1750 das Spektrum an praktischen, naturwissenschaftlichen, pädagogischen, historischen, geographischen, literarischen und philosophischen Werken ganz erheblich. Gegen Ende des Jahrhunderts zeigen sich deutliche Einflüsse der Aufklärung. Diese Veränderung und Verbreiterung des Literaturkonsums und Lesegeschmacks lässt sich auch in anderen Emmendinger Haushalten beobachten. Besonders gut lässt sich dieser Wandel im Buchbestand der Familie Berblinger verfolgen. Als der Schneider Matthias Berblinger 1740 verstarb, waren in seinem Haushalt neun Bücher ganz überwiegend religiösen Inhalts vorhanden, die er seiner zweiten Frau hinterließ: Johannes Arndts „Wahres Christentum“ und „Paradiesgärtlein“, ein „Frauenzimmerhand- und Gebetbuch“, ein Hallesches Gesangbuch, Hötzlins „Christliche Stimme“, Kießlings „Nürnberger Handbuch“, Krammers Kommunionbüchlein,159 Martin Luthers Hauspostille und Johannes Stierlins „Leiden Christi“.160 Einzelne Bücher hatte er wohl schon seinen Kindern erster Ehe übergeben, wie den „Geistlichen Adler-Stein“, den seine Tochter Regina Katharina besaß. Sein Sohn Christian Josua – Schneider, Ratsmitglied und lange Jahre Baumeister der Stadt – hatte bei seinem Tod 1795 19 Bücher im Schrank stehen, darunter einige von seinem Vater geerbte wie die beiden Werke von Arndt, das Kommunionbüchlein und Luthers Hauspostille. Ferner besaß er eine Wittenberger Bibel, ein Stuttgarter Gesangbuch, ein Stuttgarter Kommunionbuch, zwei weitere Gesangbücher, ein Hallesches Neues Testament mit Psalmen, Christoph Starcks Gebetbuch, Stobers Kommunionbüchlein,161 Thomas a Kempis „Von der Nachfolge Christi“ und Georg Hagels „Ganze Passionsbetrachtung und Hauspolitik“ 157 Der Inhalt seiner Bibliothek deckt sich teilweise auch mit dem Stoff, der in der Lehrerausbildung in Koblenz geprüft wurde. Die pädagogische Ausbildung wurde im späten 18. Jahrhundert allmählich Bestandteil der Lehrerqualifikation. Schmale, Schule, S. 712, 713. 158 Überflüssiges Taschenbuch, S. 84–85. Maurer, Emmendingen, S. 144. Zu Lesegesellschaften allgemein: Gestrich, Absolutismus, S. 171–173. Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 105– 106, 186–187. Möller, Vernunft und Kritik, S. 261–268. North, Genuss und Glück, S. 26–32. Speziell zur Fortbildung der Lehrer: Schmale, Schule, S. 695. Leider gibt es keine Hinweise darauf, wo Johann Bernhard Gockel seine theologische Ausbildung erhalten hat. Daher ist nicht zu ermitteln, ob es sich hier um eine aufgeklärte oder eine pietistische Einrichtung handelte. Vgl. zu pietistischen Zirkeln Gleixner, Pietismus, S. 81–82, 87. Leider sind für Emmendingen keine Bücherkataloge oder Leselisten überliefert. 159 Diese Titel konnten nicht nachgewiesen werden. 160 GLA Karlsruhe, 198/80. 161 Dieser Titel konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden.
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sowie dessen „Weltchronik“. Johann Hübners „Geographie“, sein „Staats- und Zeitungslexikon“ sowie ein Basler Lexikon in vier Bänden waren ebenfalls im Hause. Hier zeigt sich bereits eine Diversifizierung des Buchbesitzes: die religiöse Literatur, die er von seinem Vater übernommen hatte, wurde nicht nur um weitere Erbauungsschriften, sondern auch um Lexika und geographische Werke ergänzt.162 Christian Josua Berblingers Sohn Matthias, ein angesehener Handelsmann und Bürgermeister gegen Ende des 18. Jahrhunderts, brachte in seine 1777 geschlossene Ehe an religiösen Schriften eine Bibel und ein Durlacher Gesangbuch ein.163 Seine Ehefrau, die aus Rheinbischofsheim stammende Charlotte Dorothea Schwindin, besaß damals ein mit Silber beschlagenes Gesangbuch im Wert von fünf Gulden, ein Straßburger Gesangbuch, eine Handbibel und Starcks Kommunionbüchlein. Auffallend sind jedoch vor allem die „Fachbücher“ für den kaufmännischen Gebrauch. Der Haushalt besaß Salomon Haasens „Münzmeister“ und „Wechselrechnungen“, „Merlische Rechnungsbücher“ und Johann Philipp Bendelers Geometrie, Christian Wolffs „Mathematische Wissenschaft in sechs Teilen“, eine deutsche Grammatik, ein lateinisches Lexikon und Ernst Friedrich Zobels „Gemeinnütziges Hand- und Reisebuch für junge Leute aller Stände“. Daneben fällt ein weiterer Interessenschwerpunkt auf. Das mit vier Gulden 30 Kreuzern am höchsten geschätzte Werk im Besitz Berblingers war die 1775 erschienene zehnbändige Sammlung der Werke des Dichters Christian Fürchtegott Gellert. Die Eheleute besaßen auch den zweiten Teil von Johann Christoph Gottscheds Philosophie, den dritten Band der Schriften Salomon Gessners und den dritten Band der Werke des aufgeklärten Fabeldichters Friedrich von Hagedorn.164 Obwohl es sich um vergleichsweise wenige und vielleicht auch eher zufällig erworbene literarische Werke handelte, lässt der Buchbesitz der Eheleute Berblinger doch auf ein gewisses Interesse an zeitgenössischer empfindsamer und aufklärerischer Literatur schließen. Die Inventare anderer Emmendinger Bürger und Bürgerinnen verdeutlichen sowohl die Dominanz religiös-erbaulicher Werke als auch individuelle Neigungen und berufsspezifische Bedürfnisse. Der 1745 verstorbene Krämer Johann Georg Roth besaß mindestens 14 Bücher. Darunter befanden sich eine Sammlung von Leichenpredigten, eine „Widerlegung der Päpstlichen Scheingründe“ von Hein162 StadtA Emmendingen, B 1b/70. 163 StadtA Emmendingen, B 1b/69. Dass Charlotte Dorothea durchaus vermögend war, zeigt ihr Inventar, das ihren Besitz auf fast 1680 Gulden veranschlagt. Sie war die Tochter des Pfarrers Sigismund Schwind von Freistett in der Herrschaft Hanau-Lichtenberg. Das Vermögen ihres Ehemannes belief sich zu diesem Zeitpunkt auf nur 400 Gulden. Hintergrundinformationen zu ihrer Familie finden sich in StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 14.3.1776, fol. 24r–24v und C/IX Stadtrechnung 1776. 164 Friedrich von Hagedorn (1708–1754) war Dichter, Jurist und Philosoph. Er führte eine nach dem griechischen Dichter Anakreon benannte heitere Richtung der französischen Lyrik, die um Themen wie „Liebe“, „Wein“ und „Geselligkeit“ kreiste, in Deutschland ein. Diese wurde besonders im so genannten „Halleschen Freundeskreis“ gepflegt, zu dem auch Johann Peter Uz gehörte.
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rich Müller, der „Himmelskuss“ und der „leidende Jesus“ desselben Autors, Thomas Watsons „Geistreiche Predigt (das eifrige Christentum)“ sowie zwei nicht näher zu bestimmende, im Inventar mit „Pilgram Spiegel“165 und „Tillmann Vesperstunde“ bezeichnete Titel.166 Johann Georg Roths Witwe Agathe Hitzigin besaß nach einer weiteren Ehe im Jahre 1776 noch alle Bücher ihres ersten Mannes und zusätzlich Benjamin Schmolcks „Angenehmer Tugendschmuck“.167 Der Handelsmann Johann Jakob Mollinger, dessen 14 Kinder alle im Kindesalter starben, dürfte in besonderem Maße auf religiöse Erbauungsliteratur zur Stärkung und zum Trost angewiesen gewesen sein. Bei seinem Tod verfügte auch er über Johannes Arndts „Wahres Christentum“, mehrere Bibeln und Gesangbücher in verschiedenen Ausstattungen, zwei Katechismen und Johann Christoph Olearius’ Kommunionbüchlein mit Futteral. Neben der „evangelischen Schatzkammer“ und den „Übungen der Gottseeligkeit“ finden sich in seinem Inventar auch Johann Lassenius’ „Perlenschatz“ und sein „Biblischer Weihrauch“. Mollinger besaß aber auch „moderne“ Arzneibücher wie „Dr. Zwinger(s) sicherer und geschwinder Arzt“, ein „Haus und Gartenbuch“ sowie das Baden-Durlachische Landrecht und die Landesordnung.168 Der Adlerwirt Johann Wilhelm Legler, der 1754 an den Folgen eines Gefängnisaufenthaltes wegen Ehebruchs starb, besaß 37 Bücher, darunter wie Mollinger das Buch zur Heilkunst von Zwinger. Neben den Schriften Arndts standen ihm Trost- und Erbauungsbücher wie Valentin Wudrians „Kreutzschul“, Heinrich Müllers „Geistliche Erquickstunden“, Johann Quirsfelds „Myrthengarten“, Günther Heilers „Seelenapotheke“ und Johann Jakob Othos „Krankentrost“ zur Verfügung.169 Dass Legler eine gute Schulbildung genossen und wahrscheinlich die Lateinschule besucht hatte, zeigen ein Wörterbuch, zwei französische Grammatiken, Johann Christoph Nehrs Lexikon, ein Rechenbuch von Wolfgang Adam Held und drei lateinische Texte. Für die Küche seines Gasthauses hatte er wohl das Kochbuch angeschafft, das im Inventar verzeichnet ist.170 Anna Klipfelin, eine Schwägerin Leglers, hinterließ bei ihrem Tod 1765 14 Bücher, darunter Herkules Mährens „Historien in zwei Bänden“, „Hübners Stadtund Zeitungslexikon“ sowie Schriften von Johannes Arndt, Heinrich Müller und Christian Scriver.171 Maria Margarethe Schickin, die Mutter der im dritten Kapitel porträtierten Anna Maria Elisabeth Wildersinnin, hinterließ neun Bücher, darunter das einzige in Emmendingen nachweisbare Exemplar der „Geistliche(n) Seelenbetrachtungen“ von Johann Jakob Eisenlohr, einem Vorfahren ihres Schwiegersohns.172 Juliane Nagelin, die Frau des Küfers und Sonnenwirts Johann Gimpel, 165 Auch die Bezeichnung im Inventar seiner Frau „geistlicher Pilgramspiegel“ bringt keinen zusätzlichen Aufschluss. StadtA Emmendingen, B 1b/1330. 166 StadtA Emmendingen, B 1b/1054. in 1330 wird es als „Rivinis Vesperstunde“ bezeichnet. 167 StadtA Emmendingen, B 1b/1330. 168 StadtA Emmendingen, B 1b/881. 169 Medick, Weben und Überleben, S. 547. 170 StadtA Emmendingen, B 1b/823, 1542. 171 StadtA Emmendingen, B 1b/1055. 172 StadtA Emmendingen, B 1b/782.
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besaß bei ihrer Eheschließung 1762 fünf Bücher, darunter die Erbauungsschrift „Jesus Gedanken“ von Heiler, Leichenpredigten von Paul Jenisch sowie eine Büdinger Handbibel und eine Kinderlehre.173 Individuelle Präferenzen zeigen sich bei dem aus Kassel stammenden Gärtner Wilhelm Nagel, der 1759 das Buch „Holländische Züge zu Wasser und zu Meer“ sowie ein „Gärtnerbuch“ besaß,174 sowie bei dem 1802 verstorbenen Apothekergesellen Johann Christian Stephani. Ein Wertheimer Gesangbuch erinnerte an Stephanis Geburtsort Nassig in der Grafschaft Wertheim-Löwenstein, und Johann Christian Wieglebs „Chemische Versuche” sowie Karl Gottfried Hagens „Apothekerkunst“ dürften ihm beruflich von Nutzen gewesen sein.175 Der Buchbesitz des Emmendinger Schuhmachers Konrad Süß schließlich verdient insofern Interesse, als der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz zeitweilig in seinem Haus wohnte und sich mit dessen Sohn anfreundete. Süß besaß bei seinem Tode 1789 vier Gesangbücher, zwei lutherische und eine „pfaffische“ Bibel, Starcks Gebetbuch, Johannes Arndts „Paradiesgärtlein“ und „Wahres Christentum“, ein Kommunionbüchlein, ein Predigtbuch, Benjamin Schmolcks Gebetbuch, Johann Paul Commerells „Erklärungen“, das „Leben des Apostels Paulus“, „Das Licht der Menschheit“, Johann Adolf Hoffmanns „Zufriedenheit“ und eine Kurzfassung von Amadeus Kreutzbergs „Betrachtungen“.176 Sein Buchbesitz umfasste also ausschließlich religiöse und erbauliche Werke. Im Gegensatz zu den christlichen Einwohnern der Stadt sind uns die Buchbestände der jüdischen Bewohner nur in einem Fall überliefert, da für sie keine Pflicht zur Inventarisierung bestand. Jonas Weil, der Emmendinger Judenvorsteher, besaß ein Buch mit dem Titel „Erklärung des Lichtes“, vier jüdische Gebetbücher, ein Psalmenbuch, ein „Aster-Gebetbuch“ und eine Bibel. Ob es sich bei den fünf Büchern Mose in seinem Besitz um ein gebundenes Buch handelte oder um die Thorarolle, ist nicht zu klären. Explizit nennt das Inventar auch eine deutsche Bibelausgabe sowie ein „Stark Büchle“.177 Ansonsten kennen wir nur noch den Buchbesitz des zum Christentum konvertierten Isaak Zadock alias Christian Ostermann. Im Jahre 1791, beim Tode seiner ersten Frau und dreißig Jahre nach ihrer gemeinsamen Konversion, erinnerte 173 StadtA Emmendingen, B 1b/1334. 174 StadtA Emmendingen, B 1b/452. Der u.a. für den Forstmeister von Zink arbeitende Gärtner Nagel profitierte von der Nachfrage nach qualifizierten Dienstleistungen im Bereich der Gartenkunst. Das Interesse an der Anlage von Gärten zeigt sich nicht nur beim Oberamtmann Schlosser, sondern auch bei den Bürgern. Vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 384. Allgemein North, Genuss und Glück, S. 101, 115–120. 175 StadtA Emmendingen, B 1b/1055. Hagen war ursprünglich Apotheker, später dann Professor für Physik, Chemie und Mineralogie in Berlin. 176 StadtA Emmendingen, B 1b/982. 177 StadtA Emmendingen, B 1b/1409, Heiratskontrakt Joseph Weil, Sohn des Jonas Weil, und Maille, Tochter des Jacob Weil aus Müllheim, 1801–02, fol. 14v. Wesentlich mehr Bücher befanden sich im Haushalt des Steinbiedersdorfer Juden Lion Pfalzburger; allerdings ist von keinem seiner 68 Bücher ein Titel überliefert. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 176. Am 20. Januar 1804 supplizierte Jonas Weil, dass er nach mehr als 40 Jahren sein Amt als Judenschultheiß niederlegen wolle. Cohen, Die Landjudenschaften Bd. 3, Dok. 34:19.
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kaum noch etwas an die jüdische Vergangenheit der Familie. In Ostermanns Bücherschrank fand sich wenig mehr als der typische Lektürekanon eines armen Emmendinger Bürgers: ein badisches Gesangbuch, das Neue Testament, ein Kommunionbüchlein, ein Gebetbuch und Arndts „Wahres Christentum“. Hinzu kam ein „Christliches Handbüchlein für Kinder“ von Johann Caspar Lavater – ein Buch, das sonst nicht in Emmendingen belegt ist.178 Zwei Jahre nach Erscheinen dieses Buches forderte Lavater seinen Bekannten Moses Mendelssohn auf, zum Christentum zu konvertieren, nachdem er die deutsche Fassung des Buches „Untersuchungen der Beweise für das Christentum“ von Charles Bonnet herausgegeben hatte, welcher glaubte, die Ankunft Christi durch die Bekehrung der Juden beschleunigen zu können.179 In welchem Kontext dieses Buch in den Ostermannschen Haushalt gelangte, ist nicht mehr zu klären – auf jeden Fall war es kein Geschenk zur Taufe. Die allgemeine Entwicklung auf dem deutschen Buchmarkt im 18. Jahrhundert, die durch einen Rückgang an Neuerscheinungen religiöser Literatur und eine Zunahme weltlicher Publikationen, vor allem aus den Bereichen Philosophie, Pädagogik, Naturwissenschaften, Philologie, Handelswissenschaften und Belletristik gekennzeichnet war,180 spiegelt sich in begrenztem Umfang auch in Emmendingen wider. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dominierte die religiöse Literatur: In praktisch jedem Haushalt waren ein Exemplar des Gesangbuchs und eine Bibel vorhanden,181 und viele Emmendinger besaßen Katechismen sowie einige Trostund Erbauungsschriften. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass die Nachlassinventare neben Neuerwerbungen auch Bücher enthalten, die über Generationen weitergegeben wurden. Einzelne gebildete Beamte wie der Burgvogt Matthias Gottlieb Böck besaßen bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts literarische Werke und Bücher aus verschiedenen Wissensgebieten, doch im Emmendinger Handels- und Gewerbebürgertum wurden literarische, mathematisch-naturwissenschaftliche, historisch-geographische und pädagogische Werke erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in nennenswerter Zahl erworben. Damit dürfte zumindest in begrenztem Umfang eine Rezeption zeitgenössischer pietistischer und aufklärerischer Strömungen einhergegangen sein. Über die Bibliotheken ihrer Väter und Ehemänner sowie über aufgeklärte Schullehrer wie Fischer konnten auch Mädchen und Frauen an diesen Entwicklungen teilhaben: Auch wenn ihnen eine formale höhere Bildung versagt blieb, dürften ihnen die Bücherschränke in ihren Haushalten offen gestanden haben. 178 StadtA Emmendingen, B 1b/943. Zu Lavater vgl. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur I, Sp. Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur II, Sp. 406, 597, 723, 762, 774, 1232. 179 In den 1770er Jahren fand der so genannte „Lavater-Streit“ statt, in dem sich Mendelssohn dezidiert zu seinem Judentum bekannte. Vgl. hierzu ausführlich Graetz, Jüdische Aufklärung, S. 266–267, 317. Mevorah, Johann Caspar Lavater, S. 431–450. Ein Kupferstich mit Mendelssohn und Lavater, die über die Religion diskutieren ist abgedruckt bei: Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 176. 180 Wittmann, Geschichte, S. 78. Vgl. auch North, Genuss und Glück, S. 10, 21, 23–24. 181 Holenstein, Gute Policey I, S. 260 verweist darauf, dass die Pfarrer jährlich in den Haushalten den Bestand an Bibeln und Gesangbüchern zu überprüfen hatten.
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5. LEHRJAHRE, DIENSTJAHRE, WANDERJAHRE An den Abschluss der Schulzeit schloss sich für diejenigen Emmendinger Jugendlichen, die keine Universität besuchten, entweder eine berufliche Ausbildung oder eine Phase des Gesindedienstes an. Wie im Fall der höheren Schulbildung waren auch die Chancen, eine berufliche Ausbildung zu erhalten, geschlechtsspezifisch höchst ungleich verteilt: Eine Lehrzeit konnten formal nur männliche Jugendliche absolvieren. Allerdings hat die neuere gewerbegeschichtliche Forschung darauf hingewiesen, dass die Ausbildung im frühneuzeitlichen Handwerk in erster Linie auf Nachahmung und „Abschauen“ basierte und auch die Töchter von Handwerkern durchaus Gelegenheit hatten, das Metier ihrer Väter durch Beobachtung und Nachahmung intensiv kennen zu lernen.182 Emmendinger Bürgersöhne erlernten ihren Beruf in der Regel entweder im väterlichen Betrieb oder bei anderen Meistern der Stadt bzw. des Oberamts Hochberg. Die Lehrzeit endete mit der sog. Ledigsprechung und der Ausstellung des Gesellenbriefs. Der 1749 in Emmendingen geborene Küfersohn Johann Christian Schöchlin beispielsweise lernte nach Abschluss seiner Schulzeit 1767 bei dem Glasermeister Johann Jakob Reinhard und wurde nach drei Jahren ledig gesprochen. Seine Eltern hatten für ihn ein Lehrgeld von 30 Gulden zu bezahlen.183 Der gleichaltrige Johann Jakob Christoph Eisenlohr absolvierte bei seinem Vater eine Buchbinderlehre und wurde 1765 ledig gesprochen. Anschließend begab er sich für sechs Jahre auf Wanderschaft.184 Der Knopfmacher Jakob PhilippFrank beschäftigte seinen Sohn Karl Friedrich in seinem Betrieb, ließ ihn aus finanziellen Gründen aber nicht aufdingen, d.h. als Lehrling in die Zunft einschreiben. Wiederholt wurde Frank von Kirchenzensur und Rat „wegen übler Kinderzucht“ ermahnt und aufgefordert, „den 17 jährigen ältesten Sohn aus der ersten Ehe, dem es an Kleidung mangele, und der nicht einmal auf die Wanderschaft gehen könne, weil er weder als Knopfmacherjung eingeschrieben noch ausgethan seye“, formal zum Gesellen auszubilden, denn sonst würde „dieses Kind in bedenkliche Umstände gerathen (…), welchen Unfug man länger nicht zusehen kann“. Frank sollte „seine Kinderzucht einrichten, wie es einem ehrlichen Vater gebühre“.185 Nach der Lehrzeit verließen die Handwerksgesellen für mehrere Jahre ihren Heimatort und gingen auf Wanderschaft. Dorothee Rippmann und Katharina Simon-Muscheid charakterisieren die Wanderschaft als eine Lebensphase, während der die männlichen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen ihren räumlichen Erfahrungshorizont erweiterten: „Sie befinden sich schließlich auf der Suche nach einem Ort, in welchem sie eine wirtschaftliche Existenz aufbauen, heiraten und sich endgültig niederlassen können.“186 Die Wanderungsbewegungen Emmendin182 Vgl. Schmale, Schule, S. 655. Werkstetter, Da ich meinem Vater Tochter. Allgemein Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 130, 159–160. Ingendahl, Witwen, S. 51. 183 StadtA Emmendingen, B/V/2, Fasz. 2. 184 StadtA Emmendingen, B/V/2, Fasz. 2. Genealogie Emmendingen. 185 StadtA Emmendingen, B/VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 2.2.1770 und 4.7.1770. 186 Rippmann/Simon-Muscheid, Weibliche Lebensformen, S. 77. Ähnlich äußert sich auch Speitkamp, Jugend, besonders S. 14–82.
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ger Handwerksgesellen konzentrierten sich primär auf das Oberrheingebiet einschließlich der Nordschweiz und des Elsass, das neuere Forschungen für die Frühe Neuzeit als einheitlichen Wirtschaftsraum charakterisiert haben.187 Vereinzelt führten Gesellenwanderungen aber auch weit über diese Region hinaus. Über die Dauer der Wanderschaft liegen nur punktuell Informationen vor. Der Schneider Konrad Gockel hatte sich während seiner elfjährigen Wanderzeit „vorzüglich perfektioniert“.188 Der Bäcker Friedrich Wilhelm Stierlin war sechs Jahre unterwegs.189 Eine besondere Anziehungskraft übten große städtische Zentren wie Straßburg aus. So kehrte der 1671 in Emmendingen geborene Bäcker Johann Bernhard Stiefel nach seiner Wanderschaft nicht mehr zurück, sondern ließ sich in Straßburg nieder.190 Der 29 Jahre alte Georg Friedrich Legler „war in Straßburg bei Johann Klein, B(ürger) und Metzger in Diensten gestanden“, als er 1724 „dienstlich zu seinen Eltern“ zurückkam und dort verstarb.191 Im Jahre 1762 gab der Schuhmacher Georg Friedrich Schöchlin sein Emmendinger Bürgerrecht auf, um sich in der elsässischen Metropole niederzulassen.192 Sein Neffe, der Hafnergeselle Christian Schöchlin, ertrank 1775 im Alter von 19 Jahren in Straßburg beim Baden im Rhein.193 Der Messerschmied Johann Jakob Gimpel hatte sein Metier „mit außerordentlichem Kostenaufwand in Straßburg“ gelernt.194 Auch die Wanderungen anderer Emmendinger Gesellen führten in linksrheinische Gebiete. Im elsässischen Münstertal ließen sich der 1708 geborene Johann Georg Heinrich und der neun Jahre jüngere Schuhmacher Josef Heinrich nieder.195 Im Jahre 1786 wurde der 20-jährige Georg Heinrich Götz, „boucher de profession“ aus „Emmendingen dans le Marquisat“, Bürger von Montbéliard, einer damals württembergischen Stadt.196 Sein jüngerer Bruder Wilhelm Heinrich siedelte sich ebenfalls dort an.197 Die Wanderschaft des Küfergesellen Christian Friedrich Schöchlin führte nach Besançon in die Franche-Comté. Dort arbeitete er eineinhalb Jahre bei Christian Romaker in der „Königins Gaß“ für einen Jahreslohn von 200 Gulden und freie Kost.198 Der Buchbinder Johann Jakob Eisenlohr befand sich nach einem Aufenthalt in Mannheim 1771 auf Wanderschaft in der 187 Scott, Regional Identity. Rippmann, Stadt-Land-Vergleich, S. 142–144. Pfister, Auswanderung, S. 305. Vgl. auch Straub, Oberland, S. 38–40, 52–72. 188 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.9.1784, fol. 68r. 189 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 24.4.1798, fol. 292v. 190 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 24.5.1714, fol. 144v. GLA Karlsruhe, 198/1. 191 StadtA Emmendingen, Genealogie, Sterbeeintrag vom 29.4.1724. 192 Er nahm 530 Gulden elterliches Erbe mit in die Fremde. StadtA Emmendingen, B 1b/1193. GLA Karlsruhe, 198/210. Genealogie Emmendingen 193 StadtA Emmendingen, B 1b/1201. 194 StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 100. Geographisch, statistisch, topographische Beschreibung, S. 336. 195 StadtA Emmendingen, B 1b/557, 1102. Genealogie Emmendingen. 196 StadtA Emmendingen, B 1b/453. 197 StadtA Emmendingen, B 1b/453. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/363. 198 Lutz, Emmendingen, S. 47.
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Schweiz.199 Der Handelsgehilfe Johann Reinhard Grün arbeitete 1796 bei dem Kaufmann Merian in Basel.200 Die Wanderung des Schuhmachergesellen Johann Konrad Heinrich Süß, die in mehreren Empfehlungsschreiben seines Freundes, des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz, ihren Niederschlag fand, führte 1778 unter anderem in die Schweiz, nach Basel und Arlesheim. Lenz meinte, er „werde keine ruhige Stunde haben, wenn er an dem katholischen Orte bleibt.“201 Der 20jährige Maurer und Hintersassensohn Johann Georg Bergtold erhielt nach Abschluss seiner Lehrzeit im Jahre 1776 zur „Perfektionierung seiner Künste“ von der Stadt 25 Gulden, wahrscheinlich für den Besuch der Zeichenschule für Bauberufe in Karlsruhe. Acht Jahre später wurde er zum Bürger angenommen.202 Einen weiten Aktionsradius hatte der Metzgergeselle Johann Georg Knoderer. 1778 übersandte ihm sein Vater 66 Gulden nach Königschaffhausen am Kaiserstuhl, einige Monate später mehr als 100 Gulden nach Basel und Anfang der 1780er Jahre 55 Gulden ins „Welschland“. 1793 hielt sich Knoderer in Luxemburg auf. Zwei Jahre später erhielt er elf Gulden nach Brüssel und später noch einen Betrag nach Würzburg übersandt. 1796 ließ er sich in Freiburg im Breisgau als Soldat anwerben, was seinen Vater erneut eine größere Summe kostete, um ihn freizukaufen. Insgesamt war Knoderer 18 Jahre auf Wanderschaft.203 Dem Schreinergesellen Christian Blum übersandten seine Eltern Ende der 1760er Jahre Geld nach Calw und Pforzheim. Sein Bruder, der Rotgerber Georg Friedrich Blum, erhielt während seiner Wanderschaft Geld nach Hornberg, in die Pfalz, nach Straßburg und Frankfurt am Main geschickt.204 Ein weiterer Bruder namens Johann Georg hatte sich zunächst als Soldat gemeldet und war in Karlsruhe desertiert. Daraufhin wurde dem „entwichenen Grenadier“ sein Vermögen beschlagnahmt.205 Nachdem ihn seine Eltern vom Militärdienst freigekauft hatten, ging Johann Georg Blum 1776 als Metzgergeselle auf Wanderschaft, wofür er von seinen Eltern neue Kleidung erhielt. Kurz darauf hatte er in Hornberg seinen Lehrbrief verpfändet, den seine Eltern für elf Gulden auslösen mussten.206 1784 starb derselbe Johann Georg Blum am Kap der Guten Hoffnung, „wo er bei der Ostindischen Compagnie als Sergeant in Diensten gestanden“ war.207
199 StadtA Emmendingen, B 1b/307. 200 StadtA Emmendingen, B 1b/209. 201 Lenz an Sarazin, vor Johanni 1778, in: Der Dichter Lenz und Friederike von Sesenheim, S. 32, 35. 202 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1776, 1784. Zur Zeichenschule in Karlsruhe und zur 1780 gegründeten Bauschule vgl. Schmale, Schule, S. 656, 676–677. Zur Bedeutung dieser Fachschulen, Körber, Die Zeit der Aufklärung, S. 168. 203 StadtA Emmendingen, B 1b/690. 204 StadtA Emmendingen, B 1b/118, 356, 908. Genealogie Emmendingen. Vgl. auch Auer, Stand der Dinge. 205 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 23.5.1775, fol. 40v. 206 StadtA Emmendingen, B 1b/118. 207 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 20.10.1789, fol. 265v– 268r.
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Der Sonnenwirt Georg Friedrich Knoderer kam auf seiner Gesellenwanderung 1795 unter anderem nach Genf und Amsterdam.208 Der 1769 geborene Bäckergeselle Jakob Heinrich Dölter war 1788, als er seinen Vater Peter Dölter beerbte, in Durlach beschäftigt.209 Im Jahre 1796 hielt er sich in Rotterdam auf und beabsichtigte, sich dort niederzulassen.210 Der ein Jahr ältere Schlosser Gottlieb August Schöpflin, Sohn des Hofküfers Johann David Schöpflin und Neffe des Bürgermeisters Otto Ludwig Hartmann, überquerte den Atlantik und starb in Amerika.211 Der 1757 geborene Johann Georg Stierlin lernte bis 1773 bei dem Blumenwirt Andreas Ringwald.212 Im Jahre 1777 schrieb er seinen Eltern einen Brief aus Darmstadt, wo er sich als Bäckergeselle aufhielt,213 und 1789 erreichte seine Eltern ein Brief aus Philadelphia.214 1804 betrieb Stierlin dort eine Bäckerei.215 Sein fünfzehn Jahre jüngerer Bruder Georg Jakob wanderte ebenfalls nach Amerika aus: 1791 erhielten seine Eltern einen Brief aus Baltimore.216 Zwei Jahre später erschien in der deutschsprachigen Zeitung „Wöchentliche Philadelphische Correspondenz“ eine Suchanzeige nach dem Bäcker Jakob „Stierle“, der im August 1792 Baltimore verlassen hatte.217 Im „Anzeigenblatt des Oberrheinkreises“ wurde noch 1834 wegen einer Erbschaft nach Georg Jakob Stierlin gesucht, „welcher im Jahr 1795 (sic!) auf die Wanderschaft gegangen ist und im Jahr 1801 die letzte Nachricht von sich gegeben hat.“218 Der 1767 geborene Geometer Christian Ernst Zöller hielt sich 1804 ebenfalls in Pennsylvania auf.219 Im Gegensatz zur Amerikaauswanderung aus nordbadischen Gemeinden, die überwiegend den Charakter einer Familienwanderung hatte, handelt es sich bei der Migration von Emmendingen nach Amerika im späten 18. Jahrhundert durchweg um Einzelwanderungen jüngerer Männer.220 Der Gesindedienst älterer Mädchen und junger Frauen sollte diese einerseits mit der Führung eines Haushalts, dem Umgang mit Geld und den Prinzipien häuslichen Wirtschaftens vertraut machen. Durch die Anlage eines „Sparhafens“ konn-
208 209 210 211 212 213 214 215
216 217 218 219 220
StadtA Emmendingen, B 1b/689. StadtA Emmendingen, B 1b/267. StadtA Emmendingen, B 1b/269, Brief aus Rotterdam, 12.2.1796. StadtA Emmendingen, B 1b/87, 492, 493, 1213. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B 1b/1029. StadtA Emmendingen, B 1b/1301. StadtA Emmendingen, B 1b/1307. StadtA Emmendingen, B 1b/345. Er bat schriftlich um die Übermittlung seiner zwei Erbschaften in Höhe von 640 Gulden über den Bruder des Burgvogts Wilhelm Deimling, Friedrich Gottlieb, der sich als Handelmann ebenfalls in Philadelphia niedergelassen hatte. StadtA Emmendingen, B 1b/1307. Hocker, Genealogical Data, S. 192. Großherzoglich Badisches Amtsblatt des Oberrheinkreises, 6.8.1834, in: StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B 1b/1542. Baier, Schwierigkeiten, S. 27. Genealogie Emmendingen. Vgl. Häberlein, Oberrhein.
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ten Mägde Rücklagen für die spätere Familiengründung bilden.221 Auf der anderen Seite legte die markgräfliche Obrigkeit vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts großen Wert darauf, dass junge Männer und Frauen außerhalb des Elternhauses Dienst taten. Die Landesordnung von 1715 bemängelte in stereotypen Formulierungen, dass Knechte und Mägde, „besonders zu wolfeilen Jahren/ fast nicht mehr genugsam zu belohnen“ seien, und kritisierte, dass das Gesinde „offt gegen ihre Herren/ Meistern oder Frauen/ allerley Muthwillen gebrauchen“ und „denselben vielmals/ ohne einige redliche Ursachen/ und sonderlich zu Zeiten/ wann man ihrer am meisten bedarff/ den Sack für die Tür werfen/ aus dem Dienst treten und selben verlassen“ würden. Die Dienstboten wurden daher ermahnt, ihren Dienst fleißig und gehorsam zu versehen, und den Haushaltsvorständen wurde verboten, einander die Knechte und Mägde innerhalb ihrer Dienstzeit abzuwerben.222 Seit den 1750er Jahren forderten mehrere landesherrliche Verordnungen über die Oberämter von den Städten und Gemeinden Listen der zum Gesindedienst tauglichen Personen an.223 Der 17-jährigen Anna Maria Scherbergerin wurde 1764 eine Eintürmung angedroht, falls sie „wieder Ungehorsams angeklagt, oder auch aus dem dienst lauffen werde.“224 Vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Arbeitskräftemangels wurde die Aufsicht über den Gesindedienst im Oberamt Hochberg gegen Ende des 18. Jahrhunderts deutlich intensiviert.225 Im Jahre 1783 wurden mehrere Väter aufgefordert, ihre Töchter innerhalb von 14 Tagen „zum dienen“ zu schicken, da „man sie sonsten durch Hinausweisen aus der Stadt dazu anhalten werde.“ Davon betroffen war unter anderem die Schwestern Katharina Barbara und Sophia Eleonore Heßin, Anna Maria Frankin, Anna Maria Giesin, Leonore Christine Grafmüllerin und die Hintersassentochter Maria Katharina Meyerin.226 Katharina Friederike Schöchlinin wurde 1787 als eine zum „Dienen
221 Vgl. allgemein Hufton, Frauenleben, Kapitel 2. Simon-Muscheid, Frauenarbeit und Männerehre, S. 28 weist auf die Bedeutung des Magddienstes als Durchgangsstadium wie auch als Lebensperspektive hin. Siehe auch Wunder, Er ist die Sonn’, S. 45. 222 Landrecht 1715, S. 296–297. 223 Vgl. hierzu Holenstein Gute Policey I, S. 267. Er verweist hier auf Verordnungen vom 30.10.1754, 15.7.1767, 12.11.1768 und 25.1.1777. Holenstein, Gute Policey II, besonders S. 591–593. Maurer, Baden Nr. 1831 (30.10.1754), 2204 (15.07.1767), 2290 (12.11.1768). 224 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 8.6.1764. 225 Wilhelm Ludwig Willius schreibt in einer 1783 erschienenen Abhandlung: „Das viele ausländische Gesinde, welches Jahr für Jahr aus der Schweiz und dem Würtembergischen im Lande zum Dienst angestellet wird, die vielen fremden Tagelöhner (...) und selbst die Spinnerinnen (...., die) auf dem benachbarten Schwarzwald müssen gesucht werden, sind Beweise genug, daß es an einheimischen Händen fehle, die die erforderlichen Arbeiten verrichten können.“ Willius, Beschreibung , S. 178–179. Etwa um dieselbe Zeit wurde verfügt, dass „kein lediger Bursch (...) mehr ohne Erlaubniß des Oberamts außer Lande in Baurendienst gehen dürfe“, ansonsten werde ihm die Bürgerannahme verweigert. StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 9, fol. 34v. Ähnliche Regelungen gab es zu dieser Zeit auch in der Reichstadt Ravensburg, vgl. Ingendahl, Witwen, S. 148. 226 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 16.1.1783, fol. 8r–8v.
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taugliche Person“ an das Oberamt gemeldet.227 Nur unter besonderen Umständen wurden junge Frauen vom Dienst befreit. Beispielsweise befand der Rat 1787, dass die 28-jährige Anna Maria Eginin wegen einer Gliederkrankheit für den Gesindedienst untauglich sei.228 Der Aktionsradius und Erfahrungsraum von Mägden war stärker eingeschränkt als derjenige von wandernden Handwerksgesellen. Sie arbeiteten in der Regel in Emmendingen und den Landgemeinden des Oberamts sowie in benachbarten Regionen des oberrheinischen Wirtschaftsraums. Für die Marktgemeinde Eichstetten ist eine Liste aller 155 aus der Schule entlassenen und noch unverheirateten Männer und Frauen mit Angabe ihrer Dienstorte aus dem Jahr 1789 erhalten. Nur 28 Männer hielten sich nach Beendigung ihrer Schullaufbahn außerhalb Eichstettens auf, darunter sieben in den Nachbargemeinden des Oberamts Hochberg, ein Eichstetter befand sich im Oberamt Badenweiler, einer in Lahr, einer war beim Militär und von den übrigen war der Aufenthaltsort unbekannt. Von den 23 auswärts beschäftigten Frauen waren zwei in der Schweiz, eine in Straßburg und sechs im Oberamt Hochberg in Diensten; von 14 war der Aufenthaltsort nicht bekannt.229 Einige Emmendinger Haushalte beschäftigten nahe Verwandte als Mägde. Barbara Stiefvaterin schenkte 1724 ihrer Stieftochter Barbara Katharina Voglerin anstatt des Lidlohns ein Ackerstück von einem halben Juchert „im Gottesackerfeld“.230 Im Jahre 1747 schuldete der Maurer Johannes Feistenauer der Nichte seiner Frau, Barbara Holzwartin, noch vier Gulden an ihrem Lidlohn. Zur gleichen Zeit arbeitete auch die Magd Elisabeth Heßin im Haushalt Feistenauers.231 Der Schreiner Wilhelm Gruber schuldete seiner Schwester Maria Salome bei seinem Tod im Jahre 1797 noch 60 Gulden Lidlohn für fünf Jahre.232 Die 21-jährige Emmendingerin Anna Maria Regina Grünwaldin befand sich 1751 im benachbarten Nimburg im Gesindedienst.233 Der Rebmann Johannes Schneider beschäftigte 1754 die Bürgertochter Maria Sophia Heimhoferin,234 der Kornmesser Johann Martin Wolf 1758 die aus dem Umland stammende Barbara Müllerin.235 Der Küfer Johann David Schöpflin schuldete bei seinem Tod im Jahre 1769 einer Magd zwölf Gulden 58 Kreuzer in bar, ein Paar Schuhe, zwei Kappen, ein Halstuch sowie ein Paar Sohlen. Schöpflins Dienstmagd Christine Jundtin 227 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 12.11.1787, fol. 256v. 228 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 12.11.1787, fol. 257r–257v. Weitere Ausnahmefälle in den Umlandgemeinden bei Holenstein, Gute Policey II, S. 591– 593. 229 Die Eichstetter Jugend war demnach selten im auswärtigen Gesindedienst. Holensteins Interpretation ist daher m. E. nicht eindeutig. Holenstein, Gute Policey II, S. 600–601. Ähnliches gilt auch für die anderen Hochberger Gemeinden: ebd., S. 605. 230 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 15.7.1724, fol. 155v. 231 StadtA Emmendingen, B 1b/356. 232 StadtA Emmendingen, B 1b/477. 233 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 23.12.1750, fol. 27r. 234 StadtA Emmendingen, B 1b/1170. 235 StadtA Emmendingen, B 1b/1492.
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hatte noch drei Gulden 20 Kreuzer in bar, zwei Paar Schuhe, zwei Paar Sohlen, Strümpfe, einen Rock, ein Hemd, zwei Kappen, ein Halstuch und ein Wams zu erhalten.236 Bei dem Löwenwirt Johann Georg Knoderer hatte 1769 die aus dem Umland stammende Magd Elisabeth Möhringerin ein Guthaben von mehr als neun Gulden für ein halbes Jahr Dienstzeit ausstehen.237 Die 27-jährige ledige Hintersassin Anna Maria Möhringerin aus Niederemmendingen zahlte 1775 kein Hintersassengeld, weil sie sich wieder in den Gesindedienst begeben hatte.238 Christina Heimhoferin hatte 1776 ein Guthaben von mehr als 79 Gulden bei ihrem Dienstherrn, dem Bäcker Johann Georg Trautmann.239 Die 18-jährige Maria Barbara Frankin aus Emmendingen arbeitete 1780 im Haushalt des Pfarrers von Teningen.240 Die 33-jährige Susanne Süßin aus Broggingen stand 1798 in Emmendingen in Diensten,241 während die 32-jährige Susanne Regine Götzin 1790 in Vörstetten als Magd diente.242 Daneben arbeiteten Emmendinger Frauen als Mägde im Elsass, im Markgräfler Land und in der Nordschweiz.243 Die 29-jährige Maria Salome Bickelin diente 1717 in Straßburg.244 Maria Barbara Freiin ging ebenfalls nach Straßburg, wo sie 1774 siebzigjährig starb.245 Dort verschied auch Margarete Salome Wentzlerin im Jahre 1802.246 Die 40-jährige Christine Kempfin arbeitete 1804 im Elsass.247 Die 23-jährige Katharina Barbara Heinrichin heiratete 1747 Johann Wilhelm Edelmann, einen Bürger und Bierbrauer in Montbéliard.248 Katharina Elisabeth Gruberin heiratete einen Baseler Bürger, ebenso ihre vierzehn Jahre ältere Schwester Maria Christina. Katharina Elisabeth hatte ihren späteren Mann vermutlich während eines Besuchs bei der Schwester kennen gelernt. Eine weitere Schwester wurde die Ehefrau eines Malers in Bern.249 Regina Elisabeth Heßin vermählte sich ebenfalls in Basel.250 Christine Elisabeth Abigerin diente dort zwischen 1778 und 1780251 und die 31-jährige Katharina Regina Schwörerin im Jahre 1789.252 Auch 236 StadtA Emmendingen, B 1b/493. 237 StadtA Emmendingen, B 1b/687. 238 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. C/VIII/15 (Ratsprotokoll 1780), 14.12.1780, fol. 35r. 1780 heiratete sie schließlich und erhielt zusammen mit ihrem Mann das Emmendinger Bürgerrecht. C/IX Stadtrechnung 1780. 239 StadtA Emmendingen, B 1b/1329. 240 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 31.7.1778. 241 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 25.1.1798, fol. 230v. 242 StadtA Emmendingen, B 1b/471. 243 Hinweise darauf finden sich in StadtA Emmendingen, B 1b/209, 690, 942, 943. C/V/2 (Kauf-, Tauschprotokolle 1787–1798), 8.10.1788, fol. 63r–64r. GLA Karlsruhe, 61/6745, 12.9.1782, Nr. 716. 244 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 2.9.1717, fol. 211v. Sie wurde als 26-jährig eingetragen, war tatsächlich aber bereits 29 Jahre alt. 245 StadtA Emmendingen, B 1b/377. Genealogie Emmendingen. 246 StadtA Emmendingen, B 1b/1456. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/164. 247 StadtA Emmendingen, B 1b/656. 248 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 249 StadtA Emmendingen, B 1b/477. 250 StadtA Emmendingen, B 1b/595. 251 StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 15.2.1781, fol. 6v.
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eine Tochter des Emmendinger Konvertiten Isaak Zadock namens Christina Maria stand in Basel im Dienst.253 Ihre Schwester Christina Elisabeth arbeitete lange Zeit in einer Basler Seidenfabrik und war anschließend Dienstmagd bei Oberamtmann Schlosser, mit dessen Familie sie 1787 nach Karlsruhe zog.254 Die 28jährige Margarethe Vetterlinin fand 1777 eine Stellung in Schopfheim, wo sie auch noch 1799 wohnhaft war.255 Eva Regina Stierlinin diente 1785 im „Oberland“.256 Wie im Falle Schwäbisch-Halls überstieg die Arbeitswanderung eines beträchtlichen Teils der Emmendinger Mägde einen Radius von 25 Kilometern.257 Auch für junge Männer und Frauen der jüdischen Minderheit spielte der Gesindedienst eine zentrale Rolle im Lebenszyklus, und Dienstbotenwanderungen stabilisierten überlokale jüdische Beziehungsnetze im Oberrheingebiet.258 André Holenstein zufolge zeigen die Suppliken um Aufnahme in den landesherrlichen Schutz „zumindest für jüdische Männer die Rolle des Gesindedienstes bei der Bewältigung der Lebensphase zwischen dem Ende der Kindheit und der allfälligen Gründung des eigenen Haushalts und machen damit auf eine Parallele zu den Herausforderungen aufmerksam, denen auch bäuerliche Haushalte sowohl für die Planung des intergenerationellen Übergangs als auch für die Versorgung nachgeborener Kinder ausgesetzt waren.“259 Der Niederemmendinger Schutzjude Zacharias Reutlinger, der Mitglied der Emmendinger Synagoge war, hatte in Frankreich eine Lehrzeit absolviert und in Karlsruhe gearbeitet.260 Baile Weils Sohn Jonas kehrte nach Abschluss seiner Ausbildung im Hause seines Stiefvaters im elsässischen Soultz wieder in seine Heimatstadt Emmendingen zurück und heiratete dort. Die Herkunft seiner Frau ist nicht zu klären; eventuell brachte er sie aus Frankreich mit. Die Eheschließung des Emmendingers Hayim Selig Feibusch mit Hina Levi in Wettolsheim im Dezember 1764 stellte eine weitere familiäre Verbindung zwischen den badischen und den elsässischen Juden her. Seligs Schwester Riffge Pfeiffer heiratete 13 Jah252 StadtA Emmendingen, B 1b/1244. 253 StadtA Emmendingen, B 1b/952. 254 StadtA Emmendingen, B 1b/942. C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 9.3.1789, fol. 259r–260r. 255 StadtA Emmendingen, B 1b/1362. 256 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 4.10.1787, fol. 252r. 257 Zu Schwäbisch Hall vgl. Dürr, Schwäbisch Hall, S. 186. Dürr errechnete, dass ein Drittel der jungen Frauen aus der Stadt stammte und auch dort diente. Ein Viertel kam aus dem Umland. Ähnliches kann auch für Emmendingen angenommen werden. Das Einzugsgebiet für Dienstknechte und Mägde in Frankfurt am Main war deutlich größer. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 338. 258 Entsprechende Beispiele bei Holenstein, Bitten, S. 119–136. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 198, 243. 259 Holenstein, Bitten, S. 139–140. 260 StadtA Emmendingen, C/IX Gemeinderechnungen Niederemmendingen 1777, 1778/79. C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775, 19.8.1777, 31.12.1778. GLA Karlsruhe, 229/74766. Holenstein, Bitten, S. 120, 141. 1816, 20 Jahre nach dem Tod des Vaters, bat sein Sohn Jakob Reutlinger zusammen mit Jakob Bloch, Sohn des Lazarus Bloch, um die Anwendung der neuen Schutzannahmetaxen. Vgl. Lewin, Judenemanzipation, S. 606–613.
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re später Yechaia Grumbach aus Bollwiller in der Nähe von Mulhouse.261 Jentha Dreifußins zweiter Mann Nathan Sulzer stammte ebenfalls aus dem Elsass; er war wohl als Dienstknecht nach Emmendingen gekommen.262 Auch die jüdischen Einwohner der Stadt beschäftigten Knechte und Mägde, die sich jedoch noch seltener in den Quellen finden als christliche Dienstboten. In den 1740er Jahren arbeitete ein Sohn des Emmendinger Schutzjuden Jonas Weil bei Simon Weil im benachbarten Niederemmendingen.263 1767 rügte die Kirchenzensur, dass Model Weils Dienstmagd während des christlichen Sonntagsgottesdienstes gewaschen hatte.264 Im Jahre 1797 lebten 13 jüdische Dienstboten in Emmendingen, wobei nicht zwischen männlichen und weiblichen unterschieden wurde.265 Während Mägde gegenüber den Haushaltsvorständen zu Gehorsam und Arbeitsleistungen verpflichtet waren, hatten jene für angemessene Kost, Unterkunft und Lohn zu sorgen sowie das Gesinde zu einer sittlichen Lebensführung anzuleiten.266 Dass manche Dienstherren gegen diese Fürsorgepflicht verstießen, zeigt eine badische Verordnung von 1778, der zufolge viele Meister „wann ihre dienstbotten Erckranken, solche in ihre Geburtsorte führen lassen“, um sich die Arztkosten zu sparen. Diese Praxis wurde bei zehn Talern Strafe verboten.267 Vereinzelt berichten Emmendinger Quellen von Gewaltanwendung und Zwang gegenüber Dienstboten. Im Jahre 1729 hatte Johann Jakob Schweighauser Balthasar Stierlins Dienstbuben „mit einem Rechen Stihl wund geschlagen“. Dafür hatte er die Barbierkosten von 15 Kreuzern zu übernehmen und 40 Kreuzer Strafe zahlen.268 Eine Verhandlung vor dem Stadtrat im Jahre 1745 ergab, dass eine Dienstherrin ihre Magd und den Lehrling ihres Mannes systematisch zum Stehlen gezwungen hatte. Die 24-jährige Susanna Saurin aus Windenreute, die als Magd bei 261 Fraenkel, Memoire juive, S. 310, 411. Während der Ehevertrag von Hayim Selig in Wettolsheim ausgestellt wurde, scheint der Vertrag seiner Schwester nach Fraenkel in Emmendingen ausgestellt worden zu sein. Problematisch hierbei ist jedoch, dass weder der erwähnte Vater der „Emmendinger“ namens „Ouri-Chraga Feibusch“, der vor der Hochzeit seiner Tochter verstarb, noch die Mutter „Relé Lévy fille de Barukh“ sich in Emmendinger Quellen finden. Beide Geschwister brachten nicht viel mit in die Ehe. Riffge, die nach Bollwiller heiratete, erhielt eine Mitgift von 410 Florins, die Ketouba betrug 615 Florins, und Hayim Selig brachte von seinem Vater 300 Livres ein. Die Mitgift betrug 930 Livres und statt des üblichen aufgerichteten Betts weitere 24 Livres, die Ketouba betrug 1419 Livres. Eventuell war Ouri-Chraga Feibusch Vorsinger (Pfeifer), Lehrer und Synagogendiener. Diese These stützt auch ein weiterer Eintrag bei Fraenkel, wo ein Jude gleichen Namens als angesehen und Bruder des Rabbiners Eliezer aus Hagenau bezeichnet wird. Fraenkel, Memoire juives, S. 89. Diese Personen finden sich in der Regel nicht in den amtlichen christlichen Quellen. Zu den verschiedenen Aufgaben des Vorsingers vgl. Weber, Sachkultur, S. 239. 262 Vgl. Kapitel III.7. 263 StadtA Emmendingen, B 1a/5. 264 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 6.3.1767. Das Wäschewaschen am Sonntag wurde auch in Württemberg regelmäßig gerügt. Jung, Württembergische Kirche, S. 132. 265 GLA Karlsruhe, 74/3704. 266 Vgl. generell Dürr, Dienstbothe, S. 115–139. 267 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), fol. 67r, 2.8.1778. 268 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 27.7.1729, fol. 298r–298v.
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dem Ziegler Paul Kiefer diente, zeigte beim Bürgermeisteramt an, dass „sie in solch ihrem Dienst mit gutem Gewissen länger nicht mehr stehen könne, und solchen gern Guittieren wollte, wann Sie nur ihren verdienten Liedlohn herausbrächte.“ Sie erklärte, „es seye die beständige Anmuthung, ja der Zwang ihrer Meisterin des Zieglers Paul Kieffers Frauen zu Begehung allerhand Felddiebstähle, je nach der Jahreszeit.“ Darauf gab sie eine detaillierte Liste aller von ihr unter Zwang verübten Felddiebstähle zu Protokoll. Der Rat erlaubte ihr, ihren Dienst vorzeitig zu quittieren, und versprach dafür zu sorgen, dass sie sowohl ihre Kleidung als auch ihren Lohn ausgehändigt bekam. Auch der Vater des Lehrjungen hatte „seinen Buben zurück begehret, unter der Ursache, dass man ihn zum Stehlen, statt der Gebotte anhalte.“269 Dieser Vorfall zeigt exemplarisch, welches Konfliktpotential mit der abhängigen Position des Gesindes verbunden sein konnte. Eine Meisterin, die ihrer Aufsichts- und Erziehungspflicht gegenüber dem Gesinde nicht in „hausmütterlicher“ Weise nachkam, sie sogar zum Stehlen verleitete, musste bestraft werden.270
6. JUGENDKULTUR: BRÄUCHE, DELIKTE UND „KAFFEEHAUSSITZEN“ Neuere sozialhistorische, historisch-anthropologische und volkskundliche Studien haben gezeigt, dass Jugendliche sich bereits in der Frühen Neuzeit in peer groups organisierten und spezifische Bräuche, Rituale und Formen des Protests entwickelten. Insbesondere junge Männer traten häufig „in altershomogenen Gruppen“ auf, pflegten eine eigenständige Gruppenkultur und forderten die lokalen Autoritäten symbolisch heraus.271 Emmendinger Quellen enthalten eine Reihe von Hinweisen auf die Existenz einer lokalen Jugendkultur, wobei auch hier die Informationen über das Verhalten der männlichen Jugend dominieren. Wiederholt wurden Jugendliche wegen Verstößen gegen das Gebot der Sonntagsheiligung aktenkundig. Im Jahre 1724 waren mehrere Dienstboten während des Sonntagsgottesdienstes von Balthasar Stierlins Werkstatt aus über den Stadtgraben gesprungen und hatten „außerhalb im Feld Nuß abgeschlagen und dergleichen Mutwillen verübt“. Zur Strafe sollten sie „andern zum Exempel eine Stunde in die Bloß (Geige) gestellt werden.“272 Während eines Morgengottesdienstes im Sommer 1774 hatten einige junge Männer „mit Lachen, Geschwätz und anderem Ungebühr (…) auf der Empor Kirch hinter der Orgel sich vergangen.“ Da sie auch „auf das Abwarnen durch Winken nichts gegeben“ hätten, erlegte ihnen die Kirchenzensur ein Bußgeld von jeweils 30 Kreuzern auf.273 Zwei Jahre später beschäftigte die Gemeinde zwei Aufseher, die die „auf der EmporKirche stehenden 269 StadtA Emmendingen, B 1a-5, fol. 48r–68v, 23. und 27.6.1745. 270 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 31.7.1745, fol. 74r. Zum Fall der Gobin ausführlich Kap. VIII.5. 271 Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 112, 115. Zur frühneuzeitlichen Jugendkultur und dem Phänomen nächtlicher Ruhestörung vgl. Schindler, Widerspenstige Leute, bes. S. 222–245. 272 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 15.7.1724, fol. 156v–157r. 273 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 1.6.1774.
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ledigen Purschen, welche sich mit Schwatz jeder auf eine andere Art ungebührlich aufführen“, verwarnen sollten. Die Dienstboten und Gesellen behaupteten, dass dort „das Schwätzen wegen des engen Raumes und des Druckes nicht zu vermeiden sei“.274 An einem Sonntag des Jahres 1780 waren die „Baurenknechte“ nachts zwischen 11 und 12 Uhr „auf der Gasse herumgeschwärmt“ und hatten „einen ärgerl(ichen) Lermen mit Jauchzen und andern Unfug angerichtet.“275 Wiederholt beschwerte sich das Pfarramt beim Oberamt „über den Unfug und Lermen der Handwerks Purschen auf öffentlichen Straßen besonders an Sonntagen.“276 Daneben kamen Regelverstöße von Jugendlichen besonders in der Neujahrsnacht vor. Im Jahre 1701 wurden die jungen Burschen gewarnt, dass sie sich „bei Vermeidung der Straf auf Gassen nachts nicht finden lassen, auch die Schlitten fahrenden niemand zu Schaden fahren sollen.“277 Leonhard Frei und Andreas Osti waren 1706 in der „Neujahrsnacht herum gestrichen“ und hatten dabei „gegeigt“. Sie musste dafür je zwei Kronen Strafe zahlen.278 1763 hatte Johann Georg Schöpflin in der Neujahrsnacht beobachtet, wie Karl Wilhelm Hartmann „holz auf dem Rucken habend, vor der Cronen herkommen“ war, und ihn daraufhin „beschrien“. Hartmann hatte wohl die Feiern zur Neujahrsnacht genutzt, um Holz zu stehlen.279 Im Haus des Schuhmachers Johann Konrad Heinrich Süß, des Freundes des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz, wurden in der Silvesternacht 1797 um Punkt Mitternacht zwei Schüsse abgefeuert. Wie sich herausstellte, hatte der Schuhmachergeselle Adler auf Süß’ Flinte ein Steinschloss geschraubt und diese abgefeuert. Im Verhör gab er an, das Verbot des Böllerschießens in der Neujahrsnacht sei „durch Ausschellen diesmal nicht erneuert worden, welches doch sonsten in Bahlingen jedesmal geschehen.“ Der Nachtwächter Aberlin hatte nach dem Vorfall „dem Gesellen und dem Lehrjungen die Flinte abgefordert, welche ihm solche nicht eher gegeben hätten, biß es ihnen ihr im Bette liegender Meister erlaubt habe.“ Süß verteidigte sich gegen den Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht damit, dass „er nicht hätte vermuten können, daß jemand von seinen Leuten zum Neujahr aufschießen sich seiner Flinte bedienen würde, weil er den
274 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 5.6.1776. Es handelte sich um Jerg Eberle aus Vörstetten, der bei Bürgermeister Eccard diente, den Färbergesellen Michael Bertsch aus Niederemmendingen, der bei dem Färber Lapp arbeitete, Mathias Zimmer aus Niederemmendingen, der Knecht bei dem Bäcker Stierlin war, Müller Stucks Knecht Jakob Jung aus Windenreute und Johannes Pleuler von Maleck, der bei dem Löwenwirt Knoderer in Diensten stand. Jeder hatte eine Strafe von 15 Kreuzern zu zahlen. Im Wiederholungsfall wurde ihnen ein höheres Strafmaß angedroht. 275 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 6.9.1780. 276 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.8.1787, fol. 235r. 277 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 7. Jan. 1701. 278 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 5. Febr. 1706. 279 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 24.1.1763, fol. 252v.
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Stein davon abgeschraubt gehabt habe, und seie er daher unschuldig, daß in seinem Haus gegen das Verbot gehandelt worden.“280 Auch sonst nutzten Jugendliche die Nachtstunden immer wieder zu Aktionen. 1718 hatten Martin Schaub, die Knechte des Landvogts und des Ratsschreibers sowie die Brüder Jakob und Joseph Schöchlin „nächtlicherweil die Gartentür eingesprengt und etl(iche) Körb Kraut verderbt“. Sie hatten sowohl den entstandenen Schaden zu ersetzen als auch eine Strafe zu zahlen.281 Drei Jahre später verübten Johann Georg Knoderer und Johann Wilhelm Legler „bei einer Nacht allerhand mutwillig“ und wurden dafür jeder mit einem Gulden bestraft.282 Wegen Nachtschwärmerei wurden 1741 die Knechte des Försters Georg Friedrich Jutzler, des Färbers Johann Lapp, des Bäckers Kaspar Bacher und des Löwenwirts Johann Georg Knoderer um insgesamt fünf Gulden gestraft.283 Zwei Jahre später mussten die gleichen Personen erneut einen Gulden Strafe zahlen,284 so dass es sich hier wahrscheinlich um eine „Jugendclique“ handelte. Als der ledige Bürger Christoph Holzschuh 1745 wegen eines nicht bekannten Vorfalls im Bürgergefängnis saß, hatten mehrere junge Männer, die zuvor mit ihm in einen Wirtshausstreit verwickelt gewesen waren,285 ihm dort „eine spöttische Nachtmusik gemacht und ihn dadurch verhöhnt“.286 Der 30-jährige Holzschuh287 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet, und die Katzenmusik spielte wohl unter anderem auf seine ungewöhnlich lange Junggesellenzeit an, die noch bis 1749 andauerte.288 Holzschuh wurde in den Augen seiner männlichen Zeitgenossen durch seine Ehelosigkeit seiner männlichen Rolle als Bürger und Zunftmitglied nicht gerecht. „Wirtshaussitzen und Spielen“289 und „Nachtschwärmen“ bzw. „nächtliche (...) Ungebühr“290 waren die häufigsten Delikte jugendlicher Emmendinger. 1774 wurde die Nachtschwärmerei der jungen Burschen zum Anlass genommen, die Strafpraxis zu verschärfen. Das Vergehen sollte nun nicht mehr nur mit Geldstra280 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 12.01.1797, fol. 98r–99v. Das Verbot des Neujahrschießens stammte bereits aus dem Jahr 1724. 1781 wurde ein neues Generaldekret erlassen, das Schießverbote erließ und Umzüge, Feste, Gesang an Weihnachten und Neujahr regelte. Maurer, Baden Nr. 1030 (24.02.1724), 2670 (28.11.1781). Auch 1790 wurde während der Neujahrsnacht geschossen. Vgl. Holenstein, Hatschiere, S. 302. 281 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Samstag 10. Sept. 1718. 282 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 15. Aug. 1721. 283 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1741. 284 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1743. 285 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 21.4.1745, fol. 49v. 286 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 57r. Dieser auch Charivari oder Katzenmusik genannte Brauch sollte auf lokale Missstände hinweisen. Darnton, Katzenmasaker, S. 106–114. Schindler, Widerspenstige Leute, S. 222–245. 287 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1740. 288 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1749. B 1b/611. Genealogie Emmendingen. 18 Monate nach seiner Eheschließung starb Holzschuh. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Seine fünf Jahre jüngere Frau starb 18 Monate nach seinem Tod. 289 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1758. 290 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1 (1657–1769). C/IX Stadtrechnung 1763.
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fen, sondern mit körperlicher Züchtigung geahndet werden. Die jugendlichen Delinquenten sollten künftig bei jeder Übertretung der Norm zwölf Stockstreiche verabreicht bekommen und ihre Väter oder Meister zusätzlich eine Geldstrafe von einem Gulden abführen bzw. mit zwei Tagen Eintürmung bestraft werden.291 Besonders gut organisiert waren die im herrschaftlichen Weinkeller beschäftigten Küfergesellen. Diese größere Gruppe lediger junger Männer stand als landesherrliche Bedienstete außerhalb der städtischen Ordnung, und aus diesem Umstand resultierten offenbar ein ausgeprägtes Gruppenbewusstsein und eine scharfe Rivalität mit den städtischen Handwerksgesellen. „Wegen am St. Johannistag bezeugten ungebührlichen Aufführens“ mussten die Küfergesellen Johann Philipp Dann, Johann Georg Frei, Erhard Mercklin und Johann Peter Schöpflin im Jahre 1740 der Frevelverwaltung je zwei Gulden und 15 Kreuzer zahlen.292 Fünf Jahre später hatten sich die vier Knechte des inzwischen zum Hofküfer beförderten Johann Peter Schöpflin „abermahl auf der Gaß nächtlicher weyl und auf ungebührl(iche) Weiße betretten laßen, auf des Wachtmeisters Ermahnen aber sich nicht nach Haus begeben wollen.“ Als die Nachtwache erschien, kam es zu einem „Tumult, zu welchem auch H(err) Burgvogt Böck auf Anzeige gekommen und gegen die Kieferknechte im billigen Ernst verfahren.“ Inzwischen hatte sich herumgesprochen, dass die Knechte „und ettlich hiesig Bürgerssöhne aus gewissen vermuthenden Ursachen seit ettlichen Wochen zu Nacht einander zu schaden versuchen“.293 Da sie als Beschäftigte der herrschaftlichen Küferei nicht der städtischen Obrigkeit unterstanden, leisteten die Knechte allerdings der Aufforderung, sich vor dem Rat einzufinden, keine Folge und gaben auch nachts dem Wachtmeister zu verstehen, dass er ihnen nichts zu befehlen habe.294 Die vom Rat verhörten Bürgersöhne äußerten sich unterdessen sehr negativ über die Küfergesellen: „Sie wären in den letzten Tumult nicht mit eingewickelt geweßen, sondern bloß die Kieferknecht, welche wiederum, wie sie seit einiger Zeit pflegten, mit Bandmeßern gegen sie ausgegangen und am weiteren Aufpassen von der Wacht gehindert worden.“ Die Küfergesellen seien stets auf Streit aus, so dass „sich von ihnen keiner allein nur zur Betglock Zeit vor jenen auf der Straß blicken lassen.“ Wenn sich die Küferknechte friedlich verhielten, würden sie sich auch nicht „zur Wehr setzen“ müssen.295 Ganz unbeteiligt an den nächtlichen Krawallen waren die Bürgersöhne allerdings offenbar nicht, denn noch am gleichen Tag wurde dem ledigen Bäckergesellen Johann Georg Trautmann, der bereits 32 Jahre alt, aber erst „neulich von der Wanderschaft heim gekommen“ war, der Säbel abgefordert, „den er dem Ruff nach Nachts unterm Camisohl geführt“ hatte. Auf Nachfrage des Rats entgegnete Trautmann, dass „derselbige nicht in seiner Gewalt seye“. Trautmanns Stiefvater beteuerte vor dem Rat, dass er 291 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), 1774. 292 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1740. 293 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 59r–59v. Ähnliche Konflikte zwischen Gesellengruppen auch bei Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 253–256. Hier war es besonders die Gruppe der Bierbrauergesellen, die häufig auffiel. 294 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 60r. 295 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 59v–60r.
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aus dem Säbel, „da er aus gutem Stahl gewesen sei, (…) ein Wageisen schmieden hat lassen.“ Daraufhin drohte der Stadtrat, ihn zur Verantwortung zu ziehen, falls er eine Falschaussage gemacht habe und ein Unglück geschehen würde.296 In diesem Konflikt standen sich also zwei unterschiedliche Gruppen von jungen Männern gegenüber. Auf der einen Seite standen Bürgersöhne, von denen sich zumindest einige bereits in einem relativ fortgeschrittenen Alter befanden und auch nach Abschluss der Lehr- und Wanderjahre den Schritt zur Gründung eines eigenen Haushalts noch nicht vollzogen hatten. Auf der anderen Seite standen Küfergesellen, die aufgrund ihrer Anstellung bei einer herrschaftlichen Institution nicht in die städtische Ordnung eingebunden waren. Soziale Rangstreitigkeiten überlagerten sich hier also offenbar mit der Unzufriedenheit einiger Beteiligter mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation und wohl auch mit einem gewissen Gruppenzwang. Der Rat der Stadt stellte geradezu resigniert fest: „Man kann nichts weiter tun, als die Burschen nach 10 Uhr bei Straf nicht mehr auf die Straßen zu lassen und die Sache an den Burgvogt zu geben, um nochmals eine Ermahnung auszusprechen.“297 Die „wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit von den Eltern“, die „Verpflichtung auf eine zölibatäre Lebensweise“ sowie die „soziale Kontrolle der Partnerwahl“298 bargen ein Konfliktpotential, das sich hier in nächtlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen junger Männer entlud. Auch in späteren Jahren wurden die herrschaftlichen Küfergesellen aktenkundig. Nach einem Tanz mit den Küferknechten im Jahre 1775 hatten Anna Regina Schöchlinin, Katharina Langin299 und Katharina Bergtoldin „ein schändliches Pasquill“ über die Tochter des bankrotten Gerbers Christian Moser verfasst. Anna Maria Scherbergerin, die Mutter der jungen Frau, klagte wegen dieser öffentlichen Brandmarkung bei der Kirchenzensur, die den Fall im Beisein des Oberamtmanns Johann Georg Schlosser, des Stadtpfarrers Bürklin und des Bürgermeisters Eccard behandelte. Die drei Frauen wurden drei Tage lang bei Suppe, Wasser und Brot eingetürmt und zum Spinnen angehalten.300 1776 mussten die Küferknechte Kanderer, Wacker und Heilbronner Strafgelder in Höhe von neun Gulden an das Oberamt bezahlen.301 Neben der erwähnten Schmähschrift konnten nur wenige Fälle ermittelt werden, in denen junge Frauen sich an gemeinschaftlichen Normübertretungen und Rügebräuchen beteiligten. Die 20-jährige Anna Maria Götzin und Christina 296 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 60r–60v. Trautmann heiratete kurz darauf Agatha Hitzigin. Vgl. Kapitel V.2. und VIII. 1768 wurde in einem Generalreskript geregelt, dass das „Fechten derer Handwerks-Pursche gäntzlich abzustellen“ sei. Maurer, Baden Nr. 2250 (20.04.1767). 297 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 3.6.1745, fol. 60v. 298 Gestrich, Vergesellschaftungen, S. 112. 299 Es handelt sich hier wohl um Christina Elisabeth Langin. Alle Indizien deuten auf einen Schreibfehler des Namens hin. 300 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 6.12.1775. Zu Mosers Bankrott vgl. Kapitel VI.3. 301 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1776.
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Zwahlin gerieten 1748 in eine Rauferei mit der Magd des Schuhmachers Egin, nachdem sie „deren Meister (...) einen Mayenpuz gesteckt“ hatten.302 An einem Sonntag des Jahres 1769 war Salome Weyhin, eine Dienstmagd des Bürgermeisters Johann Wilhelm Zimmermann, nachts „um 11. Uhr auf der Gaß“ unterwegs gewesen und „von Purschen in den Bronnen geworffen worden.“ Die Magd brachte den Fall vor den Rat, musste auf Nachfrage aber eingestehen, „dass sie nicht auf Befehl ausgehen müssen.“ Die drei angeklagten jungen Männer beschuldigten ihrerseits die Magd, „sie betrincke sich und ziehe des Nachts auf der Gaß herum, um junge Leuthe zu versuchen.“ Hierauf wurde die Magd wegen nächtlichen Herumstreifens mit 24 Stunden „Häuslein sitzen“ bestraft.303 Katharina Regina Schwörerin wurde 1776 von einem Gesellen des Färbers Johann Lapp am Marktbrunnen mit Wasser bespritzt. Dabei wurden „die Worte der Einsezung der heil(igen) Taufe mißbraucht.“ Der Anlass dieser „Taufzeremonie“ ist nicht zu ermitteln, doch wurde die junge Frau ermahnt, „sich mit jungen Purschen nicht auf solche Art abzugeben“. Vermutlich hatte sie junge Männer auf dem Marktplatz herausgefordert und war dafür von diesen zur Schau gestellt worden.304 „Frühneuzeitlicher Zeitvertreib spielte sich“ Paul Münch zufolge „(...) fast ausnahmslos in kleineren oder größeren Gruppen ab, unter Kindern und Jugendlichen, im Haus und in der Familie, in der Spinn-, Zunft- oder Ratsstube, in der Schenke, im Tanzsaal, auf den Straßen, dem Markt- oder Festplatz.“305 Im Oberamt Hochberg wurde den Handwerksburschen und Dienstboten immer wieder verboten, „im Wirtshaus zu sitzen“, ohne dass diese Verbote eine nachhaltige Wirkung zeigten.306 Im Jahre 1772 beispielsweise hatten sich zwei Knechte und zwei Mägde der Fronarbeit im Wegebau entzogen und waren gemeinsam in das „Bacherische“ Wirtshaus in Niederemmendingen gegangen, „wo diese 2. Purschen sich und denen 2. Mädlen hätten Caffe und gebackens machen lassen.“ Sie wurden dafür zu einem halben Tag „Häußlein sitzen“ verurteilt, beziehungsweise sollten sie dort „doch ettliche Stunden wegen jetziger Kälte“ verbüßen.307 Gemeinsames öffentliches Trinken von Männern und Frauen war in der frühneuzeitlichen Gesellschaft negativ konnotiert und wurde häufig mit sexuellen Intentionen
302 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.8.1748, fol. 255v–256r. 303 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 4.8.1769. Vgl. auch SchmölzHäberlein, Zimmermann, S. 89. 304 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 7.2.1776. Vgl. allgemein Hull, Sexuality, S. 39. Göttsch, Kleider in Ehren, S. 205. 305 Münch, Lebensformen, S. 439. 306 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), fol. 83r, 9.3.1782. 307 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 10.12.1772, fol. 265r. Ähnliches stellt auch Petra Ostenrieder für Oettingen im Ries fest. Dort holten zur Fastenzeit die Dienstboten mürbe Brezen, und in einer Quelle heißt es, dass „überhaupt der hiesige Ort nicht so groß ist, daß die dienstboten zu viel Zeit versaumen, wenn selbige ein paar mahl am ende der Statt zum coffee um ein paar Kreutzer brezen holen.“ Ostenrieder, Wohnen, S. 67–68. In Frankfurt wurde die Vermutung geäußert, dass Dienstboten durch den Genuss von Kaffee und Kuchen „lüstern und naschhaft“ würden. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 250.
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in Verbindung gebracht.308 Dass hier öffentlich Kaffee getrunken wurde, verweist zudem darauf, dass dieses Getränk in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits in allen Bevölkerungsschichten konsumiert wurde und Kaffeekonsum kein soziales Distinktionsmerkmal mehr darstellte.309 Die beiden beteiligten jungen Frauen, Anna Maria Vogelin und Katharina Friederika Holzschuhin, verstießen auch in den folgenden Jahren wiederholt gegen die Normen. Die 18 Jahre alte Anna Maria Vogelin hatte nur ein Jahr später ein uneheliches Kind,310 und die 17 Jahre alte Katharina Friederike Holzschuhin fiel durch Schwätzen in der Kirche auf. Sie gebar in den folgenden Jahren drei uneheliche Kinder und fiel daraufhin dem städtischen Almosen anheim.311 Ein beliebtes sonntägliches Vergnügen nach dem Kirchgang war das Scheibenschießen. Dabei sollen die jungen Burschen im Jahre 1778 abends auf dem Schießrain „sehr laut gesungen und geschrien“ haben und sofort „fortgesprungen“ sein, als sie den Pfarrer sahen. Der Stadtrat ermahnte sie, dies künftig zu unterlassen, sonst würden sie öffentlich auf dem Platz mit Stockschlägen bestraft.312 Obwohl „das Scheibenschiessen (...) ein öffentliches Spiel nach gewissen Regeln“ und demnach „der Aufsicht und Einschränkung der Policey, wie andere Spiele auch unterworfen“ war, wurde es 1789 vorübergehend verboten.313 Doch schon kurze Zeit später veranstaltete die Schützengesellschaft nach dem Gottesdienst offizielle Scheibenschießen und übertrug den Emmendinger Wirten abwechselnd die Bewirtung.314 Ansonsten finden sich nur wenige Quellenhinweise auf Freizeitvergnügen. Im Jahre 1753 hatte der Bäcker Johann Georg Trautmann fünf Gulden Strafe zu entrichten, weil er beim verbotenen Kartenspiel angetroffen wurde.315 1779 hatte der katholische Maurergeselle Lorenz Kuhn beim Kegeln Geld verspielt,316 und 1797 wurde das Kegeln um ein Glas Wein verboten.317 Hofrat Friedrich von Zink berichtete 1799 über das gesellige Leben in Emmendingen: „Redouten, Konzerte und Schauspiele haben wir freilich nicht; doch tanzen wir bisweilen, und sind herzlich vergnügt dabei, weil wir einander alle kennen, welches in größeren Städten nicht der Fall ist. Auch hat sich dann und wann eine Schauspielergesellschaft hierher verirrt, die sonst nicht besseres anzufangen wußte, z.B. die Doblerische,318 308 Dies wurde vor allem beim Trinken von alkoholischen Getränken unterstellt, aber der gemeinsame Verzehr von Kaffee und Kuchen dürfte ähnlich verstanden worden sein. Vgl. Tlusty, Bacchus, S. 167. 309 Zur Verbreitung und zum Konsum von Kaffee in Emmendingen vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 327, 346–347, 384. Allgemein, North, Genuss und Glück, S. 195–215. 310 StadtA Emmendingen, B 1b/122. 311 StadtA Emmendingen, B 1b/612, 613. 312 StadtA Emmendingen, B/VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 1.7.1778. 313 GLA Karlsruhe, 198/607. 314 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 25.5.1791, fol. 49r–49v. 315 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1753. 316 GLA Karlsruhe, 61/6738, 1.10.1779. 317 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), unfol., 4.9.1797. 318 In den Stadtrechnungen findet sich allerdings nur ein Beleg für die Anwesenheit einer Schauspielgesellschaft: „von der deuberischen deutschen Schauspielgesellschaft, welche im Mai
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Hochkirchische, Sebastianische und Stephanische. Allenfalls verschmähen wir auch Herrn Reisams Hanswurst nicht.“319 Dabei waren auch Tanzveranstaltungen obrigkeitlich reglementiert. Im Jahre 1705 wurde verfügt, dass Tänze im Sommer spätestens um zehn Uhr, im Winter um neun Uhr zu enden hatten.320 Drei Jahre später wurden mehrere Personen – Johann Heinrich Schöchlin, Carl Roller, Bernhard Heinrich, Simon Schweighaußer und seine Frau, Martin Argasts Tochter und die „Düpsin“ – bestraft, weil sie, „da sie sämtl(ich) Hochzeit Gäst gewesen, getantzt“ hatten. Dafür musste jedes „Mannsbild“ einen Gulden und jedes „Weibsbild“ 30 Kreuzer entrichten.321 In der zweiten Jahrhunderthälfte waren vor allem Hochzeiten und Geburtstage Anlässe, um ausgiebig zu tanzen. Die „Jungfer“ Charlotte Eisenlohrin beging 1776 ihren 19. Geburtstag mit einer Tanzveranstaltung.322 Der Schneider Karl Englisch feierte seinen 40. Geburtstag ebenfalls mit einem Tanz.323 Der Niederemmendinger Bestandswirt Matthias Reger hatte am Pfingstmontag 1780 tanzen lassen und nach zwölf Uhr noch Wein ausgeschenkt. Daher wurde ihm die Wirtsgerechtigkeit entzogen.324 Nachdem in den Kriegsjahren 1794 bis 1798 kaum öffentliche Tänze stattfanden,325 hielten 1799 der Rebstockwirt Johann Michael Krayer für die Handwerksgesellen und der Lammwirt Philipp Jakob Legler für die Bauernknechte eine Tanzveranstaltung ab. Die „Herren Scribenten“ des Oberamts und der Burgvogtei tanzten in diesem Jahr gleich dreimal, und die Bürgerschaft hielt ihre Tanzveranstaltung anlässlich des „Einschießen(s)“ des Schützenvereins ab.326 Die in diesem Kapitel präsentierten Befunde zeigen, dass in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen in Emmendingen sowohl Gemeinsamkeiten als auch ganz erhebliche Unterschiede bestanden. Der Elementarschulunterricht wurde seit ca. 1770 nach Geschlechtern getrennt und auch die Mädchenbildung im späten 18. Jahrhundert deutlich „modernisiert“. Die Möglichkeiten, eine weiterführende Schule und die Universität zu besuchen, blieben ebenso der männlichen Jugend vorbehalten wie eine formale Berufsausbildung; dies bedeutet freilich nicht, dass Frauen keine Möglichkeiten gehabt hätten, ihre Bildung durch Lektüre zu vertiefen und durch das „Abschauen“ im väterlichen Betrieb berufsspezifische Kenntnisse zu erwerben. Die Nachlassinventare des späteren 18. Jahrhunderts verzeichnen eine zunehmende Zahl weltlicher und praktisch orientierter Werke
319 320 321 322 323 324 325 326
1787 ihr Theater auf dem hiesigen Rathaus“ aufgerichtet hatte, wurde eine Platzgebühr von einem Gulden 20 Kreuzern erhoben. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. Überflüssiges Taschenbuch, S. 83. Zum Publikum der Wanderensembles vgl. North, Genuss und Glück, S. 188. Issel, Eichstetten, S. 83. StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Samstag 19. Mai 1708. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1776. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1781. StadtA Emmendingen, C/IX/1 Protokollband Niederemmendingen 1755–1823, fol. 74r, 27.6.1780. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1794–1798. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1799.
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unter den Buchbeständen der Emmendinger Bevölkerung, und von dieser thematischen Erweiterung dürften beide Geschlechter profitiert haben. Die Migrationsbewegungen von Handwerksgesellen und Knechten trugen ebenso zur Anknüpfung und Verfestigung überlokaler Kontakte bei wie die auswärtige Tätigkeit von Mägden. In den Quellenzeugnissen über jugendliche Normübertretungen und Gruppenkultur dominiert in Emmendingen wie andernorts die männliche Jugend, die offenbar gut in peer groups organisiert war. Dennoch lässt sich auch hier in einzelnen Fällen die Teilnahme von jungen Frauen an altersspezifischen Rügebräuchen und Formen der Geselligkeit nachweisen.
Die Zentraltugend in Baden ist die Haushaltungskunst (Anselmus Rabiosus, Reise durch Oberdeutschland)
VI. FRAUEN IN DER STÄDTISCHEN ÖKONOMIE 1. WEIBLICHE ERWERBSTÄTIGKEIT Die Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Sheilagh Ogilvie hat vor kurzem für eine wichtige frühneuzeitliche Gewerberegion in Südwestdeutschland, das württembergische Amt Wildberg, eine Studie vorgelegt, die ein sehr pessimistisches Bild weiblicher Erwerbsmöglichkeiten zeichnet.1 Aus Kirchenkonventsprotokollen hat sie über 2800 Erwähnungen männlicher und weiblicher Arbeit ermittelt und diese statistisch im Hinblick auf die Arbeit von Töchtern und Dienstbotinnen, Ehefrauen, Witwen und selbständigen ledigen Frauen ausgewertet. Ogilvie stellt fest, dass Frauen unabhängig von ihrem Alter und Familienstand eine Vielzahl außerhäuslicher Tätigkeiten verrichteten: Sie arbeiteten auf dem Feld und im Garten, trugen Lasten, erledigten Botengänge oder verkauften Waren. Bemerkenswert an ihren Daten ist jedoch, dass Frauen in Wildberg nur in geringem Umfang gewerblichen Tätigkeiten nachgingen, obwohl sie durchaus über die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügten. Dies lag Ogilvie zufolge am starken Einfluss der – männlich dominierten – Zünfte und Gemeinden, die Töchtern eine Berufsausbildung verweigerten, niedrige Löhne für Frauen festschrieben, weibliches Konsumverhalten reglementierten, Witwen Erwerbsbeschränkungen auferlegten und selbständige unverheiratete Frauen aus dem für Wildberg besonders wichtigen Textilsektor weitgehend fernhielten und sie lediglich als Spinnerinnen und Näherinnen arbeiten ließen. Witwen wurden von Zünften und Gemeindegerichten systematisch benachteiligt und ledige Frauen als „Eigenbrötlerinnen“ diskriminiert. Die Arbeit verheirateter Frauen unterlag zwar vergleichsweise geringen Einschränkungen, doch damit wurde gerade diejenige Gruppe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt begünstigt, die auch die größten Verpflichtungen in Haushalt und Familie und damit das geringste Zeitbudget für außerhäusliche Erwerbstätigkeit zur Verfügung hatte. Insgesamt zeichnet Ogilvie ein Bild einer Region, in der männlich dominierte Institutionen Frauen systematisch diskriminierten und in marginale, unproduktive Tätigkeiten abdrängten. Das Quellenmaterial zu Frauenarbeit und weiblicher Erwerbstätigkeit in der baden-durlachischen Amtsstadt Emmendingen, das hier präsentiert wird, ist im Vergleich zu Sheilagh Ogilvies Studie zur Frauenarbeit im württembergischen Wildberg wesentlich heterogener, da es Rats- und Kirchenzensurprotokolle eben1
Ogilvie, A Bitter Living.
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so berücksichtigt wie Zubringens- und Nachlassinventare, Grund- und Pfandprotokolle, Zunftakten und Stadtrechnungen. Gegenüber Ogilvies Datensample auf der Basis von Kirchenzensurprotokollen hat diese breitere Quellengrundlage jedoch den Vorteil, dass nicht nur Erwähnungen weiblicher Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden, die im Kontext von Konflikten entstanden sind. Insgesamt legt das Emmendinger Material eine „optimistischere“ Sicht weiblicher Arbeitsmöglichkeiten und Erwerbschancen nahe: Weder lässt sich für die städtischen Institutionen und die Hochberger Zünfte eine systematische Exklusions- und Diskriminierungspolitik nachweisen noch eine Beschränkung von Frauen auf marginale und unproduktive Aktivitäten konstatieren.2 Städtische Quellen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden, zeigen, dass unabhängige, ökonomisch aktive Frauen zu dieser Zeit noch mit einem gewissen Argwohn betrachtet wurden. 1717 stellte der Stadtrat fest, dass „verschiedene Weibspersonen bisher sich allhier eingeschlichen“ hätten und dies nicht geduldet werden könne, „zumahlen dadurch Sie der bürgerschafft Zimbl(ich) schwerlich sind“. Daher verfügte der Rat, dass diese Frauen „biß nechsten Weihnachten den Orth räumen oder im Weigerungsfall mit Gewalt hinaus geführt werden sollen“. Während eine „Wullenspinnerin“ und eine Witwe der Stadt verwiesen wurden, gelang es Magdalena Reichertin, Anna Schneiderin und Maria Hurterin, gegen eine Zahlung von zwölf Batzen jährlich in den Hintersassenstatus aufgenommen zu werden und sich somit ein Bleiberecht zu sichern.3 Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, entwickelten sich allein stehende arbeitende Frauen im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil der städtischen Ökonomie und Gesellschaft. Das Spektrum weiblicher Tätigkeiten schloss natürlich auch im Emmendingen des 18. Jahrhunderts „typische“ Frauenarbeiten als Mägde, Wäscherinnen, Näherinnen und Spinnerinnen ein. Wie andernorts auch bildete der Gesindedienst für die meisten Mädchen und jungen Frauen in Emmendingen und den Nachbargemeinden eine Phase im Lebenszyklus, die mit der Heirat endete.4 Nur wenige, zumeist zugewanderte Frauen dienten ihr Leben lang als Mägde. Mit Verena Weberin wurde ein gut dokumentierter Lebenslauf einer solchen Dienstmagd und Tagelöhnerin bereits vorgestellt.5 Der 45-jährigen Magd Anna Maria Wöhringerin aus Mundingen sicherte ihr Dienstherr Johann Georg Knoderer 1763 schriftlich 50 Gulden zu, falls sie ihm „fernerhin treu und redlich biß an seinen Tod fort dienen werde“. Bei Knoderers Tod im Jahre 1769 lebte und arbeitete sie immer noch in 2
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Vgl. zur Erwerbsarbeit von Frauen allgemein Wiesner, Working Women. Wunder, Er ist die Sonn’, S. 120–144. Opitz, Um-Ordnungen, S. 145–155. Simon-Muscheid, Frauenarbeit und Männerehre. Rippmann, Frauenarbeit im Wandel. Fitz, Heimarbeit. Werkstetter, Frauen im Zunfthandwerk. Ingendahl, Witwen, S. 51–54, 110–114, 118, 121, 145–147, 151–160. Heide Wunder formulierte 1981, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz weiblicher Arbeit mit der Herausbildung des modernen Staates stark verminderte, da die neuen Arbeits- und Verwaltungsstrukturen Frauen ausschlossen. Wunder, Stellung, S. 239. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 1.12.1717, fol. 213r. Vgl. Kap. V.4. Dürr, Mägde in der Stadt. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S.109–110. Vgl. Kap. III.9.
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dessen Haushalt.6 Danach wurde sie als Hintersassin in der Stadt aufgenommen. Sie lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahre 1785 bei Christian Reichert zur Miete und verdiente ihren Lebensunterhalt durch Taglöhnen.7 Manchen Mägden eröffnete der Tod der Dienstherrin die Chance, durch die Eheschließung mit dem Witwer sozial aufzusteigen. Der 64-jährige Kaspar Bacher heiratete 1723 in vierter Ehe die 44-jährige, aus Erlenbach im Simmental stammende Elisabeth Mössingerin, die „ihm als eine rechtschaffene Hausfrau seine Kinder erziehen“ sollte. Die Eheabrede legte fest, dass sie beim Tod ihres Mannes 50 Gulden Lidlohn erhalten sollte, die dieser ihr aus ihrer Zeit als Magd noch schuldig war, falls die Ehe kinderlos blieb. Außerdem erhielt sie ein lebenslanges Wohnrecht in Bachers Haus und ein Nutzungsrecht an zweieinhalb Juchert Ackerland. Die Höhe der ausstehenden Lohnforderung und das Alter der Braut zeigen, dass Elisabeth Mössingerin sich wohl schon längere Zeit in Bachers Diensten befand.8 Auch Katharina Barbara Abigerin, die 1790 ihren Dienstherrn, den Maurer Johann Georg Müller, heiratete, brachte ihren ausstehenden Lidlohn von 15 Gulden für eine fünfmonatige Dienstzeit in die Ehe ein. Sie trat als Ehefrau die Nachfolge ihrer Schwester an, die im Kindbett gestorben war.9 Die aus Denzlingen stammende zweite Ehefrau des Metzgers Karl Friedrich Göring namens Caroline Philippine Giehnein hatte vor ihrer Eheschließung ebenfalls ihren Unterhalt als Magd verdient. Friederike Elisabeth Schwörerin arbeitete 1801 gemeinsam mit ihr im Hause Görings und hatte mehr als 17 Gulden Lohn ausstehen.10 Auch die Frauen ärmerer Handwerker arbeiteten als Mägde, um das Familieneinkommen aufzubessern. Susanne Textorin, die Ehefrau des Kürschners Johann Michael Schneider, verdiente im Laufe ihrer Ehe als Magd 45 Gulden, die im Sterbeinventar ihres Mannes als Forderung an dessen Nachlass aufgeführt sind.11 Eine weitere Möglichkeit für Frauen, ihren Lebensunterhalt selbständig zu verdienen, war die Tätigkeit als Wäscherin. Ein Ratsprotokolleintrag von 1766 hielt fest: „Die Wäscherin, so auf einen gewißen Tag sich versprochen hat, hernach aber wieder absagt, um anderswo zu arbeiten, solle gezwungen werden, an das erste Ort zu gehen und nachher noch eingesteckt werden.“ Wäscherinnen erhielten morgens „herkömmlichen Brandenwein“, mittags Suppe und „des gewöhnlichen Essens mit Wein“ sowie abends Brot und Wein. Eingeschränkt bezie-
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StadtA Emmendingen, B 1b/687. StadtA Emmendingen, B 1b/1488. C/IX Stadtrechnungen 1771–1785. GLA Karlsruhe, 198/308. Eheabrede zwischen Kaspar Bacher und Elisabetha Mössingerin, 1723. Vgl. Kap. IV.3 und 4. 9 StadtA Emmendingen, B 1b/891. 10 GLA Karlsruhe, 198/74. 11 StadtA Emmendingen, B 1b/1176. Stannek, Armut, S. 102–103 zeigt, dass auch verheiratete Frauen einem Brotberuf nachgingen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen.
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hungsweise verboten wurde „hingegen aber der Caffee und noch die Mitgabe nach Hauß von Victualien auf den anderen Tag“. Ihr Taglohn betrug zehn Kreuzer.12 Viele Haushalte wuschen ihre Wäsche im städtischen Waschhaus, wofür eine Gebühr von acht Kreuzern zu entrichten war.13 1767 hatte die Dienstmagd des Juden Model Weil während des „heutigen Gottesdienst gewaschen“ und wurde für diesen Verstoß gegen die christliche Sonntagsruhe mit einer Strafe von einem Gulden und 30 Kreuzern belegt.14 Wäscherinnen, die für ledige junge Männer arbeiteten, konnten auch in den Verdacht der „Leichtfertigkeit“ geraten. Als der Forstknecht Georg Ringwald und Engelbert Schuhmacher bei der Wäscherin Maria Magdalena Mellertin angetroffen wurden, unterstellte ihnen die Obrigkeit sogleich einen Normverstoß. Ringwald „entschuldigt sich damit, er seye nur dahin gegangen, weil sie seine Wäscherin seye, und da habe er den zweyten in der Stube nachts gegen 10 uhr bey dem Licht angetroffen.“15 Maria Magdalena Mellertin, die bereits mehrfach wegen Diebstahls und anderer Vergehen bestraft worden war, wurde im Turm eingesperrt und noch im gleichen Jahr in das Pforzheimer Zuchthaus eingeliefert.16 Weitere Verdienstmöglichkeiten boten das Spinnen und Nähen. Der Arzt Dr. Wilhelm Ludwig Willius stellte fest, die „Weibsleute“ im Oberamt Hochberg seien „bey Zubereitung des Hanfs zum Spinnen und anderen Geschäften mehr (…) ganz brav und fast unentbehrliche Geschöpfe.“17 Nachlassinventare zeigen, dass in praktisch jedem Haushalt Spinnräder standen, und vor allem für ledige Frauen, Witwen und Almosenempfängerinnen stellte das Spinnen eine wichtige Einkommensquelle dar. Anna Maria Sophia Heimhoferin wurde anlässlich einer Kirchenvisitation im Jahre 1770 folgendermaßen charakterisiert: „schwacher Natur, spinnt das gantze Jahr durch, und verdient hinlänglich, hat sonsten kein Vermögen, hat eine Tochter von 13 Jahren, auch Verwandte, von welchen sie aber wenig Hülfe zu erwarten.“18 Die Gemeinde zahlte ihr wöchentlich zwölf Kreuzer aus dem Almosen und gab ihr einen Sester Frucht. Über die aus Buchen bei Zürich stammende Magdalena Kellerin hieß es, sie sei ebenfalls „kränklich, spinne das gantze Jahr durch, hat ein geringes Vermögen, welches sie ihren nächsten Freunden vermacht, lebt vor sich.“ Sie erhielt im gleichen Jahr acht Kreuzer pro Woche aus dem Almosen.19 Die Frau des jüdischen Vorsingers Asher Schriesheimer namens Merle 12 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 6.8.1766, fol. 148r. Zum gemeinsamen Mahl als integrativem Bestandteil des Arbeitsvertrags vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 105. 13 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1761. 14 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 6.3.1767. 15 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 1.5.1767. 16 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 10.9.1767, fol. 223v–224r. Vgl. Kapitel VIII.3. 17 Willius, Beschreibung, S. 220. 18 GLA Karlsruhe, 115/246 Kirchenvisitation Emmendingen, 25.3.1770. 19 GLA Karlsruhe, 115/245. 115/246 Kirchenvisitation Emmendingen, 25.3.1770. Auch in den Umlandgemeinden arbeiteten allein stehende Frauen als Spinnerinnen. Vgl. Holenstein, Gute Policey II, S. 527.
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wurde als Handarbeiterin bezeichnet und trug wahrscheinlich durch Spinnen oder Nähen zum Lebensunterhalt der Familie bei.20 Dem in den Quellen mehrfach erwähnten Mangel an Garn als Rohstoff für die Textilproduktion sollte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Ausbildung von Mädchen in eigenen Spinn-, Strick- und Nähschulen begegnet werden. Einigen Frauen boten sich damit auch Verdienstmöglichkeiten als Lehrerin.21 Magdalena Gadinin, die Lehrerin in der Spinnschule, erhielt 1770 gegen Entrichtung von 40 Kreuzern im Jahr den Hintersassenstatus.22 Die bereits erwähnte Witwe des Johannes Schneider, Anna Maria Sophia Heimhoferin, ernährte sich und ihre Kinder zeitweilig als Spinnschullehrerin und erhielt dafür von der Stadt einen Jahreslohn von fünf Gulden 20 Kreuzer.23 Daneben versorgte sie 1773 einen zum Christentum konvertierten jüdischen Waisenknaben, den vierjährigen Christian Leberecht, und erhielt dafür von der Stadt jährlich zwölf Gulden 30 Kreuzer.24 Anna Eva Heßin, die 1717 geborene uneheliche Tochter des Vogtssohns Kaspar Heß von Teningen,25 verdiente ihren Lebensunterhalt als Magd, Näherin und Spinnschullehrerin. Für ihren Status als Hintersassin zahlte sie in den Jahren 1751 bis 1767 ein jährliches Schirmgeld. 1771 wurde sie davon befreit, „da sie Altershalber ihr Brot nicht mehr gewinnen kann“, und für die Jahre 1772 bis 1774 musste sie kein Schirmgeld entrichten, da sie sich wieder im Gesindedienst befand.26 Im Protokoll der Kirchenvisitation des Jahres 1770 wurde sie als „ledige Näherin, 52 Jahr alt, kränklich, nähet und spinnt, verdient damit ihr Brod, hat sonst nichts im Vermögen, hat keine Freunde (...) klagt nicht über großen Mangel“ beschrieben. Sie erhielt zu diesem Zeitpunkt wöchentlich acht Kreuzer aus dem städtischen Almosen.27 Im Jahre 1768 beschäftigte sie die Stadt als Spinnschullehrerin und zahlte ihr eine Summe von drei Gulden 52 Kreuzern, 1769 erhielt sie für 72 Unterrichtsstunden zehn Gulden 40 Kreuzer.28 1776 wurde ein Stundenlohn von vier Kreuzern vereinbart und damit wohl auch eine Absenkung des Stundenlohns, der 1769 noch bei acht Kreuzern gelegen haben dürfte.29 1785 zahlte ihr die Stadt erneut sechs Gulden für diese Arbeit.30 Das letzte Mal findet
20 GLA Karlsruhe, 74/3704. Siehe Günther, Emmendinger Juden I, S. 50. Vgl. auch Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 109–110, 184, 212. 21 Vgl. hierzu Stannek, Armut, S. 103–104. 22 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 10.5.1770, fol. 95r. 23 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1770–1772. 24 GLA Karlsruhe, 115/249, Kirchenvisitation Emmendingen, 21.3.1773. Vgl. auch SchmölzHäberlein, Integration, S. 395. 25 StadtA Emmendingen, Genealogie Wasser. 26 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 11.4.1771, fol. 143v. C/IX Stadtrechnungen 1751–1767, 1772–1774. 27 GLA Karlsruhe, 115/245. 115/246 Kirchenvisitation Emmendingen, 25.3.1770. 28 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1768–1769. 29 StadtA Emmendingen, B VI/1-17, Kirchenzensurprotokoll, 3.7.1776, 1.11.1780. 30 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785.
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sie sich 1787 mit einer Summe von fünf Gulden 28 Kreuzern in den städtischen Rechnungen.31 Über die Hintersassin Margaretha Barbara Schillingerin, die „schwächlich“ war, hieß es 1770, sie „dient als Kindsfrau und findet ihren Unterhalt, hat nichts im Vermögen, ihre Kinder dienen, von Fremden erwartet sie nichts“. Das Almosen unterstützte sie mit acht Kreuzern wöchentlich.32 Bereits vor dem Tod ihres Mannes im Jahre 1759 war ihr wegen „ohnvermögens“ das Hintersassengeld nachgelassen worden,33 aber ihr Gesuch um Almosen, „weil ihr Mann nicht beständig Arbeit habe, und ein schlechter Haushälter seye, der ihr die Nahrung alßo nicht reiche“, war damals abschlägig beschieden worden.34 Die Kombination von Gesindedienst, Taglohn, Spinnen, Nähen, Versorgung von Waisenkindern und Almosen sicherte armen Frauen wie Anna Maria Sophia Heimhoferin, Eva Heßin, Margaretha Barbara Schillingerin oder Verena Weberin den Lebensunterhalt.35 Auch Elisabeth Hussin, die in der Stadt als Hintersassin lebte und ihren Unterhalt durch Taglöhnen verdiente, trat wiederholt in Magddienste ein.36 Ferner wurden Totenwachen häufig von Frauen gegen Bezahlung übernommen. Die Frau des Tagelöhners Andreas Hambrecht, Katharina Schwörerin, kleidete 1793 den Leichnam von Johann Georg Stierlins Frau Elisabeth Braunin an und hielt die Totenwache.37 1799 hatte sie noch Geld für ihre Totenwache bei Anna Rosina Barbara Heinrichin zu erhalten.38 Für diese Dienste scheint eine Entlohnung von drei Gulden 30 Kreuzern üblich gewesen zu sein, da diese Summe in den Nachlassinventaren regelmäßig als Schuldposten aufgeführt wurde. Auflistungen von Schuldnern und Gläubigern in Inventaren machen weitere Frauenarbeiten sichtbar. So schuldete Ernst Heinrich Olnhausen 1790 Maria Eleonore Sanderin „Rasierers Lohn“ in Höhe von vier Gulden und 30 Kreuzern.39 Oberamtmann Johann Georg Schlosser bezahlte „aus besonderer Achtung für die seel. Frau Pfarrerin und zum Beweis der Erkenntlichkeit für ihre in diesem Haus treu geleisteten Dienste“ 29 Gulden und 42 Kreuzer an sie.40 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um die 1781 in Emmendingen verstorbene Maria Christina Baderin aus Gundelfingen, die nach dem Tod ihres Mannes Johann Christoph Rieß in Sexau im Jahre 1769 ihren Lebensabend in der Amtsstadt verbrachte.41 Gerade Beamten- und Pfarrerswitwen hatten mitunter erhebliche Schwierigkeiten, 31 32 33 34 35 36 37 38
StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. GLA Karlsruhe, 215/245. 115/246 Kirchenvisitation Emmendingen, 25.3.1770. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1758. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 5.7.1758, fol. 28r, 29v. Vgl. Mitterauer, Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, S. 58–148. StadtA Emmendingen, C/VIII/13 (Ratsprotokoll 1778), 30.4.1778, fol. 20r–20v. StadtA Emmendingen, B 1b/1306. StadtA Emmendingen, B 1b/1102. Zur Bedeutung von Frauen in der Krankenpflege und als Beistand am Sterbebett vgl. Gleixner, Pietismus, S. 299. 39 GLA Karlsruhe, 198/74. 40 StadtA Emmendingen, B 1b /1096. 41 GLA Karlsruhe, 198/143. OSB Sexau, Nr. 3333. Maurer, Lateinschule, S. 39. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendigen. Eilers, Pfarrer.
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ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, da sie nicht die Möglichkeit hatten, das Gewerbe ihres Mannes weiterzuführen. Wilhelmine Karoline Hölzlein, deren Ehemann, der Spezial Heinrich Christoph Wagner, 1763 gestorben war, wandte sich 1769 mit einer eigenhändig geschriebenen Supplik an den Emmendinger Rat und bat um die Zuteilung eines Klafters Brennholz. Sie berief sich dabei auf „die Ehmalige amtsführung meines seeligen Mannes“, die noch „bey mehreren unter ihme in einem guten Angedencken stehen“ werde. Auch sei es üblich, dass Gemeinden, in denen „durch das Absterben der Männer die geistlichen frauen in den Wittwenstand gesezet werden, solchen von Zeit zu Zeit durch einige Wohlthaten die Last ihres Standes erträglicher zu machen pflegen.“42 Das erbetene Brennholz wurde ihr bewilligt und stand ihr auch weiterhin zu, als sie 1776 nach Basel zog.43 Dem „Schulwitwenfiskus“ schuldete der Emmendinger Lehrer Johann Kaspar Tschira bei seinem Tod im Jahre 1774 ein Viertel seines Jahresgehalts von 112 Gulden.44 Witwen von Handwerkern und Gewerbetreibenden sahen sich zwar ebenfalls großen Herausforderungen gegenüber und mussten die Begräbniskosten ihrer verstorbenen Männer bestreiten sowie ihre erbberechtigten Kinder auszahlen,45 doch führten viele den Betrieb des verstorbenen Gatten erfolgreich weiter oder griffen auf Erfahrungswissen zurück, das sie im väterlichen Betrieb erworben hatten.46 Mit der Weberin Anna Maria Barbara Stiefelin, die als Witwe regelmäßig auf den Zunfttagen der Emmendinger Weberzunft erschien, ist ein bemerkenswertes Beispiel einer ökonomisch aktiven Handwerkerwitwe bereits vorgestellt worden.47 Andere Emmendinger Quellen zeigen, dass selbständig ökonomisch handelnde Witwen um die Mitte des 18. Jahrhunderts zum städtischen Alltag gehörten. Ein 1758 erstelltes Register der Bürger, Hintersassen und Kirchenmitglieder Emmendingens und seiner Stabsgemeinden vermerkte explizit, dass diejenigen Witwen, die noch ihr „eigenes Gewerb“ führten, darin nicht enthalten waren,48 und 1767 forderte der Stadtrat „die hier über eigenem Brot sitzenden Weibsleuth,
42 StadtA Emmendingen, B III/3, Fasz. 12. Supplik der Karoline Wilhelmine Hölzlein, Witwe des Pfarrers Wagner, an Bürgermeisteramt und Rat, 8.2.1769. Zu Pfarrwitwen und deren Versorgung vgl. Ingendahl, Witwen S. 30. 43 StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 1.2.1776, fol. 13v. 44 StadtA Emmendingen, B 1b/1344. Ein Pfarrwitwenfiskus bestand in Baden seit 1719. Vgl. Eibach, Loyalität, S. 504–505. Spätestens ab 1758 gab es eine Witwenkasse für die weltliche Dienerschaft. Maurer, Baden Nr. 1955 (24.08.1758). 1760 wurde die Versorgung der Witwen und Waisen des Schulpersonals geregelt: Nr. 1994 (31.10.1760). Zur Bedeutung von Versorgungseinrichtungen für Beamten- und Pfarrerswitwen vgl. Ingendahl, Witwen, S. 30. 45 Simon-Muscheid, Frauenarbeit, S. 28–29. 46 Zur Kategorie des Erfahrungswissens vgl. Werkstetter, Frauen im Zunfthandwerk. Werkstetter, da ich meines Vaters Tochter. Ingendahl, Witwen, S. 51,75. 47 Vgl. die Biographien der Emmendinger Frauen in Kap. III. 48 Stadtarchiv Emmendingen B 1a/1, Rüg- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, 19. Juni 1758, fol. 84r–92v, 100v–107r.
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Witwen, wie ledige Bürgerinnen und Hintersassen“ auf, einmal wöchentlich den Marktplatz zu säubern.49 Als der Rotgerber Johann Christoph Meyer im Jahre 1792 die acht Jahre ältere Eva Wolfspergerin, Witwe des Georg Friedrich Blum, heiratete, hielt der Ehevertrag fest, dass seine „Bürger und Meisterwerdungs Kosten (...) paar von der Frau bestritten“ wurden. Eva Wolfspergerin bestätigte, dass „an des Manns Vermögen um so weniger etwas in Abzug gebracht werden soll, als derselbe eine geraume Zeit vor der Hochzeit Gesellenweiß bey ihr gearbeitet“ habe. Die Witwe hatte also den Betrieb ihres ersten Mannes eigenständig weitergeführt und darin einen Gesellen beschäftigt.50 Die aus Königschaffhausen stammende Barbara Henningerin, die 1703 den Emmendinger Seiler Johann Friedrich Göring geheiratet hatte, führte die Werkstatt ihres Mannes nach dessen Tod im Jahre 1726 bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes weiter. Im Jahre 1727 zahlte ihr die Stadt Emmendingen fünf Gulden zwanzig Kreuzer für neue Seile.51 Anna Maria Heimhoferin fertigte während ihrer Witwenschaften wiederholt Schlosserarbeiten für die Stadt Emmendingen an. Sie hatte 1735 den verwitweten Schlosser Johann Jakob Jernst geheiratet, der nach zehn Ehejahren verstorben war. Zwei Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratete sie Friedrich Lauchenauer, einen Schlossergesellen aus Schopfheim.52 Als Anna Maria Heimhoferin 1751 von der Stadt für Schlosserarbeiten entlohnt wurde, war sie bereits zum zweiten Mal verwitwet.53 Der Schlossergeselle Friedrich Vollmer aus der Herrschaft Rötteln heiratete die 18 Jahre ältere Frau drei Jahre nach dem Tod Lauchenauers und sicherte sich damit das Bürger- und Meisterrecht.54 Sybilla Fechterin führte den Betrieb ihres 1759 verstorbenen Mannes, des Schuhmachers Jakob Bürklin, fast zwei Jahrzehnte lang weiter: Erst 1777 übergab sie ihrem Sohn das Vermögen in Höhe von mehr als 1400 Gulden.55 Anlässlich eines Waldfrevels im Jahre 1769 wird ihr „Geselle“ Andreas Weinbrenner erwähnt.56 Katharina Malerin, der Witwe des Hafnermeisters Johann Meyer, wurde 1764 vorgeworfen, „dass Sie eines Sonntags ihren katholischen Gesellen auf dem Handwerck habe arbeiten lassen.“ Sie entschuldigte sich damit, „dass sonst die Arbeit vom Samstag her unnütz worden wäre.“57 Maria Christina Axtin, die Witwe des 1762 verstorbenen Kupferschmieds Samuel Lapp, hatte 1765 drei Gulden von dem Küfer Georg Friedrich Schöchlin für Schmiedearbeiten zu fordern.58 49 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 9.7.1767, fol. 214v. Vgl. Ingendahl, Witwen, S. 52–54. 50 StadtA Emmendingen, B 1b/123. Vgl. Ingendahl, Witwen, S. 107–114, 151–160. 51 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1727. 52 StadtA Emmendingen, B1b/572. C/IX Stadtrechnung 1747. Genealogie Emmendingen. 53 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1749. 54 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 55 StadtA Emmendingen, B IV/3 Fasz. 7. B 1b/229. 56 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 18.1.1769, fol. 9r. 57 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 7.12.1764. 58 StadtA Emmendingen, B 1b/1194.
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Anna Maria Siebenhaarin verdiente nach dem Tode ihres Mannes, des Posamentierers Johann Georg Rist, ihren Lebensunterhalt mit „Knöpfe verfertige(n)“.59 Durch diese Tätigkeit und die Aufnahme von Krediten sicherte sie die Posamentierwerkstatt für ihren Sohn.60 Der Knopfmacher Johann Philipp Frank und sein Bruder Karl Friedrich beschwerten sich 1789 über sie, dass sie immer noch auf eigene Rechnung Knöpfe anfertige. Sie musste daraufhin diese Tätigkeit auf Anweisung des Rates hin einstellen.61 Sophia Maria Leglerin hingegen verpachtete nach dem Tod ihres Mannes Simon Reinbold im Jahre 1782 dessen Metzgergerechtigkeit, „da die Selbsttreibung des Handwerks ihro offenbar schädlich wäre, weil sie einen besonderen Metzgerknecht darauf zu halten genöthiget würde, deßen Erhaltungskosten den Profit weit überstiegen“.62 Eine bemerkenswerte Tradition von Witwen, die die Betriebe ihrer Ehemänner fortführten, bildete sich im Emmendinger Maurergewerbe heraus. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadtmauer den Stadtrechnungen zufolge zum großen Teil von der Witwe Elisabeth Schulderin (1612–1688) wieder errichtet. Elisabeth Schulderin hatte 1651 den Maurermeister Johann David Neumann geheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes zahlte ihr die Stadt 1661 für ihre Arbeiten mehr als sechs Gulden.63 1663 heiratete die Witwe den Maurer Benedikt Minger, der bis zu seinem Tod im März 1682 regelmäßig in den Stadtrechnungen auftaucht.64 Im Jahre 1682 beschäftigte die bereits 70-jährige noch einen Gesellen. Meisterin und Geselle erhielten 111 Gulden und 12 Batzen für ihre Arbeiten an der Stadtmauer, welche am Münzhof entlang führte, und weitere 41 Gulden für Arbeiten an Stadtmauer, Zoll- und Hirtenhaus. Auch während ihrer beiden Ehen war Elisabeth Schulderin wahrscheinlich auf den Baustellen tätig.65 Katharina Barbara Abigerin, die Tochter eines aus Württemberg stammenden Zimmermanns, der sich 1748 in Emmendingen niedergelassen hatte,66 heiratete 1790 den Maurer Johann Georg Müller. Der ebenfalls aus Württemberg zugewanderte Müller war zuvor mit Katharina Barbaras Schwester verheiratet gewesen,
59 StadtA Emmendingen, B V/2-111. Zum Zusammenhang Knopfmacherhandwerk und weibliche Erwerbstätigkeit vgl. Ingendahl, Witern, S. 75. 60 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 4.11.1786, fol. 1r. Sie nahm 300 Gulden bei Sophia Wilhelmina Wagnerin, Witwe des Arztes Willius auf. 1789 musste sie bei der Witwe des Küfers Ringwald eine Summe von 100 Gulden aufnehmen, um ihre während einer Krankheit aufgelaufenen Schulden bezahlen zu können. C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 20.10.1789, fol. 268v–269r. Vgl. exemplarisch zur Regelung der Kreditaufnahme Maurer, Baden Nr. 1153 Obligationen (22.12.1728), 1155 Wechsel (10.01.1729), 1197 Pfand (16.04.1731). 61 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 17.9.1789, fol. 154r–157r. 62 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 9v–10r. 63 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1661. 64 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1663–1681. 65 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1682. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 386. 66 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.4.1748, fol. 216r. C/IX Stadtrechnung 1748. Genealogie Emmendingen.
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die er während ihres Gesindedienstes in Basel unehelich geschwängert hatte.67 Müller arbeitete auch nach seiner Niederlassung in Emmendingen immer wieder in Basel.68 Bei Bauarbeiten am Emmendinger Landvogteigebäude ruinierte Müller 1792 „durch allzustrenges Arbeiten“ seine Gesundheit und starb. Seine Witwe Katharina Barbara empfing zwar ein städtisches Almosen für ihr Kind aus der Ehe mit Müller, musste aber selbst Hand anlegen, um die Schulden ihres Mannes zu begleichen und ihren eigenen Lebensunterhalt sowie denjenigen ihrer vier Stiefkinder zu sichern. So musste sie Maurerarbeiten bei dem Apothekenprovisor Lambert Lambertz fertig stellen, der ihrem Mann einen Vorschuss bezahlt hatte, von dem noch fünf Gulden offen standen.69 1793 beschäftigte die Witwe einen Gesellen,70 und den Stadtrechnungen zufolge wurde sie 1795 unter anderem für Arbeiten am Freiburger Tor entlohnt.71 Nachdem sie 1797 ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte, heiratete Katharina Barbara Abigerin im Jahre 1800 den zwölf Jahre jüngeren Zimmermann Jakob Friedrich Drechsler, der wie ihr Vater und ihr erster Mann aus Württemberg stammte. Aus dieser Ehe gingen drei weitere Kinder hervor.72 Auch die Witwe des Scharfrichters Johann Georg Frank in Teningen73 und des Chirurgen Tobias Silchmüller, Anna Maria Sprangerin in Ihringen,74 führten das Gewerbe ihrer Männer bis zu ihrer Wiederverheiratung oder bis zur Volljährigkeit eines Sohnes selbständig weiter. 1769 bezahlte die Stadt Emmendingen den Knecht der Scharfrichterin für die „Wegschaffung eines wütend gewesenen hier todt geschoßenen Hundes“.75 Da das Scharfrichtergewerbe ein Erblehen war und nur innerhalb der Familie weitergegeben werden konnte, sicherte die Frankin durch ihre Tätigkeit ihr eigenes Auskommen, die Ausbildung ihrer Kinder und die Nachfolgerechte ihres Sohnes.76 67 StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 15.2.1781, fol. 6v. Genealogie Emmendingen. 68 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 3.1.1786, fol. 135r. 69 StadtA Emmendingen, B 1b/891. 70 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 3.1.1793, fol. 182v. 71 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1792, 1795. 72 StadtA Emmendingen, Genealogie. 73 Vgl. hierzu Schmölz-Häberlein, Scharfrichter. Der Name der Frau war nicht zu ermitteln. 74 StadtA Emmendingen, B/IV/2-168. Anna Maria Sprangerin (1713–1778), die Witwe des Chirurgen Tobias Silchmüller von Ihringen, war Gründungsmitglied der Hochberger Chirurgenzunft. In den Akten wird ihr als Wohnsitz wohl irrtümlich Eichstetten angegeben, denn dort ist keine Familie Silchmüller nachweisbar. Anna Maria heiratete noch zwei weitere Male; ob sie während dieser Ehen weiterhin als Chirurgin tätig war, ist nicht zu klären. Für diese Auskunft danke ich Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. 75 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. GLA Karlsruhe 229/105317. Dass Witwen das Scharfrichteramt weiterführten, ist nicht ungewöhnlich: vgl. Wilbertz, Standesehre, S. 168. Hochstrasser, Hof, Stadt, Dörfle, S. 92. 76 Labouvie, Frauen, S. 47–50, schreibt, dass im Fall von Erblehensverhältnissen die „ehelichen Erben“ in die Pacht eintraten und daher Witwen als „eheliche Erben“ das Amt übernehmen. Diese Schlussfolgerung ist meiner Ansicht nach unzutreffend. Die Frauen übernahmen das Amt in ihrer Eigenschaft als Familienoberhaupt und führten es entweder weiter, bis die Kinder in der Lage waren, den Betrieb zu übernehmen, oder bis ein fähiger „Ehenachfahre“ ge-
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Ehefrauen, die im Handwerksbetrieb ihres Mannes mitarbeiteten, werden seltener in den Quellen fassbar als Witwen. Im Jahre 1768 musste der Färber Michael Bürklin 15 Ellen Halbleinen, die die Frau des Zimmermanns Johann Jakob Jauch aus Windenreute seiner Frau gebracht hatte, ersetzen, weil diese beim Färben verdorben waren.77 Vor allem die Arbeit der Ehefrauen von Bäckern ist durch Frevelgeldzahlungen vergleichsweise gut dokumentiert. Im Jahre 1662 hatte die Frau des Bäckers Melchior Jößlin in Abwesenheit ihres Mannes das Brot zu leicht gebacken und musste daher eine Strafe von sechs Batzen erlegen.78 Die Frauen der Bäcker Johann Georg Steinhilber, Andreas Steinhilber und Johann Georg Trautmann brachten offenbar das von ihren Männern gebackene Brot zur Waage, denn alle drei wurden zwischen 1714 und 1716 aktenkundig, weil sie den Brotwäger Hans Georg Reichert beschimpften, nachdem dieser das Brot für zu leicht befunden hatte. Andreas Steinhilbers Frau Anna Hildebrandtin bezeichnete Reichert 1715 als „Hungerleider“. Im folgenden Jahr wurde sie bestraft, weil sie Reichert nicht nur „abermahls Schimpflich tractiert“, sondern ihm auch noch „das Brot vor die Füße geworfen“ hatte.79 Als der Bäcker Johann Georg Reinbold 1767 von der Kirchenzensur beschuldigt wurde, er habe während des „Bettags“ in seinem Laden Brot verkauft, entschuldigte er sich, „er seye in der Kirch geweßen, sein Weib müße es vergeßen haben“. Seine Frau Anna Elisabeth Hoffmannin musste daraufhin 30 Kreuzer Strafe zahlen.80 Die Ehefrauen von Handwerksmeistern waren auch an der Ausbildung von Lehrlingen beteiligt und wurden dafür sogar finanziell entlohnt. Der Hafnergeselle Christian Schöchlin zahlte in den 1770er Jahren neben dem Lehrgeld auch der „Meisterin Trinkgeld beim Aufdingen“, was in seinem Fall mit insgesamt 51 Gulden zu Buche schlug.81 Mehrere Emmendinger Frauen waren auch im Gastgewerbe tätig. Eva Zuckmantelin wurde 1667 neben drei Männern bestraft, weil „sie am Sonntag vor der Predigt Brandwein ausgeschenkt“ hatte. Wie die Männer musste sie fünf Schilling in das Almosen einzahlen.82 Die Eltern der Anna Kromerin übertrugen ihrer Tochter anlässlich ihrer Eheschließung mit Jakob Friedrich Hartmann im Jahre 1740 die Gerechtigkeit für die Sonnenwirtschaft am Marktplatz.83 Der Wirt Christian Heinrich Hartmann überließ seiner geschiedenen Frau Maria Magdalena Vulpiusin 1793 das Gastgewerbe und zahlte ihr jede Woche 48 Kreuzer Kostgeld für
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funden war, also eine Wiederverheiratung erfolgte. Von einem Erblehen, das an einen Mann übergeben wurde, auf eine Miteigentümerschaft der Frau zu schließen, erscheint fragwürdig. StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 14.4.1768, fol. 265v. Auch das Farbzeichen ist hier überliefert („BN 66 Farbzeichen“). Zur Mitarbeit von Frauen vgl, Wunder, Herrschaft und öffentlichces Handeln, S. 31, 37. Ingendahl, Witwen, S. 45. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1652. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 24.5.1714, fol. 143r; 28.9.1715, fol. 182v–183r; 20.7.1716, fol. 194v; C/IX Stadtrechnungen 1714–1715. StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 6.7.1767. StadtA Emmendingen, B 1b/1201. StadtA Emmendingen, B 1a-1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Mittwoch 22. Mai 1667. GLA Karlsruhe, 198/356 (Ehevertrag Johannes Gimpel und Ursula Kromerin, 14.7.1756), nimmt Bezug auf einen Ehevertrag vom 6.2.1740.
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die gemeinsamen Kinder. Seine Frau hatte allerdings nicht viel von dieser Überschreibung, da sie nur ein Jahr später starb.84 Da Standgeldrechnungen von den Emmendinger Jahrmärkten nur für einige wenige Jahre im 17. Jahrhundert überliefert sind,85 ist die Teilnahme von Frauen am Marktgeschehen nur fragmentarisch dokumentiert. In den Standgeldrechnungen der 20 Kilometer entfernten Stadt Lahr aus den 1720er Jahren sind jedoch Händlerinnen aufgeführt.86 Emmendinger Quellen dokumentieren zudem die Tätigkeit jüdischer Handelsfrauen. Im Jahre 1772 attestierte der Stadtrat der Witwe Eva Ellenbergerin (Ellenbogen),87 „dass Sie durch ihren getriebenen Handel sich nach jüdischer Lebensart wohl ernähret, und ihre Aufführung (...) bisher gut geweßen“ sei. Der Rat gestattete ihr den weiteren Aufenthalt in der Stadt,88 und in den Schutzgeldlisten der Markgrafschaft ist sie bis 1783 mit jährlichen Zahlungen von zehn Gulden verzeichnet.89 Die Witwe des Samuel Veit entrichtete nach dem Tod ihres Mannes bis zu ihrem eigenen Tod im Jahre 1780 fünf Jahre lang Weidzins, was auf Aktivitäten im Viehhandel schließen lässt.90 Im Jahre 1776 wurde ihr Vermögen auf 500 Gulden veranschlagt.91 Vom folgenden Jahr an war sie von Schutzgeldzahlungen befreit, „so lange sie mit ihrem Sohn eine Haushaltung führen wird.“92 Obwohl die Juden in der Markgrafschaft nicht hausieren, sondern nur in ihren Häusern Handel treiben durften,93 wurde die Frau des Juden Jonas Weil 1797 als Hausiererin ausgewiesen.94 Mit Christine Elisabeth Ottin, die als „Consortin“95 am Geschäft ihres Mannes Georg Heinrich Schlözer beteiligt war und von diesem für ihre aktive Mitarbeit jährlich 50 Gulden in ihren Sparhafen einbezahlt bekam, haben wir bereits eine erfolgreiche christliche Handelsfrau kennen gelernt.96 Daneben traten besonders der Krämer Franz Blum und seine Ehefrau Anna Maria Nägelin als Händlerehepaar in Erscheinung. In einem kleinen Heft, das ihrer Nachlassakte beigeheftet ist, führte Anna Maria gewissenhaft Buch über ihre Ausgaben einschließlich der 84 StadtA Emmendingen, B 1b/547, 548, 1380. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/372. 85 Vgl. dazu Häberlein, Regionale Wirtschaftsbeziehungen. 86 StadtA Lahr, I, 98 Standgeldrechnungen. Ausgewertet wurden die Jahre 1723–1729. 87 Der Name ist in beiden Varianten belegt; es handelt sich dabei um die gleiche Person. 88 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 1.10.1772, fol. 245r. 89 GLA Karlsruhe, 115/198. Sie kann keinem Schutzjuden in Emmendingen zugeordnet werden, und auch in den Listen der 339 in der Markgrafschaft ansässigen, Schutzgeld zahlenden Juden findet sich kein Name, der einen Hinweis auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse Evas geben könnte. 90 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1775–1780. Leider geben die Quellen keinen Hinweis auf ihren Namen und ihre Herkunft. 91 StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 12.9.1776, fol. 71r–71v. 92 GLA Karlsruhe, 115/198, Nr. 185. 93 StadtA Emmendingen, C/X (Verordnungsband 1755–1823), 2.4.1778, fol. 67r–68r. 94 GLA Karlsruhe, 74/3704. 95 Der gleiche Begriff begegnet uns bei den Salzburger Handelsfrauen; vgl. Barth-Scalmani, Salzburger Handelsfrauen. 96 Vgl. Kapitel III.2. Zu Leipzig Schötz, Gewerberecht. Schötz, Handelsfrauen.
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Aufwendungen für die Ausbildung ihrer Kinder. In diesem Heft erweist sie sich als tüchtige Geschäftsfrau, die ihre Interessen wahrzunehmen wusste und maßgeblich zur Prosperität des gemeinsamen Geschäfts beitrug. Über den Laden der Blums sind wir gut unterrichtet, weil zwei Nachlassinventare erhalten sind: Eines wurde nach Anna Marias Nägelins Tod 1776,97 das andere nach Franz Anton Blums Tod 1786 angefertigt.98 Bei Anna Marias Erbteilung wurde festgehalten, dass die Eheleute das Geschäft gemeinsam geführt hatten und daher auch an Gewinn und Verlust je zur Hälfte beteiligt waren.99 Den Inventaren zufolge handelten die Blums mit „Kolonialwaren“ wie Gewürzen (Nelken, Zimt, Ingwer, Muskatnuss, Pfeffer), Tabak (Rauchtabak, Pfälzer oder Kautabak, Rape d’Hollande bzw. Zigarren)100, Kaffee, grünem Tee101 und Zucker (Zuckerhüte und braunem Kandis). Neben Dingen des täglichen Bedarfs wie Kämmen, Schultafeln und Besen führten sie Eisen-, Holz- und Farbwaren, aber auch Klaviersaiten und Maultrommeln. Außerdem verfügten sie über ein reichhaltiges Angebot an Stoffen, Bändern und Kurzwaren. Ein großes Sortiment an Tabakdosen sowie 200 kurze und 200 lange Tabakpfeifen im Inventar belegen die Bedeutung dieses Handelszweigs und zeigen, dass Emmendingen ein Marktort von zumindest regionaler Bedeutung war. Für Jahrmarktbesuche benutzten die Blums einen mobilen Krämerstand samt Plane. Als Franz Anton Blum starb, belief sich sein persönliches Vermögen auf mehr als 5000 Gulden, und der Laden war mit Waren im Wert von 730 Gulden gefüllt.102 Nach ihrer Eheschließung im Jahre 1775 begannen der spätere Bürgermeister Georg Matthias Berblinger und seine Ehefrau Charlotte Dorothea Schwindin ein Handelsgeschäft aufzubauen. Um die Etablierung des Geschäfts zu finanzieren und Warenlieferungen zu bezahlen, nahmen sie 1776/77 bei dem Altbürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann einen Kredit von 600 Gulden, bei seinem Stiefbruder, dem Bürgermeister Emanuel Christian Eccard, 50 Gulden sowie bei der Willius’schen Pflegschaft 252 Gulden auf.103 Die Witwe des Handelsmanns Johann Wilhelm Maler, Christine Friederike Zöllerin, führte das Geschäft nach dem Tod ihres Mannes 1802 fort.104 Von diesen etablierten Händlerehepaaren unterschieden sich Georg Fassnacht und seine Ehefrau, deren Gesuch um das Bürgerrecht in Emmendingen, wo sie mit Granaten, 97 StadtA Emmendingen, B 1b/118. Dieses Inventar wurde bereits von Gerhard Auer ausgewertet. Vgl. Auer, Der Stand der Dinge. 98 GLA Karlsruhe, 198/82. 99 StadtA Emmendingen, B 1b/118. In einem Reskript vom 11.5.1717 wurde die Verteilung von Gewinn und Verlust in der Ehe geregelt. Vgl. auch Maurer, Baden Nr. 798. 100 Zu Tabak als Massenkonsumartikel und der Reaktion der Obrigkeit vgl. Menninger, Genuss, S. 277–312 und 373–383. 101 Zur Bedeutung von Tee und Kaffee vgl. Menninger, Genuss, S. 313–354 und S. 384–395. 102 GLA Karlsruhe, 198/82. Ein ähnliches Warensortiment hatten fast alle Handelsleute vorrätig. Vgl. zu Offenburg, wo vor allem Inventare italienischer Einwanderer ausgewertet wurden, Schwanke, Fremde in Offenburg, S. 161–173. 103 StadtA Emmendingen, B 1b/69. 104 StadtA Emmendingen, B 1b/1077.
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Terpentin, Pech und Karolschmiere Handel treiben wollten, 1775 abschlägig beschieden wurde. Obwohl das Ehepaar ein Vermögen von 600 Gulden nachweisen konnte, verwies der Stadtrat das Gesuch zurück an das Oberamt, da die Eheleute dem „Trunck und liederl(ichen) Leben“ ergeben wären.105 Insgesamt zeigen die Quellen, dass sowohl die ledigen jungen und lebenslang unverheirateten Frauen als auch Ehefrauen und Witwen in Emmendingen regelmäßig Erwerbstätigkeiten nachgingen. Das Spektrum ihrer Tätigkeiten reichte von `klassischen´ Frauenarbeiten wie Waschen, Spinnen, Nähen, Versorgung von Waisenkinder und Gesindedienst bis zur Ausübung spezialisierter Handwerke und und der Mitarbeit in etablierten Handelsgeschäften. Obrigkeitliche Maßnahmen gegen szeielle Formen weiblicher Erwerbstätigkeit sind zwar punktuell nachweisbar, doch für eine systematische Exklusions- oder Verdrängungspolitik gibt es keine Anhaltspunkte.
2. FRAUEN AUF DEM KAPITAL- UND GRUNDSTÜCKSMARKT Im frühneuzeitlichen Mitteleuropa war die Verfügungsgewalt von Frauen über ihren Besitz durch das Rechtsinstitut der Geschlechtsvormundschaft eingeschränkt, das Eigentumsübertragungen und andere größere Rechtsgeschäfte von der Zustimmung eines männlichen Vormunds abhängig machte. In einigen Regionen wurde die Geschlechtsvormundschaft im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts auf verheiratete Frauen eingeschränkt. Ledige und verwitwete Frauen erhielten nun die Freiheit, im Rahmen der rechtlichen Vorschriften geschäftliche Verträge eigenständig abzuschließen.106 David W. Sabean vertritt die These, dass die Geschlechtsvormundschaft in erster Linie dem Schutz des Eigentums der Frau gegenüber einem verschwenderischen Ehemann diente. Der Ehemann verwaltete zwar das Vermögen seiner Frau, konnte ihre Güter jedoch nicht ohne ihre ausdrückliche Genehmigung verkaufen oder beleihen. Der Frau wurde bei Kauf- oder Kreditgeschäften „ein Geschlechtsvormund beigestellt, der sie über ihre Rechte aufklärte und ihrem Willen dann auch formal Gültigkeit verlieh.“107 Grundsätzlich galt die Frau als handlungsfähige Person, die ihre Entscheidungen aus freiem Willen fällte. Sie konnte daher auch ihren Beistand frei wählen. Mit dem Aufschwung des Grundstücks- und Kreditmarkts im 18. Jahrhundert kam es in dem von Sabean untersuchten Dorf Neckarhausen auch zu einer Zunahme von Rechtsgeschäften, für die ein Vormund bestellt wurde.108 105 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 2.2.1775, fol. 7r–7v, 20.4.1775, fol. 23r–23v. 106 Sabean, Allianzen, S. 460. Frauen im lothringischen Steinbiedersdorf konnten wie in Emmendingen ihr Vermögen weitgehend selbst verwalten, wenn sie genügend soziales Kapital mitbrachten bzw. Witwe waren. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 32–33, 84. Vgl. auch Werkstetter, Witwen, S. 81–83. 107 Sabean, Allianzen, S. 461. 108 Sabean, Allianzen, S. 461, 463, 465–66, 477–478. Sabean, Property, Production, S. 26, 197, 214–222.
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Betrachtet man ausschließlich normative Quellen, erscheinen die Handlungsmöglichkeiten von Frauen außerhalb des Hauses auch in der Markgrafschaft Baden-Durlach begrenzt. Das 1710 publizierte badische Landrecht schränkte die Handlungsfreiheit von Frauen ein, um sie vor „leichtfertigen“ Geschäften zu bewahren, deren Folgen sie nach Meinung der – selbstverständlich männlichen – Verfasser nicht abschätzen konnten. Umfangreichere Geschäfte sollten Frauen nur mit Zustimmung eines männlichen Beistands tätigen, der entweder aus ihrer Familie kam (Vater, Ehemann) oder obrigkeitlich bestellt wurde. Unverheirateten Emmendinger Frauen wurde meist ein vom Stadtrat bestimmter Beistand beigeordnet. Das Landrecht enthielt jedoch kein explizites Verbot weiblicher Geschäftstätigkeit,109 und immer wieder handelten Frauen im Oberamt Hochberg ohne eigenen Vormund, kauften oder verkauften Grundstücke selbständig, nahmen auf eigene Rechnung Kredite auf oder übertrugen Teile ihres Besitzes vorab an ihre Nachkommen. Diese freie Besitzübertragung hatte durchaus Einfluss auf Sozialbeziehungen und den Charakter der Geschlechterrollen in der Stadt.110 Eine Reihe von neueren Studien hat gezeigt, dass in frühneuzeitlichen mitteleuropäischen Städten und Landgemeinden überaus aktive Kapital- und Grundstücksmärkte existierten.111 Auch Emmendingen und die benachbarten Orte des Oberamts Hochberg waren von einem dichten Netz von Kreditbeziehungen durchzogen, das alle sozialen Schichten sowie Angehörige religiöser Minderheiten wie die Juden und Täufer einschloss.112 Frauen spielten in diesen lokalen und überlokalen Kreditnetzen eine signifikante Rolle. Während durch Grundpfänder abgesicherte größere Darlehen fortlaufend protokolliert wurden, liefern Inventare, die bei Eheschließungen, Vermögensübergaben oder Erbschaften angefertigt wurden, punktuelle Einblicke in Schuldforderungen und Verbindlichkeiten, die aus Kleinkrediten, Warentransaktionen oder Arbeitsleistungen herrührten. Die serielle Auswertung dieser Quellen bestätigt, was bereits die exemplarischen Biographien im dritten Kapitel gezeigt haben. Frauen aus allen Schichten der Emmendinger Gesellschaft waren auf dem lokalen Kredit- und Grundstücksmarkt aktiv, und manche Frauen hatten Kreditbeziehungen, die über Emmendingen hinausreichten: in andere Gemeinden des Oberamts Hochberg, in benachbarte vorderösterreichische Gebiete und, im Falle von Handelsfrauen wie Christine Elisabeth Ottin und Maria Barbara Wildersinnin, in überregional bedeutende Handelszentren wie Frankfurt am Main und Leipzig. Aber selbst Mägde waren in regionale Kreditbeziehungen eingebunden. Im Jahre 1770 schuldete die Emmendingerin Anna Maria Scherbergerin der Baslerin Barbara Sainin fünf Gulden; das 109 Landrecht 1710, Vierter Teil, Titel 15, 16, 31. 110 In Hochberg zeigen sich damit ähnliche Praktiken wie im ländlichen Lothringen. Vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 32–34. 111 Vgl. exemplarisch Körner, Kreditformen. Pfister, Le petit crédit. Sabean, Property, Production, S. 355–370. Sczesny, Kontinuität, S. 295–327. Winnige, Aufschwung und Krise sowie die Beiträge in Schlumbohm, Soziale Praxis des Kredits. Enders weist für die Mark Brandenburg auf den hohen Anteil von Frauen unter den Darlehensgebern hin: Enders, Bürde und Würde, S. 135–138. 112 Schmölz-Häberlein, Zimmermann, S. 80–87. Schmölz-Häberlein, Täufer, Juden, S. 286–293.
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Darlehen hatte die Dienstmagd des Handelsmanns Johann Michael Vulpius namens Barbara vermittelt.113 Da Anna Maria Scherbergerin auch einem Fabrikanten Lindemann im Amt Rötteln und dem Lörracher Juden Laible kleinere Beträge schuldete,114 steht zu vermuten, dass sie vor ihrer Hochzeit mit dem Emmendinger Hutmacher Balthasar Frauenberger im Raum Lörrach-Basel als Dienstmagd arbeitete.115 Die Näherin Christina Stiefelin war 1784 in der Lage, dem Rebmann Jakob Rist ein Darlehen von 100 Gulden zu gewähren.116 Frauen aus Beamten-, Pfarrer- und reichen Bürgerfamilien hatten naturgemäß die größten Möglichkeiten zur Vergabe von Krediten – sowohl was deren Höhe als auch was deren geographische Reichweite anbelangt. Diese wohlhabenden Frauen vergaben sowohl an Gemeinden als auch an Einzelpersonen Darlehen. Maria Barbara Rabusin, die Ehefrau des Malterdinger Pfarrers Emanuel Eccard, hatte der Stadt im Jahre 1730 für den Rathausbau 300 Gulden geliehen.117 Die Witwe des Pfarrers Eisenlohr zu Tannenkirch hatte 1745 Zinsen aus einem Darlehen an die Stadt in Höhe von 300 Gulden zu fordern.118 Noch im Jahre 1769 tilgte die Stadt Emmendingen die Summe von 100 Gulden an diesem Kredit.119 Im folgenden Jahr löste sie bei derselben Pfarrerswitwe 400 Gulden aus einem anderen Darlehen ab und schuldete ihr danach nur noch 100 Gulden.120 Darlehen von Beamtenfrauen, -witwen und -töchtern an Privatpersonen finden sich immer wieder in den Quellen. Im Jahre 1741 hatte Anna Maria Heinzmannin, die Witwe des Burgvogts Engelhardt Sonntag dem Emmendinger Schuhmacher Johann Georg Schillinger 100 Gulden geliehen.121 Die zwanzigjährige ledige Tochter des Landschreibers August Menzer, Caroline Friederike Charlotte, gewährte 1747 Michael Hornecker ein Darlehen von 60 Gulden122 und verlieh vier Jahre später denselben Betrag an den Wagner Wolfgang Danzeisen.123 In beiden Fällen zog sie keinen Beistand hinzu. Sie heiratete 1754 den Forstverwalter August Pfeifer und verstarb zwei Jahre später im Alter von 29 Jahren bei der Geburt ihres ersten Kindes.124 Die Witwe des Burgvogts Obermüller zu Badenweiler 113 StadtA Emmendingen, B 1b/374. 114 StadtA Emmendingen, B 1b/374. 115 Zur wirtschaftlichen Bedeutung Basels für die südbadischen Oberämter Badenweiler und Rötteln vgl. Straub, Oberland, S. 38–40, 52–72. Auf das weiter nördlich gelegene Oberamt Hochberg dürfte der Einfluss Basels etwas geringer gewesen sein. 116 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 2.12.1784, fol. 148r–149r. 117 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1730. 118 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1745. Pfarrer Eisenlohr verstarb bereits am 13.10.1738: Jakob, Erbhuldigung, S. 17. 119 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. 120 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1770. 121 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 21.11.1741, fol. 140v–141r. Engelhard Sonntag heiratete 1706 in Denzlingen, die 1681 in Durlach geborene Anna Maria Heinzmannin, eine Tochter des 1706 verstorbenen Burgvogts auf der Hochburg Johann Jakob Heinzmann. Sonntag verstarb 1733, seine Witwe 1749 in Denzlingen. DGB 165, S. 395. 122 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 15.6.1747, fol. 17r. 123 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 22.4.1751, fol. 91v. 124 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen.
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stellte 1753 dem Emmendinger Messerschmied Andreas Osti 250 Gulden zur Verfügung.125 Zwei Jahre später musste Osti bei der Burgvogtei Hochberg die gleiche Summe aufnehmen, um die gekündigte Obligation ablösen zu können.126 Die Witwe des Landphysikus Christian Emanuel Hauber, Anna Rosina Zandtin, lieh 1758 Adam Berners Witwe Ursula Schmidin 50 Gulden.127 Der Kanzleibote Johann Georg Döbelin nahm 1760 bei Augusta Maria Deimlingin, der Witwe des Gundelfinger Pfarrers, 200 Gulden wegen Kapitalschulden und eines „Vieh Unglücks“ auf.128 Drei Jahre später war die Darlehenssumme um weitere 300 Gulden angewachsen. Als die Witwe Döbelin den Kredit aufkündigte, musste dieser sich bei dem Kaufmann Johann Heinrich Ott 500 Gulden zu dessen Ablösung leihen.129 Im Jahre 1773 lieh sich der Müller Johann Georg Wolf 200 Gulden von Anna Christina Gerbichin, der Witwe des Burgvogts Johann Martin Flach, die nach dem Tod ihres Mannes nach Pforzheim gezogen war.130 Die Witwe des Forstverwalters Ferdinand August Pfeiffer, Philippine Friederike Menzerin, lieh dem Tagelöhner Jonathan Benzinger 1776 150 Gulden.131 Anna Tramplerin, die Witwe des Pfarrers Mylius, übernahm 1781 eine Schuldverschreibung des Sattlers Johannes Grün bei ihrem Vater, dem Pfarrer von Ottoschwanden.132 1787 lieh sie dem Weber Jakob Haas 250 Gulden133 und 1797 Georg Groß 300 Gulden.134 Auch die in Durlach geborene Mutter der Brüder Eisenlohr, des Buchbinders Karl Christoph und des Stadtschreibers Karl Engelhard, verlieh seit den 1740er Jahren Geld an Einwohner des Oberamts Hochberg sowie an die Stadt Emmendingen. Sie verlegte erst Anfang der 1770er Jahre ihren Altersruhesitz nach Emmendingen und verstarb dort 1774. Doch bereits zu Beginn der Karriere ihrer Söhne in der Amtsstadt dürfte die Mutter auf das Wissen ihrer Söhne über die Liquidität der Einwohner Hochbergs zurückgegriffen haben, um ihr Geld sicher und gewinnbringend anzulegen.135 Auch die Frauen wohlhabender Emmendinger Bürger traten immer wieder mit größeren Darlehen in Erscheinung. Die Frau des Kaufmanns Johann Heinrich 125 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.8.1753, fol. 128v–129r. Die Obligation war am 27.7.1753 ausgestellt worden. 126 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 17.11.1755 fol. 46r–48r. C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 17.11.1755, fol. 243v–244r. 127 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1756–1758), 28.4.1758, fol. 209r–209v. 128 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 1760. 129 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 16.5.1763. 130 StadtA Emmendingen, B 1b/1494. 131 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 24.4.1776, fol. 338r–339v. 132 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 22.11.1781, fol. 78r–79r 133 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 22.1.1787, fol. 189r. 134 GA Eichstetten, C/VI/4 Pfandbuch 3 (1790–1811), 25.4.1797, fol. 79v–80r. 135 OSB Müllheim, Nr. 2727. DGB 101, S. 101. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1745, 1769. C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754. Genealogie Emmendingen. Für Koblenz stellt François fest, dass die Mehrzahl der registrierten Kredite von Beamten vergeben wurde. Leider gibt er keine Hinweise auf die Aktivität der Frauen auf dem Koblenzer Kreditmarkt. François, Koblenz, S. 95.
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Ott, die Frankfurter Bürgerstochter Christina Mergenbaumin, lieh dem Eichstetter Matthias Bühler 1777 den Betrag von 150 Gulden. Ihr stand bei der Transaktion kein Beistand zur Seite.136 Die 19jährige und noch ledige Christine Eleonore Schöchlinin, eine Tochter des verstorbenen Blumenwirts und Drehers Wilhelm Friedrich Schöchlin, vergab 1778 ein Darlehen über 100 Gulden an Johannes Weiß.137 Eva Schoorin, die Tochter eines Wirts und Ehefrau des Weißgerbers Matthias Kromer, verlieh 1790 die Summe von 400 Gulden an Hans Georg Danzeisen.138 Ein gutes Beispiel für die Aktivitäten von Frauen auf dem Kapital- und Grundstücksmarkt ist die aus Niederemmendingen stammende Sybilla Hodelin, die 1738 den verwitweten Bürgermeister, Posthalter und Kronenwirt Johann Christian Sander heiratete und nach acht Ehejahren Witwe wurde. Ihrem Ehevertrag zufolge standen ihr nach dem Tod ihres Mannes ein Drittel des Zugewinns während der Ehe, mindestens jedoch 700 Gulden, und ein lebenslängliches Wohnrecht in Sanders Haus zu. Ferner hatte sie Nutzungsrechte an drei Mannshauet Garten, zehn Mannshauet Acker und eineinhalb Mannshauet Wiesen.139 Von ihren drei Kindern mit Sander wurde nur eines erwachsen. Sybilla Hodelin heiratete nicht wieder; 1753 wurde sie „von der Fron befreit“.140 Einen wesentlichen Bestandteil ihres Einkommens bildeten offenbar die Zinsen aus Krediten, die die vermögende Witwe vergab. Susanna Katharina Heinrichin, der Ehefrau des Hintersassen Johann Friedrich Kiefer, streckte sie im Jahre 1748 100 Gulden und 1752 nochmals denselben Betrag vor.141 Der Metzger und Adlerwirt Johann Wilhelm Legler lieh sich von ihr im Jahre 1752 einen Betrag von 250 Gulden,142 der Metzger und Rebstockwirt Otto Ludwig Hartmann nahm bei ihr im gleichen Jahr gleich 1000 Gulden,143 der Metzger, Wirt und Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann 300 Gulden144 sowie die Metzger Johannes Frei und Hans Georg Kromer gemeinsam 100 Gulden auf.145 Allein im Jahre 1752 verlieh Sybilla Hodelin insgesamt 1750 Gulden mit fünfprozentiger Verzinsung gegen Absicherung durch Pfandverschreibungen. Die meisten Kredite vergab sie an die Metzger und Wirte der Stadt, Personen, von deren hoher Liquidität sie ausgehen konnte. Daneben war sie auf dem Gütermarkt aktiv. Im Jahre 1748 tauschte sie mit dem herrschaftlichen Einnehmer Johann Adam Fischer zwei Mannshauet Acker136 137 138 139 140 141 142 143 144 145
GA Eichstetten, Pfandbuch 2 (1774–1790), 10.5.1777, fol. 50r–50v. GA Eichstetten, Pfandbuch 2 (1774–1790), 11.2.1778, fol. 59r–59v. GA Eichstetten, Pfandbuch 3 (1790–1811), 24.4.1790, fol. 8r–8v. GLA Karlsruhe, 198/442 (Ehevertrag Johann Christian Sander und Sybilla Hodel, 7.10.1738). StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 17.2.1753, fol. 112v. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 14.10.1748, fol. 262r–263r. C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 7.10.1752, fol. 92r–92v. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 11.9.1752, fol. 98v. C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 24.11.1752, fol. 21r–22r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 24.9.1752, fol. 95r. StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 24.11.1752, fol. 22v–23r. StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1750–1778), 2.12.1752, 23v–24v. C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 2.12.1752, fol. 100r–100v.
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feld im Niederemmendinger Bann gegen ein Stück Ackerland „am Breiten Weg“. Als Beistand bei diesem Geschäft fungierte Johann Schöchlin.146 Ein Jahr später erwarb Sybilla Hodelin von dem Sulzburger Pfarrer Friedrich Joachim Kiefer für 40 Gulden ein Mannshauet Ackerland, das dieser namens seiner Tochter Christina Elisabeth verkaufte.147 Im Jahre 1751 kaufte sie dem Einnehmer Fischer aus dem Besitz von dessen Ehefrau Maria Christina Sanderin für 101 Gulden fünf Mannshauet Ackerfeld „auf der Burg“ ab.148 Von einem Bruder der Verkäuferin, Johann Christian Sander, erwarb Sybilla Hodelin 1759 sechs Mannshauet Ackerland „in der unteren Breite“, sechs Mannshauet „im Bubental“ und weitere vier Mannshauet Ackerfeld für insgesamt 330 Gulden.149 Nur für das Jahr 1750 ist ein Grundstücksverkauf belegt: damals veräußerte sie drei Mannshauet Ackerland für 40 Gulden an den älteren Jakob Hodel in Niederemmendingen, eventuell ein Verwandter.150 Die erworbenen Güter wurden wahrscheinlich verpachtet; die Pachteinnahmen sicherten ihr zusammen mit den Darlehenszinsen ein geregeltes Einkommen und mehrten das Erbe ihrer einzigen überlebenden Tochter. Außerdem scheint sie mit Wein gehandelt zu haben, denn Johann Friedrich Gottfried Schöchlin schuldete ihr bei seinem Tod im Jahre 1756 noch zwei Gulden 30 Kreuzer für eine Weinlieferung.151 Auf jeden Fall handelte sie geschäftlich sehr umsichtig und war gut über die Liquidität ihrer Schuldner informiert. Als Matthias Öttlin sie 1746 um einen Kredit bat, war bereits bekannt, dass er sich am Rande des Bankrotts bewegte. Daher lieh sie ihm die Summe von 30 Gulden nur gegen ein Faustpfand.152 Der Bäcker Johann Bernhard Heß lieh sich sowohl größere Summen bei den Ehefrauen bzw. Witwen von Beamten und wohlhabenden Bürgern – 1747 beispielsweise war er der Witwe des Dr. Michael Brodhag, Katharina Barbara Glaserin, 131 Gulden schuldig – als auch kleinere Summen von Frauen aus umliegenden Dörfern. Von Susanna Magdalena Heßin aus dem Nachbardorf Sexau hatte er sich kurz vor seinem Tod 1749 17 Gulden geliehen, von denen er binnen kurzer Zeit bereits drei Gulden zurückgezahlt hatte.153 Die jüdische Minderheit war sowohl in innerjüdische Kreditnetze eingebunden als auch in Kreditbeziehungen mit christlichen Nachbarn.154 Als sich Wolf Isaak Wertheimer, ein Schutzjude aus Opfingen, und seine Ehefrau Rebekka Riffgen Weilin 1782 in Emmendingen niederließen, wurde im Ratsprotokoll vermerkt, dass Rebekkas Mutter Bräunle aus Kippenheim ihr noch 100 Gulden an Mitgift schuldete. Bräunle wollte ihre Tochter bezahlen, sobald sie ihre Schuld146 147 148 149 150 151 152 153 154
StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 14.10.1748, fol. 262r–263r. StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 11.7.1749. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.6.1751, fol. 43r–43v. StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 28.7.1759. StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754, 28.9.1750. StadtA Emmendingen, B 1b/1201. StadtA Emmendingen, B 1b/936. StadtA Emmendingen, B 1b/411. Vgl. zu jüdischen Kreditnetzen vor allem Ullmann, Nachbarschaft, S. 290–311; Rauscher, Langenlois, S. 93–97.
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forderungen in der Herrschaft Mahlberg eingetrieben hatte.155 Das Geld der Kinder Judith und Moses Weil wurde durch deren Pfleger Samuel Weil aus Niederemmendingen und Baruch Schwab über das Oberamt gerichtlich abgesichert. Dabei wurde festgestellt, dass der Judenschulz Jonas Weil der Pflegschaft ein Kapital von 281 Gulden 31 Kreuzer sowie die Zinsen in Höhe von 29 Gulden acht Kreuzer für zwei Jahre schuldete. Model Weil hatte 165 Gulden 15 Kreuzer, Selig Samuel fast 200 Gulden und der Niederemmendinger Pfleger Samuel Weil fast 576 Gulden Verpflichtungen in die Pflegschaft zu zahlen.156 Ein Jahr später nahmen Samuel Weil und seine Frau Sara Dreifußin aus eben dieser Pflegschaft die Summe von 400 Gulden auf. Mittlerweile war auch die Frage der Absicherung geklärt worden, denn sie sicherten den Kredit mit ihrem ganzen Hab und Gut, das ein Haus samt Hof und vier Mannshauet Acker umfasste.157 Eine Kreditaufnahme Jonas Weils bei den Erben Jakob Weils kam hingegen im Jahre 1783 nicht zustande, weil seine Ehefrau Madlen der grundpfandlichen Absicherung des Darlehens mit ihrem Vermögen nicht zustimmte.158 Da die jüdischen Einwohner nur in Ausnahmefällen in Grundbesitz investieren konnten, war ihre Möglichkeit, Vermögen sicher anzulegen, stark eingeschränkt.159 Als Darlehensgeber christlicher Bewohner der Stadt und des Oberamts spielten Juden keine große Rolle. Als der Rotgerber Wilhelm Friedrich Gmehlin und seine Frau im Jahre 1739 300 Gulden von Henriette Eberhardina Großin aufnahmen, begründeten sie zwar ihren Kreditbedarf damit, dass sie „sonderlich einigen Juden um ein nahmhafftes verhaftet seyen“ und diese Schulden nun tilgen wollten, um „aus dem Judenzinß zu kommen“.160 Nachweisbar ist allerdings nur, dass Gmehlin dem Eichstetter Juden Daniel Heilbronner 25 Gulden und 51 Kreuzer für Felle schuldete und diesen Betrag bis Martini 1739 zurückzahlte.161 Eva Weilin, die Ehefrau des Judenschultheißen Jonas Weil, hatte 1754 von Johann Wilhelm Legler 27 Gulden und 10 Kreuzer zu fordern. Aus welchem Geschäft diese Forderung herrührte, ist nicht bekannt.162 155 156 157 158 159
StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 12.3.1782, fol. 23r. GLA Karlsruhe, 229/74768, darin Supplik der Rosina Polack, Emmendingen, 31.8.1783. StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1776, 12.2.1784. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 26.2.1783, fol. 13r. Im Jahre 1785 verkaufte Model Weil dem Metzger Johann Karl Göring zweieinhalb Mannshauet Acker „am Kurzarm“ für 131 Gulden. Wie und wann Model Weil den Acker erworben hatte, kann nicht geklärt werden. Möglich wäre, dass das Grundstück der Sicherung eines Darlehens diente, das der Darlehensnehmer nicht zurückzahlen konnte. StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 1785. 160 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 3.1.1739, fol. 70r–70v. 161 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 7.8.1739, fol. 90r. 162 StadtA Emmendingen, B 1b/823. In Berichten über „Übelhauser“ im Oberamt Hochberg gaben die Geschäftspraktiken der Juden selten Anlass zu Beschwerden. In Denzlingen wurden 1790 drei der insgesamt 28 „Übelhauser“ bezichtigt, „verderblichen Handel“ mit Juden getrieben zu haben. Im gleichen Jahr hatten angeblich drei der zwölf Teninger „Übelhauser“ allzu häufige und unbedachte Handelsbeziehungen mit Juden. Holenstein, Gute Policey II, S. 704. In früheren Berichten wurde die Kreditvergabe von Juden in diesem Kontext nicht thematisiert. Ebd., S. 703–704.
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Am Beispiel der Sybilla Hodelin wurden bereits die Aktivitäten von Frauen auf dem Grundstücksmarkt thematisiert. Sehr aktiv war in diesem Bereich auch die Eichstetter Bürgerstochter Anna Ursula Kromerin, die 1740 im Alter von 17 Jahren den Emmendinger Sattler und Sonnenwirt Friedrich Hartmann heiratete und mit ihm zwei Kinder hatte. Nach dem Tod ihres ersten Mannes im Jahre 1753, der beträchtliche Schulden hinterließ, heiratete Anna Ursula im gleichen Jahr den aus Mengen zugewanderten Küfer Johannes Gimpel; sie starb aber bereits zwei Jahre später. Um die Schulden ihres ersten Mannes zu tilgen, schichtete sie ihr Vermögen um. Im Jahre 1753 verkaufte sie eine ganze Reihe von Güterstücken in ihrem Geburtsort Eichstetten: mehrere Parzellen für 434 Gulden an ihren Bruder Matthias, mehrere Acker- und Wiesenstücke für 181 Gulden an ihren Bruder Jakob sowie einzelne Äcker und Wiesen an Martin Bockstaller, Jakob Klein, den Küfer Jakob Bär und den Schuhmacher Johannes Danzeisen.163 Einen Teil des Erlöses, der sich auf insgesamt 875 Gulden belief, investierte Anna Ursula Kromerin ein Jahr später in Emmendingen, wo sie von Friedrich August Menzers Erben neuneinhalb Mannshauet „im Gottesackerfeld“ für 443 Gulden 30 Kreuzer erwarb.164 Alle Grundstücksgeschäfte tätigte sie ohne Hinzuziehung eines Beistands. Anna Ursula Kromerin war kein singulärer Fall: Immer wieder kauften und verkauften Emmendingerinnen und andere Frauen des Oberamts Grundbesitz, ohne dass ein Beistand zugegen war. Maria Christina Knodererin, die Witwe Georg Friedrich Bachers, veräußerte 1760 ohne Beistand ein Juchert Wiesen „im Wiedengarten“ für 200 Gulden zur Begleichung von Erbschulden.165 Die Eichstetter „Bürgerin“ Susanna Dreherin erwarb drei Jahre später von dem Emmendinger Johann Georg Dreher zwei Mannshauet Acker „im Langental“ für 200 Gulden.166 Karoline Wilhelmine Hölzlein trat 1771 ein Wiesenstück „in den Haslen“ für 155 Gulden an Jonathan Benzinger ab.167 Selbst die wegen Diebstahls verurteilte Magdalena Mellertin konnte 1767 ein kleines Grundstück für 31 Gulden an den Metzgermeister Jakob Frick verkaufen, ohne einen Beistand hinzuzuziehen, obwohl sie zum Zeitpunkt dieser Transaktion bereits in Pforzheim im Zuchthaus saß.168 Maria Salome Bickelin hingegen verkaufte 1717 mit Einverständnis ihrer Pfleger Christoph Wildersinn und Christoph Bürklin ein Acker- und ein Wiesenstück für 55 Gulden an ihren „geliebten Schwager“ Johann Jakob Rieflin.169 Maria Margaretha Schöpflinin veräußerte 1759 mit dem Beistand ihres Ehemannes Otto Ludwig Hartmann drei Mannshauet Acker „im Kalkofen“ an Wilhelm Ludwig Willius. Die Bezahlung erfolgte teils in Naturalien – Heu, Stroh und ein fettes Schwein – und teils in bar.170 163 164 165 166 167 168 169 170
GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 15.8.1753, fol. 113v–115r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 7.1.1754, fol. 178v–179r. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 10.11.1760, fol. 148r–148v. GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1763–1765), 25.2.1763, fol. 48r–48v. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 13.6.1771, fol. 148v. StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 8.10.1767, fol. 225v. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 2.9.1717, fol. 211v–212r. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 7.5.1759, fol. 68v–69r.
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Größere Besitzumschichtungen fanden meist im Kontext von Eheschließungen oder nach dem Ableben eines Ehepartners statt. Nach dem Tod des Bürgermeisters Johann Göring im Jahre 1726 strukturierte dessen Witwe Barbara Henningerin einen Teil des Grundbesitzes um. Noch im Todesjahr ihres Mannes verkaufte sie in Anwesenheit ihres „erbetenen Beistand(s)“ Johann Michael Erler, der auch als Pfleger ihrer Kinder fungierte, ein Wiesenstück vor dem Niederemmendinger Tor für 200 Gulden an Johann Georg Steinhilber.171 Im folgenden Jahr nahm sie einen Gütertausch mit Johann Georg Knoderer vor. Für einen halben Juchert Ackerfeld „beim Ziegelhof“ und eineinhalb Juchert Wiesen „auf dem Lausbühl“ erhielt sie ein Gartenstück im Niederemmendinger Bann, 100 Gulden und zwei Gulden Trinkgeld.172 Durch diesen Tausch konnte sie ihren Besitz zusammenlegen und Geld für Investitionen bzw. zur Schuldentilgung freisetzen. Im Jahre 1736 heiratete Barbara Christian Enderlinin und zog zu ihm nach Köndringen.173 Im folgenden Jahr nahm sie bei der Geistlichen Verwaltung ein Darlehen über 20 Gulden auf.174 In den Jahren 1739 und 1744 übergab sie Teile ihres Besitzes an ihre Kinder.175 1747 trat sie als Darlehensgeberin des Eichstetters Franz Henninger, der vermutlich ein naher Verwandter war, in Erscheinung; der Kredit über 100 Gulden wurde durch ein Grundpfand abgesichert.176 Im Jahre 1750 schließlich heiratete Barbara Henningerin den verwitweten Bäcker Bernhard Klingenfuß und kehrte nach Emmendingen zurück.177 Als die Witwe des Eichstetter Vogtes Kaspar Trautwein, Anna Katharina Stuckin, 1747 den verwitweten Emmendinger Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann heiratete, brachten beide Ehepartner ein großes Vermögen und eigene Kinder in die Verbindung ein. Im Jahr der Eheschließung supplizierte die 41-jährige Anna Maria an den Stadtrat, dass sie nicht in das Emmendinger Bürgerrecht eintreten wolle, da sie nach dem Tod ihres Mannes wieder nach Eichstetten zu ziehen beabsichtige und darum ihr dortiges Bürgerrecht nicht aufgeben wolle.178 Im folgenden Jahr erläuterte ihr Mann vor dem Rat, dass seine Frau lediglich die Aufnahme in den Status einer Hintersassin wünsche. Der Rat erklärte daraufhin: „Man wisse deßen hier kein Exempel und komme mit der ordentlichen Regel nicht überein; Sondern seye was außerordentliches, dass ein Man das bürgerrecht haben, seine Frau aber nur hintersäßin seyn solle.“ Man einigte sich schließlich dahingehend, dass der Bitte entsprochen werden solle, falls auch die 171 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 4.4.1726, fol. 191–192r. 172 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.7.1727, fol. 241v–242r. 173 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 19.8.1737, fol. 47v. 19.1.1739, fol. 74r. GLA Karlsruhe, 198/360 (Ehevertrag Johann Karl Göring und Maria Barbara Rauch, 25.4.1738). Genealogie Emmendingen. 174 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 19.8.1737, fol. 47v. 175 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 19.1.1739, fol. 74r. Ein ähnlicher Fall bei Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 103. 176 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 2.1.1747, fol. 9r. 177 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 178 GLA Karlsruhe, 198/4. Zu Zimmermann und seiner Familie vgl. ausführlich SchmölzHäberlein, Zimmermann.
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Landesherrschaft zustimme. Zimmermann habe jedoch „zu bedencken, dass solchenfalls, wegen der frauen Leibeigenschafft, ihr miteinander erzeugten Kinder, derselben auch unterworfen seyn würden.“179 Katharina Stuckins anhaltende Bindung an Eichstetten zeigt sich auch darin, dass sie zur Entbindung ihres ersten Kindes aus der Ehe mit Johann Wilhelm Zimmermann an ihren früheren Wohnort zurückkehrte.180 Zimmermanns Wahl in den Stadtrat im Jahre 1749 lässt vermuten, dass der Konflikt um das Bürgerrecht seiner Frau bald beigelegt wurde. Allein ihr Ansinnen zeugt allerdings von beträchtlichem Selbstbewusstsein, das sicherlich auch von ihrer herausgehobenen sozialen Stellung als reiche Witwe eines Vogts herrührte.181 Bereits vor ihrer Heirat mit Johann Wilhelm Zimmermann hatte Anna Katharina Stuckin eigene Kreditgeschäfte getätigt. So lieh sie 1745 Jakob Brandenberger dem Jungen 120 Gulden182 und 1747 Matthias Hättich 300 Gulden.183 Während ihrer 35-jährigen Ehe tätigte Johann Wilhelm Zimmermann in ihrem Auftrag eine Reihe von Käufen, Verkäufen und Kreditvergaben. So verkaufte Zimmermann 1760 vier Mannshauet Wiesen für 492 Gulden an seinen Stiefsohn Georg Jakob Trautwein184 und ein Jahrzehnt später „der Frauen eigentümliche Behausung“, den dazugehörigen Hof mit Scheuer und Stallung sowie einen Garten für 2870 Gulden an deren Stiefsohn Kaspar Trautwein.185 Da die Eheleute Zimmermann bei ihren Geld- und Grundstücksgeschäften eng zusammenarbeiteten und ihre jeweiligen Stiefkinder sowie ihre gemeinsamen Kinder als gleichberechtigt behandelten, lässt das nach Anna Katharinas Tod angefertigte Nachlassinventar keine klare Trennung des Geld- und Liegenschaftsvermögens mehr erkennen.186 Auch andere Frauen, die von außen zugezogen waren, veräußerten Grundstücke in ihren Heimatorten, um das Kapital an ihren neuen Wohnort transferieren zu können. 1787 erhielten der Denzlinger Schulmeister Johann Giehne, seine dritte Ehefrau Maria Elisabeth Sanderin und ihre Kinder das Emmendinger Bürgerrecht, da Maria Elisabeth sich dort nach dem Tod ihres Mannes niederlassen wollte.187 Zehn Jahre später verkaufte die mittlerweile verwitwete Maria Elisabeth ihren Denzlinger Besitz für insgesamt 1355 Gulden an Christian und Marttin Nübling, Matthias Schuhmacher und Kaspar Nägele. Als Beistand fungierte der Präzeptor Christian Ortmann, der wie ihr verstorbener Mann aus Sachsen stammte.188 Acht 179 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.8.1748, fol. 256v–257r. GLA Karlsruhe, 198/4, Nr. 51, 52. 180 StadtA Emmendingen, B 1b/1535. Genealogie Emmendingen. Korrespondenz mit Kurt Heinzmann/Freiburg-Tiengen. 181 Zum Selbstbewußtsein bei Witwen vgl. Ingendahl, Witwen, S. 35–36. 182 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1730–1746), 1.4.1745, fol. 157r. 183 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1746–1756), 25.1.747, fol. 9v. 184 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1758–1765), 21.8.1760, fol. 285r–285v. 185 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1765–1771), 2.4.1770, fol. 451r–451v. 186 Vgl. ausführlich Schmölz-Häberlein, Zimmermann. 187 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 10.1.1788, fol. 2r–2v. C/IX Stadtrechnung 1787. 188 GA Denzlingen, 1 B-105 (1795–1804), 10.11.1797, fol. 23r–25v.
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Jahre nach ihrer Eheschließung im Jahre 1772 ließ die aus Eichstetten stammende Christina Trautweinin, eine Stiefenkelin der zweiten Frau Johann Wilhelm Zimmermanns, durch ihren Gatten, den Emmendinger Rebstockwirt Johann Friedrich Hartmann, verschiedene Güterstücke in ihrem Heimatort verkaufen und den Erlös in Höhe von annähernd 2500 Gulden in die Amtsstadt transferieren.189 Der Verkauf der Güter finanzierte die bereits in ihrer Heiratsabrede von 1771 vereinbarte und an Weihnachten 1779 erfolgte Übernahme des Wirtshauses ihrer Schwiegereltern durch ihren Ehemann, für die 3000 Gulden zu entrichten waren.190 Neben Darlehensgeschäften zeigen auch die Testamente Emmendinger Frauen, dass diese selbständig über ihr Vermögen verfügten.191 Eva Regina Erlerin, von der unten noch ausführlicher die Rede sein wird, setzte in ihrem 1777 verfassten letzten Willen ihre beiden Kinder Johann Friedrich und Susanna Gmehlinin als Universalerben ein. Für die Pflege der Mutter erhielt die Tochter die bereits 1765 vereinbarte Summe von 26 Gulden jährlich bestätigt. Diesen Betrag sowie den Hauszins von sieben Gulden im Jahr hatte ihr Bruder der Mutter in Form einer Leibrente zu zahlen. Diese Zahlungen sowie ein Prälegat in Form von Ackerstücken im Wert von 175 Gulden sollten der Tochter bei der Erbteilung nicht angerechnet werden. Johann Friedrich Gmehlin sollte nach ihrem Ableben ein Teil seiner Schulden in Höhe von 100 Gulden erlassen werden. Sollte er sich der Verfügung seiner Mutter widersetzen, hatte er sich mit einem Pflichtteil abzufinden. Diese Pflichtteilsregelung sollte nicht nur auf das Erbe, sondern rückwirkend auch auf die bereits 1766 übergebenen Teile des Vermögens angewandt werden.192 Von Anna Elisabeth Frickin sind gleich zwei Testamente aus dem Jahre 1780 erhalten, die im Abstand von vier Monaten entstanden. In ihrem ersten Testament, das im Februar verfasst wurde, setzte die kinderlose Frau ihren Ehemann Jakob Reinhard „in betracht der von ihm genossenen Liebe und treu“ als Universalerben ein. Ihre Geschwister sowie ihre Neffen und Nichten bedachte sie mit Legaten in einer Gesamthöhe von 150 Gulden. Im Juli desselben Jahres strich Anna Elisabeth Frickin die Legate für ihre Verwandten und bedachte nun ausschließlich ihren Ehemann. Die Erblasserin begründete ihre Entscheidung damit, dass „gegen ihre Vermuthung ihr schmerzhafftes Krankenlager bis hieher angedauert, welches nicht nur viele Kosten verursachet, sondern besonders ihrem Ehemann viele beschwerlichkeit und Mühe zugezogen, wesfalls er gleich wohl ohnverdroßen sich bishero gegen Ihr erzeuget, sie auch nie zu zweifeln hätte, dass er bis ihr Lebens 189 GA Eichstetten, C/IV/1 Gerichtsprotokoll (1779–1788), 20.1.1780, fol. 24r–26r. 190 StadtA Emmendingen, B 1a/12, 542. GLA Karlsruhe, 198/371 (Eheabrede Johann Friedrich Hartmann und Christina Trautwein, Tochter des Rotgerbers Alexander Trautwein, 15.2.1771). Geschäfte außerhalb der Stadt können hier nur aufgrund von Angaben in den Inventaren sowie aufgrund der Auswertung einiger Gemeindearchive in der Umgebung von Emmendingen dokumentiert werden. Das Problem der Erfassung von auswärtigem Liegenschaftsbesitz thematisiert auch Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 109. 191 Vgl. Wunder, Vermögen und Vermächtnis, S. 227–240. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 60–61. Werkstetter, Witwen, S. 85–86. Sczesny, Kontinuität, S. 267–292. Zum Konfliktpotential bei Erbteilungen Sabean, Junge Immen. 192 StadtA Emmendingen, B 1b/443, Testament vom 20.7.1777.
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Ende ihro ferner alle nöthige Hülfe und beystand leisten und andere eheliche Treue nicht verwinden lassen.“ Sechs Wochen nach Abfassung dieses letzten Willens starb sie im Alter von 64 Jahren. Ihr Mann heiratete sechs Monate später erneut.193 Die Wirtin und Metzgerwitwe Maria Sophia Leglerin setzte in ihrem Testament vom April 1787 ihre noch lebenden Kinder aus erster und zweiter Ehe sowie die drei Kinder einer verstorbenen Tochter aus zweiter Ehe als Erben ein, traf jedoch Vorkehrungen, den Mann der verstorbenen Tochter vom Erbe seiner Kinder auszuschließen. Der Erbteil ihrer Enkel sollte nach dem Tod der Erblasserin von einem Pfleger verwaltet werden, der die Erträge gewinnbringend anlegen sollte, bis die Kinder alt genug waren, ihr Erbe selbst anzutreten. Sollte eines der Enkelkinder ohne eigene Leibeserben sterben, fiel dessen gesamter Erbteil an seine Geschwister. Ihr Schwiegersohn, der Handelsmann Johann Wilhelm Maler, erhielt nur den gesetzlichen Pflichtteil und blieb „von aller derselbigen Erbschaft vor immerhin ausgeschlossen“.194 Nach dem Tod der Maria Sophia Leglerin im Jahre 1794 erhob ihr Schwiegersohn Einspruch gegen das Testament, doch die eingeholten Rechtsgutachten bestätigten die Verfügungsgewalt der Erblasserin über ihren Nachlass.195
3. GESCHLECHT UND GESCHÄFTLICHES SCHEITERN Wie bereits erwähnt, dienten die ehegüterrechtlichen Bestimmungen in den badischen Landesordnungen nicht zuletzt dem Schutz des Vermögens der Frauen vor der Veräußerung durch Ehemänner, die sich als schlechte Haushalter und Verschwender erwiesen. Demnach durften Frauen nur dann ihre Güter selbständig verkaufen, wenn dies zu ihrem eigenen Nutzen bzw. zu dem ihrer Kinder geschah und sie nicht vom Ehemann dazu gedrängt worden waren.196 Oberamtmann Jo193 StadtA Emmendingen, B 1b/993, Testamente vom 29.2.1780 und 4.7.1780. Genealogie Emmendingen. Wann der Glaser Reinhard heiratete, ist aus den Emmendinger Quellen nicht zu erschließen. Beide Ehepartner waren aus dem Umland in die Stadt gezogen. Da Reinhard im Juni 1759 als Glasermeister in Köndringen eingeschrieben wurde, wird die Eheschließung wohl um diesen Zeitpunkt stattgefunden haben. StadtA Emmendingen, B V/V, Fasz. 2. 194 StadtA Emmendingen, B 1b/985, Testament vom 4.4.1787. 195 StadtA Emmendingen, B 1b/985, Einspruch des Handelsmanns Maler vom 15.5.1794. 196 Landrecht 1710 Vierter Teil, Titel 31: „Es solle kein Weib für ihren Ehemann/ auß seinem oder anderer Leuth Geheiß und Antreiben/ weder umb schuld/ noch einiges andern getroffenen Contracts willen/ sich verschreiben/ verpflichten oder verbinden/ da auch gleich solches wieder diß Unser Verbott beschehe/ doch eine solche Obligation den Schuldherrn nicht fürträglich seyn/ er könne dann glaubwürdig beweisen/ dass durch solchen Contract, umb des willen sie sich verbunden/ ihr oder ihrer Kinder scheinbaren Nutz befürdert/ oder das fürgestreckte Geld/ zur Abtreibung ihres eigenen Schadens verwendet worden. Gestalten sie dann auch ihres Mannes Schulden/ die Er von ihrentwegen gemacht/ als da er Sie wann stattlich kleiden/ oder sie sonsten in Essen/ Trincken und andern reichlicher/ als ihrem Stand und Vermögen nach sich gebühret/ halten müssen/ und sich als hiemit in Schulden gesteckt/ auch dieses bekantlich wäre/ soll bezahlen helfen/ unangesehen sonst die Weiber vor ihrer Männer
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hann Georg Schlosser hielt die landesherrlichen Beamten 1775 nochmals nachdrücklich dazu an, genau darauf zu achten, „daß die Versetzung des Schuldners wahres Eigenthum sein möge, damit nicht der Mann seiner Frauen liegenschaften verseze, es seie denn, daß sie und ihr expresse gerichtl(ich) Bestellter beistand mit einander darein willigten; auch daß der Vater oder die Mutter der Kinder anerstorbenes Guth nicht verpfände(n).“197 Von besonderer Relevanz waren diese Bestimmungen, wenn der männliche Haushaltsvorstand sich überschuldete und in Konkurs ging. In diesem Fall sollten die Schulden dem Landrecht zufolge von der „Substantz“ der Eheleute „dergestalten aufgerichtet und bezahlt werden/ dass zwey Theil solcher Schulden von deß Mannes= und ein dritter Theil von deß Weibes Haab und Gütern zunemmen/ sonsten aber ein Weib ein mehrers von dem ihren zu bezahlen nicht schuldig seyn/ es wäre dann/ dass beede Ehegemächt gemeine Kauffmannshändel/ Krämerey/ Würthschafft / oder andere dergleichen gemeine Gewerb und Handthierung mit einander getrieben.“198 Wenn die Frau also nicht am gemeinsamen Betrieb oder Handelsgeschäft beteiligt war, haftete sie lediglich für ein Drittel der Schulden. Dies bedeutete, dass das Heiratsgut der Frau im Falle eines Bankrotts des Ehemannes in der Regel von der Konkursmasse ausgenommen war und die Frau damit als eine bevorrechtigte Gläubigerin ihres Ehemannes behandelt wurde.199 Im Zubringensinventar der Jüdin Fradel Löb Dukas aus Sulzburg, die 1795 ein Heiratsgut von 1200 Gulden in die Ehe mit Jakob Moses Weil einbrachte, vermerkte der zuständige obrigkeitliche Beamte explizit, dass eine hypothekarische Absicherung des Heiratsguts durch den Ehemann „allerdings überflüssig“ sei, „bei einem Entstehenden Concurs die frau mit ihrem heurathsguth ohnediß einen der Hypothaten (sic!) weit vorgehenden Vorzug genieset“.200 Anders lagen die Verhältnisse, wenn die Frau explizit auf ihre „weiblichen Rechte“ bzw. „weiblichen Freiheiten“ verzichtet hatte, um einen dringend benö-
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Schulden nicht verbunden seind.“ Und unter Paragraph 1: „Wir ordnen auch weiter/ dass kein Weibsbild ihre liegenden Gütern zuverändern/ mit neuen Gülten/ Zinsen/ oder anderem zu beschweren/ oder einigen anderen Contract, ohne ihres Haußwirths/ wann sie einen hat/ Bewilligung/ vorzunehmen macht haben solle. Da auch bewiesen würde/ dass sie der Mann zu solcher Veränderung/ listiger gefährlicher weiß beredt/ soll alles/ was diß orths verhandelt/ wiederumb cassiert und auffgehabt/ auch ein solcher Mann/ nach Gelegenheit des Handels gestrafft werden.“ StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775, Eintrag vom 18.3.1775. Landrecht 1710, Sechster Teil, Titel 12. Landrecht 1710, Vierter Teil, Titel 22. Im lothringischen Steinbiedersdorf hingegen mussten Frauen mit ihrem Vermögen für die Schulden ihres Ehemannes haften. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 161. Immer wieder erließ die markgräfliche Regierung Verordnungen zu Gantverfahren und Fallimenten vgl. Maurer, Nr. Baden 862 (1.10.1718), 881 (8.5.1719), 918 (11.09.1720), 1020 (14.10.1723), 1113 (19.07.1727), 1132 (29.04.1728), 1464 (2.11.1741), 2088 (03.12.1763). StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 26.1.1795, fol. 351v; B 1b/1408. Fradel Löb war eine Nichte des Getschel Hirschel Weil aus Sulzburg, die in zweiter Ehe nach Emmendingen heiratete.
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tigten Kredit mit ihrem Heiratsgut abzusichern oder ihrer Familie aus einer schwierigen finanziellen Situation zu helfen.201 Im Falle eines Konkurses drohte der Frau dann ebenso wie ihrem Mann der Verlust ihres gesamten Vermögens.202 Die Jüdin Jentha Josepha Dreifußin203 hatte beispielsweise beim Abschluss eines Hypothekendarlehens auf ihre weiblichen Rechte verzichtet und haftete daher im Gantverfahren ihres zweiten Mannes mit ihrem gesamten Vermögen. Anna Frickin bürgte 1782 für ihren Ehemann, den Schmied Balhasar Adelguß, der bei dem Handelsmann Engelhard Eisenlohr 160 Gulden für den Kauf von Eisen aufgenommen hatte, „unter Entsagung der ihro Wohlerklärten weiblichen Rechte“.204 Im selben Jahr verzichtete auch die Ehefrau des Nagelschmieds Andreas Grafmüller auf ihre weiblichen Rechte, um Schulden bei dem Handelsmann Matthias Berblinger, die aus Eisenlieferungen herrührten, in Höhe von 44 Gulden 50 Kreuzer durch ihren Besitz abzusichern.205 Die Ehefrau Johann Freis verzichtete im folgenden Jahr auf ihre „weibl(ichen) Wohlthaten“, um ein Darlehen von 30 Gulden bei der Hochberger Schneiderzunft zur Bezahlung drängender Schulden abzusichern.206 In keinem dieser Fälle ging der Ehemann bankrott. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Verzichtserklärungen der Ehefrauen von zentraler Bedeutung waren, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken oder notwendige Investitionen zu ermöglichen. Frühneuzeitliche Obrigkeiten führten geschäftliches Scheitern und die Überschuldung von Familien häufig auf eine schlechte, unordentliche Haushaltsführung und eine verschwenderische Lebensweise zurück. Auch in der Markgrafschaft Baden-Durlach wurde ökonomisches Scheitern mit „Übelhausen“ in Verbindung gebracht und versucht, die „Übelhauser“ zu disziplinieren. Wenn sie ihr Verhalten nicht besserten, wurden schlechte Haushälter für mundtot erklärt, unter Vormundschaft gestellt und ihr Vermögen von Pflegern verwaltet. Wer mit einem schlechten Haushalter einen Vertrag abschloss, hatte dem Landrecht zufolge eine Strafe von zehn Gulden zu entrichten.207 201 Vgl. Ullmann, Simon und Merle, S. 276–277. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 92. Werkstetter, Witwen, S. 83–85. 1789 sah sich die Regierung erneut veranlasst, die Bürgschaftsleistung von Frauen zu regeln. Maurer, Nr. Baden 2877 (01.07.1789). 202 Vgl. Barth-Scalmani, Salzburger Handelsfrauen, S. 36–37, Zitat S. 37. 203 Vgl. zu ihrem Lebenslauf Kapitel III.8. 204 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 12.3.1782, fol. 20r–20v. 205 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 5.1.1782, fol. 1r–1v. 206 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 13.1.1783, fol. 104r–10 207 Landrecht 1710, Vierter Teil, Titel 32. „Ach deme unter allen Lastern auch fürnemblich dieses sehr gemein ist/ dass ihrer viel durch böses Haußhaltung/ mit überflüssigem Zechen und Bencketieren/ oder auff andere schädliche weiß/ das ihrige/ so sie von ihren lieben Eltern ererbt/ oder in andere Wege überkommen/ gantz üppiglich verthun und hindurch jagen / und also mit Veränderung bald dieses/ bald eines anderen Stucks ihres Guts sich selbsten und die ihrigen letztlich in äußertses Verderben und Armuth stürtzen / So wollen und befehlen Wir / dass zum Fall jemand ein Verschwender/ vermög Unserer Landsordnung (...) erkennt/ offentlich erklärt und seiner Güter=Verwaltung entsetzt/ und mit Vormündern versehen worden/ der soll nicht Macht haben für sich etwas zu handlen/ zu veräußern/ zu verkaufen/ zu vertauschen/ zu entlehnen/ oder mit anderen im wenigsten zu contrahieren/ dann diß alles/ was er
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Für wie wichtig die markgräfliche Obrigkeit dieses Thema erachtete, zeigt die Tatsache, dass im 18. Jahrhundert nicht weniger als 31 Verordnungen zu Bankrotteuren und Vergantungen sowie neun zur Disziplinierung von „Übelhausern“ ergingen.208 Seit Mitte des Jahrhunderts forderte der Karlsruher Hofrat über die Oberämter jährlich Listen der „Übelhauser“ an. Diese sollten Informationen zu Wohnort, Name, Alter, Beruf und Anzahl der Kinder sowie zu den Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten enthalten. Die Vermögensverhältnisse von Bankrotteuren sollten genau untersucht und ihr Besitz inventarisiert werden. Außerdem sollten die schlechten Haushalter öffentlich in der Gemeinde bekannt gemacht werden.209 Die „General-Synodalverordnung“ von 1756 legte fest, dass im Falle von Bankrotteuren, „welche durch Bosheit oder durch merkliche Schuld in Abgang ihrer Nahrung gekommen sind“, die Untersuchungsprotokolle an den Hofrat zu übersenden seien.210 In Emmendingen wurden die „Übelhauser“ seit 1778 auf Veranlassung des Oberamtmanns Schlosser nicht mehr wie bis dahin üblich am Rathaus per Anschlag bekannt gegeben, sondern öffentlich ausgeschellt.211 Drei Jahre später wurden alle Wirte des Oberamts angewiesen, dem Bannwart Christian Schöchlin keinen Wein mehr auszuschenken, da dieser „bei seiner großen Dürftigkeit und ohnerachtet er schon mehr malen eingesteckt worden, die Frequentierung der Würthshäuser und besonders der auswärtigen dennoch fortsetze.“212 In jedem Fall bedeutete die Überschuldung eines Haushalts bzw. der Bankrott eines Handwerksbetriebs oder Handelsunternehmens eine schwerwiegende Belastung für die sozialen Beziehungen innerhalb der Gemeinde: Gläubiger mussten befürchten, dass ihre Forderungen nicht mehr erfüllt wurden, Haushaltsvorstände sahen ihre Verfügungsgewalt über das Familienvermögen durch die Einsetzung von Pflegern eingeschränkt, und nicht zuletzt sahen sich Frauen mit der Herausforderung konfrontiert, durch ihr Vermögen das wirtschaftliche Überleben eines vom Konkurs bedrohten Haushalts zu sichern. Die im Folgenden vorgestellten Gantverfahren zeigen, wie in der Oberamtsstadt Emmendingen im 18. Jahrhundert mit diesen Problemen umgegangen wurde. Im Jahre 1723 wurde der Schneider Matthias Berblinger, dessen Frau im Jahr zuvor gestorben war, vergantet. Dabei kam Berblinger aus einer Familie, die in der Markgrafschaft Baden-Durlach schon lange etabliert und angesehen war: Er
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ohne Vorwissen und Zuthun seiner verordneten Curatorn vornimmt/ vor krafftlos und unbindig/ in und außerhalb Rechtens/ gehalten werden.“ Holenstein, Gute Policey I, S. 164, 177, 225. GLA Kalrsruhe, 115/397. Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 264, besonders Anm. 63. Maurer, Baden Nr. 1676 (02.01.1751). Die Liste im GLA wurde ausgewertet bei Klugermann, „Übelhauser“. General=Synodal=verordnung in der hochfürstlichen Markgravlich=Baden=Durlachischen Landen, Carlsruhe 1756. StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 10, Art. 8, S. 6. StadtA Emmendingen, C/VIII/13 (Ratsprotokoll 1778), 11.11.1778, fol. 46r–46v. StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 17.5.1781, fol. 14r. Zur Problematik der Verschuldung infolge von Alkoholismus vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 74–81, besonders S. 77.
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war der Sohn des Sexauer Vogtes Hans Ernst Jakob Berblinger und ein Enkel des Schopfheimer Pfarrers und Superintendenten des Amts Rötteln, Matthias Konrad Berblinger.213 1709 war Matthias Berblinger in das Emmendinger Bürgerrecht aufgenommen worden.214 Zwei Jahre später heiratete er die bereits im vierten Monat schwangere 18-jährige Kunigunde Margarete Knodererin, eine Tochter des Bugginger Pfarrers. In den elf Jahren ihrer Ehe schenkte sie sechs Kindern das Leben, von denen zwei erwachsen wurden. Anlässlich von Berblingers zweiter Eheschließung mit der aus Sundhausen stammenden Katharina Barbara Kaisingerin im September 1723 erfolgte eine Vermögensuntersuchung, bei der festgestellt wurde, dass er „eine schlechte Haushaltung geführet“ habe und mit „Schulden überhauffet“ sei. Für seine erste Ehe wurde ein Vermögensverlust von 229 Gulden errechnet. Falls es Berblinger nicht gelänge, seine Vermögensverhältnisse zu sanieren, sollten die Kinder aus seiner ersten Ehe von Amts wegen Pfleger verordnet bekommen, um ihr mütterliches Erbe zu retten.215 1727 hatte Berblinger 60 Gulden der aus einem Wiesenverkauf an den Apotheker Wilhelm Ludwig Willius stammenden 136 Gulden an das städtische Almosen abzuführen, damit die Kinder aus seiner erster Ehe „in Speck gesetzt“ werden konnten.216 In der Folgezeit scheinen sich die finanziellen Verhältnisse der Familie allmählich konsolidiert zu haben: Berblingers Sohn Christian Josua erlernte wie sein Vater das Schneiderhandwerk. Er wurde in den Stadtrat gewählt und amtierte zeitweise als städtischer Baumeister. Im Laufe seines 78-jährigen Lebens akkumulierte er ein beträchtliches Vermögen und besaß bei seinem Tod im Jahre 1789 Liegenschaften im Wert von mehr als 6800 Gulden. Seine Schwester Regina Katharina heiratete mit dem Schuhmacher und Zoller Georg Friedrich Vetterlin einen angesehenen, wenn auch nicht reichen Bürger.217 Das soziale Kapital ihrer Herkunft und ihre Verwurzelung in der lokalen Gesellschaft ermöglichten es Matthias Berblinger und seinen Kindern, die wirtschaftliche Krise zu meistern. Auch Salome Hodelin, die 1737 den verwitweten Nimburger Zoller Johann Jakob Grünwald geheiratet hatte, musste mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen kämpfen.218 Grünwald hatte nach seiner Heirat mit der Bürgertochter Anna Bacherin 1727 das Emmendinger Bürgerrecht erhalten.219 Aus seiner ersten Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Als diese im Jahre 1746 eine Summe von 226 Gulden und 27 Kreuzern aus dem Vermögen ihrer Mutter und ihres Großvaters erbten, war Grünwalds Ruf als Haushalter bereits angeschlagen. Der Rat entzog ihm die Verwaltung des Vermögens seiner Kinder erster Ehe, „weil er leicht-
213 Eilers, Malterdingen. 214 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 11.8.1709, fol. 82r. C/IX Stadtrechnungen 1707–1709. 215 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 16.3.1724, fol. 141v–142v. 216 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 11.3.1727, fol. 228v. 217 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1738. Genealogie Emmendingen. 218 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1734–1735. Genealogie Emmendingen. 219 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 11.3.1727, fol. 230r–230v. C/IX Stadtrechnung 1727.
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sinnig ist, und keine sparsame Haushaltung führet, nicht arbeiten mag“.220 Im gleichen Jahr wurde ihm ein Darlehen von 100 Gulden verweigert, da er bereits allen Besitz verpfändet habe und seinen Kindern erster Ehe ihr mütterliches Erbteil nicht auszahlen könne.221 Nach dem Tod Grünwalds im Jahre 1752 musste Salome Hodelin die drei Stiefkinder sowie drei eigene Kinder alleine großziehen. In einer Supplik, die sie im Oktober 1752 an das Oberamt richtete, schilderte sie eindringlich ihre Situation. Sie habe vor 17 (sic!) Jahren ihren mittlerweile verstorbenen Mann geheiratet und drei Stiefkinder erzogen. Außerdem habe sie einen verschuldeten Haushalt vorgefunden und zu dessen Sanierung einen erheblichen Beitrag geleistet, „wölchs zum Theil schrifftl(ich) belögen kann, und H(err) Stadtschreiber in Händen hat“. Außerdem hatte sie Grünwalds Haus fertig gestellt und bewohnbar gemacht. Dennoch hatte sie in ihrer Ehe „wölche doch sonsten gantz friedlich, (…) gar vieles unGlück, mit dem S.V. Viehe gehabt, dadurch meine Schulden Wieder um Etwas Erwachsen.“ Große finanzielle Verluste rührten auch aus dem „starcken Umfang seiner langwürigen Kranckheit nebst großen Unkosten“ her. Obwohl sich Salome Hodelin als ehrbare Hausfrau, gute Mutter und vernünftige Haushälterin präsentierte, war es ihr letztlich nicht gelungen, die Familie aus ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauszuführen: „Alleine es hat wenig verfangen wollen, weilen ich mit Auferziehung dreyer Stieffkinder, Nebst noch drey Meiner Eugenen, vieles auffgewandt, und große Kosten Erleyden müßen, geschweigen Meines seeligen Mannes letztere Kranckheit, wölche 3 gantze viertl. Jahr getauert hat, wölches mich leiter in die höchste Armuth versetzet hat.“ Bis zu seinem Tode habe ihr Mann versucht, für sie und die Kinder zu sorgen. Er habe auch Bürgermeister Johann Wilhelm Zimmermann gebeten, sich nach seinem Tod um Frau und Kinder zu kümmern und „auch mich als eine verlassenen Witwe, nicht (zu) verstoßen, oder aus dem vermachten Witwensitz (zu) vertreiben“. Salome Hodelins Selbstdarstellung, die sich eng an den Normen guter Haushaltsführung und einer friedlichen ehelichen Gemeinschaft orientierte und ihre finanziellen Schwierigkeiten auf Unglücksfälle und Schicksalsschläge zurückführte, hatte offenbar den gewünschten Erfolg, denn sie konnte ihr kleines Haus behalten.222 Im Jahre 1755 erhielt sie als so genannte „Hausarme“ 57 Kreuzer aus der Stadtkasse.223 Im Jahre 1769 lebte nur noch eine weitere Person in ihrem Haus,224 und Salome war nun sogar in der Lage, wieder kleinere Summen zu investieren. Bei ihrem Tod im Jahre 1775 hatte sie einige Darlehen vergeben. Jakob Breithaupt aus Mundingen hatte 20 Gulden bei ihr aufgenommen, und die Witwe des Mundingers Johann Friedrich Mück schuldete ihr noch acht Gulden 20 Kreuzer. Ein Niederemmendinger Schulmeister namens Bermeitinger hatte bereits zwei 220 StadtA Emmendingen, B 1b/482. 221 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 24.1.1746, fol. 100v–101r. 222 Supplik der Salome Grünwald, geborene Hodel, an das Oberamt, 27.10.1752. StadtA Emmendingen, B 1b/483. 223 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 9.7.1755, fol. 208v. Vgl. Kapitel VII. 224 StadtA Emmendingen, B IV/3 Fasz. 7.
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Gulden eines Kredits über 15 Gulden getilgt, und dem Emmendinger Mattenknecht Peter Dölter hatte sie 15 Gulden geliehen. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie bei ihren Stiefkindern, die auf jegliche finanzielle Entschädigung für ihren Unterhalt verzichteten.225 Ihr guter Leumund und die Anerkennung, die Kinder und Stiefkinder ihrem Einsatz für die Familie zollten, sicherten Salome Hodelin somit immerhin einen ruhigen Lebensabend. Als besonders krisenanfällig erwies sich das kapitalintensive Gerberhandwerk, in dem gleich mehrere Meister Konkurs anmelden mussten. Nach dem Tod des Rotgerbermeisters Wilhelm Friedrich Gmehlin 1745 hatten seine Kinder „wegen der großen SchuldenLast sich des Vätterl(iches) Erbes entschlagen, die hinterbliebene Wittib (...) aber dasselbe auf sich genommen und für die Schulden gestanden.“226 Gmehlin, der Sohn des Pfarrers von Badenweiler,227 hatte 1726 Eva Regina, die Tochter des Rotgerbermeisters Johann Michael Erler, geheiratet und die Werkstatt des Schwiegervaters übernommen.228 Eva Regina Erlerin war zum Zeitpunkt der Eheschließung im dritten Monat von dem Rotgerbergesellen Johann Leonhard Knoderer schwanger. Der uneheliche Sohn Leonhard wuchs bei dem Ehepaar Gmehlin auf. Die Gmehlins bekamen acht gemeinsame Kinder, von denen vier erwachsen wurden. 1739 mussten die Eheleute ein Darlehen aufnehmen, das möglicherweise bereits auf die finanziellen Schwierigkeiten hinweist, die nach Gmehlins Tod zu Tage traten.229 Das Vermögen der Frau und die sozialen Beziehungen zu führenden Emmendinger Familien sowie zum badischen Pfarrergeschlecht der Gmehlin dürften seiner Frau, die für die Schulden bürgte, die Abwicklung der Vergantung erleichtert haben. Die verwitwete Eva Regina Erlerin heiratete 1746 den Rotgerbergesellen Johannes Hildebrand aus Gutach im Kinzigtal, das zu dieser Zeit zu Württemberg gehörte. Mit ihm hatte sie ein weiteres Kind, das aber nur eineinhalb Jahre alt wurde. Nach fünfjähriger Ehe verstarb 1751 auch ihr zweiter Ehemann, und Eva Erlerin verglich sich mit dessen „Kollateralerben“, die im württembergischen Gutach lebten.230 Im Jahre 1753 heiratete die Witwe Erlerin ein drittes Mal. Ihr Bräutigam war der neunzehn Jahre jüngere Küfer Georg Friedrich Schöchlin, ein Sohn des Ratsmitglieds und Baumeisters Joseph Schöchlin. Ungeachtet seiner Herkunft aus einer angesehenen Familie fiel Schöchlin in der Folgezeit vor allem durch seine Trunksucht und Gewalttätigkeit auf, und die Konflikte in seinem Haushalt beschäftigten wiederholt den Rat und die Kirchenzensur. In einem späteren Kapitel wird von der konfliktreichen Ehe der Schöchlins noch ausführlich die Rede sein.231 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Eva Regina sich weiger225 StadtA Emmendingen, B 1b/484. 226 StadtA Emmendingen, B 1b/1192. Zum Fallrecht in Württemberg vgl. Ingendahl Witwen, S. 48–49. 227 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 11.3.1727, fol. 230r. B 1b/1192. 228 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1726. Genealogie Emmendingen. 229 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 3.1.1739, fol. 70r–70v. Siehe oben. 230 StadtA Emmendingen, B 1b/1192. 231 Vgl. Kap. VIII.
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te, die Schulden ihres dritten Ehemannes zu übernehmen, als dieser 1765 ebenfalls vergantet wurde.232 Ihr unterschiedliches Verhalten anlässlich der Insolvenz ihres ersten und dritten Mannes legt den Schluss nahe, dass Eva Regina Erlerin ihre Ehen als reziproke Beziehungen betrachtete. Ihr erster Mann Wilhelm Friedrich Gmehlin hatte sie als ledige Mutter geheiratet und ihr uneheliches Kind mit aufgezogen: So wie Gmehlin damals ihre Ehre wiederhergestellt hatte, so restituierte sie seine Ehre, indem sie seine Gläubiger zufrieden stellte. Ihr dritter Mann Georg Friedrich Schöchlin hingegen verletzte durch sein brutales und wiederholt öffentliches Ärgernis erregendes Verhalten ihre Ehre, so dass sie keine Veranlassung sah, für seine Reputation einzustehen. Mit seinem Bankrott war Schöchlin auch in sozialer Hinsicht erledigt.233 Überdies sicherte Eva Regina Erlerin ihren Kindern aus erster Ehe ihr Vermögen, von dem sie ihnen „Alters und Leibesblödigkeit wegen gutwillig das entbehrliche erblich übergeben“ hatte.234 Allein der Wert des Hauses am Mühlentor, das sie in die Ehe einbrachte, war zwischen 1745 und 1765, dem Todesjahr Schöchlins, von 350 Gulden auf 1750 Gulden gestiegen.235 Sie überlebte ihren dritten Mann noch um zwölf Jahre und übergab in diesem Zeitraum weitere Teile ihres Besitzes an ihre Kinder.236 Der 1707 im kurpfälzischen Mosbach geborene Rotgerber Daniel Schuhmacher, der sich 1736 in Emmendingen als Hintersasse niederließ,237 hatte dort ebenfalls geschäftlich keinen Erfolg. Schuhmacher erhielt 1737 das Bürgerrecht.238 Er heiratete jedoch keine Bürgertochter, sondern eine ledige Mutter aus Lahr, die in Emmendingen gedient hatte, und zog deren uneheliches Kind mit auf.239 Bereits im Jahr seiner Bürgeraufnahme nahm Schuhmacher bei dem Müller Andreas Stuck 200 Gulden zur „Beförderung seiner Nahrung“ auf.240 Schuhmachers Versuche, im Jahre 1746 die „Ausloschierung“ eines in seinem Hause einquartierten Soldaten zu erreichen, weisen bereits auf finanzielle Schwierigkeiten der Familie hin. Schuhmachers Frau soll in diesem Kontext dem Soldaten das „gegebene Essen vorgeworffen“ und städtische Amtsträger beleidigt haben. Da dem Stadtrat „bekandt“ war, dass sie „ihr böses Maul, gern wieder das Bürgermeisteramt“ gebrauchte, ermahnte er sie, dass sie „mit ihren ungeziemenden Ausfällen innehalten oder eine empfindliche Anthung mit der Einthürmung sich gewärtigen solle.“241 232 StadtA Emmendingen, B 1b/1194. 233 Zu Bankrotten als „sozialem Tod“ vgl. Muldrew, Economy of Obligation. Zu Leipzig, Beachy, Bancruptcy. 234 StadtA Emmendingen, B 1b/1194. 235 StadtA Emmendingen, B 1b/1192, 1994. 236 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 12.2.1766, fol. 108r–108v. 237 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 6.3.1736, fol. 2r. C/IX Stadtrechnung 1736. 238 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 20.2.1737, fol. 21r. C/IX Stadtrechnung 1737. 239 StadtA Emmendingen, Genealogie. 240 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 3.7.1737, fol. 37r–37v. 241 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 7.11.1746, fol. 141v–143r und 5.12.1746, fol. 149v–150r.
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Im Jahre 1751 nahm Schuhmacher, dessen eigenes Vermögen sich auf knapp 1400 Gulden belief, über 1100 Gulden bei der Burgvogtei auf.242 Zwei Jahre später musste er einen Teil seiner Liegenschaften versteigern, um die Schulden tilgen zu können.243 Im Jahre 1754 veranlasste die Stadt schließlich eine Vermögensuntersuchung, bei der Schuhmachers Zahlungsunfähigkeit offenbar wurde. Die Stadt verfügte daraufhin die öffentliche Versteigerung seiner Güter. Haus und Werkstatt wurden von dem Rotgerbergesellen Christian Moser ersteigert, der 1755 das Emmendinger Bürgerrecht erwarb.244 Ein heftiger Streit zwischen Schuhmacher und Moser in der Gastwirtschaft „Zur Sonne“, der im selben Jahr aktenkundig wurde, weil die Kontrahenten Verbalinjurien austauschten, stand zweifellos im Kontext von Schuhmachers Insolvenz und Mosers Übernahme seines Betriebs.245 Aber auch Christian Moser, der eine Tochter des Bäckers und Ratsmitglieds Leonhard Scherberger heiratete,246 scheiterte mit seiner Gerberei. Infolge seiner geschäftlichen Schwierigkeiten begann er zu trinken, und 1758 bestrafte ihn der Stadtrat wegen Spielens und Wirtshaussitzens.247 Im gleichen Jahr musste Moser zur Tilgung seiner Schulden die Hälfte seines Hauses vor dem Hochberger Tor für 270 Gulden an den Hintersassen Johann Meyer verkaufen.248 Nachdem er seinen Betrieb schließen musste, verschaffte ihm sein Schwiegervater Leonhard Scherberger Arbeit bei Bürgermeister Johann Melchior Ott und damit die Chance, „durch Arbeit und gute Haushaltung der Sache wieder auf(zu)helfen“. Da Moser jedoch immer tiefer in Schwierigkeiten geriet, verspielte er diese Chance auf Reintegration – „vermuthlich in Ansehung seiner Kranckheit, Mangel an Kredit und eigenem Vermögen zur Wiederanrichtung seines Handwercks und in Rücksicht auf seine incorrigibilität,“ wie in seinem Vermögensinventar festgehalten wurde. So sahen die Behörden letztlich keine andere Möglichkeit, „alß über das noch wenige Vermögen den Ganthprocess zu verhängen.“249 Moser erschien nur sporadisch zur Arbeit, verfiel vollends dem Alkohol und wurde immer gewalttätiger. Auch die Bußen, die durch die Kirchenzensur verhängt wurden, fruchteten nichts. „Weil er dann sonst auch ein unordentliches Leben überhaupt führt, dem Müßiggang nachhängt und in Würthshäusern herumzieht, und dem Wachtmeister übel Wort gibt, wann er ihn über die Zeit darin antrifft“ und „weil er seine Ehefrau, die ihn aus dem Würthshauß zur Arbeit in die Ottische Werckstatt, obwohl mit guten Worten zu gehen ermahnt, gar übel tractieret, so dass sie mit blutigem Gesicht über die Gaß sich retirieren müßen“, verurteilte man ihn zu zweimal 24 Stunden im Turm.250
242 243 244 245 246 247 248 249 250
StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 8.10.1751, fol. 60r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 2.6.1753, fol. 122r–122v. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 8.9.1755, fol. 231r. Vgl. zu diesem Konflikt Schmölz-Häberlein, Ehrverletzung, S. 151–154. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1755. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), fol. 9r–9v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 6.3.1758, fol. 11v. StadtA Emmendingen, B 1b/882. StadtA Emmendingen, B/VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 1.12.1758.
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Im Jahre 1759 floh Moser wegen seiner Schwierigkeiten aus der Stadt und ließ seine schwangere Frau und sein Kind zurück.251 Die Schulden waren so drückend, dass 1760 von seinen Handwerksgeräten „nichts mehr vorhanden“ war, weil diese „theils vom Entwichenen und theils von der zurückgebliebenen Ehefrauen zu Bestreittung ihres Kindes Leichenkosten verkaufft worden“ waren. Auf der Flucht erkrankte Moser schwer und musste lange in Gutach behandelt werden. In Mosers Gantprozess, der im Oktober 1760 stattfand, befand das Oberamt: „bey diesem Christian Moser haben die güttlichen Ermahnungen und darauf gefolgte Correction zu gehörigen Fleiß und einem ordentlichen Leben nicht angeschlagen, hingegen hat er ein ziemliches von Gutach aus seiner Heimat im Württembergischen anhero gezogen, nebst seiner Ehefrauen Vermögen üppiger Weise mit durchgebracht, und endlich dieselbe Verlaßen, ist aber an einer Glieder Krankheit in bemeltem Guttach liegen geblieben und in der hernach gebrauchten BaadCur nur soweit hergestellt worden, dass wie das Gerücht lautet, am Stecken gehen müße, und niemal mehr auf seinem Handwerck werde arbeiten können.“ Die Stadt hatte Mosers Vermögen bereits inventarisieren und ihn in Gutach befragen lassen, wie er seine Gläubiger zu befriedigen gedenke, doch dieser habe „keine Mittel noch Wege darüber vorzuschlagen gewußt.“ 252 1761 trat Moser aus dem Bürgerverband aus und verkaufte die verbliebene Hälfte seines Hauses an Matthias Mercklin.253 Frau und Tochter blieben in Emmendingen und bezahlten die Schulden, so gut es ging. Im Gantinventar wurde festgehalten, dass der Gerber „seiner Lebens Art nach freylich noch mehr schuldig geweßen seye, so er hernach aus ihr des Weibs Einbringen heimlich werde bezahlt haben, da solches Geld ihm so eilend durch die Hände gegangen“ sei. Das Vermögen der Familie belief sich nach Abschluss des Gantprozesses nur noch auf 16 Gulden.254 In einer ausführlichen Supplik an das Oberamt legte Mosers Schwiegervater Leonhard Scherberger dar, warum seine Tochter nicht für den Bankrott seines Schwiegersohnes haftbar gemacht werden könne, und bat um Ehescheidung.255 Scherberger führte darin zahlreiche Punkte an. Erstens habe Moser die Erbschaft in Höhe von etwas mehr als 600 Gulden, die er von seiner Mutter zu erwarten hatte, bereits vor seiner Eheschließung durchgebracht; er sei demnach „schon ein Übelhaußer gewesen, ehe er an meine Tochter gedachte.“ Dies hätten weder seine Tochter noch die Eltern Mosers gewusst, denn sonst hätten diese ihm nicht weitere 100 Gulden geliehen. Scherberger und seine Frau hätten weiter zu Mosers Aufnahme in das Meisterrecht 23 Gulden zugeschossen. Ihnen sei jedoch nicht bekannt, dass Moser etwas davon zur „Beförderung des handwercks und der Haushaltungen“ verwendet habe. Wenn er rohe Felle gekauft habe, habe er diese „wieder wohlfeyler weggegeben, als was sie gekostet“ hätten. Seine Verkaufserlö251 252 253 254 255
StadtA Emmendingen, B 1b/876. StadtA Emmendingen, B 1b/882. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), fol. 146r. StadtA Emmendingen, B 1b/882. Supplik Leonhard Scherbergers an das Oberamt bezüglich des Gantgeschäfts seines Schwiegersohns Christian Moser, 2.4.1761. StadtA Emmendingen, B 1b/882.
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se habe er „nie heimgebracht, sondern verspiehlt und versoffen, wonach meine Tochter Schläge und Zanck genug bekommen.“ Seine Tochter habe die Zechschulden ihres Mannes beim Sonnenwirt Gimpel aus der Zeit vor ihrer Eheschließung bezahlt, die sich auf fast 44 Gulden beliefen. Ferner habe sie für die Aufnahme ihres Mannes in das Bürgerrecht und ihren Heiratsdispens wegen Minderjährigkeit 30 Gulden und 24 Kreuzer aufgewendet. Die Zuber für die Einrichtung von Mosers Gerberei, die der Küfer Friedrich Schöchlin anfertigte, sowie von dem Schreiner Springer angefertigte Werkstücke im Wert von 22 Gulden habe ebenfalls Scherbergers Tochter bezahlt, und Moser habe die Zuber umgehend wieder versetzt bzw. verkauft. Selbst die Hochzeitskleidung, für die die Familie seiner Frau 27 Gulden und 36 Kreuzer ausgab, habe Moser kurze Zeit später für fünf Gulden an Jakob Weil den Jungen verschleudert – für Scherberger ein besonders schlagender Beweis für „das Gottlose Haushalten“ seines Schwiegersohnes. Während Moser zwei Jahre vor dieser Petition eine Haftstrafe verbüßte, habe Scherberger seine Tochter und sein Enkelkind bereits einmal zu sich nach Hause geholt, doch das Oberamt habe damals „ein besseres zutrauen“ zu Moser gehabt, denn dieser „konnte sich verstellen, gute Worte geben und alles Gute versprechen“. Die Frau sei daraufhin wieder zu ihrem Mann gezogen, der Arbeit bei dem Kaufmann Johann Melchior Ott fand. Von den zweieinhalb Gulden Wochenlohn, die er dort erhielt, habe er seiner Frau jedoch lediglich 24 Kreuzer als Haushaltsgeld gegeben. Den größeren Teil behielt er zum „Versauffen und wann das versoffen wäre, brach er über der Tochter trog und nahm das Kostgeld auch heraus, da mußte sie dann öfters aus Noth heimkommen und zuflucht nebst dem Kind bey mir suchen.“ Schließlich wurde Moser von Ott entlassen. Scherberger war der Ansicht, dass dieses Verhalten die „enorme und excessive lumperey“ seines Schwiegersohns hinlänglich bewies. Es gäbe Zeugen, „die Achtung gegeben haben, dass er 20 Schoppen Wein auf einer Stelle und nach einander (…) gesoffen“ habe, während „meine Tochter manche Wochen keinen Tropfen Wein genossen“ habe. Nachdem Moser seine schwangere Frau verlassen habe, habe diese ein Kind zur Welt gebracht, das kurz nach der Geburt starb. Dies könne man „meiner Tochter nicht zu Last legen, sondern (nur) dem flüchtig geworden üblen Haushalter“. In eindringlichen Worten zeichnete Scherberger das Bild eines völlig zerrütteten Haushalts: „Wenn man sonderlich noch anführen wollte, wie übel es im Hauße hergegangen, wann er besoffen heimgekommen, wann meine Tochter ihn mit Worten bestraffen, von den Lastern abhalten und vorm ruin warnen wollen! Wie manchmahl hat sie recht tyrannische Schläge davon getragen, wie offt hat sie sich zu mir von dem wilden Unmenschen retirieren müßen! ja man kann die gottlosen Aufführungen des Mosers mit keiner Feder beschreiben. Die allerbeste Frau muß bei einem dergl(eichen) Verschwender zu Grunde gehen und bey hunger und durst, blöse und verdruß um das ihrige kommen.“ In seiner detaillierten Darstellung der Verhältnisse im Hause seines Schwiegersohns verstand es Scherberger, diesen als ökonomisch inkompetenten, nachlässigen und verantwortungslosen „Übelhauser“ hinzustellen, während Scherbergers Tochter einerseits als ahnungsloses Opfer ihres Ehemanns, andererseits als ver-
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nünftiger und verantwortungsvoller Part in dieser Ehe erschien. Die Petition des angesehenen Ratsmitglieds hatte den gewünschten Erfolg: Sie wurde nach Karlsruhe weitergeleitet, wo die markgräfliche Regierung nach ausführlicher Prüfung die Scheidung der Ehe empfahl.256 Der Scheidungsbrief kostete Maria Salome Scherbergerin zwar nochmals sieben Gulden und 15 Kreuzer, doch die erfolgreiche Scheidung und das Sozialkapital ihres Vaters und ihrer Familie ermöglichten ihr, mit dem Bäcker Johann Georg Poppelin, der aus Mußbach zugezogen war, im März 1764 eine neue Ehe einzugehen.257 Beim Tod ihres Vaters erbte sie noch ein kleines Vermögen, das ihr ein geregeltes Auskommen gewährleistete.258 Dass Mosers Bankrott und Flucht die Reputation der Familie dennoch nachhaltig geschädigt hatten, bekam vor allem Christian Mosers und Maria Salomes Tochter Anna Maria zu spüren, als sie 1775 Zielscheibe eines Pasquills mehrerer junger Frauen wurde. Sie wurde das Stigma, die Tochter eines Bankrotteurs und „Übelhausers“ zu sein, offenbar nicht mehr los und starb 1805 ledig in Emmendingen.259 Die finanziellen Schwierigkeiten der Rotgerber Martin Kohlschein und Johann Georg Reinbold hingegen scheinen weniger durch ihre geschäftliche Inkompetenz und Lebensführung verursacht worden zu sein als durch familiäre Schicksalsschläge. Der 1752 zugewanderte Kohlschein hatte 1757 in zweiter Ehe die Witwe des Gottfried Schöchlin, Maria Enderlinin, geheiratet. In ihrer 27-jährigen Ehe wurden 1372 Gulden „zurückgehaust“. Dieser Vermögensverfall wurde sowohl nach Auskunft der Kinder als auch der Stiefkinder durch die lange Krankheit der Mutter verursacht. Kinder und Stiefkinder übernahmen Kohlscheins Schulden und verhinderten damit eine Vergantung.260 Im Gantinventar Johann Georg Reinbolds aus dem Jahre 1772 wurde der Verlust des Vermögens ebenfalls mit der langen Krankheit seiner Frau, der teuren ärztlichen Behandlung und ihrem Ausfall im Haushalt begründet. Da der Tod von Reinbolds Frau damals bereits fast zwei Jahrzehnte zurücklag, darf zwar bezweifelt werden, dass dies die Hauptursache seiner Insolvenz war. Aufgrund seiner schlechten ökonomischen Situation war er jedenfalls nach dem Ableben seiner Frau nicht mehr in der Lage, eine neue Ehe einzugehen. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahre 1792 Witwer und erzog seine Tochter alleine.261 Neben dem Gerbereigewerbe – in dem es natürlich auch erfolgreiche Karrieren wie diejenige Johann Jakob Zimmermanns gab262 – häuften sich Vergantungen auch im Gastgewerbe. Im Jahre 1745 heiratete die 17-jährige Tochter des Adlerwirts Johann Friedrich Legler, Sophia Maria, den Skribenten Johann Samuel
256 257 258 259 260 261 262
StadtA Emmendingen, B 1b/882. Die Empfehlung zur Scheidung erging am 11.7.1761. StadtA Emmendingen, B 1b/960. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B 1b/960. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B 1b/1201. StadtA Emmendingen, B 1b/978. Vgl. Schmölz-Häberlein, Zimmermann, S. 83.
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Karl Kiefer, der sich daraufhin in Emmendingen als Bürger niederließ.263 Kiefer übernahm die Gastwirtschaft „Zum Adler“ und betätigte sich als Eisenfaktor im Handels- und Speditionsgeschäft. Er scheint dabei jedoch nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein, denn als er im Januar 1753 verstarb, wurde ein Gantprozess eröffnet. Sieben Monate nach seinem Tod wurden seine Emmendinger Liegenschaften zur Tilgung der Schulden öffentlich versteigert. Der Erlös belief sich auf rund 1000 Gulden264 und ermöglichte offenbar eine weitgehende Entschuldung, denn Sophia Maria Leglerin konnte bereits im Dezember desselben Jahres mit dem Beistand ihres Vaters einen Ehevertrag mit dem aus dem Freiamt stammenden Simon Reinbold abschließen. Dieser brachte ein Heiratsgut von 400 Gulden in die Ehe ein, die nach seinem Tod seiner Frau zufallen sollten. Im Gegenzug wurde ihm eine Mitgift von 200 Gulden zugesichert. Das Haus der Sophia Maria Leglerin hatte einen Wert von 2500 Gulden.265 Im Jahre 1754 wurde die Ehe geschlossen.266 Nachdem der Vater der Braut, der Adlerwirt Johann Wilhelm Legler, noch im gleichen Jahr im Gefängnis verstarb, wo er wegen Ehebruchs einsaß,267 erbte Sophia Maria die ansehnliche Summe von 1110 Gulden und 50 Kreuzer.268 Im Dezember 1754 liquidierten die Schwestern Sophia Maria und Friederike Katharina Leglerin ihren Immobilienbesitz in öffentlicher Versteigerung.269 Auch die ersten „Fabriken“, die Ende des 18. Jahrhunderts in Emmendingen entstanden, endeten nicht selten schon nach kurzer Zeit in Konkursen. Im Jahre 1784 genehmigte der Stadtrat dem Strumpfstricker Johann Jakob Grün und dem Kippenheimer Juden Löw Wolf Auerbach die Gründung einer Tabakfabrik; Auerbachs Familie erhielt eine zunächst auf sechs Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung.270 Bereits 1787 war das Unternehmen gescheitert, und Auerbach musste sich für zahlungsunfähig erklären.271 Er verstarb noch im gleichen Jahr, doch seine Witwe blieb in der Stadt und wohnte mit ihren drei Kindern 1789 im Haus von Johann Wolfsperger.272 1797 lebte sie noch immer mit zwei Söhnen und einer Tochter in Emmendingen.273 Auerbachs Partner, der aus Vörstetten stammende Strumpfstricker Johann Jakob Grün, war 1778 ins Bürgerrecht aufgenommen worden und brachte ein Ver-
263 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 6.1.1744, fol. 175r. C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 12.10.1745, fol. 84v. C/IX Stadtrechnung 1745. Genealogie Emmendingen. 264 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.8.1753, fol. 126r–128v. Familienarchiv Sander – 1. 265 GLA Karlsruhe, 198/424 (Ehevertrag Simon Reinbold und Sophia Maria Kiefer, 17.12.1753). 266 StadtA Emmendingen, B 1b/977. OSB Freiamt, Nr. 3954, 3962. 267 Vgl. Kapitel VIII. 268 StadtA Emmendingen, B 1b/823. 269 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 16.12.1754, fol. 178v–182v. 270 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 13.10.1784, fol. 85r–85v. 271 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. 272 StadtA Emmendingen, B 1b/1511. 273 GLA Karlsruhe, 74/3704.
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mögen von 1000 Gulden mit.274 Er stammte aus einer im Oberamt etablierten Familie. Einer seiner Brüder war Stabhalter in Vörstetten, ein weiterer Bruder Ratsmitglied und Sattlermeister in der Amtsstadt und ein dritter Spezial in Kippenheim. Letzterer hatte wohl den Kontakt zu Löw Auerbach geknüpft. 1781 schuldete der Stabhalter Christian Grün seinem Bruder Johann Jakob noch 400 Gulden aus einem Güterkauf.275 Im Jahr seiner Bürgeraufnahme erwarb Johann Jakob Grün von den Erben des Spezials Wagner, die sich durch Dr. Wilhelm Ludwig Willius vertreten ließen, ein Grundstück für 503 Gulden.276 1780 heiratete er eine Bürgerstochter aus dem benachbarten Kollmarsreute.277 Vier Jahre später nahm er bei der Frankfurter Arztwitwe Anna Elisabeth Starkin einen Kredit von 1200 Gulden für seinen Hausbau und seinen Betrieb – vermutlich die Tabakfabrik – auf.278 Im folgenden Jahr musste er zur Bezahlung seines Hauskaufs erneut 200 Gulden bei der landesherrlichen Forstverwaltung aufnehmen.279 Nachdem das Projekt der Tabakfabrik gescheitert war, verkaufte Grün 1787 sein Haus samt Scheuer, Nebengebäude und Waschhaus, das an den Emmendinger Marktplatz angrenzte, an die landesherrliche Verwaltung.280 Auch das 1778 erworbene Feld- und Gartengrundstück musste er für 481 Gulden an „H(errn) Hertner Adforcier des H(errn) Hofr(at) Vogels, Entrepreneur der hiesigen Baumwollfabrique“ verkaufen.281 Nach Bezahlung der Schulden legte die Familie Grün ihr verbliebenes Geld an. So lieh sie im Dezember 1778 Christian Blum 150 Gulden zu fünf Prozent Zinsen.282 1792 konnte sie sich wieder ein kleines Haus leisten. Sie nahm dafür einen Kredit von 220 Gulden bei dem Schuhmacher Johann Georg Rist auf.283 Trotz seiner verwandtschaftlichen Beziehungen konnte Grün nach dem Scheitern der Tabakfabrik in Emmendingen nicht mehr richtig Fuß fassen. 1795 beschloss er daher, mit Frau und Kindern auszuwandern. Er zog ins mainfränkische Rentweinsdorf, das zum Herrschaftsbereich der Freiherrn von Rotenhan gehörte, „da nach den von daher erhaltenen Nachrichten er dorten die beßere Gelegenheit habe, sich und seine Familie mit seinem Handwerk um so eher wohl ernähren zu können, da alle Lebensbedürfnisse daselbst gegen hier in einem niederen Preiße stünden.“ Er hatte die Zusicherung, sich dort niederlassen zu dürfen, und die Ge274 StadtA Emmendingen, C/VIII/12 (Ratsprotokoll 1777), 15.10.1777, fol. 25r. C/VIII/13 (Ratsprotokoll 1778), 29.1.1778, fol. 4r. 275 StadtA Emmendingen, B 1b/481. 276 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 27.11.1778, fol. 79r– 79v. 277 StadtA Emmendingen, B 1b/481. C/IX Stadtrechnung 1779. Genealogie Emmendingen. 278 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 20.5.1784, fol. 138v–140r. Wie dieser Kontakt nach Frankfurt zustande kam, ist nicht zu klären. Zum einen könnte er durch Johann Georg Schlosser vermittelt worden sein, zum anderen über die Verbindungen des Handelshauses Ott zur Reichsstadt. 279 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 19.3.1785, fol. 157v–158v. 280 StadtA Emmendingen, C/V/2 (Kauf-, Tauschprotokolle 1787–1798), 30.4.1787, fol. 2r–3v. 281 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 22.2.1786, fol. 307v– 308r. 282 StadtA Emmendingen, C/IV/1 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), fol. 2. 283 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), 19.11.1792, fol. 79r–80v.
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wissheit, dass der Lohn der Wollspinner dort niedriger als im Oberamt Hochberg sei.284 Woher Grün seine Informationen bezog, ist nicht bekannt. Während die Familie Grün mit der Auswanderung einen ökonomischen Neuanfang wagte, konnte die Witwe Löw Auerbachs auf die Unterstützung der jüdischen Minderheit in Emmendingen rechnen. Zumindest ihren Söhnen Marum und Jakob gelang es, sich dort auf Dauer niederzulassen. Ähnlich wie Grün scheiterte auch Johann Jakob Autenrieth mit seinem 1785 lancierten Projekt einer Essigsiederei und Tabakfabrik.285 Der 1758 in Dinglingen geborene Autenrieth hatte zum Zeitpunkt seiner Niederlassung in der Amtsstadt bereits ein bewegtes Leben hinter sich. 1779 studierte er Theologie in Göttingen und zwei Jahre später war er bereits Vikar. Im Jahre 1783 wurde er zweiter Pfarrer in Lahr und Präzeptor an der dortigen Schule; im gleichen Jahr heiratete er in Müllheim Auguste Christine Malerin286 aus einer badischen Beamtenfamilie. Bereits ein Jahr später wurde Autenrieth jedoch aus dem Kirchendienst entlassen, weil bekannt wurde, dass er in nassauischem Gebiet eine Magd geschwängert hatte.287 1787 erhielt er die offizielle Genehmigung zur Eröffnung einer Essigfabrik, da bis dato kein Essig im Oberamt Hochberg produziert wurde.288 Zu diesem Zeitpunkt wohnte Autenrieth als Mieter im Haus des Judenvorstehers Jonas Weil, der auf eine Renovierung seines Anwesens drängte, das Autenrieth offensichtlich vernachlässigt hatte.289 Im folgenden Jahr erwarb er bei der Versteigerung des Besitzes des insolventen Säcklers Jakob Rist für 1000 Gulden dessen halbes Haus in der unteren Vorstadt.290 Als Autenrieth im Februar 1789 verstarb, wurde festgestellt, dass er zahlungsunfähig war. Seine Witwe und Tochter verließen daraufhin die Stadt; sein Haus fand für den veranschlagten Preis keinen Käufer.291 Der Schneidermeister Tobias Schneider empfand seine Überschuldung und drohende Vergantung offenbar als so große Belastung, dass er 1783 Selbstmord beging. Die nach seinem Tod eingeleitete Vermögensuntersuchung ergab, dass Schneider „mit seiner Wittwe (...) während ihrer 2 ½ Jahrl(ichen) Ehe nicht nur 247 fl. 22 ¾, sondern besonders die Wittwe in ihrem vorher ohngefähr 2 Jahre geführten Wittwenstand um 491 fl. 31 1/2 zurückgehauset hat.“ Daher ordnete der Rat eine eingehende Vermögensuntersuchung der Witwe Anna Wilhelmina Nagelin an und verhörte sie zu den Ursachen der Vermögensverluste.292 Obwohl ihre Aussagen in indirekter Rede wiedergegeben sind, ihre Antworten also durch die Perspektive des Schreibers gebrochen werden, vermitteln sie doch ein anschauli284 285 286 287 288 289 290 291
StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 13.8.1795, fol. 334r–33v. StadtA Emmendingen, B IV/2, Fasz. 203. OSB Britzingen, Nr. 67. OSB Müllheim, Nr. 38. Die Eheschließung fand am 28.10.1783 statt. OSB Britzingen, Nr. 67. Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 29. GLA Karlsruhe, 198/601. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 4.10.1787, fol. 251r. StadtA Emmendingen, C/V/2 (Kauf-, Tauschprotokolle 1787–1798), 28.3.1788, fol. 42r–44v. StadtA Emmendingen, C/V/2 (Kauf-, Tauschprotokolle 1787–1798), 24.3.1789, fol. 86v–90r. Kirchenbuch Vörstetten. OSB Britzingen, Nr. 67. OSB Müllheim, Nr. 38. Genealogie Emmendingen. 292 StadtA Emmendingen, B 1b/1179, Vermögensuntersuchung vom 21.1.1783.
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ches Bild ihrer Lebensumstände. Ihre Vermögenseinbußen begründete die Witwe zum einen mit ihrer familiären Situation während ihrer ersten Witwenschaft, zum anderen mit den geringen Erträgen ihrer Güter und der Trunksucht ihres zweiten Mannes Tobias Schneider. Nach dem Tod ihres ersten Mannes habe sie keine anderen Einnahmen gehabt als den Ertrag aus der Verpachtung ihrer Güter, denn sie hätte wegen ihrer kleinen Kinder nichts verdienen können. Die Pachteinnahmen deckten jedoch nicht die Kosten für den Unterhalt der Kinder, so dass ihr Vermögen während ihrer Witwenschaft schrumpfte. In der zweiten Ehe konnte sie ihre Güter zwar wieder selbst bewirtschaften, doch sei der Ertrag zu gering gewesen, um die ganze Familie zu ernähren, zumal ihr Ehemann dasjenige, „was er auf seinem Handwerk verdienet, meistens wieder vertrunken hätte; Es hätte daher nichts anders als eine Einbuße auch in dieser kurzen Ehezeit sich ereignen müßen.“ Der Stadtrat sah die Argumente der Frau als begründet an, gab ihr jedoch auch eine Mitschuld, denn sie habe einen Hang zum Wein- und „Caffee trincken“. Die Frau wollte dies jedoch nicht als Ursache ihrer Probleme akzeptieren: „Sie könne nicht leugnen, dass sie beedes gerne trinke; dass sie es aber bis zur Verschwendung treibe, könne sie nicht einbekennen, vielmehr seyen oben angegebene Ursachen einig und allein der Grund des Zurückhausens, und auch glaube sie daher, sich nicht strafbar gemacht zu haben.“ Dennoch sahen die Stadträte die Gefahr, dass Anna Wilhelmina Nagelin sich noch weiter verschuldete, und plädierten für ihre Mundtoterklärung und die Einsetzung eines Pflegers. „Sie seye zudem auch zu leichtsinnig und zu gut, so dass wann sie etwas in Händen habe, es sogl(eich) schlechte Leute mit geniessen lasse, ohne zu denken, dass sie hernach selbsten mit ihren Kindern Mangel leiden müsse. Dieses veranlasse als dann nichts als Schulden machen.“ Da ihre beiden ältesten Kinder bereits in der Lehre waren und das dritte sich in absehbarer Zeit durch Gesindedienst selbst ernähren könnte, sollten die beiden jüngsten Kinder aus erster Ehe zu „braven und tüchtigen Leuten“ in Pflege gegeben werden. Anna Wilhelmina Nagelin würde sich und das jüngste Kind dann selbst ernähren und ihr restliches Vermögen konsolidieren können. Der Wirt Philipp Jakob Legler wurde daraufhin zum Pfleger bestimmt, „da er die nötige Tüchtigkeit dazu besitzt“. Doch gelang es Anna Wilhelmina offenbar nicht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Im Februar des Jahres 1783 erfolgte ihre Mundtoterklärung durch den Markgrafen und eine sechstägige „Einthürmung“ bei Suppe, Wasser und Brot, wo sie zum Spinnen angehalten werden sollte.293 Nicht nur Handwerker fielen der Vergantung anheim; auch Beamte finden sich unter den Betroffenen. Der 1782 vom Forstverwalter zum Burgvogt beförderte Johann Wilhelm Pannifex wurde noch im gleichen Jahr vergantet und nahm sich im April 1783 in einem Waldstück unweit von Freiburg das Leben. In Emmendingen hinterließ er eine Ehefrau und vier Kinder. Nach Auffindung der Leiche wurde er „in Freiburg seziert“ und „für melancholisch erklärt“,294 so dass er „auf dem protestantischen Gottesacker (…) ohne Beschimpfung und ohne Ge293 StadtA Emmendingen, B 1b/1179. 294 StadtA Emmendingen, B/V/2-2.
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pränge“ begraben werden konnte. Pannifex’ Frau Sophia Caroline Hartmannin verstarb 1814 in Emmendingen. Ihre beiden Söhne wurden Kaufleute; der älteste Sohn starb 1860 im Alter von 90 Jahren als Handelsmann in Paris.295 Die Handlungs- und Verhaltensweisen von Frauen in Gantverfahren zeigen, dass ihnen im Falle der Insolvenz ihrer Ehemänner eine Schlüsselrolle zukam. Durch die Übernahme der Schulden ihres Mannes konnte die Ehefrau diesen vor dem finanziellen Absturz retten, riskierte dabei aber auch ihr eigenes Vermögen. Durch die Weigerung, die Schulden zu übernehmen, konnte sie andererseits ihren eigenen Besitz dem Zugriff der Gläubiger entziehen und ihren Kindern eine gewisse ökonomische Substanz erhalten. Darüber hinaus demonstrierten Männer nicht zuletzt durch die Art und Weise, wie sie ihren Haushalt führten und sich gegenüber ihren Ehefrauen verhielten, ob sie ihren ökonomischen Niedergang durch „Übelhausen“, Misswirtschaft und Verschwendung selbst herbeigeführt hatten oder vielmehr durch widrige äußere Umstände unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Verfügten sie über einen guten Leumund, konnten sie glaubhaft äußere Schwierigkeiten und Schicksalsschläge wie langwierige Krankheiten der Ehefrau geltend machen und verfügten sie obendrein noch über soziales Kapital in Form funktionierender verwandtschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen, so war auch im Emmendingen des 18. Jahrhunderts eine Reintegration des Bankrotteurs in die Gesellschaft und ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich. Nicht alle Männer vermochten allerdings diese zweite Chance zu nutzen.
295 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 9.11.1783, fol. 225r– 226v. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 115/70.
Das Weib darf seinen Witz nicht zeigen. Die Vorsicht hat es ausgedacht, Es soll in der Gemeine schweigen, Sonst würdet Ihr oft ausgelacht. (Christiana Mariana von Ziegler, Das Männliche Geschlechte)
VII. RATHAUS, MARKTPLATZ, WIRTSHAUS, KIRCHE UND FRIEDHOF: GESCHLECHT UND STÄDTISCHE ÖFFENTLICHKEIT 1. ÖFFENTLICHE RÄUME IN EINER FRÜHNEUZEITLICHEN KLEINSTADT Im Jahre 1755 verehrte der regierende Markgraf Karl Friedrich der Stadt Emmendingen anlässlich der Geburt des Erbprinzen ein Fuder 1753er Wein sowie eine „proportionierliche Anzahl Brot“. Davon sollte jeder Bürger und Hintersasse ein Maß als Trunk auf dem Rathaus und ein weiteres Maß mit nach Hause erhalten. Jeder Witwe wurde ein Maß mit nach Hause gegeben. Danach sollte der übrig gebliebene Wein verkauft und das Geld unter den „hiesigen Hausarmen (...) ausgetheilt werden“.1 An den Feiern zur Geburt des Erbprinzen waren Männer und Frauen also in unterschiedlicher Weise beteiligt: Während die männlichen Haushaltsvorstände sowohl auf dem Rathaus tranken als auch Wein für ihre Frauen und die Hausgemeinschaft mitnehmen konnten, blieben Witwen, die einem eigenen Haushalt vorstanden, vom gemeinsamen Umtrunk ausgeschlossen und durften lediglich im privaten Umfeld des Hauses an den Feierlichkeiten zur Geburt des Thronfolgers teilnehmen. Unverheiratete Frauen, die selbständig wirtschafteten, gingen leer aus, wenn sie nicht zu den Hausarmen gehörten und dem städtischen Almosen anheim fielen. In den letzten Jahren sind öffentliche Räume in der frühneuzeitlichen Stadt verstärkt in das Blickfeld der Forschung gerückt. Das in den 1960er Jahren von Jürgen Habermas entwickelte Modell eines „Strukturwandels der Öffentlichkeit“, dem zufolge in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts neben die „repräsentative Öffentlichkeit“ des höfischen Absolutismus eine „bürgerlich-literarische Teilöffentlichkeit“ getreten sei, die sich in der Publizistik sowie in neuen Formen von Geselligkeit (Clubs, Salons, Vereinen, Sozietäten, Freimaurerlogen) manifestiert habe,2 ist dabei von neueren Arbeiten modifiziert worden. So hat Andreas Gestrich gezeigt, dass sich Öffentlichkeit im Absolutismus nicht auf die Sphäre des 1 2
StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 10.3.1755, fol. 192r. Vgl. Gestrich, Absolutismus, S. 123. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit.
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Hofes und des Staats reduzierte und die Untertanen nicht bloße Adressaten obrigkeitlicher Politik waren. Vielmehr diente öffentliche Kommunikation im Fürstenstaat des frühen 18. Jahrhunderts – die Verkündung von Gesetzen und Mandaten, Huldigungen der Untertanen oder Feste anlässlich von Thronbesteigungen, fürstlichen Hochzeiten und Herrscherjubiläen – nicht nur der Repräsentation, sondern auch der Meinungsbildung und der Herstellung von Akzeptanz. Zudem lassen sich verschiedene Kommunikationskreise unterscheiden: neben die höfische bzw. staatliche treten die adelig-ständische und die relativ egalitäre gelehrte Öffentlichkeit, ferner die kommunale Öffentlichkeit der Städte und Gemeinden und schließlich die populäre Öffentlichkeit der Feste, Bräuche, Wirtshausgespräche und Gerüchte. Gestrich kommt zu dem Ergebnis, dass bereits um 1700 auf allen Ebenen der Gesellschaft „institutionalisierte Kommunikationsprozesse abliefen, in denen sowohl über Details des Regierungshandelns der Fürsten als auch über die Struktur der Gesellschaft, über Herrschaft und Unterordnung verhandelt wurde. Diese (…) politische Öffentlichkeit des Absolutismus war (gleichermaßen) mündlich und schriftlich geprägt.“3 Andreas Würgler hat südwestdeutsche und schweizerische Unruhen des 18. Jahrhunderts im Hinblick auf ihre kommunikativen Aspekte untersucht und dabei „eine Kombination von kommunalen, populären und literaten bürgerlichen Formen der Öffentlichkeit“ konstatiert.4 Sozial- und kulturhistorische Studien haben sich ferner mit der Präsenz von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sowie von Männern und Frauen an spezifischen öffentlichen Räumen wie Wirtshaus, Rathaus, Kirche und Marktplatz und mit den sozialen Interaktionen an diesen Orten befasst.5 Damit einher ging das Bemühen, den Begriff „Öffentlichkeit“ für die Vormoderne sozial und räumlich zu differenzieren. Robert Scribner beispielsweise unterscheidet für die frühneuzeitliche Stadt sechs verschiedene Formen von Öffentlichkeit: offizielle öffentliche Meinung, ritualisierte öffentliche Meinung, partielle öffentliche Meinung, öffentliche Meinung der Geselligkeit, öffentliche Meinung des menschlichen Handlungsraums und private öffentliche Meinung.6 Albert SchnyderBurghartz erfasst die soziale, konfessionelle und geschlechtsspezifische Differenzierung lokaler Gesellschaften, die sich in konkreten Interaktionen an öffentlichen Orten manifestierte, sehr treffend, wenn er feststellt, dass „Gemeinde nicht etwas Gleichbleibend-Statisches war, sondern sich immer wieder neu ad hoc definierte. Dauernd wechselnde Diskurs- und Konfliktgegenstände ließen je nachdem unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen entstehen, die sich als Gemeinde bezeichnen. Was gemeinsam war, waren nicht primär von allen geteilte Werte und Einsichten, sondern der Umstand, dass die Mitglieder in die gleichen sozialen Diskurse einbezogen waren, in denen Strategien, Missverständnisse, konfligieren3 4 5 6
Gestrich, Absolutismus, Zitat S. 113. Würgler, Unruhen und Öffentlichkeit, Zitat S. 258. Einen Überblick über neuere Forschungen zu diesem Themenkomplex gibt Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Kommunikation‘. Kümin, Wirtshaus und Gemeinde. Rau/Schwerhoff (Hrsg.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. Schwerhoff, Öffentliche Räume. Scribner, Mündliche Kommunikation. Vgl. Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Kommunikation‘, S. 78–79, 108–109.
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de Ziele und Werte erörtert wurden.“7 Rudolf Schlögl kommt zu dem Schluss, dass öffentliche Orte „kommunikativ selektiv wirkten, weil dort sich jeweils nur bestimmte Dinge ereignen konnten – wenn nicht Frevel und ‚Unrat‘ beabsichtigt war –, von denen aber auch eine kommunikativ determinierende Kraft ausging, weil sie darüber bestimmten, was aus einer Ansammlung von Menschen politisch etwa überhaupt werden konnte.“8 Dieses Kapitel versucht diese Einsichten in die kommunikative Funktion und soziale Bedeutung öffentlicher Räume für Emmendingen fruchtbar zu machen und dabei insbesondere die Multifunktionalität bestimmter öffentlicher Orte, die Interaktionsprozesse an diesen Orten sowie die unterschiedliche Partizipation von Männern und Frauen herauszuarbeiten. Die „repräsentative Öffentlichkeit“ des absolutistischen Fürstenstaates konkretisierte sich in badischen Amtsstädten des 18. Jahrhunderts primär in Form von Huldigungen, Herrscherbesuchen und Hinrichtungen. Nach Gestrich waren diese offiziellen Akte staatlicher Machtdemonstration stets auch Anlässe, zu denen Bevölkerung und Obrigkeit über Aspekte des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens kommunizierten.9 Bei dem feierlichen Herrschaftsakt der Huldigung leisteten alle männlichen erwachsenen Untertanen (Bürger, Hintersassen und Juden über 14 Jahre) einen Treueid gegenüber dem regierenden Fürsten. Huldigungsfeiern fanden in der Regel beim Herrschaftsantritt eines neuen Landesherrn statt und inszenierten die Kontinuität fürstlicher Macht. Allerdings rezipierten die Untertanen nicht nur passiv diese Darstellung von Autorität mittels visueller Symbole, sondern nahmen selbst aktiv daran teil und gestalteten sie mit, so dass die Huldigung als ein diskursiver symbolischer Akt verstanden werden kann, in dem beide Seiten ihr Verhältnis zueinander neu aushandelten. Als Gegenleistung für die Unterordnung der ihm huldigenden Untertanen bestätigte der Landesherr ihnen ihre alten Rechte und Privilegien oder verlieh ihnen neue. Während die Untertanen gelobten, ihrem Herrscher zu gehorchen und zu dienen, versprach letzterer, für das Wohl seiner Untertanen Sorge zu tragen und sie in Kriegs- und Notzeiten zu schützen.10 Im Jahre 1709 wurde in Emmendingen die Erbhuldigung gegenüber dem neuen Markgrafen Karl Wilhelm für alle Gemeinden im badischen Oberland „im Kleinen“, d.h. in Abwesenheit des Landesherrn, durch seine Bevollmächtigten vollzogen. Anstelle der männlichen Bevölkerung nahmen nur die Gemeindevertreter – Stabhalter, Vögte, Richter und Geschworene – daran teil.11 1717 besuchte der Markgraf die Amtsstadt auf der Durchreise zu einer Kur im Glotterbad und wurde mit Salutschüssen empfangen.12 Sieben Jahre später kam der Erbprinz 7 8 9 10
Schnyder-Burghartz, Alltag und Lebensformen, S. 252–253. Schlögl, Vergesellschaftung, S. 50. Gestrich, Absolutismus, S. 114–117. Zur Huldigung vgl. Holenstein, Huldigung. Gestrich, Absolutismus, S. 118–120. Zu Rathaus und Marktplatz als Schauplätzen der Huldigung vgl. für Leipzig Weller, Der Ort der Macht, S. 298–306. 11 StadtA Emendingen, B/IV/3, Fasz. 7. 12 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1717. Vgl. Gestrich, Absolutismus, S. 149. Zur Bedeutung von Geschenken als Medium politischer Kommunikation Groebner, Gefährliche
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Friedrich nach Emmendingen,13 und im Jahre 1729 nahm er an der Grundsteinlegung des neuen Rathauses teil. Von einer Abordnung der Bürger wurde er in Ober- und Unterwehr empfangen und mit Böllerschüssen begrüßt. Am folgenden Tag beteiligte sich der Erbprinz an „dem hiesigen gewohnl(ichen) Scheibenschießen“ und setzte „dabey einen großen silber verguldten Pocal zum Gewinn aus.“ Der Erbprinz gewann den Pokal jedoch selbst und stiftete ihn daraufhin der Schützenkompanie.14 Das Schützenfest in Anwesenheit des Erbprinzen begründete eine neue Tradition in der Stadt; der Markgraf erließ dafür eine eigene Schießordnung, die zum 1. Mai 1730 in Kraft gesetzt wurde.15 Wie bei der Ankunft des Erbprinzen sollte das Schützenfest künftig mit einer Prozession beginnen und „auf den ersten May seinen Anfang nehmen, und wann die Trommel gerührt wird, sowohl ein jeder Schütz als übrige gesamte Bürgerschaft mit Unter- und Obergewehr auf den Platz erscheinen und also samtlich miteinander in der Ordnung mit den Fahnen auf den Schießrain marschieren.“16 Dabei handelte es sich auch um eine Inszenierung der städtischen Eintracht, an der alle bürgerlichen Einwohner teilnahmen. Drei Jahre später wurde der „hohe Geburtstag unßers Durchlauchtigsten Herrn Markgrafen alhier auf dem Rathhaus celebriert“.17 Aus dem Laden Johann Melchior Otts wurden Pulver und Blei für das Exerzieren der Bürgerschaft bei der Ankunft des Fürsten bezogen. Zusätzlich wurden Fahnen und Trommeln angeschafft.18 Der Tod des Erbprinzen im Jahre 1732 und des Markgrafen Karl Wilhelm sechs Jahre später brachte den erst zehnjährigen Karl Friedrich auf den Thron, dessen Amtsgeschäfte bis zu seiner Volljährigkeit von seiner Großmutter Magdalena Wilhelmine und dem Neffen seines Großvaters Karl August kommissarisch geführt wurden. Die Erbhuldigung des Jahres 1738 wurde in der gesamten Markgrafschaft vom Regenten Karl August persönlich abgenommen und mit beträchtlichem Aufwand begangen.19 Am 11. August 1738 fand das Ereignis in Emmendingen statt. Den Auftakt bildeten die Verlesung der Huldigungspredigt von
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Geschenke. Der Landvogt Friedrich von Geusau erhielt zu seinem Amtsantritt 1760 die Summe von 60 Gulden geschenkt. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1760. Johann Georg Schlosser erhielt bei seiner Ankunft in Emmendingen acht Dukaten (40 Gulden) „gleich seinen Vorgängern“ von der Stadt verehrt. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1774. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1723–1724. StadtA Emmendingen, B/IX/2, Extrakt des Protokolls über die Legung des Grundsteins zum neuen Rathaus, 29.5.1729. Anonymus, Schützengesellschaft, S. 7–8. Anonymus, Schützengesellschaft, S. 5–6. StadtA Emmendingen, B/IX/2, Neue Schützenordnung, Emmendingen, 1. Mai 1730. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1749. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1748. Gestrich, Absolutismus, S. 123 nennt als weitere repräsentative Ereignisse Siegesfeiern, Staatsbesuche, Gesandteneinzüge und Krönungsfeierlichkeiten. In Emmendingen können allerdings keine derartigen Feste nachgewiesen werden. Ein aufschlussreiches Beispiel für die Feier eines Herrschergeburtstages findet sich bei Ballis, Identitätsbildung, S. 209–211. Sofern nicht anders belegt, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf Jacob, Erbhuldigung.
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den Kirchenkanzeln, die Begrüßung des Regenten mit Böllerschüssen, dessen Einfahrt an der aufgereihten Bürgerschaft vorbei zum Landvogteihaus sowie die Inspektion der 250 Mann starken Miliz der Landgemeinden. An dem eigentlichen Huldigungsakt auf dem mit Fahnentafeln geschmückten Marktplatz nahmen fast 4000 Männer über 14 Jahren teil, darunter auch 33 jüdische Haushaltsvorstände. Außerdem wurden die herrschaftlichen und kommunalen Amtsträger vereidigt. In diesem Zusammenhang wurden die Privilegien der Stadt erneut bestätigt, besonders das Salzprivileg, auf das die Stadt sehr viel Wert legte. Außerdem wurden dem Regenten Suppliken übergeben, die um die Restituierung „alter, vergessener Privilegien“ baten.20 Anlässlich der Huldigungsfeiern erhielten auch die Judengemeinden ein Privileg, das die Aufnahme eines Sohnes jedes Schutzjuden in den markgräflichen Schutz zusicherte und damit zur Stabilisierung der – rechtlich nach wie vor benachteiligten – Judengemeinden in der Markgrafschaft beitrug.21 Nachdem die Huldigung erfolgt war, zogen sich die „gemeinen“ Männer auf das Grün vor der Stadt zurück, wo sie mit dem Huldigungstrunk und Brot bewirtet wurden. Stadtrat, Pfarrer, Schulmeister, Jäger, Stabhalter, Vögte und weitere Honoratioren wurden auf Kosten des Fürsten im Rathaus verköstigt, und in der Landvogtei waren die Standespersonen, die beiden Oberbeamten Freiherr von Gemmingen und August Friedrich Menzer, der Spezialsuperintendent Nikolaus Louis sowie der Bürgermeister Johann Melchior Ott an die Tafel des Regenten geladen. Das gemeinsame Festmahl diente einerseits der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls der Beteiligten, andererseits spiegelt die Sitzordnung die ständische Gesellschaftsordnung und den Rang des einzelnen Teilnehmers wider.22 Zum Abschluss fand ein großes Fest mit Feuerwerk statt, das nicht nur dem „Amusement“ der Zuschauer diente, sondern einmal mehr die Macht und Herrlichkeit des Herrschers symbolisierte, dem die Untertanen gehuldigt hatten.23 Zwischen dem Stadtbrunnen und dem angrenzenden Wirtshaus wurden Gerüste aufgerichtet, die den Hintergrund für das typisch barocke Feuerwerk bildeten. Den Mittelpunkt der Anlage bildete eine 22 französische Schuh hohe Pyramide, die von innen mit einer blauen Flamme ausgeleuchtet war und die das badische Wappen sowie eine Huldigungsinschrift für die Witwe des Markgrafen Karl Wilhelm und den Regenten Karl August zierten. Flankiert wurde diese Pyramide von zwei kleineren Pyramiden, welche die Inschriften POST NUBILIA PHOEBUS (Nach Wolken Sonne) und CRESCAT FIDUCIA (das Vertrauen wachse) trugen. Die Inschriften sollten den Aufgang eines neuen, strahlenden Herrschers symbolisieren, dem das Vertrauen seiner Untertanen entgegen wächst. Gegen neun Uhr abends wurde das Feuerwerk durch den Regenten entzündet, und die Stadt war fast eine Stunde lang in das Licht der Feuerwerkskörper getaucht. Am Morgen des nächsten Tages ver-
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StadtA Emmendingen, B/IV/3, Fasz. 7. Maurer, Emmendingen S. 169. Holenstein, Bitten um den Schutz. Gestrich, Absolutismus, S. 123–124. Holenstein, Huldigung, besonders S. 434. Gestrich, Absolutismus, S. 118. Vgl. zur Bedeutung der Nacht Schindler, Widerspenstige Leute, S. 216–217.
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ließ Karl August mit seinem Gefolge die Stadt und erhielt als Geschenk noch einen Beutel mit frisch geprägten Huldigungstalern überreicht.24 Im Jahre 1746 feierte die Stadt zwar die Regierungsübernahme des jungen Markgrafen mit Salven und Böllerschüssen,25 doch erst 1765 fand die eigentliche Huldigung statt, die Markgraf Karl Friedrich nun selbst abnahm. Auch zu diesem Anlass scheint es wieder einen Aufmarsch der bewaffneten Männer gegeben zu haben, denn die Stadt kaufte im Laden des Altbürgermeisters Johann Melchior Ott das Schießpulver für „die paradierende Bürgerschafft“. Außerdem wurden Ausgaben für die Illuminierung des Rathauses und ein Feuerwerk getätigt.26 Auch in der Folgezeit bildeten Geburten und Geburtstagsfeiern innerhalb des Herrscherhauses wiederholt Anlass zu Feiern. „Auf die frohe Nachricht der glücklichen Entbindung der durchlauchtigsten Frau Erbprinzessin“ von ihrem ersten Sohn wurde im September 1784 „ein Dank und Freuden Fest gehalten“, bei dem elf Musikanten aus dem benachbarten vorderösterreichischen Stift Waldkirch aufspielten.27 Bei den „Festivitaeten“ und der zu diesem Anlass veranstalteten „Illumination“ wurde eine Reihe von Handwerkern beschäftigt, die für den Aufbau und reibungslosen Ablauf des Feuerwerks verantwortlich waren.28 Im Jahre 1798 stattete Markgraf Karl Friedrich mit seiner Gemahlin Emmendingen erneut einen Besuch ab und bereiste von dort aus die umliegenden Gemeinden.29 Anlässlich des Brautzugs von Marie Antoinette bekamen die Einwohner Emmendingens 1770 auch ein Mitglied der habsburgischen Kaiserfamilie zu sehen. Im Vorfeld der Durchreise der künftigen Königin von Frankreich, die von Freiburg aus anreiste, wurden die Straßen für 23 Gulden instand gesetzt. In Emmendingen nahm die Prinzessin ihr Frühstück in der Posthalterei ein. Zu ihrem Empfang war die markgräfliche Familie fast vollzählig erschienen. Außerdem trat die gesamte Bürgerschaft an, um die zukünftige französische Königin zu begrü24 Goldene Huldigungs- oder Verehrungsdukaten wurden anlässlich dieses Ereignisses in den verschiedenen Ämtern in limitierter Stückzahl geprägt. Diese Dukaten wurden häufig als Patengeschenke oder Schmuckstücke verwendet. Friedrich Wilhelm Nagel beispielsweise besaß 1746 einen Huldigungsdukaten mit Samtband und Perle, dessen Wert um zehn Kreuzer über den 4 Gulden und 20 Kreuzern lag, auf die der Wert des Dukaten 1738 festgelegt wurde. StadtA Emmendingen, B 1b/911. 25 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1746. Er erhielt dafür fünf Gulden und 52 Kreuzer. 26 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1765–1766. 27 Die Stadt zahlte ihnen einen Lohn von 36 Gulden und 31 Kreuzern. Der Engelwirt Trautwein erhielt für ihre Verköstigung 41 Gulden und 50 Kreuzer. 28 Löwenwirt Knoderer versorgte die Zimmerleute, die bei der Vorbereitung des Fests beschäftigt waren, mit warmen Mahlzeiten für zwölf Gulden und zehn Kreuzer. Außerdem erhielten die Handwerker und Tagelöhner, die anlässlich des Freudenfests beschäftigt wurden, Brot und Wein auf Stadtkosten. Das Öl zur Beleuchtung ließ man durch einen Fuhrmann aus Freiburg kommen. Für ihre Arbeit entlohnte man den Schreiner Kantzler mit sieben Gulden und 16 Kreuzern, seinen Kollegen Gruber mit neun Gulden und 55 Kreuzern, den Schreiner Siebenhaar mit 69 Gulden und 39 Kreuzern und den Blechner Kohlschein mit sieben Gulden und 52 Kreuzern. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1784. 29 Issel, Eichstetten, S. 101.
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ßen. Aus dem Ottschen Laden bezog die Stadt einmal mehr das „Schieß-Pulver, vor die Bürgerschafft zum salutiren und vor die Böller.“ Aus der Werkstatt des Seilermeisters Joseph Gäßle in Freiburg wurden 70 Pechkränze und Fackeln „samt 20 Stück flambo“ geliefert. Die Stadttrommeln wurden eigens zu diesem Zweck neu bespannt. Bei Adlerwirt Simon Reinbold wurden die sechs Musiker, die die Stadt aus Breisach zum Fest hatte kommen lassen, für knapp 20 Gulden verköstigt. Die „zwey Trompeteren, zwey Pfeifferen, und zwey Trommelschläger“ erhielten zudem 36 Gulden, da sie „als unsere gnädigsten Fürsten und Herrn allhier angekommen seyn (...) bei der Paradierung der Bürgerschafft“ aufgespielt hatten. Abschließend gab es wieder ein Feuerwerk.30 Im Gegensatz zu Marie Antoinette handelte es sich bei den durchreisenden „morgenländischen Prinzen“, die um dieselbe Zeit in Emmendingen auftauchten, möglicherweise um Hochstapler.31 Im Jahre 1769 musste die Stadt laut oberamtlichem Befehl für „einen reysenden Syrischen Prinzen“ sowohl dessen Zehrungskosten in der Gastwirtschaft zur Post als auch „Trinkgeld“ zahlen. Ferner wurde der „Prinz“ in einer Postchaise unentgeltlich nach Freiburg gebracht.32 Im folgenden Jahr hatte der Postmeister Sander einen „Armenianischen Prinz mit 3 Pferdten nach Waldkirch geführt“ und dafür zwei Gulden und 23 Kreuzer erhalten. Zuvor ließ der „Prinz“ sich noch beim Adlerwirt Reinbold auf Rechnung der Stadt ein Mahl für zwei Gulden und 10 Kreuzer auftischen.33 Huldigungen und Herrscherbesuche wiesen einen hohen Grad an Ritualisierung auf. Der Aufmarsch der Bürger in ihrer Sonntagskleidung, ihre Aufstellung nach Rang und Gemeindezugehörigkeit, gegenseitige Versprechen, die feierliche Bestätigung von Rechten und Privilegien, die Begleitung durch festliche Musik sowie die anschließenden Feiern, die teilweise mit Feuerwerk und Illumination, immer aber mit einem gemeinsamen Mahl begangen wurden, waren feste Bestandteile des Zeremoniells. Zugleich verweisen die Erwähnungen der Musikanten, paradierenden Bürger, Schützen und Festgäste darauf, dass diese Ereignisse von Männern dominiert waren. In ähnlicher Weise war auch das Aufrichten eines Hochgerichts, also der Neubau einer Hinrichtungsstätte, ritualisiert und band die männliche Bevölkerung in ein präzise festgelegtes Zeremoniell ein. Im Jahre 1753 wurde in Emmendingen der Grundstein für ein neues Hochgericht gelegt, welches nicht mehr aus Holz, sondern aus Stein „zu fester Dauer“ errichtet werden sollte.34 Während die Bürgermeister und der Stadtrat zusammentraten, versammelten sich die Handwerker und die gesamte Bürgerschaft „mit gewehrter Hand“ auf dem Marktplatz. Anschließend bewegten sich „Bürgermeister und Rath in schwarzen Mänteln voraus“ und sämtliche „Handwercksleuthe darnach und darauf (…) die bewehrte Bürger30 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1770. 31 Menschen, die sich eine andere Identität zulegten und sich damit Privilegien erschlichen, konnten es mitunter sogar zu Berühmtheit bringen. Mehrere dieser Fälle bei Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 317, 319. 32 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. 33 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1770. 34 GLA Karlsruhe, 198/17.
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schafft“ in den Hof der Landvogtei. Hier reihten sich die markgräflichen Beamten in den Zug ein. Daraufhin zog man in einer Ordnung weiter, die die ständische Gliederung der Bevölkerung reflektierte: Landkommissar Johann Kaspar Döderlein als Vertreter des Oberamts ritt an der Spitze des Zuges, ihm folgten der Landphysikus Christian Emanuel Hauber und der Forstverwalter Johann Georg Zimmer, anschließend der Stadtschreiber Engelhard Eisenlohr und der Einnehmer Engelhard Heinrich Sonntag. Hinter diesen gingen Bürgermeister und Rat „zu Fuß“. Anschließend kamen sämtliche Zunft- und Handwerksmeister mit ihren „Instrumentis fabricantibus“, vor denen die Stadtmusikanten spielten. Den Abschluss bildete die gesamte Bürgerschaft mit „fliegenden Fahnen, und klingendem Spiele, in Ober- und Untergewehr.“ Als sich die Menge um den Platz versammelt hatte, hielt der ranghöchste Vertreter der Obrigkeit, Landkommissar und Renovator Döderlein, eine kurze Ansprache und tat den ersten Hammerschlag im Namen des Markgrafen Karl Friedrich, den zweiten im Namen des Oberamts und den dritten im Namen aller am Hochgericht arbeitenden Handwerker. Danach folgten die Zunftmeister des Amts, schließlich alle anderen anwesenden Männer, geordnet nach ihrem sozialen Rang. Der gesamte Zug folgte exakt den Anweisungen des Markgrafen und wurde genau protokolliert.35 Das strenge Zeremoniell diente einerseits der Demonstration der Einheit der Bürgerschaft und schützte andererseits die Ehre jedes Einzelnen beim Bau der Richtstätte. Damit an den ehrlichen Untertanen und ihren Nachkommen, die beim Bau beschäftigt waren, kein Makel haften blieb und um „selbige wieder alle Diffamierungen und Injurien zu schützen“, wurde diese Prozession seitens des Oberamts angeordnet und allen Untertanen hohe Geldstrafen angedroht, falls sie der Zeremonie fernblieben oder gegen die festgelegte Ordnung verstießen.36 Den Abschluss der Zeremonie bildete ein gemeinsames Festgelage. Dabei wurden der 90köpfigen Bürgerschaft 90 Maß Wein und Brot gereicht. Die Beamten und der „ehrbare“ Rat erhielten 25 Maß Wein sowie Brot und andere Speisen.37 Auch anlässlich der Aufrichtung des Hochgerichts wurde der städtische Raum also zur „Bühne für jene gemeinschaftsstiftenden Rituale, die wichtige Bestandteile der städtischen politischen Kultur darstellten“.38 Eine der wenigen Hinrichtungen, die in Emmendingen genauer dokumentiert sind, fand am 26. April 1732 statt, als der 36 Jahre alte katholische Lerchenwirt Gabriel Göring von Sexau wegen Blasphemie durch den Scharfrichter Johann Georg Frank enthauptet wurde. Göring wurde unter dem Beistand zweier evangelischer Geistlicher auf den Marktplatz vor das Rathaus geführt. Die Richter standen dort auf dem Balkon, und der Stadtschreiber verlas öffentlich das Urteil. Dann brach der Blutrichter den Stab und warf ihn dem Delinquenten vor die Füße. Das 35 Vgl. zur Teilnahme aller Handwerker an der Aufrichtung eines Galgens auch Bader, Prechtal, S. 65 und allgemein Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. II, 1899, S. 528ff. 36 GLA Karlsruhe, 198/17. Vgl. in diesem Kontext auch die Überlegungen zu kirchlichen Prozessionen bei Scribner, Grenzen symbolisieren, S. 336–337. 37 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1753. 38 Schwerhoff, Öffentliche Räume, S. 117.
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anwesende Volk war ein zentraler Bestandteil des Rechtsakts. Das öffentliche Verlesen des Urteils, das Brechen des Stabes und die „professionelle“ Amtsausübung des Scharfrichters garantierten in letzter Instanz die Rechtmäßigkeit des Urteils.39 Anschließend wurde Göring auf die Richtstatt geführt. Nachdem der Pfarrer Theophil Gottlieb Eisenlohr aus dem benachbarten Sexau für alle der Hinrichtung Beiwohnenden eine Predigt gegen das Gotteslästern gehalten hatte, wurde Göring „durch drey nacheinand gefolgte Hiebe, derer der arme Sünder zwei auf dem Stuhl und den 3ten, welcher endlich den Kopf vom Leib vollends abgesondert, auf dem Boden liegend empfangen“, enthauptet. Der Körper Görings wurde anschließend von den Henkersknechten auf der Richtstatt begraben.40 Herrschaftliche Akte wie Huldigungen, offizielle Herrscherbesuche und Hinrichtungen demonstrierten einerseits die Macht des Staates, andererseits konstruierte die Ausnahmesituation derartiger Ereignisse eine Form von Gemeinschaft, die es im städtischen Alltag wohl kaum gegeben hat. Juden und Christen huldigten gemeinsam dem Herrscher, und Vertreter aller Stände partizipierten an den gemeinsamen Festlichkeiten. Hinrichtungen demonstrierten allen Anwesenden – Bürgern und Beamten, Männern und Frauen – die Macht des Staates und seine Gerechtigkeit. Diese im „rituell-kommemorativen Modus“ vollzogenen Akte sollten „durch Wiederholung herrschaftlichem Handeln Geltung“ verschaffen.41 Den Untertanen boten sie zugleich Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Zurschaustellung ihres Ranges in der ständischen Gesellschaft, und nicht zuletzt dürften sie willkommene Abwechslungen in einem Zeitalter gewesen sein, in dem große Events noch selten waren.
2. DAS RATHAUS Im Zentrum der Stadt, mitten auf dem Marktplatz und in Sichtweite der Poststation, wurde 1729/30 das Rathaus im barocken Stil neu errichtet. Zur Grundsteinlegung am 28. Mai 1729 besuchte – wie erwähnt – der Erbprinz Friedrich die Stadt.42 Mit dem neuen Rathaus setzte Emmendingen den stattlichen Verwaltungsgebäuden des Oberamts Hochberg einen repräsentativen kommunalen Bau entgegen, der das bürgerliche Selbstverständnis widerspiegelte.43 Daher wurde auf die Wirkung nach außen wie auch auf die Innenausstattung viel Wert gelegt. Über dem Portal ist noch heute ein Wappenstein zu sehen, der den badischen Hausorden der Treue und das Stadtwappen beinhaltet. Darüber befindet sich ein kleiner Balkon, der vom Sitzungssaal im ersten Stock betreten werden kann. Über dem
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Gestrich, Absolutismus, S. 121. Friedrichs, Das Rathaus, S. 166–167. Vgl. zu diesem Fall ausführlich Schmölz-Häberlein, Scharfrichter, S. 33–34. Brakensiek, Lokale Amtsträger, S. 60. Das Pulver wurde bei Johann Melchior Ott gekauft, der „zur Aufwartung bei Hochfürstl. Sr Hhl. Hohen Anwesenheit“ fast 14 Gulden erhielt. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1729. 43 Zum Rathaus als Kommunikationsraum vgl. besonders Friedrichs, Das städtische Rathaus.
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Dach erhebt sich ein Uhrtürmchen, das die Rathausglocke beherbergte.44 Das Rathaus wurde ferner mit einem Standbild des regierenden Markgrafen Karl Wilhelm geschmückt, dessen Bemalung es deutlich von der Fassade abhob. Damit demonstrierte man die Verbundenheit der Stadt mit dem Herrscher. In der Ratstube sorgten zwei eiserne Öfen, die aus der Reichsstadt Frankfurt geliefert wurden, für Wärme.45 Für die Huldigungsfeier zum Amtsantritt des Regenten im Jahre 1738 wurde der Balkon mit einem kunstvoll geschmiedeten neuen Balkongitter verziert.46 Zehn Jahre später wurden 25 neue Stühle aus Ahorn für das Rathaus gekauft47 und 1752 für mehr als 30 Gulden ein neuer „Tischteppich“ für den Sitzungstisch angeschafft.48 1758 erinnerte das Oberamt den Rat der Stadt daran, dass das Rathausgebäude wieder einmal renoviert werden müsse und der davor liegende Marktplatz neu zu pflastern sei.49 Im folgenden Jahr wurde ein neuer Ofen installiert50 und 1765 wiederum ein Ofen gekauft.51 Der Handelsmann Georg Heinrich Schlözer und seine Frau schenkten der Stadt im Jahre 1762 Porträtgemälde des Markgrafen Karl Friedrich und seiner Frau, so dass auch der aktuelle Herrscher nun visuell präsent war. Später kamen noch ein Bild der zweiten Frau des Markgrafen und der Prinzen Philipp und Louis hinzu.52 Für den Stadtschreiber stand zunächst eine Schreibstube im Rathaus zur Verfügung. Seit 1761 wurden diese Räume an städtische Bedienstete verpachtet und das Archiv im Haus des Bürgermeisters untergebracht.53 1785 schließlich erhielt das Rathaus eine neue repräsentative Uhr.54 Im ersten Stock befindet sich der Sitzungssaal, in dem der Stadtrat tagte und in dem auch Gericht gehalten wurde. Anwesend waren bei den Sitzungen die zwei Bürgermeister, die zehn Ratsmitglieder, der Landvogt (Oberamtmann) und der Stadtschreiber. Zentrale Akte wie die Vereidigung des Bürgermeisters fanden vor
44 Vgl. die Planzeichnung des Rathauses mit Huldigungsbalkon und Glockenturm von 1729 und die Einteilung der Räume im ersten und zweiten Stock: Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 292. 45 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1729–1730. 46 Hetzel, Rathaus, S. 26–28. 47 Die Stadt zahlte einem „Wäldermann“, d.h. einem Lieferanten aus dem Schwarzwald, dafür zehn Gulden und 25 Kreuzer. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1748. 48 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1752. 49 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, 19.6.1758, fol. 84r–92v, 100v–107v. Vgl. hierzu auch Holenstein, „Gute Policey“ I, S. 485. 50 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1759. 51 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1765. 52 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 2.8.1762, fol. 225v. SchmölzHäberlein, Stadtgeschichte, S. 293, 403–403. 53 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 25.6.1761, fol. 173v. 54 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 24.8.1785, fol. 114v. C/IX Stadtrechnung 1785. Zu weiteren Renovierungs- und Verschönerungsarbeiten im Rathaus vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 292–293.
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der versammelten Bürgerschaft statt.55 Als 1758 das Rüge- und Frevelgericht für die Stadt und den Stab in Emmendingen einberufen wurde, wurde es „auf dem Rathaus als dem gewöhnlichen Ort begangen“. Danach wurden alle Bürger und Bürgersöhne, die an der letzten Huldigung von 1738 nicht teilgenommen hatten, vorgelesen und zur Huldigung gegenüber dem Markgrafen angehalten. Im Anschluss wurde ein „Vortrag über die Ursache dieser Zusammenberuffung und deren eigentl(iche) Absicht verleßen“ sowie „die neuere(n) fürstl(ichen) Policey Verordnungen extract weiße“.56 Trotz – oder gerade wegen – der beschränkten Autonomie der Stadt war die symbolische Inszenierung kommunalen Selbstbewusstseins von großer Bedeutung. Dies kommt nicht nur durch den Rathausneubau zum Ausdruck, sondern auch im öffentlichen Auftreten der Ratsherren. 1753 wurde festgelegt, dass die Ratsmitglieder bei offiziellen Anlässen einheitlich gekleidet aufzutreten hatten, wie dies in den größeren Städten schon lange üblich war. Alle Mitglieder mussten sich demnach einen schwarzen Ratsmantel machen lassen, damit „derer Ratsherren eine Gleichheit in den Farben dereinst werde“.57 Oberamtmann Johann Georg Schlosser bestand 1775 noch einmal ausdrücklich darauf, dass sich am Gerichtstag „die Vorgesetzten und Richter auf der gemeinen Stube bescheidentlich und in Mänteln einfinden und wann sie beisammen sind, so hat der Vogt, welcher den Stab führet, den vorhandenen Parteien durch den botten bekannt machen zu laßen, daß eine nach der anderen vortreten und das begehren vorbringen könne.“58 Aber nicht nur Ratsherren, auch Bürger, die vor dem Rat erscheinen mussten, hatten sich der Bedeutung des Ortes angemessen zu kleiden. Im Jahre 1714 erschien Johann Georg Reichert „vor Rath mit einem offenen Camisohl und also in der ohngebühr“ und wurde deswegen gerügt.59 Wenn Einwohner und Einwohnerinnen sich auf dem Rathaus einfanden, geschah dies in der Regel zur Erledigung alltäglicher Geschäfte, etwa um Bittschriften einzureichen, Nachbarschaftsstreitigkeiten zu klären, Injurien anzuzeigen, Testamente zu hinterlegen, Immobiliengeschäfte zu beglaubigen oder Kredite grundpfandlich absichern zu lassen.60 Die meisten dieser Angelegenheiten konnten beim Stadtschreiber erledigt werden. Zivilklagen und Normverstöße wurden vor dem Rat verhandelt, der Geld-, Haft- und Ehrenstrafen verhängen konnte.61 55 Vgl. z.B. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 5.10.1745, fol. 81r. 56 StadtA Emmendingen, B 1a/1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, 19.6.1758, fol. 84r–92v, 100v–107v. 57 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.4.1753, fol. 115r. Zu Ratsmänteln als Zeichen der Würde im Rahmen einer „Kultur des Ansehens“ vgl. Arlinghaus, Gesten, S. 463–464. Medick, Kultur des Ansehens, S. 196–197. Poeck, Rituale der Ratswahl, S. 208– 209. 58 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1775. 59 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 8.2.1714, fol. 140v. Ein vergleichbarer Fall im württembergischen Laichingen findet sich bei Medick, Kultur des Ansehens, S. 196–199. 60 Vgl. allgemein Rau/Schwerhoff, Öffentliche Räume, S. 43. 61 Vgl. Kapitel V, VIII.
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Als sich der Sattler Johann Matthias Meyer 1746 vor dem Rat verantworten musste, weil er das Verbot des Hanfbrechens innerhalb der Stadtmauer übertreten hatte, ließ er sich „durch seine Frau“ vertreten, „weil er noch krank ist“.62 Die Namen von „Übelhausern“ wurden am Rathaus per Anschlag öffentlich bekannt gegeben, bis Oberamtmann Schlosser 1778 veranlasste, dass sie stattdessen öffentlich „ausgeschellt“ werden sollten.63 Das Rathaus lässt sich wohl am besten als Multifunktionsbau der städtischen Gemeinde und zentraler Ort der kommunalen Öffentlichkeit beschreiben:64 Neben den Ratssitzungen und der Protokollierung von Geschäften fanden hier auch verschiedene Tanzveranstaltungen und Zunftversammlungen statt. Frauen nahmen selbstverständlich an den Festen teil, sie waren als Meisterwitwen auch bei Zunftversammlungen zugegen.65 Die Emmendinger Stadtrechnungen dokumentieren über 100 Tanzveranstaltungen, die anlässlich von Hochzeiten auf dem Rathaus abgehalten wurden. Dem Stubenwirt stand der so sogenannte „Hochzeitskronen“ zu, selbst wenn das Brautpaar seine Feier nicht in der Amtsstadt abhielt. So musste 1707 Hans Röthelin „ein Cronen, welche er wegen jüngst vergangener Hochzeit nicht bezahlen wollen, die er in Niederemmendingen gehalten“, angesichts des tradierten Rechts des Stubenwirtes entrichten.66 Die Zahl der Tanzveranstaltungen auf dem Rathaus nahm gegen Ende des 18. Jahrhunderts deutlich zu.67 Außerdem erhielten im späten 18. Jahrhundert auch jüdische Einwohner die Möglichkeit, dort ihre Tänze abzuhalten. 1775 veranstalteten Baruch Schwab, „der Jud bei der Landvogtei“,68 und Herzel, der seine Braut Schena „unter den Trauhimmel“ führte, Tänze auf dem Rathaus.69 1781 organisierte Baruch Schwab mindestens zwei Tänze im Rathaussaal und zahlte dafür zwei Gulden 40 Kreuzer in die Stadtkasse.70 Vier Jahre später durften „des Judenschulz Dochtermann“ Lazarus Bloch und Moses Levi anlässlich ihrer Hochzeit im Rathaus tanzen,71 und 1793 feierten dort Nathan Dukas Haas und Miriam Schwabin.72 Jüdische Feste wurden nun also in aller Öffentlichkeit gefeiert, und vermutlich nahmen auch Christen daran teil.73 Im Mai 1787 veranstaltete eine deutsche Schauspielgesellschaft „ihr Theater auf dem hiesigen Rathaus“.74 62 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 5.12.1746, fol. 149r–149v. 63 StadtA Emmendingen, C/VIII/13 (Ratsprotokoll 1778), 11.11.1778, fol. 46r–46v. 64 Zum Rathaus als Multifunktionsbau vgl. Friedrichs, Das städtische Rathaus, S. 161–164. Speziell zu Leipzig: Weller, Orte der Macht. 65 Vgl. Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber, und die Biographie der Anna Maria Barbara Stiefelin in Kapitel III. 66 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 15.1.1707, fol. 40v. 67 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1700–1800. 68 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1775. 69 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 17.8.1775, fol. 64r. C/IX Stadtrechnung 1775. 70 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1781. 71 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1785. 72 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1793. 73 Vgl. Jung, Württembergische Kirche, S. 167–170. 74 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1787. Siehe auch Kap. V.6.
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Im Rathaus befanden sich auch eine Gastwirtschaft, Wohnungen und ein Gefängnis. Geschäfte wurden mit einem anschließenden Weinkauf in der Stubenwirtschaft abgeschlossen.75 Die Kaufverträge regelten, welche der beteiligten Parteien die Zeche zu zahlen hatte. Beim Verkauf eines Ackers im Jahre 1710 beispielsweise teilten sich die Parteien den Weinkauf.76 Dieser fand in der Regel öffentlich statt und bescherte dem Stubenwirt ein lukratives Geschäft. 1747 ließ der neue Pächter der Stubenwirtschaft Johann Georg Koch das Privileg des Weinkaufs ausdrücklich in seinem Pachtvertrag festschreiben.77 Im folgenden Jahr beschloss der Rat in einer außerordentlichen Sitzung, die Stubengerechtigkeit nicht mehr an das Rathaus zu binden, sondern in ein Privathaus zu übertragen. Dem Stubenwirt wurde jedoch sein Anspruch auf die „Zehrungen“ zur Besiegelung von Kauf- und Tauschgeschäften explizit bestätigt. Bei einem Geschäftswert von 100 Gulden hatte man vier Gulden zehn Kreuzer, bei einem Abschluss über 200 Gulden sieben Gulden 30 Kreuzer und bei einem Geschäft über 300 Gulden neun Gulden 30 Kreuzer zu verzehren.78 Zudem wurde der große Rathaussaal weiterhin für größere Festveranstaltungen genutzt, und der Stubenwirt hatte für die Bewirtung zu sorgen. Im Jahre 1746 schlug der Stadtschreiber Engelhard Eisenlohr vor, über den geplanten Stallungen beim Rathaus auch eine Schreiberwohnung zu bauen, denn „die Erfahrung lehre, (dass) mit manchem Verlust und Zerstreuung derselbe von einem privaten Hauß in das andere wandlen müße“.79 Eisenlohr zog daraufhin mit Frau und Kindern für kurze Zeit in das Rathaus ein. 1754 wohnte die Witwe des Einnehmers Karl Gottlieb Rabus, Salome Mentonin, vorübergehend in einigen Zimmern des Rathauses und zahlte dafür eine Jahresmiete von 15 Gulden.80 Zwei Jahre später mietete der Skribent Johann Georg Meyer ein Zimmer auf dem Rathaus. Sein Schwiegervater Johann Martin Wolf bürgte für die Miete von acht Gulden, die der junge Mann kaum aufbringen konnte, da er bereits eine Familie zu ernähren hatte.81 Mehrere Jahre lebte Anna Katharina Letzmannin, die Witwe des Hutmachers Schweickert, in der oberen Wohnung des Rathauses und zahlte 75 Vgl. Tlusty, Bacchus, S. 126–128. 76 Wer den Weinkauf zu zahlen hatte, wurde jedes Mal neu ausgehandelt. Die Möglichkeiten illustrieren drei Beispiele von Kaufverträgen, an denen Johann Friedrich Göring jun. beteiligt war. 1709 kaufte Göring von Johann Georg Schillinger 1/2 Juchert Acker „auf der Lerch“ und ein Juchert Matten „in den Wiedenmatten“ für 55 Gulden. Den Weinkauf zahlte in diesem Falle der Verkäufer. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 6.6.1709, fol. 76r–76v. Georg Joseph Bürklin kaufte 1710 von Göring 1/2 Juchert Acker „im Kalkofen“ für 46 Gulden und drei Kreuzer. C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 22.5.1710, fol. 97v– 98r. 1711 kaufte Göring von Johannes Frei 1/2 Juchert Wildfeld „im Kastellberg“, das dem Kloster Tennenbach zinspflichtig war, für 13 Gulden und 12 Batzen. Diesmal bezahlte der Käufer den Weinkauf. C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 3.12.1711, fol. 119v. 77 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 26.12.1747, fol. 186v–188v. 78 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 10.10.1748, fol. 280v–283r. 79 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 9.5.1746, fol. 119v–120v. 80 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1754. 81 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 22.11.1756, fol. 278r. C/IX Stadtrechnung 1757.
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dafür jährlich acht Gulden Miete.82 In der seit 1761 als Wohnung vermieteten ehemaligen Schreibstube wohnte unter anderem der zum Christentum konvertierte Jude Christian Ostermann, dem die Stadt 1775 allerdings die Wohnung kündigte.83 Im Kriegsfall schließlich diente das Rathaus als Lazarett und Waffenlager. Als Johannes Frei im Jahre 1745 die Stubenwirtschaft auf drei Jahre pachtete, wurde ihm für den Fall kriegsbedingter Einquartierungen vertraglich ein Nachlass an der Pachtsumme von zehn Gulden eingeräumt.84 Freis Nachfolger als Pächter der Rathauswirtschaft Johann Georg Koch erhielt zwei Jahre später die Auflage, im Falle eines Krieges das Gemach der Stadtschreiberei für ein Lazarett herzugeben.85 1797 wurden alle Bürger wegen der Einquartierungen, „welche Herr Bürgermeister Georg Matthias Berblinger nicht länger mehr versehen will“, in die Stubenwirtschaft gerufen, „da die Ratsstube mit Kriegssachen angefüllt ist“, um gemeinsam über die Lösung der anstehenden Probleme zu beraten.86 Im November dieses Jahres wurden Teile der kaiserlichen Truppen im Rathaus, andere im Hirtenhaus untergebracht. Sieben Öfen mussten damals rund um die Uhr beheizt werden.87 Sowohl aufgrund seiner zentralen Lage als auch aufgrund seiner vielfältigen Funktionen als Versammlungs-, Wahl-, Sitzungs-, Verkündigungs- und Veranstaltungsort war das Rathaus der Mittelpunkt der Stadt. Es repräsentierte deren Bedeutung nach außen und verkörperte die Autorität der städtischen Institutionen nach innen.88 Im Rathaus und auf dem ihn umgebenden Marktplatz bündelten sich politische, ökonomische und gesellige Aktivitäten, und hier wurde die öffentliche Meinung maßgeblich geformt. Aufgrund seiner vielfältigen Funktionen war das Rathaus auch ein Ort, an dem sich regelmäßig Frauen einfanden. Sie waren zwar von Ratswahlen und Ratssitzungen ausgeschlossen, doch nahmen sie als Klägerinnen und Zeuginnen an Gerichtstagen ebenso teil wie an Geschäftsabschlüssen und den zahlreichen Festveranstaltungen.
3. DER MARKTPLATZ Wie das Rathaus war auch der Marktplatz ein multifunktionaler Ort, an dem nicht nur die Wochenmärkte – unter reger Beteiligung von Frauen – abgehalten wurden,89 sondern auch zeremonielle Akte wie Huldigungen und Urteilsverkündun82 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. 83 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 2.2.1775, fol. 10r–10v. 84 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 27.12.1745, fol. 94v–95r, 26.12.1747, fol. 186r–188v. 85 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 26.12.1747, fol. 186v–188v. Dafür sollten ihm zehn Gulden von der Pachtsumme erlassen werden. 86 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 27.2.1797, fol. 107r. 87 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 15.11.1797, fol. 195r. 88 Vgl. Schwerhoff, Öffentliche Räume, S. 120–122. 89 Vgl. hierzu auch Eibach, Böse Weiber, S. 686.
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gen stattfanden, Ehrenstrafen vollzogen, Nachrichten ausgetauscht und Gerüchte gestreut wurden. Die Reinigung des Marktplatzes war übrigens Frauensache: er musste von den „über eigenem Brot sitzenden Weibsleuth(en), Witwen, wie ledige(n) Bürgerinnen und Hintersassen“ sauber gehalten werden.90 Nur wenige Frauen erhielten eine Befreiung von diesem kommunalen Dienst,91 der eine Art Pendant zur von Männern versehenen Nachtwache darstellte. Wiederholt war der Marktplatz und insbesondere der nach dem Dreißigjährigen Krieg wiederhergestellte und seitdem mehrfach erneuerte und umgestaltete Marktbrunnen92 Schauplatz von Konflikten zwischen Einwohnern, denen aufgrund der exponierten Lage ein erhöhtes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit zuteil wurde. Im Jahre 1711 schlug der Metzger Johann Frei seinen Zunftgenossen Jacob Arnold beim Marktbrunnen mit Fäusten.93 Ein Gerücht, das Matthias Mercklin 1714 über Johann Jakob Zimmermann am selben Ort in die Welt setzte,94 verbreitete sich schnell unter der Einwohnerschaft. Zimmermann beklagte sich vor dem Stadtrat, Matthias Mercklin habe ihn „vor 14 Tagen (…) an offentlichen Margt brunnen beschuldigt und außgeben, daß er seiner Maget ein huren kindt anbefohlen.“ Da „ein solches ihme an seiner Ehren nachtheilig und schimpfl(ich)“ sei und er es daher „nicht auff sich sitzen lassen“ könne, ersuchte er um die Wiederherstellung seiner Ehre. Matthias Mercklin musste Zimmermann Abbitte leisten, da sein Gerücht als „Weibergeschwätz“ angesehen wurde,95 dem manche Einwohnerinnen und Einwohner offenbar Glauben schenkten. Einen wahren Kern enthielt dieses „Geschwätz“ offenbar durchaus, denn die Magd Katharina Langin, die bei Zimmermann in Diensten gestanden hatte, musste in diesem Jahr eine Unzuchtstrafe von acht Gulden zahlen.96 Darüber hinaus war der Marktplatz ein Ort, an dem Leibes- und Ehrenstrafen wie das Stellen in die so genannte Geige oder das Verabreichen von Stockhieben 90 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 9.7.1767, fol. 214v. Diese städtische Anordnung trat spätestens 1767 in Kraft. Vermutlich war dies aber schon lange üblich. 91 Beispielsweise erhielten Maria Magdalena Bentzingerin wegen ihres Berufs als Näherin sowie die Nähschullehrerin Salome Scherbergerin eine Befreiung. Die ledige Eva Policena Hafnerin wurde freigestellt, weil sie kränklich war und nichts verdiente. StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 12.8.1767, fol. 217v. 92 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1661. Vgl. exemplarisch: Bauakkord mit Johann Felician Hegenauer von Pfullendorf, StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1732. Akkord mit Anton Hügelin aus Heimbach, C/IX Stadtrechnung 1757. Akkord für Messinghähne mit Zinngießer Ferdinand Madamé in Freiburg, C/IX Stadtrechnung 1761. Der heutige Brunnen wurde an 16.9.2006 anlässlich der Veröffentlichung der Stadtgeschichte eingeweiht. 93 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 27. März 1711. Er hatte daraufhin eine Strafe von 22 Schillingen oder 1 Gulden 28 Kreuzer 22 Batzen zu zahlen. 94 Zum Gerücht vgl. Gestrich, Absolutismus, S. 136. Sabean, Das zweischneidige Schwert, S. 173–174. 95 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 24.10.1714, fol. 156r–156v. Heidegger vertritt die Auffassung, dass das „weibliche“ Geschwätz nicht nur einfach Gerede war, sondern ihm eine regulierende Funktion für die lokale Gesellschaft zukam. Heidegger, Kommunikationsräume, S. 189–191. 96 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1714–1715.
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öffentlich vollzogen wurden. Diese „spiegelnden Strafen“ sollten den Zuschauern und Passanten die Vergehen der Bestraften plastisch vor Augen führen und die Delinquenten selbst vor der übrigen Einwohnerschaft beschämen.97 Die eben erwähnte Magd Katharina Langin wurde 1715 „wegen Weinabtragens“ aus dem Keller der Burgvogtei eine Stunde lang in die Geige gestellt und hatte zusätzlich eine Geldstrafe von sechs Gulden zu erlegen.98 1737 wurde Anna Gutjahrin wegen eines Diebstahls, zu dem sie auch ihre Kinder angestiftet hatte, die „Nacht in dem Häuslein verwahrt“ und am folgenden Sonntag „nach der Predigt in die Geige gestellt“.99 Der Küferlehrling Heinrich Löcher hatte dem Rotgerber Daniel Schuhmacher 30 Felle gestohlen und an den Juden Simon Weil verkauft, wofür er mit einer zweistündigen Geigenstrafe auf dem Marktplatz zur Marktzeit und anschließendem Stadtverweis bestraft wurde.100 Maria Magdalena Mellertin wurde 1749 wegen Diebstahls 24 Stunden ins „Häuslein“ gesetzt und musste 45 Kreuzer Strafe zahlen. Im Wiederholungsfall drohte man ihr mit der Geige und gegebenenfalls mit dem Halseisen.101 1758 bestrafte sie der Rat mit einer Stunde Geige nachmittags während der Marktzeit.102 Magalena Gutjahrin aus Landeck musste im folgenden Jahr wegen des Diebstahls von Blumenstöcken eine Stunde „in die Geige.“103 Die Ehrenstrafen wurden also bewusst so terminiert – sei es sonntags nach dem Gottesdienst, sei es wochentags während des Markgeschehens –, dass ein größeres Publikum und eine entsprechende öffentliche Resonanz gewährleistet war. Im Jahre 1764 musste Johann Bernhard Kiefer wegen des Diebstahls von Erdäpfeln „öffentlich am Stadtbrunnen unter Anhängen seiner gestohlen Waar, zwey Stunden lang“ stehen. Gesellschaft leisten musste ihm dabei Johann Ludwig Holzschuh, der im Weinberg von Matthias Maurers Eltern Pfirsiche und Gurken gestohlen hatte. Holzschuh wurden „Cucummeren“ um den Hals gehängt, als er eine Stunde in der Geige stand.104 Die katholischen Maurergesellen Sebastian Kuhn und Johannes Halbirz hatten an einem kirchlichen Festtag „bey der Rückkehr aus der Tennenbacher Kirch“ Nüsse gesammelt. Dafür wurde „der Kuhn mit 20 und der Halbirz, als junger mit 15 Stockstrichen vor dem Marktbrunnen auf
97 Zu Ehrenstrafen auch Hull, Sexuality, S. 79–81. Schwerhoff, Verordnete Schande. SchnabelSchüle, Überwachen und Strafen, S. 143–147. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 386–390, 401– 404. 98 GLA Karlsruhe, 198/209. 99 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 26.10.1737, fol. 50r. 100 StadtA Emmendingen B 1a/5. Auf diese Akte bezieht sich der gesamte geschilderte Fall. Die Zitate finden sich fols. 23v–26v. Ausführlich dazu Schmölz-Häberlein, Integration, S. 362– 365. 101 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1744–1749), 10.10.1749, fol. 344v. 102 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 10.12.1758, fol. 52r–52v. Vgl. ausführlich zum Fall der Magdalena Mellertin Kap. VIII. 103 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 7.5.1759, fol. 69r–69v. Zum Diebstahl von Naturalien in wirtschaftlichen Notlagen vgl. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 140–144. 104 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 9.10.1764, fol. 39r–39v.
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dem podiam“ vom Stadtboten gezüchtigt.105 Auch in den folgenden Jahren wurden immer wieder Männer, Frauen und Jugendliche mit der Geige oder mit Stockschlägen bestraft, meist wegen gewöhnlicher Diebstähle.106 Im Jahre 1771 präzisierte Landvogt Friedrich von Geusau die Strafvorschriften. Die Schulkinder sollten bei Vergehen in der Schule gezüchtigt, die Jugendlichen und Erwachsenen bei Normverstößen in der Geige „auf den Lasterstein unter Anhängung der gestohlenen Gegenstände gestellt werden“.107 Als 1773 der Metzger Johann Jakob Frick die Strickschullehrerin Anna Maria Wagnerin als Traubendiebin anzeigte, wurde sie auch unverzüglich „in die Geige auf dem Marcktplatz gestellt und ihr zum Zeichen ihres Diebstahls Trauben angehängt.“108 Drei Jahre später musste der Bürgersohn Jakob Schöchlin viermal für 24 Stunden bei Wasser und Brot ins Gefängnis und, da er schon mehrmals Holz gestohlen hatte, zusätzlich in die Geige.109 Der Nagler Andreas Grafmüller erhielt 1786 wegen verbotenem Schlagens von Ästen im Wald sechs Stockschläge,110 und ein Jahr später wurden der Weber Simon Keller und der Lehrjunge des Müllers Stuck von Nimburg wegen Fruchtdiebstahls jeweils eine halbe Stunde lang während des öffentlichen Markts in die Geige gestellt.111 Dieselbe Strafe erhielt 1791 der Tagelöhner Johann Georg Hess, weil er „5 bis 6 Stöcke junge Reben ausgegraben und verkauft“ hatte.112 Diese Form der spiegelnden Strafen, bei denen neben der Stellung in die Geige auch das gestohlene Gut attributiv am Körper des Delinquenten angebracht wurde, scheint vor allem im Oberrheingebiet gebräuchlich gewesen zu sein.113 Zwei Suizide, die sich auf dem Emmendinger Marktplatz ereigneten, lassen vermuten, dass die Selbstmörder mit ihrer Verzweiflungstat ebenfalls die Aufmerksamkeit der städtischen Öffentlichkeit suchten. Im Frühjahr 1675 hatte der Emmendinger Bürger Martin Steinhilber, der an einer „hitzig(en) Hauptkrankheit“ litt, „sich selbst (…) morgens gar früh zu halb dreyen im Marktbrunnen zu 105 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 9.10.1764, fol. 40v. 106 „Buben“ Johann Georg Kromers 1766: StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764– 1768), 26.6.1766, fol. 141r–141v. 6.8.1766, fol. 150r. Anna Maria Trautmannin 1767: StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 9.7.1767, fol. 215r. Maria Elisabeth Kempfin 1769: StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 9.3.1769, fol. 16v. Andreas Mayer 1769: StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 9.11.1769, fol. 68r. 107 StadtA Emmendingen, C/X/1 (Verordnungsbuch 1755–1823), 29.5.1771. 108 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 2.9.1773, fol. 298v–299r. 109 StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 14.3.1776, fol. 26v–27r. 110 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 3.1.1786, fol. 135r–135v. 111 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 4.10.1787, fol. 246r–246v. 112 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 14.4.1791, fol. 40v. 113 Vgl. hierzu auch Schnyder-Burghartz, Alltag, S. 332. Hier wird das Beispiel einer Krautdiebin angeführt, der ein Krautkopf auf den Kopf gebunden wurde und die zusätzlich in der Gemeinde ausgetrommelt werden sollte. Im Gegensatz zum süddeutschen und Schweizer Raum verloren spiegelnde Strafen in anderen Teilen des Reiches im 18. Jahrhundert stark an Bedeutung. Vgl. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 402–404. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 117–120, 148–149.
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E(mmendingen) ertränkt.“114 Im Jahre 1714 nahm sich Anna Maria Hartmannin, die wie Steinhilber von einer „grassierenden Hauptkrankheit“ geplagt wurde, das Leben. „Sie ertrank im Marcktbrunnen, in den sie im Fieberwahn sprang.“115 Im Kriegsfall schließlich schlugen durchziehende Truppen bisweilen ihr Lager auf dem Marktplatz auf und führten damit der städtischen Öffentlichkeit ihre Präsenz sichtbar vor Augen. Während der Generalstab der französischen Revolutionsarmee sich im Juli 1796 in der Poststation bewirten ließ und dort Konfekt verzehrte, das der Zuckerbäcker Haas liefern musste, wurden die Soldaten auf dem Marktplatz verpflegt. Der Wirt Christian Stuck hatte Bier geliefert und „auf dem Marcktplatz denen französischen Truppen ausgezapft“.116 Insgesamt ist festzuhalten, dass das Geschehen auf dem Marktplatz – ob es sich um Huldigungen, Ehrenstrafen oder militärische Besetzungen handelte – dank seiner exponierten Lage für alle Bewohnerinnen und Bewohner sichtbar war. Hier wurden nicht nur Waren verkauft, sondern auch Gerichtsurteile vollstreckt, Gerüchte in die Welt gesetzt und Feste inszeniert.
4. WAHLEN VON MÄNNERN, WAHLEN VON FRAUEN Da die Markgrafschaft Baden den Kommunen in ihrem Herrschaftsbereich nur eine begrenzte Selbstverwaltung zugestand, wurden auch die Termine für Wahlen der städtischen Amtsträger vom Oberamt festgesetzt, und die Wahl selbst fand unter Aufsicht der landesherrlichen Beamten statt. Der Oberamtmann war dabei in der Regel persönlich anwesend, und die Bürgermeisterwahlen wurden spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts unter den Porträts des Herrschers und seiner Frau im Rathaus abgehalten.117 Neue Ratsmitglieder wurden vom amtierenden Rat nach einem bestimmten Turnus sowie im Falle von Vakanzen kooptiert. Im Jahre 1716 vermerkte das Ratsprotokoll: „Seit alters her ist es Gewohnheit, 2 Ratsmitglieder auszuwechseln.“ Bei den Neuwahlen wurden daraufhin die älteren Ratsmitglieder Paul Baudemann und Hans Michael Erler durch die deutlich jüngeren Jakob Friedrich Hartmann und Christian Sander ersetzt.118 Dieses Verfahren garantierte ein hohes Maß an Kontinuität und sicherte die lokale Machtposition der etablierten Familien ab. Rudolf Schlögl weist nachdrücklich auf den rituellen Bestätigungscharakter frühneuzeitlicher Wahlen hin: Demnach wurden „die politischen und sozialen Ordnungszusammenhänge für die städtische Gemeinschaft überhaupt erst Realität“, wenn sie in Ritualen wie der Ratswahl „erzeugt“ wurden. Die Ordnungsmuster und Strukturen der Kommune „gewannen im geformten Vollzug erst soziale 114 115 116 117
StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 19.7.1797, fol. 176r–177v. Die Porträts des Markgrafen Karl Friedrich und seiner beiden Ehefrauen sind abgebildet in Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 402–403. 118 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 16.4.1716, fol. 191v–192r.
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Realität.“119 Weil „Wahlen in der Regel zum politischen Vorschein brachten, was sozial ohnehin der Fall war, durfte man sich der Wahl in ein Amt meist nicht oder nur unter hohen Bußen entziehen.“120 Auch in Emmendingen kam es nur sehr selten vor, dass ein in den Rat gewählter Bürger das Amt ablehnte. Als der Wirt Johann Michael Knoderer nach seiner Wahl „gänzlich die Annahm dieser Stelle“ verweigerte, sorgte dies für beträchtliche Irritationen, da nach Ansicht des Rates auch für ihn eine „Verbindlichkeit, dem gemeinen Weeßen, gleich jedem anderen Bürger zu dienen“ bestand. Das durch Knoderers Weigerung entstandene Problem konnte nur durch einen landesherrlichen Dispens gelöst werden.121 Die beiden höchsten städtischen Amtsträger, der Bürgermeister und der Baumeister, wurden von der gesamten männlichen Bürgerschaft aus dem Kreis der aktiven Ratsmitglieder gewählt. Die Wahl erfolgte auf Lebenszeit bzw. bis zum Rücktritt des Amtsinhabers aus Alters- oder Krankheitsgründen. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wechselten sich Bürgermeister und Baumeister in einem Turnus von zwei Jahren in ihren jeweiligen Ämtern ab. Alle Männer, die das Bürgerrecht besaßen, waren verpflichtet, an der Wahl – die öffentlich stattfand – teilzunehmen. Bei unentschuldigtem Fehlen musste eine Strafgebühr entrichtet werden. Im Jahre 1737 beispielsweise waren 57 Bürger stimmberechtigt, und 1754 gaben 82 der 90 wahlberechtigten Männer bei der Bürgermeisterwahl ihre Stimme ab.122 Die Wahlen zu diesen kommunalen Spitzenämtern hatten den Quellen zufolge durchaus einen kompetitiven Charakter: So traten bei der Baumeisterwahl von 1703 sechs Kandidaten an, von denen der Schuhmacher Paul Baudemann mit 14 der 32 abgegebenen Stimmen die Mehrheit erhielt.123 Der Posthalter und Kronenwirt Johann Christian Sander wurde im März 1723 mit den Stimmen von sieben der zehn Ratsmitglieder und 27 der 58 Bürger zum Bürgermeister gewählt.124 Bei der Bürgermeisterwahl des Jahres 1745 erhielt der Apotheker Wilhelm Ludwig Willius 33 der 61 abgegebenen Stimmen.125 Neun Jahre später erhielt Johann Christian Sander mit 36 der insgesamt 82 Stimmen eine Mehrheit. Da er die Wahl nicht annahm, wurde Emanuel Christian Eccardt, der nur 20 Stimmen auf sich vereinigen konnte, als Zweitplatzierter zum Bürgermeister bestimmt. Im Anschluss an die Wahl wurde Eccardt vereidigt und ihm „Staab und Siegel übergeben, (…) und
119 Schlögl, Vergesellschaftung, S. 46–47. 120 Schlögl, Vergesellschaftung, S. 33. 121 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 16.2.1762, fol. 193v, 3.5.1762, fol. 202v. HRK 853, 3.3.1762. 122 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 20.2.1737, fol. 23r–25r. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 24. Mai 1754. Vgl. auch Anonymus (Ernst Hetzel), Bürgermeisterwahl, S. 28–29. 123 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 26.12.1703, fol. 13r. 124 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.3.1723, fol. 97r. 125 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (1744–1749), 31.7.1745, fol. 70v–73v. C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 20.5.1754, fol. 160v.
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haben endlich Rath und Burgerschafft mit dem neuen Amtsburgermeister Handgelübd getan, demselben schuldige Folge zu leisten.“126 Wie in anderen frühneuzeitlichen Städten blieben die höchsten kommunalen Ämter in Emmendingen weitgehend Angehörigen der besonders angesehenen und vermögenden Familien vorbehalten. Die Besetzung der Baumeisterstelle mit einem einfachen Schuhmacher am Anfang des 18. Jahrhunderts blieb eine Ausnahme, und der wenig vermögende Schuhmacher Paul Baudemann hatte als Pfarrerssohn immerhin eine überdurchschnittliche Schulbildung genossen.127 Die meisten Bürgermeister im 18. Jahrhundert waren Wirte, Posthalter, Kaufleute oder Apotheker, die bei Wahlen ihre jeweilige Klientel mobilisieren konnten.128 Daneben hatten vor allem die Wahlen der Zunftmeister der Hochberger Zünfte für die erwachsenen männlichen Einwohner erhebliche Bedeutung. Wahlberechtigt waren alle eingeschriebenen Meister. Obwohl damit naturgemäß auch die Zunftmeisterwahlen männlich dominiert waren, zeigen die Quellen, dass Meisterwitwen, die das Gewerbe ihres verstorbenen Mannes weiterführten, mit allen Rechten an den Zunftversammlungen teilnahmen. Daher ist davon auszugehen, dass sie auch bei den Wahlen mitstimmten.129 Neben den rein männlichen Rats- und Bürgermeisterwahlen und den männlich dominierten Zunftmeisterwahlen gab es jedoch auch einen Wahlakt, an dem ausschließlich Frauen teilnahmen: die Bestimmung der Hebamme. In der Tatsache, dass diese den Frauen überlassen wurde, spiegelt sich die Grundüberzeugung frühneuzeitlicher Gesellschaften wider, dass die politische und geschäftliche Vertretung des Haushalts nach außen eine Domäne des – im Regelfall männlichen – Haushaltsvorstands war, während der „intime“ Bereich der Reproduktion und weiblichen Körperlichkeit in der Verantwortung – oder zumindest in der Mitverantwortung – der Frauen lag.130 Während einerseits davon auszugehen ist, dass Frauen hohe Erwartungen an das Erfahrungswissen der Hebamme, ihre Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit und Vertrauenswürdigkeit setzten, hatte diese andererseits auch eine obrigkeitliche Funktion zu erfüllen. Ihre Aufgaben waren in einer Hebammenordnung niedergelegt,131 sie hatte einen Amtseid zu leisten, nahm Nottaufen vor und befragte ledige Mütter in den Geburtswehen.132 126 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 24.5.1754, fol. 163r–166v. Vgl. auch Anonymus (Ernst Hetzel), Bürgermeisterwahl, S. 28–29. 127 Neu, Badisches Pfarrerbuch II, S. 38. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Maurer, Emmendingen, S. 155. 128 Vgl. Kap. II.2. Pfister, Klientelismus verweist auf die Patronagebeziehungen dieses Personenkreises. 129 Vgl. Kap. III.7 und VI.1. 130 Norton, Founding Mothers, besonders Kap. 4. Vgl. für Mitteleuropa Gleixner, Hebammen. Labouvie, Beistand in Kindsnöten. Labouvie, Selbstverwaltete Geburt. Metz-Becker, Geburtshilfe. Wirthlin, Hebammenwahlen. Allgemein auch Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 52–53. Wunder, Er ist die Sonn’, S. 139–144. 131 Landesordnung 1715, Hebammenordnung 10 Titul § X. 132 Vgl. Ulrich, Ihre Arbeit – seine Arbeit. Gleixner, Hebammen. Dinges, Geburt, S. 148. François, Koblenz, S. 40–41. Schnyder-Burghartz, Alltag und Lebensformen, S. 261. Labouvie, Andere Umstände, S. 149–151. Das Problem der Verschwiegenheit wurde bei einer Heb-
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Hebammenwahlen unterschieden sich in mehrfacher Hinsicht von den Ratsund Bürgermeisterwahlen. Während die Männer die kommunalen Amtsträger auf dem Rathaus wählten, fand die Wahl der Hebamme bis in die 1770er Jahre in der Sakristei der lutherischen Stadtkirche unter dem Vorsitz des Pfarrers statt. Der Wahlakt in einem Raum, in dem Kultgegenstände für den Gottesdienst aufbewahrt wurden, sowie die Anwesenheit des Geistlichen verliehen der Wahl einer Person, in deren Hände die Frauen bei der Geburt ihr Schicksal legten, einen quasi sakralen Charakter. Während die Männer ihre Stimme öffentlich vor der versammelten Bürgerschaft abgaben, wurden die Frauen einzeln in die Sakristei gerufen, wo ihre Voten protokolliert wurden. Außerdem konnten sich Frauen, anders als Männer, bei der Hebammenwahl vertreten lassen. 1779 wurden erstmals „die alhiesigen Weiber (…) auf das hiesige Rathhaus vorgeladen, (…) wo man sodann selbige, ab und eine nach der anderen vortretten lassen.“ Wahlberechtigt waren alle „verheuratheten Bürgersfrauen“ unter 40 Jahren.133 Jüdische Frauen konnten nicht wählen, da ihre Männer keinen Bürgerstatus genossen und sie wohl auch in der Sakristei einer christlichen Kirche nicht geduldet worden wären. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sie in Notfällen die Dienste der christlichen Hebamme in Anspruch nahmen, sofern sie ihr vertrauten.134 Ähnlich wie im Saarland wurden in Emmendingen durchweg ältere, teilweise bereits verwitwete Frauen, die bereits selbst entbunden hatten, gewählt.135 Die überlieferten Wahllisten zeigen gewöhnlich klare Mehrheitsverhältnisse. Unter den wahlberechtigten Frauen bestand also offensichtlich ein breiter Konsens darammenwahl in den 1660er Jahren ausführlich thematisiert. Vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 380. 133 StadtA Emmendingen, B/VIII/2, Fasz. 1. C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1755), 18.10.1753, fol. 133r–133v. C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 13.7.1769, fol. 39r. C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 14.9.1775, fol. 81v. C/VIIII/12 (Ratsprotokoll 1788–1790), 20.1.1789, fol. 119r–119v. GLA Karlsruhe, 198/604. Neben dem Pfarrer war wohl nur der Schreiber anwesend. Die These, dass die Frauen der anwesenden Männer eine zentrale Rolle bei der Meinungsbildung gespielt hätten, kann für Emmendingen nicht verifiziert werden. Im Gegensatz zu Baden waren im Saarland auch Frauen über 40 Jahre wahlberechtigt. Labouvie dokumentiert Hebammenwahlen in Schulhäusern, Wirtshäusern und Kirchen. Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 33, 99–148, 165–167. Ähnlich verliefen auch die Wahlen im Baselbiet wie Claudia Wirthlin festgestellt. Ihre These, dass diese Wahl eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts war, scheint allerdings nicht schlüssig. Wirtlin, Hebammenwahlen, S. 133–142. Im lothringischen Steinbiedersdorf fand die Wahl sonntags nach der Kirche statt. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 66. 134 Besonders problematisch aus Sicht der jüdischen Minderheit war, dass die Hebamme die Nottaufe vornehmen konnte und damit das Kind in die christliche Gemeinde aufgenommen wurde. Konflikte um die Nottaufe sind jedoch nicht im christlich-jüdischen, sondern nur im christlich-konfessionellen Kontext überliefert. Vgl. hierzu Schmölz-Häberlein, Konflikte, S. 321–323. 135 „Immer handelte es sich bei den Landhebammen (…) um verheiratete oder verwitwete Frauen mit eigenem umfangreichem Haushalt, oft mit angegliedertem handwerklichen, gewerblichen oder landwirtschaftlichem Betrieb. (…) Dies mag mit traditionellen Vorstellungen von Erfahrung, Ehre, Zuverlässigkeit und einer gewissen Entlastung von familiären Verpflichtungen verbunden gewesen sein.“ Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 31.
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über, wer die geeignetste Kandidatin für das Amt war; Parteiungen und Klientelverhältnisse sind in den Quellen zumindest nicht fassbar.136 Nachdem Johann Friedrich Roths Gattin Magdalena Grimmel, die 13 Jahre lang das Amt der Hebamme versehen hatte, 1719 verstorben war, wurden im folgenden Jahr Simon Roths Ehefrau und Rudolf Langs Witwe „durch mehrerer Stimmen hießiger Weiber zu Hebammen erwählt“.137 Im Jahre 1775 musste eine „Beifrau“ bestellt werden, da die reguläre Hebamme die steigende Zahl der Geburten nicht mehr alleine bewältigen konnte.138 Von den 76 wahlberechtigten Frauen stimmten 39 für die Ehefrau des Martin Hertstein, Maria Elisabeth Schwörerin, und 34 für Anna Regina Kromerin, die Witwe des Lehrers Johann Kaspar Tschira. Maria Elisabetha Schwörerin, die damals 45-jährige gleichnamige Tochter der amtierenden ersten Hebamme, nahm die Wahl jedoch nicht an, da ihr nach eigener Aussage „die Eigenschafften der Herzhafftigkeit“ fehlten.139 Nach Meinung des Rates hatte jedoch auch Anna Regina Kromerin „viele Eigenschafften eines guten moralischen Characters und nöthigen Leibes Beschaffenheit“. Unter den wahlberechtigten Frauen befand sich auch die vom Judentum zum evangelischen Glauben konvertierte 40-jährige Carolina Christina Ostermannin, die sich für die Witwe Tschira aussprach.140 Die Vereinbarung über die Zusammenarbeit der beiden Hebammen wurde im Beisein des Pfarrers ausgehandelt und anschließend von der Kanzel verlesen.141 Im Jahre 1789 nahmen 51 Frauen an einer Hebammenwahl teil. 43 Stimmen entfielen dabei auf die 51-jährige Christina Regina Kühndorfin, sechs auf die Witwe des Färbers Johnn Lapp und zwei auf Friedrich Heimhofers Ehefrau. Stadtrat und Oberamt bestätigten die Wahl und begründeten ihre Zustimmung folgendermaßen: „Die letzte ist zu alt, die zweite zu schüchtern, die erstere aber, die die allermeisten Stimmen hat, ist beherzt und wir wissen keine Anstände ihrer Wahl.“ Zwar würde der Rat „freylich noch lieber gesehen haben, daß eine Frau von ohngefehr 40. Jahren gewählt worden wäre. Allein in diesem Falle gelten die vota libere desto mehr, je mehr es bey den accouchements auf das Vertrauen der Frauen ankommt, wem sie ihren Leib, ihr Leben und ihre Kinder anvertrauen wollen.“142 In einer von Männern dominierten Gesellschaft wurde der Frau also nach 136 Für das Saarland hingegen kann Labouvie Parteiungen nachweisen. Labouvie, Andere Umstände, S. 108–109. 137 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1720. 138 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 14.9.1775, fol. 81v. 139 Beispiele für Hebammen, die die Wahl nicht annahmen, auch bei Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 57, 108. 140 Anna Regina Kromerin, die Witwe des Johann Kaspar Tschira, wurde 1789 auch zur Hebamme von Niederemmendingen gewählt. StadtA Emmendingen, C/IX Gemeinderechnung Niederemmendingen 1789–1790. 141 StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 14.3.1776, fol. 16v–17r. 142 StadtA Emmendingen, B/VIII/2, Fasz. 1, Bürgermeisteramt an Oberamt, 17. März 1789. Vgl. auch C/VIII/12 (Ratsprotokoll 1788–1790), 20.1.1789, fol. 119r–119v. Der Terminus „accouchement“ geht wohl auf den französischen Begriff für Hebamme, „acchoucheuse“ (diejenige, die zum Kindbett, zur Niederkunft kommt), zurück. Hier machte sich wohl die geographische Nähe Emmendingens zu Frankreich direkt bemerkbar. Vgl. zu den deutschen und
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wie vor ein hohes Maß an Eigenverantwortung für ihr Leben und das ihres Kindes zugestanden.143 Im Jahre 1753 ordnete der Landvogt von Koseritz eine Befragung der Emmendinger Frauen an, ob die Hebamme Maria Elisabeth Langin, eine verheiratete Schwörer, im Amt bleiben oder ersetzt werden solle. Der genaue Anlass ist unklar, doch auch der Stadtrat wünschte die Wahl einer „Beifrau“, die der Hebamme assistieren sollte, „weil die jetzige, (…) pflicht wiedriche Berichte bey Oberamt erstattet habe, auch bey schwären Geburten bißher schlechte Proben ihrer Wißenschafft von sich gewießen“ haben soll.144 Die 54 wahlberechtigten Frauen wurden nacheinander einzeln befragt und sprachen sich ausnahmslos, teilweise mit detaillierten Begründungen, für die Beibehaltung der Hebamme aus. Auch die Frauen der Ratsmitglieder votierten geschlossen für die amtierende Hebamme und distanzierten sich damit von diesem Versuch männlicher Einflussnahme auf „ihren“ Bereich. Wilhelmina Patientia Männerin gab an, „sie habe keine Klag wieder die Schwörerin, habe ihre Sache verrichtet wie es praf seye, sie verlange auch keine andere.“ Maria Magdalena Schöpflinin, die Ehefrau des Wirts und Ratsverwandten Otto Ludwig Hartmann, ließ durch ihre Magd mitteilen, „sie seye mit der Schwörerin zufrieden und habe keine Klage über sie.“ Auch Johanna Eberhardina Gauppin, die Tochter der Stadtschreiberwitwe Maria Regina Bürklinin, schickte ihre Magd, die dem Pfarrer das gleiche Votum übermittelte. Die Strickschullehrerin Maria Magdalena Meyerin, die mit dem Stadtboten Christian Friedrich Letzmann verheiratet war, bekundete, die Hebamme „seye ihr gut und wolle keine andere brauchen“. Anna Maria Regina Grünwaldin, die zweite Frau des Metzgermeisters Johann Jakob Kiefer, meinte, sie „wisse keine anständigere.“ Anna Maria Götzin, die Frau des Tagelöhners Johann Georg Vogel, und Charlotte Eleonore du Bosque, die Gattin des Stadtschreibers Karl Engelhard Eisenlohr, sagten übereinstimmend aus, die Hebamme „habe keinen Fehler an ihr begangen und ihr mehr liebs erwiesen, als sie ihr vergelten könne.“ Die Frau des Schatzungseinnehmers Engelhard Heinrich Sonntag äußerte, sie „seye zufrieden, wie es andere Frauen bestimmen, dann sie wisse in keinem Weg etwas von ihr.“145 Diese breite Übereinstimmung bei Frauen aus allen sozialen Schichten zeigt deutlich, dass die Befragung als ein gravierender Eingriff in einen sensiblen Bereich weiblicher Eigenverantwortung und Autonomie wahrgenommen wurde, der nach Möglichkeit abgewehrt werden musste. Die Tatsache, dass mehrere Frauen aus der lokalen Führungsschicht ihr Votum durch ihre Dienstmägde ausrichten französischen Bezeichnungen Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 43–46. Im Saarraum musste die Regentin eingreifen, um die Wahl der Frauen gegen die Meinung der Männer durchzusetzen. Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 122, 133. 1782 wurde in Baden eine neue Verordnung zur Wahl der Hebamme erlassen. Maurer, Baden Nr. 2689 (15.06.1782). 143 Ähnlich auch Labouvie, Beistand in Kindsnöten, S. 65. 144 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1755), 18.10. 1753, fol. 133r–133v. Eine individuelle Befragung von Frauen zur Hebamme findet sich auch bei Labouvie, Beistand in Kindsnöten S. 112. 145 Alle Zitate aus der Befragung in GLA Karlsruhe, 198/604.
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ließen, deutet zudem auf intensive Diskussionen unter den Frauen und einen Zielkonflikt zwischen den Interessen der Obrigkeit und weiblicher Solidarität hin, in dem sich aber letztlich sämtliche Frauen für letztere entschieden. Maria Elisabeth Langin, die 1748 erstmals in den Stadtrechnungen als besoldete Hebamme erscheint, blieb bis zu ihrem Tod im Jahre 1779 im Amt.146
5. FRAUEN UND MÄNNER IM WIRTSHAUS Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verfasste Christian Philipp Herbst eine Chronik des unweit von Emmendingen gelegenen Dorfes Mundingen, für die er noch viele heute verlorene Aktenbestände heranziehen konnte. Herbst zufolge häuften sich insbesondere in den Jahren zwischen 1760 und 1780 die Klagen über das Überhandnehmen der „rohen Trunksucht, des nächtlichen Wirthshaussitzens und Spielens, des nächtlichen Lärmens, Schwärmens und Johlens auf der Gassen, der Geschlechtsausschweifungen, (...); ferner auch Sonntagsentweihung durch gemeine Arbeiten und Wirthshausgelage, auch besonders im Amtsort Emmendingen selbst“.147 Wie Herbst haben Historiker und Volkskundler die Wirtshäuser auf der Basis zeitgenössischer Klagen und der zahlreich überlieferten Wirtshausmandate häufig als Orte der Unordnung, des Lasters und der Ausschweifung porträtiert. Die neuere Forschung setzt indessen deutlich andere Akzente und betont gerade die Ordnung stiftenden Funktionen des Wirtshauses. So zeigt Ann Tlusty in einer Studie zur Reichsstadt Augsburg, dass Wirtshäuser als öffentliche Räume neben Zeitvertreib und Geselligkeit auch der Verbreitung von Nachrichten, der Unterbringung und Vermittlung reisender Handwerksgesellen sowie der Überwachung und Kontrolle der einheimischen Bevölkerung wie der Ortsfremden dienten. Der Vertragstrunk im Wirtshaus war ein von allen gesellschaftlichen Gruppen akzeptiertes und praktiziertes Ritual zur Besiegelung von Geschäftsabschlüssen. Die obrigkeitliche Ordnungspolitik reglementierte zwar das Wirtshausleben durch Sperrstunden, die Festlegung von Obergrenzen für das Trinken auf Kredit oder den Ausschluss von Almosenempfängern, bestätigte damit aber zugleich den gesellschaftlichen Konsens darüber, was als „ehrbares“ Trinken galt.148 Die zahlreichen Wirtshausmandate und -verordnungen149 sind daher nicht einfach als Ausdruck von Missständen und Unordnung zu betrachten, sondern als normative Texte, die nicht zuletzt die Aufsichts- und Kontrollfunktion der Wirte über Einheimische wie Fremde stärkten. Auch das große Interesse lokaler Obrigkeiten an Vorkommnissen in Wirtshäusern reflektiert die generelle Zielsetzung, die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten.150 Wiederholt instruierte der Stadtrat die 146 StadtA Emmendingen, C IX Stadtrechnungen 1748–1779. 147 Herbst, Mundingen, S. 59. Allgemein Schwerhoff, Die Policey im Wirtshaus, S. 356–359. 148 Tlusty, Bacchus, Kap. 7–11. Siehe auch die Beiträge in Rau/Schwerhoff (Hrsg.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. 149 Vgl. Holenstein, Gute Policey I, S. 141–190. 150 Vgl. Holenstein, Gute Policey II, S. 346–372. Tlusty, ‚Privat‘ oder ‚öffentlich‘?, S. 53–55. Allgemeine Überlegungen dazu auch bei Hohkamp, Herrschaft, S. 216–218.
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Wachtmeister, da „zu Nacht in den Wirtshäußern viele und manche Exceß und ärgerlich Händel passieren“, sollten sie dieselben „fleißig visitieren, die Tor beschließen und jeden, der nach 9 Uhr auf der Straß ist, anzeigen.“151 Einer Verordnung von 1752 zufolge hatten Wirte fluchende Gäste, die sich weigerten, die dafür festgesetzten Strafgelder in die so genannte Schwörbüchse zu legen, bei der Obrigkeit zu melden.152 Den Wirten kam demnach eine Mittlerrolle zwischen Obrigkeit und lokaler Gesellschaft zu. Beat Kümin bezeichnet frühneuzeitliche Gastwirte als „community broker“.153 Eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung der kommunalen Ordnung hatte der Pächter der städtischen Stubenwirtschaft, da seine Wirtsstube sich bis zur Jahrhundertmitte im Rathaus befand. Der Stubenwirt Johannes Frei wurde dieser Verantwortung allerdings nicht gerecht, denn die Stadt kündigte 1747 vorzeitig seinen Pachtvertrag „sonderlich wegen seiner beständigen Trunckenheit, so er mehrere Zeit als der Mond voll ist /: wie man im Sprüchwort sagt:/ dadurch sich, seine Frau und die Stieffkinder ins Verderben, die Würthschafft selbsten aber in üblen Ruf bringt.“154 Durch seinen Alkoholismus gab Frei ein schlechtes Beispiel ab und konnte so seine Ordnungs- und Policeyfunktion unmöglich erfüllen. Selbst die drastische Maßnahme des Rates vermochte indessen nicht, ihn zur Räson zu bringen.155 Darüber hinaus waren Wirtshäuser Knotenpunkte politischer und wirtschaftlicher Kommunikation und stellten zahlreiche Dienstleistungen bereit. So waren sie zentrale Umschlagplätze für Nachrichten, sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form. Neben dem Marktplatz war das Wirtshaus ein bevorzugter Ort, um Gerüchte in die Welt zu setzen. Der Schmied Jakob Hermann verkündete 1755 im Gasthaus, dass der Rebstockwirt Johann Gimpel die Tochter des Schneiders Johann Friedrich Kempf geschwängert habe. Daraufhin wurde eine Untersuchung eingeleitet, die zu dem Ergebnis führte, dass die junge Frau nicht schwanger war.156 Hier wurden aber auch Flugschriften und Zeitungen gelesen und diskutiert; mit Sicherheit lag das Karlsruher Wochenblatt, das die Stadt abonniert hatte, auch in den städtischen Gastwirtschaften aus.157 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Emmendingen zwei Lesegesellschaften, die sich möglicherweise in Gasthäusern trafen.158 151 152 153 154 155
StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 31.3.1706, fol. 36v. Vgl. Holenstein, Gute Policey II, S. 350. Kümin, Wirtshaus, S. 85. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 26.12.1747, fol. 186v. Freis Trunksucht führte auch zu massiven Konflikten in seiner Ehe. Vgl. hierzu Kapitel VIII.3. 156 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 6.6.1755. 157 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1754, 1757, 1762. Gestrich, Absolutismus, S. 150, 171–173. Das Karlsruher Wochenblatt erschien zwischen 1757 und 1775 und wurde anschließend durch das Allgemeine Wochenblatt abgelöst. Dort wurden auch Gesetze publiziert, so dass die Regierung auf eine andere Art der Publikation weitgehend verzichtete. Holenstein, Gute Policey I, S. 226–242. 158 In der Lokalgeschichtsschreibung wird eine Lesegesellschaft erwähnt, die mit Johann Georg Schlosser in Verbindung gebracht wird. Hofrat von Zink schrieb 1799 über Emmendingen:
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Sofern die jährlichen Zunfttage der Handwerkervereinigungen des Oberamts Hochberg nicht im Rathaus abgehalten wurden, fanden sie ebenfalls in Wirtshäusern statt, da im Oberamt keine eigenen Zunfthäuser existierten. Die meisten Emmendinger Wirte fungierten gleichzeitig als „Zunftvater“ einer Gebietszunft.159 Die jährliche Versammlung der Leineweberzunft begann am festgelegten Tag „Schlag acht Uhr“ in einem separaten Raum des Gasthauses „Zum Adler“, das ihr „Zunftvater“ führte.160 Bei ihm wurde das Zunftschild aufbewahrt,161 und er beherbergte auch die durchreisenden Gesellen und „versorgte sie mit dem Notwendigen“.162 Wiederholt wurde betont, die „Handwerckspurschen“ im Oberamt hätten „ihre sicheren Herbergen, und seye noch nie ein Handwerckspursche von dem Wirth, wo die Zunft ihre Herberge habe, fortgewiesen worden.“163 Die Schneiderzunft versammelte sich in der Wirtschaft des Posthalters. Der Schneiderzunftmeister Johann David Hagedorn zahlte für zwei kranke Schneidergesellen einen Betrag aus der Zunftkasse an Posthalter Johann Christoph Kreglinger, der diese beherbergte.164 Die um 1730 neu gegründete Hochberger Sattlerzunft tagte in der Lammwirtschaft, die direkt an der Hauptstraße lag.165 Während der Jahresversammlung von 1749 kam es dort zu einem Eklat, weil sich der Sattlermeister Jakob Friedrich Hartmann vor der Ledigsprechung des Lehrjungen des Glasers Georg Heinrich Lang entgegen seinem Versprechen „nicht entblödet“ hatte, „öffentlich vor der Zunft zu sagen, es seye ihm in dieser Sach bey Rhat zu viel geschehen, und er fälschlicherweise gerichtet worden, dann er habe das größte Recht doch gehabt“. Dieser verbale Ausbruch des Meisters in einer Angelegenheit, deren Ursachen aus den Akten nicht zu klären sind, steigerte sich zu einer Tirade gegen die städtische Justiz: „ja wann der Scharfrichter ihn biß an den Galgen führte, er auch schon auf den obersten Sproßen der Leyter stünde, und er auch nur noch ein Wort reden könnte, würde er noch bekennen, daß ihme
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160 161 162 163 164 165
„Auch haben wir hier seit elf Jahren eine nach den Bedürfnissen eines eingeschränkten, und vermischten Cirkels eingerichtete Lesegesellschaft, in welcher, außer den gangbaren Journalen lauter gemeinnützige Bücher gelesen werden. (....) Neben dieser besteht noch eine andere unter den Geistlichen der Diöces, deren Bücher meistens theologischen und pädagogischen Inhalts sind, und seit einem Jahr hat Herr Specialsuperintendent Gockel auch noch ein Lese=Institut für die Schulmeister seiner Diöces errichtet.“ Die hier erwähnte bürgerliche Lesegesellschaft wurde laut Maurer von Freiherr von Liebenstein im Jahre 1788 – also zwei Jahre nach Schlossers Wegzug – gegründet, was durch die Aussage von Zinks 1799 gestützt wird. Überflüssiges Taschenbuch, S. 84–85. Maurer, Emmendingen, S. 144. Zu Lesegesellschaften allgemein Gestrich, Absolutismus, S. 171, 190. Möller, Vernunft und Kritik, S. 261–268. Eine Ausnahme war der Zunfttag der Hafnerzunft, der 1755 in Eichstetten abgehalten wurde. GA Eichstetten, C/VIII/3 (Befehlsbuch 1765–1832), Anweisung von Koseritz an die Ortsvorgesetzten, Emmendingen 28.5.1755. Vgl. allgemein auch Tlusty, ‚Privat‘ oder ‚öffentlich‘?, S. 60–61. StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 69 Leineweber (1755–1832), 21.5.1771. StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 65, 2.6.1727. Anhang 1728. StadtA Emmendingen, B V/2, Fasz. 69 Leineweber (1755–1832), 21.5.1771. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 23.6.1787, fol. 234v. StadtA Emmendingen, B 1b/523. StadtA Emmendingen, B/V/2, Fasz. 2
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Gewalt geschehen seye (...) wann kein beßer Recht des Raths Urtheil gegen ihn Verstehend auf der Welt seye, als so solle man ihn auf die Galgenmatten führen und ihm alda das Leben nehmen“.166 Zusätzlich beschimpfte er seinen Kollegen, „wann Glaser Lang zwey Köpf hat, so soll man zwey Galgen bauen.“167 Im Jahre 1756 hielt die Hochberger Hafnerzunft ihren jährlichen Zunfttag in der Amtsstadt ab; „wie das Gerücht lautet“, hatten die Hafner dabei „nicht nur über die Nachtzeit von 10 Uhr hinaus, sondern auch während eines Donner Wetters tanzen lassen.“ Der Nachtwächter stellte jedoch fest, dass es sich bei diesem Gerücht um eine üble Nachrede handelte: „bey dem ersten Wetterleuchten bis zu End des Wetters habe man die Instrumente bei Seit gethan; Und was das erstere betreffe, so habe man nach 10. Uhr nicht mehr getanzt, sondern nur noch eine Serenade denen Zünftigen gemacht, außer denen sonst niemand mehr im Würthshaus geblieben seye.“168 Der Vorfall wurde wohl vor der Kirchenzensur verhandelt, weil nach frühneuzeitlicher protestantischer Vorstellung während eines Gewitters das Gewissen schlägt. Gläubige Protestanten waren angehalten, im Gewitter zu beten anstatt es, wie den Hafnern hier unterstellt wurde, durch das Tanzen zu ignorieren oder gar durch Spott den göttlichen Zorn herauszufordern.169 Die jüdischen Einwohner besuchten ebenfalls öffentliche Gasthäuser. Im Jahre 1745 saßen der Stabhalter von Niederemmendingen Michael Fechter und der Emmendinger Jude Simon Weil gemeinsam im Wirtshaus „Zur Blume“, als beide wegen eines Diebstahls vor den Emmendinger Rat geladen wurden. In der Verhandlung wurde en passant erwähnt, dass Weil in christlichen Häusern aus- und einging.170 Angesichts der regelmäßigen Kontakte zwischen Christen und Juden im kleinstädtischen Alltag bedurfte es offenbar keines Kommentars, wenn ein Jude das Haus eines Christen betrat oder im Gasthaus mit Christen an einem Tisch saß und mit ihnen trank.171 Christen und Juden tätigten Geschäfte miteinander, tauschten Informationen aus und gingen gemeinsam gegen Delinquenten vor.172 Während bis ins späte 18. Jahrhunderts alle Emmendinger Gasthäuser von Christen geführt wurden, eröffnete 1792 der jüdische Handelsmann und „Vorsinger“ 166 167 168 169
StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.11.1749, fol. 361r–362r. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.11.1749, fol. 363r. StadtA Emmendingen, B/VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 4.6.1756. Kittsteiner, Entstehung, besonders S. 31–64. Während hier noch die protestantische Sorge um das Heil durchscheint, sah man 25 Jahre später Gewitterschäden deutlich rationaler. „Den 18ten May des 1781sten Jahrs wurde nahe der hiesigen Stadt ein Eichbaum vom Blitz in viele Stücke zersplittert, und 2. ohnweit davon arbeitende Männer sehr beschädigt. Diese sind aber dennoch glücklich gerettet worden.“ Willius, Beschreibung, S. 26. Die Stadt streckte für die „über dem Arbeiten vor die Stadt von einem Donnerschlag getroffenen beeden hiesigen Bürger (...) zu ihrer gebrauchten BaadCur“ die Arztkosten in Höhe von sieben Gulden vor, die die Betroffenen ratenweise zurückzahlen mussten, da sie nicht unvermögend waren und von der Herrschaft „eine gratiale zu ihrer Curierung“ erhalten hatten. StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 26.7.1781, fol. 34r–35r. 170 StadtA Emmendingen B 1a/5. 171 Vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 264, 269, 275. Ullmann, Kontakte und Konflikte, S. 306–307. Linnemeier, Ob man dich oder einen hund dohtsticht, S. 36–40. 172 Herzig, Jüdische Geschichte, S. 139–146. Battenberg, Zeitalter, Bd. 2, S. 63.
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(Kantor) Jakob Levi Maier sein Wirtshaus „Zum Schwanen“ in der KarlFriedrich-Straße.173 Eventuell diente dieses Gasthaus auch durchreisenden Juden als Herberge, so dass diese nun nicht mehr in den Privathäusern jüdischer Gemeindemitglieder beherbergt werden mussten. Das Wirtshaus war natürlich auch ein Ort des Zeitvertreibs. Im Jahre 1748 hatten „Martin Berner und andere, die man dermahl nicht zur hand bringen können, (…) auf der Stuben biß nach 2 Uhr des nachts mithin über die Zeit und dazu noch in den Sonntag hinein getruncken und gespielt.“ Berner musste dafür den so genannten Nachtgulden als Buße entrichten.174 Der Ratsverwandte Joseph Schöchlin klagte 1763 gegen die Witwe von Johann Bernhard Ludwig Kühndtorff wegen Verleumdung: „Sie habe neulich dem hiesigen Special und Stadtpfarrer Wagner heimlich hinterbracht, alß er verwichenen (Sonntag) hier im Lammwürthshauß, mit dem Bettelvogt und dem Würth am Sonntag Abends im Garten gespielt, worüber den folgenden Sonntag der H(er)r Special von der Cantzel herunter, ihn Ratsverwandten sehr prostituiert habe.“ Schöchlin konnte jedoch keinen Beweis für seine Anschuldigung erbringen.175 1779 musste sich der Maurergeselle Lorenz Kuhn vor dem Oberamt verantworten, weil er trotz eines obrigkeitlichen Verbots gekegelt und dabei Geld verspielt hatte.176 Der Adlerwirt Simon Reinbold verfügte in seinem Gasthaus im Jahre 1778 über ein Spielbrett samt Steinen und ein „Kegelbrett“.177 Dem Handelsmann Christian Hartmann, der nebenbei eine kleine Brauerei und eine Wirtschaft betrieb, genehmigte die Stadt 1787, einen Kaffeeausschank zu eröffnen und neben einem Billiardtisch auch zwei Spieltische und ein Brettspiel aufzustellen.178 Hartmann überließ 1793 seiner geschiedenen Frau Magdalena Vulpiusin den Kaffeeausschank und das Billardgewerbe, den diese bis zu ihrem Tode 1794 führte.179 Wie in anderen Städten war die Klientel Emmendinger Wirtshäuser überwiegend männlich. Hier konnten Männer ihre Großzügigkeit, ihre Zahlungsfähigkeit und ihre Zugehörigkeit zur ehrbaren Gesellschaft demonstrieren.180 Nachlass- und Zubringensinventare zeigen, dass manche Emmendinger dabei beträchtliche Schulden anhäuften. So stand der Bäcker Johann Georg Bühler 1789 bei mehreren Wirten mit über 60 Gulden, der Metzger Matthias Öttlin 1746 in verschiedenen Gasthäusern mit über 100 Gulden in der Kreide.181 Auch die große Mehrzahl der 173 Günther, Emmendinger 1994, S. 65. Zu jüdischen Wirtshäusern in Steinbiedersdorf vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 267–268. 174 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 14.10.1748, fol. 264r–264v. 175 StadtA Emmendingen, C/VIII/6, Ratsprotokoll 1758–1763, 6.3.1758, fol. 8v–9r. 176 GLA Karlsruhe, 61/6738, 1.10.1779. 177 StadtA Emmendingen, B 1b/981. 178 StadtA Emmendingen, B/V/2, Fasz. 5. B 1b/547. Bereits Anfang des 18. Jahrhunderts war Billard, als Inbegriff des logischen Spiels und des „klaren Kopfes“, ein fester Bestandteil der Kaffeehäuser in den großen Metropolen. Vgl. Sandgruber, Bittersüße Genüsse, S. 62. Ähnlich auch Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 251–252. Zu Billard und anderen Brettspielen Hochmuth, Globale Güter, S. 158–160. 179 StadtA Emmendingen, B 1b/547, 548. 180 Tlusty, Bacchus, S. 142–148. 181 StadtA Emmendingen, B 1b/214, 916.
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dokumentierten Konflikte in Gasthöfen und Unglücksfälle nach Wirtshausbesuchen betrafen Männer. Kollektiver Alkoholkonsum und der Zwang, in Trinkrunden mitzuhalten, legten immer wieder schwelende Konflikte und Konkurrenzängste frei und führten zu verbalen Auseinandersetzungen, die mitunter zu Schlägereien eskalierten.182 Im Jahre 1711 hatte der Malecker Andreas Haß am Tag des Martinimarkts Johann Heß im Wirtshaus „Zum Löwen“ „mit Fäusten auf den Boden geschlagen“ und musste dafür eine Strafe von vier Gulden und zwanzig Kreuzern bezahlen.183 Zwei Jahre später schlug sich derselbe Malecker Bürger mit dem Emmendinger Johann Michel Erler. Die beiden hatten „beim Adler“ miteinander gerauft und sich „Maulschellen“ verabreicht. Auch der Bäcker Johann Georg Trautwein geriet mit Haß in Konflikt, da er diesen „der Völlerei beim Löwen gescholten“ hatte, wofür er zwei Gulden Strafe erlegen musste.184 1715 war erneut der Malecker Haß bei einem Zechgelage, das zu einer tätlichen Auseinandersetzung eskalierte, mit von der Partie. Haß, Hans Georg Steinhilber und Hans Adam Braun hatten „bei der Crone vollerweis mit einander gezankt und frevelichweise eine ganze Maß Wein umbgeschütt und da der Wirt ihnen weiters nicht geben wollen, beschimpft“.185 Dafür zahlten die drei zusammen sechs Kronen Strafe. Leonhard Wagner, Johann Georg Heinrich und Johann Jakob Schumacher hatten „bei dem Adler miteinander Händel angefangen und einander gescholten“, wofür jeder von ihnen zwei Gulden zahlen musste.186 Kaspar Bacher hatte „nachts bei der Krone groß Geschrei verführt“ und zahlte dafür ein Pfund. 1716 hatte der Bäcker Johann Georg Steinhilber „welcher bey der Cronen sich voll gesoffen und mit anderern gezankt auch booslich den Wein verschüttet“ hatte, 53 Kreuzer in die Stadtkasse abzuführen.187 Steinhilber war bereits 1707 aktenkundig geworden, als er seinen Zunftgenossen Hans Georg Köpf, „welcher außer seinen backstund(en) brodt weg geben, ungebührlicher Weiß im Wirtshaus zur Cronen ein Schelm ausgerufen“ hatte.188 Matthias Zipsi musste 1717 zwei Gulden bezahlen, „weil er bei der Cronen zu Emmendingen den alten Christoph Häßler gescholten“ hatte.189 1721 wurde Hans 182 Zur Gewalt im Wirtshaus vgl. Tlusty, Bacchus, S. 148–156. Kümin, Friede, Gewalt. 183 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 27. März 1711. 184 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Samstag 22. April 1713. 185 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Montag 8. April 1715. Zur Verbindung Wirtshaus, Trinken und Gewalt im Oberrheingebiet siehe auch Wettmann, Jungblut, Gewalt und Gegengewalt. Walz weist darauf hin, dass Männer im Wirtshaus ihre Ehre dadurch verteidigen, dass sie Gläser oder Krüge umwarfen. Walz, Schimpfende Weiber, S. 189–190. 186 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Samstag 22. April 1713. 187 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1714–1715. 188 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 7.12.1707, fol. 42v. 189 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Dienstag 26. Jan. 1717.
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Georg Höflinger aus Königschaffhausen ein Bußgeld auferlegt, „weil er Hanß Jacob Egin beim Adler zu Emmendingen gescholten“ hatte.190 Der Mundinger Jakob Tschoker zahlte 1726 „wegen ungebührlichen Aufführens im Löwenwirtshaus“ 40 Kreuzer Bußgeld.191 Im Dezember desselben Jahres war „Martin Wahl von seinem Sohn auf dem Feldt tot gefunden worden“. Er war „vermutlich bei Nebel in der Nacht über den Rain herabgestürzt und hat den Hals gebrochen, da er abends von Emmendingen etwas betrunken nach Hause gehen wollte.“192 Im Jahre 1757 musste Johann Jakob Hauenstein „wegen im Würthshauß zu langer Verweilung und dabey gehaltener Schelthändel“ einen Gulden Strafe bezahlen und obendrein einen halben Tag im „Häusle“ (Bürgergefängnis) verbringen.193 Ein Jahr später wurde er zusammen mit Johann Georg Arnold erneut „wegen öfteren Spielens und Würthshauß sitzens ganze oder halbe Tag, auch zum Theil bis in die späte Nacht hinein (....) wohlmeynend abgewarnt.“ Beim nächsten Vorfall werde man mit ihm „empfindlicher verfahren“.194 Auch Widerstand gegen obrigkeitliche Amtspersonen erlangte eine besondere Brisanz, wenn er sich im öffentlichen Raum des Wirtshauses artikulierte. Der städtische Baumeister Johann Michael Stuck hatte 1760 den Schuhmacher Georg Friedrich Schwörer, der eigentlich für die Stadt Holz hauen sollte, „im Wirthshaus über dem Keglen angetroffen, denselben aber darüber in Rede gestellt, mit der Betrohung, daß er ihm auf die Art seinen taglohn nicht attestieren werde“. Daraufhin habe sich Schwörer „im Würthshauß so ausgelaßen, daß er auf den Tisch geschlagen, auch ungestüme Worte ausgestoßen, und unter anderem gesagt, er habe seine Arbeit verrichtet (...).“ Außerdem soll er geäußert haben, dass der Baumeister ihm nichts zu befehlen habe: „Seye beßer alß er, dann er seye schon länger Bürger dann er, er wolle auch sagen, was er gegen ihn Baumeister wiße“. Stuck brachte angesichts dieser öffentlichen Drohung den Fall vor den Rat. Schwörer vertrat dort die Ansicht, dass für ihn allein der Bürgermeister zuständig sei; es „seye ihm zu empfindlich gewesen, daß ihn Kläger im Würthshaus so zu Rede gestellt“ habe. Einer der Zeugen sagte aus, er sei zwar nicht zugegen gewesen, doch sei „der Beklagte den anderen Tag in den Löwen gekommen, und (habe) da gesagt, gestern habe er mit dem baumeister angebunden, sofort auf den Tisch geschlagen, ihm vorgehalten, dass er allein unter dem Bürgermeisteramt stehe.“ Die „große Unbesonnenheit“ Schwörers gegen den Amtsträger, dem die Aufsicht über die städtischen Arbeiten unterlag, konnte vom Stadtrat nicht hingenommen werden. Schwörer hatte Stuck öffentlich Abbitte zu leisten, denn seine Beleidigung war in einem öffentlichen Raum geschehen. Zusätzlich musste er sein Vergehen „im Häuslein abbüßen“.195
190 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Freitag 15. Aug. 1721. 191 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1726. 192 Herbst, Mundingen, S. 112. Herbst stützt sich hier auf einen Kirchenbucheintrag. 193 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 5.12.1757, fol. 311v 194 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 6.3.1758, fol. 9r–9v. 195 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), o.D. 1760, fol. 135v–137r.
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Wenn Männern im Wirtshaus von anderen Besuchern oder sogar vom Wirt selbst die Geselligkeit verweigert wurde, stellte dies einen empfindlichen Angriff auf ihre Ehre dar. Im Jahre 1784 beschwerte sich der Weber Jakob Schneider beim Oberamt über seine Behandlung im Gasthaus des Rebstockwirts Christian Hartmann, das er nach dem letzten Jahrmarkt aufgesucht hatte. Seiner Eingabe zufolge traf er „Christian Wöhrlen ab dem Glasig daselbst an, welchem ich ein Glas Wein zutrank und ihn bat sich zu mir zu setzen, weil ich etwas mit ihm zu reden hätte“. Als Wöhrlen sich zu Schneider setzen wollte, habe der Rebstockwirt gesagt: „Er solle mir kein Glas Wein abtrincken, ich seye ein liederlicher Kerl; ich sagte aber nichts darauf; er fuhr aber fort, hieß mich hinaus gehen, und schalt mich abermal einen liederlichen Kerl, Zolcken und Grobian; ich gehörte nicht unter die ehrlichen Leute, er brauchte noch viel dergleichen Schimpf und Scheltworte.“ Dies sei geschehen, ohne dass Schneider die geringste Veranlassung dazu gegeben habe. Schließlich sei Hartmann sogar tätlich geworden. „Er befahl endlich seinen Aufwärtern mich zu greifen und zum Hauß hinaus zu werfen; welches diese auch thaten und mir das Hemd am Leibe zerrißen, und Rebstockwirth Hartmann schlug mit einem Stecken gleich einem Ochsen auf mich loß, daß ichs 8. Tagen noch spührte.“ Schneider begann nun seinerseits, seine Angreifer zu beschimpfen, „wozu mich aber der Rebstockwirth durch sein hartes Verfahren brachte“. Er bedauerte „solches von Herzen“. Sollte er vom Rat verurteilt werden, werde er das Urteil gerne annehmen, um wieder als rechtschaffener Bürger vor den Augen der Öffentlichkeit zu erscheinen. Schneider wurde zu sechs Tagen „Wuhrarbeit“ verurteilt.196 Auch wenn die Ursache dieses Konflikts den Akten nicht zu entnehmen ist, deutet die Schilderung darauf hin, dass Schneider das Wirtshaus aus geschäftlichen Gründen aufgesucht hatte. Das Geschäft sollte offenbar durch einen gemeinsamen Trunk eingeleitet werden,197 wurde dann aber gestört, weil der Wirt, der eigentlich für Ruhe und Ordnung sorgen sollte, eingriff, Schneider beschimpfte und seine Ehre öffentlich angriff. Wurde Männern der Besuch des Wirtshauses auf obrigkeitliche Anordnung generell untersagt, bedeutete dies einen erheblichen Verlust an sozialer Reputation und den Ausschluss von einem wesentlichen Bereich männlicher Geselligkeit. Männer, die durch allzu häufiges Trinken die wirtschaftlichen Grundlagen ihres Haushalts gefährdeten, setzten damit auch ihre Ehre aufs Spiel.198 Nachdem der 50 Jahre alte Christian Friedrich Schöchlin „bei seiner großen Dürftigkeit und ohnerachtet er schon mehr malen eingesteckt worden, die Frequentierung der Würthshäuser und besonders der auswärtigen“ fortsetzte, erging ein generelles Verbot an alle Wirte des Oberamts, ihm Wein auszuschenken.199 Auch der Glaser Karl Friedrich Hartmann, der Küfer Christian Dölter, der Schneider Johann Mi196 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), Anlagen. 197 Zur Bedeutung des Zutrinkens vgl. Tlusty, Bacchus, S. 146f. Wuhrarbeiten sind Arbeiten zur Säuberung der Wassergräben von Schlamm. 198 Tlusty, ‚Privat‘ oder ‚öffentlich‘?, S. 55. Tlusty, Bacchus, S. 138–140. 199 StadtA Emmendingen, C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 17.5.1781, fol. 14r. Vgl. allgemein, Tlusty, ‚Privat‘ oder ‚öffentlich‘?, S. 54–55.
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chael Frauenberger und der Schreiner Christian Blum, erhielten Wirtshausverbote.200 Ungeachtet der Dominanz von Männern im Wirtshaus waren auch Frauen präsent: Die Ehefrauen der Wirte und das weibliche Dienstpersonal arbeiteten dort, und Frauen holten ihre trinkenden Ehemänner aus dem Schankraum.201 Joachim Eibach stellt in seiner Untersuchung über Frankfurt am Main fest, „dass Frauen aus Unterschichten an der männlich dominierten Geselligkeit im Wirtshaus teilnahmen, ohne sich in männliche Rituale aktiv einzumischen.“202 In Emmendingen waren Frauen selbstverständlich bei Hochzeitsfeiern und Tanzveranstaltungen in Wirtshäusern zugegen. Bei Zunftversammlungen in Gasthäusern waren Handwerkerwitwen wie Anna Maria Barbara Stiefelin, die das Gewerbe ihres verstorbenen Mannes fortführten, anwesend.203 Nachdem das Oberamt 1782 ein generelles Wirtshausverbot für Handwerksburschen, Dienstboten, Hintersassen und schlechte Haushälter erlassen hatte,204 verfügte der Emmendinger Rat, dass neben „Dienstboten und Handwerckspurschen“, die an „Wercktägen zum Nachteil ihrer Herr- und Meisterschaften in das Wirthshauß“ gegangen waren, auch eine Reihe von Bürgern und Bürgersfrauen wegen ihrer schlechten Haushaltsführung an Werktagen, notorische „Übelhauser“ auch an Sonntagen vom Wirtshausbesuch ausgeschlossen werden sollten. Unter den Personen, die die Wirte bei fünf Gulden Strafe nicht mehr bewirten durften, befanden sich auch die Frauen des Bäckers Johann Bernhard Scherberger und des Naglers Andreas Grafmüller.205 Auf die Präsenz von Frauen im Wirtshaus weisen auch andere Quellen hin. Der aus Furtwangen stammende Hans Vetter musste zu Beginn des 18. Jahrhunderts „wegen einiger bey der Cronen allhier an den Mägden bezeugter Ungebühr“ eine Strafe von 16 Gulden entrichten.206 Als die 21-jährige Magd Salome Stephanin 1741 einen unehelichen Sohn gebar, gab sie einen sächsischen Fuhrknecht namens Johannes Kern als Vater an, „welcher öfter mit einer Güterkarch hiedurch von Frankfurt nach Basel gefahren und mit ihr Bekanntschaft gemacht, theils zu
200 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 18r–18v. Vgl. Kapitel VI.3. 201 Tlusty, Bacchus, S. 156–170. 202 Eibach, Böse Weiber, S. 679. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 246–248. Auch in Kirchzarten bei Freiburg tranken Männer und Frauen im 18. Jahrhundert gemeinsam im Wirtshaus. Wettmann-Jungblut, Gewalt und Gegengewalt, S. 31. 203 Schmölz-Häberlein, Hochberger Weber. 204 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 18r–18v. C/X (Protokollband 1755–1823), fol. 83r, 9.3.1782. 205 StadtA Emmendingen C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 12.3.1782, fol. 18r. Vgl. hierzu auch Tlusty, die kein generelles Wirtshausverbot für Frauen in Augsburg nachweisen kann, allerdings von einem „eingeschränkten Wirtshausverbot“ spricht, das Frauen untersagte, außer Haus zu trinken. Tlusty, Bacchus, S. 36, 170. 206 GLA Karlsruhe, 198/209. Bei einer Summe von 16 Gulden könnte es sich um eine doppelte Unzuchtsstrafe handeln, wofür auch die Verwendung von „Ungebühr“ spricht.
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E[mmendingen] beim Adler, teils zu Wasser beim Ochsen, allwo sie gedient, anitzo sich aber in preußischen Diensten befinden soll.“207 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchte die Obrigkeit, den Wirtshausbesuch der Frauen einzuschränken. Oberamtmann Johann Georg Schlosser schrieb 1780, es sei „vor ettlichen Jahren anbefohlen worden, den sämtlichen hiesigen Wirthen zu verbieden, keine Weibsleuthe, außer bey erlaubten Dänzen und Hochzeiten oder bey der Durchreise bei sich trinken zu lassen.“208 Im März 1770 war in der Nachbargemeinde Niederemmendingen die katholische Krämerfrau Anna Maria Zinkin aus Grißheim bei Bad Krozingen, die sich anlässlich des Emmendinger Jahrmarkts dort aufhielt, „bey dem Wirth Bacher niedergekommen.“ Als Vater des Kindes gab Anna Maria Zinkin ihren Mann Johann Schwäbli an. Ob Schwäbli ebenfalls anwesend war oder ob seine Frau allein den Jahrmarkt besuchte, geht aus der Quelle nicht hervor.209 Jedenfalls hatte die reisende Krämerin während ihres Aufenthalts offenbar problemlos bei einem lokalen Gastwirt eine Herberge gefunden.
5. DER PLATZ IN DER KIRCHE Obwohl in Emmendingen Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften lebten, verfügten nur die Lutheraner als Mitglieder der „offiziellen“ Konfession der Markgrafschaft Baden-Durlach über ein eigenes Kirchengebäude. Die katholischen Einwohner der Stadt nahmen in der Regel an den Gottesdiensten im nahe gelegenen Kloster Tennenbach teil,210 die reformierten besuchten den lutherischen Gottesdienst, die Mennoniten hielten ihre Versammlungen in ihren Privathäusern, vor allem aber auf dem großen Hofgut bei der Hochburg ab,211 und die jüdischen Einwohner hatten ihre Synagoge, die „Schul“, im Privathaus des Model Weil eingerichtet.212 Dieses für kultische Zwecke genutzte Haus lag zwar nur wenige Schritte von der Stadtkirche entfernt, doch dominierte letztere aufgrund ihrer Lage neben dem Stadtschloss, ihrer Größe und ihrer Ausstattung mit einem Turm und Glocken den öffentlichen Raum.213 Diese Konstellation fügt sich in ein Muster an, 207 StadtA Emmendingen, Genealogien Maleck, Mundingen. Später stellte sich heraus, dass der eigentliche Vater des Kindes, „wie der Pfarrer am 31.12.1741 erfuhr, Leonhard Franz von Hausen, Kenzinger Amt, ein Schiffmann und Ehemann“ war. Zehn Jahre später heiratete sie einen Küfermeister in Mundingen. 208 StadtA Emmendingen, C/X (Verordnungsband 1755–1823), 1.1.1780, fol.73r. 209 StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen. Geburtseintrag Magdalena Schwäbli vom 13.3.1770. Zur Entbindung außerhalb des Wohnorts Labouvie, Andere Umstände, S. 129–133. 210 Vgl. hierzu die wenigen Belege in Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte. 211 Zu den Mennoniten vgl. Schmölz-Häberlein, Täufer. Schmölz-Häberlein/Häberlein, Ansiedlung. Schmölz-Häberlein/Häberlein, Eighteenth-Century Mennonites. 212 Schmölz-Häberlein, Zwischen Integration und Ausgrenzung. Schmölz-Häberlein/Häberlein, Competition and Cooperation. 213 Zur Nachbarschaft von jüdischer Synagoge und christlicher Kirche vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 53–56.
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welches Benjamin Kaplan als typisch für die religiöse Landschaft der Frühen Neuzeit identifiziert hat: Auf der einen Seite wurde der Führungsanspruch der Landeskonfession aufrecht erhalten, indem ihr ein Monopol auf öffentliche Gottesdienste eingeräumt wurde, auf der anderen Seite trug man der faktischen Präsenz religiöser Minderheiten Rechnung, indem man ihnen den Besuch auswärtiger Gottesdienste oder „private“ Andachten in eigenen Räumlichkeiten gestattete.214 In einer Gesellschaft, die nach wie vor stark von religiösen Werten geprägt war, diente die Kirche der Einübung sittlicher und moralischer Normen, und die Obrigkeit ließ landesherrliche Mandate von der Kanzel verlesen. Sonntagsgottesdienste und hohe kirchliche Feste in der Stadtpfarrkirche strukturierten den Jahresablauf der Gemeinde, und kirchliche Riten wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Leichenpredigt markierten Zäsuren im individuellen Lebenszyklus. Während des Sonntagsgottesdienstes waren Arbeiten und Wirtshausbesuche untersagt, und das Fernbleiben eines Gemeindemitglieds konnte Sanktionen nach sich ziehen. 1763 zahlte der Nagler Andreas Grafmüller eine Geldbuße, da er während des Gottesdienstes Nägel produziert hatte. Er gab zu Protokoll, „er habe gemeint, es habe schon das Vater unser geläutet.“215 Im Jahre 1778 zeigten die Kirchenrüger an, dass „an letzt verwichenem AuffahrtsFest der Glaser Carl Hartmann nebst seinem größeren Sohn gleichen Namens erst während der Kirch in WerktagsKleidern und mit dem Handwercksgeschirr nach Hauße gegangen“ sei. Hartmann rechtfertigte sich mit der Aussage, er und sein Sohn hätten wegen des „üblen Wetters“ nicht früher von Keppenbach, wo sie tags zuvor gearbeitet hätten, nach Emmendingen zurückkehren können, und entgingen damit einer Strafe.216 Wie bereits an früherer Stelle erwähnt, wies die Emmendinger Kirche zahlreiche bauliche Mängel auf, und das ganze 18. Jahrhundert hindurch konnte weder eine grundlegende Sanierung noch ein Neubau realisiert werden.217 Wiederholt kam es sogar vor, dass „Hunde und anderes Vieh in der Kirche herum liefen und die Andacht unterbrechen.“218 Außerdem war das Gotteshaus für die wachsende Bevölkerung der Stadt und der zur Kirchengemeinde gehörenden Stabsgemeinden bereits im frühen 18. Jahrhundert zu klein, und die räumliche Enge wurde immer wieder moniert. 1718 bemerkte die Kirchenzensur, dass „wegen mangelnder Kirchen Stylen mithin einige Unordnung entstehet und dahero Platz aufgefunden werden muß, daß solchen Unwillen vergeben werde“.219 Der Mangel an Kirchenstühlen führte dazu, dass „die bürger währenden Gottes Dienst sich hauffen weise absentieren außer der Statt, (und) den Gottesdienst durch Muthwillen versäumen.“ Um diesen Missstand abzustellen, wurden die Kirchenrüger angehalten, dass 214 Kaplan, Fictions of Privacy. Vgl. zu derartigen Arrangements in Süddeutschland auch Häberlein, Konfessionelle Grenzen, S. 186–188. 215 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 7.10.1763. 216 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 31.7.1778. 217 Vgl. Kap. II.3. 218 Pfarrer Friedrich Bürklin forderte 1776 den Sigristen auf, dies abzustellen. StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 5.6.1776. Zu den Problemen bezüglich des Kirchenbaus vgl. Kapitel II.3 und Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, besonders Kap. 2. 219 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 3. 11.1718.
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„künftig hin alle diejenigen, so hinausgehen, aufnotieret, und bei der Rügung angebracht werden“.220 Im Jahre 1765 besuchten die Emmendinger Stadtkirche nach Angabe des Pfarrers 1651 Personen, obwohl das Gotteshaus maximal Platz für 1000 bot. Eine Beschwerde der oberamtlichen Schreiber aus diesem Jahr verdeutlicht die Sitzordnung in der Kirche, die in der frühen Neuzeit stets auch die soziale Rangordnung der Gemeinde und den Platz des Individuums innerhalb dieser Ordnung abbildete.221 Die beiden vorderen Reihen waren demnach für die landesherrlichen Bediensteten reserviert, die nächsten beiden Reihen für den zwölfköpfigen Stadtrat. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich vier „Weiberstühl“ für die Frauen und Töchter der landesherrlichen Beamten. Da die in der Stadt lebenden Beamten nicht alle ihnen zustehenden zwölf Plätze füllten, waren die freien Plätze für fremde oder durchreisende Honoratioren reserviert. Die Skribenten forderten nun, wie die markgräflichen Diener einen Sitz in einer der beiden vordersten Kirchenbänke zu erhalten. Als der Spezial des Oberamts Hochberg dieser Forderung nachgab, legte der Stadtrat dagegen scharfen Protest ein. Nachdem der Rat „von ohnerdencklichen Jahren her, billig und gehörig auch landsüblich, den Rang vor allen Scribenten,“ innegehabt hatte, war es für ihn nicht akzeptabel, dass „diese sich so nennende Cantzlisten über den Stadtrath zu stehen kommen.“ Den Zusammenhang zwischen der Sitzordnung und dem sozialen Rang brachte der Stadtrat in einer rhetorischen Frage zum Ausdruck: „Sind dann in der Würde wir mittlerweil weniger, die Stadtschreiber aber mehr geworden? Ganz und gar nicht!“ Einige Jahre zuvor, so der Magistrat weiter, sei bereits ein eigenmächtiger Vorstoß eines Skribenten am Widerspruch des Landvogts Günzer gescheitert, was diesem das Lob des damaligen Bürgermeisters Johann Christian Sander „über seine rechtmäßige Empfindung“ eingebracht habe. Die adlige Familie Teufel von Birkensee habe ebenfalls um einen Platz bei den markgräflichen Beamten nachgesucht, sei aber abgewiesen worden. Seit alters her, argumentierte der Stadtrat, säßen die Skribenten im Schiff der Kirche, wo sie wie die anderen ledigen jungen Personen auch hingehörten.222 Die Skribenten standen wie die herrschaftlichen Küferknechte außerhalb der städtischen Ordnung; hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Situation waren sie jedoch den Handwerksgesellen vergleichbar. Ihr Ansinnen, in der Kirche vor dem Rat sitzen zu dürfen, musste daher als Affront gegen die etablierte soziale Hierarchie in der Stadt verstanden und zurückgewiesen werden. Genau so wichtig für die Ordnung in der Gemeinde war, dass die Frauen der Ratsmitglieder einen herausgehobenen Platz in den Frauenbänken einnehmen durften. In den 1760er Jahren wurde verfügt, dass die Frauen ehemaliger Ratsherren ihre „Kirchenstühle quittieren“ müssten und sich wieder bei den „normalen“ Bürgerfrauen einzureihen
220 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 8.12.1718. Vgl. hierzu allgemein Rau/Schwerhoff, Öffentliche Räume, S. 35. 221 Peters, Platz in der Kirche. Peters, Kirchenleben. Beck, Der Pfarrer und das Dorf. 222 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 9.
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hatten. Sollten sie sich dem widersetzen, hatten sie pro Kirchgang eine Strafe von 30 Kreuzern zu bezahlen.223 Neben dem Sitzplatz in der Kirche manifestierten sich Selbstverständnis und Rangdenken der bürgerlichen Einwohner auch in der Ausstattung des Gesangbuchs. Wohlhabende Familien besaßen mehrere Gesangbücher, so dass jedes Familienmitglied mit seinem eigenen Buch zur Kirche gehen konnte. Das silbern beschlagene Gesangbuch im Haushalt der Wilhelmina Patientia Männerin, dessen Wert auf vier Gulden veranschlagt wurde, stellte ein Repräsentationsobjekt dar, das „die eigengewichtige Teilnahme am zentralen, wöchentlich wiederkehrenden Ereignis der lokalen Öffentlichkeit“ bezeugte.224 Hierbei handelte es sich jedoch um eine für Emmendingen relativ untypische Ausstattung; die meisten Einwohner hatten schlichtere Gesangbücher.225 Wie der Marktplatz, wo Delinquenten in der Geige stehen mussten, war die Kirche zumindest zeitweilig auch ein Ort, an dem Ehrenstrafen öffentlich vollzogen wurden. Der Hochberger Spezialsuperintendent Nikolaus Louis226 führte im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts für Frauen, die unehelich schwanger geworden waren, so genannte „Hurenstühle“ ein, die sie optisch aus der ehrenwerten Gesellschaft ausgrenzten und sie gleichsam auf einer Bühne den spöttischen oder strafenden Blicken der übrigen Kirchenbesucher aussetzten.227 Als Louis versuchte, dieses Rügeritual auch auf bereits verheiratete Frauen, die zu früh ins Wochenbett kamen, auszudehnen, kam es in der zum Oberamt Hochberg gehörenden Ortschaft Bahlingen zu Unruhen, da eine derartige Stigmatisierung verheirateter Frauen von der Gemeinde nicht akzeptiert wurde. Angesichts der vehementen Proteste wurde dieses Rügeritual unter Louis’ Nachfolger Heinrich Christoph Wagner 1754 abgeschafft. Auf eine Supplik Wagners an den Kirchenrat in Karlsruhe hin stellte sich heraus, dass man dort nichts von den „Hurenstühlen“ wusste und sie als eine „ohngewöhnliche private Verfügung“ des ehemaligen Superintendenten betrachtete.228 Nach Abschaffung der „Hurenstühle“ beschwerten sich die ebenfalls zum Oberamt Hochberg gehörenden Einwohnerinnen des Ortes Ihringen jedoch darüber, dass „die Weibs-Persohnen, so uneheliche Kinder haben, sich nicht nur überall hervordringen, sondern mit Zank und Streit abgestellten S.V. Hurenstüh223 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 18.6.1760, fol. 133r. 224 Medick, Weben und Überleben, S. 470. 225 Vgl. StadtA Emmendingen, B 1b/1345. Bücher mit silbernen Verschlüssen im Wert von bis zu zwei Gulden sind erwähnt in B 1b/823, 936, 1533. 226 Eine kurze Darstellung seiner Tätigkeit findet sich in: 400 Jahre Reformation, S. 28–29. Dort werden ohne Belege die großen Leistungen dieses Pfarrers gerühmt. „Sein im Evangelium entzündetes Licht leuchtete hell in das Dunkel der Zeit, bis ihn ein Schlaganfall im Jahre 1748 mitten aus einem arbeitsreichen Leben in die Ewigkeit abrief.“ Ebd. S. 29. Ob die Frauen des 18. Jahrhunderts sich ebenso über „sein im Evangelium entzündetes Licht im Dunkeln der Zeit“ freuten wie manche Männer zweihundert Jahre später, bleibt dahingestellt. 227 Vgl. allgemein Rau/Schwerhoff, Öffentliche Räume, S. 37. In Nassau-Zweibrücken kam zu den Geldstrafen noch das einstündige Sitzen auf der Trille oder dem Lasterstein hinzu. Labouvie, Andere Umstände, S. 61. 228 GLA Karlsruhe, 115/274. Kopfmann, Bemühungen, S. 57, 66.
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len sich über die ehrliche Weiber oben anstellen, und sie könnte(n) es einmal ohnmöglich zugeben.“ Schließlich einigte man sich darauf, dass ledige Mütter „in die 12 hinteren Weiber Stühlen, da lauter ehrliche Weiber stehen, sich vertheilen, aber nicht die oberste Plätze affectiren, sondern sich schicken zur rechten Zeit zu kommen, damit sie hinten oder unten in den Stühlen stehen können.“229 Auch innerhalb der jüdischen Minderheit waren der soziale Rang und die Sitzordnung in der Synagoge eng miteinander verknüpft. Da mit dem Schutzstatus eines jüdischen Haushaltsvorstands in der Regel auch das Recht auf einen Platz in der Synagoge verbunden war, zeigte ein fester Synagogensitz allen Anwesenden das verbriefte Wohnrecht in einer Gemeinde an. Dieses Recht auf einen Synagogenstuhl konnte verkauft, vererbt, aber auch aus Geldnot verpfändet werden. Die soziale Position des Stuhlbesitzers spiegelte sich zudem in der Nähe seines Platzes zum Thoraschrein wider. Um die Sitzordnung in der Gemeinde und die gottesdienstlichen Ehrenfunktionen entzündeten sich immer wieder innerjüdische Konflikte, zu deren Schlichtung teilweise die christlichen Obrigkeiten eingeschaltet wurden. Dies verweist auf parallele Zusammenhänge von sozialer Rangordnung und räumlicher Organisation, wie sie sich in christlichen Kirchen finden.230 Die Synagoge oder „Schul“ befand sich wie erwähnt in einem Haus neben der Burgvogtei, das der Großhändler Moses Gideon 1727 von Johann Georg Knoderer kaufte.231 Dass diese räumliche Nähe zu einem herrschaftlichen Amtsgebäude und der Stadtpfarrkirche nicht unproblematisch war, zeigt eine Beschwerde Jonas Weils beim Oberamt aus dem Jahre 1774. Weil setzte fünf Gulden Belohnung für Hinweise auf den Täter aus, „der ihm verschiedenen mahlen Schlüssel in sein Haus geleget (...), welche nach beschehenem Nachfragen zur Kirche gehört“ hätten.232 1794 erwarb die Niederemmendinger und Emmendinger Judenschaft ein Haus von Model Weil, das unmittelbar an die Synagoge angrenzte, und nutzte es zur Erweiterung der Synagoge sowie zur Einrichtung einer Schulwohnung.233 Das Vermögensinventar des Judenschultheißen Jonas Weil, das anlässlich der Ehe229 GLA Karlsruhe, 115/244, Kirchenvisitation Ihringen, 10.7.1766. 230 Ullmann, Nachbarschaft, S. 179–187. Ullmann, Merle und Simon Ulman, S. 276–277. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 55–56. 231 Gideon zahlte dafür 380 Gulden. Davon erlegte er sofort 280 Gulden in bar, die restlichen 100 Gulden waren an Weihnachten fällig. StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.7.1727, fol. 241r. 232 GLA Karlsruhe, 61/6701 (Oberamtsprotokoll), Nr. 1643, fol. 301r. Der Hintergrund des Falls konnte leider nicht aufgeklärt werden. Ulbrich berichtet über einen Diebstahl in einer Kirche, nach dem zuerst die jüdischen Häuser durchsucht wurden. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 262. 233 StadtA Emmendingen, C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800), fol. 117r–119r. Alle Schutzjuden unterzeichneten persönlich: Jonas Weil alt, Jonas Weil jung, Moses Weil, Meier Levi, Wolf Isaak, Baruch Schwab, Lazer Bloch, Nathan Dukas und Zacharias Reutlinger. Zur Finanzierung des Kaufs und Umbaus musste die Gemeinde ein Darlehen von 1000 Gulden bei dem Oberforstmeister Teufel von Birkensee aufnehmen. Für diese Schuld stand die gesamte Emmendinger und Niederemmendinger Judenschaft mit ihrer persönlichen Habe ein „bey dem Worte der ewigen Wahrheit und so wahr ihnen Gott helfe“. Außerdem verpfändeten sie ihr Synagogengebäude, das auf einen Wert von 300 Gulden veranschlagt wurde.
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schließung seines Sohnes Joseph angefertigt wurde, enthält den „Vorhang in der Sinagoge“ im Wert von drei Gulden. Außerdem besaß Weil zahlreiche Bücher, die auch im Gottesdienst Verwendung finden konnten. Ob es sich bei den im Inventar erwähnten fünf Büchern Mose um die Thora handelt, ist nicht klar zu erkennen.234 Zu einer Kehilot – einer Gemeinde mit mindestens zehn erwachsenen Männern über 13 Jahren –, gehörte neben einer Synagoge und einem Begräbnisplatz auch das Mikwaot. Die 1988 in einem kleinen Haus am Mühlenbach wieder entdeckte Emmendinger Mikwe ist erst im 19. Jahrhundert entstanden,235 doch muss bereits im 18. Jahrhundert ein solches rituelles Tauchbad vorhanden gewesen sein. Die Stadt Emmendingen betrieb seit 1707 kein eigenes Badhaus mehr, und das ehemalige städtische Badhaus, das entweder mit Brunnenwasser oder mit Wasser aus dem angrenzenden Mühlbach gespeist wurde, konnte den jüdischen Einwohnern als Mikwe dienen.236 Ein Indiz hierfür könnte sein, dass sich bereits 1688 ein „Jud“ namens Baruch Brückher gegen eine Jahresmiete von zehn Gulden im Badhaus eingemietet hatte.237 In den Quellen finden sich Hinweise, dass zeitweilig ein Rabbiner vor Ort lebte, und im Jahre 1754 fanden sich alle Hochberger Juden in der Amtsstadt ein, um über die Finanzierung der Rabbinergebühren zu beraten.238 Weiterhin sind mehrere Vorbeter und Kantoren (Vorsinger/Pfeifer) belegt.239 Der Vorbeter erfüllte we234 StadtA Emmendingen, B 1b Fasz. 1409, Heiratskontrakt von Joseph Weil, Sohn des Jonas Weil, und Maille, Tochter des Jacob Weil aus Müllheim, 1801–02, fol. 14v. Zum Buchbesitz vgl. Kapitel V.2. Zu Synagogengegenständen in Privatbesitz siehe auch Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 184–185, 208, 210. 235 Grasse/Merz/Rutz, Jüdisches Leben, S. 12–14. 236 Zum Haus, das Moses Gideon 1727 von Johann Georg Knoderer erworben hatte, gehörte laut Kaufvertrag auch ein Brunnen. Aufschlussreich ist die Beschreibung des Hauses in früheren Kaufverträgen. Im Jahre 1707 kaufte Johann Michael Erler eben dieses Haus von dem alten Johannes Böhringer, der jahrelang das städtische Badhaus betrieben hatte. Der Kaufvertrag umfasste ein Zweidrittel-Haus mit Hof und dazu gehörigem Badhaus sowie eine Scheuer mit Garten. Dieses Haus gelangte als Mitgift von Erlers Tochter Anna Maria in den Besitz ihres Mannes, des Löwenwirts Johann Georg Knoderer. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 23.04.1703, fol. 9r. C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 17.7.1727, fol. 241r. C/IX Stadtrechnung 1721. Genealogie Emmendingen. Im Fall der Speisung des Tauchbades durch den Mühlbach hätte es zwar halachische Probleme gegeben, doch war dies nicht unüblich. Vgl. Staudinger, Juden, S. 274. 237 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1688. 238 GLA Karlsruhe, 115/201, fol. 139r. 115/202. „Emmendingen, 1.2.1754 lt. Dekret vom 19.12. des letzten Jahres haben sich in E. die Juden eingefunden zur Bestreitung und Beratung über die Rabinergebühren.“ Für Emmendingen nahmen Marx Weil, Jakob Weil und Veit Samuel Pfeifer an der Versammlung teil. 239 1757 lässt sich Hirsch Meyer als Vorsinger nachweisen. Nach einem Unzuchtsfall Meyers scheint seine Stelle von Isaak Zadock eingenommen worden zu sein, einem „mächtig gelehrten Mann“ und Rabbiner. 1766 wird Johannes Stierlin als Vermieter des Kantors der jüdischen Gemeinde Kosman Wormser bezeichnet. Anschließend könnte Ouri-Chraga Feibusch dieses Amt ausgeübt haben. 1785 versah der Schutzjude Selig Samuel das Vorsingeramt. Fraenkel, Memoire juive, S. 310, 411. StadtA Emmendingen, B 1b/357. C/IX Stadtrechnungen 1757, 1785. C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 12.2.1766, fol. 113r.
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gen seiner rituellen Kenntnisse und seiner Rolle im Gottesdienst eine wichtige religiöse Funktion und nahm darüber hinaus auch andere Aufgaben wie die des Schächters oder des „Schulklopfers“ wahr.240 Im Jahre 1793 unterstützten die Emmendinger Juden die Schutzannahme Jakob Weils, „als in diesem Fall, wenn der Vorsinger oder der Judenschulmeister durch Krankheiten oder andere Zufälle ihren Dienst zu verwalten verhindert würden, er so einen als den anderen bisher versehen“ habe.241 Neben dem Vorsinger war der Parnoss als gewählter Gemeindevorstand eine wichtige Autoritätsperson und Repräsentant der lokalen jüdischen Bevölkerung gegenüber der christlichen Obrigkeit. Er hatte unter anderem über den Einzug der Steuern zu wachen. Außerdem verwaltete er die Gemeindekasse und übte polizeiliche und richterliche Funktionen im Fall von Streitigkeiten innerhalb der jüdischen Bevölkerung aus.242 Der Stadtrechnung des Jahres 1731 zufolge musste Simon Moyses einen Betrag von 26 Kreuzern zahlen, weil „er den Sambstag gebrochen“ hatte;243 ein vergleichbares Bußgeld mussten christliche Einwohner entrichten, wenn sie das Gebot der Sonntagsheiligung verletzten. Als sich die Kirchenzensur 1756 beschwerte, dass die Juden „während dem Gottesdienst hier auf den Gassen herumwandelten“, erhielt der „Judenvorsänger“ den Auftrag, das „Verbott in der Juden Schule zu publicieren.“244 Vorsinger und „Barnass“ waren auch für die Einhaltung der religiösen Vorschriften zuständig. Im Jahre 1796 beschwerte sich ein Metzgermeister im Kontext eines Konfliktfalls: „wenn der Schultheiß und der Vorsinger sagen würden, das Fleisch seie nicht koscher, so seien sie beide Spitzbuben“.245 Ein öffentliches Ereignis, das sowohl für die jüdische als auch für die christliche Gemeinde von hoher symbolischer Bedeutung war, war die Konversion des Juden Isaak Zadock mit seiner Frau und seinen drei Kindern zum christlichen Glauben. Nachdem Zadock viele Jahre lang Vorsinger der jüdischen Gemeinde gewesen war, ließ er sich und seine Familie am Palmsonntag des Jahres 1761 in der Emmendinger Stadtpfarrkirche taufen und nahm den Namen Christian Ostermann an.246 Neben dem markgräflichen Hof stand auch der gesamte Stadtrat Pate.247 In einer Ratsversammlung war die Höhe des Taufgeschenkes der Stadt auf 240 241 242 243 244 245 246
Ullmann, Nachbarschaft, S. 161–172. StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 19.12.1793, fol. 220r. Ullmann, Nachbarschaft, S. 172–179. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1731. StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 4.2.1756. GLA Karlsruhe, 61/6766, 14.9.1796 Nr. 142. Der Name machte eindeutig kenntlich, dass es sich hier um einen konvertierten Juden handelte. Jung, Württembergische Kirche, S. 266–267 zufolge wurden in Württemberg sehr selten derartige Namen vergeben. 247 Zur Bedeutung der hochrangigen Paten vgl. Agethen, Judentaufen, S. 92–93. Isaak Zadock lebte von 1719–1801 und seine Frau Caroline Bär von 1735–1791. Von den Kindern sind uns die jüdischen Namen nicht überliefert. Der 1760 geborene einjährige Sohn der Familie erhielt den Namen Heinrich August, die 1753 geborene Tochter den Namen Christina Elisabeth und die 1756 geborene Tochter den Namen Friederike Louise. Die beiden Töchter waren zum Zeitpunkt der Konversion acht und fünf Jahre alt. In Württemberg erbitten zwischen 1675
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20 Gulden festgelegt worden.248 Führende Emmendinger Bürger wie der zu dieser Zeit reichste Einwohner Johann Melchior Ott übernahmen persönlich Patenschaften und Patengeschenke für Ostermanns Kinder.249 Die große öffentliche Resonanz auf diese Konversion zeigt, dass die jüdische Gemeinde im 18. Jahrhundert zwar relativ ungestört ihren religiösen Kultus praktizieren konnte, doch die lutherische Konfession nach wie vor als der „wahre“ Glaube galt.
6. FRIEDHOF UND BEGRÄBNIS So wie der Sitzplatz in der Kirche oder Synagoge den sozialen Rang des Gemeindemitglieds reflektierte, so korrespondierten auch der Aufwand und die Teilnehmerzahl bei Beerdigungen mit dem Platz des oder der Verstorbenen innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie. Bei angesehenen und einflussreichen Persönlichkeiten war der Aufwand besonders groß, und das symbolische Kapital des Verstorbenen wurde zu dessen Ehre während des Begräbnisses nochmals aktualisiert. Die Überlebenden würdigten dabei die Verdienste des Toten und die Stellung seiner Familie innerhalb der Gesellschaft.250 Nachdem Frauen im Haus der verstorbenen Person die Leiche hergerichtet und angekleidet hatten, wurde diese in einen ihrer sozialen Stellung entsprechenden Sarg gelegt und in einer Prozession auf den Friedhof getragen. Alle Männer waren grundsätzlich zum Dienst als Sargträger verpflichtet. Im Jahre 1753 wurden die Ratsmitglieder allerdings von dieser bürgerlichen Pflicht ausgenommen; sie sollten künftig nur noch bei den Beerdigungen wichtiger Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Bürgermeistern, Ratsherren oder obrigkeitlichen Beamten als Sargträger fungieren. Für die anderen Stadtbewohner sollten jeweils 14 Bürger diesen Dienst ausführen.251 Die Ratsmitglieder besaßen für diese Anlässe lange schwarze Mäntel, und im Inventar des Stadtschreibers Karl Wilhelm Baurittel ist ein eigener „Leichenmantel“ ausgewiesen.252
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und 1780 insgesamt 82 Juden die Unterweisung im lutherischen Glauben. Nicht alle wurden jedoch getauft, bei 36 Personen ist die Taufe verbürgt, mindestens 19 wurden definitiv abgelehnt. Jung stellt fest, dass auffällig viele Konversionswillige Rabbiner, Lehrer oder Söhne von Rabbinern waren. Neben genuinem religiösem Interesse könnten auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt haben, da diese Personen als Angestellte der Gemeinden wenig finanzielle Absicherung hatten. Jung, Württembergische Kirche, S. 245–257, 261–262. Hingegen vermutet Breuer, dass die Mehrzahl der Konvertiten aus dem Betteljudentum stammte. Breuer, Geschichte, S. 238. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 11.3.1761, fol. 165r. StadtA Emmendingen, B 1b/952. Dass Neuchristen erhebliche Geld- und Sachspenden als Patengeschenke erhielten, ist bekannt. Vgl. Agethen, Judentaufen, S. 86. Jung, Württenbergische Kirche, S. 268. Vgl. hierzu ausführlich Dörk, Memoria, S. 517–561, besonders die theoretischen Überlegungen, S. 518–521. StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.4.1753, fol. 114v–115r. GLA Karlsruhe, 198/79.
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Der oder die Tote wurde in der Regel mit „Gesang und Klang“ auf den Friedhof getragen,253 wo die liturgische Feier stattfand. Die Länge des Trauerflors war ein Indikator für die gesellschaftliche Bedeutung der Toten,254 und die Nachlassinventare wohlhabender und einflussreicher Persönlichkeiten weisen deutlich größere Summen für Trauerflor aus als die einfacher Bürger. Für die Beerdigung der mehrfach verwitweten Anna Rosina Barbara Heinrichin im Jahre 1799, die 80 Jahre alt geworden war, wurde Trauerflor für mehr als 28 Gulden angeschafft.255 An die Beerdigung schlossen sich in der Regel eine Leichenpredigt in der Kirche sowie ein Leichenschmaus an.256 Im Jahre 1756 wurde der bis dahin übliche Leichenschmaus verboten und die Sitte der Kranzspende erheblich eingeschränkt.257 Dennoch fielen auch weiterhin erhebliche Kosten an: Der Witwer Johann Michael Mühlhof musste 1771 ein Darlehen von fünf Gulden 30 Kreuzer aufnehmen, um die Leichenkosten seiner Frau bestreiten zu können.258 Die Witwe Jakob Christoph Sattlers schuldete noch ein Jahr nach der Beerdigung ihres Mannes 1805 dem Handelsmann Gottlieb Blum mehr als 25 Gulden für Waren, die sie für die Beerdigung eingekauft hatte.259 Maria Magdalena Vetterlins Beerdigung im Jahre 1796 schlug mit mehr als 15 Gulden für Gottesdienst, Sarg und Totengräber und über 25 Gulden für weitere Ausgaben wie die Verköstigung der Trauergäste zu Buche.260 Beim Tod hochgestellter Persönlichkeiten wie des Burgvogts Otto Friedrich von Dungern ließ die Stadt in Freiburg eigene „Leichencarmina“ drucken.261 Auch die wenigen erhaltenen Grabsteine des 18. Jahrhunderts auf dem alten Emmendinger Friedhof reflektieren in ihrer Ornamentik die Stellung des Einzelnen innerhalb der Gemeinde. Der außerhalb der Stadtmauer gelegene Begräbnisplatz wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts deutlich erweitert. 1763 wurde erstmals festgestellt, dass der nur drei Mannshauet große Gottesacker „mit Toden nun fast angefüllet seye“.262 Jakob Friedrich Heimhofer äußerte bei dieser Gelegenheit, „er seye gegen 13 Jahr todengräber, habe aber den Gottesacker schon 2 mal umgraben“. Wiederholt habe er „im aufgraben noch ganz Gerippe und Rückgrad auch wohl 5 biß 6 in einem einzigen Grab“ gefunden.“ Die einzige Erweiterungsmöglichkeit war ein Grundstück, das die Juden bislang als Viehweide genutzt hatten. Als Ausgleich wurde
253 Eine ausführliche Beschreibung einer solchen Prozession ist für Ulm erhalten, vgl. Dörk, Memoria, S. 526–527. 254 Vgl. hierzu auch Dörk, Memoria, S. 524. 255 StadtA Emmendingen, B 1b/1102. Anna Rosina Barbara Heinrichins einziges Kind starb 1754 im Alter von zehn Monaten. Ihr Vermögen erbten Nichten und Neffen. 256 Bei einem solchen Leichenschmaus vertauschte Hans Georg Heß 1719 seinen Mantel mit demjenigen Johann Michael Erlers. StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718– 1735), 21.12.1719, fol. 23r–23v. 257 Walther, Ortsgeschichte, S. 103. 258 StadtA Emmendingen, B 1b/1102. 259 StadtA Emmendingen, B 1b/1077. 260 StadtA Emmendingen, B 1b/567. 261 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1723–1724. 262 StadtA Emmendingen, B/VIII/6-3.
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ihnen ein neuer Weideplatz „am Mühlengrün“ zugewiesen.263 Der katholische Maurer Johann Georg Bergtold bekam im folgenden Jahr den Auftrag, eine neue Friedhofsmauer zu errichten, und erhielt dafür 127 Gulden. Ferner bezahlte man dem Steinhauer Johann Jakob Trost fünf Gulden und 44 Kreuzer für „einen Todtenkopf über das Thor in Stein auszuhauen, anzustreichen und zu versetzen, samt der Farb und Oel“.264 Dieses memento mori sollte den Friedhof symbolisch nach außen abgrenzen und alle Besucher an ihre eigene Sterblichkeit erinnern.265 Während die Ehre verstorbener herrschaftlicher Beamter und angesehener Bürger durch die Größe des Trauerzugs, die Feierlichkeit der Riten und den Aufwand bei der Beerdigung bekräftigt wurde, wurde bei Ortsfremden, Personen von zweifelhaftem Ruf, Kriminellen, Selbstmördern und Angehörigen religiöser Minderheiten bewusst auf das Zeremoniell verzichtet. Nachdem der Skribent Johann Friedrich Roller 1729 „im Rausch zu Tode gefallen“ war, vermerkte der Pfarrer, dass er „ohne Zeremonien“ bestattet wurde.266 Johann Isger, der Sohn des Stabhalters von Wagenstadt, war 1703 nach einer Kirchweihschlägerei nach Emmendingen geflüchtet und dort acht Tage später verstorben.267 Er erhielt ein ebenso einfaches Begräbnis wie der 1786 im Turm gestorbene Denzlinger Jakob Leckteig268 oder der katholische Schneidergeselle Josef Meyer „von Stundweiler im Unterelsaß bei Weißenburg“, der 1789 bereits krank in Emmendingen angekommen und in der Herberge verstorben war.269 Johannes Mench, „ein lediger Weber von Sexau, der als Mordbrenner im Gefängnis saß“ und dort an einer „Schlagflußartigen Krankheit“ starb, wurde 1799 auf dem Gottesacker an einem abgesonderten Ort „ohne Gesang und Klang“ bestattet.270 Auch in Emmendingen stationierte beziehungsweise durchziehende Soldaten, die in der Stadt starben, wurden ohne größeren Aufwand beigesetzt. So zahlte die Stadt 1797 fünf Gulden für die Beerdigung von 13 Soldaten „die meistens bei der franz(ösischen) Retirade umgekommen seien“.271 Der in Sexau lebende Vater des Emmendinger Bürgers Johann Jakob Hambrecht hatte 1792 „seinem Leben bei einem Anfall von Schwermut durch Erhängen im Wald seiner Voreltern ein Ende gemacht.“ Da er „sich stehts ehrbar aufgeführt“ hatte, wurde er „am Abend auf der Abendseite des Gottesackers beim Läuten einer Glocke beerdigt.“272 Trotz des Geläuts verweisen die Tageszeit – Beerdigungen fanden in der Regel am frühen Nachmittag statt – und der Begräbnisort an der Westseite der Kirche auf die besonderen Todesumstände. Der Forstverwalter Johann Wilhelm Pannifex „erschoss sich in einem Wald nicht weit hinter Frei263 264 265 266 267 268 269 270 271 272
StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 14.4.1763, fol. 265r–265v. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1764. Vgl. Scribner, Grenzen symbolisieren, S. 342–343. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. OSB Broggingen, Nr. 1508. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. OSB Sexau, Nr. 1658. StadtA Emmendingen, Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 15.7.1797, fol. 166r–166v. OSB Sexau, Nr. 901.
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burg“ und wurde „auf dem protestantischen Gottesacker begraben ohne Beschimpfung und ohne Gepränge.“273 Auch wenn es sich um geachtete Mitglieder der Gemeinde handelte, war die Selbsttötung ein Verstoß gegen ein göttliches Gebot, der ein „normales“ Begräbnis nach frühneuzeitlichem Verständnis unmöglich machte. Bei Pannifex wurde allerdings „Melancholie“ diagnostiziert, die im späten 18. Jahrhundert bereits als mildernder Umstand angesehen wurde. Dadurch wurde nunmehr auch eine christliche Bestattung von Selbstmördern ermöglicht.274 Der calvinistische Hutmacher und Kanzleibote Jost Hauenstein, der das Emmendinger Bürgerrecht besaß, wurde aufgrund seiner Konfessionszugehörigkeit im Jahre 1708 „sine lux et crux“ bestattet. Die Beerdigung vollzog sich also im Stillen, wodurch der Verstorbene symbolisch aus der Gemeinschaft der ehrbaren Bürger ausgegrenzt wurde.275 Auch der calvinistischen Frau des Hintersassen Ulrich Ullmann wurde 1710 kein ehrenvolles Begräbnis mit Glockengeläut zuteil. Ihr Gatte beschloss vielleicht auch aus diesem Grund drei Jahre später, „auf dem Totenbett von der calvin(istischen) zu unserer Religion“ zu konvertieren.276 Als der katholische Maurer und Hintersasse Johannes Feistenauer 1758 dem Tode nahe war, ließ er sich auf den nur zwei Kilometer von Emmendingen entfernten, aber zum Kloster Tennenbach gehörenden Wöpplinsberg bringen, um von einem Geistlichen des Konvents die Sterbesakramente zu empfangen. Der Stadtpfarrer Heinrich Christoph Wagner vermerkte im Sterbebuch: „Anno 1758 den 4. mortuus, den 5. sepultus Johannes Feistenauer, ein katholischer Maurer, welcher 30 Jahre hier gewesen und seine gute Nahrung gehabt. Letzt auch von mir zwei Besuchungen angenommen, doch aber sich in heftigster Jännerkälte auf den Berg hinausführen und die letzte Ölung von einem Tennenbacher Pater geben lassen, mit einem Sermon auf den Verdienst Jesu.“ Feistenauer, der in zweiter und dritter Ehe mit lutherischen Emmendinger Bürgerwitwen verheiratet war, hatte sich weitgehend in die städtische Gemeinde integriert, was sich noch kurz vor seinem Ableben darin zeigte, dass er zweimal den Besuch des lutherischen Geistlichen empfing und der Stadt eine Stiftung von 15 Gulden für die Hausarmen hinterließ. Doch im Angesicht des Todes war die Bindung des aus Aschau in Tirol stammenden Maurers an seine eigene Religion stärker. Das öffentliche Hinausführen eines Sterbenden aus der Stadt, um die letzte Ölung von einem katholischen Pater zu empfangen, wurde jedoch ebenso als Provokation und symbolischer Protest gegen die Landeskonfession verstanden wie der Aufenthalt auf der Gasse während des lutherischen Gottesdienstes und der Kinderlehre. Folglich führte Feistenauers Aktion zu einem scharfen Protest des Stadtschreibers Konrad Friedrich Wild im Auftrag des Oberamtmanns von Dungern beim Abt des Klosters Tennenbach.277 273 StadtA Emmendingen, B V 2/2. Genealogie Emmendingen. 274 StadtA Emmendingen, C/X (Verordnungsband 1755–1823), seit Amtmann Roth unfol. 21.12.1795. Auch die Testamente von Selbstmördern wurden für gültig erklärt. 275 Vgl. hierzu Dörk, Memoria, S. 538. 276 Die vorangegangenen Informationen aus StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 277 StadtA Emmendingen, B 1b/565. C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 14.4.1768, fol. 264v. GLA Karlsruhe 198/737; 229/70388. Zu Feistenauer vgl. die knappen Bemerkungen bei Brommer, Pfarrkirche in Tiengen, S. 222. Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Eintrag
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Wie der lutherische Friedhof war auch der jüdische Begräbnisplatz ein Ort, an dem die Gemeinde dem Verstorbenen gedachte und ihm Respekt zollte. Im Jahre 1717 richteten die Emmendinger Juden eine Supplik an das Oberamt, ihre Toten künftig in der Amtsstadt bestatten zu dürfen und sie nicht mehr nach Sulzburg, wo sich bis dahin der einzige jüdische Friedhof im badischen Oberland befunden hatte, überführen zu müssen. Eine Frau war nämlich am Freitag gestorben, und die Gemeindemitglieder konnten sie „wegen ihres hereinbrechenden Schabbes und die von Österreich fordernden all zu hohen Regales“ nicht mehr rechtzeitig nach Sulzburg überführen.278 Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass jüdische Tote noch am selben Tag bestattet werden sollten. Nur wenn der Todestag auf den Sabbat, einen Festtag oder den Rüsttag (Tag vor dem Sabbat) fiel, musste die Beerdigung warten.279 Kurze Zeit später konnten die jüdischen Gemeinden im Amt Hochberg ihren Verbandsfriedhof in Emmendingen in Besitz nehmen.280 Samuel ben Isaak aus Niederemmendingen sowie die Emmendinger Jochanaan ben Mordechai, Naphtali ben Meir und Moses ben Mordechai (Moses Weil), der Ehemann der Jentha Dreifußin, unterzeichneten im Juli 1717 den Kaufvertrag über ein Grundstück „in den Haslen“, das in einiger Entfernung von der Stadtmauer lag und 40 Gulden kostete. Auch die Judengemeinden von Eichstetten und Ihringen beteiligten sich an dem Kauf.281 Über einen längeren Zeitraum hinweg fanden auf dem Emmendinger Friedhof, der 1735 durch den Kauf eines angrenzenden Allmendstückes für 50 Gulden erweitert wurde,282 auch Breisacher Juden eine Ruhestätte, ehe sie 1755 einen eigenen Friedhof erhielten.283 1763 zahlten die Emmendinger Juden 130 Gulden für eine erneute Erweiterung des Begräbnisplatzes.284 Auf dem Friedhof
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im Sterbebuch vom 4.1.1758. In der katholischen Reichsstadt Offenburg waren ebenfalls zahlreiche Maurer, Steinmetze, Zimmerleute und Baumeister aus Vorarlberg und Tirol tätig. Allerdings ermöglichte ihnen ihr katholischer Glaube dort eine weitgehende Integration. Vgl. Schwanke, Fremde in Offenburg, S. 249–261. Vgl. auch Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte. Vorarlberger Bauhandwerker sind an mehr als 400 Orten zwischen Elsass und Allgäu, der Schweiz und dem Schwarzwald belegt. Häufig hielten sie sich wie Feistenauer im Umfeld großer süddeutscher Klöster auf, die im Barockzeitalter einen erheblichen Bedarf an qualifizierten Bauhandwerker hatten. Vgl. Maurer Schindling, Italienische Baumeister und bildende Künstler, S. 687. GLA Karlsruhe, 137/166. Vgl. Schwemmer, Friedhöfe, S. 40–44. Schwemmer, Friedhöfe, S. 12. Diese Verbandsfriedhöfe sind typisch für jüdische Gemeinden nach dem 30-jährigen Krieg. Der jüdische Friedhof der Reichsstadt Offenburg wurde auch noch nach der Vertreibung der Juden aus der Stadt von den Gemeinden des Umlandes benutzt. Vgl. Schwanke, Fremde in Offenburg, S. 80–81. Zu Bayerisch-Schwaben vgl. Ullmann, Nachbarschaft, S. 93–103. Zum Kraichgau Preuß, S. 12–14. Rosenthal, Heimatgeschichte, S. 201, 204. Cohen, Landjudenschaften, Bd. 3, Dok. 34:2. Teschenmacher, Juden, S. 118. Günther, Niederemmendinger Juden, S. 21–22. StadtA Emmendingen, B VIII/6-3. Vgl. Schwemmer, Friedhöfe, S. 55–56. Vgl. die ausgezeichnete Dokumentation jüdischer Grabsteine in Schwemmer, Friedhöfe, S. 127–176, besonders Nr. 11, 12, 19, 43, 51. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), fol. 291v–292r. Vgl. auch Schwemmer, Friedhöfe, S. 56–57. Obwohl erst seit dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhun-
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stand ein Totenhaus, und in unmittelbarer Nähe floss das „Judenbächle“ vorbei, in dem sich die Besucher die Hände waschen konnten.285 Die Grabsteine wurden in der Regel von christlichen Steinmetzen nach Vorlagen hergestellt. Für den Grabstein des 1774 geborenen und 1830 gestorbenen ledigen Schutzjuden Abraham Weil, der „nach den israelitischen Religionsgesetzen“ angefertigt war, erhielt ein Niederemmendinger Steinhauer namnes Schierling acht Gulden. Zum Begräbnis Weils wurde auch Öl angeschafft, das für 30 Tage Licht reichen sollte.286 In den 1780er Jahren kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Judengemeinde und der Stadt, die Aufschluss über den damaligen Zustand des Begräbnisplatzes gibt. Aufgrund der Anlage und Bewässerung neuer Wiesen in der Nähe des Friedhofs konnten die Juden „bei nahe nicht mehr auf den Gottesacker kommen“, und die Friedhofsmauer wurde durch das Eindringen von Wasser beschädigt. Der Stadtrat schlug vor, die Emmendinger Juden sollten ihr Totenhäuschen versetzen und den Eingang des Friedhofs verlegen, wozu die Stadt auch einen finanziellen Beitrag leisten wolle. Der Vertreter der Hochberger Judenschaft, der Emmendinger Selig Samuel, wandte darauf ein, die Juden „dörften (…) nach ihren Gesetzen keine Todten über die schon vorhandenen Gräber führen, und weil viele auf der unteren Seithe gegen die Straß schon stünden“, würde dies eine gravierende Einschränkung bedeuten.287 Die Bemerkung Selig Samuels lässt die Bedeutung der Totenruhe für die Hochberger Juden erahnen. Übergriffe und Zerstörungen durch Christen, wie sie für andere Gegenden festgestellt wurden, kamen in Emmendingen nicht vor, sieht man vom Fall Johann Jakob Rieflins 1776 ab, der zwei Zwetschgenbäume auf dem Judenfriedhof eigenmächtig gefällt hatte.288 Rieflin verstieß damit nicht nur gegen das Eigentumsrecht der Judengemeinde, sondern verletzte damit nach jüdischem Verständnis auch die Totenruhe.289 Bereits 38 Jahre zuvor war Rieflin als junger Mann mit einem Angriff auf ein jüdisches Haus straffällig geworden. Er hatte 1738 „Moyses Gideon nachts an Hauß und Thür geworfen“ und musste dafür 50 Gulden Strafe zahlen.290 Die Quellen zeigen, dass das Amt des Totengräbers für die Judengemeinde in der Hand eines christlichen Bürgers lag: 1765 wurde Johann Georg Bührer jun.
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derts Juden in Hochberg begraben wurden, galt die im Jahre 1672 festgelegte Gebührenordnung der baden-durlachischen Regierung. Für jedes Begräbnis eines jungen Juden waren demnach drei Gulden, für jede Bestattung eines Erwachsenen sechs Gulden und für jeden fremden zwölf Gulden an die landesherrliche Verwaltung abzuführen. GLA Karlsruhe, 115/200. Dieser Bach wurde im 20. Jahrhundert zugeschüttet. Vgl. Günther, Symbole, S. 63. StadtA Emmendingen, B 1b/1417, Verlassenschaft des Abraham Weil 1830, fol. 6v, 7v. Stadt Emmendingen C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), fol. 218v–221r, Zitat 219v. Vgl. Schwemmer, Friedhöfe, S. 63–64. Selig Samuel sollte sich mit der Judenschaft beraten und dann dem Rat seinen Entschluss mitteilen. Da keine weiteren Einträge in den Ratsprotokollen vorhanden sind, scheint es zu einer Einigung gekommen zu sein. StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 1.2.1776, fol. 14r. Beschwerde des Selig Samuel vor dem Stadtrat. Rieflin musste einen Gulden Strafe zahlen. Zur Funktion und Bedeutung des Friedhofs vgl. Schwemmer, Friedhöfe, S. 21–22. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1738.
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explizit als Judentotengräber bezeichnet.291 In dessen Vertretung hatte sein Vater an einem Sonntag ein Grab ausgehoben. Er wurde deswegen der Entheiligung des Sonntags beschuldigt und verwarnt, „kein Grab mehr an einem Sonntag zu machen.“292 Nicht der Aushub eines jüdischen Grabes war der Stein des Anstoßes, sondern die Tatsache, dass dies an einem Sonntag erfolgt war und somit die christliche Sonntagsruhe nicht eingehalten wurde. Der oder die Tote muss demnach am Sabbat verstorben sein. Beerdigungen waren sowohl für die jüdische als auch für die christliche Gemeinde wichtige Ereignisse, und Friedhöfe waren für Angehörige beider Religionen Orte der Erinnerung an die Verstorbenen. Bei den Begräbnissen konnten auch Personen aus der jeweils anderen religiösen Gruppe zugegen sein. Besonders bei Beerdigungen hochrangiger Persönlichkeiten war wohl die gesamte politische und religiöse Gemeinde anwesend. Ein wesentliches Kennzeichen der hier vorgestellten öffentlichen Räume war ihre Multifunktionalität: Rathaus, Marktplatz, Wirtshäuser und Kirche bzw. Synagoge waren gleichermaßen Orte der politischen Kommunikation, der Meinungsbildung und Geselligkeit; Rathaus, Marktplatz und Kirche dienten auch dem Strafvollzug. Darüber hinaus waren feierliche Anlässe wie die eher seltenen Huldigungen, Herrscherbesuche und Hinrichtungen sowie die häufigeren Wahlen, Festgottesdienste, Hochzeiten und Beerdigungen stets auch Gelegenheiten, um soziale Hierarchien und Statusunterschiede kenntlich zu machen. In der Anordnung von Festzügen, der Kleidung der Teilnehmer, der Sitzordnung in der Kirche und im Aufwand bei Beerdigungen wurden gesellschaftliche Unterschiede akzentuiert und „ehrbare“ von weniger „ehrbaren“ Einwohnern abgegrenzt. Der Zugang zu öffentlichen Räumen und die Partizipation an festlichen Ereignissen waren nicht nur in sozialer, sondern auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht selektiv: Männer dominierten beispielsweise politische Entscheidungsprozesse und stellten die große Mehrheit der Wirtshausbesucher. Dessen ungeachtet zeigen die Emmendinger Quellen, dass auch Frauen regelmäßig öffentliche Orte aufsuchten – sei es, um auf dem Rathaus oder dem Markt Geschäfte zu tätigen, sei es, um an Hochzeitsfeiern, Tanzveranstaltungen oder Beerdigungen teilzunehmen oder um ihre Männer aus dem Wirtshaus zu holen. Die Hebammenwahl war ein exklusiv weiblicher Wahlakt, den die Emmendingerin-nen um die Mitte des 18. Jahrhunderts entschieden gegen Versuche männlicher Einflussnahme verteidigten. Neben der sozialen Hierarchie und dem Geschlechterverhältnis ist als drittes Distinktionsmerkmal die religiöse bzw. konfessionelle Differenzierung der Emmendinger Bevölkerung zu beachten. Die meisten nicht-lutherischen christlichen und alle jüdischen Einwohner waren von Wahlen ausgeschlossen, weil sie kein Bürgerrecht besaßen; sie hielten ihre Gottesdienste in separaten Räumen, und bei 291 In der Reichstadt Offenburg waren ebenfalls christliche Totengräber für den Aushub jüdischer Gräber zuständig. Vgl. Schwanke, Fremde in Offenburg, S. 81 Anm. 202. Preuß, Krone, S. 50. Auch bei Leichenüberführungen an Sonntagen halfen christliche Einwohner den jüdischen, vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 271. 292 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 4.10.1765.
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Begräbnissen wurde ihnen in der Regel weniger Ehre zuteil. Andererseits huldigten Angehörige der lutherischen Mehrheit und der religiösen Minderheiten gemeinsam dem Landesherrn, erwiesen hochgestellten Persönlichkeiten gemeinsam die letzte Ehre und saßen zusammen am Wirtshaustisch, um Geschäfte abzuschließen und Neuigkeiten auszutauschen. Neben den Mechanismen sozialer Abgrenzung sind daher stets auch die vielfältigen Formen der Kooperation und Interaktion zu beachten.
Wann jemand mit Dir hadern will, So rath ich, dass du schweigest still, Und ihm nicht helfest auf die bahn, Da er gern wolt ein ursach han. (Württemberger Gesangbuch 1750, Ermahn= und Erweckungs=Lieder, Allein auf Gott setz dein Vertrauen, Vers 21)
VIII. DEVIANZ UND GESCHLECHT 1. FRAUEN UND MÄNNER IM GEFÄNGNIS Als Verwaltungszentrum des Oberamts Hochberg war Emmendingen auch der Ort, an dem Delinquenten aus der Stadt und den umliegenden Landgemeinden bestraft wurden. Im Kontext der Behandlung vor- und außerehelicher Sexualität war bereits vom „Hurenkarren“, im Kontext der städtischen Öffentlichkeit von Hinrichtungen die Rede, die in der Stadt vollzogen wurden.1 Daneben gab es sowohl städtische als auch oberamtliche Gefängnisse, in denen Bürger der Stadt, Bewohner der Umlandgemeinden und Fremde, denen Vergehen zur Last gelegt wurden, inhaftiert wurden. Diese kleinen Gefängnisse befanden sich in den Stadttoren, im Rathaus oder anderen Amtsgebäuden und waren häufig in einem schlechten Zustand. Im Jahre 1714 ließ die Stadt das Gefängnis im Freiburger Tor für 69 Gulden herrichten, „da weder Schloß noch Thür“ vorhanden waren.2 Oberamtmann Johann Georg Schlosser fand das Emmendinger Gefängnis rund 60 Jahre später „zwar sehr unangenehm wie alle Gefängnisse, aber nicht sehr ungesund und unrein.“3 Bei einem Teil der Insassen dieser Gefängnisse handelte es sich um durchziehende Bettler und Vaganten. Im Jahre 1770 verzeichnete das Kirchenzensurprotokoll einen „Italiener, der sich nicht wollte vom Betteln abhalten.“ Er wurde dem Oberamt überstellt, verhört, „im Thurm über Nacht behalten und hernach durch den Hatschier fortgeführt“.4 Der seit 1787 in Emmendingen tätige Landschreiber und spätere Hofrat Friedrich August Roth5 legte mehrere Listen von Gaunern, Dieben und Vaganten an, die ihm den Ruf eines „gewandten und eifrigen Jauner=Verfolger(s)“ eintrugen.6 Roths 1800 gedruckte „General=Jauner=Liste“ war 1 2 3 4 5
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Vgl. Kapitel V, VII. GLA Karlsruhe, 198/11. Vgl. zu Gefängnissen Rublack, Magd, Metz’, S. 113–117. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 392–399. Schnabel-Schüle, Überwachen und Strafen, S. 135–140. Gothein, Schlosser, S. 61. GLA Karlsruhe, 115/246 Kirchenvisitation Emmendingen, 25.3.1770. Zum Fanggeld der Hatschiere für Bettler und Vaganten, vgl. Holenstein, Hatschiere, S. 299, 302–304. GLA Karlsruhe, 171/275. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 6.9.1787, fol. 240r. Vgl. seine Kurzbiographie in: Amtsvorstände, S. 475. Zu seinen weiteren Tätigkeiten vgl. auch Holenstein, Kommunikatives Handeln, S. 191–193. Herbst, Mundingen, S. 56.
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eine Kompilation aller ihm bekannten Informationen, die er über einen Zeitraum von 20 Jahren zusammengetragen hatte. Sie erfasste in alphabetischer Reihenfolge insgesamt 3147 Personen.7 Der lokalen Überlieferung zufolge soll Roth im benachbarten Ort Mundingen einmal ein Haus ausgehoben haben, wo „Räuber ihren Unterschlupf hatten, und entdeckte im Garten eine Grube, wo sie ihre gestohlenen und geraubten Sachen versteckten.“ Auch soll einer dieser Vaganten ihm „einmal mit einem geladenen Gewehr in der Hohlgasse zwischen Mundingen und Niederemmendingen“ aufgelauert haben.8 Zu den zeitweilig in Emmendingen inhaftierten Vagantinnen, die auf Roths Liste aufgeführt sind, gehörten etwa Agathe Schinderin, „des Keßler Martheus Weib, und Tochter des Schinder Stephan, kleiner untersetzter Statur, 26 Jahr, vollkommen rothfarbigten Angesichts“,9 oder „Bärbel des rothen Zainenmachers Kebsweib, 26 Jahre alt, mittelgroß, bleich, gelblechte Haare“.10 Neben fremden Bettlern und Vaganten wurden auch Einwohner der Stadt nach Unzuchtsvergehen, Wirtshausschlägereien und Jugenddelikten regelmäßig ins „Häuslein“ oder in den „Turm“ gesperrt. Im Ratsprotokoll von 1727 wurde die Intention dieser Gefängnishaft prägnant formuliert. Als der Schlossergeselle Johannes Lichtin den Nachtwächter Johann Tschira mit „verschiedenen Schelt- und derb wort“ angefahren hatte, musste er vor dem Rat Abbitte leisten und geloben, sich künftig besser aufzuführen. Darüber hinaus wurde ihm auferlegt, einen Tag „in den Gehorsam (zu) gehen“.11 Hier klingt die mittelhochdeutsche Bedeutung von Gefängnis bzw. Arrest als „folgsam machen“ oder „fügsam machen“ an. Durch Verbüßen einer Gefängnisstrafe sollte der Delinquent bzw. die Delinquentin sich der Autorität der städtischen Obrigkeit unterordnen und sich bewusst machen, dass er oder sie im Unrecht war. Mit diesen meist kurzen Haftstrafen war in der Regel kein Ehrverlust und damit auch keine soziale Ausgrenzung verbunden. Selbst angesehene Bürger wurden bisweilen wegen geringer Vergehen über Nacht eingesperrt. Als im Jahre 1742 Jeremias Schillinger und Jakob Baum des Traubendiebstahls in den Reben des Ratsverwandten Otto Ludwig Hartmanns angeklagt waren, vermerkte das Gericht explizit, dass Baum „nur auf den Hochberger Thurm, alß ein bürgerlich gefangnuß gesetzt und solches an Seinen bürgerlichen Ehren und Handwerck jetzo und künftig ohnprejudicierlich seyn und bleiben solle.“12 Während Johann Georg Schlossers Amtszeit als Oberamtmann in Emmendingen (1774–1787) wurden Geldstrafen auffallend häufig durch Gefängnisund/oder Ehrenstrafen ersetzt. Der Totengräber Jakob Schöchlin wurde 1776 we7
Vgl. hierzu Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 34–35, 50–51, 107, 173. Roth, General=Jauner=Liste. Ich danke Eva Wiebel für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in eine Kopie dieser Quelle. Bereits 1794 muss eine handschriftliche Liste in Emmendingen existiert haben. Vgl. hierzu Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 178. 8 Herbst, Mundingen, S. 56. 9 Roth, General=Jauner=Liste, Nr. 10. Emmendinger Liste 1794 Nr. 62. 10 Roth, General=Jauner=Liste, Nr. 201. 11 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 14.5.1727, fol. 236v–237r. 12 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 5, fol. 18v.
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gen des unerlaubten Fällens von Erlenbäumen viermal 24 Stunden bei Wasser und Brot eingesperrt und sollte als Wiederholungstäter zusätzlich in die Geige gestellt werden. Da die Geige ansonsten vor allem bei weiblichen Delinquentinnen angewandt wurde, scheint damit eine gezielte Ehrminderung intendiert gewesen zu sein, doch wurde die Geigen- schließlich in eine Gefängnisstrafe umgewandelt.13 1779 wurde Johann Adam Retscher für das Schlagen von Holz im Stadtwald dreimal 24 Stunden bei Wasser und Brotsuppe eingetürmt, und Georg Friedrich Schwörer erhielt zweimal 24 Stunden für das gleiche Delikt.14 1798 musste sich der Vater des bereits 16-jährigen Jakob Friedrich Valentin, der im Wald Föhren umgehauen hatte, aufgrund seiner „schlechten Kinderzucht“ zweimal 24 Stunden in den Turm begeben.15 Der Kanzleibote, Hatschier und Gefängniswärter Konrad Süß, ein gelernter Schuhmacher und ehemaliger Grenadier, musste 1778 eine Strafe von fünf Gulden erlegen, weil er einen Gefangenen vernachlässigt hatte,16 und im gleichen Jahr wegen Fehlverhaltens nochmals sieben Gulden und 30 Kreuzer bezahlen, von denen ihm aber die Hälfte nachgelassen wurde.17 Neben der Anzeige von Vergehen gegen die Policeyordnung gehörten Streife gehen, die Kontrolle von Jahrmärkten und der Transport von Gefangenen zu seinen Dienstaufgaben. Sein Lohn setzte sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: einem festen Geld- und Naturallohn, Rüge- und Fanggebühren sowie Einnahmen aus der Verpflegung der Gefangenen in den Ortsgefängnissen.18 Süß’ Nachlassinventar von 1789 gibt Auskunft über den Personenkreis, der damals im Emmendinger Gefängnis einsaß, da darin Forderungen des Wärters an die Gefangenen aus Verpflegungskosten aufgelistet sind.19 Die Liste der Außenstände umfasst 61 Posten in einer Gesamthöhe von rund 278 Gulden. Die in den ersten drei Monaten des Jahres 1789 inhaftierten Vaganten schlugen mit insgesamt zwölf Gulden und 21 Kreuzern zu Buche, die Stadt und Amt Süß noch schuldig waren. Ferner wurden jeweils 30 Männer und Frauen namentlich als Schuldner aufgeführt. Mit zwei Ausnahmen kamen alle Delinquenten aus Landgemeinden des Oberamts Hochberg. Xaver Grafmüller
13 14 15 16 17 18
StadtA Emmendingen, C/VIII/11 (Ratsprotokoll 1776), 14.3.1776, fol. 26v–27r. StadtA Emmendingen, C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 28.1.1779, fol. 12v–13r. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 22.2.1798, fol. 260v–261r. StadtA Emmendingen, B 2, Fasz. 1. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1778. Süß erhielt 1776 u.a. aufgrund der Anzeige, dass der Sexauer Wirt über die Zeit Gäste bewirtet hatte, seinen Gebührenanteil. Vgl. Holenstein, Hatschiere, S. 306 und zu den Aufgaben und der Entlohnung eines Hatschiers ebd., S. 309, 312–314. Allgemein zu Lokalbeamten Brakensiek, Lokale Amtsträger, S. 54. Brakensiek, Fürstendiener, S. 159–175. Hohkamp, Herrschaft, S. 65–68. Reinhard, Staatsgewalt, S. 366. 19 Süß war 1760 Grenadier in Karlsruhe und begab sich nach seiner Ausmusterung in den Dienst des Oberamts. Zur Rekrutierung ehemaliger Soldaten für Hatschierdienste vgl. Holenstein, Hatschiere, S. 295. Aufgrund seiner guten Beziehungen zu Johann Georg Schlosser wurde der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz in seinem Haus untergebracht. Erst 1782 konnte Süß in Emmendingen das Bürgerrecht erwerben. StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 17r–17v, 13.6.1782, fol. 35r. C/IX Stadtrechnung 1782.
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lebte in der unweit von Emmendingen gelegenen katholischen Kleinstadt Waldkirch, der Jude Isaak in Altkirch.20 Erstaunlich hoch ist die Summe von 114 Gulden, die „Salome Müller und Consorten“ aus der Gemeinde Ihringen am Kaiserstuhl schuldig blieben. Für Matern Mößners Frau aus Ihringen konnte überhaupt keine „gewiße Summe angegeben werden.“ Katharina Kuhnin von Malterdingen saß wegen Ehebruchs im Gefängnis und hatte für ihre Verköstigung neun Gulden und 26 Kreuzer zu bezahlen. Wohl wegen des gleichen Delikts war auch die aus Ihringen stammende Maria Mitternachtin acht Tage lang inhaftiert. Sie hatte ihre Schulden bereits beglichen. Maria Markstallerin aus Köndringen-Landeck saß wegen Unzucht in Haft; sie hatte mittlerweile in Sexau geheiratet und ihre Schulden bezahlt.21 Katharina Peterin war wegen einer zu Leiselheim begangenen „Unzucht“ inhaftiert und hatte noch einen Rest von vier Gulden zu bezahlen. Die aus Ihringen stammenden Frauen Katharina Rohrschachin, Katharina Schillingerin und Maria Müllerin saßen jeweils vier Tage in der Amtsstadt ein. Die Ehefrauen von Friedrich Zylius, Jakob Hagist und Josef Schneider aus der Gemeinde Broggingen verbüßten jeweils acht Tage. Katharina Bammertin aus Simonswald schuldete mehr als 25 Gulden für zwei Gefängnisaufenthalte. Zwei- bis achttägige Gefängnisstrafen waren die Regel für Delikte wie Unzucht, Ehebruch22 oder kleinere Diebstähle. Dafür waren Gebühren zwischen 30 Kreuzern und zweieinhalb Gulden zu entrichten. Bei den meisten unverheirateten Frauen aus den Umlandgemeinden handelte es sich um Dienstbotinnen.23 Im Fall der inhaftierten Männer lagen die Haftzeiten zwischen zwei und 41 Tagen; generell dauerten ihre Gefängnisaufenthalte jedoch länger als die der Frauen.24 Für seine 41-tägige Haft hatte der aus Bickensohl stammende Georg Ott etwas mehr als zwölf Gulden zu zahlen.25 20 StadtA Emmendingen, B 1b/1279. Grafmüller sollte 17 Gulden und Isaak sieben Gulden 45 Kreuzer bezahlen. 21 StadtA Emmendingen, B 1b/1278. 22 Für Männer war in Unzuchtsfällen eine Haftstrafe von acht Tagen die Regel; für die Frauen wurde vier Tage „Weibergefängnis“ festgesetzt. Hull, Sexualstrafrecht, S. 226. Hull, Sexuality, S. 86–87. 23 Es handelt sich neben den genannten um Frauen aus folgenden Ortschaften. Kollmarsreute: Maria Kromerin; Malterdingen: Maria Bärin; Maria Schneiderin; Nimburg-Bottingen: Katharina Herzogin, Katharina Schmidin; Teningen: Eva Ottin, des Ziegelknecht Baumanns Frau, Katharina Schafhauserin, Katharina Bittin, Katharina Heßin; Broggingen: Barbara Lasingerin, Maria Zimmermannin; Ihringen: Katharina Schmidin, Katharina Bühlerin, Rosina Josephin; Malterdingen: Elisabeth Speitelin; Köndringen-Landeck: Katharina Peterin. 24 Bahlingen: Johann Georg Flubacher – 4 Tage; Bickensohl: Johannes Scholer; BötzingenOberschaffhausen: Johann Georg Deck – 10 Tage Johannes Erismann – 9 Tage, Hornmeter – 3 Tage;Broggingen: Matthias Grafmüller –19 Gulden 20 Kreutzer; Eichstetten: Georg Männer, Jakob Danzeisen – 2 Tage; Ihringen: Georg Früh – 5 Tage, Georg Gugel – 4 Tage; Grenadier Dürrmeyer, Jakob Grether, Jakob Müller – 3 Tage, Johannes Mattmüller – 8 Tage, Matthias Stähle; Maleck: Christian Haas –14 Tage; Malterdingen, Michael Fischer – 4 Tage; Nimburg-Bottingen Alt Bote Muster, Georg Kuhn – 13 Tage, Jakob Haller – 14 Tage; Teningen, Johannes Hahny – 5 Tage, Michael Reck – 2 Tage Weisweil, Martin Jakob – zweimal 2 Tage. 25 StadtA Emmendingen, B 1b/1278, 26.2.1786.
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Personen, die schwere Delikte begangen hatten, wurden von Emmendingen aus ins Zuchthaus nach Pforzheim, nach 1800 auch nach Bruchsal überwiesen. Der Schmied Jakob Hermann, der seine Frau zu Tode geprügelt hatte, trat 1758 „puncto uxorcidii“ eine vierjährige Zuchthausstrafe in Pforzheim an, von der er nur zweieinhalb Jahre verbüßte.26 1771 wurde der Präzeptor Johann Jakob Christian Ortmann „in das Zuchthaus nach Pforzheim abgeführt.“27 Als seine Frau Sophia Leglerin ein Jahr später um die Aufhebung der Landesverweisung ihres Mannes nachsuchte, gaben die Ratsmitglieder zu Protokoll, dass sie nicht wüssten, warum Ortmann eigentlich ins Zuchthaus eingewiesen worden sei. Sie sprachen sich trotzdem einhellig gegen eine erneute Aufnahme Ortmanns aus, doch Sophia Leglerin ermöglichte ihrem Mann schließlich die Rückkehr nach Emmendingen, wo er 1801 verstarb.28 Johann Bernhard Heß wurde aufgrund seines Bankrotts im Jahre 1787 nach Pforzheim überstellt.29 Wiederholungstäter kamen ebenfalls ins Pforzheimer Zuchthaus, etwa der Tagelöhner Georg Friedrich Lang wegen verschiedener kleiner Diebstähle. Seine Prozess- und Haftkosten beliefen sich bei seiner Entlassung auf 28 Gulden, die er nicht zahlen konnte. Daher bat er 1791 um einen Zahlungsaufschub, den ihm die Stadt bis Martini 1792 gewährte.30 Die wegen Diebstahls und Hurerei wiederholt verwarnte Maria Magdalena Mellertin wurde 1767 ebenfalls nach Pforzheim überführt.31 Jakob Christian Sattler schuldete der Zuchthausverwaltung in Bruchsal 1806 50 Gulden wegen seiner dort inhaftierten Frau Katharina Elisabeth Poppelinin.32
2. INJURIEN UND IHR SOZIALER KONTEXT Die Geschichtswissenschaft hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Bedeutung von Ehre als gesellschaftlichem Steuerungsmechanismus befasst.33 In „den stratifikatorisch-hierarchisch strukturierten Gesellschaften“ im frühneuzeitlichen Mitteleuropa fungierte Ehre Ludgera Vogt zufolge „als Medium (...), das eine entscheidende Komponente ständischer Kommunikation und Konstitution darstellt“.34 Frühneuzeitliche Gesellschaften definierten den Wert des Individuums über Ansehen und Reputation, und so wie die Gesamtmenge der ökonomischen 26 27 28 29 30 31 32 33
StadtA Emmendingen, B 1b/1147. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 10.10.1771, fol. 184r. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1768–1773), 5.11.1772, fol. 246v–249r. StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.8.1787, fol. 241r. StadtA Emmendingen, B 2/5, 1791. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel VIII.5. StadtA Emmendingen, B 1b/1077. Dabei wurde auf soziologische Theorien von Max Weber, Georg Simmel und Pierre Bourdieu zurückgriffen, ferner auf Untersuchungen von Ethnologen und Anthropologen zu mediterranen und außereuropäischen Gesellschaften. Vgl. Schreiner/Schwerhoff, Verletzte Ehre. Dinges, Ehre als Thema. Vogt, Logik, S. 65–85 (Weber); S. 104–152 (Bourdieu); S. 153–186 (Simmel). Ausführlich auch Dinges, Maurermeister. 34 Vogt, Logik, S. 57.
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Güter nach zeitgenössischer Vorstellung nicht vermehrt werden konnte, so war auch das Ehrkapital einer Gesellschaft limitiert. Daher konnte die Verletzung der persönlichen Ehre erhebliche wirtschaftliche und soziale Folgen haben.35 Der Beleidigte musste demnach unbedingt versuchen, die verletzte Ehre wiederherzustellen, um sich selbst, seine Familie und Verwandtschaft, im Extremfall sogar seine Vorfahren zu schützen.36 Martin Dinges arbeitete drei wesentliche Strukturmerkmale von Ehrenhändeln heraus: zum ersten sind sie „Teil des gesellschaftlichen Wissensvorrats, zweitens im konkreten kommunikativen Handeln typisch erkennbar, drittens beruhen sie auf einem Gesamtmuster, das das Mittel zur Erreichung eines Ziels ist.“37 Im Zeitraum zwischen 1650 und 1800 sind 153 Fälle verbaler Ehrverletzungen in den Emmendinger Frevel- und Stadtratsprotokollen dokumentiert. Das Sample umfasst 121 Injurien zwischen Männern, 17 Fälle, an denen Männer und Frauen beteiligt waren, und zwölf Konflikte unter Frauen. In 13 Fällen ist nur der Bestrafte bekannt, da die Frevelstrafe ohne weiteren Kommentar verzeichnet wurde.38 Allerdings sind nur in 54 Klagefällen die konkreten Beleidigungen überliefert. Dabei gewinnt man den Eindruck, dass die Emmendinger offenbar weniger einfallsreich und differenziert in ihren Beschimpfungen waren als die Bewohner der bislang von der Forschung untersuchten dörflichen Gemeinden.39 Zehnmal findet sich die Beleidigung „Hundsfott“, sechsmal „Schelm“, viermal „Dieb“, einmal „Betrüger“, einmal „Lügner“, einmal „Calfacter“ und einmal „Halunke“. Ferner wurden Kombinationen von Schimpfwörtern wie „Schelm und Dieb“ (zweimal), „Hundsfutt und Schelm“ (zweimal), „Schelm und Diebswaar“ (einmal) oder „alter Krattler, Schelm und Dieb“ (einmal) verwendet. Auch Bezüge zur Religion wurden hergestellt: zweimal wurde jemand als „Ketzer“ bezeichnet, einmal in Verbindung mit „Kelchdieb“; viermal wünschte man jemanden zum Teufel. Weiterhin gab es Beschimpfungen, die auf eine geographische Herkunft verweisen. So wurde einmal ein Bürger als „hergelauffener Franzose und schlechter Kerl“ bezeichnet, dreimal Mitbürger als „Schwaben“ beschimpft. Hinzu kommen die Beschimpfung als „Kalb“, „volle Sau“ und „Hans Wurst“. Fünfmal wurden 35 Münch, Lebensformen, S. 285. Münch, Grundwerte, besonders S. 71–72. 36 Für Emmendingen ist ein Fall belegt, in dem Verwandte gegen eine Ehrverletzung an einem ihrer Ahnen, einem ehemaligen Bürgermeister der Stadt, klagten und sich dagegen verwahrten, diesen „gleichsam als einen Schelmen unter der Erde“ erscheinen zu lassen. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 22.5.1710, fol. 96r–96v. Cleopha Aberlin beschimpfte ebenfalls einen bereits verstorbenen Bürgermeister. C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 18.2.1708. fol. 59v. Vgl. allgemein Münch, Lebensformen, S. 285–290. Zum Angriff auf die Ehre eines toten Vaters siehe auch Schnyder-Burghartz, Alltag, S. 328. 37 Dinges, Maurermeister, S. 428. Die Verletzung der Ehre eines Kontrahenten war ein Angriff auf dessen „symbolisches Kapital“ und damit indirekt auch auf sein ökonomisches (Besitz) und soziales Kapital (Beziehungen, Einfluss). Zur Konzeptionalisierung des Begriffs „symbolisches Kapital“ vgl. Bourdieu, Ökonomisches Kapital, S. 190–192. 38 Vgl. zur unterschiedlichen „Streitbarkeit“ der Geschlechter auch Walz, Schimpfende Weiber, besonders 179, 196–197. 39 Frank, Ehre und Gewalt, S. 325–326. Sabean, Property, Production, S. 139–146. SchnyderBurghartz, Alltag, S. 308. Simon, Untertanenverhalten, S. 266.
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gegen die Ehre von Frauen gerichtete Verbalinjurien registriert, u.a. „Schindluder“, „ehebrecherische Hurr“40 und „los Pflanzen“.41 Ein Emmendinger hielt seinem Kontrahenten entgegen, „er habe kein 10 Cronen Weib wie er“,42 ein anderer warf seinem Gegenüber vor, dass er sich „mit seiner Frau nicht ehel(ich) copuliert, sondern Sie als ein Landthur bey sich habe und mit sich führ“.43 Zweimal kamen Anspielungen auf Hexerei vor: einmal in Zusammenhang mit der angeblichen Vergiftung einer Wiese, und einmal stritten sich zwei verheiratete Frauen um einen Mann, wobei die eine vorgab, die andere „in Verdacht zu haben, daß sie ihrem Ehemann eine Abneigung gegen sie einzuprägen suche“.44 In die Mitte des 18. Jahrhunderts fällt eine Injurienklage, in der sich die Problematik der Beziehungen zwischen Stiefkindern und Stiefeltern konkretisierte. Die Magd des Maurers Hans Feistenauer beschwerte sich vor dem Emmendinger Stadtgericht, dass sie von der Frau des Handelsmanns Franz Blum vor dem Hoftor auf den Boden geworfen und mit Fäusten geschlagen worden sei. Blums Frau Anna Barbara Nägelinin gestand den Vorfall und gab als Begründung an, dass die Magd ihr Kind, „da es die Hofthür zugemacht“, ebenfalls geschlagen habe. Feistenauer als Arbeitgeber der Magd klagte ebenfalls gegen Blums Frau. Seit sie „beede in einem Hof wohnten“, würde sie ihm sehr viel Ärger bereiten. Sie „belege seine frau und hausgesind mit allerley Arten empfindlicher Scheltworte.“ Anna Barbara Nägelinin entgegnete auf diese Klage vor dem Stadtrat, dass sie die Familie Feistenauer „nur Schelmen und diebswaar geheißen (habe) und das sey wahr“. Der Rat bestrafte sie daraufhin wegen ihrer Streitsucht mit 24 Stunden „Häuslein sitzen“, räumte ihr aber die Möglichkeit ein, sich durch eine Geldbuße von vier Gulden und 15 Kreuzern freizukaufen. Ferner wurde ihr geboten, den Hausfrieden aufrecht zu erhalten, sonst müsse sie vier Kronen Strafe erlegen.45 Die Protagonistin dieses Falls, Anna Barbara Nägelinin, ist uns bereits als Handelsfrau bekannt.46 Sie war das einzige überlebende Kind ihrer Eltern und wäre somit eigentlich die Alleinerbin der elterlichen Hinterlassenschaft gewesen.47 Zehn Jahre nach ihrer eigenen Eheschließung heiratete ihre Mutter Barbara Müllerin im April 1746 nach sechsjährigem Witwenstand jedoch den katholischen Hintersassen, Maurer und Witwer Johannes Feistenauer. Für die Eheschließung mit dem Katholiken Feistenauer gab Barbara Müllerin sogar das Bürgerrecht auf.48 Als der Konflikt zwischen Johannes Feistenauer und seiner Stieftochter An40 41 42 43
44 45 46 47 48
StadtA Emmendingen B 1a, Fasz. 1, 2.12.1661 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 23.9.1723, fol. 127v–128r. StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, 27.5.1668. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 13.1.1715, fol. 162r–162v. Vgl. zum semantischen Feld der Beleidigungen Neumann, Schmähung als „Meisterstück“, S. 630. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 227–235. Walz, Schimpfende Weiber. StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 15.6.1775, fol. 58v–59r. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 1.4.1748, fol. 218r–218v. Vgl. Kapitel VI.1. GLA Karlsruhe, 198/304, 308; StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Zu Feistenauer vgl. ausführlich Schmölz-Häberlein, Konfessionelle Konflikte, S. 313. Zu Anna Barbara Nägelinin siehe Auer, Stand der Dinge. Evangelisches Pfarrarchiv Emmendin-
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na Barbara Nägelinin sich zuspitzte, lebte ihre Mutter Barbara Müllerin bereits nicht mehr, und der Stiefvater wohnte mit seiner neuen Ehefrau in dem gemeinsamen Anwesen.49 Da in Emmendingen Realteilung praktiziert wurde, kostete Anna Barbara Nägelinin die späte Ehe ihrer Mutter einen beträchtlichen Teil ihres Erbteils und brachte eine fremde Familie in das Anwesen, das ihr allein gehört hätte, wenn ihre Mutter nicht mehr geheiratet hätte.50 Konflikte zwischen Christen und Juden zeigen, dass Ehrverletzungen als Medium der Konfliktaustragung von allen religiösen Gruppen genutzt wurden, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Zahl der Injurienklagen zwischen Angehörigen der jüdischen Minderheit und christlichen Einwohnern im Zeitraum von 1716 bis 1800 beläuft sich lediglich auf fünf. 1718 klagte Hans Georg Felder gegen Moses Weil, dass dieser ihn wegen seiner unbeglichenen Schulden öffentlich einen „S.V. Schelm und Dieb“ gescholten habe. Da diese Beschimpfungen viele Umstehende gehört hatten, musste Weil zwei Gulden Strafe in die Stadtkasse zahlen.51 Während sich die Beschimpfungen hier in einem auch unter Christen üblichen Rahmen hielten, war der Ausfall Jakob Weils gegen Bürgermeister Wilhelm Ludwig Willius 1747 gravierender. Willius musste damals einen Ochsenhandel Jakob Weils mit Teninger Bürgern untersuchen. In diesem Zusammenhang nannte ihn Weil einen „Nachtbürgermeister“ und fügte hinzu, Willius habe ihm „S.V. nichts zu befehlen, wann er ihn (...) Vorbieten lasse, so erscheine er nimmer“. Ferner drohte er dem Bürgermeister, „er habe vor ihm die Tag und Nachtruh nicht mehr, wann er den Kopf zum Fenster nur herausstrecke, so schmähe er ihm.“ Dabei hatte Weil dem Bürgermeister „ettlich Streiche bey dem Vergehen gegeben“. Jakob Weil meinte dazu, es „seye dergleichen anderen leuthen auch schon geschehen, (er) begehre keine weitläuffigkeit.“ Auch in diesem Fall blieb die Strafe für die begangenen Verbal- und Realinjurien innerhalb des bei Christen üblichen Rahmens. Weil hatte Willius „gebührliche Abbitte“ zu tun und wurde für zweimal 24 Stunden ins „Häusle“ gesteckt. Ferner zahlte er eine Geldstrafe von zwei Gulden und 40 Kreuzern.52 Jakob Weil stand 15 Jahre später noch einmal wegen Verbalinjurien vor dem Stadtrat. Sein Vieh war vom Bannwart entgegen der Anordnung des Bürgermeisters auf der Feldeinung angetroffen worden. Als er ihn deswegen ermahnte, entgegnete Weil, der „Bürgermeister habe den Juden kein S.V. zu befehlen, dann sie stunden unter dem Oberamt.“53 Bannwart Bernhard Heß klagte den Juden wegen „ehrenrührige(r) Reden und Ausfälle“ gegen den Bürgermeister an. Weil sagte
49 50
51 52 53
gen, Kirchenbuch Emmendingen, Sterbeeintrag vom 4.1.1758; StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen StadtA Emmendingen, B 1b/356. GLA Karlsruhe, 198/82. Zur finanziellen Problematik im Zusammenhang mit dem Tod oder der Wiederverheiratung eines Familienangehörigen siehe auch den Fall der Freiburger Baderfamilie Huber bei Wettmann-Jungblut, Gefühlswelt. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 21.7.1718, fol. 223r. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 20.3.1747, fol. 165v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6, (Ratsprotokoll 1758–1763), 2.11.1762, fol. 228v–229r. Zur Problematik der Weidenutzung vgl. Ullmann, Streit um die Weide.
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aus, er habe nur gesagt, „der bürgermeister Eccard thue ihm jedesmal so hungrig mit seinem Vieh“, was ihm fünf Gulden Strafe einbrachte.54 Zwei Jahre zuvor war Weil hingegen selbst Adressat einer Beleidigung, die ihm Johann Georg Bergtold „in sein des Juden Haus“ an den Kopf geworfen hatte. Da der Bürger Bernhard Klingenfuß den Vorfall beobachtet hatte und für Jakob Weil als Zeuge auftrat, wurde Bergtold mit einer Strafe von zwei Gulden und 48 Kreuzern belegt.55 1772 belegten sich Veit Samuel, Selig Samuel und der Bannwart Jakob Friedrich Heimhofer gegenseitig mit Injurien. Die beiden Juden mussten daraufhin je drei Gulden Strafe zahlen, „da aber des Heimhofers Verwünschungen denen Scheltworten nicht zu vergleichen seyen“, wurde er von der Stadt absolutiert.56 Ehrkonflikte innerhalb der jüdischen Minderheit wurden wohl meist intern geregelt und daher selten aktenkundig. Ein zufällig erhaltenes Register der Frevelstrafen aus dem Jahre 1731 zeigt jedoch deutliche Ähnlichkeiten mit den Frevelregistern der christlichen Bevölkerung. In den Emmendinger Stadtrechnungsbeilagen findet sich ein Blatt, das der Stadt den Drittteil an den eingenommenen Strafgeldern zuweist. Demnach musste der Jude Herzel Bickert gleich zweimal Strafe zahlen, wegen „ausgeübter Scheltworte“ 50 Kreuzer und „wegen eines unhöfflichen Schreibens an den Rabiner“ 45 Kreuzer. Samuel Weil hatte „wegen ausgestossener Worthen gegen den Rabiner, durch den vorgesetzten Güntzburger“ sechs Gulden zu entrichten. Moses Gideon zahlte ebenfalls zwei Strafen, „wegen eines unhöfflichen Schreibens an den Rabiner“ 45 Kreuzer und wegen Schlaghändeln mit Abraham Weil einen Gulden. Letzterer musste „wegen Scheltens“ des Moses Gideon einen Gulden 20 Kreuzer erlegen.57 Während die meisten Ehrkonflikte auf der Ebene von Verbalinjurien blieben, eskalierten manche zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Insbesondere wenn Männer gemeinsam im Wirtshaus saßen, kam es mitunter zu Handgreiflichkeiten. Möglicherweise bildete eine vorangegangene Beleidigung den Anlass dafür, dass Martin Heß aus Sexau im Jahre 1710 nachts aus der „Stube“ – dem Wirtshaus, in dem die Zunftversammlung stattfand – gegangen, dem Bäcker Johann Georg Köpf „mit Gewalt ins haus getrungen und ihm mit ungestüm ins gesicht gefallen, hernach auf der gaßen grausam und lesterlich geschworen“ hatte. Für seinen tätlichen Angriff auf Köpf hatte Heß 22 Schillinge zu zahlen und für das Fluchen einen Gulden in das städtische Almosen. Die städtische Strafe wurde ihm jedoch auf Bitten mehrerer Fürsprecher erlassen.58 1755 kam es im Wirtshaus „Zur Sonne“ zu einem Streit zwischen dem Gerber Christian Moser und seinem Berufskollegen Daniel Schuhmacher.59 Moser nannte Schuhmacher einen „Hundsfutt“, 54 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 15.12.1762, fol. 240v–241r. 55 StadtA Emmendingen, B 2 Fasz. 1, Extraktus aus den Stadtratsprotokollen, 7.2.1760. C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 7.2.1760, fol. 105v. 56 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 1.10.1772, fol. 244r–244v. 57 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1731. 58 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 22.10.1710, fol. 111v–112r. 59 Da die Streitenden dem gleichen zünftigen Handwerk angehörten, kann man von einer Gleichrangigkeit der Beteiligten ausgehen. Vgl. dazu Dinges, Maurermeister, S. 421, 429; Nowosadtko, Die Ehre, S. 370. Neumann, Schmähung als „Meisterstück“, S. 631–632.
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nachdem dieser ihn angeblich als einen „groben Schwaben“ beschimpft hatte. Daraufhin verpasste ihm Schuhmacher eine „Maulschelle“.60 Auch die beiden Schneidermeister Konrad Gockel61 und Karl Georg Englisch trugen ihren Konflikt 1788 nicht nur verbal aus. Nachdem Gockel angeblich „die ganze Zunft gescholten“ hatte, gab ihm Englisch „an einem Sonntag auf öffentlicher Straße eine Maulschelle“. Daraufhin mussten Englisch für 24 Stunden und Gockel für zwölf Stunden in den Turm.62 Auch in Konflikten mit Frauen wurden Männer wiederholt handgreiflich. Im Jahre 1723 beschuldigte Maria Katharina Hartmannin, die Mutter des späteren Bürgermeisters Johann Wilhelm Zimmermann, ihre Nachbarin, ihr ein Tuch entwendet zu haben. Als die Beschuldigte Maria Katharina daraufhin als „ein Los Pflanzen“ beschimpfte, reagierte Zimmermann auf diese Verbalinjurie, der er als Zeuge beiwohnte, indem er der Nachbarsfrau eine „Maulschelle“ verabreichte.63 Dafür musste er 14 Batzen Strafe zahlen.64 Als Christian Schöchlins Ehefrau Elisabeth Sauserin 1770 den Schreiner Johann Martin Hauser „auf öffentl(icher) Straße (…) mit schwärsten injurien belanget“, beantwortete Hauser dies ebenfalls mit einer „Maulschelle“. Die Frau musste wegen der Beschimpfung 24 Stunden ins „Häuslein“, Hauser wegen seiner Tätlichkeit eine Strafe von zwei Gulden erlegen.65 Anna Rosina Heinrichin beschwerte sich drei Jahre später über den Glaser Hartmann, dieser sei „hervorgesprungen und habe sie ins Angesicht blutig geschlagen“, nachdem sie seinen Jungen ermahnt habe, keinen Unfug auf dem Viehweg zu treiben. Da Hartmann die Frau offenbar mit „allem Vorsatz 3 biß 4 mal (…) so geschlagen“ hatte, wurde er einen Tag lang im „Häuslein“ eingesperrt.66 Obwohl Männer in Auseinandersetzungen offenbar wesentlich schneller von der Ebene verbaler Schmähungen zu physischer Gewalt übergingen, schlugen sich mitunter auch Frauen. 1701 hatte die ledige Bürgerstochter Katharina Landfraßin der Frau des Kanzleiboten aus einem nicht näher bekannten Grund „ein Maulschell“ gegeben und musste dafür ein Pfund und zwei Schillinge Bußgeld zahlen.67 Wenige Jahre später wurde Katharina Landfraßin beschuldigt, „mit einem Kerl aus der Schweiz Anthoni Unzucht getrieben“ zu haben, und verließ die Stadt.68 Im Jahre 1757 klagte Susanna Klingenfußin, die Ehefrau des Zimmer60 Vgl. auch Frank, Ehre und Gewalt, S. 335. 61 Bei Konrad Gockel handelt es sich vermutlich um einen zehn Jahre jüngeren Bruder des in Emmendingen tätigen Generalsuperintendenten Christian Bernhard Gockel. Auch hier bestätigt sich, dass sich Pfarrer- und Beamtenfamilien eine teure akademische Ausbildung jüngerer Söhne oft nicht leisten konnten. 62 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 19.8.1788, fol. 66r. 63 Vgl. Frank, Ehre und Gewalt, S. 320–338, hier S. 335. 64 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 23.9.1723, fol. 127v–128r; B II/2, 23.9.1723. 65 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 21.6.1770 fol. 107v. 66 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 14.10.1773, fol. 292v. 67 StadtA Emmendingen, B 1a, Fasz. 1, Rug- und Frevelgericht in Stadt und Stab Emmendingen, Samstag 17. Dez. 1701. 68 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1704–1706. GLA Karlsruhe, 198/209.
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manns Johannes Abiger,69 gegen Margarete Katharina Fennin, dass diese sie angeblich ohne Ursache beleidigt habe, worauf sie ihr eine Maulschelle verabreichte, „wovon diese zu Boden gefallen“ sei.70 Im Januar 1748 kam es auf der Straße unweit des Hochberger Tors zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Maria Salome Heßin, der Frau des Schuhmachers Georg Friedrich Schillinger, und Hans Michael Lepperts Witwe Katharina Heßin. Letztere soll dabei erstere „mit fäusten geschlagen, und vorher die hauben vom Kopf gerissen“ haben, nachdem zuvor „einige Wortwechsel“ stattgefunden hatten. Die Witwe behauptete, dass Schillingers Frau „ihre Tochter eine Rubendiebin gescholten“ habe, worauf diese entgegnete, sie sei zuvor als „Äpfeldiebin“ bezeichnet worden. Der Rat verurteilte beide Kontrahentinnen zu einer geringen Geldbuße und ermahnte sie, „friedlicher als bishero miteinander zu leben“.71 Maria Salome und Katharina Heßin waren Schwestern, die einzigen überlebenden Kinder des Ehepaares Johann Jakob Heß und Maria Salome Zimmermannin, und bewohnten gemeinsam ein Haus, das sie zum Teil geerbt, zum Teil bei ihrer Mutter abbezahlt hatten.72 Die Vermögensübergabe zog sich über einen längeren Zeitraum hin: Nachdem Maria Salome Zimmermannin ihren Schwiegersöhnen bereits 1736 und 1738 Teile des Besitzes zur Bezahlung von Schulden verkauft hatte,73 erbten die beiden Schwestern beim Tod der Mutter im Jahre 1745 noch ein geringes Vermögen in Höhe von 98 Gulden.74 Die Aufteilung der jeweiligen Rechte an dem gemeinsamen Haus war nicht präzise geregelt, und nach dem Tod der Mutter kam es zwischen den Schwestern immer wieder zu „Grenzkonflikten“, in denen jede Seite ihren Anspruch geltend machte und der 69 Susanna Klingenfuß hatte 1747 den aus dem Württembergischen stammenden Abiger geheiratet. Ort und Datum sind nicht bekannt. Das Ehepaar führte jedoch seine Heiratsgebühren an die Stadt ab. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1747. 70 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 12.9.1757, fol. 302v. 71 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 21.1.1748, fol. 195r–195v. Zum Herunterschlagen der Mütze bei Männern vgl. Frank, Ehre und Gewalt, S. 328. In Frankreich, so Dinges, konnten Frauen die männliche Ehre angreifen, indem sie ihnen die Perücke vom Kopf zogen, um sie vor der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Vgl. Dinges, „Weiblichkeit“, S. 80, 93–94. Zur Problematik des gewalttätigen Entblößens des Kopfes und der Verletzung des Gesichts vgl. auch Schnyder-Burghartz, Alltag, S. 314. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 238. 72 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 19.10.1736, fol. 18r–20v (Verkauf des halben Hauses an ihren Tochtermann Georg Friedrich Schillinger für 180 Gulden). Diese Übergabe sicherte der Mutter ein Leibgeding, den lebenslangen „freien Sitz“ im Haus, eine Aussteuer für die jüngste Tochter und 70 Gulden als „Notgroschen“: „als wann sie in Noth fall, was bedarff, daß sie sich damit aus der Noth helfen las.“ Die andere Hälfte des Hauses wurde bereits 1722 an Johann Michael Leppert verkauft. Im Jahre 1748 wurde auf einen Kaufbrief vom 21.2.1722 Bezug genommen. StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 20.1.1748, fol. 198r. 73 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 19.10.1736, fol. 18r–18v (Verkauf von zwei Güterstücken im Wert von 93 Gulden). 31.3.1738, fol. 62v (Verkauf von ½ Juchert Acker an Georg Friedrich Schillinger zur Ablösung eines Metzgerzunftkapitals von 71 Gulden). 74 StadtA Emmendingen, B 1b/593.
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anderen Diebstahl unterstellte. Im Anschluss an die tätliche Auseinandersetzung wurde die Aufteilung erneut geregelt und der gemeinsame Hof von den städtischen Marchern geteilt.75 Die Beispiele zeigen, dass Ehrverletzungen selten im Affekt geschahen, sondern Kulminationspunkte länger andauernder Konflikte zwischen den beteiligten Personen waren. Männer und Frauen, jüdische und christliche Einwohner folgten dabei denselben, angesichts der Gleichförmigkeit der Konfliktabläufe offenbar stark ritualisierten Spielregeln. Dieses Ergebnis stimmt mit anderen regionalen Fallstudien wie der Untersuchung von Albert Schnyder-Burghartz zum Basler Gebiet weitgehend überein: „Die ritualisierte Gewaltausübung und die Inszenierung der Ehre waren das Medium für alltägliche Konflikte, deren Ursachen in erster Linie in der großen Knappheit aller Ressourcen und Lebensgüter und der daraus folgenden zähen Verteidigung jeglichen Besitzes lagen, ferner in der räumlichen und sozialen Nähe, oft sogar Enge, und den daraus resultierenden Territoriumsverletzungen verschiedenster Art.“76 Die Rekonstruktion der sozialen Kontexte zeigt, dass Ehrenhändel im Emmendingen des 18. Jahrhundert nicht um ein „immaterielles Gut“77 geführt wurden, sondern im Regelfall um konkurrierende materielle Interessen. In Ehrenhändeln stand die Position der Beteiligten innerhalb der städtischen Gesellschaft zur Disposition, und die Schlichtung der Konflikte beinhaltete sowohl die Wiederherstellung ihrer Reputation als auch die Beseitigung der materiellen Ursachen ihrer Auseinandersetzung.78
3. EHEBRUCH UND INZEST Angesichts der Bedeutung, die die Ehe im Verständnis frühneuzeitlicher Obrigkeiten und Gesellschaften für die Aufrechterhaltung der gesamten sozialen Ordnung hatte, war Ehebruch ein gravierendes Delikt, das die ökonomische Basis der Familie gefährdete.79 Je nach sozialer Stellung und Leumund des Betroffenen
75 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 27.1.1748, fol. 197v–200v. Zu vergleichbaren Konflikten vgl. auch Schedensack, Konfliktbeilegung, S. 643–668. Zur Problematik des Zusammenlebens mehrerer Generationen vgl. Krug-Richter, „als ein Knecht“. 76 Schnyder-Burghartz, Alltag, S. 392. Ähnlich argumentieren auch Frank, Ehre und Gewalt, S. 337. Krug-Richter, Von nackten Hummeln. 77 „Ehre ist oft nur an ihren Wirkungen oder den ihr zugeordneten Symbolen zu erkennen. Diese Symbole bzw. die symbolisch zu verstehenden sozialen Interaktionen von Ehrenhändeln können als Konkretisierung des Immateriellen angesehen werden.“ Schnyder-Burghartz, Alltag, S. 302. 78 Neumann, Schmähung, S. 619. Heinrich Richard Schmidt stellt ebenfalls fest: „Die Sprache der Ehre reflektiert (…) direkt auf den moralischen Aspekt im materiellen Austausch, auf die ‚Ehrlichkeit‘ (...) Die Ehre verlangt die Nachbarschaftlichkeit. Die Verteilungskämpfe im 18. Jahrhundert (...) können sich leicht der Sprache der Ehre zu ihrem Austrag bedienen.“ Schmidt, Pazifizierung, S. 120. 79 Vgl. Enders, Bürde und Würde, S. 138–139. Zu den Verordnungen in Baden im Falle von Ehebruch vgl. Maurer, Baden Nr. 1199 (21.04.1731)
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konnte es mit Gefängnis-, Geld- und Ehrenstrafen geahndet werden.80 Die folgende Darstellung der Fälle von Ehebruch, die in Emmendingen im 18. Jahrhundert aktenkundig wurden, zeigt, dass die Auswirkungen des Delikts sowohl von den Umständen der Tat als auch vom sozialen Kapital des Täters abhängig waren. Die Konsequenzen konnten von Geldbußen und kurzer Gefängnishaft bis hin zum dauerhaften Ausschluss aus der bürgerlichen Gemeinschaft reichen. Im Jahre 1714 endete ein Fall von Ehebruch nach 28 Ehejahren mit dem Wegzug eines angesehenen Ratsherrn aus der Stadt. Der 1664 in Emmendingen geborene Bäcker Johann Bernhard Scherberger heiratete im Alter von 22 Jahren die zwei Jahre jüngere Anna Maria Ristin.81 Im Jahre 1704 wurde Scherberger in den Stadtrat gewählt, dem er bis zu seiner Entlassung zehn Jahre später angehörte.82 Außerdem hatte er seit 1707 die Position des städtischen Unterschaffners des Klosters Tennenbach inne, der die dem Kloster zustehenden Grundzinse einzutreiben und zu verwalten hatte.83 Zum Eklat kam es, als bekannt wurde, dass Scherberger, „mit Verena Eichen bey anderthalb jahrlang in Ehebruch gelebet“ hatte. Er wurde „nebst Entsetzung seiner RathsStelle, für die verwürkte Ehebruchstraff, auch Entlassung der auf solches Laster geordneten Infamie und Einthürmung“ zur Zahlung von 75 Gulden verurteilt.84 Der „Wäldlerin“ Verena Eichin, die als Hintersassin in Emmendingen lebte,85 wurde „nebst der 4-wöchigen Einthürmung zu Einer Geldbuß auch entsetzung der Ehren“ eine Geldstrafe von 16 Gulden auferlegt.86 Beide verließen danach die Stadt für immer.87 Scherberger findet sich nur noch einmal in den Quellen: als Nachlassverwalter und Pfleger seiner Enkeltochter im Jahre 1726.88 Seine Ehefrau Anna Ristin starb 1731 in Emmendingen.89 Scherberger selbst scheint 1741 in Nimburg gestorben zu sein.90 Eine offizielle Trennung der Eheleute von Tisch und Bett ist nicht durch eine Vermögenstrennung nachweisbar, doch wurde sie de facto voll80 Hull, Sexualstrafrecht, S. 229. Ein 1780 erlassenes Generaldekret regelte nach der Vereinigung der beiden badischen Markgrafschaften neu „wie sich in Absichten auf die Personen zu verhalten, die wegen Ehebruchs ihrer Ehren entsetzt worden“. Maurer, Baden Nr. 2630 (14.04.1780). 81 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 82 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 31.7.1714, fol. 149r. 83 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 15.4.1707, fol. 48v. Er erhielt seitens des Klosters das Einverständnis des Abtes. 84 GLA Karlsruhe, 198/209. Zur Entlassung von Amtsträgern wegen Ehebruchs in SchwäbischHall im 17. Jahrhundert vgl. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 95. 85 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1714–1715. 86 GLA Karlsruhe, 198/209. Vgl. Hull, Sexualstrafrecht, S. 229. 87 Das Ratsprotokoll vermeldet lapidar: „nachdem ohnlängst Bernhard Scherberger wegen gewißen Verbergens auß dem Rath gethan“. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 31.7.1714, fol. 149r. 88 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 4.4.1726, fol. 190v. 89 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 90 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718). B 1a/1(Frevelgericht 1657– 1769). C/IX Stadtrechnung 1687. C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735). C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744). C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1730–1754. Genealogie Emmendingen. GLA Karlsruhe, 198/209.
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zogen. Obwohl es sich bei Scherberger um ein Ratsmitglied handelte, wird dieser Vorfall in den Ratsprotokollen nicht erwähnt. Allein eine Frevelliste, die das Oberamt anfertigen ließ, weist darauf hin. Auch der Ehebruch des Zunftmeisters der Metzgerzunft Johann Jakob Zimmermann im gleichen Jahr wurde von der Stadt nicht offiziell dokumentiert.91 Der Adlerwirt Johann Wilhelm Legler war 1754 wegen Ehebruchs „im Thurm“ inhaftiert“ und dort „krank und elend“ geworden. Schließlich wurde er „nach Haus getragen“, starb dort aber kurze Zeit später. Seine Gefängnishaft kostete seine Familie etwas mehr als acht Gulden, die an den Kanzleiboten Johann Georg Döbelin zu zahlen waren.92 Döbelin selbst wurde 1756 wegen Ehebruchs seines Amts als Kanzleibote enthoben und verlor dadurch eine wichtige Einkommensquelle.93 Der Zinngießer Johann Peter Hartmann, ältester Sohn des Emmendinger Rebstockwirts und Bürgermeisters Otto Ludwig Hartmann, wurde 1769 in das Bürgerrecht aufgenommen94 und heiratete im gleichen Jahr Maria Magdalena Wolfin,95 zahlte jedoch bereits drei Jahre später 16 Gulden Strafe wegen seines ehebrecherischen Verhältnisses mit Anna Maria Reithin aus Vörstetten, aus dem ein Sohn hervorging.96 Aktenkundig wurden außereheliche Beziehungen verheirateter Männer, wenn sie entweder durch Zeugen denunziert wurden oder durch Gerüchte bzw. eine außereheliche Schwangerschaft öffentlich wurden.97 Im Jahre 1712 beschuldigte Kaspar Bacher im öffentlichen Wirtshaus Hans Jörg Steinhilber, mit seiner „Magd Ungebühr getrieben und solches offt wiederhohlt“ zu haben. Vermutlich war die Magd schwanger geworden und fiel Bacher als Arbeitskraft aus. Steinhilber hatte daraufhin Bacher „gescholten, er seye kein praver Mann, bis er Ihme erweisen thete“.98 Der Bäcker Johann Leonhard Scherberger sah sich 1763 mit dem Gerücht konfrontiert, dass es „einen verdächtigen Zuwandel zu seinen zwey töchtern“ gebe, „worunter sonderlich der alte Sattler Mathias Meyer einer seye.“ Scherberger wurde aufgefordert, dies umgehend zu unterbinden.99 Ehebruch war offensichtlich ein vorwiegend männliches Phänomen; nur einer verheirateten
91 92 93 94 95 96
Vgl. hierzu ausführlich Kap. VII.2. StadtA Emmendingen, B 1b/823. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1756. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1769. StadtA Emmendingen, B 1b/541. C/IX Stadtrechnung 1769. Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1772. Kirchenbuch Vörstetten, 9.2.1773 (freundlicher Hinweis von Dieter Ohmberger, Denzlingen). Zu Hartmanns weiterem Lebenslauf vgl. Schmölz-Häberlein, Stadtgeschichte, S. 386–388.. 97 Hull weist darauf hin, dass entweder eine Anzeige oder eine offenbare Schwangerschaft zu einem Verfahren führten: Hull, Sexualstrafrecht, S. 227. 98 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 10.6.1712, fol. 125v–126r. 99 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 4.11.1763. Johann Mathias Meyer war in zweiter Ehe mit Elisabeth Zieboldin verheiratet, die Ehe wurde geschieden. Jedoch kann der Zeitpunkt der Trennung nicht ermittelt werden und daher ist nicht klar, ob Mayer vor oder nach seiner offiziellen Trennung die jungen Frauen besuchte. Mayer verstarb 1777, seine zweite Frau überlebte ihn. StadtA Emmendingen, B 1b/863.
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Emmendinger Frau konnte im Untersuchungszeitraum ein außereheliches Verhältnis nachgewiesen werden.100 Wenn Ehebruch mit einem Stiefkind begangen wurde, lag nach frühneuzeitlichem Verständnis ein Fall von Inzest vor.101 Im Jahre 1782 beschwerte sich Johann Jakob Schneider, dass die Frau des Wagners Christian Kiefer seine sechzehnjährige Stieftochter Katharina Hauensteinin „S.V. eine Hur und sogar eine Vaters Hur gescholten habe.“ Die Frau gab zu Protokoll, „Schneider hätte mit seiner Stieftochter auf dem Aglen (sic!) in der Scheuer gerammelt und wäre sogar auch bei ihr im Bett gelegen, das sie mit Wilhelm Schwörer, der es gesehen habe, bezeugen wolle.“ Ihre ehrenrührigen Worte über Schneiders Stieftochter stellte sie „gar nicht in Abrede, und sagte noch weiters, daß sie zu diesen Scheltwort gar nicht veranlaßt worden wäre, wann die Schneiderische Stieftochter sie nicht zuerst eine Hur geheißen hätte.“ Der Schuhmacher Wilhelm Schwörer, der sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich geäußert hatte, musste daraufhin seine Beobachtungen zu Protokoll geben. Er bezeugte, dass er gesehen habe, wie „Schneider mit seiner Stieftochter einmal in der Scheuer gerammelt habe“. Dass diese bei Schneider im Bett gelegen habe, habe er hingegen selbst nicht gesehen. Allerdings hätte die 13jährige Magd des Schneiders Rist ausgesagt, dass sie „den Schneider und deßen Tochter zusammen in einem Bette liegend angetroffen habe.“102 Bei dem erwähnten Matthias Rist handelte es sich um den Vater der Klägerin, der zwei Monate vor der Verhandlung gestorben war.103 Schneider gab lediglich zu, als er und seine Stieftochter krank gewesen seien, sei „er im Bette und seine Tochter nur auf dem Bette gelegen“. Dies habe ihm zu Unrecht den Verdacht des „incestus“ eingebracht. Da er kein Vergehen gestand, wurde der Fall an das Oberamt zur weiteren Untersuchung weitergeleitet.104 Drei Monate später bestrafte das Oberamt Schneider und seine Stieftochter wegen „sträflichen Zusammenliegens“. Schneider hatte unentgeltlich sechs Wochen Wuhrarbeiten105 für die Stadt zu verrichten, seine Stieftochter wurde vier Wochen lang eingetürmt.106 Der Ruf von Christian Kiefers Frau, die Schneiders Stieftochter als „Vatershur“ bezeichnet hatte, war nicht der Beste. In der Stadt war angeblich allgemein bekannt, dass sie 1773 ihrem Mann „heiml(ich) Weggeloffen“ war und mit ihm „nicht wie eine Frau lebe und hauße, sondern anderen nachziehe, und selten 100 Vgl. den Fall der Maria Magdalena Mellertin in Kapitel VIII.5. 101 Vgl. auch Hull, Sexuality, S. 99. Ausführliche Beispiele zum frühneuzeitlichen Württemberg bei Rublack, „Viehisch, frech vnd onverschämpt“. Allgemein jetzt auch Jarzebowski, Inzest. 102 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 10.4.1782. Zur Beobachtung von Ehebruch durch die Nachbarschaft vgl. Lutz, Ehepaare, S. 363. 103 StadtA Emmendingen, Genealogien Emmendingen, Niederemmendingen. 104 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 17, Kirchenzensurprotokoll, 10.4.1782. 105 Arbeitsstrafen für Männer lösten ab 1754 zumeist die Gefängnisstrafen ab. Vgl. Hull, Sexuality, S. 108. Wuhr- oder Schanzarbeiten waren in der Regel öffentliche Strafen, die dadurch auch den Charakter von Ehrenstrafen annahmen. Vgl. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 399– 401. Labouvie, Andere Umstände, S. 61. 106 GLA Karlsruhe, 61/6745, 13.7.1782 Nr. 51.
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zu Hause sey.“107 Da sie obendrein ein uneheliches Kind108 hatte, hoffte Schneider offenbar, dass die Kirchenzensur ihren Aussagen über seine sexuelle Beziehung mit seiner Stieftochter keinen Glauben schenken würde. Sein Pech war, dass diese mit dem Schuhmacher Wilhelm Schwörer einen weiteren Zeugen benennen konnte, dessen Reputation außer Frage stand. Allerdings hätte Kiefers Frau vermutlich selbst geschwiegen, wenn sie nicht als „Hure“ bezeichnet worden wäre. Sie machte ihr Wissen also erst öffentlich, als sie ihre eigene Ehre angegriffen sah. Im Jahre 1784 wurde die Ehe Schneiders „von Tisch und Bett geschieden“ und das Vermögen geteilt.109 Seine Stieftochter Barbara Hauensteinin, die damals bereits seit einem Jahr mit dem aus Keppenbach stammenden Weber Jakob Haas verheiratet war, hatte damals noch ihren „Liedlohn“ von etwas mehr als 19 Gulden zu fordern.110 Der jungen Frau war aus den Inzestvorwürfen gegen sie und ihren Stiefvater also offenbar kein dauerhafter Ehrverlust entstanden, der einer Heirat im Wege gestanden wäre. 1787 erhielten Barbara Hauensteinin und ihre Geschwister von ihren „geschiedenen“ Eltern einen großen Teil von deren Vermögen ausbezahlt. Im Gegenzug hatten sie dem Stiefvater und der Mutter ein jährliches Leibgedinge von 50 Gulden zu bezahlen, so lange diese lebten.111
4. EHEKONFLIKTE Neben Ehebruch untergruben übermäßiger Alkoholkonsum, schlechte Haushaltsführung und häusliche Gewalt die materielle und emotionale Substanz frühneuzeitlicher Ehen.112 Die neuere Forschung hat besonders auf die ambivalente Rolle männlichen Alkoholkonsums hingewiesen: Das gemeinsame Trinken im Wirtshaus bildete einerseits ein konstitutives Merkmal von Männlichkeit und Geselligkeit, doch regelmäßiges, unkontrolliertes Trinken gefährdete andererseits die Stel-
107 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 9.6.1773. 108 Auch ihre Herkunft war nicht „ehrlich“. Ihr Vater, der aus Niederemmendingen stammende Schneider Mathias Rist, hatte mit Anna Maria Bastianin, der Mutter der Kieferin, „in Hurerei gelebt“ und erst später die Beziehung kirchlich legitimiert. Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Taufbuch, Taufeintrag der Anna Maria Rist vom 13.9.1751. StadtA Emmendingen, Genealogie Niederemmendingen. 109 StadtA Emmendingen, B 1b/1181. Dabei wurde festgelegt, die Eheleute „werden per rescript vom 13. Mai 1785 E.G.N. 25 ihrer ärgerlichen EheStreitigkeiten halber auf 1 Jahr quoad Thorum & Mensam mit dem Beifügen geschieden, daß der Ehefrau eine Competenz O(ber)Amtl(ich) reguliert werden solle.“ Zur Trennung von Tisch und Bett im katholischen Freiburg vgl. Wettmann-Jungblut, Gefühlswelt, S. 144. 110 StadtA Emmendingen, B 1b/497. C/IX Stadtrechnung 1782. Genealogie Emmendingen. 111 StadtA Emmendingen, B 1b/1182 (Vermögensübergabe). 112 Rublack verweist für das frühneuzeitliche Württemberg darauf, dass in den Ehen um das Haushalten, die Erfüllung der täglichen Aufgaben und vor allem um Alkoholprobleme und ökonomische Schwierigkeiten gestritten wurde, Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 287. Zu Alkohol und Lebenswandel in der Ehe vgl. Lutz, Ehepaare, S. 242–254 und zu Gewalt in der Ehe, S. 316–327.
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lung des Mannes als Bürger und Haushaltsvorstand.113 Wenn solche Probleme in Emmendingen öffentlich bekannt wurden, bemühten sich Rat und Kirchenzensur zunächst um eine gütliche Konfliktregelung und ermahnten die Eheleute zu einem friedlichen Zusammenleben. Wenn Trunksucht und Verschwendung überhand nahmen, sah sich die Obrigkeit jedoch zum Eingreifen gezwungen. Schon bald nach der Heirat der zweifachen Witwe Eva Regina Erlerin mit dem 19 Jahre jüngeren Georg Friedrich Schöchlin im Jahre 1753114 kam es zu Konflikten. Schöchlin musste zweimal nach Karlsruhe reisen, um sein Eheversprechen mit der Pforzheimerin Ottilie Sachsin zu lösen. Er musste der Frau 40 Gulden als „Genugtuung“ zahlen und wurde zusätzlich vom landesherrlichen Ehegericht zu einer Geldstrafe von vier Gulden und 30 Kreuzern verurteilt.115 Die Ehe der Schöchlins war in den folgenden Jahren ein Dauerthema vor dem Stadtrat und der Kirchenzensur. Im Juni 1756 hatte Schöchlin „vor ettl(ichen) Tagen sein Weib und Kinder zum Haus hinaus gejagt“ und wurde wegen seines Verhaltens und seiner schlechten Haushaltsführung in den Turm gesperrt. Die Kirchenzensur vermerkte, dass dies bereits seine zweite „Correctio“ war, und warnte ihn, „dass er die dritte nicht mehr erwarten solle.“116 Doch im Frühjahr 1758 wurde erneut aktenkundig, dass Schöchlin „übel sein Weib tractiere“. Er „solle aufhören zu spielen und zu trinken und müßiggehen, friedlich in der Ehe leben, sonst wird ihm (das) Zuchthaus zuteil.“117 Wenige Monate später trank und spielte Schöchlin zwei Tage lang mit dem Schmied Jakob Hermann, der nach diesem Zechgelage seine Frau zu Tode prügelte. Schöchlin wurde „ins Gefängnis erkandt und gebracht (…), weil er betrunckhener Weise, wie ihm gewöhnlich seine Ehefrau mit Füßen getretten, und dadurch so mißhandelt, dass sie nun das Bett hüten müße.“118 Im August 1763 sahen sich schließlich die Schwiegersöhne der Eva Regina Erlerin genötigt, aktiv zu werden und vor der Kirchenzensur Partei für sie zu ergreifen. „Obwohl er (Schöchlin) wegen seiner Schelt- und Schlaghändel und anderen Uneinigkeiten mit dieser seiner Ehefrauen schon einmal als meistschuldiger und deßen überwießener Theil mit dem hiesigen und härtesten Gefängnis abgestraft worden“ sei, habe „er doch solches zur Beßerung sich nicht dienen laßen“. Schöchlin würde ungeachtet aller Warnungen und Strafen mit „schmähen, sauffen und nachtlauffen fortfahre(n)“. Auch wenn er seine Frau nicht mehr schlage, würde er sie doch „anderwärts eben so übel“ behandeln, „nemlich mit Quetschen zwischen der Thüre und Angst wegen des Zu ihr in das Bett mit nehmenden Säbels“. 113 Vgl. hierzu ausführlich Frank, Trunkene Männer. Tlusty, Bacchus. Diskussionen der Forschungsergebnisse zu innerehelichen Streitigkeiten und Gewalt bei Schwerhoff, Aktenkundig, S. 160–162. Schmidt, Hausväter, S. 222. Zu obrigkeitlichen Eingriffen in Ehekonflikte vgl. Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 111, 290–291. 114 Vgl. zu den Bankrotten ihrer Ehemänner Kapitel VI.3. 115 StadtA Emmendingen, B 1b/1194. 116 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 4.6.1756. 117 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 3.3.1758. Zur Problematik des Spielens als Ursache von Ehekonflikten vgl. Lutz, Ehepaare, S. 246. 118 StadtA Emmendingen, B VI/1-8, Kirchenzensurprotokoll, 4.8.1758.
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Ihrem Sohn aus erster Ehe, dem kürzlich von der Wanderschaft zurückgekehrten Schreiner Wilhelm Friedrich Gmehlin, habe er verboten, „in ihrem Wohnhauß, welches doch ihr gehöre, und 2 Stuben habe, davon die eine leer stehe, sich aufzuhalten und sein künftiges Handwerckzeug darin selbst zu machen.“ Schöchlin widersprach dieser Darstellung und versuchte seinerseits, die schlechte Haushaltsführung seiner Frau als Ursache seiner Unzufriedenheit darzustellen: „Sein Weib gebe ihm und dem Kieferknecht nicht jedesmal weder recht noch zur Stund zu eßen, wornach er im Unwillen darüber weggehe, und zuweilen sich verweile, sondern lege sich außer Haus auf das Geschwäz, dergl(eichen) er weder in das Hauß, noch aus demselben getragen haben möge.“119 Er wolle seinem Stiefsohn „zwar gern Plaz im Hauß und Stub gönnen, er sehe wohl zum Voraus, dass er selbst werde ausziehen müßen, weil nur eine Küche im Haus seye.“ Sein brutales Verhalten war nach Auffassung der Verwandten seiner Frau wie auch des Rates jedoch nicht mehr mit dem grundsätzlich akzeptierten Züchtigungsrecht des Hausvaters gegenüber den übrigen Mitgliedern seines Haushalts zu vereinbaren. Der Rat quittierte Schöchlins Verteidigung aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen mit den Worten: „man sey seines Abläugnens jeder seiner Thaten bey(m) O(ber)Amt schon erfahren und dass er es allemal auf das überweisen der Zeugen ankommen laße, und selbst hätten sie beym Oberamte ihn so betruncken gesehen, dass er sich nicht mehr gekandt.“ Erneut versuchte der Rat, mäßigend auf Schöchlin einzuwirken, und drohte ihm einmal mehr eine härtere Bestrafung an, falls er seine Frau künftig nicht ordentlich behandle und die Rechte seiner Stiefkinder respektiere.120 Da Schöchlin nicht nur mit seiner Ehefrau und deren Familie, sondern auch mit seiner Zunft wiederholt in Konflikt geriet121 und sich überschuldete, war zum Zeitpunkt seines Todes im Jahre 1765 offenbar niemand in der Stadt mehr daran interessiert, seine Ehre symbolisch aufrecht zu erhalten: sein verbliebenes Vermögen wurde vergantet.122 Der Schmied Jakob Hermann, mit dem Schöchlin im Jahre 1758 ein gemeinsames Zechgelage veranstaltet hatte, war der einzige Emmendinger Einwohner im 18. Jahrhundert, dessen Ehekrieg tödliche Folgen hatte. Der aus Mengen im Oberamt Badenweiler gebürtige Hermann war um 1754 nach Emmendingen gekommen und hatte sich dort als Hintersasse niedergelassen. Bereits während seiner Gesellenwanderung in Ansbach-Bayreuth hatte er seine zehn Jahre jüngere Frau geheiratet.123 Bevor sie sich in der Amtsstadt niederließen, hatte ihn seine Frau auf 119 Zur Bedeutung des Essensentzugs als Drohmittel der Frauen und der Männer vgl. Beck, Frauen, S. 162. Lutz, Ehepaare, S. 333–336. 120 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 8.8.1763, fol. 286v–288r. Ein ähnlicher Fall bei Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 78–79. Zum Einschreiten der Nachbarschaft in Fällen häuslicher Gewalt vgl. auch Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 297. Zu Alkohol und häuslicher Gewalt, Lutz, Ehepaare, S. 250–252, 262 und zu Gewalt gegen Ehefrauen und Kinder, S. 318–319. 121 So wurde er beispielsweise 1756 bestraft, weil er sich bei der Wahl des Ladenmeisters der Küferzunft „ungehorsam“ gezeigt hatte. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1756. 122 Vgl. Kapitel VI.3. 123 StadtA Emmendingen, B 1b/1147.
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der Wanderschaft begleitet; aus ihrer Ehe gingen offenbar keine Kinder hervor. Im Jahre 1755 standen die Eheleute Jakob Hermann und Margaretha Katharina Fennin zum ersten Mal vor der Kirchenzensur. Die Frau beschwerte sich über ihren Mann, dass dieser sie am vergangenen Sonntag „mit Schlägen tractiert“ habe, weil „sie ihn nicht länger im Würthshaus zum Rebstock hier dulten wolle, woran er sich zu viel gewöhne.“ Hermann gab dies zu, „doch mit der Linderung, daß er sie nicht geschlagen, sondern sonst mißhandelt habe.“ Daraufhin wurde er ermahnt, dass er „auf dem Handwerck fleißiger sich aufführen, und nicht mehr so oft noch so lange in Würthshäusern sitzen“ solle, dann „werde die Uneinigkeit in ihrer Ehe selbst aufhören.“124 Bereits einen Monat später beschwerte sich seine Ehefrau erneut, dass „er noch immer hart mit ihr umgehe.“ Da sie „Kranckheit halber ihr Klagen selbst nicht vorbringen“ konnte, wurde ihr Mann von der Kirchenzensur erneut ermahnt und eine „Erinnerung zu einem gelinden Tractamentum“ gegeben.125 Bis zum Tod der Margaretha Katharina Fennin knapp drei Jahre später finden sich keine weiteren Vorfälle in den städtischen Akten. Zu ihrem Sterbeeintrag vom 21. März 1758 vermerkte der Pfarrer jedoch, dass ihr Mann „sie so geschlagen, daß sie des anderen Tag tot am Ofen sitzend gefunden“ wurde.126 Offenbar hatte sich die schwer verletzte Frau an den Ofen zurückgezogen, wo sie bis zuletzt die Rolle einer guten Hausfrau erfüllte, zu deren Aufgabe es gehörte, das Feuer am heimischen Herd zu überwachen.127 Dass Hermann nach der Tat ins Zuchthaus nach Pforzheim gebracht wurde, erschließt sich aus dem Zubringensinventar seiner neuen Eheschließung, denn am 6. September 1760 hatte Hermann die 25 Jahre jüngere Anna Maria Frickin in der Kirche ihres Geburtsortes Tiengen geehelicht, wo seine Tat durchaus bekannt war.128 Als Schuldposten sind darin die für das „Vergehen an seinem Weib aufgegangenen Inquisitionskosten“ in Höhe von 87 Gulden erwähnt.129 Warum die Behörden nicht einschritten, bevor Hermann seine Frau zu Tode prügelte, muss ebenso offen bleiben wie die Fragen, warum er innerhalb von zweieinhalb Jahren wieder aus dem Zuchthaus entlassen wurde und welche Motive eine junge Frau dazu bewogen, einen 25 Jahre älteren Totschläger zu heiraten. Da sowohl Hermann als auch seine erste Frau als Fremde nach Emmendingen gekommen waren, war das Interesse von Obrigkeit und kleinstädtischer Gesellschaft an dem Fall möglicherweise nicht so groß, als wenn es sich bei dem Opfer um eine eingesessene Bürgersfrau gehandelt hätte. Während andere 124 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 6.6.1755. 125 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 4.7.1755. Zur Gewaltanwendung vgl. auch Lutz, Ehepaare, S. 318 und zur Diskussion über das erlaubte Züchtigungsrecht des Mannes, S. 319–321. 126 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Sterbebuch, Eintrag vom 21.3.1758, StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Vgl. allgemein Künzel, Gewalt/Macht, S. 120–121. 127 Zur Bedeutung des „heimischen Herdes“ vgl. Wunder, Er ist die Sonn’, S. 58–59. 128 Der Pfarrer vermerkte bei seinem Hochzeitseintrag, „welcher vor zwei Jahren seine Ehefrau in der Trunkenheit totgeschlagen“. Freundliche Mitteilung Kurt Heinzmann/FreiburgTiengen. 129 StadtA Emmendingen, B 1b/1147.
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Ehefrauen gewalttätiger Männer von Familienmitgliedern und anderen Personen aus ihrem Umfeld unterstützt wurden, fehlte der zugewanderten Margaretha Katharina Fennin offenbar ein solcher familiärer und sozialer Rückhalt.130 Die Ehe des Hafners Johann Jakob Hauenstein war von Anfang an von Konflikten begleitet. 1755 heiratete er im Alter von 24 Jahren die acht Jahre jüngere Maria Elisabeth Schöchlinin.131 Im gleichen Jahr wurde er erstmals wegen Spielens vom Oberamt mit einem Gulden Strafe belegt,132 und bereits 1756 wurden die Eheprobleme der Hauensteins vor der Kirchenzensur verhandelt. Auf den Vorwurf, dass er „ein übles Leben dahier führe, mit fluchen, zancken, und schlagen mit seiner Frauen so wohl als seiner Schwiegermutter, auch ein schlechter Haushalter seye“, antwortete Hauenstein: „Er will auf sich nicht kommen laßen, daß er mit seiner Frauen übel lebe, mit seiner Schwieger aber könne er nicht auskommen, weil sie ein böses Weib seye, werde zuletzt seine eigene Haushaltung anstellen müssen.“ Die Kirchenrüger beließen es in diesem Fall noch bei einer Verwarnung, drohten ihm aber im Wiederholungsfall ernstere Strafen an.133 Schon ein Jahr später kam Hauenstein erneut wegen wiederholten Spielens, Trinkens und Schlagens von Frau und Schwiegermutter vor die Kirchenzensur und wurde diesmal für dreimal 24 Stunden ins „Häuslein” gesteckt. Seine Schwiegermutter Anna Eva Kreyerin berichtete in der Verhandlung von einem Vorfall, der sich im Zusammenhang mit Hauensteins Tunksucht ereignet hatte. Als er kürzlich „zu nacht um halb ein Uhr berauscht nach Hauß gekommen“ sei und sie das Kind „wegen dessen Unpäßlichkeit in der Stube herumgetragen, da habe er sie dann unendlich ausgescholten, unter anderem auch eine Saukopf (etc. geheißen), auch ein ander mal ihr ein Meßer nach geworffen, wo er vorher gesagt, er wolle sie damit erstechen.“134 Im Jahre 1765 wurde Hauenstein erneut „wegen Händlen mit seiner Frau (...) in den Turm erkannt.“135 Trotz der häufigen Streitigkeiten entband seine Ehefrau in den vierzehn Jahren ihrer Ehe sechs Kinder, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten. Bei Hauensteins Tod im Jahre 1769 wurde sein gesamter Besitz vergantet,136 und der Pfarrer schrieb in das Sterbe-
130 Lutz kann nachweisen, dass vor dem Ehegericht in erster Linie das Ausmaß der Schläge verhandelt wurde, weniger jedoch die Ursache. Lutz, Ehepaare, S. 192. In Emmendingen scheint man hier zweierlei Maß angesetzt zu haben. 131 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1755. Genealogie Emmendingen. 132 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1755. 133 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 10.12.1756. Dabei wurde vermerkt, man ließe ihm „wohlgeeignete Erinnerung und Verwarnung wiederfahren, hinfüro die Würthshäuser zu meyden, ehrerbietig gegen seine Schwieger und friedlich mit seiner Ehefrauen sich aufzuführen, auch das Spielen zu unterlassen, sonsten werde man gegen ihn (...).“ 134 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 2.9.1757. Das Vorgehen mit Waffen gegen Frauen wurde in der Frühen Neuzeit grundsätzlich nicht akzeptiert. Vgl. Lutz, Ehepaare, S. 320–321. 135 StadtA Emmendingen, B/VI/1, Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 5.7.1765. Dass Misshandlungen in der Ehe mit Gefängnis bestraft wurden, zeigt auch Lutz, Ehepaare, S. 326, 329. 136 StadtA Emmendingen, B 1b/1172. Ein Gantinventar wurde am 1769 erstellt.
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buch: „ich vermute eine unglückliche Ehe“.137 Hauensteins Witwe Maria Elisabeth heiratete ein Jahr später den vier Jahre jüngeren Weber Johann Jakob Schneider.138 Auch diese Ehe stand unter keinem glücklichen Stern, wie wir bereits aus dem Vorwurf des Inzests zwischen Schneider und seiner Stieftochter wissen, und wurde schließlich geschieden. Die Ehe, die Jakob Friedrich Grünwald im Jahre 1757 mit der aus Bottingen stammenden Anna Katharina Prachtin schloss, war ebenfalls lange Zeit von heftigen Auseinandersetzungen geprägt.139 In Gegenwart des Stadtpfarrers, des Bürgermeisters und des Oberamtmanns sagte Anna Katharina 1767 aus, ihre Ehestreitigkeiten rührten daher, dass ihr Mann heimlich Schulden mache. Durch seine zunehmende Verschuldung „werde das Vermögen verringert“. Ihre Vorhaltungen würden jedoch „bey ihm nicht haften, vielmehr werde ihr von ihm mit lästeren übel begegnet, und sogar habe er einstens sie, und die Leibes Frucht, womit sie dermal schwanger gegangen, verflucht, und laße er nicht einmal zu, daß sie ihr Gebett verrichten dörffe.“ Außerdem versorge er sie und ihre Kinder nicht richtig, so dass sie „würklich jezo weder brod noch Geld im Hause in ihrer Gewalt habe.“ Die Vorwürfe des Schuldenmachens, Fluchens, unchristlichen Betragens und mangelnder Versorgung der Familie mussten Grünwald auch in den Augen der Obrigkeit als schlechten Haushalter und Familienvater erscheinen lassen. Als Grünwald schließlich seine Familie nicht mehr ernähren konnte und überdies mehrfach mit einem Dietrich versucht hatte, Geld aus dem Kasten seiner Frau zu holen,140 wurde er 1769 erneut zum Verhör zitiert. Nachdem „man ihn wegen seiner würkl(ichen) betrunckenheit nichts richtiges vernehmen könne“, wurde beschlossen, ihn „einzuthürmen, biß er wieder zu besseren Gebrauch der Vernunfft gelange“. Einen Monat später wurde eine Vermögensuntersuchung vorgenommen. Den erheblichen Vermögensverlust, der dabei zutage trat, sah Grünwalds Frau ausschließlich im Verhalten ihres Mannes begründet, „inmalen sonst auch überall bekandt seye, daß so lange er Geld gehabt, er denen Gesellschafften im trincken und Spielen nachgezogen und mit leerer Tasch zurückgekommen“ sei. Immer wieder habe ihr Mann mehr Geld ausgegeben, als er verdient habe. Vor einem Vierteljahr hätten sie sich 50 Gulden zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts borgen müssen, doch auch dieses Geld sei „durch ihn wieder draufgegangen, bis auf ettliche Gulden, die er ihr aber mittelst eines Dietrichs aus dem Kasten vollends 137 Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen, Sterbebuch, Eintrag vom 6.2.1769. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. Liebe und Abneigung waren in den Verhandlungen kein eigenständiges Thema, dass der Pfarrer eine emotionale Wertung ins Sterbebuch schreibt, ist bemerkenswert. Zur Argumentation bei Konflikten mit Liebe und Abneigung vgl. Lutz, Ehepaare, besonders S. 191–199. 138 StadtA Emmendingen, B 1b/1181. C/IX Stadtrechnung 1770. 139 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1756. Genealogie Emmendingen. 140 Der Schlüssel für die Essensvorräte und das Geld, um sich „Nahrung“ verschaffen zu können, waren zentrale Aspekte frühneuzeitlicher häuslicher Konflikte. Vgl. hierzu Krug-Richter, „als ein Knecht“, S. 331–332. Der Einsatz eines Dietrichs zeigte, dass der Mann nicht mehr die Schlüsselgewalt innehatte, sondern auf ein Einbruchswerkzeug zurückgreifen musste.
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habe wegnehmen wollen, wie es das letzter Kirchenzensurprotokoll auch erwähne“. Anna Katharina Prachtin bat daraufhin um Aufhebung ihrer ehelichen Gütergemeinschaft, zumal Grünwald schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr für ihren Lebensunterhalt und den der Kinder sorge. Es sei so gut wie sicher, dass er „das übrige wenige Vermögen auch noch durchbringen würde, wie er dann ferner noch alle Abend betruncken nach Hauß komme, sie auch mit schelten und falschen bezüchtigungen gegen das 6.te Gebott überhäufe.“ Auch Bürgermeisteramt und Waisenrichter bestätigten, dass Grünwald „von Anbeginn bis jezo ein ruchloser Mann, im fluchen, verschwenden, herumziehen, und anderem liederlichem Zeug gewesen, es auch immer geblieben“ sei. Grünwald, der nun anscheinend den Ernst der Lage begriff, versuchte daraufhin seine Sicht der Dinge zu schildern. Er gab zu, dass er sich regelmäßig betrunken und Schulden gemacht habe, begründete dies jedoch mit seinem „Unwillen gegen die Weichlichkeit seiner Ehefrauen, die sich zuviel zu gut gethan, und durch andere um Kost und Lohn ausrichten laßen, was sie selbst hätte verrichten sollen.“ So lange ausreichend Vermögen vorhanden gewesen sei, hätte sie „eben so gern als er, gut mit ihm über Tisch gelebt“. Erst als sie in Zahlungsschwierigkeiten gekommen seien, „hätten sich die Händel zwischen ihnen über Schulden entsponnen; es könne also seine Ehefrau von den Ursachen des Verhaußens sich nicht losmachen.“ Grünwald gelobte Besserung und versprach, sein Handwerk wieder ordentlich zu treiben, sobald er die Mittel dazu aufbringen könne. Auch wollte er sich einer Vermögenstrennung nicht verweigern, wenn seine Frau das Haus verlassen würde: „Er seye ihr schon manche Jahre nicht mehr gut genug geweßen, die Kinder aber würde er wohl ernähren und ehrlich erziehen.“ 1770 wurde Grünwald schließlich nach Pforzheim ins Zuchthaus gebracht; die Untersuchungs- und Haftkosten wurden mit zwölf Gulden und 30 Kreuzern angegeben.141 Ein Jahr später wurde er entlassen und als „corrigiert“ bezeichnet.142 In einem Bericht an das Oberamt wurde der mittlerweile 35-jährige Grünwald nur wenig später erneut als „Übelhauser“ charakterisiert. Immerhin: „seitdem er aus dem Zuchthauß zurück“ sei, „scheine er sich gebeßert zu haben.“143 Der Schreinergeselle Christian Blum, ein Sohn des Kaufmanns Franz Blum, kehrte 1769 von der Wanderschaft nach Emmendingen zurück. Kurze Zeit später, am Dreikönigstag 1770, fiel er auf, weil er während der Kinderlehre Unfug getrieben hatte. Die fällige Strafe von zehn Stockschlägen wurde ihm „sogleich“ verabreicht.144 Drei Jahre später wurde Blum als Schreinermeister in das städtische Bürgerrecht aufgenommen,145 und im September 1773 heiratete er Anna Maria Vogelin, die sich bereits im sechsten Monat schwanger befand. Blums Eltern trugen die Kosten der Hochzeitsfeier.146 Als sich herausstellte, dass seine Braut 141 142 143 144 145 146
StadtA Emmendingen, B 1b/478. Alle vorhergehenden Zitate entstammen diesem Faszikel. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 8.8.1771, fol. 172v. StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 10.10.1771, fol. 185r. StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 12.1.1770. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1773. StadtA Emmendingen, B 1b/118.
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nicht von ihm schwanger war, erhielt Blum im Ehevertrag eine Summe von 207 Gulden überschrieben, weil er sich bereit erklärt hatte, sie „zur Frau zu behalten“.147 In ihrer Ehe wurden vier Kinder geboren, wovon beim Tod der Mutter im Jahre 1788 noch zwei am Leben waren. Nachdem Blum bereits vor seiner Eheschließung wiederholt durch Normverstöße aufgefallen war, glitt er im Laufe seiner Ehe immer mehr in Verschuldung und Alkoholismus ab. Im Jahre 1779 meldete der Stadtrat dem Oberamt, dass Blum „der liederlichste unter allen“ schlechten Haushaltern der Gemeinde sei, „und es wäre nicht das mindeste an ihm zu verbessern“. Er besäße keinen Heller mehr und sei bereits im ganzen Amt so verrufen, dass keine offizielle Mundtoterklärung mehr nötig sei. Der Rat sah sich gezwungen, sein zu erwartendes Erbe unter Pflegschaft zu stellen.148 Nur fünf Monate später klagte Johann Georg Vogel gegen seinen „liederlichen Tochtermann Schreiner Blum“, dass „dießer immer noch fortfahre, sich vollaufen zu lassen und zu faulenzen.“ Der Stadtrat beschloss daraufhin, dass Vogel „seinen liederlichen Tochtermann durch Schläge auf beßere Wege (…) bringen“ solle. Sollte er diese ihm nicht selber verabreichen wollen, sollte er den Wachtmeister Christian Götz herbeirufen, dem „würklich aufgetragen“ wurde, Blum in diesen Fällen „tüchtig zu prügeln“. Sollte diese drakonische Maßnahme innerhalb eines Vierteljahres nichts bewirken, stehe es Vogel frei, „diesen schlechten Kerl von seiner Frau aus dem Haus zu jagen.“149 Doch auch dies half nichts, denn Blum sei „der allerliederlichste Mensch, bey dem alle Corrections Mittel verloren waren.“ Der Rat stellte allerdings fest, dass Blum mit seinem Lebenswandel „seinen Körper (…) so übel zugerichtet“ habe, „daß sein Leben nicht lang mehr währen dürfte“.150 Auch 1782 hielt sich Blum praktisch täglich im Wirtshaus auf. Der Rat drohte jedem Wirt, der ihm an Sonn- oder Werktagen etwas zum Trinken ausschenke, eine Strafe von fünf Gulden an.151 Im Jahre 1789 wurde dem mittlerweile verwitweten Christian Blum der herrschaftliche Mattenknecht Andreas Bürklin als Pfleger zur Seite gestellt. Aus dem verbliebenen Vermögen bestritt Bürklin die Kosten für die Erziehung der Blumschen Kinder.152 Ihr Großvater Johann Georg Vogel wollte sie ein Jahr später „nicht mehr in der Verpflegung behalten“, doch konnte man „dem Vater (…) ihre Erziehung um so weniger überlassen (…), da er die meiste Zeit über nicht zu 147 StadtA Emmendingen, B 1b/122. Im Dezember entband sie ein Mädchen, das den Mädchennamen der Mutter erhielt und später einen Bürger heiratete. Blum erkannte es also nicht an. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1795. Genealogie Emmendingen. Auch Lutz zeigt an einem Beispiel in Holstein, dass zwar bei finanziellem Augleich durchaus eine Akzeptanz da war, den Ehepartner trotz des Betruges zu behalten. Jedoch auch hier wurde die Ehe unglücklich. Vgl. Lutz, Ehepaare, S. 215. 148 StadtA Emmendingen, C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 24.4.1779, fol. 34v–35r. 149 StadtA Emmendingen, C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 9.9.1779, fol. 43r–44r. 150 StadtA Emmendingen, C/VIII/15 (Ratsprotokoll 1780), 11.8.1780, fol. 31r. 151 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 14.2.1782, fol. 18r–18v. Maurer, Baden Nr. 2205 (15.07.1867). 152 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 23.10.1789, fol. 163v–164r.
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Hauße sich befindet“.153 Vogel erhielt als Ausgleich für die Erziehung und Verköstigung seiner Enkelkinder eine Summe von 200 Gulden aus dem Vermögen der Familie Blum, das überwiegend aus dem Erbe der Mutter bestand, ausbezahlt.154 Während die uneheliche Tochter der Anna Maria Vogelin einen Emmendinger Bürgersohn heiratete, verlieren sich die Spuren von Blums leiblichen Kindern in den Quellen. Die Erziehung der Tochter Christina ist bis zu ihrem zwölften Lebensjahr belegt. Sie wurde dem jungen Glaser Karl Wilhelm Hartmann zur Erziehung und Pflege übergeben. Vereinbart wurde, dass Hartmann sie kleiden und in die Schule schicken sollte; seine Frau sollte dem Mädchen zusätzlich Unterricht im Nähen erteilen. Die Familie Hartmann erhielt 50 Gulden für die Erziehung, die an Ostern 1792 enden sollte.155 Der neunjährige Christian kam zu dem Schreiner Christian Kantzler in Pflege. 156 Er schloss sich später dem Napoleonischen Heer an und verstarb während des Feldzugs nach Russland.157 Im Jahre 1797 beklagte sich der Bäcker und Ratsverwandte Jakob Friedrich Koch über seinen 29-jährigen Sohn Christian Friedrich, der wegen seines liederlichen Lebenswandels bereits wiederholt eingesperrt worden war. Die Strafen hätten bislang nichts bewirkt, „vielmehr komme er nach wie vor fast täglich besoffen nach Hausse, worauf als dann zwischen ihm und seiner Frau und ihm Vater selbst, sobald man solch seinen Sohn seiner heillosen Aufführung vorstelle, verweise und ihn darüber bestrafe, zum wahren Scandal die größten Händel entstünden, wobei als dann sein Sohn die leichtfertigsten flüch und Scheltworte ausstoße.“ Ernstlich besorgt zeigte sich der Vater darüber, dass „sein Sohn (…) seinen Verstand schon größtentheils versoffen“ habe, und wenn „seinem Saufleben nicht in Bälde Einhalt gethan würde, so sey nichts anderes zu besorgen, als daß er um seinen Verstand auch völlig kommen möge.“158 Christian Friedrich Koch, dessen Alkoholismus sein Vater dem Rat so drastisch beschrieb, beschäftigte die städtischen Behörden ein um das andere Mal. Bereits 1780 tauchte er erstmals in den städtischen Frevelregistern auf. Er musste „wegen getriebenen Unfugs auf der Gassen“ eine Strafe von einem Gulden und 30 Kreuzern erlegen. Ein Jahr später stand er mit dem gleichen Delikt erneut in der Rechnung,159 und 1783 hatte er eine Bäckerstrafe von drei Gulden zu erlegen.160 Anschließend scheint er auf Wanderschaft gewesen zu sein. Als seine Mutter Katharina Klauserin 1787 nach über 40 Jahren Ehe mit dem zehn Jahre jüngeren Jakob Friedrich Koch verschied, erbte Christian Friedrich von ihr mehr als 1800 153 154 155 156
StadtA Emmendingen, B 1b/122. StadtA Emmendingen, B 1b/1366. StadtA Emmendingen, B 1b/122. StadtA Emmendingen, B 1b/122. Dieser sollte ihn vier Jahre in die Schule schicken und zum Kirchenbesuch anhalten. Dafür erhielt Kantzler eine Summe von 100 Gulden. 157 StadtA Emmendingen, B 1b/122. 1366. Genealogie Emmendingen. 158 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 24.5.1797, fol. 139r–139v. 159 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1780. C/VIII/16 (Ratsprotokoll 1781), 15.2.1781, fol. 4v. 160 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.10.1783, fol. 29v.
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Gulden.161 Seine finanzielle Unabhängigkeit erlaubte es ihm, noch im gleichen Jahr Maria Magdalena Föhringerin aus Lahr zu ehelichen.162 Im Ehevertrag wurde vereinbart, dass die Eheleute im Haus von Kochs Eltern wohnen und gemeinsam mit seinem Vater wirtschaften sollten; dabei sollten sie zwei Drittel des Gewinns erhalten. Sollte Maria Magdalena ihren Mann ohne leibliche Erben überleben, erhielt sie das Haus für dessen Schätzwert übertragen.163 Auch in den folgenden Jahren verstieß Christian Friedrich Koch regelmäßig gegen die städtischen Normen; wiederholt musste er Strafgebühren bezahlen, weil er nicht genügend Brot bzw. das Brot schlecht oder zu leicht gebacken hatte.164 Der Stadtrat befand 1793, Koch „seze sein starkes Trinken immer noch fort, betrunken mißhandle er seinen Vater und seine Frau, immer noch wie vorhin“. Man beschloss, ihn im Wiederholungsfall durch „Krummschließen“ zu bestrafen.165 Zu diesem Zeitpunkt führten die Eheleute Koch und der Vater des Ehemannes nach wie vor einen gemeinsamen Haushalt.166 Im Jahre 1797 eskalierte die Situation. Nachdem Koch wegen des Verbots, das so genannte 20-Kreuzer-Brot zu backen, im Bürklinschen Wirtshaus „auf die ungeschliffenste Art über den Stadtrath (...) räsoniert“ hatte, bis der Wirt sich gezwungen sah, ihn „zur Thüre“ hinauszuwerfen, wurde er 24 Stunden bei Wasser und Brot eingetürmt und musste zusätzlich eine Strafe von fünf Gulden erlegen. Weitere drei Gulden musste er bezahlen, weil er wieder einmal das Brot zu leicht gebacken hatte.167 Diese Vorfälle nahm Kochs Vater zum Anlass, seine Klagen über den Sohn vor den Rat zu bringen. Sämtlichen Wirten in Emmendingen und den Nachbargemeinden wurde bei fünf Gulden Strafe verboten, Christian Friedrich Koch, „sey er in Gesellschaft oder alleine, einigen Wein mehr abzugeben“. Der Vater und Ratsverwandte Jakob Friedrich Koch solle seine Schwiegertochter dazu anhalten, jedes Mal umgehend das Bürgermeisteramt zu informieren, wenn ihr Mann betrunken heimkomme, und dabei auch die Namen der Wirte mitzuteilen. Dies „sei das einzige Mittel“, um die Lage noch in den Griff zu bekommen.168 In den folgenden Jahren trat jedoch keine Besserung ein. Bei seinem Tod im Jahre 1806 hinterließ Jakob Friedrich Koch seinem Sohn nur den Pflichtteil, „da er ihn mehrmahl bestohlen und seine sonstigen liederlichen Sachen bereits schon mehr 161 StadtA Emmendingen, B 1b/698. 162 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 163 GLA Karlsruhe, 198/391, 12.6.1787. Zur Problematik des gemeinsamen „Hausens“ mehrer Generationen vgl. Krug-Richter, „als ein Knecht“, besonders den Fall der Familie Rehling, S. 317–320. 164 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 22.4.1789, fol. 128r. C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 27.6.1793, fol. 197r–197v. C/IX Stadtrechnungen 1788, 1791. 165 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 27.6.1793, fol. 197r–197v. 166 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1791. 1791 wurde dem jungen Bäcker Koch der so genannte „Brothäusleinzins“ in Höhe von zwei Gulden 30 Kreuzer erlassen, da er sein Handwerk nur als Bäckerknecht bei seinem Vater treibe. 167 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 24.5.1797, fol. 128v. 168 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 24.5.1797, fol.139v–140v. Wirtshausverbote und die Haftung der Wirte im Falle der Übertretung des Verbots sind auch für Bern belegt: Schmidt, Hausväter, S. 228–230.
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als sechs bis Achthundert Gulden gekostet habe“. Als Erben setzte er seinen Enkel ein.169 Christian Friedrich Koch ist danach nicht mehr in den Emmendinger Quellen nachweisbar; seine Frau, die im Haushalt ihres Sohnes wohnte, verstarb 1832.170 Während im eben geschilderten Fall ein Vater gegen seinen eigenen Sohn aktiv wurde, trat im Jahre 1792 Christian Friedrich Schöpflins Ehefrau selbst vor den Rat, um ihre Ehestreitigkeiten zur Sprache zu bringen.171 Veronika Elisabeth Schöchlinin hatte 1787 im Alter von 25 Jahren den fünf Jahre jüngeren Küfer Christian Friedrich Schöpflin geheiratet.172 Sie hatte ein halbes Haus mit in die Ehe gebracht, das ihrem Gatten nach ihrem Tod zufallen sollte.173 Veronika Elisabeth berichtete dem Rat, „ihr Mann seye gestern sehr betruncken nach Hause gekommen, und habe ihr gleich beim Eintritt in die Stube den Vorwurf gemacht, daß sie sich gegen seiner Schwester über seine Aufführung beschwert hätte.“ Auf ihre Entgegnung, dass er in den Wirtshäusern das Vermögen der Familie durchbringe, „habe er ihr gleich ettliche Ohrfeigen gegeben, ihre beeden Kinder, die bereits geschlafen hätten, aus den betten gerissen und in den Hausgang geworfen.“ Ferner habe er „über ihre Mutter Schimpfworte ausgestossen, und nachdem ihre Eltern die Stube zugeriegelt hatten, so hatte er an diese außen geklopft und sie aufzubrechen versucht, überhaupt aber habe er sich wie ein rasender Mensch dermasen betragen, daß sie und ihre Eltern sich genöthiget gesehen hätten, die Nachbarschaft um Hülfe zu rufen.“174 Als ihre Eltern, Christian Schöchlin und seine Frau, die Aussage ihrer Tochter bestätigten, ließ der Rat Schöpflin zweimal 24 Stunden in den Turm sperren.175 1795 bezichtigte man ihn einer „incorrigiblen schlechten Aufführung“,176 und im gleichen Jahr schlug er zusammen mit dem Zimmermann Retscher unerlaubt 20 Birken.177
169 StadtA Emmendingen, B 1b/698. 170 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 171 In Emmendingen wurden Ehestreitigkeiten sowohl vor dem Rat der Stadt als auch vor der Kirchenzensur verhandelt. Eine klare Trennung der Zuständigkeiten ist nicht zu erkennen. In der Regel saßen die Ratsmitglieder auch im Kirchengericht, so dass die Verhandlung wohl vor dem Gremium geführt wurde, das den nächsten Sitzungstermin hatte. Vgl. zur Bedeutung dieser Gerichte: Schmidt, Hausväter. Schilling, Frühneuzeitliche Formierung, S. 199–221. Schmidt stellt fest, dass „die obrigkeitlichen Zuchtinstanzen (…) mit den Frauen zur Disziplinierung der Ehemänner und zur Pazifizierung der Gesellschaft“ paktierten. „Eine Allianz von geistlichen und weltlichen Gerichten und Frauen scheint in der Frühen Neuzeit durchgängig bestanden zu haben, im 18. und 19. Jahrhundert aber eine neue Qualität gewonnen zu haben.“ Schmidt, Hausväter , S. 230. 172 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1786. Genealogie Emmendingen. 173 GLA Karlsruhe, 198/459 (Ehevertrag Christian Friedrich Schöchlin und Veronika Elisabeth Schöchlin, 8.1.1787). 174 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 9.2.1792, fol. 128v. 175 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 9.2.1792, fol. 129r–130r. 176 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 12.1.1795, fol. 296v. 177 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 5.3.1795, fol. 308v–309r. Dafür wurden sie zu fünf Tagen Wuhrarbeiten verurteilt mit der verschärften Auflage, dass sie „des Nachts über eingetürmt und vom Thurm aus jedesmal zur Arbeit geführt werden.“
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Auffällig ist, dass die Kinderzahl in zerstrittenen Ehen oft weit unter dem Durchschnitt blieb und die Geburtenintervalle deutlich höher waren als bei „guten“ Ehen. Christian Friedrich Kochs Frau Maria Magdalena Föhringerin beispielsweise gebar in ihrer Ehe nur drei Kinder, von denen zwei im ersten Lebensjahr starben. Der eheliche Unfrieden wirkte sich also offenbar auf alle Bereiche des Zusammenlebens aus.178 Ferner zeigen die dokumentierten Fälle, dass Alkoholismus, Verschwendung und Gewalt gegen Ehefrauen und Kinder von Verwandten, Nachbarn und städtischer Obrigkeit zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg nicht toleriert wurden. Joachim Eibachs Feststellung, dass die Justiz in Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert „Frauen nur dann mit wirksamen Strafen“ geschützt habe, „wenn die ‚correctio domestica‘ deren Leben gefährdete“,179 ist für Emmendingen zu modifizieren, da die Behörden hier in aller Regel bereits eingriffen, bevor die Gewalt der Ehemänner lebensbedrohlich wurde. Die Ausnahme, die die Regel bestätigt – Jakob Hermanns Totschlag an seiner Frau im Jahre 1758 – betraf bezeichnenderweise eine ortsfremde und möglicherweise sozial nur wenig integrierte Familie. Weitaus häufiger wurde trinkenden und gewalttätigen Ehemännern die Verfügungsgewalt über den Haushalt und das Familienvermögen entzogen und der Ehefrau und/oder vom Rat bestellten Pflegern übertragen. Im Extremfall konnten „üble Haushalter“ wie unmündige Kinder wieder dem Züchtigungsrecht ihres eigenen Vaters bzw. ihres Schwiegervaters unterstellt werden, wie sich im Falle Georg Vogels zeigte, dem der Rat auftrug, „seinen liederlichen Tochtermann durch Schläge auf beßere Wege zu bringen“.180 Kirchenzensur, Oberamt und Stadtrat, Familienangehörige und Nachbarn versuchten immer wieder die Gewaltspirale in den Ehen zu durchbrechen und mit Ermahnungen, aber auch mit Strafen einen Ausweg zu suchen und das Ehepaar zu versöhnen.181 Ob Haft- oder Prügelstrafen tatsächlich geeignet waren, Alkoholiker und häusliche Gewalttäter auf den Weg der Besserung zu führen, oder ob sie durch die damit verbundene Schmälerung der männlichen Ehre nicht eher das Gegenteil bewirkten und weiteres deviantes Verhalten geradezu herausforderten, bleibt eine offene Frage.
178 Auf einen generellen Zusammenhang zwischen Emotionen, Sexualität und Macht verweist auch Lutz, Ehepaare, S. 218ff. Sie kann jedoch keine vitalstatistischen Daten heranziehen, jedoch wird in den Ehegerichtsakten fehlende Sexualität der Ehepartner thematisiert. 179 Eibach, Böse Weiber, S. 680. 180 StadtA Emmendingen, C/VIII/14 (Ratsprotokoll 1779), 9.9.1779, fol. 43r–44r. Frank zeigt an einem Beispiel aus Lippe, dass die Gemeinde einen Trinker zunächst durch Schläge zur Einsicht bringen wollte, ehe sie ihn bei der Obrigkeit anzeigte. Frank, Trunkene Männer, S. 199. Zedler, Universallexikon, Bd. 10, „Gewalt“ Sp. 1377 , „Gewaltthätigkeit“ Sp. 1378–1379. 181 Ähnliche Beispiele finden sich auch bei Lutz, Ehepaare, zur Obrigkeit S. 328–333, zur Familie und Nachbarschaft, S. 339–369. Zum Einschreiten der Nachbarschaft bei Gewalt Rublack, Magd, Metz’, Mörderin, S. 296. Alfing/Schedensack, Frauenalltag, S. 175.
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5. EIGENTUMSVERGEHEN UND IHR SOZIALER KONTEXT Kriminalitätshistorische Untersuchungen haben gezeigt, dass Eigentumsvergehen – von Feld- und Waldfreveln über Diebstähle bis hin zu Einbrüchen und Raubüberfällen – einen erheblichen Teil der frühneuzeitlichen Delinquenz ausmachten. In Gesellschaften, in denen materielle Güter knapp waren, konnten selbst kleinere Eigentumsdelikte die „Nahrung“ der Betroffenen bedrohen und wurden daher als gravierende Vergehen betrachtet. Zwar wurden Eigentumsdelikte von beiden Geschlechtern begangen, doch verübten Frauen überproportional kleinere Diebstähle, während schwerere Formen der Eigentumsdelinqunz vor allem von Männern begangen wurden.182 Daneben hat die Forschung wiederholt auf eine Korrelation zwischen Delikttypen und der rechtlichen und sozialen Stellung der Täter(innen) hingewiesen: „je vollkommener die rechtliche Integration desto geringer, je massiver der Ausschluss, desto größer die Affinität zu Diebstahl und Einbruch.“183 Auch die in Emmendingen dokumentierten Fälle zeigen sowohl geschlechtsspezifische Muster als auch Zusammenhänge zwischen Eigentumsdelinquenz, Armut und fehlender sozialer Integration. Abgesehen von einem Fall im Winter 1716, in dem gleich 28 Bürger und Hintersassen – was etwa einem Drittel der damaligen männlichen Haushaltsvorstände entspricht – mit Schlitten in den Wald fuhren und dort Forstfrevel begingen,184 wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts insgesamt 53 Feld- und Waldfrevel – unerlaubtes „Grasen“, „Steckenhauen“ und „Baumfällen“ – aktenkundig. Darunter befinden sich acht Fälle, an denen Frauen beteiligt waren. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist eine deutliche Zunahme der registrierten Frevel zu verzeichnen.185 Während schwerere Waldfrevel wie das Fällen von Bäumen praktisch ausschließlich von Männern begangen wurden, wurden Frauen in der Regel wegen leichterer Feldfrevel bestraft. Derartige Frevel waren in der frühneuzeitlichen Gesellschaft, wie Heide Wunder betont, „keineswegs geringfügig oder banal“. Man sah darin „einen Angriff auf das sorgfältig ausgeklügelte System von Nutzungsrechten“, die „missbräuchliche Aneignung von Nutzungen, die den Mangel an lebensnotwendigen Gütern steuern sollte.“186 Dass es sich hierbei auch in Emmendingen um kein Bagatelldelikt handelte, bekam Johann Georg Stiefel zu spü-
182 Eibach zufolge lag der Anteil der Frauen an Diebstahlsdelikten in Frankfurt bei 28 Prozent, während in Siegen 39 Prozent und in Freiburg im Breisgau 34 Prozent der Diebstähle von Frauen verübt wurden. Der größte Teil der verhafteten Frauen stammte nicht aus der Stadt selbst. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 292, 294. 183 Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 300. 184 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 14.2.1716, fol. 186r–186v. 185 Es wurden alle Fälle gezählt, die in den Ratsprotokollen und den Stadtrechnungen verzeichnet sind. Frevelstrafen können auch in den Oberamtsprotokollen verzeichnet sein, die aber erst seit den 1770er Jahren lückenhaft vorliegen. 186 Wunder, Weibliche Kriminalität, S. 53. Eibach bezeichnet Forstfrevel als eines der zentralen Eigentumsdelikte in kleinen Städten: Eibach, Böse Weiber, S. 686–687.
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ren, als er nach 22 Jahren im Stadtrat wegen „Entwendung und Verkauf“ von städtischem Holz seinen Ratssitz aufgeben musste.187 Sofern Frauen an solchen Freveln beteiligt waren, handelte sich meist um Dienstbotinnen oder die Frauen von Hintersassen und ärmeren Bürgern, die aus wirtschaftlicher Not zur Normübertretung veranlasst wurden. So zahlte 1707 die Frau des katholischen Schweinehirten Maria Lichtentalerin wegen unerlaubten „Grasens“ im Mühlengarten eine Strafe von sechs Batzen.188 Im Jahre 1775 wurden Georg Schrodins Frau und „die Schillingerin von Maleck“ beim Lesen von Eicheln auf Emmendinger Gemarkung erwischt. Schrodins Frau musste einen Gulden 20 Kreuzer Strafe bezahlen, die Schillingerin wurde aufgrund ihrer Armut „zur Stellung in die Geige“ verurteilt.189 Neun Jahre später hatten die Ehefrau des Schuhmachers Johann Christoph Stiefel und zwei Töchter des Metzgers Johannes Frei gemeinsam einen Felddiebstahl begangen; sie wurden mit ihrer Beute „zur Bestrafung auf dem Marckt“ ausgestellt.190 Im gleichen Jahr 1784 hatte auch Regina Lehmannin verbotener Weise auf der Allmende Gras gemäht. Neben einem Bußgeld von zehn Kreuzern wurde sie mit etlichen Stunden Eintürmung bestraft.191 1790 leistete Regina Lehmannin einer Vorladung des Rates wegen desselben Delikts zunächst keine Folge und wurde daraufhin „unter Androhung scharfer Ahndung“ noch einmal vorgeladen.192 Ein „Dienstmägdelein“ Johann Bernhard Langs, das verbotenerweise auf der Allmende Gras gemäht hatte, kam dafür 1793 einen halben Tag in den Turm.193 Christina Bühlerin, die zweite Ehefrau des bereits erwähnten Schuhmachers Stiefel, wurde 1798 wegen verbotenen „Grasens“ mit einem Bußgeld von einem Gulden und 30 Kreuzern belegt.194 Nur noch ein weiteres Mal findet sich eine Frau wegen Beteiligung an einem Frevel in den Strafregistern wieder: 1769 hatte der Schuhmachergeselle Andreas Weinbrenner auf Geheiß seiner „Meisterin“ Sybilla Fechterin, der Witwe des Schuhmachers Jakob Bürklin, „im verbotenen Stöcke ausgehauen und junge Eichbäume verdorben“.195 Da die Kriminalakten der Markgrafschaft Baden nur ganz vereinzelt überliefert und auch die Oberamtsprotokolle nur sehr lückenhaft erhalten sind, können über schwerere Eigentumsdelikte, die vor dem Oberamt verhandelt wurden, keine quantitativen Aussagen gemacht werden. Zwei besonders gut dokumentierte Fälle aus den 1740er Jahren gewähren jedoch detaillierte Einblicke in die sozialen Kontexte von Eigentumsvergehen. Da im einen Fall eine Frau, im anderen ein Mann im Mittelpunkt steht, vermag ein Vergleich überdies Aufschluss darüber geben, 187 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 3.5.1762, fol. 205v. C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 22.7.1784, fol. 63r–64r. 188 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 15.4.1707, fol. 47v. 189 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 19.10.1775, fol. 86r–86v. 190 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.9.1784, fol. 80v. 191 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 9.9.1784, fol. 74v. 192 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 20.5.1790, fol. 210r. 193 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 17.10.1793, fol. 204v–205r. 194 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 12.7.1798, fol. 297r. 195 StadtA Emmendingen, C/VIII/8 (Ratsprotokoll 1769–1773), 18.1.1769, fol. 9r.
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ob „auch bei der Wahrnehmung von Devianz (...) die Geschlechterstereotype eine Rolle“ spielen.196 Im ersten Fall mussten Dienstboten auf Anordnung der Frau ihres Dienstherrn eine Reihe von Diebstählen ausführen. Im Juli 1745 zeigte Matthias Wagner, der Vater des Lehrjungen Jakob Wagner, welcher bei dem Ziegler Paul Kiefer sein Handwerk erlernte, dem Stadtrat an, dass sein Sohn am Sonntag während des Gottesdienstes auf Geheiß von Kiefers Ehefrau, der 22-jährigen Eva Gobin, „auf der Bürklins Kirschenbaum Kirschen stehlen müßen, ohngeachtet der Ziegler um das Haus herum soViel volle Kirschenbaum habe, daß er nicht alle selbst zu Nuz ziehen könne.“197 Sein Sohn Jakob, der „kein End an solchen Sachen gesehen“ habe, habe daraufhin seinen Vater in Kollmarsreute aufgesucht und ihm alles, was in den letzten Wochen vorgefallen war, erzählt. Der Bericht seines Sohnes veranlasste Wagner, nachmittags in die Ziegelei zu gehen und seinen Sohn aus dem Dienstverhältnis zu nehmen. Er verlangte von Kiefer, den Lohn seines Sohnes auszubezahlen, was dieser jedoch verweigerte. Durch sein Verhalten und seine Anzeige beim Rat stellte sich Matthias Wagner als verantwortungsvoller Hausvater dar, der auf eine ordentliche Erziehung seines knapp 13-jährigen Sohnes Wert legte und die Normverstöße, an denen dieser beteiligt war, nicht gutheißen konnte, sondern „sehr bestürzt“ war, als er erfuhr, dass Jakob regelmäßig zum Stehlen angeleitet wurde. Nachdem die 24-jährige Magd Susanna Saurin aus Windenreute, die bis zu diesem Zeitpunkt geschwiegen hatte, daraufhin ebenfalls Stellung bezogen und dem „Meister ins Gesicht gesagt“ hatte, „ja die Frau thue solches“, hätte sie „keine Supp mehr mit Ruhe essen und nichts mehr recht thun könne(n).“ Susanna Saurin sagte vor dem Bürgermeisteramt aus, dass sie im Dienst ihrer Meisterin „mit gutem Gewissen länger nicht mehr stehen könne, und solchen gern Guittieren wollte, wann Sie nur ihren Verdienten liedlohn herausbrächte.“ Auf Nachfrage des Rates, „worinn die Stücke bestehen, welche wieder ihr Gewißen läuffen möchten, wann sie ihren Dienst länger vollführe“, schilderte Susanna detailliert „die beständige Anmuthung, ja de(n) Zwang ihrer Meisterin, des Zieglers Paul Kieffers Frauen zu begehung allerhand felddiebstähle, je nach der Jahreszeit“. So habe ihre Dienstherrin ihr befohlen, Gras aus dem Rebenfeld des Metzgers Johann Jakob Zimmermann zu holen, was sie aus Angst vor Entdeckung jedoch nicht getan habe. Ihre Meisterin habe darauf entgegnet, „man müste eben Zu einer bequemen Zeit gehen.“ Am Tag vor der Auffahrt (Christi Himmelfahrt) sollte sie abends zusammen mit dem Lehrjungen Jakob Wagner auf der Wiese der „Einnehmerin Rabusin“ Klee schneiden und nach Hause bringen. Kiefers Frau habe ihnen dazu die Sicheln gegeben „und darauff zum Fenster hinausgeschauet, ob sie auch fortgehen.“ Sie hätten jedoch nichts geschnitten, sondern lediglich etwas Gras vom Wegrain mit nach Hause gebracht. Auch auf der Wiese des Löwenwirts habe sie Gras mähen müssen. Ihre „Meisterin“ habe dabei geholfen; „weil ihr aber wegen erst überstandener Kranckheit Kräfften abgegangen, so hätt sie wieder bald 196 Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 10. 197 StadtA Emmendingen, B 1a Fasz. 5, 21. und 23. Juli 1745, fol. 48r–68v. Alle Zitate zu diesem Fall wurden, wenn nicht anders vermerkt, diesem Faszikel entnommen.
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aufgehört.“ Auf Kaspar Bachers Wiese bei der Ziegelhütte hätten sie und der Dienstjunge ebenfalls Gras schneiden sollen. Susanna beteuerte, sie habe immer wieder „der Meisterin das Unrecht und die Gefahr wiederum vorgestellt“, worauf diese sie nach Hause geschickt und selbst das Gras geschnitten habe. In Johannes Lapps Rebenfeld hätten sie und der Dienstjunge Kirschen stehlen müssen. Eva Gobin habe den beiden „nach dem nachtessen befohlen, dahin zu gehen und ihr davon zu hohlen.“ Dienstmagd und Lehrjunge seien daraufhin abends auf den Kirschbaum gestiegen und „hätten abgebrochen, und nach Hauß der Frauen ins bett gebracht.“ Aufgrund der Dunkelheit hätten sich viele unreife Kirschen darunter befunden; deswegen sei die Meisterin „gar nicht zu frieden geweßen, sagend es seye so nichts, man müße des morgens gehen, damit man auch wiße, was man nehme.“ Nicht nur die Meisterin selbst, sondern auch deren Mutter, die jetzige Frau des Jakob Gerber von Mundingen, habe ihnen zugeredet und sie bedrängt: „wann sie noch so jung wäre, wie Sie (….), so wollte Sie auch gehen. Sie tue recht wann sie gehe“. Ihr Meister Paul Kiefer habe von all dem nichts gewusst, und als sie ihn informiert hätte, dass sie systematisch zum Stehlen angehalten werde, sei dieser „darauffhin Zur Frauen in die Stuben gegangen, was Sie aber miteinander geredet wisse Sie nicht.“ Die Dienstmagd Susanna Saurin berichtete weiter, sie habe auf dem Heimweg vom Grasmähen in den Reben des Färbers Philipp Jakob Legler „junge Rueben gesehen und eine Vor sich Zum essen ausgezogen, weil Sie aber bitter gewessen in ihr Graßtuch gesteckt und heimgetragen.“ Dort habe die Meisterin die Rübe entdeckt und sie gefragt, wo diese schon wachsen würden. Daraufhin sei sie „anhero gegangen, habe Rind- und Hammelfleisch geholt, und darauff gesagt, Sie sollen den anderen Sonntagmorgen Vor dem Kuhmelcken Von solchen Rueben holen, Sie wollte das Hammelfleisch daran Kochen.“ Sie habe sich zunächst geweigert, nochmals Rüben zu nehmen, sei dann aber doch abends gegangen und habe zusammen mit dem Lehrjungen zwölf Rüben geholt, „welche die Meisterin des Morgens früh genommen, und des mittags aufgestellt.“ Ihr Meister Paul Kiefer habe sich allerdings beim Mittagessen beschwert, dass die Rüben noch keinen Geschmack hätten und sie das Geld nicht für „wenig taugende Rueben außgeben“ solle. Als seine Frau ihm entgegnete, die Rüben hätten nichts gekostet, habe Kiefer nichts darauf erwidert. Noch als sie der Stadtbote vor den Rat holte, nahm Eva Gobin die ganze Angelegenheit offenbar nicht besonders ernst, denn sie soll zu ihrer Magd gesagt haben, „man könne sich schon heraus wicklen, und allenfalls, was dann wohl ein tuch voll von graß Costen werde“, worauf diese geantwortet habe, das „wisse sie nicht, denn sie habe noch keins gestohlen.“ Der Lehrjunge Jakob Wagner bestätigte die Aussage der Magd, dass der Ziegler Kiefer in der Regel nichts von den Unternehmungen seiner Frau mitbekommen habe, und sagte aus, „der Meister habe ihm niemahl dergl(eichen) zu thun befohlen.“ Paul Kiefer beteuerte vor dem Rat, „es seye ihm sehr leyd, daß dergl(eichen) Sachen gegen seine Frau Vorkommen, er seye an allem unschuldig, habe niemahl nichts dabey gewußt“. Im Laufe der Verhöre kamen jedoch immer mehr Vorfälle zu Tage. So erinnerte sich der Vorsitzende der Untersuchungskommission, Bürgermeister Johann Christian Sander, daran, dass sich die Hebamme bei ihm über
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einen Obstdiebstahl der Eva Gobin beschwert hatte. Diese habe „die that allerdings weggeleugnet, worauf er 3. Mann in die Ziegelhütt Zur Hausvisitation geschickt, sie dann von den gestohlenen Äpflen aber nicht alle im durchsuchen gefunden, darauf habe sich die Zieglerin mit der Hebamm abgefunden.“ Das Bürgermeisteramt sei der Sache nicht weiter nachgegangen, da die Wirren während des Österreichischen Erbfolgekriegs dies verhindert hätten. Paul Kiefer bestätigte die Aussage des Bürgermeisters und gab an, „schon in dem bewußten Äpfel Handel mit der Hebammen habe er seine Frau so gebeten alß gewarnet, frembde Sachen aus dem Haus zu laßen, allein so sehe er, daß es nicht angeschlagen habe.“ Er war sich seiner Verantwortung als Vorstand des Haushalts also durchaus bewusst und wies auf die Pflicht der Magd hin, ihn zu informieren: „die Magd hätte es ihm sagen sollen, damit er die Nöthige Vorsicht hätte brauchen können, so aber wäre sie still dazu gewesen.“ Paul Kiefer und seine Frau waren beide keine gebürtigen Emmendinger. Kiefer kam aus dem benachbarten Landeck, wo er 1740 als herrschaftlicher Ziegler belegt ist. In diesem Jahr heiratete er die 17-jährige Eva Gobin.198 1744 erwarb er von Wilhelm Walters Erben den Emmendinger Ziegelhof und wurde in der Stadt als Hintersasse angenommen.199 Außer der Ziegelei besaß das Ehepaar zwei Ochsen, eine Kuh und zwei Pferde und bewirtschaftete drei Juchert Wiesen. Aus ihrer Ehe gingen vier gemeinsame Kinder hervor, ein um 1740 geborener Sohn Joseph, die im Mai 1745 geborene Christina, die zum Zeitpunkt der Verhandlung also wenige Wochen alt war, die 1747 geborene Anna Maria, die nicht einmal sechs Wochen nach der Geburt starb, sowie der im Januar 1749 geborene Johann Paul, der nur zehn Jahre alt wurde.200 Die Vielzahl an Delikten, die auf das Konto der Eva Gobin gingen, veranlasste den Rat zu weiteren Nachforschungen in deren Heimatgemeinde Mundingen. Vogt und Stabhalter der Gemeinde teilten dem Rat schriftlich mit, dass die junge Frau schon dort wegen Eigentumsdelikten aufgefallen war: „da sie noch all hier bey ihrem Vatter, dem Jacob Goben als ein unVerständiges Mägtlein“ gewohnt habe, habe sie in Andreas Schindlers Feld „gugumeren“ (Gurken) gestohlen und sei dafür mit dem „häuslein“ bestraft worden. Diese Tat gab Eva unumwunden vor dem Rat zu, während sie die neuen Diebstahlsvorwürfe leugnete: „Ja wie sie noch ein Kind geweßen, sie seye darüber ins häußlein gekommen und der Vatter gestrafft worden.“ Am 26. Juli 1745 wurden die beiden Frauen vor dem Rat einander gegenübergestellt, und die Magd wiederholte die Vorwürfe in Gegenwart ihrer Meisterin. Daraufhin gestand diese einen Teil der ihr zu Last gelegten Delikte und gab „entlich so weit nach das sie es nicht mehr wiße.“ Der Rat sah dadurch die Ergebnisse seiner Untersuchung bestätigt und setzte das Strafmaß fest. Da es sich um eine Wiederholungstäterin handelte, die sich seit ihrer Jugend offenbar nicht gebessert hatte, sollte Eva Gobin „Zu wohl Verdienter Straff, nächst kunfftig Samstag abend in das Häußlein“ gesteckt und „den Sonntag 198 StadtA Emmendingen, Genealogien Emmendingen und Mundingen. 199 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1735–1744), 28.1.1744, fol. 176r–176v. 200 StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 17.6.1756.
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aber darauff eine Stund lang in die Geige hier auff dem öffentlichen Marcktplatz“ gestellt werden, „mit Anhängung derer Sorten, so sie fernd und dieses Jahr entwendet oder zu entwenden befohlen oder zugelassen.“ Sollte sie danach nochmals einen Felddiebstahl begehen, drohte der Rat damit, sie in das Halseisen stellen lassen. Auch die Magd sollte eine Stunde „ohne Geige, jedoch mit Anhängung der gestohlenen Sachen ihr an die Seite gestellt werden“, da sie eine Mitschuld träfe. Eva Gobins Mann Paul Kiefer bemühte sich jedoch um die Umwandlung der Ehrenstrafe in eine Geldbuße. Auf seine Fürsprache hin musste die Frau schließlich eine Summe von 10 Reichstalern bezahlen. Dadurch reduzierte sich auch das Strafmaß für die Magd. Sie musste zweimal 24 Stunden ins städtische Gefängnis; die gestohlenen Sachen wurden außen an der Tür befestigt. Auch der Lehrjunge Jakob Wagner wurde drei Stunden ins „Häuslein“ gesteckt, „nebst Vorläuffiger Erinnerung sich sein lebtag nicht mehr zu solchen diebstahl Verleyten zu laßen“. Der dargestellte Fall zeigt, welches Konfliktpotential das Zusammenleben von Herrschaft und Gesinde auf engstem Raum bergen konnte, wenn Haushaltsvorstände ihre Autorität missbrauchten. Eine Meisterin, die ihrer Aufsichts- und Erziehungspflicht gegenüber dem Gesinde nicht in „hausmütterlicher“ Weise nachkam und sie sogar zum Stehlen verleitete, musste streng bestraft werden. Verschärfend kam hinzu, dass Eva Gobin bereits in ihrer Jugend straffällig geworden war und sich offenbar nicht gebessert hatte. Nicht nur mit der hohen Geldstrafe, sondern auch mit dem „zur mehreren Einsicht“ ins Ratsprotokoll eingetragene Urteil, das der Nachwelt das Beispiel einer schlechten Meisterin übermitteln sollte, war eine abschreckende Wirkung intendiert.201 Die Magd wurde ebenfalls bestraft, weil es ihre Pflicht gewesen wäre, das Verhalten ihrer „Meisterin“ deren Mann und der städtischen Obrigkeit zu melden. Strafmildernd dürfte sich der Umstand ausgewirkt haben, dass sie als Magd prinzipiell zu Gehorsam gegenüber den Anordnungen der „Hausmutter“ verpflichtet war. Der Rat gestattete ihr, den Dienst zu quittieren, und sicherte ihr zu, dass sie ihre Kleidung und ihren Lohn ausgehändigt bekam. Auch Lehrjungen hatten die Autorität des „Meisterpaars“ grundsätzlich zu achten und ihnen Folge zu leisten; doch auch Jakob Wagner hatte zu lange gewartet, ehe er seinen Vater über die Vorgänge im Hause Kiefers informierte. Bemerkenswert ist, dass Eva Gobin nicht aus Armut oder gar aus sozialem Protest, sondern geradezu kleptomanisch stahl bzw. stehlen ließ. Das Stehlen von Äpfeln und Kirschen, obwohl die eigenen Bäume genügend Früchte trugen, oder das Entwenden von Rüben, die noch nicht reif waren, deuten jedenfalls auf ein neurotisches Verhaltensmuster hin, und auch die Tatsache, dass im Haushalt der Kiefers Hammelfleisch und frische Milch offenbar reichlich vorhanden waren, lässt nicht auf eine ökonomische Notlage schließen. Von Armut oder wirtschaftlichen Problemen der Eheleute Kiefer ist während der ganzen Verhandlung nie die Rede. Kleptomanie – ein zwanghafter, vom Willen nicht kontrollierbarer Trieb zum Stehlen –, wurde in der frühneuzeitlichen Gesellschaft natürlich nicht als 201 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (1744–1749), 31.7.1745, fol. 74r. Zum Zusammenhang von Strafpraxis und Erinnerung vgl. Graf, Das leckt die Kuh nicht ab.
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Krankheit erkannt. Auffällig ist ferner, dass sich die Diebstähle in einer Zeit häuften, in der Eva Gobin hochschwanger war oder im Kindbett lag.202 Ihre Magd Susanna Saurin beklagte sich unter anderem, dass ihre Dienstherrin ihr die Strümpfe, die sie ihr für ihre „Kindbett warttung“ geschenkt hatte, wieder abgenommen habe. Aus Sicht der städtischen Obrigkeit handelte es sich in jedem Fall um ein schweres Vergehen, das geahndet werden musste. Wie sich die Bestrafung auf die Stellung der Familie innerhalb der Emmendinger Gesellschaft auswirkte, ist nicht feststellbar. Im Frühjahr 1749 starben Paul Kiefer und seine Frau innerhalb eines Monats.203 In einem ähnlichen Fall, der nur drei Monate später vor dem Emmendinger Stadtrat verhandelt wurde, stand der Küfer und Totengräber Heinrich Schöchlin im Mittelpunkt. Im Oktober 1745 wurde ihm vorgeworfen, vor einigen Tagen auf dem Acker des Adlerwirts Johann Heinrich Legler „Welschkorn“ (Mais) gestohlen zu haben.204 Legler wurde von dem Gärtner Wilhelm Nagel im Hof seines Hauses aufgesucht und darüber informiert, dass er Schöchlin auf dessen Maisfeld beim Gottesacker gesehen habe, wie er „dem Vermuthen nach, Welschkorn abbreche.“ Daraufhin ging Legler zusammen mit seinem Schwiegersohn zum Feld hinaus, doch trafen sie „den beklagten schon unterwegs in die Stadt“ an. Nachdem sie ihm „4 kolben theils auß dem busen theils aus dem Sack gezogen“ hatten, gestand Schöchlin, diese genommen zu haben. Legler vermutete jedoch, dass Schöchlin noch wesentlich mehr Mais entwendet haben könnte, „da er todengräber seye, (und) der Gottesacker sehr favorabel dazu seyn möchte“. Leider habe er nicht daran gedacht, über die Friedhofsmauer zu schauen und seinen Verdacht zu überprüfen. Wilhelm Nagel schilderte dem Rat ausführlich, wie er am Freitagmorgen zum Garten des „Herrn Hofrat“ gegangen sei, um zu mähen. Dabei „habe er den Schöchlin sehen den Gottsacker zu gehen und ohngefehr geglaubt, er hette daselbst etwa ein grab (zu) machen, wie wohl er eben kein geschirr dazu bey sich gehabt.“ Kurze Zeit später habe er Schöchlin aus dem Maisfeld kommen und die Kolben einstecken sehen. Am folgenden Abend sei ihm Schöchlin auf dem Nachhauseweg mit einer Gerte in der Hand am Stadtbrückentor entgegengekommen und habe ihn angesprochen, „ob er draußen nicht ein Schwein hette lauffen se202 Bereits im 18. Jahrhundert wurden die Gelüste schwangerer Frauen thematisiert. Zedler schließt in seinem Artikel zu „Schwangere, schwangeres Weib“ einen Zusammenhang zwischen Ernährung der Mutter und Intelligenz des Neugeborenen nicht aus. So sollen beim Genuss von Quitten und Koriander „von einem lebendig, hurtigen Geist begabte Kinder“, beim Genuss von Zwiebeln, Bohnen und dergleichen „tumbe Kinder“ entstehen. Zedler, Universallexikon Bd. 35, Sp. 941. Auch die Gelüste Schwangerer, vor allem in den ersten drei Monaten, werden unter einem eigenen Eintrag „Malacia“ thematisiert. Zedler, Universallexikon, Bd. 19, Sp. 379. Normwidriges Verhalten von Frauen wurde als „Mutterwuth“ oder „furor uterinus“ bezeichnet. Unter diesen Begriff wurden neben Sexualität auch andere unerklärliche Verhaltensformen subsummiert. Vgl. Lorenz, Kriminelle Körper, S. 208–224. Hingegen wurde Kleptomanie erstmals 1816 wissenschaftlich definiert. Lener, Consuming Pathologies, 45. 203 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 204 StadtA Emmendingen, B 1a Fasz. 5, Emmendingen, 7. 10. 1745, fol. 42v–47v. Die folgenden Zitate sind diesem Faszikel entnommen, sofern nicht anderes angegeben.
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hen.“ Nagel habe geantwortet, er wisse von keinem Schwein, und sei weitergegangen, während Schöchlin seinen Weg aus der Stadt hinaus fortgesetzt habe. Nachdem Legler und Nagel ihre Versionen zu Protokoll gegeben hatten, befragte der Rat abschließend den 62-jährigen Beschuldigten Heinrich Schöchlin. Seine Version unterschied sich grundlegend von denen der beiden anderen. Am vergangenen Freitagvormittag sei „bey des adlerwirts seinem Acker ein tyroler Krämer geseßen, der hier über nacht gewesen.“ Mit diesem sei er ins Gespräch gekommen, und sie hätten darüber gesprochen, dass der Mais bald reif sein werde. Bei dieser Gelegenheit „habe er dann zur prob der vorgefallenen Meynung 2 Kolben abgebrochen.“ Kurze Zeit später habe er den Gärtner Nagel bemerkt und sich gleich gewünscht, er hätte dies nicht getan, da ihn Nagel sicher des Diebstahls verdächtigen werde. Die Kolben habe er anschließend mit nach Hause genommen. Am Tag darauf sei eines seiner Schweine nicht mehr von der Weide aus dem Eckericht zurückgekehrt, und er sei hinausgegangen, um es suchen. Er habe vermutet, dass es in Leglers Maisfeld gelaufen sei, und habe daraufhin den Acker zweimal gründlich abgesucht, damit das Schwein dort keinen Schaden anrichte. Als er es nicht antraf, sei er wieder fort gegangen, nachdem „er vorher 4 Kolben abgebrochen, drey inn den Sack gesteckt, alles bloß in der Meinung damit er seyn suchendes Schwein desto beßer nach haus bringen könnte, er könne genugsam versichern, daß er die geringste Neigung zum stehlen nicht gehabt und komme also gantz ohnversehens in dieses weßen.“ Im Gegensatz zu Eva Gobin, die alle gegen sie erhobenen Beschuldigungen leugnete, Nichtwissen vorgab und erst in der Gegenüberstellung mit der Magd ein Teilgeständnis ablegte, verteidigte sich Heinrich Schöchlin durch eine gut erzählte Geschichte, die sein Verhalten plausibel und folgerichtig erscheinen ließ. Allerdings half ihm diese Geschichte nichts, denn Schöchlin war „seit seinen jungen Jahren in hoc p(unc)to delicti so berüchtiget, daß er seine Kundschafft auf dem Handwerck darüber verloren“ hatte und nun ungeachtet seiner „wohlgeschmückten Verantwortung“ als Totengräber bei einem weiteren Eigentumsdelikt beobachtet worden war. Da sein Leumund allgemein als schlecht galt und viele Einwohner ohnehin der Meinung waren, dass er „den umgemauerten und Verschloßenen Gottes acker zu dergl(eichen) delictis mibrauche, wann es in dortiger Gegend des felds was gebe“, erschien dem Rat eine exemplarische Bestrafung angebracht. Eigentlich sollte Schöchlin eine Stunde lang öffentlich in die Geige gestellt werden, doch angesichts seines Alters, „welches ihme sein delictum zwar mehr vergrößere, alß verringere“, wurde er schließlich zweimal für 24 Stunden ins „Häuslein“ gesperrt. Wesentlich gravierender als diese Strafe dürfte für Schöchlin jedoch der Umstand gewesen sein, dass er aus seinem Amt als Totengräber entlassen wurde.205 Mit dem Verlust des Amtes verlor Schöchlin auch sein Einkommen.
205 StadtA Emmendingen, B 1a Fasz. 5, fol. 47v. C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1744–1749), 12.10.1745, fol. 84r.
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Im Laufe ihres Lebens waren Schöchlin und seine Frau tatsächlich mehrfach negativ aufgefallen.206 Obwohl er in den Quellen immer als Küfer bezeichnet wird, gibt es keinen Hinweis darauf, dass Schöchlin den Beruf tatsächlich ausübte. Vielmehr scheinen die Eheleute in beständiger Armut gelebt zu haben. Im Jahre 1724 wurde seine Frau dabei erwischt, wie sie bei Johann Friedrich Göring „an dem Ruben Zaun Stecken herausgerissen, heimgetragen und verbrennt“ hatte. Dafür wurde sie zweimal 24 Stunden lang eingesperrt.207 Nachdem seine Frau 1728 gestorben war, heiratete Schöchlin 1730 eine Frau aus Bahlingen.208 Aus den beiden Ehen gingen elf Kinder hervor, von denen allerdings nur drei erwachsen wurden und nur eines heiratete.209 In seinem Todesjahr 1755 wurde Schöchlin als „Hausarmer“ bezeichnet.210 Er hinterließ seinen Kindern ein kleines Haus, das diese im Jahre 1757 für 333 Gulden verkauften.211 In ihrer Dichte sind die Fälle der Eva Gobin und des Heinrich Schöchlin innerhalb der städtischen Überlieferung singulär. Von anderen Vergehen wissen wir nur durch knappe Einträge in den Ratsprotokollen beziehungsweise durch die Aufzeichnung der Strafen in den städtischen Rechnungen. Im Falle einiger Wiederholungstäter können allerdings auch aus diesen spröden Quellen soziale Profile und Kontexte rekonstruiert werden. Im Jahre 1747 heiratete der 39 Jahre alte Emmendinger Bürger und Tagelöhner Matthias Mercklin in dritter Ehe die 14 Jahre jüngere Maria Magdalena Mellertin, die von einem Hof auf dem Allmendsberg stammte.212 Von den fünf Kindern aus Mercklins beiden vorhergehenden Ehen lebten zu diesem Zeitpunkt noch drei, darunter die sieben Monate alte Anna Maria Magdalena aus seiner kurzen zweiten Ehe, die aber nur 18 Monate alt wurde. Bei allen drei Frauen handelte es sich um wenig vermögende Personen aus umliegenden Dörfern. Mercklin hatte außerdem gesundheitliche Probleme. Im Ehevertrag mit seiner zweiten Frau aus dem Jahre 1743 findet sich die Bemerkung, dass „der Mann ziemlich übel höret“.213 Maria Magdalena Mellertin war bereits vor der Eheschließung kein unbeschriebenes Blatt, denn 1745, als sie noch als Magd bei dem Metzger und Wirt Johann Wilhelm Zimmermann diente, hatte sie ihren Dienstherrn bestohlen. Zimmermann gab an, es seien „von seinen Bieren (…) in ihrem Hoff gefunden
206 Bereits 1710 zahlte er eine Unzuchtstrafe von 16 Gulden wegen seiner Beziehung zu Maria Katharina Hartmannin, die er anschließend ehelichte. Drei Wochen nach der Hochzeit wurde ein Sohn geboren, der jedoch noch am gleichen Tag verstarb. GLA Karlsruhe, 198/209. StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1710–1711. Genealogie Emmendingen. 207 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 5.7.1724, fol. 152r. 208 StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. 209 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 12.6.1721, fol. 62r–62v, 5.2.1722, fol. 79v und fol. 81r–81v, 4.4.1726, fol. 188r–188v, 20.10.1729, fol. 300v. 210 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 9.7.1755, fol. 208v. 211 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 18.4.1757, fol. 388r–388v. 212 StadtA Emmendingen, Genealogien Emmendingen und Ottoschwanden. 213 GLA Karlsruhe, 198/408. Zu Frauen als Pflegerinnen vgl. auch Stannek, Armut, S. 101–102.
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worden (...) da von der Zeit an, alß sie anher gekommen, von allen Seiten schon auch fast mehr als derhalben Beweißthum gegen sie zusammenschlage“.214 Kurz nach der Hochzeit mit Mercklin stiftete Maria Magdalena ihre damals elfjährige Stieftochter Anna Katharina dazu an, Trauben zu stehlen. Diese gab die Diebstähle zu und sagte vor dem Rat aus, dass „die Mutter es sie geheißen habe, dörfte es aber nicht sagen, das die Mutter höre, sonst würde sie mit ihm Mädlen gar übel verfahren.“ Die Stiefmutter wurde daraufhin 24 Stunden ins „Häuslein“ gesperrt und musste eine Strafe von 45 Kreuzern zahlen. Im Wiederholungsfall wurden ihr Geige und Halseisen angedroht.215 Am gleichen Tag wurde sie außerdem wegen Fahrlässigkeit gerügt, da sie nachts Kohlen in einen Hafen auf den Dielenboden in der Küche gestellt hatte, um Speck zu räuchern. Durch dieses unvorsichtige Verhalten hatten sich um Mitternacht der Boden und die Balken entzündet. Der Brand wurde jedoch rechtzeitig entdeckt, bevor er sich weiter ausbreiten konnte.216 Im Jahre 1753 musste Maria Magdalena Mellertin aufgrund von Verbalinjurien gegen den Ratsverwandten Otto Ludwig Hartmann eine Strafe von zwei Gulden an das Oberamt abführen.217 Im folgenden Jahr wurde sie wegen ehebrecherischer Umtriebe zu einer Geldstrafe von zwei Gulden und 40 Kreuzern verurteilt.218 Ihren Lebensunterhalt verdiente sie zu dieser Zeit als Wäscherin. Im Jahre 1758 stahl sie dabei ein Hemd aus dem Hausgang des Bäckers Bernhard Klingenfuß. Vor dem Rat behauptete sie zwar, dass sie „solches gekaufft und in Gegenwarth eines Schweinehändlers bezahlt“ habe; „da sie aber keinen von beeden benennen noch stellen kann“ und „auch anfangs dieses Hembd vor das ihrige ausgegeben“ hatte, wurde ihr nicht geglaubt. Zudem sagte die Näherin Anna Maria Baudemännin aus, dass sie dieses Hemd „der Gaßerin gemacht“ habe. Der schlechte Ruf der Mellertin und die mehrfache Eintürmung wegen begangener Felddiebstähle taten ein Übriges; das Strafmaß wurde auf eine Stunde in der Geige am Nachmittag auf dem Marktplatz festgesetzt.219 Ein Jahr später wurde sie wiederum beim Grasstehlen in den Wiesen des Bürgermeisters Johann Wilhelm Zimmermann erwischt.220 Als ihr Mann Matthias Mercklin 1760 ein Haus vor dem Hochberger Tor von dem verganteten Rotgerber Christian Moser kaufen wollte, schritt der Rat ein.221 214 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1744–1749), 10.10.1749, fol. 343r–344v. Zitat 344r–344v. 215 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1744–1749), 10.10.1749, fol. 343r–344v. 216 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1744–1749), 10.10.1749, fol. 345r–345v. Hierfür wurden zwei Gulden Strafe fällig. Diese konnten durch zweimal 24 Stunden „Häusleinsitzen“ abgegolten werden. 217 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1753. 218 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1754. 219 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 10.12.1758, fol. 52r–52v. 220 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 5.7.1759, fol. 78r. Die Strafe betrug vier Gulden. 221 StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 10.11.1760, fol. 146r–146v. Bezugnahme auf einen Eintrag vom 6.3.1758, fol. 11r.
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Da seine Frau „eine bekandte unzuverbeßerende Feld diebin seye“, schien dieses Haus außerhalb der Stadtmauern geradezu prädestiniert für weitere Beutezüge. Da man davon ausging, dass Maria Magdalena Mellertin weiter stehlen werde, sollte der Kauf unterbunden werden, denn Gelegenheit mache Diebe und sie werde „desto bälder gar aus dem Mittel in das Zuchthaus befördert werden.“222 Noch im gleichen Jahr musste Mercklin einen großen Teil seiner Grundstücke verkaufen, um seine Schulden bei der Geistlichen Verwaltung in Höhe von 100 Gulden tilgen und seine Kinder erster Ehe aussteuern zu können. Dabei erlöste er eine Summe von 260 Gulden.223 Anschließend ließ er auch sein halbes Haus öffentlich versteigern, weil ihm die finanziellen Mittel zu dessen Instandhaltung fehlten.224 1762 wurde Mercklin erwischt, als er mit der Axt im Wald Kleinholz machte, und dafür wegen seiner „Dürftigkeit“ bis zum Abend ins „Häuslein“ gesteckt.225 Im folgenden Jahr verkaufte er Matthias Stephan einen Juchert Acker „in der Röthe“ für 63 Gulden zur Bestreitung seines Lebensunterhalts.226 1766 sperrte man ihn wegen eines Axtdiebstahls zwölf Stunden lang ein.227 Im Februar 1767 starb Matthias Mercklin völlig verarmt; er hatte im Laufe seiner letzten Lebensjahre seine gesamten Liegenschaften verkaufen müssen, um überleben zu können.228 Seine Witwe wurde kurze Zeit darauf wieder straffällig. Dass sie trotz ihrer Ehe mit dem Bürger Matthias Mercklin noch immer als eine Fremde angesehen wurde, zeigt der Eintrag im Kirchenzensurprotokoll, dem zufolge sie zwar „von hier“ sei, „aber kein Bürgerrecht“ genieße, „sondern selbiges im Freiamt zu suchen hat“. Nachdem sie bereits früher des Ehebruchs verdächtigt worden war, scheint ihr Haus nach dem Tode ihres Mannes ein Anziehungspunkt für Männer der Gemeinde, insbesondere für Dienstboten, geworden zu sein. Ihr wurde unterstellt, „stehts hin einen verdächtigen Wandel zu sich gestattet“ zu haben. Sogar am Gründonnerstag und Karfreitag seien die beiden Dienstknechte Georg Ringwald und Engelhard Schuhmann bei ihr angetroffen worden. Ringwald behauptete, er sei zu ihr gegangen, weil sie seine Wäscherin sei. Dort „habe er den zweyten in der Stube nachts gegen 10 uhr bey dem Licht angetroffen.“ Maria Magdalena Mellertin wurde daraufhin erneut eingetürmt229 und wenige Monate später ins Pforzheimer Zuchthaus überstellt. Ihre wenige Habe wurde zur Tilgung der Schulden verkauft.230 Bei ihr handelte es sich wie bei Eva Gobin um eine aus dem Umland stammende Frau, der es offenbar nie gelang, sich in der städtischen Gesellschaft zu integrieren. Während Eva Gobin anscheinend krankhaft stahl, waren die Diebstähle der Maria Magdalena Mellertin wohl eher von der Not diktiert. Dass eine verheiratete Frau als Wäscherin außer Haus ein Zubrot verdienen muss222 223 224 225 226 227 228 229 230
StadtA Emmendingen, B 1b/882. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 10.3.1760, fol. 111r–112r. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 11.9.1760, fol. 144r–144v. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 16.2.1762, fol. 191v–192r. StadtA Emmendingen, C/IX Gerichtsprotokoll Niederemmendingen 1755–1773, 13.3.1763. StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 12.2.1766, fol. 113r–113v. GLA Karlsruhe, 198/407, 408. StadtA Emmendingen, Genealogie Emmendingen. StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 1.5.1767. StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 10.9.1767, fol. 223v–224r.
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te und auch ihr Mann immer wieder straffällig wurde, sind deutliche Indizien für einen täglichen Kampf ums Überleben. Im Jahre 1766 klagte der Schuhmacher Johann Christoph Stiefel die Frau seines Zunftgenossen Johann Georg Steinhäußler des Wäschediebstahls an: „Sie habe ihm aus der Wäsch aus anderen Halß- oder schnuptüchern eines heimblich weggenommen, welches seine Ehefrau vorher den gantzen Sommer getragen, er aber von einem Juden erkauft gehabt.“ Als Stiefel die Frau zur Herausgabe des Tuches überreden wollte, „habe sie dessen sich geweigert, mit dem Zusatz es gehöre ihr, der Stiefel aber habe es ihrem Mann bey der Holzabgaab im Stadtwald genommen, wie ein Meyneidiger Schelm.“ Bei den Nachforschungen des Rates stellte sich heraus, dass Stiefel zur angeblichen Tatzeit gar nicht im Wald gewesen war und dass die Aussage der Maria Elisabetha Felderin, „das Schnupftuch habe sie mit Recht weggenommen, weil es ihr gehöre“, wie auch ihre Angabe, „sie habe nicht ihn, sondern den Juden von dem es Stiefel gekauft haben wolle, gescholten“, falsch waren.231 Der Schuhmacher Steinhäußler, der zeitweilig auch als Tagelöhner sein Geld verdienen musste, war zehn Jahre zuvor nur unter der Bedingung als Bürger in Emmendingen angenommen worden, dass er sich verpflichtete, stets mindestens 15 Paar „Schue im Vorrath“ zu halten.232 Aufgrund dieser restriktiven Bedingung, die keinem anderen Emmendinger Schuhmacher auferlegt wurde, hegten Steinhäußler und seine Frau möglicherweise einen besonderen Groll gegen einen Kollegen wie Stiefel, dem ohne eine derartige Auflage erlaubt worden war, sich als Hintersasse niederzulassen. Der katholische Hintersasse Balthasar Adelguß233 heiratete im Jahre 1762 Anna Katharina Frickin, die Witwe des Schmieds Jakob Hermann, der – wie wir gesehen haben – seine erste Frau erschlagen hatte.234 Adelguß hatte wohl zuvor als Geselle bei ihr gearbeitet. 1778 konnten die Eheleute das Haus des bankrotten Georg Erler und seiner Frau für 1480 Gulden erwerben.235 Bereits vier Jahre später konnte Adelguß jedoch das zur Ausübung des Schmiedehandwerks benötigte Eisen im Wert von 160 Gulden nicht mehr bezahlen; seine Ehefrau musste „unter Entsagung der ihro Wohlerklärten weiblichen Rechts“ für ihn bürgen.236
231 StadtA Emmendingen, C/VIII/7 (Ratsprotokoll 1764–1768), 14.10.1766, fol.158v–159r. In beiden Fällen wurde angegeben, dass diese Dinge von einem Juden gekauft worden seien, doch beide Male war dies eine falsche Angabe. Trotzdem ist die Aussage interessant, da hier indirekt auf den Kleinhandel jüdischer Einwohner mit Kleidung, Tuchwaren und Alteisen hingewiesen wird – Geschäftszweige, für die wir ansonsten in den Quellen der Amtsstadt so gut wie keine Belege finden. 232 StadtA Emmendingen, C/VIII/5 (Ratsprotokoll 1750–1757), 4.10.1756, fol. 273v. 233 Der katholische Schmied Balthasar Adelguß supplizierte 1761 um die Bürgeraufnahme, die ihm jedoch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit nicht gewährt wurde. Er wurde als Hintersasse angenommen und zahlte sein jährliches Schutzgeld bis zu seinem Tod im Jahre 1785. StadtA Emmendingen, C/VIII/6 (Ratsprotokoll 1758–1763), 25.6.1761, fol. 177v, 2.8.1762, fol. 225v. C/IX Stadtrechnung 1761–1785. B 1a/1 (Frevelgericht 1657–1769). 234 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1761. Genealogie Emmendingen. 235 StadtA Emmendingen, C/V/1 (Kauf-, Tauschprotokolle 1776–1787), 26.6.1778, fol. 57r–57v. 236 StadtA Emmendingen, C/VIII/17 (Ratsprotokoll 1782), 12.3.1782, fol. 20r–20v.
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Die Eheleute Adelguß hatten keine eigenen Kinder. Der Sohn der Frau aus erster Ehe, Jakob Hermann, lernte das Handwerk bei seinem Stiefvater. 1785, im Todesjahr des Stiefvaters, supplizierte er um das Emmendinger Bürgerrecht, da er als Hintersassensohn nicht automatisch in dessen Genuss kam. Hermann hatte eine wesentlich höhere Aufnahmegebühr zu zahlen als Bürgersöhne, doch gab er sein Bürgerrecht bald wieder zurück.237 Das wenige Vermögen seiner Eltern war durch die Schulden bereits weitgehend aufgebraucht, das mütterliche Vermögen wegen der Bürgschaft deutlich reduziert. Obwohl das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn offenbar getrübt war, zog diese in seinen Haushalt ein. Zwei Jahre später beschwerte sich Hermann beim Rat der Stadt, dass seine Mutter „in ihrer bekannten liederlichen Aufführung immer fortfahre, ihrem Hang zum Saufen nachziehe und ihm aus dem Haus trage, was sie bekommen könne; Er habe deswegen beständigen Verdruß, leide großen Schaden und würde unmöglich bestehen können, wenn er nicht von ihr befreyet würde“. Wenn der Stadtrat einwillige, würde er den Hauszins für seine Mutter übernehmen. Außerdem sei sie „eine starke Person, noch bei guten Jahren und könnte sich ihr Brod wohl verdienen“. Der Beistand der Mutter, der Metzger Johann Jakob Frick, warnte hingegen, dass „er hier niemand wisse, der sie aufnehmen wolle“.238 1790 führte Anna Katharina wohl einen eigenen Haushalt, denn sie zahlte damals Hintersassengeld.239 Die räumliche Trennung von ihrem Sohn löste die Probleme offensichtlich nicht, denn Anna Katharina wurde straffällig. 1792 betrat sie das Haus des Blumenwirts Andreas Ringwald „unter dem Vorgeben (...), daß sie ein zuvor abgeholtes, schuldig gebliebenes halbes Maas Wein bezahlen wolle, bei dieser gelegenheit sei sie zuvor in die Küche gegangen, und da sie etwas in dem Schurz zugedeckt gehabt, so seie gleich der Verdacht auf sie gefallen, daß sie etwas gestohlen haben möchte.“ Daraufhin ging die Wirtsfrau in die Küche und bemerkte das Fehlen zweier Zinnteller, weswegen sie die Frickin verfolgte. Kurze Zeit später habe sie diese „in des Schuhmacher Wentzlers Behausung angetroffen, wo sie dann jene 2 Zinnteller in ihrem Schurz, den sie ihro gleich aufgerissen, noch eingepackt gehabt hätte.“ In beide Teller war der Name Ringwalds eingraviert. Als die Wirtin sie daraufhin zur Rede stellte, behauptete die Frickin, sie habe die Teller „von einem Judenbub, den sie nicht kenne, gekauft“. Der Emmendinger Rat überwies den Fall an das Oberamt.240 Über den Ausgang finden sich keine Unterlagen, doch dass die Geschichte mit dem „Judenbuben“ lediglich eine schlechte Ausrede war, ist offensichtlich, und sie wurde offenbar auch von niemandem geglaubt. Im Jahre 1797 kam Anna Katharina Frickin wegen Wald- und Feldfrevels
237 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 20.12.1785, fol. 119v. C/IX Stadtrechnung 1785. C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 3.1.1786, fol. 142v. 10.8.1786, fol. 152v. C/IX Stadtrechnung 1786. 238 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787), 22.3.1787, fol.191r–192r. 239 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1790. 240 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 10.8.1790, fol. 214r–214v.
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für 24 Stunden ins Gefängnis.241 Sie starb 1806 in Emmendingen. Ihr Sohn Jakob Hermann hatte wohl schon 1793 den Ort für immer verlassen.242 Ihr Trinken und ihre wiederholten Diebstähle zeigen deutlich, dass die Witwe ihren Platz in der kleinstädtischen Gesellschaft verloren bzw. nie gefunden hatte und in die permanente Armut abgerutscht war.243
6. EMOTIONEN, INTERESSEN UND PHYSISCHE GEWALT IN EMMENDINGER FAMILIEN In frühneuzeitlichen Familien mussten Rechte und Pflichten, Emotionen und materielle Interessen immer wieder neu gegeneinander ausbalanciert werden,244 und sowohl die historisch-anthropologische Familienforschung als auch die Kriminalitätsgeschichte haben wiederholt auf das Aggressions- und Gewaltpotential zwischen Familienmitgliedern und nahen Verwandten hingewiesen.245 Ein ausführlicher Brief, den Johann Jakob Rieflin im Juni 1747 an das Oberamt schrieb und der sich als Anlage zu einem Ratsprotokoll erhalten hat, zeigt, wie Erb- und Besitzstreitigkeiten innerhalb einer Emmendinger Familie allmählich eskalierten und schließlich ein beträchtliches Maß an psychischem Druck und physischer Aggression freisetzten.246 Der Verfasser des Briefes hatte 1735 eine Tochter des Bäckers und Ratsmitglieds Johann Georg Heß geheiratet und war im selben Jahr in das Bürgerrecht aufgenommen worden. Sein Vater war bereits kurz nach der Hochzeit verstorben, und auch die Eltern der Ehefrau waren 1740 bzw. 1744 verschieden, so dass zum Zeitpunkt des Konflikts nur noch Rieflins Mutter am Leben war.247 Während seine Frau und ihre Geschwister bereits das Vermögen ihrer Eltern geerbt hatten,248 hatte Rieflin 13 Jahre nach dem Tod seines Vaters von dessen Erbe noch nichts erhalten. Dass er selbst durchaus zur Anwendung von Gewalt in der Lage war, zeigt ein Fall aus dem Jahre 1738, in dem er mit einer drastischen Geldstrafe von 50 Gulden belegt wurde, weil er „dem Juden Moyses Guidon nachts an Hauß und 241 StadtA Emmendingen, C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1796–1799), 15.7.1797, fol. 156r. Hierbei handelt es sich um ein überwiegend weibliches Delikt. Vgl. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 110–111. 242 StadtA Emmendingen, B 1b/583. C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790). C/IV/3 (Unterpfandprotokoll 1790–1800). C/VIII/18 (Ratsprotokoll 1783–1787). C/IX Stadtrechnungen 1785–1787, 1791. Genealogie Emmendingen. Maurer, Emmendingen, S. 174. 243 Zur Eigentumsdelikten und ihrem sozialen Kontext vgl. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 289, 292–354. Hohkamp, Häusliche Gewalt. 244 Medick/Sabean (Hrsg.), Emotionen und materielle Interessen. 245 Vgl. Sabean, Property, S. 341–354. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 271–278. 246 Das Folgende nach StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 1.6.1747, ad fol. Prot. 171r. Brief Johann Jakob Rieflins an das Oberamt, Beilage zum Ratsprotokoll, 13. Juni 1747. 247 StadtA Emmendingen, C/VIII/3 (Ratsprotokoll 1736–1744), 6.3.1736, fol. 1v. C/IX Stadtrechnungen 1734–1735. Genealogie Emmendingen. 248 StadtA Emmendingen, B 1b/592.
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Keller thür geworffen.“249 Dies ist der einzige Fall eines Angriffs auf ein jüdisches Haus – das noch dazu die Judenschule beherbergte –, der im 18. Jahrhundert aktenkundig wurde. Als Grund seines Schreibens nannte Rieflin „die Uneinigkeit, so ich theils mit meiner Mutter und theils mit deren bruder Martin Bickel ausgestanden habe.“ Die Ursache des Konfliktes sah er darin, dass seine Mutter im Haus der jungen Familie lebte, und dort Unfrieden stiftete. Das Haus habe ihm sein Vater „noch bey Lebzeiten“ anlässlich seiner Hochzeit „mit eigener Unterschrifft verschrieben“, und zwar „mit bewilligung meiner Mutter, die dieses zwar nicht mehr gestehen will, ich es aber mit lebendigen Zeugen bestättigen kann.“ Wenn „mir dieses Hauß nicht wäre verschrieben gewesen“, beteuerte Rieflin, „hätte mich meine Ehefrau nicht geheuratet“ und „ihre damals noch lebenden Eltern (es) nicht zugelassen.“ Rieflins Mutter stand bereits seit 1723 als Hebamme in den Diensten der Stadt,250 konnte ihr Amt in den letzten Jahren jedoch krankheits- und altersbedingt nicht mehr kontinuierlich ausüben. Ihr Sohn schrieb: „nichts mehr kann Sie vollbringen, bey 3. mahlen ist sie kranck gewesen, viel Mühe hat meine Frau mit ihr gehabt und dannach ist kein danck.“ Seine Mutter bezahle zwar noch ihre Schatzung selbst, weigere sich aber, anderen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen: „was an Tagelöhnern, beßerung und dergleichen anbetrifft, will sie zeit da sie ihr Amt nicht mehr versehen kann, nicht das geringste leiden.“ Während des letzten Winters sei er gezwungen gewesen, das meiste Stroh zur Fütterung der Tiere zu kaufen. Das Futter, das er von den Wiesen einbrachte, die seiner Frau gehörten, sollte er unentgeltlich seiner Mutter überlassen, die „den Stall mit Vieh überstellt, aufziehet und verkauffet“. Während die Mutter von ihrem Sohn und ihrem Bruder unentgeltliche Hilfe erwarte, weigere sich ihr Bruder Hans Martin Bickel schon seit längerem, ihr zu helfen. Obwohl seine Mutter den Eigentumsanspruch ihres Sohnes an dem Haus nicht anerkenne, komme sie auch ihren Verpflichtungen zu dessen Instandhaltung nicht nach. „Das Haus steht allbereits bey 26. Jahr, und ist die gantze Zeit nicht umgedeckt worden, so daß es anfangs am Holtz mercklich Schaden leidet und verfaulen muß“. Trotzdem weigere sie sich, Reparaturen vorzunehmen; ihren Sohn „heißet sie stets in eines andern Nahmen ausziehen.“ Angesichts des Konflikts mit der Mutter um das väterliche Erbe sah Rieflin sich gezwungen, das Oberamt um eine Erbteilung zu bitten. Handelt es sich soweit noch um einen typischen Generationenkonflikt251 um Erb- und Besitzansprüche, den die Mutter offenbar mit beträchtlicher Hartnäckigkeit und Sturheit austrug, spitzte sich die Lage zu, als im Mai 1747 der fünfjährige Sohn des Ehepaars Rieflin, Johann Reinhard, starb. Rieflins Frau Maria Barbara Heßin hatte im Laufe ihrer 12-jährigen Ehe fünf Kindern das Leben geschenkt, von denen jetzt nur noch eines am Leben war. Bitter beschwerte sich Rieflin: „Die 249 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1738. 250 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnungen 1723–1740. 251 Vgl. Krug-Richter, „als ein Knecht“; zu „Generationenverträgen“ S. 322–326 und zu „Generationenkonflikten“ S. 326–334.
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Mutter aber gehet in der Statt herum, und unter anderem auch zu ihrem bruder, dem Bickel, und verkleinert mich mit dem Vorgehen, ich hätte mein Kind todtgeschlagen.“ Auf diese Beschuldigung hin gingen Hans Martin Bickel und sein Knecht sofort aggressiv gegen Rieflin und dessen Frau vor. Sein Onkel und der Knecht seien „betrunken“ durch den Garten und die Hintertür ins Haus eingedrungen, „und weilen meine Frau in der Küchen und weinte, ich dann auch in die Küchen kam, und nicht wußte was der Bickel wollte, Griff mich derselbe an und sagte ich seye ein Mörder, ein Kelchdieb, ob ich meine Mutter auch töden wollte.“ Der Küferknecht, stand derweil hinter der Türe, und beide schlugen auf Rieflin ein, bis dieser blutete. Maria Barbara Heßin, die ihrem Mann zu Hilfe kommen wollte, habe Bickel beschimpft, „sie sei ein laster, ein Luder, ein Verflucht stuck Fleisch, und schlug dieselbe auf die Nasen, daß sie bludete.“ Dass die eigene Mutter, die noch dazu die langjährige Hebamme der Stadt war, ihrem Sohn die Schuld am Tod des Kindes gab, war für Rieflin bereits höchst gefährlich, denn das entstehende Gerücht konnte zu einer obrigkeitlichen Untersuchung wegen Kindstötung führen. Eine dramatische Steigung erfuhr der Konflikt noch durch den tätlichen Angriff des Onkels und seines Knechts im eigenen Hause, bei dem Rieflin obendrein als Kindsmörder, potentieller Muttermörder und Kirchendieb beschimpft wurde. Seine Ehre wurde dadurch massiv in Frage gestellt, und ihm blieb keine andere Wahl, als gegen seinen Onkel gerichtlich vorzugehen, um seine angegriffene Ehre wiederherzustellen. Auch die geballten Angriffe auf die sexuelle Ehre seiner Frau konnte er nicht stehen lassen. Über eine Entscheidung des Rats bzw. des Oberamts in dieser Sache ist nichts bekannt. Seinem Wunsch nach einer verbindlichen Erbregelung wurde jedoch entsprochen, denn noch im gleichen Jahr erhielt Rieflin eine Summe von knapp 250 Gulden aus seinem väterlichen Erbe ausbezahlt.252 Als seine Mutter wenig später starb, erbte er 660 Gulden aus ihrer Hinterlassenschaft.253 Was aber war der Grund für das hier zutage tretende Aggressionspotential? Eine Rekonstruktion der familiären Hintergründe offenbart, dass dieser Konflikt eine lange Vorgeschichte hatte. Der Großvater Johann Jakob Rieflins, Wilhelm Bickel, hatte bei seinem Tod im Jahre 1695 fünf unmündige Kinder hinterlassen, darunter Rieflins Mutter und seinen Onkel Hans Martin Bickel. Als Wilhelm Bickels Frau 1709 verschied, waren zwei der fünf Kinder bereits gestorben. 1703 hatte Maria Bickel den gleichnamigen Vater Johann Jakob Rieflins geheiratet, und in der Folgezeit kaufte dieser beträchtliche Teile der Liegenschaften aus dem Erbe der Geschwister seiner Frau auf. 1709 erwarb er von ihnen einen halben Juchert Acker „in der Röthe“ für 15 Gulden,254 zwei Jahre später über den Pfleger seines Schwagers Hans Martin Bickel drei Mannshauet Wiesen „über der Elz“ für 29 Gulden. Der Erlös wurde für die Kleidung verwendet, die Hans Martin Bickel für seine Gesellenwanderung benötigte.255 Auch in den folgenden Jahren konnte Rief252 253 254 255
StadtA Emmendingen, B 1b/1012. StadtA Emmendingen, B 1b/1013. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 9.3.1709, fol. 74r–74v. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 3.12.1711, fol. 121r.
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lin Güterstücke aus dem Besitz der Geschwister seiner Frau erwerben.256 Als 1717 der junge Küfer Hans Martin Bickel als Bürger angenommen wurde,257 hatte sein Schwager schon die meisten Grundstücke der Familie an sich gebracht. 1721 konnte er ihnen zwei Mannshauet Acker „in der oberen Breite“ für 33 Gulden abkaufen.258 Im Jahre 1718 wurde vor dem Emmendinger Rat die genaue Aufteilung des dreistöckigen Hauses am Marktplatz, das von Johann Jakob Rieflin und Hans Martin Bickel bewohnt wurde, ausgehandelt.259 Der Streit, der zu dieser Teilung Anlass gegeben hatte, war damit jedoch nicht aus der Welt geschafft, denn im folgenden Jahr wurden die Eheleute Rieflin bestraft, weil „Sie 2 tag vorher, da Sie zum Beichtstuhl gehen wollen, entsetzlich gefluchet“ hatten.260 1721 wurden beide Parteien erneut zu einer Geldstrafe von einem Kronen verurteilt, da „Sie wider das geboth (…) ins künftige friedsam zu leben, dennoch einander auf das neu geschimpft“ hatten.261 Im folgenden Jahr wurde der Konflikt beigelegt, indem Rieflin sein halbes Haus mit Johann Joseph Schöchlin tauschte.262 Auf diese Streitigkeiten nahm auch der junge Johann Jakob Rieflin in seinem Brief Bezug: „Mein vor 13. Jahren verstorbener Vater wohnte erstlich bey dem Bickel, weilen aber stets Streit und Uneinigkeit bey demselben und dem Bickel obwaltete, hat er das dermahlige Hauß erbauet und den Blatz dazu von dem Vogt zu Malleck erkaufft.“263 Bickels Aggression gegen den jungen Rieflin könnte zum einen mit dem lange schwelenden Konflikt innerhalb der Familie zusammenhängen – den Problemen, die aus dem Zusammenleben unter einem gemeinsamen Dach und den Aufkäufen seiner ererbten Grundstücke durch den Schwager herrührten. Konflikte um Erbansprü256 1715 kaufte er von Maria Salome und Joseph Bürklin drei Mannshauet für 20 Gulden. Dieser Betrag sollte mit fünf Prozent im Jahr verzinst werden. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 28.9.1715, fol. 179v–170r. 1717 erwarb er von Maria Salome Bickelin ein Viertel Juchert Acker und ein halbes Juchert Matten für 55 Gulden. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 2.9.1717, fol. 211v–212r. Dies ist der letzte direkte Hinweis auf seine Schwester Maria Salome, die damals in Straßburg in Diensten stand. Möglich wäre, dass sie nach Hornberg geheiratet hat, denn 1723 kaufte Rieflin von einem Stephan Schandelmeyer aus Hornberg „aus der Hand dessen Frau“ ein halbes Juchert Acker „im Entennest“, ein halbes Juchert „auf der oberen Lerch“ sowie dreieinhalb Mannshauet „auf der Riegelmatten“ für 39 Gulden und 20 Kreuzer. StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 10.6.1723, fol. 115v–116r. 257 StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 1.12.1717, fol. 214r. C/IX Stadtrechnung 1717. 258 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 3.4.1721, fol. 53v–54r. 259 Bickel erhielt das untere Stockwerk, Rieflin das mittlere. Das obere Stockwerk sollte jedem zur Hälfte gehören. Ferner erhielt jeder ein „Secret“. Backofen und Kamin gehörten beiden ebenfalls je zur Hälfte. StadtA Emmendingen, C/VIII/1 (Ratsprotokoll 1701–1718), 21.7.1718, fol. 218r–220r. 260 StadtA Emmendingen, B VI/1 Fasz. 8, Kirchenzensurprotokoll, 11.1.1719. 261 StadtA Emmendingen, C/IX Stadtrechnung 1721. 262 StadtA Emmendingen, C/VIII/2 (Ratsprotokoll 1718–1735), 24.4.1721, fol. 85v–86r. 263 StadtA Emmendingen, C/VIII/4 (Ratsprotokoll 1745–1749), 1.6.1747, ad fol. Prot. 171r. Brief Johann Jakob Rieflins an das Oberamt, Beilage zum Ratsprotokoll, 13. Juni 1747.
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che gaben immer wieder Anlass zu Streitigkeiten.264 Andererseits könnte auch der Vorwurf der Kindstötung eine Überreaktion bei Hans Martin Bickel ausgelöst haben, denn Bickel war in erster Ehe 21 Jahre lang mit der zwei Jahre jüngeren Anna Maria Lappin verheiratet gewesen und hatte aus dieser Ehe keine Kinder. Seine zweite Frau Maria Ursula Lappin, die er 1738 heiratete, war 28 Jahre jünger als er und schenkte ihm zwei Kinder, die damals etwa im Alter des verstorbenen Sohnes der Eheleute Rieflin waren.265 Auch die persönliche Erfahrung, dass nicht jede Ehe mit Nachkommenschaft gesegnet war, wäre möglicherweise eine Erklärung für sein aggressives Verhalten. Ein gewalttätiger Konflikt unter Verwandten, der sich einige Jahrzehnte später ereignete, verweist besonders auf Zusammenhänge zwischen Armut und physischer Gewalt. Im Jahre 1792 zeigte der Nachtwächter Michael Kempf dem Rat an, er habe „auf das Geschrei seiner im Hirtenhaus wohnenden Schwester“, der Witwe des Jeremias Schillinger – tatsächlich handelte es sich um seine Schwägerin – in einen Konflikt mit deren Sohn Johann Georg Schillinger eingegriffen. Die Frau habe ihn „um Hilfe angerufen, weil ihr Sohn, der im Zuchthaus gesessene ledige Schuhmacher Händel mit ihr angefangen, und sie zur Thüre hinausgeworfen habe.“266 Daraufhin sei er zum Haus seiner Schwägerin gegangen und habe dem Sohn das vierte Gebot vorgehalten,267 worauf ihn der junge Schillinger „gleich angegriffen und ihm eine solche Ohrfeige gegeben“ habe, „daß er wirklich wie zu ersehen, ein himmelblaues Auge davon habe.“ Vor dem Rat dazu befragt, leugneten sowohl die Witwe als auch ihr Sohn den Tathergang.268 Warum Johann Georg Schillinger im Zuchthaus in Pforzheim gesessen hatte, ist aus den Quellen nicht zu ermitteln.269 Außer Frage steht hingegen, dass Armut und sporadische Gewalt das Leben der Familien Kempf und Schillinger prägten. Johann Georg Schillingers Vater, der 1790 verstorbene Schuhmacher Jeremias Schillinger, war zugleich Bettelvogt der Gemeinde. Im Jahre 1775 musste ihm die Stadt seine Amtskleidung aus Rock und „Camisohl“ bezahlen, weil Schillinger selbst sie sich offenbar nicht leisten konnte.270 Kurz vor seinem Tod erhielt die Familie „in ihrer dermaligen gemeinen Noth“, die von der langen Krankheit des Familienvaters herrührte, von der Stadt noch ein Darlehen von 20 Gulden.271 Der gelernte Schneider Michael Kempf musste sich sein Geld unter anderem als 264 Vgl. hierzu ausführlich Brakensiek/Stolleis/Wunder (Hrsg.), Generationengerechtigkeit. Darin exemplarisch: Krug-Richter, „als ein Knecht“. 265 Auch wenn Ursula Lappin den gleichen Nachnamen wie ihre Ehevorgängerin trug, waren die beiden nicht verwandt. 266 Vgl. zur Bedeutung des „Geschreis“: Krug-Richter, Konfliktregulierung, S. 225, Heidegger, Kommunikationsräume, S. 182. 267 Altes Testament, Ex 20,12: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr dein Gott dir gibt“. Dtn 5,16: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“. 268 StadtA Emmendingen, C/VIII/17, Ratsprotokoll (1791–1795), 9.2.1792, fol. 130v–131v. 269 StadtA Emmendingen, C/VIII/20 (Ratsprotokoll 1791–1795), 9.2.1792, fol. 130v. 270 StadtA Emmendingen, C/VIII/10 (Ratsprotokoll 1775), 17.8.1775, fol. 73r–73v. 271 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandprotokoll 1778–1790), 10.8.1790, fol. 295v–297r.
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Nachtwächter und Kuhhirte verdienen; sein Bruder Jakob, der sich als Tagelöhner über Wasser hielt, hatte 1790 Michael Kempfs Frau mit dem Misthaken in die Seite gestochen und sie dadurch verletzt.272 Beide Familien praktizierten offenbar eine „Ökonomie des Notbehelfs“273 und versuchten, durch eine Kombination diverser Erwerbsmöglichkeiten und Notlösungen ihr Leben zu organisieren. Das im täglichen Überlebenskampf angestaute Aggressionspotential suchte sich wiederholt ein Ventil innerhalb der eigenen Familie. Obwohl Jeremias Schillingers Witwe zu ihrem Sohn, der sie tätlich angegriffen hatte, hielt und die Aussage ihres Schwagers bestritt, wurde Johann Georg Schillinger „zu 20 empfindlichen Farrenwedelstreichen“ verurteilt, weil er die Auflage des Oberamts missachtet hatte, sich nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus als Schuhmachergeselle auf Wanderschaft zu begeben. Nach Vollzug der Strafe hatte er innerhalb von acht Tagen seine Wanderung anzutreten, sonst sollte er aus der Stadt geführt werden. Weil seine Mutter die Gebühr für die Ledigsprechung ihres Sohnes durch die Schuhmacherzunft nicht bezahlen konnte, erhielt Schillinger eine Bescheinigung des Oberamts, um sich auf den Weg machen zu können.274 Er verließ daraufhin die Stadt und scheint später nicht mehr zurückgekehrt zu sein. Delinquenz und innerfamiliäre Konflikte in Emmendingen weisen prinzipiell ähnliche Muster auf wie in anderen frühneuzeitlichen Gemeinden, zu denen Untersuchungen vorliegen. Unter den Delikten dominieren Eigentumsvergehen, Verbalinjurien und Körperverletzungen, und weitaus die meisten dieser Delikte wurden von Männern verübt. Die Dichte des Materials und die serielle Quellenauswertung ermöglichten darüber hinaus jedoch auch die Rekonstruktion der familiären und gesellschaftlichen Kontexte von Konfliktfällen. Diese Rekonstruktion zeigt, dass Injurien und Fälle häuslicher Gewalt häufig einen materiellen Hintergrund in Auseinandersetzungen um Besitz, Erbansprüche und ökonomische Kompetenz hatten. Die Obrigkeit stützte zwar grundsätzlich die Autorität männlicher Haushaltsvorstände, doch gelang es Frauen wiederholt, die Unterstützung von Nachbarn, Verwandten und lokalen Amtsträgern gegen trunksüchtige, gewalttätige und verschwenderische Ehemänner zu mobilisieren.
272 StadtA Emmendingen, C/VIII/19 (Ratsprotokoll 1788–1790), 18.9.1790, fol. 238r. Angriffe mit Misthaken kamen auch andernorts vor: vgl. Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 266–267. 273 Hufton, Frauenleben, Ullmann, S. 69–127. Merle und Simon Ulman, S. 270. Schlumbohm, Lebensläufe, S. 293–294. 274 StadtA Emmendingen, C/VIII/17, Ratsprotokoll (1791–1795), 9.2.1792, fol. 132r–132v.
IX. SCHLUSSBEMERKUNG Auf der Grundlage einer EDV-gestützten prosopographischen Datenbank der Emmendinger Einwohnerschaft des 18. Jahrhunderts versuchte die vorliegende Studie, Lebenswege, Erfahrungen und Handlungsspielräume der Bewohnerinnen und Bewohner einer frühneuzeitlichen südwestdeutschen Kleinstadt zu rekonstruieren. Die Kategorie „Geschlecht“ bildete dabei ein zentrales Untersuchungskriterium, doch das umfangreiche Material erlaubte es auch, Kriterien wie Vermögen, Rechtsstatus und Religion bzw. Konfession in die Analyse einzubeziehen und Frauen nicht als homogene, sondern als sozial differenzierte Gruppe zu sehen. Als ein wesentliches Ergebnis lässt sich festhalten, dass Emmendingen trotz seiner geringen Größe – die 1.000-Einwohner-Marke wurde erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts übersprungen – unverkennbar städtischen Charakter aufwies. Die Urbanität der Kleinstadt rührte sowohl von der Anwesenheit herrschaftlicher Beamter und ihrer Familien her als auch von einer differenzierten Gewerbestruktur unter Einschluss verschiedener Luxusgewerbe sowie von Migrations-, Handelsund Familienbeziehungen zu anderen städtischen Zentren im Oberrheingebiet (Basel, Colmar, Straßburg, Freiburg, Lahr) und in weiter entfernten Regionen (Frankfurt am Main, Nürnberg, Augsburg). Ein stärkeres urbanes Wachstum scheint sowohl durch eine vergleichsweise hohe Sterblichkeit verhindert worden zu sein als auch durch die geographische Nähe größerer städtischer Zentren wie Freiburg und Lahr. Die Nachfrage nach weiterführender Bildung stieg ebenfalls im Laufe des 18. Jahrhunderts an. Schüler aus dem gesamten Oberamt gingen hier auf die Lateinschule und zahlreiche Bürgersöhne besuchten nach deren Abschluss die Universität. Zweitens ist das in literarischen Quellen gekennzeichnete und von der älteren Lokal- und Regionalgeschichte gerne tradierte Bild einer verschlafenen und stagnierenden Kleinstadt, in die erst der tatkräftige Oberamtmann Johann Georg Schlosser Dynamik und seine feinsinnige Ehefrau Cornelia Goethe vorübergehend Kultur gebracht hätten, zu modifizieren. Sowohl die Indikatoren der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung – Bevölkerungswachstum, kommerzielle Verflechtung, ökonomische Diversifizierung – als auch der in Nachlassinventaren dokumentierte Bücherbesitz und Kulturkonsum deuten eher auf einen langfristigen Aufwärtstrend im 18. Jahrhundert hin. Bereits vor Schlossers Ankunft im Jahre 1774 hatten neue kulturelle und intellektuelle Strömungen über seine Amtsvorgänger, über wohlhabende Kaufleute und Gewerbetreibende sowie über vom Halleschen Pietismus geprägte Pfarrer Emmendingen erreicht. Weder die wirtschaftspolitischen noch die sozialdisziplinierenden Maßnahmen Schlossers waren genuine Neuerungen; vielmehr knüpften sie an Initiativen seiner Amtsvorgänger an und führten diese weiter. Drittens trifft das in neueren Studien zur Beamtenschaft und zum Pfarrerstand in der Frühen Neuzeit gezeichnete Bild einer weitgehend homogenen und en-
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dogamen Elite auf die hier untersuchte badische Amtsstadt nur teilweise zu. Beamte und Pfarrer hoben sich zwar durch Lebensstil und kulturelle Präferenzen von der übrigen Bevölkerung ab – Kleidung und Bibliothek des Burgvogts Matthias Gottfried Böck und seiner Ehefrau sind dafür ein besonders aufschlussreiches Beispiel (vgl. Kap. III.4.). Doch aufgrund der hohen Ausbildungskosten war es Pfarrern und Beamten nicht möglich, allen Söhnen die für eine Laufbahn im Staatsdienst unabdingbare akademische Ausbildung zu finanzieren. Die Folge war eine relativ hohe Durchlässigkeit zwischen Pfarrern und Beamten einerseits, wohlhabenden Handelsleuten und Gewerbetreibenden andererseits. Die Töchter von Geistlichen und Amtmännern heirateten in Kaufmanns- und Handwerkerfamilien ein, ihre Söhne erlernten Handwerksberufe. Die Biographien der Beamtentochter Wilhelmina Patientia Männerin, die einen Säckler heiratete (Kapitel III.5.), sowie der Beamtengattin Maria Regina Bürklinin, deren Familie sich ebenfalls nicht im Beamtenstand halten konnte (Kapitel III.6.), illustrieren exemplarisch die soziale Mobilität im Emmendingen des 18. Jahrhunderts und die Verschränkung von akademisch gebildeter Elite und kleinstädtischem Bürgertum. Viertens veranschaulicht das Emmendinger Material die zentrale Bedeutung von Ehe und Haushalt als Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Die detaillierten Vermögensregelungen in Eheverträgen und Testamenten lassen ein komplexes System von Rechten und Pflichten erkennen. In den Handwerksbetrieben und Handelsgeschäften der badischen Amtsstadt war die Mitarbeit der Ehefrauen gang und gäbe, und eine Reihe von Witwen führte die Betriebe bzw. Geschäfte ihrer verstorbenen Ehemänner bis zur Wiederverheiratung bzw. bis zur Übergabe an einen volljährigen Sohn erfolgreich weiter. Das Fortführungsrecht der Witwen implizierte auch das Recht zur Teilnahme an Zunftversammlungen. Der aktive Gebrauch dieses Rechts lässt sich jedoch nur bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisen. Emmendinger Frauen übten während des gesamten Jahrhunderts gleichbleibend ein erstaunlich breites Spektrum von Tätigkeiten aus, das neben gering qualifizierten Arbeiten wie Spinnen, Nähen, Waschen und Taglohn auch kleinere und größere Kreditgeschäfte, den An- und Verkauf von Immobilien, Klein- und Einzelhandel, praktischen Unterricht und einige spezialisierte Handwerke umfasste. Fünftens offenbart eine detaillierte Analyse der Quellen neben Aspekten des Aufschwungs und der Prosperität auch die fortdauernde Unsicherheit und Konflikthaftigkeit des Lebens in der südwestdeutschen Kleinstadt. Die Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit war vergleichsweise hoch, zahlreiche Ehen wurden durch den frühen Tod eines Ehepartners getrennt, wirtschaftliche Krisen und geschäftliche Fehlentscheidungen trieben Haushalte in den Konkurs, und manche Familien gerieten in einen Teufelskreis von Alkoholismus, Überschuldung, Eigentumsdelinquenz und häuslicher Gewalt. Die Untersuchung dieser Konflikte hat aber auch gezeigt, dass Frauen nicht nur passive Opfer trinkender und schlagender Ehemänner waren. Vielmehr mobilisierten sie Nachbarn, Angehörige und die städtische Obrigkeit, versuchten ihr Heiratsgut vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen und entwickelten Überlebensstrategien innerhalb wie außerhalb der geltenden Rechtsnormen. Vor- und außerehelicher Geschlechtsverkehr wurde zwar auch in
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Emmendingen wie in vielen anderen Städten und Territorien im Verlauf des 18. Jahrhunderts zunehmend stigmatisiert und obrigkeitlich sanktioniert, doch die „Leichtfertigkeit“ von Bürgertöchtern scheint deren Heiratschancen insgesamt weniger beeinträchtigt zu haben, als viele andere Studien zu diesem Themenkomplex meinen. Sechstens ist der Ausschluss der Frauen von höherer Bildung, formaler beruflicher Qualifikation und politischer Macht zwar unbestreitbar, doch nutzten Emmendinger Frauen sehr wohl die vielfältigen informellen Möglichkeiten zur Teilnahme an Kommunikations- und Meinungsbildungsprozessen. In den privaten Bücherschränken stand ihnen neben religiöser Trost- und Erbauungsliteratur ein vor allem gegen Ende des 18. Jahrhunderts wachsendes Angebot an weltlicher und praktischer Lektüre zur Verfügung, im Rathaus, auf dem Markt und bei Festveranstaltungen in Gasthäuern konnten Nachrichten ausgetauscht und Geselligkeit gepflegt werden. Männer hatten durch Geschäftsreisen, Universitätsbesuche und Gesellenwanderungen zwar einen deutlich größeren geographischen Aktionsradius, aber auch Frauen konnten durch auswärtigen Gesindedienst ihren Erfahrungsraum erweitern und zur Entstehung und Stabilisierung überlokaler Beziehungsnetze beitragen. Ihr Recht zur Wahl der lokalen Hebamme verteidigten die Frauen entschlossen gegen Versuche männlicher Einflussnahme. Was vermag eine solche aus seriellen Quellen erarbeitete mikrohistorische Untersuchung zur Sozial- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit beizutragen? Sicherlich sind viele Einzelbefunde, für sich genommen, wenig überraschend. Sie bestätigen oder modifizieren im Wesentlichen die Ergebnisse anderer Studien. Dennoch ergibt sich – so die Überzeugung der Verfasserin – in mehrfacher Hinsicht ein „Mehrwert“ einer solchen lokalen Perspektive. Erst die detaillierte Rekonstruktion offenbart die erstaunliche sozio-ökonomische, religiöse und kulturelle Differenziertheit des Mikrokosmos einer Kleinstadt, wie sie hier am Beispiel Emmendingens rekonstruiert wurde. In sozio-ökonomischer Hinsicht reichte das Spektrum von bitterer Armut bis zur Erfolgsgeschichte eines Johann Willhelm Zimmermann, der durch vorteilhafte Heiraten und erfolgreiche Grundstücks- und Kreditgeschäfte ein Vermögen von fast 90.000 Gulden anhäufte. In religiöser Hinsicht spannte sich ein Bogen vom orthodoxen Luthertum über Einflüsse des Halleschen Pietismus und die Präsenz von Katholiken, Reformierten und Täufern bis hin zu einer zunehmend stabilen und selbstbewussten Judengemeinde. Sowohl die Täufer als auch die Katholiken spielten trotz ihrer relativ geringen Zahl aufgrund ihrer beruflichen Spezialisierung (katholische Bauhandwerker, täuferische Gutspächter) eine nicht zu unterschätzende Rolle im Wirtschaftsleben der Region. In kultureller Hinsicht schließlich konnten eine Reihe von Belegen für eine Teilnahme zumindest einzelner Personen und Familien am literarischen und geistigen Leben ihrer Zeit ermittelt werden, aufgrund derer das von Johann Georg Schlosser und Cornelia Goethe gezeichnete Bild einer provinziellen Einöde doch zu modifizieren ist. Ein weiterer Mehrwert ergibt sich daraus, dass sich aus zahllosen verstreuten Einzelbelegen individuelle Lebensläufe rekonstruieren ließen, die soziale Aufund Abstiegsprozesse sowie familiäre Strategien zur Absicherung gegen die Un-
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wägbarkeiten des Lebens sichtbar machen. Ferner konnten zahlreiche Konflikte kontextualisiert und dadurch beispielsweise gezeigt werden, dass Ehrenhändel nicht einfach spontan und reflexartig entstanden, sondern vielmehr Kulminationspunkte oft schon länger schwelender Auseinandersetzungen um materielle Ressourcen und Rechtsansprüche waren. Die Rekonstruktion solcher sozialer Kontexte stellt natürlich nach wie vor nur eine Annäherung an eine Realität dar, deren Komplexität sich der Quelleninterpretation letztlich entzieht. Dennoch dürfte sie gegenüber Untersuchungen, die in Gerichtsakten dokumentierte Konflikte lediglich immanent analysieren, einen nicht unerheblichen Erkenntnisfortschritt bedeuten. Schließlich und endlich fördert die mikrohistorische Analyse sozialer Feinstrukturen auch immer wieder die außergewöhnlichen und unerwarteten Facetten des scheinbar „Normalen“ zutage. Die Lebensgeschichte der Verena Weberin beispielsweise scheint auf den ersten Blick nur das zu bestätigen, was über fremde Dienstmägde bereits bekannt war: Die zugewanderte reformierte Schweizerin blieb unverheiratet, sie verblieb zeitlebens im Status einer Magd und Tagelöhnerin und führte ein Leben am Rande der Emmendinger Gesellschaft, ehe sie im Alter vor Einsamkeit allmählich den Verstand verlor. Aber Verena Weberin baute auch mit großer Beharrlichkeit ein Kreditnetz auf und verlieh Geld an eine Reihe von Personen, die sozial deutlich höher standen. Emmendingen im 18. Jahrhundert bietet zahlreiche Beispiele einer solchen „außergewöhnlichen Normalität“: Erinnert sei nur an Wilhelmina Patientia Männerin, die ständig mit ihrem Abstieg aus dem Beamten- und das Handwerkermilieu haderte, oder an die Zieglersgattin Eva Gobin, die als hochschwangere Frau ihre Magd und den Lehrjungen ihres Mannes wieder und wieder zu Kleindiebstählen anstiftete. Indem sie sich gängigen Deutungsschemata und Kategorisierungen entziehen, regen derartige Fälle dazu an, über Gesellschaft und Kultur im frühneuzeitlichen Mitteleuropa weiter nachzudenken.
X. ANHANG 1. SCHEIDUNGEN BEI DEN JÜDISCHEN EINWOHNERN DES OBERAMTS HOCHBERG Die badischen Judengemeinden waren in einer so genannten Landjudenschaft organisiert, die wichtige Selbstverwaltungs- und Organisationsaufgaben wahrnahm.1 Im Jahre 1718 rief das Oberamt Hochberg noch die Rabbiner von Rappoltsweiler im Elsass und Metz an „zur Abhelffung der jezuweilen zwischen gemeiner Judenschafft sich ereignenden Zänckereyen und Händeln, darüber sie ohne beyhülfe eines gelehrten und verständigen Juden nicht wohl vergleichen möchten“. Zwei Jahre später wurde der etwa 30-jährige David Kahn von Breisach für die gesamte „oberländische“ Judenschaft zum Rabbiner bestellt.2 Neben dem Rabbiner in Breisach gab es seit den 1720er Jahren auch einen Rabbiner in der zum Oberamt Hochberg gehörenden Exklave Sulzburg, die über eine größere jüdische Gemeinde verfügte.3 Bis vor kurzem ging man davon aus, dass der Breisacher Rabbiner, um den es besonders in den 1730er Jahren innerhalb der Judenschaft zu Querelen kam, das gesamte 18. Jahrhundert über für das Amt Hochberg zuständig war.4 Aus einer Anmerkung in der Beschreibung der Markgrafschaft Hochberg des Arztes Wilhelm Ludwig Willius, der zufolge viele jüdische Paare ins benachbarte Eichstetten „wallfahren“ würden, kann man jedoch schließen, dass in der Markgrafschaft Hochberg die Möglichkeit der Auflösung einer jüdischen Ehe bestand. Für einen heutigen Leser völlig unmotiviert, nämlich inmitten eines Abschnitts über die fließenden Gewässer, flicht Willius eine „Erzehlung dieser jüdischen Geschichte“5 ein: „Es vereinigen sich also bey besagtem Flecken Eichstetten drey fließende Wasser, nemlich die Treysam, das Altwasser und der Augraben miteinander. Und dieses gibt mir Gelegenheit etwas von den aberglaubigen Gebräuchen der Juden anzuführen. Ihr zusammengestoppeltes Gesetz befiehlt ihnen, daß wenn eine einmal geschlossene Ehe unter lebenden wiederum solle getrennt werden, die Ceremonie der Ehescheidung in einem solchen Ort geschehen müsse, wo drey Wasser sich miteinander vereinbaren. Weil nun dieses bey angeführtem Flecken ge-
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Vgl. Breuer, Frühe Neuzeit, S. 187–195. GLA Karlsruhe, 115/201, 20.8.1718, fol. 6r. Für Emmendingen unterschreiben die „WAHL“ Herzel Bickert, Marx Weil und Moses Gideon (ebd., fol. 16r-v). Das lothringische Steinbiedersdorf, das in Streitfällen ebenfalls Jahrhunderte lang einen Rabbiner aus Metz heranzog, erhielt 1771 ein lokales Rabbinat. Ulbrich, Shulamit und Margarete, S. 206. Kahn, Sulzburg, S. 4–6, 14. Vgl. Schmölz-Häberlein, Integration. Willius, Hochberg, Kapitel 5 §27, S. 41.
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Anhang schiehet, so trägt es sich auch zuweilen zu, daß sich Juden aus entfernten Gegenden allda einfinden, um die anderswo geknüpften Knöpfe wiederum aufzulösen.“6
Diese christlichen Grundsätzen vermeintlich widersprechende Praxis ist wohl auf Willius’ Unkenntnis jüdischer Gesetze und die daraus resultierende Fehlinterpretation der Bedeutung der Gewässer zurückzuführen. Wichtig ist jedoch, dass es in Eichstetten aufgrund der eindeutigen Identifizierbarkeit des Ortes offenbar möglich war, sich scheiden zu lassen, und dass sich dort – wenn auch eventuell nur zeitweise – ein jüdisches Gericht befand,7 das eine im Judentum mögliche Ehescheidung vollziehen konnte.8 Voraussetzung für die Gültigkeit einer Trennung war, dass sie an einem geographisch identifizierbaren Ort mit einem jüdischen Gericht offiziell vollzogen wurde und ein Rabbiner einen Scheidbrief ausstellte. Dass sich in Eichstetten spätestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein Rabbiner aufhielt, ist indirekt aus der Eheschließung der 1760 in Emmendingen geborenen Gundel Weil zu erschließen. Sie heiratete 1777 in Eichstetten den dort ansässigen Nathan Moses Mejer, der als Rabbiner und Lehrer bezeichnet wird,9 und auch ein Eintrag im Emmendinger Unterpfandprotokoll, der sich auf Moses Weil und Fradel Dukas bezieht, bestätigt die Anwesenheit eines Rabbiners.10 Thias Weil, dem 1769 ernannten Rabbiner für das Oberland, der in Karlsruhe ansässig war, gelang es im Laufe der Zeit, alle Rabbinate bis hinab zur Schweizer Grenze in Personalunion zu besetzen. Um den Aufgaben des Rabbiners in diesem großen Gebiet gerecht zu werden, musste ein System von Unterrabbinern etabliert werden.11 Im Falle Eichstettens könnte es sich um ein solches Unterrabbinat gehandelt haben. Wie Sabine Ullmann für Ostschwaben feststellt, sind Rabbiner und Vorbeter (Vorsinger) in christlichen bzw. obrigkeitlichen Quellen nur punktuell belegbar.12 Rabbiner konnten auch nur angestellt werden, wenn genügend finanzielle Ressourcen in der Gemeinde vorhanden waren. Hinweise auf Rabbiner sind daher wichtige Indikatoren für die Existenz eigenständiger Ortsgemeinden und den Ausbau bzw. die Stabilisierung jüdischer Verwaltungs- und Organisations6 7
Willius, Hochberg, Kapitel 5 § 27, S. 40–41. Ich danke Jacov Guggenheim, Jerusalem, für die ausführliche Diskussion dieser Thematik und die Hilfe bei der Interpretation der Aussage von Willius. Günther hat in seinem Beitrag Eichstetten ein jüdisches Scheidungsparadies? ebenfalls versucht, diesen Eintrag zu interpretieren. Günther stellte die pejorative Bezeichnung „jüdisches Scheidungsparadies“ zu recht in Frage. Dass Willius hier auf das sog. Taschlich anspielt, das in jüdischen Landgemeinden anlässlich des Neujahrsfests noch im 19. Jahrhundert gefeiert wurde, ist jedoch reine Spekulation. Hinweise auf dieses Fest finden sich nicht in den Quellen. 8 Vgl. Ullmann, Merle und Simon Ulman, S. 277. 9 Nathan Moses Mejer geb. 5.4.1755 in Eichstetten, gest. 20.9.1839 in Eichstetten. Das Ehepaar hatte mindestens drei gemeinsame Kinder. Gemeindearchiv Eichstetten, Pfandbuch 2 (1774–1790). IV/3, H. 179. OSB Eichstetten, Nr. 5189–5190. Auch Moses Hemerdinger lebte Ende des 18. Jahrhunderts in Eichstetten. OSB Eichstetten‚ Nr. 5144. Vgl. URL: http://www. alemannia-judaica.de/rabbiner_baw.htm#Haas,%20Dr.%20Moses, 29.12.2007. 10 StadtA Emmendingen, C/IV/2 (Unterpfandsprotokoll 1790–1800), 20.8.1799, fol. 230r–232r. 11 Gotzmann, Gemeinde als Gemeinschaft?, besonders S. 412. 12 Zum Rabbinat im Dorf Pfersee vor den Toren der Reichstadt Augsburg vgl. Ullmann, Nachbarschaft, S. 194–206.
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strukturen. Für die von mir erfassten jüdischen Familien im Oberamt Hochberg sind jedoch keine formellen Scheidungen belegt.13 Ob es eine formale Scheidung des Ehepaares Jentha Dreifußin und Nathan Sulzer gab, wissen wir nicht.14 Mit Sulzers Ausweisung aus dem Land wurde aber zumindest die Trennung von Tisch und Bett vollzogen.
13 Zu einer jüdischen Scheidung in Württemberg vgl. Jung, Württembergische Kirche, S. 171– 172. 14 Vgl. Kap. III.10.
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2. BÜCHERBESITZ IN EMMENDINGEN WÄHREND DES 18. JAHRHUNDERTS Die folgende Bibliographie versucht den Buchbesitz in Emmendinger Haushalten des 18. Jahrhunderts sowie die von Emmendinger Persönlichkeiten verfassten Schriften zu rekonstruieren, auf die im Text Bezug genommen wird. Sie beansprucht keine Vollständigkeit, zumal manche Kurztitel in den Nachlassinventaren nicht aufgelöst werden konnten. Außerdem ist den Inventaren in der Regel nicht zu entnehmen, welche Ausgabe eines mehrfach aufgelegten Werks in Emmendingen vorhanden war. ABBÉ DE LA CHAPELLE (1710–1792), Abhandlung von den Kegelschnitten, von den andern krummen Linien der Alten und der Cycloide nebst ihren Anwendungen auf verschiedene Künste, übersetzt von Johann Lorenz Böckmann, Karlsruhe: Macklot, 1771. ABRAHAM GOTTHELF KÄSTNER (1719–1800) Der mathematischen Anfangsgründe ... Theil 1–4, Göttingen: Vandenhoeck, 1758–1774. AESOPUS (um 600 v. Chr.), Fabulae Aesopiae Phaedri: mit Anmerkungen und einem vollst. Register, 2. Aufl. von neuem bearb. u. mit e. krit. Versuche verm. Von Wilhelm Lange, hrsg. Von Ludwig Heinrich von Jakob (1759–1827), Halle: Hemmerde & Schwetschke, 1799. ALBRECHT, GEORG, (1601–1647), Der Geistreichen Evangelischen Schatzkammer Deß umb die Evangelische Kirch höchst wohlverdienten Seel. Herrn M. Georg Albrechts, gewesten Superintendenten und Pfarrers zu Nördlingen, Ulm: Görlin Wittib, 1664. – Vae nobis, vae nobis! Ewiges Ach und Weh! Das ist: Gründliche u. weitläuffige Erklärung d. schrecklichen Artickels, von d. ewigen Höllen-Pein, in 39 Predigten ... abgehandelt, Ulm: Kühn 1668. ALLGEMEINES INTELLIGENZ- UND WOCHENBLATT für sämtliche Hochfürstliche-Badische Lande, Karlsruhe: Macklot 1775–1803 (Jg.1–26). ALMANACH für Freunde der theologischen Lektüre oder Beyträge zur Toleranz und Religionsgeschichte alter und neuer Zeiten, Nürnberg: Schneider, 1780–1783. ANDERSON, JAMES (1678–1739), Neues Constitutionen-Buch der alten ehrwürdigen Brüderschafft der Frey. Maurer; Aus. d. Engl. übers., Frankfurt am Main: Andreä, 2. verm. Aufl. 1743. ANONYM, (Philip Dormer of Chesterfield (1673–1726), Der indianische Weltweise oder die Kunst, glücklich in der Gesellschaft zu leben, in eine kleine Anzahl der reinesten Grundsätze der Sittenlehre, die durch einen alten Brachmanen aufgesetzt worden, Köln: Odendall, 1781. – Ars Tinctoria Experimentalis oder Curieuse Vollkommene Entdeckung der Farbe-Kunst, auff Seyde, Wolle und Leinengewand: Worinnen Aller annehmlichen und dauerhafften, gewöhnlichen und fremden, Frantzösisch-Englisch- und Spanischer Farben, vollkömmliche und beste Zubereitung ... gelehret wird; Sam[m]t vollständigem Bericht Von der Pott- und Weydasche, Allen ... aus Holländisch-Frantzösisch- Englisch- und Teutschen Färbereyen ... zusammen getragen, Frankfurt, Leipzig, [Jena]: Bielke, 1685. – Curieuser und immerwährender Astronomisch-Meteorologisch-Oeconomischer-Frauenzimmer-Reise- und Hand-Calender, Mit einer Vorrede von Mademoiselle Sidonia Hedwig Zeunemannin und Theil 2: ... Worinnen zu finden Die Kranckheiten derer Menschen und derselben eigentliche Cur, ... Die Holtz-Spar-Kunst,... Angenehme Frauenzimmer-Künste ... Eine Special-Chronologie von Anfang der Welt bis auf jetzige Zeiten, ... Von unterschiedenen Gelehrten ... verfertiget, Erfurt: Funcke; Leipzig: Walther, 1738. – Das Glücke bey Hofe. Worinnen umständl. gehandelt wird von dieses Glückes Beschaffenheit ... wie auch von denen gewöhnl. u. ungewöhnl. Mitteln, dasselbe zu erlangen ... u. dann von d. Hof-Leuthe Conduite, Glaßburg [fing.], 1694.
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Der Entdeckte und von allen seinen Geheimnissen entblösste Freymaurer, Straßburg: Belcker, 1745. – Der in die Flucht geschlagene flüchtige Pater, oder, Wiederlegung des Gesprächs zwischen einem flüchtigen Pater aus Rom, und einem Clerico: welches herausgegeben H.F. ... von einem, der seinen Nahmen wieder einen Anonymum auszudrucken, o.O. 1734. – Die Krafft und Wahrheit des Göttlichen Wortes, Wie solche sich an denen Saltzburgischen Emigranten erwiesen, Indem viele Tausend derselben dadurch erleuchtet, und zum Erkänntniß des Heyls gelanget sind, ...: Nebst Zuverläßiger Nachricht Von ihrem Zustand, und sonderbaren speciellen Umständen von ihrer Verfolgung und Verjagung, auch wie sie hie und da aufgenommen und empfangen worden, Zu ... Erbauung des Nechsten, ... ans Licht gegeben, Magdeburg [ohne Drucker]1732. – Die Nützlich-Vereinbahrte Webe- und Färberey: Welche Insonderheit darin bestehet, daß jene Hauptsächlich anweiset, wie viel Garns man nach richtigen Haspel auff jedwede Elle zu geben, Von J. F. H., o.O. 1706. – Die Seufftzende Saltzburger, Oder Besondere Unterredung Im Reiche der Lebendigen, Zwischen einem der Religion halben aus dem Lande emigrirenden Saltzburger Und einem gleichfalls wegen des Glaubens aus den Italiänischen und Frantzösischen Gräntzen vertriebenen Waldenser: Darinnen beyder Schicksale und Verfolgungen, insonderheit aber die Historie der emigrirenden Saltzburger vollständig beschrieben wird, Magdeburg: Siegeler, 1732. – Heilsame Seelen-Apotheck zur Bewahrung für muthwillig- u. vorsetzlichen Sünden, zur Glaubens-Stärckung in aller Schwermuth, zur Ermunterung der Gedult, auch Trost in allerley Creutz, und endlich zur kräfftigen Erquickung vor Krancke und Sterbende, Schwäbisch Hall: G. M. Majer, 2. Aufl. 1739. – Kurtze Grund-Historien von dem Anfang und Ursprung der Gott-geweyhten Ordens- und Closter-Jungfrauen: Sambt beygefügter eigentlicher Vorstellung deren gewohnlichen Kleidung ... oder Ordens-Habit; Aus d. Franz, ins Teutsche übers, u. mit 90. anmuthigen Kupffern geziert, Augsburg: Kolb, 1712. – Richtiger und bewährter Feldmesser wie auch Sonnenuhrmacher, ohne Lehrmeister und ohne Instrument, 3. verb. Aufl., Ulm: Wohler, 1767. ARBUTHNOT, ARCHIBALD (1667–1737), Die schöne Schottländerin, oder, Curieus Lebens- und Liebes-Geschichte der Myladi Jenny Cameron, Grand-Maitresse des jungen englischen CronPrätendenten Carl Edvard Ludwig Casimir: auch wie selbige indem sie aus Schottland nach Franckreich flüchten wollen, unter Weges aufgecapert und als eine Staats-Gefangene nach Amsterdam gebracht worden / aus dem Holländischen ins Deutsche übersetzt durch einem Nieder-Sachsen Nahmens Lebecs, Frankfurt, Leipzig: [ohne Drucker], 1747. BAURITTEL, KARL WILHELM (1742–1798), Anleitung für angehende Scribenten in allen vorkommenden Land= Amt= und Stadtschreiberey Geschäften. 3 Bände, l. Auflage Karlsruhe 1792, Neuauflage Carlsruhe: Macklot 1808. BENDELER, JOHANN PHILIPP (ca. 1654– ca. 1709), Redlich Bezahlte Schuld/ Oder Gründlichst ausgeführte Qvadratura Circuli: Samt dem unbetrieglichen Haupt- und Neben-Schlüßel aller Sectionen/ als dem allerschwersten Theile der Qvadraturae und ganzen Geometrie, Frankfurt, Leipzig: Calvisius, 1700. BIBEL, oder die ganze Heilige Schrift des alten und neuen Testaments / nach der teutschen Uebersetzung D. Martin Luthers. [Vorr.: Gottlieb Anastatius Freylinghausen (1719–1785)], Halle: Cansteinischen Bibel-Anstalt, 1776. BLUM, JAKOB (–1681), Nützlicher Unterricht Vom Zehent-Recht, Sowol denenjenigen, welche Zehendten einzufordern und zu empfangen haben, als denen, welche Zehendten zu reichen und zu bezahlen verbunden seyn, Leipzig: Hoffmann und Zell 1696. BÖCKH, CHRISTIAN FRIEDRICH (Hrsg.) (1732–1792), Wochenschrift zum Besten der Erziehung der Jugend, Stuttgart: Cotta, 1771–1772. Erscheinungsverlauf: 1.1771 – 2.1771, 3.1772 – 4.1772,
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dann Erscheinen eingestellt. Nachdruck: Stuttgardische Wochenschrift zum Besten der Erziehung der Jugend. BOGATZKY, CARL HEINRICH VON (1690–1774), Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder Gottes, deren Schatz im Himmel ist: Bestehend in auserlesenen Sprüchen d. Heil. Schrift, samt beygefügten erbaulichen Anm. u. Reimen, Halle an der Saale: Waisenhaus, 1761. BOHSE, AUGUST (1661–1740), Neu Erleuterter Briefsteller, das ist: Gründliche Anweisung wie ein geschickter deutscher Brief ... abzufassen; Alles mit neu ausgearbeiteten Exempeln ... nebst einem ... Titular-Büchlein und ausführlichen Dolmetscher, Leipzig: Gleditsch, 1697. BROCKES, BARTHOLD HEINRICH (1680–1747), Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in physicalisch- und moralischen Gedichten, Hamburg: Herold, 6. Teil 1740, 5. Teil 3. Aufl. 1770. BUCHINGER, BERNHARD, Koch-Buch So wol für Geistliche als auch Weltliche grosse und geringe Haußhaltungen, wie bey denen täglich vil Leut am fuglichsten abgespeiset werden: Darinn über die achthunderterley Fleisch, Wildprett, Geflügel, Fisch Eyer, und Garten-Speisen, auch die manier und Weiß selbige zubereiten; Neben anderen nutzlichen Haußhaltung-Stücklein zu finden und begriffen sind, Durch Einen geistlichen Kuchen-Meister deß Gotteshauses Lützel beschrieben und practiciert, Zum dritten mal auffgelegt und vermehrt, Basel: Mechel, 1700. BÜRKLIN, PHILIPP JAKOB (1692–1762), Die auf Weißheit und Treue sich gründende Ruhe, welche bey denen Hochfürstlichen solennen Exequien des ... Herrn Carl Wilhelms, Marggrafens zu Baden und Hochberg, ... nach gehaltener Gedächtnis-Predig ... durch eine Abdanckungs-Rede den 6. Julii 1738. zu betrachten vorgestellet wurde, Karlsruhe: Maschenbauer, [1738]. BUTSCHKY, SAMUEL VON RUTINFELD (1612–1678), A–Z! ... Erweiterte Hoch-deutsche Kanzelley; Darinnen: nach vorgestelter Recht-Schreibung, Brief- und Titelsäzzung viel Sinreiche wie auch allerhand Besuch-Beehr-Bitt ... Briefe oder Send-Schreiben ... abgefast, Breslau: Cellarius & Zeitz: Trescher, 1659. BUXTORF, JOHANNES (1564–1629), Hebraeicum, Lexicon Hebraicum et Chaldaicum. Complectens omnes voces, tarn primas, quam derivatas, quae in sacris bibliis ... extant, 11. Aufl., Basel: Richter, 1710. COELLESTINES, JOHANNES FRIEDRICH, Pantheum sive anatomia et symphonia papatus, et praecipuarum Haeresum veterum et praesentium. Das ist, Gründliche und unwidersprech-liche beweysung, aus Gottes Wort, Kirchen Historien, und der Papisten, Ketzer und Secten selbst eignen gewirdigten Büchern. Das der Bapst der Warhafftige offenbahrte Antichrist sey, davon die Propheten, Christus und die Apostel geweissaget haben, und die fürnebsten größten Ketzer und Secten, alt und neu seine Gliedmassen ...; Theil 2: Ander Theil der anatomia des Bapstums. Wie sich ein Christ derselben Christi, verhalten ... sol. Sampt kurtzer Widerlegung etl. ...scheingründe der Papisten, Türcken,... Item, von der newen Arianem,... in Polen, Ungern,..., 2 Teile [Regensburg: Geißler] 1568–1569. COMMERELL, JOHANN PAUL, D. Joh. Salomo Semlers „Abhandlung von freyer Untersuchung des Canon", besonders Apocalypsin betreffend, widerlegt, o.O. 1772. [CRUGOT, MARTIN] (1725–1790), Der Christ in der Einsamkeit, Breßlau: Korn, 1763. DANCKWERTH, CHRISTIAN HEINRICH, Wohleingerichtetes Koch-Buch, oder gründliche Anweisung ..., Hannover: Förster, 1729. DE SALIGNAC DE LA MOTHE FENELON, FRANÇOIS (1651–1715), Die seltsamen Begebenheiten des Telemach, In einem auf die wahre Sitten- u. Staats-Lehre gründeten, ... Helden-Gedichte. Mit Anm. erl. u. ins Teutsche übers, von Ludwig Ernst von Faramond [Philipp Balthasar Sinold von Schütz], Frankfurt, Leipzig: Monath, 1749. – Les Avantures de Télémaque, fils d’Ulysse, Breslau: Korn, 1791. DER EUROPÄISCHE STAATS-SECRETARIUS, welcher die neuesten Begebenheiten unparteyisch erzehlet. Theil 1–144, Leipzig: Weidmann 1735–1748.
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EBERT, JOHANN JACOB (1737–1805), Natürliche Geschichte: aus seiner näheren Unterweisung in den philosophischen und mathematischen Wissenschaften, herausgegeben und mit einer Vorrede begleitet von Heinrich Sander, Karlsruhe: Macklot, 1776. EISENLOHR, JOHANN JAKOB (1656–1736), Des Weyland um die Kirche Christi, unsers VatterLandes insonderheit, sich best-verdient-gemachten Gottes-Gelehrten Hn. Johann Jacob Eisenlohrs ... XLI. geistliche Seelen-Betrachtungen: deren jede einen Biblischen Haupt-Spruch zum Grunde hat ... Beigefügtes Werk: nebst dessen von ... Philipp Jacob Bürcklin gehaltenen Leichen-Predig und Anhang einer vom hoch-seeligen Authore dem ehemaligen ... Ober-HofPrediger Höltzlein in der hochfürstlichen Hof-Capelle zu Carls-Burg abgelegten Praesentations-Rede mit einer Vorrede zum Druck befördert von Christoph Peter Eisenlohr, Karlsruhe: Maschenbauer, 1740. ENGELSCHALL, CARL GOTTFRIED (1675–1738), Geistliche Reise- und Hauß-Postill: Das ist Eine kurtze u. gründliche Erklärung aller jährlichen Sonn- und hohen Fest-Tags-Evangelien u. Episteln, Dresden, Leipzig: Kess 1720. ESSICH, JOHANN GEORG (1654–1705), Kurze Einleitung zu der allgemeinen und besondern Welthistorie, aufs neue übers., verm. u. bis auf gegenw. Zeit fortgesetzt von Johann Christian Volz, 10. Ausg., Stuttgart: Mezler, 1770. FASSMANN, DAVID (Hrsg.) (1685–1744), Gespräche in dem Reiche derer Todten, 239 Entrevuen, Leipzig: Weer, 1718–1739. FEDER, JOHANN GEORG HEINRICH (1740–1821), Der neue Emil: oder von der Erziehung nach bewährten Grundsätzen Teil 2, Erlangen: Walther, 1775. – Logik und Metaphysik, 4. verm. Aufl., Göttingen, Gotha: Dieterich, 1774. – Ueber den Unterricht verschiedener Religionsgenossen in gemeinschaftlichen Schulen, Göttingen: Dieterich, 1786. GAUHE, JOHANN FRIEDRICH (1681–1755), Des Heil. Rom. Reichs genealogisch-historisches Adels-Lexicon, Leipzig: Gleditsch, 1719. GELLERT, CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT (1715–1769), Sämmtliche Schriften Teil 1–10, neue verb. Aufl., Leipzig: Weidmann & Reich, Fritsch, 1775. GERHARD, JOHANN (1582–1637), Heilige Betrachtungen Aus dem Lateinischen übersetzt von Jeremias Ketzler, Leipzig, Liegitz: Siegert, 1745. GERSTLACHER, CARL FRIEDRICH (1732–1795), Handbuch der teutschen Reichgeseze, Teil 1–11, Karlsruhe u.a.: Schmieder u.a. 1786–1794. GESSNER, SALOMON (1730–1788), Sämmtliche Schriften Bd. 1–3, Karlsruhe: Schmieder, 1775. GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON (1749–1832), Schriften, Karlsruhe: Schmieder, 1778–1780. – Schriften, Leipzig: Göschen, 1787–1790. GOTTFRIED ACHENWALL (1719–1772), Staatsverfassung der heutigen vornehmsten europäischen Reiche und Völker im Grundrisse, Göttingen: Vandenhoeck, 1781–1785. GOTTSCHED, JOHANN CHRISTOPH (1700–1766), Die Deutsche Schaubühne: nach den Regeln und Exempeln der Alten / ans Licht gestellet, Leipzig: Breitkopf, [1741–1750]. – Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, Nach Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und jetzigen Jahrhunderts abgefasset, 1748. – Kern der Deutschen Sprachkunst, aus der ausführlichen Sprachkunst Gottscheds, zum Gebrauche der Jugend, von ihm selbst in Kurze gezogen, 2. verb. Aufl., Leipzig: Breitkopf 1754. GRAF, ANDREAS CHRISTOPH (1701–1776), Der höfliche Schüler: wie er sich vor, in und nach der Schule, zu Hause, über Tische, in der Kirche, beym Besuch und in Gesellschaft wie auch in den Recreations-Stunden, bey dem Spazieren-gehen, Fahren und Reiten gebührend, höflich und geschickt aufzuführen, und was er bey Verfertigung, Absendung und Empfang eines Briefes, in Ansehung des Wohlstandes und der Höflichkeit, nach seinen Umständen, zu beobachten hat, 4. Aufl., Augsburg: Selbstverlag, 1751.
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[GROSS, JOHANN GOTTFRIED] (1703–1768), Der angehende Lateiner, das ist Erste Uebungen der lateinischen Sprache nach der Langischen Grammatic, 2. Edition, Halle: Waisenhaus, 1742. HAASE, SALOMON (1714–1790), Vollständiger Müntz-Meister und Müntz-Wardein welcher alle bey dem Müntzwesen sich zugetragende Fälle vorstellet, Frankfurt am Main: Andreäische Buchhandlung, 1765. HAGEDORN, FRIEDRICH VON (1708–1754), Poetische Werke, Bern: Walthard, 1766–1771. HAGEN, KARL GOTTFRIED (1749–1829), Lehrbuch der Apothekerkunst, 3. verb. Aufl., Königsberg, Leipzig: Härtung, 1786. HARTMANN, JOHANN LUDWIG (1640–1684), Glaubens-Prob und Lebens-Lob: zur heilsamen Prüfung nach den Hauptstücken des Catechismi, [Rothenburg: o. Dr.], 1678. HEILER, GÜNTHER (1645–1707), Süsse Jesus-Gedancken: Darauß Bey diesen letzten Tagen/ da die Welt mit allerley Unglück überschüttet ist/ Fromme Christen In allen Nöthen ... Trost Ruhe und/ Erquickung in Jesu holen ... können, Straßburg: Dolhopff, 1674. HELD, WOLFGANG ADAM, Der in der gantzen Welt, sowohl im Hauß als auf dem Land Hurtige und geschwinde Rechenmeister: Dienet Allen Beamten, Kauff- und Handels-Leuten, … zu sonderbahrer Zeit-Gewinnung, mit Fleiß nach des Höchsten Ausspruch: Daß alles bestehen solle in Maas, Gewicht und Zahl, ... mit nöthigen Fragen und Exempeln die eingeführte Capitel und Tabellen auf das einfältigste erkläret, Stuttgart: Faber 1741. HILDEBRANDT, WOLFGANG (1610–1631), Kunstbüchlein vor die Kürschner, Riemer, Senckler und alle so mit Fell und Rauchwerck handeln und umbgehen, darinnen begriffen, wie man nemlich vergülden, Rauchwerck, Schmaschen ... zurichten soll, Erfurt: Schmuck, [1620]. HISKIAS CARDILUCIUS, JOHANNES (um 1630–1697), Neu-aufgerichtete Stadt- und Land-Apotheke: Darinnen zuforderst vorgetragen werden Die herrlichen neu-corrigirten Artzney-Schriften des teutschen Hippocratis, nemlich des unvergleichl. Hn. Carrichters, ... Nebenst bey gefugtem Teutschem Alphabet der Kranckheiten, ... samt angehengtem Tractat von Bereitung einer Panaceä oder Universal-Artzeney; Da dann über diß noch darzu kommt Ein vollständiges DiätBuch, wie sich nemlich in Speise, Tranck, und ändern gebräuchlichen Dingen, in Gesundund Kranckheiten, zu verhalten; Alles dem gemeinen, und von Apotheken und Medicis entfemetem Landmann zu Dienst ..., Da denn diese Land-Apothecke itzo zum drittenmal mit vieler Vermehr- und Verbesserung publiciret wird, 3. Aufl., Nürnberg: Endter, 1701. HOFFMANN, JOHANN ADOLF (1683–1767), Zwey Bücher von der Zufriedenheit nach den Gründen der Vernunft und des Glaubens, Von neuem durchgesehen und verbessert, Hamburg: Bonn, 1760. HÜBNER, JOHANN (1668–1731), Kurtze Fragen Aus der Neuen und alten Geographie, Zum guten Fundament Der curieusen und Politischen Wissenschafften Bequem und deutlich eingerichtet, Und bey dieser Viedten Edition An vielen Ortern verbessert, Vorrede beygefüget durch Durch Christian Weisen, [Leipzig]: Gleditsch, 1695. – Supplement zu seinen Historischen und Genealogischen, Wie auch Geographischen Fragen, So viel sich vom Anfange des Jahres 1708. biß an die Leipziger Oster-Messe 1709 merckwürdiges zugetragen hat; Nebst einem Anhange von Lothringen, Leipzig: Gleditsch, 1709. – Zweymal zwey und fünfzig auserlesene Biblische Historien aus dem Alten und Neuen Testament, 1. Aufl. [Ausgaben in Hamburg, Leipzig, Reutlingen, Striegan, Wernigerode] 1714. JÄGERSCHMIDT, GUSTAV FRIEDRICH (1740–1775), Unterricht fuer die Hebammen in den Badischen Landen, Karlsruhe: Macklot, 1775. JENISCH, PAUL (1551–1612), Seelenschatz, Das ist: Gründlicher Bericht aus Gottes Wort, Christlich zu leben, vnd seliglich zu sterben: Sampt beygefügter Trostschrifft, an alle angefochtene, verfolgte und betrübte Christen; Neben vnterweisung aus Gottes Wort welche vor recht glückselige Leut zu halten, [Leipzig]: Voit 1613; Leipzig: Lamberg 1716, 1617 u.a.
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JERUSALEM, JOHANN FRIEDRICH WILHELM (1709–1789), Sammlung einiger Predigten / vor den Durchlauchtigsten Herrschaften zu Braunschw. Lüneb., Wolfenbüttel, Braunschweig Schröder, 1745–1753. JUNCKER, CHRISTIAN (1668–1714), Wohlunterwiesener Briefsteller, zum Gebrauch d. Jugend auf Gymnasien u. andern Schulen, 9. durch u. durch verb. u. verm. Aufl., Leipzig: Braun, 1740. KINDERMANN, BALTHASAR (1836–1706), Der deutsche Redner, in welchen unterschiedene Arten der Reden auf allerley Begebenheiten enthalten sind, 3. Aufl., Wittenberg: Fincelius, 1665. KLEIST, EWALD CHRISTIAN VON (1715–1759), Sämtliche Werke, Teil 1–2, 3. Aufl., Berlin: Voß, 1771. KLOPSTOCK, FRIEDRICH GOTTLIEB (1724–1803), Der Messias, Altona: Eckhardt, 1780. KOECHER, JOHANN CHRISTOPH (1699–1772), Zweyfacher Beytrag zu Bestätigung der Gewißheit und Wahrheit der evangelischen Religion, in sich haltend augenscheinlichen Beweiß der Wahrheit evangelischer Religion, aus den Geschichten der um derselben willen aus ihrem Vaterland wandernden Saltzburger: ingleichen gerichtliches Verhör der Zeugen der Auferstehung Jesu; nebst e. Anh. Von dem Laster des Unglaubens, Halle an der Saale: Waisenhaus, 1739. KÖNIG, VALENTIN, Genealogisch-historische Beschreibung, nebst denen Stamm- u. Ahnentafeln des uhralten adelichen Geschlechts derer von Berbisdorf, [ o.O. 1715]. LANGE, JOACHIM (1670–1744), Apostolisches Licht und Recht: Das ist, Richtige und erbauliche Erklärung der sämtlichen Apostolischen Briefe, Pauli, Jacobi, Petri, Johan-nis und Judä: Darinnen, nach einer zur exegetischen Einleitung nöthigen Historischen Nachricht von dem Leben und den Reisen Pauli... gedachte Episteln ... erläutert, Und hernach in hermeneutischen und practischen Anmerckungen nach dem Grundtexte ausführlich erkläret ... werde, und Theil 2: Die Episteln Pauli an die Thessalonicher, an den Timotheum, Titum, Philemonem, und an die Hebräer; Wie auch Die Briefe des Apostels Jacobi, Petri, Johannis und Judä: Nach dem Grund-Texte, und dessen Nachdrucke, betrachtet und ausgeleget und zur Erbauung angewendet werden, Halle an der Saale: Waisenhaus, 1732. LASSENIUS, JOHANN (1636–1692), Biblischer Weyrauch: zum süssen Geruch gottseeliger Andachten ... samt einer heilsamen Vorbereitung zum Beichtstuhl und H. Abendmahl; nunmehr mit einer neuen Vorrede ... und mit einer Fleisz ausgesuchten Gesang-Buche ..., vermehret von M. Michael Lilienthal, Königsberg: Eckart, 1731. – Heiliger Perlen-Schatz: über die zwölff Monate des gantzen Jahres ... Vierdte Auflage, Leipzig: Gleditsch, 1712. LAVATER, JOHANN CASPAR (1741–1801), Christliches Handbuechlein, Bern, o. Dr. 1767. LICHT, JOHANN FRIEDRICH (1699–1758), Allgemeiner Syntaktischer Brief: worinn alle Haupt- und besondern Regeln der or-dent-figür- und zierlichen Syntax, nach Anleitung der Langianischen Grammatik, häufig angebracht, und mehrentheils angemerket worden, als eine Zugabe zu der E-pistolischen Syntax aufgesetzet, und der lieb, Flensburg und Altona: Körte, 1758. – Syntaxis epistolica grammaticae Langianae, oder Briefe nach Art der syntactischen Schulübungen über des hochberühmten Herrn D. Langens lateinische Grammatik …, fünfte und verbesserte Auflage, Altona, Lübeck: Iversen, 1760. LINDENBERG, NICOLAUS, Die rechte Bet-Kunst ..., Etwas verändert u. ... vermehrt von Christlieb Rezendorf [Ernst Friedrich Zobel], Altdorf, o. Dr. 1744. LÖHR, JOHANN ANDREAS (1764–1823), ABC und Bilderbuch nebst einer Anweisung Kinder leicht lesen zu lehren, zunächst zum Gebrauch beim häuslichen Unterricht, Leipzig: Fischer 1799. MACPHERSON, JAMES (1736–1796), Die Gedichte Ossians, Eines Alten Celtischen Dichters / Aus Dem Englischen übersetzt von Michael Denis, Wien: Trattnern, 1768–1769. MAGAZIN FÜR SCHULEN und die Erziehung überhaupt, Nördlingen: Beck 1766–1772.
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MASIUS, HECTOR GOTTFRIED (1653–1709), Der abgefertigte Jesuit: sambt einer Apologie, hiebevor aus dem Französischen übersetzet / Jetzo aber ... von neuem aufgelegt und in Druck gegeben, Weissenfels: [Wehrmann], 1711. MATHURIN CORDIER (1479–1564), Colloquiorum scholasticorum libri V ... et cum ludicris puerorum Joachimi Camerarii et memoria Pythagorea ... editi, Frankfurt am Main: Gensch, 1711. MEISTER, LEONHARD (1741–1811), Helvetische Galerie großer Männer und Thaten für die vaterländische Jugend, Zürich: Bürkli, 1786. MENDELSOHN, MOSES (1729–1786), Rede bey der Taufe zweyer berlinischen Israeliten, in: Charles Bonnets (Hrsg.), Philosophische Untersuchung der Beweise für das Christenthum, aus dem frranzösischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Johann Caspar Lavater, Güstrow: Ascetische Gesellschaft, 1773. MICHAELIS, JOHANN HEINRICH (1668–1738) Erleichterte hebräische Grammatica: Oder Richtige Anführung zur hebräischen Sprache, Halle an der Saale: Waisenhaus Buchhandlung, 1745. MILLER, JOHANN MARTIN (1750–1814), Siegwart: Eine Klostergeschichte, Frankfurt, Leipzig: Weygand 1777. MÜLLER, HEINRICH (1631–1675), Evangelischer Hertzens-Spiegel, das ist, Erklärung aller vorkommenden Sonn- und Fest-Tages-Evangelien, nebst beygefugten Passions-Predigten über das gantze Leiden Christi, hrsg. von Johann Melchior Möller, 2. Aufl., Erfurt: Jungnicol, 1744. – Himmlischer Liebes-Kuß, oder Evangelische Betrachtungen über die Wohlthaten Gottes und seiner unendlichen Liebe gegen den Menschen ...; Nebst dessen Geistlichen Erquick-Stunden ...; Wie auch des sei. Mannes Creutz-, Büß- und Bet-Schule ... Nebst e. Vorr. von der evangelischen Religion, 2. Aufl., Erfurt: Jungnicol, 1740. – Parva Biblia, das ist, die kleine Bibel, darinnen alle Dicta und Haupt-Oerter Alt- und Neues Testaments, welche von ihm dem Wort-Verstande nach u. philologice hin u. wieder erkläret worden, ... aus allen seinen Schrifften zusammen gezogen, u. in biblische Ordnung gebracht. ... Verfertiget von David Heermann, Dresden, Leipzig: Miethe & Zimmermann, 1694. NEHR, JOHANN CHRISTOPH (–1682), Historisch-Politisch-Juristisches Lexicon: In welchem, über die Erklärung derer Juristischen und bey der Kauffmannschafft gebräuchlichen, auch andere in denen Zeitungen vorkommende Redens-Arten, verschiedene die Religion, den Staat, die vier Haupt-Facultäten, nebst ändern Disciplinen, Professionen und Künsten, ... angehende und dieselbe erläuternde Kunst-Wörter;... in richtiger Alphabets-Ordnung dargestellet und erkläret werden, Gotha: Mevius, 1706, 1710 1717, 1736, 1756 u.ö. NUBER, GEORG (1590–1667), Ein gülden Kleinod Davids ... schriftmässige Erklärung des 16. Psalms, Ulm: o. Dr., 1653. OLEARIUS, JOHANN CHRISTOPH (1668–1747), Jubilirende Lieder-Freude: Bestehend in erster Aufflage derer allerersten A.C. 1524. und 1525. in Druck gegangenen Lutherischen Gesaengen zur Vermehrung schuldigster Devotion und Danckbarkeit, bey dem Ändern von GOtt verliehenen Lutherischen Reformations-Jubilaeo, nebst einer Vorrede, Arnstadt: Meuer, 1717. OSTERVALD, SAMUEL FREDERIC (1713–1755), Historische Erdbeschreibung zum Nutzen deutscher Jugend eingerichtet: Derselben sind beygefüget Anfangsgründe dieser Wissenschaft für junge Kinder, eine Einleitung in die Sphärenlehre und die Erdbeschreibung der altern Zeiten, nebst einer Vergleichungstafel der vornehmsten Staaten in Europa, 4. verb. Ausg., Straßburg: Treuttel, 1785. OTHO, JOHANN JACOB (1629–1669), Evangelischer Krancken-Trost: Aus allen sonn- und festtäglichen Evangelien ... aufgesuchet ...; An Statt e. historischen Spruch- u. Haus-Postill in Druck gegeben, nach jeder Predigt, mit e. Lied ... versehen, Nürnberg: Endter, 1740.
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PAZKE, JOHANN SAMUEL (1727–1787), Sammlung einiger Predigten über verschiedene der gewöhnlichen sonntäglichen Texte, Berlin: Nicolai, 1760. PEICKHARD, FRANCISCUS (1684–1752), Lob- und Trauer-Rede Über den Todt Des Durchleuchtigen Printzen Eugenii Francisci, Hertzogen von Savoyen, Wien: Heyinger, 1736. PFEIFFER, AUGUST (1640–1698), Einfältiger schlechter und rechter Bauer-Glaube, Zerbst: Lägel, 1743. PFENNIG, JOHANN CHRISTOPH (1724–1864), Anleitung zur gründlichen und nützlichen Kenntniss der neuesten Erdbeschreibung: nach den brauchbarsten Landkarten, vornemlich zum Unterricht der Jugend, Berlin und Stettin: Decker & Effenbart, 1769. – Anleitung zur Kenntniß der mathematischen Erdbeschreibung, Berlin, Stettin: Decker & Effenbart, 1779. PISTORIUS, JOHANN (1546–1608), Drey hundert Theses von der lustification oder Gerechtmachung vor Gott, so zwischen D. loanne Pistorio ... und den Lutherischen der Marggrafschafft Hachbergk Predicanten ... zum ersten mal ... zu Emetingen disputirt werden sollen, aber hernach ... underlassen ... worden, in: Unser, von Gottes Genaden, Jacobs, Marggrafen zu Baden ... Christliche erhebliche ... Motifen, warumb wir auß einigem eifferigen trib unsers Gewissens, ... nicht allein für unser Person die Lutherische Lehr verlassen, und zu dem Catholischen ... Glauben Uns ... begeben, sondern auch unser ... Land ... reformiren lassen müssen, Köln: Calenius, 1591. PLATS, GEORG PHILIPP (17./18. Jhdt.), L’Interprete des avantures de Telemaque, fils d’Ulysse, Frankfurt am Main: Möller, 1732. QUIRSFELD, JOHANN (1642–1684), Geistlicher Myrrhen-Garten, versetzet mit funfftzig traurigen Cypressen, worunter die geängstete Seele in allerhand Creutz und Widerwärtigkeit mit Christo ihr tröstlich Gespräch hält, Leipzig: Lunitius 1696. RABENER, GOTTLIEB WILHELM (1714–1771) Sammlung satyrischer Schriften, Leipzig: Dycks, 1751. RAFF, GEORG CHRISTIAN (1748–1788), Naturgeschichte für Kinder, 2. Vermehrte und verbess. Auflage, Göttingen: Dieterich, 1780. RAMBACH, JOHANN JAKOB (1693–1735), Erbauliches Handbüchlein für Kinder, Inwelchem I. Die Ordnung des Heyls, II. Die Schätze des Heyls, III. Ein Neues Gesang=Büchlein, IV. Ein Neues Gebeth=Büchlein, V. Exempel frommer Kinder, VI. Christliche=Regeln, VII Nöthige Sitten=Regeln enthalten, Giessen: Müller 1734. ROCHOW, FRIEDRICH EBERHARD VON (1734–1805), Der Kinderfreund: Ein Lesebuch zum Gebrauch in Landschulen, 4. Aufl., Dessau: Buchhandl. der Gelehrten, 1781. ROMSTET, CHRISTIAN (1640–1721), Leben und Thaten Ihro Königl. Majestät in Schweden Caroli XI, Leipzig: Fritsch & Götze, 1697. ROTH, FRIEDRICH AUGUST (1753–1816), General=Jauner=Liste oder Alphabetischer Auszug aus der mehreren theils im Druck, theils geschrieben erschienenen Listen, über Die in Schwaben und den angränzenden Ländern zu derer grossem Nachtheil noch herumschwärmende Jauner, Zigeuner, Straßenräuber, Mörder; Kirchen=Markt=Tag und Nachtdiebe, Falschmünzer, falsche Collectanten, Falschspieler, andere Erzbetrüger, und sonstiges liederliches Gesindel. nebst einem Anhang über die hie und da schon justierte, in Gefängnissen und Zuchthäusern gestorbene= unter der Bande selbst ermordete, und natürlichen Todes gestorbenen Jauner x. Zum eigenen und anderen Crinimaljustiz=Beamten gefertiget durch Friedrich August Roth. Hochfürstl. Markgräfl. Badischer Hofrath und zweyter Oberamtmann der Markgraffschaft Hochberg zu Emmendingen im Breisgau, Karlsruhe: Macklot, 1800. SALZMANN, CHRISTIAN GOTTHILF (1744–1811), Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der Kinder, Erfurt: Keyser, 1788.
348
Anhang
SANDER, HEINRICH (1754–1784), Vaterländische Bemerkungen für alle Theile der Naturgeschichte. Wobei zugleich die Vorlesungen im Gymnasium im Winter 1780 angezeigt werden, Karlsruhe: Macklot, 1780. SCHAITBERGER, JOSEPH (1658–1733), Neu-vermehrter Evangelischer Sendbrief, Darinnen vier und zwanzig nützliche Büchlein enthalten [...], Nürnberg: Eudter, [um 1730]. SCHELLER, IMMANUEL JOHANN GERHARD (1735–1803), Ausfuehrliches und moeglichst vollstaendiges deutsch-lateinisches Lexicon oder Woerterbuch zur Uebung in der lateinischen Sprache, 2., sehr verm. u. verb. Aufl., Leipzig: Fritsch, 1789. – Kurzgefaßte lateinische Sprachlehre oder Grammatik für die Schulen, neue verb. Aufl., München: Lentner und Leipzig: Fritsch 1786. SCHMID, JOHANN CHRISTOPH, Anleitung zur deutschen Sprache und zu schriftlichen Aufsätzen für Ungelehrte: nebst einer kurzen Anleitung zum Buch- und Rechnungsführen für Künstler und Handwerke, Leipzig: Göschen, 1786. SCHMOLCK, BENJAMIN (1672–1737), Der lustige Sabbath, In der Stille Zu Zion Mit Heiligen Liedern gefeyert: Nebst einem Anhange Täglicher Morgen- und Abend-Kirch- Beicht- Büß- und Abendmahls-Andachten, Jauer, Liebig und Schweidnitz: Reinmann, 1714. – Glaubiger Christen angenehmer Tugend-Schmuck, Kulmbach: Lumscher, 1736. SCHUBART, TOBIAS HEINRICH (1699–1747), Ruhe nach geschehener Arbeit: in unterschiedlichen Gedichten und Uebersetzungen, der Ehre Gottes und dem Dienste des Nächsten gewidmet, Hamburg: Kißner, 1733. SCHÜTZ, CHRISTIAN GOTTFRIED (1847–1832) und JOHANN SALOMO SEMMLER (1725–1791) (Hrsg.), Neues Elementarwerk für die niedern Klassen lateinischer Schulen und Gymnasien, Halle an der Saale: Gebauer, 1780–1793. SCHÜTZ, PHILIPP BALTHASAR SINOLD VON (1657–1742), Reales Staats- Zeitungs- und Conversations-Lexicon: Darinnen so wohl die Religionen und geistlichen Orden, die Reiche und Staaten, Meere, Seen, ... als auch Andere in Zeitungen und täglicher Conversation vorkommende aus fremden Sprachen entlehnte Wörter, nebst den alltäglichen Terminis Juridicis und Technicis, ... zu sonderbarem Nutzen ... beschrieben werden, Die zehnte Auflage, darinnen die Geographischen Beschreibun-gen mit Fleiß rectificiret und vermehret, auch alles bis auf gegenwärtige Zeit continui-ret worden, ... nebst einem Anhange, vollständigen Registern und einer ausführlichen Vorrede Herrn Johann Hübners, 10. Aufl., Leipzig: Gleditsch, 1722. – Amadei Creutzbergs Seelen-erquickende Himmels-Lust auf Erden, welche in 200 Betrachtungen ... vorgestellet wird, Berlin: Kunst 1739. SCRIVER, CHRISTIAN (1629–1693), Herrlichkeit und Seeligkeit der Kinder Gottes, dessen sie vor denen unglaubligen Welt-Kindern als ein sonderlich Vorrecht im Leben, Leiden und Sterben, durch die Gnade Gottes zu geniessen haben, Nürnberg: Hoffmann 1730. – Seelenschatzes Krafft und Safft. Oder Geistreiche und bewegliche Seelen-Andachten: Darinnen von der menschlichen Seele hohe Würde, tieffen und kläglichen Sünden-Fall, Busse und Erneuerung durch Christum … erbaulich und tröstlich gehandelt wird; Magdeburg, Leipzig: Seidel und Scheiderhauer, 1745. STARCK, JOHANN FRIEDRICH (1680–1756), Tägliches Handbuch in guten und bösen Tagen, Frankfurt: o. Dr, 1727. STARKE, CHRISTOPH (1684–1744), Ordnung des Heils in Tabellen, sowol für Studirende; theils den ersten Grund zur Theologie daraus zu legen, theils d. vornehmsten ... Stücke derselben zu wiederholen ... als auch für Einfältige ... Nebst angehängter kurtzer Ordnung der LebensPflichten, Erfurt: Weber, 1746. STIEHL, JOHANN ANDREAS (–1780), Versuch einer Wissenschaftlichen Wapenkunde Wie auch eines Wapenkundlichen Wörterbuches im Auszuge Für die Jugend, Frankfurt am Main: Andreä, 1757. STÖLTZLIN, BONIFACIUS (1603–1677), Geistlicher Adler-Stein. Das ist: Christlicher Unterricht, Trost und Andächtige, Geistreiche, Schriftmässige Gebett für Schwangere im gebährende
Anhang
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Frawen ... Deßgleichen auch für Christliche Eltern, wann ihnen ihre liebe Kinder krank werden und sterben, Ulm: Kühnin 1687. TEXTOR, JOHANN NIKOLAUS (l695–), Vernunft- und Erfahrungs-mäßiger Versuch, wie die gifftigansteckende Vieh-Seuchen unter dem Horn-Vieh und Pferdten wohl erkannt, praeserviret und curiret werden können: nebst einer kurtzen Abhandlung von Pferds- und anderen ViehKranckheiten ... aus den eingelangten zuverläßigen schrifftlichen und gedruckten Berichten zusammengetragen von Johann Nicolaus Textor, Hochfürstlichen Baden-Durlachischen HofRath und Leib-Medico, Karlsruhe: Maschenbauer, 1739. THOMMEN, JOHANN (1711–1783), Erbaulicher musikalischer ChristenSchatz, Basel: Eckenstein, 1745. UHSE, ERDMANN (1677–1730), Universal-geographisch-historisches Lexicon, worinnen alle Königreiche, Landschafften, Insuln, Halb-Insuln, Städte, Flecken zum Theil auch Dörffer, 4. Aufl., Leipzig: Gleditsch, Weidmann, 1710. UNGER, JOHANN GEORG und CHRISTOPH CELLARIUS (1638–1707), Exercitum libri memoralis Cellarini ... i.e. Eine gewisse und sehr leichte Methode die lateinischen Autores durch Übung des Cellarianischen Vocabularii nach der in der Vorrede enthaltenen Anleitung ... verstehen zu lernen ..., mit einer Erleuterung vermehrt, Nürnberg, Altdorf, 1720. UZ, JOHANN PETER (1720–1796), Sämtliche poetische Werke, Reutlingen: Fleischhauer, 1786. VOLTAIRE [F.M. Arouet] (1694–1778), Leben Karls XII. Königs von Schweden; Nach der letztern Auflage aus dem Französischen übersetzt; mit nöthigen Anmerckungen, Nachrichten und Urkunden versehen, beschrieben von Herrn Voltaire, Andere und vermehrte Auflage, Stockholm: o. Dr., 1733. – Von der Epidemie in Lausanne im Jahr 1766, aus dem Franz. Übersetzt und mit einer Vorrede begleitet von Johann Georg Zimmermann, Zürich: Orell, Geßner & Comp., 1767. WAGNER, JOHANN CHRISTOPH (1655–1698), Delineatio Provinciarum Pannoniae Et Imperii Turcici In Oriente = Eine Grundrichtige Beschreibung deß ganzen Aufgangs, sonderlich aber deß Hochlöblichen Königreichs Ungarn, und der ganzen Türckey, auch deren Völcker, welche selbigem Monarchen zinßbar, als Mohren, Arabern und Tartarn, von ihren grausamen Proceduren gegen die Christenheit, sonderlich in gegenwertigem Krieg, wie Mannlich aber sie durch die Christliche Waffen zurück getriben worden sind. Ferner wird beygefüget Der ganze Zustand deß Türckischen Hofs, deß heiligen Landes, von der Schifffahrt deß Mittelländischen Meers, von vilerley Art Schiffen ... wie auch allerhand Seltenheiten, welche sich an KleiderTrachten, Menschen, Thieren, Vögeln, Gewächsen und Ruinen in obgedachten Landen befinden, auß den neuesten Reiß-Büchern und Geschicht-Schreibern ... dem Leser zur Belustigung und Nachricht an das Liecht gegeben, Augsburg: Koppmayer, 1684. WATSON, THOMAS (–1686), Das eifrige Christenthum, oder kräfftige Ermahnung an alle Christen, wie sie den Himmel mit Gewalt sollen zu sich reissen, das ist, mit grössesten Eifer streben selig zu werden ; aus dem Engl. verteutschet von Antonius Brunsenius, Frankfurt 1689. WEBER, JOHANN GEORG (1687–1753), Heilige Uebungen der Gottseeligkeit in Singen und Beten oder neueingerichtetes Weimarisches privilegirtes militairisches Gesang- und Gebeth-Buch, Weimar: Hoffmann, 1733. WIEGLEB, JOHANN CHRISTIAN (1732–1800), Chemische Versuche über die alkalischen Salze, 2. Vermehrte und verbess. Aufl., Berlin, Stettin: Nicolai 1781. WILLIUS, WILHELM LUDWIG (1726–1786), Dissertatio Inavgvralis Chemico Medica De Acidorvm Dvlcificatorvm Respectv Ad Sanitätern, Morbos Et Sanationem, Halle an der Saale: Hilger, 1748. – Grundlegung eines nöthigen Unterrichtes vor Hebammen: in Frag und Antwort verfasset, Basel: Imhof, 1758.
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Anhang
WOLFF, CHRISTIAN (1679–1754), Der Anfangs-Gründe aller mathematischen Wissenschafften ... auffgesetzet worden, Halle: Renger, 1710ff. ZIMMERMANN, JOHANN GEORG (1728–1795), Die Zerstörung von Lisabon, ein Gedicht, Zürich: Orell, Geßner, Füßlin & Comp., 1756. – Ueber Friedrich den Grossen und meine Unterredungen mit Ihm kurz vor seinem Tode, Leipzig: Weidmann, 1788. – Vom Nationalstolze, 4., um d. Hälfte verm., und durchaus verb. Aufl., Zürich: Orell, Geßner & Comp., 1768. – Von der Einsamkeit, Leipzig: Weidmann, Reich, 1773. – Von der Erfahrung in der Arzneykunst, Zürich: Zürich: Orell, Geßner & Comp., 1777. – Von der Ruhr unter dem Volke im Jahr 1765, Zürich: Orell, Geßner & Comp., 1767. ZOBEL, ERNST FRIEDRICH (1687–1756), Gemeinnütziges Hand- und Reisebuch für junge Leute aller Stände: in zwey Abtheilungen; Ganz neu umgearb. und zum bequemern Gebrauch mit einem dreyfachen Reg. verm. von Johann Ferdinand Roth, Nürnberg: Endter, 1794. ZWINGER, THEODOR (1658–1724), Sicherer und geschwinder Artzt, oder Neues Artzney-Buch, worinnen alle und jede Kranckheiten des menschlichen Leibs nach Ordnung des Alphabeths gründlich und deutlich beschrieben: und wie sie gantz sicher und geschwind durch die Gnad Gottes zu heilen ... denen auf dem Land wohnenden von Aerzten abgelegenen ... vielfaltigen Nutzen, 4. Aufl., Basel: Plater & Richter, 1703. – THEATRVM BOTANICVM, Das ist: Neu Vollkommenes Krauter-Buch: Worinnen Allerhand Erdgewächse der Bäumen, Stauden und Krauter, welche in allen vier Theilen der Welt sonderlich aber in Europa hierfür kommen, neben ihren Eigenschaften ... auch vielen herrlichen Artzney-mitteln und deren Gebrauch, wider allerley Kranckheiten an Menschen und Vieh ... Mit sonderbahrem Fleiß ... beschrieben, Auch mit ... Figuren gezieret ... Allen Aertzten, Wundärtzten, Apotheckern ... höchst nutzlich und ergetzlich. Erstens zwar an das Tagliecht gegeben von Herrn Bernhard Verzascha. Anjetzo aber In eine gantz neue Ordnug gebracht/ auch mehr als umb die Helffte vermehret und verbessert, Basel: Bertsche, 1690.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AFST Ebd. Fasz. fl. fol. GA GLA hrsg. Hrsg. OFB r. StaatsA StadtA v. xr ZGO
Archiv der Franckeschen Stiftungen ebenda Faszikel Gulden folio Gemeindearchiv Generallandesarchiv herausgegeben Herausgeber Ortsfamilienbuch recto Staatsarchiv Stadtarchiv verso Kreuzer Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
ABBILDUNGEN UND TABELLEN Abb. Abb. Tab. Tab. Tab.
1 2 1 2 3
Plan der Stadt Emmendingen (Mitte des 18. Jahrhunderts) .................... 32 Geburten und Sterbefälle in Emmendingen 1688–1802.......................... 33 Erstehen in Emmendingen 1710–1719 und 1750–1769 ........................ 121 Kindersterblichkeit in Emmendingen (1700–1719 und 1750–1769) .... 141 Lebenserwartung christlicher Emmendinger Männer und Frauen (1700–1719 und 1750–1769)................................................................. 147
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS UNGEDRUCKTE QUELLEN Evangelisches Pfarrarchiv Emmendingen Taufbücher, Hochzeitsbücher, Sterbebücher Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA Karlsruhe) Bestand 61 Oberamtsprotokolle Oberamt Hochberg Bestand 74 Baden, Generalia Bestand 106 Kloster Tennenbach Bestand 135 Amt Emmendingen Bestand 198 Stadt Emmendingen, Akten Bestand 229 Gemeinden Stadtarchiv Freiburg (StadtA Freiburg) B 1/245 (Handschrift), Wilhelm Frégonneau, Der Marktflecken Eichstetten in seiner Vor- und Jetztzeit. Nach Quellen zusammengestellt von Wilhelm Frégonneau (...), Eichstetten im August 1871. Staatsarchiv Freiburg (StaatsA Freiburg) LRA Emmendingen B 698/5 Stadtarchiv Emmendingen (StadtA Emmendingen) Bestand B Akten B II.1 Bau- und Feuerpolizei B II.2 Feuerpolizei und Brandsachen B IV.1 Gemeindesachen B IV.4 Bürgerrecht und Bürgergenuss B V.2 Gewerbe, Zünfte, Marktwesen, Industrie B VI.1 Kirchen und Religionsgemeinschaften B VI.2 Lehranstalten B VIII.6 Leichen und Begräbniswesen B IX Militär und Kriegswesen B 1a Bürgerliche Rechtspflege und Rechtspolizei B 1b Pflegschafts- und Verlassenschaftsakten B2 Strafrechtspflege Bestand C Bücher C/IV/1–4, 49 Grund- und Pfandbücher C/V/1–13 Kauf-, Tausch- und Kontraktenprotokolle C/VIII/1–68 Protokollbücher C/IX Rechnungsbücher C/X/1 Verordnungsbücher Bestand E unklassifiziert Familienarchiv Sander Apotheke
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Genealogische Karteien Emmendingen, Niederemmendingen, Wasser, Kollmarsreute, Windenreute, Maleck, Mundingen. Jüdische Genealogien Emmendingen und Niederemmendingen Stadtarchiv Lahr (StadtA Lahr) Lahr I, 98 Standgeldrechnungen Archiv der Franckeschen Stiftungen, Halle/Saale (AFST) Biographien: Samuel Brodhag, Johann Georg Dietz, Johann Christof Vulpius, Heinrich Christoph Wagner, A 188b-575; H D 241, S. 441c; K 6/202; L 3, S. 529, Nr. 6062; SL 2, 179/6062; SL 8, 59/6390 Gemeindearchiv Eichstetten (GA Eichstetten) B/IV/3 Gemeinderechnungen 1746–1752 C/IV/1 Gerichtsprotokolle C/IV/4 Pfandbücher C/VIII/3 Verordnungsbuch 1765–1832 C/IX Gemeinderechnungen 1773–1794. Gemeindearchiv Denzlingen (GA Denzlingen) Akten: 1 A-1129, 1 A-1165/1-2, 1 A-144, 1 AN-1/1, 1 AN-1/3, 1 AN-10. Protokolle: 1 B-104, 1 B-105, 1 B-304, 1 B-337/1, 1B-347/2 (1799)
GEDRUCKTE QUELLEN DALLMEIER, MARTIN, Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens Bd. II (Turn- und Taxis Studien Bd. 9/2), Kallmütz 1977. Dénombrement Général des juifs, Qui font tolérés en la Provincia d´Alsace, en exécution des Lettres-Patentes de la Majesté, en forme de Règlement du Juillet 1784, Colmar 1784. Geographisch statistisch, topographische Beschreibung von dem Kurfürstenthum Baden. Erster Teil, enthält die badische Markgrafschaft; Karlsruhe 1804. Lands-Ordnung / Der Fürstenthummer und Landen / Der Marggraffschafften Baden und Hachberg [...] In Neun Theil verfasset, Durlach 1715. MEERWEIN, CARL, Grundstein zu einem Ehrendenkmal für die um Badens Landeskultur verdienten Männer, 1822. ROTH, FRIEDRICH AUGUST, General=Jauner=Liste oder Alphabetischer Auszug aus der mehreren theils im Druck, theils geschrieben erschienenen Listen. über Die in Schwaben und den angränzenden Ländern zu derer grossem Nachtheil noch herumschwärmende Jauner, Zigeuner, Straßenräuber, Mörder; Kirchen=Markt=Tag und Nachtdiebe, Falschmünzer, falsche Collectanten, Falschspieler, andere Erzbetrüger, und sonstiges liederliches Gesindel. nebst einem Anhang über die hie und da schon justierte, in Gefängnissen und Zuchthäusern gestorbene= unter der Bande selbst ermordete, und natürlichen Todes gestorbenen Jauner x. Zum eigenen und anderen Crinimaljustiz=Beamten gefertiget durch Friedrich August Roth. Hochfürstl. Markgräfl. Badischer Hofrath und zweyter Oberamtmann der Markgraffschaft Hochberg zu Emmendingen im Breisgau, Karlsruhe, 1800. Land=Recht/ der Fürstenthummer und Landen Der Marggraffschafften Baaden und Hachberg, Durlach 1715. Geographisch statistisch, topographische Beschreibung von dem Kurfürstenthum Baden. Erster Teil, enthält die badische Markgrafschaft; Karlsruhe 1804. WECKERLIN, WILHELM LUDWIG, ANSELMUS RABIOSUS, Reise durch Oberdeutschland (Bibliothek des 18. Jahrhunderts), München 1988.
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Ortssippenbücher EILERS, ROLF/EUGEN EBLE/ALBERT HOFER, Ortsippenbuch Britzingen mit den Ortsteilen Dattingen, Muggard und Güttigheim Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald/Baden (Badische Ortssippenbücher Bd. 57), Grafenhausen 1973. HEINZMANN, KURT, Ortsfamilienbuch Eichstetten – Eichstetten am Kaiserstuhl, 1644 – 1900 (Deutsche Ortssippenbücher: Reihe A; Bd. 309), Eichstetten 2002. – Ortsfamilienbuch Opfingen mit Sankt Nikolaus 1680–1910. Zur 1000-Jahrfeier der Gemeinde im Jahre 2006 (Deutsche Ortssippenbücher: Reihe A; Bd. 393), 0pfingen 2005. KELLER, MARTIN/INGRID KRAFFT, Ortsfamilienbuch Müllheim/Baden (bis 1810), Arlesheim, 1999. KÖBELE, ALBERT, Ortssippenbuch Haltingen, Kreis Lörrach in Baden (Badische Ortssippenbücher Bd. 14), Grafenhausen 1965. – Ortssippenbuch Wollbach Kreis Lörrach in Baden (Badische Ortssippenbücher Bd. 2), Grafenhausen 1952. – Dorfsippenbuch Meißenheim Kreis Lahr in Baden (Deutsche Ortssippenbücher, Reihe A Bd. 44), 2. Aufl., Grafenhausen 1969. – /HANS SCHEER/EMIL ELL, Ortssippenbuch Schmieheim: Ortenaukreis/Baden (Deutsche Ortssippenbücher, Reihe A Bd. 86) , Grafenhausen 1979. BURKHARDT-KUHNY, ANNA/MARTIN KELLER, Ortsfamilienbuch Ihringen am Kaiserstuhl (bis 1810, teilweise bis 1850 und mit etwa 300 Militärpersonen der kaiserlichen Festung Breisach), Basel 2003. HAHN, KARLHEINZ, Ortsfamilienbuch Schallstadt-Wolfenweiler: Schallstadt-Wolfenweiler mit Leutersberg 1655–1910 – zur 1225 Jahresfeieri von Schallstadt (Deutsche Ortssippenbücher, Reihe B Bd. 357), Schallstadt-Wolfenweiler 2004. SCHEER, HANS/ALBERT KÖBELE, Ortssippenbuch Sexau: Landkreis Emmendingen in Baden, (Badische Ortssippenbücher Bd. 32), Grafenhausen 1974.
Genealogische Werke Dénombrement Général des juifs, Qui font tolérés en la Provincia d´Alsace, en exécution des Lettres-Patentes de la Majesté, en forme de Règlement du Juillet 1784, Colmar 1784. Deutsches Geschlechterbuch 101, Limburg/Lahn 1968. Deutsches Geschlechterbuch 161, Limburg/Lahn 1972. Deutsches Geschlechterbuch 34, Limburg/Lahn 1921 EILERS, ROLF, Alsacien et autres etrangeres au pays de Bade d´apres les registres parroissiaux XVIe–XVIIIe s., in: Bulletin du Cercle généalogieque d´Alsace 134/2001, S. 76–78. KRIEGER, ALBERT, Geschichte der Familie Bürklin-Wolf, München 1905. QUIRSFELD, JOHANN, in: ADB, Bd. XXVII, S. 48.
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PERSONENREGISTER Autoren sowie Wissenschaftler sind kursiv gesetzt. Autoren der Frühen Neuzeit stehen in der Regel mit Lebensdaten. Personen, die Bücher verfasst haben, aber in der Arbeit als handelnde Personen vorkommen, wurden nicht kursiv gesetzt, wie beispielsweise der Dichter Lenz. Abbè de la Chapelle (1710–1792) 340 Aberlin, Johann Christian (1769–1829) 191 Abiger, Christina Elisabeth (1754–1790) 187, 201 Johann (1724–1796) 44, 297 Johann Friedrich (1756–1808) 44, 156 Katharina Barbara (1766–1816) 201, 207f Katharina Elisabeth (1751–1811) 116 Achenwall, Gottfried (1719–1772) 173, 343 Adelguß, Balthasar (1735–1785) 225, 325f Adler, Andreas (Schuhmachergeselle) 191 Aesopus (um 600) 173, 340 Albrecht, Georg (1601–1647) 340 Anderson, James (1678–1739) 169, 340 Anselm, Pater (St. Peter/ Schwarzwald) 77 Anstein, Maria Elisabeth (1745–1794) 130 Antoni, N.N. (Schweiz) 296 Arbuthnot, Archibald (Pseudonym) (1667– 1737) 341 Argast, Maria Elisabeth (1707–1756) 197 Martin (–1690) 197 Arndt, Johannes (1555–1621) 77, 138, 170f, 176, 178–180 Arnold, Johann Georg (1710–1759) 269 Johann Jakob, Metzger 259 Auerbach, Löw Wolf (–1788) 235f Jakob 235, 237 Marum (1768–1840) 235, 237 Augusta Maria von Schleswig-HolsteinGottorf (1649–1718/1728), ab 1670 Markgräfin von Baden-Durlach 83 Autenrieth, Johann Jakob (1758–1789) 56, 237 Axt, Maria Christina (1719–1783) 206 Bacher, Anna Maria (1704–1735) 227 Kaspar (1659–1746) 133f, 148, 192, 201, 268, 300, 317
Kaspar (1688–1697) 154 Georg Friedrich (1702–1759) 124, 219 N.N., Wirt (Niederemmendingen) 272 Bader, Maria Christina (1729–1781) 204 Bär, Jakob, Küfer (Eichstetten) 219 Karoline Christine (1735–1791) 139, 164, 261, 278 Maria aus Malterdingen 290 Bammert, Katharina (Simonswald) 290 Bannwart, Michael, Schneidergeselle 112 Barten, Georg, Zimmermann 42 Basedow, Johann Bernhard (1724–1790) Bastian, Anna Maria (1713–1766) 302 Baudemann, Anna Maria (1710–) 323 Paul (1668–1738) 257–259 Bauer, Maria Elisabeth, Verlegerin (Frankfurt) 76 Baum, Jakob 288 Baumann, Ziegelknecht (Teningen) 290 Baurittel, Karl Wilhelm (1742–1798) 39, 51, 153, 279, 341 Bazendorf von, Maria Magdalena (1692– 1762) 48, 63f, 129 Beaupuy de, Armand-Michel Bacharetie (1755–1796), französischer General 60 Bendeler, Johann Philipp (ca. 1654–ca. 1709) 177, 341 Benzinger, Jonathan (1739–) 215, 219 Maria Magdalena (1746–1817) 254 Berblinger, Anna Maria (1754–1795) 90 Christian Josua (1717–1795) 85, 90, 176, 227 Georg Matthias (1750–1829) 51, 174, 177, 211, 225, 253 Hans Ernst Jakob, Vogt (Sexau) 227 Maria Elisabeth (1752–1839) 138, 155 Matthias (1673–1740) 176, 226f
384 Matthias Konrad, Pfarrer (Schopfheim) 227 Regina Katharina (1719–1799) 138, 176, 227 Bergtold, Johann Georg (1720–1807) 47, 113, 281, 295 Johann Georg (1756–1819) 150, 183 Katharina Barbara (1754–1755) 113, 194 Bermeitinger, Schulmeister (Niederemmendingen) 228 Berner, Adam aus Eichstetten 215 Martin (1706–1758) 267 Bertsch, Anna Maria (1716–1762) 113 Jakob Friedrich, Pfarrer (Bötzingen) 63 Michael, Färbergeselle (Niederemmendingen) 191 Besson, N.N., Notar (Colmar) 126 Beyer, Sebastian, Glockengießer (Freiburg) 45 Bickel, Anna Maria (1680–1748) 138 Christina Elisabeth (1741–1794) 68 Georg Heinrich (1744–1825) 103 Johann Martin (1689–1771) 67, 328–331 Maria Salome (1687–) 187, 219, 329f Wilhelm (–1695) 329 Birmelin, Johann (Bickensohl) 81 Maria Magdalena (1768–1835) 129 Michael (Ihringen) 81 Bischof, Johannes 172 Bitt, Katharina (Teningen) 290 Bittmann, Jakob Friedrich (1760–1844) 104 Bloch, Jakob 188 Juda Lehmann (Soultz) 134 Lazarus (1747–1830) 122, 126, 128, 188, 251, 276 Blum, Christian (1750–1798) 128, 183, 236, 271, 308f Christian (1781–1809) 310 Christina (1778–) 310 Franz Anton (1709–1786) 51, 78, 156, 210f, 293, 308 Georg Friedrich (1747–1788) 132, 183, 206 Georg Jakob (1739–1763) 78, 124 Gottlieb (1739–) 280 Blum, Jakob (–1681) 341 Johann Georg (1745–1784) 183 Johann Simon (1691–) 92 Wilhelm (1753–1796) 59 Böck, Adelburga Christina Sophia (1728–) 80 Charlotta Wilhelmina (1745–) 80
Register Christian Friedrich (1742–) 80, 82 Johann Gottfried (1730–1780) 80 Katharina Karolina (1739 –) 80 Matthias Gottfried (1695–1753) 29, 80– 85, 166, 168f, 188f, 193, 334 Böckh, Christian Friedrich (1732–1792) 174, 341 Böhringer, Anna Barbara (1683–1743) Johann (1721–1749) 277 Bockstaller, Martin (Eichstetten) 219 Bogatzky von, Carl Heinrich (1690–1774) 172f, 342 Bohse, August (1661–1740) 171, 342 Bolongaro, Handelshaus (Frankfurt) 51 Boll, Gervasius (1744–1795) Bonnet, Charles (1720–1793) 180 Bohrer, Konrad, Pater (St. Peter/ Schwarzwald) 77 Bouginé, Schulrat 41 Bourdieu, Pierre 291 Brandenberger, Jakob d. J. (Eichstetten) 221 Brandstetter, Matthias (1659–1734) 43–47 Braun, Elisabeth (1760–1793) 204 Johann Adam 268 Breindlin, Hans Georg, Schuhmachergeselle (Köndringen) 114 Breisacher, Daniel (Teningen) 81 Breithaupt, Jakob (Mundingen) 108, 228 Breuer, Mordechai 279 Brion, Friederike (1752–1813) 69, 169 Johann Jakob (1717–1787), Pfarrer (Sesenheim) 169 Katharina Magdalena (1747–1772) 69, 169 Brockes, Barthold Heinrich (1680–1747) 342 Brodhag, Johann Michael (–1733) 139, 145 Johann Michael (1709–1739) 217 Samuel (1710–1777) 123 Brönner, Heinrich Ludwig (1702–1769) Verleger (Frankfurt) 76 Brückher, Baruch, 42f, 277 Brühl, Katharina (–1760) 136 Brüstlin, Magdalena 124 Buchinger, Bernhard 342 Bühler, Christina (1770–1835) 315 Johann Georg (1766–1836) 267 Katharina (Ihringen) 290 Matthias (Eichstetten) 216 Peter (Rüppur) 81 Ursula (1768–1854) Bührer, Johann Georg (1696–1777) 284
Register Bürklin, Andreas (1753–1823) 309 Christoph 219 Christine Elisabeth (1761–1820) 69 Ernst Friedrich (1726–1781) 68, 194, 273 Friedrich (1659–1734) 92, 164 Georg Jakob (1767–1849) 51 Georg Joseph (1660–1732) 252, 330 Johann Ernst Philipp (1754–1824) 68f Johann Jakob (1714–1759) 206, 315 Johann Michael (1741–1810) 69, 209 Johanna Christine (1766–1790) 69 Margarethe Friederike (1752–1806) 69 Maria Regina (1705–1771) 92–96, 262, 334 Michael, Metzgergeselle (Köndringen) 114 Philipp Jakob (1692–1762) 342 Burgbacher, Johann Jakob, Maurergeselle, 120 Burghartz, Susanna 113 Butschky, Samuel von Rutinfeld (1612– 1678) 342 Buxtorf, Johannes (1564–1629) 173, 342 Cantzler, Christian (1762–1792) 245, 310 Cameron, Jeanie (Jenny) (1695/1724– 1773/1786) 169 Carpzow, August Benedikt (1644–1708) 169 Cellarius, Christoph (1638–1707) 76, 168 Comeida, Jakob, Kaminkehrer 53 Commerell, Johann Paul (1720–1774) 179, 342 Cremer, Johann, Glaser (Augsburg) 76 Crugot, Martin (1725–1790) 342 Dann, Johann Philipp (Küfergeselle) 193 Danzeisen, Anna Katharina (1750–1833) 116 Jakob aus Eichstetten 290 Johannes, Schuhmacher (Eichstetten) 219 Johann Georg (1758–1840) 106, 216 Martin (Eichstetten) 70 Salome, Pfarrersfrau (Eichstetten) 69 Wolfgang (Eichstetten) 214 Davis, Nathalie Zemon 13f, 18 Daiber, Josias (Schorndorf) 51 Deck, Johann Georg (Bötzingen-Oberschaffhausen) 290 Defoe, Daniel (–1731) 174 Deimling, Augusta Maria (Gundelfingen) 215
385 Friedrich Gottlieb, Handelsmann (Philadelphia) 184 Wilhelm Gottlieb (1751–1827) 184 Dellenbusch, Handelsmann (Bremen) 51 Demmer, Johannes, Maurergeselle, 120 De Salignac de La Mothe Fenelon, François (1651–1715) 174, 342 Dettinger, Ludwig (–1677) (Ihringen) 57 Dinges, Martin 292, 297 Dittenberger, Pfarrer (Nimburg) 119 Döbelin, Johann Georg (1713–1785) 215, 300 Döderlein, Johann Kaspar (1709–1764) 247 Dölter, Christian (1737–1804) 104, 270 Jakob Heinrich (1769–) 184 Peter (1734–1784) 184, 229 Dreyer, Jakob Friedrich (1776–1825) 56 Drechsler, Jakob Friedrich (1774–1846) 208 Dreher, Susanna (Eichstetten) 219 Dreifuß, Jentha Josepha (–1756) 98–102, 189, 225, 283, 339 Sara (Niederemmendingen) 218 Schena (1747–1820) 122, 128, 251 Schmaie (1747–) (Eichstetten) 128 Driller, Hans Georg, Maler (Reute) 45 Du Bosque, Augusta Bernhardina (1719– 1787) 73 Charlotte, Eleonore (1727–1811) 73, 262 Henry (1677–1754) 73 Dürr, Renate 188 Dürrmeyer, Grenadier (Ihringen) 290 Dukas, Abraham , 126 Fradel 126 Fradel Löw (1772–1837) 224, 338 Isaak (–1756) 126 Keyle, 126 Löw (1744–1820) 126f Marx (–1781) 126 Mayr (Eichstetten) 126 Dungern von, Auguste Maria (–1724) 128, 139 Otto Ludwig, Forstmeister 128 Otto Wilhelm (1663–1723) 280, 282 Duß, Konrad, Brunnenmacher 44 Eberle, Jerg, Knecht (Vörstetten) 191 Ebert, Johann Jacob (1737–1805) 175, 343 Eccard, Christine Friederike (1777–1839) 137 Emanuel (Weisweil) 81 Emanuel, Pfarrer (Malterdingen) 214
386 Emanuel Christian (1718–1798) 47f, 133, 137f, 191, 194, 211, 258, 295 Pfarrer (Malterdingen) 85 Gustav Friedrich (1686–1752) 129, 133, 139 Johann Gottlieb (1760–1830) 111f Sybilla (1685–1746) 153 Eckermann, Gottlieb (Ottoschwanden) 116 Edelmann, Johann Wilhelm, Bierbrauer (Montbéliard) 187 Egin, Anna Maria (1759–1808) 143, 186 Johann Jakob (1678–1747) 269 Johann Martin (1681–1748) 195 Eibach, Joachim 271, 313f Eichin, Verena 299 Eichler, Friedrich 116 Eisenlohr, Charlotte (1747–) 197 Christian Friedrich (1768–1853) 79 Christine Friederike (1754–1830) 73 Christine Margaretha (1746–1813) 73, 78, 124 Engelhard (1750–1783) 73, 225 Ernst Wilhelm (1769–) 73, 79 Gottlieb Gustav, Arzt, 69 Heinrich (1757–1806) 73 Heinrich Christoph (1763–1836) 79 Johann Friedrich (1747–1807) 73 Eisenlohr, Johann Jakob (1656–1736) 178, 343 Johann Jakob Christoph (1749–) 73, 78, 181f Karl Christoph (1757–1843) 29, 79, 128, 162 Karl Christoph (1720–1773) 51, 72f, 78, 82, 124, 215 Karl Engelhard (1711–1774) 37f, 72f, 82, 215, 247, 252, 262 Katharina Christine (1748–) 73 Theophil Gottlieb, Pfarrer (Sexau) 248 Eitelmann, Lorenz (1641–1718) 132 Elias, Norbert 21 Eliezer, Rabbiner (Hagenau) 189 Ellenbogen, Eva, Handelsfrau 210 Enderlin, Anna Maria (1724–1783) 132, 234 Anna Maria (1750–1786) 103 Christian (Köndringen) 220 Johann Jakob (1680–1725) 132 Johann Jakob (1722–1729) 142 Enders, Liselott 213 Engelschall, Carl Gottfried (1675–1738) 343 Englisch, Karl Georg (1742–1810) 197, 296
Register Erismann, Johannes (Bötzingen-Oberschaffhausen) 290 Erler, Anna Maria (1702–1754) 277 Anna Maria (1702–1754) 48 Eva Regina (1708–1777) 111, 222, 229f, 303f Johann Georg 324 Johann Michael (1680–1729) 220, 229, 257, 268, 277, 280 Maria Barbara (1711–1775) Essich, Johann Georg (1654–1705) 173, 343 Eugen Franz, Prinz von Savoyen-Carignan (1663–1736) 57 Ewald, Johann Ludwig (1747–1822), badischer Kirchenrat 170 Farge, Arlette 18 Fassmann, David (1685–1744) 168, 174, 343 Fahlmer, Katharina Sybilla Johanna (1744– 1821) 105ff Fassnacht, Georg, Kaufmann 211 Fechter, Michael (1663–1713) 266 Sybilla (1720–1808) 206, 315 Feder, Johann Georg Heinrich (1740–1821) 175, 343 Feibusch, Ouri Chraga, Vorsinger188f, 277 Riffge Pfeiffer 188f Feigler, Johann Christian, Pfarrer (Wies) 105, 131 Feistenauer, Johannes (1704–1758) 43f, 81,113, 156, 186, 282, 293f Felder, Maria Elisabeth (1737–1795) 325 Fennin, Margarethe Katharina (1719–1758) 297, 304–306 Fenske, Michaela Filling, Uhrmacher (Freiburg) 45 Fischer, Charlotta Sophia Johanna (1745– 1779) 95 Elisabeth (Lahr) 111f Georg Friedrich Erhard (–1800) 170, 172–176, 180 Johann Adam, herrschaftlicher Einnehmer 95, 216f Michael (Malterdingen) 290 Fleck, Johann Georg, Lehrer 163 Flubacher, Johann Georg (Bahlingen) 290 Föhringer, Maria Magdalena (1758–1832) 311–313 Folz, Handelsmann (Roth bei Nürnberg) 51 Forster, Rebeccah (Neuengland)
Register Fossler, Anna, Magd 158 Katharina (1734–1790) 113 Fraenkel, André Aaron 189 Francke, August Hermann (1663–1727) Theologe und Pädagoge 41, 160, 168, 170 François, Etienne 215 Frank, Anna Maria (1770–1838) 184 Friederike Sophia (1749–1808) 94 August Friedrich (1754–1828) 94 Johann Friedrich (1756–) 94 Johann Georg, Scharfrichter (Teningen) 208, 247f Johann Philipp (1762–1826) 207 Karl Friedrich (1752–1819) 94, 181, 207 Maria Barbara (1760–1795) 187 Frank, Michael 313 Philipp Jakob (1728–1778) 94, 155, 181 Franz, Georg Karl Philipp (Tiengen) 139 Leonhard, Schiffmann (Hausen) 272 Frauenberger, Balthasar 214 Johann Michael (1710–1775) 270f Frei, Adam (Eichstetten) 93 Johann (1678–1728) 132f, 252, 254 Johann (1706–1786) 216, 225, 253, 264, 315 Johann Georg, Küfergeselle 193 Joseph (1746–1784) 129 Leonhard 191 Maria Barbara (1704–1774) 187 Frey, Leonhard 154 Freylinghausen, Johann Anastasius (1670– 1739) 172f Frick, Anna Elisabeth (1726–1780) 222, 225, 325–327 Anna Maria (1734–1808) 305 Johann Jakob (1731–1819) 219, 256, 326 Friederike Amalie von Hessen-Darmstadt (1754–1832), Erbprinzessin von Baden 245 Friedrich (1703–1732), Erbprinz von BadenDurlach 242f, 248 Friedrich von Hessen-Kassel (1676–1751), Landgraf von Hessen-Kassel und König von Schweden (1720–1751) 83 Friedrich VII. Magnus (1647–1709), Markgraf von Baden-Durlach 57 Friedrich II von Hohenzollern (1712–1786), König von Preußen 77 Fritsch, Hans, Zimmermann 42 Fürderer, Johann Georg, Landschreiber, 164
387 Gadin, Magdalena, Lehrerin 203 Gäß, Franz Josef, Handelsmann (Freiburg) 82 Gäßle, Joseph (Freiburg) 246 Geier, Martin (1614–1680) 173 Gasser, Maria Salome (1738–1801) 323 Gaßin, Thomas (Weisweil) 81 Gauhe, Johann Friedrich (1681–1755) 343 Gaupp, Christina Regina (1733–1776) 92, 94 Christina Regina (1771–1840) 95 Ernst Friedrich (1728–) 92f Georg Friedrich (1693–1743) 92 Johann Gottlieb, Stadtamtmann (Biberach) 93 Johanna Eberhardina Friederike (1728– 1758) 92, 94, 262 Karl Christian (1741–1828) 92, 95 Katharina Wilhelmina (1737–1783) 92, 94 Gellert, Christian Fürchtegott (1715–1769) 177, 343 Gemmingen von, Charlotte Wilhelmine Johanna (–1761) Freiherr 244 Gengenbach, Ursula 96 Gerber, Jakob (1753–1819) 53, 317 Gerbich, Anna Christina (Pforzheim) 216 Gerhard, Johann (1582–1637) 77, 169f, 343 Gerstenberg von, Heinrich Wilhelm (1737– 1823) 174 Gerstlacher, Carl Friedrich (1732–1795) 174, 343 Gessner, Salomon (1730–1788) 177, 343 Gestrich, Andreas 156, 240, 242 Geussau von, Friedrich (1718–1774) 243, 256 Gideon, Moses 275, 277, 284, 295, 327, 337 Giehne, Caroline Philippine (1771–1841) 201 Johann 221 Giesin, Anna Maria (1763–) 185 Gimpel, Friedrich Wilhelm (1769–1829) Johann (1720–1796) 82, 136, 178, 219, 233, 264 Johann Jakob (1760–1839) 182 Glaser, Katharina Barbara 217 Glikl bas Judah Leib (1646–1724), Handelsfrau (Hamburg) 13 Glocken von, Geheimer Rat 57 Gmehlin, Johann Friedrich (1739–1783) 103, 222, 302
388 Maria Susanne (1733–1818) 222 Wilhelm Friedrich (1701–1745) 218, 229f Gob, Eva (1723–1749) 190, 316–322, 324, 336 Jakob 318 Gockel, Christian Bernhard (1743–1811) 69,122, 169, 176, 265, 296 Konrad (1755–1836) 182, 296 Göring, Anna Maria (1675–1714) 115 Gabriel (1696–1732), Lerchenwirt (Sexau) 247f Johann Friedrich (1644–1720) 322 Johann Friedrich (1680–1726) 206, 219, 252 Johann Karl (1717–1791) 123f, 218 Karl Friedrich (1763– 1839) 106, 201 Goethe, Cornelia Friederike (1750–1777) 13, 104–107, 135f, 333, 335 Goethe von, Johann Wolfgang (1749–1832) 13, 69, 343 Göttsch, Silke 90, 114 Götz, Anna Maria (1728–1789) 194, 262 Christian (1737–1806) 309 Georg Heinrich (1766–) 182 Susanne Regina (1758–1833) 187 Wilhelm Heinrich (1773–) 182 Gothein, Eberhard 166 Gottlieb, Christina Friederike/ Sara Weil (1727–) 101 Gottsched, Johann Christoph (1700–1766) 175, 177, 343 Graf, Andreas Christoph (1701–1776) 343 Grafmüller, Andreas (1726–1790) 150, 159, 225, 256, 271, 273 Leonore Christine (1764–1834) 185 Matthias (Broggingen) 290 Xaver (Waldkirch) 288f Greiner, Sybilla, Dienstmagd 112 Grether, Jakob (Ihringen) 290 Grimmel, Maria Magdalena (1675–1719) 145, 261 Gross, Johann Gottfried (1703–1768) 168, 344 Groß, Georg (Eichstetten) 215 Henriette Eberhardina 218 Grotz, Andreas (Leiselsheim) 81 Gruber, Katharina Barbara (1743–1804) Katharina Elisabeth (1753–) 187 Maria Christina (1739–) 187 Maria Salome (1745–1801) 186 Reinhard (1709–1791) 245
Register Wilhelm Simon (1741–1797) 186 Grumbach, Yechaia (Bollwiller) 189 Grün, Auguste Christian, Stabhalter (Vörstetten) 236 Johannes (1743–1795) 51, 106, 215 Johann Jakob (1751–) 235–237 Johann Reinhard (1751–) 146, 153, 183 Grünwald, Anna Maria Regina (1729–1794) 186, 262 Jakob Friedrich (1731–1773) 155, 307f Jakob Friedrich (1758–1811) 149 Johann Jakob (–1752) 227f Johann Michael (1741–1789) 116 Guckler, Anna (1671–1739), Magd 154 Günther, Magdalena (Wasser) 115 Günther, Karl 338 Günzburger, David, Rabbiner (Breisach) 35, 99, 101, 295 Israel (Schmieheim) 134 Israel (1774–1846) 134f Joseph 34 Mariana (1761–1841) 122 N.N., Viehhändler, 82 Günzer von, Landvogt 274 Güttle, Johann (Tuttlingen) 116 Gugel, Georg (Ihringen) 290 Guggenheim, Jacov 338 Gutjahr, Anna (1692–1754) 149, 255 Johann Georg (Kollmarsreute) 92 Magdalena (Landeck) 254 Haas, Andreas (Maleck) 268, 290 Jakob (1759–1804) 215, 302 Jakob Wilhelm (1758–1813) 257 Nathan Dukas (1772–1848) 101, 251, 276 Haase, Salomon (1714–1790) 177, 344 Habermas, Jürgen 240 Hättich, Matthias (Eichstetten) 221 Hafner, Eva Policena (1705–1771) 254 Hagedorn von, Friedrich (1708–1754) 174, 177, 344 Hagedorn, Johann David (1739–1794) 265 Hagen, Karl Gottfried (1749–1829) 55, 179, 344 Hagist, Jakob (Broggingen) 290 Hagner, Elias (1741–1791) 157 Hahny, Johannes (Teningen) 290 Halbirz, Johannes, Maurergeselle 255 Haller, Jakob (Nimburg-Bottingen) 290 Hambrecht, Andreas (1733–1801) 204 Johann Jakob (1765–1823) 281 Harisy, Caspar Bennonis 269
Register Hartmann, Anna Maria (–1714) 257 Christian Heinrich (1757–) 153, 209, 267, 270 Jakob Friedrich (1687–1741) 81, 257 Jakob Friedrich (1718–1753) 209, 265 Johann Friedrich (1746–1794) 124, 219, 222 Johann Peter (1746–1797) 130, 300 Hartmann, Johann Ludwig (1640–1684) 344 Karl Friedrich 270 Karl Wilhelm (1695–1723) 72 Karl Wilhelm (1732–1805) 70, 155, 160, 191, 273, 310 Karl Wilhelm 273 Maria Katharina (1689–1728) 296, 322 Otto Ludwig (1720–1783) 48, 150, 184, 216, 219, 262, 288, 300, 323 Sophia Caroline (1742–1814) 239 Hauber, Christoph Immanuel (1713–1758) 166, 215, 247 Hauenstein, Johann Jakob (1731–1769) 269, 306f Jost (–1708) 282 Katharina Barbara (1764–1794) 301f Hauer, Johann Albrecht, Handelsmann (Colmar) 51 Haumann, Heiko 22 Hauser, Johann Martin (1737–1784) 159, 296 Haußler (Basel) 81 Hayim, Selig (Wettolsheim) 189 Heidegger, Maria 254 Heilbronner, Blümche (–1762) 35 Heilbronner, Daniel/ Reb Jechiel (–1764) 34f, 218 Heilbronner, Küfergeselle 194 Heiler, Günther (1645–1707) 178f, 344 Heimhofer, Anna Katharina (1681–) 96, 98 Anna Maria (1712–1792) 97, 206 Anna Maria Sophia (1729–1775) 186, 202f Bernhard, Weber 49 Christina (1731–1794) 97, 197 Franz (1722–1751) 97 Jakob Friedrich (1713–1793) 97, 156, 261, 280 Johann Friedrich (1683–1754) 96f Johann Georg (1761–1794) 97 Johann Ludwig (1649–1707) 96 Maria Ursula (1734–1757) 97 Regina (1728–1797) 97, 155
389 Susanna (1736–1788) 97 Heinrich, Anna Rosina Barbara (1719–1799) 49, 137, 204, 280, 296 Johann (1640–1714), 114 Johann Bernhard (1684–) 197 Johann Georg (1708–) 182, 268 Josef (1717–) 182 Katharina Barbara (1722–) 187 Susanna Katharina (1698–1760) 216 Heinzmann, Anna Maria 214 Johann Jakob (–1706), Burgvogt (Hochburg) 214 Heinzmann, Kurt 30, 63, 79, 98, 170, 221 Hegenauer, Johann Felician, Bildhauer (Pfullendorf) 44, 254 Held, Wolfgang Adam 178, 344 Hemerdinger, Moses, Rabbiner (Eichstetten) 338 Henning, Eckhard 26 Henninger, Anna Barbara (–1760) 220 Barbara (Königschaffhausen) 206 Franz (Eichstetten) 220 Jakob (Königschaffhausen) 81 Michael (Königschaffhausen) 81 Herbst, Christian Friedrich 262 Hermann, Jakob (1709–1761) 55, 264, 291, 303–305, 313, 325 Jakob (1761–) 326f Hertner, Johann Jakob, Handelsmann 106 Hertstein, Martin (1743–1823) 261 Herzel, Nelson 144 Seligmann Abraham 144 Herzog, Katharina (Nimburg-Bottingen) 290 N.N., Seilermeister (Basel) 111 Heß, Anna Eva (1717–1792) 162, 203f Anna Maria (1695–1773) 132 Christina Regina (1750–1751) 143 Elisabeth, Magd 186 Johann 268 Johann Bernhard (1696–1749) 142f Johann Bernhard (1734–) 116, 142, 217, 291, 294f Johann Georg (1666–1740) 280, 327 Johann Georg (1763–1794) 118, 256 Johann Wilhelm (1742–1747) 142 Kaspar, Vogtsohn (Teningen) 115, 203 Katharina (Teningen) 290 Katharina Barbara (1758–1808) 116, 185 Maria Barbara (1711–1778) 297, 328– 330 Maria Barbara (1745–1818) 142 Maria Katharina (1735–1782) 142
390 Maria Salome (1699–1766) 297 Martin (Sexau) 295 Regina Elisabeth (1760–) 187 Sophia Eleonore (1768–1833) 184 Susanna Magdalena (1700–1750) 217 Hessler, Christoph 268 Hetzel, Ernst 25 Hetzel, Johann Gottlieb (1756–1840) 106 Hildebrand, Anna Maria (1648–1721) 209 Johannes (1703–1751) 22, 229 Hildebrandt, Wolfgang (1610–1631) Hiskias Cardilucius, Johannes (um 1630– 1697) 344 Hitzig, Agathe Christine (1705–1775) 134, 178, 194 Hochstrasser, Olivia 25, 117 Hodel, Jakob d. Ä. (Niederemmendingen) 217 Katharina (–1757) 136 Maria Salome (1711–1775) 227–229 Sybilla (1708–1783) 216f, 219 Höflinger, Johann Georg (Königschaffhausen) 269 Höltzlin, Johann Laurentius 158, 176 Hözlein, Wilhelmine Karoline 204, 219 Hoffmann, Anna Elisabeth (1746–1825) 209 Hoffmann, Carl A. 21, 241 Hoffmann, Johann Adolf (1684–1767) 172, 179, 344 Hofmeyster, Ulrich, Schreiner 42 Holenstein, André 22f, 55, 99f, 157, 188 Holzwart, Barbara, Magd 186 Hornmeter (Bötzingen-Oberschaffhausen) 290 Hug, Martin (Königschaffhausen) 81 Hugo, Handelsmann ( Lahr) 51 Holzschuh, Johann Christoph (1715–1751) 128, 192 Johann Ludwig (1724–1766) 255 Katharina Friederike (1755–1826) 196 Hornecker, Michael (Eichstetten) 214 Huber, Jakob (Köndringen) 91 Jakob (1781–) 91 Bader (Freiburg) 294 Hübner, Konrad, Schreiner 42 Hübner, Johannes (1668–1731) 77, 87, 138, 168, 170, 173, 177f, 344 Hügelin, Anton, Brunnenbauer (Heimbach) 254 Hufton, Olwen 17 Hug, Eva (–1741) Hurter, Maria 200
Register Ingendahl, Gesa 15 Isger, Johann (Wagenstadt) 281 Isaak, Jud (Altkirch) 290 Isaak, Samuel ben (Niederemmendingen) 283 Jägerschmidt, Gustav Friedrich (1740– 1775) 146, 344 Jakob, Martin (Weisweil) 290 Jauch, Johann Jakob (Windenreute) 209 Jayser, Lorenz Dietrich, Rotgerber (Pforzheim) 102 Jeddele, Friedrich (1747–1767) 145 Jenne, Hans Jörg 47 Jenisch, Paul (1551–1612) 179, 344 Jernst, Johann Konrad (1698–1745) 206 Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm (1709–1789) 173, 344 Joseph, Rosina (Ihringen) 290 Jößlin, Maria Katharina (1690–1690) 142 Melchior (1662–1686) 209 Juncker, Christian (1668–1714) 344 Juncker, Elisabeth (1713–1781) 145f Jundt, Christine, Magd 186 Jung, Jakob, Müllergeselle (Windenreute) 191 Jung, Martin 279 Jutzler, Georg Friedrich (1704–1784) 85, 192 Kästner, Abraham Gotthelf (1719–1800) 171, 340 Kahn, David, Rabbiner 337 Kaisinger, Katharina Barbara (1695–1742) 227 Kanderer, Küfergeselle 194 Kaplan, Benjamin 273 Karl August Reinhard (1712–1786), Regent von Baden-Durlach 243–245, 249 Karl Friedrich, Markgraf von Baden (1728– 1811) 21, 45f, 55, 163, 240, 243, 245, 247, 249, 257 Karl Ludwig (1755–1801), Erbprinz von Baden 240 Karl III. Wilhelm, Markgraf von Baden (1679–1738) 34, 242f, 249 Karoline Luise von Hessen-Darmstadt (1723–1783) 1. Ehefrau Karl Friedrichs, Markgräfin von Baden 249 Katharina Barbara (1650–1733), Prinzessin, Tochter Friedrichs VI. von Baden 83 Keller, Kathrin 21
Register Keller, Christina (Kollmarsreute) 137 Johann Melchior (1729–1791) 146 Magdalena (1701–1776) 202 Maria Barbara (1713–1780) 142 Simon 256 Kelnlin, Franz, Uhrmacher (Sulzburg) 46 Kempf, Christine (1764–1849) 187 Johann Friedrich (1697–1785) 264 Johann Jakob (1751–1808) 332 Johann Michael (1735–1810) 331f Maria Elisabeth (1727–1804) 256 Kempis, Thomas a (1380–1471) 171, 176, 346 Kern, Johannes, Fuhrmann (Sachsen) 271 Kiefer, Christine Elisabeth (1745–1827) 216, 318 Friedrich Joachim (1714–1782) 136, 217 Johann Bernhard (1718–1780) 254 Johann Friedrich (1683–1751) 216 Johann Jakob (1725–1774) 82, 262 Johann Paul (1749–1749) 318 Johann Samuel Karl (–1753) 93, 234f Josef (1740–) 318 Michael (1749–1805) 116, 150 Paul (–1749) 103, 190, 316–320 Kießling, Rolf 20 Kindermann, Balthasar (1636–1706) 343 Kirchhoff, Anna (1661–1716) 132 Klein, Birgit 126 Klein, Jakob, Eichstetten 219 Georg Friedrich, Schulmeister, 138 Sophia Elisabeth Rosina (1720–1753) 55, 153 Klaiber, Thomas 120 Klauser, Katharina (–1787) 310 Kleist von, Ewald Christian (1715–1759) 174, 345 Klingenfuß, Bernhard (1700–1778) 67, 81, 220, 295, 323 Susanna (1727–) 67, 296 Klipfel, Anna (1722–1764) 178 Maria Magdalena (1751–1795) 78 Maria Magdalena, 79 Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803) 169, 345 Klose, Handelsmann (Lahr) 51 Knodel, John E. 136, 141 Knoderer, Georg Friedrich (1778–1804) 184 Johann Georg (1695–1769) 48, 102, 154, 187, 192, 200, 220, 275, 277 Johann Georg (1755–1800) 183, 191 Johann Leonhard (1703–1760) 154, 229
391 Johann Leonhard (1726–) 229 Johann Michael (1726–1800) 49, 245, 258 Johann Wilhelm (1770–1827) 153 Leonhard (1668–1720) 50, 132, 153 Maria Christina 219 Regina Juliane (1764–1838) 79 Koch, Christian Friedrich (1758–) 310–313 Jakob Friedrich (1731–1806) 68, 153, 310f Johann Georg (1720–1768) 93, 252f Johann Georg Heinrich (1752–1808) 116 Johann Nikolaus (1684–1730) 85 Köcher, Johann Christoph (1699–1772) 345 König, Valentin 345 Köpf, Johann Georg 268, 295 Kohlschein, Johann Martin (1758–1806) 103, 234, 245 Kopfmann, Klaus 119 Koseritz von, Friedrich Gotthelf, Landvogt 262 Krämer, Maria Eleonore (1763–1803) 173 Krause, Johann Philipp, Diakon 165 Krayer, Anna Eva (1713–1767) 155, 306 Johann Michael (1756–1802) 106, 197 Krebsstein, Maria Salome (–1748) 86 Kreglinger, Adam Friedrich (1762–1815) 49 Johann Christoph (1758–1830) 49f, 265 Kromer, Anna Ursula (1723–1758) 136, 209, 219 Anna Regina (1730–1801) 261 Christian Friedrich (1790–1799) 150 Jakob 219 Johann Georg (1720–1793) 216 Johann Georg (1756–1796) 256 Katharina Regina (1762–1794) Maria (Kollmarsreute) 290 Martin (Dinglingen) 105 Matthias (1753–1831) 216, 219 Kübler, Verena (1698–1772) 102 Küchlin, Ursula 131 Kühndtorff, Christina Regina (–1760) 261 Johann Bernhard Ludwig (–1762) 267 Kümin, Beat 264 Kuhn, Georg (Nimburg-Bottingen) 290 Katharina (Malterdingen) 290 Lorenz, Maurergeselle 196, 267 Sebastian, Mauregeselle 255 Labouvie, Eva, 137, 145f, 208f, 260–262 Laible (Lörrach) 214
392 Laichinger, Christoph, Totengräber (Württemberg) 87 Lambertz, Lambert (1736–1816) 208 Lampe, Friedrich Adolf (1683–1729) 168 Landfraß, Katharina (1666–) 296 Lang, Anna Maria Rosina, Hebamme 138 Christian Gottlieb (1739–1761) 72 Christine Elisabeth (1755–1814) 194 Georg Friedrich (1752–) 116, 291 Georg Heinrich (1710–1754) 72, 82, 265f Johann Bernhard (1722–1797) 315 Johann Rudolf (1673–1715) 261 Maria Elisabeth (1706–1779) 138, 262f Maria Katharina, Magd 254f Lange, Joachim (1670–1744) 345 Lapp, Anna Maria (1683–1724) 97 Anna Maria (1691–1738) 331 Johann (1641–1701) 97 Johann (1680–1702) 261 Johann (1710–1787) 192, 195, 317 Johann Friedrich (1706–1752) 49 Johann Friedrich (1742–1817) 49, 191 Johann Jakob (Wasser) 81 Maria Ursula (1717–1756) 331 Samuel (1715–1762) 206 Lasinger, Barbara (Broggingen) 290 Lassenius, Johann (1636–1692) 178, 345 Lauchenauer, Friedrich (–1751) 206 Lavater, Johann Caspar (1741–1801) 180, 345 Lechleitner, Georg, Maurer (Tirol) 43 Laußer, Niclaus, Zimmermann (Teningen) 42 Leberecht, Christian (1768–) 203 Maria Adelheid Walburgis, Konvertitin Leckteig, Jakob (Denzlingen) 281 Ledermann, Johann (1679–1728) 128 Legler, Friederike Katharina (1735–1796) 235 Georg Friedrich (1695–1724) 182 Johann Wilhelm (1699–1754) 48, 150, 178, 192, 216, 218, 234f, 300, 320f Maria Elisabeth (1733–1785) 72 Maria Sophia (1728–1794) 48, 207, 223, 234, 291 Philipp Jakob (1697–1755) 317 Philipp Jakob (1756–1799) 197, 238 Lehmann, Eva (1701–1744) 115 Regina (1742–1813) 315 Lenz, Jakob Michael Reinhold (1751–1792) 69, 135, 179, 183, 191, 289
Register Leopold I. (1640–1705) Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, 55 Leppert, Anna Sophia (1726–1769) 88f Johann Michael (1687–1737) 139, 297 Philipp Jakob (1720–1778) 139 Letzmann, Anna Katharina (1725–1778) 252 Christian Friedrich (–1778) 129, 153, 162, 262 Levi, Hina (Wettolsheim) 188 Moses (1755–) 251 Relé, Tochter des Baruch 189 Lichtentaler, Maria, Schweinehirtin 315 Lichtin, Johannes, Schlossergeselle 288 Liebenstein von, Ludwig August Friedrich (1781–1824) Johann Ludwig Friedrich (1749–1823) 59f, 265 Lindemann, Fabrikant im Amt Rötteln 214 Löcher, Heinrich, Küferlehrling 255 Löhr, Johann Andreas (1764–1823) 175, 345 Loetz, Francisca 148 Löwel 34 Lorenz, Maren 90 Louis, Anna Eleonore (1713–1787) 128 Johann Nikolaus (1671–1748) 128, 139, 244, 275 Luise Karoline Geyer von Geyersberg (1768–1820), Markgräfin, 2. Ehefrau von Karl Friedrich 235, 249 Ludwig XIV. (1638–1715), König von Frankreich Ludwig I. von Baden (1763–1830), Prinz Louis 249 Ludwig Wilhelm/ Türkenlouis, Markgraf von Baden-Baden (1655–1707) 171 Lurtzing, Anna Maria (1723–1780) 48 Luther, Martin (1483–1546) 172, 176 Lutz, Andrea 306, 309, 313 Macpherson, James (1736–1796) 174, 345 Madamé, Ferdinand, Zinngießer (Freiburg) 254 Maisch, Andreas 136 Männer, Georg (Eichstetten) 290 Johann Gottlieb (1681–1742) 85 Wilhelmina Patientia (1720–) 85–92, 109, 262, 275, 334, 336 Magdalena Wilhelmine von Württemberg (1677–1742), Markgräfin von BadenDurlach 83, 243 Mainone, Handelshaus (Freiburg) 51
Register Mainone, Franz Anton, Handelsmann (Freiburg) 51 Maler, Auguste Christine (1754–) 237 Georg Jakob, Maler (Freiburg) 46 Heinrich Wilhelm (1648–) 42, 70 Johann Burkhard Heinrich (1755–1848) 139 Johann Wilhelm (1717–1789) 63, 136, 223 Johann Wilhelm (1746–1802) 153, 211 Katharina 206 Sybilla Elisabeth (–1751) 133 Wilhelm Heinrich (1785–1848) 139 Marie Antoinette (1755–1793) österreichische Prinzessin und Königin von Frankreich 245 Markstahler, Maria (Köndringen-Landeck) 290 Masius, Hector Gottfried (1653–1709) 174, 345 Mattly, Georg (Königschaffhausen) 81 Mattmüller, Johannes (Ihringen) 290 Mathurin Cordier (1479–1564) 345 Marie de l´Incarnation (1599–1672), französische Nonne 13 Maria Theresia (1717–1780), Erzherzogin von Österreich, Königin u. a. von Ungarn und Böhmen 83 Mayer, Hirsch 117, 277 Jakob Levi (1762–1832) 52, 127, 267, 276 Maille (1782–1845) 127, 179 Maurer, Heinrich 22f, 25, 265 Maurer, Matthias 255 Medick, Hans 76, 122, 141, 147, 167, 172 Meerwein, Karl Friedrich (1737–1810) 46f, 89, 129, 139 Mejer, Nathan Moses, Rabbiner (Eichstetten) 338 Menton, Salome, Einnehmerwitwe 67, 252 Mellert, Maria Magdalena (1722–) 202, 219, 255, 291, 301, 322–324 Mench, Barbara (–1782) 162 Mendelssohn, Moses (1729–1786) 180, 346 Merian, Maria Sibylla (1647–1717), Naturforscherin, Künstlerin 13 Merian, Kaufmann, Basel 182 Mergenbaum, Christina (1731–1783) 64, 216 Menzer, August Friedrich (1691–1753) 165f, 214, 219, 244
393 Karoline Friederike Charlotte (1727– 1756) 214 Philippine Friederike (1744–1797) 215 Reinhard (1737–1817) 78, 124 Mettenius, Peter Florenz, Kaufmann (Frankfurt) 65, 106 Mercklin, Anna Katharina (1671–1733) 129 Anna Katharina (1738–1762) 323 Anna Maria Magdalena (1746–1747) 322 Erhard, Küfergeselle 193 Matthias (1673–1743) 254 Matthias (1708–1767) 232, 322–324 Metz, Johann Philipp (1701–1744) 139 Metzger, Nikolaus, Knecht 115 Meyer, Andreas (1769–1816) 256 Johann (–1762) 231 Johann Christoph (1763–) 206 Johann Georg (1727–1774) 103, 252 Johann Jakob (1679–1751) Johann Matthias (1700–1777) 130, 251, 300 Joseph (1763–1789) 281 Maria Katharina 185 Maria Magdalena 262 Michael, Webergeselle (Wangen/ Elsass) 97 Susanne Maria (1702–1736) 80 Wilhelm Friedrich (1744–1808) 154 Miller, Johann Martin (1750–1814) 174, 346 Minger, Benedikt (1632–1682) 43, 207 Mitterauer, Michael 97 Mitternacht, Maria (Ihringen) 290 Möringer, Andreas (Niederemmendingen) 70 Anna Maria (1758–1807) 187 Elisabeth, Magd 187 Mössinger, Anna Eva (1741–1777) 136 Elisabeth (1679–1740) 133f, 201 Mößinger, Stabhalter (Niederemmendingen) 92 Mößner, Matern (Ihringen) 290 Samuel (Sexau) 81 Mollinger, Christian Adam (1708–1713) 144 Christine Salome (1719–1719) 144 Eva Maria (1705–1713) 144 Johann Jakob (1673–1744) 114, 128, 144, 150, 178 Johann Martin (1704–1704) 144 Johann Maximilian (1729–1730) 144 Juliane Salome (1716–1718) 144 Katharina Barbara (1709–1713) 144
394 Margarethe Salome (1726–1726) 144 Maria Elisabeth (1701–1704) 144 Maria Salome (1721–1724) 144 Maria Wilhelmina (1729–1732) 144 Philipp Jakob (1704–1704) 144 Philipp Jakob (1711–1712) 144 Philipp Jakob (1731–1731) 144 Moser, Christian (Niederemmendingen) 70 Christian (Gutach) 120, 194, 231–234, 295f, 323 Maria Salome (1757–1805) 194, 233, 234 Mosis, Buone 117 Moutoux, David (1732–1792) Mück, Johann Friedrich (Mundingen) 228 Mühlhof, Johann Michael (1745–1789) 153, 289 Müller, Bauinspektor (Karlsruhe) 45 Müller, Anna Katharina (Niederemmendingen) 70 Barbara (1696–1746) 293f Barbara, Magd 186 Müller, Heinrich (1631–1675) 77, 173, 177f, 346 Jakob (Ihringen) 290 Johann Adam, Weber (Mundingen) 57f Johann Georg (1752–1792) 207 Johann Georg (1761–1799) 201 Maria (Ihringen) 290 Maria Eleonore (1730–) 86 Münch, Paul 195 Murifruh, Maria, Dienstmagd (Schweiz) 90 Murmetzger, Johann Adam Georg (1680– 1745) Muster, Bote (Nimburg-Bottingen) 290 Mylius, Georg Jakob (1743–1771) 78 Georg Jakob (1771–) 78 Johann Friedrich (1704–1773) 122 Nägelin, Anna Maria Barbara (1720–1775) 78, 210f, 293f Nägele, Kaspar (Denzlingen) 221 Nagel, Anna Wilhelmine (1734–1788) 237f Friedrich Wilhelm (1707–1767) 94, 245 Juliane (1737–1791) 178 Wilhelm (1707–1765) 31, 179, 320f Napoleon Bonaparte (1769–1821) 310 Nehr, Johann Christoph (–1682) 178, 346 Neumann, Hildegard Neumann, Johann David (–1660) 207 Nübling, Christian (Denzlingen) 221 Martin (Denzlingen) 221
Register Oberhueber, Familie (Traunstein) 83 Obermaier, Handelshaus (Basel) 51 Obermüller, Burgvogt (Badenweiler) 214 Oehme, Ruthard Öttsch von, Christian (1720–1746) Öttlin, Matthias (1692–1746) 217, 267 Ogilivie, Sheilagh 199f Ohmberger, Anna Maria (1658–1719) 132 Christoph (1665–1702) 70 Ohmberger, Dieter 300 Leonhard (1625–1692) 42, 57 Olearius, Johann Christoph (1668–1747) 178, 346 Olnhausen, Ernst Heinrich (1736–1790) 204 Ortmann, Johann Jakob Christian (1723– 1801) 221, 291 Ostenrieder, Petra 195 Ostermann, Christina Elisabeth (1766–) 106, 139, 188, 278 Christine Maria (1753–1820) 117, 139, 188 Friederike Louise (1759–1791) 139, 278 Heinrich August (1760–1762) 278 Karl Christian alias Isaak Zadock (1719– 1801) 117, 139, 164, 179f, 188, 253, 277f Ostervald, Samuel Frederic (1713–1755) 346 Osterwald, Johann Friedrich (1663–1747) 174 Osti, Andreas (1684–1768) 191, 215 Otho, Johann Jacob (1629–1669) 150, 178 Ott, Anna Christina (1760–1782) 69 Anna Maria (–1770) (Eichstetten) 145 Christina Elisabeth (1717–1792) 63–70, 210, 213, 249 Elisabetha Henriette (1756–1814) 130 Eva (Teningen) 290 Georg (Bickensohl) 290 Heinrich Ludwig (1762–1785) 67–68 Johann Heinrich (1723–1783) 64–67, 130, 215f, 236 Johann Melchior (1687–1779) 47, 63–70, 72, 82, 105f, 129, 139, 148, 153, 231, 236, 243f–245, 248, 279 Johann Nikolaus Friedrich (1734–1739) 66 Johann Samuel (1715–1718) 63 Katharina Friederike (1758–) 69 Katharina Regina (1721–1748) 63 Maria Elisabeth (1725–1726) 64 Maria Magdalena (1727–1732) 64
Register Maria Salome (1729–1730) 64 Maria Sophia (1753–) 65 Margaretha Magdalena (1719–) 63, 139 Sophia Friederike (1731–1807) 63–70 Pannifex, Ernst August (1775–) 238f Johann Wilhelm (1738–1783) 238f, 281f Sophia Katharina (1768–) 238 Wilhelm Ludwig (1770–1860) 238f Wilhelmina Augusta (1770–) 238 Panticoe, Handelshaus (Lahr) 51 Parell, Johann Georg Nikolaus (1683–1748) 55, 128 Pazke, Johann Samuel (1727–1787) 173, 346 Peickhard, Franciscus (1684–1752) 346 Peter, Katharina (Leiselsheim) 290 Katharina (Köndringen-Landeck) 290 Pils, Susanne Claudine 18 Pfalzburger, Lion (Steinbiedersdorf) 179 Pfecht, Ludwig, Pflasterer (Durlach) 43 Pfeifer, August Friedrich (1768–) 214 Ferdinand August (1731–1775) 215 Pfeiffer, August (1640–1698) 172, 346 Pfennig, Johann Christoph (1724–1864) 174, 347 Pickard, Naftali Herzel d. Ä. (–1731) 99, 295, 337 Naftali Herzel d. J. (–1808) 251 Pistorius, Johann (1546–1608) 172, 347 Placidus, Pater (St. Peter/ Schwarzwald) 78 Plats, Georg Philipp, Sprachmeister 174, 347 Pleuler, Johannes, Knecht (Maleck) 191 Polack, Rosina (1729–1814) 100f Pollack, Johann Jakob (1725–1789) 55, 152 Poppelin, Johann Georg (1742–1803) 108, 120, 234 Katharina Elisabeth (1764–1811) 90f, 108f, 291 Pracht, Anna Katharina (1737–1781) 154, 307f Pringsauf, Christian, Pfarrer 122 Pröschel, Goldschmied (Colmar) 40 Quirsfeld, Johann (1642–1684) 77, 178, 347 Rabener, Gottlieb Wilhelm (1714–1771) 174, 347 Rabus, August Friedrich (1702–1726) 80 Christian (1641–1717) 83 Christoph (1669–1716) 79
395 Karl Gottlieb (1705–1743) 67, 79f, 83, 252 Magdalena Wilhelmina (1715–1761) 79– 85, 92, 168f, 316 Maria Barbara (1681–1740) 85, 214 Regina Salome (1700–1730) 79 Reinhard Ludwig (1708–) 79 Raff, Georg Christian (1748–1788) 175, 347 Rajkay, Barbara 117 Rambach, Johann Jakob (1693–1735) 170, 347 Rauch, Maria Barbara (1714–1747) 123f Rauh, Johann Michael (1681–1712) Reck, Michael (Nimburg-Bottingen) 290 Reichert, Christian (1710–1750) 153 Johann Christian (1775–1828) 52, 173, 201 Johann Georg (1663–1745) 209, 250 Maria Margarethe (1699–1729) 200 Reinbold, Christian Heinrich (1768–1843) 129 Johann Georg (1722–1792) 148, 209 Johann Georg (1726–1763) 234 Johann Jakob (1779–1789) 142 Simon (1730–1778) 48, 235, 246, 267 Reinhard, Johann Jakob 159, 181, 222 Reinhard, Wolfgang 27 Reith, Anna Maria (1746–1814) 300 Reger, Kaminkehrer (Mahlberg) 53 Matthias, Bestandswirt (Niederemmendingen) 197 Resch, Johann Georg (Leiselsheim) 139 Retscher, Johann Adam (1745–1804) 104, 289, 312 Reuthin, Anna Maria, Magd 130 Reutlinger, Jakob (Niederemmendingen) 188 Zacharias (Niederemmendingen) 188, 276 Rheinsberger, Christian Samuel (1711– 1791) 63 Johann Lorenz (1684–1754) 63 Johann Samuel (1747–1815), Arzt und Hebammenmeister (Eichstetten) 146 Richen, Valentin, Geselle 91 Rieflin, Johann Jakob (1685–1735) 219, 329 Johann Jakob (1708–1789) 284, 327–330 Johann Reinhard (1742–1747) 328 Rieß, Johann Christoph (1719–1769) 204 Ringwald, Andreas (1745–1806) 184, 326 Georg, Forstknecht 202, 324 Rippmann, Dorothee 181
396 Rist, Anna Maria (1666–1731) 299 Jakob (1720–1794) 155, 214, 237 Johann Georg (1674–1714) 129 Johann Georg (1722–1782) 207 Johann Georg (1732–1794) 137 Johann Georg (1732–1789) 236 Johann Georg (1759–1837) 90 Johann Jakob (1751–1804) 128 Maria Elisabeth (1769–1841) 120 Matthias (1723–1782) 115, 301 Rochow von, Friedrich Eberhard (1734– 1805) 162, 347 Röderer, Johann Gottfried (1749–1815) 152, 347 Rösch, Anna Maria (1727–1784) 137 Röthlin, Caspar, Bader (Malterdingen) 42 Röthelin, Johann (1649–1724) 251 Rohrschach, Katharina (Ihringen) 290 Roller, Johann Friedrich (–1729) 281 Johann Karl (–1729) 197 Roman, Juliana (1709–) 123 Romaker, Christian, Metzger (Montbéliard) 182 Romstet, Christian (1640–1721) Rondon, Jakob, Kaminkehrer 53 Rons, Firma (Basel) 51 Roper, Lyndal 109 Rosenthal, Berthold 23 Roßkopf, Johann Christoph (1636–1706) 164 Rotenhan von, Freiherr (Rentweinsdorf) 236 Roth, Friedrich August (1753–1816) 287f, 347 Johann Friedrich (1668–1721) 145, 261 Johann Georg (1700–1745) 134, 177f Johann Michael (1757–1790) 143 Salome, 117 Simon (1674–1726) 156, 261 Rousseau, Jean-Jacques (1712–1778) 175 Rublack, Ulinka 302, 313 Rüdemann, Friedrich Wilhelm (1797–1798) 142 Rühlin, Maria Regina (1678–1745) 92 Rueß, Jakob, Zimmermann (Waldkirch) 43 Ruf, Baltzer, Schuhmacher (Köndringen) 114 Sabean, David W. 212 Sachs, Juliane (1743–1827) Ottilia (Pforzheim) 111, 303 Sain, Barbara (Basel) 213
Register Salzmann, Christian Gotthilf (1744–1811) 174f, 347 Samuel, Selig (–1791) 218, 277, 284 Veith (–1774) 210 Veith Frau (–1780) 210 Sander, Anna Maria (1686–1747) 129, 133, 139 Christian (1655–1713) 257 Christina Elisabeth (1722–1745) 136 Christina Maria, 67 Sander, Heinrich (1754–1784) 347 Johann Christian (1688–1746) 48, 50, 92, 216, 258 Johann Christian (1716–1798) 48, 50, 216, 274, 317 Johann Christian Samuel (1732–1790) 69, 166 Maria Christina (1720–1771) 217 Maria Eleonore (1726–1792) 204 Maria Elisabeth (1740–1810) 221 Maria Katharina Elisabeth (1740–1756) 94 Superintendent, 41, 73, 160, 166 Sattler, Christine Friederike (1754–) 86, 91 Elias Christian (1724–1779) 86ff Jakob Christoph (1760–1805) 86, 90, 280, 291 Karl Christian (1750–1829) 86, 90 Maria Margarethe (1766–) 91 Maria Wilhelmine (1752–) 86, 91 Sauer, Susanna (Windenreute) 189, 316– 320 Sauser, Elisabeth (1721–1795) 296 Schadeck, Hans 22 Schadt, Johannes, Maurergeselle 120 Schäffelt, Michael (Teningen) 43 Schaffhauser, Katharina (Teningen) 290 Schaitberger, Joseph (1658–1733) 87, 347 Schandelmayer, Stephan (Hornberg) 330 Scharff, Johann Christoph (1688–1729) Schaub, Martin, Knecht 191 Scheelmann, Johann Friedrich (1744–1797) 49 Scheller, Immanuel Johann Gerhard (1735– 1803) 173, 348 Scherberger, Anna Maria (1747–) 185, 194, 213f Johann Bernhard (1688–) 299f Johann Bernhard (1729–1794) 145, 271 Johann Jakob (1696–1746) 81 Johann Leonhard (–1796) 68, 300
Register Johann Leonhard (1702–1764) 120, 231– 234 Leonhard (1730–1756) 92, 231–233 Maria Salome (1737–1794) 231–234 Matthias (1767–1826) 120 Salome (1739–1781) 254 Schick, Anna Barbara (1672–1724) 70f Anna Maria (Prechtal) 76 Maria Margarethe (–1756) 72, 75, 178 Schierling, Steinmetz (Niederemmendingen) 284 Schillinger, Georg Friedrich (1703–1759) 297 Jeremias (1709–1783) 288 Jeremias (1734–1790) 104, 331f Johann Georg (1673–1750) 252 Johann Georg (1769–) 214, 331f Katharina (Ihringen) 290 Margaretha Barbara (1710–1771) 204 Schinder, Agathe (1774–) Vagantin 288 Schindler, Andreas (Mundingen) 318 Johannes, Seiler (Köndringen) 119 Schindler, Norbert 21, 74 Schieler, Johann Georg (1722–1773) Schlettwein, Maria Elisabeth (1736–1792) 129 Schmale, Wolfgang 157 Schmolck, Benjamin (1672–1737) 170, 178f, 348 Schneider, Anna Maria, Magd 158 Johannes (1694–1763) 149, 186, 203 Johann Jakob (1743–1806) 49, 130, 270, 301f, 307 Johann Michael (1722–1779) 128, 201 Josef (Broggingen) 290 Maria Barbara (1732–1751) 149 Maria (Malterdingen) 290 Tobias (1729–1782) 237f Schnyder-Burghartz, Albert 241, 256, 298 Schlögl, Rudolf 242, 257 Schlözer, Georg Heinrich (1706–1785) 65– 70, 210, 249 Schlosser, Cornelia Henriette Franziska (1781–1850) Anna Maria Louisa (1774–1811) 105, 135, 152 Elisabeth Katharina Julia (1777–1793) 105, 135, 152 Georg Eduard (1784–1807) 106 Johann Georg (1739–1799) 13, 22–24, 37, 40f, 56, 60, 65, 87, 104f, 119, 147, 152, 160, 162f, 179, 188, 194, 204,
397 223f, 226, 236, 243, 250f, 264f, 272, 287–289, 333, 335 Schmied, Katharina (Nimburg-Bottingen) 290 Katharina (Ihringen) 112 Marx, Zimmermann 42 Ursula (Eichstetten) 215 Schmiedmeyer, Johann Georg (1691–1769) 89 Schmid, Anna Ursula, 130 Jakob Friedrich, Lehrer 162 Johann Reinhard (1725–1803) 94 Johann Reinhard (1764–1834) 94f Karl Friedrich (1770–) 94 Maria Christine (1759–) 94 Maria Elisabeth (1757–) 94 Nikolaus, Stabhalter (Köndringen) 99 Regine Friederike (1766–) 94 Schneider, Tobias (1729–1782) 237f Schmidt, Heinrich Richard 298 Schmidt, Julius 127 Schmidt, Matthias (Bickensohl) 81 Schöchlin, Christian (1756–1775) 182, 209, 226 Christian Friedrich (1731–1800) 270 Christine Eleonore (1759–) 216 Eva Christina (1750–1819) 116 Friedrich (Maleck) 114 Friedrich (1735–1805) 233 Georg Friedrich (1727–1765) 111, 182, 206, 229f, 303 Jakob (1744–) 288 Johann Christian (1749–1820) 181, 296 Johann Friedrich Gottfried (1720–1756) 217, 234 Johann Heinrich (1683–1755) 197, 320– 322 Johann Jakob (–1704) 132 Johann Jakob (Kollmarsreute) 106, 137 Johann Jakob (1744–1796) 149, 256 Johann Josef (1695–1770) 39, 64, 103, 191, 229, 267, 330 Johann Paul (1654–1722) 81, 128 Katharina Friederike (1763–1798) 185 Maria Barbara (1739–1789) 147, 150, 169–171 Maria Elisabeth (1739–1793) 130, 306f Veronika Elisabeth (1762–1835) 312 Wilhelm Friedrich (1734–1767) 216 Wilhelm (1742–1804) 104 Schöpflin, Christian Friedrich (1764–1841) 312
398 Eva Friederike (1762–1784) 150 Gottlieb August (1768–) 184 Johann Christian Gottlieb, Pfarrer 167 Johann David (1724–1769) 136, 150, 153, 184, 186 Johann Georg (1741–1812) 191 Johann Peter (–1754) 193 Maria Margaretha (1721–1789) 48, 219, 262 Michael (Bahlingen) 81 Scholer, Johannes (Bickensohl) 290 Schorn-Schütte, Luise 122 Schriesheim, Ascher, Vorsinger 202 Schriesheimer (verh.), Merle 202f Schrodin, Georg (Maleck) 315 Schrotz, Anton (1701–1761) 44 Schüsselin, Anna Katharina (1703–1745) 96 Anna Maria (1717–) 96 Johann Friedrich (1705–) 31 Johann Jakob (1709–) 96 Johannes 96f Katharina Barbara (1707–) 96 Schubart, Tobias Heinrich (1699–1747) 169, 348 Schuh, Johann Georg (Niederemmendingen) 113 Schuhmacher, Agatha (–1744) 58f Daniel (1707–1759) 230f, 254, 295f Engelbert, Forstknecht 202 Johann Jakob 268 Matthias (Denzlingen) 221 Schuhmann, Engelhard (1741–1783) 324 Schulder, Elisabeth (1612–1688) 207 Schumm, Christian (1766–1831) 120 Schwab, Baruch (1745–) 101, 164, 218, 251, 276 Miriam (1773–1857) 101, 148, 251 Schwäbli, Johann (Grißheim) 272 Magdalena (1770–) 272 Schwanke, Irmgard 23, 50 Schweickert, Matthias (–1774) 252 Schweighauser, Handelshaus (Straßburg) 51 Schweighauser, Johann Jakob (1671–1745) 189 Simon (1684–1744) 197 Schwind, Charlotte Dorothea (1750–1814) 177, 211 Sigismund, Pfarrer (Freistett) 177 Schwörer, Friederike Elisabeth (1769–1824) 201 Georg Friedrich (1728–1794) 131, 269, 289
Register Katharina (–1786) 204 Katharina Regina (1758–1841) 187, 195 Maria Elisabeth (1730–1796) 261 Wilhelm (1743–1806) 301 Scott, Joan 17 Scott, Tom 21 Scribner, Robert 241 Scriver, Christian (1629–1693) 178, 348 Sedelmeier, Isaak, Brauer (Augsburg) 76 Sehring, Christian, Schreiner (Karlsruhe) 45 Seifried, Provisor 161 Schütz, Christian Gottfried (1847–1832) 173f, 348 Schütz von, Philipp Balthasar Sinold (1657–1742) 179 Semler, Johann Salomon (1725–1791) 173 Sexauer, Sigismund (–1766) 154 Siebenhaar, Johann Christian (1756–1802) 146, 245 Johann Georg (1724–1796) 45, 159 Silchmüller, Tobias, Chirurg (Ihringen) 208 Simmel, Georg 291 Simon-Muscheid, Katharina 181 Sonner, Hans Georg (Eichstetten) 93 Sonntag, Engelhard (–1733) Burgvogt 214 Engelhard Heinrich (1723–) 247, 262 Wilhelm Leopold (1757–1821) 78 Sorg, Nikolaus (–1722) 51 Speitel, Elisabeth (Malterdingen) 290 Spener, Philipp Jakob (1635–1705) 169, 171 Spranger, Anna Maria (1713–1778) 208 Stähle, Matthias (Ihringen) 290 Ulrich (1736–1762) Stalp, Wilhelmina Magdalena, 122 Stannek, Simone, 118 Starck, Johann Friedrich (1680–1757) 77, 138, 348 Stark, Anna Maria (Frankfurt) 236 Starke, Christoph (1684–1744) 173, 176, 179, 348 Stausch, Handelshaus (Straßburg) 51 Steinhilber, Andreas (1623–1720) 209 Johann Georg (1681–1727) 154, 209, 220, 268, 300 Maria Salome (1711–1751) Martin (1653–1675) 256f Steinhofer, Friedrich Christoph (1706–1761) 87 Stephan, Barbara (Magd) 154 Matthias (1722–1798) 324 Salome (1720–1793) 271
Register Stephani, Johann Christian (1753–1801) 55, 179 Stiefel, Anna Maria Barbara (1653–1726) 96–98, 204, 271 Christina 214 Johann (–1693) 96 Johann (1668–) 96 Johann Christoph (1710–1776) 315, 325 Johann Georg (1664–) 96 Johann Georg 314 Stiefvater, Barbara (1660–1741) 139, 186 Stierlin, Balthasar (1698–1759) 81, 189f Christina (1769–1809) 118f Eva Regina (1764–) 188 Friedrich Wilhelm (1772–) 182 Georg Jakob (1772–) 184 Johann Christian (1762–1806) Johann Georg (1728–1794) 104, 191, 204, 277 Johann Georg (1757–) 184 Stierlin, Johannes (1725–1778) 159, 176 Katharina Elisabeth (1756–1842) 95 Stöltzlin, Bonifatius (1603–1677) 77, 137f, 170, 348 Storck, Georg Friedrich, Forstverwalter, 86 Strebler, Barbara Eva (1734–1808) 94 Strecker, Matthias, Meier auf dem Laberhof, 140 Katharina (1781–) 140 Strobel, Albrecht 21 Stuck, Andreas Christian (1741–1814) 56, 191, 230, 257 Anna Katharina (1706–1782) 46f, 220f Johann Michael (–1762) 269 Süß, Konrad (1728–1789) 69, 129, 179, 289f Konrad Heinrich (1759–1821) 179, 183, 191 Sulzer, Nathan (Grussenheim) 99–101, 189, 339 Taubenmerkel, Christian (1788–) 118 Wolfgang, Geselle (Eger) 118 Teufel von Birkensee 274 Friedrich Eberhard (1732–1807) 276 Textor, Johann Nikolaus (1695–) 55, 348 Textor, Susanne (1715–1788) 201 Thommen, Johann (1711–1783) 171, 349 Tlusty, Ann 263, 271 Trampler, Anna Christine (1744–1800) 215 Elisabeth (1735–1801) 47 N.N., Pfarrer (Ottoschwanden) 82, 215
399 Trautlin, Balthasar, Handelsmann (Basel) 51 Trautmann, Johann Georg (1664–1722) 209 Johann Georg (1713–1799) 134, 187, 193, 196 Trautwein, Anna Maria 256 Christina (1747–1794) 124, 221 Georg Jakob (1739–1802) 140, 221, 245 Johann Georg, Bäcker 268 Johann Kaspar, Vogt (Eichstetten) 46f, 52, 220 Kaspar (Eichstetten) 220f Trévisi, Marion 70 Trost, Johann Jakob (1729–1774) 281 Tschira, Anna Regina (1761–1825) 162 Friederike Sybilla Regina (1755–1820) 120 Johann (1696–1762) 288 Johann Georg Kaspar (1752–1774) 161, 171f, Johann Kaspar (1721–1774) 161, 170f, 205, 261 Tschoker, Jakob (Mundingen) 269 Ulbricht, Claudia, 15, 98, 102, 114, 122, 131, 276 Ulendörfer, Handelshaus (Nürnberg) 51 Ullmann Sabine 338 Ullmann Ulrich (1625–1713) 282 Ulrich, Laurel Thatcher 90, 143 Uhse, Erdmann (1677–1730) 349 Ungerer, Jakob, Kaminkehrer (Lörrach) 53 Uz, Johann Peter (1720–1796) 174, 177, 349 Valentin, Bernhard (1753–1823) 289 Jakob Friedrich (1782–) 289 Van der Waal, Derk, niederländischer Kapitän, 67 Veit, Miriam (–1793) 134f Samuel Pfeifer 277 Sandel Samuel (1754–1837) 122, 134 Veith, Andreas (1740–1780) 149, 163 Vetter, Johann (Furtwangen) 271 Vetterlin, Georg Friedrich (1717–1777) 129, 138, 227 Margarethe (1749–) 188 Maria Magdalena (1719–1796) 280 Vögelin, Georg, Kantengießer (Freiburg) 42 Vogel, Anna Maria (1754–1788) 196, 308– 310 Johann Georg (1721–1803) 262, 309f, 313
400 Karl Alexander, Textilunternehmer 41, 135 Samuel (1737–1816) 40f, 56, 125, 161, 236 Vogler, Barbara Katharina 186 Vogt, Ludgera 291 Volkmann, Adam 171 Vollmer, Friedrich (1730–1803) 206 Vollrath, Johann Andreas (1741–1810) 162 Voltaire [F.M. Arouet] (1694–1778) 168, 349 Volz, Johann Christian 173f Voss, Johann Heinrich (1751–1826) 173 Vulpius, Johann Michael (1719–1785) 214 Maria Magdalena (1759–1794) 209, 267 Wacker, Küfergeselle 194 Wagner, Anna Maria (1719–1798) 256 Heinrich Christoph (1698–1763) 204, 267, 275, 282 Jakob 315, 317, 319 Wagner, Johann Christoph (1655–1698) 169, 349 Wagner, Johannes, Schulmeister 170 Katharina Barbara (1716–1771) 103 Leonhard 268 Maria Katharina (1730–1777) 103, 158 Matthias 316 Sophia Wilhelmina 207 Wahl, Martin 269 Wald, Philipp Jakob (1664–1703) Waldau, Georg Ernst (1745–1817) 175 Walduff, Johann David (–1755) Schulmeister (Eichstetten) 170 Walker, Mack, 20 Walter, Johann Michael, Schneider (Lahr) 139 Wilhelm (1698–1743) 102f, 318 Walz, Rainer 268 Watson, Thomas (–1686) 178, 349 Waupke, Johann Kaspar (–1748) Weber, Johann Jakob (Siblingen) 104 Weber, Max 291 Weber, Verena (1728–) 102–104, 200, 204, 336 Weber, Wolfgang E. J. 110 Wegeler, Maria Barbara (–1743) 85 Wehrlin, Diebold, Hafner, 98 Weidenthaler, Johann Bartholomäus, Plasterer (Müllheim) 44 Weil, Abraham (1769–1852) 140 Abraham (1774–1830) 284
Register Alexander (–1756) 101, 125 Beyle (Baile) 134, 188 Bräunle (Kippenheim) 126, 217 Eva 218 Getschel Hirsch (Sulzburg) 224 Gundel (1760–) (Eichstetten) 338 Herzel (Naphtali) (1749–1809) 122, 128 Jakob (–1764) 99–102, 294f Jakob (–1773) 125, 218, 233, 277 Jakob (–1794) 278 Jochanan (1660–1726) 283 Jonas (1725–1811) 122, 140, 148, 218, 237, 276f, 279 Jonas (1749–1798) 134, 179, 210, 276 Jonas (1760–1815) 188 Joseph Josua (1772–1840) 127, 179, 277 Judith (1759–1829) 122, 218 Madlen (–1796) 140, 218 Marum (1728–1778) (Eichstetten) 125, 164 Marx 277, 337 Marx (1669–) 99 Mordechai (Model) (–1793) 134f, 164, 188, 202, 218, 272 Mordechai (1774–1841) 276 Moses (–1731) 98f, 283, 294 Moses (–1755) 125 Moses Jakob (1769–1855) 126f, 218, 224, 276, 338 Rebekka Rifgen (1747–) 126, 217 Samuel (–1732) 295 Samuel (Niederemmendingen) 218 Sara/ Christina Friederike Gottlieb (1727–) 101f Sarah (1779–1847) 135 Simon (Niederemmendingen) 189, 254 Simon 266 Tia (1721–1805) Rabbiner (Karlsruhe) 338 Weinbrenner, Andreas, Schuhmachergeselle 206, 315 Weininger, Margarethe Salome (1675–1749) 79 Weiß, Ägidius (1677–1726) 167 Wentzler, Johann Konrad (1741–1801) 326 Margarethe Salome (1787–) 187 Werner, Matthäus 172 Wertheimer, Wolf Isaak (Opfingen) 217, 276 Wettmann-Jungblut, Peter 114 Wetzstein & Burkhard, Handelshaus (Basel) 51
Register Weyh, Salome, Magd 195 Wiebel, Eva 35, 288 Wiedinger, Anna Maria, Dienstmagd 104 Wigleb, Johann Christian (1731–1800) 179, 349 Wild, Konrad Friedrich, Stadtschreiber 282 Wildersinn, Anna Maria Elisabeth (1728– 1777) 70–79, 124, 153, 178, 213 Friederike Wilhelmine (1731–) 72 Johann Christoph (1678–1735) 45, 70f, 219 Johann Christoph (1733–1761) 72 Rudolf, Glaser (Augsburg) 76 Ulrich (Augsburg) 76 Willius, Christine Friederike (1735–1802) 144 Friedrich Karl (1731–1748) 144, 166 Johann Christian (1746–1805) 144 Johann Wilhelm Ludwig (1726–1786) 26, 53, 55f, 141, 143, 148, 185, 202, 207, 219, 236, 337f, 349 Johanna Eleonore (1746–1827) 69, 144, 148 Wilhelm Ludwig Ferdinand (1696–1764) 58, 143, 227, 258, 294 Wilstaetter, Abraham (Wettolsheim) 126 Wimpfen von, Johann Christoph, Landvogt 164 Winter, Johann Ludwig (–1831) 69 Wirthlin, Claudia 260 Wöhringer, Anna Maria (1718–1785) 102, 200f Wöhrlen, Christian 270 Wolf, Isaak (Opfingen) 126 Johann Georg (1732–1776) 167, 215 Johann Martin (1705–1777) 186, 252 Maria Magdalena (1752–1774) 150, 300 Maria Magdalena (1778–1801) 153 Wolff, Christian (1679–1754) 171, 177, 349 Wolfsperger, Eva Maria (1755–1794) 206 Johann (1736–1788) 235 Wormser, Kosman, Vorsinger 277 Wudrian, Valentin (1584–1625) 77, 178 Wüner, Johannes (1701–1701) 142 Würgler, Andreas 241 Wunder, Heide 17, 123, 200, 314 Zaberer, Johann Daniel (1770–1834) 70 Zäunemann, Sidonia Hedwig (1714–1740) 169 Zandt, Anna Rosina Friederike (1719–1785) 67, 215
401 Zangmeister, Johann Ludwig (1696–1748) 63 Zedler, Johann Heinrich (1706–1751) 320 Zehnter, Anton 23 Ziebold, Elisabeth 130, 300 Simon (1772–1789) Zimmer, Johann Georg (1730–1783) 247 Mathias, Bäckergeselle (Niederemmendingen) 191 Zimmermann, Clemens 21 Zimmermann, Johann Georg (1728–1795) 76f, 349 Zimmermann, Johann Jakob (1668–1747) 113, 300, 316 Johann Jakob (1698–1736) 254 Johann Jakob (1736–1807) 48, 144, 234 Johann Wilhelm (1700–1788) 46f, 52, 106, 144, 153, 158, 195, 211, 216, 220–220, 228, 296, 322f Katharina Wilhelmina (1750–1832) 144 Maria (Broggingen) 290 Maria Katharina (1728–) 144 Maria Magdalena (1706–1730) 144 Maria Magdalena (1768–1811) Zink von, Friedrich (1752–1802) 46, 179, 296, 264f Zink, Anna Maria (Grißheim) 272 Zinninger, Anna Maria (–1761) 97 Zipsi, Matthias 268 Zobel, Ernst Friedrich (1687–1756) 76, 171, 177, 350 Zöller, Christian Ernst (1767–) 184 Christine Friederike (1758–1851) 211 Zuckmantel, Eva, Wirtin 209 Zwahl, Christina (Magd) 194f Zwinger, Theodor (1658–1724) 150, 169, 178, 350 Zylius, Friedrich (Broggingen) 290
ORTSREGISTER Allgäu 283 Altbayern 21 Altkirch 290 Amerika 184 Amsterdam 50,184 Ansbach-Bayreuth 304 Arlesheim 183 Aschau/ Tirol 282 Augsburg 19f, 76, 263, 271, 333, 338 Bad Krotzingen 272 Baden (Markgrafschaft ab 1771) 14, 22f, 30, 32, 36, 121, 158, 205, 257, 260, 262, 315, 334 Baden-Durlach (Markgrafschaft) 14, 34, 54, 79, 110, 164, 199, 210, 213, 225, 257, 272 Badenweiler (Oberamt) 50, 54, 57, 164, 186, 214 Bahlingen 71, 81, 92, 191, 275, 322 Baltimore 184 Basel 18, 20, 33, 41, 50f, 57f, 66, 76, 81, 111, 117, 183, 187f, 205, 207, 213f, 271, 333 Baselbiet 260 Batavia 139 Bayern 59 Bern 33, 187, 311 Besançon 183 Biberach an der Riß 92f Bickensohl 81, 165, 290 Bötzingen 63, 80, 165 Bollwiller 126, 188 Bottingen 131, 307 Breisach 35, 41, 50, 82, 101, 246, 283, 337 Breisgau 57 Bremen 51 Broggingen 81, 187, 290 Bruchsal 91, 291 Brüssel 183 Buchen 202 Calw 183 Colmar 40, 51, 126, 130, 333
Darmstadt 184 Denzlingen 26, 90, 116, 165, 214, 218, 281 Dinglingen 105, 237, 300 Donaueschingen 50 Durlach 43, 71, 96, 165, 167, 184, 214f Eger 118 Eichstetten 26, 30, 35, 50, 69f, 78, 93, 98, 115, 121, 129, 160, 186, 216, 218–220, 265, 283, 290, 337f Elsass 34, 50f, 100, 125, 134, 182, 187–189, 283, 337 Emmendingen Apotheke 38, 41, 50, 259 Archiv 25, 249 Badstube 42, 277 Bleiche 51 Brauerei 56, 267 Bretten 43 Brunnen 4, 254–257 Burgvogtei 231, 255, 275 Diakonatshaus 47 Essigsiederei 56, 237 Elz 43, 60 Forstmeierei 44 Freiburger Tor 41, 43f, 134, 208, 287 Friedhof, christlich 29, 239, 279–286, 320f Friedhof, jüdisch 26, 29, 35, 47, 277, 283–285 Gefängnis/ Häuslein/ Turm 44, 158, 195, 238, 255f, 269, 287–289, 293–296, 299f, 301, 303–306, 312, 315, 318, 323f, 327 Hechelhaus 44 Hirtenhaus 43f Hochberger Tor 41, 43, 297, 323 Hochgericht 39, 246–248 Jahrmarkt 210, 268, 272 Kirchhof 82 Kirche 29, 33, 46f, 162, 196, 241, 244, 254, 260f, 272–281, 285 Konditorei/ Café 52, 267
403
Register Landvogtei 34, 44, 98, 100, 105, 207, 244, 247, 251 Lateinschule 60, 80, 93, 157, 164–166, 170 Marktplatz 29, 41, 65, 105, 209 , 236, 241–244, 246–249, 253–257, 264, 285, 315, 319, 323, 330, 335 Mikwe 277 Mühlenbach 142, 277 Mühlburger Tor 45 Mühlentor 41, 92, 230 Münze 34, 43, 207 Niederemmendinger Tor 92, 220 Pfarrhaus 47 Post 38, 41, 50, 65, 245, 248, 257 Rathaus 29, 37f, 44f, 67, 71, 83, 91, 226, 240–242, 244, 247–253, 257, 260, 265, 285, 335 Realschule 157 Schießrain 196 Schloss 44, 272 Schützenhaus 44 Schule 37, 40f, 47, 157–163, 169f, 256 Spinn-, Näh-, Strickschule 202, 262 Stadtbrückentor 320 Stadtgraben, -mauer 42f Synagoge 163, 188, 272, 276–279, 285, 328 Tabakmanufaktur 56 , 235f Textilmanufaktur 41, 160, 236 Theater 196f, 251 Vorstadt 45 Waisenhaus 40f Waschhaus 44 Wirtshäuser 29, 38, 51f, 56, 71, 87, 132, 184, 187, 191f, 195–197, 209, 216, 219, 231, 233, 235, 241, 244, 251f, 256, 258, 263–273, 277, 285f, 295, 300, 302, 305f, 309, 311f, 316, 320– 322, 335 Zehntscheuer 44 Ziegelei 103 Zollhaus 43 Endingen 22 Erlangen 68 Erlenbach 134, 201 Ettlingen 90 Feuerbach, 80 Franken 236
Frankfurt am Main 20, 41, 50f, 63–66, 76f, 104–106, 183, 188, 195, 213, 216, 236, 249, 313f, 333 Frankreich 73, 183, 188, 261f., 271, 281 Freiamt 235 Freiburg im Breisgau 22, 42, 46, 51f, 54, 78f, 183, 238, 245f, 254, 271, 280, 282, 314, 333 Freistett 177 Fürstenberg (Herrschaft) 50 Furtwangen 271 Genf 184 Glotterbad 242 Göttingen 169, 237 Graubünden 53 Grißheim 272 Großbrittanien 77, 168 Grussenheim 99, 126 Gundelfingen 31, 204, 215 Gutach 120, 229, 232 Hagenau 189 Halle/ Saale 26, 50, 55, 68, 80, 93, 160, 166, 168, 170f, 333, 335 Hanau-Lichtenberg 177 Hanover 77 Hamburg 20 Haßberge 236 Hauingen 165 Hausen 272 Heilbronn 163 Heimbach 254 Hochberg (Oberamt) 14, 19, 22f, 25, 38, 54, 92, 157, 160, 163, 166, 181, 195, 213– 215, 218f, 237, 248, 259, 261, 265–267, 270f, 274, 276f, 283f, 287, 306, 308f, 313, 315, 323, 327, 329, 331, 333, 337 Hochberg (Markgrafschaft) 26, 34f, 41, 50, 57, 160, 275 Hochburg (Burg) 36, 47, 58, 80, 214f Hochburg (Mennonitisches Gut) 58, 272 Hohenlohe (Grafschaft) 65 Hollstein 309 Hornberg 96, 183, 330 Hüffenhard 163 Ihringen 57, 81f, 208, 275, 283, 290 Italien 50, 65 Jena 80, 166f Jebsheim 163
404 Jerusalem 338 Kaiserstuhl 92, 290 Kalte Herberge 50 Kandern 34 Kap der guten Hoffnung 183 Karlsruhe 18, 24f, 41, 45, 54, 57, 60, 68, 79f, 92, 100f, 106, 111, 123, 158, 160, 165, 183, 188, 234, 275, 289, 338 Kassel 179 Kehl/ Rhein 57 Kenzingen 22, 44, 272 Keppenbach 273, 302 Kinzigtal 229 Kippenheim 217, 235f Kirchzarten 271 Koblenz 44, 51, 145, 165, 215 Köndringen 60, 87, 91, 99, 114, 160, 220, 223 Köndringen-Landeck 290 Königschaffhausen 81, 123, 183, 206, 269 Köln 20 Kollmarsreute 25, 31, 57, 92, 236, 290, 316 Kraichgau 283 Kurpfalz 230 Kursachsen 21 La Guillonie 73 La Jalousie (Plantage) 67, 94 Lahr 111, 139, 186, 210, 230, 237, 311, 333 Laichingen 33, 109, 147, 167, 172, 250 Languedoc 73 Landeck 318 Laufen 72 Leipzig 19, 51, 76, 213 Leiselsheim 290 Lindau 85 Lippe 313 Lörrach 53, 80, 165, 214 Lothringen 15, 122, 145, 213, 224, 260 Luxemburg 183 Lyon 18 Magdeburg 18 Mahlberg (Herrschaft) 52f, 82, 218 Maleck 25, 31f, 81, 116, 164, 191, 290, 315, 330 Malterdingen 42, 50, 59f, 85, 173, 214, 290 Mannheim 182 Marckolsheim 126 Mengen 219 Metz 337
Register Montbèliard (Mömpelgard) 182, 187 Mosbach 230 Mühlburg 80 Mühlhausen (Mulhouse) 126, 189 Müllheim 44, 50, 54, 65f, 126, 237 Münster 18 Münstertal 182 Müttersholz (Elsass) Mundingen 31, 43, 57, 108, 200, 228, 263, 269, 272, 288, 317f Nassau 237 Nassau-Zweibrücken 117, 275 Nassig 179 Neckarhausen 109, 212 Neuenstein 65 Niederemmendingen 24–26, 31f, 45, 58, 70, 105, 154, 163, 187f, 191, 195, 216–220, 228, 261, 266, 272, 276, 283f, 288 Nimburg 119, 186, 256, 299 Nimburg-Bottingen 290 Nordamerika 50 Nürnberg 51, 55, 65f, 333 Oberschaffhausen 97 Oberschlesien 130 Österreich 283, 318 Oettingen 117, 195 Offenburg 23, 34, 57, 283, 285 Opfingen 98, 121, 126, 129, 217 Ostschwaben 338 Ottoschwanden 82, 116, 215 Paramaribo 67 Paris 18, 239 Pennsylvania 184 Pfalz 183 Pfersee 338 Pforzheim 50, 68, 70, 73, 93, 101f, 110, 183, 215, 219, 291, 303, 305, 308, 324, 331 Pfullendorf 44, 254 Philadelphia 184 Plobsheim 31 Prechtal 50, 63, 165 Preußen 272 Rappoltsweiler 337 Ravensburg 185 Renchen (Hochstift Straßburg) Rentweinsdorf 236 Reute 45 Rheinbischofsheim 177
405
Register Ries 195 Rötteln 206, 214 Roth bei Nürnberg 51 Rotterdam 184 Rüppur 81 Russland 130, 310 Saarland 260–262 Sachsen 157, 221, 271 St. Peter 51 Savoyen 50, 65, 82 Schaffhausen 33 Schmieheim 82, 154 Schopfheim 188, 206, 225 Schorndorf 51 Schwaben 59 Schwäbisch Hall 73, 188 Schwarzwald 34, 51, 77f, 185, 249, 283 Schweden 83, 168 Schweinfurt 55 Schweiz 33f, 51, 53, 90, 102, 134, 182f, 185f, 256, 283, 336 Sesenheim 69 Sexau 81, 204, 217, 227, 247, 281, 290 Siblingen 102–104 Siegen 314 Simmental 201 Simonswald 290 Solothurn 33 Soultz 126, 134, 188 Speyer 77 Steffisburg 148 Stein bei Pforzheim 72 Steinbiedersdorf 15, 110, 122, 131, 170, 179, 224, 260, 267, 337 Straßburg 39, 48, 51, 56, 80, 86, 130, 145, 167, 182f, 186, 187, 330, 333 Stundweiler 281 Sulzburg 35, 46, 126, 217, 224, 283, 337 Sundhausen 227 Surinam 67 Tannenkirch 214
Tegernau 131 Teningen 42, 78, 81, 87, 115, 187, 203, 208, 218, 247, 290 Tennenbach 54, 252, 255, 272, 282, 299 Tessin 53 Thurgau 33 Tiengen 98, 170, 305 Tirol 34, 282f, 321 Traunstein 74 Tübingen 77, 167 Tuttlingen 116 Ulm 280 Ungarn 89 Vörstetten 63, 165, 187, 191, 235, 300 Vorarlberg 34, 45, 283 Vorderösterreich 33ff, 50, 213 Wagenstadt 281 Wangen/ Elsass 97 Waldkirch 41, 43, 50, 245, 290 Wasser 25, 31f, 115, 162 Weiherhof 25 Weil am Rhein 134 Weisweil 50 Weißenburg/ Elsass 281 Wertheim-Löwenstein (Grafschaft) 179 Wettolsheim 126, 188f Wies 130 Wiesental 96 Wildberg 199 Windenreute 25, 31f, 191, 209, 316 Wöplinsberg 282 Wolfenbüttel 24 Wolfenweiler 94 Württemberg 33, 50, 85f, 89, 121, 147, 182, 185, 199, 208, 229, 232, 250, 278 Würzburg 183 Zeismatt 25 Zürich 33, 202
v i e r te l j a h r s c h r i f t f ü r s o z i a l u n d w i r t s c h a f t s g e s c h i c h te – b e i h e f te
Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0846
174.5 Ulrich Hensler Die Stahlkontingentierung im Dritten Reich 2008. 183 S. mit 9 Abb. und 21 Tab., kt. ISBN 978-3-515-08985-2 175. Rolf Walter (Hg.) Geschichte des Konsums Erträge der 20. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschafts geschichte vom 23. bis 26. April 2003 in Greifswald 2004. 452 S., kt. ISBN 978-3-515-08540-3 176. Georg Altmann Aktive Arbeitsmarktpolitik Entstehung und Wirkung eines Reformkonzepts in der Bundesrepublik Deutschland 2004. VI, 289 S., kt. ISBN 978-3-515-08606-6 177. Arnd Reitemeier Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters Politik, Wirtschaft und Verwaltung 2005. 722 S., geb. ISBN 978-3-515-08548-9 178. Hans Pohl Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme Ausgewählte Aufsätze 2005. 1. Band: XII, 1–872 S., 2. Band: VIII, 873–1333 S., geb. ISBN 978-3-515-08583-0 179. Moritz Isenmann Die Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld in der Frühen Neuzeit Sekretariat, Computisterie und Depositerie der Monti vom 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert 2005. 182 S., kt. ISBN 978-3-515-08523-6 180. erscheint nicht 181. Henning Trüper Die Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte und ihr Herausgeber Hermann Aubin im Nationalsozialismus
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Über Macht und Autonomie der Aachener Eisenhüttenkunde 1870–1914 2009. 472 S. mit 22 Abb. und 5 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09348-4 205. Markus A. Denzel / Margarete Wagner-Braun (Hg.) Wirtschaftlicher und sportlicher Wettbewerb Festschrift für Rainer Gömmel zum 65. Geburtstag 2009. 438 S. mit 33 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09373-6 206. Sabine von Heusinger Die Zunft im Mittelalter Zur Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Straßburg 2009. 662 S. mit 5 Abb., 30 Tab., 9 Zeichn. und CD-ROM ISBN 978-3-515-09392-7 207. Verena Postel Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter 2009. 189 S., kt. ISBN 978-3-515-09393-4 208. Beate Sturm ,wat ich schuldich war‘ Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550–1750) 2009. 336 S. mit 46 Abb. und 18 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09431-3 209. Hendrik Mäkeler Reichsmünzwesen im späten Mittelalter Teil 1: Das 14. Jahrhundert 2010. 328 S. mit 13 Ktn., 3 Diagr. und 2 Münztaf., geb. ISBN 978-3-515-09658-4 210. in Vorbereitung 211. Volker Ebert / Phillip-Alexander Harter Europa ohne Fahrplan? Anfänge und Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957–1985) 2010. 278 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09693-5 212. Volker Ebert Korporatismus zwischen Bonn und Brüssel Die Beteiligung deutscher Unternehmensverbände an der Güterverkehrspolitik
(1957–1972) 2010. 452 S. mit 4 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09692-8 Markus A. Denzel / Jan de Vries / Philipp Robinson Rössner (Hg.) Small is Beautiful? Interlopers and Smaller Trading Nations in the Pre-industrial Period Proceedings of the XVth World Economic History Congress in Utrecht (Netherlands) 2009 2011. 278 S. mit 27 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09839-7 214. Rolf Walter (Hg.) Globalisierung in der Geschichte Erträge der 23. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 21. März 2009 in Kiel 2011. 273 S. mit 29 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09851-9 215. Ekkehard Westermann / Markus A. Denzel Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 2011. 526 S. mit 1 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09899-1 216. Frank Steinbeck Das Motorrad Ein deutscher Sonderweg in die automobile Gesellschaft 2011. 346 S. mit 17 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10074-8 217. Markus A. Denzel Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621–1827) 2012. 341 S. mit 24 Abb. und 44 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10135-6 218. Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477) 2012. 352 S. mit 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10132-5 219. Philipp Robinson Rössner Deflation – Devaluation – Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation 2012. XXXIII, 751 S. mit 39 Abb. und 22 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10197-4 213.
isbn 978-3-515-10239-1
VSWG-B 220
Michaela Schmölz-Häberlein
Kleinstadtgesellschaft(en) Weibliche und männliche Lebenswelten im Emmendingen des 18. Jahrhunderts
Kleinstadtgesellschaft(en)
statisch war, sondern eine beträchtliche demographische und wirtschaftliche Dynamik aufwies sowie von geographischer und sozialer Mobilität geprägt war. Außerdem lebte die lutherische Bevölkerungsmehrheit hier mit Angehörigen unterschiedlicher konfessioneller und religiöser Minderheiten – Katholiken, Reformierten, Täufern, Juden – auf engem Raum zusammen. Ein besonderes Augenmerk der Autorin liegt auf den spezifischen Handlungsspielräumen, Lebenswelten und Erfahrungen von Frauen.
www.steiner-verlag.de
Geschichte
Franz Steiner Verlag
Franz Steiner Verlag
Schmölz-Häberlein
Obwohl Kleinstädte mit weniger als 2000 Einwohnern die Städtelandschaft des Alten Reiches maßgeblich prägten, liegen bislang nur wenige Untersuchungen zu ihrer Sozial- und Kulturgeschichte vor. Diese Studie zur badischen Amtsstadt Emmendingen rekonstruiert auf breiter Quellengrundlage gesellschaftliche Entwicklungen, ökonomische Aktivitäten, materielle Kultur, Lebensläufe und familiäre Konflikte in einer ‚typischen‘ südwestdeutschen Kleinstadt des 18. Jahrhunderts. Michaela Schmölz-Häberlein zeigt, dass diese Kleinstadtgesellschaft keineswegs
VSWG – Beihefte 220