Kleine Schriften zum öffentlichen Recht: Hrsg. von Erk Volkmar Heyen. 2 Bände. Bd. I: Verwaltungsrecht. Bd. II: Verfassungsrecht - Kirchenrecht - Völkerrecht [1 ed.] 9783428449880, 9783428049882


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German Pages 700 [702] Year 1981

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Kleine Schriften zum öffentlichen Recht: Hrsg. von Erk Volkmar Heyen. 2 Bände. Bd. I: Verwaltungsrecht. Bd. II: Verfassungsrecht - Kirchenrecht - Völkerrecht [1 ed.]
 9783428449880, 9783428049882

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OTTO MAYER

Kleine Schriften zum öffentlichen Recht Band I

OTTO MAYER

Kleine Schriften zum öffentlichen Recht Herausgegeben von

Erk Volkmar Heyen Band I

Verwaltungsrecht

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Die als Frontispiz wiedergegebene Photo graphie, welche um 1908 entstanden ist, gehört zu der vom Verlag L. Pernitzsch seinerzeit vertriebenen "Leipziger Professoren-Serie". Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten. © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04986 1 (Band 1) ISBN 3 ~8 04988 8 (Gesamtausgabe)

Vorwort Hundert Jahre sind es her, daß dem Verwaltungsrecht durch die preußische Studienreform endgültig ein eigenes Gewicht in der deutschen Juristenausbildung zugewiesen worden ist, hundert Jahre auch, daß Otto Mayer (1846 - 1924) sich an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg habilitiert und Verwaltungsrecht zu lesen begonnen hat. Sein 1895/96 in erster Auflage erschienenes "Deutsches Verwaltungsrecht" gilt heute als ein Klassiker der deutschen, ja der europäischen Verwaltungsrechtswissenschaft. Die Auseinandersetzung mit diesem Werk hat zuletzt noch die Entwicklung der bundesdeutschen Verwaltungsrechtswissenschaft in erheblichem Maße bestimmt. Die Auffassungen sind bekanntlich geteilt. Die hier vorgelegte Sammlung kleiner öffentlichrechtlicher Schriften möchte zu einer umfassenderen Betrachtung einladen und sie erleichtern. Im Zentrum stehen die verwaltungsrechtlichen Arbeiten. Ihnen gilt der I. Band, dessen Gliederung in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil der Anlage und dem Verständnis des "Deutschen Verwaltungsrechts" entspricht. Der 11. Band umfaßt die über das Verwaltungsrecht hinausgreifenden und größere Zusammenhänge eröffnenden Arbeiten. Es war anfänglich beabsichtigt, eine Auswahl wichtiger Rezensionen in die Sammlung mit aufzunehmen. Denn sie gewähren aufgrund ihrer Lebendigkeit und Frische Einblick in Mayers wissenschaftliche Werkstatt, wo noch nicht alles so aufgeräumt und geglättet erscheint wie in seinem Handbuch. Finanzielle Rücksichten standen der Verwirklichung dieser Absicht am Ende entgegen. Der Wieder abdruck erfolgt im wesentlichen unverändert. Rechtschreibung und Zeichensetzung innerhalb ein und desselben Textes wurden vereinheitlicht, sofern sich ein überwiegender Gebrauch feststellen ließ. Diese Abweichungen vom Original erfolgen stillschweigend, ebenso die Berichtigung offenkundiger Druckfehler. Einige Titel haben geringfügige Ergänzungen erfahren. In Anlehnung an "Schifffahrtsabgaben 11" ist Mayers erste Abhandlung über "Schiffahrtsabgaben" mit dem Zusatz "I" versehen worden. In gleicher Weise durchnumeriert wurden die drei Abhandlungen über "Eisenbahn und Wegerecht". Ferner erschien es angemessen, bei den Untertiteln der Vorträge und Reden zu einer gewissen Vereinheitlichung zu kommen und Hinweise auf Anlaß, Ort und Zeit auch dann als Untertitel anzuführen,

VI

Vorwort

wenn ihnen im Original nur die Form der Anmerkung gegeben ist. Die ursprünglichen Titel lassen sich der Bibliographie entnehmen. Der Titel der bisher unveröffentlichten Königsgeburtstagsrede stammt von Mayer selbst. Aus dem Rektoratsbericht der Universität Leipzig für das Jahr 1914/15 ergibt sich, daß die Rede nicht am Geburtstag des sächsischen Königs selbst, sondern anläßlich einer Vorfeier am 20. Mai 1915 gehalten worden ist. Das der Rede zugrunde gelegte Manuskript hat Mayer später weiter ausgearbeitet. Diese Ausarbeitung wurde unter dem Titel "Völkerrecht und Völkermoral" 1918 auch veröffentlicht. Angesichts der Bedeutung der vorgenommenen Änderungen war es aber angezeigt, durch den Abdruck der ursprünglichen Rede die Fortentwicklung des Gedankenganges vor Augen zu führen. Das in privater Hand verwahrte Manuskript ist teils mit der Maschine, teils mit Tinte oder Bleistift geschrieben, bedurfte aber nur einer rein redaktionellen Bearbeitung. Vor allem wurden Absätze eingefügt und die Schreibweise den handschriftlichen Eintragungen entsprechend vereinheitlicht, ansonsten aber keine Berichtigungen vorgenommen. Um diese Sammlung zu einem brauchbaren Arbeitsmittel auszugestalten, welches auch beim Studium der Sekundärliteratur den Rückgriff auf das Original erspart, wird überall die ursprüngliche Seitenzählung mit aufgeführt. Die Abkürzungs-, Sach- und Namenregister sollen den Zugang verbessern. Schließlich wird eine umfassende Bibliographie beigefügt. Den Erben Mayers, dem Verlag und dem Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer sei dafür gedankt, daß sie diese Sammlung ermöglicht haben. Speyer im März 1981

Der Herausgeber

Inhalt Band I

VERWALTUNGSRECHT Vorwort des Herausgebers ............................................

V

Abkürzungsverzeichnis ................................................ IX Allgemeiner Teil Zur Lehre vom öffentlichrechtlichen Vertrage (1888)

3

Justiz und Verwaltung (1902) ..........................................

62

Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft in Verwaltungssachen (1907)

78

Die Haftung des Staats für rechtswidrige Amtshandlungen (1913) ...... 127

Besonderer Teil Zur Frage der reichsrechtlichen Regelung des Vereinswesens (1898) .... 149 I (1900)

155

Eisenbahn und Wegerecht II (1901)

181

Eisenbahn und Wegerecht III (1901)

216

Eisenbahn und Wegerecht

Die Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht (1904) ...... 245 Der gegenwärtige Stand der Frage des öffentlichen Eigentums (1907) .. 261 Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit im öffentlichen Recht (1908) .............................................................. 278 Neues vom öffentlichen Eigentum (1920)

354

Finanzwirtschaft und Finanzrecht (1926)

368

VIII

Inhalt Band II VERFASSUNGSRECHT-KIRCHENRECHT-VöLKERRECHT Volk, Staat und Recht

Festrede (1911) ........................................................

3

Fichte über das Volk (1913) ............................................

8

Der Wert des Völkerrechts (1915) ......................................

16

Völkerrecht und Völkermoral (1918) ....................................

27

Das Deutsche Reich und seine Verfassung Republikanischer und monarchischer Bundesstaat (1903) ................

55

Die Elsass-Lothringische Verfassungsfrage (1905) ......................

80

Schiffahrtsabgaben I (1907) ............................................

85

Studien zur Rheinschiffahrtsakte (1907) ................................ 125 Schiffahrtsabgaben II (1910) .......................................... 143 Zur vorläufigen Reichsverfassung (1919) .............................. 187 Kirche, Staat und Remt Portalis und die organischen Artikel (1902) ............................ 193 Fameck (1904) ........................................................ 204 Zum Toleranzantrag des Zentrums (1905) .............................. 210 Staat und Kirche (1906) ................................................ 221 Die Neuorientierung und ihr Einfluß auf die Kirche (1918) ............ 257 Bibliographie ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 267 Sach- und Namenverzeichnis .......................................... 285

Ahkürzungsverzeichnis Aufgeführt werden hier nur jene Abkürzungen, die nicht allgemein geläufig und nicht ohne weiteres verständlich sind. Abg.

Abgeordneter

A. L. R.

Allgemeines Landrecht

AnI.

Anlage

Annalen

Annalen des Deutschen Reichs

Arch. f. civ. Pr.

Archiv für die civilistische Praxis

B.G.B.

Bürgerliches Gesetzbuch

BI. f. adm. Pr.

Blätter für administrative Praxis

BI. f. R.-A.

Blätter für Rechtsanwendung, zunächst in Bayern

Cass.

Cour de Cassation

C.c.

Code civil

Cod.Max.

Codex Maximilianeus

Conrad's Jahrb.

Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, begr. von Conrad

C. P. 0., Civ. Pr. O.

Civilprozeßordnung

D.

Deutsch

Dr.adm.

Droit administratif

Drucks.

Drucksache

E.G.

Einführungsgesetz

Eger Entsch.

Eisenbahnrechtliche (ab 1911: Eisenbahn- und verkehrs rechtliche) Entscheidungen und Abhandlungen, hrsg. von Eger

E.-L.

Elsaß-Lothringen

Entw.

Entwurf

Fischer's Z.

Zeitschrift für Praxis und Gesetzgebung der Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, hrsg. von Fischer (ab 1900: Fischer's Zeitschrift für Praxis und Gesetzgebung der Verwaltung)

Fr.G.-Ges.

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

x

Abkürzungsverzeichnis

G.

Gesetz

G.-BI.

Gesetzblatt

G.B.O.

Grundbuchordnung

Gern.

Gemeinde, gemein

Ges.

Gesamt

Gesch.

Geschichte

Gew.-O., G.-O.

Gewerbeordnung

Gruchot's Beitr.

Beiträge zur Erläuterung des Deutschen (bis 1871: preußischen) Rechts, begr. von Gruchot

Grünhut's Ztschft.

Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begr. von Grünhut

Hartmann's Ztschft.

Zeitschrift für Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiete des Deutschen öffentlichen Rechtes, hrsg. von Hartmann

H.G.B.

Handelsgesetzbuch

Hirth's Annalen

Annalen des Deutschen Reichs, begr. von Hirth

Holtzendorff's Jahrb.

Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege des Deutschen Reiches, hrsg. von Holtzendorff

H. R., Hand.-R.

Handelsrecht

Ihering's Jahrb.

Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen Rechts und deutschen Privatrechts (ab 1897: Iherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts)

Inst.

Institutionen

1. V.G.

Invalidenversicherungsgesetz

J.B.P.

Jus Belli et Pacis

J. du Pa!.

Journal du Palais

J.G.

Jus Gentium

J.N.

Jus Naturae

K.-K.-H.

Kompetenzkonfliktshof

Kom.

Kommentar, Kommission

Krit. Vierteljahresschr. Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Linde's Ztschft.

Zeitschrift für Civilprozeß und Recht, hrsg. von Linde

Lit. Centr. BI.

Literarisches Centralblatt für Deutschland

L.R.

Landesrecht

L.V.G.

Landesverwal tungsgesetz

Abkürzung!'verzei chnis Mat.

Materialien

Min.-Bl.

Ministerialblatt

Mot.

Motive

N.F.

Neue Folge

NRT.

Norddeutscher Reichstag

Öff. R.

Öffentliches Recht

O.L.G.

Oberlandesgericht

O.-Tr.

Obertribunal

O.V.G.

Oberverwaltungsgericht

Pand.

Pandekten

Pr.

Praxis, preußisch

Proleg.

Prolegomena

Prot.

Protokoll

Pr.-R.

Privatrecht

Pr. VBl.

Preußisches Verwaltungsblatt

R.

Recht, Reich

R. A. O.

Reichsabgabenordnung

R.B.G.

Reichsbeamtengesetz

XI

Rechtsg.

Rechtsgeschichte

Reger Entsch.

Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden aus dem Gebiete des auf reichsgesetzlichen und gemeinrechtlichen Bestimmungen beruhenden Verwaltungs- und Polizeistrafrechts, begr. von Reger

Rep.

Repertoire

R.G.

Reichsgericht

R.-O.-H.-G.

Reichsoberhandelsgericht

R.-Pfl.

Rechtspflege

RTV.

Reichstagsverhandlungen

R.-V., R. Verf.

Reichsverfassung

Schmoller's Jahrb.

Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hrsg. von Schmoller (ab 1913: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich)

Seuffert's Archiv

Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten

St.

Staat

Staatsw., Stswiss.

Staa tswissenschaft

XII

Abkürzungsverzeichnis

Steno Ber.

Stenographische Berichte

st. G. B.

Strafgesetzbuch

St. P. O.

Strafprozeßordnung

St. R.

Staatsrecht

Striethorst's Archiv

Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des Kgl. Ober-Tribunals gelangt sind, hrsg. von Striethorst

Tr.

Traite

Tüb. Ztschft.

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

V., Verw.

Verwaltung

Verf.

Verfassung

Verh.

Verhandlungen

V.G.H.

Verwaltungsgerichtshof

V.R.

Verwaltungsrecht, Völkerrecht

V.-R.-Pfl.

Verwal tungsrechtspflege

Zeitg. d. Vereins Deutsch. Eisenbahn. V. Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen Ziv.-R.

Zivilrecht

ZKR.

Zeitschrift für Kirchenrecht

Ztg.

Zeitung

Ztschft. f. C. P.

Zeitschrift für deutschen Civilprozeß

Ztschft. f. Stf. R. W.

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

ZVV.

Zollvereinigungsvertrag

Allgemeiner Teil

Zur Lehre vom öffentlichrechtlichen Vertrage* Soll die Verwaltungsrechtswissenschaft als gleichberechtigte juristische Disciplin neben die älteren Schwestern treten, so muss sie ein System von eigenthümlichen Rechtsinstituten der staatlichen Verwaltung sein. Gerade von diesem Standpunkte aus wurde ihr neuerdings durch die gewichtige Stimme Labands 1 die Daseinsberechtigung I abgesprochen.

* Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 3 (1888), S. 3 - 86. 1 Arch. f. Öff. R. II, S. 155 ff. Inzwischen hat Edg. Löning einen Feldzug gegen die ganze "konstruktive Methode" eröffnet und sich insbesondere meines Buches über das franz. V.R. bedient, um die Gefahren derselben darzuthun (SchmoHer's Jahrb. XI, 2, S. 117 ff. und vorher schon im Lit. Centr.Bl.). Ich möchte ein paar Punkte daraus hervorheben, nur weil sie so bezeichnend sind für die wahre Natur dieses Methodenkampfes. L. beginnt mit der schwierigen Frage der Abgrenzung des Gebietes der Regierung (gouvernement) von dem der Verwaltung und glaubt hier alle "willkürlichen Konstruktionen" entbehrlich zu machen durch eine praktische Lösung: es handelt sich nur darum, durch eine gründliche Untersuchung der Entscheidungen des Staatsrathes festzustellen, welche Akte des Staatsoberhauptes derselbe von seiner verwaltungsgerichtlichen Kompetenz ausschliesst. Nun gibt es aber auch viele Akte des Staatsoberhauptes, welche dem Gebiete der Verwaltung angehören und über welche der Staatsrath sich weigert, im contentieux zu erkennen, nämlich alle decrets administratifs, welche mit freiem Ermessen erlassen werden als actes de pure administration. Diese werden nach jenem praktischen Merkmal unterschiedslos einbegriffen werden und eine Abgrenzung des Gebiets der Regierung erhalten wir also nicht. Der ganze Vorschlag beruht auf einem handgreiflichen Denkfehler: es ist ja richtig, dass alle Akte der Regierung der V.-rechtspflege entzogen sind; aber man darf einen derartigen Satz doch nicht ohne weiteres umkehren und sagen, es ist alles Akt der Regierung, worüber eine V.-rechtspflege nicht stattfindet. Wegen der Lehre von der Zuständigkeit der franz. V.-gerichte verweist dann L. auf das Muster seiner Darstellung in Hartmann's Ztschft VI, 12 ff. Ob er aber wohl glaubt, Jemanden über das Wesen der ordentlichen V.-streitsache, des aete du eontentieux, aufgeklärt zu haben, indem er dort die Redensart der franz. Juristen abschrieb: es müsse sich um ein verletztes subjektives Recht handeln? Ich suchte nachzuweisen, dass ein sog. subjektives Recht überall angenommen werde, wo ein bestimmtes Verhältniss des Einzelnen zum Staate bereits geschaffen worden ist, durch ein V.-gesetz, welches ihn trifft, oder durch einen V.-akt, welcher über ihn ergangen ist, und jetzt der neue V.-akt nur aussprechen soll, was demgemäss für den konkreten Fall schon gewollt ist, als ein erklärender, gebundener V.-akt. L. will mir nun Beispiele entgegenhalten von gebundenen V.-akten in diesem Sinne, in welchen keine V.-rechtspflege stattfindet. Dergleichen sollen sich zahlreiche bei Chauveau proeed. adm. I, 70 finden. Allein dort handelt es sich einfach um mangelnde Aktivlegitimation und ähnliche Dinge, denen man auf den l'

4

öffentlichrechtlicher Vertrag

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Der Grund ist einfach: es ist nicht Stoff genug vorhanden. In dem Verhältnisse der Verwaltung zu den Unterthanen gibt es nur eine einzige eigenthümlich öffentlichrechtlliche Form staatlicher Einwirkung; das ist der Befehl. Also kann es sich nur darum handeln, "Conglomerate" zu machen aus den Begriffen, Formen und Rechtsinstituten, welche die anderen wahren rechtswissenschaftlichen Disciplinen fertig liefern, Conglomerate aus viel Civilrecht, etwas Strafrecht und Process, und dazwischen das staatsrechtliche Rechtsinstitut des Befehls. An solchem Massstabe gemessen, musste allerdings die französischrechtliche Lehre vom öffentlichrechtlichen Vertrage als die "bedenklichste von allen" erscheinen, nicht bloss deshalb, weil sich hier etwas Vertrag nennt, was keiner sein soll, sondern auch und mehr noch deshalb, weil ein eigenthümliches öffentlich rechtliches Rechtsinstitut damit behauptet wird, welches von einem Befehle so wenig hat als möglich. Gerade darum ist aber dieser Begriff auch wieder so bezeichnend für die Grundauffassung, von welcher er getragen wird, und so besonders geeignet, die vorhandenen Gegensätze zur Anschauung zu bringen. Er bildet ein markantes Rechtsinstitut. Unter diesem Gesichtspunkte möchten wir ihn hier betrachten. I ersten Blick ansieht, dass sie nicht hieher gehören. L. erklärt diese Beispiele für nicht verständlich für seine Leser und gibt dafür ein selbstgemachtes: es ergeht ein Gesetz, dass eine Heerstrasse von X nach Y gebaut werden soll; weder die beiden Städte noch die anliegenden Grundbesitzer, trotz ihres grossen Interesses, haben eine Klage auf Herstellung der Strasse; und "unzweifelhaft" wäre doch jetzt ein gebundener V.-akt in meinem Sinne zu machen. Nun denn, solch ein Gesetz kann eine Geldbewilligung bedeuten oder eine Ermächtigung zur Expropriation; an ein Gesetz, welches einer Stadt oder einer Anzahl von Grundbesitzern eine Strasse gewährt und zusichert, wird wohl nicht zu denken sein. Ein fertiges Verhältniss des Staates zu den Einzelnen ist also hier gar nicht begründet, ein gros ses Interesse derselben an der Ausführung des Beschlusses, ja; aber ist das denn so ganz das Nämliche? Wer einen Begriff ad absurdum führen will, muss doch vor Allem im Stande sein, ihn festzuhalten. In dieser Weise wird aber hier durchweg mit allen begrifflichen Unterschieden umgegangen. Sage ich: die Polizeiverordnungsgewalt ist vom Gesetze den Behörden im Zweifel nur delegirt zur Beherrschung des Lebens, welches sich an öffentlichen Orten bewegt, so wendet sich L. gegen die Behauptung: nur das Leben, welches sich an öffentlichen Orten bewegt, sei Objekt der polizeilichen Thätigkeit überhaupt. Sage ich: die Polizei kontravention sei gestaltet nach dem Muster der Verletzung einer civilrechtlichen Verbindlichkeit nach dem c. c., so erwidert L.: jedes Strafgesetz begründe eine Verbindlichkeit. Sage ich: im Gegensatze zu den Befehlen, mit welchen der Staat nur die Wirksamkeit der Mittel seiner öffentlichen Anstalten sichert und unterstützt, wie Schulzwang, Tabakmonopol, sei der Polizeibefehl auf die Herstellung gewisser Gemeinzustände gerichtet, verfolge also unmittelbar den ideellen Zweck, so heisst es: also die Polizei über die Bordelle verfolgt ideelle Zwecke, die Schulen und Akademien nicht. U. s. w. Man sieht, was hier vorliegt, ist nicht ein Gegensatz der Methode, sondern eine Meinungsverschiedenheit über das Mass von Genauigkeit, welches man bei Verfolgung abstrakter Gedankengänge verlangen kann.

6/7

Öffentlichrechtlicher Vertrag

5

1. Wenn wir zunächst einen Blick werfen auf das, was neuere Untersuchungen auf dem Gebiete des römischen Rechts hier zu Tage gefördert haben, so dürfte das nicht zu weit ausgeholt sein. Der Staat der römischen Republik ist dem unsrigen von heutzutage verwandter als der Feudal- oder Patrimonialstaat. Nur entwickeln sich dort aus dem gleichen Begriff alle Folgerungen ungemildert und ungebrochen in klassischer Reinheit. Zwischen dem römischen Staate und seinen Bürgern gilt nicht das jus civile, noch die bürgerliche Rechtspflege. Auch im einfachen, vermögensrechtlichen Verkehre macht sich die majestas populi Romani noch bemerkbar. Der gleiche wirthschaftliche Stoff mag die Rechtsverhältnisse zwischen dem Staate und dem Einzelnen erfüllen, wie die zwischen den Einzelnen unter sich: das Rechtsverhältniss selbst ist im ersteren Falle jedesmal ganz anderer und zwar öffentlichrechtlicher Natur. So entsteht neben dem System der Privatrechtsinstitute ein "correspondirendes" System von Verwaltungsinstituten: Eigenthum, Freilassung, Forderung, Schuld u. s. w. finden sich sowohl im Gemeindevermögensrecht, als im Privatvermögensrecht, aber in einer "völligen Ungleichheit der Ausprägung"2. Unter diesen Rechtsinstituten des öffentlichen Rechts erscheinen auch Verträge, die Namens des Staates abgeschlossen werden. Das Amt, welches mit der Führung des Gemeindehaushalts vorzugsweise betraut ist, das des Censor, bietet die Hauptanwendungsfälle und die censorischen Verträge sind der Mittelpunkt der Lehre. Was von diesen zu sagen ist, gilt aber im Wesentlichen gleichmässig von den anderen öffentlichrechtlichen Verträgen, insbesondere von dem allen Magistraten gemein-I samen Apparitorenvertrage, dem Seitenstücke unserer Beamtenanstellung 3 • Der Censor verpachtet staatliche Gefälle (vectigalia), verdingt öffentliche Arbeiten (vermöge der ultra tributa), verkauft eingezogenes Vermögen (bonorum sectio) und das Vermögen von Schuldnern und Bürgen des Staates (venditio lege praediatoria). Die Rechtsgeschäfte werden in öffentlicher Versteigerung vorgenommen. Die Grundlage bildet jedesmal eine vom Censor aufgestellte lex contractus, welche die Rechte und Pflichten des Ansteigerers bestimmt. Die allgemeinen Bestimmungen dieser leges censoriae werden allmählich zu stehenden Formularen, von 2 Mommsen, Röm. St.-R. I, S. 162 ff.; derselbe in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 260 ff. Ebenso Heyrovsky, Ueber die rechtliche Grundlage der leges contractus, S. 15; Pernice in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. V, S. 2 ff. 3 Mommsen, St.-R. I, S. 318 ff.; derselbe in Ztschft f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 268 ff.

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Öffentlichrechtlicher Vertrag

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welchen man nicht leicht abweicht; sie nehmen, wie man sagt, einen tralaticischen Charakter an, gleich den Edikten der Prätoren und Aedilen. Wirksam werden sie im Einzelfall durch den Zuschlag des Censor (addictio), mit welchem das Rechtsgeschäft zum Abschluss kommt. Ein solcher Akt unterscheidet sich sehr erheblich von den entsprechenden Rechtsgeschäften zwischen Privaten. Während die Letzteren noch gebunden sind an die Einhaltung fester Formen, mit welchen allein sie die Anerkennung und den Schutz der Rechtsordnung sich zu erwerben vermögen, wirkt hier von Anfang an schon die einfache Willenserklärung. Die Wirkungen selbst gehen in vieler Beziehung über das hinaus, was ein formgerechtes Privatrechtsgeschäft zu erzielen vermöchte: es entstehen Universalsuccessionen, volle Uebertragungen von Forderungen dem Rechte nach, dem Abgabenpächter wird das Pfändungsrecht (die pignoris capio) gegen die Abgabenpflichtigen verliehen, Rechte und Pflichten Dritter werden festgesetzt, bindend für diese und den Ansteigerer. Am auffallendsten aber ist der Ausschluss des Civilrechtsweges: der nämliche Beamte, welcher in Vertretung des Staates I den Vertrag abschliesst, entscheidet bei entstehenden Schwierigkeiten über die daraus fliessenden Ansprüche beider Contrahenten gegen einander, gewährt, als Richter und als Vertreter des Gemeindevermögens zugleich, dem Ansteigerer, was ihm gebührt, stellt andererseits fest, was dieser dem Staate schuldet, und zwingt ihn zu Erfüllung oder Schadensersatz4 • Woher kommt das Alles? Woher kommt es, dass der censorische Vertrag so besonders wirkt und dass er überhaupt wirkt? Die romanistische Rechtswissenschaft verweist uns zur Erklärung auf die öffentlichrechtliche Natur des Geschäftes; da sie aber zum Glück die Scheu vor den "Gefahren der constructiven Methode" nicht theilt, so sagt sie uns auch, auf welche Weise aus der öffentlichrechtlichen Natur des Geschäftes jene Besonderheiten sich ergeben. Oeffentlichrechtlich ist das Geschäft, weil der Staat mit seiner Souveränetät, Machtvollkommenheit, auctoritas, unmittelbaren Gewalt, mit seinem eminenten Recht darin auftritts. Dass dieser Wille des Staates ohne Weiteres massgebend wirkt für die Einzelnen wie für die Behörden, ist selbstverständlich; würde man noch besondere Formen von ihm verlangen, "so wäre damit ausge4 Vgl. über alle diese Abweichungen: Heyrovsky, S. 15 ff.; Bechmann, Der Kauf nach gern. Recht I, S. 456. 5 Ausdrücke von Heyrovsky, S. 75; Rivier, Untersuchungen über die cautio praedibus praediisque S. 19, 20; Zimmermann, de notione cautionis S. 16; Bachofen, rörn. Pfandrecht S. 220; Münderloh in Ztschft. f. Rechtsgesch. XII, S. 213, 214; Mommsen in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 270 Anrn., S. 271.

8/10

Öffentlichrechtlicher Vertrag

7

sprochen, dass sein Wille nicht schon als Wille des Staates vollgenügend ist, sondern sich erst selbst wieder durch Beobachtung gewisser Formen um die staatliche Garantie bemühen muss"6. Der staatliche Wille, der Alles ausmacht, erscheint in dem Geschäfte durch das Organ des Censor. Man kann daher sagen, die Wirksamkeit des Geschäftes beruht auf der Amtsgewalt des I Letzteren. Die magistratische Willenserklärung, welche allein das Rechtsverhältniss schafft und trägt, ist also mehr als eine blosse Vertragseinwilligung, sie ist ein einseitiger, rechtsbegründender Akt, dem Gesetze vergleichbar 7• In dieser Auffassung, welche als die herrschende bezeichnet werden darf, sind die festen und ausreichenden Grundlagen gegeben für die juristische Gestaltung des ganzen Rechtsinstituts des censorischen Vertrags, die ja natürlich eine höchst eigenartige sein muss. Im Hinblick auf das, was unsere heutige Staatsrechtswissenschaft interessirt, dürften vor Allem zwei Punkte hervorzuheben sein. 1. Es ist bezeichnend für die Macht der civilrechtlichen Gewöhnung, dass man auch in der romanistischen Theorie mehrfach mit der Thatsache, dass die Amtsgewalt des Censor die Rechtswirkungen des censorischen Vertrages hervorbringt, so allein nicht auskommen zu können glaubt; man empfindet das Bedürfniss, noch einen Rechtssatz daneben zu haben. Rechtsgeschäfte brauchen nun einmal nach Civilrecht, um gültig und wirksam zu sein, einen Rechtssatz, der in ihnen zur Anwendung kommt; ohne einen solchen kann man sich auch das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft nicht denken.

Das kommt auf verhältnissmässig unschädliche Weise zum Ausdruck in der Bezeichnung des censorischen Vertrages als einer lex specialis8 • Das öffentliche Recht gibt keine oder keine ausreichenden Rechtssätze für jene Rechtsgeschäfte. Daher "schrieb I in jedem einzelnen Falle die Staatsgewalt die Regeln, welche für das betreffende Rechtsgeschäft gelten sollen, besonders vor"9. Diese Rechtssätze freilich verschmelzen sich unmittelbar mit ihrer Anwendung auf die dem Censor gegenüberstehende Person und gehen in ihren Wirkungen nicht über diesen Fall hinaus; es sind lauter privilegia. 8 7

Bechmann, I, S. 442 Anm. Karlowa, röm. Rechtsgesch. I, S. 245, Anm. 1: "Sie leiten ihre Kraft her

aus der den Magistraten mit ihrem Amte ertheilten Vollmacht, den populus bei Abschluss solcher Geschäfte zu vertreten. Es sind Kundgebungen des Volkswillens vergleichbar den leges datae." Heyrovsky, S. 76, S. 81; Hölder in krit. Vierteljahrsschrift XXV, S. 313 ff. - Die Einwürfe, welche früher, namentlich von Bruns, z. Gesch. d. Cession S. 45 ff., und Göppert, in Ztschft. f. Rechtsg. N. F. IV, S. 254 ff. gemacht worden waren, scheint Heyrovsky, S. 70 ff. genügend widerlegt zu haben. . 8 Rudorf in Ztschft. f. Rechtsgesch. VIII, S. 87; H. 8 Heyrovsky, S. 83.

8

OffentIichrechtlicher Vertrag

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Thatsächlich erhält dadurch der censorische Akt keine grössere Bedeutung, als wenn er nicht Rechtssatz hiesse; seine Stellung im Rechtsgeschäft wird auch nicht geringer dadurch, dass er so genannt wird. Nur der Begriff des Rechtssatzes ist es, dem hier Misshandlung widerfahren sein könnte 10 • Dagegen würde allerdings die Natur unseres Rechtsinstituts erheblich geändert durch die von Pernice vertretene Theorie, welche das gleiche subjektive Bedürfniss des Civilisten durch eine äusserliche Zuthat befriedigen will.

Pernice ll wendet sich zunächst gegen die Gesetzeseigenschaft der lex contractus. Dieselbe ist überflüssig. Die Befugniss zur Eingehung der Verträge haben die Censoren durch die Ermächtigung des Volkes. "Und das ist die gesetzliche Grundlage für die Geltung der Verträge." Damit hätten wir eigentlich genug. Aber auch Pernice bedarf noch eines Rechtssatzes, der dem Akte die Wirksamkeit verleiht; denn "selbstverständlich" kann der Rechtsgrund dafür nicht in ihm selbst liegen: dieser Rechtsgrund liegt vielmehr in der allgemeinen Anschauung, dass I Verträge gehalten werden müssen, im Gewohnheitsrecht, mos majorum. Ist ja doch der Staat auch an seine völkerrechtlichen foedera gebunden ohne gesetzliche Vorschrift, allein durch die fides 12 • Die Zusammenstellung des völkerrechtlichen und des staatsrechtlichen Vertrages ist sehr lehrreich. Ersterer allerdings bindet nur durch die Kraft der Anschauung, der fides; die Bindung ist auch danach! Wenn man damit den censorischen Vertrag vergleicht, so leuchtet sofort ein, dass der Ansteigerer erheblich stärker gebunden ist. Die dem Censor verliehenen Gewalten sichern die Ansprüche des Staates gegen ihn mit einer Kraft und Strenge, wie sie das Civilrecht nicht einmal gewähren würde. Man könnte also vielleicht die unvollkommene völkerrechtsartige Bindung nur auf Seiten des Staates suchen wollen und danach eine Stufenfolge herstellen aus Verträgen des zweiseitig bindenden Rechtes (privatrechtliche), Verträgen des einseitig bindenden (staatsrechtliche) und des zweiseitig unvollkommenen Rechtes (völkerrechtliche). Aber auch die Ansprüche des Ansteigerers gegen den Staat geniessen einer ganz anderen Rechtswirksamkeit, als der völkerrecht10 Die Verwendung dieses Namens wird deshalb auch verworfen von Hälder in Krit. Vierteljahrsschrift XXV, S. 313; Mommsen in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 270, Anm. 2; Karlowa S. 245, Anm. 1. Für das Bedenkliche seiner Ansichten gibt Heyrovsky selbst treffende Belege. Die censorischen Polizeiverfügungen, die er anführt, ja auch die Ertheilung der formula in factum concepta durch den Prätor, das possessorische Interdikt (a. a. O. S. 96) - alles hätte den nämlichen Anspruch darauf, als Spezialgesetz aufgefasst zu werden. 11 Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. V, S. 114 ff. 12 A. a. 0., S. 121.

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liche Vertrag sie zu geben vermag. Nicht ein bIosses Gefühl der fides, sondern die Amtspflicht hindert den Censor daran, das, was er zu Gunsten des Ansteigerers im Vertrage verfügt hat, ohne Weiteres wieder rückgängig zu machen oder unausgeführt zu lassen. Denn dass ein magistratischer Akt, der nicht durch einen anderen ebenso gültigen aufgehoben oder gehemmt ist, von jedem Magristrat, von dem, der ihn erlassen, wie von jedem anderen, anzuerkennen und zu handhaben ist, das ist doch Voraussetzung der ganzen Staatsordnung und selbstverständlicher Bestandtheil aller Amtsaufträge und Amtspflichten. Abweichungen davon hindert die Concurrenz anderer Aemter und vor Allem die drohende persönliche Verantwortlichkeit des Beamten. I Es sind also positive staatliche Einrichtungen vorhanden, welche die Ansprüche auch des anderen Contrahenten im censorischen Vertrage sichern, ihnen einen wahren Rechtsschutz gewähren. Diese höhere Rechtsverbindlichkeit, welche der censorische Vertrag nach beiden Seiten hin durch den Inhalt des Amtsauftrages des Censors erhält, bedarf aber dann auch keiner weiteren Stütze ausserhalb desselben durch ein Gewohnheitsrecht oder dergleichen. Brauch und Herkommen mögen sehr nützlich sein, um den Inhalt des Amtsauftrages zu erkennen. Steht aber dieser Inhalt einmal fest, so kommt es auf sonst nichts mehr an; weder der Censor wird behaupten müssen, dass auch seine Vorgänger ihre Amtsgewalt nicht unbenützt liessen, wenn ein Staatsschuldner nicht zahlte, noch wird der Unternehmer, welcher die Aufrechterhaltung und Ausführung der censorischen Verpachtung begehrt, nachweisen müssen, dass die Censoren schon stets ihrer Amtspflicht nachgekommen seien und dass more majorum ihre Akte in Gültigkeit gehalten würden. Das Gewohnheitsrecht wird also ganz überflüssiger Weise über den öffentlichrechtlichen Vertrag gestellt, nur um dem Letzteren den juristischen Bau eines civilrechtlichen Vertrages zu geben 13 • 2. Beruht die Kraft des censorischen Vertrages einfach in dem Akte der censoria potestas, so hat seine rechtliche Wirksamkeit auch keine anderen Grenzen als die Amtsgewalt, als die dem Censor vom populus Romanus verliehene Zuständigkeit. Der Censor mag in dem Vertrage, d. h. in der dazu gehörigen lex contractus alle Arten von Verfügungen wirksam treffen, welche sein Amt ihm anheimgibt und welche zur Durchführung des Geschäftes dienlich sind. Nicht bloss Uebertragungen von gemeindlichen Vermögensstücken jeder Art sind darunter I begriffen, sondern auch die Ordnung bereits bestehender Einkünfte, welche vergeben werden sollen, 13 Mit Recht nennt Karlowa (Röm. Rechtsgesch. I, S. 245 Anm.) die von Pernice verfochtene Ansicht einen Verzicht auf eine Erklärung dafür, dass hier öffentliches Recht zur Anwendung komme.

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Sicherung derselben gegen Störung, Ausstattung des Ansteigerers mit staatlichen Zwangsmitteln. Allerlei Wirkungen gegen Dritte ergeben sich daraus von selbst14 • Dagegen würden Verfügungen, welche über den wohlverstandenen und herkömmlichen Amtsauftrag hinausgingen, unrechtmässig sein, und das würde sich erweisen an ihrer Nichtbeachtung durch andere Magistrate, ihrer Hemmung durch Intercession und an späterer Verantwortlichkeit des Verfügenden 15 • Durch diese Begrenztheit der Amtsgewalt und durch nichts anderes bekommt auch die Art des Zustandekommens des Geschäftes ihre bestimmte Gestalt. Der Censor ist ermächtigt, in gewissen Fällen Zwang zu gebrauchen, um die Bürger zu Leistungen heranzuziehen. Dagegen steht es ihm nicht zu, einen einzelnen Bürger ohne Weiteres herauszugreifen und ihm die Uebernahme grösserer öffentlicher Arbeiten aufzulegen oder ihm ein eingezogenes Vermögen, einen Umfang öffentlicher Einkünfte aufzunöthigen gegen eine Zwangsabgabe. Für solche Dinge verbot schon der eigene Vortheil des Gemeinwesens den Zwang. Wir haben keinen Nachlweis einer ausdrücklichen Vorschrift. Aber jener Grund muss von Anfang an genügt haben, um anzunehmen, dass der Censor nur ermächtigt hat werden sollen, jene Verfügungen zu treffen über freiwillig sich meldende Unternehmer. Das Herkommen bestärkte diese Annahme; wenn darin ein Gewohnheitsrecht liegt, so ist es doch nur eine gewohnheits rechtliche Auslegung des Amtsauftrags. Dass die Auswahl unter mehreren Bewerbern sich bestimmen soll durch das Ergebniss einer öffentlichen Steigerung, ist dann eine noch gen aue re Begrenzung der Amtspflicht1 6 • Der Censor handelt pflichtwidrig, wenn er Steigerer willkürlich ausschliesst (causa Juniana!), oder wenn er nicht das beste Gebot annimmt; er ginge aber noch mehr über seinen Auftrag hinaus, wenn er einen Mann mit dem Geschäfte belasten wollte, der sich nicht dazu erboten hat. 14 Heyrovsky, S. 57 ff.; Degenkolb, lex Hieronica, S. 42; Pernice in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. V, S. 123 ff. lS Der Zusammenhang der Rechtswirksamkeit des Geschäftes mit der Amtsgewalt erweist sich insbesondere noch in einer dem römischen Aemterwesen eigenthümlichen Erscheinung. Diejenigen Verträge, welche dauernde Leistungen oder vielmehr sich wiederholende Leistungen gleicher Art zum Gegenstande haben, wie Steuerverpachtungen oder Instandhaltungsverträge, endigen von selbst mit der Amtsdauer des Censor. Durch frühere oder spätere Vornahme der Neuerungen können diese Verträge willkürlich abgekürzt oder verlängert werden (Mommsen, Staatsrecht H, S. 335; Karlowa, Röm. Rechtsgesch. I, S. 245). Man möchte von diesen Verträgen sagen imperio continentur. Dass einmalige endgültige Rechtswirkungen, z. B. die Veräusserung von Staatsgütern vom Amtswechsel nicht beeinträchtigt werden, so wenig wie die unter dem früheren Prätor bereits gefällten Urtheile in judicia quae imperio continentur, ist selbstverständlich. 18 Mommsen, Staatsrecht H, S. 425.

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Auf diese Weise wird die Zustimmung des Unternehmers zu einem wesentlichen Bestandtheile des Abschlusses des censorischen Vertrages: sie ist die condicio sine qua non der Zuständigkeit des Censor, sie öffnet seiner Amtsgewalt die Bahn, damit sie diesem Individuum gegenüber wirken könne. Das ist aber die ganze Bedeutung, welche sie hat. Gewirkt wird in dem Rechtsgeschäft immer durch den censorischen Akt allein gemäss dem obersten Grundsatz, welcher sich durch Alles hindurchzieht. Da liegt es denn nahe, einzuwerfen: ist es erlaubt, hier noch von einem Vertrage zu sprechen? "Ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das nur eine Seite hat, und ein handelndes Subject, das nur Object ist!" - In der That, hier ist kein Zweifel möglich. Der censorische Vertrag ist kein wahrer Vertrag, und wir Juristen müssen das aussprechen, dann haben wir animam salvirt; den historischen Namen werden wir aber deshalb nicht beseitigen können. Er beruht offenkundig auf einer Entlehnung der Ausdrucksweise des privatrechtlicher Verkehrs. Was Rechtsgültig-l keit und staatliche Geschütztheit anlangt, ist die emtio venditio und die locatio conductio vor dem Censor der privatrechtlichen zeitlich vorausgegangen; sie galt, bevor diese klagbar ward und mag ihr in manchen Einzelheiten nachher zum Vorbild gedient haben 17 • Aber die gleichen Geschäfte mit den gleichen Namen sind ja schon immer neben den Rechtsgeschäften des jus civile hergegangen, rein thatsächlich auf Treu und Glauben. Wenn nun in der Amtsverwaltung des Censor Geschäfte vorkamen, welche eine Art Willenseinigung zu ähnlichem wirthschaftlichem Erfolge darstellten, so erhielten sie die gewohnte Bezeichnung. Die Ausdrücke: vendere, emere, redemptor, locare, conducere, lex contractus werden ganz unbefangen verwendet. Eine Gefahr, dass um solcher Namen willen der Staat in diesen Verhältnissen als Privatrechtssubject betrachtet werden könne, wird den Römern gar nicht zum Bewusstsein gekommen sein.

II. Im Gegensatz zur altrömischen Republik ist der französische Staat doppellebig: er steigt in seinem Verhältnisse zu den Einzelnen vielfach auf den Boden des Privatrechts herab und steht denselben dann als personne morale, als juristische Person wie eine andere gegenüber. Die grosse Frage, welche für das französische Recht entsteht, ist also die der Abgrenzung dieses Gebietes. Die Frage hat eine besondere Schärfe dadurch bekommen, dass das neue Staatsrecht seit der Revolution die Zuständigkeit der Gerichte an denselben Massstab gebunden hat. Unter dem Eindruck der Kämpfe des Königthums mit den Parla17

Mommsen in ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 267 ff.

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menten hat man den Gerichten verboten, sich in die Verwaltungsthätigkeit einzumischen. Verwaltungsthätigkeit im Sinne dieses Verbotes ist es aber nicht, wenn die Lebensäusserung des Staates sich bewegt auf privat Irechtlichem Gebiete 18 • Soweit und nur soweit sind also die Gerichte zuständig auch über den Staat zu erkennen. Der leitende Grundsatz für die Ausscheidung, der uns immer wieder begegnet, lautet dahin, dass der Staat dem Privatrecht unterliege überall, wo er den Einzelnen in einer Lebensäusserung gegenübertritt, die so, wie sie ist, auch von einem Privaten ausgehen könnte 19 • Das ist zunächst noch vag genug; aber Gesetz, Praxis und Wissenschaft führen den Satz durch die Anwendungen, die sie davon machen, von selbst zu größerer Bestimmtheit. Alles, was jenseits der erkannten Grenze seiner Geltung liegt, gehört dem Verwaltungsrechte, dem droit administratif, an. Darunter finden sich mancherlei Beziehungen des Staates zu den Einzelnen, welche dem Inhalte nach dem entsprechen, was auch der privatrechtliche Verkehr erzeugt; es entsteht auch für das französische Recht wieder jener Parallelismus von öffentlichem Eigenthum, öffentlichrechtlicher Servitut, öffentlichrechtlichem Vertrage u. s. w. 20 • Nur die rechtliche Natur des Verhältnisses ist immer eine andere. Mit dem Wegfall der Herrschaft der Rechtssätze des Civilrechts macht sich von selbst in allen diesen Beziehungen das eigene Wesen des Staatswillens geltend als des herrschenden, überwiegenden, einseitig bestimmenden. Diese Natur der öffentlichrechtlichen Staatsthätigkeit findet ihren hervorragendsten Ausdruck im Begriffe des Verwaltungsaktes, acte administratif, auch acte d'autorite, acte de commanldement genannt. Darunter wird verstanden jede Willenserklärung einer Behörde, welche in der öffentlichrechtlichen Verwaltungsthätigkeit ergeht und darauf gerichtet ist, auf die Unterthanen einzuwirken. Sie hat keinen anderen Rechtsgrund als die der Behörde verliehene Zuständigkeit, ist unmittelbar massgebend für den Einzelnen, den sie trifft, welches auch ihr Inhalt sei, und steht als Willensäusserung des gleichen souveränen Gemeinwesens gleichberechtigt neben den Urtheilen der Gerichte. Sie ist so sehr das wichtigste Stück aus dem öffentlichrechtlichen Lebensgebiet der Verwaltung, dass jene Zuständigkeitsgrenze der Gerichte häufig schlechthin ausgesprochen wird als ein Verbot, über Verwaltungs akte zu erkennen21 • 18 Dalloz, rep. Vo competence n. 8: le pouvoir executif n'administre pas a proprement parler quand il pourvoit a la gestion des biens compris dans le domaine de I'Etat. 19 Dufour, droit adm. V n. 640; Dalloz a. a. O. n. 64; Gauthier, droit adm. dans ses rapports avec les matieres civiles S. 5; Aucoc, droit adm. I, S. 437. 20 Einen besonders schlagenden Beleg dafür gibt das bekannte Buch von Dareste, competence adm., wo dieser Parallelismus der ganzen Darstellung als Leitfaden dient. 21 Chauveau, competence I, n. 408; Cabantous, droit adm. n. 483; Block,

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Bei dem innigen Zusammenhang zwischen der Ausscheidung der materiellen Rechtsgebiete und der Abgrenzung der Zuständigkeit ist es natürlich auch gestattet, rückwärts zu schliessen, nämlich aus der Zuständigkeit auf die Zugehörigkeit der Sache zu diesem oder jenem materiellen Gebiete: wer da sagt, die Gerichte sind unzuständig, über dieses oder jenes Geschäft der Verwaltungsbehörde zu erkennen, der hat im Zweifel damit anlerkennen wollen, dass ein Verwaltungs akt, ein Rechtsgeschäft des öffentlichen Rechtes vorliege. Da für die Praxis die Zuständigkeit meist von greifbarerer Wichtigkeit ist, als die innere rechtliche Natur des Aktes, so ist eine derartige Ausdrucksweise sehr häufig; ja sogar in die Begriffsbestimmung des Verwaltungsaktes wird die Zuständigkeitsfolge oft schon hineingenommen. Man darf sich aber dadurch nicht irre machen lassen, wie den deutschen Juristen vielfach begegnet. Man entgeht hier gern den Schwierigkeiten, welche die öffentlichrechtliche Natur der Verwaltungsakte bereitet, dadurch, dass man alle Verwaltungsakte, mit Ausnahme der Befehle im strengsten Sinne des Wortes, grundsätzlich dem Civilrecht unterwirft und die Ursache ihrer Besonderheit lediglich darin sehen will, dass die Gerichte nach dem Verfassungsgrundsatze der Gewaltentrennung über Verwaltungsakte nicht zu erkennen haben; dieselben gerathen dadurch in die Hände der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte, und diese wenden die massgebenden Sätze des Civilrechts in einer lässigeren, abgeschwächten Weise an. Das ist Alles. Allein auf diese Weise wird doch nur das ganze Sachverhältnis auf den Kopf gestellt. Die Franzosen geben sich so viele Mühe, den Verwaltungsakt vom privatrechtlichen Geschäfte der Verwaltung zu unterscheiden, weil sich nach der gefundenen Eigenschaft beim Schweigen des Gesetzes die Zuständigkeit von selbst bestimmt. Wenn jetzt alle Verwaltungsakte mit der obigen Ausnahme von Haus aus civilrechtlich sind, so wissen wir erst recht wieder nicht, welche darunter der Abschwächung ihres Civilrechts durch die Verwaltungsgerichte ausgesetzt werden sollen22 • I dictionnaire VO acte adm. n. 1. Damit die Bezeichnung acte de commandement nicht missverstanden werde, ist DaHoz, rep. VO acte adm. n. 24 zu vergleichen; er sagt: le pouvoir administratif se manifeste tantöt par de reglements (Verordnungen) tantöt en agissant sur les administres (Verwaltungsakte im engeren Sinne, Verfügungen), die letzteren nennt er denn auch actes de commandement und als Beispiel führt er an den acte par lequel l'administration accorde une concession de mines. Das Wort Befehl dient also nur zur Verdeutlichung des agir sur les administres durch den Hinweis auf die schärfste Art dieses bestimmenden Einwirkens. - Das Wort acte administratif wird, wie DaHoz, rep VO acte adm. n. 1 ausführt, in doppeltem Sinne gebraucht. Im langage ordinaire versteht man darunter jede Art von Willensäusserung eines Verwaltungsorgans; im langage du droit dagegen nur einen acte emane d'une autorite agissant dans l'exercice des fonctions qui lui sont confiees par la loi. Es sollte kaum nöthig sein zu sagen, dass für uns nur der letztere, der juristisch-technische Sinn des Wortes in Betracht kommt. !Z Ganz der gleiche Nachtheil würde entstehen, wenn das Wort acte adm.,

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Nehmen wir aber den Fall, dass wirklich ein civilrechtliches Geschäft entgegen dem leitenden Grundsatz der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts überwiesen wäre. Durch ausdrückliches Gesetz kann das ja geschehen; der technische Name dafür ist declassement de matieres. Da wird es zunächst darauf ankommen, ob es eine wirkliche Verschiebung dieser Art ist. Denn beide Parteien, Gerichte wie Verwaltung, erkennen nicht leicht an, dass eine ihnen zugewiesene Sache ihnen nicht auch natürlich, d. h. gemäss dem grossen Ausscheidungsgrundsatz gehöre; sie werden, soweit möglich, die Zuständigkeitsbestimmungen nur als gesetzliche Anerkennung der materiellen Natur der Sache auslegen, verbunden mit der Bezeichnung der besonderen zuständigen Behörde23 • Nehmen wir aber an, die civilrechtliche Natur der dem Verwaltungsgerichte überwiesenen Sache stehe fest. Dass dann das Verwaltungs.. gericht, der Staatsrath zumal, die ihm anbefohlenen Rechtsgrundsätze laxer handhaben dürfte und wollte, als das Civilgericht, das ist ein Vorurtheil, welches man nicht versuchen darf auf die Franzosen zu übertragen. Die Sache bleibt vielmehr rein und offen civilrechtlicher Natur. Es gibt kein Zwischengebiet von Verschwommenheiten; es gibt bloss Zweifel über die äusserlichen Grenzen der beiden Gebiete. Der Staat schliesst mit den Einzelnen Verträge ab, indem er mit Einwilligung derselben Dienstleistungen und Sachgüter von ihnen sich verschafft oder solche an sie vergibt, immer unter gleichzeitiger Festsetzung einer ausgleichenden Gegenleistung: der Vertrag kann sein eine convention du droit commun I oder ein contrat administratif, d. h. dem Civilrecht oder dem öffentlichen Rechte angehören. Gerade hier bereitet die Unbestimmtheit des allgemeinen Ausscheidungsgrundsatzes besondere Schwierigkeiten; immerhin bleibt bei allen Meinungsverschiedenheiten dem öffentlichen Rechte ein bedeutender Kreis von solchen Geschäften gesichert. Die Hauptbeispiele bieten die Beamtenanstellung und die Verdingung von öffentlichen Arbeiten und Lieferungen 24 • da wo es darauf ankommt, in jenem allgemeinen vulgären Sinne statt in juristisch-technischem Sinne gebraucht würde. Chauveau I, n. 668: Si un bail est un acte administratif parcequ'il est passe au nom de l'Etat tous les actes qui concernent les biens etc. (alle civilrechtlichen Staatsverträge) sont des actes administratifs. La distinction entre l'etat simple personne morale, particulier, et l'etat unite nationale disparait. Also der Unterscheidung sm ass stab für die Anwendbarkeit des öffentlichen und des Civilrechtes und für die Zuständigkeit würde dadurch verdorben. Das ist gerade das, was jene deutschen Juristen hier thun. 23 Block, VO juridiction adm. n. 8. 24 Bis vor Kurzem galt dafür, dass alle Verträge des Staates öffentlichrechtliche seien, die nicht ausdrücklich nur die Verwaltung seines privatwirthschaftlichen Vermögens betreffen, wie z. B. Erwerb von Grundstücken zur Kapitalsanlage, Vermiethung und Verpachtung von solchen. Eine neuere Richtung will die Frage vom umgekehrten Standpunkt aus betrachten. Oeffentlichrechtlich soll der Vertrag nur sein, wenn ein triftiger Grund dafür

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Es ist aber nicht sowohl der äusserliche Umfang des Gebietes der öffentlichrechtlichen Verträge, was uns hier interessirt, als vielmehr die rechtliche Natur derselben. Denn das Beiwort "öffentlichrechtlich" ist kein blosser Name. Der contrat administratif hat auch besondere Eigenschaften und Wirkungen, die diesem Namen entsprechen. Diese festzustellen, ist unser Hauptinteresse.

Die Eigentümlichkeit der Wirkungen des öffentlichrechtlichen I Vertrages liegt nicht in der Art der Leistungen und Gegenleistungen an sich. Dem Stoffe nach sind es Käufe, Veräusserungen, Mandate, Dienstmi ethen, Werkverdingungen. Die entsprechenden civilrechtlichen Verträge können immer als Vorbilder dienen für den Umfang der begründeten Rechte und Pflichten. Aber die Natur dieser Rechte und Pflichten ist eine öffentlichrechtliche. Wer da meint, die Sache damit abgethan zu haben, dass er anerkennt, die Verwaltung habe hier in Streitfällen selbst Recht zu sprechen, der macht sich ein sehr unvollständiges Bild von dem Verhältniss. Wenn ein civilrechtlicher Vertrag des Staates in Frage ist, etwa ein Kauf oder eine Verpachtung, dann kann der weitere Verlauf der gegenseitigen Beziehungen durch zwei scharf gesonderte Arten von Akten bestimmt werden: Willenserklärungen der Parteien und Entscheidungen des Gerichts. Erstere, die Anforderungen, Kündigungen, Anträge auf Aufhebung des Vertrages, sind wirksam nur, soweit sie freiwillig von der anderen Seite anerkannt oder vom Gerichte geschützt werden; die Letzteren treten zwischen die Parteien hinein mit der einseitig bindenden Kraft des obrigkeitlichen Aktes. Im öffentlichrechtlichen Vertrage 25 dagegen sind nicht nur die verwaltungsgerichtlichen Urtheile, sondern auch die biossen Parteierklärungen der staatlichen Behörde obrigkeitliche Akte, bindende Entscheidungen, actes administratifs, decisions. Die Anforderungen des Staates vorliegt. Als solcher kann ein ausgeprägter Zusammenhang des Vertragsinhaltes mit der Besorgung öffentlicher Angelegenheiten dienen (Beamtenanstellung, freiwilliger Eintritt in das Heer, concession de travaux publics). Auch wo das nicht der Fall ist, also eigentlich ein contrat du droit commun vorläge, kann die gesetzliche Zuständigkeitsregelung den gleichen Erfolg haben, d. h. in dem Gesetze, welches einen Vertrag zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte verweist (Verdingungen von öffentlichen Arbeiten und Lieferungen und Staatsgüterverkäufe), wird nicht ein blasses declassement de matieres gesehen, sondern zugleich eine Meinungsäusserung des Gesetzes über die rechtliche Natur des betreffenden Vertrages. Wenigstens wird thatsächlich auch von dieser neueren Richtung zwischen ihren beiden Gruppen von öffentlichrechtlichen Verträgen in der juristischen Behandlung kein Unterschied gemacht. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Aucoc I, n. 288; dazu Perriquet, contrats de l'etat n. 91, 226, 232. 25 Wegen der Einzelheiten und Belege darf ich mich wohl auf die Darstellung in meiner Theorie des franz. V.-R. § 45 ff., § 59 berufen.

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aus dem Dienstvertrag an seine Beamten, ebenso wie die an den Unternehmer öffentlicher Arbeiten sind Befehle, bindend, bis im gehörigen Wege ihre Aufhebung bewirkt ist. Geht die Anforderung, welche der Staat aus dem Vertragsverhältniss gegen seinen Mitcontrahenten erhebt, auf Zahlung einer Geldsumme, so ist die einseitige Festsetzung durch die anfordernde Behörde eine vollstreckbare Urkunde. Die I Auflösung eines civilrechtlichen Miethvertrages wegen nicht erfüllter Vertragspflicht muss der Staat bei dem zuständigen Civilgerichte erwirken; beim öffentlichrechtlichen Vertrage stellt die geschäftsführende Behörde, also regelmässig der Minister, nicht etwa einen Antrag auf Auflösung beim Verwaltungsgericht, sondern spricht selbst die Auflösung aus: durch bindenden Verwaltungsakt, nicht durch einfache Kündigung oder Widerrufs er klärung oder neue Parteivereinbarung, wird der Lieferungsvertrag, die Werkverdingung für beendigt oder für erweitert erklärt, der Beamte befördert, versetzt, entlassen. Ueber manche von diesen Verfügungen gibt es überhaupt keine ordentliche Verwaltungsrechtspflege; sie sind actes de pure administration; so die einseitige Aufhebung des Lieferungsvertrages, die Entlassung des Beamten. Andere gehören ihrer Natur nach der Rechtspflege an, als actes du contentieux, so namentlich die Feststellung der Geldansprüche des Staates und der Gegenansprüche der anderen Partei. Dann kann die Nachprüfung durch ein Verwaltungsgericht, regelmässig den Staatsrath, bewirkt werden, und es entsteht ein Urtheil. Als Urtheil wird in diesen Fällen schon die Verfügung des Ministers aufgefasst, wenn sie nach Gehör des Mitcontrahenten, auf dessen Antrag oder Einspruch, von ihm erlassen oder bestätigt ist. In seiner Wirkung aber unterscheidet sich ein solches Urtheil von der einfachen obrigkeitlichen Parteiverfügung nur durch die Rechtskraft, sonst durch nichts; bindend, erzwingbar ist eines wie das andere. Es sind also im öffentlichrechtlichen Vertrage die zwei Arten von Akten, welche die Entwicklung des Vertragsverhältnisses vorwärts treiben, ganz anders geschieden und gelagert, als im civilrechtlichen. Einfache Parteierklärungen ohne selbständig bindende Kraft für den Anderen kommen nur vor bei dem Mitcontrahenten des Staates. Was von Seiten des Staates ausgesprochen wird, ist immer obrigkeitlich bindend. Die verwaltungs gerichtlichen Urtheile stehen nicht im Gegensatze zu I den Parteierklärungen der Behörde, sondern sind diesen im Wesentlichen gleichgeartet und auch äusserlich aufs Innigste mit ihnen zusammenhängend, sogar fast sich verschmelzend. So stellt sich der ganze Verlauf des Rechtsverhältnisses dar als eine Reihe von obrigkeitlichen Verfügungen, die über den anderen Contrahenten, für ihn und gegen ihn ergehen. Die Rechte und Pflichten des entsprechenden civilrechtlichen Vertrages werden mit obrigkeitlicher Macht gehandhabt durch die

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Behörde, welche die eine Vertragspartei vertritt, theilweise unter den schützenden Formen der Rechtspflege, theilweise nicht. Und darin liegt das Oeffentlichrechtliche in diesem Rechtsverhältnisse. Der Akt, mit welchem es beginnt, der es begründet, hat die gleiche Natur. Der öffentlichrechtliche Vertrag, contrat administratif, ist von Seiten des Staates ein Verwaltungs akt. Der Zuschlag öffentlicher Arbeiten, ebenso wie das dadurch wirksam gewordene Lastenheft werden als solche bezeichnet; desgleichen die Ernennung des Beamten, die Annahme des freiwillig zum Heerdienst sich verpflichtenden, der Abschluss des Staatsgüterverkaufs26 • Die Verwaltungsakte sind aber gerade die Aeusserungen des pouvoir administratif nach den Zuständigkeiten der verschiedenen Behörden. So bestimmt denn auch Perriquet27 den Begriff: "Un contrat," sagt er, "est un contrat administratif lorsque l'etat y intervient pour exercer directement les pouvoirs constituant la puissance publique." Daraus folgt, dass dieser Vertrag innerlich ganz anders gebaut ist, als der civilrechtliche; mit Recht verwahrt man sich gegen eine Gleichstellung der beiden in dieser Hinsicht. Wenn die öffentliche Gewalt an der Begründung des Rechtsverhältnisses thätig ist, so kann die Mitwirkung des davon betroffenen Ein IzeInen nicht gleichwerthig sein. Er ist nothwendig nur der leidende Theil, auf welchen gewirkt wird und der sich nur dazu hergeben muss, damit es geschehen kann; die Wirkung selbst beruht auf dem Verwaltungs akt. Wir finden deshalb das ganze äusserlich zweiseitige Rechtsgeschäft nach dieser Willenserklärung der Verwaltung allein bezeichnet, so sehr tritt der Antheil des Einzelnen zurück. Les engagements volontaires, heisst es z. B. von den Capitulanten· verträgen, sont des actes administratifs 28 • So ruhen Begründung und Vollzug des Vertrages auf einer und derselben Rechtsquelle: auf der Zuständigkeit der Behörde. Zum Zeichen dessen steht über beiden gleichmässig jenes ausserordentliche Rechtsmittel, welches nach französischem Verwaltungsrecht als oberste Ueberwachung der Zuständigkeitsgrenzen den Einzelnen gegen Uebergriffe der Behörden schützt: der Rekurs zum Staatsrath pour incompetence ou exces de pouvoir. Wenn die Behörde die Formen und Voraussetzungen, unter welchen sie das Rechtsverhältniss begründen kann, nicht beobachtet, so wird nicht einfach in Abrede gestellt, dass ein Vertrag zu Stande gekommen sei, sondern der Verwaltungsakt wird angefoch26 DaUoz a. a. O. n. 14, 17,45,48; Block, VO travaux publies n. 215; Perriquet, contrats de l'etat n. 487; Staatsrathsentscheidung 23. Nov. 1825 (Delandine), 23. Oct. 1835 (Rossi), 28. Juni 1837 (Bertrand). 27 A. a. O. n. 232. 28 DaUoz, VO compet. adm. n. 17. Aehnlich bezüglich des Staatsgüterverkaufs Perriquet a. a. O. n. 56.

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ten wegen Machtüberschreitung. Wenn das Rechtsverhältniss einmal begründet ist, so bedeutet das für den Staat nicht Rechte und Pflichten eines Contrahenten, sondern eine Erweiterung der Zuständigkeit der Behörde, und die unrichtige Verwaltung dieser Zuständigkeit in Geltendmachung der neuen Pflichten und Befriedigung der Ansprüche des Unterworfenen hat überall, soweit nicht, wie oben erwähnt, schon die ordentliche Verwaltungs rechtspflege nachprüft, wieder keine andere Abhülfe als jenen Rekurs 29 • I Angesichts dieses ganzen Thatbestandes musste auch schon bei den französischen Juristen die Frage auftauchen: ist das noch ein Vertrag? ist überhaupt ein Vertrag möglich, in welchem der Staat als Obrigkeit mit der öffentlichen Gewalt erscheint? Ein Vertreter der Machtansprüche der Civilgerichte, der Generaladvokat Desjardins, hat es in einer sehr bemerkenswerthen Rede ausgesprochen: il n'y a pas a proprement parler de contrats administratifs parcequ'un pareil adjectif ne saurait accompagner un pareil substantif. Er folgert daraus, dass ein Rechtsgeschäft, welches als ein wahrer Vertrag anerkannt sei, nur ein civilrechtlicher Vertrag sein könne. Was zur Abwehr dieses Angriffes auf das Wort "öffentlichrechtlicher Vertrag" vorgebracht wird, hat wenig Ueberzeugendes. So wird in der Note zu jener Rede bei DalZoz zugestanden: en general la puissance publique n'intervient que par des actes unilateraux, aber, heisst es dann, es gibt doch Verwaltungs akte, wie die Beamtenernennung, die Concessionen, welche n'en sont pas moins susceptibles de creer des droits et des obligations reciproques et ne sauraient etre assimiles ades actes unilateraux, - eine offenbare Verwechslung I von zweiseitigem Rechtsgeschäft und zweiseitig verpflichtendem Rechtsgeschäft 3o • Perriquet 31 verweist auf die Beamten29 Staatsrathsentscheidung 9. Jan. 1868 (Serrat), 21. März 1873 (Trubert), 7. Aug. 1874 (Hotchkiss), 25. Jan. 1878 (Du Chatel). - Die darüber stehende Verwaltungsrechtspflege durch gesonderte Verwaltungsgerichte macht den Hauptunterschied zwischen dem contrat administratif und dem censorischen Vertrage aus. Im Uebrigen ist die Aehnlichkeit auch in den minder wesentlichen Einzelheiten ein sehr gros se, namentlich bei Verdingungen öffentlicher Arbeiten und Lieferungen. Das cahier des charges entspricht der lex censoria; für jeden grösseren Dienstzweig ist dafür ein stehendes Formular in Gebrauch: es ist tralaticisch. Wirksam wird es durch die adjudication, die addictio. Oeffentliche Versteigerung ist die ordentliche Form. Der adjudicataire hat Sicherheit zu leisten, regelmässig durch Pfandbestellung, cautionnement. Durch einseitigen Akt der Behörde erfolgt die Versilberung des Pfandes, praedium venditio. Die Billigung der Leistungen, reception - das probare, cognoscere - steht in der Entscheidung der Behörde nach freiem Ermessen, arbitratu; bei Lieferungsverträgen lässt das Lastenheft nicht einmal den Rechtsweg an das Verwaltungsgericht dagegen offen. Auch die Vergebung der unvollendeten Arbeiten an einen neuen Unternehmer durch öffentliche Versteigerung (folIe enchere) zeigt eine Spur von der Rücksichtslosigkeit, mit welcher das römische Recht hier verfährt. 30 Zu Cass. 10. Dec. 1878 (Garnier); Dalloz 1879, 1. 113. 31 A. a. O. n. 232.

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ernennung, die doch ein Akt der öffentlichen Gewalt und zugleich, wie Niemand leugnen könne, ein Vertrag sei; denn il y a la "duorum consensus in idem placitum". Allein das ist ja eben die Frage, ob dieser Consens nicht bloss der äussere Schein eines Vertrages ist. Wie der contrat administratif thatsächlich behandelt wird, ist er kein wahrer Vertrag; es wäre unnütz, sich dagegen steifen zu wollen; es wird hier nur der Name des civilrechtlichen Rechtsinstituts entlehnt zu besserer Classificirung eines öffentlichrechtlichen, welches mit ihm eine gewisse äusserliche Aehnlichkeit hat. II!. Mühsamer als anderswo hat in Deutschland das öffentliche Recht vom Civilrecht sich losgerungen. Der Punkt, an welchem alle Wandlungen und Uebergänge des Werdeprocesses vielleicht am deutlichsten sich widerspiegeln, ist die Lehre vom Staatsdienstverhältnisse32 • Bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts war das Verhältniss noch ganz unbefangen civilrechtlich aufgefasst worden; nur über die richtige Vertragsart des gemeinen Rechtes, die da zur Anwendung komme, herrschte Streit. Da erschien als Frucht des kräftiger gewordenen Staatsbewusstseins eine andere Auffassung auf dem Plan, zuerst vertreten von J. M. Seuffert, dann noch entschiedener durchgeführt von N. T. Gönner. Das Staatsdienstverhältnis ganz nach öffentlichem Rechte zu behandeln, ist die Losung. Die Art, wie der Staat grundsätzlich seinen Bürgern I gegenüber steht, verlangt das und gibt zugleich die genauere Natur des Aktes, der das Verhältnis begründet. Der Staat ist nämlich berechtigt, von seinen Bürgern alle persönlichen Dienste zu verlangen, welche zur Verfolgung der Staatszwecke nöthig sind, also nicht bloss allgemeine gewöhnliche Dienste, sondern auch besondere, welche eigene Fähigkeiten voraussetzen und den ganzen Mann erfordern. Für die letzteren werden die geeigneten Personen ausgewählt; das ist die Ernennung zum Amt. Indem der Ernannte seine Pflicht anerkennt, würde nach Seuffert doch noch eine Art Anstellungsvertrag zu Stande kommen. Gönner aber lässt diesen Anerkennungsakt ganz fallen; nachdem die Uebernahme des Amtes eine öffentliche Pflicht ist, kommt es auf die Anerkennung nicht weiter an. Die einseitige Auferlegung des Amtes ist Alles, von Vertragsmässigem und Privatrechtlichem jede Spur beseitigt. Diese Theorie behielt in der Rechtswissenschaft auf lange Zeit hinaus die Oberhand. K. S. Zachariae, Reffter, Dahlmann, Perthes halten fest 32 Für die Dogmengeschichte desselben haben wir jetzt die vortreffliche Arbeit von H. Rehm in Hirth's Annalen 1884, S. 565 ff., 1885, S. 65 ff., die uns des Eingehens auf Einzelheiten enthebt.

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an jener Grundlage der allgemeinen Unterthanenpflicht zur Uebernahme von Staatsämtern. Man möchte vielleicht heute fragen: wie war es möglich, dass ein so durch und durch unwahrer Gedanke Aufnahme fand und dass man so lange gebraucht hat, um davon loszukommen? Der Staat kann Niemanden etwas befehlen, Niemanden eine Last auferlegen ohne Gesetz. Also hat man nur zu sehen, ob ein Gesetz besteht, welches die Unterthanen zum Eintritt in den Staatsdienst verpflichtet und da diess offenbar nirgends der Fall ist, so ist die ganze Lehrmeinung ohne Boden und unhaltbar 33 • Um derselben gerecht zu werden, muss man sie in ihrem eigenen geistigen Zusammenhange erfassen. Sie ist nicht gewachsen auf dem Boden des neuzeitlichen Verfassungs staates mit der formellen Ausscheidung des durch Mitwirkung einer Volksvertretung auslgezeichneten Gesetzes. Die Lehre von der Trennung der Gewalten, welche praktisch nichts anderes bedeutet als diese Ausscheidung, war eben erst in Frankreich zur Verwirklichung gelangt, als Seuffert und Gönner schrieben. Unsere Schriftsteller stehen noch ganz auf der Grundlage einer anderen staatsrechtlichen Hauptidee, welche bis dahin eine entsprechende alles beherrschende Rolle spielte: es ist die Lehre von den Hoheitsrechten. Die juristische Anschauung jener Zeit vermochte die Staatsgewalt nur dadurch in die Welt der Rechtsbeziehungen einzuführen, dass sie dieselbe ausdrückt in subjectiven Rechten, welche dem Herrscher zustehen gegenüber den Unterthanen und neben den Rechten anderer Herrscher. Diese Rechte sind die jura majestatis, Hoheitsrechte, Regierungsrechte, Regalien. Sie erzeugen sich im Einzelnen von selbst aus dem Begriffe der obersten Gewalt am Massstabe des Satzes, dass dem Herrscher alle Befugnisse zustehen müssen, aber auch nur diese, welche nothwendig sind als Mittel um den Staatszweck zu erreichen. Ueberall wo in ihrer Ausübung gehandelt wird, da ist das Gebiet des öffentlichen Rechts der staatlichen Thätigkeit, was nicht darunter fällt, ist civilrechtlicher Art, auch am Staate. Sie aufzustellen und abzugrenzen ist die Hauptaufgabe der Staatsrechtslehre34 • Rönne IlI, S. 407, Anm. 2. Pütter, instit. jur. publ. germ. § 215; Kreittmayr, Grundrisse des allg. deutsch. u. bayr. Staatsrechts I, § 5, § 7; Häberlin, Handbuch des deutsch. Staatsrechts II, S. 142 fi - Gumplowicz, Rechtsstaat und Sozialismus S. 128, kennzeichnet dieses System richtig dahin, dass damit "die Macht- und Herrschaftssphäre als Rechtssphäre dargestellt wurde". - Die Gestaltung der Staatsgewalt zu abgegrenzten subjektiven Rechten hat zugleich die praktische Bedeutung einer Grenzziehung für diese Gewalt und somit eines Schutzes der Freiheit der Unterthanen: Pütter, Beiträge z. deutsch. Staatsrecht I, S. 320; Weiske, Rechtslexikon V, S. 322; Gerber, über öffentliche Rechte, S. 54. 33

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Unter den verschiedenen Hoheitsrechten wird auch aufgeführt das Recht Beamte zu bestellen, jus munerum. Es fliesst naturgemäss aus der Unmöglichkeit für den Fürsten, alles allein zu I besorgen, und besteht in dem ausschliesslichen Recht Andere zu staatlicher Thätigkeit zu beauftragen35 • Auch dieses ist gedacht als ein Recht gegenüber den Unterthanen: sie dürfen keine solchen Aufträge geben und müssen sich gefallen lassen, dass die Staatsgewalt durch Vertreter ausgeübt werde. Dagegen ist es ursprünglich kein Recht gegenüber der zu ernennenden Person; das Verhältniss zu dieser wird nicht aus einem Hoheitsrecht bestimmt, darum findet hier der civilrechtliche Vertrag statt. Das nun ist das Neue an der Seuffert-Gönner'schen Theorie, dass auch dieses innere Verhältniss vollständig in den Bereich der Hoheitsrechte gezogen wird. Das entsprechende Hoheitsrecht wird aber nothwendig ein Zwangsrecht. Denn Jemanden ein Amt anzubieten ist nicht als Recht diesem gegenüber denkbar; es muss die Pflicht bestehen, das Amt anzunehmen, nur dann ist das jus munerum ein Hoheitsrecht auch gegenüber dem zu Ernennenden 36 • Als Ausübung desselben ist die Begründung des Staatsdienstverhältnisses öffentlichrechtlicher Natur. Nach der herrschenden staatsrechtlichen Grundidee kann sie es auch nur auf solche Weise sein. Vielleicht thun wir unseren Schriftstellern nicht unrecht, wenn wir annehmen ihre ganze Theorie sei von hinten entstanden: die Ueberzeugung, der Staatsdienst sei öffentlichrechtlich zu behandeln, ist das Frühere, und nur um das thun zu können wird das nöthige Hoheitsrecht ins Spiel gebracht. Wo dieses Recht nicht Platz greift, verfällt die Beamtenanstellung sofort dem Privatrechte. So bei Gönner selbst; gegenüber dem Ausländer besteht das Hoheitsrecht nicht; die Anstellung eines solchen ist I deshalb nicht mehr öffentlichrechtlich, sondern ein civilrechtlicher Dienstvertrag37 • So auch bei v. d. Becke, welcher alsbald gegen Seuffert aufgetreten war, um das Vorhanden sein einer allgemeinen öffentlichrechtlichen Pflicht zur Uebernahme von Staatsämtern zu leugnen: der Privatdienstvertrag verbleibt ihm wieder als die einzig mögliche Lösung 38 • Inzwischen ist unsere Auffassung von der Staatsgewalt diesem System der Hoheitsrechte vollständig entwachsen. Unser Staat vermag 35

§ II.

Pütter, instit. jur. pub!. germ. § 232; Kreittmayr, Anm. z. Cod. Max. V.24.

38 Ganz neu ist nicht der Gedanke selbst, sondern nur seine strenge Durchführung. So bemerkt z. B. schon Kreittmayr (Grundriss d. allg. deutsch. u. bayr. Staatsrechtes I, § 10) bei dem Hoheitsrechte der Aemterbestellung, dass der Staat die Unterthanen eigentlich auch wider Willen zu Beamten machen könnte. Es sei das nur nicht nöthig oder wenigstens nicht rathsam nach dem Sprichtwort: noli canem invitum venatum ducere. 37 Gönner, Der Staatsdienst, § 32. 38 v. d. Becke, Von Staatsämtern und Staatsdienern, § 14.

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rechtlich schlechthin Alles. Den Schutz der Freiheit suchen jetzt auch wir anstatt in einer äusserlichen Begrenzung seiner Gewalt, in einer inneren Zuständigkeitsvertheilung zwischen der Regierung und dem mit Zustimmung einer Volksvertretung geäusserten Staatswillen, dem Gesetz, nach jener Idee, welche unter dem nicht ganz angemessenen Namen der Trennung der Gewalten ihren Siegeslauf begann und auf welcher alle unsere Verfassungen gebaut sind. Dem entsprechend ist jetzt das Wesen des öffentlichen Rechts sowie seine Abgrenzung vom Civilrecht ganz anders bestimmt. 1. Die Kraft der Staatsgewalt den Bürgern gegenüber verdichtet sich nicht mehr zu einer Summe von einzelnen Befugnissen, sondern bedeutet ein allgemeines Recht, der höhere massgebende Wille zu sein, bestimmend für den anderen, besser gesagt: eine Eigenschaft des Staatswillens von diesem Inhalte. Ihr entspricht nicht eine Reihe von ausgeprägten Pflichten der Einzelnen, sondern ein allgemeines hoheitliches Verhältniss, ein organisches, ein Subjectionsverhältniss, in welchem sie stehn39 . Unsere Wissenschaft hat eine Menge verschieden klingender Bezeichnungen für I das Zutage treten dieser Eigenschaft an der öffentlichrechtlichen Staatsthätigkeit.

Sehr klar spricht sich schon F. F. Mayer 40 darüber aus: "Als Rechtssubject kann der Staat auch als solcher (im Gegensatze zum Fiskus) auch in seinen öffentlichen Verhältnissen, im Verwaltungsrecht, aufgefasst werden, aber sein Recht ist hier nicht ein gleiches mit dem der einzelnen Personen im Staate; hier sind nach dem älteren Ausdruck nicht pares, nicht Parteien, Widersacher, sondern sein Recht ist ein höheres, das Einzelrecht bestimmendes, er handelt vi potestatis über die Einzelnen. " Nach Schmitthenner 41 begreift die Regierungsgewalt das Recht in sich, "verbindliche Normen" aufzustellen auch im Einzelfalle durch Befehle, Konzessionen u. s. w. Gerber 42 bezeichnet die nämliche Erscheinung als "das allgemeine Recht des Monarchen (und seiner Behörden) mit dem Erfolge rechtlicher Sanction zu handeln".

Bei Held 43 ist das Gebiet des öffentlichen Rechtes "das Gebiet des durch den Staat Bestimmtwerdens" . 39 Ausdrücke von Stahl, Philos. d. Rechts H, 2, S. 616; Schmitthenner, Staatsrecht § 64; Pfizer, Verwaltungs- und Civiljustiz, § 10. Diese Anerkennung der allgemeinen höheren Natur des Staatswillens zu verbreiten, war vor Allem das Werk der Hegelischen Schule. 40 Grundsätze des Verwaltungsrechts, S. 15, Anm. 1. 41 Staatsrecht, S. 485. 42 Ueber öffentliche Rechte, S. 58. 43 System des Verfassungsrechts, S. 248.

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Seydel 44 drückt es aus: "Der Herrscher schafft sich auf Grund der Thatsache seiner Macht Recht durch seinen Willen, der Beherrschte dagegen schafft sich nicht Recht durch seinen Willen ... sondern er erhält Rechte durch den Willen des Herrschers."

Bei Sarwey45 finden wir: "Der Wille der Organe der Staatsgewalt, d. h. des Einzelnen, der mit der Kraft und Vollmacht des Volkswillens ausgerüstet ist, hat gegenüber den Einzelnen und ihrer Rechts- und Interessensphäre im Grundsatz Anspruch auf unbedingte Geltung." I In gleichem Sinn erklärt G. Meyer 46 : das Individuum sei auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts dem Staate nicht koordinirt, vielmehr der Herrschaft desselben untergeordnet. "Der Staat befindet sich daher in der Lage, ... in der Form eines einseitigen Aktes Rechte zu begründen und Verbindlichkeiten aufzuerlegen." Am kürzesten ist die Formel bei Zorn 47 : "Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts wird der Staat seinen Unterthanen gegenüber immer nur gesetzlich (im weitesten Sinne d. W.) d. i. übergeordnet thätig." Was gemeint ist, ist überall das Nämliche. Es ist nichts anderes als das, was wir im Civilgesetz und im Civilurtheil wirken sehen und was wir dort die bindende Kraft der staatlichen Willensäusserung nennen, nur verallgemeinert und angewendet auf die vielerlei Gestalten und Richtungen der Staatsthätigkeit in der Verwaltung. In jedem Organ, welches gemäss der verfassungsmässigen und sonstigen Zuständigkeitsordnungen Geschäfte des Staates besorgt, erscheint diese Kraft, in Gesetz, in Regierung und in den Behörden darunter; nicht umsonst werden in den obigen Aussprüchen gerade die letzteren beiden, Regierung und Behörden, besonders hervorgehoben. In jeder Art von Einwirkung auf den Einzelnen, welche diese Thätigkeit mit sich bringt, kann diese Kraft zum Ausdruck kommen, auch in solchen, welche nicht nach dem engen Vorbild des Civilurtheils Zwang und Pflichtauflegung bedeuten. Verleihung von Nutzungen an öffentlichen Anstalten und Einrichtungen, Konzessionen, Gewährung von Unterstützungen und Entschädigungen sehen wir aufgeführt als Fälle der staatlichen Thätigkeit, in welchen jene so oder so benamste I bindende Kraft erscheinen soll. Ihr allgemeiner Begriff passt auch für diese, der des einseitigen Bestimmens des Rechtsverhältnisses, des Rechtmachens für den Einzelnen, welcher dem Staate gegenübersteht. Grundzüge einer allg. Staatslehre, S. 4I. Das öffentl. R. u. die Verwaltungsrechtspflege, S. 6I. 4& In Hirth's Annalen 1876, S. 67I. 47 Reichs-Staatsrecht, S. 105. Einen neuen Ausdruck bringt jetzt Jellinek, Ges. und Verordnung S. 196; "Jede von ihm (dem Staate) innerhalb der selbstgesetzten Schranken vorgenommene That ist rechtskräftig." U

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Mit einem Worte: wir können einfach anknüpfen an unsere ersten Erörterungen; die römische Staatsidee ist wiedergefunden für das Verhältniss zwischen Staat und Unterthan, soweit es wenigstens öffentlichrechtlicher Art ist. Das ist die folgenschwere Thatsache, welche die angeführten Zeugnisse bekunden. Diese Thatsache ist vielleicht nicht schon in ihrer ganzen Tragweite gewürdigt, ihre ungeheure Bedeutung für die Wissenschaft des öffentlichen Rechts wird vielleicht noch vielfach durch Halbheiten und Unklarheiten verdeckt. Aber zu bestreiten ist sie nicht. Wer etwa glaubt es zu thun, der sehe wohl zu, ob er sich nicht täuscht über das, was er eigentlich behaupten will. Man kann die bindende Kraft des Staatswillens nur für einen verhältnissmässig engeren Kreis von Verhältnissen anerkennen, man kann sie in Abrede stellen für dieses und jenes Rechtsinstitut, in welchem sie Andere noch wahrnehmen wollen: das ist ein Streit über unsere zweite Frage, über die Grenzziehung zwischen öffentlichem und Civilrecht. Das Civilrecht findet ja bei uns Anwendung auf den Staat in besonders starker Weise, man mag mit Grund die Meinung verfechten, dass es viel umfassender geschehe als anderswo, als z. B. bei den Franzosen. Aber woran man nicht denken kann, das ist, dass bei uns das öffentliche Recht selbst, soweit es einmal gilt, eine andere Natur habe. Es gibt keinen deutschnationalen Begriff von öffentlichem Recht, der sich durch einen mehr civilrechtlichen Charakter kennzeichnete. Was jenen grossen Grundgedanken der bindenden Kraft des Staatswillens verleugnet, das ist einfach nicht öffentlichrechtlich gedacht; ob man es so nennt, ist einerlei. 2. Die Unsicherheit und Unbestimmtheit liegt wie oben angedeutet ganz auf dem Gebiete der zweiten Frage, der nach der I Abgrenzung von öffentlichem und Civilrecht dem äusserlichen Gebiete nach. Der Massstab der Ausübung gewisser besonderer Befugnisse des Staates ist mit den Hoheitsrechten im alten Sinne verloren gegangen. Der neue Verfassungsgrundsatz der Trennung der Gewalten vertheilt die Zuständigkeiten zwischen Gesetz und Regierung nicht so, dass das eine auf öffentlichrechtlichem, die andere auf civilrechtlichem Gebiete thätig wäre. Die Regierung kann öffentlichrechtliche Akte für sich allein vornehmen, das Gesetz nimmt Theil am Abschluss civilrechtlicher Rechtsgeschäfte des Staates. Man könnte vielleicht anknüpfen wollen an das, was als die juristische Eigenthümlichkeit der öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisse anerkannt ist, und die Ausscheidung machen nach dem Massstabe, ob die einseitig bindende Kraft des Staatswillens an einem Rechtsverhältnisse erscheint oder nicht. Allein die erscheint nicht nothwendig so von selbst und in äusserlich erkennbarer Weise. Manches freilich lässt sich schon um seiner äusserlichen Form willen nicht anders als öffentlichrechtlich denken, z. B. ein Polizeibefehl, eine Enteignung. Es sollen aber zum öffentlichen Rechte auch Dinge gerechnet werden

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können, welche keine so ausgesprochen öffentlichrechtliche Form zur Schau tragen, z. B. Aufnahme in den Staatsverband, Gewährungen von Entschädigungen und Nutzungen, Konzessionsertheilungen. Hier liesse sich die Sache immer mehr oder weniger gut auch in den Gestalten civilrechtlicher Verträge und Versprechen zurechtlegen. Praktisch wird es gar nicht viel anders aussehen, wenn der Rechtsakt in seinem inneren Bau auf die bindende Kraft des Staatswillens gegründet d. h. öffentlichrechtlich behandelt wird. Die Frage muss also bereits vorher entschieden sein: nicht weil die bindende Kraft des Staatswillens darin wirksam wird, wird der Akt als ein öffentlichrechtlicher anerkannt, sondern weil er aus irgend einem anderen Grunde zum öffentlichen Rechte gehört, rechnet man bei seiner juristischen Behandlung mit jener Kraft. I Um einen Gesichtspunkt zu bekommen, der auch die Fälle der letzteren Art umfasst, bleibt nur übrig, zurückzugehn auf Inhalt und Gegenstand der staatlichen Thätigkeit. Und das ist denn auch das Bestreben unserer Wissenschaft, von dieser Seite her den Ausscheidungsmassstab zu gewinnen. Wir erhalten verschiedene Regeln vorgeschlagen, die alle einen stofflichen Gegensatz der dem öffentlichen Rechte angehörigen Staatsthätigkeit andeuten wollen. So wird gesagt: privatrechtlich sei der Staat zu behandeln, "wenn er in privatrechtliche Rechtsverhältnisse eintritt"48. Oder es wird verlangt, dass das Rechtsverhältniss, damit es öffentlichrechtlich sei, seinem Inhalt nach "aus dem Staatsverbande sich ergebe"; wo dieser Zusammenhang fehlt, ist es civilrechtlich49 . Dann legt man wieder grosses Gewicht auf die Art der Interessen, welche in Frage sind: wenn allgemeine "öffentliche Interessen" verfolgt werden, so gibt das öffentliche Recht die Ordnung dafür, wenn Interessen der Einzelnen oder des Staates handelnd wie ein Privater, so herrscht das CivilrechtSo . Aber die den Massstab abgebende Thatsache selbst wieder festzustellen, das führt eben doch immer auf die alte Schwierigkeit zurück. In ihrem praktischen Kern geben alle diese Regeln eigentlich nur den einfachen Satz, der gleichfalls in neuerer Zeit schon ausgesprochen worden ist: der Staat ist dann civilrechtlich zu behandeln wenn er thut, was auch ein Privater thun kÖnntes1 . I Das stimmt überein mit der bekannten Formel des französischen Rechts. Nur ist die Anwendung dieses vagen Be48 Seuffert, Kommentar z. bayr. Gerichtsordnung; Brater in BI. f. adm. Praxis V, S. 101; Rönne, Pr. Staatsrecht I, S. 493, 494; Thon, Rechtsnorm und subjectives Recht, S. 140. 49 Sarwey, Oeff. R. u. Verwaltungs rechtspflege, S. 449; Stengel, Organisat. d. Pr. Verw., S. 36; Regelsberger in Krit. Vierteljahrsschr. IV, S. 66. 50 Klüber, Oeffentl. Recht, § 390; Laband, Staatsrecht I, S. 396; Gareis, Allg. Staatsrecht, S. 7 ff.; Neumann in Hirth's Annalen 1886, S. 407 ff. 51 Leuthold in Hirth's Annalen 1884, S. 361, 363, Anm. 2; Laband in Arch. f. öff. R. II, S. 155.

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griffes bei uns noch viel unsicherer. Es fehlt hier das, was in Frankreich zu einer festeren Ausprägung führte: die Zuständigkeit der Civilgerichte ist bei uns nirgends so ängstlich beschränkt auf die Anwendung des Civilrechts. Dadurch ist den Meinungen ein weites Feld gelassen: der eine verlangt ein schärferes Hervortreten des Unterschieds der Staatsthätigkeit von der gewöhnlichen privatwirthschaftlichen, um dieselbe für öffentlichrechtlich zu erklären; der andere begnügt sich mit weniger. Auf beiden Extremen stehen Dinge, die jedermann nur als öffentlichrechtlich beziehungsweise civilrechtlich sich denken kann, z. B. der Polizeibefehl hier, die Verpachtung von Staatsgrundstücken dort. Das Gebiet der festen communis opinio wird sich allmählich nach der Mitte zu vergrössern. Aber einstweilen können wir auf dem Zwischengebiete keine Art von Abgrenzung verdammen. Wer will z. B. heutzutage beweisen, daß es unmöglich sei, die Entschädigungsleistung im Enteignungsverfahren civilrechtlich aufzufassen, oder wer hat Gründe, welche der Gegner als zwingend anerkennen müsste, um das Gegentheil darzuthun? Nicht einmal der Ausgangspunkt der Beurtheilung, die Regel über das, was im Zweifel eher anzunehmen ist, nicht einmal das steht fest. Wir finden es häufig ausgesprochen, zum al von Civilrechtslehrern, dass die Anwendung des Civilrechts auf den Staat die Ausnahme, die Fiktion ist. Und doch dürfen wir uns nicht verhehlen, dass thatsächlich auch der umgekehrte Satz daneben in Uebung ist: es wird noch vielfach geradeso verfahren, als wäre das Unterworfensein unter das Civilrecht der natürliche Zustand des Staates.Das also ist der Boden, auf welchem die Frage nach der rechtlichen Natur des Staatsdienstverhältnisses sich bewegt. Es ergeben sich daraus zunächst folgende Sätze: 1. Die Begründung des Staatsdienstverhältnisses kann jetzt als ein Akt öffentlichrechtlicher Art aufgefaßt werden, ohne dass I es nothwendig wäre, die unnatürliche Fiktion eines allgemeinen Zwangs rechts zu Hilfe zu nehmen.

2. Der Akt muss nicht nothwendig öffentlichrechtlich behandelt werden; wenn ihn Jemand civilrechtlich auffassen will, so können wir keinen zwingenden rechtswissenschaftlichen Grundsatz entgegenhalten, wonach das nicht zulässig wäre. 3. Wohl aber ist darüber keine Meinungsverschiedenheit möglich, auf welcher Grundlage er gebaut sein muss, wenn er in Wahrheit öffentlichrechtlich behandelt sein soll: die bindende Kraft des Staatswillens muss als positiv wirksames Element darin erkannt werden. Darauf ist nunmehr unser Rechtsinstitut genauer zu prüfen.

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IV. Aeusserlich betrachtet scheint heut zu Tage Alles dahin einig zu sein, dass die Begründung des Staatsdienstverhältnisses dem öffentlichen Rechte angehöre. Nur was die besondere rechtliche Natur des Begründungsaktes anlangt, stehen sich zwei grundverschiedene Auffassungen gegenüber. Nach der einen, welche bis vor Kurzem die herrschende werden zu wollen schien, wäre es ein einseitiger Akt der Staatsgewalt52 • Unter dem Einflusse SeydeZ's und Laband's ist aber jetzt eine Gegenströmung mächtig geworden, welche die vollen Merkmale des Vertragsbegriffes dafür in Anspruch nimmt. Wir werden sehen, dass jede dieser beiden Auffassungen ihre Berechtigung hat, wenigstens jede unter ihren Voraussetzungen.Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die Thatsache, dass nach dem bestehenden Rechtszustande Niemand zum Eintritt in den Staatsdienst gezwungen wird, vielmehr ist die Einwilligung des künftigen Beamten dazu nothwendig. Dieses Erforderniss ist nicht selbstverständlich. Wir bedürfen eines Grundes, der I es nothwendig macht. Der Grund ist bekannt; nur seine Tragweite gilt es festzustellen. Er liegt nicht in einem besonderen Gesetze, welches vorschriebe, dass Beamte nur mit ihrer Zustimmung ernannt werden können, sondern in einer allgemeineren höheren Regel, in einem Verfassungsrechtssatz. Wenn man so häufig sagen hört: der Staat kann Niemanden zum Eintritt in den Staatsdienst zwingen, der Staat bedarf der freiwilligen Unterwerfung, so ist das ungenau ausgedrückt: die Staatsgewalt kann Alles. Aber zwischen den obersten Formen, in welchen ihre Willensäusserung zu Stande kommt, und dadurch unmittelbar zwischen den Personen, welche in der einen oder in der anderen wirken, zwischen Gesetz und Regierung besteht verfassungsmässig eine Zuständigkeitsvertheilung. Danach sind insbesondere dem Gesetze vorbehalten gewisse Arten von Einwirkungen auf die Unterthanen, wie vor Allem Zwang zu Thun und Lassen. Richtig ist also nur, dass die Regierung regelmässig solchen Zwang nicht üben kann, weil sie verfassungsmässig dazu nicht zuständig ist im Verhältnisse zum Gesetze; vom Staat als Ganzem dagegen kann man nur sagen, dass er, wie seine Verfassung bezeugt, regelmässig in dieser Form, in der Form der Regierung nicht zwingen WiZZ 53 • Handelt es sich nun darum, dass die Regierung einen Unterthanen verpflichten soll zu Dienstleistungen für den Staat, so ist das unter der Literatur bei Rehm in Annalen 1885, S. 174 ff. Was wir von der Regierung sagen, gilt selbstverständlich auch von den Behörden, welche ihr Recht von derselben ableiten. 52 53

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Herrschaft jener verfassungsmässigen Zuständigkeits regeln nur auf zweierlei Weise möglich: entweder sie muss ein Gesetz haben, welches sie ermächtigt, zu diesem Zwecke Zwang zu üben, oder sie muss in die Lage kommen, es thun zu können ohne Zwang, und in diese Lage setzt sie die freiwillige Unterwerfung des Betroffenen. Im ersteren Falle entstehen Rechtsinstitute wie die Requisitionen und die Bürgerpflichten, im letzteren die freiwilligen Ehrendienste und der berufsmässige Staats..; dienst. I Auf diese Weise werden gesetzliche Ermächtigungen und Einwilligungen des Unterthanen durch jenen Verfassungsrechtssatz zu Erfordernissen der Akte der Regierung; wenn sie aber nichts anderes hinter sich haben als das, so ist ihre Bedeutung gleichmässig nur die eine: das Hinderniss wegzuräumen, welches der verfassungsmässige Vorbehalt des Gesetzes der Macht und Zuständigkeit der Regierung setzt. Sind sie in concreto gegeben, so wird dadurch die Zuständigkeit der Regierung für diese Art von Einwirkung frei. Weiter nichts. Das genügt aber auch. Wir befinden uns auf dem Boden des öffentlichen Rechts. Der durch das zuständige Organ geäusserte Staatswille hat bindende Kraft, ist für sich allein ohne weitere positive Voraussetzungen fähig, rechtlich wirksam den Einzelnen zu bestimmen. Die Einwilligung des Ernannten braucht also keine weitere Bedeutung zu haben als die eben geschilderte, damit das Staatsdienstverhältniss durch die Ernennung gültig begründet werde. Der Verwaltungsakt, der die Dienstpflicht auferlegt, ist der gemeinsame Kern für sie und für alle anderen öffentlichrechtlichen Rechtsinstitute, welche nach dem Obigen Dienstleistungen für den Staat beschaffen; nur die Voraussetzungen, die Bedingungen sind verschieden; nicht mehr als eine solche Voraussetzung ist die Einwilligung des Ernannten 54 • Das genügt aber nicht, damit um dieser Einwilligung willen I der Eintritt in den Staatsdienst zum Vertrage werde. Es ist allerdings fast eine stehende Redensart geworden, zu sagen: weil das Staatsdienstverhältniss nur begründet werden kann mit Einwilligung des Ernannten, des64 Die Zusammengehörigkeit dieser Rechtsinstitute vermag die Theorie vom wahren Staatsdienstvertrage nicht wiederzugeben (G. Meyer in Hirth's Annalen 1876, S. 699 ff.). Der berufsmässige Staatsdienst, auf welchen sie allein passt, sondert sich weit ab von den anderen öffentlichrechtlichen Diensten. Die Kluft würde nur verlegt, wenn man mit Rehm auch das Ehrenamt, selbst das gezwungene, durch einen Vertrag entstehen Hesse; überdies wäre das nur ein Vertrag von dem gleichen Werthe wie derjenige, welchen der Grundbesitzer abschliesst, wenn er die Enteignung über sich ergehen lässt (Laband in Arch. f. civ. Pr. 1852, S. 172, Anm. 20). - Löning, V.-R., S. 138 scheint den Vertragsbegriff schon bei dem freiwilligen Ehrenamt nicht mehr verwenden zu wollen; er hält sich da an die äusseren Formen der Begründung, Wahl oder Ernennung.

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halb muss der Begründungsakt ein Vertrag sein55 • Das geht zu rasch. Hier wo es sich um die Frage handelt, ob wahrer Vertrag oder nicht, müssen wir es mit diesem Begriffe genau nehmen. Es ist nicht alles Vertrag, was zu seiner rechtlichen Wirksamkeit die Einwilligung desjenigen voraussetzt, für welchen es wirksam sein soll. Auch die einseitigen Rechtsgeschäfte des Civilrechts können nicht wirken ohne den ausgesprochenen oder vermutheten Willen desjenigen, der Rechte erwerben oder Verpflichtungen auferlegt bekommen soll. Die Möglichkeit eines derartig bedingten einseitigen Rechtsgeschäftes liegt natürlich auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes noch viel näher. Der Vertrag aber ist eine viel fester bestimmte Rechtsgestalt als die eines Rechtsgeschäftes, bei welchem eine Annahme oder Zustimmung nöthig wird, damit es Erfolg habe: die Willenseinigung der Betheiligten, der "gemeinsame Wille", muss die Trägerin des Erfolges sein kraft eines Rechtssatzes, der diese Wirkung mit ihr verknüpft. Nicht der Eine soll die Rechtswirkung erzeugen und der Andere sich das gefallen lassen, sondern beide zusammen müssen sie geschaffen haben; dann ist es ein Vertrag 56 • I Es müsste also noch etwas hinzukommen, was dem Willen des Beamten eine entsprechende höhere Bedeutung für das Rechtsgeschäft verleihe, als die ihm jener Verfassungsrechtssatz gewährt. Damit er als wahre vertragsschliessende Partei angesehen werden könnte, müsste der Staat, nach Laband's treffendem Ausdruck, dem Einzelnen "bei Begründung des Verhältnisses einen Antheil, ein Mitwirkungsrecht ein55 Löning, V.-R., S. 119; SaTwey, Württemb. St.-R., S. 276; GaTeis, Allg. St.-R., S. 165; Seydel, Grundzüge, S. 59; Derselbe, bayr. St.-R. 11, S. 526; Rehm in Annalen 1885, S. 142. - Schon GönneT hatte sich beklagt: "Es ist ein folgenschwerer Irrthum der Rechtslehre, wenn sie glauben, das Einverständniss zweier Subjecte über Rechte und Verbindlichkeiten mache das ganze Wesen eine Vertrages aus." (Staatsdienst, S. 29). - Wir werden übrigens sehen, dass die Sache meist nicht so einfach gemeint und deshalb der Vorwurf der Oberflächlichkeit nicht angebracht ist (vgl. unten Anm. 64). 58 Ueber einseitiges Rechtsgeschäft und Vertrag vgl. Böcking, Pand. § 103, Note 12. Bemerkenswerth sind die Ausführungen bei Kuntze, Inhaberpapiere § 81, wegen der Betonung der Verwandtschaft des einseitigen civilrechtlichen Rechtsgeschäftes mit dem öffentlichen Rechtsgeschäfte. Er stellt zuerst fest, dass auch das einseitige Rechtsgeschäft zu seiner Wirksamkeit das Dasein zweier zusammentreffender Willen voraussetzt. "Der civilistische Grund des Unterschiedes aber", fährt er fort, "liegt in der schöpferischen Bedeutsamkeit der zusammenwirkenden Willen: der Lebensgrund des Aktes liegt in dem alleinigen Willen des Disponenten, der Lebensgrund des Vertrages dagegen in dem Zusammenwirken des beiderseitigen Willens. Dort liegt die Zeugungsmacht in dem einen, hier in dem wechselseitigen Willen, dort ist es einseitige, hier gemeinsame Urheberschaft ... Eine solche Stellung des Disponenten verleiht seinem Willen eine ungewöhnliche Macht und lässt sie in dem Lichte autonomischer Souveränetät erscheinen, wie dieselbe den civilistischen Rechtsbau fast zu zerbrechen droht."

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räumen"57. Ein Grund, von welchem eine derartige Einräumung ausginge, ist aber auf dem ganzen Boden des öffentlichen Rechtes nicht zu finden. Es soll doch nicht etwa die Regierung selbst, bevor sie ernennt, erst noch das Mitwirkungsrecht einräumen, um dann mit dem Ernannten einen richtigen Vertrag abschliessen zu können, anstatt wie sie vermöchte, das Rechtsverhältniss nach seiner Unterwerfung aus eigener Zuständigkeit zu begründen? Ein Gesetz, welches dem Willen des Beamten irgend welche positive Bedeutung verliehe, besteht nicht. Ist es überhaupt denkbar, dass ein Gesetz ein solches Mitwirkungsrecht verliehe? Die Frage ist nicht neu. Es wurde bereits von verschiedenen Seiten der Satz aufgestellt, dass wahre Verträge zwischen dem Staat und den Unterthanen auf dem Gebiete des I öffentlichen Rechtes nicht möglich seien58. Als Grund gibt man übereinstimmend an, dass der Vertrag "gleichberechtigte Kontrahenten, koordinirte Subjecte" voraussetze. Es ist nichts anderes als eine Folgerung aus dem das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatze der allgemeinen einseitig bindenden Kraft des Staatswillens, welche hiermit gezogen wird. Wenn von vornherein überall der Wille des staatlichen Organes für sich allein fähig ist, das Rechtsverhältniss zu erzeugen, so kann es immerhin zum Schutze der Interessen des Einzelnen nothwendig erscheinen, auch dessen Willen einen Einfluss darauf zu gewähren. Diesen sachlichen Zwekken wird aber vollauf genügt in der Form, dass die Zuständigkeit jener Organe zur Vornahme des Aktes abhängig gemacht wird von Gesuchen und Annahmeerklärungen der Einzelnen. Ein Gesetz, welches überflüssiger Weise die Einwilligung zu einer förmlichen Mitwirkung an der Erzeugung des Rechtsverhältnisses im Sinne des Vertrages steigerte, nur um einen wahren Vertrag zu haben, wäre eine leere juristische Lie bha berei59. Darum sind wahre Verträge des Staates auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes überhaupt nicht denkbar. I 51 Arch. f. Öff. R. II, S. 159. 58 Gerber, Ueber öff. Rechte, S. 40; Hänel, Studien, S. 32 ff.; G. Meyer, St.-R., S. 410; Derselbe in Hirth's Annalen 1878, S. 383, 384; Gierke in Tüb. Ztschft. XXX, S. 194; Schulze, D. St.-R. I, S. 321; Zorn, R. St.-R. I, S. 105; E. Meyer, Staatsverträge, S. 76, 77. 59 Zu einer besonderen Bemerkung gibt nur das Beispiel von öffentlichrechtlichen Verträgen Anlass, auf welches Stengel (D. V.-R., S. 44) hinweist: die Verträge, welche seiner Zeit einzelne Staaten mit den ehemals reichsunmittelbaren Herren über ihre rechtliche Stellung abgeschlossen haben. Die Vertragsnatur dieser Akte kann ebensowenig geläugnet werden wie ihre Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht. Dass sie aber Verträge sind, verdanken sie eben nur dem Hereinragen eines Koordinationsverhältnisses: die rechtliche Stellung dieser Herren war vermöge der Garantie der deutschen Bundesakte und der Wiener Kongressakte eine völkerrechtliche geworden (vgl. Rönne, II, S. 284 ff., auf welchen auch Stengel sich beruft). Nur auf dem Boden des Völkerrechts und des Civilrechts bestehen Gleichberechtigung und Vertragsform.

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Jedenfalls ist der Entstehungsakt des Staatsdienstverhältnisses, auf den vorhandenen Grundlagen des öffentlichen Rechtes betrachtet, nicht als ein wahrer Vertrag anzusehen. Welchen Namen könnten wir ihm nun aber geben, um seine juristische Natur zum Ausdruck zu bringen? Die ältere Bezeichnung als lex specialis, als privilegium mochte ihre guten Dienste thun, um die einseitig rechtschaffende Kraft des Staatswillens zu veranschaulichen. Der Begriff des Gesetzes ist aber jetzt schon allzufest umschrieben, als dass sein Name noch irgend wie verwendet werden dürfte, wo er nur halb oder viertels passt. Ueberdies, wenn hier ein privilegium vorliegen soll, weil die Staatsgewalt für den konkreten Fall verfügt, so würde das kaum etwas sein, was die Begründung des Staatsdienstverhältnisses. vor anderen Verwaltungsakten auszeichnete: Polizeibefehle und -erlaubnisse, Konzessionen, Enteignungen verdienten den Namen ebenso gut60 • Der gleiche Mangel eines besonderen Gehaltes findet sich aber auch in den neuerdings üblich gewordenen Benennungen, welche an sich nicht unrichtig sind, wie: einseitiger Staatsakt, Souveränetätsakt, Akt der Staatshoheit, Verwaltungsakt, Verfügung 61 • Einen anerkennenswerthen Versuch genauerer Ausscheidung der Rechtsinstitute macht G. Meyer, indem er die Verfügungen eintheilt in Befehle, Gestattungen und in Verfügungen, welche Rechtsverhältnisse begründen (rechtsbegründende Verwaltungsakte)62. Zu den letzteren zählt er ausser Naturalisation, Verlleihung von Patenten und Korporationsrechten auch die Anstellung von Beamten. Allein das auszeichnende Merkmal, welches jener Name für die letzteren Dinge andeuten soll, ist in Wahrheit allen diesen Verwaltungsakten gemeinsam: ein Rechtsverhältniss erzeugt auch der Befehl und die Gestattung. Oder was ist ein Sollen, welches durch staatliche Behörden erzwungen, ein Dürfen, welches durch staatliche Behörden anerkannt und geschützt wird, anderes als ein Rechtsverhältniss? Deshalb verdienen auch alle Verwaltungsakte, soweit sie nicht blosse Entscheidungen sind, d. h. sich darauf beschränken, festzustellen was bereits geordnet ist, den Namen Rechtsgeschäft; sie sind Willensäusserungen, darauf gerichtet, Rechtsverhältnisse hervorzubringen; das entspricht jenem Begriff. Sofern sie das thun, von den Grundlagen des 60 Sie erhalten ihn auch: Schlayer in Linde's Ztschft. N. F. XII, S. 69; Meili in Ztschft. f. H. R. XXIV, S. 359; Löbell, Pr. Enteignungsges. S. 16. Wenn aber demnach das ganze Verwaltungsrecht von Privilegien wimmelt, so ist eben dadurch die Verwendung dieses Begriffes hier ad absurdum geführt. (Vgl. oben Anm. 10.) 61 Rönne III, S. 406; Zorn I, S. 231, 232; G. Meyer in Annalen 1878, S. 384; Schulze, D. St.-R. I, S. 321. 82

St.-R., S. 452.

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öffentlichen Rechtes aus, darf man sie öffentlichrechtliche Rechtsgeschäfte nennen; auch die Beamtenanstellung ist ein solches63 • Um die Eigenart derselben gegenüber anders gearteten Rechtsgeschäften des öffentlichen Rechtes passend zu bezeichnen, dürfte der Name "öffentlichrechtlicher Vertrag" immer noch am zweckmässigsten sein. Thatsächlich war es ja auch bis in die neuere Zeit ein civilrechtlicher Dienstvertrag, durch welchen der Beamte angestellt wurde. Die Wendung zur öffentlichrechtllichen Beurtheilung hat dem Anstellungsakte davon nichts genommen als die bestimmte juristische Natur. Das deuten wir genügend an durch den Zusatz "öffentlichrechtlich". Die stoffliche Verwandtschaft mit dem Civildienstvertrage ist geblieben. Die Sprache des praktischen Lebens wird auf den Namen Staatsdienstvertrag ohnedies nicht verzichten. Wir müssen zufrieden sein, durch jenes Beiwort das Rechtsinstitut auf seinen richtigen Boden zu stellen. Endlich wird uns aber auch der Vorgang der Römer und Franzosen nicht ganz gleichgültig sein können. Die Franzosen haben sicherlich weder Namen noch Gestalt ihres contrat administratif den Rechtsgeschäften des römischen Censor entlehnt. Die gleiche staatsrechtliche Grundlage erzeugte selbständig hier wie dort die gleichen Erscheinungen. Kaum ist bei uns die Staats idee kräftig geworden, so wiederholt sich bei uns das Bild. Unter dem gleichen Rechtsbegriffe "wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter". Der gleiche Name muss diese geistige Gemeinschaft besiegeln.

V. Folgen wir aber nunmehr auch der Theorie, welche wahre und echte Verträge für das Gebiet des öffentlichen Rechtes anerkannt haben will, auf ihren eigenen Wegen. Wir dürfen uns nicht abschrecken lassen durch jene vage Redewendung, mit welcher es üblich ist, das Vorhandensein eines Vertrages nachzuweisen. Wenn alle Verfügungen für Verträge erklärt werden sollten, wozu eine Einwilligung erforderlich ist, so würde das viel wei83 Wegen der Gefahr, dass civilrechtliche Hintergedanken sich damit verbinden könnten, wird diese Bezeichnung verworfen von G. Meyer in Annalen 1878, S. 383. Ebenso sprechen sich dagegen aus: Zorn I, S. 231; Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 10 Anm. Der Letztere verweist darauf, dass man folgerichtig auch vom Gesetze sagen müsste, es enthalte Rechtsgeschäfte. Warum nicht? Wo es in allgemeinen Regeln spricht, würde der Ausdruck allerdings nicht passen, weil wir mit dem Begriff Rechtsgeschäft immer nur die Ordnung des Einzelfalles im Auge haben. Wenn aber das Gesetz eine Konzession, eine Ermächtigung, einen Befehl im Einzelfall gibt, so werden wir vor der Bezeichnung als öffentlichrechtliches Rechtsgeschäft nicht zurückschrecken brauchen. Wo sollen wir überhaupt eine Terminologie herbekommen, wenn wir nicht wagen, sie vom Civilrecht zu entlehnen?

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ter führen, als jene Theorie gehen will. Jede Polizeierlaubniss wäre ein Vertrag. So ist es aber nicht gemeint; es wird in der That noch ein Weiteres vorausgesetzt, was dazu kommen muss, damit die Verfügung mit der Einwilligung des Betroffenen als Vertrag aufgeführt werden könne, und dadurch verengert sich das Gebiet dieser Verträge. Es wird I nämlich verlangt, dass der Einzelne, über welchen verfügt wird, dem Staate bis dahin in einer gewissen Unabhängigkeit gegenüberstehe; er muss nach dem Ausdruck von Schmitthenner, welchen Laband aus halber Vergessenheit hervorzog, um ihn als Stammvater der wahren Vertragslehre anzuerkennen, "der Staatsgewalt gar nicht oder doch, wie selbst eigene Unterthanen, in dem festzuhaltenden Verhältniss nicht unterworfen sein"64. Diese Voraussetzung findet man, gleichfalls nach dem Vorgange Schmitthenner's, vor Allem gegeben in der Naturalisation und in der Beamtenernennung; dies sind daher die zwei Hauptanwendungsfälle des Vertragsbegriffes. Der ganze Gedankengang zeigt sich sofort auf's deutlichste an der Behandlung des NaturaZisationsaktes unseres Staatsangehörigkeitsgesetzes. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Entscheidung der Behörde hätte äusserlich betrachtet nichts sehr Ermuthigendes für die Annahme eines Vertrages; was sie in dieses Licht setzen soll, ist nur die innerliche Bedeutung des Vorganges. Ein Ausländer tritt durch den Akt in den Staatsverband ein; vorher also war dieser Mensch unserer Staatsgewalt nicht unterworfen, er stand unserem Staate fremd und selbständig gegenüber. Jetzt wird mit ihm das pactum receptionis geschlossen, welches nichts anderes ist als eine Einzelvornahme des grossen pactum subjectionis, das die alte Unterthanenschaft unter dieser Staatsgewalt schon vereinigt hat; oder, wie man es dem neueren Geschmack entsprechender ausdrückt, es geht etwas vor wie eine civilrechtliche Adoption: die bisher gleichberechtigten Rechtssubjecte einigen ihren selbständigen Willen dahin, dass nunmehr das I eine über das andere gesetzt wird, als Gewalthaber, als Herrscher 65 . Diese Auffassung von dem Verhältnisse des Staates zu dem aufzunehmenden Fremden ist m. E. nicht richtig. Unser Staat ist kein Verein, dessen Vorstandschaft die statutenmässige Gewaltstellung nur hat gegenüber gehörig aufgenommenen Mitgliedern. Er ist Herrscher und 84 Staatsrecht, S. 315, 316. Es scheint mir demnach der Verdacht unbegründet zu sein, welchen G. Meyer (in Annalen 1878, S. 384) gegen Laband ausspricht, dass derselbe den Vertragsbegriff auf alle Verwaltungsakte anwenden wolle, bei welchen eine Einwilligung erforderlich ist. 85 Schmitthenner, S. 462; Laband I, S. 166; Rosin in Annalen 1883, S. 299; Rehm in Annalen 1885, S. 119.

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hoheitliche Macht gegenüber Jedermann, den sein Arm thatsächlich erreichen kann, für den Ausländer, der sich bei uns niederlässt, geradeso wie für den Einheimischen. Die Staatsangehörigkeit ist eine Eigenschaft, welche einen Theil der ihm Unterworfenen mit besonderen Rechten und Pflichten auszeichnet, ein status. Indem der Staat durch Naturalisation und Entlassung an der Ordnung dieses status arbeitet, handelt er obrigkeitlich, geradeso wie in den civilrechtlichen Personenstandsverfügungen der legitimatio per rescriptum principis oder der Genehmigung der Adoption. Die Einwilligung des Betroffenen ist nur die gesetzliche Bedingung für die der Behörde verliehene Gewalt66 • Wenn aber die Voraussetzung eines Koordinationsverhältnisses hier nicht herzustellen ist, so bliebe der Vertragsbegriff nur anwendbar von jenem unmöglichen Standpunkte aus, der einen Vertrag überall sieht, wo es einer Einwilligung bedarf. Die gleiche Grundlage sucht man auch für das andere Hauptbeispiel des Vertrages zu gewinnen, nur mit ungleich besserem Erfolge. Ueberall wo gründlich verfahren wird, geht man davon I aus, das Gebiet des hoheitlichen, des Subjectionsverhältnisses so abzugrenzen, dass die Begründung des Staatsdienstverhältnisses nicht mehr darunter fällt. Der Willensäusserung des Staates wird etwa hoheitliche Natur und einseitig bindende Kraft nur zuerkannt, wo sie in Form des Befehles auftritt 67 • Oder man stellt auf, der Staatsangehörige sei bloss dem Herrscher als Gesetzgeber gegenüber bloss Object der Herrschaft, der Verwaltung gegenüber sei er vermöge der sogenannten Grundrechte unabhängig, soweit das Gesetz nicht Ausnahmen macht durch Ermächtigung der Verwaltung zum Befehle. "In dieser Weise wohl kann man auch auf staatsrechtlichem Gebiete von Gleichberechtigung ... reden 68 ." In Begründung des Staatsdienstverhältnisses macht der Staat offenbar von keinem Befehlsrechte Gebrauch, also gilt dabei Gleichberechtigung. Den nämlichen Erfolg würde jede andere Abgrenzungstheorie erreichen, welche für diesen Fall die einseitig bindende Kraft des Staatswillens beseitigte; keine vermöchten wir grundsätzlich auszuschliessen, weil 86 Wenn die Einwilligung fehlt, so ist nicht etwa das Rechtsgeschäft nicht zu Stande gekommen, sondern der Verwaltungsakt der Naturalisation mangelhaft und alles Weitere hängt davon ab, inwieweit Zuständigkeiten bestehen, um ihn für ungültig zu erklären (Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 142; Landgraff daselbst, S. 1029; Rönne II, S. 18, Anm. 1 b; G. Meyer, V.-R., S. 137, 138; Sarwey, Oeff. R. u. Verwaltungsrechtspflege, S. 461). 67 Laband, st.-R. II, S. 203, 217; derselbe in Arch. f. öff. R. II, S. 159. Dass der Staat hoheitlich und mit bindender Kraft nur auftritt, wo ihm "durch die Gesetzgebung eingeräumte Befugnisse" zur Seite stehn, erinnert an die Lehre von den Hoheitsrechten. Indess streiten wir ja nicht über die Begrenzung des Gebietes des öffentlichen Rechtes und müssen desshalb Jedem die Art lassen, wie er zu der seinigen kommt. 8S Rehm in Hirth's Annalen 1885, S. 121 ff.

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eben eine feste allgemein gültige Regel für diese Abgrenzung nicht besteht. Und überall wird dann durch die Beseitigung des grossen Hindernisses Raum geschaffen für einen wahren Vertrag; das ist nicht zu leugnen. Was ich aber behaupten möchte, das ist, dass der auf solche Weise ermöglichte Vertrag nothwendig eine civilrechtliche Grundlage bekommt. Das Vacuum, welches das Zurückschieben der einseitig bindenden Kraft des Staatswillens lässt, füllt sich ganz von selbst wieder aus durch die Regeln des Civilrechts. I Wir müssen vor Allem immer eine Antwort haben auf die Frage: wie kommt es, dass dieser wahre Staatsdienstvertrag rechtliche Wirkungen hervorbringt? Wenn zwei gleichberechtigte Personen zusammentreten und einmüthig aussprechen, der Eine solle dem Anderen zu Etwas verpflichtet sein, so erzeugt das für sich allein noch kein bindendes Rechtsverhältniss. Das geschieht erst dadurch, dass nun auch die Anerkennung der Rechtsordnung hinzukommt, welche durch einen Rechtssatz diesen Ausspruch für gültig und bindend erklärt. Welcher Rechtssatz macht z. B. den Dienstvertrag eines Reichsbeamten gültig? Wenn die Reichsverfassung dem Kaiser das Ernennungsrecht gibt, so ist das ein Rechtssatz, aber nicht der, den wir brauchen69 • Er gehört zu der Vertheilung der Vertretungsbefugniss zwischen den Organen des Reichs und macht an sich das daraufhin abgeschlossene Geschäft für den Dritten so wenig bindend, wie die Vollmacht eines Privatvertreters. Das Reichsbeamtengesetz seinerseits enthält nirgends auch nur stillschweigend die Verfügung, dass die Willenseinigung zwischen dem Kaiser und den Beamten mit Rechtswirkungen versehen werden solle. Von der Zustimmung des Ernannten ist bei ihm gar keine Rede. Dass etwas Gültiges zu Stande komme, ohne es, setzt es als selbstverständlich voraus. Und es muss das voraussetzen; denn Reichsbeamte sind angestellt worden vor dem Reichsbeamtengesetz; man denke nur I an die vielen Reichseisenbahnbeamten in Elsass-Lothringen. Die Verträge durch welche deren Eintritt in den Staatsdienst bewirkt wurde, könnten nur nach Landesrecht abgeschlossen sein. Allein unser Landesrecht hatte 69 Löning, V.-R., S. 246, scheint mit diesem Rechtssatze die ganze Frage nach der Möglichkeit eines wahren öffentlichrechtlichen Vertrages erledigen zu wollen. Für ihn liegt allerdings auch die Schwierigkeit nur darin, dass der Vertrag eine Verpflichtung des Staates begründe, subjective öffentliche Rechte seiner Unterthanen ohne deren Zustimmung nicht zu verändern oder aufzuheben. Allein in einer derartigen Gebundenheit des Willens der Regierung durch ihren eigenen Akt liegt gar nicht das Eigenthümliche des Dienstvertrages. Dergleichen entsteht auch bei Polizeierlaubnissen und entsteht nicht bei der widerruflichen Anstellung.

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niemals einen Rechtssatz über öffentlichrechtliche Staatsdienstverträge gehabt; denn das Staatsdienstverhältniss war einseitig durch Verwaltungsakt begründet worden ohne Rechtssatz 7o • Wenn die deutsche Staatsgewalt über die dazu nöthige einseitig bindende Kraft nicht verfügte, so war öffentlichrechtlicher Weise überhaupt nichts möglich. Nur für civilrechtliche Dienstverträge bot der code civil Rechtssätze genug. Die gleiche Lücke besteht für die Dienstverträge der Landesbeamten; wir verweisen nur auf die Rechtslage der Strassburger Universitätsprofessoren, auf welche das als Landesgesetz eingeführte Reichsbeamtengesetz keine Anwendung findet, und auf die neuerdings mehr besprochenen Dienstverträge der militärischen Kapitulanten, welche ausschliesslich durch Militärverordnungen, d. h. durch Dienstinstruktionen geordnet sind71 • Thatsache ist, dass den Anhängern des wahren Staatsdienstvertrages dieser Mangel eines Rechtssatzes noch niemals Schwierigkeiten bereitet hat. Dass die Willenseinigung immer fähig sein muss, Rechtsverhältnisse zu erzeugen, ist ein Axiom. Pacta sunt servanda, der Rechtssatz muss auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes so gut gelten wie auf dem des Civilrechts72 • Nur freilich, dieser Satz in seinen verschiedenen Formulirungen und mit allen seinen Einzelheiten gehört von Haus aus dem Civil I recht an; wie er geradeso in das öffentliche Recht gekommen ist, wird uns nicht gesagt. Die Analogie des Völkerrechts muss man hier, wo es sich um innere staatliche Verhältnisse mit vollem Rechtsschutz handelt, füglich bei Seite lassen. Ein öffentlichrechtliches Gewohnheitsrecht wird nicht angerufen; ein solches wäre auch schwer nachzuweisen, namentlich müsste es oft recht plötzlich entstanden sein. Behaupten wir unter diesen Umständen zu viel, wenn wir sagen: der Rechtssatz, welchem der Staat sich hier unterwirft wie eine Privatperson, als Gleicher mit dem Gleichen, um seinen Willen gültig und bindend zu machen, der in Inhalt und Art der Wirkung dem bekannten Civilrechtssatze gleicht wie ein Ei dem anderen, - ist in That und Wahrheit kein anderer als eben jener Civilrechtssatz, welcher einfach zur Aushülfe herangezogen wird? Das Rechtsgeschäft, welches auf dieser Grundlage zu Stande kommt, muss zunächst nothwendig die Gestalt eines civilrechtlichen Vertrages VgI. oben bei Anm. 24. Laband III, S. 16; Rehm in Annalen 1855, S. 130, meint allerdings die massgebende Kabinetsordre vom 8. Juni enthalte zum Theil Rechtsregeln; das kann sie aber gar nicht. 72 Die bayrischen Juristen, welche sich von jeher um das Staatsdienerrecht und was dazu gehört, besonderes verdient gemacht haben, sind die Hauptträger dieser Auffassung. So Brater in BI. f. adm. Pr. V, S. 119 und Note 67 daselbst; Seydel, Grundzüge, S. 51; Stengel in Hirth's Annalen 1876, S. 898; Rehm daselbst 1885, S. 118. 70

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erhalten. Wir warten also darauf, dass man uns die juristischen Unterscheidungsmerkmale aufweise, welche es auszeichnen vor einem solchen. So lange öffentliches Recht und Civilrecht nicht einerlei sind, muss das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft seine eigenthümliche juristische Natur haben. Worin soll die hier bestehen? Wenn man anerkennt, der Staatsdienstvertrag sei im öffentlichen Interesse geschlossen, diene der staatlichen Thätigkeit zur Förderung des Gemeinwesens, hänge zusammen mit den grossen Aufgaben des Staates, so ist uns damit noch nicht geholfen: diese Erwägungen können genügende Beweggründe sein, um den Staatsdienstvertrag öffentlichrechtlich zu behandeln; aber sie beweisen nicht, dass es auch wirklich geschehen ist. Thaten, nicht Beweggründe dazu wollen wir sehen. Das Einzige, was als eine solche That in Betracht kommt und dem Staatsdienstvertrage wirklich eigenthümliche juristische Besonderheiten gibt, ist diejenige Gestaltung desselben, welche I Laband am sorgfältigsten ausgebildet und mit der massgebend gewordenen Ausdrucksweise versehen hat. Danach liegt das Besondere darin, dass der gewöhnliche Dienstvertrag kontraktliche, obligatorische Pflichten begründet, der Staatsdienstvertrag dagegen ein Gewaltverhältniss73 • Was ist also ein Gewaltverhältniss, oder vielmehr, denn das allein hat für uns Bedeutung, was will in dieser Theorie damit gesagt sein? Das Gewaltverhältniss ist vor Allem ein Rechtsverhältniss, aus welchem einzelne, nicht im Voraus bestimmte Pflichten des einen Theiles fliessen nach dem Willen des anderen Theiles, der sie zu fordern berechtigt ist74 • Dazu muss dann als Zweites hinzukommen die Ungleichheit der beiden Rechtssubjecte; der Wille des berechtigten entscheidet mit selbständig bindender Kraft für das andere darüber, was aus dem Pflichtverhältniss geschuldet ist; seine Anforderungen sind erzwingbare Befehle 75 • I 73 Staatsrecht I, S. 386 ff. Ihm schliessen sich an: Gareis, Allg. Staatsrecht, S. 164, Rehm in Annalen 1885, S. 146 ff. Namentlich der Letztere führt diese Lehre weiter aus und, wie mir scheint, ganz in Laband's Sinn, mit einer Abweichung, welche hier nicht in Betracht kommt. Auch Rosin (Annalen 1883, S. 299, Anm. 3) scheint gelegentlich seiner Ausführungen über die Herrschaftsrechte die Anwendung dieses Begriffes auf den Staatsdienst zu billigen. Zur Erläuterung dienen auch die älteren Schriftsteller, auf welche Laband sich beruft, namentlich Schmitthenner, S. 278 ff., S. 509, und Gerber, Grundzüge § 36, Anm. 1, S. 16. 74 Schmitthenner, S. 278: "Objekt ist nicht eine einzelne Handlung, sondern die Person als Ganzes"; Gerber, § 17: "Die einzelnen Ansprüche sind nur die wichtigsten Anwendungsfälle seines Gewaltrechts" ; Laband I, S. 396: "Die Dienstpflicht eine unbestimmte, ungemessene, die ganze Persönlichkeit erfassende"; Rehm, Annalen 1885, S. 154: "In Folge davon ist der Diener zu ungemessenen und unbestimmten Diensten verpflichtet." 75 Schmitthenner, S. 509 Anm., "nicht ein blasses Klagerecht, sondern das

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Anwendungsfälle dieses Begriffes findet man auf civilrechtlichem Gebiete vor Allem in den familienrechtlichen Gewalten 76 . Auch das alte Rechtsinstitut der commendatio wird hervorgezogen. Sonstige civilrechtliche Dienstverträge können wohl auch allgemeine im Einzelnen unbestimmte Leistungspflichten erzeugen, aber das andere Element des Gewaltverhältnisses fehlt dabei: die hoheitliche Stellung des Dienstherrn, vermöge deren sein Befehl rechtsgültig ist aus eigener Kraft. Nur das ältere Gesinderecht und ähnliche Verhältnisse enthalten wenigstens einen Anklang daran 77 • Dagegen zeigt sich gerade dieses zweite Element am reinsten ausgeprägt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts: das ganze Verhältniss des Staates zu den Unterthanen ist ein grosses Gewaltverhältniss78 • Das lässt sich in seiner Allgemeinheit natürlich mit jenen civilrechtlichen Rechtsinstituten nicht vergleichen. Richtige Seitenstücke zu diesen ergeben sich hier nur, soweit engere Kreise daraus hervortreten, für welche das Gewaltverhältniss eine besonders scharfe Ausprägung erhalten hat, belsondere Gewaltverhältnisse. Solche sind z. B. die Staatsangehörigkeit, die gesetzliche Heeresdienstpflicht, das Beamtenver hältniss 79. Recht zu Befehl und Zwang". Gerber, § 16: "Diese Beziehung bedeutet, dass alle einzelnen Volksglieder durch den Staatswillen rechtlich gebunden sind." Laband I, S. 387: "Kein obligatorisches Kontraktsverhältniss, sondern ein Verhältniss der Ueber- und Unterordnung, eine potestas; ... kein Forderungsrecht, sondern Hoheitsrechte" ... S. 449: "bei den Gewaltverhältnissen tritt an die Stelle der Forderung der Befehl und an die Stelle der Klage der Zwang." Rosin in Annalen 1883, S. 269, "die erstere den Willen der letzteren aus eigener Macht zu bestimmen berechtigt", S. 269: "Die Willensäusserung der herrschenden Persönlichkeit ist der Befehl, die der gleichberechtigten die Forderung." Ehrenberg, Commendation und Huldigung, S. 42 ff., dessen Begriff des Gewaltverhältnisses ein engerer ist als der hier in Betracht kommende, schliesst dasselbe überall aus, wo eine gerichtliche Klage zur Geltendmachung von Rechten nothwendig und möglich ist. 78 Schmitthenner, S. 279; Gerber, § 36, Anm. 1; Laband I, S. 386; Rosin in Annalen 1883, S. 298. 77 Laband I, S. 449. Ehrenberg erkennt nur bei eigenthumsgleichen Rechten über die Person ein Gewaltverhältniss an, schliesst demnach insbesondere auch das Beispiel des Vasallen aus (S. 45 ff.). 78 Schmitthenner, S. 279; Gerber, § 16; Rosin in Annalen 1883, S. 299. 78 Schmitthenner, S. 509, Anm.: "ein besonderes öffentliches Subjektionsverhältniss". Laband I, S. 386; Rosin in Annalen 1883, S. 299. - Worin diese besonders scharfe Ausprägung bestehen muss, das wird bei Ehrenberg (S. 47, Anm. 36 a) ganz richtig angedeutet: "Für gewöhnlich und allgemein stehen die Unterthanen in jenem grossen Gewaltverhältnisse nur zur ganzen Staatsgewalt (Krone und Parlament, d. h. Gesetz und Regierung); das besondere Gewaltverhältniss wird sich darin als verschärft erweisen, dass eine gleiche Gewalt der Regierung und ihren Behörden allein zusteht." Wenn Ehrenberg findet, dass das nur der Fall sei gegenüber Militärpersonen und gegenüber allen Personen, welche sich innerhalb eines in Kriegszustand erklärten Distriktes aufhalten, so hängt das mit dem strengeren Begriff zusammen, welchen er mit dem Namen Gewaltverhältnisse verbindet.

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Soll denn die Eigenschaft als ein derartiges Gewaltverhältniss es sein, was den Staatsdienst vor dem privatrechtlichen Dienstverhältnisse auszeichnet, so wird es leicht sein, den Punkt zu bestimmen, in welchem der Kern des Gegensatzes zwischen beiden liegt. Jedenfalls hat ganz bei Seite zu bleiben das moralische Element, welches mit dem Dienstverhältnisse sich verbindet. Das Sittliche, Sittlich-rechtliche u. s. w., was unseren Philosophen immer so wohl daran gefiel, ist für die juristische Gestaltung der Sache überhaupt nicht zu verwerthen. Ebenso wenig aber auch die neuerdings wieder in den Vordergrund geschobene Pflicht zur Treue. Treue wird, wie vom Handlungsgehülfen, von der Dienstmagd, so auch im Staatsdienstverhältniss verlangt. Sie spielt bei dem letzteren eine besondere Rolle nur gerade deshalb, weil sie hier über den Rechtskreis des Dienstverhältnisses, welches wir juristisch kennzeichnen wollen, völlig hinausgreift: der Dienst ist des Staates, die Treue aber gebührt dem König ganz persönlichso • Die grosse Wichtigkeit dieser Treupflicht I gegen des Königs Person ist einmal wirklich etwas, was wir als eine nationale, als eine echt germanische Idee in Anspruch nehmen können. Sie gibt unserem Heere wie unserem Civilbeamtenthum ein gutes Stück seines Charakters und ist ein bedeutsames Element in unserem inneren Staatsleben. Aber nicht Alles, was wichtig ist, ist ein juristisch wesentlicher Bestandteil unserer Rechtsinstitute. Die väterliche Gewalt stellen wir dar ohne die Kindesliebe. Juristisch ist auch die Treupflicht des Staatsdieners ein Nebenpunkt: er schuldet in erster Linie nicht Treue, sondern Dienste bestimmter Art und für diese wird er bezahlt, nicht für seine Gesinnung. Ferner kommt auch von juristisch erheblichen Bestandtheilen des Staatsdienstes nicht in Betracht die besondere Art der zu leistenden Dienste, und ebensowenig der Umstand, dass der Inhalt des Vertrages zum grossen Theile ein für allemal gleichmässig feststeht. Denn das ist dem Gewaltverhältniss nicht eigenthümlich: der kontraktliche Diener kann zu ganz den nämlichen Dingen verpflichtet seinS!. Es wäre aber auch nicht richtig, die Ungemessenheit der von dem Beamten zu leistenden Dienste hier zu betonen. Eine gewisse Unbestimmtheit der Pflichten, welche der Verfügung des Gewalthabers Spielraum lässt, gehört, wie gesagt, zum Begriffe des Gewaltverhältnisses. Wo es sich um einzelne bestimmte Leistungen handelt, welche der Staat den Unterthanen 80 Die Formel des Diensteides beweist das zur Genüge. Am deutlichsten wird die Sache, wenn, wie im preussischen Diensteid, die Treue versprochen wird, nicht bloss dem König, sondern auch dem königlichen Hause: Rönne III, S. 413, Anm. 9; Schulze, D. St.-R. I, S. 327. - Auch der Richter schwört diese Treue und schwört zugleich, sich in Erfüllung seiner Dienstpflicht vom König und seiner Regierung nichts befehlen zu lassen. 81 Laband I, S. 385, Anm. 1: "Die Art der Dienste ist nicht entscheidend."

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auferlegt, wie z. B. Frohnden zum Wegebau und alle Requisitionen von Dienstleistungen, da sehen wir Ausflüsse I des grossen allgemeinen Gewaltverhältnisses, aber man kann nicht sagen, dass ein neues besonderes Gewaltverhältniss dadurch begründet wird. Soll der Unterschied des Staatsdienstes von diesen anderen öffentlichrechtlichen Rechtsinstituten gekennzeichnet werden, dann wird man mit Recht auch auf das Umfassende, Unbestimmte der Dienstpflicht hinweisen. Aber dem Privatdienstvertrage gegenüber liegt der Unterschied gerade in dieser Seite des Gewaltverhältnisses nicht. Der Erstere kann dem Umfange nach ganz dieselbe Verwendungsfreiheit des Dienstherrn begründen. Die Unbestimmtheit der Dienstpflicht des Beamten ist ja keine Unbeschränktheit; auch er ist nur zu gewissen Arten von Diensten verpflichtet. Selbst wenn man, was wir nicht für richtig halten, den Beamten zu allen Diensten verpflichtet erklärt, welche in der Verfolgung der Staatszwecke liegen, würde sein Verhältniss in dieser Beziehung kein anderes sein, als das eines Handlungsgehülfen, welcher sich verdungen hätte zu allen Dienstleistungen, welche das Geschäft mit sich bringt; nur thatsächlich ist das staatliche Geschäft unendlich mannichfaltiger als das private und dadurch die Verwendbarkeit dort ausgedehnter. Kurz, Inhalt, Art und Umfang des Staatsdienstes, Alles kann sein wie bei einem privatrechtlichen Dienstverhältniss. Zum Gewaltverhältniss wird er lediglich durch die Art der Geltendmachung der Dienstpflicht. Das zweite Element jenes Begriffes ist allein das Unterscheidende. Die Ungleichheit der Rechtssubjecte muss sich daran erweisen und die hoheitliche Stellung des Dienstherrn, der einseitig die aus den Dienstverhältnissen fliessenden Einzelverbindlichkeiten feststellt und handhabt, entscheidend und bindend, nicht als gleichberechtigter Kontrahent, als Herrscher, nicht als Gläubiger. Was damit gesagt ist, kann aber gar nicht zweifelhaft sein. Auf das durch den Vertrag begründete Dienstverhältniss sind einfach die grossen Grundsätze des öffentlichen Rechts angewendet. Das Gewaltverhältniss, in welchem der Beamte steht, ist nichts anderes als ein öffentlich Irechtliches Dienstverhältniss 82 • Man darf hier nicht von einem Gewaltverhältniss sprechen, welches überdies öffentlichrechtlich behandelt wurde, sondern das Oeffentlichrechtliche ist es eben, was das Dienstverhältniss zu einem Gewaltverhältniss macht. Wenn man sich einmal etwas mehr gewöhnt haben wird, mit den eigenthümlichen Formen des öffentlichen Rechtes zu rechnen, wird man vielleicht auch dieser besonderlichen Bezeichnung nicht mehr bedürfen, um die Sache anschaulich zu machen. 82 So bezeichnet es auch Laband 111, S. 61. Das Muster eines Gewaltverhältnisses haben wir oben genauer dargestellt in den Wirkungen des französischen contrat administratif, bei Anm. 25.

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Thatsächlich lässt also die Theorie vom Gewaltverhältniss den wahren Staatsdienstvertrag auf eine Wirkung ausmünden, in welcher derselbe mit unserem einseitigen Begründungsakte vollkommen zusammentrifft B3 • In diesem einen und wichtigsten Stücke führen beide Begründungs arten das Rechtsverhältniss gleichmässig in's volle öffentliche Recht. Wir sagen: nur in diesem einen Stücke; denn neben dem Gewaltverhältnisse pflegen in grösserem oder geringerem Umfang auch noch civilrechtliche Seiten des Staatsdienstes anerkannt zu werden. Das hängt zusammen mit der höchst eigenthümlichen Lehre vom Fiskus, wie sie namentlich bei den preussischen Juristen im Schwange ist. Es würde uns zu weit führen, hier darauf einzugehen. Worum es sich aber jetzt handelt, das ist das Eine: wird ein Akt dadurch, dass seine Wirkungen zum Theil öffentlichrechtlich behandelt werden, selbst öffentlichrechticher Natur? Bleibt es nicht vielmehr einfach ein civilrechtlicher Vertrag mit I gewissen öffentlichrechtlichen Wirkungen, was wir hier vor uns haben? Das Letztere scheint mit ausser Zweifel. Bei den Anhängern des hier geschilderten Systems ist das Gefühl für diese Gemischtheit des Rechtsinstitutes gar wohl vorhanden. Es äussert sich in den Bedenklichkeiten, die man hegt, ob ein Herrschaftsverhältniss solcher Art auf freie Willenseinigung zurückführbar sein könne B4 • Ich kann darin nichts Unannehmbares sehen. Die Analogie der Adoption und der Vassallität, wo keine öffentlichrechtlichen Wirkungen, und der Naturalisation, wo kein Vertrag vorliegt, passen allerdings gar nicht. Dagegen kennt ja z. B. das preussische Recht eine Reihe von civilrechtlichen Verträgen des Staates, in welchen die Rechte desselben, theilweise wenigstens, von den Verwaltungsbehörden, die ihn vertreten, gehandhabt werden können durch einseitig bindende Verfügungen. Ihre Verfügung unterliegt der Nachprüfung durch die Gerichte, aber vorläufig entscheiden sie über das Verhältniss und erzwingen ihre EntscheidungB5 • Die nämlichen Erscheinungen, nur nicht beschränkt auf einzelne Stücke und auf vorläufige B3 Daher können auch diejenigen Schriftsteller, welche die Lehre vorn einseitigen Begründungsakte vertreten, den Begriff des Gewaltverhältnisses ohne Weiteres übernehmen: G. Meyer in Annalen 1876, S. 669; Schulze, D. St.-R. I, S. 320; Vlbrich, Staatsrecht der österreich. Monarchie (bei Mar-

quardsen), S. 65. B4 Rosin in Annalen 1883, S. 299 sucht sich mit einer sehr scharfsinnigen

Unterscheidung zu helfen: "Der Wille des Beherrschten ist der Rechtsgrund für das Entstehen, nicht für das Bestehen der Herrschaft." Rehm in Annalen 1885, S. 155 findet gleichfalls, dass Entstehungsart und rechtliche Natur des Gewaltverhältnisses nicht zu einander passen. "Wie reimt sich das zusammen?" fragt er, um sich dann mit Rosin und den obigen Analogien zu beruhigen. 85 So nach V.-O., 26. Dec. 1808, § 42, die Erzwingung der Räumung fiskalischer Grundstücke, der Zahlung von Pachtzinsen, der Ausführung von Lieferungen. Oppenhoff, Ressortverhältnisse S. 130 ff.; Rönne I, S. 439 ff.

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Ordnung, sondern umfassender Art und mit endgültiger Bedeutung, würde das durch den Staatsdienstvertrag begründete Verhältnis darbieten. Ausserdem hat aber diese Theorie eines gemischten Rechtsinstitutes unverkennbar einen starken Rückhalt I in den Anschauungen der Praxis. Man muss nicht glauben, dass unsere Praktiker alle die Kämpfe um die Feinheiten der Construction im Geiste mitgemacht haben, in welchen unsere Theoretiker seit hundert Jahren sich abarbeiten. Sie halten sich an einfachere, man möchte sagen, derbere Vorstellungen. Und namentlich die Rechtsbegriffe des Verwaltungsrechts - seit wie lange sind sie denn schon den breiteren Schichten unseres Juristenstandes handlich geworden? Hier gibt das Civilrecht das natürliche Mass aller Dinge. Der freiwillige Eintritt in Civil- und Heerdienst ist selbstverständlich ein Vertrag; wenn man ihn einen öffentlichrechtlichen nennt, so ist dem unbekannten Dinge, dem öffentlichen Rechte genug gethan86 • Er wird auch ganz wie ein anderer Dienstvertrag, d. h. wie ein civilrechtlicher Vertrag behandelt - aber nur bis zu einem gewissen Punkte. In seinen Wirkungen ist etwas, das sich nicht nach dem Muster der locatio conductio operarum denken läßt. Die staatliche Dienstpflicht, der militärische Gehorsam sind etwas ganz anders Ernsthaftes. Ist des Königs Rock einmal angezogen, so schlägt das civilrechtliche Vertragsverhältniss in seinen wesentlichen Punkten um in ein strengeres, einseitigeres, nach einem Rechte, welches dem Staate eigenthümlich ist. So entsteht ein Gesammtbild, wie das, welches die hier besprochene Theorie in wissenschaftlicher Form gibt. Die Neigung des Praktikers, den gewohnten Boden des Civilrechts nur zu verlassen, wo die zwingende Nothwendigkeit der Thatsachen es verlangt, trifft im Ergebniss zusammen mit der konservativen Rechtswissenschaft, welche das Gebiet der eigenthümlichen Formen des öffentlichen Rechts auf einen möglichst kleinen Spielraum beschränkt. In der Sache selbst haben wir also einen grundsätzlichen I Widerspruch nicht zu erheben. Es bleibt lediglich ein Streit um den Namen übrig. Soll man diesen wahren Staatsdienstvertrag einen öffentlichrechtlichen nennen dürfen? Die öffentlichrechtliche Wirkung rechtfertigt das für sich allein noch nicht 87 • Sonst wären auch die oben erwähn88 Eine Reihe von Aeusserungen von Gesetzen, Verordnungen, amtlichen Formularien, welche Rehm (Annalen 1885, S. 126 ff.) anführt als Beweise aus dem positiven Rechte" für die Vertragsnatur der Anstellung, zeugen von dem Vorhandensein dieser Auffassung. 87 Rehm in Annalen 1885, S. 121 beruft sich darauf, dass man ja auch um der Wirkung willen familienrechtliche und obligatorische Verträge unterscheide. Das beweist nichts. Bei gleicher juristischer Natur der Rechtsgeschäfte können weitere Unterscheidungsmerkmale von entfernteren Umständen hergenommen werden. Eine richtige Analogie bietet der völkerrechtliche Vertrag: derselbe führt seinen Namen nicht wegen des Inhalts und der Wirkung, sondern wegen des grundlegenden Verhältnisses, in welchem die bei-

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ten fiskalischen Lieferungs- und Pachtverträge des preußischen Rechtes wenigstens gemischt öffentlichrechtliche Verträge in dem von Rehm vertheidigten Sinne. Und ein Vertrag, durch welchen Jemand gegen Entgelt auf Verfolgung einer Beleidigung verzichtet, verdiente den Namen eines strafrechtlichen Vertrages. Die unjuristische Behandlungsweise des öffentlichen Rechtes hat freilich aus dem Worte eine blosse Titulatur gemacht, welche aus äusserlichen Gründen dieser oder jener Erscheinung verliehen wird. Wenn man sie auch unserem Rechtsgeschäfte verleiht, so geschieht es vielleicht in dem halben Zugeständniss, dass es eigentlich öffentlichrechtlich behandelt werden sollte. Seine Natur kann das nicht ändern. Es erinnert vielmehr an die Geschichte von jenem Pfäfflein, welches am Fasttage ein Huhn verspeisen wollte und zu ihm sprach: baptizo te piscem. I VI. Dass wir die Staatsdiensttheorie, welche von einem wahren, civilrechtlich gestalteten Vertrage ausgeht, grundsätzlich als eine gleichberechtigte anerkannten, ist nur die natürliche Folge davon, dass wir die Frage nach den Grenzen des öffentlichen Rechtsgebietes für eine offene erklären mussten. Gleichwohl dürfte das Rechtsinstitut, wie es namentlich in unserem R. B. G. geordnet ist, im Ganzen eher zu einem öffentlichrechtlichen Vertrage passen in dem zuerst ausgeführten Sinne, und zwar zu einem voll und entschieden durchgeführten. 1. Das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes, welches den Eintritt in den Staatsdienst bewirkt, und der Zeitpunkt seiner Perfection müssen in einer sicheren Form festgestellt sein. In Uebereinstimmung mit den Landesgesetzgebungen schreibt deshalb das R. B. G. die Aushändigung einer Bestallung vor.

Die Bestallung ist uns die Ausfertigung des Verwaltungsaktes, der obrigkeitlichen Verfügung, welche das Rechtsgeschäft einseitig begründet. Diese Verfügung enthält, wie jede, die Entscheidung darüber, daß ihre Voraussetzungen gegeben sind, insbesondere die Unterwerfung des Ernannten vorliegt; sie gilt durch sich selbst, bis sie wieder aufgehoben ist. Wirksam für und gegen den Betreffenden wird sie, gleich allen obrigkeitlichen Einzelakten, Urtheilen, Polizeibefehlen u. s. w., im Augenblicke der in gehöriger Form erfolgten Zustellung. den Rechtssubjecte bei Abschluss des Rechtsgeschäftes sich gegenüberstehen. Zwischen Gleichen unterhalb der Staatsgewalt entsteht das civilrechtliche, zwischen Gleichen ausserhalb einer gemeinsamen Obergewalt das völkerrechtliche, zwischen Ungleichen, d. h. zwischen Staatsgewalt und Unterthan das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft. Von dieser verschiedenen Grundlage aus bestimmt sich in erster Linie die juristische Natur des Geschäftes und sollte sich wohl auch der Name bestimmen. In den Wirkungen kann nachher mancherlei Vermischung eintreten.

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Die Vertragstheorie hat Mühe, mit diesem Vorgange auszukommen. Die zugestellte Bestallung ist ihr für sich allein noch nichts, wenigstens nicht mehr als die Einwilligungserklärung des einen Contrahenten. Ein bindender Vertrag wird daraus erst durch die zustimmende Erklärung des Ernannten. Ueber diesen gleichwerthigen Bestandtheil des Rechtsgeschäfts enthält I aber das Gesetz keine Vorschriften. Er könnte also ausdrücklich oder stillschweigend, vorher oder nachher dazu kommen 88 • Die schönen Controversen über den Vertragsschluss zwischen Abwesenden fänden hier einen Tummelplatz. Das erscheint aber aus guten Gründen bedenklich und das Bestreben unserer Juristen ist vollauf gerechtfertigt, auch diesem Stücke des Vertrages eine festere Gestalt zu geben. Zu diesem Zwecke wird die Zustimmungserklärung des Ernannten mit dem einzigen deutlich sichtbaren Vorgang eng verknüpft, mit jener Zustellung nämlich: sie liegt in der vorbehaltlosen Annahme des verhängnisvollen Papiers, nur in ihr und jedenfalls in ihr 89 • Was vorausgeht an Dienstanerbietungen, Zusagen u. s. w. ist alles als unerheblich weggestrichen, und ebenso nachher jede andere Erklärung als jene symbolische für unwirksam erklärt90 • Man mag das etwas gewaltsam finden, aber ohne eine solche Formstrenge sind die praktischen Uebelstände eines wahren Vertrags schlusses nicht zu vermeiden. Wenn nur die Gestalt, welche für die Perfection des Geschäftes dabei herauskommt, sich mit der Wirklichkeit vertrüge! Die Annahme einer Einwilligungserklärung liesse sich nur dann mit dem Zustellungsakte selbst fest verknüpfen, wenn dieser dem Ernannten immer sofort zu Bewusstsein käme. Das ist aber nicht der Fall. Die Zustellung erfolgt einfach "nach den allgemeinen Regeln über die Insinuationen obrigkeitlicher Verfügungen". Sie geschieht gültig und wirksam auch an Angehörige und legitimirte (Empfangs-)Bevollmächtigte 91 • Hier he isst I es also entweder auf die Vertragsform verzichten, indem man gleichwohl den Zustellungsakt allein entscheidend sein lässt für die Perfection. Oder man muss die Perfection verschieben bis zum Augenblick der eigenen Kenntnissnahme des Adressaten. Wenn also die Tochter dem von der Reise heimkehrenden Vater die Bestallung entgegenbringt, so vollzöge sich damit die Begründung des Beamtenverhältnisses, und wenn der Ernannte noch vor diesem Augenblick stirbt, so wäre die gehörig zugestellte Ernennung niemals gültig ge88 Das ist die Meinung von Gareis, Allg. Staatsrecht, S. 164, der in dieser Beziehung von Laband abweicht. 89 Laband I, S. 407; Rehm in Annalen 1885, S. 141, 142. 90 Auch das Letztere scheint Laband zu wollen; Rehm dagegen möchte wohl auch eine nachträgliche Annahme anderer Art zulassen; dann würde aber ja der Zweck der Formsicherheit doch vereitelt. 91 Wie die der Naturalisationsurkunde: Laband I. S. 166, Anm. 4; Rehm, Annalen 1885, S. 142.

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worden. Wir erhielten im ersteren Falle erst recht wieder einen unsicheren Perfectionspunkt und im letzteren kämen wir zu einer unannehmbaren Entscheidung in der Sache selbst92 • Aber auch das angebliche Recht des Ernannten, die Ernennung durch Zurückweisung der Bestallung einfach in Nichts zerfliessen zu machen, besteht nicht. Setzen wir den Fall: der Mann habe sich um das Amt beworben, dringend darum gebeten; jetzt kommt die kaiserliche Bestallung, und er nimmt sie nicht an, sondern schickt sie sofort an die Behörde zurück. Wird diese nach oben berichten: wir haben dem X. die Vertragsofferte Sr. Majestät mitgetheilt, aber er weigert sich, den Vertrag abzuschliessen; die Bestallung ist also gegenstandslos geworden? Gewiss nicht! Wenn auf dem klaren Rechte bestanden werden soll, wird sie vielmehr den Ernannten darauf aufmerksam machen, dass er Beamter sei und ein Entlassungsgesuch einreichen könne. I Ein blosser Antrag des Amtes ist die Ernennung niemals. Es wäre nur denkbar, dass sie einmal irrthümlicher Weise erfolgte, in einem Falle also, wo der Ernannte sich gar nicht bereit erklärt hatte. Da würde die Zurückweisung der Urkunde allerdings die Bedeutung haben, die Annahme einer nachträglichen Unterwerfung und eines Verzichtes auf die Anfechtung auszuschliessen 93 • Aber von selbst wäre die Ernennung auch dann noch nicht aus der Welt geschafft. Es käme darauf an, ob etwa staatliche Behörden ermächtigt sind, die Gültigkeit solcher Akte des Staatsoberhauptes zu prüfen; selbstverständlich ist das durchaus nicht. Die ordentliche Abhülfe bestände in allen Fällen darin, dass man die Sache dem Kaiser wieder vorlegt mit dem Antrage, die Ernennung zurückzunehmen. Wer etwa, gestützt auf die Vertragstheorie, glauben würde, in Folge der Zurückweisung der Bestallung sei nihil actum, der würde sich schweren Enttäuschungen aussetzen. 2. Es besteht eine entschiedene Neigung, dem Begründungsakte jede selbständige Bedeutung für den Inhalt des begründeten Rechtsverhältnisses zu entziehen. Auf das, was die Parteien dabei gewollt haben, soll es so wenig als möglich ankommen. Das Rechtsverhältniss ist durch das 92 Dernburg, Lehrb. d. Pr. Pr.-Rechts II, S. 561, Anm. 8 behandelt einen ganz ähnlichen Fall: "Wurde Jemand zum Beamten ernannt, welcher schwer erkrankt, längere Zeit von der Anstellung nichts erfuhr, so war er Beamter, wenn er nur nicht später ablehnt, von Zustellung des Dekretes an, er war Beamter, wenn er in der Krankheit stirbt. Willenseinigung ist also nicht erfordert." Diese Entscheidung ist gewiss richtig und ebenso die Folgerung gegen die Vertragsnatur des Geschäftes, welche Dernburg daraus zieht. Das "wenn er nur nicht später ablehnt", kann aber nur den Sinn haben: "wenn er nur nicht bewirkt, dass die Ernennung zurückgenommen wird". Davon gleich Näheres. 93 Wenn Schulze, D.St.R. I, S. 321 von einem Ablehnungsrechte spricht, auf welches durch Empfangnahme der Bestellung verzichtet würde, so ist dieser Ausdruck vielleicht zu scharf; gemeint ist das Nämliche.

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objective Recht ein für alle Mal festgestellt; Mannigfaltigkeiten bringt nachträglich die einseitige Verfügungsgewalt des Dienstherrn herein; der Staatsdienstvertrag, öffentlichrechtlich oder civilrechtlich, gibt zur Begründung dieses Zustandes nicht mehr als ein beiderseitiges Ja94 • I Es ist nothwendig, gegenüber dieser Verkümmerung das lebendige, wirkungskräftige Rechtsgeschäft wieder herzustellen. Denn einmal geht sonst jeder Massstab verloren für das, was noch in die Darstellung unseres Rechtsinstituts gehört. Wir sehen z. B. unter den "Rechten des Beamten aus dem Anstellungsvertrage", den "Gegenleistungen des Staates", aufgezählt: das Recht auf besonderen strafrechtlichen Schutz, auf Steuerprivilegien, auf Befreiung von Vormundschaften9s • Ganz ähnliche "Gegenleistungen" macht der Staat auch zu Rechtsverhältnissen, in welchen er gar nicht Partei ist, z. B. bei der Vormundschaft. Es sind Massregeln, die er im Interesse seines Dienstes trifft, bedeutsam für die rechtliche Stellung eines Beamten unter seinen Mitmenschen, aber es sind keine Stücke des durch den Staatsdienstvertrag begründeten Rechtsverhältnisses. Wenn freilich der Begründungsakt grundsätzlich für den Inhalt des Rechtsverhältnisses nichts bedeutet, dann bleibt nur übrig, in Letzteres einfach jede Gesetzesbestimmung einzustellen, welche irgendwie von Beamten spricht; statt eines Rechtsinstituts erhalten wir ein Standesrecht dargestellt. I Zweitens aber verliert auf solche Weise der wirkliche Inhalt des Rechtsverhältnisses seine Einheit und Bestimmtheit. Die wesentlichen Stücke, Dienstpflicht und Gehaltsanspruch, werden leere Allgemeinheiten, die accidentalia negotii und manche naturalia werden zu äusserlichen Zuthaten. Das wollen wir an den wichtigsten Punkten darthun. 94 Seydel, Grundzüge S. 61; Gareis, Allg. Staatsrechte § 64; Rehm in Annalen 1885, S. 136: "Ein objektiv-rechtlich normirtes Dienstverhältniss, dessen Begründung das Einzige ist, was im Belieben der Parteien liegt." Dass die Anhänger eines wahren Staatsdienstvertrages ihr civilrechtliches Rechtsgeschäft möglichst denaturiren, um die Aehnlichkeit mit dem Privatdienstvertrag zu vermeiden, ist erklärlich; aber auch auf der entgegengesetzten Seite, bei den Vertheidigern des einseitigen Staatsaktes, folgt man dem gleichen Zuge. Das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft wird eben immer noch mit einer gewissen Befangenheit gehandhabt. 85 Löning, V.R., S. 28; Laband II, S. 387, 460; Rehm in Annalen 1885, S. 103. Das Recht auf Schutz, ein Anspruch des Beamten, den der Staat durch gewisse Strafgesetzbuchparagraphen "befriedigt", wird sogar als das wesentlichste aller Rechte des Beamten bezeichnet. Der Vergleich mit der commendatio soll dadurch verstärkt werden. Auch Schulze, D.St.R. I, S. 333 erklärt den Staat dem Beamten gegenüber für "verpflichtet", solchen besonderen Schutz eintreten zu lassen. Dass der Beamte kein besonderes Mittel hat, die Anwendung dieser Strafgesetze herbeizuführen oder zu verhindern, im Gegentheil in solchen Fällen, wo jeder andere durch Unterlassung des Strafantrags darauf verzichten darf, dem Beamten der strafrechtliche Schutz sehr gegen seinen Willen gewährt werden kann (St.G.B. § 196), das wirft auf dieses Recht ein eigenthümliches Licht.

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Staatsdiener sein, ist sicher nicht gleichbedeutend mit der Führung eines Amtes; das Erstere enthält nur die Pflicht, Letztere zu übernehmen. Das ist keine Besonderheit des Staatsdienstes; für die Geschäftsführung in Privatdienstverhältnissen ist der nämliche Unterschied zu machen. Vor Allem aber darf man in der Scheidung von Amt und Dienstpflicht des Guten nicht zu viel thun. Es gibt keinen Eintritt in den Staatsdienst schlechthin. Die Anstellung erfolgt immer zum Zwecke der Uebertragung eines bestimmten Amtes, regelmässig unter gleichzeitiger Uebertragung desselben D6 • Nach diesem Amte aber - das sollte nicht übersehen werden - bestimmt sich auch das Mass und die Art der durch den Dienstvertrag übernommenen DienstpfZicht. Diese Bestimmtheit allerdings kann von der Regierung einseitig verändert werden; es ist ihr dazu ein besonderes Recht gegeben, das Recht der Versetzung; aber dieses Recht hat seinen begrenzten Spielraum; es kann nur um ein gewisses Mass über die Grundlage der ursprünglich übernommenen Dienstpflicht hinausgreifen, und soweit es nicht reicht, bleibt die "contractlich fixirte" Dienstpflicht allein massgebend, d. h. derjenige Umfang von Pflichten, welcher durch die Ernennung zu einem bestimmten Amte mit Unterwerfung des Ernannten demselben auferlegt worden ist. Das Versetzungs recht ist nach § 23 R. B. G. in der Weise beschränkt, dass das neue Amt nicht von geringerem Range noch Gehalt sein darf. Das ist nicht alles; wir müssen als I weitere Bedingung hinzufügen, dass das neue Amt keine Dienstpflicht von ganz anderer, der übernommenen fremdartiger Beschaffenheit bedeute. Die Wiederverwendung des in einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten soll gemäss § 24 R. B. G. nur in den Schranken des Versetzungsrechtes geschehen. Da hier der Wunsch, den Beamten anderweitig wieder unterzubringen, zu Uebergriffen geneigt machen könnte, so hat ein widerspruchlos angenommenes Amendement für das neue Amt solcher Beamten ausdrücklich verlangt, dass es "ihrer Berufsbildung entspricht". Der Beruf ist der Dienst; die Bedingung bedeutet also nichts anderes als die Gleichartigkeit der neuen Dienstpflicht mit der des früher verwalteten Amtes. Sie muss für die Versetzung stillschweigend verstanden sein; sonst würde der Erfolg, welcher ausgeschlossen werden soll, ohne Weiteres durch Wiederindienststellung und sofortige Versetzung erreicht werden können. Der dem § 23 entsprechende § 87 Nr. 1 des Preuss. Ges. v. 21. Juli 1852 hatte bei der Versetzung vor Allem an einen örtlichen Wechsel bei gleichbleibender Dienstpflicht gedacht 97 • Ebenso wird die Versetzung 98

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Laband I, S. 383.

Das beweist der Zusatz: "mit Vergütung der Umzugskosten". Auch die

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angesehen in § 4 des Reichsges. v. 30. Juni 1873 über die Wohnungsgeldzuschüsse. Ein Recht der Regierung, die ganze Dienstpflicht von Grund aus zu ändern, liesse sich auch damit nicht vereinigen, dass man ihr andererseits die Befugniss abspricht, die bestehende Dienstpflicht zu Dienstaufträgen zu benutzen, welche "von ganz anderer Natur" sind, als die "sonstige amtliche Thätigkeit des Beamten"98. I Wenn also das Gesetz einen derartig weitgehenden Eingriff nicht ausdrücklich freigibt, so kann es nicht zulässig sein, einen Oberförster gegen seinen Willen zum Gymnasiallehrer oder einen Staatsanwalt zum Postdirector zu machen. Nicht etwa deshalb, weil sie den neuen Dienst nicht auszufüllen vermöchten - es könnte ja zufällig die Fähigkeit vorhanden sein - sondern weil sie nicht wollen. Wenn eine Massregel solcher Art vorkam, wurde sie stets als Unrecht empfunden, nicht bloss als Unzweckmässigkeit 99 . Das Interesse des Dienstes und die Rücksicht, welche die Regierung von selbst ihren Beamten schenkt, gewähren im Ganzen allein schon genügenden Schutz. Aber trotzdem ist es nicht überflüssig, zu betonen, dass hier eine Rechtsschranke der Versetzungsbefugniss gegenübersteht, eine selbstverständliche, die da wirkt, auch wo kein ausdrücklicher Gesetzestext sie besonders anerkenntl° o• Worauf beruht sie aber dann? Auf nichts anderem, als auf der Auslegung des Begründungsaktes des Dienstverhältnisses, von welchem alle Rechte der Regierung, auch das Versetzungsrecht, ausgehen. Der Ernannte konnte keinen weitergehenden Pflichten unterworfen werden als solchen, welche noch in seiner Einwilligung begriffen waren; innerhalb dieses Umfanges bewegt sich auch das Versetzungsrecht. Dasselbe kann durch ausdrückliche Klauseln des Begründungsaktes beschränkt werden 101 • Wo I das nicht geschehen ist, begreift die Einwilligung den ganzen Umfang von Diensten, welche in dem durch das zuerst gewählte Amt bezeichneten Berufe liegen, einen grossen Umfang, aber keinen unbegrenzten. Nachträgliche, neue Einwilligungen können natürlich diese Grundlage wieder verändern. Zunächst erzeugt der Eintritt in den Kammerverhandlungen betonten nur den Ortswechsel; F. Set/del, Zum Ges. v.

21. Juli 1852, § 87.

98 Rönne II, S. 463, Anm. 7; Bergius, Preussen in staatsrechtl. Beziehung, S. 281, Note 5. Der Letztere gibt als Beispiel, dass einem Bergbeamten kein Auftrag in Polizei- oder Gemeindeangelegenheiten ertheilt werden könne. 99 Es sei hier nur an den bekannten Tübinger Fall erinnert. 100 Diese Rechtsschranke wird bereits, wenn auch ohne nähere Begründung, behauptet von Gerber, Grundzüge, § 36, Anm. 9; Gareis, Allg. Staatsrecht, S. 162, 163; Rehm, Annalen 1885, S. 141, 154, 161, 180. Von einigen Particularrechten wird sie ausdrücklich anerkannt: Kanngiesser, Comment., S. 99. 101 Rehm in Annalen 1885, S. 127: "Z. B. kann ein aus dem Auslande berufener Gelehrter zur Bedingung seines Eintritts machen, dass er nicht an eine andere Stelle versetzt werde." Warum muss es ein Ausländer sein? Schulze, D.St.R. I, S. 320 scheint solche Klauseln nicht anerkennen zu wollen.

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Staatsdienst kein ungemessenes, allgemeines Gewaltverhältniss zu beliebiger Verwendung durch die Regierung, sondern die Dienstpflicht einer bestimmten, durch das erste Amt bezeichneten Berufsart innerhalb des Beamtenthums. Für den Gehaltsanspruch hat unsere Wissenschaft den innerlichen Zusammenhang mit dem den Eintritt in den Staatsdienst begleitenden Rechtsgeschäfte von jeher verhältnissmässig besser zu wahren gewusst. Aber dieses eben bloss deshalb, weil sie sich mit civilrechtlichen Auffassungen durchhalf. Entweder nahm man neben der Anstellung einen eingestandenen civilrechtlichen Vertrag über den Gehalt an, oder man liess aus dem öffentlichrechtlich benannten Staatsdienstvertrage ohne Weiteres den Gehaltsanspruch entstehen, welchen man dann gleichfalls einen öffentlichrechtlichen nannte, ohne sich viel Mühe zu geben wegen etwaiger juristischer Eigenthümlichkeiten, welche diesem Namen entsprächen102. Sobald aber ein Jurist es einmal ernst nimmt mit der öffentlichrechtlichen Natur des Gehaltsanspruchs, sehen wir auch wieder das Bestreben auftauchen, einen Einfluss des Begründungsaktes darauf nicht zur Geltung kommen zu lassen. Das ist besonders scharf ausgeprägt in der von Laband vertretenen Theorie vom Gewaltverhältnisse. Der Gehalt ist danach eine Alimentationsrente. Der Anspruch darauf entspringt nicht aus dem I Dienstvertrag, sondern aus dem dadurch begründeten Gewaltverhältnisse; er ist nicht zu beurtheilen nach den Regeln eines durch Rechtsgeschäft begründeten, eines contraetlichen oder quasicontraetlichen Anspruches, vielmehr dienen zum Vergleich die gesetzlichen Alimentationspflichten, welche aus familienrechtlichen Gewaltverhältnissen entspringen. Die Hauptsache ist aber, dass es zunächst ein Alimentationsanspruch ist, den der Beamte erwirbt und dem die allgemeine Pflicht des Staates entspricht, ihn standesgemäss zu erhalten. Zur Erfüllung dieser Pflicht macht der Staat dem Beamten dann bestimmte Bewilligungen - einseitige Akte gleich den Verfügungen, mit welchen er über seine Verwendung im Dienstverhältnisse Bestimmung trifftl° 3 • Aber auch hier müssen wir sagen: eine derartige allgemeine Alimentationspflicht des Staates gegen einen Beamten gibt es nicht. Es gibt nur Ansprüche auf bestimmte Renten von so und so viel jährlich. Diese Ansprüche werden allerdings durch einseitige Verfügungen des Staates 102 In dieser Einfachheit stellt sich die Sache z. B. dar bei Löning, V.R., S. 132, Anm. 7: "Nicht der Staat als Fiskus, sondern der Staat als Inhaber der Staatsgewalt" schliesst den Staatsdienstvertrag ab, also ist der Vertrag öffentlichrechtlich und ist auch der daraus entspringende Gehaltsanspruch öffentlichrechtlich. 103 Laband I, S. 465 ff., S. 476, Anm. 2; Gerber, Grundzüge, § 36, Anm. 10 nennt in ähnlichem Sinne den Gehaltsanspruch eine "Reflexwirkung des Gewaltverhältnisses" .

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begründet, aber die erste und wichtigste dieser Verfügungen verbindet sich mit dem Akte, welcher das Dienstverhältniss selbst begründet, mit der Ernennung zu einem Amte bestimmter Art, sie ist ein Stück des öffentlichrechtlichen Vertrages. Sollte sie einmal ganz fehlen, so besteht so lange, bis sie nachgeholt ist, nicht etwa eine allgemeine Alimentationspflicht oder auch nur eine naturalis obligatio, sondern überhaupt kein Anspruch auf irgend eine Rente. Regelmässig wird die Summe ausdrücklich genannt sein. Auch ohne das bezeichnen die bestehenden Gehaltsregulative die gewollte Summe. Sie sind die lex censoria, welche dieser Seite des öffentlichen Rechtsgeschäftes ihren Inhalt geben, wie die Ordnung des Amtes, zu welchem Jemand ernannt ist, den wesent-I lichen Inhalt der anderen, der Dienstpflicht. Wie der Censor mit der addictio dem manceps die Pflicht zum opus faciendum auferlegt und zugleich die Vergütungssumme aus Staatsmitteln zusichert, so die ernennende Behörde begründet in einem Akte die bestimmte Amtspflicht und den bestimmten Gehaltsanspruch.Das Rechtsverhältniss zwischen Staatsdiener und Staat weist noch vielfach besondere Bestimmtheiten auf, die alle einer innigeren Verknüpfung mit dem grundlegenden Staatsdienstvertrage bedürfen. Es können im Einzelfalle ausdrückliche Abmachungen stattfinden. Dieselben betreffen die Dauer des Dienstverhältnisses, Kündigungsrechte, Beschränkung des Versetzungsrechtes, Anrechnung früherer Dienstzeit, vor Allem häufig die Höhe von Gehalt und Ruhegehalt. Man spricht dann von vertragsmässigen Abmachungen, vertragsmässig ausbedungenen Rechten, besonderen Nebenberedungen. Schon in dieser Ausdrucksweise mit ihrer Betonung des Vertragsmässigen, des Besonderen verräth sich die Neigung, das alles als Gegenstände eines eigenen, eigensgearteten Rechtsgeschäftes neben dem Hauptgeschäfte zu behandeln. Der Diensteintrittsvertrag, der grundsätzlich ein bIosses Ja bedeutet, verhält sich allerdings spröde gegen solche Zusätze; aber auch die Anhänger des reinen Verwaltungsaktes lassen derartige Verabredungen häufig lose daneben flattern 104 • I 104 So bemerkt Zorn, St.R., S. 232, Anm. 21, dass solche "Einigungen über bestimmte Punkte" lediglich ein privatrechtIiches Verhältniss begründen, das nur seine causa aus dem öffentlichen Rechte entnimmt, kein Bestandtheil der Ernennung ist, sondern etwas von aus sen Hinzukommendes. - Schulze, D.St.R. I, S. 320, 321 gesteht diesen Verabredungen mit Recht nur einen "präparatorischen Charakter" zu. Aber warum nennt er sie denn überhaupt noch "vertragsmässige Verabredungen"? Vertragsmässig ist doch nur, was bindend ist; das sind aber diese Verbindungen auch nach Schulze sicher nicht. - Wie vielerlei Combinationen mit Nebenverträgen und Vorverträgen am Staatsdienstverhältnisse schon durchprobirt worden sind, darüber gibt die öfter erwähnte Arbeit von Rehm einen lehrreichen Ueberblick. Ich möchte nur hervorheben, dass auch der angebliche Vater des wahren Staatsdienstvertrages mit Gewaltverhältniss, Schmitthenner, eigentlich in die Gruppe der Anhänger des einseitigen Staatsaktes mit Vorvertrag gehört. Die Begründung

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Dem gegenüber betonen wir die Einheit des Aktes. Jene Verabredungen wirken nicht unmittelbar selbst und nicht neben dem Hauptakt; sie bestimmen nur den Inhalt des darauf hin ergehenden Anstellungsaktes, der sie ausdrücklich oder stillschweigend in seine Verfügungen aufnimmt. Unser öffentlichrechtlicher Vertrag ist fähig, allen Reichthum von solchen Besonderheiten aufzunehmen und das Rechtsverhältniss, welches er begründet, danach zu gestalten. Alles was sonst noch als Inhalt des Willens des Begründungsaktes erkennbar wird, sofern es nur nicht gegen die gesetzlichen Ordnungen geht, erzeugt gegenseitige Rechte und Pflichten durch die Kraft jenes Aktes. Ein solcher Wille kann insbesondere als ein stillschweigend erklärter geschlossen werden aus dem, was sonst bei Dienstverhältnissen üblich und Rechtens ist. In dieser Weise möchte ich das Dienstaustrittsrecht des Beamten erklären. Unser R. B. G. sagt nichts davon und doch wird es allgemein angenommen 105 • Man beruft sich auf die Natur des Beamtenverhältnisses und auf ein Reichsgewohnheitsrecht 106 • Wir werden drei Fälle unterscheiden müssen, je nachdem bei der Anstellung verfahren worden ist. Wenn ausdrücklich gesagt wäre: der Beamte soll unlösbar I seinerseits verpflichtet sein auf Lebenszeit, so würden wir das jedenfalls nicht für gültig erachten. Das fliesst aus der Natur des Beamtenverhältnisses als eines Dienstverhältnisses. Auch unsere neuen Civilgesetzbücher gestatten nicht, dass der Diener im Dienstvertrage sich auf ewig binde. Denn das wäre eine Veräusserung seiner Freiheit und diese ist extra commercium 107 • Der Beamte ist aus dem gleichen Grunde unfähig, sich für unbegrenzte Dauer zu unterwerfen, folglich überschreitet die ernennende Behörde, welche nur durch seine Unterwerfung zuständig wird ihn zu verpflichten, ihre Zuständigkeit, indem sie ihn zu mehr verpflichtet, als wozu er sich unterwerfen konnte. Der Fall würde so zu behandeln sein, als wäre über die Dauer nichts bestimmt. Wenn aber etwa bei der Anstellung nur bestimmt sein sollte, dass der Beamte eine Kündigungsfrist von 6 Monaten einhalten oder auch 1, des Rechtsverhältnisses geschieht nach ihm endgültig durch eine lex specialis. Ein Vertrag soll allerdings regelmässig vorausgehen oder sich damit verbinden. Dieser Vertrag hat aber nur den Zweck, das scholastische Schema von titulus und modus acquirendi fertig zu stellen und etwaige.Nebenberedungen im obigen Sinne unterzubringen. 105 So viel ich sehe, nur mit Ausnahme von Löning, V.R., S. 134, Anm. 1. 108 Laband I, S. 488. 107 Rehm, Annalen 1885, S. 204 knüpft an diesen Gedanken unseres Civilrechts an, wenn er sagt, ein Staatsdienst ohne Austrittsrecht wäre Sklaverei und deshalb müsse das Austrittsrecht bestehen. Zwischen diesem Muss und jenem Satz brauchen wir aber doch ein juristisches Zwischenglied .

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2 Jahre fest gebunden sein solle, so ist nicht abzusehen, weshalb das ungültig sein müsste. Ein verbietendes Gewohnheitsrecht aufzustellen, fehlt jede Grundlage. Der letzte Fall ist der, wo bei der Anstellung über die verbindliche Dauer nichts gesagt ist. Dann wird allerdings auch dem Reichsbeamten das Recht zuzugestehen sein, jeder Zeit seine Entlassung zu verlangen. Der Grund liegt aber nicht in einem Gewohnheitsrecht - es ist unerfindlich, wo man das so geschwind herbekommen will -, sondern in einer Auslegung des Willens des Begründungsaktes. Man darf annehmen, dass er im Zweifel das Dienstverhältniss so hat ordnen wollen, wie es in den deutschen Einzelstaaten kraft besonderer Gesetze geordnet zu sein pflegt, also lösbar durch den Beamten jeder Zeit. Wäre I selbst dieses Vorbild nicht da, so würde schon das Vorbild des civilrechtlichen Dienstvertrages zu dem nämlichen Ergebnisse führen; es ist danach nicht anzunehmen, dass man den Beamten zu einer unlösbaren Dienstpflicht binden wollte; wenn keine Frist vorgesehen ist, so lässt sich nur ein unbeschränktes Austrittsrecht, als gewollt denken. Dem Gewaltverhältniss entsprechend wirkt dieses Recht nicht unmittelbar, sondern bedeutet nur eine Gebundenheit der auf das Entlassungsgesuch ergehenden Verfügung, welche ihrerseits allein im Stande ist, die Aufhebung des Verhältnisses zu bewirken. Vielleicht ist es auch zulässig, die Frage der Ersatzpflicht des Beamten dem Staate gegenüber für den Schaden aus nicht erfüllter oder schlecht erfüllter Dienstpflicht aus diesem Gesichtspunkte zu lösen. Für den Fall der Pflichtwidrigkeit hat der Staat seine Disciplinarstrafgewalt. Die rechtliche Natur der Disciplinarstrafe im Gegensatz zu der des gemeinen Strafrechts kann nur klar werden aus dem Zusammenhang mit der Staatsdienstpflicht selber; sie beruht ganz auf dem besonderen Gewaltverhältniss 108 ; oder, wie wir lieber sagen würden: die Disciplinarstrafgewalt ist eine gesetzlich geordnete Wirkung des öffentlichrechtlichen Dienstvertrages. Ganz die gleichen Dinge: Verweise, Gehaltsabzüge, Entlassung können sich von selbst oder durch besondere Verabredung auch an civilrechtliche Dienstverträge knüpfen. Der Unterschied ist nur der, dass im öffentlichrechtlichen Verhältniss der Staat zugleich über sein Recht zur Strafe im Einzelfall obrigkeitlich entscheidet (vgl. oben bei Anm. 82). Allein das Vorhandensein dieses Rechtes schließt den Anspruch auf Ersatz des etwa angerichteten Schadens im öffentlich Irechtlichen 108 Laband I, S. 450; G. Meyer in Annalen 1876, S. 672 bekämpft diese Auffassung, um mehr den Zusammenhang mit dem allgemeinen Strafrecht zu betonen. Eine Erklärung der Eigenart der Disciplinarstrafgewalt wird aber von dieser Seite her nicht zu gewinnen sein.

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Verhältnisse an sich so wenig aus wie im civilrechtlichen. Wenn von der Disciplinarstrafe der Satz: "sie steht an Stelle der Contractsklage auf Leistung" so gemeint ist, dass sie ganz allein und ausschliesslich die Stelle derselben einnehme, so ist das zu viel gesagt: einen Theil dieser Stelle nimmt auch der Anspruch auf Schadensersatz ein. Für manche Fälle ist auch diese Wirkung des Dienstvertrages besonders geordnet; hieher gehört das Defektenverfahren, auch der Gehaltsabzug wegen Urlaubsüberschreitung nach preussischem Recht lo9 . Wo aber das Gesetz schweigt, da will man den Schadensersatzanspruch des Staates nicht mehr auf das besondere Rechtsverhältniss gegründet sein lassen, in welchem der Beamte zu ihm steht, sondern einzig auf die allgemeinen Regeln über die Schadensersatzpflicht ex delicto und quasi ex delicto; die Schadensersatzpflicht des Beamten gegenüber dem Staate, dem er dient, wird für eine aussercontractliche erklärt. "Hier zeigt sich," sagt Laband llO , "die praktische Consequenz, dass die Anstellung kein privatrechtlicher Contract und das dadurch begründete Verhältniss kein obligatorisches ist." Uns scheint sich hieran eher wieder die Unzulänglichkeit von Laband's Staatsdienstvertrag zu zeigen, der keine andere Kraft und Bedeutung haben soll, als das Ja zu einem gesetzlich normirten Gewaltverhältniss zu sein, und uns jedes Mal im Stiche lässt, wo wir ihn am nothwendigsten brauchen, um Rechtswirkungen zu erklären. In Wirklichkeit wird bei der Handhabung dieser Schadensersatzpflicht das Dienstverhältniss durchaus nicht bei Seite geschoben; die Frage der Verschuldung wird immer gemessen werden an der Amtspflicht. Das Besondere bei dem Beamten ist nur, dass das Gesetz ihn auch dem Bürger gegenüber, dem er nicht verpflichtet ist, haftbar macht für den Schaden, der I diesem aus der verletzten Amtspflicht entsteht. Ein Beispiel bietet die Bestimmung des A. L. R. II, 10, § 90, auf welche sich Laband beruft. Der Vorgesetzte, welcher durch Versäumung der vorschriftsmässigen Aufmerksamkeit das Amtsvergehen zu verhindern unterlässt, verfehlt sich gegen seinen Dienstherrn, den Staat; dass er auch der Privatperson haftet, welche unter dem Amtsvergehen leidet, ist eine Ausdehnung der Wirkung der Dienstpflicht; ohne das würde er ihr nicht haften lll . Durch diese Ausdehnung steht allerdings die Haftung dem Staate gegenüber der dem Dritten gegenüber gleich; F. Seydel, Z. Ges. vom 21. Juli 1852, S. 66; Rönne III, S. 465, Anm. 1 b. staatsrecht I, S. 439. 111 Der gewöhnliche aussercontractliche Schadenersatz setzt voraus die Verletzung "einer dem Anderen schuldigen Pflicht", A.L.R. I, 6 § 11. Nach römischem Rechte bleibt der Massstab für die Haftung des Beamten nach innen und für die nach aussen grundsätzlich gesondert. Vergl. über die Verschiedenheit der Gesetzgebungen in dieser Beziehung Freund in Arch. f. öff. R. I, S. 361 ff. 101

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aber dem angelegten Massstabe nach verdiente sie eher in beiden Fällen den Namen einer contraetlichen. Abgesehen von der Gleichheit des Massstabes werden die beiden Richtungen der Schädigung und ihre entsprechende Haftpflicht wohl unterschieden. So namentlich was die Verjährung anlangt. Der Schadensersatzanspruch des Dritten verjährt in den drei Jahren, welche für die Einklagung des "ausserhalb dem Falle eines Contractes erlittenen Schadens" gesetzt sind. Der Ersatzanspruch des Staates hingegen oder überhaupt desjenigen, in dessen Diensten der Beamte angestellt ist (Gemeinde, Kirche u. s. w.), hat die ordentliche Verjährungsfrist der Contractsklagen 112 • Das preussische Obertribunal nahm sogar weiter noch an, der Beamte hafte für die Kosten einer Stellvertretung, wenn durch ein in seiner Person, auch ohne Verschulden, entstandenes Hinderniss die Pflichterfüllung unmöglich ward, und zwar dieses gemäss den Regeln des A. L. R. über die Vertragserfüllung. "Da das Beamtenverhältniss", heisst es, "als ein quasicontraetliches I aufzufassen ist, so gestattet es eine wenigstens analoge Beurtheilung nach den allgemeinen VertragsGrundsätzen 113 • " Die Ersatzpflicht des Beamten dem Staate gegenüber für verschuldete wie für unverschuldete Schadenszufügung regelt sich also nach der Haftung des privatrechtlich Bediensteten aus dem Vertrage. Wie kommen wir aber hier zur Anwendung dieser Grundsätze des Civilrechts, da doch ein civilrechtlicher Dienstvertrag nicht vorliegt, für das öffentlichrechtliche Rechtsgeschäft aber diese Rechtsregeln nicht gegeben sind? Die Anwendbarkeit kann nur beruhen auf einer Auslegung des Anstellungsaktes, auf dessen Willen das ganze Rechtsverhältniss sich gründet. Leistung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung der Vertragspflichten ist selbst eine Vertragspflicht des civilrechtlichen Dienstvertrages. Der öffentlichrechtliche Akt, welcher eine Dienstpflicht begründen will, ist dafür anzusehen, dass er auch dieses Stück des civilrechtlichen Dienstvertrages in dieselbe aufgenommen habe, soweit nicht ein Grund besteht, der diese Annahme ausschliesst, und wenn er es so gewollt hat, so gilt es, durch seine Kraft. Die Ausdrucksweise des vorhin erwähnten Obertribunalserkenntnisses ist sehr bezeichnend. Es beruft sich auf Gönner und sieht in der Anstellung einen einseitigen Willensakt des Landesherrn, die lex collectionis. Das durch diesen öffentlichrechtlichen Vertrag begründete Verhältniss nennt es ein quasicontraetliches, die auf seinem vermutheten Willen beruhende Anwendung des Inhalts civilrechtlicher Regeln A.L.R. I, 6, § 54; Rönne Irr, S. 582. Entscheidung 17. März 1865 (S.Bd. 52, S. 334); es handelte sich um die Stellvertretung eines zum Abgeordneten gewählten Staatsbeamten, der keinen Urlaub erhalten hatte. 112

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eine analoge Anwendung der letzteren. Das öffentliche Recht ist hier, wie so oft, das Unbewusste, welches in dem verschrobenen Gebrauch civilrechtlicher Terminologie sich äussert 114 • I 3. Die Theorie vom wahren Staatsdienstvertrag macht aus dem Entwicklungsgange des Rechtsverhältnisses eine Reihe von Rechtsgeschäften und sonstigen juristischen Thatsachen, welche innerlich grundverschieden sind und planlos durcheinander laufen. Der eigentliche Vertrag, mit welchem es beginnt, begründet nur das allgemeine Gewaltverhältniss und durch dieses den ebenso allgemeinen Alimentationsanspruch. Dann bestimmt die Regierung durch freie einseitige Verfügung die Verwendung zu einem bestimmten Amte, bewilligt einen bestimmten Rang und bestimmten Gehalt; die letzteren können später durch weitere Bewilligungen erhöht werden; jeder solche Akt erzeugt neue Rechte des Beamten oder erweitert bestehende. Bei einem Privatdienstvertrag würde man es als eine vertragsmässige Abänderung des ersten Vertrages auffassen; innerhalb des Gewaltverhältnisses aber stellt es sich als ein eigenartiges einseitiges Rechtsgeschäft dar. Dazu kommen dann Abänderungen des Rechtsverhältnisses, welche die Regierung zum Nachtheil des Beamten treffen kann, kraft besonderer Ermächtigungen in dem das Rechtsverhältniss normirenden Gesetze oder in einer ausdrücklichen Klausel des Anstellungsvertrages: Versetzung in einstweiligen Ruhestand, Kündigung u. s. w., das sind wohl befehlartige Erscheinungen. Andere Verfügungen über den Beamten können nur getroffen werden mit seiner Zustimmung: Versetzung in ein Amt von geringerem Range, Gehaltsverminderung, Versetzung eines Richters überhaupt. Das müsste dann nothwendig wieder als wahrer Vertrag aufgefasst werden, ebenso gut wie der Diensteintrittsvertrag 115 , nur eben doch ein Vertrag ganz anderer Art. I Nebenbei hätten wir auch das merkwürdige Ergebniss, dass der bisherige Staatsanwalt durch einen Verwaltungsakt der Regierung in sein neues Amt gesetzt wird, der Landrichter aber es durch einen Vertrag erwirbt. Endlich gibt es Verfügungen, welche ergehen müssen auf Gesuch des Beamten: Entlassung, Pensionirung. Werden sie von der Regierung dem Beamten angetragen, so ist es vielleicht als Vertrag aufzufassen, wenn derselbe seine Zustimmung gibt. Andernfalls ist eine solche erzwun114 Laband I, S. 393, Anm. 2 führt dieses Erkenntniss als ein Beispiel an, wie das Beamtenverhältniss auf ein civilrechtliches Mandat gegründet werde. Das scheint mir nicht zuzutreffen. Das O.-Tr. glaubt allerdings hier civilrechtliche Wirkungen des öffentlich-rechtlichen Aktes vor sich zu haben. 115 Auf diese Consequenz hat schon G. Meyer aufmerksam gemacht (Annalen 1876, S. 671).

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gene Verfügung kein Vertrag, obwohl ein contrarius actus zum Diensteintrittsvertrag, jedenfalls auch kein Befehl, sondern eben wieder etwas ganz Eigenthümliches. Für uns offenbart sich in all diesen Dingen von Anfang bis zu Ende nichts als die eine einseitig bindende Kraft des Staatswillens, wirkend unter verschiedenartigen Voraussetzungen und Bedingungen. Das ganze Beamtenverhältniss stellt sich dar als ein Process, eingeleitet durch eine von der Zustimmung des Betroffenen bedingte Verfügung, fortgesetzt durch gleichartige Verfügungen, theils frei innerhalb der durch die erste begründeten Verfügungsgewalt sich bewegend, theils durch das von dieser Geschaffene beschränkt oder gebunden; durch neue Zustimmungen werden die Schranken erweitert, durch Gesuche positiv gebundene Verfügungen hervorgerufen; jede Verfügung schafft wieder neue Bestandtheile des Rechtsverhältnisses, massgebend für das Künftige. Die erste Verfügung unterscheidet sich nur durch ihren umfassenderen Inhalt, ihre grössere Wichtigkeit, daher auch ihre Auszeichnung durch einen besonderen Namen; ihre Rechtsnatur ist die gleiche wie die der späteren. Das Bild wäre nicht vollständig, wenn man sich nicht auch die Rolle vergegenwärtigte, welche das Gesetz dabei spielt. Die Gesetze, welche die Rechtsverhältnisse der Beamten ordnen, sind nicht den Civilrechtssätzen vergleichbar, welche die Verträge der ihnen unterworfenen Contrahenten regeln. Sie sind Verwaltungs Igesetze, welche als handelnder Staatswille theilnehmen an der Besorgung der Angelegenheiten des Staates. Sie nehmen Theil an der Auswahl, welche die Regierung trifft, durch Festsetzung von Anstellungsbedingungen, sie nehmen Theil an der Wahl der Form des Aktes und vor Allem an der Bestimmung des Inhalts des dadurch begründeten Rechtsverhältnisses. Der Unterschied zwischen dieser Theilnahme und der äusserlichen Normirung, welche der Civilrechtssatz gibt, zeigt sich praktisch im Falle einer gesetzlichen Neuordnung des Beamtenrechts. Eine neue Rechtsnorm für civilrechtliche Verträge lässt die unter der Herrschaft der alten, bereits abgeschlossenen grundsätzlich unberührt; die Rechtsverhältnisse der Contrahenten bleiben geordnet, wie sie waren; das Gesetz spricht nur für die künftigen Contrahenten, es hat keine rückwirkende Kraft. Für das Verwaltungsgesetz gilt dieser Grundsatz nicht; der Staat bestimmt damit souverän seine eigenen Verhältnisse, auch die er schon vorfindet; es greift in die bestehenden Beamtenverhältnisse ein wie eine der eben geschilderten Verfügungen, nur ist es eine absolute, ungebundene und eine allgemein gültige. Es kann manchmal ausdrücklich billige Rücksicht nehmen auf die Interessen der bereits unter anderen Bedingungen angestellten Beamten; es hebt auch im Zweifel nicht auf, was die Regierung auf Grund der bestehenden Dienstverhältnisse durch Einzelverfü-

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gungen bereits endgültig geordnet hat. Aber die aus dem Dienstverhältnisse fliessende Verfügungsgewalt zu künftiger Einwirkung auf den Beamten wird von selbst, ohne dass ausdrücklich eine rückwirkende Kraft in Anspruch genommen sein musste, erweitert oder verengert, die Berechnungsmassstäbe, die Schranken und Bedingungen für künftige Verfügungen werden geändert. Wenn z. B. das neue Gesetz der Regierung das Recht gibt, Beamte einer gewissen Art in einstweiligen Ruhestand zu versetzen, so trifft das von selbst auch diejenigen, deren Dienstvertrag abgeschlossen wurde zu jener Zeit, wo die Regierung I dieses Recht nicht besitzen sollte 116 • Die Neuregulirung der Pensionen erhöht oder vermindert auch die Ansprüche der mit anderer Pensionsberechtigung Angestellten1l7 • Die gleichen Dinge, kraft dispositiven Civilrechtssatzes als gesetzlicher Inhalt eines Dienstvertrages gedacht, würden von einer späteren Aenderung des Gesetzes unbeeinflusst bleiben. 4. Die beiden Parteien, der Staat und der Beamte, erwerben subjective Rechte, gegenseitige Ansprüche aus dem Begründungsakte wie aus den Thatsachen des weiteren Fortganges des Dienstverhältnisses. Der Inhalt dieser Rechte gleicht dem der gegenseitigen Ansprüche der Contrahenten im Privatdienstvertrag; ihre juristische Form dagegen ist eine ganz andere, entsprechend den anderen Grundlagen des Rechtsgebietes, welchem das Rechtsinstitut angehört. Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes, wo seine eigene Natur zu Tage tritt, kann der Staat als solcher keine eigentlichen Rechte gegen die Unterthanen erwerben; er vermag ihnen gegenüber schon von vornherein alles, was er will, wegen des grossen Gewaltverhältnisses der Unterthanenschaft. Was man hier Rechte des Staates nennt, besteht in der Begründung des besonderen Gewaltverhältnisses, und dieses bedeutet nichts anderes als eine Verschiebung der verfassungsmässigen Zuständigkeitsschranken zu Gunsten der beweglicheren, leichteren Erscheinungsform des Staatswillens, zu Gunsten der Regierung I (vgl. oben Anm. 53). Alles, was man auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts Rechte des Staates nennt, ist nichts anderes, als eine derartige Zuständigkeitsverschiebung: was sonst der Staat seiner Verfassung nach nur in der Form des Gesetzes könnte, kann er hier als Regierung. Man mag 118 Vergl. Verhandlungen des Reichstags zu § 25 des R.B.G. Der Abg. WindthoTst beantragte zu der Aufzählung der in einstweiligen Ruhestand

versetzbaren Beamten den Zusatz, "nach dem Erlasse dieses Gesetzes zur Anstellung gelangenden", weil das Gesetz sonst "gleichsam mit rückwirkender Kraft ausgestattet sei". Von selbst also! 117 EIs. Lothr. Ges., 24. März 1881, § 19. Vergl. auch Kais. Verordnung v. 23. April 1879, § 9. Ich kann mich hier auch auf die Ausführungen bei Binding, Strafrecht S. 238 ff., berufen. Strafgesetz und Verwaltungsgesetz haben sehr viel Verwandtschaft.

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sich die Sache anschaulicher und mehr im Sinne civilrechtlicher Denkweise zurechtlegen, indem man sagt: die Regierung sei es, die in dem Staatsdienstverhältniss Rechte erwerbe gegen den Beamten; so sieht es ja in der That aus. Nur darf nicht vergessen werden, dass mit dieser Ausdrucksweise das Rechtsverhältniss selbst verdreht wird: es besteht nicht zwischen dem Beamten und der Regierung, sondern zwischen jenem und dem Staat als Ganzem. Was man aber Rechte des Beamten nennt, das ist zu diesem das Gegenspiel. Laband kommt auf den Begriff zu sprechen bei Darlegung der Schranken, welche der Regierung in der Verfügung über den Beamten gezogen sind 118 • Dieselben sind theils thatsächliche, theils rechtliche. Thatsächliche, sofern durch die auf dem Anstellungsvertrage beruhenden Rechte des Beamten gegeben, rechtliche, sofern eine gesetzlich ausgesprochene Selbstbeschränkung des Staates die Verfügung der Regierung von Voraussetzungen abhängig macht. Eine thatsächliche Schranke gibt z. B. der Anspruch des Beamten auf Fortbezug seines Gehalts; denn das ist ein Recht desselben. Rechtliche Schranken dagegen hindern die Regierung vielfach in der Entziehung der Amtsführung; denn auf diese hat der Beamte kein Recht. Die beiden Arten von Schranken, thatsächliche und rechtliche, scheinen mir aber ein und dasselbe Ding zu sein, nur von verschiedenen Seiten betrachtet. Es gibt keine unentziehbaren Gehälter, aber ganz frei würde der Staat hier nur eingreifen können in der Form des Gesetzes; die Regierung ist dazu regelmässig nur ermächtigt unter gewissen Bedingungen, wie fest Igestellte Verletzung der Dienstpflicht, Dienstunfähigkeit u. s. w. Wo solche Voraussetzungen gefordert sind, besteht für die Regierung eine Schranke, an der man nach Belieben mehr die thatsächliche oder mehr die rechtliche Natur betonen mag. Soweit aber die Gehaltsentziehung oder -verminderung ohne solche Voraussetzungen nach freiem Ermessen der Regierung herbeigeführt werden kann, - die bei manchen Aemtern zulässige Versetzung in einstweiligen Ruhestand gibt ein Beispiel, - soweit bildet auch das durch den Anstellungsvertrag erworbene Recht keine Schranke, und zwar eine rechtliche so wenig, wie eine thatsächliche. Gerade so verhält es sich mit dem Rang und überhaupt mit allen in Begründung oder Verlauf des Dienstverhältnisses dem Beamten gewährten Vortheilen: sie sind Rechte des Beamten, soweit sie nicht willkürlich von Seiten der Regierung aufgehoben oder unwirksam gemacht werden können, d. h. ebensoweit als jene sogen. Selbstbeschränkung des Staates reicht. 118

Staatsrecht I, S. 479, 480.

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Was aber besonders hervorgehoben zu werden verdient, das ist, daß es im Wesentlichen auch nicht anders ist mit einer weiteren Seite des Dienstverhältnisses: mit der dem Beamten anvertrauten Amtsführung. Man stellt sie gern in Gegensatz zu den Rechten des Beamten und beweist dadurch, dass man nicht im Auge behält, was überhaupt Rechte der Einzelnen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes bedeuten. Dieselben Voraussetzungen, unter welchen Gehalt und Rang genommen oder vermindert werden können, ermächtigen die Regierung auch zur Entziehung des Amtes. Bei richterlichen Beamten gibt es gar keine andere Art der Amtsentziehung als diese. Bei den übrigen kommt noch das Versetzungsrecht in Frage und der Dienstbefehl. Ersteres bedeutet aber keine Entziehung der Amtsführung, sondern nur eine Veränderung, vor Allem eine örtliche Veränderung. Das Recht des Dienstbefehles kann die vorgesetzte Behörde allerdings benützen, um den Beamten in seiner Amtsthätigkeit zu beengen I und einzuschränken. Namentlich wo etwa mehrere Beamte für denselben Geschäftskreis angestellt sind und der Vorgesetzte über die Geschäftsvertheilung bestimmt, ist es thatsächlich möglich, einen Beamten so ziemlich bei Seite zu schieben. Aber eine wirkliche Entziehung der Amtsführung dem Rechte nach kann auch der Dienstbefehl des Vorgesetzten nicht bewirken; er ist seinem Begriff nach immer nur Leitung der Amtsführung, welche grundsätzlich als fortbestehend angesehen werden muss. Eine Verfügung, welche dem Beamten auferlegt, sich bis auf Weiteres aller Amtsthätigkeit zu enthalten, wäre kein Dienstbefehl mehr, sondern eine Suspension und wäre rechtswidrig, wenn die vom Gesetze für diese geordneten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Schranken, welche der Entziehung der Amtsführung gesetzt sind, werden freilich praktisch wenig fühlbar 119 • Einmal wird der Beamte eine blosse Entlastung sich meist gern gefallen lassen; das macht einen äusserlichen Unterschied von der Gehaltsentziehung. Sodann ist es grundsätzlich die Regierung selbst, welche darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für die Rechtmässigkeit ihrer Suspensionen, Versetzungen in einstweiligen Ruhestand u. s. w. gegeben sind, ob der Dienstbefehl seinen rechtmässigen Umfang eingehalten hat; darin zeigt sich gerade die Natur des Gewaltverhältnisses; nur für folgenschwerere Fälle sind eigene Entscheidungsbehörden geordnet. Wer in dem Landgerichtsrath einen nicht zu ersetzenden Hort des Rechtes sieht, der wird sagen, die Rechtsschranken seien hier schlecht geschützt; aber desswegen sind es doch Rechtsschranken. In dieser Beziehung sind die Rechtsschranken, welche den Gehaltsbezug decken, so sehr viel besser nicht gestellt. Die Regierung entscheidet auch hier in erster Linie; die 118

Sarwey, Oeff. R. u. V.-Rechtspflege, 8. 472; Rehm in Annalen 1885,

8.198.

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Nachprüfung durch das Civilgericht, welche in gewisser Frist beantragt werden kann, schützt in Wesentllichem nur gegen unrichtige Berechnungen: denn die Verfügungen, welche über die Amtsstellung getroffen werden und den Gehaltsanspruch hauptsächlich beeinflussen, sind dieser Nachprüfung entzogen 120 • Demnach ist die Selbstbeschränkung des Staates in allen wesentlichen Stücken die gleiche bezüglich der Amtsführung, wie bezüglich Gehalt und Rang. Die Amtsführung ist aber ein aus dem Dienstverhältnisse fliessender Vortheil des Beamten, ein Interesse der Ehre hängt daran und ein Interesse der Macht. Soweit sie durch die Selbstbeschränkung des Staates geschützt ist, kann man von einem Rechte des Beamten sprechen in keinem besseren, aber auch in keinem schlechteren Sinne als von dem Rechte auf den Gehalt und von dem auf den Rang l2l • Das Recht auf das Amt ist gerade eines der allereigenthümlichsten Stücke des Staatsdienstvertrages: der Dienstherr nach Civilrecht kann frei verzichten auf die Dienste des Gedungenen, wenn er nur mit seinen Gegenleistungen fortfährt; die Regierung kann das nicht. Wenn dieses bedeutsame Stück des Rechtsverhältnisses, in welchen die Machtstellung des deutschen Beamtenthums ihren schärfsten Ausdruck findet, meist gar nicht zur Geltung kommt, so ist daran vor Allem Schuld die Lehre vom wahren Staatsdienstvertrage. Der civilrechtliche Beigeschmack ist diesem Rechtsgeschäfte durch die Beilegung des Namens öffentlichrechtlich doch niemals so ganz auszutreiben, dass man nicht Bedenken trüge, die Folge des Erwerbs eines Rechtes auf das Amt damit zu verbinden. Man scheut den Anklang an den Feudalstaat. Stehen wir aber einmal fest und bewusst auf dem Boden des öffentlichen Rechtes, so brauchen wir auch hier nicht I so ängstlich zu sein, der Wahrheit der Dinge den entsprechenden Ausdruck zu geben: als Erzeugniss eines Rechtsgeschäftes des öffentlichen Rechtes, als Recht in dem obigen Sinne von klar erkannter öffentlicher Natur reiht sich das Recht auf das Amt ohne Misston ein in das Ideenganze des modernen Staates. Der Wissenschaft des deutschen Verwaltungsrechtes steht sicherlich für die nächste Zukunft ein gewaltiger Aufschwung bevor. Das neue Civilgesetzbuch wird zu einer festeren Abgrenzung der Gebiete führen. Das sich auflösende deutsche Privatrecht wird uns eine ganze Reihe von Entsch. d. Reichsgerichts in Civ.-Sachen XII, S. 70 ff. Die Pr. Verf.-Urk. Art. 98 hatte ein Gesetz vorgesehen, "welches den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewährt". Beide Dinge sind also mit voller Absicht gleich behandelt. 120 121

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Rechtsinstituten herausgeben, die es jetzt noch in Anspruch nimmt. Neben den öffentlichrechtlichen Vertrag stellt sich das öffentlichrechtliche Eigenthum, die öffentlichrechtliche Servitut, die öffentlichrechtliche Entschädigung u. s. w. Das deutsche Verwaltungsrecht erhält eine Fülle von Stoff mit demselben Parallelismus zu den Rechtsinstituten des Civilrechts wie das römische und das französische Recht ihn aufweist. Ich bin auch der Meinung, dass uns für die Beherrschung und Durchdringung dieses Stoffes die einheitliche Grundlage nicht fehlt, deren ein selbständiger Zweig der Rechtswissenschaft bedarf 122 • Sie ist bereits gefunden in jener besonderen Kraft des Staatswillens, welche wir unter verschiedenen Namen und mit verschiedenem Wirkungskreis anerkannt sehen. Wie der öffentlichrechtliche Vertrag des Staatsdienstverhältnisses, so müssen sich alle unsere einzelnen Rechtsinstitute als Offenbarungen dieser Kraft nachweisen lassen. Es bedarf nur einer entschlossenen Durchführung des Gedankens. I

122 "Das einheitliche Objekt, welches jede Wissenschaft erfordert", "der eine Punkt, aus welchem das ganze Rechtssystem der Verwaltung heraus zu konstruiren ist" nach dem treffenden Ausdruck von Gumplowicz, der noch jüngst den Mangel dieses Elementes in unseren Darstellungen beklagt (Grilnhut, ztschft. XIV, S. 481, 482).

Justiz und Verwaltung Rede zum Antritt des Rectorats der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg gehalten am 1. Mai 1902Hochansehnliche Versammlung! Unser grosser Student, dessen ehernes Standbild demnächst den Platz vor diesem Gebäude schmücken wird, hat seiner Fakultät einen üblen Spruch in's Stammbuch geschrieben. Schadenfroh hält man uns vor: "Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort. Weh dir, dass du ein Enkel bist." Und wir verkennen nicht die tiefe Wahrheit, die in diesen Sätzen liegt, wenn auch der Geist, der stets verneint, dem Goethe sie in den Mund legt, nicht unterlassen hat, sie boshaft zu verzerren. Unsre Rechtsordnung theilt unser Loos, aus Freiheit und Nothwendigkeit geheimnissvoll zusammen gesetzt zu sein. Nicht bloss, dass wir überlebtes Recht widerwillig erdulden; wir sind auch bei dem Recht, das wir wählen und gestalten dürfen, oft scheinbar sehr zum Nachtheil des vernünftigen Zwecks, gebunden an ererbte Rechtsideen, denen wir gehorchen ohne Rücksicht auf die ganz veränderten Verhältnisse. Für die Rechtswissenschaft ist es eine der lohnendsten Aufgaben, solche Erbschaften zu beobachten und ihre Zusammenhänge bloss zu legen. Man pflegt jenen vielberühmten Spruch zurückzuführen auf die Eindrücke, die Goethe bei seinem Wetzlarer Aufenthalt bekommen hätte. Aber die lebhafte Schilderung des Elendes des Reichskammergerichts in Wahrheit und I Dichtung bekundet gerade nach dieser Seite hin keine Beobachtungen. Ja, hätte unser junger Lizenziat damals nicht viel mehr Sinn für andere Dinge gehabt als für die Schönheiten der Rechtswissenschaft, so würde er in Wetzlar die interessantesten Beispiele von Rechtsverknöcherungen gefunden haben. Und hätte er etwas von unserem heutigen Staatsbewusstsein mitgebracht - einem Frankfurter Bürgerskind von damals freilich nicht entfernt zuzumuthen - so musste ihm keines verwunderlicher erscheinen als die Zuständigkeit des Gerichtshofes in öffentlich rechtlichen Dingen und die damit gegebene eigenartige Lösung der Frage nach dem Verhältniss zwischen Justiz und Verwaltung.

* Zuerst veröffentlicht im Verlag J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), Straßburg 1902.

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Für uns ist das gar keine so einfache Sache. Man muss sich's nur vorstellen. Der Staat ist's, der die Justiz macht, um dadurch obrigkeitlicher Weise Friede und Rechtsordnung zu wahren unter den Unterthanen. Der Staat wirkt aber auch in der Verwaltung. In ihr entfaltet er sein eigenes Leben; sie ist darum freier und manchfaltiger gestaltet als die Justiz, aber im Ganzen rechtlich gleichwerthig mit dieser. Gleichwohl nehmen wir an, dass in gewissem Masse die Justiz berufen ist, beim Zusammenstoss zwischen der Verwaltung und den Unterthanen obrigkeitlich zu entscheiden und Recht zu sprechen zwischen beiden, also der Staat als Justiz über den Staat als Verwaltung. Die Machtäusserung des Staates in der Justiz wird rückbezüglich auf ihn selbst. Jedenfalls eine merkwürdige Einrichtung. Wir haben alle Mühe, die Grenze dieser Zuständigkeit der Gerichte richtig zu bestimmen und streiten wohl auch darüber. Nun zeigt aber die Geschichte, dass man sich diese ganze Schwierigkeit auch ersparen kann; und zwar auf zweierlei Weise. Auf der einen Seite finden wir das römische Recht zur Zeit der Republik: wo irgend der Staat erschien, war I die majestas populi romani, und die entzog sich den bürgerlichen Gerichten schlechthin. Und umgekehrt ist es denkbar, dass für diese Macht der Gerichte eine Schranke überhaupt nicht gezogen ist: die Zuständigkeit des Reichskammergerichts, wie Goethe sie vorfand, war gewachsen auf Anschauungen, für die es den Begriff einer selbständigen gleichwerthigen Verwaltung nicht gab. Wie das kam, liegt uns vor Augen. Der mittelalterliche Staat hatte die Ueberlieferungen der römischen Welt, die im Frankenreiche noch lebendig geblieben waren, mehr und mehr verloren. Nur das Notdürftigste leistete er noch, was unumgänglich war, um sein und der Seinigen Dasein zu sichern. Heerwesen selbstverständlich; davon reden wir nicht; vor allem aber Rechtspflege, Civil- und Strafjustiz. Was sonst für Kulturaufgaben geschah, besorgte der geistliche Staat, die Kirche. Weltliche Staatsgewalt ist wesentlich Justizgewalt. Die Justiz aber war im Deutschen Reich an die Fürsten gekommen und bildete den Kern der sich entwickelnden Landeshoheit: justitia fundamentum regnorum. Ende des 15. Jahrhunderts sucht das Reich diese Staatsgewalt wieder fester zusammenzuziehen: es schafft das Reichskammergericht. Dieses wird über die Fürsten gesetzt als Berufungsgericht für die Rechtspflege ihrer Justizbehörden und mit ordentlicher Zuständigkeit für Klagen, die ihre Mitstände und ihre Unterthanen gegen sie selbst erheben könnten.

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Die Landesherren hatten freilich damals schon begonnen, sich mit allerlei sonstigen Massregeln für das Gemeinwohl zu beschäftigen. Die Polizei gab den Namen dafür. Aber irgend eine besondere Berücksichtigung in der Rechtsordnung fand das nicht. Alles musste sich in die Justizformen fügen. Man unterschied wohl, ob der Landesherr und seine Behörden mehr nach Art eines Gerichtes I oder einer Partei gehandelt hätten, tamquam judex oder tamquam pars, und forderte je nachdem die Form der Berufung oder die der Klage. Im einen wie im anderen Falle kam es darauf an, sich vor dem Reichsgericht über seinen Rechtstitel auszuweisen, und dafür musste dann alles herhalten, was der gewöhnliche Civilprozess zu bieten pflegte: römisches Recht, Herkommen, Privilegien, Verträge, Ersitzung u. s. w. Das ging noch an, so lange die Verwaltung nur in spärlichen Anfängen sich regte. Wie sie aber im Polizeistaat des 17. und 18. Jahrhundrets ihren grossartigen Aufschwung nimmt, drängt sie und ringt sie, um nach ihrer eigenen Art und ihrem eigenen Recht zu leben. Die Herrschaft der Justiz wird als unnatürliche Schranke empfunden, nicht bloss weil sie getragen ist von einer fremden Gewalt, der Reichsgewalt, sondern weil sie die neue staatliche Wirksamkeit, die immer selbstbewusster auftritt, in Formen presst, die ihr nicht angemessen und ihrer nicht würdig sind. Alle kräftigeren Einzelstaaten befreien sich nach und nach von der Reichsjustiz, theils im verfassungsmässigen Wege durch Erwerb von privilegia de non appellando, theils ohne das durch gewaltsame Auflehnung dagegen; man lässt sich einfach nicht mehr verklagen, wenn man eine richtige Verwaltungsmassregel durchführen wilL Der Preussenkönig Friedrich Wilhelm I., als er einmal wegen einer von ihm auferlegten Abgabe vor dem Reichsgericht verklagt wurde, verfügte ruhig an sein Generaldirektorium: "dass den renitenten Edelleuten allerhand Chikanen gemacht und ihnen solchergestalt der Kitzel vertrieben werde, gegen ihren angeborenen Landesherrn und Obrigkeit an dergleichen frevelhaftes und gottloses Beginnen weiter zu gedenken". Das Beginnen entsprach dem überkommenen Recht; der König aber setzt sich dem mit gutem Gewissen entgegen, um Luft zu machen für die Verwaltung seines aufstrebenden Staates I und für diesen "das Recht, das mit uns geboren ist" zur Geltung zu bringen. Für die Menge der kleinen Territorien jedoch, namentlich im Westen des Reichs, bestand jene eigenthümliche Zuständigkeit des Reichskammergerichts in Kraft und Wirksamkeit bis zum grossen Zusammenbruch, in dem sie zu Anfang des 19. Jahrhunderts sammt Reich und Reichsgericht versanken. Das sollten und wollten nun Staaten sein nach dem Vorbild ihrer mächtigeren Reichsgenossen. Sie betrieben eifrig ihre Polizei, suchten ihr Finanzwesen modern zu gestalten - aber für

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sie heisst es: "Weh dir, dass du ein Enkel bist." Das Reichsgericht hält sie in strenger Zucht nach dem alten Justizschema von 1495. Der ehrenwerthe Freiherr von Cramer, Kaiserlicher und ReichsKammergerichts-Assessor, hat uns in den 124 Bändchen seiner Wetzlarischen Nebenstunden manch wunderliches Beispiel aufbewahrt. Es wäre hübsch, wenn wir einen Fall daraus hervorheben könnten, der gerade während Goethes Anwesenheit entschieden wurde. Aber im Mai 1772 trat dieser als Praktikant ein und Cramer's Sammlung schliesst mit einem Urtheil vom 27. März desselben Jahres; am 18. Juni ist er, von Goethe unbemerkt, gestorben. So greifen wir ein paar Jahre zurück auf einen Fall, der uns aus anderen Gründen besonders angehn darf, oder vielmehr auf eine ganze Reihe von Fällen: es ist der langwierige Rechtshandel zwischen dem Grafen von Criechingen und seinen Unterthanen. Diese Reichsgrafschaft umfasste eine grössere Anzahl von Ortschaften in Deutsch-Lothringen; der Hauptort war Criechingen an der Nied. Cramer erzählt in Theil 98 sehr einleuchtend, wie alles gekommen ist. "In langer Zeit, sagt er, hatte sich vorhin keine Herrschaft selbsten auf dem Schloss zu Criechingen aufgehalten. Da aber der jetzige Herr Graf nach erlangter Majorennität seine Residenz zu Criechingen I selbst bezog, so nahm der Herr Graf Christi an den Anlass, seine Regimentsverfassung nach den neuesten Massregeln der Landeshoheit der deutschen Reichsständen in forestalibus, politicis et oeconomicis, auch militaribus einzurichten, - wir würden sagen, der Landesherr wollte eine rationelle Verwaltung durchführen - welches den Criechingischen Unterthanen als eine ihren alten Rechten und Herkommen höchst nachteilige Neuerung angeschienen, woraus dann zuletzt vielfache Prozesse und kostbare Irrungen und Weitläufigkeiten zwischen Herrn und Land entstanden sind." Den Reigen eröffnete die Gemeinde Büdingen mit einer Besitzstörungsklage der Bauern wegen Einführung der herrschaftlichen Waldaxt d. h. gegen die forstpolizeiliche Vorschrift, dass Bäume nur gefällt werden dürften nach Anweisung des gräflichen Försters. Das Reichskammergericht urtheilt 1763 salomonisch: die Wald axt des Grafen als Forstpolizeiherrn wird anerkannt; doch soll der Landesherr die polizeiliche Anweisung nicht ohne Noth verweigern dürfen; denn "bei allem dem hat auch die landesväterliche Absicht und Gerechtsame ihre gehörigen Schranken". Das Gericht behält sich also vor, im Einzelfalle nachzuprüfen, ob diese Schranken eingehalten sind. Nun folgen Klagen wegen Heranziehung der Unterthanen zur Bewachung von Gefangenen, wegen Verbot des Entenhaltens (als der Fischerei nachtheilig), wegen Einführung des Stempelpapiers, Polizeistunde, Meldewesen, Geldstrafen, Abzugsgelder u. s. w. Einmal er5 Otto Mayer, Bd. I

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scheint eine Sache mit nicht weniger als 21 Klagepunkten. Manchmal siegen die Bauern; so wegen des Stempelpapiers: es wird dem Grafen verboten, weil es überhaupt eine zweifelhafte Sache sei, ob ein Landesherr solches fordern könne, jedenfalls ihm kein Recht dazu zustehe, da er bei seinem Regierungsantritt bekannt gemacht, d. h. sich verpflichtet habe, keine neuen Lasten einzuführen. I Der Landesherr erhebt seiner Seits Widerklage gegen seine Unterthanen pro mandato de praestando debitam Domino suo obedientiam: das Gericht soll sie zum staatsbürgerlichen Gehorsam anhalten. Das Gericht thut das auch, soweit es den Bauern nicht Recht gibt, und droht ihnen Geldstrafen, für den Fall sie ihrem Fürsten in den fraglichen Stücken nicht pariren. Ein eigenthümliches Zwischenspiel bildet die Schadensersatzklage eines Notars, der Namens der Bauern eine Erklärung zuzustellen hatte und dabei auf dem gräflichen Schloss eingesperrt und sonst schlecht behandelt worden war. Das Gericht weist ihn unfreundlich ab; er habe es sich selbst zuzuschreiben. Das Gefühl, dass der Landesherr doch kein gewöhnlicher Prozessgegner sei, kommt überhaupt sehr häufig zum Ausdruck durch scharfe Massregeln, die das Gericht gegen die Beistände der Unterthanen ergreift. So z. B. auch in einem grossen Prozess der Stadt Lasphe gegen den Grafen von Wittgenstein, den Pütter in seinen Beiträgen erzählt. Vielerlei Streitpunkte hatte hier das Reichsgericht erledigt, namentlich auch eine landesherrliche Polizeiverordnung, wonach jeder Bürger alljährlich 20 Sperlingsköpfe abzuliefern hatte, zwar als gemeinnützlich anerkannt, die Anzahl der Sperlingsköpfe jedoch auf 10 herabgesetzt. Am Schlusse aber wird dann - gewisser Massen zur Sühne für das ganze Verfahren - der Advokat der Kläger "wegen nicht geziemender Anzüglichkeiten und Verlierung des Respekts gegen den Herrn Beklagten und Nichtabhaltung der Unterthanen von ihrer strafbaren Widersetzlichkeit" in eine Strafe von 4 Mark Silbers genommen.Uns muthet das alles sehr fremd an. Die Wurzeln unseres gegenwärtig geltenden Rechtes liegen in der Ordnung des Verhältnisses zwischen Justiz und Verwaltung, I die sich daneben und im Gegensatz dazu bei den kräftigeren Staatswesen herausgebildet hat. Und zwar kommen hier zwei grundverschiedene Gestaltungen für uns in Betracht: die eine ist die französische, die andere können wir die preussische nennen; es ist die eigenartig-deutsche überhaupt. Beide haben ihre entscheidende Ausprägung noch während der letzten Zeiten des Reichskammergerichts bekommen. Für die französische Auffassung ist der Ausgangspunkt die geschichtliche Thatsache machtvoller selbständiger Gerichtshöfe, die eine be-

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deutsame Rolle in der politischen Entwicklung des Landes gespielt haben. Seit dem 13. Jahrhundert folgte der Theil der curia regis, mit dem der König sein oberstes Richteramt auszuüben pflegte, das parlamentum, dem wechselnden königlichen Hoflager nicht mehr. Das Parlament ward sesshaft in Paris, wo ihm auf der Citeinsel ein königlicher Palast eingeräumt worden war. Der hiess davon das Palais de justice und alle französischen Justizgebäude zieren sich seitdem mit dem oft herzlich schlecht passenden Namen Justizpalast. Das Parlament ward nun der souveräne Gerichtshof: es übt die oberste Gerichtsbarkeit selbständig ohne den König. Es ist ausgestattet mit einem eigenen Personal, das nur von ihm abhängt: c1ercs, sergeants, huissiers, notaires. Die Richter werden unabsetzbar durch die Ver erblichkeit und Käuflichkeit der Stellen, die nun ganz folgerichtig einer besonderen Steuer unterliegen, der Paulette, wie sie nach dem ersten Steuerpächter genannt wurde. Diese Stellen gerathen in den festen Besitz einer Reihe von reichen und angesehenen Familien; eine noblesse de robe bildet sich aus, Trägerin grossen Ehrgeizes und grosser Widerstandskraft. Das Parlament wird eine politische Macht; es beherrscht nicht bloss die Justiz, sondern auch die Gesetzgebung. Denn es erkennt nur solche königliche Verordnungen an, die es auf gehörige Vorlage in seine Gesetzsammlung I aufgenommen, einregistrirt hat. Montesquieu, selbst ein Parlamentspräsident, sieht in dem Parlamente eines der pouvoirs intermediaires, die nach seiner Begriffsbestimmung nothwendig sind für die Monarchie, damit sie sich von der Despotie unterscheide. Seitdem nun, mit grossem Vorsprunge vor uns, das französische Königthum daran gegangen war, den modernen Staat mit seiner eindringenden Verwaltung auszubilden, stand es mit diesem Parlament in fast ununterbrochenem Kampf, zu welchem beiderseits alle Machtmittel aufgeboten wurden. Das Parlament verweigerte den königlichen Ordonnanzen, wenn sie ihm unberechtigte Neuerungen zu bringen schienen, die Einregistrirung und damit die gerichtliche Geltung. Der König suchte dann den Vollzug zu erzwingen. Wenn alles nicht half, erschien er schliesslich selbst in feierlicher Sitzung des Parlaments und nahm Platz auf dem Thronsessel, der gewöhnlich verhüllt im Sitzungssaale stand, dem lit de justice: nun war er allein wieder der Richter wie vor Alters, das Parlament nur sein Rath und er konnte rechtsgültig die Einregistrirung verfügen. Gab es gleichwohl noch Widerstand, so wurden etwa die Parlamentsherren auf eine Zeit lang aus Paris verbannt; umgekehrt kam es vor, dass diese auf ein halbes Jahr alle Rechtspflege einfach einstellten. Der König organisirte sich aber auch ein handliches Verwaltungspersonal, dem er obrigkeitliche Gewalt übertrug. Und zwar ist auch hier zunächst obrigkeitlich gleichbedeutend mit richter-

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lich: intendants de justice werden bestellt, die für Verwaltungszwecke konkurrirend neben die Gerichte treten. Die Parlamente erkennen deren Amtsaufträge nicht an, verurtheilen sie zu Strafe und Schadenersatz und suchen das mit ihrem Unterpersonal gegen sie zu vollstrecken. Der König schützt dann wieder seine Beamten, indem er die Prozesse an sich zieht oder die Urtheile der Gerichte für ungültig erklärt, auch wohl I seiner Seits mit harten Massregeln gegen die Parlamentsräthe vorgeht. Tief eingeprägt hat sich die Scene, wie 1628 der Parlamentspräsident de Gourges vor den Hof geladen war wegen dreier Urtheile, die gegen einen königlichen Intendanten erlassen worden waren; er soll sich rechtfertigen, der König befiehlt ihm dieses knieend zu thun und auf seine Weigerung tritt er selbst an ihn heran und zerrt ihn an der Robe zu Boden. Der Präsident aber findet in dieser Stellung so beredte Worte über die Würde des Richteramtes und die Misshandlung, die es erfährt, dass die ganze Versammlung, mit Einschluss des Königs, tief ergriffen wird; dann geht er hinaus und stirbt. - Unter Ludwig XIV. ist das Parlament fast erdrückt; dann gewinnt es seine Stellung wieder gegenüber der schwächer gewordenen Regierung. Unter fortwährenden Kämpfen hat es die Kraft, wichtige Reformen zu hintertreiben, alle Finanzpläne zu durchkreuzen. Schliesslich zwingt es den König zu dem Schachzug der Einberufung der Generalstände die Streitenden haben den Abgrund geöffnet, aus welchem die Revolution heraufsteigt, um beide zu verderben. Die neue Ordnung, wie sie aus den Händen der Versammlungen von Staatskünstlern hervorging, die sich mit Stolz Philosophen nannten, setzte an die Stelle der alten Parlamentsherren gewöhnliche Staatsbeamte. Die Justiz wurde nach reinen Zweckmässigkeitsrücksichten gestaltet als ein Rad in der grossen Staatsmaschine. Aber man löst sich nicht so leicht aus dem Zusammenhang der Geschichte: es erben sich Gesetz und Rechte! Die Erinnerung an die zwei feindseligen Mächte, die auf dem Boden der durcheinander wirkenden Justiz und Verwaltung sich gegenüber getreten waren, hat die Regelung des Verhältnisses zwischen diesen beiden Arten der Staatsthätigkeit bestimmt. Nicht ängstlich genug glaubt man sie vor jeder Berührung schützen zu können und die Formel dafür gibt die Trennung der Gewalten. I Wie an der Spitze die gesetzgebende und vollziehende Gewalt, so sollen die beiden Zweige der letzteren, Justiz und Verwaltung, wieder als gesonderte Gewalten sich gegenüber stehen. Das ist keine Geschäftsvertheilung, sondern die Konstituirung politischer Mächte, die jede ihren Herrschaftsbereich erhalten, und berufen sind, ihn eifersüchtig zu wahren. Der Justiz gehört die Handhabung des Civil- und Strafrechts, frei und in keiner Weise mehr beeinflussbar durch Evokationen

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und sonstige Eingriffe der Regierung. Aber den Richtern ist auch ihrerseits verboten, sich in die Thätigkeit der Verwaltung einzumischen bei Strafe der forfaiture, der Felonie. Abgesehen von vereinzelten Ausnahmen ist alles, was die Verwaltung thut oder thun soll, für die Gerichte ein noli me tangere. Durch diese strenge Abschliessung ist einerseits hier die Bahn frei geworden für die Entfaltung eines eigenartigen öffentlichen Rechts, des droit administratif, welches die französischen Verwaltungsgerichte in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einem grossartigen System herausgearbeitet haben. Andererseits führt das unerbittliche Spiel der getrennten Gewalten für unsere Begriffe oft zu einem argen Formalismus. Wenn in einem gewöhnlichen Civilprozess ein Verwaltungs akt irgendwie in Betracht kommt, darf das Gericht ihn nicht auf seine Gültigkeit prüfen; es darf ihn nicht einmal auslegen, wenn die Auslegung zweifelhaft sein könnte: es möchte sonst etwas hineinlegen und sich dadurch in die Verwaltung einmischen. Um auch eine mittelbare Beeinflussung zu verhüten, ist die gerichtliche Verfolgung von Verwaltungsbeamten nur mit besonderer Erlaubniss des Staatsraths zulässig; die Verwaltung muss gewissermassen erst die Auslieferung ihres Angehörigen an die feindliche Macht vollziehen, wenn diese soll einschreiten dürfen. Durch Erhebung des Kompetenzkonflikts kann die Verwaltung jedes gerichtliche Verfahren, weil gegen sie gerichtet, hemlmen; darüber entscheidet nachher eine Art gemeinsamen Schiedsgerichts der beiden Gewalten, halb aus Civilrichtern, halb aus Verwaltungsbeamten zusammengesetzt. Beide Theile sind überdies befugt, sich gegen Uebergriffe zu vertheidigen, indem sie dem übergreifenden Akte schlechthin die Anerkennung versagen. Nöthigenfalls wird auch Selbsthülfe gebraucht zur thatsächlichen Wahrung des eigenen Machtkreises, Selbsthülfe gegen die andere Gewalt. Als im Jahre 1842 die Festungswerke von Paris gebaut wurden, hatte die Intendantur ein Stück Land auf Grund eines nichtigen Enteignungsurtheils in Besitz genommen. Das Gericht verfügte die Rückgabe und der Eigenthümer liess die Militärbehörde durch Gerichtsvollzieher zur Räumung auffordern. Da diese ihre Pioniere ruhig weiter arbeiten lässt, kommt der Gerichtsvollzieher unter Beistand eines Polizeikommissärs, um die Räumung zu erzwingen. Der anwesende Pionieroffizier erklärt jedoch, er habe Befehl und werde Gewalt mit Gewalt vertreiben. Hierüber Protokoll des Gerichtsvollziehers, und nun requirirt das Gericht die ganze Gendarmerie des Departements der Seine, zur bestimmten Stunde an der Baustelle anzutreten und die Pioniere weg zuschaffen, pour que force restät cl la loi. Das Militär war vernünftig und zog sich zurück. Im Sinne des Prinzips der Trennung der Gewalten war das eigentlich nicht.

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Im Wesentlichen gilt dieses System in Frankreich noch heute, wie überhaupt das aus der Revolution hervorgegangene Recht eine gewisse Starrheit bewährt. Es ist, als hätte sich die Nation damit erschöpft. Ganz anders musste sich die Sache gestalten in den deutschen Staaten, die durch ähnliche geschichtliche Eindrücke nicht gebunden waren. Nach Abschüttelung des Jochs der Reichsjustiz entfaltete sich hier die Verwaltung ganz frei. Wenn sie, zum grossen Zorn des Reichskammer-I gerichts, den Namen und den Schein von Formen der Rechtspflege annahm, als Administrativjustiz, Kammerjustiz, so war das wieder ein äusserliches Zugeständniss an die alte Auffassung, dass alle obrigkeitliche Gewalt richterliche Gewalt sei. Die landesherrlichen Civilgerichte, denen allein sie sich nun gegenüber sah, waren weit entfernt, einen selbständigen politischen Körper zu bilden. In Preussen schien eine Zeit lang etwas derartiges möglich zu werden durch Anlehnung an die Landstände; aber das verging wie ein kurzer Schimmer. Die Civilgerichte standen vielmehr umgekehrt ihrer Seits ganz unter dem Verwaltungsinteresse, oder wie man damals sagte, unter der Polizei. Der König fährt mit Machtsprüchen, Befehlen, Drohungen und Strafen in ihre Rechtsprechung hinein, nicht um den Widerstand einer politischen Macht zu brechen; das war nicht nöthig; sondern um seiner landesväterlichen Pflicht willen. Denn es ist die Aufgabe der Polizei, für ordentliche Rechtspflege zu sorgen. Allerdings wird es Brauch, zum nothdürftigen Ersatz der Reichsgerichtszuständigkeit, dass die Unterthanen wenigstens in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, wie sie auch zwischen Privatpersonen vorkommen könnten, den eigenen Landesherrn, oder wie man es jetzt ausdrückt, seine Kasse, den landesherrlichen Fiskus, vor dessen eigenen Gerichten verklagen dürfen. Das richtet sich thatsächlich mehr nur gegen die unteren Vertreter des Fiskus, die fiskalischen Behörden. Und auch so ist es eine Duldung. Die Gerichte werden für solche Fälle sorgfältig "von Eid und Pflicht entbunden". Denn eigentlich können sie doch nicht über ihren Landesherrn urtheilen. Wenn diesem ihre Anordnungen missfallen, würde er sehr massgebend dagegen vorgehen, auch in fiskalischen Sachen. In Bayern ist es 1782 vorgekommen, dass die Kurfürstliche Hof Ikammer, die einen fiskalischen Prozess vor dem Gericht zu Burghausen führte, dazwischen hinein diesem Gericht einen Verweis ertheilte wegen Saumseligkeit. Das ging doch zu weit. Der Kurfürst missbilligt es: die Kammer hätte, da sie d. h. der fiscus jura partis vertreten hat, appelliren oder ihm ad manus berichten sollen. Er behält sich vor, selbst den Löwen zu wecken, der für das Gericht hinter der Partei Fiskus schlummert.

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Das Ziel für die weitere Entwicklung war hier gegeben: es kam darauf an, dass der Justiz ihre Selbständigkeit anerkannt und gesichert werde. Dazu ist es erst Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts gekommen. Preussen hat die Führung. Den Gang, den die Sache nahm, bezeichnen die drei historischen Mühlen. Es darf wohl auf solche kleine Episoden zurückgegriffen werden, wenn gros se Dinge sich so anschaulich daran spiegeln. Die erste Mühle ist die von Neudörfchen in der Mark. Der Kammergerichtspräsident Johann Sigismund von Sturm - wie es heisst, der Strassburger Familie entstammend - hat sie etwa 1713 erbaut. Er war ein tüchtiger Mann, aber um die Justiz stand es damals herzlich schlecht. Der Hauptgrund lag in den jämmerlichen Besoldungsverhältnissen. Der König aber, Friedrich Wilhelm 1., macht seinen Präsidenten dafür verantwortlich, wettert gegen die "himmelschreiende Rechtspflege", verlangt Reformen und weiss nicht, wo anfangen. Einmal befiehlt er, dass ihm binnen Jahresfrist ein Allgemeines Landrecht fix und fertig zu liefern sei "oder Herr Sturm und ich werden uns sehr plump und grob verzürnen". In solchen Zeitumständen kommt des Kammerpräsidenten persönliches Gesuch an ihn, eine Wassermühle in Neudörfchen anlegen zu dürfen. Der König hat die Erlaubniss ertheilt mit dem eigenhändigen Randvermerk: "Wofern er besser und prompter Justiz an die Leute thun wurdt." Die Mühle steht noch, ein Denklmal des Kummers eines redlichen Königsherzens um seine Justiz, die sich nicht auf die Beine bringen liess. Die zweite Mühle ist die von Sanssouci. Viele von uns haben ihre Trümmer mit Ehrfurcht betrachtet. Wer kennt nicht die Geschichte? Der König Friedrich der Grosse, wird erzählt, wollte die störende Mühle kaufen und bot vieles Geld. Der Müller aber wollte um keinen Preis, und als der König drohte, ihm die Mühle einfach wegnehmen zu lassen, antwortete er ruhig: Ja wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre. Und der König sah es ein. Die Franzosen machten den triumphirenden Spruch daraus: Il y ades juges ci Berlin. Leider ist die schöne Geschichte nicht wahr. Wenn der König die Mühle haben wollte, so gab es kein Gericht, ihm das zu verwehren. Es hat ja noch neuerdings juristische Geschichtschreibung eine Art Musterkönig aus Friedrich dem Grossen machen wollen, dessen Ideal es war, vor den bürgerlichen Gerichten selber Recht zu geben. Dem wirklichen Friedrich fiel es gar nicht ein, sich durch die Gerichte an einer für erspriesslich erachteten Massregel hindern zu lassen. Dass die königlichen Schlösser eine öffentliche Angelegenheit sind, ist selbstverständlich. Wir haben die Akten über den Grunderwerb für die Erweiterungen der Gärten von Sanssouci. Das ward alles zusammen dekretirt und in Gnaden dafür bewilligt, was der König für gut fand. Wir haben aber auch von der alten

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Kammer zu Potsdam die Akten über die berühmte Mühle. Und daraus geht hervor, dass der König diese Mühle vergeben hatte und der Müller sich nachher über die hohen Parkbäume beklagte, die ihm den Wind nahmen. Und der König wollte die Mühle in Gang behalten wegen des schönen "Prospektes", den sie bot, und zahlte dem Müller Zuschüsse, damit er nur blieb. Und der erste Müller, wie seine Nachfolger haben den König unwürdig ausgebeutet mit der wiederholten Drohung, den Betrieb einzustellen. Das ist I die nüchterne geschichtliche Wahrheit, das gerade Gegentheil von dem, was uns gewöhnlich erzählt wird. Die Legende ist gleichwohl nicht ohne Werth. Sie bezeugt die hohe Achtung, in welche allmählich die preussische Justiz gekommen war. Sie bezeugt sie in eigenthümlicher Form: es wird unverkennbar den preussischen Gerichten die Stellung angewiesen, welche das Reichsgericht gegenüber den Landesherrn einnimmt; dieses hätte allerdings eine willkürliche Eigenthumsentziehung verhindern können. So spielen die Eindrücke ineinander. Endlich folgt hier die verhängnissvolle Krebsmühle von Pomerzig mit dem Prozess des Müllers Arnold. Der war Erbpächter der Mühle und wegen Nichtzahlung des Zinses auf gerichtlichem Wege aus dem Besitz gesetzt worden, behauptete aber, der Nachbar, ein Herr v. Gersdorff, sei an allem schuld, indem er ihm durch Anlegung von Karpfenteichen das Mühlwasser entzogen habe. Das gab eine Reihe von Prozessen, in welche der König, von dem Müller durch wiederholte Bittschriften zu Hülfe gerufen, sich lebhaft einmischte. Er hatte den Eindruck, dass man den gemeinen Mann zu Gunsten der adligen Herrn verkürze, und befahl den Gerichten, ihn klaglos zu stellen, "wo nicht, so werde er die Räthe alle zum Teufel jagen". Gleichwohl verlor der Müller auch den letzten Prozess vor dem Kammergericht. Nun entbrannte der König in hellem Zorn: er setzte die sämmtlichen betheiligten Richter ab, verurtheilte sie überdiess zu einjähriger Festungshaft, ordnete an, dass der Müller Arnold wieder in den Besitz der Mühle gesetzt und die Karpfenteichanlage beseitigt werde; auch sollten ihm die Richter persönlich alle sonst erfahrenen Nachtheile aus ihrem Vermögen ersetzen. Der Fall erregte ungeheures Aufsehen, weithin ward die That des Königs gefeiert. Er hat es ja gut gemeint; aber er hat sich zweifellos geirrt und den Richtern Unrecht gethan. Das steht jetzt fest. Thatsächlich I hat der Fall des Müllers Arnold schon damals die Wirkung gehabt, ein für alle Mal von der Einmischung in die Rechtspflege abzuschrecken. Er bildet den geschichtlichen Wendepunkt; von hier ab wird es für Preussen unerschütterlicher Grundsatz: Machtsprüche des Königs in Justizsachen sind ausgeschlossen; die Richter sind nicht anders entlassbar als durch gerichtliches Urtheil. Was wir die Unabhängigkeit der Gerichte nennen, hat sich auf solche Weise schon im absolutistischen

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Staat herausgebildet; die Einführung der Verfassungen diente ihr nachher nur zu weiterer Sicherung. Damit ist zum ersten Male wieder etwas Festes gegeben, worauf eine neue Ordnung der Dinge sich aufzubauen vermag. Die Verwaltung selbst bleibt zunächst noch das Gebiet des freien Ermessens, der obrigkeitlichen Fürsorge nach Zweckmässigkeit und Gutbefinden. Die unabhängig gewordenen Gerichte aber sind jetzt im Stande, einen zuverlässigen Rechtsschutz zu gewähren auch gegenüber dem in der Verwaltung thätigen Staat. Es kommt nur darauf an, wie weit sich dieser ihnen zu unterwerfen hat. Und hier ist es nun, wie in Frankreich bei Ausbildung des Verwaltungsrechtes, der Ameisenarbeit des Juristenthums zu danken, wenn ein festes brauchbares System entstand, welches zugleich geeignet war, Recht und Rechtsschutz möglichst weit hineinzutragen in das an sich rechtlose Gebiet der Verwaltung. Mit dem bisher schon anerkannten Grundsatze, dass der Staat nach Civilrecht beurtheilt wird und desshalb unter den Gerichten steht, soweit er wie ein gewöhnlicher Privatmann auftritt, damit allein wäre man nicht weit gekommen. Denn nach der echten kräftigen Staatsidee, wie sie jetzt wieder errungen war, ist eben der Staat von Natur etwas ganz anderes wie ein gewöhnlicher Privatmann. Es könnte sich also immer nur um bestimmte Verhältnisse handeln, in denen er von vornherein aus I seiner Natur herausgetreten ist, Gewerbebetrieb, gewöhnliche Vermögensverwaltung und dergl. In Frankreich, wo ja trotz der Trennung der Gewalten jener Grundsatz gleichfalls gilt, ist denn auch das darauf gegründete Anwendungsgebiet des Civilrechts ein sehr beschränktes geblieben. Bei uns dagegen haben damals die Juristen ein Gedankenwerk erfunden und siegreich zur allgemeinen Geltung gebracht, das Abhülfe gewährte gegenüber dieser zwingenden Folgerichtigkeit. Ja, sagte man, der Staat ist von Natur dem Unterthanen, den er trifft, nicht gleich und desshalb dem Civilrecht entzogen. Aber in diesem Begriff Staat stecken zweierlei getrennte und wohl zu unterscheidende juristische Persönlichkeiten: die eine ist der eigentliche Staat, der Befehl und Zwang und alle obrigkeitliche Willensthätigkeit übt; von dem allein gilt das Gesagte. Die andere ist der Fiskus; der ist im Gegensatz dazu ein gewöhnlicher Privatmann und von Natur bestimmt, dem gewöhnlichen Civilrecht und Civilgericht unterworfen zu sein. Zum Wohle der Unterthanen geht dieser geringere Staat immer neben seinem unnahbaren Bruder her und sichert ihnen in fester Form Rechtens, was ihnen zukommen soll. Der Staat nimmt den Beamten durch die Anstellung in Dienst und Pflicht und der Fiskus schliesst zugleich bescheiden einen civilrechtlichen Vertrag mit diesem, durch welchen er zur Zahlung des Gehaltes sich verpflichtet. Der Staat enteignet Grundstücke und verpflichtet dafür den daneben stehenden Fiskus

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Entschädigung zu zahlen, die man gegen diesen einklagen kann. Der Staat treibt Steuern ein und wenn er zu viel erhebt, wird der Fiskus civilrechtlich die Zurückerstattung schuldig. Das Civilrecht streckt so seine Fäden in die feinsten Verästelungen der staatlichen Rechtsverhältnisse hinein. Immer ist es nur der Fiskus, den es trifft; aber da es dem Staat schliesslich doch nicht gleichgültig ist, wenn sein Zwillingsbruder zahlen muss, so hütet er I sich vor allzu rücksichtslosem Vorgehen. Civilrecht und Civiljustiz werden dadurch zum wirksamen Schutz der Freiheit und des Eigenthums und vermögen bis zu einem bedeutenden Grade das fehlende öffentliche Recht zu ersetzen. Diese Fiskusidee ist eigenthümlich deutsch, aus unserer besonderen rechtsgeschichtlichen Entwicklung hervorgegangen. Sie gibt eine deutsche Lösung der Frage des Verhältnisses zwischen Justiz und Verwaltung, gleichwerthig der französischen Lösung durch die Formel der separation des pouvoirs. Wenn diese mit den kampfgerüsteten zwei Gewalten ein anschauliches, dramatisch bewegtes Bild in die Sache hineinbringt, so hat auch der Gedanke der zwei verschiedenen und zusammenarbeitenden Staatspersönlichkeiten etwas Poetisches. Man möchte es bedauern, dass unsere bildende Kunst, die uns Frauen mit verbundenen Augen, Löwen oder gar Sphinxe auf unsere Gerichtsgebäude zu setzen pflegt, sich nicht lieber diesen gewiss viel dankbareren Motiven zuwendet. Nur das Entfernte freilich und das Vergangene hat die Gabe, uns in solchem poetischen Lichte zu erscheinen. In der gegenwärtig bei uns geltenden Ordnung finden wir die heimische Fiskuslehre nicht mehr. Auf Grundlage des neuen Verfassungsstaates und kräftig unterstützt durch die nach und nach überall eingerichtete Verwaltungsrechtspflege hat sich jetzt auch bei uns ein eigenes öffentliches Recht herausgebildet für die vorher vom Rechte gemiedene Verwaltung. Wie dieses Verwaltungsrecht erstarkt, wird man inne, dass der Fiskus in der bisherigen Gestalt nur ein künstliches Mittel war, um Ersatz dafür zu schaffen. Er wird verlassen und aufgegeben; man glaubt nicht mehr an ihn; offen wenigstens will sich heute Niemand mehr zur doppelten juristischen Persönlichkeit des Staates bekennen. Damit fällt eigentlich auch die künstliche Ausdehnung des Civilrechtes und der Civilgerichtsbarkeit auf den Staat, I die nur durch diese Fiskusidee möglich geworden war. Nur darf man nicht glauben, dass derartige logische Schlussfolgerungen sich so ohne Weiteres in die Wirklichkeit umsetzen. Wir sind eben in der Entfaltung unseres Rechtslebens nicht frei, sondern immer umgeben von ererbten Nothwendigkeiten. Sehen wir näher zu, so sind es vor Allem drei Schichten von Ideen, mit welchen die Vergangenheit auf uns lastet.

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Der Eindruck, welchen die Jahrhunderte lang geübte Obergerichtsbarkeit des alten Reiches auf das deutsche Volk und seine Juristenschaft gemacht hat, war zu tief, als dass er nicht einer langen Nachwirkung sicher sein konnte. Das Frankfurter Parlament stand unter seinem Einfluss, wenn es in der Reichsverfassung von 1849 bestimmte: "Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte." Bei den Berathungen unseres Gerichtsverfassungsgesetzes wurde der Standpunkt der unbedingten Suprematie der Gerichte über die Verwaltung noch einmal verfochten. Wir müssen uns jetzt noch sagen lassen: es besteht eigentlich kein Grund, die Verwaltung, falls ihr der schuldige Gehorsam verweigert wird, von dem normalen Klagewege zu entbinden, sogar von den militärischen Befehlshabern gelte das, so dass also z. B. der Hauptmann den Rekruten beim Amtsgericht verklagen müsste auf Vornahme der verlangten Griffe gerade wie seiner Zeit der Landesherr von Criechingen seine Unterthanen vor dem Reichsgericht belangte ad praestandam debitam obedientiam. Staatsrechtslehrer in hervorragender Stellung verkünden: das Recht stehe über allen Menschen, also auch über dem Staat und alle Verwaltungsrechtspflege sei den Civilgerichten zu übertragen. Es ist einfach das alte Reichskammergericht, das, ihnen unbewusst, aus solchen Propheten spricht. Bedeutsamer ist die Nachwirkung französischer Ideen und Einrichtungen, die gerade im ersten Stadium des I Ausbaues unseres öffentlichen Rechtes vielfach übernommen worden sind. Während wir nie etwas gehabt haben, wie die selbstherrlichen französischen Parlamente, während auch jetzt unser Justizpersonal, im Gegensatz zu Frankreich, ganz dieselbe Art von Leuten umfasst, wie das der Verwaltung, hat man in blindem Nachahmungstrieb ein Stück nach dem andern von der dort geltenden Trennung der Gewalten herübergepflanzt oder es wenigstens angestrebt: man hat die Gerichte für unfähig erklärt, über öffentlichrechtliche Fragen zu urtheilen, sogar Zwischenpunkte dieser Art ihnen entziehen wollen, Kompetenzkonflikte und Beschränkungen der gerichtlichen Verfolgung von Verwaltungsbeamten nach französischem Muster eingeführt. Unsere Reichsjustizgesetzgebung hat das alles schon bedeutend abgeschwächt. Damit es ganz verschwinde, ist eine Bedingung zu erfüllen: die nämlich, dass unsere bürgerlichen Gerichte mit der Eigenart und den besonderen Voraussetzungen des öffentlichen Rechts sich hinreichend vertraut erweisen. Wir treten ihnen nicht zu nahe, wenn wir behaupten, dass dieses keineswegs überall schon in vollem Masse der Fall ist. Endlich haben wir aus unserer eigenen unmittelbar vorausgehenden Entwicklungsstufe gewisse Dinge unbesehen übernommen, die nur aus den Besonderheiten dieses älteren Systems ihre Erklärung finden

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konnten. So vor Allem die ausgedehnte Zuständigkeit der Civilgerichte für Ansprüche gegen den Staat auf Geldleistungen, die wir jetzt als öffentlichrechtlich ansehen: Gehaltszahlung, Entschädigung für besondere Opfer zu öffentlichen Zwecken, Rückerstattung zu viel erhobener Abgaben u. s. w. Es genügt hier, sich daran zu erinnern, dass diese Zuständigkeit jetzt nicht mehr selbstverständlich ist. Aber eine andere, höchst bedenkliche Erbschaft hängt theilweise damit zusammen. Es fällt unseren Richtern und nicht nur ihnen unglaublich schwer, sich von den civilrechtlichen Formeln I frei zu machen, in welche das frühere System die Beziehungen des Staates gepresst hatte. Meist wird ganz gedankenlos geradeso verfahren, als hätte man den alten Fiskus noch. Oder man bildet gemischte Rechtsinstitute, in denen der einheitliche Staat monströser Weise zugleich öffentlichrechtlich und civilrechtlich handeln soll. Im besten Falle begnügt man sich, den Dingen feierlich den Titel öffentlichrechtlich zu verleihen, um sie im Uebrigen civilrechtlich zu behandeln wie bisher. Hätte das alles nur die Bedeutung, dem juristischen Fachmann ein technisches Schmerzgefühl zu bereiten, so müsste es getragen werden. Nun aber ist es für das öffentliche Interesse, für den Staat durchaus nicht gleichgiltig, ob das Recht, das da für die Verwaltung gehandhabt wird, von einleuchtender Vernünftigkeit ist oder nicht. Die fehlt gänzlich, wenn die Anstellung im Staatsdienst nach Art des civilrechtlichen Vertrages aufgefasst wird, wobei S. Majestät durch Zustellenlassen der Bestellungsurkunde eine Vertragsofferte macht, die der andere nun vielleicht annimmt, vielleicht auch nicht. Oder wenn man Strassen und Festungswerke wie civilrechtliches Eigenthum behandelt, bei dem kaum einige äusserlich angeklebte Privilegien ein wenig an die Hauptsache, den wichtigen Zweck erinnern. Oder wenn man die Kosten der polizeilichen Massregel der Herstellung von Hausanschlüssen an die öffentlichen Dohlen dem Eigenthümer nur nach den Regeln des B. G. B. über Geschäftsführung ohne Auftrag auferlegen zu können glaubt. Mit dem Fiskus stimmt das alles; dazu war er eben da. Jetzt aber he isst es: "Vernunft wird Unsinn. Weh dir, dass du ein Enkel bist." Je mächtiger und grossartiger der Staat als öffentlicher Unternehmer für die wichtigsten Zweige des Gemeinlebens auftritt in Schulen, Verkehrswesen, sozialer Fürsorge immer manchfaltigerer Art, desto unmöglicher wird es, ihm dabei mit der steifen Schablone des gar nicht für ihn gemachten Civilrechtes zu folgen. I Es ist Nachzüglerthum aus den Anschauungen des alten Polizeistaates, wenn so mancher wackere Verwaltungsmann sich zu dem Spruche bekennt: in der Verwaltung komme es nicht auf das Recht, sondern nur auf die Zweckmässigkeit an. Aber übel nehmen kann man es der Verwaltung nicht, wenn ein Recht, das ihr in so verkrüppelter, unzweckmässiger Gestalt geboten wird, ihr nicht imponirt und sie es geradezu für vernünftig

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hält, sich möglichst davon fern zu halten. Man täusche sich desshalb nicht: unser Staat kann heutzutage auch in der Verwaltung nicht mehr sein ohne das Gewand der Rechtsordnung. Aber dieses Gewand muss passend sein, die Bewegungen nicht hemmen noch verrenken, sondern sich ihnen harmonisch anschliessen und sie mit schönem Masse umgeben. Dieses Kleid gilt es zu weben, "das Recht, das mit uns geboren ist," an's Licht zu fördern. Wir brauchen dazu keine gesetzgeberischen Neuerungen und keine obrigkeitlichen Eingriffe. Es genügt, dass das Vorhandene richtig erkannt und aufgefasst werde. Es ist Juristenarbeit, die hier wieder einmal das Beste thun muss. Wir haben damit den Punkt bezeichnet, an dem wir heute stehen. Die deutsche Wissenschaft des öffentlichen Rechtes hat bewegte Zeit. Sie muss auf neuen Bahnen wandeln. Aber wahrlich nichts besseres gibt es, als ein Ziel zu haben, das so deutlich vorgesteckt ist, nichts herrlicheres als das Bewusstsein, dass man vorwärts rückt auf dieses Ziel zu. Wie die Sache seit den letzten Jahrzehnten sich anlässt, dürfen wir uns wohl dazu berechtigt glauben. Die Strassburger Hochschule zumal, von der seiner Zeit das Losungswort ausgegangen ist: das öffentliche Recht müsse juristisch, gerade so streng und methodisch behandelt werden wie das Civilrecht, sie darf sich sagen, dass sie ihr redliches Theil daran mitgearbeitet hat. Litteris et patriae! I

Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft in Verwaltungssachen* I.

Die ganze Verwaltungs rechtspflege beruht auf der Uebertragung einer Reihe von Begriffen und Einrichtungen des Zivilprozess rechtes auf die Tätigkeit der als Verwaltungsgerichte bezeichneten Verwaltungsbehörden. So ist sie denn auch mit einem Problem belastet worden, das der Wissenschaft des Zivilprozesses schon viel zu schaffen gemacht hat, mit dem Problem der Rechtskraft. Es ist für sie von vornherein nicht leichter und einfacher; im Gegenteil: die Notwendigkeit der Anpassung an die neuen und eigenartigen Verhältnisse, die hier gegeben sind, bedeutet zunächst eine Vermehrung der Fragen und Schwierigkeiten. Das gilt von dem herübergenommenen Prozessrecht überhaupt. Aber für die wissenschaftliche Erkenntnis kann ja nichts erwünschter und förderlicher sein als derartige Verpflanzungen auf fremden Boden. In der neuen Umgebung erhält das Gewohnte neues Licht; was wesentlich daran ist, tritt schärfer hervor und das I Nebensächliche wird als solches erkannt und abgestreift. Für die Zivilprozesslehre kann die Idee der Rechtsschutzanstalt in den Mittelpunkt gestellt bleiben. In der Verwaltung sehen wir, dass der Staat seiner "Rechtsschutzpflicht" grundsätzlich durch die gewöhnlichen Verwaltungsbehörden und nicht in Form einer besonders geordneten Rechtspflege genügtl, und dass überdies die Verwaltungsrechtspflege, wie sie geordnet ist, auch solche Fälle begreift, wo weder ein vorausbestehendes noch ein zu begründendes Recht in Frage steht, Rechtsschutz also überhaupt nicht gemeint sein kann2 • Also nicht was gemacht wird, sondern nur, wie es gemacht wird, muss massgebend sein für den Begriff der Rechtspflege. Der Begriff drängt sich noch weiter zusammen, wenn in der Verwaltung obrigkeitliche Bestimmung dessen, was im Einzelfall Rech-

* Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 21 (1907), S. 1-70. 1 Jellinek, System der subj. öff. Rechte S. 357: "In allen Fällen nun, in denen der Verwaltung individuelles Recht gegenübersteht, wird dieses in erster Linie durch die pflichtgemässe Tätigkeit der Behörden zu schützen sein." 2 Tezner, die gegenwärtigen Theorien der Verw.-R.-Pfl. S. 211 Note 19; dazu Arch. f. öff. R. XVII S. 143. Nachweise im einzelnen bei O. Mueller. Begriffe der Verw.-R.-Pfl. und des Verw.-Streitverfahrens S. 11 ff.

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tens sein soll, auch ausserhalb der Verwaltungsrechtspflege in weitem Masse stattfindet3 , wenn hier ein und dieselbe Behörde in gleicher Zusammensetzung und persönlicher Rechtsstellung bald gewöhnliche obrigkeitliche Verwaltung, bald Verwaltungsrechtspflege übt 4 • Schliesslich bleibt nur ein einziges Unterscheidungsmerkmal: die besondere Rechtsstellung der Beteiligten, ob sie als Parteien im Sinne des Zivilprozesses dabei mitwirken oder nicht. Die Verwaltungsrechtslpflege muss mit diesem bestimmten formalen Elemente auskommen, um sich zu kennzeichnen und die ihr eigentümlichen Wirkungen zu erklären, die Rechtskraft mit inbegriffen. Sache der Verwaltungsrechtswissenschaft allerdings müsste es sein, nachzuweisen, dass sie auch wirklich damit auskommt. Die Wissenschaft des Zivilprozessrechtes würde gewiss daraus auch für sich ihre Folgerungen ziehen. Sehen wir ja doch, wie sie gerade jetzt besonders eifrig daran ist, Brücken zu schlagen, die sie mit unserem Gebiete, mit dem des öffentlichen Rechtes im engeren Sinne besser verbinden sollen. Eine neuere Richtung, die immer mehr Boden gewinnt, hat die Lehre ausgebildet von gewissen prozessualen und vorprozessualen Rechten, welche dem einzelnen zustehen sollen gegen den Staat, gegen die in der Justiz tätige öffentliche Gewalt: das Klagerecht, der Rechtsschutzanspruch, der Urteilsanspruch, das Recht auf rechtliches Gehör u. s. w. 5 • Diese Rechte aber sind publizistischer Art, das wird mit aller Entschiedenheit behauptet, und andrerseits sollen sie eine feste Grundlage abgeben für den ganzen Aufbau der Lehre vom Zivilprozessrecht6 • Publizistische Rechte, subjektive öffentliche Rechte I - das ist natürlich unser Fall, ein wichtiges Stück unserer 3 Man muss eigentlich jede Gelegenheit benutzen, um daran zu erinnern, dass es etwas gibt, was man übereingekommen ist als Verwaltungs akt zu bezeichnen, und dass mit der Aufnahme dieses Begriffs in die Wirklichkeit unseres öffentlichen Rechtes etwas Grosses geschehen ist. , Es wäre bloss an den Preussischen Kreisausschuss und Bezirksausschuss, an die Bayrische Kreisregierung, an die Sächsische Kreishauptmannschaft, an den Badischen Bezirksrat zu denken. 5 Degenkolb, der in seiner Schrift: Einlassung und Urteils norm S. 15 ff., S. 26 ff. seiner Zeit sehr wesentlich dazu beitrug, diese Lehre in Fluss zu bringen, hat neuerdings in seinen Beiträgen zum Zivilprozess wieder eine kritische Beleuchtung der verschiedenen Richtungen gegeben, nach welchen sie sich seither entwickelt hat. Vgl. auch Langheineken, der Urteilsanspruch S. 3 ff.; HeHwig, Klagrecht und Klagmöglichkeit. 6 HeHwig a. a. O. S. 5. Sehr bezeichnend für die Sachlage ist der geringe Erfolg Kohlers, der, dem öffentlichen Rechte verhältnismässig fern stehend, in Prozess rechtliche Forschungen S. 77 und Prozess als Rechtsverhältnis S. 13 ff. den Gedanken eines publizistischen Rechtes des Einzelnen gegen den Staat entschieden abgelehnt und den Rechtsschutzanspruch in Vergleich gestellt hat mit einem "Anspruch" auf frische Luft oder auf Vertilgung der Reblaus. Hellwig a. a. O. tritt ihm scharf entgegen und auch sonst hat man sich bezüglich dieses Punktes mit seltner Aufrichtigkeit geäussert: Jellinek, Syst. d. subj. öff. Rechte S. 125 Note; R. Schmidt, Prozessrecht und Staatsrecht S. 16. Vergi. auch Langheineken, Urteilsanspruch S. 13 ff., Wach, Feststellungsanspruch S. 28.

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allgemeinen Lehren kommt hier in Frage7 • Wir hätten also bei diesen neuen Konstruktionsversuchen ein bedeutendes Wort mitzureden oder, bescheidener gesagt, die Prozessualisten müssten bei uns die fertigen Bausteine finden für ihren Bau. Allein es ist offenbar, dass wir zur Zeit das dazu erforderliche Vertrauen nicht geniessen. Weder für diese allgemeinen Lehren noch für die vielleicht enger als man glaubt damit zusammenhängende Lehre von der Rechtskraft wird ernstlich der Anschluss an uns gesucht. Tatsächlich ist gerade in den letzten Jahren eine Reihe grösserer, zum Teil sogar hervorragender Arbeiten über die Rechtskraft im Zivilprozesse erschienen8 • Das Problem wurde mit Entschlossenheit angefasst, namentlich auch der englische und französische Zivilprozess rechtsvergleichend herangezogen. Dass bei dem viel näher liegenden deutschen Verwaltungsrechte etwas zu holen wäre, bleibt regelmässig ganz ausser Ansatz. Billigerweise wird freilich zugegeben werden müssen, dass das seinen guten Grund hat in dem gegenwärtigen Stande der Sache bei der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft selbst. Der Aufgabe, die Rechtskraftidee der Eigenart ihres Rechtsgebietes anzupassen und selbständig dafür zu entfalten, ist sie bisher nicht gerecht geworden. Es besteht darüber bei uns überhaupt keine geschlossene Lehre. Es gibt nur Anläufe dazu. Mehr als ein solcher Anlauf konnten die kurzen Ausfüh Irungen in § 13 und § 14 meines deutschen Verwaltungsrechts nicht sein wollen. Das Gleiche gilt von der zur seI ben Zeit erschienenen kleinen Schrift von O. Mueller: Die Begriffe der Verwaltungsrechtspflege und des Verwaltungsstreitverfahrens nach Preussischem Recht - so viel Gutes sie enthalten mag. Daneben finden sich wohl noch fruchtbare Erörterungen der einen oder anderen Frage, die mit der Rechtskraft zusammenhängt. Es wäre hier vor allem hervorzuheben Fuistings treffliche Abhandlung zum Preussischen Einkommensteuergesetz im Verwaltungsarchiv9, wo mit besonderer Schärfe der Wesensunterschied zwischen Verwaltungsrechtspflege und Beschwerdeverfahren zur Klarheit gebracht und damit auch die wahre Grundlage der Rechtskraft aufgewiesen wird. 7 Jellinek, Syst. d. subj. öff. Rechte S. 124 ff. zieht mit Recht auch diese Lehren der Prozessualisten herein. Man möchte vielleicht bedauern, dass er sie so leichten Kaufes wieder loslässt. Es wäre so macherlei dazu zu bemerken, gerade von seinem Standpunkte aus: die Unterscheidung zwischen einem wirklichen öffentlichen Recht und einem bIossen Status ist noch gar nicht scharf genug durchgeführt. 8 Ich nenne: HeHwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre; Mendelssohn-Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft; Pagenstecher, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft. g Verw.-Arch. IV S. 301 ff.

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Aber auch die verhältnismässig umfangreichste Abhandlung, welche den Gegenstand ex professo behandelt, die von Loening im Verwaltungsarchiv Bd. VII S. 1 ff., ist wohl kaum geeignet, einen gewissen Abschluss zu bedeuten, obschon sie zur Zeit mit Vorliebe zitiert wird, wenn ein derartiges Zitat am Platze scheint. Loening geht dort sehr scharf ins Gericht mit den Leuten, welche den Versuch wagen, eigne Gedanken über den Gegenstand zu haben, namentlich O. Mueller wird meines Erachtens nicht immer gerecht behandelt. Aber es scheint mir, dass er selbst über eine ganz äusserliche Anwendung gewisser Formeln der Zivilprozesslehre, die auch dort von keinem so unbedingten Werte sind, nicht hinauskommt. Auf diesem Wege werden wir nicht darauf rechnen können, bei den Prozessualisten Eindruck zu machen. Wahrscheinlich wird das aber überhaupt nicht geschehen, bevor wir uns erst unter einander etwas klarer geworden sind.

Ir. Es war den Verhandlungen des 26. Deutschen Juristentages vorbehalten, ein kräftiges Zeugnis dafür zu liefern, wie sehr un Iseren Rechtsgelehrten gegenüber der Frage der Rechtskraft in der Verwaltung noch alles fehlt, was man einen Standpunkt nennt. Wenn irgend etwas für uns feststehen muss, so ist es der Zusammenhang der besonderen Eigenschaften des obrigkeitlichen Ausspruches mit dem Verfahren, aus dem er hervorgeht. Dass er erzeugt wird unter einer eigentümlichen Mitwirkung der Beteiligten, für die er erlassen wird, das gibt ihm jene Stärke und Festigkeit, welche die Rechtskraft bedeuten soll. Wie das zu erklären ist, das ist dann weiter die Frage; aber von dem Verfahren mit Parteien muss immer ausgegangen werden; res judicata jus facit inter partes 10 • Nun hatte man gleichwohl den Versuch gemacht, auch an dieser Selbstverständlichkeit zu rütteln. Es traf sich nämlich, dass, während unsere junge Verwaltungsrechtswissenschaft noch in vollem Streben und Ringen stand nach Klärung ihrer Begriffe, ein selbständig denkender Kopf sich an das Problem der Rechtskraft in der Verwaltung machte, um auf seine Art die Lösung zu finden; Bernatzik hatte sein Buch: Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, 1886 erscheinen laslen. Von dem Vorrecht selbständig denkender Köpfe, gründlich daneben zu gehen, macht er darin starken Gebrauch. Die Rechtskraft ist ihm nämlich ganz von selbst verbunden mit dem Rechtsprechungsakt, mit der Entscheidung d. h. dem obrigkeitlichen Ausspruch, durch welchen (im Gegensatz zur sogenannten Verfügung) im Einzelfalle nur erklärt 10 Statt aller Fuisting in Verw.-Arch. IV S. 311: "Die Wirkungen der res judicata sind die notwendige Folge eines prozessualischen Verfahrens."

6 Otto Mayer, Bd. I

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werden soll, was "gernäss einer gegebenen abstrakten Rechtsnorm" Rechtens ist. Ein "abstrakt geregeltes Verfahren" sollte freilich ordnungshalber vorausgehen. Aber nicht dieses erzeugt die besondere bindende Wirkung des Aktes, sondern lediglich sein eigentümlicher Inhalt, der logische Schluss, "in welchem die Urteilskraft zum Ausdruck kommt"; denn Logik gibt es nur eine. Der Rechtsprechungsakt wird I gemacht, "damit das als bestehend anerkannte Rechtsverhältnis fortan unanfechtbar bleibe", also ist die Forderung der materiellen Rechtskraft für jeden Akt der Rechtsprechung "nichts anderes als das hier zur Anwendung gebrachte Gesetz der Kausalität". Die materielle Rechtskraft der Entscheidung stellt sich auf solche Weise dar als ein Ausläufer des "zentralen Rechtsinstitutes des Satzes vom zureichenden Grunde"ll. Freilich dieses ganze hochgemute Naturrecht, - etwas anderes ist es nicht, dessen wird sich Bernatzik dazwischen selbst bewusst - es hatte etwas sehr Jugendliches, und ein bedeutsames Rechtsinstitut des praktischen Lebens durch ein behauptetes Recht der Logik und der Kausalität meistern zu wollen, war viel verlangt1 2• Aber das Buch war mit einer gewissen Wucht geschrieben. Es schien vielversprechend für die Zukunft und liess Grösseres erwarten, wenn der ungeberdige Most einmal vergärt haben würde. Und Bernatziks Lehre hat immerhin einen Standpunkt gegeben, wenn auch einen verkehrten. Das hat genügt, dass sie wenigstens im gewissen Masse Schule machte. Unter den österreichischen Juristen zumal scheint sie zahlreiche Anhänger zu besitzen13 • Noch neuerdings hat Ulbrich, der bei I früheren Veröffentlichungen der gemeinen Auffassung gefolgt war, in seinem Oesterreichischen Verwaltungsrecht der Hauptsache nach sich ihr angeschlossen 14 • Der ständigen Deputation des Deutschen Juristentages konnten diese Ansätze zu einem Sonderbund nicht entgehen. Sie hielt es offenbar für Rechtskraft S. 8, S. 36 ff., S. 65 ff., S. 114. Das Bestreben ist ja an sich ganz löblich. In Oesterreich hat die Gesetzgebung sich nur mit der Ordnung der Verwaltungsrechtspflege an der obersten Spitze beschäftigt. Nun möchte man darunter auch noch die Wohltat dieser Einrichtung haben. Es fragt sich nur, ob ein geistreicher Schriftsteller dem Gesetzgeber diese Arbeit abnehmen kann. Uebrigens scheint mir, dass in Oesterreich allerdings auch unter dem Reichsgericht und dem Verwaltungsgerichtshofe noch Verwaltungsrechtspflege besteht. Nicht in der von Bernatzik behaupteten Form, aber in Gestalt einer rechtspflegemässigen Behandlung der Sachen, welche man bei uns früher als administrativ-kontentiöse bezeichnete. Das sind althergebrachte Rechtseinrichtungen, gerade wie sie auch bei uns vor den neueren Reformgesetzgebungen bestanden. Vgl. Utbrich, Oesterr. Staatsrecht § 168. In diesem Sinne auch die von Bernatzik selbst a. a. o. S. 119 angeführte und beklagte Rechtsprechung des Oesterreichischen Verwal tungsgerichtshofes. 13 Vgl. Tezner, die deutschen Theorien der Verwaltungsrechtspflege S. 126 ff.: "VI Verwaltungsrechtspflege einer der Verwaltung immanente Rechtsprechungsfunktion oder Entscheidung durch die Verwaltung." 14 Oesterreichisches Verwaltungsrecht S. 298. 11

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wichtig, dass hier Ordnung geschafft werde, und sah in den Gutachten, Berichten und Verhandlungen des Deutschen Juristentages geeignete Mittel dazu. Genug, auf die Tagesordnung des im September 1902 zu Berlin abgehaltenen 26. Deutschen Juristentages wurde als achter Punkt gesetzt: "Die Rechtskraft der Entscheidungen der Verwaltungsbehörden". Zum Gutachter hat man einerseits, sehr zweckentsprechend, Bernatzik selbst gewonnen. Andererseits hat man ihm als Mit- und Gegengutachter Schultzenstein gegenübergestellt, mit der dankbaren Aufgabe, ihm den Garaus zu machen. Die beiden Gutachten finden sich in den Verhandlungen des 26. Deutschen Juristentages, und zwar das von Schultzenstein in Bd. 1. S. 86 - 124, das von Bernatzik in Bd. 11. S. 32 - 53. Sie zeigen ein sehr verschiedenes Gesicht; die ganze Ungleichheit der taktischen Lage prägt sich an ihnen aus. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Schultzensteins Gutachten die Frage willkürlich verschiebt. Es behandelt nicht die Rechtskraft der Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, sondern verficht statt dessen die These: "Die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Urteile ist grundsätzlich anzuerkennen". Damit bekommen die Ausführungen ihre Spitze nicht gegen Bernatzik, sondern gegen den zum Berichterstatter in der mündlichen Verhandlung bestimmten Zorn, der seiner Zeit die Rechtskraft in der modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit für I einen "unmöglichen Gedanken" erklärt hatte 15 . Allein durch die Art, wie der Gutachter die Forderung der Rechtskraft für die Urteile der Verwaltungsgerichte begründet, trifft er zugleich in der schlagendsten Weise Bernatziks Bestrebungen. Die Rechtskraft ist nichts Selbstverständliches, sie gebührt den Urteilen der Verwaltungsgerichte wegen ihrer Verwandtschaft mit den "einen Zivilprozess oder Strafprozess beendenden" (S. 91, S. 94) und die "nächste Voraussetzung" ist demgemäss "ein festes Verfahren", ein Verfahren "in festgeregelten Formen", wobei "Streitigkeiten nach Anhörung der Beteiligten durch richterliche Urteile entschieden werden", und den Beteiligten "eine mehr oder weniger der den Parteien im Zivilprozesse gleiche Stellung zu geben ist"16. In breiter gediegener Erörterung setzt der Verfasser das alles auseinander und gibt dabei im allgemeinen ein zutreffendes Bild des äusserlichen Standes der Sache - wegen Einzelheiten und wegen der dahinterstehenden Grundbegriffe dürfen wir wohl einige Vorbehalte machen. Jedenfalls, indem solcher Gestalt die Rechtskraft an gewisse formelle Voraussetzungen streng und unerlässlich gebunden wird, ist von selbst auch allen phantastischen Ausdehnungsversuchen der Spielraum genommen. Das ist das gute und anerkennenswerte Ergebnis. 15 16



Verw.-Arch. II S. 122 ff. Verh. des 26. Deutsch. Jur.-Tags I S. 89, S. 92.

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Das Gutachten Bernatziks geht geradewegs auf die Frage ein; der Verfasser glaubt es sich schuldig zu sein, dass er die alte Farbe bekenne. Es muss sich notwendig "mit der Rechtsprechung die Rechtskraft verbinden"; denn diese ist "ein logischer Schluss". "Es ist widersinnig, dort wo die reine Logik Anwendung finden kann, einen Schluss mit dem Vorbehalte zu ziehen, ihn später abzuändern"17 - nichts gelernt und nichts vergessen! könnte man meinen. Ganz wohl ist dem Verfasser I offenbar nicht dabei; die merkwürdige Gereiztheit, mit der er schreibt, ist des Zeugnis 18 . In der Sache hat sein Verfahren etwas Gewaltsames. Er sucht vor allem seine Gegner zu spalten und verschiedenen deutschen Schriftstellern eine ähnliche Sonderstellung zuzuschieben, wie er sie einnimmt. "Die verbreitetste Ansicht unter den deutschen Autoren" verknüpft allerdings die Rechtskraft mit dem Verwaltungsgericht (S. 35). Dieser steht aber gegenüber (S. 36) eine zweite Gruppe, deren Hauptvertreter Otto Mayer sein soll; sie schreibt, meint Bernatzik, die Rechtskraft nicht nur den Urteilen der Verwaltungsgerichte, sondern auch den Akten von Verwaltungsbehörden zu; es kommt nur darauf an, dass sie ihren Ausspruch zu tun haben unter Mitwirkung der Beteiligten als Parteien im Sinne des Zivil- und Strafprozesses. Daran knüpft er allerdings sofort die entrüstete Frage: wie ich da selbst noch behaupten könne, dass die Rechtskraft auf die Urteile von Verwaltungsgerichten beschränkt sei? und andererseits: wie ich für Frankreich die Rechtskraft annehmen könne, "da es ja doch dort keine Verwaltungsgerichte gibt"? Armer Conseil d'Etat, du Schöpfer des französischen Verwaltungsrechts und Vorbild aller Verwaltungsrechtspflege und ihr anderen tribunaux administratifs! Aber was ist denn ein Verwaltungsgericht? Nach meiner Begriffsbestimmung, die Bernatzik natürlich kennt und die für ihn massgebend sein muss, wenn er mir Widersprüche vorwerfen will: eine Behörde in der Verwaltung, die berufen ist, obrigkeitliche Aussprüche zu erlassen unter I Mitwirkung der Beteiligten als Parteien 19 . Seine Fragen setzen mich also gar nicht in Verlegenheit, denn Verh. II S. 38. Ich habe persönlich darunter ganz besonders zu leiden, denn während ich für Schultzensteins Gutachten scheinbar nicht existiere, behandelt mich sein Widersacher Bernatzik als den vor allem zu Bekämpfenden. Da heisst es denn unter anderem: "Andeutungen, aus denen schwerlich jemand anderer als der gewandte Otto Mayer jenen Satz herauslesen könnte" (S. 35) - "dann wird man sich doppelt wundern dürfen, dass er" (S. 35) - "fragen wir uns vergeblich, mit welchem Rechte Otto Mayer" (S. 37) - "in der Tat unbegreiflich, wie ein Autor vom Range Otto Mayers (S. 37) - "des sonderbaren Irrweges Otto Mayers" (S. 37). Das ist auf zwei Seiten etwas viel. 19 Theorie des franz R.-V. S. 112: "Verwaltungsgerichte sind solche Verwaltungsbehörden, welche beauftragt sind, in der Form der Rechtspflege zu handeln." Vgl. auch Deutsch. V.-R. I S. 171 u. Note 19, S. 172 Note 22. Es gibt natürlich auch Verwaltungsbehörden, die eigens dazu bestellt sind, Verwaltungsrechtspflege zu üben, die also nur Verwaltungsgerichte sind, D. V.-R. S. 178 habe ich bemerkt, dass das Gesetz die Eigenschaft einer Verwaltungs11

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Verwaltungsgericht und Parteiverfahren treffen ja für mich zusammen, und er konnte mich ganz ruhig bei der ersten Gruppe, bei der "verbreitetsten Ansicht", belassen, unter welcher er mich ja auch schon aufgeführt hatte 20 • Bleibt also in der Tat in einer grundsätzlichen Sonderstellung nur die dritte Gruppe (S. 38), welche "das die Rechtskraft erzeugende Moment in inneren Merkmalen des Verwaltungsaktes sucht", in dem Begriff der Rechtsprechung, des logischen Schlusses, der als solcher unabänderlich ist u. s. w. Vertreter dieser Gruppe ist Bernatzik, in: Rechtsprechung und materielle Rechtskraft. Aber er steht nicht allein (S. 39): "Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangte Max Seydel in seinem zu gleicher Zeit verfassten bayrischen Staatsrecht. Nach dieser Ansicht knüpft sich also die Rechtskraft an den Akt der Rechtsprechung (oder wie Max Seydel sagt: an die Verwaltungsrechtspflege) und I Rechtsprechung ist: Feststellung konkreter Rechtsverhältnisse" . Und noch einmal wird diese Zusammengehörigkeit betont S. 93: "Zur letzteren Gruppe (welche auch für die verwaltungsbehördliche Entscheidung die Rechtskraft in Anspruch nimmt) gehören Max Seydel und der Referent". Ja Seydel, das wäre allerdings eine gute Gesellschaft! Aber ist es auch wahr? Ist die kleine Aenderung: "Verwaltungsrechtspflege" statt "Akt der Rechtsprechung", wirklich so harmlos? Mir scheint, dass der Verfasser hier Seydel Gewalt antut. Seydel will das positive bayrische Recht darstellen. Er beginnt (Bayr. St.-R. I S. 575) mit der Aufstellung eines allgemeinen Prinzips, ganz wie G. Meyer, den er ausdrücklich anführt: die Verwaltungs rechtspflege ist eigentlich einfach Anwendung der objektiven Rechtssatzung auf den Einzelfall durch Richterspruch. Da würde dann auch die Rechtskraft sich daran anschliessen. Aber Seydel ist nüchtern genug zu sehen, dass das positive Recht "den einfachen Begriff der öffentlichen Rechtssache bei Festsetzung der Verwaltungsrechtspflege zugrunde zu legen" nicht geneigt war (S. 573 Note 21, S. 584). G. Meyer befolgt ja den nämlichen Gedankengang. Massgebend ist denn für alles, was zur Verwaltungsrechtspflege gehört, insbesondere auch für die Rechtskraft die positive Zuweisung einer Sache durch das streitsache begründen könne durch Verweisung an ein Verwaltungsgericht in diesem Sinne - natürlich, die Verweisung an eine Behörde, die zugleich Verwaltungsgericht und einfache Verwaltungsbehörde ist, würde ja in dieser Hinsicht nichts besagen. - Bernatzik versteht unter einem Verwaltungsgericht wahrscheinlich nur die "Kontrollinstanzen", von welchen er Rechtskraft S. 50 und 51 redet. Das wären allerdings reine Verwaltungsgerichte in dem eben erwähnten Sinne. Aber mich geht das doch nichts an! 20 In ähnlicher Weise hat Bernatzik Rechtskraft S. 21 sich des verdienstvollen F. F. Mayer bemächtigt, der etwas wie seine "Rechtsprechung" in besonders präziser Form entwickelt haben soll. Gerade F. F. Mayer hat in dem zitierten Werke die die Rechtskraft erzeugende Prozessform sehr deutlich von dem rechtsanwendenden Inhalt geschieden; vgl. Grundsätze des Verwaltungsrechts S. 34 Note.

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Gesetz - selbstverständlich! Da muss man Seydel nicht kennen! Wenn Bernatzik ihn für seine weltfremden allgemeinen Logik- und Kausalitätsideen in Anspruch nehmen will, so ist er ganz an den Unrechten geraten; der Versuch wäre besser unterblieben 21 • I In der gleichen nötigenden Weise werde auch ich noch einmal herangezogen. S. 42 heisst es: "Referent hat seiner Zeit diese Gebundenheit der Verwaltungsbehörden an ihre Entscheidungen als einen Bestandteil der Rechtskraft bezeichnet .... Otto Mayer hat zwar die gleiche Ansicht in der Sache, perhorresziert aber für diese Bindung das Wort Rechtskraft." Das sei von meinem Standpunkt aus begreiflich, meint er, weil "die Bindung öffentlicher Interessen", welche die Rechtskraft bedeute, nicht "die Tat der Parteien" sein könne, für welche ich sie ausgäbe nebenbei bemerkt, ein ganz unbegründeter Einwand: wenn Recht und Gesetz dem Partei willen eine solche Macht einräumen, so ist nicht einzusehen, warum nicht hier wie gegenüber andern öffentlichen Rechten eine Gebundenheit der Behörde sich daran knüpfen soll. Doch rler Verfasser fährt fort (S. 43): "Uebrigens ist das doch mehr eine terminologische Frage. Ueber Worte streiten wir nicht. Möge Otto Mayer für diese Gebundenheit der Behörde einen gleich charakteristischen und sich gleicher allgemeiner Verständlichkeit erfreuenden Ausdruck, wie Rechtskraft, erfinden und ich werde ihm folgen. Aber dann möge er seine Entdeckung nicht verschweigen." Die Aufforderung ist ungewöhnlich. Aber wie kommt Bernatzik dazu, mich von vornherein als Ansichtsgenossen in Anspruch zu nehmen? Ich kenne verschiedene Gründe, um deren willen eine Behörde an ihren Verwaltungsakt gebunden sein kann, sodass sie nicht mehr befugt ist ihn zurückzunehmen: wenn subjektive öffentliche Rechte dadurch neu begründet worden sind (was ja gerade bei Verfügungen manchmal zutrifft), wenn das Gesetz ausserdem die Zurücknahme verboten oder von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht hat, vor allem auch, wenn sie ihn als Verwaltungsgericht in der Form der Verwaltungsrechtspflege erlassen hat. Der Entscheidung als solcher habe ich die Kraft nie zugeschrieben, dass die Behörde, die sie getroffen hat, daran gebunden wäre und sie nicht mehr ändern könnte. Das ist ja gelrade Bernatziks Idee, die ich stets bekämpfte 22 , und die mich jedenfalls gar nichts angeht. Es kann aber sicherlich nicht meine Aufgabe sein, für alle Einfälle eines sinnreichen 21 Der angebliche Bundesgenosse drückt sich denn auch vorsichtig genug aus: "Vg!. hierher im allgemeinen Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, Wien 1886" heisst es einfach 2. Auf!. I S. 629 Note 11. Und da Tezner ganz im Sinne Bernatziks ihm die sogenannten Verwaltungsprovisorien als zur Verwaltungsrechtspflege begrifflich gehörige Entscheidungen aufnötigen will, bemerkt er ruhig I S. 594 Note 56: "Tezner übersieht, dass es sich dabei lediglich darum handelt, was geltendes bayr. Recht ist." 22 Arch. f. öff. R. I S. 721 - von späterem zu schweigen.

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Autors auf Verlangen einen entsprechenden terminus technicus zu liefern, wie man mir das hier als Ehrenpflicht auferlegen will. Schliesslich läuft das ganze Gutachten noch aus in einen Gesetzesvorschlag, der zwar an sich nicht wohl brauchbar sein wird, aber doch einer gewissen symptomatischen Bedeutung nicht entbehrt. Es ist nämlich Tatsache, dass die Anhänger der rechtskrafterzeugenden Natur der Entscheidung selbst begonnen haben, an ihrer Sache irre zu werden. Natürlich haben sie sich allzusehr gebunden an ihre Doktrin, als dass sie die Idee selber aufgäben. Sie äussern nur gewisse Skrupel an ihrer praktischen Durchführbarkeit und zwar ist es die Sorge um die öffentlichen Interessen, die man vorschiebt: durch allzuviel Rechtskraft, meint man, wie sie nach der eignen Doktrin entstehen müsste, würden diese übermässig und ohne vernünftige Auswahl gebunden, es würde ihnen "präjudiziert". Daher wird eine genauere Abgrenzung gefordert, wonach die Rechtskraft auf gewisse Entscheidungen beschränkt wird. Tezner hatte zu diesem Zwecke in seiner Schrift: "Die deutschen Theorien d. V.-R.-Pfl." die Forderung erhoben, das Gesetz müsse die Fälle der rechtskraftfähigen d. h. die Verwaltung bindenden Entscheidung ausdrücklich bezeichnen, und zu diesem Zwecke eine "förmliche Skala" der bindbaren öffentlichen Interessen aufstellen 23 • Es war leicht zu antworten: das hat das Gesetz ja schon getan, indem es die Fälle bestimmte, die zur Verwaltungsrechtspflege gehören. Bernatzik ist denn auch sachlich mit meinem Widerspruch gegen diesen Gedanken Tezners einverstanden, findet es aber tadelnswert, dass ich diesen Gedanken nicht ernsthaft genug behandelt hätte - wohl in gerechter Besorgnis für das, was er jetzt selbst I an die Stelle setzen will. Seines Erachtens nämlich kommt es darauf an (S. 47), "der in der Praxis herrschenden desolaten Unsicherheit ein Ende zu bereiten", damit man wisse, was ein rechtskraftfähiger Akt sei, was nicht (N.B.: diese Unsicherheit besteht natürlich nur bei Befolgung von Bernatziks Lehre). Das Heilmittel liegt darin, dass das Gesetz anordnet, die Absicht der Behörde eine rechtskräftige Entscheidung zu geben, müsse in einem "Formalakt" zum Ausdruck kommen. Nur wo sie sagt: dieses ist eine Entscheidung, soll künftig Rechtskraftwirkung eintreten. Dazu wird dann als weiteres "Formerfordernis" die Beifügung von Entscheidungsgründen verlangt (S. 48). Die Parteien können Antrag stellen auf eine derartige Entscheidung; jedenfalls darf die Behörde sie nicht etwa mit einer solchen Entscheidung "überrumpeln", sondern muss vorher ihre Absicht den Parteien kund geben - also Partei verhandlung. - Kein Zweifel, der auf solche Weise entstehende, nach gesetzlicher Bestimmung rechtskraftfähige Ausspruch wäre ein Urteil in unserem Sinn, das ganze Verfah23

Die deutschen Theorien der Verwaltungsrechtspflege S. 200.

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ren wäre richtige Verwaltungsrechtspflege im Sinne der "verbreitetsten Meinung", nur dass diese die Sache etwas einfacher und klarer zum Ausdruck bringt. Kein Zweifel, dass das Gesetz mit voller Wirkung das Gebiet der Verwaltungsrechtspflege und des rechtskraftfähigen Aktes auch auf solche Weise abgrenzen könnte. Aber - der Gesetzgeber müßte doch wahrlich toll geworden sein, der sich dazu herbeiliesse! Man muß nur berücksichtigen, was bekanntermassen im Sinne Bernatziks alles Entscheidung ist: jeder obrigkeitliche Ausspruch, der den Einzelfall gemäss der Rechtsordnung bestimmt; aber zu dieser rechnet er auch den von ihm mit so viel Eifer vertretenen Rechtssatz, unter dem jeder Beamte steht: Tue was du glaubst, dass es das öffentliche Interesse erfordert. Dadurch wird natürlich zuletzt alles Entscheidung und aus dieser uferlosen Masse wählen gemäss dem künftigen Gesetz die verwaltenden Behörden nach Belieben - oder nach dem Rechtssatz: Tue I was du glaubst u. s. w., es kommt auf das Gleiche heraus - die Einzelfälle, in welchen Rechtspflege und Rechtskraft Platz greifen soll und in welchen nicht. Ich hatte Tezner gegenüber das Wort gebraucht von einer "planlos auf allen Verwaltungsgebieten herumspukenden Rechtskraft". Bernatzik hat sich (S. 43) mit ungewohnter Parteinahme auch darüber aufgehalten. Tezner fühlte aber doch verständigerweise das Bedürfnis, hier Ordnung und Bestimmtheit durch das Gesetz schaffen zu lassen; Bernatzik will an diesem empfindlichen Punkt die Unordnung und die Willkür gesetzlich garantieren. Das alles, um den Schein aufrecht erhalten zu können, dass er immer noch eine Rechtskraft lehrt, die durch "innere Merkmale des Verwaltungsaktes" erzeugt wird. Mehr als ein Schein ist das nicht; denn mit dem "Formalakt", der "formellen Entscheidung", womit das Gesetz die Rechtskraft formell verbinden soll, ist die alte Gläubigkeit dahin. Bernatziks Gesetzesvorschlag ist eine Bankerotterklärung seines alten Dogmas; ihm jedenfalls steht es nicht an, zu sagen (S. 46), man müsse über die Auslassungen Tezners lächeln, wenn dieser aus Sorge für die öffentlichen Interessen zu einer ähnlichen, nur nicht gar so vollständigen Bankerotterklärung gelangt ist. Mala avi trat Bernatziks Sonderlehre in die Verhandlungen des 26. Juristentages ein. Aber diese nahmen einen unerwarteten Verlauf. Die von Schultzensteins Gutachten angedeutete Ablenkung auf Zorn kam sofort ausser Betracht, da dieser Berichterstatter am Erscheinen verhindert war; es fand eine Art Kontumazialverfahren gegen seine Behauptungen statt. Dafür trat der andere Berichterstatter, Seidler, mit grosser Frische für die Lehre seines österreichischen Landsmanns ein. Die Rechtskraft der Entscheidung erklärte er für notwendig, weil der Richter, "indem er Recht spricht, eine gebundene Tätigkeit vorzunehmen hat"; daher muss

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Entscheidung Entscheidung bleiben. Bernatziks Grund: "die Logik ist nur eine" unterstützt er durch einen physikalischen Grund, durch den "Hinweis auf das physikalische Gesetz der Undurchdringlichkeit der Körper im Raume" (S. 386 der Verhandlungen). Von diesen beiden Gründen ist gewiss der eine so gut wie der andere.

Seidlers Auftreten rief aber auch den Gutachter Schultzenstein wieder auf den Plan, um den entgegengesetzten Standpunkt mit aller Kraft und Deutlichkeit zu betonen: "Es ist nicht möglich", ruft er, "dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörden der materiellen Rechtskraft für fähig erklärt werden. Meine Herrn, für mich gibt es eine Rechtskraft nur, wo eine Entscheidung stattfindet zwischen streitenden Teilen in einem festgeordneten Verfahren24 ." Auch sonst zeigte sich eine starke Abneigung gegen Bernatziks Standpunkt. Sogar ein Wiener Jurist äusserte (S. 409): "Man kann nicht ein Gutachten billigen, welches an einer der bedenklichsten Stellen sagt, es komme gar nicht auf ein vorausgegangenes Verfahren an." Aber dazwischen kommen doch auch wieder bedenkliche Unklarheiten über die Bedeutung des Inhaltes des Urteils zu Tage, wie solche z. B. (S. 413) von Preuss in dankenswerter Weise berichtigt wurden. Vor allem aber wurden nun Töne des Gemütes angeschlagen. Um der Eintracht willen verlangte man, "dass wir zu einer Resolution gelangen die auf alle Verhältnisse passt" und ein warmherziges Drängen machte sich geltend dahin, dass eine Formulierung gefunden werde, "die gleichzeitig die deutschen, resp. die preussischen und die reichsländischen resp. österreichischen Wünsche befriedige" (S. 425). Da wurde auch SchuZtzen Istein nachgiebig gestimmt. Er hob noch einmal kräftig hervor: "Der Name, mit dem die Entscheidung bezeichnet wird, tut es ja nicht, und dass die Behörde den Namen ,Verwaltungsgericht' führt, tut es auch nicht. Worauf es vielmehr ankommt, ist das, ob die entscheidende Behörde bei ihrer Entscheidung die Stellung eines Verwaltungsgerichts oder einer Verwaltungsbehörde und ob die Entscheidung deshalb die Eigenschaft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils oder der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde hat." Schliesslich aber, "um alle Bedenken zu beseitigen", stellte er anheim, seinem Antrag eine kleine Einschaltung zu geben zu gunsten der rechtskraftfähigen Entscheidung. Dieser lautete nunmehr: "Die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Urteile und der ihnen gleichstehenden Entscheidungen ist grundsätzlich anzuerkennen und 24 Verhandlungen III S. 393. Der richtige Gedanke ist hier etwas scharf zugespitzt: streitende Parteien in der Mehrzahl sind nach dem Gutachten Schultzensteins (I S. 100) nicht unbedingt gefordert; er lässt es dahin gestellt, ob auch eine Partei genüge. Das "feste" Verfahren ist nur ein etwas schiefer Ausdruck für das Verfahren mit rechtlich bindender Mitwirkung der Partei. Es ist dasselbe gemeint, was Fuisting einfach "prozessualisches Verfahren" nennt; vgl. oben Note 10.

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zwar auch in der Weise, dass die Urteile (Entscheidungen) den Staat binden." Die kursiven Worte sind die neuen Zusätze. Vor der Abstimmung stellte Seidler zu aller Sicherheit noch die Frage: "ob in dem Zusatz: ,und andere Entscheidungen' auch die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden mit inbegriffen seien". Auf den Zuruf: "sie können darunter sein", verneigt er sich: "Ich danke vielmals" (S. 428); und in dem Schlussworte, das ihm nunmehr als Berichterstatter zusteht, muss er "vor Allem der Freude Ausdruck geben, dass Wlsere Versammlung so einmütig dem Gedanken Ausdruck gegeben hat, dass die Rechtskraft auch für die Verwaltungsrechtsprechung eine unabwendbare Notwendigkeit sei". Er konnte zufrieden sein, denn er hatte, was er wollte. Der ergänzte Antrag Schultzenstein wurde sodann "mit grosser Mehrheit angenommen". So ging diese denkwürdige Verhandlung des deutschen Juristentages aus wie - ein vielberühmtes Schiessen. Ueberaus feine und ernste Fragen juristischer Begriffsbildung wurden durch das liebenswürdigste parlamenta Irische Entgegenkommen totgeschlagen. Nach so manchem, was bei den Verhandlungen zu Tage trat, war es vielleicht auch am klügsten so. Aber von Wissenschaftlichkeit ist bei diesem Verfahren natürlich keine Rede mehr.

IH. Die Aufgabe wird immer sein, den Begriff der Rechtskraft auf seinen wesentlichen Kern zurückzuführen, oder wie man sagt: ihn zu konstruieren. Dieses Wort hat ja keinen guten Klang. Denn einerseits ist schon gar manches Luftgebäude damit aufgeführt worden, das keinen Boden in der Wirklichkeit hatte. Andererseits gibt es immer Leute, die selbst nicht konstruieren können, weil ihnen die Gabe fehlt, klar bestimmte Gedankenbilder herauszuschälen und festzuhalten, und die dann nur allzugern die ganze Beschäftigung für verwerflich erklären. Gleichwohl werden wir nicht darauf verzichten können, so lange wir überhaupt Rechtswissenschaft treiben. Die Rechtskraft nehmen wir wahr an unserem gerichtlichen Urteil als eine diesem zukommende Eigenschaft. Und zwar ist sie eine ihm ausschliesslich zukommende Eigenschaft d. h. sie findet sich zwar nicht notwendig bei jedem Urteil, findet sich aber jedenfalls bei keiner anderen Art von Rechtsakt als bei dieser. Insofern ist sie eine das Urteil auszeichnende Eigenschaft. Um uns die verschiedenen Eigenschaften des Urteils zu vergegenwärtigen, werden wir naturgemäss vor allem die Bedeutung ins Auge fassen, welche es hat auf seinem ursprünglichen Boden, im Zivil- und

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Strafprozess. Nur dürfen wir nicht vergessen, dass es hier erscheint in einem geschlossenen Kreis von Bedingtheiten, welche die eine oder andere Eigenschaft einseitig hervortreten lassen. In die reichere Mannigfaltigkeit von Gestaltungen hineingestellt, welche die Verwaltung bietet, sehen die Dinge ganz anders aus. I Besonders lehrreich ist ja in dieser Beziehung das Schicksal des Gesetzbegriffes. Für die Justiz fällt das Gesetz zusammen mit dem anzuwendenden Rechtssatz, den es zu liefern berufen ist. Folgerichtig, wenn das Gesetz etwas anordnet für einen bestimmten Einzelfall, macht sie daraus den widerspruchsvollen Begriff des Rechtssatzes in concreto; anders passt es nicht in das Schema. Wenn man aber von der Verwaltung her betrachtet, sieht man, dass in Form des Gesetzes auf mancherlei Weise mitgearbeitet wird in staatlichen Geschäften und dass die dieser Form eigentümlichen Kräfte dabei in verschiedener Zusammenstellung zur Geltung kommen können; die Notwendigkeit feinerer Unterscheidungen ergibt sich25 • So ist die Justiz auch gewohnt, das Urteil mit gewissen Wirkungskräften zur Sacherledigung ausgestattet zu sehen, welche sich innerhalb des Kreises ihrer Ordnungen sonst nirgends finden. Die Versuchung liegt für ihren Standpunkt nur zu nahe, darin ohne weiteres jene das Urteil auszeichnende Eigenschaft zu erkennen, die man Rechtskraft nennt. Betrachtet man aber die Sache wieder vom Boden der Verwaltung aus, so ergibt sich sofort die Notwendigkeit der Einschränkung des Begriffs der Rechtskraft auf einen engeren Kreis und auf eine bestimmtere Art von Wirkung. Denn ein grosser Teil der dem Urteil nachgerühmten Wirkungen findet sich auch ausserhalb seines Bereichs, bei anderen obrigkeitlichen Akten; diese Wirkungen stehen ihm also nicht ausschliesslich zu, können also auch nicht die ihm eigenartige Wirkung, Rechtskraft, ausmachen. Man spricht von einer formellen und von einer materiellen Rechtskraft des Urteils. Für erstere ist wohl auch der Ausdruck äussere, für letztere der Ausdruck innere Rechtskraft in Gebrauch26 • Die formelle oder äussere Rechtskraft bedeutet die Unan Ifechtbarkeit in diesem Verfahren. Sie setzt also immer voraus den Gedanken an besondere Rechtsbehelfe, die geordnet sein könnten, um eine Neuprüfung zu bewirken. Formelle Rechtskraft will sagen, dass diesem Urteil gegenüber solche Behelfe nicht oder nicht mehr vorhanden sind. Solche formelle Rechtskraft ist nichts dem richterlichen Urteil Eigentümliches. Ihre Voraussetzungen und Bestandteile finden sich ebenso in der frei25 28

D. V.-R. I § 7.

Gaupp-Stein, C. P. O. Kom. zu § 322.

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willigen Gerichtsbarkeit und in grösster Mannigfaltigkeit bei aller Art von obrigkeitlichen Akten des Verwaltungsrechts27 . Der Schwerpunkt des Problems liegt in der materiellen oder inneren Rechtskraft; wenn wir von Rechtskraft schlechthin sprechen, so meinen wir diese. Sie setzt die formelle Rechtskraft voraus und knüpft an diese eine weiterreichende Wirkung: das Urteil hat vermöge ihrer "eine Tragweite über den einzelnen Prozess hinaus"28, es kommt ihm eine Wirkung zu "in einem zweiten Prozesse derselben oder anderer Parteien, in dem dieselbe Streitfrage von neuem der Entscheidung bedarf"29. Wie und warum ihm diese Wirkung zukommt, das ist natürlich noch gen au er zu sagen; denn mit solchen äusserlichen Bezeichnungen ist es nicht getan. Die zivilprozessrechtliche Auffassung nun will sich die Sache gern so zurechtlegen, dass das Urteil eine Wirkung ausübt auf das materielle Recht der Parteien, das sein Gegenstand geworden ist; dieses wird bejaht, verneint, genauer bestimmt und geht fortan nur noch "mit der Rechtseigenschaft", welche es durch I das rechtskräftige Urteil erhalten hat30 . Daher auch der Name "materielle Rechtskraft, innere Rechtskraft"; er beruht ganz auf dieser Auffassung: die formelle Rechtskraft ist die prozessuale Wirkung, dass das Verfahren zu Ende ist; die materielle Rechtskraft ist die materiellrechtliche Wirkung, dass sachlich das Verhältnis seine Ordnung gefunden hat. Die juristische Konstruktion, die damit gemeint ist, kommt zum Ausdruck in der alten Formel: res judicata jus facit. Die materielle Rechtskraft ist "die Eigenschaft des Urteils, Recht zu schaffen"31. Sie ist die "autoritative normierende Gesetzesanwendung"32. Das Urteil wirkt durch diese seine normierende Kraft für Einzelfälle ähnlich wie das Gesetz allgemeiner wirkt. "Die staatlich rechts bestimmende Kraft" ist es, was das Urteil "mit dem Gesetze gemein hat"33. Das rechtskräftige 27 In diesem Sinne spricht man ja sogar von der Rechtskraft eines Gemeindebeschlusses, einer Verordnung, ja eines Gesetzes. Beispiele neuerdings wieder bei Kulisch, Oesterreich. Gewerberecht S. 202: Rechtskraft einer Gesetzesbestimmung; S. 203 Note 1: eines Ministerialerlasses; S. 243: eines Dispenses durch die Verwaltungsbehörde; S. 246: der anzurechnenden Dienstzeit eines Gewerbegehilfen. Das hat nicht viel auf sich, wenn man nur nicht aus solchen scheinbar harmlosen Verwendungen des Wortes so gern weitere Folgerungen ziehen möchte für den Begriff. 28 Schanze in Ztschft. f. Stf.-R. 1884 S. 452, 459. 29 Gaupp-Stein, C. P. O. Kom. zu § 322. 30 Bülow in Arch. f. civ. Prax. Bd.83 S. 121, Ztschft. f. C. P. Bd.31 S.267, 270. 31 Birkmeyer, Stf.-Proz.-Ord. S.673. 32 Wach in Gruchot, Beitr. Bd. 37 S. 480; derselbe, Rechtskraft S. 8; ähnlich Kisch, Beiträge zur Urteilslehre S. 75. 33 BüZow in Arch. f. civ. Prax. Bd. 83 S. 64; HaeneZ, deutsch. St.-R. I S. 182: "Sein Ausspruch setzt sich zu dem objektiven Privatrecht in ein Verhältnis,

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Urteil wird geradezu als "lex specialis" bezeichnet3 4 • Diese Anlehnung an das Gesetz soll insbesondere dazu dienen, die Unabänderlichkeit und Unantastbarkeit der getroffenen Rechtsbestimmung anschaulich zu machen 35 • So scheint die Zivilprozess rechtswissenschaft ein fertiges geschlossenes System zu bieten; wir wollen auch nicht bestreiten, dass sie für sich damit auskommen kann. Aber für die Verwaltungsrechtswissenschaft, die unter freieren und weiteren Gesichtspunkten des öffentlichen Rechts arbeiten muss, trifft das nicht mehr zu. I Um das vorweg zu nehmen, so genügt der Vergleich mit dem Gesetz in keiner Weise, um die Unabänderlichkeit des rechtskräftigen Urteils zu erklären. Vom Standpunkt des Zivilprozesses aus mag das jeweils bestehende Gesetz als das Unabänderliche erscheinen und behandelt werden; ist ja doch für den Richter Grundsatz, bei seinen Entscheidungen niemals die Möglichkeit einer Gesetzesänderung vorauszusetzen und zu berücksichtigen. Aber in Wirklichkeit, das wissen wir sehr wohl, ist das Gesetz für den, der es erlassen hat, nicht unabänderlich, und gerade darauf kommt es ja beim rechtskräftigen Urteil an: dass es die Untertanen und die Untergebenen bindet, ist nichts Besonderes, aber dass das Gericht selbst und die ihm gleichwertigen anderen Gerichte keine Gewalt mehr darüber haben, das ist das Besondere36 , und das wird durch diesen Zusammenhalt mit dem Gesetze eher erst recht auffallend, als dass es erklärt würde. Vor allem aber: diese ganze normierende Kraft und gar die lex specialis - wir kennen sie ja! Das haben wir in unserem Verwaltungsakt, jenem Kern des neuen Verwaltungsrechts, Zivilisten und Prozessualisten vielfach etwas allzu Neues, leider auch manchem Publizisten noch nicht so vertraut, als er sein sollte! Hat man nicht auch ihn lange Zeit unter dem Ehrentitel lex specialis gehen lassen, weil man sich - gut zivilprozessualistisch - die Sache nicht anders erklären konnte? Enteignung, Eisenbahnkonzession, Anstellung im Staatsdienst wurden mit Vorliebe so bezeichnet. Schaffen sie nicht Recht? Haben sie nicht staatlich rechtsbestimmende Kraft? Polizei befehle, Polizeierlaubnisse, Steuerveranlagungen, Steuererlasse - sind sie nicht autoritativ normierende Gesetzesanwendung? Sie bestimmen nach unserer Ausdruckswelches dem des authentisch interpretierenden Gesetzes zu dem erläuterten Gesetze analog ist." 34 Schanze in Ztschft. f. Stf.-R. 1884 S.450; Endemann, Prinzip der Rechtskraft S. 127. 35 Bülow in Arch. f. civ. Pr. Bd. 83 S. 121. 38 Dass der Richter an die Entscheidung gebunden ist, dass ist die Rechtskraft (Gaupp-Stein, Komment. z. C. P. O. S. 713); dass die Partei daran oder vielmehr dadurch gebunden wird, ist die Kraft des obrigkeitlichen Aktes überhaupt.

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weise sämtlich für den Einzelfall, I was Rechtens sein soll, und tun das mit bindender Kraft, bindend auch für die Behörden und die ausführenden Gehilfenämter, so lange wenigstens, als sie nicht zuständiger Weise und in gehöriger Form wieder zurückgenommen, aufgehoben oder abgeändert werden. Diese ihre Wirkungskraft für sich betrachtet ist allerdings der des Urteils wesensgleich. Es ist also auch gar nichts dagegen zu sagen, wenn unsere Prozessgelehrten die Wirkung ihres Urteils gerade so schildern und kennzeichnen, wie wir die eines Verwaltungsaktes; es trifft zu. Unrichtig und irregehend wäre es nur, wenn man glauben würde, damit das Wesen der Rechtskraft auch für das Gebiet der Verwaltung genügend wiedergegeben zu haben. Der Unterschied zwischen Urteil und Verwaltungsakt, der, wie wir sahen, nicht in ihrer Wirkung liegt, liegt dafür in einer verschiedenen Sicherung der Dauer dieser Wirkung. Zuständigkeiten zur Zurücknahme, Aufhebung oder Aenderung sind bei beiden vorausgesetzt, damit diese Wirkung aufhöre. Aber beim Urteil sind sie ordentlicher Weise endgültig erschöpft mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft, beim Verwaltungsakt nicht. Das ist alles. Darin allein kann aber demnach die Rechtskraft liegen, die das Urteil auszeichnen soll. Unrichtig und irregehend wäre es hier auch, wenn man glauben würde, der Ausspruch mit staatlich rechtsbestimmender Kraft, mit normierender Kraft u. s. w. müsse notwendig und von selbst mit einer solchen Unantastbarkeit ausgestattet sein37 • Das ginge noch über Bernatzik hinaus, weil es nicht bloss für Entscheidungen, sondern auch für Verfügungen diese selbstverlständliche "Undurchdringlichkeit im Raume" beanspruchen würde. Aber alle derartigen Vorstellungen und Erklärungsversuche müssen zerstieben vor der Tatsache des einfachen Verwaltungsaktes, der wohl als Verfügung wie als Entscheidung normiert und rechts bestimmende Kraft äussert, aber gleichwohl nach der wohlbegründeten "verbreitetsten Meinung" nicht rechtskraftfähig ist. Die Unantastbarkeit des Urteils ist also in der Verwaltung eine besondere Zutat, die der mit dem Verwaltungsakte gemeinen Wirkung bei ihm noch hinzugefügt wird. In schlagender Weise stellt sich das richtige Verhältnis in den zahlreichen Fällen dar, wo zuerst ein Verwaltungsakt ergeht und, wenn die Beteiligten nicht damit zufrieden sind, eine Nachprüfung im Verwal37 Diese Anschauung scheint mir mehr oder weniger entschieden durchzuklingen bei Wach, Handbuch S. 75; derselbe, Vorträge S. 235; derselbe bei Gruchot Bd. 37 S. 480; Bülow, Ztschft. f. C.-Proz. Bd. 31 S. 267, 270; Eccius, Preuss. Priv.-R. I S. 278 ff.; Kisch, Beiträge S. 75; Pagenstecher, Rechtskraft S. 25, 83; Freudenstein, Rechtskraft S. 2; Klöppel, Einrede der Rechtskraft S. 5. Im weiteren Verlauf pflegt man allerdings wieder einzuschränken und genauer zu bestimmen.

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tungsstreitverfahren, in Form der Verwaltungsrechtspflege stattfindet. Der in dieser Form erlassene Akt, ganz des gleichen Gegenstandes und gleichartigen Inhalts wie der erste und von rechtsbestimmender Kraft für das betroffene Verhältnis wie er, ist jetzt kein einfacher Verwaltungsakt mehr, sondern ein Urteil und rechtskraftfähig. Die Rechtskraft ist also als etwas Neues hinzugekommen und zwar als Wirkung der neu hinzugekommenen Form der Verwaltungsrechtspflege. Der uns Verwaltungsrechtslehrern hier erwachsenden Aufgabe ist Loenings Abhandlung in VerW.-Arch. VII meines Erachtens nicht gerecht geworden. Er erdrückt alle Versuche zu genauerer Bestimmung der Rechtskraft in der Verwaltung einfach durch die Autorität jener in der Zivilprozessrechtswissenschaft so viel gebrauchten und dort unschädlichen Formeln. Insbesondere glaubt er dem ganzen Rechtskraftbegriff Genüge getan zu haben glauben durch die breite Betonung der "normierenden, rechtsbestimmenden Natur des Urteils". "Durch das rechtskräftige Urteil wird ein Rechtsverhältnis mit verbindlicher Kraft festgestellt. In dem Urteile stellt die Staatsgewalt selbst ein Rechtsverhältnis nach Massgabe des objektiven Rechts fest, mit der Wirkung, dass solange das Urteil besteht, das Verhältnis I in unantastbarer Weise rechtlich geordnet ist ... diese staatliche rechtsbestimmende Kraft ist es, was das Urteil mit der Rechtsnorm gemein hat" (S. 27). Er schildert also, ganz wie man das auf dem Boden des Zivilprozesses im grossen und ganzen ja kann, einfach eine Wirkung, die auch dem gewöhnlichen Verwaltungsakte zukommt. Es fehlt auch hier nicht die beliebte und doch so wertlose Anhängung dieser Wirkung an die sie angeblich erläuternde Rechtssatzwirkung 38 , und ebenso teilt Loening mit seinen Vorbildern die Meinung: an diese unantastbare Normierung des Verhältnisses, "solange das Urteil besteht", knüpfe sich von selbst dann auch eine Unantastbarkeit des Urteils selber, sodass es regelmässig gar nicht und nur ausnahmsweise durch Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben werden kann (S. 28). Ihm entgeht, dass dieses etwas Anderes, Neues ist, dass darin allein die Rechtskraft wirklich liegt; es ist für ihn, wie für die Leute, die noch keinen Verwaltungs akt kannten, in den unentwirrten Knäuel der materiellen Wirkung des Aktes eingewickelt. Eine Folge dieser unfertigen Auffassung von der materiellen Rechtskraft zeigt sich sofort im Eingang seiner Abhandlung, S. 2, wo er Fuisting deshalb nicht versteht. Fuisting hatte im Verw.-Arch. IV S. 311 aufgestellt: der Ausspruch des Beschwerdegerichts in Einkommensteuersachen sei kein Urteil, habe deshalb nur formale, aber keine materielle Rechtskraft; dem aber hatte er hinzugefügt, dass gleichwohl die Verwaltungsbehörden dadurch "für diesen Fall" gebunden werden. 38

Vgl. dazu insbesondere noch Verw.-Arch. VII S. 83.

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Darin sieht Loening eine "überraschende" Beantwortung der Frage; denn die Bindung der Veranlagungsbehörden (Loening zitiert: Verwaltungsbehörden), die Fuisting zugesteht, sei ja tatsächlich mehr als blosse formelle, sei in Wahrheit nichts anderes als materielle Rechtskraft (vgl. auch Verw.-Arch. VII S. 73). Das kann man t nur behaupten, wenn man materielle Rechtskraft überall sieht, wo von der Obrigkeit sachlich massgebend bestimmt wird. Die Wirkung, welche Fuisting zugesteht, ist ja doch keine andere als die, welche jeder im einfachen Beschwerdeverfahren erzielte Bescheid für den Beschwerdeführer und für die untergeordnete Verwaltungsbehörde (hier Veranlagungsbehörde) haben wird. Loening wird, wenn er gegen Fuisting diesen Vorwurf aufrecht erhalten will, sich dahin geführt sehen, dass er allen solchen Bescheiden materielle Rechtskraft zugestehen muss. Wer auf solche Weise das Wesen der Rechtskraft in die rechtsbestimmende Wirkung des Aktes verlegt, der kann dann desto nachsichtiger sein mit dem Erfordernis der Unabänderlichkeit. Deshalb sieht auch Loening nichts darin, wenn eine solche "rechtskräftige Festsetzung" nachher gleichwohl so einfach abgeändert werden kann, wie das nach Preussischem Einkommensteuergesetz durch Veranlagung zu der Nachsteuer geschieht. "Die Rechtskraft der Entscheidung der Verwaltungsgerichte in ihrer begrifflichen Bedeutung wird dadurch so wenig berührt, wie durch die Möglichkeit, dass ein rechtskräftiges Urteil im Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben werden kann" (S. 74). Aber nun genügt doch zu der Nachsteuerveranlagung die einfache Unrichtigkeit der ersten Entscheidung! Es scheint mir unmöglich, das noch eine materielle Rechtskraft zu nennen. Loening meint: "So lange die Veranlagung zur Nachsteuer nicht rechtskräftig erfolgt ist, übt das Erkenntnis seine volle Wirkung aus und ist für den Steuerpflichtigen wie für den Staat rechtsverbindlich." Die Verwechslung von Rechtsverbindlichkeit und Rechtskraft ist offenbar; die erstere allerdings kann auch eine vorläufige und vorübergehende sein, aber - um alles! - doch die letztere nicht! Mit solcher weitherzigen Auffassung ist es natürlich leicht, die verschiedenen Versuche zu widerlegen, welche der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Urteile engere Grenzen ziehen wollen. t "Diejenigen Schriftsteller u. s. w .... haben es versäumt," hebt er hervor, "die Folgerungen, die sich hieraus ergeben, eingehend zu untersuchen" (S. 33). So ist ihnen seiner Meinung nach entgangen, dass "Urteile, die ihrem Inhalte nach nicht vollstreckbar sind, bei dem Mangel an Rechtskraft irgend eine rechtliche Wirkung auf das Rechtsverhältnis überhaupt nicht ausüben" (S. 34). Das gilt vor allem von dem Urteil auf Feststellungsklage: ohne die Rechtskraft "wäre es rechtlich gänzlich unwirksam und bedeutungslos". - Ganz dieselbe Feststellung einer Wegebau-

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pflicht u. s. w. kann aber ja auch von einer einfachen Verwaltungsbehörde gemacht werden; das ist nicht bedeutungslos, sondern ausgestattet mit verbindlicher Kraft, so lange der Akt nicht in zuständiger Weise aufgehoben oder zurückgenommen ist. Oder nicht? Also geht es entweder auch ohne Rechtskraft, oder - auch der einfache Verwaltungsakt muss die Loeningische Rechtskraft haben! Das Gleiche ist nach Loening der Fall bei den konstitutiven Urteilen (S. 35); ohne die materielle Rechtskraft, welche man ihnen absprechen will, "wären sie wirkungslos". Nun kann man aber doch nicht leugnen, dass sie wirken, also müssen sie nach Loening Rechtskraft haben. Als Beispiele führt er an: Urteile, welche den Beschluss einer Beschlussbehörde oder eines Kommunalverbandes aufheben; denn dadurch "sind diese Verwaltungsakte endgültig aufgehoben". Ebenso Auferlegung von Eigentumsbeschränkungen durch das Waldschutzgericht; denn durch das Urteil sind "diese Verpflichtungen unmittelbar begründet"; Schliessung einer Innung, Krankenkasse, Hilfskasse: die Genossenschaft "existiert nicht mehr". "In allen diesen Fällen übt das Urteil diese rechtsbegründende und rechtsaufhebende Wirkung nur aus, weil ihm nicht nur formelle, sondern auch materielle Rechtskraft zukommt, oder, richtiger gesagt, in dieser Wirkung besteht die materielle Rechtskraft." Nun können aber doch ganz die nämlichen Dinge mit ganz den nämlichen I Wirkungen gemacht werden je nach der Zuständigkeitsverteilung auch durch gewöhnliche Verwaltungsbehörden in Gestalt eines einfachen Verwaltungsaktes, der als solcher nicht rechtskraftfähig ist; mit welchem Rechte heisst diese Wirkung das eine Mal Rechtskraft, das andere Mal nicht? Loening scheint darauf keine Antwort für nötig zu halten. S. 75 H. kommt er noch einmal ausführlich auf die konstitutiven Urteile zurück, welche die verschiedenartigsten öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Verhältnisse begründen, und denen deshalb "die materielle Rechtskraft nicht bestritten werden kann". Er erläutert das noch durch die Bemerkung: "Es verhält sich hiermit nicht anders, wie mit der Uebertragung des Eigentumsrechtes an enteigneten Grundstücken, welche durch die Zustellung des Enteignungsbeschlusses erfolgt." So müsste denn aber auch der Enteignungsbeschluss mit materieller Rechtskraft ausgestattet sein? Ist das ein Urteil? Ist die Enteignungsbehörde ein Verwaltungsgericht, und das Enteignungsverfahren Verwaltungsrechtspflege? Derartige Bedenken tauchen in Loenings Auseinandersetzungen nicht auf. An das eigentliche Problem der Rechtskraft ist er meines Erachtens überhaupt nicht herangekommen.

7 Otto Mayer, Bd. I

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IV. Rechtskraft ist also eine dem Urteile eigene, mit dem obrigkeitlichen Ausspruch dessen, was Rechtens sein soll, nicht von selbst verbundene Unabänderlichkeit. Wir dürfen uns aber nicht einbilden, mit diesem Wort Unabänderlichkeit schon etwas Ausreichendes gesagt zu haben, bei dem wir stehen bleiben könnten. Denn die Unabänderlichkeit kann in verschiedener juristischer Gestalt ihren Ausdruck finden. Es kommt darauf an, welcher Zweck damit erreicht, welches Bedürfnis befriedigt werden soll; dem einen wird diese, dem andern jene Rechtsform entsprechen. Unsere Aufgabe muss sein, das Wesen der hier vorliegenden Unabänderlichkeit I aus diesem Zusammenhange heraus zu entwickeln und zu verstehen. Man hat die Möglichkeiten, die hier denkbar sind, in der Prozessrechtswissenschaft bezeichnet durch die Namen: absolute Rechtskraft einerseits, relative Rechtskraft anderseits 39 • Der Gegensatz ist ganz und gar gegeben in der Verschiedenheit des Zweckes, dem die Unabänderlichkeit bei der einen und bei der andern in erster Linie zu keinem bestimmt ist. Die absolute Rechtskraft bedeutet eine Unabänderlichkeit, die einmal entstanden, unabhängig ist von dem Willen der Parteien. Ihr Zweck ist vielmehr ein solcher des öffentlichen Interesses, des Interesses der 39 Man versteht unter relativer Rechtskraft wohl auch den Fall, wo ein Urteil nur teilweise rechtskräftig wird (Freudenstein, Rechtskraft S. 4 ff.) oder nur gegen einzelne Parteien, gegen andere nicht (Weissler, Komment. zu Fr. G.-Ges. S. 63). Wir verstehen hier relative Rechtskraft in dem Sinne, wie sie von Bülow in Arch. f. civ. Pr. Bd. 83 S. 30 ff. und von Wach in Gruchot Beitr. Bd. 37 S. 480 ff. bekämpft worden ist, d. h. eine Gebundenheit des Urteils für die Partei und daran hängende Unzulässigkeit einer Aenderung seines Bestandes ohne den Willen der Partei. Wir möchten aber hier gleich hervorheben, dass man diese relative Rechtskraft in dreierlei sehr verschiedenem Sinne bekämpfen kann, je nachdem steht es auch verschieden mit unserer Gegnerschaft. Man kann bestreiten, dass es eine Rechtserscheinung, wie die von uns mit diesem Worte bezeichnete, überhaupt gibt; das halte ich für durchaus verfehlt. Man kann bestreiten, dass diese Erscheinung für die Lehre von der Rechtskraft ausschliesslich in Betracht komme und die Grundsätze einer absoluten Rechtskraft verteidigen, denen sie gegebenen Falles zu weichen hat; das halte ich für richtig. Man kann endlich diese Erscheinung selbst anerkennen, aber bestreiten, dass sie noch den Namen Rechtskraft verdient und diesen Namen ausschliesslich für die absolute Rechtskraft in Anspruch nehmen; das ist eine terminologische Frage, deren Bedeutung nicht überschätzt werden darf. Jedenfalls bedeutet das eine so gut wie das andere eine prozessrechtlich begründete Festigkeit, die dem obrigkeitlichen Akt, den wir Urteil nennen, eigentümlich ist; darum mag man es bei der doppelten Verwendung des Ausdruckes belassen. Sie ist geschichtlich überkommen.

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Rechtspflege. Das Bedürfnis, das I sie zu befriedigen hat, ergibt sich aus der Natur der Zivil- und Strafjustiz. Das Gesetz, welches nicht unrecht tun kann, muss im Einzelfall angewendet werden durch einen obrigkeitlichen Ausspruch, der nach der gemeinen Mangelhaftigkeit der menschlichen Dinge die Möglichkeit hat, fehl zu gehen, dem Gesetze nicht zu entsprechen, Unrecht zu sein. Wie alle obrigkeitlichen Akte bezeugt er zwar seine Gültigkeit durch sich selbst 40 • Aber soweit Zuständigkeiten zu Nachprüfung und Neuprüfung bestehen, kann ein Unrecht aufgedeckt und durch Aufhebung des ersten Spruchs beseitigt werden. Allerdings könnte auf demselben Wege auch eine richtige Gesetzesanwendung zu Gunsten einer falschen beseitigt werden. Denn die menschliche Logik ist eben nicht, wie Bernatzik annimmt, bloss eine. Für gewöhnlich hält der Staat gleichwohl die Möglichkeit offen, dass das, was seine Behörden gemacht haben, nachträglich von ihnen verbessert werde, in der optimistischen Annahme, es werde das Spätere regelmässig wirklich das Bessere sein. Nur für die in förmlichem Prozessverfahren geübte Rechtsprechung der Gerichte, sobald einmal formelle Rechtskraft erreicht ist, gilt grundsätzlich das Gegenteil. Hier trifft aber zweierlei zusammen. Einmal handelt es sich um eine behördliche Einrichtung, die, wesentlich zur Gesetzesanwendung bestimmt, im Interesse des allgemeinen Gefühls der Rechtssicherheit gern mit einem gewissen Schein der Unfehlbarkeit umgeben wird 41 • Sodann aber ist durch das Verfahren, welches den Beteiligten eine erhebliche Mitwirkung gewährleistet, diesen gegenüber aller Härte vorgebeugt, welche sonst um ihretwillen in dem Ausschluss jeder Verbesserungsmöglichkeit gelegen sein könnte. Die Massregel wendet deshalb vor allem ihre Spitze gegen die Partei im Zivilprozess, der eine wiederholte Inanspruchnahme der Gerichte für eine bestimmte Angelegenheit versagt wird: bis de leadern re ne sit actio 42 • In weiterer Entfaltung kommt sie der Partei im Strafprozesse zugute, welche durch den Grundsatz "ne bis in idem" vor der Notwendigkeit nochmaliger Verteidigung geschützt wird 43 • Der oberste Zweck ist aber gleichmässig der Schutz der Justiz gegen die ihr Ansehen schädigende nochmalige Befassung mit einer Sache, welche sie schon einmal formell rechtskräftig erledigt hat44 • D. V.-R. I S. 99, 100. Daher auch die besondere Stellung der Justizschäden gegenüber der Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht: D. V.-R. 11 S. 363, 364. 42 Gaupp-Stein, C. P. O. Komment. zu § 322, II: "weil die Selbstverantwortung der Parteien jene Bindung als gerecht erscheinen lässt". 43 HeffteT, non bis in idem S. 15: "es kann diese Pflicht der Verantwortung nicht als eine stets fortdauernde geIten, ohne zur Qual, zu einem Damoklesschwert zu werden." 44 HeHwig, Rechtskraft S. 12: "Ist die Frage nach dem vorhandenen Rechtszustande einmal definitiv entschieden, so verbietet das Prozessrecht, die Gerichte nochmals mit der Untersuchung, ob die Frage richtig entschieden sei, 40

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Die Rechtsform dafür findet man gern in der Annahme einer Aufzehrung der Befugnisse zur Inanspruchnahme des Gerichts durch einmaliges Gebrauchmachen davon, Klagekonsumtion, Anklagekonsumtion45 • Genauer wird es sein, die Sache auszudrücken als eine Aufzehrung der Amtsgewalt der Justizbehörden gegenüber diesem Fall, welche durch den einmal zu Ende geführten Prozess bewirkt wird; denn die Justiz kann auch nicht incidenter mehr damit befasst werden, die so erledigte Angelegenheit abermals zu prüfen und rechtlich zu bestimmen46 • I Diese Unzuständigkeit, wir dürfen wohl das Wort in diesem Sinne gebrauchen, ist demnach ein eigentümliches Erzeugnis des durch die besondere Art der Mitwirkung der Beteiligten gekennzeichneten Verfahrens und bedeutet eine dem Urteile als solchem um der Form seiner Entstehung willen zukommende besondere Eigenschaft, also nach unserer oben gegebenen Begriffsbestimmung - Rechtskraft. Da es sich um eine im öffentlichen Interesse gegebene Zuständigkeitsordnung handelt, so können selbstverständlich die Parteien nicht darauf verzichten; auch ist die absolute Rechtskraft von Amtswegen zu berücksichtigen47 • Die relative Rechtskraft hingegen bedeutet eine Gebundenheit des Urteils nicht gegen die Partei, sondern für die Partei und in ihrem Interesse. Denkbar wäre ja, dass die Sache anders geordnet wäre: der Einzelne mit seinem materiellen Recht könnte auch bloss als geeigneter Gegenstand der obrigkeitlichen Tätigkeit behandelt werden, welche die Rechtsordnung "objektiv" aufrecht zu erhalten bestimmt ist; duldend nähme er entgegen, was ihm beschieden wird, ähnlich wie er die Wohltaten der Polizei geniesst, höchstens in zweckentsprechender Weise zur Mitwirkung herangezogen, damit das Richtige herauskommt; und das zu behelligen." Schanze in Ztschft. f. Stf.-R. 1884 S. 452: "sofern das Gericht durch sie vor wiederholter Untersuchung und Entscheidung der gleichen Frage bewahrt wird". Gaupp-Stein, C. P. O. Komment. zu § 322, II: "die Bindung ist eingeführt wegen der lähmenden Wirkung endloser Ungewissheit, der Vergeudung von Kraft und Arbeit und der Schwächung des Ansehens der Gerichte bei widersprechenden Entscheidungen." Klöppel, Einrede der Rechtskraft S. 62, drückt den Gedanken besonders kräftig aus, wenn er dagegen Verwahrung einlegt, "dass das Richteramt sich zum Spott der Parteien denselben Rechtsstreit immer wieder vortragen lassen muss, so oft es der einen oder andern beliebt". 45 Kleinschrod, die prozessualische Konsumtion S. 126. 46 In diesem Sinne Mot. z. Entw. des B. G. B. I S. 372: "Der Staat hat unverkennbar das Seinige getan ... Grund, ein zweites mal Gericht zu geben, ist nicht vorhanden." Schneider in Ztschft. f. ZiV.-Proz. Bd. 29 S. 155: "weil der Staat verständigerweise nur einmal einen solchen Rechtsschutz, ein Verfahren zur Feststellung des streitigen Rechtes zur Verfügung stellen kann". 47 Die Formel res judicata jus facit inter partes trifft eigentlich für die absolute Rechtskraft nur sehr mittelbar zu; diese regelt in erster Linie Amtsbefugnisse.

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Urteil, das dabei herauskommt, ist dann mit allem Weiteren Sache der Obrigkeit. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass es nicht so geordnet ist, und dass statt dessen in unserer Justiz die Freiheit und Selbständigkeit des Bürgers in ausgeprägte ster Weise zur Geltung kommt. Die Form dafür ist die des subjektiven I öffentlichen Rechtes, d. h. einer dem Einzelnen zustehenden Macht über die Ausübung der öffentlichen Gewalt. Vermöge eines solchen subjektiven öffentlichen Rechts ist auch das in dem Urteil erscheinende Stück öffentlicher Gewalt, die Feststellung, Anordnung, Lossprechung, die es gibt, gebunden zu Gunsten der Partei, die es erwirkt hat, es besteht ein Recht am Urteil 48 • Der Gedanke ist so alt, als es eine Justiz gibt. Er findet seinen Ausdruck in der actio judicati und der exceptio judicati, durch welche die Partei, die das Urteil erwirkt hat, ihr Recht am Urteil zur Geltung bringt. Die juristische Konstruktion ver Imochte sich das Verhältnis nur durch Vermittelung civilrechtlicher Formen vorzustellen. Das Urteil hat Quasikontraktseigenschaft49 , oder es ist das Ergebnis einer novatio, einer prozessualen Vertrags obligation, die mit der litis contestatio ihren zeitlichen Anfang nimmt 50 • Seit wir mit der Idee des subjektiven öffentlichen Rechts vertraut geworden sind, ist die Sache viel ein48 Demelius, Rechtskraft S. 33: "Recht des siegreichen Klägers am Urteil". Demelius unterscheidet das von der eigentlichen materiellen Rechtskraft (was eine Frage des Namens ist; vgl. oben Note 39); er folgert aber eine Unabänderlichkeit des Urteils daraus (S. 59), welche nicht von Amtswegen zu berücksichtigen ist, im Gegensatze zur Klagekonsumtion, welche aus Gründen der Prozessökonomie angenommen wird, um grundlose Behelligung des Gerichts zu verhüten (S. 61). - Fuisting im Verw.-Arch. IV S. 311 ff.: "Die Wirkungen der res judicata sind die notwendige Folge eines prozessualischen Verfahrens", bei der Beschwerde gibt es "keine Parteien im prozessualischen Sinne". Daher: "von einem durch den Rechtsspruch begründeten wohlerworbenen Rechte des Beschwerdeführers kann nicht die Rede sein"; der Ausspruch hat "keine unmittelbare Rechtswirkung auf spätere Veranlagungen ... dem Beschwerdeführer steht kein Rechtsanspruch dahin zu, dass die für eine frühere Veranlagung ergangene Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst bei gleicher Sach- und Rechtslage die Veranlagungsbehörde binde". - Friedrichs in Verw.-Arch. VI S. 532: "selbstverständlich werden Rechte nur für die obsiegende Partei begründet." - Hellwig, Lehrbuch I S. 45: "Jener Pflicht (der Behörden) entspricht das prozessuale Recht der Partei, die Beachtung der Rechtskraft zu verlangen; sie erhält damit Rechtsgewissheit, nicht mehr und nicht weniger." - Pagenstecher, Rechtskraft S. 41: "Was niemand bezweifeln kann, ist, dass Kläger ein prozessuales Recht gegen jedes später mit der Sache befasste Gericht erworben hat, die Beachtung der Rechtskraft des Urteils zu verlangen." Das sind andere Gesichtspunkte und andere Rechtsformen, als die absolute Rechtskraft sie bot. Es ist, manchmal nicht ganz korrekt ausgedrückt, aber noch unverkennbar, das von mir verteidigte Recht am Urteil. Die Prozessualisten werden verwundert sein zu hören, dass eine Reihe von publizistischen Celebritäten einmütig erklärt, das sei nur eine willkürliche Konstruktion und Begriffsspielerei von mir. 49 Endemann, Prinzip der Rechtskraft S. 127. 50 Kleinschrod, Die prozessualische Konsumtion S. 13.

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facher und unmittelbarer zu erfassen. Hineingestellt in die ganze Reihe der prozessualen Rechte der Parteien, ist das Urteil nur ein und der wichtigste Gegenstand darin. Es hätte ja gar keinen Sinn, dass wir einen Rechtsschutzanspruch, ein Klagerecht anerkennen und ein Recht auf Urteil und dann ein Recht auf Ausfertigung des Urteils und ein Recht auf die daraus vorzunehmende Vollstreckung, an dem Urteil selbst aber, welches das Ziel und der Ausgangspunkt aller ihrer sonstigen Rechte ist, sollte die Partei kein Recht habenSI? Die relative Rechtskraft ist ein wesentliches Stück im System unseres Prozesses. Insofern die relative Rechtskraft eine Gebundenheit des Urteils vorstellt durch das Recht der Partei, steht sie der Partei zur Verfügung; diese kann darauf verzichten, sodass Abänderung und Aufhebung des Urteils zulässig wird. Die alte Lehre von der Unverzichtbarkeit öffentlicher Rechte ist ja ein überwundener Standpunkt.So stehen wir denn zweierlei Arten von Rechtskraft gegenüber. Wie verhalten sie sich zu einander? Es ist eine sehr I beliebte Auffassung, sie als feindliche Gegensätze zu behandeln, die einander ausschliessen. Eine Zeit lang schien es, als sollte die relative Rechtskraft die Oberhand bekommen. Das war zur Zeit, da der erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Bestimmung enthielt, wonach das rechtskräftige Urteil nicht von Amtswegen zu berücksichtigen ist, vielmehr die Partei darauf verzichten kann s2 • Die Möglichkeit solchen Verzichtes ist immer ~in entscheidendes Kennzeichen für die relative Rechtskraft. Bülow ist damals in Archiv f. civil. Pr. Bd. 83 kräftig für die absolute Rechtskraft eingetreten. Die Reichsgesetzgebung hat, wohl unter dem Eindruck dieser Ausführungen, die Frage dahingestellt sein lassen. In der Doktrin aber ist im Anschluss daran ein so entschiedener Umschwung zu Gunsten der absoluten Rechtskraft eingetreten, dass, wer vorher etwas für das Recht am Urteil geschrieben hat, jetzt schon gewärtigen muss, von übereifrigen Juristentagsreferenten, die nicht ganz auf dem Laufenden sind, für einen wunderlichen Menschen angesehen zu werden. In Wahrheit aber besteht ein solches Entweder-Oder keineswegs. Beide, absolute Rechtskraft und relative Rechtskraft, dienen achtenswerten Interessen und haben ihr gutes Recht, jedes neben dem anderen. 51 Der Anerkennung eines solchen Rechtes kann man sich nur entziehen durch Leugnung der subjektiven öffentlichen Rechte überhaupt und der Parteirechte insbesondere. Wie bedenklich das ist, vgl. oben Note 6. Zur Not mag man um obige Konsequenzen, wenigstens für das Verwaltungsurteil, auch so herumzukommen suchen, dass man, wie Loening in Verw.-Arch. V S. 71, aufstellt: die Parteien im Verwaltungsstreitverfahren seien gar keine richtigen Parteien, wenigstens keine solche im Sinne des Zivilprozesses. Da verliert man dann allerdings wieder allen Boden unter den Füssen. 52 Entw. I d. B. G. B. § 191 Abs. 2.

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Das wäre also eine dritte Möglichkeit53 • I Freilich ist nicht zu verkennen, dass jede der beiden Formen nebenbei in gewissem Masse auch den Interessen zu gute kommt, denen die andere dient, und diese insofern entbehrlich erscheinen lässt. Die Unabänderlichkeit des Urteils, welche in der Form der absoluten Rechtskraft festgelegt ist, gewährleistet zugleich der Partei den sicheren Bestand der Vorteile, welche der Spruch für sie bedeutet. Und auf der anderen Seite bewirkt auch die Gebundenheit des Urteils durch das Recht der Partei, dass der Richter nicht leicht in die Lage versetzt wird, die richterlich geschehene Gesetzesanwendung noch einmal vornehmen zu müssen, weil eine Partei nicht damit zufrieden ist. Solches ist ja im Zivilprozess nur möglich mit Zustimmung des Gegners, der auf sein Recht und seinen Vorteil verzichtet. Denkbar sind solche Fälle, aber naturgemäss recht selten54 • Ganz ohne neuen Spruch kommt der angegangene Richter auch bei absoluter Rechtskraft nicht weg; ob er aber zurückweist, weil er nicht mehr zuständig ist, oder zurückweist, weil er nur mit Zustimmung des Gegners urteilen könnte, das macht für die Wahrung der Autorität des Richteramtes kaum einen Unterschied. Man könnte also höchstens etwa behaupten wollen, dass das eine das andere überflüssig mache. Gegenüber der relativen I Rechtskraft käme noch hinzu, dass mit Anerkennung der absoluten Rechtskraft ihr wichtigstes Merkmal, der Verzicht auf das Urteil, selbstverständlich 53 So erklärt sich die Erscheinung, dass man bei der Begründung des Instituts der Rechtskraft die Gründe, welche absolute, und die, welche relative Rechtskraft verlangen, ganz unbedenklich zu vereinigen pflegt. Beide kommen eben in Betracht und sind wirksam geworden. Vgl. z. B. Zorn in Verw.Arch. 11 S. 122. Hier wird hervorgehoben, dass die Rechtskraft im Ziv.-Proz. auf zwei Gründen beruht. Der eine ist: "Herstellung eines endgültigen Rechtsbodens für die Parteien" oder, wie es nachher erläutert wird: "Die durch die Rechtskraft hergestellte Rechtssicherheit ist formell und materiell ein Rechtserfolg der Parteien und für die Parteien" - also relative Rechtskraft. Aber: "daneben kommt auch noch das Moment der Rechtsökonomie in Betracht. Dieselbe Sache wiederholt verhandeln und entscheiden zu müssen wird für die Gerichte ein unerträglicher Zustand" - also absolute Rechtskraft. Mehr oder weniger tritt dieser doppelte Gesichtspunkt auch hervor bei Gaupp-Stein, Komm. zu C. P. O. § 322; DemeHus, Rechtskraft, S. 59, S. 61; Schultzenstein, Gutachten, S. 103, 104. Loening behauptet für den Zweck seiner Polemik gegen mich (Verw.-Arch. VII S. 15), Bülow habe seine für das Recht am Urteil, also für relative Rechtskraft sprechenden Ausführungen im Arch. f. civ. Pr. Bd. 62 dadurch "tatsächlich zurückgenommen", dass er im Arch. f. civ. Pr. Bd. 83 so kräftig für die absolute Rechtskraft eingetreten ist. Das ist von seiten Loenings ein Fehlschluss; beides vereinigt sich ganz gut. Soweit die absolute Rechtskraft reicht, kommt eben das Recht der Partei (von Bülow allerdings fälschlich als ein "Privatrecht" bezeichnet) nicht zur Wirksamkeit; es ist verdeckt. 54 Im Strafprozess, wo nur der Angeklagte Parteinatur hat, müsste das Monopol der Staatsanwaltschaft, das Gericht neu zu befassen, im Zusammenhang mit dem Rechte des Angeschuldigten an dem für ihn ergangenen Urteil praktisch zu dem nämlichen Ergebnis führen.

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nicht statthat; denn diese Parteiverfügung ist mit der im öffentlichen Interesse geforderten Unantastbarkeit unvereinbar. Auch damit wäre die relative Rechtskraft d. h. das Recht am Urteil nicht schlechthin verneint; denn es mag sehr wohl ein subjektives Recht bestehen, dem aus höheren Rücksichten die eine oder andere Form des Gebrauchs entzogen ist. Nur die praktische Wichtigkeit dieses Rechtes würde allerdings sehr gering sein. Aber auch diese kann in der bedeutsamsten Weise zur Geltung kommen vermöge eines Umstandes, dessen Tragweite lange nicht genug berücksichtigt wird. Tatsache ist nämlich: das Anwendungsgebiet der absoluten und das der relativen Rechtskraft decken sich wohl grossen Teils, aber keineswegs vollständig. Jede hat ihren besonderen Zweck, um dessen willen eine Unabänderlichkeit des Urteils gefordert, und ihre besondere Form, in der das verwirklicht wird. Dem 'entspricht jeweils auch eine besondere Abgrenzung der Fälle, in welchen diese Unabänderlichkeit Platz greift. Jedes Urteil ist an sich der relativen Rechtskraft fähig; ob und wie aber eine solche herauskommt, d. h. ein Recht am Urteil entsteht, das wird von dem Inhalte seiner Entscheidung abhängen. Gegenstand eines Rechtes kann es selbstverständlich nur für die Partei werden, zu deren Gunsten es ausfällt55 • Siegt der Kläger, so ist es für ihn gebunden, unterliegt er, so erwirbt der Beklagte das Recht daran. Relativ rechtskräftig wird es hier so oder so und zugleich in der Regel absolut rechtskräftig. Es decken sich dann beide Arten. Allein, es ist auch denkbar, I dass Rechtspflege geordnet ist, und ein Urteil ergeht mit nur einer Partei. Das ist im Strafprozess der Fall überall, wo kein Privatkläger oder Nebenkläger auftritt, und regelmäßig auch in der Verwaltungsrechtspflege. Wenn dann diese eine Partei unterliegt, verurteilt, abgewiesen wird, gibt es keine Gegenpartei, welche das entsprechende Recht am Urteil erlangen könnte, folglich keine relative Rechtskraft. Wenn absolute Rechtskraft hier gegeben ist, so steht sie allein 56 • Auch das Um55 "Das Recht des siegreichen Klägers am Urteil", wie Demelius a. a. O. Mendelssohn-Bartholdy, Rechtskraft S. 350 ff., verwirft grundsätzlich

sagt. eine Rechtskraft secundum eventum litis. Das ist sehr richtig für die absolute Rechtskraft. Für das, was wir die relative Rechtskraft nennen, ist das Gegenteil wahr. 56 Loening in Verw.-Arch. V S. 12 ff. wendet sich sehr scharf gegen die von mir vertretene Unterscheidung zwischen Rechtspflege mit nur einer ParteisteIlung und Rechtspflege mit entgegengesetzten Parteien. Ich nannte das einseitige und zweiseitige Rechtspflege; der Name gefällt mir selbst nicht; vielleicht sagte ich besser: einfache und zweischneidige Rechtspflege. Nun jedenfalls kann man verstehen, was ich meine. Zur Widerlegung greift Loening weit aus. Er führt meine Lehre zurück auf eine fehlerhafte Grundauffassung von dem Verhältnis zwischen Staat und Untertan, eine Grundauffassung, die einem Rechtsgelehrten recht übel ansteht, ja bei ihm geradezu etwas Gehässiges haben muss. Die Grundlage meiner Ausführungen ist nämlich - ich bin überrascht, das zu erfahren - "der Gedanke, dass der Staat nur auf Gewalt beruhe", folglich die Verneinung alles Rechtes zwischen

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gekehrte ist mög Ilich. Der Zweck der absoluten Rechtskraft, das Ansehen des Richteramtes vor zwiefacher Rechtsprechung zu schützen, erfordert nicht die Unabänderlichkeit jeglichen Spruches, der die I Natur Staat und Untertanen; diese "unterstehen nur seiner tatsächlichen Herrschermacht"; das Verhältnis wäre für mich folgerichtig "nur ein tatsächliches Machtverhältnis, aus dem Rechte und Pflichten nicht entspringen können" (S. 13). Also absolutistischer Polizeistaat! Wenn ich gleichwohl von Rechten und Pflichten der Untertanen rede, so ist das nur eine meiner gewöhnlichen Inkonsequenzen. Nun hatte ich mich aber doch wahrhaftig redlich genug bemüht, die Idee des Rechtsstaates klar heraus zu arbeiten. Seine Rechtsordnung beruht allerdings nicht mehr, wie weiland die des alten Staatswesens, auf einer Sammlung von einzelnen subjektiven öffentlichen Rechten, Hoheitsrechten; der Staat hat schlechthin die allumfassende öffentliche Gewalt. Aber die Trennung der Gewalten und die Ausbildung des Verwaltungsrechtes haben die Aufgabe gelöst, auch diese ungeheure Macht kunstvoll in die Formen des Rechtes zu bringen, so dass man auch die gewohnten Ausdrucksweisen des Zivilrechtes verwenden mag - wie das zugeht, kann ich natürlich hier nicht wiederholen. Ich weiss, dass mich viele verstanden haben. Loening will mich nicht verstehen. Seine Folgerung lautet einfach: "Hat der Staat demnach keine öffentlichen Rechte gegenüber den Untertanen" - und das habe ich allerdings gesagt -, so bleibt zwischen ihnen "nur die Tatsache der Macht". Also: Loening stellt sich auf den Standpunkt des seligen Reichskammergerichts, und weil ich den nicht teile, hilft es mir gar nichts, dass ich für den modernen Rechtsstaat eifere; ich werde rücksichtslos in den Polizeistaat hineinkommandiert. Es liegt darin eine gewisse Härte. In der Sache würde es denn darauf ankommen, wie Loening mir gegenüber den Beweis führt, dass alle Rechtspflege in Straf- und Verwaltungsrecht immer mit zwei sich gegenüberstehenden Parteien arbeitet, zweischneidig ist. Tatsächlich sehen wir doch in vielen Fällen das ganze Verfahren darauf eingerichtet, dass nur ein Untertan darin der Obrigkeit gegenübersteht, um als Partei mitzuwirken an ihrem Tun. Wo ist die Gegenpartei? Da ist man natürlich leicht fertig mit der Antwort: die andere Partei ist der Staat. Nun, der Staat ist ja immer in dem Verfahren beteiligt durch den Richter, der in seinem Namen spricht, wohl auch durch einen Staatsanwalt oder einen Vertreter des öffentlichen Interesses. Aber, ist er dadurch Partei? Was ist eine Partei? Ich denke: das Rechtssubjekt, dem durch den im Prozess ergehenden obrigkeitlichen Ausspruch bestimmt werden soll, was für es Rechtens ist. Dem Staate wird es hier nicht bestimmt, sondern er bestimmt es. Die obrigkeitliche Bestimmungsmacht kann ja rückbezüglich sein; das ist der bekannte Fall, "wenn Fiskus agieret". Aber das ist doch eine Besonderheit, eine kühne, für gewisse Fälle angenommene Fiktion und Konstruktion. Niemand wird die Idee einer Staatspersönlichkeit, welche dem durch die Obrigkeit vertretenen Staate gegenübersteht "wie ein Privatmann", im Ernste ausdehnen wollen über vermögensrechtliche Zusammenhänge hinaus auf den strafverfolgenden, polizeilich verfügenden Staat. Hier ist der Staat einheitlich und ungebrochen nur die Obrigkeit, deren Tätigkeit allerdings in Zuständigkeiten verteilt und an Formen geknüpft und inhaltlich gebunden erscheint, aber eben wie Obrigkeit von innen heraus geordnet, nicht wie die Partei durch fremde Autorität von aus sen bestimmt. Die Rechtsstellung der Partei ist eine ganz andere. Danach sollte man denken, es sei unmöglich, den Staat für die zuweilen fehlende Gegenpartei heranzuziehen. Loening hat gleichwohl ein Mittel gefunden. Und das besteht darin, dass man es eben mit dem Parteibegriff nicht so genau nehmen darf. Es darf nicht übersehen werden, erklärt er S. 71, "dass der Begriff der Partei im Verwaltungsstreitverfahren ein andrer ist als im Zivilprozess". Wie so? Ein Hauptunterschied wird uns sofort hervorgehoben: "dass, sofern der Staat im Verwaltungsstreitverfahren Partei ist, von einem Unterliegen des Staates niemals die Rede sein kann". Eine Partei,

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eines Urteils hat und schliesst nicht jede Art von Abänderung aus. So wird es denkbar, dass die absolute Rechtskraft nicht Platz greift in einem Falle, wo gleichwohl ein Recht der Partei vom Urteil entstanden ist und bindend wirkt, relative Rechtskraft also vorliegt. Diese Fälle sind besonders bedeutsam, weil hier das Recht am Urteil in seiner Eigenart und in seiner Unentbehrlichkeit für das Verständnis der Sache einleuchtend zu Tage tritt. Sie ergeben sich für den Zivilprozess im Zusammenhang der Lehre vom konstitutiven Urteilsinhalt und vom Schiedsspruch57 • Eine ganz unvergleichlich wichtigere Rolle aber spielt der Ausschluss der absoluten Rechtskraft auf dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege. Dieselben Gründe, die ihn anerkanntermassen auf dem Gebiete des Zivilprozesses herbeiführen, wirken hier in grossem Umfange. Bedeutsame Tatsachen des wirklichen Rechtes finden nur in diesem Zusammenhang Erklärung und Verständnis. Es kann sogar zweifelhaft sein, ob man nicht behaupten sollte, dass es auf diesem Gebiete eine absolute Rechtskraft überhaupt nicht gebe, sondern lediglich eine relative d. h. ein Recht am Urteil. Jedenfalls tritt hier jene praktisch ganz in den Hintergrund. Ich hatte geglaubt, in meinem deutschen Verwaltungsrecht eine brauchbare Lehre von der Verwaltungs Irechtspflege geben zu können, ohne auf diese Frage einzugehen, mit dem Rechte am Urteil allein. Nach der Wendung in der neueren Auffassung scheint es mir jetzt doch richtiger, auch in der Verwaltung eine absolute Rechtskraft neben und hinter der relativen anzuerkennen. Die Fälle, in welchen die letztere zu Tage treten kann, sind, entsprechend den zivilprozessualen Seitenstücken, von zweierlei Art. V.

Der erste Fall des Ausbleibens der absoluten Rechtskraft ergibt sich daraus, dass die Forderung der absoluten Rechtskraft geknüpft ist an die immer gewinnt, das ist vielleicht ein Ideal. Aber diese seltsame Partei ist natürlich nichts anderes als die Obrigkeit, die über den Parteien steht, also das Gegenteil einer Partei. Mir scheint hier der feste Parteibegriff gänzlich zu verschwinden, und dieser Preis ist doch offenbar zu hoch. 57 Im Strafprozess hat sich die Rechtskraft später durchgesetzt als im Zivilprozess (Birkmeyer, Strafprozess S. 87), d. h. die absolute Rechtskraft wurde verneint, das Recht der Partei verhinderte ein neues Verfahren zu ihren Gunsten nicht und die absolutio ab instantia behielt die neue Verfolgung vor. Das jetzt noch bestehende Begnadigungsrecht wirkt nur gegen die absolute Rechtskraft, nicht gegen das Recht der Partei, des freigesprochenen und mildbestraften Angeklagten oder des siegreichen Privatklägers; insofern wird die von uns hervorgehobene Unterscheidung auch hier von Wichtigkeit. Freilich spielen beim Begnadingungsrecht noch andere Dinge herein. Deshalb ist wohl Loening im Rechte, sofern er im Verw.-Arch. VII S. 17 ff. geltend macht, dass ich zuviel Wert auf dieses Argument gelegt habe.

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den gewöhnlichen Fall der gerichtlichen Streitentscheidung. Es handelt sich hier darum, nur auszusprechen, was zwischen den Parteien schon Rechtens ist, damit es durchführbar werde. Wir können sagen: auszusprechen, was Rechtens sein soll, weil es schon Rechtens ist und als solches erkannt wird. Das ist die Rechtsprechung im gen auen Sinn des Wortes. Man spricht hier von der deklarativen Natur des Aktes, oder von der Feststellungsnatur, vom Feststellungsinhalt des Urteils; sehr gerne heisst man es auch richterliche Rechtsanwendung. Im Verwaltungsrecht hat Bernatzik mit besonderem Nachdruck den Begriff der Entscheidung in diesem Sinne geprägt: Entscheidung ist die Anwendung der abstrakten Rechtsnorm 5B ; im Gegensatz zur Verfügung, der das freie Ermessen eigentümlich ist. In diesem Sinne - also ohne die Absonderlichkeiten, die Bernatzik seinerseits weiter daran knüpfen will - sind die Begriffe: Entscheidung und Verfügung ziemlich allgemein in die Terminologie der Verwaltungsrechtswissenschaft aufgenommen. Für diese Tätigkeit nun, für die entscheidende oder recht Isprechende Tätigkeit des Gerichts wird im öffentlichen Interesse jene Unfehlbarkeit in Anspruch genommen, die ihren Ausdruck findet in der Unzulässigkeit einer nochmaligen Rechtsprechung in derselben Sache. Wo die Justiz nichts anderes sein will als die untrügliche Verkünderin des Willens des Gesetzes, ist ihr Ausspruch ausgestattet mit absoluter Rechtskraft59. Das ist der richtige Kern, der allerdings enthalten ist in Bernatziks Lehre von dem Zusammenhang zwischen Entscheidung und Rechtskraft. Falsch ist, dass jede behördliche Entscheidung rechtskräftig werde; aber wahr ist, dass die absolute Rechtskraft gemeint ist für

Bernatzik, Rechtskraft S. 7 ff. Diese Voraussetzung pflegt sich bei den Prozessualisten als eine ganz selbstverständliche und ohne besondere Begründung in die Lehre von der Rechtskraft einzuschieben. Freudenstein, Rechtskraft S. 2: "Rechtskraft ist das endgültige Produkt der richterlichen Rechtsanwendung ... Sie ist das unwiderrufliche durch das legitime Organ der Rechtsordnung, den Richter, verlautbarte Anerkenntnis, dass die Voraussetzungen ihrer Betätigung, d. h. die Anwendung der abstrakten Rechtsregeln auf einen konkreten Tatbestand negativ oder positiv vorhanden waren." Die "negativ vorhandenen Voraussetzungen" sind etwas sehr Unschönes, aber die ganze Idee der Rechtskraft ist doch hier sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Vgl. auch Klöppel, Einr. d. Rechtskraft S. 112: "konkrete Rechtssetzung" durch "Anwendung der Rechtssätze auf die Tatsachen" ist Voraussetzung der Rechtskraft. Schneider in Ztschft. f. civ. Pr. Bd. 29 S. 155: "ein Verfahren zur Feststellung des streitigen Rechts"; ebenda S. 104. Schanze in Ztschft. f. Stf.R.W. 1884 S. 452. Wach, Handb. I S. 75; derselbe, Vorträge S. 255. Eccius, Preuss. Priv.-R. I S. 290. Diese Auffassung tritt namentlich in der Form mit besonderer Kraft zu Tage, dass die Rechtskraft hergeleitet wird aus dem Zwecke des Prozesses, "das Recht zu vergewissern": Bülow im Arch f. civ. Pr. Bd. 62 S. 75; Pagen·· stecher, Rechtskraft S. 25. Da muss es selbstverständlich vorher schon dagewesen sein. 58 59

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solche Urteile der Gerichte, d. h. in Form der Rechtskraft ergehende obrigkeitliche Aussprüche zur Ordnung des Einzelfalles, welche Entscheidung, Rechtsprechung zum Inhalt haben. Nun hat man aber beobachtet, dass die Urteile auch noch anderes zum Inhalt haben können als Rechtsprechung. Insbe Isondere können sie solche obrigkeitliche Anordnungen enthalten, also Aussprüche dessen, was für die Parteien Rechtens sein soll, die nicht zugleich nur aussprechen wollen, was schon Rechtens für sie ist, sondern N eu es für sie bestimmen. Man hat für solche Urteile die Bezeichnung: konstitutive oder rechtsgestaltende oder rechtsändernde Urteile eingeführt. Genauer noch ist es im Sinne dieser Lehre ausgedrückt, wenn man von einem konstitutiven U,·teilsinhalt spricht. Denn die Sache wird so gedacht, dass regelmässig in ein und demselben Urteil eine Deklaration, eine Feststellung dessen, was Rechtens ist, vorausgeht, und nachher je nachdem die entsprechende rechtsgestaltende Anordnung daran geknüpft wird. Das Urteil z. B., das auf Ehescheidungsklage ergeht, stellt zunächst fest, ob ein Recht auf Ehescheidung gegeben ist60 • Verneinenden Falles hat es bei dieser Feststellung sein Bewenden, bejahenden Falles wird zu der Feststellung der Ausspruch der Scheidung hinzugefügt. Zwischen diesen beiden Stücken wird nun der bedeutsame Unterschied hervorgehoben, dass die Feststellung rein prozessualer, öffentlichrechtlicher Natur ist 61 • Für sie allein gilt das Institut der Rechtskraft. Die Rechtsgestaltung dagegen, dem Rechtsgeschäft vergleichbar, hat unmittelbar zivilrechtliche Wirkung und der von ihr erzeugte zivilrechtliche Rechtszustand kann dann auch nur geändert werden in den für solche Aenderungen gegebenen zivilrechtlichen Formen. Aber rechtskräftig wird die Rechtsgestaltung für sich betrachtet nicht. Sie hat es ja auch nicht nötig 62 • I Hat man sich das Urteilordentlicherweise so gegliedert und zusammengesetzt zu denken, so stellt sich daneben die Möglichkeit, dass einem Urteil der eine oder der andere der zwei Bestandteile fehlt. Es gibt einerseits Urteile "ohne konstitutive Funktion", die also lediglich erklären, was schon Rechtens ist. Als Hauptbeispiel dienen die bekann60

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gestellt.

Rechtskraft S. 4: das "Recht auf Rechtsänderung" wird fest-

Rechtskraft S. 19. Rechtskraft S. 5: "Für die Frage der sogenannten materiellen Rechtskraft kommt allein dieser Feststellungsinhalt der Verurteilung in Betracht" ... S. 14 Note: "Auf rechtsgestaltende Urteile nimmt § 325 C. Pr. o. keine Rücksicht." Levis, Entmündigung S. 306, 308; Eccius, Preuss. Priv.-R. I S. 292, 299. MendeLssohn-BarthoLdy, Rechtskraft S. 311: "die res judicata gehört zur deklaratorischen, nicht zur konstitutiven Urteilsfunktion"; ebenda S. 474. Pagenstecher, Rechtskraft S. 25 Note 60: "Bei der rechtsändernden Funktion des konstitutiven Urteils kann man von einem Rechtskraftproblem eigentlich kaum reden." 81

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ten Feststellungsurteile im eigentlichen Sinn. Sie schaffen kein neues Recht, sind aber rechtskraftfähig. Auf der andern Seite wird es Urteile geben können, welche "nur konstitutiv" sind, also keine Feststellung bereits vorhandenen Rechts enthalten, sondern im Gegensatz dazu mit freiem Ermessen einen neuen Rechtszustand begründen. Diese haben dann folgerichtig keine Rechtskraft, wenigstens die nicht, welche man die absolute nennt. Die ganze Lehre ist noch sehr im Fluss, und namentlich über die Abgrenzung der einzelnen Bestandteile und Gruppen ist man nicht einig. Uns scheint es, dass man zu viel Wert legt auf die abstrakte Zerlegung des Inhalts des Urteils, während doch dieses nach seiner praktischen Wirksamkeit als Ganzes einheitlich der einen oder andern Art angehört. Unsere verwaltungsrechtlichen Begriffe der Entscheidung und Verfügung geben viel brauchbarere Abgrenzungen: fast die ganze Hauptgruppe der aus Feststellung und Rechtsgestaltung zusammengesetzten Urteile löst sich für uns auf in Entscheidungen und Verfügungen, je nachdem die Feststellung oder die Rechtsgestaltung im Ganzen des Urteils überwiegt. Um das zu erläutern, will ich zwei Hauptpunkte aus Hellwigs Darstellung in "Wesen und subjektiver Begrenzung der Rechtskraft" herausgreifen; die hervorragende Bedeutung, die Hellwigs Lehren für unseren Gegenstand gewonnen haben, recht Ifertigt diese Wahl. Er scheint mir die Einheitlichkeit der Natur des Urteils teils dadurch zu zerstören, dass er an einer Entscheidung die Selbständigkeit eines rechtsgestaltenden Elementes übertreibt, teils dadurch, dass er an einer Verfügung ein selbständiges rechtfeststellendes Element zu Unrecht hervorhebt. Ein richterliches Erkenntnis, welches den Beklagten zu einer Leistung verurteilt, enthält nach Hellwig a. a. O. S. 5 zunächst die Feststellung der Leistungspflicht, und dieser Feststellungsinhalt "kommt für die Frage der materiellen Rechtskraft allein in Betracht" (S. 6). Dazu enthält es aber noch den Leistungsbefehl, der den Vollstreckungsanspruch erzeugt. Dieser wäre ein Rechtsgestaltungsakt, von der Rechtskraft unabhängig und von jedermann anzuerkennen (S. 7). Aber unsres Erachtens wird eine gerichtliche Anordnung, welche sich aus der Rechtsfeststellung mit rechtlicher Notwendigkeit ergibt, als Zubehör der letzteren von der Rechtskraft mit erfasst. Das ganze verurteilende Erkenntnis ist einheitlich eine Entscheidung 63 • Eine selbständige Natur würde die zweite Anordnung nur erhalten, wenn sie von dem Gerichte mit freiem Ermessen so oder überhaupt der Feststellung hinzugefügt würde. Das 13 Gegen die Sonderung von Feststellung und Leistungsbefehl mit Recht Kisch, Beiträge S. 24 ff.

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Gleiche wie von der Verurteilung zur Leistung muss auch von der Ehescheidung gelten, obwohl man hier geneigter ist zur Zerlegung. Das Urteil, das die Ehescheidung wegen Ehebruchs ausspricht, hat damit "zugleich das Recht auf Rechtsänderung" festgestellt 64 ; deshalb wird es rechtskräftig, der Ausspruch der Ehescheidung selbst ist unserer Auffassung nach nur der gebundene Vollzug jener Feststellung und mit erfasst von der Rechtskraft. Das Ganze ist also einheitlich eine Entscheidung. Daneben stellt dann Hellwig den Satz auf: die Abweisung der Klage auf Rechtsänderung sei rechtskraftfähig, weil sie das I Nichtbestehen des Rechts auf Rechtsänderung feststellt (S. 4). Das ist richtig für die Abweisung der Klage auf Ehescheidung wegen Ehebruchs und zwar deshalb, weil es hier einen Anspruch auf die Rechtsänderung gibt. Falsch ist aber, wenn Hellwig meint: überall, wo eine Klage auf Rechtsänderung abgewiesen wird, werde zugleich das Nichtbestehen eines Rechts auf Rechtsänderung festgestellt. Das ist überall da nicht der Fall, wo mit der Klage ein solches Recht gar nicht geltend gemacht werden konnte und nicht geltend gemacht worden ist, weil es nach Lage des Gesetzes ein solches Recht nicht gibt. Da ist also auch nichts festzustellen. Wir haben im Verwaltungsrechte zahlreiche obrigkeitliche Genehmigungen, Erlaubnisse, Verleihungen, die durch Verfügung erteilt werden nach freiem Ermessen der Zweckmässigkeit und des öffentlichen Interesses. Ansiedelungsgenehmigungen, Wasserstauverleihungen, Wandergewerbescheine für Ausländer ("kann" erteilt werden) und sonst gar mancherlei polizeiliche Erlaubnisse 65 • Das bedeutet dann überall die Verneinung eines Rechtes auf die Gewährung. Das wird auch nicht anders, wenn das von der Verwaltungsbehörde abgewiesene Gesuch im Wege der Verwaltungsklage an ein Verwaltungsgericht gebracht werden I kann. Man muss sich nur klar werden: der Kläger hat in solchem Falle ein Recht auf ein Urteil, welches nach freiem Ermessen Vgl. oben Note 60. Eine gros se Reihe solcher Verfügungen mit freiem Ermessen, die nach Preussischem Rechte in die Form der Verwaltungsrechtspflege gebracht werden können, findet sich aufgezählt bei o. MueHer, Begriff der Verwaltungsrechtspflege S. 11 ff. - Wir wollen als besonders einleuchtendes Beispiel nur hervorheben den Fall der Schankwirtschaftserlaubnis, die verweigert werden kann: wegen Besorgnis des Missbrauchs, weil das Lokal den polizeilichen Anforderungen nicht genügt, weil ein Bedürfnis nicht besteht (Gew.-O. § 33). Wie sehr hier freies Ermessen in Frage ist, wird von O. MueHer a. a. O. S. 19 ff. treffend ausgeführt. - Erwähnt sei hier noch eine öfters zitierte Abhandlung in Fischers ztschft. 111 S. 149 ff., bloss deshalb, weil sie beweist, was auf diesem Gebiete alles möglich ist. Der Verfasser spricht nämlich den Urteilen der Verwaltungsgerichte die Rechtskraft überhaupt ab. Warum? "Weil er (der Spruch des Verwaltungsgericht) nur deklarativen Charakter hat, d. h. nur ausspricht, welche der gegenwärtigen Rechtsnormen und in welcher Weise dieselbe auf das streitige Rechtsverhältnis Anwendung findet." Alles falsch! 64

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ausspricht, was Rechtens sein soll. Aber er hat, eben wegen dieses freien Ermessens, kein Recht, das die Behörde und das Gericht bände, so und nicht anders zu sprechen; also wird hier kein "vorhandenes Recht festgestellt", bei der Abweisung des Gesuchs so wenig wie bei der Willfahrung. Festgestellt wird natürlich auch hier, ob die Voraussetzungen gegeben sind, unter welchen das Gericht überhaupt angegangen werden kann, also ob das Recht auf Urteil, der Urteilsanspruch besteht; das ist aber ja etwas anderes als das Recht auf einen bestimmten Urteilsinhalt. Festgestellt wird ferner, wie die Tatsachen liegen, welche das Gericht seinem Ausspruche zu Grunde legen soll. Aber man täusche sich doch nicht: auch das sind keine Feststellungen eines bei dem Kläger bereits vorhandenen Rechtszustandes in dem Sinne, wie man bei dieser Lehre die Feststellung als technischen Ausdruck verstanden haben will; das sind lediglich Erwägungsgründe, Hilfselemente für den Entschluss zu der zu erlassenden Verfügung. Wir haben Gleichartiges, also konstitutive Urteile, die nach freiem Ermessen ergehen, auch im Zivilprozess. Ein hervorragendes Beispiel bot nach unserem früheren Recht und bietet jetzt noch im französischen Recht die Teilungsklage. Der Mitberechtigte kann verlangen, dass der Richter teile; wie dieser es macht, ist nicht rechtlich bestimmt; es gibt kein Recht auf einen bestimmten Inhalt des Teilungsurteils, denn es waltet hier "das freie Ermessen des Richters, wie es regelmässig mit dem konstitutiven Urteil verknüpft ist"66. Das Urteil ist also nicht Rechtsanwendung, nicht Entscheidung, sondern Verfügung und als solche nicht rechtskraftfähig 67 . I Verblieben ist diese Form für den Fall des § 2048 B. G. B.: nach Anordnung des Erblassers soll die Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines dritten erfolgen; wenn sie von diesem offenbar unbillig gemacht worden ist, erfolgt die Bestimmung durch Urteil und auch nach freiem Ermessen, selbstverständlich. Die Miterben können dann jederzeit auf diese urteilsmässige Verfügung verzichten und anders teilen 68 . 66 Kisch, Beiträge S. 64. Daselbst auch die Hervorhebung des Gegensatzes zum Teilungsverfahren des B. G. B., das einen Anspruch auf Urteil bestimmten Inhalts gibt. 67 Das französische Recht hat diese Folgerung unbedenklich gezogen: Demolombe XXX n. 286: le jugement qui homologue un partage n'a pas de force de chose jugee. Es kann sich mit einem Urteil solchen Inhalts auch eine Rechtsanwendung verbinden, z. B. mit der Teilungsklage eine Klage auf vorherige Anerkennung des Miterbenrechts (Kisch a. a. O. S. 120). Das tritt dann in deutlich geschiedenen Anträgen und Aussprüchen selbständig hervor und gibt dann auch wirklich zusammengesetzte Urteile. 68 Kisch a. a. O. S. 137 Note 119: "Die Bestimmung durch den Richter hat keine grössere Kraft, als eine entsprechende Anordnung des Erblassers." Rechtsgeschäftsnatur solcher Urteile! Folgerichtig, wenn die Parteien nachträglich doch wieder nicht einig werden, müssen sie auch ein neues Ausein-

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Aehnlich B. G. B. § 660 bezüglich der Verteilung des in der Auslobung versprochenen Lohnes. Nach B. G. B. § 1612 Abs. 1 kann der Unterhaltsverpflichtete verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Weise als durch Geldrente gestattet werde "wenn besondere Gründe vorliegen". Er kann verlangen? - gegenüber dem Unterhaltsberechtigten bekommt er diese Befugnis, wenn ihn das Gericht dazu ermächtigt hat. Die Gewährung dieser Befugnis ist Sache freien Ermessens, es besteht kein Anspruch darauf, das Urteil stellt nicht ein schon bestehendes Verhältnis fest. Es verfügt. Hierher gehören auch die Urteile, welche eine Handelsgesellschaft auflösen, einen Sozius ausschliessen, oder ihm die Geschäftsführung entziehen, weil "wichtige Gründe" vorliegen, ferner die Urteile, welche eine übermässige Leistung herabsetzen (B. G. B. § 343, H. G. B. § 75 Abs. 2), die Ausübung einer Grunddienst Ibarkeit an eine andere minder beschwerliche Stelle verlegen (B. G. B. § 1023). Das sind überall Verfügungen und rechtsgestaltende Urteile ohne Feststellung eines bereits vorhandenen Rechtszustandes; im Falle die Klage abgewiesen wird, sind sie weder rechtsgestaltend noch rechtsfeststellend. Mithin, wenn die Rechtskraft an der Feststellung hängt, tritt sie hier überall nicht ein. Wir sprechen aber hier - vergessen wir das nicht - immer nur von der absoluten Rechtskraft. Wir sehen, dass die ihrem Zweck und Wesen entsprechenden Voraussetzungen in diesen verfügenden Urteilen nicht gegeben sind, daher ist es ganz folgerichtig, wenn sie unanwendbar erklärt wird. Damit ist nicht gesagt, dass auch die relative Rechtskraft, das Recht am Urteil in Wegfall komme. Denn hierfür sind die Voraussetzungen andere. Wir dürfen also erwarten, dass gerade in diesen Fällen die relative Rechtskraft, die sonst von der absoluten Rechtskraft verdeckt wird, zu Tage tritt und praktische Bedeutung bekommt. Man wird nur deshalb meist nicht darauf aufmerksam, weil man, auch uneingestanden, immer noch mit einem Stück absoluter Rechtskraft rechnet und weil man es als ganz selbstverständlich ansieht, dass eine Aenderung an dem einmal urteilsmässig Festgesetzten die Zustimmung des Gegners voraussetzt. Wo die Verfügung rechtsgestaltend ist, wird sich das als die Wirkung eines begründeten subjektiven Zivilrechts erklären lassen. Aber es gilt doch das Gleiche, wo ein solches Recht nicht begründet ist, vor allem auch bei der Klageabweisung. Der Verklagte braucht sich nicht gefallen zu lassen, nochmals so in Anspruch genommen zu andersetzungsurteil verlangen können. Können sie nicht sogar ohne weiteres wieder vor den Richter kommen und gemeinsam ein anderes Urteil erbitten? Mir scheint: ja.

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werden, obwohl er kein erworbenes Zivilrecht geltend zu machen hat und obwohl keine absolute Rechtskraft besteht. Das versteht sich aber nicht von selbst, sondern bedarf einer juristischen Erklärung und die Erklärung - das ist eben das Recht am Urteil, nichts anderes. Im Verwaltungsrecht treten nun aber alle diese Dinge mit I noch viel grösserer Deutlichkeit zu Tage: das liegt einmal daran, dass hier, wie wir gesehen haben (vgl. oben Note 65), in viel grösserem Masse Verfügungen, d. h. Verwaltungs akte mit freiem Ermessen zum Gegenstande der Rechtspflege gemacht sind. In diesen Fällen würde also keine absolute Rechtskraft Platz greifen; die relative wird sie nur praktisch ersetzen. Aber hier kommt noch ein Weiteres hinzu, vermöge dessen auch die relative Rechtskraft ihren Dienst versagt. Das Recht am Urteil gibt ja diesem seine Gebundenheit, gleichviel wie es ausfallen mag, so lange sich zwei Parteien gegenüberstehen. Die zugesprochene Klage bedeutet allerdings kein Recht des Verklagten am Urteil, wohl aber des Klägers, und umgekehrt die abgewiesene kein Recht des Klägers, wohl aber des Verklagten. Nun haben wir aber im Verwaltungsrecht zahlreiche Fälle, wo der in Form des Urteils handelnden Obrigkeit nur ein Beteiligter gegenübersteht, Rechtspflege mit einer Partei oder einfache Rechtspflege (im Gegensatz zur "zweischneidigen"). Hier entsteht ein Recht am Urteil nur dann, wenn es zu Gunsten dieser Partei ausfällt; andernfalls nicht. Trifft damit zusammen, dass es sich um eine Verfügung in Urteilsform handelt, bei welcher absolute Rechtskraft ohnehin nicht besteht, so wird dieser Akt durch die Art seiner Erzeugung überhaupt keine besondere Gebundenheit erhalten. Er muss aufhebbar und abänderbar sein, ganz soweit als er es wäre, wenn man ihn nicht in Verwaltungsrechtspflege, sondern in Gestalt eines gewöhnlichen Verwaltungs aktes kraft einfacher behördlicher Zuständigkeit erlassen hätte 69 • - I &9 Da dieses Ergebnis auf dem Zusammentreffen zweier Voraussetzungen beruht, so ist man berechtigt, ihm zu widersprechen, wenn auch nur die eine von beiden nicht richtig ist. Loening verneint beide, aber wie mir scheint, die eine mit so wenig Glück als die andere. Er bestreitet zunächst die Möglichkeit einer Rechtspflege mit nur einer Partei; darüber ist oben IV Note 56 schon das Nötige gesagt worden. Sodann aber ist er auch wieder bemüht, den klaren Gegensatz zwischen Entscheidung und Verfügung, Urteil mit Feststellungsinhalt und konstitutivem Urteil zu verwischen. Die Handhabe dazu gibt ihm die Mehrdeutigkeit des Wortes "Feststellung". Kisch, Beiträge S. 74 Note 61 hat sehr richtig darauf aufmerksam gemacht, dass das Wort zweierlei bedeuten kann, einmal "Deklaration von etwas Vorhandenem" (Ausspruch dessen, was schon Rechtens ist, wie wir sagten) und dann wieder "bindende Regelung einer bestimmten Rechtsbeziehung" (Anordnung dessen, was jetzt erst Rechtens werden soll). Nun beginnt Loening Verw.-Arch. VII S. 28 unverkennbar mit der Feststellung im ersteren Sinne: der Staat lässt Urteile sprechen, "um die Rechtsordnung zu verwirklichen". Diese Verwirklichung geschieht nicht nur "in objektiven, abstrakten Rechtsnormen", sondern erfordert auch "eine Einrichtung, durch welche die einzelnen Rechts-

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Das Preussische O. V. G. hat in einer Reihe von Entscheidungen ausgesprochen, dass polizeilichen Verfügungen durch das bestätigende Verwaltungsgerichtserkenntnis Rechtskraft nicht erworben wird. I verhältnisse und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten in autoritativer Weise festgestellt werden können. Die Einrichtung ist das rechtskräftige Urteil". S. 29 wird dann hinzugefügt: es sei unbestritten, dass die Klage im Zivilprozess keineswegs immer darauf gerichtet ist, "den Beklagten auf Grund eines bestehenden Rechtsverhältnisses zu einer Leistung oder Unterlassung zu verurteilen oder ein schon bestehendes Rechtsverhältnis autoritativ festzustellen, sondern dass sie auch vielfach darauf gerichtet sein kann, ein neues Rechtsverhältnis zu begründen, ein bestehendes Rechtsverhältnis abzuändern oder aufzuheben". Damit haben wir denn den Gegensatz der "konstitutiven" Urteile zu den zuerst erwähnten, die Loening jetzt als "kondemnatorische und Feststellungsurteile bezeichnet (Feststellungsurteile hier wieder in dem engeren Sinne, als bloss feststellende Urteile). Sind jetzt diese konstitutiven Urteile, die also nicht bloss in concreto die bereits vorhandenen Rechtsverhältnisse feststellen, sondern durch welche ein Rechtsverhältnis geschaffen, geändert oder aufgehoben wird, trotzdem rechtskräftig? Ja: "trotzdem ist es gewiss, dass in allen diesen Fällen das Urteil materielle Rechtskraft gewinnt" (S. 30). Also ist doch die Feststellungsnatur des Urteils nicht entscheidend? Doch; das wird alles in Ordnung gebracht. Es wird nur zunächst noch hervorgehoben, dass durch Urteile des Gerichts alle möglichen Anordnungen getroffen werden können, auch rein polizeiliche Massregeln wie die Schliessung eines Vereins nach Preuss. Verord. v. 11. März 1850 § 16; dann kommt zusammenfassend der Schluss (S. 31): "Immer hat das Urteil, sobald es unanfechtbar geworden ist, die Folge, dass das dadurch festgestellte Verhältnis kraft staatlicher Autorität rechtsverbindlich ist." Es stimmt. Aber "das dadurch festgestellte Verhältnis" ist hier natürlich nicht mehr ein vorausbestehendes, sondern ein durch das Urteil erst begründetes, verändertes. Also ist diese "Feststellung eines Rechtsverhältnisses" eine ganz andere als die, welche zuerst als Voraussetzung der Rechtskraft bezeichnet war. Das gleiche Spiel wiederholt sich dann bei der Verwaltungsrechtspflege. Auch hier sind die Urteile der Rechtskraft fähig: "den Urteilen der Verwaltungsgerichte ist mit denen der ordentlichen Gerichte gemein, dass sie konkrete Rechtsverhältnisse in autoritativer Weise feststellen" (S. 31). Nach der Fussnote soll das gleichbedeutend sein mit der im Lehrbuch des V. R. gegebenen Begriffsbestimmung der Gerichtsbarkeit als der staatlichen Funktion, "durch unabhängige Behörden subjektive Rechte in konkreten Fällen festzustellen und ihre Verwirklichung zu sichern". Vorhandene Rechte, vorhandene Rechtsverhältnisse, denkt man, seien gemeint, entsprechend der bekannten Terminologie der Prozessualisten. Allein sofort wird hinzugefügt, dass unter diesen "feststellenden" Urteilen auch die Rechtsverhältnisse begründenden, ändernden, aufhebenden begriffen seien. Und schliesslich wird erklärt, dass es ganz gleichgültig ist, ob das Urteil als "Akt der Rechtsprechung" nur sagt, was schon Rechtens ist oder mit freiem Ermessen "schöpferisch" bestimmt, was Rechtens sein soll. Die Rechtskraft ist die gleiche. "Denn allen Urteilen ist gemeinsam, dass sie ein Rechtsverhältnis feststellen und diese Feststellung ist durch die staatliche Autorität verbindlich, sobald das Urteil die Rechtskraft beschritten hat" (S. 33). Hier ist nun wieder ganz deutlich die Loslösung des Begriffes Feststellung von einem vorgefundenen Gegenstande und die Verwendung des Wortes im Sinne von Anordnen oder, wie Kisch es nennt, "Festlegen" eines Rechtsverhältnisses. "Diese Erscheinung, warnt der letztere in Beiträge S. 75, die man allenfalls noch als eine Art von Feststellung ansehen könnte, darf '1lso nicht zu einer Identifizierung der deklarativen und konstitutiven Erkenntnisse verleiten." Loening macht diese Identifizierung hier in der unbefangensten Weise. Deshalb kommt es ihm auch nicht darauf an, dazwischen auf einmal wieder die "Feststellung", welche das Wesen der Rechtskraft ausmacht, doch wieder auf das voraus-

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Eine Klage auf Erteilung der Gastwirtschaftserlaubnis nach G. O. § 33 war formell rechtskräftig abgewiesen worden. Eine neue Klage desselben Unternehmers wurde durch O. V. G. 25. Juni 1879 (Samml. V S. 291) für zulässig erklärt: "Streitsachen der I vorliegenden Art schliessen ihrer rechtlichen Natur zufolge den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache von selbst und überhaupt aus." Es handelt sich um eine Verfügung mit freier Würdigung der Geeignetheit des Unternehmers; also keine absolute Rechtskraft! Gegner hatte der Kläger keinen, der als Partei im ersten Prozesse ein Recht am Urteil erworben hätte; also auch keine relative Rechtskraft! Die Verwaltungsbehörden, wie die Verwaltungsgerichte haben das neue Gesuch zu prüfen, ohne durch das zuerst ergangene Urteil irgendwie gebunden zu sein7o •

SchuZtzenstein in seinem Gutachten für den 26. deutschen Juristentag 71 möchte das daraus erklären, dass unter diesen besonderen Umständen schon die Tatsache der Verschiedenheit der Zeit, zu welcher die beiden Urteile ergehen, genüge, damit nicht mehr eadem res vorhanden sei. Er meint: es verlhalte sich gerade so "bei den Klagen auf Zurücknahme einer Konzession wegen Besorgnis eines Missbrauches des konzessionierten Gewerbes, auf Untersagung eines Gewerbebetriebes wegen Unzuverlässigkeit in Bezug auf denselben und dergl.". Auch diese gesetzte Verhältnis zu beziehen. Vgl. s. 79, wo zu Gunsten der Rechtskraft des Urteils, das die Klage auf Konzessionserteilung abweist, gesagt wird: "Ein solches Urteil stellt fest, dass der Klageanspruch des Klägers zur Zeit des Urteils nicht besteht." Deshalb ist es auch kein Wunder, wenn ihm O. Muellers Bestreben, die Feststellung (unter der nicht ganz zutreffenden Bezeichnung Streitentscheidung) von den Akten des freien Ermessens scharf getrennt zu halten, "nicht recht verständlich" bleibt (Verw.-Arch. VII S. 31). Bei ihm selbst freilich ist alles glatt gewalzt und eingeebnet. 70 Vgl. auch O. V. G. 1. März 1882 (Samml. VIII S. 353); 29. Jan. 1885 (Sammi. XI S.397); 5.0kt. 1885 (Samml. XII S.369); 4. Febr. 1889 (bei v. Kamptz, Rechtsprechung des O. V. G. IV, 2 S.1351 und Reger, Entsch. IX S. 468 ff.); 3. Dez. 1889 (Reger, Entsch. XI S. 109). Bayr. V. G. H. 13. Juni 1889 (Sammi. XI S. 262); ders. 19. Febr. 1890 (Reger, Entsch. XI S.132). An dieser Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat sich die Lehre ausgebildet, dass Verfügungen in Urteilsform zur Rechtskraft nicht erwachsen. Die Theorie hat keineswegs mit ihren Konstruktionen apriori begonnen, sondern die Gerichte haben mit ihrer Handhabung des wirklichen Rechts die Führung gehabt und die Theorie hat nur den allgemeinen Grundsatz darin festgestellt und anerkannt. Vgl. insbesondere: B. v. Bismarck in Hartmanns Ztschft. f. Gesetzgebung u. Pr. V S. 578; derselbe, das Verwaltungsstreitverfahren S. 222; Zorn in Verw.-Arch. II S. 130; O. Mueller, Begriff der V.R.Pfl. S. 193; Halbey, Gemeindeverf. u. Verw.-R. S. 384; Landmann, Gew.-O. Komment. zu § 30 Note 3. - Die gleichlaufende Bewegung auf dem Boden des Zivilprozess rechts auf Ausscheidung des der Rechtskraft unfähigen konstitutiven Urteilsinhalts scheint im Gegenteil wesentlich von den Theoretikern ausgegangen zu sein. 71 Verhandlungen Bd. I S. 120. Ebenso schon in einer Besprechung von O. Mueller, Begriff der V.-R.-Pfl. in Verw.-Arch. IV S. 87. Auch in den Erkenntnissen des O. V. G. tritt diese Begründungsweise zu Tage: Samml. IX S.397. S·

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könnten im Falle der Zurückweisung immer wieder vorgebracht werden ohne Rücksicht auf Rechtskraft. Diese Sachen fallen allerdings unter die gleiche Auffassung, insofern es sich überall handelt um Verfügungen in Urteilsform, absolute Rechtskraft also nicht gegeben ist. Aber ganz gerade so steht es mit ihnen doch nicht: zum Unterschied von dem Falle des zurückgewiesenen Gesuches um die Wirtschaftserlaubnis ist in diesen Fällen eine Partei gegeben, zu deren Gunsten das Zurückweisungsurteil ergangen ist, die also ein Recht am Urteil erworben hätte, relative Rechtskraft müsste hier Platz greifen. Natürlich wäre auch diese ausgeschlossen, wenn wirklich schon wegen Verschiedenheit der Zeit nicht mehr eadem res vorläge. Allein das dürfte denn doch zu viel behauptet sein. Zorn hat nicht Unrecht, wenn er meint7 2 : eine Rechtskraft, die so leicht verschwindet, verdiene den Namen nicht mehr. In der Tat muss der Umstand, dass er Sieger geblieben ist, dem auf Zurücknahme der Erlaubnis verklagten Unternehmer doch irgendwie zu gute kommen; er kann nicht genötigt werden, fortwährend in der Rüstung zu bleiben, um den Streit jedesmal ganz von vorn wieder durchzukämpfen 73 • Dieselbe Frage I kann ja auch bei der Versagung einer Gewerbepolizeierlaubnis entstehen, wenn diese Versagung durch Urteil ausgesprochen oder bestätigt worden ist und eine Gegenpartei da war, also z. B. ein Nachbar, der Einspruch erhoben hatte gegen die Genehmigung einer gefährlichen Gewerbeanlage. Ohne einen solchen Gegner müsste nach dem, was wir vorhin sagten, der Unternehmer sein Gesuch immer wieder von neuem stellen können. Es leuchtet aber ein, dass es nicht mehr ganz gerade so einfach sein wird, wenn der Mann mit dem von ihm erwirkten Abweisungsurteil daneben steht. Auf keinen Fall würde das neue Gesuch sachlich gewürdigt werden können, ohne dass dieser Mann besonders zugezogen und zur Erklärung aufgefordert würde. Darauf muss er sich wohl verlassen können; sein Recht Verw.-Arch. II S. 130. O. V. G. 25. Juni 1879 (Samml. V S. 293): "Von einem durch Klagekonsumtion wohlerworbenen Rechte im Sinne der §§ 65 u. 66 der Einleitung in die Prozessordnung, welches zum Schutze gegen fernere Anfechtung durch den Gegner der obsiegenden Partei gewährt worden ist, kann regelmässig 72

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wohl auf Seiten einer Privatperson, welche sich gegen eine ihr angesonnene Verpflichtung verteidigt, nicht aber auf Seiten des Beamten die Rede sein,

welcher dem Klageantrage gegenüber das öffentliche Interesse wahrzunehmen hat." In den von mir unterstrichenen Worten ist meines Erachtens die hier vorgetragene Lehre enthalten. O. Mueller irrt also, wenn er, Begriff der V.R.Pfl. S. 193, aufstellt: "Ist die Ortspolizeibehörde mit dem Antrage, einem Trödler seinen Gewerbebetrieb zu verbieten, nicht durchgedrungen, so ist sie nicht gehindert, den Antrag gelegentlich zu wiederholen." Sofern es sich bei diesem Verbot um einen Akt freien Ermessens handelt, ist allerdings absolute Rechtskraft ausgeschlossen. Aber O. Mueller übersieht, dass es auch eine relative Rechtskraft gibt, dass also in seinem Falle der Trödler ein Recht an dem Urteil erworben hat, welches aussprach, unter den gegebenen Umständen habe ein Verbot nicht statt.

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wäre verletzt, wenn es nicht geschähe 74 • Stimmt er jetzt zu, so ist das Gesuch zu be Ihandeln, als wäre das erste Urteil nicht da. Beharrt er aber auf seinem Widerspruch, so kann das nicht gleichgültig sein. Es steht doch zu seinen Gunsten fest, dass wie die Sache zur Zeit des ersten Urteils sich darstellte, nach richtigem Ermessen der Umstände die Anlage nicht zu dulden war. Die Zeit kann allerdings neue Tatsachen gebracht, neue Gesichtspunkte zu Tage gefördert haben, insofern liegen dann nova vor, denen gegenüber auch das Recht am Urteil nicht schützt; das ist eben nicht mehr eadem res. Aber nicht die leere Zeit wirkt so, das müssen wir festhalten. Was der Behörde als Neuheit erscheint und ob diese genügend ist, um den Standpunkt zu ändern, das bestimmt sie allerdings wieder mit freiem Ermessen; alles, was die Rechtskraft wirkt, ist nur eine Beschränkung des Stoffes ihrer Erwägungen. Aber das ist doch etwas juristisch nicht Gleichgültiges, sondern ist immerhin eine Rechtsschranke. Wenn dabei die Grenze schwankend scheinen mag, so wird das eher zu Gunsten der Partei mit dem Recht am Urteil ausschlagen, da die Behörden, menschlicher Weise, auf das schon einmal Geprüfte ohnehin nicht sehr geneigt sind, zurückzugreifen und sich daher gern auf die Rechtskraft berufen werden. Was hier an den polizeilichen Verfügungen in Urteils form zu beobachten war, ist selbstverständlich von ausschlaggebender Bedeutung für die ganze Lehre von der Rechtskraft. Loening, nachdem er a. a. O. S. 12 ff. meine auf solche Beobachtungen gegründeten Ansichten mit einigen allgemeinen Reflexionen verurteilt hatte als "nur willkürliche Konstruktionen, die in dem positiven Rechte keinen Boden haben", sieht sich denn auch (S. 18) veranlasst, bezüglich dieses praktischen Punktes noch einen besondern Nachweis der Unrichtigkeit meiner "Behauptung" zu versprechen. Dieser Nachweis wird S. 76 geliefert durch 74 Bayr. V. G. H. 19. Febr. 1890 (RegeT Entsch. XI S. 132 ff.): Einem neuen Gesuch um eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis steht die Rechtskraft einer früher erfolgten Abweisung nicht im Wege. Der Gerichtshof beruft sich hiefür in zustimmendem Sinne auf das oben (Note 73) bereits angeführte Erkenntnis O. V. G. 25. Juni 1879 (Samml. V S. 291). Von materieller Rechtskraft, führt er aber zunächst seinerseits aus, könne bei solchen abweisenden Beschlüssen nicht die Rede sein, "wenn und so weit dieselben nicht zugleich einen verwaltungsrechtlichen Ausspruch über bestrittene Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem Konzessionsbewerber und dessen im Streite beteiligten Gegeninteressenten enthalten". Es gibt also keine Rechtskraft für eine solche Verfügung, wenn "der Gesuchsteller lediglich der Gewerbepolizeibehörde gegenüber steht und prozessual beteiligte Gegeninteressenten grundsätzlich ausgeschlossen sind". In der Terminologie des Bayrischen Rechts ist ein "verwaltungsrechtlicher Ausspruch" ein Urteil. Die "Rechte der prozessual beteiligten Gegeninteressenten" sind nichts anderes als zur Geltendmachung im Verwaltungsrechtspflegeverfahren zugelassene Interessen (im Sinne von O. V. G. 23.0kt. 1895: "das als im Streitverfahren verfolgbares Recht anerkannte Privatinteresse des Waldeigentümers"). Hier ist also anerkannt, dass zu Gunsten eines solchen Kontradiktor Rechtskraft, selbstverständlich nur relative, eintreten würde.

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eine I Kritik der von mir angerufenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts. Und zwar hat Loening vor allem zweierlei dagegen vorzubringen. Einmal hält er dem Gerichtshof vor, dass er mit sich selbst in Widerspruch sei, wenn er unterm 25. Juni 1879 die Rechtskraft der polizeilichen Verfügung schlechthin verneint, während er doch kurz vorher in einem derartigen Falle das Gegenteil anerkannt habe. Eine Gastwirtschaftskonzession war nämlich erteilt worden und nachträglich hatte eine ortspolizeiliche Verfügung neue Anforderungen wegen der Betriebsstätte gestellt; der Gerichtshof hat sie mit Erkenntnis vom 7. Juni 1879 als rechtswidrig aufgehoben; die Gründe sagen: "Wollte man es der Polizeibehörde gestatten, nachträglich noch weitere derartige Anforderungen zu stellen, so würde die Sicherheit, welche der Konzessionierte dadurch erlangen soll, dass ihm die Erlaubnis nur auf dem in § 53 der Gewerbeordnung bezeichneten Wege wieder entzogen werden kann, völlig illusorisch werden." Das schreibt Loening wörtlich ab und verlangt, dass wir darin eine Anerkennung des "Einwandes der rechtskräftig entschiedenen Sache" sehen. Nun ist aber doch sonnenklar, dass es sich hier einfach um den Grundsatz unserer Gewerbeordnung handelt, dass einmal erteilte gewerbepolizeiliche Erlaubnisse dem Unternehmer eine gesicherte Stellung geben sollen, insofern der Widerruf nur aus bestimmten gesetzlich bezeichneten Gründen zulässig ist. Das gilt in erster Linie von der Erlaubnis, welche die gewöhnliche Polizeibehörde durch einfachen Verwaltungsakt erteilt, gilt natürlich ebenso, wenn die Erlaubnis in Form eines Urteils erteilt ist. Von Rechtskraftswirkung aber ist hier allenthalben keine Rede 75 • I Nun das zweite Argument! Es ist ebenso merkwürdig. "Die Ansicht, die in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zum Ausdruck kommt, wäre nur richtig, schreibt Loening (S. 76), wenn die Theorien O. Mayers über die einseitige Rechtspflege der Verwaltungsgerichte und über die Natur der Rechtskraft als eines Rechtes der Partei .. , richtig wären." Also erst wirft man mir vor "willkürliche Konstruktionen, die in dem positiven Rechte keinen Boden haben". Und wenn man dann an die positive Rechtsprechung kommt, die den Boden bildet, 75 Der gleichen Abneigung, die Rechtskraft zu unterscheiden von der Unabänderlichkeit, welche das Gesetz einem Akte um seines Inhalts willen gibt, begegnen wir auch schon S. 74 der angeführten Abhandlung. Im Text ist dort gesagt, dass nach rechtskräftiger Abweisung der Klage auf Zurücknahme einer gewerblichen Approbation oder Konzession eine neue Klage nur wegen nova erhoben werden kann. In Note 21 wird dann hinzugefügt: "Dem entspricht es, dass nach § 53 der Gewerbeordnung gewerbliche Genehmigungen und Bestallungen nur wegen Handlungen und Unterlassungen des Inhabers zurückgenommen werden können, welche der Zeit nach der Genehmigung oder Bestallung angehören". Das entspricht nicht, sondern ist etwas ganz anderes.

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dann kann sie nicht richtig sein, weil sonst Otto Mayer Recht hätte. Es wird mir nicht verübelt werden können, wenn mir das wie ein circulus vitiosus vorkommt und zwar sehr vitiosus! Dieses aber ist der letzte Pfeil, den die vielbesprochene Abhandlung nach mir sendet. Am besten wäre damit auch die Polemik gegen das Oberverwaltungsgericht geschlossen worden. Denn was nun noch hinzugefügt wird (S. 77 - 79) beansprucht wohl kaum eine selbständige Bedeutung zu haben. Das O. V. G. meint: die Abweisung eines neuen Antrags wegen Rechtskraft eines früheren abweisenden Urteils sei in Widerspruch mit der Gewerbeordnung, welche nur aus gewissen sachlichen Gründen die Abweisung gestattet. - Loening hält entgegen: wegen der Rechtskraft sei das eben keine neue Abweisung. Ganz richtig. Das O. V. G. nimmt nur an, dass ein solches Urteil keine Rechtskraft habe. Dann ist Abweisung mit Berufung darauf eben doch eine neue Abweisung. Das bringt uns also nicht vorwärts. Schliesslich kommt noch ein positiver Beweis, der für die Rechtskraft eines solchen Urteils gezogen werden soll aus § 100 des Preussischen L. V. G.; S. 79 heisst es wörtlich: "Hiernach I (nach dem § 100) ist die Klage um Wiederaufnahme des Verfahrens gegen ein rechtskräftig gewordenes Endurteil gegeben, wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird und sie ohne ihr Verschulden ausser Stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Wird also nachdem die Klage auf Konzessionserteilung durch rechtskräftig gewordenes Urteil zurückgewiesen ist, dieselbe Klage ohne Veränderung der rechtlich erheblichen Verhältnisse von neuem erhoben und daraufhin die Konzession durch ein zweites Urteil erteilt, so kann jederzeit ein von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses zu ernennender Kommissar, der die Rolle des Klägers im Wiederaufnahmeverfahren zu übernehmen hat (§ 74 Abs. 3 L. V. G.), die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens anstellen, sofern die Voraussetzung des § 582 (545) der Zivilprozessordnung vorhanden ist. Tatsächlich wird dies allerdings kaum vorkommen können. Diese tatsächliche Unmöglichkeit ist aber rechtlich unerheblich, denn der Rechtssatz setzt den anderen Rechtssatz als gültig voraus, dass ein Urteil in der Sache nicht erlassen werden darf, wenn in derselben Sache schon ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Der Richter verletzt das Recht, der in der Sache noch einmal ein Urteil erlässt, dem der Restitutionsgrund der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht." Der Sinn dieser Sätze, oder ich täusche mich sehr, ist kurz der: wenn das gesuch abweis ende Urteil materiell rechtskräftig ist, so unterliegt nach § 100 L. V. G. das zweite Urteil, welches ohne Berücksichtigung dieser Rechtskraft ergeht, dem Wiederaufnahmeverfahren; also muss das gesuchabweisende Urteil ma-

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teriell rechtskräftig sein. Ich vermag mit aller Mühe nichts anderes herauszulesen. Es fehlt freilich, wie wir alsbald sehen werden, nie an Leuten, auf die auch solche Beweisführungen Eindruck machen. I

VI. Die Unfehlbarkeit des Gerichts, Zivil-Gerichts oder VerwaltungsGerichts, und damit die absolute Rechtskraft seines obrigkeitlichen Spruches wird nur dann gefordert, wenn eine solche Behörde in dem ihr eigentümlichen Verfahren einen eigentlichen Rechtsprechungsakt, eine Feststellung mit Zubehör, eine Entscheidung erlassen hat. Wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, also bei Verfügungen in Urteilsform, fällt die absolute Rechtskraft fort und kann gegebenen Falles das Recht am Urteil, die relative Rechtskraft zu Tage treten. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, weshalb die Rechtskraft des Urteils der absoluten Bedeutung entbehren und folglich Raum lassen mag für das Wirksamwerden des Rechts am Urteil. Auch diese Schranke der absoluten Rechtskraft ergibt sich wieder aus dem Zwecke der Einrichtung. Sie soll die Justiz davor schützen, dass sie mit der Sache, über die sie schon einmal gesprochen, abermals behelligt und in Anspruch genommen werde; darum lässt sie die Zuständigkeit der Gerichte in diesem einen, formell rechtskräftig gewordenen Spruche sich erschöpfen. Ausserhalb der Gerichte und ihres streitigen Verfahrens besteht aber keine Amtsgewalt, um in "bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" zu bestimmen, was Rechtens sein soll, also auch keine Möglichkeit zu ändern oder neu zu machen, weder für die Justiz selbst in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, noch für die Verwaltung, gleichviel ob einfache Verwaltungsbehörde oder Verwaltungsgericht. Also muss die gegebene Entscheidung unverrückt aufrecht erhalten und ihre Anordnung von der ganzen vollziehenden Gewalt beachtet und vollzogen werden. Nun besteht aber allerdings neben dem geordneten Gang der Justiz doch noch eine Einrichtung zur Erledigung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und zwar der nämlichen Sachen, welche auch der Justiz gehören. Das ist das von den Parteien jeweils besonders geschaffene Schiedsgericht. Sein Spruch über die ihm anvertraute Sache ist nach I Erfüllung der Formen endgültig, bindend und vollstreckbar wie das echte Urteil. Für diese Schiedsgerichte ist jedoch der Satz ne bis in idem nicht gegeben. Der Staat hat kein Bedürfnis, den willigen Schiedsrichter vor nochmaliger Behelligung zu schützen oder dem neugewählten, der sich der Mühe unterziehen will, noch einmal zu machen, was der erste nicht zur Zufriedenheit der Parteien gemacht hat, solches zu verbieten. Ebensowenig werden die Gerichte sich weigern können, eine durch Schiedsspruch erledigte Sache, wenn die Parteien sich nun doch noch an sie

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wenden, ihrerseits nochmals zu entscheiden76 : einmalige Behelligung muss die Justiz sich für jeden Rechtsstreit gefallen lassen. Es muss aber auch umgekehrt ebenso sein. Der Schiedsrichter hat nicht die Machtgrenze der ordentlichen Gerichte; er darf auch eine neue Entscheidung übernehmen in einer Sache, in der das Gericht schon endgültig gesprochen hatte; und das Gericht hat seinen also gegebenen Schiedsspruch zu achten, auch wenn er darauf hinausläuft, das rechtskräftige Urteil zu beseitigen oder zu ändern. Dem Zweck der absoluten Rechtskraft ist auch hier genügt dadurch, dass die Justiz nicht zum zweiten Mal zur Entscheidung in Anspruch genommen wird. Hinzunehmen, was die Parteien sich auf andere Weise haben feststellen lassen, ist ihr nicht verboten. In all diesen Fällen ist selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Beteiligten zustimmen. Denn nur die absolute Rechtskraft gilt hier nicht, das Recht der Partei am Schiedsspruch, den sie erwirkt hat, besteht auch in diesem Verhältnis gerade so wie das Recht an ihrem Urteil. Soll gegenüber einem früheren Schiedsspruch oder einem Urteil ein neuer Schiedsspruch herbeigeführt werden, so ist die Einigung der Beteiligten ohnehin erforderlich, um das Schiedsgericht zu bestellen. Wenn dagegen etwa der im Schiedsverfahren unterlegene Kläger sich nun mit derselben Sache an die ordentlichen Gerichte wendet, so kann er das natürlich lohne vorgängige Vereinbarung; aber das Recht am Schiedsspruch würde hier darin sich erweisen, dass ohne die Zustimmung des Beklagten das Gericht mit der schiedsrichterlich erledigten Sache sich nicht noch einmal befassen dürfte; es würde sonst, nicht zwar die öffentlichrechtlichen Grenzen seiner Amtsgewalt verletzen, wohl aber das erworbene Recht des Verklagten, nicht nochmals Rede stehen zu müssen. Relative Rechtskraft! Immerhin ist der Schiedsspruch und sein Verhältnis zur Rechtskraft in der Justiz eine vereinzelte ausserordentliche Erscheinung. In der Verwaltung dagegen liegen die Sachen ganz anders. Hier ist nicht, wie in der Justiz, das Urteil der Kern und Mittelpunkt von allem, auf den alles hinstrebt oder von dem es ausgeht, und der hoheitliche Akt, der nichts Gleichwertiges neben sich duldet. Im Gegenteil, die ordentliche Form, in welcher die Obrigkeit hier dem Untertanen bestimmt, was für ihn im Einzelfalle Rechtens sein soll, das ist der einfache Verwaltungsakt; nur in dem Masse, als das Gesetz es besonders vorgesehen hat, tritt neben ihn der in Form der Rechtspflege erlassene Verwaltungsakt, das verwaltungsgerichtliche Urteil. Die umfassenden Zuständigkeiten der ordentlichen Verwaltungsbehörden, Behörden der allgemeinen Landesverwaltung oder wie sie heissen, begreifen im Zweifel die nämlichen Sachen in sich, für welche auch Verwaltungsgerichte bestellt 78

In diesem Sinne: Wach, Handbuch I S. 75.

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sind. Die letzteren allerdings pflegen so geordnet zu sein, dass sie einen Fall entweder von vornherein bis zu Ende übernehmen oder dass der Weg von den Verwaltungsbehörden aus an sie geht, damit sie das letzte Wort haben; immer ist mit der formellen Rechtskraft ihres Urteils der einzelne Fall erledigt. Aber dieselbe Frage, eadem res, kann aus irgend einem Anlass von neuem in die Hände der ordentlichen Verwaltungsbehörde gelangen, um darin eine neue Anordnung zu treffen oder gegenüber neuen Bedürfnissen daraus Folgerungen zu ziehen, von Amts wegen oder auf Gesuch eines Beteiligten. Inwiefern ist sie dabei an den ergangenen Spruch I des Verwaltungsgerichts gebunden? Wieder werden wir sagen müssen: im Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichten und einfachen Verwaltungsbehörden gilt der Satz ne bis in idem nicht. Der Zweck, der diesen Satz erzeugte, ist hier nicht in Frage: die Verwaltungsgerichte allerdings sollen nicht unmittelbar wieder befasst werden dürfen mit einer Sache, die sie schon einmal entschieden haben, sie sollen vor abermaliger "Behelligung" geschützt sein, wie die Zivilgerichte 77 • Aber dass die Verwaltungsbehörde sich dazu hergebe, nochmals zu prüfen, was an sich zu ihrer Zuständigkeit gehört, ist dadurch nicht verboten, oder, anders ausgedrückt: ihre Amtsgewalt ist nicht dadurch verbraucht, dass die Verwaltungsjustiz mit der Sache zu Ende gekommen ist. Also müsste die Verwaltungsbehörde in der Lage sein, eine vom Verwaltungsgericht abgeurteilte Sache bei späterer Gelegenheit anders auffassen und behandeln zu können. Und das gilt, wohlverstanden, nicht bloss gegenüber Verfügungen in Urteilsform, sondern auch gegenüber richterlichen Entscheidungen. Denn der Grund, der die absolute Rechtskraft hier ausschliesst, liegt nicht im Gegenstand und Inhalt der Rechtspflege, sondern im Verhältnis der beteiligten Behörden78 • Dieses Ergebnis wird sofort auf lebhaften Widerspruch stossen. Und zwar können wir zweierlei Gründe dagegen angeführt erwarten, einen irrigen und einen richtigen. 1 Der irrige ist der, welcher einfach mit dem Gefühle arbeitet: so dürfe man doch mit einem richterlichen Urteile nicht umspringen. Damit 77 So wollen wir wenigstens annehmen; vgl. oben IV in fine. Ganz unbedenklich ist die Uebertragung der Grundsätze der absoluten Rechtskraft auf die Verwaltungsgerichte ja nicht. Grade das hier geschilderte Verhältnis zu den Verwaltungsbehörden mag die Zweifel rechtfertigen. 78 Halbey, Gemeindeverf. und Verw.-R. S. 381 bringt diesen Gedanken ganz deutlich zum Ausdruck. Er handelt von der mangelnden Rechtskraft bei polizeilichen Verfügungen, insbesondere bei richterlicher Abweisung von Gastwirtschaftsgesuchen, und begründet diese Erscheinung so: "Da über diesen Antrag (den neuen Antrag auf Genehmigung) nicht etwa sofort wieder ein neues Verwaltungsstreitverfahren eintritt, so kann der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache dem Antrage gegenüber überhaupt nicht in Frage kommen. ce

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macht man aber nur eine unwillkürliche Uebertragung der Anschauungen, die im Zivilprozess gelten; dort allerdings hat das gerichtliche Urteil nichts Gleichartiges neben sich, hier aber wohl. Deshalb müssten wir hier fragen: warum soll die Verwaltungsbehörde gebunden sein? Von selbst versteht sich das nicht und die absolute Rechtskraft ist, wie wir sahen, unanwendbar. Aber der zweite Grund schlägt durch. Wenn die absolute Rechtskraft ihrer Natur nach für die Verwaltungsbehörde nicht gilt, so ist damit nicht gesagt, dass das Urteil für sie ganz so frei veränderlich ist, wie ein gewöhnlicher Verwaltungs akt, den sie ausserhalb eines Prozessverfahrens erlassen hat. Das Recht der Partei, welches in diesem Verfahren zur Geltung kommt, hat notwendig auch das Urteil erfasst und bindet den darin niedergelegten Ausspruch dessen, was Rechtens sein soll, als unantastbar gegenüber der ganzen vollziehenden Gewalt, gegenüber den Verwaltungsbehörden so gut, wie gegenüber den Gerichten. Ist die Verwaltungsbehörde an sich zuständig, in der Sache neu und anders zu bestimmen, so würde sie doch das Recht der Partei verletzen, zu deren Gunsten das Urteil ergangen ist, wenn sie von dieser Zuständigkeit zu deren Nachteil Gebrauch machte. Mit andern Worten: hier ist wieder ein Fall, wo die relative Rechtskraft zutage treten muss. Diese ist aber ihrer Natur nach verzichtbar. Die praktische Bedeutung der erkannten Rechtslage kommt also in dem Satze zum Ausdruck, dass die Verwaltungsbehörden von dem, was das verwaltungsgerichtliche Urteil bestimmt hat, nur abweichen dürfen mit Zustimmung der Partei, die das Urteil erwirkt hat. Practica est multiplex, das gilt von der Verwaltung vor allem. Zum Unterschied von der strengen und etwas förmlichen Frau Justitia muss die Verwaltung sich dem Reichtum des Lebens, I dem sie gegenübersteht, freier und leichter anschmiegen können. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie es im Einzelfalle den Interessen aller Beteiligten besser entsprechen kann, wenn eine Massregel getroffen wird, die abweicht von dem, was formell bindend durch das Urteil bestimmt war. Warum soll das nicht zulässig sein, hier, wo weder ein Prinzip verletzt ist, noch, angesichts der Zustimmung des Berechtigten, ein erworbenes Recht? Die Verwaltungsbehörden werden sich schwerlich gescheut haben, schon immer in diesem Sinne zu handeln. Besser ist es natürlich, wenn der Staat durch eine klare Vorschrift das ausdrücklich gut he isst. Es ist das Verdienst des sächsischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 in seinem § 61 dem vernünftigen Recht zum vollen Ausdruck verholfen zu haben. Die Bestimmung lautet: "Das rechtskräftige Urteil bindet für den Streitgegenstand ausser den Parteien sowohl die Verwaltungsgerichte als auch die Verwaltungs-

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behörden und zwar diese mit der Wirkung, dass sie gegen den Willen der Parteien nichts verfügen können, was davon abweicht." "Diese", das sind die Verwaltungsbehörden 79 • Im Gegensatz zu ihnen ist also das Verwaltungsgericht an seine eignen Urteile und an die der andern Verwaltungsgerichte schlechthin gebunden, ohne die Möglichkeit, durch Zustimmung der Partei entbunden zu werden. Mit anderen Worten: zwischen den Verwaltungsgerichten gilt absolute Rechtskraft. Wir haben vorhin unter V noch einen anderen Fall aufgewiesen, wo in Verwaltungssachen laut Zeugnis des preussischen Oberverwaltungsgerichts absolute Rechtskraft nicht besteht und folgerichtig die relative Rechtskraft zum Vorschein kommen kann: den der Verfügung in Ur-:teilsform. Das Sächsische Gesetz scheint diesen anderen Fall nicht zu berücksichtigen; sonst müsste es für I diesen die Möglichkeit offen lassen, dass mit Zustimmung der Partei auch Verwaltungsgerichte von einem formelI rechtskräftigen Urteil abweichen können. Allein wie die Sache für den sächsischen Gesetzgeber liegt, ist darin für ihn keine Lücke gegeben. Denn nach der Abgrenzung der Verwaltungsstreitsachen, wie er sie getroffen hat, sind tatsächlich nur Entscheidungen dazu verwiesen 8o • Verfügungen in Urteilsform gibt es nach sächsischem Rechte nicht. Also war für ihr besonderes Verhalten gegenüber der Rechtskraft nichts vorzusehen. Aber soweit das Recht am Urteil mit der daranhängenden relativen Rechtskraft für seine Ordnung der Verwaltungsrechtspflege überhaupt in Betracht kommen kann, hat es der sächsische Gesetzgeber förmlich anerkannt, indem er die markanteste und entscheidendste praktische Schlussfolgerung daraus sanktionierte. Das sächsische Gesetz stellt die jüngste Ordnung vor, welche die Verwaltungsrechtspflege in Deutschland gefunden hat. Es ist das erste, das zu dem Problem der Rechtskraft in Verwaltungssachen mit vollem Bewusstsein und in voller Absichtlichkeit Stellung nimmt. Es tut das, nachdem die Lehre von dem Recht am Urteil literarisch bekämpft worden war, mit wenig sachlichen Gründen zwar, aber mit desto mehr Eifer und jedenfalls mit einem gewissen Aufsehen. Das muss die Bedeutung der hier ergangenen Entscheidung wesentlich erhöhen. Minder wichtig, aber doch recht bezeichnend für die Sachlage ist ein anderes Zeugnis für die relative Rechtskraft, welches gelegentlich des 26. Deutschen Juristentages abgelegt worden ist. Das ist, wie mir scheint, nicht mit klarem Bewusstsein geschehen, aber gerade das macht 79 Nach den Motiven des Gesetzes ist kein Zweifel möglich, dass nur sie gemeint sind: Apelt, Komment. zum Ges. über die V.-R.-Pfl. S. 67. 80 Sächs. Ges. v. 19. Juli 1900 § 21, § 76.

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es so beweiskräftig: das Recht am Urteil liegt in der Luft und drängt sich auch Widerwilligen auf.

Bernatzik nämlich in seinem Gutachten hat mich zunächst, wie schon früher erwähnt, sehr hart angelassen wegen meiner I grossen Verkehrtheit, an ein Recht am Urteil zu denken (S. 37). Am Schlusse aber (S. 51) tritt er dann mit einem "Gesetzesvorschlag" hervor, der die Rechtskraft in der Verwaltung nach seinem Sinne ordnen soll, - er ist freilich vom Juristentage nicht mit derjenigen Dankbarkeit begrüsst worden, die einem wohlmeinenden Legislator zu gönnen wäre. Nun denn, in diesem Vorschlag wird im § 1 auch einmal der Versuch gemacht, die Wirkung von endgültigen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, d. h. die Rechtskraft genauer zu bestimmen. Sie besteht darin, dass nicht bloss die Parteien, sondern auch die Behörden an die Entscheidung gebunden sind "und zwar die Behörden dergestalt, dass sie gegen den Willen der Parteien nichts Abweichendes beschliessen können". - Gegen den Willen! also mit Zustimmung der Parteien können sie es wohl. Ja, wie ist mir denn? Ist das nicht der Wortlaut des sächsischen Gesetzes? Ist das nicht die relative Rechtskraft und das Recht der Partei am Urteil? Schade dass Bernatzik nicht schon auf S. 37 seines Gutachtens zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Es wäre mir dann vielleicht manches harte Wort erspart geblieben.Vielleicht auch nicht. Es möge gestattet sein, doch noch mit einem Wort auf die Eigenart dieser gelegentlich des 26. Deutschen Juristentages gegen mich erhobenen Polemik hinzuweisen. Wenn der Gutachter Bernatzik mich ziemlich übel mitgenommen hatte, so war es damit noch nicht fertig. Denn jetzt kam erst noch der Referent Seidler und wiederholte die Lektion. Zunächst wirft er mir ein paar Ausdrücke hin, die Bernatzik einfach parallel laufen. Sagt dieser: "unbegreiflich" und "sonderbarer Irrweg", so sagt er: "es muss wundernehmen" und "man muss nur staunen" (Verhandlungen S. 387). Sodann erklärt er mich für einen toten Mann: "Man braucht wohl gegen diese Konstruktion, die nichts ist als eine Begriffsspielerei, keine weitere Polemik zu führen." Dass ich aus dieser reinen Begriffsspielerei auch noch "ernste Konsequenzen" zu ziehen suche, rechnet er I mir als erschwerenden Umstand an. Bei unbefangener Beurteilung würde er sich wohl gesagt haben, dass man von reiner Begriffsspielerei nicht mehr reden darf, wo einer ernste Konsequenzen aus seinen Begriffen zu ziehen sucht. Wenn man dann diese Konsequenzen anerkannt sieht von Autoritäten wie das preussische Oberverwaltungsgericht, der sächsische Gesetzgeber und Bernatzik, so wäre es vielleicht angezeigt, sich die Sache selbst einmal einigermassen zu überlegen. Aber an der Unbefangenheit hat es hier offenbar gefehlt.

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Ganz ohne alle Begründung lassen allerdings meine beiden Gegner ihre Stellungnahme doch nicht: sie berufen sich übereinstimmend auf Loenings oft erwähnte Abhandlung. Bernatzik S. 37 höhnt: "Loening hat ihn bereits im Verw.-Archiv VII S. 12 so schlagend widerlegt, dass es wirklich schade wäre, dem dort Gesagten noch etwas beizufügen." Seidler aber hatte zunächst zwar unterlassen, sich auch dieser Beifallsbezeugung wieder anzuschliessen, da er es für überflüssig erklärte, mich überhaupt einer Entgegnung zu würdigen. Am Schlusse seines Referats widmet er mir gleichwohl geschwind noch eine ganz unzutreffende Bemerkung, auf die wir hier nicht eingehen, und fügt bei: "Im übrigen berufe ich mich auf Loening, der diese Theorie Mayers gründlich widerlegt und dieselbe als willkürlich, ohne jeden Boden im positiven Rechte bezeichnet hat"81. Wir haben uns ja mit Loenings Angriff jetzt ausreichend beschäftigt, und ich denke, man wird nicht den Eindruck haben, dass für diese einhellige Begeisterung allzu viel sachlicher Grund ist. Wohl verstehe ich recht gut, dass hier ein gewisses persönliches Bedürfnis besteht, mich von irgend einem anderen einmal recht gründlich widerlegt zu sehen. Aber es scheint mir doch im Interesse der I Sache zu sein, dass sich nicht eine Legende bildet von der grossen Widerlegung, die Loening bereits an mir verübt hätte. Das hat mir die Feder in die Hand gedrückt zu diesen - wie man begreiflich finden wird - möglichst deutlichen Auseinandersetzungen. Der Hauptpunkt - und der einzige, um den ich streite, - das Recht am Urteil ist nicht widerlegt und ich glaube auch nicht, dass man ohne diese Idee zu einer befriedigenden Lösung des Problems der Rechtskraft gelangen wird. Eine absolute Rechtskraft mag man daneben noch annehmen oder nicht. I

81 Dass Tezner nicht unterlässt, diese Widerlegung zu begrüssen (Deutsche Theorien der V.-R.-Pflege S. 161 Note 52 in Verbindung mit S. 162), versteht sich von selbst; doch ist er dabei verhältnismäßig massvoll, ich weiss nicht warum.

Die Haftung des Staats für rechtswidrige Amtshandlungen Vortrag gehalten auf Veranstaltung des Königlichen Justizministeriums am 30. November 1912 zu Dresden· Unter Haftung verstehen wir, daß einem Rechtssubjekt die Verursachung des Nachteiles zugerechnet wird, der ein anderes getroffen hat, mit der Wirkung der Pflicht, diesem den Vermögenswert zu ersetzen. Daß jedem in solcher Weise zugerechnet wird, was er unmittelbar durch sein eigenes Verhalten an Schaden anrichtet, setzen wir aber als selbstverständlich voraus. Unter Haftung verstehen wir daher im engeren Sinne, wie die französischen Juristen unter responsabilite, die Zurechnung des schädigenden Verhaltens, das einen anderen Ausgangspunkt hat, vor allem des Verhaltens eines anderen Menschen. Die Haftung des Staates für den Schaden, den seine Beamten einem Untertanen zufügen durch rechtswidrige Amtshandlungen, ist ein besonders wichtiger Fall davon. Es handelt sich dabei um eine alte Frage, die schon viel Mühe und Kampf gekostet hat. Das BGB. und die damit zusammenhängende Gesetzgebung haben jetzt versucht, ihr die rechte Lösung zu geben. Ob es gelungen ist? Jedenfalls verlohnt es sich, daß man diesem neuen Rechte gegenüber Wissens Sorge trage "woher es kam der Fahrt, was sein Geschlecht und Art". 1. Aus der Landeshoheit ist unser Staat erwachsen. Seit der Reformationszeit vor allem waren die deutschen Fürsten daran, ihn herauszuarbeiten mit Hilfe des Beamtentums, das sie sich schufen. Kaum war aber dieses erst zustande und in Gang gebracht, so begannen schon die Rechtsgelehrten sich die Aufgabe zu stellen, wie man den Landesherrn vor den Gerichten haftbar machen könne für die Fehler und Mißgriffe, durch welche diese seine Leute die Untertanen rechtswidrig schädigen mochten. Das Corpus juris civilis mußte natürlich die Antwort liefern und so kam man denn auf eine actio institoria vel quasi, oder gar man erinnerte sich an die Haftung des Steuerpächters, des publicanus, der für die Missetaten seiner bei der Eintreibung verwendeten Sklaven in Anspruch genommen werden konnte, wenn er nicht vorzog, diese I dem

• Zuerst veröffentlicht im Sächsischen Archiv für Rechtspflege, Jg. 8 (1913), S. 1 - 16.

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Geschädigten auszuliefern, noxae dare; - da letzteres bei den Beamten nicht wohl anging, so haftete der Landesherr nach § 1 D XXXIV, 4 schlechthin. Die Frage bekam erst eine Gestalt, die unseren heutigen Anschauungen entspricht, nachdem die Idee des Staates selbst schon deutlicher hinter dem Landesherrn hervorgetreten war, als des großen Rechtssubjektes, in dessen Namen alles geschieht. Dazu trat dann als etwas Neues die Scheidung von Zivilrecht und öffentlichem Recht und die Erkenntnis, daß der Staat dem ersteren wohl in gewissem Maße unterliegt, aber nicht durchweg, sondern ein freies Gebiet behält, das man das des öffentlichen Rechtes nennt, mit dem Hintergedanken, daß es eigentlich kein Recht sei oder doch ein ziemlich zweifelhaftes. Und nun kam auch jene seltsame Spaltung des Staates, mit der unsere Juristen solange gearbeitet haben - unbewußt tun sie es ja jetzt noch -, die Spaltung in die zwei Persönlichkeiten: die eigentliche Staatspersönlichkeit, gekennzeichnet durch die hoheitliche Macht, mit der sie ausgestattet erscheint, und den Fiskus, den gewöhnlichen Privatmann, der jene immer begleitet, um die vermögensrechtliche Seite zu vertreten, dem Zivilrecht und der Zivilgerichtsbarkeit zu unterliegen. Nun war es klar: wenn die Leute des Fiskus rechtswidrigen Schaden anstifteten, so richtete sich die Haftung nach den Regeln, nach welchen man überhaupt juristischen Personen nach dem gewöhnlichen Zivilrecht in solcher Weise beikommen konnte. Für den wichtigeren Fall aber, wo die Beamten des Staates in Geltendmachung seiner Hoheitsrechte, in Ausübung der öffentlichen Gewalt gesündigt hatten, da war das Problem gestellt, an welchem die Juristerei sich fortan zerarbeitete. Die einen griffen hier ganz offen auf das Zivilrecht zurück: sobald die Beamten des Staates rechtswidrig handeln, treten sie samt ihrem Auftraggeber aus dem Schutzkreis des sogenannten öffentlichen Rechtes heraus und ihre Haftung bemißt sich wieder nach Zivilrecht, insbesondere die des Staates nach dem, was dort für die Haftung juristischer Personen überhaupt gilt. - Die andern suchten eine "staatsrechtliche Haftung" zu begründen. Die Formel dafür gibt Pfeiffer in seinen praktischen Ausführungen: Der Staat, sagt er, gestattet seinen Untertanen keinen Widerstand gegen die rechtswidrige Amtshandlung, zwingt sie solches zu dulden, also muß er auch für den Schaden aufkommen. Freilich, wenn man ihn so zum Mitdelinquenten macht, so ist die Haftung dafür offenbar doch nicht staatsrechtlich, sondern ganz einfach zivil rechtlich gedacht. - Die größte Anhängerschaft hat jedenfalls die Ansicht gefunden, welche H. A. Zachariae so glänzend vertrat, auch noch auf deutschen Juristentagen: der Staat, der seinen Beamten die alles überwiegende öffentliche Gewalt anvertraut, muß sich dafür ansehen lassen, daß er den Untertanen gegenüber eine allgemeine Garantie übernommen habe für allen

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ihnen daraus entstehenden Schaden; aus diesem Versprechen haftet er. Man wird freilich wieder behaupten können, wie es ja auch des öfteren geschehen ist, dieses Garantieversprechen sei eine willkürliche Fiktion, an die niemand zu glauben verpflichtet wäre, namentlich auch die Gerichte nicht, die den Staat daraus verurteilen sollen. Vor allem aber gilt auch hier, daß diese "staatsrechtliche Haftung" gar nichts anderes ist als die Anwendung gewöhnlicher zivilrechtlicher Begriffe. Warum soll das Garantieversprechen öffentlichrechtlicher Natur sein? Man hat es denn auch einfach als Bürgschaft behandelt und die Folgerung daraus gezogen, daß die vom Staate übernommene Haftung nur eine subsidiäre sein könne. I Alle diese Versuche waren also nie aus dem Gedankenkreise des Zivilrechts herausgekommen. Es war da gewiß richtiger, wenn man sich schließlich dabei beschied, daß der Staat zwar, wo er dem Privatrecht untersteht, wie andere juristische Personen für Verschulden seiner Vertreter und Gehilfen haftbar werden kann, vor allem bei Erfüllung eingegangener Vertragsverpflichtungen, daß aber auf öffentlichrechtlichem Gebiete weder ein allgemein gültiger Rechtssatz, noch auch nur eine einheitliche Grundidee zu finden sei, wonach der Staat für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten Entschädigung zu leisten hätte. Loening in seiner 1879 erschienenen Schrift faßt das Ergebnis so zusammen; die Ausnahme, die er noch gelten lassen will für gerichtliche Hinterlegungen und ähnliche Fälle, wo der Staat wenigstens aus einem öffentlichrechtlichen Vertrage hafte, ist genauer betrachtet doch keine; Piloty hat 1888 mit Recht darauf hingewiesen, daß auch dieser öffentlichrechtliche Hinterlegungsvertrag in Wirklichkeit doch wieder nur als ein zivilrechtlicher gedacht ist. - In der 4. Auflage seines einflußreichen Staatsrechts der preußischen Monarchie hat v. Roenne (1883) jenes Ergebnis in der Sprechweise der damals noch recht lebendigen Fiskustheorie kraftvoll zum Ausdruck gebracht. Er rechnet noch mit den zweierlei Staatspersönlichkeiten: dem eigentlichen Staat mit seinen Hoheitsrechten und dem Fiskus. Dieser, der Staat als "Erwerbsgesellschaft" , muß nur für den Schaden haften, welchen seine Beamten bei Erfüllung rechtsgültig eingegangener Verbindlichkeiten verursachen. Der Staat als solcher dagegen kann durch rechtswidrige Handlungen, welche die mit der Regierungsgewalt beauftragten Beamten bei Ausübung ihres Amtes begehen, niemals verbindlich werden, denn er ist in dieser Gestalt einem Untertanen gegenüber nicht fähig, eine vermögensrechtliche Verbindlichkeit auf sich zu nehmen. Er hat ja nach dieser Lehre überhaupt kein Geld. Der Fiskus allerdings hat das Geld, er kann auch verpflichtet werden zu vermögensrechtlichen Leistungen; aber er ist bei jenen Regierungshandlungen gar nicht beteiligt: "der Fiskus ist in Beziehung auf die Organe der Staatsgewalt ein Dritter". 9 Otto Mayer, Bd. I

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Richtig oder unrichtig ausgedrückt, das war wohl der damals maßgebende Standpunkt. Damals, also in den 80er Jahren, während das große Werk schon im Gange war, dem deutschen Volk ein gemeinsames BGB. zu schaffen: 1888 ist ja der erste Entwurf herausgekommen, der die Bestimmungen, welche unsere Frage jetzt berühren, im wesentlichen schon enthält. Es läßt sich erwarten, daß jene Anschauungen nicht ohne Einfluß geblieben sind. 11. Das BGB. hat für die von ihm zu ordnenden juristischen Personen, die juristischen Personen des Privatrechts, den Grundsatz aufgestellt, daß sie schlechthin verantwortlich sind für den Schaden, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter rechtswidrigerweise einem Dritten zufügt (§ 31). Die Motive des 1. Entw., I, 103, rechtfertigen das durch die Erwägung, daß die Körperschaft, die durch die Vertretung die Möglichkeit gewinne, im Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, auch die Nachteile übernehmen müsse, welche die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringe. Sie soll die Gefahr der Schädigung tragen, die aus dem Unternehmen entspringt, das um ihres Vorteils willen in den Verkehr hineingestellt wird - ein Gedanke, der ja in unserem Zivilrecht auch sonst seine Rolle spielt -, nicht schlechthin, sondern nur so weit, wie ein einzelner es tun würde, der gleiches ins Werk setzt. Wie bei diesem die Haftung für eigenes Verschulden I ergänzt wird durch die Haftung für andere und durch Vermutungen der Schuld, nach BGB. §§ 278, 831 ff., so in gleicher Weise die Haftung der juristischen Person für ihren Vorstand: ein ganzer Kreis von Verantwortlichkeit schließt sich an diesen einen Punkt, in dem sie durch den Willen· des Gesetzes ein für allemal dafür zugänglich gemacht worden ist. Nach § 89 soll nun der gleiche Grundsatz Anwendung finden auf juristische Personen des öffentlichen Rechtes, insbesondere auch auf den Fiskus. Wer das ist? Selbstverständlich nicht die alte selbständige juristische Person neben dem Staat; an die glauben wir nicht mehr. Sondern es ist der Staat, von einer gewissen Seite betrachtet, der Staat in vermögensrechtlicher Beziehung. Das kann eine öffentlichrechtliche oder eine zivilrechtlich geordnete Beziehung sein. Wenn aber hier vom Fiskus die Rede ist, so wird dabei, wie so häufig, vorausgesetzt, daß diese Frage schon in letzterem Sinne entschieden sei. Nach welchen Merkmalen sie so entschieden werden soll, also wann der § 31 auf den Staat Anwendung findet, das wird sich nach gegebenen allgemeinen Grundsätzen zu richten haben. Es sind dieselben, nach welchen sich die Anwendbarkeit des Zivilrechts überhaupt bestimmt. Bei Ausarbeitung des BGB. war man sich recht wenig klar darüber. In den Motiven des 1. Entw. (I, 103) wie bei den Beratungen der Kommission für die zweite Lesung (I, 609) wird hier der Unterschied hervorgehoben, ob es sich um

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einen Vertreter in Ausübung privatrechtlicher Vertretungsmacht handelt oder um einen Beamten bei Ausübung einer ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt. Unsere Forstbeamten, Eisenbahnbeamten, Postbeamten, die mit ersteren gemeint sind, erhalten aber doch ihre Vertretungsmacht öffentlichrechtlicherweise wie Richter und Schutzleute. Es kommt auf die Art von Tätigkeit an, die sie im Einzelfall mit dieser Vertretungsmacht für den Staat verrichten. Ein Antrag, der in der Kommission der zweiten Lesung (Prot. I, 607) zu dem jetzigen § 89 gestellt war, formulierte die Voraussetzung der Anwendbarkeit des bürgerlichen Rechtes besser so: "wenn die juristische Person des öffentlichen Rechtes in ein Verhältnis des bürgerlichen Rechtes eintritt und die Verrichtung sich auf ein Verhältnis dieser Art bezieht". Ungenau ist auch das noch. Wenn die Forstverwaltung einen Baum fällt und das vorbeifahrende Auto verletzt wird, kann sie haftbar werden; das ist dann natürlich ein Verhältnis des bürgerlichen Rechts; aber für die haftbar machende Anwendung dieses Rechtes wird ja vorausgesetzt, daß sie schon vorher in ein solches getreten sei, und das kann man hier nicht sagen. Jenes Bäumefällen ist keine privatrechtliche, sondern eine privatwirtschaftliche Tätigkeit, als solche auch beim Staate bestimmt, sobald ein anderer berührt wird, in ihren Wirkungen diesem gegenüber durch das Privatrecht geregelt zu werden. Das sind jetzt wohl bekannte Dinge. Die Verfasser des BGB. gehen offenbar von der Ansicht aus, daß die erforderliche genaue Abgrenzung der privatrechtlich zu ordnenden Fiskustätigkeit von der anderen Seite her zu gewinnen sei. Man läßt sich nämlich führen von den Gedankengängen des Polizeistaates, der ja die Grenzlinie möglichst weit hinausschob zugunsten des dem Privatrecht zugänglichen Fiskus: sobald es sich um Geld und Geldeswert handelt, hat man es danach grundsätzlich mit diesem zu tun; nur da ist das ausgeschlossen, wo der Staat sich als solcher legitimiert durch Befehl und Zwang, die er übt, durch I das machtvolle Erscheinen der öffentlichen Gewalt. So möchte jetzt noch unser BGB. einen Maßstab der Unterscheidung gewinnen: im EG. Art. 77 ist der Fall der Haftung des Staates für rechtswidrige "Ausübung der öffentlichen Gewalt" der Landesgesetzgebung vorbehalten; überall, wo diese öffentliche Gewalt nicht erscheint, hätten wir es also mit dem Fiskus zu tun, hätten Zivilrecht, hätten insbesondere § 31 auf die Frage nach seiner Haftung zur Anwendung zu bringen. Das ist ganz noch die Formel von v. Roenne im Staatsrecht der preußischen Monarchie, wie sie vorhin wiedergegeben wurde. Es ist der Standpunkt, nach welchem man die Gehaltsforderungen der Beamten, die Entschädigungsansprüche für Manöverschäden, die Erstattungspflichten zwischen den Gemeinden für geleistete Armenunterstützungen dem Zivilrecht zuwies. Er ist in der Wissen9·

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schaft des öffentlichen Rechtes überwunden; wenn die Verfasser des BGB. ihn noch nicht überwunden hatten, so ist das für uns nicht maßgebend; denn was öffentliches Recht sei und wieweit es gelte, hat das BGB. nicht bestimmt und nicht bestimmen wollen. Unser heutiger Standpunkt für die Abgrenzung ist grundsätzlich der umgekehrte: das öffentliche Recht, das wir jetzt auch genügend kennen, ist das dem Staate und seinem Verhältnis zum Untertan eigentlich entsprechende, das ihm angeborene; die Anwendung des bürgerlichen Rechtes ist hier die begrenzte Ausnahme, nur geltend, soweit der besondere Grund dafür reicht, der Umstand nämlich, daß der Staat, seine Natur verleugnend, sich heruntergegeben hat zum gewöhnlichen Privatmann, um wie ein solcher und in privatwirtschaftlicher Weise Geschäfte zu besorgen. Die Grenze ist in den allermeisten Fällen gar nicht schwer zu ziehen, das Recht, wie es wirklich gehandhabt wird, gibt ihr auch die Bestätigung. Aber das Gebiet des privatrechtlich zu behandelnden Fiskus erleidet dadurch gegen früher selbstverständlich eine bedeutende Verengerung. Selbstverständlich anderseits ist die Praxis der Gerichte noch vielfach im Banne der früheren Anschauungen geblieben, die des Reichsgerichts vor allen, das erklärlicherweise dem öffentlichen Rechte und seiner neuen Entwicklung sich wenig zugänglich zeigt. Dem entspricht auch eine ausgedehnte Anwendung des § 31 auf den Staat und seine Haftbarkeit, weit in das öffentlichrechtliche Gebiet hinein. Man kann sagen, daß das eine gewisse moralische Rechtfertigung findet an der Lücke, die hier auszufüllen ist für einen erwünschten, aber fehlenden öffentlichrechtlichen Rechtssatz. Aber die klare und folgerichtige Entwicklung unseres öffentlichen Rechts und seine Abgrenzung vom bürgerlichen wird jedenfalls dadurch gehemmt. Hier kommen vor allem die zahlreichen Entscheidungen in Betracht, welche den Staat oder die Gemeinde nach BGB. § 31 haftbar machen für Unfälle, welche die einzelnen erleiden bei Benutzung öffentlicher Straßen oder Brücken, weil ein unordentliches Loch im Straßenpflaster war, oder Glatteis nicht rechtzeitig beseitigt worden ist. Oeffentliche Gewalt war hier nicht sichtbar geworden in Befehl und Zwang, also Privatrecht! Bezeichnend ist es, daß in Gebieten, wo ein entsprechender öffentlichrechtlicher Rechtssatz besteht, das Bedürfnis nach Ausfüllung jener Lücke also nicht vorliegt, die gleichen Fälle von den Gerichten ganz gern als dem öffentlichen Rechte zugehörig behandelt und nach diesem erledigt werden. So in Sachsen, wo wir das bekannte Gewohnheitsrecht haben für die Haftung des Staats auch für Amtshandlungen auf öffentlichrechtlichem Gebiet. Eine Frau kommt in Klein-Zschocher auf der schlecht I besorgten Straße zu Fall. Entschädigung wird ihr zugesprochen nicht nach BGB. §§ 31 und 89, sondern gemäß EG. Art. 77 wegen fehlerhafter Hand-

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habung der öffentlichen Gewalt: "Die mit Ausübung der Wohlfahrtspolizei betraute Behörde habe es unterlassen, die nötige Aufsicht zu führen" (RG. 11. Mai 1906; FischersZ. 28, 210). Der Zusammenhang mit der "öffentlichen Gewalt" ist durch das Hereinziehen des Namens Polizei nur ganz künstlich hergestellt. Aber das Verhältnis der Gemeinde zu der Verletzten ist allerdings hier, wie in den vom Reichsgericht sonst nach § 31 BGB. erledigten Fällen, dem öffentlichen Rechte zugehörig: sie hatte ihr den Gemeingebrauch gewährt, bei dem sie zu Schaden kam; der ist gar nicht zivilrechtlicher Natur, von privatwirtschaftlicher Lebensäußerung des Gemeinwesens war keine Rede, allerdings auch nicht von öffentlicher Gewalt, Befehl und Zwang im Sinne der alten polizeistaatlichen Abgrenzungsweise. Hier wird noch größere Klarheit zum Durchbruch kommen müssen. Bemerkenswert ist auch die wunderliche Ausgestaltung der Begriffe "Vorstand oder anderer verfassungsmäßiger Vertreter", die sich mit dieser übertriebenen Anwendung des § 31 auf Staat und Gemeinde verbindet. Während nach der ratio legis durch jene Vorschrift doch nur eine Gleichstellung der juristischen Person mit der natürlichen bezweckt wird: um sie wie diese zugänglich zu machen für die Haftung, muß sie einstehen für die Menschen, durch welche sie erst handlungsfähig wird, - hat die Praxis daraus eine unbedingte Haftung für alle möglichen Gehilfen zu machen gewußt; Betriebsinspektoren, Straßenkontrolleure, Polizeidirektoren, - alles was einigermaßen selbständig handeln darf; man gibt ihnen den unglücklichen Namen "Organ" und der verfassungsmäßige Vertreter ist fertig. Der erste Entwurf hatte nur vorsehen wollen, daß der Fiskus "für seine verschiedenen Geschäftszweige verschiedene gesetzliche Vertreter haben könne" (Mat. I, 125). Das würden die verschiedenen Ministerien sein, durch die er unter dem unverantwortlichen Staatsoberhaupt handlungsfähig wird und für die er folglich nach § 31 BGB. haften müßte. Aber das ungedeckte Bedürfnis nach dem öffentlichrechtlichen Rechtssatze, der ausgedehntere Haftung gewähren sollte, führt eben auch zu solcher fast uferlosen Dehnung der zivilrechtlichen Begriffe. II!. Die alte Scheidung der Haftung des Staates nach dem zivilrechtlichen und dem öffentlichrechtlichen Gebiete ist, wie gesagt, für unser BGB. maßgebend gewesen. In ersterer Hinsicht hat es die Ordnung gegeben, erschöpfend gegeben. Wie steht es mit der anderen Seite? Das Gesetz bezeichnet sie als den Fall, wo für den Staat gehandelt wird, nicht als für den Fiskus, sondern in Ausübung der öffentlichen Gewalt. Wir haben diese altmodische Ausdrucksweise schon berichtigt: es handelt sich einfach darum, daß der Staat durch seine Leute nicht

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wie ein gewöhnlicher Privatmann auftritt, nicht privatwirtschaftlich, sondern als der, der er eigentlich ist, folglich nicht dem Privatrecht unterliegend, sondern dem ihm angemessenen öffentlichen Recht. Wir bezeichnen diese Lebensäußerungen als die öffentliche Verwaltung und verstehen im weiteren Sinne die Justiz mit darunter. Das BGB. hat es abgelehnt, eine Haftung des Staates auf diesem Gebiete zu ordnen. Nicht weil man klar und offen der Meinung gewesen wäre, das sei eine Frage des öffentlichen Rechtes und gehe das BGB. nichts an. Im Gegenteil: die Ausarbeiter I waren wohl eigentlich der Meinung, die festzusetzende Schadensersatzpflicht des Staates für rechtswidrige Handlungen seiner Beamten würde auch auf dem Gebiete der öffentlichen Verwaltung privatrechtlicher Natur sein; das entsprach ja ganz der für sie maßgebenden älteren Auffassung dieser Dinge. Man redete nur von dem tiefen Einschneiden in das öffentliche Recht, das damit geschähe, von einem Zusammenhange der Frage mit diesem. Deshalb wolle man sich der Materie lieber enthalten (Prot. 1, 611; 2, 662). Tatsächlich wird also von Reichs wegen nichts darüber bestimmt; der Art. 77 des EG. überließ es den Landesgesetzgebungen, ob und wie sie etwas anordnen wollten. Das Reichsrecht war gefaßt, mit einem Zustand zufrieden zu sein und auszukommen, in welchem überhaupt derartiges nicht, bestimmt würde. Um aber auf alle Fälle einigermaßen Ersatz zu bieten, wurde der § 839 BGB. geschaffen mit der eigentümlichen Haftung der Beamten persönlich für die rechtswidrigen Amtshandlungen, die ihm zur Last fallen. Die Kommission zweiter Lesung hat diesen Zusammenhang bei der Festsetzung der strengeren Gestalt, welche sie dieser Bestimmung gab, ausdrücklich hervorgehoben: "Der an sich angemessenste Weg," heißt es (Prot. 2, 662), "zu einem wirksamen Schutze der Dritten zu gelangen, würde wohl darin bestehen, daß der Staat selbst die Haftung ihnen gegenüber auf sich nehme. Da es aber wegen des engen Zusammenhanges dieser Frage mit dem öffentlichen Rechte nicht angehe, durch das BGB. reichs rechtlich eine solche Haftung des Staates einzuführen, so müsse man den Dritten wenigstens den Schutz in vollem Umfange belassen, welchen ihnen ... die Haftung der Beamten gewähre." Damit war man auf die Ordnung der Dinge gelangt, welche nach v. Roennes Zeugnis der in Preußen herrschenden Ansicht entsprach: der Fiskus haftet; der Staat nicht; dafür haften für diesen seine Beamten persönlich. Das mündete zusammen mit einer Strömung, die einem anderen Ideenkreise angehörte. Die persönliche Verantwortlichkeit der Beamten für die Rechtmäßigkeit dessen, was im Namen des Staates durch sie geschehen sollte, war eine alte Forderung der liberalen Parteien; man sah darin eine Hauptgewähr der bürgerlichen Freiheit, wichtiger als die parlamentarischen Machteinflüsse. Ministerverant-

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wortlichkeit ist uns nicht so notwendig als eine Nachtwächterverantwortlichkeit, pflegte Gneist in seiner Vorlesung zu sagen. Das Reichsbeamtengesetz von 1873 hatte sich in seinem vielbesprochenen § 13 schon dazu bekannt: "Jeder Reichsbeamte ist für die Rechtmäßigkeit seiner Amtshandlungen verantwortlich." Wieweit das unmittelbar zu verwerten ist, war fraglich. Jetzt sollte Ernst gemacht werden mit diesen Grundsätzen. Ohne den politischen Hintergrund wird § 839 BGB. nicht zu verstehen sein; auch daß er die Richter verschont, hängt damit zusammen. Die Bestimmung ist ja in der Tat von ganz besonderer Art. Das steht so mitten drin in den Regeln, nach welchen die Menschen schadensersatzpflichtig werden für unerlaubte Handlungen. Die Ausleger streiten darum, ob es eine Verschärfung oder eine Milderung ist gegenüber den allgemeinen Haftungsgrundsätzen von § 823 ff. In Wahrheit ist es etwas ganz anderes, anders durch das entscheidende Hereinspielen öffentlichrechtlicher Maßstäbe. Die Voraussetzung: "Verletzt ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht", ist höchst eigentümlich. Die Amtspflicht ist doch nichts anderes als die Dienstpflicht; die ist öffentlichrechtlicher Natur und ist I dem Dienstherrn allein, dem Staate geschuldet. Was geht den Dritten dieses Innenverhältnis an? Dem Handlungsgehilfen, dem Fuhrmann, dem Opernsänger ist dienstlich eingeschärft, wie sie das Publikum bedienen sollen; wenn sie es anders machen, durch schlechte, ungeeignete Leistungen die Kunden benachteiligen, wer ist verantwortlich? Ihr Dienstherr offenbar und dieser allein. Wie er sich wieder an dem pflichtvergessenen Diener erholt, ist Sache des inneren Verhältnisses. Der öffentliche Beamte aber gehört mit seinen vom Staate ihm aufgetragenen Tätigkeiten dem Publikum und ist diesem, d. h. allen darin Enthaltenen und im Einzelfalle daran Beteiligten, verantwortlich dafür, daß er das richtig macht und ohne sie zu schädigen. Seine Dienstpflicht wirkt nach außen. Vielleicht möchte man sich das mundgerechter machen, wo das Gesetz etwas vorgeschrieben hat; dieses wirkt ja allerdings für jeden, den es angeht. Das Postgesetz sagt: Die Post ist zur Annahme ordnungsmäßig aufgegebener Briefschaften verpflichtet; der Postbeamte, der sie verweigert, wird dem Aufgeber verantwortlich sein. Allgemeine Wirkung des Postgesetzes? Nein. Das Gesetz verpflichtet die Postanstalt; die Postanstalt erfüllt ihre Pflicht durch den Beamten, und dieser ist entsprechend gebunden, nicht unmittelbar durch das Gesetz, sondern durch seine Dienstpflicht, die ja den Kunden eigentlich nichts angeht. Der neue Zivilrechtssatz erst macht ihn verantwortlich, der ihm seine Amtspflicht auch den Kunden gegenüber anrechnet auf seine Verantwortlichkeit. Auch die Eisenbahn ist durch HGB. § 453 verpflichtet, alle ordnungsmäßigen Frachtgüter zur Beförderung anzunehmen. Der Beamte

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der Privatbahn, der das Gut zurückweist, haftet den Kunden nicht, nur der Unternehmer. Am Gesetze liegt es also nicht. Umgekehrt auch die bloße Dienstvorschrift wirkt als Haftungsgrund für den Beamten, der sie nicht beachtet den einzelnen gegenüber, wenn es die öffentliche Verwaltung ist, die er vertritt: der Telegraphenbeamte ist diesen schadensersatzpflichtig für die durch seine Dienstwidrigkeit verloren gegangene Drahtmitteilung - der Handlungsgehilfe haftet dem Käufer niemals für die vorschriftswidrig verschnürte und dadurch beschädigte Ware, sondern nur das "Geschäft" haftet. Das ist also eine große, bedeutsame Sache, diese dem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, politisch bedeutsam und bedeutsam als Ersatz für die unmittelbare Haftpflicht des Staates, nur in diesem Zusammenhange auch recht zu begreifen: die Beamten stehen ein, jeder an seinem Teil, für das, was der Staat nach seinen eigenen Ordnungen durch sie tun sollte. Diese Haftung läßt sich nun freilich um der Staatsgeschäfte selbst willen nicht in vollem Maße durchführen; gerade die Teilnahme an der Handhabung der öffentlichen Gewalt bringt die Beamten ständig in Gefahr daneben zu gehen und den Untertanen rechtswidrig zu schädigen; die unentbehrliche Entschlußkraft würde gebrochen, wenn man sie für den sich immer einschleichenden Irrtum, der ja leicht auf ein Verschulden zurückzuführen wäre, hernähme. Für den Spruchrichter, der durch seinen Beruf hier besonders ausgesetzt ist, hat das Gesetz ausdrücklich gesorgt. Aber auch darüber hinaus wird es als selbstverständlich angesehen, daß es schon ein recht grober Irrtum sein muß, wenn für verfehlte Beschlüsse und Anordnungen, in Verwaltung wie Justiz, persönlich gehaftet werden soll; wenn nicht geradezu eine bösliche Handlungsweise darin liegt, wird schon die in den meisten Staaten erforderliche Vorentscheidung den Mann nicht leicht preisgeben. I Aber auch der Befehl des Vorgesetzten deckt die Rechtswidrigkeit, wenn sie nicht alle Grenzen überschreitet. Auch das ist unentbehrlich: nur so kann man dem Untergebenen den im Dienste zu fordernden prompten Gehorsam zumuten. Nur soweit er den Gehorsam hätte verweigern können, haftet er; das werden aber offensichtlich seltene Fälle sein. Die Praxis leugnet sonst das Verschulden, nimmt auch hier entschuldbaren Irrtum an oder findet sich sonstwie auf das zweckentsprechende Ergebnis zurecht. Es steht in diesen Fällen gerade so wie bei der rechtmäßigen Ausübung des Amtes nach § 113 StGB.; als solche wird ja auch die fehlerhafte, aber durch Irrtum oder Dienstbefehl gedeckte Ausübung gerechnet. Der Staat würde sich selbst am meisten schädigen, wollte er seinen im Uebereifer irrenden oder allzu prompt gehorchenden Vollstrekkungsbeamten einem straflosen Widerstand entgegenschicken.

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Diese eigenartige Haftung des Beamtentums hängt auf das innigste zusammen mit der eigenartigen Stellung, die es einnimmt auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung. Sie ist nicht übertragbar auf das Gebiet der fiskalischen Verwaltung. Dort haftet ja gemäß §§ 31 und 89 der Staat selbst; die schärfere Haftung der Beamten nach § 839 ist gerade gedacht als Ersatz für die auf dem Gebiete der öffentlichen Verwaltung reichsrechtlich nicht gesicherte eigene Haftung des Staates. Als Fiskus haftet der Staat für seine Leute wie eine Aktiengesellschaft für die ihren, und dementsprechend haften auch seine Leute persönlich dem Dritten nicht anders, wie die Leute einer Aktiengesellschaft. Ihre Dienstpflicht wirkt hier nicht nach außen, sie ist in diesem Sinne nicht "dem Dritten gegenüber zu erfüllen"; eben deshalb kommen auch hier die Milderungen durch Berücksichtigung von Irrtum und Befehl nicht in Betracht. "Auf dem Gebiete des Privatrechtes", sagt RG. 28, 242, "kann die Verantwortlichkeit für ein rechtswidriges Handeln nicht durch die Berufung auf einen Auftrag oder eine Stellung als Organ abgelehnt werden." Für den Diener des Fiskus, wenn er dem Dritten haften soll, gelten schlechthin die gewöhnlichen Vorschriften BGB. §§ 823 ff. Für die vielen privatrechtlichen Diener, die es hier gibt, steht das natürlich außer Zweifel. Wenn derselbe Mann später eine Bestallung erhält und vereidigt wird, um die nämlichen Geschäfte nun im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse und als Beamter zu besorgen, z. B. die Oefen des Dienstgebäudes zu heizen, so wird doch nicht von nun an BGB. § 839 auf ihn anwendbar. Und ebensowenig wird der anwendbar sein auf die Beamten, die von Anfang an zur Besorgung der Geschäfte des Fiskus mit öffentlichrechtlichem Dienstverhältnis bestellt sind. Die Art der Geschäfte zieht die Grenzlinie. Das Amt, welches § 839 im Auge hat, ist in der Tat nur das, welches das RG. 37, 243 begrifflich festlegen will als "einen durch das öffentliche Recht begrenzten Kreis von Geschäften in dem Organismus des Staates". Die Geschäfte des Fiskus sind durch das Privatrecht begrenzt. § 839 hängt also in der Tat mit dem öffentlichen Recht zusammen, § 89 und § 31 tun das nicht. Man muß beides fest auseinanderhalten, sonst gibt es Verwirrung und unnötige Schwierigkeit. Nun spinnt sich aber vor dem § 839 noch ein besonderer Gedankenfaden weiter in das öffentliche Recht hinein. EGBGB. § 77 gestattet den Landesgesetzen, den Staat haftbar zu machen für den von seinen Beamten bei der Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt zugefügten Schaden. Die zahlreichen hier in Frage I kommenden Gesetze knüpfen mehr oder weniger an den § 839 an, um die Haftpflicht des Staates näher zu bestimmen. Sie betreten auf solche Art das Gebiet, vor welchem die Verfasser des BGB. zurückscheuten. Man glaubt jetzt diesen Standpunkt schon überholt und befürwortet eine entschlossene

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einheitliche Regelung durch ein Reichsgesetz, welches nach Delius, Haftpflicht der Beamten S. 26, etwa lauten würde: "Der Staat ist für den Schaden verantwortlich, den seine Beamten durch eine in Ausführung der diesen zustehenden privatrechtlichen Verrichtungen oder in Ausübung der diesen anvertrauten öffentlichen Gewalt begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung zufügen." Hier wäre dann alles glücklich unter einen Hut gebracht, und zwar offenbar unter einen Hut von neuester privatrechtlicher Form. Der soll für den Staat angewendet werden auf einem Gebiet, wo er als öffentliche Gewalt auftritt, wo also zweifellos öffentliches Recht für ihn gilt. Die Frage: paßt das dahin? wird nur der verwunderlich finden, der sich noch niemals mit der Natur und Eigenart des öffentlichen Rechtes vertraut gemacht hat. Früher konnte man wohl manchmal die Ansicht vertreten hören: auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes fänden sich überall die einfachen Wiederholungen der zivilrechtlichen Rechtsinstitute, nur daß sie dort den Beinamen öffentlichrechtlich führten. Das ist natürlich ganz verkehrt. Die Rechtsinstitute, in welchen die öffentliche Gewalt beteiligt erscheint, sehen innerlich immer ganz anders aus und ein einfaches Herübernehmen zivilrechtlicher Ordnungen ist unzulässig. Das gilt namentlich von Schadensersatzpflichten. Der zivilrechtliche Rechtssatz, daß die Nichterfüllung aller Art Verbindlichkeiten diese in Schadensersatzverbindlichkeiten verwandle, gilt hierüben nicht. Der Beamte, der seinem Dienstherrn Nachteil bringt durch Verabsäumung der Dienstpflicht, haftet für die Entschädigung nicht öffentlichrechtlich aus dem Dienstverhältnis, sondern soweit überhaupt, selbständig daneben nach den Grundsätzen des BGB. über unerlaubte Handlung. In diesem Punkte hat Laband meiner früheren abweichenden Meinung gegenüber recht behalten. Die außervertraglichen Schadensersatzpflichten des Zivilrechtes entsprechen aber so durchaus dem Boden, auf dem sie erwuchsen, dem Boden der rechtlichen Gleichheit der Privatrechtssubjekte, daß sie auf den Staat nur anzuwenden sind, soweit er selbst ein solches vorstellt, soweit er der Fiskus ist. Außervertragliche Entschädigungspflichten des Staates gibt es ja auch im öffentlichen Recht. Die haben aber dann ein ganz anderes Gepräge. Das Zivilrecht arbeitet immer mit der Idee eines Vorwurfes, der dem Haftpflichtigen zu machen wäre: es setzt geradezu ein Verschulden voraus (wobei der juristischen Person das ihrer verfassungsmäßigen Vertreter angerechnet wird), oder es wird bei dem Schaden, der aus seinem Lebenskreise heraus dem anderen zugeht, das Verschulden vermutet bis zum Entlastungsbeweis oder die Haftung hängt sich an diese Einwirkung schlechthin mit dem vermittelnden Gedanken: der einzelne soll nicht zu seinem Vorteile Sachen und Unternehmungen in den Verkehr hineinstellen, die anderen schaden können, sonst muß er sich gefallen lassen, daß er auch die

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nachteiligen Folgen solcher selbstsüchtigen Betätigung zu tragen bekommt (Wildschaden, ursprünglich aller Tierschaden, Haftpflicht der Eisenbahnen). Will er die Gefahr dafür nicht tragen, so soll er's lassen. Dieser Gedankengang paßt nicht auf den Staat als öffentliche Verwaltung. Auch er tritt in das Leben hinein mit allerlei Tätigkeit und Unternehmungen, geeignet, die I einzelnen, die es trifft, in der schwersten Weise zu benachteiligen, ihnen Opfer aufzulegen, wenn es nach seinem Willen geht, bloß rechtmäßigerweise, wie durch die Steuerauflage, Militärpflicht, aber auch unrechtmäßigerweise, das ist nicht zu vermeiden, indem bei der Mangelhaftigkeit aller menschlichen Dinge seine Sachen und seine Leute ihm fehlgehen. Rechnen wir nur einmal nach: was richtet seine Justiz, seine Polizei für Schaden an, einfach dadurch, daß sie auch bis zur höchsten Spitze hinauf nicht unfehlbar sind. Darf man auch ihm sagen: er soll diese Dinge unterlassen, wenn er nicht haften will? Nein, hier steht die Sache ganz anders. Er muß sie ins Werk setzen, das ist seine Pflicht und seine hohe Aufgabe für den ihm anvertrauten Teil der Menschheit. Für die, die es gerade trifft, ist es ein Unglück, aber der Beigeschmack irgend eines Unrechts auf seiten des Staates fehlt hier gänzlich. Wenn der Staat gleichwohl entschädigt und sogar Rechtssätze aufstellt, nach denen er entschädigt, so hat das einen anderen, selbständigen Grundgedanken. Die große Einrichtung Staat kann von ihren Angehörigen Opfer verlangen jeder Art. Aber die Gerechtigkeit erfordert, daß diese Opfer verteilt seien nach einem gleichen Maßstabe, so daß ein jeder sein verhältnismäßiges Teil zu tragen hat. Wenn der Staat Lasten auferlegt, so tut er das womöglich von vornherein nach gleichem Maßstab; so bei der Steuerpflicht, bei der Wehrpflicht. Wenn nach der Art des zu befriedigenden staatlichen Bedürfnisses der Zufall entscheidet, wer in Anspruch genommen werden muß, so stellt der Staat die Ausgleichung nachträglich her, indem er aus der gemeinsamen Kasse aller, die mit den gleichmäßig zu erhebenden Steuern immer wieder gefüllt wird, den Betroffenen Entschädigung gewährt: Enteignungsentschädigung, Manöverentschädigung, Zeugengebühr. Und die gleiche Art von Entschädigung hat er zu gewähren, wenn durch die menschliche Unvollkommenheit seiner Einrichtungen und Anstalten, die doch in Gang bleiben müssen und ohne solches Fehlgehen nicht in Gang bleiben können, ein einzelner geschädigt wird: der trägt jetzt die mit solchen Unternehmungen des Gemeinwesens notwendig verbundene Gefahr und Schädlichkeit, die alle gleichmäßig zu tragen hätten, allein. Die Entschädigung aus der gemeinsamen Kasse stellt auch hier die Gerechtigkeit her. Und nun für diese zu sorgen, nicht weil er zu haften hätte um eines ihn treffenden Vorwurfes willen, gewährt sie der Staat!

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Bei dieser dem öffentlichen Rechte eigentümlichen Art von Entschädigung spielt also die Rechtswidrigkeit der Zufügung des Schadens auch ihre Rolle. Aber nicht in dem Sinne, daß sie dem Staate als solche irgendwie als Vorwurf zugerechnet werden müßte, sondern lediglich deshalb, weil sie besagt, daß hier eine Ungleichheit eingetreten ist, indem einer durch den Staat etwas erlitten hat, was er nicht verdiente, einen ungerechten Nachteil, den der Staat um der Billigkeit willen nicht auf ihm sitzen lassen kann. Wäre die Sache rechtmäßig gegangen, so hätte er keinen Nachteil erlitten oder nur einen solchen, welchen die andern auch tragen müssen, oder mit dem er um besonderer Gründe willen vor den andern ausgezeichnet zu werden verdient hat, z. B. also die verwirkte Strafe. Die außervertragliche Entschädigungspflicht des Staates ist also auf dem Gebiete des Zivilrechts eine ganz andere als auf dem des öffentlichen Rechts. Die ordentlichen Gerichte haben mit beiden Arten zu tun und können den Gegensatz würdigen. Sie verurteilen den Fiskus nach §§ 89 und 31 BGB. zu Schadensersatzleistung wegen des Vorwurfs, I der ihn in seinen Vertretern trifft. Sie legen in den Fällen der §§ 499 und 505 StPO. die dem Angeschuldigten erwachsenen Kosten der Staatskasse zur Last. Jenes ist privatrechtliche, dieses ist öffentliche Entschädigung. Diese setzt auch voraus, das dem Angeklagten die Kosten durch den Staat nicht hätten verursacht werden sollen; die Freisprechung bezeugt das. Aber sie begnügt sich mit der Tatsache, daß in der äußeren Form Rechtens dem sachlichen Rechte nicht Entsprechendes dem Angeklagten widerfahren war, ohne zu fragen nach irgend welcher Schuld, nach irgend welchem Vorwurf, der etwa dem Untersuchungsrichter oder dem übereifrigen jungen Staatsanwalt gemacht und dem Staat angerechnet werden könnte, den er vertritt. Die ungleiche Belastung allein ist der Grund. Und noch deutlicher tritt dieser Gesichtspunkt zutage bei den Entschädigungen, welche die Gerichte gewähren aus der Staatskasse wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft oder Strafhaft nach den Reichsgesetzen vom 20. Mai 1898 und 14. Juli 1904. Der Staat entschädigt für das Fehlgehen seiner Justiz, wiederum ohne zu fragen nach irgend welchem Verschulden seiner Justizbeamten, ohne irgend welchen Vorwurf anzuerkennen, lediglich zum Ausgleich des seinen Untertanen widerfahrenen besonderen Nachteils durch die große öffentliche Einrichtung, deren Lasten eigentlich alle gleichmäßig zu tragen hätten. Das Gericht vollzieht darin in seinem Namen nicht eine Sühne für sein Unrecht, sondern einen Akt der Milde und der höheren Gerechtigkeit, der über das hinausgeht, was der Staat eigentlich schuldig wäre. Daher er auch Ausländern nicht ohne weiteres gespendet wird, sondern nur dann, wenn auch ihr Staat den Unsrigen die gleiche milde Gerechtigkeit erweist (G. vom 14. Juli 1904 § 12).

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V. Für das, was privatrechtliche und was öffentlichrechtliche Art geordneter Entschädigung ist, haben wir also einen sicheren Unterscheidungsmaßstab. Wir können danach beurteilen, was unsere Gesetze gemacht haben, wenn sie in Anknüpfung an die Haftpflicht des Beamten nach § 839 BGB. eine Haftpflicht auch des hinter ihm stehenden Staates aufstellen. Wohlverstanden: Es ist wohl gewiß, daß man sich das gedacht hat als ein volles Seitenstück zu der Haftung des Fiskus nach §§ 31 und 89, zivil rechtlicher Natur wie diese, als eine Deliktshaftung, um es kurz zu sagen. Deshalb wird z. B. auch an der Zuständigkeit der Zivilgerichte hier nicht zu zweifeln sein; es genügt ja, daß das Gesetz sie offenbar gewollt hat. Ebenso sicher wird andrerseits behauptet werden können, daß dies dann eine gewaltsame Verschiebung privatrechtlicher Anschauungen und Grundsätze bedeuten mußte in ein Gebiet, welches eigentlich und von Natur dem öffentlichen Rechte gehören sollte. Was wir prüfen ist bloß: hat man in dem Rechtsinstitut, so wie es gestaltet ist, diese privatrechtlichen Anschauungen auch durchgeführt, ist es auch wirklich aufgebaut nach den Ideen einer Deliktshaftung? Das läßt sich ja doch nachprüfen. Also sehen wir zu! Die maßgebend gewordene Formel stammt aus der Grundbuchordnung vom 24. März 1897 § 12. Der Staat tritt hier ein als Selbstschuldner für jeden Schaden, der durch irgend ein Versehen des Grundbuchbeamten entstanden ist. Der Zweck ist deutlich: unbedingte Sicherheit des Realkredits und des Grundstücksverkehrs nach dieser Seite hin eine Sicherheit, wie sie der Beamte persönlich nicht zu leisten vermag und wie man sie ihm auch nicht zumuten will. Begnügt sich doch auch das PrAusfG. Art. 8 mit einem Regreß des Staates gegen den schuldigen Beamten, für den Fall dieser I vorsätzlich oder mit grober Fahrlässigkeit gehandelt hat. Eine merkwürdige Deliktshaftung, bei der der eigentliche Schuldige in den gewöhnlichen Fällen frei ausgeht! Der Staat will einfach um des Gemeinwohls willen dafür garantieren, daß seine Einrichtung fehlerlos arbeitet; ein Fehlgehen ist hier nur möglich bei einem Versehen des Grundbuchbeamten, also knüpft er sein Eingreifen an dieses und unterstützt das öffentliche Vertrauen durch rechtssatzmäßig geregelte Schadloshaltung. Es handelt sich hier so wenig um eine Deliktshaftung wie bei der Arbeiterversicherung um einen Versicherungsvertrag. Doch ist ja diese Grundbuchgewähr ein Fall für sich. Es mag hier auch noch die Idee eines Werkvertrags hereinspielen und der Haftung des Staates für seine Erfüllung. Uns gehen vor allem die Gesetze an, welche gemäß Art. 77 EGBGB. nun den Staat allgemein haften machen für Fehler seiner Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt. Sie weichen in Einzelheiten ab, im wesentlichen stimmen wenigstens die wichtigsten überein. Als Typus diene das neueste Gesetz dieser Art, das

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allerdings über den Art. 77 erhaben wäre, wenn es wollte; das ist das Reichsgesetz vom 22. Mai 1910 über die Haftung des Reichs für seine Beamten, dem Preußischen Gesetz vom 1. August 1909 nachgebildet. An der Spitze steht wieder der Grundsatz: das Reich haftet anstatt seines Beamten, ausschließlich, so daß dieser von dem Geschädigten gar nicht in Anspruch genommen werden kann. Das stimmt zur Staatsgarantie für das Grundbuch, stimmt vor allem auch zur Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs- und Strafhaft, bedeutet aber eine Verleugnung der ethischen Idee der Deliktshaftung: wenn wie hier ein Schuldiger da ist und vorausgesetzt wird, muß dieser doch in erster Linie für die Deliktshaftung rechtlich in Betracht kommen - oder die aufgestellte Entschädigungspflicht ruht eben in Wirklichkeit auf einer anderen Idee. Die Haftung des Reichs tritt nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes auch ein, wenn der Beamte selbst nicht verantwortlich ist, "weil er den Schaden im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat". Hier kann von einer Schuld, für welche das Reich einträte, schon gar nicht die Rede sein. Das Gesetz verlangt nicht einmal, daß in der Aufsicht und Ueberwachung etwas versäumt worden wäre. Im Gegenteil, es wirft hier die Maske des Deliktsrechts von sich und verlangt das Eintreten des Reichs "nur insoweit, als die Billigkeit die Schadloshaltung erfordert". Habemus confitentem reum! Es ist allerdings die Billigkeit, welche hier die Schadloshaltung diktiert. Aber das ist nicht die Billigkeit, die hinter dem Privatrecht steht, der ungerechten Bereicherung wehrt und eingetretenen Schaden "nach den Verhältnissen der Beteiligten" zwischen ihnen ausschlägt (BGB. § 829), sondern es ist die Billigkeit in der Gestalt, wie sie auf dem Boden des öffentlichen Rechtes erscheint und verlangt, daß die ungleiche Belastung, mit welcher die öffentliche Gewalt die einzelnen trifft, von ihr ausgeglichen werde durch Uebernahme auf die gemeinsame Kasse. Es ist die nämliche Billigkeit, welche auch die unschuldig erlittene Untersuchungs- und Strafhaft vergüten läßt, ohne zu fragen nach einem Verschulden der Beamten. Die danach zu leistende Schadloshaltung kann im Einzelfalle voll zusammentreffen mit der nach dieser angeblichen Deliktshaftung zu leistenden. Nun wird man aber doch nicht behaupten I wollen, das Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten habe zweierlei Haftung geordnet, eine privatrechtliche und eine öffentlichrechtliche, eine deliktsrechtliche und eine billigkeitsrechtliche. Es kann nur eine Art sein. Und das kann eben nur die der öffentlichrechtlichen Billigkeitsregel sein, die wir kennen. Endlich: die Deliktshaftung hat ihren Boden im Naturrechte. Die Billigkeitsentschädigung, mit der der Staat seine Lasten ausgleicht, ist

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eine besondere Leistung milder Gerechtigkeit, die sich nicht so von selbst versteht. Haben wir ja doch in Deutschland meist keine allgemein wirkenden Rechtssätze dafür. Daher auch das Gesetz die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs- und Strafhaft, wie vorhin erwähnt, Ausländern nicht ohne weiteres gewährt, sondern nur im Falle erwiesener Gegenseitigkeit. Die Haftpflicht des Reiches für seine Beamten ist Ausländern gegenüber an eben diese Bedingung gebunden (Gesetz vom 22. Mai 1910 § 7). Die meisten Landesgesetze, welche den Gegenstand behandeln, treffen die gleiche Bestimmung. Nach alledem dürfen wir sagen: mögen die Gesetzgeber sich bei ihrem Gesetze gedacht haben, was sie wollen, mögen sie von einer bestimmten zivilistischen Auffassung dabei erfüllt gewesen sein noch so sehr: was sie gemacht haben, ist kein Deliktsrecht, sondern ist das, was wir mit dem Namen der öffentlichrechtlichen Entschädigung, des öffentlichrechtlichen Billigkeitsausgleiches bezeichnen. Freilich ist die gute Grundidee dadurch, daß man sie in die Uniform einer privatrechtlichen Schadensersatzforderung ex delicto vel quasi gesteckt hat, nicht unerheblich beeinträchtigt worden. Wir haben vorhin gesehen, wie auf solche Weise die gesetzlich zugesagte Entschädigung doppelt für einfach wirkt: man kann nebeneinander den Anspruch aus dem Gesetze für unschuldig erlittene Strafhaft und denselben Anspruch aUs dem Gesetze für rechtswidrige Amtshandlungen haben. - Andererseits gibt es wieder Lücken. Gerade in den Fällen, wo die Billigkeit am einleuchtendsten forderte, daß der Staat für seine fehlgehende Einrichtung aufkomme, muß das Institut eigentlich versagen: in den Fällen des Irrtums oder des Befehles, die den Beamten persönlich decken müssen, den Staat aber nicht decken sollten. Die Gerichte werden wohl häufig aushelfen, indem sie bei der Klage gegen den Staat diese Deckung fortan nicht mehr anerkennen, wo man sie gegenüber dem Beamten gern hatte gelten lassen; das stimmt dann zum Geiste des Gesetzes als öffentlichrechtlicher Entschädigung, aber nicht zu seiner Form als Deliktshaftung. Die Vermengung unseres dem Wesen nach öffentlichrechtlichen Instituts mit der privatrechtlichen Haftung des Beamten selbst hat noch einen ganz besonderen Nachteil. Die öffentlichrechtliche Billigkeitsentschädigung schuldet natürlich der Staat selbst und unmittelbar, nur er hat der Außenwelt gegenüber die großen Gesichtspunkte zu vertreten, die dahin führen. Hängt man das aber an die Deliktshaftung des Beamten, so wird leicht auch diese aufgesogen, wie es ja tatsächlich geschehen ist. Das sollte aber besser nicht geschehen; Generationen von Juristen und Staatsmännern haben dafür gekämpft, daß wir als wichtigsten Schutz von Recht und Freiheit des Untertanen eine wohlgeordnete Be-

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amtenhaftung erhielten, namentlich eine Verwaltungsbeamtenhaftung, die der Untertan selbsttätig geltend machen könnte vor den unparteiischen Gerichten. Das wird ihm jetzt aus der Hand genommen, er bekommt ja vom Staate I sein Geld. Aber der kleine Despot, den man bändigen wollte, wirtschaftet fröhlich im bisherigen Sinne weiter, von der wohlwollenden Regierung, die die Sache allein in Händen hat, an keinem Haare gekrümmt. Es hat offenbar doch die rechte Uebersicht gefehlt bei diesen modernen Rechtsgestaltungen. Man wird noch einmal daran gehen müssen, die rechte großzügige Ordnung erst in diese Dinge zu bringen, das Gleiche mit dem Gleichen zusammenzufügen und das Ungleiche getrennt zu halten. VI. Andere Kulturstaaten sind uns darin voraus. Ich will nicht von Frankreich reden, dessen Vorbild uns doch schon so oft ein großer Nutzen gewesen ist. Aber ganz besonders wertvolle Anregungen müßten uns die neuesten belgisehen Gesetzgebungsarbeiten geben. Mir liegt ein vom dortigen Justizministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf vor, aus diesem Jahre, betreffend die Verantwortlichkeit der öffentlichen Behörden, la responsabilite des autorites publiques. Es hatte sich in Belgien der Rechtszustand herausgebildet, daß die bürgerlichen Gerichte befaßt werden konnten mit jeder Klage gegen den Staat auf Ersatz des Schadens, den er oder seine Leute einem einzelnen zugefügt hatten. Das begriff natürlich gar verschiedene Dinge in sich, die Gerichte schlugen ebenso naturgemäß alles wo möglich über den zivilrechtlichen Leisten, der sich bald als zu eng und bald als zu weit erwies, das Gesamtergebnis war unbefriedigend für alle Teile. Nach sorgfältiger Vergleichung der einschlägigen Ordnungen bei den Nachbarstaaten - wobei die unsrige mit ihrer Zerfahrenheit und Lükkenhaftigkeit nicht besonders gut abschneidet - entschließt sich jetzt das Gesetz zu einer sauberen Scheidung des öffentlichrechtlichen Gebietes, für welches die Entschädigungsfrage einheitlich nach einem großen, frei zu handhabenden Grundsatze geregelt werden soll. Die Entschädigungsklagen gehen nach wir vor an die bürgerlichen Gerichte. Ergibt sich aber, daß das schädigende Ereignis aus der öffentlichen Verwaltung kam, so wird die Sache ausgesetzt, bis der neu errichtete Verwaltungsgerichtshof gesprochen hat. Dieser entscheidet in Senaten von drei Mitgliedern, zwei Räte des Gerichtshofes und ein höherer Beamter des beteiligten Ministeriums, der ein für allemal dazu abgeordnet ist. Die Entscheidung betrifft lediglich die Frage, ob Entschädigung geschuldet ist oder nicht; bejahendenfalls geht alsdann die Sache an das ordentliche Gericht zurück. Also ungefähr unsere reichsgesetzliche Vorentscheidung bei Deliktsklagen gegen Beamte. Die

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Entscheidung des belgischen Verwaltungsgerichtshofes soll aber nicht gefällt werden nach irgend einer deliktischen wie quasideliktischen Formel, sondern geradenwegs nur im Sinne eines billigen Ausgleiches zwischen den Forderungen des Gemeinwohles und des Einzeldaseins: en tenant compte de toutes les circonstances tant d'interet prive que d'interet public. Diese equite, aequitas, ist ganz im Sinne des französischen Staatsrates gemeint, wonach die eigentliche Grundlage des Entschädigungsanspruchs liegt einzig dans le principe de l'egalite devant les charges publiques (Denkschrift des Justizministeriums S. 23); die zivilrechtliche Haftung des Beamten für seine Person bleibt eine Sache für sich. Die Belgier haben die Zuversicht damit auszukommen. Man sollte denken, auch deutsche Richter müßten das erforderliche wohlgeordnete Gerechtigkeitsgefühl aufbringen - unter der Voraussetzung daß sie etwas kennen gelernt haben von Verwaltung und Verwaltungsrecht. Vielleicht I gelänge es auch der Verwaltungsrechtswissenschaft, ihnen einen einigermaßen zuverlässigen Begriff von Wesen und Umfang dieser Gerechtigkeitsforderung an die Hand zu geben. Davon hält man bei uns doch nun einmal mehr wie anderwärts. Und Sachsen? Und die sächsische Gesetzgebung? Sie hat von jeher mit einer besonderen Sorgfalt auf ordentliche Scheidung von bürgerlichem und öffentlichem Recht gehalten. Gegenüber der zivil rechtlichen Schadensersatzpflicht des Fiskus hat sich das bekannte alte Gewohnheitsrecht bilden dürfen, wonach der Staat öffentlichrechtlicherweise mit Entschädigung aufkommt für Verletzungen, die dem einzelnen zugefügt werden bei Ausübung der öffentlichen Gewalt. Während dafür die ordentlichen Gerichte zuständig sind, entsteht ja daneben jetzt noch eine andere Art öffentlichrechtlicher Entschädigungspflicht des Staates auf noch ausgesprochenerer Billigkeitsgrundlage, welche von der Verwaltung selbst gehandhabt wird, beim Ministerium des Innern. Einen großen Vorzug wollen wir es nennen, daß der sächsische Gesetzgeber den anderen nicht gefolgt ist auf dem naheliegenden und doch so bedenklichen Wege, die Haftung des Staates an das Deliktsrecht des § 839 BGB. anzuhängen. So hat er freie Hand behalten. Geschehen wird etwas müssen. Wollen wir hoffen, daß es geht, wie mit der Verwaltungsrechtspflege, wo Sachsen auch ziemlich zuletzt kam, um dann aber auch etwas ganz besonderes Tüchtiges und Wohldurchdachtes zu liefern. Es gibt hier wieder einmal eine Gelegenheit sich auszuzeichnen. I

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Besonderer Teil

Zur Frage der reichsrechtlichen Regelung des Vereinswesens* Nach zwei Richtungen kam das Vereinsrecht für die Reichsgesetzgebung in Frage. Einmal handelte es sich um eine Ordnung der civilrechtlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit der Vereine. In dieser Beziehung hat das Bürgerliche Gesetzbuch die Lösung gebracht, im wesentlichen wenigstens. Daneben aber bleibt nun die öffentlich-rechtliche Seite des Vereinswesens übrig, die Ordnung der Vereinspolizei. Diese ist vom Bürgerlichen Gesetzbuch nicht berührt. Das Reich ist aber nach Art. 4 Ziff. 15 der Reichsverfassung auch hierfür zuständig. Schon seit geraumer Zeit macht sich das Bestreben geltend, es nach dieser Richtung in Bewegung zu setzen. Und zwar ist die Absicht dabei nicht blos auf Herstellung der Rechtseinheit gerichtet, sondern auch auf eine Stärkung der Vereinsfreiheit durch Beseitigung gewisser landesrechtlicher Polizeischranken. Wenn man freilich, wie es in den Verhandlungen des Reichstags geschehen ist, aus jener Verfassungsbestimmung eine Pflicht des Reiches herleiten wollte, ein Vereinsgesetz zu schaffen, und eine Art Zusage an das Volk, dass dessen Ordnungen in freiheitlichem Sinne ausfallen würden, so ist das entschieden irrig. Das Reich hat verfassungsmässig nur ein Recht dazu, den Einzelstaaten gegenüber; inwieweit es davon Gebrauch machen will, steht in seiner Willkür. Eine Pflicht es zu thun - keine rechtliche, davon kann keine Rede sein, aber eine staatsmännische, durch die Natur der Sache gebotene -, hätte die Reichsgewalt nur insofern, als etwa ohnehin schon von ihr wahrzunehmende Interessen solches erfordern. In diesem Sinne hat das Reich Bestimmungen erlassen, welche die Freiheit der Wahlvereine zur Vorbereitung der Reichstagswahlen gewährleisten. In gleicher Weise kann das Reich auch bezüglich anderer Vereine den Beruf haben, von seinem Rechte Gebrauch zu machen, und insbesondere wird dies behauptet bezüglich der Vereinigungen von Berufsgenossen zum Zwecke der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen. Die polizeirechtliche Stellung der Gewerkschaften (Gewerkvereine, Fachvereine), das ist der Punkt, an welchem die ganze Frage der Reichsgesetzgebung sich immer wieder entzündet. Wenn das Reich sich entschliesst, ein so wichtiges Stück des

* Zuerst veröffentlicht in der Deutschen Juristen-Zeitung, Jg. 3

S. 213 - 215.

(1898),

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Vereinsrechts selbständig zu ordnen, so mag es ja bei dieser Gelegenheit gleich weiter greifen und der ganzen Materie sich bemächtigen. Aber die erste Frage bleibt immer: soll es um der Gewerkschaften willen sich in Bewegung setzen? Dass es sich hier um Dinge handelt, welche das Reich in hervorragender Weise angehen, ist unverkennbar. Das Reich, das mit gewaltiger Thatkraft die wirtschaftlichen und sozialen Ordnungen des deutschen Volkes neu zu gestalten unternommen hat, kann nicht gleichgültig bleiben, wenn so bedeutsame und zukunfts reiche Erscheinungen, welche in dieses Gebiet hereinspielen, durch unrichtige Landesgesetzgebung verkümmert und in falsche Bahnen gedrängt werden sollten. Alles kommt also darauf an: sind wirklich die landesrechtlichen Bestimmungen, welche auf derartige Vereine Anwendung finden, als fehlerhaft anzusehen? Wir wollen versuchen, dazu Stellung zu nehmen, unbeirrt von der Parteien Liebe und Hass, als Juristen: das gewordene Recht trägt ja in sich die Keime der Weiterentfaltung wie des Verfalles; diese arbeitende Rechtsidee ist selbst eine Macht, es gilt nur, sie zu erkennen. Das Vereinsrecht hat eine Eigenart, die es mit dem Rechte der anderen grossen Mittel geistiger Verständigung teilt, mit dem der Versammlungen und der Presse. Das ist die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Freiheit und Polizeigewalt. Die Polizeigewalt soll bekämpfen, was dem Gemeinwesen schädlich und störend werden kann, im übrigen aber die freie Bewegung walten lassen. Was schädlich ist, was nicht, dafür hat die Gewerbepolizei, Baupolizei, Wasserpolizei u. s. w. ihre guten einleuchtenden Massstäbe. Bei Verein, Versammlung, Presse hingegen hängt alles vom Parteistandpunkte ab: was dem einen lieblicher Wohlgeruch ist, empfindet der andere als Sodom und Gomorrha. Es giebt also hier nur zwei ganz folgerichtige I Systeme: entweder Allgewalt des polizeilichen Ermessens oder freie Bewegung bis an die Grenzen des gemeinen Strafrechts. Beides hat Anwendungen gefunden. Dazwischen liegen dann mehr oder weniger künstliche Versuche, nach formalen Massstäben feste Abgrenzungen herzustellen. So das französische Recht, welches Vereine bis zu 20 Mitgliedern gänzlich frei giebt, über diese Zahl hinaus dagegen abhängig macht von freiem Belieben der Polizei. Ein Seitenstück giebt unser früheres Pressrecht, welches gleichfalls nach französischem Vorbild - Drucksachen über 20 Bogen zensurfrei liess, unter diesem Masse aber der Zensurwillkür preisgab. Im heutigen deutschen Vereinsrecht insbesondere ist üblich die Ausscheidung von politischen Vereinen, die dann wieder gewissen formalen Beschränkungen unterworfen werden. Davon ist bedeutsam geworden der Ausschluss von Frauen und Minderjährigen und das Verbot, mit anderen Vereinen gleicher Art in Verbindung zu treten. Diese Bestimmungen sind es vor allem, gegen welche die Beschwerde sich richtet.

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Man könnte ja unter einem politischen Verein, einem Verein der Politik treibt, einen solchen verstehen, der es darauf abgesehen hat, einen gewissen Machteinfluss zu üben in staatlichen Angelegenheiten; Politik bedeutet immer staatliche Machtfragen. Die schärfere polizeiliche Behandlung würde da wenigstens einen in verständlicher Weise abgegrenzten Gegenstand haben. Allein thatsächlich ist das Begriffsmerkmal viel äusserlicher und formaler gemeint. Der Verein soll an das empfindliche Gebiet überhaupt in keiner Weise herantreten, auch nicht in bIossen Worten und ausgetauschten Gedanken. Er wird politisch, sobald er Gegenstände bespricht, "die in den Wirkungskreis des Staates, der Gemeinde fallen", oder auch nur "über die unmittelbaren Privatinteressen hinausgehen". Schon mit einer Bitte um Abänderung von Bestimmungen der Gewerbeordnung reiht sich der Verein in die mit dem privilegium odiosum ausgestattete Gruppe ein. Je weiter unser Staat jetzt seine Thätigkeit ausdehnt, desto leichter berührt natürlich ein Verein seinen Wirkungskreis und wird politisch. Den Gewerkschaften ist es schon kaum möglich, dieser Beurteilung zu entgehen und damit auch den sich anknüpfenden Beschränkungen. Das bringt sie aber in eine ganz seltsame, widerspruchsvolle Rechtslage. Das Reichsrecht, Gewerbeordnung § 152, hat sie ausdrücklich als zulässig anerkannt und die gegen ihre Bestrebungen gerichteten Verbote aufgehoben. Das Landesrecht ist, wie die Rechtsprechung festgestellt hat, dadurch nicht gehindert, ihnen die Beschränkungen der politischen Vereine aufzulegen. Frauen und Minderjährige kann es also gänzlich davon ausschliessen; einem ganzen Kreis von Menschen, der doch nach Lage der Sache sein reichliches Kontingent zur arbeitsuchenden Masse stellt, wird damit das Mittel zur Verbesserung ihrer Lage, welche das Reichsrecht dieser gewähren will, einfach wieder entzogen. Die Verbindung der Vereine, die fast unentbehrlich ist für die Erreichung des Zweckes, kann es verbieten und damit allen Angehörigen dieser Klassen die Ausnutzung eben jenes Mittels nutzlos erschweren. Nutzlos: denn das Verbindungsverbot knüpft sich wieder ganz formal an Aeusserlichkeiten, ohne Rücksicht auf deren sachliche Bedeutung für die polizeilich zu schützenden Interessen; die Dinge, welche damit gehindert zu werden pflegen, könnten um dieser willen meist recht wohl ungehindert bleiben, so z. B. das Entlehnen von gedruckten Formularen für eine Petition oder das Zusammenwirken behufs Herstellung einer anständigen Gesellenherberge. Nutzlos auch nach der anderen Seite: denn derjenige Zusammenhang zwischen solchen Vereinen, den man gerade verhindern möchte, wird in viel ernsthafterer Weise hergestellt durch die gemeinsame Presse, der man nach dem einmal bestehenden Pressrechte doch nicht beikommt; was der Polizei hier und da das Einschreiten wegen verbotenen in Verbindung-Tretens ermöglicht, erscheint demgegenüber als eine nichtswürdige KIl!inigkeit.

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Dazu kommt aber bei dem Verbindungsverbot die nicht wegzuleugnende Thatsache, dass von solcher Möglichkeit, wo der Zufall sie bietet, in recht einseitiger Weise Gebrauch gemacht wird. Die ganze Strenge richtet sich gegen die Verbindung von Arbeitervereinen. Daneben bleiben unangefochten zahlreiche Vereine zur Wahrnehmung von Interessen der besitzenden Klassen, die ebenso gut politisch wären wie jene und doch in enger Verbindung unter einander stehen. Aus dem unbedingten formellen Verbot des Gesetzes hat also die Praxis eine Ermächtigung zum Einschreiten gemacht, die nach freier Beurteilung der Nützlichkeit oder Schädlichkeit des Vereins gehandhabt wird. Fällt diese Beurteilung ungünstig aus, so hat die Behörde freilich doch nur eine kleine Quälerei zur Verfügung, welche stört und erbittert und, wie gesagt, sachlich nicht viel hilft. Das ist offenbar ein gesunder Rechtszustand nicht. Der G~ist des Rechtes ist darin nicht mehr lebendig, die tote Form führt ein gewaltsames Scheinleben, mit dem je eher je lieber aufzuräumen wäre. Was aber an die Stelle setzen? Im Reichstag ist kürzlich von seiten der Regierung das bedeutsame Wort gefallen: die bürgerlichen Klassen sollten künftighin nicht mehr durch polizeilichen Schutz gegen die Sozialdemokratie in eine trügerische Beruhigung versetzt werden. Demnach müsste volle Vereinsfreiheit als das richtige Aufrüttelungsmittel in Aussicht stehen. Doch das sind Fragen der grossen Politik. Von unserem beschränkteren Standpunkte aus könnten wir für ein künftiges Reichsvereinsgesetz aus dem Geiste der bisherigen Rechtsentwickelung heraus etwa folgende Hauptlinien bestimmen. Beschränkungen formeller Natur sind in Misskredit geraten. Man wird versuchen, der Polizeigewalt gewisse Machtbefugnisse zu geben, um sie I gegen wirklich schädliche und gefährliche Vereine auszurüsten. Gemäss der oben angedeuteten Eigenart des Vereinsrechtes wird das von selbst auf ein freies Belieben der Behörden hinauslaufen. In den Reichstagsverhandlungen ist schon darauf hingewiesen worden, dass etwa eine allgemeine Bestimmung am Platze wäre im Sinne des bayerischen Vereinsgesetzes, wonach die Behörde Vereine schliessen darf, wenn sie "die religiösen, sittlichen, gesellschaftlichen Grundlagen des Staates zu untergraben drohen". Das würde ungefähr dem entsprechen, was die Praxis bisher durch ihre Handhabung der formalen Beschränkungen angestrebt hat. Das Vereinsrecht würde alsdann wenigstens juristisch korrekt in diesem Sinne gestaltet sein. Auf gros se Beschränkungen der Vereinsfreiheit müsste man sich allerdings gefasst machen. Denn nicht überall würden so dehnbare Befugnisse in der milden und massvollen Weise ausgeübt werden, wie bayerische Behörden das zu thun gewohnt sind. Es scheint uns aber, dass eine derartige Be-

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stimmung in unser Rechtssystem überhaupt nicht hineinpasst. Presse, Versammlungen, Vereine sind doch nun einmal verwandte Erscheinungen. Für die Presse hat das Reichsrecht den Grundsatz durchgeführt, dass die "untergrabende" Gesinnung, die darin etwa zum Ausdruck kommt, für sich allein ein Einschreiten nicht rechtfertigt. Warum soll es für die Vereine anders sein? Die innere Folgerichtigkeit verlangt, dass Gedanken, auch ausgesprochene, zollfrei bleiben hier wie dort. Das gemeine Strafrecht giebt die Grenze. Ein Unterschied freilich besteht doch zwischen Presse und Verein, insofern als der letztere Kräfte zur Verfügung hat, die geeignet sind, unmittelbar zur That überzugehen. Dem entspräche es, dass dem Vereine gegenüber besondere Vorkehrung getroffen würde, um zu verhüten, dass er seine Kräfte zu gemeinschädlichen Thaten verwende. Wo Bestrebungen dieser Art hervortreten, müssten Strafe und Schliessung stattfinden können. Vielleicht genügt in dieser Beziehung schon StrGB. § 129. Vielleicht wäre auch daran zu denken, den Thatbestand, der die Befugnis zur Schliessung begründen soll, noch weiter zu fassen, etwa im Sinne des badischen Vereinsgesetzes § 4. Jedenfalls würden die Gewerkschaften, so lange sie bei gesetzlichen Mitteln verbleiben und bei ihrem reichsgesetzlich gebilligten Zweck - mag die politische Gesinnung dabei sein, wie sie will -, von einer derartigen Beschränkung nichts zu leiden haben. Und diese Rücksicht wird bei der Gestaltung unseres künftigen Vereinsrechts immerhin eine gewisse Rolle spielen müssen. Hat doch selbst die französische Republik, die sonst in Vereinsfreiheit und sozial gerichteter Gesetzgebung weit hinter uns zurücksteht, wenigstens für die Berufsvereine, die syndicats professionnels, durch Sondergesetz vom 21. März 1884 volle Freiheit der Vereinsbildung und Vereinsverbandschaft schaffen zu müssen geglaubt, ohne irgend welchen sicherheitspolizeilichen Vorbehalt. Für das deutsche Recht freilich würde vielleicht noch ein anderer Gesichtspunkt in Betracht kommen, der dem französischen fern liegt. Die leitenden Rechtsgedanken unserer grossen sozialpolitischen Gesetzgebung können nicht ohne Einfluss bleiben auf die gesetzgeberische Behandlung von Dingen, die mächtig einzuwirken vermögen auf das Gebiet, das sie zu ordnen beabsichtigt. Hiernach handelt es sich aber für uns nicht blos um den abstrakten Gegensatz von Freiheit und Polizeigewalt; unser Prinzip ist vielmehr deutlich darauf gestellt, dass der Staatsgewalt eine positiv fördernde Einwirkung zustehen soll, um zum Rechten und Guten, zum Frieden zu führen. Diese Rolle müsste ihr auch gegenüber den Berufsvereinen vorbehalten bleiben. Freilich könnte sie hier nicht wie bei den Arbeiterversicherungen in der Leitung und Ueberwachung der Geschäftsbesorgung bestehen. Denn die Geschäftsbesorgung der Berufsvereine ist unzweideutig der Kampf, das Ringen

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der wirtschaftlich sich gegenüberstehenden Elemente um den Anteil am Machteinfluss und Gewinn. Aber dazu wenigstens wäre der Staat auch hier berufen, dass er solche Kämpfe jederzeit zum Ausgleich zu führen hätte und zum Friedensschluss. Die Aussperrung und der Ausstand sind beiderseits die ultima ratio. Die Anerkennung staatlich geordneter Schiedsgerichte aber müsste diesen Kampfesorganisationen als Bedingung ihrer staatlichen Anerkennung auferlegt sein. Wer sich nicht fügt, missbraucht sein Recht zum Schaden der Gesamtheit und wird aufgelöst. Man mag dann den Kampf unorganisiert fortführen, wenn man will; das ist Sache der natürlichen Freiheit, und dagegen hat der Staat ohne besondere Gründe nicht vorzugehen. Viel käme hier freilich darauf an, diese Schiedsgerichte vertrauenswürdig zu gestalten und sie mit dem rechten Geiste zu erfüllen. Aber der Lohn, den eine richtige Fortbildung des deutschen Vereins rechtes in diesem Punkte in Aussicht stellt, wäre wahrlich gross genug. I

Eisenbahn und Wegerecht I an einem Rechtsfalle erläutert· Die Civilrechtswissenschaft ist dadurch so reich und so anziehend geworden, dass sie sich nicht scheute, die grossen Rechtsideen in die kleinsten Einzelheiten des praktischen Lebens zu verfolgen. Die Wissenschaft des öffentlichen Rechts wird sich in derselben Weise ausbilden. Der Rechtsfall, an den hier angeknüpft werden soll, ist sehr geeignet, ein anschauliches Bild davon zu geben, wie Eisenbahn und öffentlicher Weg in der Wirklichkeit des Rechts zu einander stehen, und die leeren Allgemeinheiten, in welchen wir uns auf diesem schwierigen Rechtsgebiete nur zu gerne bewegen, mit greifbaren Gestaltungen zu füllen. Auch mehrere andere Fragen erhalten nebenbei eine scharfe Beleuchtung; es wird gestattet sein, den Fall auch in dieser Richtung nutzbar zu machen. Beim Bau der Eisenbahn von Strass burg nach Basel waren seiner Zeit zwei öffentliche Wege der Stadt Kolmar überschient worden. Im Jahre 1876 wurde dann die Linie Kolmar-Breisach I gebaut, und es ergab sich die Nothwendigkeit, hierfür wie für den erweiterten Betrieb des Bahnhofs noch weitere Schienenstränge dort anzulegen. Die betreffenden Wegestrecken wurden desshalb ganz gesperrt und in den Bahnhof einbezogen. Damals befand sich jenseits der Bahn nur ein vereinzeltes Gebäude; seitdem hat sich ein ganzer Stadttheil dort entwickelt. Die Stadt fand den noch verbliebenen Geleiseübergang jetzt mehr und mehr ungenügend. Sie verlangte Ueberbrückung des Bahnhofes mit einer Fahrbahn und erhob schliesslich beim Landgericht Kalmar gegen die Kaiserl. General-Direktion der Reichseisenbahnen Klage mit dem Antrag auf Feststellung ihres Eigenthums an jenen beiden Wegen, Verurtheilung der Beklagten, dass sie diese wieder eröffne und dem ungestörten öffentlichen Verkehr übergebe, und auf Schadensersatz wegen der bisherigen rechtswidrigen Vorenthaltung. Das Gericht erkannte unterm 4. Dezember 1894 dahin: Beklagte sei verpflichtet "zur Rückgabe des vollen Eigenthums- und Nutzungsbesitzes an den streitigen Uebergängen". Da aber diese aus Rücksicht auf den steigenden Verkehr des Bahnhofs nicht wohl durchführbar und im öffentlichen Interesse eine Erzwingung unthunlich erscheint, "so geht die Naturalverpflichtung der • Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 15 (1900), S. 511- 547.

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Beklagten in die Verflichtung zur Leistung des Interesses über (art. 1142 c. c.)", d. h. die Beklagte hat der Klägerin die Kosten eines nunmehr von dieser vorzunehmenden Unterführungs- oder Ueberbrükkungsbaues zu bezahlen. In diesem Sinne wird die Beklagte zu Schadensersatz verurtheilt mit Vorbehalt genauer Berechnung. Auf beiderseits erhobene Berufung erkannte das Oberlandesgericht Kolmar unterm 2. April 1897 schlechthin nach den Anträgen der Stadt. "Da eine absolute Unmöglichkeit der Wiedereröffnung der Uebergänge nicht vorliegt ... muss die Beklagte gehalten erscheinen, die Wege für den öffentlichen Verkehr freizugeben." Ausserdem hat sie nach art. 1382 c. c. den durch die rechtswidrige Schliessung entstandenen Schaden zu ersetzen. I Die Eisenbahnverwaltung hatte unter Anderem geltend gemacht, dass ihre Projekte für die Linie Kolmar-Breisach und die damit verbundene Erweiterung der Geleise des Bahnhofs Kolmar seiner Zeit vom Reichskanzleramt genehmigt worden seien, dass sie auf den Plänen insbesondere auch die Unterdrückung der beiden Wege vorgesehen und durch Erlass des Reichskanzleramtes schliesslich den Auftrag erhalten habe, das Projekt nach diesen Plänen zur Ausführung zu bringen. Das Oberlandesgericht fand das unerheblich. Eine Enteignung hat sich, so setzte es auseinander, in diesen Formen nicht vollziehen können; eine "landespolizeiliche Verfügung" aber, welche der Kritik der Gerichte nicht unterläge, ist hier nicht anzunehmen; denn die Beklagte ist "zur Wahrung landespolizeilicher Interessen nicht berufen". Dass sie die Zustimmung ihrer vorgesetzten Behörde hatte, vermochte selbstverständlich daran nichts zu ändern. In der Revisionsinstanz gewann aber alsbald dieser Akt des Reichskanzleramts eine unerwartete Bedeutung. Das Reichsgericht hat mit Erkenntniss vom 25. Juni 1897 das Kolmarer Urtheil insoweit aufgehoben, als es auf Schadensersatzpflicht und Wiedereröffnung der Wegeübergänge lautete, und die Sache zu anderweiter Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es hätte, so wurde erwogen, die Behauptung der Beklagten geprüft werden müssen, dass die Schliessung der Wege vom Reichskanzler angeordnet worden sei; "denn wenn die behauptete Anordnung wirklich ergangen, so läge ein Verwaltungsakt vor, dessen Rechtmässigkeit die Gerichte nicht zu untersuchen hätten". Damit war anerkannt, dass die Genehmigung der Pläne nicht bloss eine Zustimmung der dienstlichen Vorgesetzten sein würde, sondern ein nach aus sen wirksamer Akt. Ein Rechtsinstitut trat auf die Scene, welches dem Oberlandesgericht unbekannt gewesen war. Es soll hier genauer betrachtet werden. I Das Oberlandesgericht hatte mit Recht hervorgehoben, dass die fraglichen Wegestrecken in dem zur Erweiterung des Bahnhofes Kolmar

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1876 durchgeführten Enteignungsverfahren nicht einbegriffen worden waren; es glaubte desshalb auch nicht untersuchen zu müssen, "ob eine Expropriirung von öffentlichem Gemeindegut angängig". Die Frage durfte kurzweg verneint werden; nach französischem Recht unterliegt das öffentliche Eigenthum zweifellos nicht der Enteignung!, und auch für andere Rechtsgebiete wird sich das behaupten lassen. Die Enteignung ist der Ausdruck der Oberhoheit des Staates über das privatrechtliche Eigenthum, des dominium eminens, wie man es früher nannte; sie geht ihrer Natur nach am öffentlichen Eigenthum vorüber 2 • Was manchmal irre gemacht hat, das ist gerade der Umstand, dass den Eisenbahnanlagen auch öffentliche Wege weichen müssen 3 • Wenn man aber genauer zusieht, so erkennt man, dass es hier nicht die Enteignung ist, die das bewirkt, sondern etwas ganz Anderes, nämlich das Rechtsinstitut, das wir hier vor uns haben. Dass öffentliche Wege nicht enteignet werden können, ist für andere öffentliche Unternehmungen von so grosser Bedeutung nicht. Sie können im schlimmsten Fall ihnen ausweichen. Die Eisenbahn kann das nicht; sie muss gerade durch das Gebiet entlang. Der Staat, der sie baut oder konzessionirt, wird ihr auch seine Strassen preisgeben. Aber die Provinz, die Gemeinde? Wenn sie nicht will und wenn der Grundsatz feststeht, dass das Mittel der Enteignung hier nicht hilft? Wie soll das I werden? Wenn die Eisenbahn möglich sein soll, so muss sie unabhängig sein von dem guten Willen der Strasseneigenthümer. Dazu ist nicht nothwendig, dass sie zwangsweise Eigenthümerin des Strassenkörpers werde; sie muss nur darüber weggehen können. Andererseits hat auch der Weg sein öffentliches Interesse; er muss möglich bleiben oder ersetzt werden. Hier kann nicht Recht gegen Recht abgewogen werden, sondern die WeiSheit der freien Verwaltungsmaassregel hat den rechten Ausgleich zu finden. So ergiebt sich unser Rechtsinstitut. Es ist da, seitdem dass es Eisenbahnen giebt; es ist mit ihnen entstanden. Die Natur der Sache hat ihm seine bestimmte Gestalt gegeben; da diese überall im Wesentlichen die gleichen Voraussetzungen findet die allgemeinen Ideen des öffentlichen Rechts sind unseren Kulturstaaten gemeinsam, und das Wesen der Eisenbahnunternehmung, die da hineingestellt wird, ist überall dasselbe -, so ist auch die Ausprägung, die es gefunden hat, im Wesentlichen überall die gleiche. Die Anlage der Eisenbahn bedarf der Genehmigung durch die höchste staatliche 1 De LaHeau, Tr. de l'expropriation I n. 182; de Weiss, De l'expropriation p. 78. - Dass nach geschehener Aufhebung (dec1assement) des Weges u. s. w. die Enteignung zulässig ist, steht damit nicht in Widerspruch: dann handelt es sich eben nicht mehr um öffentliches Eigenthum. 2 Hierüber: Deutsches Verwaltungsrecht Bd. II S. 22 ff. 3 F. Seydel, Gesetz über die Enteignung S. 7; bayer. Verwaltungsgerichtshof vom 4. Mai 1876 (Sammlung Bd. VII S. 231).

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Verwaltungsbehörde, das Ministerium (Ministerium des Innern, des Handels, der öffentlichen Arbeiten - die Abtheilung ist gleichgültig). Diese Genehmigung wird in einem geordneten Verfahren ertheilt, in welchem die verschiedenen Interessen, die da berührt werden, zum Worte kommen. Und bei dieser Gelegenheit wird dann auch bestimmt. was mit den öffentlichen Wegen geschehen soll, über welche die geplante Eisenbahnanlage hinweg geht. Der genehmigte Plan bildet die Grundlage des Enteignungsverfahrens gegenüber dem privatrechtlichen Eigenthum, welches in die Linie fällt. Diese Genehmigung ist aber zugleich unmittelbar maassgebend, was die betroffenen öffentlichen Wege anlangt. Sie bindet selbstverständlich den Eisenbahnunternehmer - staatliche Verwaltung oder Privatgesellschaft - zu den Einrichtungen, welche sie vorschreibt. Sie bindet aber auch den Herrn des öffentlichen Weges, dass er sich diese Einrichtungen: Unterldrückungen, Verlegungen, Ueberbrückungen, Unterführungen gefallen lässt'. Wir können von einem besonderen Wegeveränderungsrecht sprechen, dass da zu Gunsten der Eisenbahnen geschaffen worden ist. Die Einzelheiten dieses Rechtsinstituts entfalten sich wie folgt: 1. Die Genehmigung der vorzunehmenden Veränderung wird vom Ministerium, von der obersten staatlichen Verwaltungsbehörde ertheilt. Sofern der davon betroffene Weg auch seinerseits dem Staate angehört, ist die Rechtsgrundlage der Maassregelleicht zu sehen: es ist einfach die Verfügung des Herrn der Strasse über seine Einrichtung; so gut er sie verändern könnte für sonstige Zwecke, kann er sie auch verändern zu Gunsten der Eisenbahn, und so gut er sie verändern kann zu Gunsten seiner I Eisenbahn, kann er auch der Privateisenbahngesellschaft die 4 Für das hier zunächst in Betracht kommende französische Recht führen wir an: Aucoe, Droit adm. III n. 1480; Perriquet, Tr. des travaux publies II n. 661; de Lalleau, Tr. de l'expropriation I n. 181; Fuzier-Hermann, Repert. general X VO chemins de fer n. 727 ff.; PaLaa, Dictionnaire des chemins de fer p. 276 ff.; vor Allem die eingehende Darstellung von Feraud-Giraud, Des voies publiques modifiees par suite de l'execution des chemins de fer n. 17 ff. Dazu aus der Praxis des französischen Staatsraths unter Anderem folgende Entscheidungen über Beschwerden der betroffenen Gemeinden: 1. April 1869 (Ville de Dreux), Lebon, Recueil 1869 p. 301; 28. Febr. 1870 (com. de Villerable), Journ. du Pal. jur. adm. XV p. 516; 20. März 1874 (Ville de Cannes), eod. XVI p. 303; 14. Dez. 1877 (com. de Saint-Just), eod. XVII p. 198. - Für das preussische Recht ist maassgebend: Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838 § 4. Hiezu: Eger, Handbuch des preuss. Eisenbahnrechts Bd. I S. 549 ff.; GLeim, Recht der Eisenbahnen in Preussen Bd. I S. 233 ff. Ferner Kompetenzkonfliktshof vom 11. Juni 1881 (bei Eger, Eisenbahnrechtliche Entsch. Bd. II S. 62), 11. März 1899 (Eisenbahn-Archiv 1899 s. 853); Reichsgericht vom 13. Juli 1889 (Eisenbahn-Archiv 1889 S. 914 ff.). - Für Bayern Verordnung vom 20. Juni 1855 § 10. Dazu Wand, Die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Wege in der Pfalz; v. SeydeL, Bayer. staatsrecht Bd. III S. 329. - Für Oesterreich Verordnung vom 14. Sept. 1859 § 10 lit. c. Dazu Haberer, Oesterr. Eisenbahnrecht S. 137 ff.; Roell, Oesterr. Eisenbahngesetze S. 90. Verwaltungsgerichtshof vom 20. April 1885, 22. Nov. 1886 (Eger, Entsch. Bd. IV S. 102)

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Ermächtigung ertheilen, dies an seiner Stelle zu thun: die Verleihung des Wegeveränderungsrechts ist eine Folgerung aus der grundlegenden Eisenbahnkonzession, eine ergänzende Ausführung derselben. Anders liegt die Sache, wenn es sich um einen fremden Weg handelt, um eine Provinzial-, Kreis- oder Gemeindestrasse. Die Veränderung soll ja auch hier geschehen können ohne Einwilligung des WegeeigenthÜlners, auf Grund der staatlichen Genehmigung allein. Hier erhebt sich also die Frage nach der "gesetzlichen Grundlage", deren nach unseren Verfassungsgrundsätzen ein "Eingriff in Freiheit und Eigenthum" bedarf. Diese Frage muss aber sofort richtiger gestellt werden dahin: ist die Inanspruchnahme solcher Wege anzusehen als ein derartiger Eingriff? Denn das ist ja nicht zu verkennen: nicht unbedingt ist das Eigenthum nach jenen Grundsätzen unter den schützenden Vorbehalt des Gesetzes gestellt. Wir wissen, dass es in mancherlei Weise den Bedürfnissen der öffentlichen Verwaltung zu weichen hat, von selbst ohne Gesetz. Es ist mit dem Eigenthum wie mit der Freiheit: was zu seinem geschützten Rechtskreis gehört, ist Sache der gemeinen Ueberzeugung, ist naturrechtlich bestimmt. Da ist nun die Thatsache festzustellen, dass nach gemeiner Anschauung das Wegeveränderungsrecht der Eisenbahn einer gesetzlichen Grundlage nicht bedarf. Es kann auch bestehen ohne in einem Gesetze anerkannt und rechtssatzmässig geordnet zu sein. Natürlich wird das Gesetz, wo es ohnehin das Eisenbahnrecht zu regeln hat, auch diesen Punkt nicht leicht übergehen und mehr oder weniger genau dafür Bestimmungen treffen. Thatsächlich aber sehen wir unser Rechtsinstitut in weiten Gebieten leben und wirken auch ohne Gesetzs. Wo aber I ein 5 In Frankreich hat man das Wegeänderungsrecht in das übliche Lastenheft der Eisenbahnkonzessionen aufgenommen. Das würde aber selbstverständlich nicht genügen, um den Eingriff Dritten gegenüber zu rechtfertigen (Lame-Fleury, Code annote des chemins de fer p. 90). Die wahre Grundlage bezeichnet Feraud-Giraud, Des voies publiques etc. n. 30: "Ce droit, l'administration le tient des lois generales d'attribution qui la chargent de prendre toutes les mesures necessaires ... pour multiplier les moyens de communication." Fuzier-Hermann, Repert. general X VO chemins de fer n. 742 et n.6009, führt diese Befugniss in ähnlicher Weise zurück auf die in Gesetzen, Lastenheften u. s. w. anerkannte Eigenschaft des Ministers als "grandvoyer", Gross-Wegemeister. Vgl. auch de Lalleau, Expropriation I n. 181, sowie die Ausführungen des Regierungskommissärs zur Staatsrathsentsch. vom 1. April 1869 (Leb on, Recueil 1869 p. 301 note). Auch in Bayern fehlt der Verordnung von 1855 in dieser Richtung die gesetzliche Grundlage (Seydel, Bayer. Staatsrecht Bd. III S. 330). Das Verfahren wird gleichwohl gehandhabt. Jaeger, Lehre von den Eisenbahnen auf Grundlage des Staates S. 63, konstruirt folgendermaassen: die Wegeverlegung bedarf bei Kreis-, Distrikts-, Gemeinde-Strassen der Zustimmung der entsprechenden Vertretung; "der Staat tritt nur insofern ein, als er das getroffene Abkommen als Kuratelbehörde genehmigt oder aber im Nichteinigungsfalle Entscheidung trifft". Das letztere wäre unser Rechtsinstitut; aber die "Entscheidung im Nichteinigungsfalle" ist sicher kein Akt der Kuratel; worauf sie sich gründet, bleibt unerklärt.

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Gesetz besteht, da ergänzt wieder die Rechtsübung die Lücken, welche es etwa lässt, ohne Weiteres aus jenem naturrechtlichen Gedanken, wonach das Zurückweichen des Weges vor der Eisenbahn selbstverständlich ist 6 • Und schliesslich werden auch die I ausdrücklichen Bestimmungen des Gesetzes selbst nur angesehen als die Bestätigung des auch ohne diese geltenden im Voraus bestehenden Rechts7 • 2. Das Wegeverlegungsrecht der Eisenbahnen ist nur eine Erscheinungsform eines umfassenderen Ideenkreises des öffentlichen Rechts. Oeffentlichen Unternehmungen wohnt eine gewisse Kraft inne, vermöge deren sie entgegenstehende Rechte überwinden und zurückdrängen. Die Franzosen haben diesen Gedanken besonders klar und umfassend entwickelt in ihrer Lehre von den travaux publies. Im deutschen Verwaltungsrecht, namentlich im preussischen, ist die Sache noch vielfach verdunkelt durch die alte Fiskustheorie: der Fiskus arbeitet wie ein anderer Mensch, und der Staat leiht ihm dazu seine obrigkeitliche Gewalt, mit welcher er Hindernisse aus dem Rechte Anderer beseitigt; wo das geschehen soll, findet man schlimmsten Falles immer irgend eine Art "polizeilicher Verfügung", die dahinter steckt; mit dieser künstlichen Konstruktion wird das rechtliche Ergebniss gleichfalls erreicht, nur wäre das einfacher zu haben. 8 Gteim, Eisenbahnbaurecht findet in § 4 des Eisenbahngesetzes keine genügende Grundlage, womit die Genehmigung des Projektes den Wegeeigenthümer (Gemeinde u. s. w.) verpflichte, Plan übergänge u. dgl. zu dulden. Dessen Zustimmung ist also erforderlich. Aber "nach einem ausnahmslos beobachteten Herkommen wird (sie) für entbehrlich erachtet" (S. 247). Es bricht sich, meint er, "die Anschauung mehr und mehr Bahn, dass öffentliche Wege ohne Weiteres auch für bestimmte andere öffentliche Zwecke, insbesondere auch zur Herstellung von Eisenbahnübergängen benutzt werden können" (S. 248). Während Gteim folgerichtig das Wegeverlegungsrecht auf öffentliche Wege allein wirken lässt, soll nach Eger, Eisenbahnrecht Bd. I S. 549, dieses Rechtsinstitut sich gleichmässig auf "öffentliche und private Landwege" beziehen. Für Privatwege trifft aber die Grundidee der ganzen Einrichtung nicht zu, wie sie überall zu Tage tritt: die haben nicht die Bestimmung, den öffentlichen Interessen zu dienen, schon in sich. Für sie ist es auch nicht nothwendig eigene Vorkehrung zu treffen; es genügt hier die gewöhnliche Enteignung; Ersatzwege sind nur eine Form der Gewährung der Enteignungsentschädigung. Thatsächlich giebt man sich ja auch meist mit dem zufrieden, was nach dem Projekte freigebig als Ersatz gewährt wird, und in dem von Technikern geleiteten Verfahren wird deshalb der juristische Unterschied kaum hervortreten. Aber er besteht doch und kann recht bedeutsam werden. 7 Haberer, Oesterr. Eisenbahnrecht S. 137: "Nach dem Grundsatze, dass bei der Konkurrenz zweier staatlicher Zwecke jenem der Vorrang gebührt, welchem der grössere allgemeine Nutzen innewohnt, kann es nicht zweifelhaft sein, dass gegenüber dem Eisenbahnwesen das einfache Strassenwesen zurückzutreten hat." Der Wortlaut des österreichischen Gesetzes genügt; er wird aber hier unterstützt durch denselben Gedankengang, welchen man auch im preussischen und französischen Recht zur Geltung bringt, um die dortigen Lücken auszufüllen.

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Die Rechte an Grund und Boden sind es vornehmlich, welche derartigen Beeinträchtigungen zu Gunsten des öffentlichen Unternehmens unterliegen. Die Enteignung liefert das Hauptbeispiel. Das Oberlandesgericht in seinem besprochenen Urtheile I glaubte die Sache erledigt, wenn es nachwies, dass ein civilrechtlicher Rechtsgrund für die Eisenbahn nicht vorliege und dass andererseits die Formen des öffentlichrechtlichen Instituts der Enteignung nicht erfüllt seien. In Wahrheit sind die Gestaltungen, welche das öffentliche Recht hier bietet, viel reicher und mannigfaltiger. Wir können drei Grundformen unterscheiden, in welchen jene besondere Kraft des öffentlichen Unternehmens zur Geltung kommt. Wenn es sich darum handelt, zu Gunsten eines öffentlichen Unternehmens das Recht am Grundstück selbst zu entziehen, so kann das nur vermittelt werden durch einen obrigkeitlichen Akt, der diese Entziehung ausspricht. Das öffentliche Unternehmen steht dahinter als Grund und Zweck des Aktes, die Wirkung trägt dieser allein. So die Enteignung; sie ist aber nicht der einzige Fall dieser Art. Das öffentliche Unternehmen kann auch unmittelbar das Grundeigenthum ergreifen durch thatsächliche Einwirkungen, die es darauf ausübt. In der rechtlichen Wehrlosigkeit des Eigenthums dem gegenüber offenbart sich alsdann hier die besondere rechtliche Kraft des öffentlichen Unternehmens. Die verschiedenen öffentlichrechtlichen Eigenthumsbeschränkungen, die man danach zusammenstellen mag, sind die Kehrseite dieser Wirkungskraft 8 • In manchen Fällen endlich ist die Einwirkung zwar gleichfalls eine rein thatsächliche, unmittelbar von dem öffentlichen Unternehmen ausgeübte, aber sie ist rechtlich gebunden und bestimmt durch einen eigens dafür zu erlassenden obrigkeitlichen Akt, der vorschreibt, was geschehen soll und darf. Beispiele geben die Entnahme von Materialien für Strassenbau, die Inbesitznahme von Grundstücken zu vorübergehender Benutzung9 , I und von der gleichen Gestalt ist auch der Eingriff bei unserem Wegeveränderungsrecht. Es handelt sich hier überall nicht um Entziehung des Rechts am Grundstück, wie bei der Enteignung. Die Einwirkung ist ihrem Wesen nach der zweiten Form gleich. Nur ergiebt sie sich in diesen Fällen nicht wie dort nach Art und Richtung bestimmt aus dem Unternehmen selbst, gleichsam eine unwillkürliche Kraftäusserung von ihm. Sie bedarf, wie die Betrachtung unserer Beispiele 8 Manöverschäden und Beeinträchtigung des Grundeigenthums durch benachbarte Militärschiessstände sollen nur als Beispiele erwähnt sein. e Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 11 S. 171 ff. Dass man das als öffentlichrechtliche Servitut zu bezeichnen pflegt, ist allerdings keine gute Ausdrucksweise.

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zeigt, der Planmässigkeit und Ordnung und ist nur zulässig, wenn sie diese durch einen obrigkeitlichen Akt erhalten hat. Dieser begründet erst für das betroffene Grundstück die Wehrlosigkeit gegenüber dem beabsichtigten Eingriff und ist die Bedingung für die Rechtmässigkeit dieses Eingriffes selbst. Wir können hier, um die Reihe zu vervollständigen, von einer bedingten thatsächlichen Einwirkung des öffentlichen Unternehmens sprechen. Auf diese Weise erhält unser Rechtsinstitut seine feste Stellung im ganzen System der Verwaltungsrechtsinstitute. 3. Das Wegeveränderungsrecht bedeutet demnach die rechtmässige Vornahme thatsächlicher Aenderungen an dem betroffenen Wege lO • Das dingliche Recht am Grund und Boden bleibt un Iberührt; nur die äusserliche Gestalt und Bestimmung dieses Grund und Bodens wird anders. Da aber zum Wesen des Weges eine gewisse äusserliche Gestalt gehört, vermöge deren er dem Verkehr zu dienen bestimmt ist, so hängt es von Art und Weise der Aenderung ab, inwiefern dieses Stück Weg als solcher noch fortbesteht. Der Weg kann einfach an seiner Stelle bleiben und bloss mit Vorrichtungen belastet werden, welche der Eisenbahn dienen: es werden Schienenstränge quer über den Wegekörper gelegt (Planübergang), oder der Weg wird überbrückt (Wegeunterführung, Eisenbahnüberführung). Der Weg kann auch in der Weise an seiner Stelle bleiben, dass er im Luftraum des zugehörigen Grund und Bodens die darunter weggeführte Eisenbahn überbrückt (Eisenbahnunterführung, Wegeüberführung). Da entstehen denn ganz eigenthümliche Gemeinschaftsverhältnisse, die noch zu betrachten sein werden. Es kann auch sein, dass an der Stelle, wo bisher der Weg war, fortan keiner mehr bestehen soll, sei es, dass er schlechthin aufhört (Unterdrückung), sei es, dass der Zusammenhang des unterbrochenen Wegezuges an einer anderen Stelle wieder hergestellt wird (Wegeverlegung); 10

Die ministerielle Genehmigung des Eisenbahnbauplanes bedeutet nach

Fuzier-Hermann a. a. O. n.6009: lIla l{~gitimite des transformations operees dans le regime de la voirie". Gteim a. a. O. S. 340 sagt von dieser Genehmi-

gung: "Sie bildet die Rechtsgrundlage für die Bauausführung." Nach preussischer Rechtssprache ist der Akt eine polizeiliche Verfügung. Reichsgericht vom 13. Juli 1889 (Eisenbahn-Archiv 1889 S. 914 ff.) erörtert ausführlich die Frage, wie eine solche polizeiliche Verfügung für und gegen Dritte (hier also die Wegeberechtigten) wirken könne. Es wird ein Unterschied zu machen gesucht, je nachdem die polizeiliche Verfügung eine blosse Genehmigung enthält, oder zugleich "eine Anlage betrifft, welche im Interesse des öffentlichen Verkehrs nothwendig ist". Letzteren Falles ist auch "ein Rechtsstreit mit einem Dritten ausgeschlossen". Das soll als "Anordnung" bezeichnet werden. Einfacher würde die Sache unseres Erachtens, wenn man sich klar machte, dass das nach der Entwicklung, welche das Verwaltungsrecht genommen hat, jetzt überhaupt nicht mehr unter den Begriff "Polizei" fällt. Die Kompetenzbestimmungen des Gesetzes vom 11. Mai 1842, auf die man es natürlich immer abgesehen hat, könnten dabei unverändert bestehen bleiben: man hat hiefür einfach gelten zu lassen, was dieses Gesetz unter polizeilicher Verfügung verstanden hatte.

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das letztere führt dann zur Schaffung neuer Weges trecken behufs Verbindung mit einer sonst schon eingerichteten oder besonders zu schaffenden Kreuzung der Bahnlinie durch Planübergang, Wegeüberbrükkung oder Eisenbahnüberbrückung. Vor Allem kommen hier sog. Parallelwege zur Anwendung. Grundeigenthum und Wegerecht sind hier zunächst getrennt. Wir werden auch auf die so entstehenden Verhältnisse noch zurückkommen. - I Die durchgeführte thatsächliche Wegeänderung ist von vorne herein einseitig im Interesse des Eisenbahnunternehmens geschehen. Sie enthält einen Eingriff in die Rechte des Wegeberechtigten, dessen Interessen natürlich nicht schlechthin geopfert werden können; soweit sie schutzwürdig sind, müssen sie ihren Ausgleich finden. Dieser Ausgleich bildet die Kehrseite unseres Instituts. Er findet je nach der Art des Interesses, das geschützt werden soll, auf dreierlei Weise statt. An der Spitze steht das Interesse des öffentlichen Verkehrs, welchem der Wegeberechtigte mit seinem Wege dient. Es findet seine Berücksichtigung in dem Wegeänderungsverfahren selbst. Die oberste Verwaltungsbehörde hat zu ermessen, in welcher Form der Weg beibehalten werden kann, ob und wie ein Ersatz für ihn zu schaffen ist. Ihre Anordnung ist, je nachdem es sich um eine Staats- oder um eine Privateisenbahn handelt, ein Dienstbefehl oder eine konzessionsmässige Auflage. Die Kosten trägt selbstverständlich das Eisenbahnunternehmen. Gegebenen Falls können solche Anordnungen auch nachträglich ergehen; auch davon soll noch die Rede sein. Aber jedenfalls hat der Wegeberechtigte kein anderes Mittel, um das von ihm vertretene Verkehrsinteresse geltend zu machen, als die Erwirkung einer solchen Anordnung ll . Insbesondere kann er nicht etwa I Schadensersatz ansprüche geltend machen wegen Erschwerung des öffentlichen Verkehrs durch Umwege, Steigungen, Schrankenhindernisse u. dgl. Das öffentliche Verkehrsinteresse kann sich nicht in Geldforderungen übersetzen 12 • 11

Vgl. die Aufzählung von dem, was alles die Gerichte in solchem Falle

nicht können, bei Feraud-Giraud a. a. O. n. 360. Es handelt sich hier einfach

um die Thatsache, dass ein Verwaltungsakt im Spiele ist; den können die Gerichte nicht selbst machen, noch abändern, noch für unwirksam erklären. Das Gleiche gilt nach preussischem Recht: K.-K.-H. vom 11. Juni 1881 (Eger, Entsch. Bd. 11 S. 62), K.-K.-H. vom 11. März 1899 (Eisenbahn-Archiv 1899 S. 853). Oberverwaltungsgericht vom 3. Febr. 1897 (Eisenbahn-Archiv 1897): in dem genehmigten Eisenbahnprojekt ist ein Wegetheil als beseitigt behandelt; ein Ersatz ist nicht vorgesehen; es ist "nicht ausgeschlossen, dass die Nichtberücksichtigung des früheren Uebergangs lediglich auf einem Uebersehen beruht". Die Ortspolizei ist gleichwohl nicht zuständig, die Wiedereröffnung zu verlangen. Vgl. auch Stölzel, Rechtsprechung des K.-K.H. S. 450-455, 457. - Oesterr. Verwaltungsgerichtshof vom 20. April 1885 (Eger, Entsch. Bd. IV S. 102): die Strassenumlegung und die Art derselben ist Sache freien Ermessens der Behörde; daher kein Verwaltungsrechtsweg für die Betheiligten. Ebenso Oesterr. Verwaltungsgerichtshof vom 22. Nov. 1886; eod. 11°

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Das zweite, was in Betracht kommt, ist ein greifbarer Nachtheil des Wegeberechtigten: die Vermehrung der Wegeunterhaltungskosten, welche ihm aus der neuen Einrichtung erwächst. Diese selbst herzustellen ist, wie gesagt, Sache des Eisenbahnunternehmens. Aber nun ist wegen des Umwegs die von dem Wegeberechtigten zu unterhaltende Strecke länger geworden, Rampen und Wegeunterführungen sind kostspieliger im Stande zu halten als ebene Wege. Diese Mehrkosten sind ihm zu vergüten. Das Maass des von dem Eisenbahnunternehmen zu tragenden Antheils kann schon bei der Anordnung der Wegeveränderung bestimmt sein. Ist das nicht geschehen, so kann der Wegebaupflichtige gleichwohl die Vergütung beanspruchen. Der Rechtsgrund liegt in der Anordnung der Wegeveränderung selbst. Die Neueinrichtung ist dadurch zu Lasten des Eisenbahnunternehmens gelegt; dazu gehört auch der künftige Mehr I aufwand für die Unterhaltung. Wenn der Wegebaupflichtige diese ganz bestreitet, so trägt er damit zugleich den Theil, der jenes trifft, und hat nach einem allgemein gültigen Verwaltungsrechtssatz seinen Rückgriff dafür auf den eigentlichen Pflichtigen13 • Endlich kommt noch als drittes in Betracht das Recht des Wegeherrn an dem Grund und Boden, welcher bisher der Strasse diente. Die vorgenommene Aenderung kann ihn ja im Besitze dieses Geländestückes 12 Da von einer civilrechtlichen Schadensersatzforderung für rechtswidrige Schädigung keine Rede sein kann, würde es sich bloss handeln können um das bekannte Rechtsinstitut der öffentlichrechtlichen Entschädigung. Diese setzt aber ein greifbares Opfer voraus, wie Feraud-Giraud n. 216 es noch einmal ausführlich darlegt: ein domrnage direct et materiel. Die Erschwerung des Verkehrs, welche hier in Frage käme, ist kein Schaden von der bestimmten Gestalt. So insbesondere Staatsraths-Entsch. vom 20. März 1862 (Ch. de f. de Carmaux c. commune de Lescure); J. du Palais XIV p. 194: "Considerant, que la gene dans la circulation ... signales par la commune, ne peuvent etre consideres comme des dommages directs et materiels qui puissent donner lieu a une indemnite au profit de cette commune." Vgl. auch Aucoe, Droit adm. III n. 1981 ff.; Feraud-Giraud n. 220; Fuzier-Hermann n. 6010 ff. 13 Es dürfte wohl richtiger sein, die Sache auf diese Weise zu erklären. Das im Deutschen Verwaltungs recht Bd. II S. 426 untersuchte Rechtsinstitut liegt hier vor, das man gemeiniglich unter den Namen der "Geschäftsführung" bringt. Die gewöhnliche Auffassung des Falles findet darin eine öffentlichrechtliche Entschädigung wegen domrnage direct et materiel aus öffentlichen Arbeiten: Feraud-Giraud n. 222; Aucoe, Droit adm. n. 1481. - Reichsgericht vom 19. April 1880 (Eger, Entsch. Bd. I S. 159) gründet den Entschädigungs anspruch des Wegeberechtigten wegen der ihm verursachten Mehrkosten der Unterhaltung auf § 75 Einl. Allg. L.-R.; das ist also gleichfalls die öffentlichrechtliche Entschädigung wegen "besonderen Opfers". Es ist nicht gleichgültig, ob man die Sache in der einen oder in der anderen Weise auffasst. Die gewöhnliche Auffassung würde auch bei Verlegung eines Privatweges Anwendbarkeit verlangen; auch würde unter Umständen die Entschädigung sich anders berechnen. Es verlohnt wohl die Frage einmal noch genauer zu untersuchen. Vgl. auch Eger, Eisenbahnrecht Bd. I S. 381 ff., wo allerdings statt bestimmter Rechtsbegriffe die "Billigkeit und allgemeine Rechtsregeln" angerufen werden.

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lassen, wenn er auch darin mehr oder weniger beschränkt und belästigt wird. So vor Allem bei Planübergängen. Dann hat er dafür keinen weiteren Anspruch. Es kann ihm aber der Besitz davon thatsächlich entzogen sein: die Strasse ist gänzlich unterdrückt oder verlegt, der Grund und Boden, auf dem sie lief, von Eisenbahnanlagen bedeckt und abgesperrt. Dann entsteht für ihn ein Anspruch auf Entschädigung in demselben Maasse, wie bei der Enteignung: der Werth des Grund und Bodens ist ihm zu ersetzen. Eine Enteignung liegt ja nicht vor, denn der Wegeberechtigte ist trotz der vollzogenen thatsächlichen Wegeveränderung Eigenthümer jenes Stückes gelblieben; sein Eigenthum ist selbstverständlich civilrechtliches geworden, da der Weg als solcher dort aufgehört hat14 • Es handelt sich auch nicht um eine analoge Anwendung der Grundsätze der Enteignungsentschädigung, sondern um Anwendung des Rechtsinstitutes der öffentlichrechtlichen Entschädigung, von welchem auch die Enteignungsentschädigung nur ein besonderer Anwendungsfall ist. Gegen Zahlung dieser Entschädigung wird dann die Eisenbahn Eigenthumsübertragung verlangen können, welche in den Formen des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor sich geht15 • Wir haben vorhin einige Punkte einer näheren Erörterung vorbehalten; unser Gegenstand: Eisenbahn und Wegerecht ist nämlich noch nach einer anderen Seite hin zu betrachten, entsprechend einem zweiten Vertheidigungsmittel, welches die Eisenbahnverwaltung geltend gemacht hatte. Da werden sie ihren richtigen Zusammenhang finden. Zunächst muss berichtet werden, dass der Kolmarer Fall sich nicht so einfach erledigte, wie man nach dem Bisherigen denken sollte. Das Reichsgericht hatte anerkannt, dass in der Genehmigung der Unterdrückung der beiden Wege durch das Reichskanzleramt ein Verwaltungsakt liegen würde, den das Gericht zu achten hätte, und die Sache I an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, um danach zu verfahren. Nun war äusserlich die Sache glatt; denn die Genehmigung der Pläne, auf welU Die Rechtslage wird vom österreichischen Ministerium des Innern in dem ihm eigenthümlichen Kanzleistil also gekennzeichnet: "Wenn ein Gemeindeweg durch eine im Sinne des § 10 lit. cerfolgte Umlegung einer Strasse anderer Konkurrenz als Verkehrsobjekt obsolet geworden ist, so ist er dadurch nicht gleichfalls schon als Grundobjekt äquivalirt worden" (RoeH, Oesterr. Eisenbahngesetze S. 90). IS Der Vorgang hat Aehnlichkeit mit dem Erwerb des durch die Baufluchtlinie zur Strasse abgeschnittenen Geländes; de LaHeau, Expropriation II n. 1103 ff. - Die Sache stellt sich jedoch so glatt im obigen Sinn nur in dem seltenen Falle dar, dass ein Weg schlechthin unterdrückt wird. Für den Fall, dass Ersatzwege geschaffen werden, kommt es darauf an, inwiefern das hiefür gegebene Gelände als Ausgleich anzunehmen ist; meist ist es ja umfassender als das zur Bahn gezogene Wegestück. Aber sind diese Wege überhaupt als Vermögensstücke zu rechnen? - In der französischen Praxis scheint man geneigt, hier Alles einfach als ausgeglichen zu behandeln, ohne in eine genaue Berechnung einzugehen (Feraud-Giraud n. 222).

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chen diese Wege als wegfallend bezeichnet waren, lag vor, und das ist unbestrittener Maassen die Form, in welcher die Wegeänderungsanordnung zu ergehen hat. Was die Stadt Kolmar zu verlangen hatte, war demgemäss nur die Bezahlung des Werthes des Grund und Bodens ihrer ehemaligen Wege; und dazu war die Eisenbahnverwaltung bereit. Allein es kam anders. Das Oberlandesgericht Kolmar stellte mit Erkenntniss vom 29. Oktober 1897 seine erste Entscheidung wieder her. Es erwog, dass der Reichskanzler keine Veranlassung gehabt hatte, die Schliessung der beiden Wege selbständig anzuordnen, da er nach den Berichten über das Ergebniss des Enqueteverfahrens annehmen durfte, die Betheiligten seien mit dieser Maassregel einverstanden. Die Genehmigung der Pläne, erklärte es, wenn sie auch die Unterdrückung der beiden Wege vorzusehen scheint, enthält desshalb doch keinen auf diesen Erfolg gerichteten Willensakt. Auf eingelegte Revision erkannte das Reichsgericht unterm 11. Febr. 1898, dass hier thatsächliche Feststellungen vorlägen, gegen welche auf diesem Wege nicht aufzukommen sei. Es blieb also bei der Verurtheilung der Eisenbahn zur Herausgabe zweier Stücke ihres Bahnhofes quer über die Schiengeleise hinweg. Man konnte gespannt sein, wie es nun mit der Zwangsvollstreckung weiter ging; das spielt schon in das Gebiet jenes zweiten Vertheidigungsmittels der Bahnverwaltung hinein. Diese fand jedoch, dass es nicht nöthig sei, ihre erste Position aufzugeben. Hatte das Gericht festgestellt, dass das Wegeänderungsverfahren damals missglückt war, weil der Reichskanzler es nicht zu dem für den abschliessenden Akt nöthigen Willens entschluss gebracht hatte, so war dem ja einfach dadurch abzuhelfen, dass man den Akt nachholte und damit den seit Jahren bestehenden thatsächlichen Zustand legalisirte. Dass dies zulässig sei, darüber I war nach französischem Recht kein ZweifeP6. Es konnte sich alsdann nur noch um die Frage handeln, welchen Schadensersatz die Gerichte der Stadt wegen der bisherigen "rechtswidrigen" Sperrung zusprechen wollten; das wäre ein Schadensersatz wegen Störung des öffentlichen Verkehrs interesses - eine ziemlich chimärische Grösse, für deren Berechnung es in der bisherigen Praxis Maassstäbe nicht giebt. Man konnte es darauf ankommen lassen. Es erging also nunmehr alsbald ein Erlass des Reichskanzlers, dahin lautend: Nachdem das Gericht festgestellt hat, dass seiner Zeit verabsäumt wurde, gemäss dem der Enquete unterstellten Projekt die Unterdrükkung der beiden Uebergänge auszusprechen, wird dieses hiermit nachgeholt und die kaiser!. Generaldirektion ermächtigt, dieselben zu schliessen und geschlossen zu halten. Das wurde der siegreichen Klägerin mitgetheilt, und seitdem ruht die Sache. 18

Feraud-Giraud n. 64.

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Dieser Ausgang des Prozesses wirft so bedeutsame Streiflichter auf gewisse allgemeine Fragen des öffentlichen Rechts, insbesondere des elsass-Iothringischen Staatsrechts, dass wir einige Bemerkungen darüber hier einschalten möchten, bevor wir an die angekündigte weitere Erörterung unseres Themas gehen. Es handelte sich natürlich bei der zweiten Revision um die Zulässigkeit des Rechtsweges, um die Frage, ob das Gericht der Verwaltung gegenüber zuständig war, eine Entscheidung zu treffen, wie sie hier vorlag. Diese Frage wäre geeignet gewesen, im Kompetenzkonfliktsverfahren zum Austrag gebracht zu werden. In Elsass-Lothringen ist aber ein solches zur Zeit nicht vorgesehen; es bleibt also bei dem Satz: die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Bei den Berathungen über den Entwurf des Gerichtsverfassungsgesetzes hat man mehrfach auf Elsass-Lothringen hingewiesen als Beleg dafür, dass es auch ohne Kompetenzkonfliktshof gehe 17 • Der Kompetenzkonflikt ist I nicht volksthümlich. Das erklärt sich aus geschichtlichen Erinnerungen, aus den Eindrücken der Zeit des Polizeistaates, wo die Gerichte noch der einzige Hort des Rechts waren und die Verwaltung als das Gebiet galt, wo es kein Recht giebt oder wo es wenigstens mit dem Recht nicht so genau genommen wird. Gegenüber der Verwaltung des Rechtsstaates sind diese Abneigungen nicht mehr am Platz. Sie ist rechtlich gebunden, und weil sie das ist, fehlt ihr jetzt auch die Möglichkeit, sich über gerichtliche Urtheile, welche Eingriffe in ihr Gebiet enthalten, mit der sonst so beliebten via facti hinwegzuhelfen. Sie bedarf eines Schutzes gegen Uebergriffe. Man sage nicht, dieser Schutz liege in der Amtspflicht und dem Gewissen des Richters selbst. Denn gerade hier wirken diese Schutzmittel erfahrungsgemäss nicht kräftig genug. Unsere Richter thun redlich und ehrlich ihr Bestes, um nur ja keinem Menschen Unrecht zuzufügen, und den Menschen stellen sie hier als wohlgeschulte Juristen auch die juristischen Personen gleich. Wo es sich aber lediglich um die Machtfrage gegenüber anderen Behörden handelt, tritt dieses menschliche, ethische Element stark zurück. Gilt dieses doch sogar gegenüber dem Reichsgericht als Revisionsinstanz: der faktische Erwägungsgrund, der den juristischen Ausführungen vorsorglich hinzugefügt wird, obwohl man ihm eigentlich keinen besonderen Werth beilegt, ist sicherlich keine blosse Fabel. Gar der Verwaltungsbehörde gegenüber die eigene Zuständigkeit etwas auszudehnen, um das, was man für Recht hält, nicht ohne Schutz zu lassen, das geschieht mit dem besten Gewissen von der Welt. Es giebt Gebiete, auf welchen der Ausdehnungstrieb der Justiz schon sehr segensreich gewirkt und unter allgemeinem Beifall eine feste Ordnung geschaffen hat. Aber es muss doch möglich sein, ihm eine gewisse Grenze zu stek17

Hahn, Materialien zum Gerichtsverfassungsgesetz Bd. I S. 683.

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ken, und dazu bedarf es einer äusserlichen Ueberwachungseinrichtung. Die Franzosen, welche einen ganz ausgezeichneten Richterstand besitzen, haben bei allem Wechsel der Staatseinrichtungen nie den Kompetenzkonflikt entbehren zu I können geglaubt. Es ist bekannt, wie man nach ihrem Vorbild die Kompetenzkonfliktshöfe bei uns vielfach als eine Art Schiedsgericht zwischen Justiz und Verwaltung zusammensetzte mit gleicher Vertretung beider Theile. Das braucht nicht immer so zu sein. Insbesondere könnte man für ein kleines Land, das nicht einmal einen eigentlichen Verwaltungsgerichtshof hat, daran denken, die Kompetenzkonfliktsentscheidung einfach dem Reichsgericht zu übertragen. Ganz zufrieden stellend wäre das nicht, insofern eben das Reichsgericht in Fragen des öffentlichen Rechts naturgemäss weniger zu Hause ist und auf diesem Gebiet hinter dem preussischen Oberverwaltungsgericht z. B. unzweifelhaft zurücksteht. Aber die volle Unbefangenheit gegenüber örtlichen Rücksichten und Reibungen, die hier eine grosse Rolle spielen, wäre allerdings bei ihm gegeben, und das wäre die Hauptsache. Also, wird man sagen, ist ja Alles in Ordnung. Das Reichsgericht kann immer im Wege der Revision angegangen werden, um die verletzten Zuständigkeitsgrenzen gegenüber einem Uebergriffe des Gerichtes wieder herzustellen. Was will man mehr? Der vorliegende Fall beweist, dass dieses Verfahren gänzlich unzureichend ist, um das richtige Kompetenzkonfliktsverfahren zu ersetzen. Die Grundlage für die Abgrenzung der Zuständigkeit der Gerichte gegenüber der Verwaltung giebt in Elsass-Lothringen zur Zeit noch das französische Recht. Unter dem Namen Trennung der Justiz- und Administrativgewalt stellt es ein Verbot für die Gerichte auf, dem Verwaltungs akt irgendwie zu nahe zu treten: sie dürfen nicht selbst aussprechen, was diesem zukäme, dürfen ihn nicht prüfen auf seine Gültigkeit, nicht auslegen, wo er zweifelhaft wäre. Das französische Recht hat dieses Verbot mit solcher Entschiedenheit durchgeführt, dass es sogar gilt für die sog. öffentlichrechtliche Vorfrage. Es soll sich also um eine richtige bürgerliche Rechtsstreitigkeit handeln, Schadensersatzklage gegen einen Beamten u. dgl.; für die Entscheidung I kommt es darauf an, ob eine Verfügung der Verwaltungsbehörde gültig oder wie sie zu verstehen ist, - das Gericht muss aussetzen (surseoir), bis im Verwaltungswege dieser Punkt bereinigt ist. Es wird wohl anzunehmen sein, dass § 139 (jetzt § 148) C.-P.-O. hierin eine durchgreifende Aenderung gebracht hat. Auch das Reichsgericht scheint dieser Auffassung zuzuneigen, wenn es in seinem Erkenntniss vom 11. Febr. 1898 nebenbei bemerkt: es brauche nicht untersucht zu werden, "ob die Aussetzung des Verfahrens nicht nach § 139 C.-P.-O. stets im Ermessen des Gerichtes stehe".

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Allein der § 139 kam ja im vorliegenden Falle überhaupt nicht in Betracht; es handelte sich nicht um eine öffentlichrechtliche Vorfrage. Die Hauptfrage war öffentlichrechtlich. Ueber das Eigenthum am alten Wegegelände war ja doch kein Streit, sondern darüber, ob ein öffentlichrechtlicher Akt die Eisenbahnverwaltung von der Herausgabe entbinde. Der Kläger kann diese Frage dadurch, dass er seine Klage eine rei vindicatio nennt, nicht zu einer civilrechtlichen machen; das ist eine alte Weisheit, über die eigentlich nichts mehr zu sagen ist. Auch nach deutschem Recht, auch nach der Weise, wie ausserhalb des französischen Rechtsgebiets die Zuständigkeitsgrenze allenthalben gezogen ist, darf das Gericht dem Verwaltungsakt die Wirksamkeit nicht versagen, die er unmittelbar beansprucht. Es ist nicht zur Kontrolinstanz über ihn gesetzt, das ist nach der bestehenden Ordnung selbstverständlich. Es darf ihn weder unwirksam erklären noch weginterpretiren. Hiefür ist der Rechtsweg nicht zulässig. Freilich, wenn gar kein Verwaltungs akt vorliegt, geht das Gericht unbekümmert seinen Gang; die Möglichkeit, dass ein solcher die Sachlage hätte ändern können, darf ihm gleichgültig sein. Aber liegt ein solcher nur dann vor, wenn er der äusseren Erscheinung nach die Sache betrifft und zugleich nach Ansicht des Gerichts rechtsgültig ist und seinem Inhalt nach darauf I gerichtet, die Bestimmung zu geben, auf die es ankommt? Da hätten wir ja gerade die Kontrolle, die nicht sein soll, in der schönsten Weise. Damit die gerichtliche Zuständigkeit aufhöre, muss es genügen, dass ein Verwaltungsakt ergangen sei, der seinem Inhalt nach die fragliche Bestimmung in rechtsgültiger Weise enthalten haben kann; die äussere Erscheinung des Verwaltungsaktes schafft ihm sein bestimmtes Respektsgebiet, andernfalls wäre die Zuständigkeitsschranke der Gerichte eitel Schein und Heuchelei. Im Kolmarer Rechtsstreit war der äusseren Gestalt nach der Verwaltungsakt, auf den es ankam, vollkommen gegeben. Eine regelrechte Unterdrückung der zwei Wege hätte keine andere Form gewählt, um diesem Willen Ausdruck zu leihen als die hier vom Minister gewählte: Genehmigung eines Eisenbahnbauplanes, auf welchem die beiden Wege als unterdrückt bezeichnet sind 18 • Das Oberlandesgericht spricht ihr die Rechtswirksamkeit ab, indem es feststellt: der entsprechende innere 18 Es wird immer nur verlangt eine "autorisation ... devant resuIter de l'approbation des plans et projets" : Feraud-Giraud n. 20; Staatsrathsentsch. vom 20. März 1874 (Journ. du Pal. XVI p. 308); 14. Dez. 1877 (Journ. du Pal. XVII p. 198). Auch nach preussischem Recht ist das nicht anders. Wenn die Gerichte immer erst noch zu prüfen hätten, ob der Minister sich alle Einzelheiten des Planes gehörig zu Bewusstsein gebracht hätte, wo kämen wir hin! - Im vorliegenden Fall war den Gerichten die richtige Auffassung vielleicht dadurch erschwert, dass sie an einen förmlichen rechtsverändernden Akt dachten, anstatt an eine blosse Ermächtigung zu thatsächlichem Vorgehen, wie sie unserem Rechtsinstitut entspricht.

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Wille habe dem Minister gefehlt. Es ist geradeso, wie wenn nach B. G.-B. § 118 eine "nicht ernstlich gemeinte" Willenserklärung angenommen würde, oder wie nach kanonischem Recht die Sakramentsspendung für unwirksam gilt, wenn sie ohne die entsprechende "intentio" geschah. Man könnte kein deutlicheres Beispiel finden von dem Verfahren, welches nach dem vorhin Ausgeführten den einfachen, überall angenommenen Grundtypus I der gerichtlichen Zuständigkeitsüberschreitung bildet. Wenn wir die bestimmten Formeln anwenden wollen, in welchen insbesondere das französische Recht diese Grundsätze zum Ausdruck bringt, so müssen wir sagen, dass das Kolmarer Urteil zwei Verbote zugleich verletzt: es legt den Verwaltungsakt aus, um ihn für ungültig zu erklären, das apprecier und das interpreter macht es in Einem 19 • Das Reichsgericht hat aber, wie wir sahen, die Abhülfe versagt, und es scheint uns, dass es dabei in seinem Rechte war. Das bringt uns eben auf den Punkt, auf welchen diese Nebenerörterung sich zuspitzt. Es handelt sich um eine Revision, und somit waren "die in dem angt:fochtenen Urtheile gerichtlich festgestellten Thatsachen maassgebend". Das Reichsgericht antwortet desshalb auf den Anfechtungsgrund, wonach eine unzulässige Unwirksamerklärung des Verwaltungsaktes vorliege: es ist thatsächlich festgestellt, dass ein solcher überhaupt nicht vorliegt, indem eben der Wille, anzuordnen, gefehlt hat; also kann man auch nicht behaupten, es sei einem Verwaltungsakt die Rechtswirksamkeit abgesprochen worden. - Daraus ergiebt sich, wie ungeeignet das Rechtsmittel der Revision ist, um diese Zuständigkeitsgrenze der Gerichte zu überwachen. Es schützt wohl den Verwaltungs akt gegen die gerichtliche Kontrole seiner äusserlichen Gesetzmässigkeit; denn da handelt es sich um juristische Urtheile, welchen der Revisionsrichter folgen darf. Will aber ein Gericht dem Verwaltungs akt die wesentlichen Erfordernisse einer Willenserklärung absprechen, bei deren Ermangelung er als I solcher überhaupt nicht mehr in Betracht käme, so ist das eine thatsächliche Feststellung, über welche das Reichsgericht nicht hinwegkann. Noch deutlicher wird die Sache beim zweiten Anfechtungsgrund. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist natürlich nur dann den Gerichten verboten, wenn sie irgendwie zweifelhaft ist. Zweifellose Verwaltungsakte haben sie einfach so anzuwenden, wie sie sind; das ist ja 19 Die Franzosen haben dem Gerichte die Auslegung des Verwaltungsaktes versagt, damit es nicht seinen eigenen Willen hineinlege (Dalloz, Rep. yO compet. adm. n. 226: die Auslegung "ne pourrait etre confie a une autorite differente, qui pourrait etre tentee de substituer son propre esprit a celui dans lequel l'acte a ete con!;u"). Eine Auslegung wie die hier vorliegende geht darüber noch weit hinaus.

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schliesslich auch eine Auslegung, aber eine zulässige. Das Reichsgericht erledigt die Frage mit dem Satz: "Im vorliegenden Falle ist festgestellt worden, dass der Inhalt klar und zweifellos seL" Nun ist es allerdings in der französischen Rechtsprechung der Kompetenzkonflikte unwandelbarer Grundsatz, dass es nicht darauf ankommt, ob das Gericht, dessen Urtheil angefochten ist, die Auslegung für zweifellos hält; es fragt sich vielmehr, ob eine Meinungsverschiedenheit objektiv möglich, ob etwas auszulegen war 20 • Allein die Revisionsinstanz, wenn sie sich streng gebunden halten will an den "festgestellten Thatbestand", muss diese thatsächliche Frage eben nehmen, wie sie das Gericht gestaltet hat. Und das will sagen, dass sie für den Schutz dieser Zuständigkeitsgrenze der Gerichte überhaupt lahmgelegt ist. Sie könnte nur dann eingreifen, wenn das Gericht sich herbeigelassen hätte, thatsächlich festzustellen, dass die von ihm gegebene Auslegung zweifelhaft ist. Wie die Dinge menschlich zugehen, geschieht das wohl nie, es sei denn, dass einmal ein Gericht nicht wüsste, dass das ein Revisionsgrund ist. I Der hier betrachtete Fall lehrt uns also auf das Deutlichste, dass die Revision nicht im Stande ist, das fehlende Kompetenzkonfliktsverfahren zu ersetzen. Unser Fall regt noch eine andere Betrachtung an, welche die eigenthümliche Stellung der Reichseisenbahnverwaltung im "Staate" ElsassLothringen beleuchtet und einen Beitrag liefern mag zur Bestimmung der rechtlichen Natur dieses letzteren Gebildes. Die Wegeveränderungen, welche aus Anlass von Eisenbahnanlagen vor sich gehen sollen, werden nach dem maassgebenden französischen Rechte angeordnet von dem Ministre des travaux publies. Die Genehmigung der Erweiterung des Bahnhofes Kolmar im Jahre 1875, welche die Unterdrückung der beiden streitigen Wege enthielt, erfolgte durch das Reichskanzleramt. Die Wiederholung dieses Aktes, als ihn das Oberlandesgericht für unwirksam erklärt hatte, geschah im Jahre 1898 durch das Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen. Reichsbehörden üben also in Elsass-Lothringen die Befugnisse des Ministers der öffentlichen Arbeiten aus, machen Gebrauch von der staatlichen Wegehoheit und von der darin liegenden Gewalt, allen öffentlichen Wegen des Staates, des Bezirkes, der Gemeinden die im höheren Interesse der Eisenbahn nöthigen Aenderungen aufzuerlegen. Sie thun hier, was an20 Aucoe, Droit adm. I n. 277; Kassationshof vom 27. Febr. 1855 (DaUoz 55 p. 296): "il ne depend pas d'eux d'usurper les attributions de l'autorite administrative en qualifiant actes c1airs des actes ambigus et en pretendant appliquer quand ils ne font veritablement qu'interpreter." Der Staatsrath als Kompetenzkonfliktshof hat sogar ausgesprochen, dass es genüge, wenn die Verwaltungsbehörde ihrerseits behauptet, ein Verwaltungsakt bedürfe der Auslegung; das binde das Gericht formell. Staatsraths-Entsch. vom 8. April 1865, Note dazu in Journ. du Pal., jurispr. adm. XIV p. 643.

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derwärts den Landesbehörden zukommt, sie haben aber auch hier Landesbehörden neben sich, die vielleicht um die eine oder andere Zuständigkeit Namens des Landes mit ihnen streiten können. Wir sind mitten in den grossen Fragen des elsass-Iothringischen Staatswesens. Im Rahmen der gegenwärtigen Untersuchung werden wir nur soweit darauf eingehen, dass wir darstellen, wie die Dinge betrachtet werden müssen, um die Erscheinungen zu erklären, die wir hier thatsächlich vor uns haben. Ein Stück französischen Staatsgebietes wird durch den Präliminarfrieden vom 26. Febr. 1871 an das Deutsche Reich ab Igetreten. Dieses Gebiet war kein "wildes Land", sondern altes Kulturland, das einer Staatsgewalt bedurfte und feste Ordnungen für diese mitbrachte. In diesem Sinne hatten es die Sieger bisher schon verwaltet, soweit das Völkerrecht ihnen dazu die Macht gab 21 . Jetzt konnte das Reich kraft seines freien Verfügungsrechts die Einverleibung in einen Gliedstaat vollziehen, oder Land und Leute schlechthin nur als seine Herrschaftsgegenstände behandeln (was den sog. Reichsverwaltungsbezirk gegeben hätte) oder aber es konnte behufs besonderer staatlicher Ordnung eine eigene juristische Person des öffentlichen Rechts daraus machen, in starker Abhängigkeit vom Reich. Das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871 hat sich für das letztere entschieden. Elsass-Lothringen ist hier gedacht als ein gesondertes Gemeinwesen nach Art eines Staates mit festen Gebietsgrenzen, mit einem dadurch bestimmten Volk, mit einer zu diesem gehörigen, nur für dieses Gebiet wirksamen Staatsgewalt, der "Staatsgewalt in Elsass-Lothringen"22. Allein die Staatsgewalt, die da thätig wird, steht in fremdem Recht. Das ganze Gemeinwesen ist eine Einrichtung des Reichs, von diesem jeder Zeit veränderbar und seines Sonderbestandes zu entkleiden. Auch so lange es dabei stehen bleibt, bestellt das Reich die Träger der I Staatsgewalt und lässt sie durch diese ausüben in seinem, des Reiches Interesse. Das Letztere ist's, was am meisten den Unterschied von einem richtigen Staate fühlbar 21 Loening, Die Verwaltung des Generalgouvernements im Elsass S. 26 ff. Die Unterscheidung, welche dort (S. 28) gemacht wird: "keine Staatsgewalt, sondern eine höchste Gewalt, ... die allein im Völkerrecht ihre Begründung und ihre Begrenzung findet", ist nicht genau. Diese "höchste Gewalt" ist allerdings den Unterthanen gegenüber die Staatsgewalt, nur ist sie eben in völkerrechtlich beschränktem Maasse zu üben. Z2 In den Verhandlungen des Reichstags über das Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871 trat diese Auffassung Elsass-Lothringens als eines eigenen öffentlichen Gemeinwesens kräftig genug hervor. Vgl. namentlich die Aeusserungen des Berichterstatters Lamey in der Sitzung vom 22. Mai 1871 (Hirth's Annalen 1871 S. 916, 917). In all den verschiedenartigen Theorien, die seither Elsass-Lothringen juristisch erklären wollen, kommt immer auf die eine oder andere Art die besondere juristische Persönlichkeit zur Anerkennung; vgl. unten Note 23, 24. Mit dieser wird man also rechnen müssen als mit einer Thatsache.

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macht. Freilich die Natur der Sache drängt dazu und das eigene Interesse des Reichs, dass dies Alles zugleich im Interesse des Landes geschehe: die beiden Interessen erscheinen so zunächst thatsächlich gemischt. Rechtlich wird dadurch die Sache nicht anders: will man ElsassLothringen einen Staat nennen, so ist es ein Staat mit sequestrirter StaatsgewaW 3 • Immerhin, wenn auch in fremden Händen und fremden Interessen dienstbar, die besondere "Staatsgewalt in Elsass-Lothringen" ist da und als solche für dieses Gebiet in Thätigkeit; desshalb ist das Land keine Provinz zu nennen und kein Schutzgebiet24 • Von allen Arten von Gebietskörperschaften steht es immer noch dem Staat am nächsten 25 • I Es fehlen ihm die Mitgliedschaftsrechte, die den Glied23 Das ist natürlich gleichbedeutend mit "keinem Staat". Das Nämliche liegt in den auf Elsass-Lothringen angewandten Ausdrücken: "unvollkommenes, unselbständiges Staatswesen" (Leoni, Verfassungsrecht von Elsass-Lothringen S. 7) oder "Staatsfragment" (Jellinek, Ueber Staatsfragmente S. 31 ff.). 24 Als Selbstverwaltungskörper, Provinzialverband fassen Elsass-Lothringen auf: Loening, Verwaltungsrecht S. 77; G. Meyer, Staatsrecht S. 183. Dabei muSs man allerdings doch wieder Institutionen daran zugestehen, die "nicht denen einer Provinz, sondern denen eines Staates entsprechen". Man könnte meinen: da Elsass-Lothringen doch nun einmal ein Mittelding ist zwischen Staat und Provinz, sei es einerlei, ob man es einen unvollständigen Staat nennt, wie vorhin Note 23, oder eine gesteigerte Provinz wie hier geschieht. Es ist aber nicht gleichgültig. Um Elsass-Lothringen zu verstehen, muss der Ausgang vom Staatsbegriff genommen werden. Denn eine Staatsgewalt ist hier auszuüben, das ist doch klar, und auch eine verkümmerte, unfreie Staatsgewalt ist immer noch etwas Anderes als eine Provinzialgewalt. Diese besteht ihrem Wesen nach nur für beschränkte Zwecke, jene ist höchste Gewalt, auf das Ganze gerichtet, mag sie in concreto noch so sehr eingeengt erscheinen. Es bleibt ein Wesensunterschied wie zwischen Recht an fremder Sache und Eigenthum. 25 Es ist verschiedentlich versucht worden, diese "Staatsartigkeit" auf eine bestimmte, den gegebenen Terminologien angepasste Formel zu bringen. Rehm, Allgemeine Staatslehre S. 165, nennt Elsass-Lothringen ein staatsrechtliches Nebenland, einen Nebenstaat; Rosenberg, Staatsrechtliche Stellung von Elsass-Lothringen S. 42, einen Vassallenstaat. Beide finden das Besondere darin, dass das "Herrschaftssubjekt" dieses Neben- oder Vassallenstaates der "Oberstaat" selbst ist. Als solches wäre er also am Ende "von sich selbst abhängig" (Rehm a. a. O. S. 168)? So scheint uns die Sache nicht zu liegen. Was abhängig ist vom "Oberstaat" und Gegenstand seiner oberstaatlichen Herrschaft, das ist das Land Elsass-Lothringen; dass der Oberstaat die Ausübung der zu diesem Land gehörigen Staatsgewalt in seiner Hand behält und die Träger dafür bestimmt und leitet, das ist die Form, in welcher die oberstaatliche Herrschaft zum Ausdruck kommt. Das Reich macht sich dadurch bei Leibe nicht zum Objekt seiner Obergewalt. Objekt ist in solchem Verhältniss immer nur das hier stark beeinträchtigte Subjekt der Untergewalt, das Reichsland. Rehm meint (S. 167), es sind "Ansätze zu einer eigenen Staatspersönlichkeit auch in Elsass-Lothringen da", namentlich "durch das Organ des Landesausschusses". Wir möchten das lieber nennen: Ansätze zu einem Freiwerden der durch die Reichsgewalt erdrückten Persönlichkeit Elsass-Lothringens, die von selbst Staatspersönlichkeit sein wird, sobald der Sequester ihrer Staatsgewalt sich löst. - Eine ganz eigenartige Formulirung gibt für diese abgeschwächte Staatspersönlichkeit Elsass-Lothringens Laband, Staatsrecht Bd. I S. 695 ff.: Elsass-Lothringen ist ein Verwaltungsbezirk des Reichs; es giebt aber einen elsass-Iothringischen Landesfiskus, d. h. Elsass-

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staaten eigen sind; aber im Uebrigen vertritt es für seinen Theil des I Reichsgebietes praktisch die Stelle eines solchen und wird im Sinne der allgemeinen Reichsgesetze wie ein solcher behandelt. Wenn von staatlichen Dingen darin die Rede ist, ist es immer mit gemeint "in seinen entsprechenden Beziehungen"26. Mit Einführung der Reichsverfassung, 1. Jan. 1874, that diese Gleichstellung mit den Gliedstaaten einen bedeutsamen Schritt vorwärts. Die Reichsverfassung bedeutet die Ausscheidung der Reichszuständigkeit und der Einzelstaatszuständigkeit. Die letztere galt von nun auch in Elsass-Lothringen für dessen "entsprechende Beziehungen"27. Hiermit war klar gestellt, welche bestimmte Stücke der Staatsgewalt fortan nicht mehr im Interesse des Reichs, sondern im Interesse des Landes auszuüben seien. Die beiderseitigen Behördenordnungen treten sich geLothringen ist kein "Staat als Subjekt von obrigkeitlichen Hoheitsrechten", sondern nur ein "Staat als Subjekt von Vermögensrechten, d. h. als Fiskus". Hänel, Staatsrecht S. 634, will diesen Fiskus sogar nur als eine Fiktion gelten lassen; von dieser sachlich ganz bedeutungslosen Variante können wir absehen. Die Mangelhaftigkeit Elsass-Lothringens so zu erklären, dass es ein Fiskus ist, aber kein Staat, hat den grossen Vortheil sich anzulehnen an einen wohlbekannten festen Rechtsbegriff. Denn was der Fiskus ist, dieser "gewöhnliche Privatmann", der namentlich in der älteren preussischen Theorie neben den "eigentlichen Staat" in so scharf ausgeprägten Wechselbeziehungen sich stellt, das weiss man. Aber es will uns doch dünken, in einer so ganz absonderlichen Rolle, wie er sie hier zu spielen hätte, wären wir ihm noch niemals begegnet. Der Fiskus als besondere juristische Person hatte nach polizeistaatlicher Auffassung den Staat zu ergänzen, indem er namentlich die vermögensrechtlichen Folgen aus dessen Thun auf sich nahm, für ihn, wie Bornhak das einmal ausdrückt, als "Prügeljunge" für die Civilgerichte diente. Immer muss das aber doch "sein" Staat sein, der eigentliche Staat für dasselbe Land und dasselbe Volk, für welches der Fiskus vermögensrechtlicher Staat ist. Ein Verhältniss, in welchem das Reich den Staat stellt und das Land Elsass-Lothringen den zugehörigen Fiskus, würde uns nöthigen, den altbekannten Fiskusbegriff völlig umzudenken. Unser Verständniss der Sache wird also durch die Hereinziehung dieses Begriffes keineswegs erleichtert. Aber abgesehen davon: ist die Mangelhaftigkeit des elsass-Iothringischen "Staatswesens" dadurch erklärt, dass man diese Scheidung macht und ihm den eigentlichen Staat abspricht, den Fiskus zuerkennt? Durchaus nicht; denn auch Fiskus ist Elsass-Lothringen nur soweit, als es Staat ist: Fiskus auf beliebigen Widerruf des Reichs, zu dessen Verfügung die ganze Einrichtung steht, und Fiskus unter maassgebendem Einflusse des Reichs, das die Verwalter bestimmt und ihnen Ziel und Richtung giebt. Der Landesausschuss ist für diese Dinge ein "Ansatz zu selbständiger Staatspersönlichkeit" geradeso wie für Dinge, welche den eigentlichen Staat angehen. Wahr ist, dass Elsass-Lothringen als ein gesondertes Gemeinwesen dem Reiche gegenüber behandelt wird fast wie ein Staat, und dass diese Sonderung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten sich am deutlichsten zu erkennen giebt: Mein und Dein grenzt sich sinnenfälliger ab als Richten im Namen des Landes und Richten im Namen des Reichs. Aber diesen Eindruck darf man nicht so formalistisch zuspitzen, jedenfalls in solcher Zuspitzung keine Lösung der Frage suchen, was Elsass-Lothringen sei. 28 Elsass-Iothr. E.-G. z. St.-G.-B. vom 30. Aug. 1871 Art. 1 Abs. 2. 27 Hänel, Staatsrecht Bd. I S. 828.

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sondert gegenüber. Wenn das Gesetz vom 2. Mai 1877 den Landesausschuss zur Theilnahme an der Gesetzgebung beruft, so ist damit der Anfang gemacht, um auch die Trägerschaft der "Staatsgewalt in ElsassLothringen ", soweit sie der Gliedstaats Igewalt entspricht, rechtlich vom Reiche zu lösen. Wir verfolgen das nicht weiter28 • Die Grundbedingung bleibt: der ganze Rechtszustand ist eine Einrichtung des Reichs und von diesem jeder Zeit widerruflich. Aber so lange er besteht, haben wir in Elsass-Lothringen deutlich ausgeschieden: Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung, Reichsverwaltung und Landesverwaltung u. s. w.; für jene ist das Rechtsobjekt das Reich, für diese das Land. Diese Ausscheidung ist, wie gesagt, gemacht worden nach der Reichsverfassung, also nach dem Muster der Gliedstaaten. Aber - und das ist der Punkt, der uns hier beschäftigen muss - diese Ausscheidung hat sich nicht streng nach dem Vorbild vollzogen. Vielmehr sind dabei Verschiebungen eingetreten, Verschiebungen selbstverständlich zu Gunsten des Reichs. Denn Elsass-Lothringen ist eben in Wirklichkeit doch kein Gliedstaat. Ein eigenes Recht, wie die anderen, hatte es nicht. Es war lediglich Zweckmässigkeit, dass man das gleichartig ordnete, und wo es zweckmässig schien, wich man davon ab. Thatsächlich, ohne besonderes Gesetz hat das Reich sich bei der Ausscheidung das Eine und Andere zurückbehalten über das hinaus, was ihm gegenüber selbständigen Staaten zustand. In mancherlei Beziehung ist hier sein Theil öffentlicher Angelegenheiten, Geschäfte und Wirksamkeiten grösser als anderswo. I Am schärfsten ausgeprägt ist diese Erscheinung auf dem Gebiete des Militärwesens: zu der für das Land Elsass-Lothringen auszuübenden Staatsgewalt gehört von Haus aus keine Militärhoheit; es hat kein Kontingent, keine Militärbeamten, keine Militärverwaltung, die in seinem Namen geführt würde. Seine Festungen, militärischen Dienstgebäude, Uebungsplätze gehören von Anfang an dem Reich, nicht erst auf Grund des Gesetzes vom 25. Mai 1873. Von einer Herausgabe entbehrlich gewordener Grundstücke an den Landesfiskus im Sinne des § 7 des Gesetzes ist hier keine Rede. Im Gegensatz zu Strassen, Kanälen, 28 Die ersehnte Gleichberechtigung werden die Elsass-Lothringer erst erreichen, wenn ihr Land entweder einem deutschen Gliedstaate einverleibt oder wenn es selber ein Staat geworden sein wird. Das Letztere setzt voraus die volle Ausbildung einer vom Reiche getrennten Trägerschaft der Staatsgewalt in Elsass-Lothringen; damit ist es aber nicht genug: so lange das alles nur eine Einrichtung des Reichs ist, jederzeit zurücknehmbar im Wege der Reichsgesetzgebung, ist Elsass-Lothringen im besten Falle nur thatsächlich wie ein Staat behandelt, aber dem Rechte nach kein Staat. Wie wird die Erhebung zum Staat zu machen sein? Jedenfalls wird der Vorgang ein völkerrechtliches Element enthalten müssen. Wir können hier einigermaassen anknüpfen an den Gedankengang Stöber's in Archiv f. öffentl. Recht Bd. I S. 643 ff.

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Forsten sind diese Dinge von Anfang an nicht als eine Ausstattung angesehen worden, welche das Reich dem von ihm geschaffenen Gemeinwesen Elsass-Lothringen mitgegeben hätte. Durch Gesetz vom 14. Okt. 1871 wurde Abschnitt VIII der Reichsverfassung betr. das Post- und Telegraphenwesen in Elsass-Lothringen eingeführt. Art. 50 Abs. 5 ist aber hier niemals zur Anwendung gekommen: alle Post- und Telegraphenbeamten in Elsass-Lothringen sind unmittelbare Reichsbeamte 29 • Kein Gesetz oder Vertrag hat das bestimmt: das Reich hat einfach von Anfang an das Post- und Telegraphenwesen für sich okkupirt und Elsass-Lothringen nur konstituirt nach Abzug desselben. Eine praktisch nicht unwichtige Folge davon ist z. B., dass die zahlreichen Reichsangehörigen, welche in diesen Verwaltungszweigen hier angestellt worden sind, dadurch die elsass-lothringische "Staatsangehörigkeit" nicht erworben haben 30. Durch Gesetz vom 11. Dez. 1871 erfolgte auch die Einführung des Abschnitts VII der Reichsverfassung betr. das Eisenbahnwesen. Was dieser Abschnitt im Interesse des Reiches vorschrieb, war aber in Elsass-Lothringen bereits überholt. Das Reich hatte für eine hochbemessene Entschädigung das innerhalb seiner neuen Grenzen liegende Netz der franzölsischen Ostbahn-Gesellschaft erworben. Es wäre eine grosse Freigebigkeit gewesen, wenn es das neu gegründete Reichsland auch noch mit diesem werthvollen Gute hätte ausstatten wollen. Man dachte nicht daran; dieses Stück Verwaltung blieb vielmehr vorbehalten wie Post und Telegraphie; die Reichseisenbahnverwaltung entstand. Es bot aber dieses letztere Unternehmen in juristischer Beziehung einen bedeutsamen Unterschied gegenüber jenen beiden dar. Reichspost und Telegraphie brachten ihre bestimmte Gestalt und rechtliche Ordnung mit sich. Was dazu gehörte, musste in Elsass-Lothringen im Wesentlichen das Nämliche sein wie überall. Es galt hier nichts Neues auszudenken und auszubilden, was nicht schon fertig vorgebildet gewesen wäre. Ganz anders die Reichseisenbahnen. Solche gab es noch nirgends; sie brachten keine schon geprägte Rechtsgestaltung von aussen mit sich, sondern mussten eine solche bei dieser Gelegenheit erst erhalten. Woher? Soweit nicht Besonderes und Abweichendes für sie bestimmt wurde, durch das Recht des Landes, dessen Gebiet das Unternehmen seiner Natur nach angehört. Das Reich trat hier mit einer unmittelbaren Verwaltungsthätigkeit auf, wie das Land sie selbst hätte üben können, wenn sie ihm gelassen worden wäre, und unter den gleichen Rechtsbedingungen, welche alsdann für dieses hätten gelten müssen 31 • 28

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Laband, Staatsrecht Bd. 11 S. 43. Laband, Staatsrecht Bd. I S. 153 Note 2.

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Danach kann von vornherein keine Rede davon sein, dass das Reich der Landesverwaltung gegenüber in die Stelle der französischen Ostbahngesellschaft getreten wäre: das Reich ist kein Konzessionär, kein beliehener Unternehmer. Die Konzession der französischen Ostbahn ist für die reichsländischen Strecken einfach untergegangen. Es ist aber auch irreführend, wenn man I hier den "Reichsfiskus" als den Unternehmer bezeichnen will, jenen "gewöhnlichen Privatmann" der älteren Staatsrechtslehre32 • Die Reichseisenbahnen sind in Elsass-Lothringen schlechthin Staatseisenbahnen: die Reichsgewalt selbst erscheint in ihnen, um öffentliche Verwaltung zu führen. Wenn das Reich diese Linien nicht dem Lande überlässt, sondern das Unternehmen, sammt den allmählich hinzugefügten Erweiterungen selber führt, so bedeutet es, dass es selbst der Staat sein will für diese Staatseisenbahnen. Dem Reich gebühren demgemäss alle Zuständigkeiten, welche der französische Staat für die Leitung und Besorgung seiner Staatseisenbahnen entfaltet und geordnet hatte: nicht bloss die mehr technischen Geschäfte der durch Dekret vom 14. Nov. 1853 im Ministerium der öffentlichen Arbeiten gebildeten "Direction generale des chemins de fer", sondern die zugehörigen Geschäfte dieses Ministers selbst. Entspricht jener die Kaiserl. GeneralDirektion der Reichseisenbahnen zu Strassburg, so diesem der Reichskanzler. Die Reichsbehörden stehen dabei wieder der Landesverwaltung gegenüber in selbständiger Vertretung des entsprechenden Stückes öffentlicher Gewalt, wie es bei der französischen Ostbahngesellschaft nicht der Fall war. Das Reich hat den Bahnkörper unmittelbar in seinem öffentlichen Eigenthum; der Privateisenbahngesellschaft stand solches nicht ZU33 • Das Reich lässt die Bahnpolizei durch seine Beamten ausüben eignen N amens, und zum äusseren Zeichen dafür lässt es die durch Betriebsordnung § 68 vorgeschriebene Vereidigung I durch seine Eisenbahnbehörde vollziehen: bei Privateisenbahnen wäre es eine von der Landesverwaltung entlehnte Gewalt, die erst durch Vereidigung von einer Landesbehörde den Beamten verliehen würde 34 • 31 Hänel, Staatsrecht Bd. I S. 327: "Dagegen ist die rechtliche Wirkungsweise des Reichs durchaus gleichartig mit der des Einzelstaates überall da, wo und soweit demselben Rechte der eigenen und unmittelbaren Verwaltung zustehen." 32 Nach Laband, Staatsrecht Bd. II S. 804 betreibt der Reichsfiskus die Reichseisenbahnen und ebenso die Wilhelm-Luxemburg-Bahn. Für die letztere ist er aber Privatunternehmer wie seine Vorgängerin, die französische Ostbahn, und steht als solcher unter der luxemburgischen Staatsgewalt. Für die Reichseisenbahn in Elsass-Lothringen liegt die Sache ganz anders. 33 Aucoe, Droit adm. III n. 1443,1444.

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Die Genehmigung der Eisenbahnbaupläne, mit welcher sich nach dem oben Ausgeführten das Wegeveränderungsrecht verbindet, würde für Privateisenbahnen und Landeseisenbahnen der Minister für ElsassLothringen, d. h. der Kaiserl. Statthalter, auszusprechen haben. Für die Reichseisenbahnen tritt an seine Stelle der Reichskanzler. Die Einleitung des Zwangsenteignungsverfahrens geschieht auf Grund eines Dekretes des Staatsoberhauptes, durch welches das geplante Unternehmen als "im öffentlichen Nutzen liegend" erklärt wird. Soll das für die Reichseisenbahnen geschehen, so erlässt der Kaiser das Dekret im Namen des Reiches, aber nicht mit dem Zusatz "für ElsassLothringen", sondern schlechthin, und die Gegenzeichnung wird nicht durch den Kaiserl. Statthalter, sondern durch den Reichskanzler geleistet35 • I Das Reich hat auf diese Weise in Elsass-Lothringen ein viel reicheres Gebiet eigener Verwaltung wie anderwärts. Deutlich geschieden von den einzelnen Zweigen der Landesverwaltung wird diese Verwaltung überall unter dem beherrschenden Gedanken des Reichsinteresses geführt. Je tiefer sie eingreift in das ganze öffentliche Leben des Landes, desto leichter wird hier eine gewisse Spannung empfunden. Das sind politische, nicht juristische Gesichtspunkte, die da in Betracht kommen; aber sie sind für den Juristen immer beachtenswerth, weil sie zur Erklärung dienen für besondere Erscheinungen auf dem Gebiete der Rechtshandhabung und für Bestrebungen auf Rechtsänderung. Um nur ein Beispiel zu erwähnen: das von uns hier behandelte Wegeveränderungsrecht der Eisenbahn wird von Reichswegen ausgeübt. Dem Ur3' Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 11 S. 216. Die Bahnpolizeibeamten für die luxemburgischen Strecken werden thatsächlich von den luxemburgischen Behörden vereidigt. - Gewisse Strecken auf Reichslandgebiet werden von der pfälzischen Bahn betrieben. Wegen der Vereidigung der zugehörigen Bahnpolizeibeamten sind Zweifel entstanden. Sicher ist, dass die Vereidigung der pfälzischen Bahnbehörde nicht zusteht. Die Reichseisenbahnverwaltung könnte nur zuständig sein, wenn man ihr eine allgemeine "Eisenbahnhoheit" im Reichsland zusprechen dürfte. Ein solche ist aber nicht begründet. Das Reich hat nur sein, stets sich erweiterndes Netz von Eisenbahnen im Reichsland und für diese ist es der Staat. Oeffentliche Eisenbahnen des Landes wären daneben nicht ausgeschlossen. Alle anderen Eisenbahnunternehmer im Land, ausser dem Reich selbst, stehen unter der "Staatsgewalt in ElsassLothringen". Diese also hat zu vereidigen. 35 VgI. Elsass-Iothr. G.-BI. 1886 n. 16. Es handelt sich hier nicht um Anwendung des Art. 41 R.-V., sondern um das ordentliche Enteignungsverfahren. Der Enteignungsausspruch geschieht durch die gewöhnlichen Landesbehörden, nur die Anerkennung des Enteignungsfalles wird zur Reichseisenbahnverwaltung gerechnet. - Auffallender Weise werden die Enteignungen für die Reichsmilitärverwaltung anders behandelt: die Anerkennung des Enteignungsfalles gilt hier als Landesverwaltungssache; der KaiserI. Statthalter vollzieht die Gegenzeichnung (vgl. Elsass-Iothr. G.-BI. 1887 n. 6). Dieser Verwaltungszweig erstreckt sich eben auch in eigentliche Gliedstaaten und das Verhältniss ordnete sich in E.-L. unwillkürlich nach diesem Vorbilde.

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sprung nach wollte unser Institut einen Ausgleich schaffen zwischen den verschiedenen öffentlichen Wegeinteressen. Die oberste Spitze der Staatsverwaltung schien geeignet, die Vermittlung zu geben. Sie sollte es auch sein, die der Eisenbahn gegenüber die örtlichen Verkehrsinteressen zur Geltung brachte, indem sie nachträglich Neuschaffung oder Verbesserung von Eisenbahnübergängen anordnete. Jetzt ist es eine dem Lande ferner stehende Gewalt, die diese besondere Sparte ihm gegenüber vertritt, in erster Linie anderen Interessen, den Reichsinteressen dienend. Was sie bewilligt, erscheint weniger als ein Ausgleich vom umfassenden höheren Gesichtspunkte aus; es ist ein Zugeständniss, eine Rücksichtnahme, die gewährt wird, soweit es mit den in erster Linie maassgebenden Interessen des Reichs, und diese sind in diesem Punkte thatsächlich vorwiegend Finanzinteressen, sich vereinbaren lässt. Dass I darin eigenartige Schwierigkeiten für das Land ElsassLothringen liegen, ist unverkennbar. Dafür stehen diese unmittelbaren Reichsverwaltungen den Behörden der Landesverwaltung, vor Allem den Justizbehörden ihrerseits wieder in eigenthümlich ungünstiger Lage gegenüber. Die Gerichte rekrutiren sich jetzt mehr und mehr aus den Landeseingeborenen. Das ist eine gesunde Entwicklung und soll so sein. Ein kräftiger Partikularismus kommt auf, der auch die alteingewanderten Richter schon ergreift. Die Neigung, diesen fremden Reichsbehörden gegenüber dem örtlichen Interesse zu helfen und die gerichtliche Zuständigkeit zu diesem Zwecke möglichst auszudehnen, wird immer stärker sich geltend machen. Die Reichsbehörden werden eines ausgiebigen Schutzes der Zuständigkeitsgrenzen immer bedürftiger werden. Die allgemeinen Gründe, welche für die Nothwendigkeit eines geordneten Kompetenzkonfliktsverfahrens sprechen - wir haben sie oben am Faden unseres Rechtsfalles erörtert - kommen unter diesen besonderen Verhältnissen mit verdoppelter Kraft zur Geltung. Hier stossen wir nun auf eine ganz merkwürdige Schwierigkeit: gerade für diese Verhältnisse ist nach dem gegenwärtigen Stande der Reichgesetzgebung die Einrichtung eines Kompetenzkonfliktsverfahrens gar nicht möglich. Das Gerichtsverfassungsgesetz hat die Einführung eines solchen nur gestatten wollen zu Gunsten der Landesverwaltung, nicht zu Gunsten der Reichsverwaltung 36 • Für diese gilt also 36 Nadbyt in von Stenget's Wörterbuch des Verwaltungsrechts Bd. I S. 810. In den Kommissionsverhandlungen zum Gerichtsverfassungsgesetz hat man die Frage zum Theil ganz falsch verstanden. Man kam immer wieder darauf zurück, dass der Kompetenzkonflikt ausgeschlossen sein soll, "soweit das Reichsrecht in Frage komme" (Hahn, Materialien zum Gerichtsverfassungsgesetz Bd. I S. 682 ff.). Es handelt sich aber nicht um Reichsrecht und Landesrecht, sondern um Reichsverwaltungsbehörden und Landesverwaltungsbehörden; für die ersteren wollte man keinen Kompetenzkonflikt zulassen.

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schlechthin: die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtsweges. I Das hat ja kein Bedenken bei dem geringen Umfang der eigenen Reichsverwaltung, die ausserhalb Elsass-Lothringens besteht. Das hatte auch in Elsass-Lothringen vielleicht weniger Bedenken, so lange der Gegensatz zwischen Landesbehörden und Reichsbehörden noch nicht scharf ausgeprägt war. Je mehr sich die Dinge entwickeln, desto nothwendiger wird es werden, im Interesse der guten Ordnung hier von Reichswegen Vorkehrung zu treffen: entweder das Reich giebt diese vorgeschobenen Stellungen auf oder es sichert seinen Behörden dort die ihnen zukommende Selbständigkeit in den bekannten, durch so viele Erfahrungen bewährten Formen. I

Eisenbahn und Wegerecht 11* Im vorigen Bande dieser Zeitschrift wurde der Rechtsstreit besprochen, welchen die Stadt Kolmar um ihre beiden dem Bahnhof einverleibten Wege geführt hat. Der Fall diente vor Allem zur Erläuterung des eigenthümlichen Wegeveränderungsrechtes, das mit der Herstellung einer Eisenbahn sich verbindet. Die Eisenbahnverwaltung hatte aber damals noch ein zweites, selbständiges Vertheidigungsmittel geltend gemacht. Sie hatte behauptet: selbst wenn das von ihr angerufene Wegeveränderungsrecht des Ministers nicht bestände oder im vorliegenden Falle nicht zur Wirksamkeit gebracht worden wäre, würde die Klage wenigstens insoweit unzulässig sein, als sie nicht bloss Anerkennung des Eigenthums an den Wegeflächen, sondern auch die Herausgabe derselben verlangte. Die blosse Thatsache, dass diese Flächen dem Bahnkörper einverleibt seien, äusserlich einen Bestandtheil des Schienenwegs bildeten, genüge, um die Geltendmachung eines solchen Anspruches vor den bürgerlichen Gerichten auszuschliessen. Denn die Eisenbahn sei nach französischem Recht zum öffentlichen Wegewesen, zur voirie publique gehörig, alles Gelände, das ihr thatsächlich einverleibt sei, stelle eine öffentliche Sache vor. Die Gerichte könnten mit ihren An lordnungen davon so wenig ein Stück herausreissen wie von einer Landstrasse oder einem Festungswerk. Es mangelt für diese Auffassung in der französischen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nicht an Belegen. Sie scheint dort einfach die herrschende zu sein 1 • In Deutschland wären auch ausserhalb des fran• Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 16 (1901), S. 38 - 87. 1 Serrigny, Competenee administrative II n. 922, 928; Kass.-Hof 13. Febr. 1882 (Grandpre), Sirey, Reeueil 1884 Bd. I S. 152; Komp.-Konfl.-Hof vom 2. Febr. 1859 (Flotard e. P. L. M. Eisenbahn), Dalloz 1859 S. 262. Insbesondere Appell.-Hof Limoges 2. Juli 1882 (Terruson), Sirey, Reeueil 1863 II S. 35: Die Orleans-Eisenbahn hatte irrthümlich einen Privatweg unterdrückt und in ihren Bahnkörper einbezogen, während doch für einen solchen Privatweg die Genehmigung des Planes durch den Minister die von uns näher besprochene Wirkung nicht haben konnte. Klage auf Herausgabe. Das Gericht sagt: Das Eigenthum ist geblieben, aber die Fläche bildet jetzt "une portion de la voie publique; les tribunaux ne pourraient des lors sans une flagrante usurpation de pouvoir ordonner la destruetion et il ne leur appartient pas de deeider que le terrain sera retabli dans son etat primitif, Hs peuvent seulement reeonnaitre le droit de propriete et renvoyer pour le reglement devant le jury d'expropriation".

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zösischen Rechtsgebietes zahlreiche Zeugnisse dafür aufzuweisen2 • Das Reichsgericht hat sich in dem I Rechtsfalle, an welchen wir hier anknüpfen, zu der Frage nicht geäussert. Gemäss seiner Entscheidung vom 25. Juni 1897 drängte sich alles Interesse auf die scheinbar so einfache Frage zusammen, ob ein Akt der Ermächtigung zur Wegeänderung vorlag, und dabei fiel dieses zweite Vertheidigungsmittel unter den Tisch. Wenn wir jetzt die Frage wieder aufgreifen, so geschieht es, um sie auf den breiteren Boden zu stellen, dem sie angehört. Unser Thema, Eisenbahn und Wegerecht, entfaltet hier noch einen anderen Sinn: die Eisenbahn soll selbst dem Wegerecht angehören, als öffentlicher Weg eine öffentliche Sache sein und nach dem eigenartigen Recht einer solchen behandelt werden.

1. Vor Allem: Giebt es nach deutschem Rechte fürderhin überhaupt noch öffentliche Sachen? Die Frage ist aufgeworfen worden 3 • Und man

wird sich allerdings über sie klar machen müssen. Sie ergiebt sich mit so vielen anderen aus der grossen Umwälzung, welche das Bürgerliche Gesetzbuch für die deutsche Rechtswissenschaft bedeutet. Vorausgesetzt ist dabei, dass man mit dem Worte "öffentliche Sache" einen ernsthaften juristischen Begriff verbindet. Man kann darunter einfach verstehen: Sachen des Staates oder eines anderen öffentlichen Gemeinwesens, welche einem bestimmten öffentlichen Zweck gewidmet und zu dienen bestimmt sind. In diesem Sinne wird es öffentliche Sachen jeder Zeit geben. Hier handelt es sich um einen staatswissenschaftlichen Be2 Gleim, Recht der Eisenbahnen, Bd. I S. 390; Förster-Eccius, Preussisches Privatrecht, Bd. I S. 112 N. 21; Koch, Deutschlands Eisenbahnen, Bd. I S. 160. - Aus der Rechtsprechung: Seuffert, Archiv Bd. XXXI N. 108 (CeHe: "Derartige Privatrechte können nicht den Erfolg haben, einen öffentlichen Weg seiner Bestimmung zu entziehen"); Eger, Eisenbahnrechtl. Entscheidungen Bd. II S. 62 (Preuss. Komp.-Konfl.-Hof 11. Juni 1881). Zahlreiche Fälle bei Stölzel, Rechtsprechung des Preuss. Komp.-Konfl.-Hofs S. 293 ff. Insbesondere Preuss. Komp.-Konfl.-Hof 4. Febr. 1854 (Just.-Min.-Bl. S. 325): Grundstück zu Eisenbahn verwendet unter Voraussetzung einer künftigen Einigung über Preis; als diese nicht zu Stande kommt, klagt der Eigenthümer auf Räumung und Herausgabe; Kompetenzkonflikt; der Gerichtshof erwägt: "Wenn eine Eisenbahngesellschaft sich im Besitze eines Grundstückes befindet, wovon ein Dritter behauptet, dass es sein Eigenthum und jener Besitz ein unrechtmässiger sei, so muss diese bloss das Eigenthum betreffende Frage unter den streitenden Theilen vorab im Wege Rechtens festgestellt werden" ... "Damit aber die Sache durch eine dem Kläger möglicher Weise günstige Entscheidung nicht in die Lage kommen könne, dass das bereits in den Bahnkörper verwendete Grundstück geräumt werden müsse, hat der Klageantrag getheilt werden müssen." Daher wird erkannt: "Dass der Rechtsweg in dieser Sache, soviel den Streit über das Eigenthum betrifft, für zulässig, und der erhobene Kompetenzkonflikt daher für unbegründet, soviel dagegen den Antrag auf Räumung betrifft, der Rechtsweg für unzulässig und der Kompetenzkonflikt für begründet zu erachten." 3 Hatschek, Rechtliche Stellung des Fiskus S. 55.

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griff, der sich mit dem des sog. Verwaltungsvermögens decken wird. Natürlich werden für solche Sachen mit Rücksicht auf ihre Zweckbestimmung mancherlei I rechtliche Ordnungen und Einrichtungen getroffen sein, in denen ihre staatswirthschaftliche Besonderheit sich auch juristisch bedeutsam erweist. Aber das ist Nebending und macht ihr Wesen nicht aus. Für den Begriff öffentliche Sache in diesem Sinne ist der Wechsel des Civilrechts ohne Bedeutung; er hat aber auch keinen selbständigen juristischen Werth4 • Werthvoll ist für uns der Begriff öffentliche Sache nur in einem engeren Sinne, in demjenigen, welchen die romanistische Rechtswissenschaft in der Lehre von den res extra commercium ausgebildet hat. Gewisse Sachen sind wegen der besonderen Art, wie sie dem öffentlichen Zwecke dienen, dem Rechtsverkehr entzogen. In dem Urtheil, dass eine Sache zu diesen gehört, ist also immer zugleich eine bestimmte juristisch bedeutsame Folge ausgesprochen. Das. sind die öffentlichen Sachen, mit welchen wir allein hier zu thun haben. Wege, Festungswerke sind die Hauptbeispiele. Wir lassen einstweilen dahingestellt, welche Sachen im Einzelnen darunter zurechnen sind. Es kommt uns zunächst nur darauf an: ist diese Wirkung jetzt überhaupt noch möglich? Denn das Bürgerliche Gesetzbuch ordnet ja den civilrechtlichen Rechtsverkehr für alles was "Sache" ist. Eine Ausnahme für öffentliche Sachen stellt es nicht auf. Dem Landescivilrecht hat es nur für einen engbegrenzten Kreis Spielraum gelassen, solches zu thun, für das Wasserrecht nämlich; im Uebrigen ist Alles, was das Landesrecht in dieser Hinsicht geordnet hat, beseitigt und ersetzt durch die unverbrüchlichen Grundsätze des freien Rechtsverkehrs nach Bürgerlichem Gesetzlbuch5 • Nur eine Möglichkeit bleibt also bestehen, wie die öffentlichen Sachen ihre besondere Rechtsordnung bewahren können: diese Rechtsordnung müsste nachzuweisen sein als dem Gebiete angehörig, welches das Bürgerliche Gesetzbuch überhaupt nicht zu beherrschen beabsichtigt, dem Gebiete des öffentlichen Rechts. Unser Gesetzgeber hat ja auch in der That ausgesprochenermassen gerade deshalb nichts über die öffentlichen Sachen bestimmt und auch keinen Vorbehalt ihretwegen für 4 Hatschek S. 19 erklärt geradewegs den Begriff des öffentlichen Eigenthums im deutschen Recht als "nur eine ökonomische Kategorie" - im Gegensatz zu dem "einheitlichen Rechtsinstitut" des domaine public. Wir können Niemandem verbieten, unter dem Wort "öffentliches Eigenthum, öffentliche Sache" Derartiges zu verstehen. Für die Lehre von diesem Begriff wird man aber kaum ein besonderes juristisches Interesse in Anspruch nehmen dürfen, und die Frage, ob öffentliche Sachen in diesem Sinn unter dem Bürgerlichen Gesetzbuch noch fortbestehen, ist gänzlich überflüssig. 5 Hatschek S. 55 glaubt den Fortbestand der öffentlichen Sachen dadurch retten zu können, dass er aufstellt: Der (von ihm vorher entwickelte) "Fiskustypus c" sei "prinzipiell der Regelung durch das Reichsrecht vorbehalten". "Daher sind die partikularrechtlichen Bestimmungen über öffentliche Sachen nunmehr Reichsrecht geworden." Das will mir nicht einleuchten.

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nothwendig erachtet, weil es sich hier um Verhältnisse handle, die im öffentlichen Rechte wurzeln6 • I Also ist die Frage: werden wir im Stande sein, das, worin bisher die rechtliche Eigenart der öffentlichen Sachen zu Tage trat, auf Grundlage des öffentlichen Rechtes zu erklären und zu entwickeln? Nur wenn das zu leisten ist, werden wir auch fernerhin öffentliche Sachen haben. Es dürfte nicht schwer sein, Zweckmässigkeitsgründe genug vorzubringen, weshalb es nützlich und nothwendig ist, gewisse Sachen dem freien Spiel des privatrechtlichen Verkehrs zu entziehen. Jedenfalls hat es die althergebrachte Ordnung dafür angesehen, und für die Rechtswissenschaft, die von Natur konservativ ist, muss das genügen, um diese Einrichtung nicht preiszugeben, wenn sie anders kann. Allerdings möchte es scheinen, als wenn ihr damit nichts Anderes als eine völlige Umkehr zugemuthet würde von den bisherigen Wegen. Die Lehre von den öffentlichen Sachen hat bisher ihre Unterkunft fast durchweg in den civilrechtlichen Systemen suchen müssen. Das deutsche Privatrecht, jene seltsame Mischung von allerlei wissenswerthen Dingen, behandelte sie zum Theil. Die Pandektisten thaten das Beste, um sie zu vertiefen. In den hervorragendsten Darstellungen des öffentlichen Rechts dagegen wird sie einfach bei Seite geschoben 7 • Das muss I S Die Motive zum ersten Entwurf Bd. III S. 27 meinten bezüglich der öffentlichen Sachen: "Soweit es sich hier um Verhältnisse handelt, welche im öffentlichen Rechte wurzeln, muss die Ordnung derselben den Bundesstaaten verbleiben." Für die Reichsgesetzgebung könnte es nur darauf ankommen, "die Tragweite der landesrechtlichen Normen gegenüber den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu begrenzen. Diese Aufgabe aber ist nicht in dem Gesetzbuche selbst, sondern in dem Einführungsgesetze zu lesen." - Auch im Einführungsgesetz hat man aber dann von einer solchen Bestimmung abgesehen. Die Motive dazu bemerken (S. 196): "In Ansehung der dem gemeinen Gebrauche dienenden Sachen (res publicae) ist ein Vorbehalt für die Landesgesetze insofern nicht erforderlich, als es sich um Rechtsnormen des öffentlichen Rechts handelt, kraft welcher eine Sache zum allgemeinen Gebrauche dergestalt bestimmt wird, dass es unmöglich ist, so lange die betreffende Bestimmung besteht, durch Rechtsgeschäfte oder Rechtshandlungen den gemeinen Gebrauch zu hindern oder zu beschränken." Die Bedeutung des Gemeingebrauchs für den Begriff der öffentlichen Sache wird hier allerdings - im Sinne einer sehr verbreiteten Lehrmeinung überschätzt, auch die Natur der Verkehrsentziehung, welche die "Normen des öffentlichen Rechts" bewirken, nicht richtig erkannt. Darüber haben wir hier nicht zu streiten. Die Hauptsache ist uns für jetzt nur, dass das Bürgerliche Gesetzbuch von der Meinung ausgeht, das öffentliche Recht werde diese Dinge ordnen, und dass es dafür freies Spiel lassen will. 7 Unnöthig aufzuzählen. Die Sachlage beleuchtet folgende Zusammenstellung aus neuesten Erscheinungen: G. Meyer, Verwaltungsrecht 1894 Bd. II S. 181 N. 1 unterscheidet Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen und setzt hinzu: "Ein Bedürfnis, neben diesen zwei Arten des Staatsvermögens noch eine dritte Klasse, die öffentlichen Sachen, anzunehmen, besteht nicht, da diese sich durchaus dem Begriff des Verwaltungsvermögens unterordnen." Regelsberger, Pandekten 1693 Bd. I S. 416 ff. unterscheidet dagegen von

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jetzt selbstverständlich aufhören. Und zwar genügt nicht eine äusserliche "Umbuchung" der Lehre. Es genügt auch nicht, dass man, wie man so gern thut, die alten Civilrechtssätze einfach öffentlichrechtlich benamse. Die Lehre muss umgedacht werden. Ein Rechtsinstitut öffentlichrechtlich denken, he isst es erkennen als eine Erscheinung der öffentlichen Gewalt und auf dieser Grundlage alle seine Einzelheiten erklären. Was nicht auf solche Weise wurzelecht öffentlichrechtlich ist, alles Kryptocivilrechtliche unterliegt in der Wirklichkeit des Rechtslebens ganz von selbst wieder der mächtigen Anziehungskraft des Bürgerlichen Gesetzbuches. Farbe bekennen heisst es jetzt. Das scheint, wie gesagt, viel verlangt. Und doch, wenn man näher zusieht, wird man leicht inne werden, dass der wirkungskräftige Kern öffentlichrechtlicher Auffassung an unserer öffentlichen Sache immer schon vorhanden war. Es kommt nur darauf an, den Gedanken sich voll und frei entfalten zu lassen. Schon für das römische Recht, das ja den Ausgangspunkt für die ganze Lehre liefert, wird man die Rolle, welche als lebendig öffentlichrechtliches Element darin spielt, viel höher bewerthen müssen, als es wohl früher üblich war. Eine dem Staatsgedanken entfremdete Schulwissenschaft hat den Schwerpunkt allzusehr auf Nebendinge gelegt. Wo der Verkehrsausschluss mit Kultvorstellungen zusammenhängt, können wir freilich nicht so unmittelbar anknüpfen; die res sanctae, sacrae, religiosae, die unseren Festungswerken, Kirchen, Kirchhöfen entsprechen würden, lassen wir also bei Seite. Nur die res publicae, also I die öffentlichen Wege vor Allem, können zum massgebenden Vorbilde für unsere Auffassung werden. Und warum sind diese extra commercium? Wegen des usus publicus? Woher käme dem diese mystische Kraft? Nein, sondern weil sie res populi sind, weil damit die majestas populi Romani an ihnen erscheint, und weil diese die Anwendbarkeit des jus civile von selbst ausschliesst. Es handelt sich also um eine öffentlichrechtliche Zugehörigkeit der Sache, die nicht nothwendig im usus Sachen des Finanz- (A) und Verwaltungsvermögens (B) eine dritte Gruppe (C): die res publicae in publico usu, welche vor den anderen dadurch ausgezeichnet sind, dass hier "öffentliches und Privatrecht sich in vielfacher und eigenthümlicher Weise berühren". Von Laband, der im deutschen Staatsrecht Bd. 11 § 113 nur Sachen des Finanz- und des Verwaltungsvermögens kennt, sagt er (S. 416 N. 6) entschuldigend: "Er hatte für seinen Zweck keinen Anlass, die Gruppe C in Betracht zu ziehen." Die Gruppe C nicht, vielleicht aber doch die rechtliche Natur der Festungswerke und der öffentlichen Schienenwege, die dem Reich gehören. - Die neueste Auflage von Windscheid's Pandekten (1900, Kipp) Bd. 11 S. 630 giebt eine reiche Zusammenstellung der einschlägigen Literatur; an die Möglichkeit, dass auch bei anderen als bei Pandektisten und Germanisten Erörterungen des Gegenstandes zu finden sein würden, ist aber dabei gar nicht gedacht worden. Das kann uns bei der üblichen Stellungnahme der Publizisten nicht Wunder nehmen.

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publicus zum Ausdruck kommt; die Zugehörigkeit ans römische Volk ist immer öffentlichrechtlich. Aber der usus publicus ist die Form, in welcher dieser Gedanke lebendig bleibt auch unter der späteren Vorherrschaft des Kaiserlichen Fiskus, der seinerseits zum Civilrecht anders stehts. Das Deutsche Recht hat sich ja zunächst ganz abseits von dieser mächtigen Staatsidee des altrömischen Rechts entwickelt; die öffentliche Sache erhält ihre Rechtsgestalt durch andere Vorstellungen, auf die hier nicht einzugehen ist. Mit der Ausbildung der fürstlichen Gewalt kommt der Staat allmählich wieder. Im Namen des Gemeinwohls und auf den Rechtstitel des jus politiae legt das Fürstenthum seine Hand auf Strassen, Flüsse, Festungswerke und beansprucht eine besondere Obhut darüber. Die Juristen liefern ihm noch weitere Rechtstitel aus dem corpus juris: der Fürst steht bei uns an der Stelle des populus rom anus, die res publicae, welche das corpus juris diesem I zuweist, gehören folglich ihm 9 • Freilich, die Fülle der Staatsgewalt und die durchdringende Kraft des öffentlichen Rechtes lässt sich nicht auch schon damit übertragen. Es bleibt bei einem Inbegriff verschiedener Rechte, die dem Fürsten zustehen: Wegehoheit und Wegeregal hat er als solcher, öffentlichrechtlich, wie wir jetzt sagen würden; das Eigenthum am Wege hat er wie ein anderer Mensch. Dass es extra commercium ist, ergiebt sich jetzt nicht aus jenen ersteren Rechten von selbst, sondern aus einem überkommenen Rechtssatz des gemeinen Civilrechts. Die Juristen verstehen denn auch das römische Recht nur mehr in diesem Sinne; das ist aber offenbar ein anderer als der ursprüngliche. 8 Bedeutsam vor Allem Mommsen, Röm. Staatsrecht Bd. I S. 162 ff. Hervorzuheben wären auch die Ausführungen von Elver's röm. Servitutenlehre S. 267 ff.; sie sind in Weiske's Rechtslexikon Bd. X S. 234 ff. im Wesentlichen aufgenommen. Ihering, Geist des röm. Rechts Bd. III S. 348 bleibt bei Anläufen; dem Wesen des öffentlichen Rechts stand er, wie auch sein "Zweck im Recht" mehrfach beweist, etwas fern. Die rechtliche Bedeutung des usus publicus wird man nur im Zusammenhang mit der mächtigen demokratischen Grundidee des römischen Staates verstehen: der populus tritt darin unmittelbar auf. Es gehört das demselben Gedankenkreis an wie die bekannte Erklärung des Gewohnheitsrechts aus einer unmittelbaren Gesetzgebung durch das Volk. 9 Leyser, Medit. ad. pand. I sp. XXV, 1: Publicae res sind nach römischem Recht solche "quarum proprietas et usus ad integrum populum spectat. Quae definitio statui democratico qualis ante Augustum Roma fuit optime convenit." In Deutschland "secundum statum monarchicum"sind sie entsprechend zu bezeichnen als solche, "quarum proprietas liberaque de iis dispositio ad Principem pertinet, usus vero ad eos omnes quibus princeps illum concessit." - Ahasv. Fritsch, Opusc. var. P. I tract. XIV c. III § 1: vias publicas. subjectas esse potestati politiae. Den Ausgang bildet der Satz: "vias publicas olim populi Romani fuisse quoad proprietatem." Daraus folgt: "Cum igitur hodie summus princeps repraesentet populum secundum nostrae reipublicae formam, idem jure populi quoque utitur. Unde vias publicas per regnum teutonicum proprietate et imperio regis esse Germanorum."

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Dabei sind wir nun nicht stehen geblieben. Wie wäre das auch denkbar! Wie ganz anders hat sich doch seitdem die deutsche Staatsgewalt und unsere Vorstellung von ihr entwickelt - anders in die Breite wie in die Tiefe. Ungemein viel reicher ist die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, in welchen wir ihre Wirksamkeit erkennen, und eine eigene schmiegsame Rechtsordnung begleitet alle ihre Bewegungen. Auch an dem Recht der öffentlichen Sache kommt diese Entwicklung natürlich zum Ausdruck. Mit der rechtlichen Zugehörigkeit der öffentlichen Sache an die Obrigkeit wird jetzt I Ernst gemacht. Es handelt sich nicht mehr um ein Hoheitsrecht zur äusserlichen Ueberwachung dessen, was auf und an der öffentlichen Sache geschieht. Die öffentliche Gewalt hat die Sache selbst erfasst und beherrscht sie als solche für das Gemeinwohl. Die Idee einer öffentlichrechtlichen Herrschaft über die Sache, insbesondere auch die Idee eines öffentlichrechtlichen Besitzes prägt sich jetzt daran aus 10 • Was bisher schon als rechtliche Besonderheit der öffentlichen Sachen angesehen wurde, fängt an, sich immer deutlicher um diesen öffentlichrechtlichen Kern herum zu krystallisiren. Dass Privatrechte, welche an der Sache vorher begründet waren, nicht geltend gemacht werden können, um den Bestand der öffentlichen Sache zu stören, wird erkannt als eine Wirkung ihrer besonderen dinglichen Zugehörigkeit an die öffentliche Gewalt ll . Ebenso wird jetzt die Unzu10 Dass von einer "Herrschaft über die öffentliche Sache, über den öffentlichen Weg" gesprochen wird, welche der Staat ausübt von öffentlichen Rechts wegen, als Subjekt von Hoheitsrechten u. dgl., ist etwas sehr Gewöhnliches. Besonders kräftig, wenn auch vielleicht gegenüber der jetzt üblich gewordenen Terminologie etwas gewagt, kommt der Gedanke zum Ausdruck, wenn man geradezu die Polizei als das Rechtssubjekt bezeichnet. Die Polizei ist die unzweifelhafteste öffentliche Gewalt. Dass sie den Weg schützt und ordnet, ist selbstverständlich ihre Aufgabe. Der Weg gehört ihr aber überhaupt an: er ist, wie Oberverwaltungsgericht vom 1. Okt. 1887 es nennt, "eine polizeiliche Anstalt", oder nach Oberverwaltungsgericht vom 14. Nov. 1887 mit Brücken, Fähren, Strömen, Häfen eine "polizeiliche Verkehrsanstalt" in dem Sinne, dass sie "der Verfügung und Obhut der Polizeibehörde unterstehen und dementsprechend polizeilichen Schutz gegen schädigende Eingriffe im weitesten Umfange geniessen". F. Schultz, Zum preussischen Wegerecht, hat sogar den Ausdruck "Polizeibesitz" für das Verhältniss geprägt (S. 21), und erläutert (S. 19 N. 2): "Wenn die Polizei auch einen privatrechtlichen Besitz nicht haben kann, so möge es gestattet sein, die thatsächliche Herrschaft der Polizei hier als Besitz zu bezeichnen." 11 Es sei hiefür auf die bereits oben N. 2 angerufenen Entscheidungen bei Stölzel, Rechtsprechung des preuss. Kompetenzkonfliktshofs S. 293 ff. verwiesen. Die thatsächliche Einbeziehung einer Bodenfläche in den öffentlichen Weg durch Eröffnung des Verkehrs darüber, Pflasterung oder sonstige Herrichtung genügt, um die Eigenthumsklage auf Herausgabe unzulässig zu machen. Und warum? Die Rechtsprechung erklärt das für "polizeiliche Verfügungen", gegen welche ein Rechtsweg nicht gegeben ist. Wie das juristisch aufzufassen ist, wird nachher noch erörtert werden. Hier soll nur festgestellt sein, dass hiernach eine Entfaltung obrigkeitlicher Macht über die Sache es

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gänglich Ikeit der Sache für neu zu begründende privatrechtliche Ansprüche daran, wo man einen formellen Gesetzestext nicht hat, einfach direkt zurückgeführt auf die überwältigende Widerstandskraft des Oeffentlichrechtlichen, das in ihr steckt12 • I Das Alles lässt deutlich erkennen, auf welchem Punkte wir angekommen sind: wie uns überhaupt die antike Staatsidee wieder gewonnen ist, so auch der daran hängende kräftige und einheitliche Begriff der res publica. Man muss sich nur entschlossen auf den gegebenen öffentlichrechtlichen Boden stellen; dann verschwinden alle Schwierigkeiten und findet sich insbesondere auch ganz von selbst die reinliche Scheidung gegenüber dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Freilich, wenn man von jener Grundlage aus die Einzelheiten des Rechts der öffentlichen Sache folgerichtig entwickeln soll, da stellt sich eben die Nothwendigkeit eines Umdenkens gewohnter Anschauungen in grossem Maasse ein. Und das liegt nicht Jedermann 13 • ist, was die Geltendmachung des Privatrechts zurückdrängt. - Von der Formel der Unantastbarkeit der polizeilichen Verfügung sucht Obertribunal vom 12. Juli 1875 (Entsch. Bd. LXXV S. 154 ff.) sich frei zu machen: Das Gelände des Klägers war ganz formloser Weise thatsächlich zur Erbauung einer Chaussee verwendet worden. Klage des Eigenthümers. Das Tribunal sagt: "Mit der Bestimmung einer Verkehrs strasse ist das Verlangen der Klägerin auf Herausgabe von Ländereien, welche zu dem Wegekörper verwendet sind, unvereinbar.... Ob in der vom Staate ertheilten Genehmigung zum Baue der Chaussee eine polizeiliche Verfügung zu finden ist, der gegenüber nach dem § 4 des Gesetzes vom 11. Mai 1842 die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht verlangt werden kann, ist nach der Sachlage unerörtert zu lassen. Aus dem Gesichtspunkte der überwindenden Kraft des öffentlichen Rechts ist der Klägerin der Anspruch auf Herausgabe der ohne ihren Willen weggenommenen Ländereien entzogen und ist die Klägerin auf den ferneren Anspruch des verletzten Eigenthümers, in der Entschädigung bestehend, beschränkt. " 12 Obertribunal vom 31. März 1863 (Entsch. Bd. LVII S. 92): Ein Ravelin der Festungswerke von Memel war 50 Jahre lang von dem benachbarten Grundbesitzer benützt worden. Ersitzung wurde behauptet. Ein Gesetzestext, der Festungswerke dem Verkehr entzieht, besteht nicht. Aber das Tribunal erwägt: "Die vorzüglichste Pflicht des Oberhauptes im Staate ist es, die äussere Sicherheit zu erhalten, und es gehört zu den Majestätsrechten, die Vertheidigung des Staates gegen auswärtige Feinde anzuordnen. Zu diesem Zwecke dienen Festungen." Es genügt für die hier fraglichen Festungswerke, dass "der Staat kraft seines Hoheitsrechts dieselben sich zugeeignet hat und dieselben erhalten wissen will. Es würde in dieses Hoheitsrecht eingegriffen werden, wenn man Privatpersonen gestatten wollte, durch Besitzergreifung und fortgesetzten Besitz Rechte auf einen Theil der Festungswerke zu erwerben und dadurch den Staat zu nöthigen, die Festung nicht länger bestehen zu lassen." Daher ist das Festungswerk dem Verkehr entzogen. - Die Vernünftigkeit des Rechtsinstituts der öffentlichen Sache ist hier einleuchtend genug dargethan. Die Art aber, wie es hier einfach zurückgeführt wird auf das im Bestand der Sache zum Ausdruck kommende Hoheitsrecht auf die besondere öffentlichrechtliche Herrschaft des Staates über die Sa~e, welche den privatrechtlichen Rechtsverkehr ausschliesst, ist ein kräftiges Zeugniss für die lebendig gewordene Rechtsidee, die sich sonst wohl hinter leicht zu citirende Gesetzesparagraphen versteckt.

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Das Haupthinderniss bilden dabei wieder die Trümmer einer Lehre, über die man im Allgemeinen längst hinweg zu sein glaubt: die alte Fiskustheorie. Dass man den Staat, wenn er in gewisse Verhältnisse tritt, den Fiskus nennt und ihn dann wie I einen Privatmann behandelt, das hat ja weiter nichts auf sich. Mehr will man jetzt eigentlich auch nicht thun. Aber die alte Auffassung hatte den Fiskus als eine besondere juristische Person vom Staate unterschieden. Und beim Gebrauch des Namens Fiskus fällt man immer wieder darein zurück, thatsächlich zu verfahren, als wäre es noch so. Nur mit diesem alten Fiskusbegriff als einer gesonderten juristischen Person ist es möglich, der sich aufdrängenden Idee des öffentlichen Eigenthums sich zu verschliessen. Denn lässt man einmal den Staat als öffentliche Gewalt die Sache für seine Zwecke in Anspruch nehmen, so steht er auch, soweit seine Herrschaft die Sache durchdringt, überall, wo er als Herr dieser Sache in Betracht kommt, den anderen Rechtssubjekten in dieser Eigenschaft gegenüber. Er kann nicht in einem und demselben Verhältniss zugleich als öffentliche Gewalt und als gewöhnlicher Privatmann erscheinen. Ein solcher Zwiespalt ist für das vernünftige Denken nur annehmbar durch die Spaltung des Staates selbst in zwei Personen, von denen die eine die Sache an der Oberfläche öffentlichrechtlich beherrscht, um sie für ihren Zweck zu erhalten, während die andere, der Staat zweiten Ranges, unter dieser Herrschaft die Rolle des gewöhnlichen Eigenthümers spielt, belastet mit dieser Zweckbestimmung, im Uebrigen aber wie ein anderer Eigenthümer nach Civilrecht geregelt. Es ist eine innerliche Unwahrheit, wenn man glaubt, von der alten Fiskuslehre sich freigemacht zu haben, und doch das öffentliche Eigenthum leugnet, das nur mit ihr geleugnet werden kann 14 • I 13 Das damit verbundene Unbehagen macht sich gern dadurch Luft, dass man mir Fremdländerei vorwirft. So jetzt wieder Hatschek a. a. O. S. 57. Er stellt mir ein deutsch-nationales System entgegen, für welches er die grundlegende Formel "Scheidung von dominium und imperium" dem Buche von Vauthier, Etudes sur les personnes morales, entnimmt. Es ist aber gar nicht an dem, dass ich den Gedanken, die öffentliche Sache ganz auf den Boden des öffentlichen Rechts zu stellen, in Deutschland erst eingeschleppt hätte. Der ist von selbst bei uns gewachsen und von Anderen schon längst ausgesprochen worden: von Ihering, Keller, Dernburg, Burckhard, Eisete u. A. in verschiedenen Wendungen. Ich habe nur versucht, diesen Gedanken in umfassender Weise zur Erklärung des geltenden Rechts zu verwenden. Das ist eine Sache der juristischen Logik und der praktischen Rechtskunde und in beiden Richtungen leicht kontrolirbar. Ergiebt sich dabei, dass auch hier, wie so vielfach, die deutsche und die französische Rechtsentwicklung übereinstimmen, so ist das weder verwunderlich noch beklagenswerth. 14 Diesen Zusammenhang hat Hatschek a. a. o. S. 21 richtig erkannt. Anstatt aber zu folgern: weil die Ausscheidung des Fiskus nicht mehr haltbar ist, müssen wir uns an den Gedanken des öffentlichen Eigenthums gewöhnen, will er umgekehrt, um dem öffentlichen Eigenthum zu entgehen, zurückkehren zur älteren Auffassung: "Wir bleiben beim alten Fiskus und beim Dualismus" (S. 57). Wie sieht aber dieser wiedererstandene Fiskus aus? Die

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Diese Auffassungsweise verunstaltet aber auch das ganze Rechtsinstitut der öffentlichen Sache der Art, dass es seinem I Zweck nicht mehr ordentlich zu dienen vermag. Das ist vielleicht noch ein schlimmerer Vorwurf als ihr Mangel an Logik. Die öffentliche Sache ist dem privatrechtlichen Rechtsverkehr entzogen. Das bedeutet nicht, dass dem Einzelnen keine besonderen Nutzungen und Besitzrechte daran eingeräumt werden können. Die staatlichen Behörden, welchen die Sorge für die Sache anvertraut ist, können solche Einräumungen machen, in den dem Zwecke entsprechenden Formen des öffentlichen Rechts natürlich und unter der pflichtmässigen Bedingung, dass diese zugestandenen Rechte der Bestimmung der öffentlichen Sache nicht hinderlich werden dürfen. Das war schon nach römigesonderte Persönlichkeit des Fiskus besteht "nur in der Vorstellung des Individuums, das dem Staate im bürgerlichen Rechtsverkehr begegnet". Also

nicht in der Wirklichkeit des Rechts? Ueberdies: "Nur dem Individuum im bürgerlichen Rechtsverkehr erscheint der Fiskus als juristische Person des Civilrechts zuweilen neben dem Staat. Dem Staate und seinen Organen gegenüber ist und bleibt der Fiskus nur Organ, oder besser staatliche Kompetenz." Diesen letzteren Umstand "übersah die ältere Doktrin, und darin liegt ihr grosser Fehler". - Ich fürchte, dass hier der alte, ehrliche Fiskus sich in Redensarten verflüchtigt. Das Wort "Organ" aber sollte man für juristische Ausführungen endlich einmal verbieten. Es ertödtet alles wissenschaftliche Verantwortungsgefühl. - Anschiltz, Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen S. 88 N. 60, glaubt sich vor dem ganzen Dilemma geborgen hinter dem § 25 Allg. L.-R. Th. II Tit. 14, der doch durch "keine theoretische Konstruktion aus der Welt geschafft werden kann". Er lautet: "Dies gemeine Staatseigenthum selbst ist den Domänen völlig gleich zu achten." Damit soll nach Anschiltz ein für allemal verfügt sein, dass das Eigenthum an Landstrassen u. dgl. als privatrechtliches aufzufassen sei. Das scheint mir aber doch über das Recht des bestimmungsgemässen Gebrauches eines Gesetzestextes hinauszugehen. Bei dieser Auslegung hätte der harmlose Paragraph, den die Kommentatoren bisher als ziemlich nichtssagend betrachteten (Koch, Kom. zu § 25 Th. II Tit. 14 N. 16), auch der Konfiskation, der schweren Geldstrafe, dem Abzugsgeld allen "Konstruktionen" zum Trotz privatrechtlichen Charakter aufgeprägt; denn auch diese werden unmittelbar vorher (§ 23) zum "gemeinen Eigenthum des Staates gerechnet". An derartiges hat der Gesetzgeber gar nicht gedacht. Ganz sicher freilich haben die Juristen, die am Allgemeinen Landrecht arbeiteten, die öffentlichen Sachen sich so vorgestellt, dass sie in privatrechtlichem Eigenthum ständen, und das thaten sie gemäss der höchst eigenthümlichen "Konstruktion", welche die Fiskustheorie an die Hand· gab. Massgebend für uns ist nur, was das Gesetz thatsächlich für die öffentlichen Sachen in Th. II Tit. 15 geordnet hat. Und das erklären· wir eben vom heutigen Standpunkt aus besser und einleuchtender mit einer neueren Konstruktion. - Das Wort Konstruktion ist in Misskredit gerathen. Es wird geradezu als Vorwurf gebraucht mit dem Beigeschmack der leeren, willkürlichen Konstruktion. Eine Rechtswissenschaft, die als ihre oberste Aufgabe erkennt, realistisch zu sein, ist empfindlich dagegen. Gleichwohl wird sie auf diese Gefahr hin nicht darauf verzichten dürfen, immer wieder zu versuchen, die Mannigfaltigkeit der Einzelerscheinungen unter die Herrschaft allgemeiner Ideen zu zwingen, also zu konstruiren. Deshalb allein ist sie Rechtswissenschaft. Die Korrektur aus der Wirklichkeit des Rechts ist willkommen. Aber dieser Art ist der von Anschiltz erhobene Einwurf keineswegs.

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schem Rechte S015. Dem modernen Fiskus gegenüber, als dem Eigenthümer der Sache, hat man aber natürlich Privatrechte der Einzelnen daraus gemacht, welche an der demnach nur unvollkommen extra com~er~ium gesetzten öffentlichen Sache erworben werden können. Und daneben hat man den civilrechtlichen Rechtssatz gestellt: dass diese Rechte nicht geeignet sein dürfen, der Bestimmung der öffentlichen Sache hinderlich zu werden 16 • Der Erwerb der Rechte vollzieht sich dann I durch Vertrag, Ersitzung u. dgl. in den starren Formen des Civilrechts, urid über die Frage, ob die Grenze jenes beschränkenden Rechtssatzes dabei eingehalten ist, entscheidet das Civilgericht. Wie täppisch das wirkt, kann man sich vorstellen 17 • Wenn wir I Werth 15

Schwab im Arch. f. civ. Pr. Beil. S. 117; Elvers, Röm. Servitutenlehre

S. 267 ff.

lS Stobbe, Deutsch. Priv.-Recht Bd. I S. 600; Windscheid (Kipp), Pand. Bd. I S. 636; Dernburg, Preuss. Privatrecht Bd. I S. 138; Derselbe, Pand. Bd. I S. 168; Förster-Eccius, Preuss. Privatrecht Bd. III § 159 N. 4, § 177 N. 13; Bekker, Pandektenrecht Bd. I S. 345; Ubbelohde, Comment. zu Buch 43 S. ß8; Regelsberger, Pand. Bd. I S. 425 u. a. m. Je stattlicher die Aufzählung von Namen ist, desto mehr muss es auffallen. dass man bei einer so öden Rechts~lltzformel sich beruhigen kann. Die praktische Anschauung fehlt eben gänzlich. Jedes dingliche Privatrecht an der Strasse kann ja für die bestimmungsgemässe Verwaltung derselben störend werden, und keines ist störend, wenn es mit der Bedingung besteht, dass es dem Hauptzwecke der Strasse nicht hinderlich sein dürfe, auch das umfassendste Recht nicht, das Eigenthum; wird ja doch gerade die Möglichkeit fremden Eigenthums an der Strasse unbedingt anerkannt. Folgerichtig müsste man sagen: es kann überhaupt jedes Privatrecht an der Sache begründet werden, nur seine thatsächliche Durchführung ist nicht möglich, soweit die Bestimmung der Sache, d. h. die Polizei es nicht erlaubt. So z. B. Oberappellationsgericht Dresden in Eisenbahnvereinszeitung 1863 S. 286. Damit wäre freilich die Verkehrsentzogenheit der öffentlichen Sache überhaupt verneint. Denn gerade so steht es mit jedem Baugrundstück: es ist im freien Verkehr, nur ist die Durchführung der zu erwerbenden Rechte bedingt durch die "in Folge polizeilicher - hier vor Allem baupolizeilicher - Anordnungen eintretenden Beschränkungen". - Die herrschende Meinung geht nicht so weit. Sie nimmt eine wirkliche halbe Verkehrsentziehung an; der civilrechtliche Satz, auf den man sich geeinigt hat: die Rechte selbst sind ausgeschlossen, wenn ihre praktische Durchführung den bestimmungsgemässen Gebrauch der Sache stören würde, ist nichts Anderes als ein Kompromiss zwischen dem vollen civilrechtlichen extra commercium esse, von dem man ausgeht, und der öffentlichrechtlichen Verfügbarkeit der Sache, welche man in den von der Verwaltung eingeräumten besonderen Nutzungen thatsächlich vor Augen hat. 17 In der That handelt es sich hier doch nur um die civilrechtliche Karrikatur eines öffentlichrechtlichen Instituts. Der vermeintliche Rechtssatz: die Sonderrechte dürfen dem bestimmungsgemässen Zwecke der Sache nicht hinderlich sein, ist in Wahrheit nur eine Regel für das pflichtgemässe freie Ermessen der Verwaltungsbehörden bei Einräumung und Entziehung solcher Sonderrechte. Erst durch ihre Willensentschliessungen bekommt die Regel Fleisch und Blut, wirdeih anwendbarer Inhalt daraus gezogen. Gewissenhafte Richter sind übel genug daran, wenn sie jenen Rechtssatz handhaben sollen; sie fühlen sich nicht an ihrem Platze. Deshalb suchen sie sich etwa auf ergangene Verwaltungsakte zu berufen, die ähnliche Sonderrechte an der Sache schon eingeräumt hätten. So Reichsgericht 16. Febr. 1887: Die Ersitzung eines "servitutarischen Rechts" an der Strasse behufs Aufstellung

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legen auf den Bestand unserer öffentlichen Sachen, müssen wir dringend wünschen, von diesem ganz ungeeigneten System loszukommen. Nun denn, das Bürgerliche Gesetzbuch wird uns davon befreien dadurch, dass es die civilrechtlichen Krücken, mit welchen diese Auffassungsweise sich bisher noch fortschleppte, ihr einfach wegschlägt und sie auf solche Weise künftighin unmöglich macht. Wir unterscheiden ja vor Allem zwei Richtungen, nach welchen die öffentliche Sache ihre Unzugänglichkeit für das Privatrecht äussert: soweit sie dem Staate angehört, können neue Privatrechte und privatrechtliche Beschränkungen nicht an ihr entstehen; bereits an ihr bestehende Privatrechte können nicht geltend gemacht werden, um den staatlichen Besitzstand und den bestimmungsgemässen Dienst der öffentlichen Sache auf gerichtlichem Wege zu beseitigenl8 . I von Wagen und Ackergeräthen wird für zulässig erklärt; denn: "Es ist, wie für den vorliegenden Fall gerade die anderen Personen gegen Entgelt ertheilte Befugniss zu besonderer Benutzung von Strassenflächen zeigt, durch den Begriff der öffentlichen Strasse nicht ausgeschlossen, dass dieselbe dem öffentlichen Verkehr nur so weit dient, als nicht Einzelnen besondere diesen Verkehr einschränkende Rechte daran zustehen, und es ist deshalb der Erwerb solcher besonderen Rechte durch Ersitzung nicht undenkbar." Freilich ist damit, dass die Verwaltungsbehörde an einer bestimmten Stelle eine bestimmte Sondernutzung mit dem Zweck der Strasse vereinbar fand, noch gar nicht gesagt, dass das auch an anderen Stellen so wäre. Deshalb werden solche Anlehnungsversuche immer etwas Missliches haben. - Ein anderer Ausweg ist der, dass man den Rechtssatz im Einzelfall überhaupt nicht anwendet, um Zulässiges und Unzulässiges danach zu bestimmen, sondern ihn nur noch einmal im Allgemeinen einschärft. So Reichsgericht 7. Nov. 1882: Ein Anschlussgeleise soll als Servitut an der Eisenbahn begründet sein; das Vorhandensein eines solchen kann ja für den Hauptzweck der Bahn sehr störend werden; dann wäre dieses Recht unzulässig. Der Richter hat aber mit Zustimmung des Reichsgerichts dieses Bedenken dadurch beseitigt, dass er "ausdrücklich vorbehalten, dass die Ausübung selbstverständlich nur innerhalb der Schranken zu erfolgen habe, welche durch die den Eisenbahnbetrieb regelnden Vorschriften gezogen seien". Auch in dieser Form wird die richtige Abgrenzung des Zulässigen schliesslich doch der Verwaltungsbehörde zugeschoben. 18 Anschütz, Ersatz aus Vermögensbeschädigungen S. 88, 92 N. 67 a vermisst bei mir eine scharfe Scheidung zwischen "Polizei der öffentlichen Sache" und "laufender Verwaltung" dieser Sache, wozu er insbesondere auch die "Bauthätigkeit" daran rechnet; diese laufende Verwaltung soll nach ihm privatwirthschaftlicher Art und dem Civilrecht unterworfen sein. Ich unterscheide aber folgendermassen : Die Grundlage bildet die öffentlichrechtliche Zugehörigkeit der Sache, öffentliches Eigenthum insbesondere; dieses äussert sich in der Unzugänglichkeit der Sache für Civilrecht, wie oben, und in den öffentlichrechtlichen Verfügungen über sie; hierbei handelt es sich um Rechte dinglicher Art, um ein öffentliches Sachenrecht, - welches Anschütz nicht anerkennt. Daneben steht die Polizei der öffentlichen Sache, welche mit der Abwehr thatsächlicher Störungen zugleich den Schutz dieses Rechts handhabt; diese rechnet auch Anschütz zum öffentlichen Recht. Das dritte Gebiet nun würde alles umfassen, was sonst der Staat mit seiner öffentlichen Sache und auf derselben treibt; das begreift Anschütz noch unter dem Namen "Verwaltung der öffentlichen Sache". Meines Erachtens haben aber diese

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In ersterer Hinsicht ergiebt sich aus dem Wesen des öffentlichen Eigenthums Alles von selbst. Die im Banne der alten Fiskuslehre stehende Auffassung dagegen kann nur zum Ziele kommen mit Zuhilfenahme eigens für diesen Zweck gestalteter Civilrechtssätze. Denn die öffentlichrechtliche Aufsicht und Obhut, welche der Staat über die Sache übt, ist hier ganz unabhängig von den Schicksalen des Eigenthums, welches dem Fiskus daran zusteht. Mag mit diesem werden was will, es muss dem Staate genügen, wenn er thatsächlich dadurch nicht gehindert wird, den äusserlichen Bestand der Sache aufrecht zu erhalten, und dafür garantirt er sich selbst durch die obrigkeitliche Macht, mit der er die Sache vertheidigt. Es ist eine äusserliche Zuthat, wenn ausserdem noch das civilrechtliche Eigenthum des Fiskus I dem Civilrecht unzugänglich gemacht werden soll. Und das lässt sich eben nur durch Civilrechtssätze bewirken. Man erhält sie theils ausdrücklich durch die bisherige Landesgesetzgebung, theils weiss man sie durch Gewohnheitsrecht oder irgend welche Konstruktionen heranzuziehen. Immer sind es Civilrechtssätze 19 • Wenn man die Gefahr merkt, wird man durch allerlei Wendungen um diese Thatsache herum zu kommen Dinge keine gemeinsame rechtliche Farbe. Es kommt immer darauf an, was da vor sich geht. Verkauft der Staat die Kirschen von den Chausseebäumen, so ist das civilrechtlich, erhebt er Chausseegeld, so ist es öffentlichrechtlich. Die öffentliche Sache färbt darauf nicht ab. Insbesondere überschätzt meines Erachtens Anschütz den Zusammenhang zwischen der öffentlichen Sache und der öffentlichrechtlich zu beurtheilenden Bauthätigkeit im Sinne der travaux publies des französischen Rechts (a. a. O. S. 89). Oeffentliche Arbeiten sind auch die Arbeiten zur Austrocknung von Sümpfen, die in Privatbesitz stehen, also aus zwiefachem Grunde keine öffentliche Sache sind. Andererseits sind auch nicht alle Arbeiten, die an einer Strasse oder einem Festungswerke vorgenommen werden, öffentliche Arbeiten: das Abmähen des Grases von den Wällen z. B. nicht. Auch diese Thätigkeiten sind also für sich zu würdigen und bilden überhaupt keinen Bestandtheil der Lehre von der öffentlichen Sache. Eine scharfe Scheidung lässt sich gerade dadurch erst gewinnen, dass man ausser der Polizei der öffentlichen Sache auch das ganze öffentliche Sachenrecht vorweg nimmt. 19 Ubbelohde, Kommentar zu Buch 43 S. 63 ff. sucht die "Extrakommerzialität" der res publicae in publico usu auf folgende Weise begreiflich zu machen. Die entsprechenden Bedürfnisse des Gemeinwesens sind dauernde. "Wie ungehörig folglich", wenn Geschäfte vorgenommen werden zum Z.weck, die Sache der Bestimmung dafür zu entziehen! geradezu contra bonos mores kann das sein. Daher römisches Gewohnheitsrecht, welches solche Geschäfte für nichtig erklärt (S. 64). Daraus folgt von selbst, dass diese Sachen auch nicht verpfändbar und nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind (S. 71). Endlich hat das römische Recht das noch ergänzt durch die "positivrechtliche Bestimmung, dass die ordentliche Ersitzung an heiligen, geweihten, öffentlichen Sachen und an freien Menschen nicht stattfinde" (S. 75). - Den Ausschluss der Ersitzung kann man übrigens einfacher auch so begründen, dass man den erforderlichen guten Glauben hier grundsätzlich für unmöglich erklärt. Oberlandesgericht Braunschweig 21. Okt. 1892 (Eger, Eisenbahnrechtl. Entsch. Bd. XI S. 6): Ersitzung eines Wegerechts über den Eisenbahndamm wird verworfen; "wo ein gewichtiges öffentliches Interesse, wie das eines gesicherten Eisenbahnverkehrs sich geltend macht, lässt sich nicht annehmen, dass die Meinung entstehen konnte, ein Privatrecht auszuüben". 13 atto Mayer. Bd. I

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suchen. Bisher schon ist es ein sehr beliebter Ausdruck, zu sagen: die öffentliche Sache stehe in Privateigenthum, dieses sei nur eigenartig beschränkt zu Gunsten eines bestimmten öffentlichen Zweckes, zu Gunsten des Gemeingebrauchs 20 • Dieser, wird man jetzt mehr und mehr I hervorheben, sei öffentlichrechtlicher Natur, die Beschränkung selbst mithin eine öffentlichrechtliche21 • Gegen die öffentlichrechtliche Natur des Gemeingebrauchs werden wir nichts sagen; er ist ja gerade der Dienst, welchem der Staat die Sache durch seine öffentlichrechtliche Herrschaft und Obhut gewidmet hält. Von einer "Beschränkung des Eigenthums" kann man freilich auch so wieder nur sprechen, wenn man in der Auffassung steckt, dass nicht der Staat über seine öffentliche Sache auf diese Weise für seine Zwecke verfügt, sondern dass er dem Fiskus, der statt seiner der wirkliche Eigenthümer ist, die Last auferlegt, seine Sache für diese Zwecke dienen zu lassen. Da ist dann aber wiederum nicht abzusehen, weshalb diese Last die Sache von selbst unzugänglich machen soll für die Begründung von Privatrechten. Es muss immer noch ein Rechtssatz hinzukommen, der diese wirklich ausschliesst. Vielleicht möchte man diesen Rechtssatz gern einen öffentlichrechtlichen nennen, weil er zu besserer Sicherung der öffentlichen Sache diene, im öffentlichen Interesse liege. Aber damit würde er nicht aufhören, ein civilrechtlicher zu sein; auch die Ersitzung ist bono publico introducta. Ueber die blosse Titulatur als öffentlichrechtlich wird man hier wieder nicht hinauskommen. Oeffentlichrechtlich ist der Ausschluss der I Privatrechte nur dann, wenn er nachweisbar ist als eine Wirkung und Lebensäusserung der die Sache beherrschenden öffentlichen Gewalt; ein Rechtssatz, der die Beziehungen des Fiskus als 20 Bekker, System Bd. I S. 336; Regelsberger, Pand. Bd. I S. 426. Die Beschränkung wird hier erklärt als eine Wirkung der Belastung mit dem Gemeingebrauch; dieser Belastung entspricht aber kein berechtigtes Subjekt, es ist eine "objektive Gebundenheit" des Privateigenthums. - Beide Gelehrte sind nicht in der staatsrechtlichen Fiskustheorie befangen. Nun haben sie den Staat als Eigenthümer der Strasse, sehen im Gemeingebrauch, dem diese zu dienen bestimmt ist, eine Beschränkung des Eigenthums daran, und da fehlt ihnen natürlich das Subjekt dafür. Die Fiskustheorie würde hier helfen. Besser ist es aber, man giebt den Gedanken auf, dass der Gemeingebrauch eine Beschränkung des Eigenthums sei, statt dessen, was er ist: eine bestimmte Art, in welcher der Eigenthümer seine Sache zu verwenden beliebt. 21 Jellinek im Verw.-Arch. 1897 S. 311: "Oeffentliches Eigentum nichts anderes als Privateigenthum mit publizistischen Beschränkungen hinsichtlich der Mittel und Verwendung." Burckhard in Grünhut's Zeitschr. Bd. 15 S. 645: "Der usus publicus ist, weil er eben dem öffentlichen Rechte angehört, so stark, dass er alle Privatrechtsverhältnisse dort, wo sie sich ihm hemmend entgegenstellten, überwindet." Reichsgericht 23. Febr. 1880 (Samml. I S.367): "Soweit diese Bestimmung zum öffentlichen Gebrauch reicht, ist das Privateigenthum (des Fiskus) an denselben (den öffentlichen Sachen) einer Beschränkung unterworfen, und sie stehen allein unter der Herrschaft der allgemeinen Staatsgewalt vermöge der publizistischen Staatshoheit derselben."

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Eigenthümer im Verhältniss zu anderen Privatleuten ordnet, ist und bleibt civilrechtlich. Damit ist aber das Schicksal der öffentlichen Sache entschieden: sie mag thatsächlich dem öffentlichen Dienst gewidmet bleiben; die civilrechtlichen Regeln, wonach Privatrechte nicht daran begründet, privatrechtliche Ordnungen nicht darauf angewendet werden dürfen, sind durch das Bürgerliche Gesetzbuch beseitigt. Eine öffentliche Sache im bisherigen Begriff bestände also nicht mehr. Die zweite Richtung, in welcher die rechtliche Natur der öffentlichen Sache wirksam wird, haben wir bereits berührt im Anschluss an unseren Rechtsfall. Der Umstand, dass ein Grundstück thatsächlich als öffentliche Sache oder als Theil einer solchen dient, erdrückt nicht von selbst die etwa vorher schon daran begründeten Privatrechte Dritter. Die Gerichte sind anerkanntermassen berufen, auf Klage des Berechtigten gegen den Herrn der öffentlichen Sache das Vorhandensein solcher Rechte festzustellen. Aber ebenso wie die Besitzklage, ist die Eigenthumsklage auf Herausgabe ausgeschlossen, und zwar von selbst: es handelt sich hier um Ausübung des öffentlichen Sachenrechts, um einen öffentlichrechtlichen Verfügungsakt; darauf besteht kein civilrechtlicher Anspruch und die Anordnung und Erzwingung der Vornahme des Aktes ist keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mehr. Wenn man aber dem Kläger den Fiskus gegenüberstellt, der die öffentliche Sache civilrechtlich vertritt, so ist gar nicht einzusehen, weshalb von diesem nicht auch nach Civilrecht und zwar nach § 985 B. G.-B. die Herausgabe soll verlangt werden dürfen. Die Sache soll ja doch zunächst in seinem Besitze sein, freilich belastet mit der Widmung für den öffentlichen Zweck, welche der Staat aufrecht erhält; aber das kann ihn an sich von der civilrechtlichen Pflicht I dem Kläger gegenüber nicht befreien. Bisher vermochte das Landesrecht, auch wo es unter dem Einfluss der Fiskuslehre stand, diese Folgerung abzuwehren, indem es an das thatsächliche Vorhandensein einer öffentlichen Sache auch eine Ausschliessung der civilrechtlichen Herausgabepflicht des Fiskus knüpfte. Man muss nur bedenken, wie viel leichter bisher civilrechtliche Wirkungen an öffentlichrechtliche Ordnungen sich anknüpfen liessen; handelte es sich doch für beide Gebiete immer nur um den Willen eines und desselben Gesetzgebers. Ein Beispiel dafür giebt das Preussische Recht. Die Klage auf Herausgabe eines Stückes öffentlichen Weges gilt dort als unzulässig nach § 1 des Gesetzes vom 11. Mai 1842, der den Rechtsweg gegen polizeiliche Verfügungen ausschliesst. In der Einbeziehung eines Geländestreifens in den öffentlichen Weg wird eine polizeiliche Verfügung gesehen22 ; diese polizeiliche Verfügung beseitigt, so lange sie besteht, den Anspruch auf Herausgabe gegen den Fiskus, wirkt also insofern civilrechtlich. Die Klage 22

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Vgl. oben N. 11.

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auf Herausgabe kann deshalb nur aufgefasst werden als gerichtet auf Aufhebung der polizeilichen Verfügung, und so erklärt sich die Unzulässigkeit. Der gleiche Gedanke, dass öffentlichrechtliche, insbesondere polizeiliche Bestimmungen massgebend sind auch für das Verhältniss zwischen den Betheiligten unmittelbar, nicht bloss für ihr Verhältniss zur öffentlichen Gewalt, tritt uns ja auch sonst noch vielfach entgegen23 • Derartige civilrechtliche Neben Iwirkungen des Thatbestandes der öffentlichen Sache nun giebt es künftighin nicht mehr. Wer also kein echtes öffentliches Sachenrecht anzunehmen im Stande ist, sondern jeweils den Fiskus hinter der Polizei der öffentlichen Sache braucht, wird diesen Fiskus künftighin auch zur Herausgabe verurtheilen lassen müssen. Die Schwierigkeiten werden sich dann erst im Z~angsvoll­ streckungsverfahren ergeben. Da wird sich zeigen, dass der Staat die Sache doch nicht herausgiebt, nicht herausgeben kann um wichtigerer Interessen willen. Das kann dann aussehen wie ein Gewaltstreich und wie eine Missachtung des Gerichtes; es ist gewiss nicht wünschenswerth, 23 Grundsätzlich stünde beides selbständig neben einander; die öffentlichrechtliche Bestimmung bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen den Einzelnen und der öffentlichen Gewalt, ordnet nicht die Beziehungen jener unter einander (Beispiel: Bauerlaubniss und Eigenthums- oder Grunddienstbarkeitsfrage) ; sie kann zwischen den Einzelnen nur mittelbar von Bedeutung werden: als Anlass zu ihrem Verhalten gegeneinander, als Grund einer Unmöglichkeit der Leistung u. s. w. Dass sie für die Schadensersatzpflicht bei Beurtheilung der Schuldfrage in Betracht kommt (B. G.-B. § 8232), ist schon eine Ueberschreitung der Grenzlinie. In gewissen Fällen knüpft das Gesetz an die öffentlichrechtliche Ordnung unmittelbar auch die entsprechende Gestaltung der civilrechtlichen Beziehungen zwischen den betroffenen Einzelnen unter einander. So namentlich auf dem Gebiete des Wasserrechts in Bezug auf Beschaffung der Vorfluth, Zulassung von Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen (Beispiel bei Stölzel, Rechtspr. des Komp.-Konfl.-Hofs S. 382 ff.). Dass man das Wasserrecht der Landesgesetzgebung vorbehielt, war namentlich wegen dieses Zusammenhanges sehr angezeigt (E.-G. Art. 65; Mot. z. E.-G. S. 161; Mot. z. 1. Entw. Bd. III S. 5: "der meist polizeiliche Inhalt der einschlägigen Vorschriften"). Vgl. auch Gew.-O. § 26. - Das Gebiet solcher civilrechtlicher Nebenwirkungen wird aber mannigfach, mit Recht oder Unrecht, noch weiter ausgedehnt. Beispiele. Preuss. Komp.-Konfl.-Hof vom 12. Nov. 1881 (Min.-Bl. d. T. S. 5): Die Polizeibehörde hat dem Hauseigenthümer befohlen, sein Küchenabwasser fortan in des Nachbars Graben zu schütten; diesem wird in Folge davon auch der civilgerichtliche Schutz gegen das Vorgehen des anderen versagt. Sehr merkwürdig Reichsgericht 23. Aug. 1886 (Samml. 16 S. 151 ff.): Die Behörde hatte dem Grabeigenthümer die Erlaubniss zur Ausgrabung und Ueberführung einer Leiche versagt. Die Klage auf Gestattung der Wegnahme wird abgewiesen - selbstverständlich würden wir sagen; hier handelt es sich ja um bekannte polizeiliche Maassregeln, gegen die mit einer Eigenthumsklage nicht aufzukommen ist. Das Gericht weist aber nach, dass, wenn auch im Allgemeinen hier die gewöhnlichen Regeln des Sachenrechts gelten, doch aus den angeführten Stellen des corpus juris "unbedenklich die durchgreifende gesetzliche Eigenthumsbeschränkung zu entnehmen ist, dass beerdigte Leichen ohne Genehmigung der Obrigkeit nicht aus dem betreffenden Grundstücke entfernt werden dürfen". Auch hier also wieder civilrechtliche Unterstützung der Polizeigewalt. Die Idee steckt dahinter, dass alles erst ins Civilrechtliche zu übersetzen sei, damit man es gelten lassen dürfe.

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das Recht so zu gestalten, dass I die Verwaltung unnöthiger Weise in solche Nothstände gesetzt wird 24 • Der von uns behandelte Rechtsfall giebt einen Ausblick noch auf andere Möglichkeiten. Das Gericht kann, wenn es in die Lage gesetzt wird, dem isolirt behandelten Fiskus gegenüber von allen öffentlichrechtIichen Ordnungen abzusehen, und diesem schlechthin die Herausgabe zu gebieten, nach dem Vorbilde des Oberlandesgerichts Kolmar25 ein äusserst wirksames mittelbares Zwangsverfahren sich zurechtlegen. Der zur Herausgabe verurtheilte Fiskus war entweder vorher schon in Kenntniss davon, dass er "zum Besitze nicht berechtigt ist", oder er erfährt es jetzt. Wenn nun die leitende Staatsbehörde bestimmt, dass die Herausgabe unthunlich ist, so ist der Fiskus nach §§ 989, 990 B. G.-B. für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, "dass die Sache von ihm nicht herausgegeben werden kann". I Die Höhe des Schadensersatzes wird alsdann vom Gericht festgestellt ohne Möglichkeit einer Revision. Es steht formell nichts im Wege, sie so hoch zu greifen, dass der Staat, der ja, allen juristischen Konstruktionen zum Trotz, in der rauhen Wirklichkeit des Finanzpunktes doch schliesslich nur ein und derselbe ist mit dem schwer getroffenen Fiskus, es vorziehen muss, den Kläger sonst zu befriedigen. Nothgedrungen wird er mit seiner öffentlichen Sache alle Aenderungen vornehmen, die dieser verlangt: Strassen verlegen, Planübergänge gestatten, Festungswerke umbauen, - die Privatinteressen und die Civilgerichte würden da noch mancherlei segensreiche Einwirkung üben können! Einem allgemeineren Einwand gegen die Nothwendigkeit des Fortbestandes des Rechtsinstitutes der öffentlichen Sache müssen wir aber 24 Nach E.-G. z. C.-P.-O. § 15 Ziff. 3 ist C.-P.-O. § 885 Abs. 1 auch gegen den Fiskus anwendbar: "Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitze zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen." In der Idee mag sich das recht schön ausnehmen, wenn der Gerichtsvollzieher die Einfriedigung des Bahnhofs niederlegen lässt und die Eisenbahnverwaltung behufs Uebergabe der früheren Strasse an den freien Verkehr aus dem Besitze ihres Bahnkörpers setzt. In Wirklichkeit ist so etwas nicht möglich; also darf man es vernünftigerweise auch nicht von den Gerichten anordnen lassen. Für Verwaltungsbehörden ist es etwas ganz Natürliches, dass ihr Vorgehen durch Rücksichten eines wichtigeren Interesses gehemmt werden kann. So würde sich z. B. nach Preussischem Rechte ein Konflikt zwischen Eisenbahn- und Wegeinteressen, wie der hier behandelte, in folgender Weise erledigen (Oberverwaltungsgericht 3. Febr. 1897, Samml. 1897 S. 198): ob ein Weg über das Bahngebiet führt, darüber entscheidet die "gewöhnliche Wegepolizeibehörde" gegen den Bahnfiskus; soweit eisenbahnpolizeiliche Interessen konkurriren, hindert die "Eisenbahnpolizei" die Vollstreckung; die höheren Aufsichtsbehörden greifen schliesslich ein behufs "einheitlicher Verfügung". - Da aber für Gericht und Verwaltung die ausgleichende gemeinsame Aufsicht fehlt, so bliebe es für das Gericht bei der einfachen Zurückweisung seiner Anordnung. Gerade die Justiz aber muss, wo sie überhaupt zu gehen hat, ihren "stracken Lauf" gehen können. Sonst ist ihr Ansehen geschädigt. 25 Vgl. oben Bd. XV S. 512.

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hier noch entgegnen. Das neue Recht, das diesen Fortbestand gefährdet, bringt auch eine Einrichtung mit sich, die dem Grundeigenthum überhaupt und so auch den öffentlichen Sachen, sofern sie darunter gestellt würden, eine erhöhte Sicherheit gegenüber den Zufällen der privatrechtlichen Verwicklungen gewährte: das Grundbuch. Das wird namentlich in den bisherigen Gebieten des reinen französischen Rechtes sehr fühlbar werden. Es wäre aber eine grosse Ueberschätzung dieser Einrichtung, wollte man damit die Forderung der Verkehrsentzogenheit gewisser Sachen praktisch erledigt erklären. Das Grundbuch kann vor Allem nicht ersetzen die soeben als zweiten Punkt behandelte Unangreifbarkeit der öffentlichen Sache durch bereits begründete Privatrechte. Man kann sich jetzt besser vorsehen, um unzweifelhaftes Eigenthum zu erwerben, bevor man Festungswerke, Strassen, Eisenbahnen auf einem Grundstücke einrichtet. Die Erfahrung in alten Grundbuchgebieten beweist, dass das nicht ausreicht. Der Massenerwerb durch Vertrag und Enteignung, die Nothwendigkeit, vorzugehen, bevor die Formalitäten erfüllt sind, die alle Juristerei gründlich verachtende Thatenlust der Techniker führen immer wieder zu I dem Thatbestand der öffentlichen Sache mit fremdem Grund und Boden und damit zu der Nothwendigkeit, die öffentliche Sache gleichwohl zu behaupten. Nach der anderen Richtung, die wir als ersten Punkt behandelten, giebt wohl das Grundbuch einen gewissen Schutz gegen die Ersitzung, aber keinen unbedingten und vor allem schützt es nicht gegen die kleinen Grenzverschiebungen, welche gerade Wegen, Festungswerken gegenüber so wichtig sind und so leicht vorkommen. Ganz unberührt lässt es einen sehr bedeutsamen Punkt, den wir bisher noch gar nicht hervorgehoben haben: das gesetzliche Nachbarrecht und die daraus fliessenden Beschränkungen und Belastungen. Und doch scheint es wichtig genug, dass das öffentliche Eigenthum seiner Natur nach auch für dieses unzugänglich bleibt, wie bisher26 • Sehr bezeichnend ist, dass das Reichsgrundbuchrecht selbst noch nicht weiss, was es mit den öffentlichen Sachen anfangen soll. Es überlässt es der landesherrlichen Verordnung, ob sie ein Grundbuchblatt erhalten sollen oder nicht (Grundb. O. § 90). Die Motive S. 38 erläutern das damit, dass diese Sachen, gleich den Grundstücken des Fiskus überhaupt, den Grundstücken der landesherrlichen Familie u. s. w. "wegen der Rechtsstellung des Eigenthümers oder wegen ihrer Zweckbestimmung dem Privatrechtsverkehr thatsächlich fern zu bleiben pflegen". Also wäre es unnöthige Arbeit, sie in das dem Rechtsverkehr dienende 28

Das Obertribunal hat z. B. die Regel des Allg. Landrechts Th. I Tit. 8

§ 149 auf Scheidungen gegen öffentliche Wege für unanwendbar erklärt

(StriethoTst's Arch. Bd. 47 S. 228). Das soll doch nicht aufhören?

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Grundbuch einzutragen. Mit den öffentlichen Sachen steht es nun aber zum Unterschied von den anderen hier gleich behandelten so, dass sie, als dem öffentlichen Rechte zugehörig, den Regeln des Grundbuchs überhaupt nicht unterliegen würden 27 • I Wenn die Grundbuchordnung sagt: es kann bestimmt werden, dass sie ein Blatt erhalten, so überlässt sie bezüglich ihrer den Regierungen die Entscheidung, nicht nur ob das zweckmässig ist, sondern auch ob die öffentlichen Sachen überhaupt nach öffentlichem Rechte zu behandeln sind, oder nach Civilrecht. Erst wenn letzteres bejaht wird, käme die Zweckmässigkeit der Eintragung zu erwägen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Frage des öffentlichen Eigenthums, die in den verschiedenen Landesrechten verschieden gelöst oder auch ganz in Schwebe gelassen wird, ist es erklärlich, dass das Reichsrecht seinerseits hier lieber Alles dahingestellt sein lässt. Die Lösung jener Frage muss aber I doch jetzt erfolgen, und zwar in einheitlichem Sinne schon um des einheitlichen Grundbuchrechts willen. Das ist gerade das besondere Verdienst des neuen Reichscivilrechts, dass es uns dazu zwingt, auch auf den angrenzenden Gebieten des öffentlichen Rechts einmal Ordnung und Klarheit zu schaffen. Ir. Wenn es demnach auch künftighin nach deutschem Rechte noch öffentliche Sachen geben soll, so ist die zweite Frage: wie ist ihr Kreis im Einzelnen abzugrenzen? und gehören insbesondere die Eisenbahnen dazu? 27 Dass das zwei ganz verschiedene Gesichtspunkte sind, ist offenbar. Einstweilen gehen sie durcheinander. Böhm, Reichsgrundbuchrecht S. 477 bemerkt zu § 90 Grundb.-O.: "Die in Abs. 1 Satz 1 gedachten Grundstücke sind der Regel nach dem Verkehr entzogen. Das ist der Grund, weshalb Eintragungszwang vielfach nicht bestand und auch in Zukunft unterbleiben kann daneben sind Rücksichten des öffentlichen Rechts maassgebend." Das sind natürlich nur halbe, unklare Aussprüche. - Wenn eine dem Verkehr entzogene Sache gleichwohl eingetragen wird, so kann das auf ihr rechtliches Schicksal keine Wirkung haben; deshalb hat der Eintragungszwang für sie höchstens die Bedeutung einer Ordnungsmaassregel. Ein Beispiel, wie das öffentliche Recht, dem die Strasse angehört, in die Rechte des Grundbuchs hineingreift in Reichsgericht 28. April 1899 (Beil. zu GTuchot's Beitr. Bd. VI S. 3). Es ist klar, dass derartiges zu den festen Ordnungen des Grundbuchs nicht stimmt. Also ist es besser, gar nicht den Schein zu erwecken, als gehörten Sachen, an welchen das Privatrecht in solcher Weise scheitert, noch in den Bereich dieser Ordnungen. Im Interesse des öffentlichen Vertrauens, welches das Grundbuch geniessen soll, muss streng darauf gesehen werden, dass öffentliche Sachen kein Blatt erhalten und für Grundstücke, die zu öffentlichen Sachen gemacht werden, alsbald die Ausbuchung erfolgt. Nur wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass auch öffentliche Sachen schlechthin dem Civilrecht unterworfen seien, darf man sie eintragen lassen. Dann wird man aber wohl daran denken müssen, eine Form zu finden, wie auch die mancherlei besonderen Besitz- und Gebrauchsrechte, welche an solchen Sachen durch Konzessionen, Verleihungen der Verwaltungsbehörden begründet werden, zur Eintragung kommen. Zu diesem Zweck müssten diese Dinge natürlich in's Civilrechtliche übersetzt werden; vielleicht wäre es nöthig, auch das "subjektlose Recht" des Gemeingebrauchs so zu behandeln, wenn es gesichert sein soll. Es verlohnte wohl der Mühe, alle diese Folgerungen einmal fertig zu denken.

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Dass wir hier nicht einfach mit den Gesetzestexten auskommen, ist von vornherein klar. Die Aufzählungen, welche manche Gesetzbücher versuchen, bedeuten besten Falles nur Beispiele28 • Die Theorie hat sich lange bemüht, den usus publicus als apriori massgebendes Merkmal durchzusetzen; sie scheut sich nicht, zu diesem Zweck entweder das Wesen des usus publicus zu entstellen oder Sachen auszuschliessen, die zweifellos öffentliche Sachen sind. Das ist Scholastik. Mit unserer heutigen Art, Rechtswissenschaft zu treiben, steht es besser im Einklang, dass man beobachtet, was in der Wirklichkeit nach den Regeln behandelt wird, die sich aus dem Rechtsbegriff einer öffentlichen Sache ergeben, und danach dessen Geltungsbereich zu bestimmen sucht. Allein wie die Sache liegt, befinden wir uns jetzt gerade in einer Uebergangszeit, der Sinn für öffentliches Recht und seine festen Begriffe will sich erst durchringen. Man wird also I das Beobachtungsmaterial sichten müssen und obrigkeitliche Aussprüche, wissenschaftliche Aufstellungen, die in das Gesammtbild nicht passen, ausscheiden als einer rückständigen Auffassungsweise angehörig. Wer aber anders will, wird dergleichen lieber als Beleg dafür in Anspruch nehmen, dass der Fall unter den vorausgesetzten Begriff der öffentlichen Sache nicht passt. Es fehlt daher dieser Methode die überzeugende Kraft29 • Unter diesen Umständen wird es gestattet sein, dass wir unseren Massstab auch einmal zu holen suchen aus dem, was hinter allen Rechtseinrichtungen steht: sie sollen doch den Menschen dienen in bestimmter Weise und dieser Absicht angemessen d. h. vernünftig sein. Sie werden also vernünftiger Weise nur so weit und ganz so weit gelten, als hiernach angemessen erscheint. Auch das Rechtsinstitut der öffentlichen Sache, wie wir es oben genauer bestimmt haben, muss sich gefallen lassen, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet zu werden. Dass wir damit in den Bann der alten naturrechtlichen Anschauungen gerathen, wäre eine sehr überflüssige Besorgniss. 28 Ducrocq in seiner berühmten Abhandlung: Des edifices publies hat für das französische Recht den Versuch unternommen, die Zugehörigkeit zum domaine public streng abhängig zu machen von einer gesetzlichen Bestimmung, die dafür aufgewiesen werden könnte, "un texte special" soll gefordert werden. M. Lamaehe in Revue critique Bd. XXVII S. 13 ff. weist die Schwächen dieses Systems überzeugend nach. Die Entgegnung Ducrocq's ebenda S. 308 ff. vermag den Vorwurf nicht zu beseitigen, dass seine "Texte" nur dann genügen, um das, was er in der Wirklichkeit als domaine public findet, zu begründen, wenn er sie gewaltsam aufbauscht. 29 Damit bekenne ich die Schwäche der im Deutsch. Verwaltungsrecht Bd. II S. 76 ff. vorgetragenen Lehre. Nach allen Entgegnungen scheint es mir aber immer noch, dass man nur die Wahl hat zwischen ihr und gänzlicher Zerfahrenheit.

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Wir fragen also: was hat es für einen vernünftigen Sinn, Sachen des Staates und ihm gleichstehender öffentlicher Rechtssubjekte dem Civilrechtsverkehr zu entziehen und sie dem öffentlichen d. h. Verwaltungsrechte zuzuweisen? Die Antwort führt von selbst zu einer gewissen Abgrenzung dieser Sachen. Denn die Frage bedeutet zugleich: welche Voraussetzungen müssen bei einer Sache gegeben sein, damit es einen vernünftigen Sinn hat, sie so zu behandeln? Es ist klar, dass es hier ganz und gar auf den besonderen Zweck ankommen wird, dem die Sache zu dienen bestimmt ist. Der Ausschluss des Civilrechts ist von vornherein darauf gemünzt. I Dem Civilrecht sind die Sachen ebenso formal gleich wie die Rechtssubjekte; es nimmt keine Rücksicht auf ihren Zweck. So gut es im Geiste des Oberlandesgerichts Kolmar eine internationale Eisenbahnlinie durch Verurtheilung zur Herausgabe eines ehemaligen Krautackers zerreissen liesse, würde es auch dem Nachbarn eines Festungswerkes den Anspruch auf einen Nothweg über dieses einräumen oder es mit einer unantastbaren servitus altius non tollendi belasten. Das Recht der öffentlichen Sache bedeutet dem gegenüber gerade die unbedingte Wahrung des Zweckes gegenüber allen möglichen Beeinträchtigungen im Wege Rechtens und die ausschliessliche Zulassung nur solcher Rechte daran, die nach dem Ermessen der zur Hütung dieses Zweckes bestimmten Behörde mit demselben vereinbar und die überdies an die Bedingung gebunden sind, dass sie das auch dauernd bleiben. Der Sache wird damit eine rechtliche Ausnahmestellung eingeräumt. Denn von Natur sind alle Sachen bestimmt, dem Civilrecht zugänglich zu bleiben. Damit der Zweck diesen Kraftaufwand rechtfertigt, muss er an sich selber wichtig genug sein und zugleich empfindlich genug gegen die Störung, die dadurch fern gehalten werden soll, abhängig also von dem unentziehbaren Bestand der Sache, die ihm dient. Darauf sind die verschiedenen Arten von Zwecken zu prüfen, zu welchen die Sache dem Staate dienen kann 30 • Unzureichend ist von vornherein der Finanzzweck. Die Sache, die für den Staat nur mit ihrem Vermögenswerth und als Erzeugungsmittel von Vermögenswerthen in Betracht kommt, muss sich mit dem Schutze begnügen, den solche Werthe durch das Civilrecht erhalten. Ihr Bestand im Einzelnen ist nicht wichtig genug, um ihre ganze Rechtsordnung auf die Erhaltung I desselben zuzuspitzen. Strenge Bestimmungen über die Zuständigkeit zu Veräusserungen und Belastungen sind naturgemäss. Ausschluss der Zwangsvollstreckung ergiebt sich aus der allge30 Nur um unbewegliche Sachen handelt es sich: vilis mobilium possessio. Warum es auf Fahrniss nicht ankommen kann, ergiebt sich im Weiteren von selbst.

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meinen Stellung des Eigenthümers, ebenso möglicher Weise Freiheit von Gemeindelasten für Sachen des Staates, Freiheit von Staatslasten für Sachen der Gemeinde. Auch Bevorzugung in Ansehung gewisser civilrechtlicher Vorschriften mag hinzutreten, wie z. B. früher die längere Ersitzungszeit, oder jetzt die Befreiung vom Grundbuch. Das Alles macht noch keine öffentliche Sache. Die Frage beginnt erst beim sog. Verwaltungsvermögen. Die Sache kann dazu bestimmt sein, dem Staate bei Verwirklichung seiner Aufgaben zu dienen, öffentliche Zwecke, öffentliche Interessen in diesem besonderen Sinne sollen mit ihr verfolgt werden. Diese Zwecke sind nicht alle gleichwerthig, und die Bedeutung der Sache für den Zweck ist nicht überall die gleiche. Man kann daher nicht von vornherein sagen, überall, wo eine Sache einem öffentlichen Zweck dient, muss sie dem Civilrecht entzogen sein; sonst wäre allerdings Zugehörigkeit zum Verwaltungsvermögen gleichbedeutend mit öffentlicher Sache, und die hätten recht, die sich nicht die Mühe geben, die letztere noch einmal auszuscheiden. Wenn wir es für unsere Aufgabe halten, das Rechtsinstitut der öffentlichen Sache durch die Nothwendigkeiten des Zweckes vernünftig erscheinen zu lassen, sind wir gezwungen, genauer zuzusehen. Wir haben den Begriff der öffentlichen Anstalt als einer Vereinigung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten staatlichen Zweck. Dabei überwiegen an Bedeutung für die Anstalt bald diese, bald jene. Ist das erstere der Fall, liegt der Schwerpunkt der Leistungen für den Zweck in den persönlichen Mitteln, dann tritt die Sache in den Hintergrund, und es wird nicht angebracht sein, sie durch eine besondere rechtliche Ordnung für den Zweck zu erhalten. In dieser Lage befinden sich vor Allem Gebäude, I welche öffentlichen Anstalten dienen. Auf diese öffentlichen Gebäude hat sich die Frage geradezu zugespitzt: Gerichtsgebäude, Schulhäuser, Kasernen, Postgebäude u. s. w. Aber auch unbebautes Gelände kann in dem gleichen Verhältniss stehen: Militärschiessplätze, Turnplätze, Feuerwehrübungsplätze u. s. w. Ueberall ist die Sache nur der Schauplatz, auf welchem die Anstalt sich bewegt. Der öffentliche Zweck, auf den es ankommt, wird durch persönliche Thätigkeit erreicht, und die Sache dient ihrerseits erst dieser und dadurch mittelbar dem Zweck. Zur guten Ordnung gehört es, dass die Anstalt nicht gestört werde. Sie wehrt sich mit den ihr eigenen Machtmitteln: das Gericht durch die Sitzungspolizei, das Militär auf seine Weise, jede Behörde durch Geltendmachung ihres Hausrechtes. Aber die Anstalt hängt nicht ab von der Sache, hängt nicht an ihr. Sie kann sich behelfen, auch wenn diese weniger brauchbar wird, kann zur Noth auswandern. Der Schutz, der jedem Besitz zu Theil wird, der Schutz, den das Civilrecht giebt, genügt auch hier 31 . 31

Dass in der Behandlung der öffentlichen Gebäude ein Gegensatz zu Tage

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Dem gegenüber sehen wir diejenigen öffentlichen Anstalten, bei welchen umgekehrt der Schwerpunkt in der Sache liegt, der Zweck unmittelbar durch diese erreicht wird. Hier wird dann der öffentliche Zweck selbst empfindlich in der Sache, hängt an ihrem Bestand. Das klassische Beispiel bilden die öffentlichen Verkehrswege: Strassen, Plätze, Brükken, Schifffahrtskanäle; die schiffbaren Flüsse als natürliche "Wasserstrassen" I werden gleichzustellen sein. Festungswerke sind wohl auch ausser Zweifel. Was noch weiter hinzuzufügen wäre, wollen wir sehen. Der besondere Schutz durch die für den Zweck sich einsetzende öffentliche Gewalt, den im ersten Falle die der Sache sich bedienende öffentliche Anstalt geniesst, wird hier zu einem Schutz des unmittelbaren Bestandes der Sache selbst, in der die öffentliche Anstalt sich verkörpert. Es gehört zur guten Ordnung des Gemeinwesens, dass ihre Brauchbarkeit für den Zweck nicht gestört werde, durch thatsächliche Einwirkungen, welche die Einzelnen darauf üben möchten. Die Abwehr solcher Störungen fällt daher unter die allgemeinen gesetzlichen Aufgaben der Polizei. Das Rechtsinstitut der Polizei der öffentlichen Sache ergiebt sich hier von selbst. Die Polizei der öffentlichen Sache markirt den Gegensatz der hierher gehörigen Gruppe zu der vorhin betrachteten: es giebt eine Wege-, Kanal-, Strom-, Festungs-Polizei, aber keine eigene Polizei für das Gerichts- oder Schulgebäude, zum Schutz des Turn- oder Exerzierplatzes als solchen. Wenn sich aber in solcher Weise an diesen Sachen die besondere Empfindlichkeit des öffentlichen Zwekkes kundthut, so ist es nur folgerichtig, dass im Namen dieses Zweckes und um der guten Ordnung willen auch der viel ausgiebigeren Störung entgegen getreten wird, welche die rücksichtslose Entstehung und Geltendmachung von Privatrechten hier bereiten könnten. Die Form dafür giebt eben das öffentliche Sachenrecht. Dieses bedeutet ja nichts Anderes als eine staatliche Beherrschung der Sache für ihren Zweck mit Ausschluss des für diesen Zweck gleichgültigen Civilrechts. Soweit also die Polizei der öffentlichen Sache reicht, ist auch das öffentliche Sachenrecht das Vernunftgemässe, das Geforderte. Der bestehende Rechtszustand ermöglicht es, diese Forderung unmittelbar zu verwirklichen. Denn für die Frage, ob der Staat in seinen einzelnen Lebensäusserungen nach öffentlichem oder nach Civilrecht zu beurtheilen ist, haben wir keinen anderen I· Massstab als den, dass wir tritt zwischen deutscher und französischer Auffassung, hat Hatschek S. 38 richtig bemerkt. Aber der Gegensatz liegt nicht darin, dass die Franzosen den Begriff des domaine public haben und wir nicht, sondern darin, dass sie diesem Begriff ein breiteres Anwendungsgebiet einzuräumen geneigt sind als wir. - Die Frage ist übrigens bei den Franzosen noch immer nicht ausser Streit (Hauriou, Droit adm. 1893 S. 496); ebensowenig bei den Italienern. Viel Material über beide Litteraturen zu diesem Punkt bei Ranoletti, Concetto, natura e limiti deI domanio publico Bd. I S. 15 ff.

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prüfen, ob der Staat darin sich giebt wie ein gewöhnlicher Privatmann oder nicht. Wenn er nun hier um der guten Ordnung willen seine Herrschaft über die Sache wahrt, damit diese dem öffentlichen Zweck zur Verfügung stehe, so thut er darin nicht wie ein Privater; seine Herrschaft ist demnach nach öffentlichem Recht zu beurtheilen, sein Eigenthum, seine Grunddienstbarkeit, sein Besitz sind öffentlichrechtlicher Art. Die juristische Formel, heisst das, trifft im Ergebniss zusammen mit dem, was, von der anderen Seite her betrachtet, als ein Gebot der praktischen Vernunft und der Zweckmässigkeit erschien. Auf diese Weise haben wir aber auch schon genauer umschrieben, was wir vorhin als Voraussetzung hinstellten, damit der Zweck der Sache den Kraftaufwand der Ausserverkehrsetzung rechtfertige: er müsse wichtig und empfindlich genug sein, sagten wir. Der Zusammenhang mit der Polizei der öffentlichen Sache hat uns gezeigt, wie streng es damit zu nehmen ist: die gute Ordnung des Gemeinwesens muss dabei in Frage stehen. Die Maassregel ist ernst und schwerwiegend, als Grund ist es entsprechend; so allein reicht er aus. Der Umstand allein, dass bei der staatlichen Einrichtung der Schwerpunkt in dem liegt, was die Sache leistet, macht es noch nicht. Mit dem vorhin aufgestellten Gegensatz zwischen Anstalten, in welchen das persönliche, und Anstalten, in welchen das sächliche Element überwiegt, ist die Frage noch nicht erledigt. Es giebt eine Menge öffentlicher Unternehmungen, in welchen der Zweck sich wesentlich durch die geeignet hergerichtete benutzbare Sache erreicht und in ihr sich verkörpert: Museen, Markthallen, Parkanlagen, Volksbäder, Waschanstalten, Bedürfnissanstalten, Wärmestuben u. s. w. Oeffentliche Sachen werden hier überall nicht daraus. Warum nicht? Es fehlt die Wucht des öffentlichen Interesses an dem unversehrten Bestande gerade dieser bestimmten Sache. Wenn ein Privatrecht den ferneren Dienst der Einrichtung für den öffentlichen Zweck un Imöglich macht, so mag dieser auswandern, geradeso wie bei den Anstalten mit überwiegendem persönlichen Element. Es ist nur eine Finanzfrage. Ganz anders der öffentliche Weg, das Festungswerk. Hier ist jedes Stück wesentlich. Um seinen Zweck zu erfüllen, muss der Weg diese Linie einhalten, hier laufen, er kann kein Stück entbehren. Ebenso das Festungswerk. Unter Umständen wäre es ja denkbar, dass man durch die erzwungene Verlegung des Weges, Andersgestaltung des Festungswerkes einen Ersatz, vielleicht sogar eine Verbesserung finden würde. Die Rechtsordnung kann mit solchen zufälligen Möglichkeiten nicht rechnen; was ordentlicher Weise der Fall ist, kommt allein in Betracht. Sie können sich ändern nur nach Maassgabe ihres eigenen Zweckes, wie das öffentliche Sachenrecht dies gewährleistet, nicht nach Bestimmung des blinden Civilrechts. Das Gleiche wird z. B. gelten müssen für Dohlen, Abzugskanäle, die ihre

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bestimmte Richtung haben müssen und so wenig ausweichen können, wie der Weg, auch wo sie sich etwa von diesem trennen. Kirchhöfe, Kirchengebäude entnehmen die gleiche Gebundenheit einem anderen Ideengang, den wir hier nicht weiter verfolgen wollen. In dieser letzteren Gruppe von Einrichtungen ist also Grund da für einen gewissen Eigensinn des Zweckes in Festhaltung der Sache. Aber die Hauptsache ist, dass bei diesen Einrichtungen der letzteren Art der Zweck zugleich so ernst ist, dass seine unbedingte Aufrechterhaltung zur guten Ordnung des Gemeinwesens gehört. Auch wenn sie nicht ausweichen und Ersatz finden könnten, würden Museen, Markthallen, Parkanlagen u.s. w. sich dem Privatrecht, das sich gegen sie geltend macht, fügen müssen. Sie sind Luxuseinrichtungen, ohne die das Gemeinwesen am Ende bestehen kann: ohne Wege, Festungswerke, Dohlen, Kirchhöfe nicht; darum gehört nur deren Erhaltung zur guten Ordnung. Wir können uns noch andere Fälle denken, wo wirklich das öffentliche Interesse, das die Sache befriedigen soll, an I diesem bestimmten Platz, diesem bestimmten Gebäude hängt, wo also wirklich das vorliegt, was wir beim Wege als ein Nichtausweichenkönnen des öffentlichen Zweckes bezeichneten. Die Stadt besitzt z. B. eine Burgruine, einen prächtigen Aussichtspunkt, wie in der Umgegend gar nichts wieder zu finden ist; sie hat das Alles zum Wohlgefallen ihrer Bürger herrichten lassen, die fleissig dorthin lustwandeln. Die Einrichtung gehört nicht zum Finanzvermögen, sie dient einem öffentlichen Zweck; wird sie durch civilrechtliche Ansprüche unbenutzbar gemacht, so giebt es keinen Ersatz. Sollen wir das Civilrecht hier ausschliessen dürfen? Gewiss nicht; der öffentliche Zweck ist hier nicht stark, nicht ernsthaft genug; allgemein benutzbare Aussichtsruinen sind nicht wesentlich für die gute Ordnung des Gemeinwesens 32 • Ganz das Gleiche muss aber grundsätzlich auch gelten von einer hochwichtigen Klasse von Gebäuden und Vorrichtungen, denen gegenüber die Entscheidung uns härter fallen möchte. Statt der erdichteten Ruine von soeben müssen wir einmal die ehrwürdigen Zeugen der Vergangenheit setzen, die uns hie und da erhalten sind: Heidenrnauern, Römerbäder, uralte Stadtthürme. Oder gehen wir noch weiter: die eigentlichen Denkmäler der Kunst aus alter und neuer Zeit, wie sie an 32 Einen solchen "Schlossberg" behandelt Reichsgericht 6. Okt. 1885 (Samml. Bd. XIV S. 214). Man hat Anstass daran genommen, dass die Ruine selbst und die Anlagen nicht als öffentliche Sachen gelten sollen, wohl aber die dahin führenden Wege. Das Bedenken wäre gerechtfertigt, wenn diese Wege ausschliesslich dazu dienten, nach der Ruine zu kommen. Sobald ihre Bestimmung nicht so beschränkt ist, so dass man also schlechthin darauf verkehren, daran bauen kann als an einem öffentlichen Wege, muss das strengere Recht Platz greifen, das für den letzteren gilt. Innerhalb des Begriffes "öffentlicher Weg" können wir nicht noch einmal einen Unterschied machen nach der Wichtigkeit.

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unseren Strassen, in unseren öffentlichen Anlagen stehen: Standbilder, Siegessäulen, die Germania auf dem Niederwald mit allem Zubehör, die Walhalla bei Regensburg, die vielerlei schönen Dinge dieser Art in München I und anderen Hauptstädten. Alle diese Sachen dienen einem idealen öffentlichen Zweck und sind für diesen kaum oder gar nicht ersetzbar. Soll ein vergessener Eigenthümer die Herausgabe nach § 997 Abs. 2 B. G.-B. erzwingen können? Man könnte geneigt sein, auch sie wenigstens noch unter den Schutz des öffentlichen Sachenrechts zu stellen. Aber gesellschaftliche Nothwendigkeiten, Lebensinteressen der Volksgemeinschaft sind hier nicht in Frage. Wissenschaftliche und ästhetische Interessen, wie hoch man sie schätzen mag, stehen dem nicht gleich. Das allein ist der Grund, weshalb hier die öffentliche Sache verneint werden muss 33 ! Der Kreis der öffentlichen Sachen muss hiernach sehr enge gezogen werden. Das hängt aber ganz naturgemäss zusammen mit unserer strengeren Auffassung von der rechtlichen Bedeutung dieses Begriffes. Je einschneidender die Schutzvorrichtung ist, welche hier zu Gunsten der Sache in Wirkung tritt, desto sparsamer wird die Rechtsordnung vernünftiger Weise damit umgehen 34 • I 33 Bei den Franzosen wollte man auch schon derartige Dinge in den Bereich des domaine publie ziehen, also den are de triomphe, das palais de la Legion d'honneur u. s. w. (Gaudry, Tr. de domaine n. 267). Man nennt das: "domaine publie monumental". 34 Das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches musste es den Landesgesetzgebungen nahe legen, diesen ihnen überlassenen Gegenstand zu regeln und zu bestimmen, was zu den öffentlichen Sachen gehört. Dass sie das meist nicht gethan haben, ist immer noch besser, als wenn sie versucht hätten, irgend eine der grassirenden Unklarheiten zu kodifiziren, wie wir sie mehrfach erwähnen mussten. Auf alle Fälle war es rathsam, vor einer allzu grossen Ausdehnung des Kreises sich zu hüten. Das Elsass-Lothringische Ausführungsgesetz scheint mir das Richtige getroffen zu haben, wenn es in seinem § 44 bestimmt: "An Sachen, die zum öffentlichen Gute gehören, können Rechte nicht erworben werden. Zum öffentlichen Gute gehören insbesondere die öffentlichen Wege, Strassen und Plätze, die Schienenwege der Eisenbahnen, die Schifffahrts kanäle, die Häfen, die schiff- oder flössbaren Wasserläufe, die dem öffentlichen Gottesdienste einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft gewidmeten Gebäude, sowie die Thore, Mauern, Gräben und Wälle der Festungen." Das "insbesondere" des zweiten Satzes ist sehr zu billigen. Der erste Satz ist streng genommen zu weit: es können allerdings Rechte an solchen Sachen erworben werden, das Rechtsinstitut der Verleihung schafft solche. Das Gesetz meint eben nur Rechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Satz ist andererseits auch zu eng: etwa vorher begründete civilrechtliche Rechte können an der zum "öffentlichen Gut" gewordenen Sache auch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden; das ist allerdings mehr Sache der Civilprozessordnung. - Zu erwägen wäre die Frage, inwieweit die Landesgesetzgebung bei der Bestimmung öffentlicher Sachen freies Spiel hat. Sie kann nicht machen, was sie will und irgend welche Sachen des Staates nach Belieben der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs entziehen. Der Gedanke, der dem § 4 E.-G. z. C.-P.-O. zu Grunde liegt und das Reichsrecht gegen willkürliche partikularrechtliche Verstümmelung schützt, würde auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt zur Geltung kom-

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Die Sachen, die wir ausschliessen und dem breiten Begriff des Verwaltungsvermögens zuweisen, sind dadurch keineswegs für schutzlos erklärt. Der Schutz des gemeinen Civilrechts versteht sich für sie von selbst, ebenso die etwaigen civilrechtlichen Bevorzugungen, welche auch schon dem Finanzvermögen zu Theil werden. Ueberdies wird der Umstand, dass sie einem öffentlichen Zweck zu dienen bestimmt sind, in mehrfacher Weise auch öffentlichrechtliche Ordnungen zur Anwendung gelangen lassen, um diese Sachen bei Bestand und Brauchbarkeit zu erhalten. Sie nähern sich damit einigermassen den öffentlichen Sachen, ohne dass man deshalb Alles in einem lediglich quantitativen Unterschied sich verflachen lassen dürfte. Für Sachen z. B., welche der Thätigkeit der Beamten, Angestellten und Diener des Staates bei Verfolgung eines öffentlichen Zweckes zu dienen bestimmt sind, wie Dienstgebäude der verlschiedenen Behörden, Kasernen, Uebungsplätze, wahrt diese öffentliche Anstalt ihr Hausrecht, indem sie ungehörige Störungen, die zugleich sie selbst in ihrer Thätigkeit zu treffen geeignet sind, mit obrigkeitlicher Selbsthülfe abweist. Bei Sachen, deren Zweck dadurch erfüllt wird, dass die Einzelnen zugelassen werden, um dort dem Anstaltszwecke gemäss zu verweilen, giebt die AnstaZtsordnung für diese Besucher zugleich gewisse Regeln und stellt sie nöthigen Falles unter Aufsicht und Zwang, so dass dadurch auch für die Bestimmung der Sache eine gewisse Sicherheit geschaffen wird. Schulen, Spitäler, Museen, Volksbäder, öffentliche Parkanlagen geben Beispiele. Für Sachen, welche dem öffentlichen Zweck unmittelbar dienen, ohne Rücksicht darauf, ob sie zugleich öffentliche Sachen im eigentlichen Sinne sind, wie namentlich Denkmäler, Kunstgegenstände, ist durch § 304 St.-G.-B. ein besonderer strafrechtlicher Schutz gegen vorsätzliche Beschädigung vorgesehen. Die administrative Polizei knüpft hieran an, um vermöge ihres allgemeinen Berufes, Strafthaten zu verhindern, zu Gunsten dieser Sachen thätig zu werden. Wenn bei den öffentlichen Sachen die Polizeigewalt um der öffentlichen Ordnung willen, zu der sie gehören, sich viel umfassender äussert, so ist das am Ende auch noch eine blosse Steigerung zu nennen. Die Verkehrsentziehung und das öffentliche Sachenrecht aber, die auf men. Nur was öffentlichrechtlich ist, darf das Landesrecht so behandeln; die Grenzen bestimmt es selbst, aber immer in dem Maasse, dass das noch in Einklang zu bringen ist mit dem, was nach allgemeiner Rechtsanscllauung so aufgefasst werden kann. Sonst ist auch hier wieder der "Fiskus" in Frage, und seine willkürliche Sonderstellung würde reichsrechtlich ungültig sein. Eine gemeine deutsche Rechtsidee von dem, was eine "öffentliche Sache" sein kann, ist also vorausgesetzt. Ein Grund mehr, dass wir uns bemühen, das deutsche Verwaltungsrecht fertig zu machen.

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dem gleichen Grunde beruhen, sind jedenfalls etwas Besonderes, Eigenartiges. Von einem lediglich quantitativen Unterschied kann man da nur sprechen, wenn man das ganze öffentliche Recht als eine formlose Masse sieht.Und nun, wie steht es mit der Eisenbahn? Ist sie eine öffentliche Sache? Wenn ja, wie weit ist es das? Unter dem Namen Eisenbahn sind ja gar mancherlei Dinge zusammengefasst, die unmöglich alle der gleichen rechtlichen Beurtheilung unterliegen. Wir haben den Maassstab in Händen, um auch diese inneren Grenzlinien zu ziehen. I Als die Eisenbahnen bei uns aufkamen, war die allgemeine Auffassung keinen Augenblick schwankend, als was man sie ihrer allgemeinen rechtlichen Natur nach zu betrachten hatte: es war eine neue Art von öffentlichem Verkehrsweg, der zu den bisherigen einfacheren Arten hinzutrat. Die rechtlichen Folgerungen daraus wurden sofort gezogen. Man verlangte für die Eisenbahn "die Rechte und den Schutz der Staatsstrassen". Man dehnte ohne Weiteres das Wegeregal darauf aus, woraus sich die Nothwendigkeit einer Konzession und die Möglichkeit eines Privilegiums ergab 35 • Erleichtert wurde diese Auffassung anfangs durch die von England herübergekommene Idee, dass der von einem Unternehmer hergerichtete Schienenweg gegen einen gewissen Entgelt von Jedermann sollte benützt werden können, um mit seinen eigenen Maschinen Transporte darauf zu veranstalten. Das ist alsbald als unthunlich verschwunden. Die Eisenbahn ist nichtsdestoweniger ein öffentlicher Weg geblieben36 • Freilich ein öffentlicher Weg, der nur benutzt werden kann in den vom Unternehmer gestellten Transportmitteln und sonst unzugänglich bleibt. Wo das Gesetz von öffentlichen Wegen spricht, hat es häufig gerade ihre Eigenschaft der freien Zugänglichkeit im Auge; da ist dann die Eisenbahn nicht mit gemeint37 • Die oft verltretene Lehre, dass das 35 Darüber: Deutsches Verwaltungsrecht Bd. II S. 300 N. 1; S. 302 N. 12. Das französische Gesetz vom 15. Juli 1845 Art. 1 erklärte ohne Weiteres die Regeln der grande voirie für anwendbar auf die Eisenbahnen. 36 Preuss. Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838 S. 27 bestimmt noch die Pflicht des Unternehmers, auch "Andere" zum Transportbetriebe zuzulassen gegen Entrichtung des "Bahngeldes" (welches einem Chausseegeld entsprechen soll). Ueber diese Versuche Fischer in Holtzendorff's Jahrb. Bd. IV S. 435. Die dort erwähnte gutachterliche Aeusserung der Spezial-UntersUchUngskommission des Preuss. Abgeordnetenhauses bleibt aber dabei: "Die Eisenbahnen sind öffentliche Transportanstalten und stehen in ihrem Wesen und Zwecke den Landstrassen gleich" (Drucks. 1873/74, An!. Bd. I S. 24 ff.). 37 Oberverwaltungsgericht 20. April 1896 (Eisenbahnarchiv S. 1180): Eisenbahnen sind keine Wege im Sinne des Jagdpolizeigesetzes (insofern sie zum Unterschied von gewöhnlichen Wegen den Zusammenhang des Besitzes allerdings unterbrechen). Kammergericht 23. Dez. 1894 (Jahrb. Bd. XVI S. 381): bei den Eisenbahnen ist der Verkehr den wesentlichsten Beschränkungen unterworfen, so dass, wenn nicht ganz besonders hervorgehoben ist, dass

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Wesen der öffentlichen Sache im Gemeingebrauch linge, muss die Eisenbahnen den gewöhnlichen Regeln des Civilrechts unterstellen 38 • Da würde dann der Schulpfad der Dorf jugend durch die schützenden Formen des öffentlichen Rechts bei seinem Zweck erhalten und die grosse Völkerstrasse nicht. Wäre jene Lehre nicht schon ohnedies als unhaltbar erwiesen, so müsste sie an diesem Widersinn zerschellen. Die Eisenbahn ist eine öffentliche Anstalt des Staates oder eines anderen Rechtssubjektes der öffentlichen Verwaltung, das kraft Selbstverwaltungsrechts oder Verleihung an seine Stelle tritt. Sie ist eine Anstalt mit vorwiegendem sächlichen Element und äusserst empfindlich für Störungen daran. Sie ist noch weniger als die gewöhnlichen Wege in der annehmbaren Möglichkeit, dem störenden Civilrecht einfach auszuweichen, gebunden, wie sie ist an die Durchführung ihrer festen geraden Linien. Sie ist noch mehr als die gewöhnlichen Wege eine Sache, deren Erhaltung bei ihrem Bestand und ihrer Brauchbarkeit zur guten Ordnung des Gemeinwesens gehört. Als vollwichtiges Zeugnis dafür erscheint hier wieder die Polizei der öffentlichen Sache, die Bahnpolizei. I Die Eigenschaft der Eisenbahn als öffentlichen Sache sollte demnach nicht im Zweifel sein 39 • unter Strassen auch die Eisenbahn verstanden werden soll, die dahin gehende Auslegung ausgeschlossen ist. 36 Die Eisenbahn des Privatunternehmers ist nach Wappaeus, Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 115: res publica extra com. wegen des usus publicus; nach Randa, Besitz S. 311: res privata, weil kein usus publicus stattfindet; nach Unger, Oesterr. Privatrecht Bd. I S. 365 N. 13: res privata publico usui destinata. Sg Wichtiger als alle grundsätzlichen Anerkennungen der Eigenschaft der Eisenbahn als einer öffentlichen Sache - oft hat man sich ja wirklich doch nichts Sicheres dabei gedacht - sind uns die Zeugnisse, die dadurch abgelegt werden, dass man die bestimmten juristisch werthvollen Folgerungen zieht und durchführt, die aus jener Eigenschaft sich ergeben müssen. Jäger, Lehre von den Eisenbahnen S. 29, sucht sie zusammenzustellen: Das Eigenthum an Grund und Boden ist "als Substrat einer res publica staatsrechtlich modifizirt"; daher Unveräusserlichkeit, Unverpfändlichkeit, Unzulässigkeit sonstiger dinglicher Rechte, soweit dadurch "das Wesen oder die Bestimmung der öffentlichen Strasse alterirt würde". Im Einzelnen bezeugt Reichsgericht 4. Okt. 1881 (Samml. V S. 333) die Unzulässigkeit der Rückforderung durch Auflösung des Abtretungsvertrags, weil Eisenbahn extra com. Aehnlich Reichgericht 5. Dez. 1881 (Eger, Eisenbahnrechtliche Entsch. Bd. II S. 162); Komp.-Konfl.-Hof 4. Febr. 1854; vgl. auch oben N. 2. - Oberlandesgericht Braunschweig 21. Okt. 1892 (Eger, Eisenbahnrechtliche Entsch. Bd. XI S. 6): Unzulässigkeit der Ersitzung eines Weges den Bahndamm entlang. - BesseI & Kühlwetter, Eisenbahnrecht Bd. I S. 139: Die Adjazenten haben keinen Rechtsweg wegen Herstellung oder Beseitigung einer bestimmten Anlage in natura. - Reichsgericht 2. Dez. 1896 (Eger, Eisenbahnrechtliche Entsch. Bd. XIV S. 34): Eine Oberservanz kann den Bahnkörper nicht erfassen, sofern sie mit Wesen und Zweck desselben im Widerspruch steht. - Oesterr. Oberst. 14 Otto Mayer, Bd. I

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Streiten kann man nur über die Frage: wie weit erstreckt sich diese Eigenschaft auf alle die verschiedenen Arten von Grundstücken und Gebäuden, die zur Eisenbahn gehören? Diese Frage entsteht ja wohl auch bei anderen öffentlichen Sachen. Gehört der Strassengraben zur Strasse? und die Ueberbrückung desselben, die den Zugang zum Acker bildet? und das Wegewärterhaus? Beim Schiffahrtskanal kann die Mannigfaltigkeit der zugehörigen Sachen noch verwickelter werden. Wir werden für die Eisenbahn die Grenzlinien zu ziehen suchen, und zwar soll das kurz geschehen, da wir bloss schon ausgesprochene Sätze anwenden. I Das Eisenbahnunternehmen, gleichviel ob Staatsbahn oder Privatbahn, verfügt über eine Gesammtheit von Grundstücken, die, wenn man absieht von allen rechtlichen Besonderheiten, schlechthin als Bahneigenthum bezeichnet werden. Innerhalb des Bahneigenthums bestehen aber sehr erhebliche Verschiedenheiten seiner einzelnen Theile je nach der Art ihres Zusammenhanges mit dem Zweck des Unternehmens. 1. Den Kern bildet der Schienenweg, die dem Unternehmen eigenthümliche öffentliche Strasse40 • Für ihn gilt die Bahnpolizei, um seinen ordnungsgemässen Gebrauch zu sichern und ihn zu schützen gegen thatsächliche Störungen41 • Er ist öffentliches Eigenthum. Zum Schienenweg gehört der Boden, auf dem die Geleise ruhen, das Planum. Aber auch, wie bei der Landstrasse. Alles, was diesen Boden schützt und sichert42 : die Dämme und Böschungen, die Gräben, Durchlässe, Brücken, Tunnels. Auf freier Strecke ist die Abgrenzung der öffentlichen Sache leicht zu finden 43 • In Bahnhöfen erweitert sich der Schienenweg durch Gerichtshof 12. Aug. 1868 Roell SammI. S. 105): Der zur Ausführung der Eisenbahn verwendete Grund verliert alle privatrechtlichen Eigenschaften, wie Landstrassen, und kann fernerhin kein Objekt des Grundbuchs mehr sein. 40 Er ist die "Fahrstrasse", die hier geschützt werden soll: Gleim, Recht der Eisenb. S. 390. VgI. auch die oben N. 34 angeführte Bestimmung des Els.Lothr. A.-G. § 44. 41 Die Bestimmungen der Verkehrsordnung vom 15. Nov. 1892, soweit sie eine "Polizei der Sache", d. h. einen obrigkeitlichen Schutz des Bestandes derselben bezwecken, beziehen sich durchgehends auf ihn. 42 Bayer. Ob.-Ger.-Hof 24. Nov. 1877 (BI. f. R.-A. Bd. XLIII S. 20): Strassengräben theilen als Pertinenz der Strasse deren rechtliche Eigenschaft, daher Privatrechte nicht daran begründet werden können; sie dienen "ihrer Bestimmung nach zur Instandhaltung der Strasse". Im Begriff "Bahnkörper" ist solches äusserliche Zubehör des Schienenweges nicht mit enthalten (Oberverwaltungsgericht 13. Mai 1886). 43 Wir sprechen hier von der Abgrenzung im Allgemeinen. Bei Brücken, Durchlässen, Tunnels kann eine genauere Bestimmung der Grenzlinie sehr schwierig und sehr wichtig werden; die Eisenbahnpolizei giebt dafür einen bedeutsamen Maassstab. Wir werden aber auf diese Fragen späterhin zurückkommen.

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Seitengeleise. Er verliert dadurch seine rechtliche Natur nicht, so wenig wie die Strasse, wenn sie in den I breiten öffentlichen Platz mündet. Die Grenze wird vielleicht zweifelhaft, weil hier das Bahneigenthum in mancherlei Gestalt an ihn herantritt und mit ihm im Gemenge liegt. Dem gegenüber ist festzuhalten: nur Schienenweg und was zu seinem Bestande gehört, ist die öffentliche Sache, die hier in Frage kommt. Also nicht Bahnsteig, Laderampe, Lokomotivschuppen, Reparaturwerkstätte; auch wenn sie vom Schienenweg umgeben sind. Aber auch nicht alles "Geleise, auf dem Züge bewegt werden", ist Schienenweg in unserem Sinn. Denn darunter verstehen wir nur den öffentlichen Schienenweg, d. h. dasjenige Geleise, welches im Dienste des öffentlichen Verkehrs steht. Ein Geleise, welches vom Bahnhof oder von der freien Strecke aus nach einer zum Unternehmen gehörigen Kiesgrube führt, ist kein solcher Schienenweg und gehört nicht zum öffentlichen Eigenthum, so wenig wie der Seitenweg, den die Strassenbauverwaltung von der Landstrasse aus zu solchem Zwecke sich angelegt hat. Ebenso wenig gehören hierher die Anschlussgeleise, welche einer Fabrik, einem Bergwerk bewilligt worden sind; das sind keine öffentlichen Wege, auch wenn der Grund und Boden dem Staate als Eisenbahnunternehmer abgetreten worden ist. Auf dem Bahnhof kann auch in dieser Beziehung die Grenze zweifelhaft werden. Dem öffentlichen Verkehr dient natürlich nicht bloss das Geleise, auf welchem er schliesslich zur Durchführung kommt, sondern auch das, worauf die erforderlichen vorbereitenden Bewegungen gemacht werden. Ausweichegeleise, Rangirgeleise sind ganz zweifellos. Auch der Strang, der zur Laderampe, zum Wasserkrahnen, zum Lokomotiv- und Wagenschuppen führt, ist als Nebenweg der Hauptstrasse erkennbar. Bedenken könnten bestehen wegen solcher Geleise, die zu einer Reparaturwerkstätte oder zu einem Materialienschuppen führen. Lägen diese Gebäude getrennt ausserhalb des Bahnhofbereiches und seines Schienennetzes, so würden wir ihre Zufuhrgeleise, soweit sie da heraustreten, gerade so behandeln müssen, wie die eben erwähnte Kiesgrubenbahn. I Innerhalb des Bahnhofs wäre die Scheidung schwer durchzuführen. Es ist auch gar nicht abzusehen, ob nicht doch dazwischen einmal auch ein solcher Strang den Vorbereitungen des Verkehrs unmittelbar dient; schliesslich ist anzunehmen, dass alles Bahnhofsgeleise mit dazu bestimmt ist. Man wird also hier wohl durchschlagen und alle diese Geleise zum öffentlichen Schienenweg rechnen. Ausgeschlossen sind selbstverständlich die innerhalb der Werkstätten und Schuppen angebrachten Geleise, wenn sie auch als Fortsetzung der von aussen heranführenden erscheinen: das sind überhaupt keine Wege mehr, sondern Aufstellungsvorrrichtungen. 14·

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Der Bahnhof weist auch noch die Eigenthümlichkeit auf, dass hier der Schienenweg mit seinem Zubehör sich nicht als ausgeprägter Bahnkörper darzustellen pflegt. Auf der breiten, gleichmässig geebneten Fläche laufen die Geleise neben einander her, kreuzen und schneiden sie sich, mehr oder weniger breite Stücke freien oder überbauten Landes in willkürlichen geometrischen Figuren neben sich und zwischen sich lassend. Zum Schienenweg würde man da überall zum mindesten den Streifen noch rechnen müssen, welchen die Bahnpolizei als "lichten Raum" dafür in Anspruch nimmt. Richtiger wird es sein, jene ganze schienen durchzogene und für Schienen bestimmte Fläche als das Planum, den Bahnkörper anzusehen. Sie zeichnet sich von dem anders bestimmten Gelände und den sonstigen Vorrichtungen deutlich genug ab. Wenn man auf einem Bahnhofsplan das so sich ergebende Gebiet der Schienenwege mit Farbe deckt, erhält man ein anschauliches Bild, wie hier das öffentliche Eigenthum durch das privatrechtliche sich hindurchzieht. 2. Das Eisenbahnunternehmen bedarf noch mannigfaltiger sächlicher Mittel, um seinen Zweck zu erfüllen. Der Schienenweg ist nur das erste und wichtigste. Dazu kommen nun noch die Lokomotiven und Wagen, die Vorräthe an Kohlen und sonstigem [ Material, die tausend Vorrichtungen, Geräthe und Werkzeuge, die der Betrieb benöthigt; vor Allem aber auch noch die verschiedensten Arten von Grundeigenthum: Gebäude und freies Gelände, als da sind Verwaltungsgebäude, Empfangsgebäude, Lokomotivschuppen, Wagen schuppen, Materialienschuppen, Werkstätten, Dienstwohnungen, Bahnwärterhäuschen, Bahnhofswirthschaften, Bedürfnissanstalten und Bahnsteige, Rampen, Lagerplätze, innere Wege und Plätze und Zufuhrstrassen. Alles das bildet das Verwaltungsvermögen der Eisenbahn. Das ist zunächst ein wirthschaftlicher Begriff ohne rechtliche Eigenart. Das dazu gehörige Grundeigenthum schliesst sich aber thatsächlich in seinem grössten und wichtigsten Theile eng um den Kern des Unternehmens, den Schienenweg, zusammen, und soweit es das thut, bildet es mit diesem ein geschlossenes Ganze, das Bahngebiet 44 • Das Bahngebiet bedeutet den äusseren Herr44 Das Oberverwaltungsgericht hat sich mehrfach mit der genaueren Bestimmung dieses Begriffs zu beschäftigen gehabt. Das Bahngebiet umfasst "die ganze Bahn und die dazu gehörigen Anlagen" (Oberverwaltungsgericht 28. Sept. 1892; Eisenbahnarchiv 1893 S. 140): also Planum, Böschungen, Dämme, Brücken, Gräben, Bahnhöfe, Haltestellen, Stationen. Aber nicht: getrennt liegende Beamten- und Arbeiterwohnungen, Werkstätten. Zufuhrwege nicht, wenn sie "in die offene Feldmark heraustreten"; wohl aber Wegetheile, "welche den Bestandtheil einer unmittelbar dem Eisenbahntransporte dienenden Grundfläche bilden, insbesondere innerhalb des nach aussen klar erkannten abgegrenzten Bahnhofterrains liegen". Vgl. auch Oberverwaltungsgericht 24. Juni 1897 (Eisenbahnarchiv 1897 S. 1015): "Bahngebiet ist das Gelände, welches unmittelbar den Eisenbahntransportzwecken dient."

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schaftsbereich der öffentlichen Anstalt, den Boden, auf dem sie sich bewegt und in dessen Umkreis sie ihre Ordnung zu wahren hat. Ihre Beamten und Diener nicht allein, auch das Publikum, das da kommt und geht, um ihre Einrichtungen zu benützen, ist dieser Ordnung unterworfen. Die Gewalt, welche diesen gegenüber geübt wird, bezeichnet man wohl auch als Bahnpolizei. Sie ist aber keine Polizei der öffentlichen Sache, sondern Anstaltsgewalt, von derselben Natur wie die, welche die Post über ihre Gäste in äusseren I Postlokalen und im Postwagen ausübt, oder der Gerichtsvorsitzende im Sitzungssaale45 • Die Zugehörigkeit zum Bahngebiet macht die einzelnen Stücke desselben nicht zur öffentlichen Sache. Es ist empfindlich für die öffentliche Anstalt, wenn Bahnwärterhäuschen, Empfangsgebäude, Materialschuppen u. dergl. durch civilrechtliche Ansprüche Dritter ihrem Zweck entgegen oder unbrauchbar dafür gemacht werden; aber ihr Lebensnerv wird dadurch nicht getroffen. Ordentlicher Weise - und danach allein bestimmt sich die Rechtsregel - muss derartiges Zubehör stets als beliebig ersetzbar, wenn nicht ganz entbehrlich angesehen werden. Der Druck des öffentlichen Interesses ist nicht mächtig genug, um die unbedingte Sicherung dieser Sache für den Anstaltszweck durch ihre Stellung unter das öffentliche Recht zu rechtfertigen. Zudem giebt die Behandlung ähnlichen Zubehörs bei anderen öffentlichen Sachen ein nicht wohl abzulehnendes Vorbild. Am Schifffahrtskanal haben wir das Schleusenwärterhaus, an der Landstrasse Wegewärterhäuschen, Geräteschuppen, Materialienlagerplätze, die alle niemals als öffentliche Sache behandelt wurden. Die grösseren, verwickelteren Verhältnisse, die alles das bei der Eisenbahn annimmt, geben sich allein noch keinen Grund zu einer abweichenden rechtlichen Auffassung 46 • I 3. Was von Bahneigenthum noch über diesen Kreis hinausgeht, kann für die Frage, öffentliche Sache oder nicht, überhaupt nicht mehr in 45 Oberverwaltungsgericht 28. Sept. 1892 (Eisenbahnarchiv 1893 S. 137): "Die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Bahngebiets, d. h. die Bahnpolizei ist Aufgabe des Eisenbahnbetriebsamts u. s. w." Vgl. auch Oberverwaltungsgericht 7. März 1899 (Eisenbahnarchiv 1899 S. 1378); Oberlandes~ gericht München l. Juni 1886 (Eger, Entsch. Bd. V S. 41). 48 Die Franzosen geben auch hier dem domaine public einen viel weiteren Umfang, als es unseren Anschauungen entspricht. Aucoe, Dr. adm. n. 1445 ff. zählt zur consistance du chemin de fer zunächst die voie ferree mit ihrem ganzen Aufbau; dann aber auch als "dependances necessaires" die ganzen Bahnhöfe mit Empfangsgebäude, Bahnsteig, Lokomotiv- und Wagenschuppen, Reparaturwerkstätten, Bahnwärterhäuschen, kurz das ganze Bahngebiet. Alles das ist domaine public mit all den feststehenden Folgerungen, die sich für das französische Recht an diesen Begriff knüpfen. Feraud-Giraud, Voies publiques n. 438 bemerkt ausdrücklich, dass auch die Einfriedigung des Bahnhofs domaine public ist: "Une propriete sui generis qui a ses regles speciales et a laquelle la plupart des regles du droit civil sont inapplicables." Insbesondere kann der Nachbar nicht das Gemeinschaftsrecht daran bear..spruchen nach c. c. 653 ff.

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Betracht kommen. Hierher rechnen wir nicht bloss das ganze Finanzvermögen des Unternehmens, sondern auch das Verwaltungsvermögen, soweit es eben nicht Bahngebiet vorstellt: alle Fahrniss, alle dem Zweck des Bahnunternehmens gewidmeten Grundstücke und Gebäude, welche nicht zu jenem geschlossenen Gebiete gehören, das um den Schienenweg sich legt (z. B. Arbeiterhäuser, Direktionsgebäude, getrennt vom Bahnhof eingerichtet), endlich alle Grundstücke und Gebäude, die einem besonderen, nur äusserlich dem Bahnunternehmen hinzugefügten Unternehmen dienen (Kohlenbergwerke z. B., oder die verschiedenen Hotelunternehmungen der Oesterreichischen Südbahn). Quer durch diese Masse hindurch zieht für Privateisenbahnunternehmungen die neue re Gesetzgebung noch einmal eine Unterscheidungslinie, indem sie unter dem Namen Bahneinheit Alles zusammenfasst, was bei dem Unternehmen verbleiben soll, um dessen ordentlichen Fortbestand zu sichern. Zu dieser Bahneinheit gehört dann nicht bloss der Schienenweg und das neben ihm sich erstreckende Bahngebiet, sondern überhaupt das ganze Verwaltungsvermögen der Bahn; sogar ausgesprochene Stücke reinen Finanzvermögens werden dazu gezogen, insofern sie dafür angesehen sind, dass ein plötzlich eintretender neuer Unternehmer ohne sie nicht genügend ausgerüstet wäre, um gedeihlich weiter zu arbeiten. Das Rechtsinstitut ermöglicht eine Verpfändung des ganzen Unternehmens und eine Zwangsvollstreckung, bei der es dienstfähig bleibt. Eisenbahnbücher, Bahngrundbücher bieten I die entsprechenden Hilfseinrichtungen. Damit verbindet sich dann ein Verbot der Loslösung einzelner Stücke der Bahneinheit durch gesonderte Veräusserung, Belastung, Zwangsvollstreckung oder Verfolgung dinglicher Rechte, so lange nicht die Bahnaufsichtsbehörde bescheinigt hat, dass dadurch "die Betriebsfähigkeit des Unternehmens nicht beeinträchtigt werde"47. Für die Frage, die uns hier beschäftigt, ist die ganze Einrichtung ohne Belang. Was nach Bestimmung des Gesetzes zur Bahneinheit gerechnet wird, verändert dadurch nicht seine rechtliche Natur, es entsteht dadurch nicht etwa ein neuer Kreis von öffentlichen Sachen. Bei Kassabeständen, Reservefonds, Frachtforderungen wird man das von selbst nicht behaupten, und doch sind diese ebenso gebunden, wie die Betriebsgrundstücke. Fassen wir nur die letzteren in's Auge, so kann gerade der Gegensatz zur wahren öffentlichen Sache besonders lehrreich sein. Hier bei der Bahneinheit handelt es sich in der Tat um das, was man so oft irriger Weise für das Wesen der öffentlichen Sache ausgiebt: um eine von aussen hereingreifende Beschränkung des Privateigenthums 47 Preuss. Gesetz vom 19. Aug. 1895 betreffend das Pfandrecht an Privateisenbahnen und Kleinbahnen. Die österreichische und schweizerische Gesetzgebung war hierin vorangegangen.

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im öffentlichen Interesse. Alle Rechte an der Sache bleiben civilrechtlicher Natur, alle Verfügung darüber findet statt in Formen des Civilrechts. Es muss nur immer jene besondere Bedingung der Genehmigung erfüllt werden, damit das im Einzelfall sein freies Spiel habe. Auch dies nur, wenn es sich um die besonders vorbehaltenen Rechtsakte handelt. Die öffentliche Sache dagegen steht von vornherein ihrem eigenen Wesen nach im öffentlichen Recht; nur in dessen Formen sind die Rechte gestaltet, die an ihr entstehen, und werden Verfügungen über sie getroffen 48 • I

48 Fritsch in Conrad's Jahrb. Bd. 111 S. 515 sieht hier keinen Unterschied. Die Bahnanlage, sagt er, bildet eine Sachgesammtheit. "Theoretisch (?) muss sie insoweit als res extra commercium gelten, als weder dem (Privat-)Unternehmer noch Dritten die rechtliche Möglichkeit gegeben sein darf, ohne Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde, die Bahnanlage oder Zubehörstücke derselben ihrer Bestimmung zu entziehen." Beleg: Das Preuss. Gesetz vom 19. Aug. 1895. Dann wären allerdings auch die Güter des Mündels "theoretisch" extra commercium, da sie nur mit Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde, d. h. des Vormundschaftsgerichts veräussert werden können. Die wirklichen res extra commercium sind etwas ganz Anderes, und dass der Schienenweg dazu gehört, wird seine eigene Bedeutung behalten auch noch hinter den Vorschriften über die Bahneinheit.

Eisenbahn und Wegerecht 111* Wir haben unter diesem Titel in den vorausgehenden Abhandlungen (Bd. XV S. 511 ff., Bd. XVI S. 38 ff.) zunächst die Einwirkung besprochen, welche zu Gunsten der Eisenbahn auf bestehende öffentliche Wege geübt wird, das eisenbahn-rechtliche Wegeveränderungsrecht, sodann betrachtet, inwiefern die Eisenbahn selbst an dem besonderen Rechte der öffentlichen Wege Theil nimmt!. Dabei haben sich noch verschiedentlich Be Iziehungen ergeben, in welche der Schienenweg Eisenbahn zu Wegen gemeiner Art treten kann. Sie fassen sich in zwei Gruppen zusammen. Es können einerseits solche Wege von dem Eisenbahnunternehmen selbst geschaffen und hergestellt werden; im Gegensatz zu dem ihm eigenthümlichen Schienenweg nennen wir sie eisenbahnrechtliche Nebenwege. Andererseits kann der Schienenweg mit gemeinen Wegen auf mancherlei Weise sich kreuzen, ohne sie zu beseitigen, so dass beide zusammen über dem nämlichen Stück Erdoberfläche bestehen: eisenbahn-rechtliche Wegegemeinschaften. Was in diesen Fällen Rechtens ist, soll hier erörtert werden. I. Die gemeinen Wege, die das Eisenbahnunternehmen neben seinem Schienenwege schafft und herstellt, die eisenbahn-rechtlichen Nebenwege, sind zweierlei Art, verschieden nach dem Verhältniss, in welchem

* Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 16 (1901), S. 203 - 243. 1 Im Nachtrag zu dem hierüber Ausgeführten möchte ich auf eine Abhandlung von Kohler verweisen, welche inzwischen in der Zeitschr. für deutsch. bürger!. Recht u. franz. Civ.-Recht XXXII Heft 1 erschienen ist. Das Recht der Gasanstalt, Röhren in der öffentlichen Strasse zu haben, wird dort als eine civilrechtliche Servitut erklärt. Freilich ist es keine "Grunddienstbarkeit im eigentlichen Sinn", und den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten nach § 1090 B. G.-B. "ähnelt" es nur. Bei dieser Sachlage "bleibt nichts Anderes übrig, als die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs rechtsähnlich in Anwendung zu bringen", und zwar gemischt, bald die Regeln über persönliche, bald die über Grunddienstbarkeiten. Dem gemäss wird nun im Einzelnen dargethan, dass das Grundbuchrecht hier gilt, falls aber die Strasse nicht im Grundbuch eingetragen ist, die Begründung der Servitut in der Form erfolgt, welche das Landesrecht für die Uebertragung des Grundeigenthums vorgeschrieben hat, dass die Gemeinde durch 30jährigen Freiheitsbesitz für bestimmte Stücke ihrer Strasse die Dienstbarkeit beseitigen kann, dass Besitzesschutz für diese Servitut stattfindet nach B. G.-B. § 1029 oder E.-G. Art. 191 Abs. 2 u. s. w. Kohler glaubt damit "eine Dienstbarkeit eigener Art" entdeckt zu haben, "an welche die Wissenschaft bisher nicht gedacht hat". Man ersieht llieraus, wie unentbehrlich die Kenntniss des öffentlichen Rechts ist.

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sie zu der Hauptsache, dem Schienenwege, stehen. Sie dienen entweder dem Betriebe des Unternehmens selbst, als Eisenbahn-Nebenwege. Oder sie dienen dem sonstigen Verkehr und werden von der Eisenbahn nur deshalb geschaffen und hergestellt, weil dadurch ein Ausgleich geschaffen werden soll für die Störungen, welche sie durch ihr Wegeveränderungsrecht den vorgefundenen Verkehrseinrichtungen bereitet hat: eisenbahn-rechtliche Ersatzwege. 1. Eisenbahn-Nebenwege sind dem Eisenbahnunternehmen zugehörige Wege, die bestimmt sind, den Schienenweg und die zu seinem Betriebe dienenden Einrichtungen zugänglich zu machen. Der Bahnsteig ist solch ein Weg. Ebenso die Verbindungswege zwischen den einzelnen Gebäuden des Bahnhofes: Wagenschuppen, Werkstätten, Direktionsgebäude, Empfangsgebäude, Ladehallen, Zollschuppen. Ebenso die Wege, die von diesen Stellen nach I aussen führen, damit das Eisenbahnpersonal oder das Publikum hinzukommen könne.

Soweit diese Wege im sog. Bahngebiete liegen, wird ihre rechtliche Natur keinem Zweifel ausgesetzt sein. Das Bahngebiet bildet sich, wie wir oben S. 83 festgestellt haben, aus allem Grundeigenthum, welches dem Eisenbahnunternehmen dient und sich in "nach aussen klar erkennbarer Abgrenzung" um den Schienenweg schliesst. Es ist, wie wir sagten, der äussere Herrschaftsbereich der Bahnpolizei, d. h. hier der Anstaltsgewalt des Unternehmens, welches in selbständiger Weise die Ordnung darin handhabt. Alles, was an Eigenthum dazu gehört, den Schienenweg selbst ausgenommen, ist civilrechtlicher Natur2 • Dass mit jener Ordnungsgewalt die Benützung der zugehörigen Wege geregelt, insbesondere Bestimmung getroffen wird, ob und wieweit sie auch Nichtbediensteten, dem Publikum, zugänglich sein sollen, ändert nichts an der Natur des Sachenrechts daran, so wenig als dieses bei Postgebäuden, Schulanwesen, Exercierplätzen der Fall ist. Sie sind im juristischen Sinne Privatwege, d. h. Wege, deren rechtliche Zugehörigkeit an ihren Herrn den Regeln des Privatrechts unterliegt3 • Vgl. oben S. 82 ff. Oberverwaltungsgericht vom 1. Oct. 1887 (Eisenb.-Arch. 1898 S. 601): Wege, die zur Vermittlung des Bahnverkehrs innerhalb des Bahngebietes dienen, um die Bahnhofsgebäude und Güterschuppen unter sich und mit den nächsten öffentlichen Wegen zu verbinden, sind nicht öffentliche Wege im Sinne des gemeinen Wegerechts, auch nicht beschränkt öffentliche Wege, wie die Kirch- und Schulwege, sondern Privatwege unter staatlicher Aufsicht gemäss § 24 Eisenb.-G. vom 3. Nov. 1838. - Das französische Recht behandelt, wie oben S. 84 Note 46 bemerkt, das ganze Bahngebiet als domainepublic, also auch diese Bahnhofswege. Diese Auffassung wird aber auf deutschem Boden nicht für das ganze ehemalige Geltungsgebiet des code civil vertreten werden können, sondern lediglich für Elsass-Lothringen, wo allein die Rechtsentwicklung auch diese spätere Ausbildung der Lehre vom domaine public noch mitgemacht hat. Z

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Eine besondere Betrachtung verdienen nur diejenigen EisenbahnNebenwege, welche aus jenem geschlossenen Kreise des I Bahngebietes heraustreten4 und zugleich einer allgemeinen Benützung durch das mit der Bahn verkehrende Publikum freigegeben sind. Das erstere allein macht noch nichts aus: ein Weg, den die Eisenbahn ausserhalb des Bahnhofes angelegt hat, damit ihre Maschinenwerkstätte einen besonderen Zugang erhalte, ist ein gewöhnlicher Privatweg, der auch nicht einmal der Bahnpolizei unterliegt5 • Aber wenn der herausführende Weg zugleich einer solchen öffentlichen Benützung zu dienen hat, dann wird seine rechtliche Natur fraglich werden können. Das Gleiche gilt von Bahnhofsvorplätzen. Unter Umständen bilden sie einfach Stücke des Bahngebietes. So findet man z. B. im Elsass noch manchmal ältere Bahnhöfe aus französischer Zeit, die mit einem grossen eingefriedigten Vorplatz an die öffentliche Strasse grenzen. Das ist wieder einfach civilrechtlicher Besitz des Bahnunternehmens, in welchem es die Ordnung aufrecht erhält. In anderen Fällen aber schliesst sich der eigentliche Bahnhof gegen den Vorplatz ab, während dieser seinerseits unmerklich in die öffentliche Strasse übergeht. Da erhebt sich wieder jene Frage, die wir jetzt untersuchen wollen. Dabei fassen wir alle dem Eisenbahnunternehmen dienenden Wege oder Plätze, die aus dem Bahngebiete heraustreten und dem Publikum zur Benützung frei stehen, unter dem Namen Zufuhrwege zusammen. Zunächst ist zu unterscheiden. Es kann sein, dass ein bereits vorhandener öffentlicher Weg der Gemeinde, des Kreises, des Staates thatsächlich dem Zugang zum Bahnhof dient, dass I der Bahnhof einfach an einen bereits vorhandenen öffentlichen Platz gebaut wird. Weg und Platz hören dadurch nicht auf, öffentliche, d. h. nach öffentlichem Sachenrecht geordnete Wege zu sein und der Wegepolizei zu unterliegen. Darüber ist nichts weiter zu sagen6 • 4 Die Bedeutsamkeit dieses Merkmals wird hervorgehoben in Oberverwaltungsgericht vom 28. Sept. 1892 (Eisenb.-Arch. 1893 S. 140). Vgl. oben S. 83 Note 44. 5 Dass der Weg privatrechtlicher Art ist, ergiebt sich von selbst aus der für die Bahnhofswege geltenden Auffassung; oben Note 3. - Das französische Recht zählt auch die aus dem Bahngebiet heraustretenden Eisenbahnwege noch zu den dependanees du chemin de fer und folglich zum domaine publie: Aucoe, Dr. adm. n. 1447; Feraud-Giraud, Voies publiques n. 138; Palaa, Diet. des chemins de fer VO alignement. e Dem steht es natürlich gleich, wenn etwa die Gemeinde aus Anlass des Eisenbahnbaues einen neuen öffentlichen Weg ihrerseits herstellt, um den Zugang zum Bahnhof zu erleichtern. Oberverwaltungsgericht vom 20. Oet. 1891 (Eger, Entsch. Bd. IX S. 93 ff.) hebt scharf den rechtlichen Unterschied hervor zwischen einem solchen Weg, der "auf Betrieb und unter Aufsicht der Wegepolizei in Folge von Eisenbahnanlagen neu angelegt wurde", und denjenigen Wegen, welche der Eisenbahnunternehmer als seine Wege neu schafft. Von den letzteren wird nunmehr oben die Rede sein.

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Es kann aber auch sein, dass die Eisenbahn selbst sich einen derartigen Zufuhrweg erst hergestellt hat. Dann würden wir also einen Eisenbahn-Nebenweg haben in dem vorhin festgestellten Sinne. Das Besondere daran und was ihn von den bisher betrachteten Fällen unterscheidet, wäre jedenfalls schon darin gegeben, dass diese Art von Eisenbahn-Nebenweg immer fähig und geneigt sein wird, in einen gewöhnlichen öffentlichen Weg überzugehen. Das ist bei den Wegen auf Bahngebiet natürlich nicht der Fall und ebenso wenig bei den heraustretenden Eisenbahnwegen, die nicht für das Publikum bestimmt sind, wie z. B. der besondere äussere Zugang zur Maschinenwerkstätte. Die Zufuhrwege, von welchen wir hier sprechen, stehen von vornherein in Gestalt und Herrichtung und in der Art, wie der Verkehr sich darauf bewegt, einem öffentlichen Wege thatsächlich und für den äusserlichen Eindruck gleich. Rechtlich sind sie das nicht ohne Weiteres. Sie können es nur werden durch einen darauf gerichteten Willensakt. Dieser Willensakt kann nicht ausgehen von der Eisenbahnverwaltung: die kann nur eine Art von öffentlichen Wegen machen, das ist der ihr eigenthümliche Schienenweg. Damit der Zufuhrweg ein öffentlicher Weg werde, muss er übernommen werden von einem Rechtssubjekt, das I dazu berufen ist, dem gemeinen Wegewesen vorzustehen: Staat, Kreis, vor Allem als nächstbetheiligte die Ortsgemeinde7 • Die Uebernahme kann freiwillig geschehen: ausdrücklich durch Uebereinkommen mit der Eisenbahnverwaltung, oder stillschweigend durch thatsächliche Besorgung und Instandhaltung. Sie kann auch eine gezwungene sein: die Aufsichtsbehörden sollen die Träger der allgemeinen örtlichen Wegelast dazu anhalten, Strassen, die thatsächlich dem öffentlichen Verkehre dienen, als ihre Strassen anzuerkennen und zu besorgen. Das trifft bei unseren Zufuhrwegen nicht schon deshalb zu, weil sie den Verkehr mit dem Bahnhof vermitteln. Sie können aber 7 O.-V.-G. 1. Oct. 1887 (Samm1. Bd. XV S. 285); O.-V.-G. 30. Jan. 1891 (Samm1. Bd. XX S. 278); O.-V.-G. 27. Febr. 1895 (Eger, EisenbahnrechtL Entsch. Bd. XI S. 305); O.-V.-G. 13. März 1899 (Eisenb.-Arch. 1899 S. 863). - Nach französischem Recht ist der Zufuhrweg, auch so lange er der Eisenbahn noch gehört, schon öffentlicher Weg; die Uebernahme durch die Gemeinde oder das Departement kommt auch hier vor, bedeutet aber nur eine Aenderung des verwaltenden Subjekts und der besonderen Art des öffentlichen Weges: Feraud-Giraud 1. c. n.160. - Bayr. V.-G.-H. 28. Nov. 1882 (Sammi. Bd. IV S. 438) stellt ebenfalls den allgemeinen Grundsatz auf, dass ein Gemeindeweg nur entstehen kann durch Uebernahme; ohne diese aber wäre der öffentliche Weg ein "öffentlicher Weg schlechthin". Das giebt es unseres Erachtens nicht. Ein öffentlicher Weg muss immer einem bestimmten Rechtssubjekt öffentlicher Verwaltung gehören. "Uebernahme der Unterhaltungspflicht durch ein bestimmtes Rechtssubjekt" ist das Erforderniss, wie O.-V.-G. 13. März 1899 sich ausdrückt. Ein Rechtssubjekt dieser Art ist der Eisenbahnunternehmer als solcher nur für seinen Schienenweg, wenigstens nach der in Deutschland herrschenden Anschauung. Das macht eben den Unterschied vom französischen Recht.

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durch ihre Fortsetzung am Bahnhof vorbei oder in Folge stattgehabter Bebauung eine solche von der Eigenschaft eines Zufuhrweges losgelöste, selbständige Verkehrsbedeutung erhalten, und dann ist der Fall gegeben, wo die Aufsichtsbehörde die Uebernahme zu erzwingen berufen ist8 • Die Uebernahme begründet I für die Gemeinde einen öffentlichrechtlichen Besitz an der Strasse, dem Platz. Das Eigenthum, civilrechtlicher Art, verbleibt zunächst der Eisenbahn 9 • Soll auch dies übergehen, so sind dafür die entsprechenden civilrechtlichen Formen zu erfüllen. Damit entsteht dann öffentliches Eigenthum der Gemeinde. In der einen oder anderen Gestalt bietet der Zufuhrweg, einmal übernommen, nichts, was von dem gewöhnlichen öffentlichen Sachenrecht abweicht. Nur in einer Beziehung wird eine Besonderheit bemerkbar werden: der Bestimmung, als Zufuhrweg zu dienen, kann er nicht willkürlich entzogen werden. Das Recht der Gemeinde, öffentliche Strassen eingehen zu lassen, bleibt auch hier bestehen. Aber in dem Verfahren, das der förmlichen Aufhebung vorausgeht, kann die Eisenbahn ihr Interesse an dem Fortbestande zur Geltung bringen. Ist sie Eigenthümerin des Grundes und Bodens geblieben, so kann sie diesen wieder als Eisenbahn-Nebenweg verwenden. Hat sie das Eigenthum übertragen, so wird sie dabei die nöthigen Garantien sich vertragsmässig ausbedungen haben. Nun bleibt aber noch der Fall zu betrachten, wo eine derartige Uebernahme des Zufuhrweges nicht stattgefunden hat. I Welches ist alsdann seine rechtliche Natur? Die Frage ist wichtig genug; denn sehr häufig bleibt es einfach dabei, dass die Eisenbahn die erforderlichen Wege und Vorplätze herstellt. Sie möchte ihrerseits sehr gern der Gemeinde dieses Gut anhängen, das nichts einträgt und nur kostet. Die Gemeinde aber kann, wie wir sehen, nur unter besonderen Voraussetzungen zur Uebernahme gezwungen werden. Sie ist ganz zufrieden 8 Wie sich in dieser Beziehung altpreussisches und hannoverisches Recht unterscheiden - nur das erstere gestattet einen Zwang zur Uebernahme vgl. O.-V.-G. 30. Jan. 1891 (Samml. Bd. XX S. 278). Nach bayrischem Recht kann ein Gemeindeweg als solcher "anerkannt" werden sowohl von der Gemeinde selbst als von der Verwaltungsbehörde; letzteres ist eben der Zwang: V.-G.-H. 28. Nov. 1882 (Samml. Bd. IV s. 438); in besonderer Anwendung auf Eisenbahnzufuhrwege: V.-G.-H. 3. Jan. 1882 (SammI. Bd. III S. 488). - Das französische Recht kennt bloss die freiwillige Uebernahme durch einen "Accord" zwischen Eisenbahnverwaltung und Gemeinde (Aucoe, Droit adm. n.1447). 9 BI. f. adm. Praxis 1880 S. 391 ff. Die österreichischen Landesgesetze über Eisenbahnzufahrtsstrassen (RoeH, Oesterr. Eisenb.-Ges. S. 204) setzen meist voraus, dass diese Strassen öffentliche Wege, also von Gemeinde oder Bezirk übernommen werden. Dabei wird "eine Konkurrenz" eingerichtet von Eisenbahn, Bezirk und Gemeinde wegen Vertheilung derUnterhaltungskosten. - Die Uebernahme, ob freiwillig oder auferlegt, kann immer solche Nebenbestimungen enthalten. Dass sie in keinem Falle ein civilrechtlicher Vertrag und an die Formen eines solchen gebunden ist, erscheint uns selbstverständlich.

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damit, wie die Bahn in ihrem eigenen Interesse den Zufuhrweg besorgt, und lässt ihn gern in diesem Verhältnisse. Der Zufuhrweg ist alsdann ein Privatweg des Eisenbahnunternehmens, grundsätzlich von der nämlichen Rechtsnatur, wie die auf dem Bahngebiete selbst gelegenen10 • Gerade deshalb aber, weil er seiner thatsächlichen Bestimmung und Benützung nach dem wirklichen öffentlichen Weg so nahe steht, ist es besonders lehrreich, die rechtlichen Verschiedenheiten, die ihn von diesem trennen, hervorzuheben l l . Ein solcher Zufuhrweg ist keine öffentliche Sache, und die Polizei der öffentlichen Sache gilt nicht für ihn. Schutz gegen Beschädigung, Beeinträchtigung seines äusseren Bestandes, Miss Ibrauch in der Benützung findet er nicht in dieser, sondern in den gewöhnlichen Regeln des Civilrechts, welche die Eisenbahnverwaltung als Eigenthümerin anrufen und mit Hülfe der bürgerlichen Gerichte zur Geltung bringen mag. Damit ist nicht gesagt, dass hier gar keine polizeilichen Einwirkungen stattfinden. Der Umstand, dass Privateigenthum thatsächlich einem gewissen öffentlichen Verkehre dient, giebt überall der Polizeigewalt einen Rechtstitel, um schützend einzugreifen, damit das zu diesem Verkehre eingeladene Publikum vor Störungen und Gefährdungen bewahrt werde. So kann ja z. B. sogar in einem Privathause die Beleuchtung der allgemein zugänglichen Treppe polizeilich vorgeschrieben werden. Auch die inneren Einrichtungen der Bahnhöfe können unter diesem Gesichtspunkte Gegenstand allgemein polizeilicher Vorschriften werden. Noch mehr wird das selbstverständlich der Fall sein bei einem Privateigenthum, das so umfassend und ausgeprägt einem öffentlichen Verkehre dient, wie es die Zufuhrstrassen und Vorplätze der Eisenbahn thun. Dass dem Eigenthümer die gehörige Beleuchtung vorgeschrieben werden kann, ist selbstverständlich. Beseitigung verkehrgefährdender Gräben und Ablagerungen, von Glatteis und Schneeansammlungen wird ebenso als polizeiliche Pflicht in Anspruch genommen werden können. Auch für das Publikum, das dort verkehrt, kann 10 O.-V.-G. 1. Oct. 1887 (Samml. Bd. XV S. 285): "ein Privatweg, öffentlichen Interessen dienend, wie das ganze Eisenbahnunternehmen". "Werden solche Wege öffentliche, so ... handelt es sich um eine vollständige Aenderung ihrer rechtlichen Natur." Die Gleichstellung mit Bahnhofsgebäude und Perron wird besonders hervorgehoben im O.-L.-G. München 1. Juni 1886 (Eger, Entsch. Bd. V S. 41). Ebenso O.-V.-G. 20. Febr. 1889 (Samml. Bd. XVII S.312). 11 Die thatsächliche Aehnlichkeit der Zufuhrwege mit öffentlichen Strassen kommt weder schön noch klar zum Ausdruck, wenn Gleim, Eisenb.-R. S. 228 sagt, sie seien Privatwege, aber "öffentlich-rechtlichen Charakter haben sie, insoweit wie die Bahnanlage selbst, deren rechtliche Natur sie theilen". Noch weniger schön O.-V.-G. 26. März 1887 (Eger, Entsch' Bd. V S. 267): "Wege, welche das Bahnhofsgebäude ... mit der nächsten öffentlichen Strasse verbinden, entbehren zwar in gewissem Sinne des öffentlich-rechtlichen Charakters nicht, haben aber die Vermuthung von Privatwegen für sich."

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die gemeine Polizeigewalt, konkurrirend mit dem, was der Eigenthümer deshalb bestimmt, die nöthigen Befehle und Zwangsmaassregeln vorsehen, damit durch ungeeignetes Fahren und Reiten, oder durch Niederlegen und Aufstellen von Gegenständen keine Gefährdung bereitet werde. Die in dieser Hinsicht für die öffentlichen Strassen geltenden Regeln werden einfach hierher übertragen. Das ist aber hier Alles nicht Ausfluss der Polizei der öffentlichen Sache, sondern gemeine Sicherheitspolizei. Während jene in umfassender Weise die gute Ordnung und die Brauchbarkeit der Sache schützt, reicht hier die polizeiliche Einwirkung nur soweit, als die Rücksicht der öffent Ilichen Sicherheit einen rechtfertigenden Grund verleiht. Das bedeutet eine viel engere Begrenzung 12 • Der Zufuhrweg ist keine öffentliche Sache, und deshalb findet auch das öffentliche Sachenrecht auf ihn keine Anwendung. Er gehört der Eisenbahnverwaltung zu civilrechtlichem Eigenthum. Es können jeder Zeit Rechte daran begründet werden nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs 13 • Begründete Privatrechte können ungehemmt daran geltend gemacht werden, soweit nicht die besonderen Regeln der Bahneinheit (oben S. 85) etwa Platz greifen; I es giebt Besitzklagen und Zwangsvollstreckung auf Herausgabe. Das formelle Grundbuchrecht 12 Hierüber die grundsätzlichen Auseinandersetzungen in O.-V.-G. 31. März 1883 (Eisenb.-Arch. 1883 S. 408): Der Zufuhrweg "dient in gewissen Bezie-

hungen dem öffentlichen Verkehr", ist aber kein öffentlicher Weg; daher ist die Zuständigkeit des Amtsvorstehers hier beschränkter als für öffentliche Wege. Im Allgemeinen gehen seine polizeilichen Befugnisse nur darauf, gemäss A. L.-R. Tr. II T. 17 § 10 Gefahren zu beseitigen, nicht aber darauf "die Bedürfnisse des Verkehrs zu besorgen". O.-V.-G. 8. März 1884 (Eisenb.Arch. 1884 S. 241): Die Ortspolizeibehörde ist "auf Handhabung der Sicherheitspolizei beschränkt". - Im Interesse der Sicherheit kann der Eisenbahnverwaltung Beleuchtung des Zufuhrweges zur Pflicht gemacht werden (0.V.-G. 28. Sept. 1892, Eisenb.-Arch. 1893 S. 139); ebenso können Baumpflanzungen längs des Weges polizeilich vorgeschrieben werden (Eisenb.-Arch. 1897 S. 1008); verkehrs störende Lagerung von Materialien auf einem solchen Wege ist strafbar (Kammergericht Berlin 21. April 1898; Eger, Entsch. Bd. XV S. 229). Man stellt das wohl so dar, als fände hier eine Theilung der Polizei statt: die ordentliche Polizeibehörde wirkt nur beschränkt, nicht mit der vollen Wegepolizei, der Rest stünde der Eisenbahnverwaltung zu. So O.-V.-G. 5. Febr. 1899 (Eger, Entsch. Bd. XII S. 4): der Bahnhofvorplatz ist ein öffentlicher Platz im Sinne von § 37 Gew.-O.; es findet hier eine "konkurrirende Befugniss der Ortspolizeibehörde und der Bahnpolizei" statt. Allein was die Eisenbahnverwaltung hier macht, ist nicht die eigentliche Bahnpolizei; die beschränkt sich auf den Schienenweg und seine unmittelbaren Interessen. Es ist die Ordnungsgewalt der öffentlichen Anstalt, vermöge deren die Bedingungen geregelt und gehandhabt werden, unter welchen die Benützung ihrer Einrichtungen gestattet wird. Es handelt sich, wie O.-L.-G. München 1. Juni 1886 es ausdrückt, um "Räume, welche ohne Erlaubnis der Bahnverwaltung zu gewerblichen Zwecken nicht betreten werden dürfen". Das ist etwas ganz Anderes. 13 O.-V.-G. 1. Oct. 1887 (Samml. Bd. XV S. 285): "Kraft Privatrechts verfügbar".

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kommt gegebenen Falls voll zur Wirkung; ebenso das gewöhnliche civilrechtliche Nachbarrecht, Nothwegsanspruch u. s. w. Dafür fallen die formellen Beschränkungen weg, welche den Eigenthümer eines öffentlichen Weges in der Verfügung über seine Sache hemmen würden. Aufhebung oder Verlegung eines solchen pflegen ein besonderes Verfahren vorauszusetzen, in welchem etwaige Widersprüche von Interessenten zur Geltung gebracht werden können. Das gilt hier nicllt l4 • Die Aenderung des Zufuhrweges kann dem Bahninteresse widerstreiten; ob das der Fall ist, wird bei der Staatsbahn die oberste Eisenbahnbehörde selbst entscheiden. Bei der Privatbahn wird die Aufsichtsbehörde darüber zu wachen haben, dass in dieser Beziehung die konzessionsmässigen Verpflichtungen erfüllt bleiben. Das sind einseitige Gesichtspunkte des Bahnbetriebes, und ein besonderes öffentliches Verfahren besteht nicht dafür. Das Rechtsinstitut der Verleihung, mit welchem der Herr der öffentlichen Sache besondere Nutzungsrechte daran einräumen kann, kommt nicht zur Anwendung. Daraus folgt, dass, wenn die Formen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht eingehalten sind, von welchen die öffentlich-rechtliche Verleihung befreit wäre, ein solches Recht hier überhaupt nicht giltig zur Entstehung kommt. Ein Gemeingebrauch besteht an dem Zufuhrwege nicht. Wenn der Eigenthümer im Interesse seines Bahnbetriebes thatsächlich Jedermann die Benützung des Weges gestattet, so ist das etwas Anderes als eine Anwendung jenes öffentlich-rechtlichen Institutes. Der echte Gemeingebrauch ist ein selbstverständlicher I Ausfluss der Freiheit des Einzelnen. Um ihn zu beschränken und an Bedingungen zu knüpfen, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Beim Zufuhrweg aber würde z. B. die Gestattung des Betretens jeder Zeit ohne Weiteres, durch eine Art Ausdehnung der Bahnsteigsperre, vom Besitze einer Fahrkarte abhängig gemacht werden können 15 • Thatsächlich wird siC"h in Bezug auf die 14 Die Bahnverwaltung wird z. B. ohne das für Aenderung öffentlicher Strassen nöthige Verfahren ihren Theil des Bahnhofsvorplatzes überbauen können. Daran erkennt man dann auf einmal die juristische Scheidelinie, die durch diesen Platz zieht; es ist nicht bloss die Eigenthumsgrenze; denn der Theil, welcher der Gemeinde als öffentliche Strasse gehört, könnte auch mit deren Einwilligung nicht ohne Weiteres überbaut werden. 15 Feraud-Giraud 1. c. n. 139: "cette tolerance peut cesser et la Compagnie, avec l'autorisation de l'administration, peut deplacer sa grille, si elle l'a rapprochee primitivement de la station et comprendre l'avenue dans la cour de la gare." Das gilt nach französischem Recht, wo der Zufuhrweg zum domaine public gerechnet wird, um wie viel mehr nach deutschem, wo er Privatweg ist. - v. Roenne, Wegepolizei und Wegerecht S. 111, bringt ein Ministerialreskript vom 17. Aug. 1843, wonach die Gesellschaft "ihr Privateigenthum an diesen Plätzen nur insoweit geltend machen kann, als dasselbe mit jenem Zwecke (dem Publikum zu dienen) nicht in Widerspruch tritt". Bei der Staats eisenbahn entscheidet die oberste Eisenbahnbehörde selbst, was demnach möglich ist.

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Benützung zur Fortbewegung schon wegen des übereinstimmenden eigenen Interesses der Bahn ein Unterschied zwischen dem Zufuhrweg und dem in Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Weg nicht bemerkbar machen. Der Gemeingebrauch enthält aber noch andere Dinge, welche durch das Interesse der Bahn hier nicht gedeckt sind, und daran zeigt sich deutlich, dass es sich nicht um ihn handelt. Ein wichtiges Stück des Gemeingebrauchs an der öffentlichen Strasse besteht darin, dass es Jedermann unverwehrt ist, von der Strasse ab den Zugang zu nehmen zu angrenzenden Grundstücken, von dorther den Ausgang darauf zu richten, Fenster und Thüren in den längs der Grenze errichteten Gebäuden anzubringen, den Wasserablauf dorthin zu lenken u. s. w. Alles das gilt nicht für den Zufuhrweg. Die Bahnverwaltung kann ihn abschliessen gegen die angrenzenden Grundstücke, die Einrichtung von Fenstern, von überragenden Gebäudetheilen verwehren, ganz nach dem Rechte des gewöhnlichen Privateigenthümers gegenüber seinem Nachbar. Lässt sie die angrenzenden Grundstücke bebauen, wie an einer öffent Ilichen Strasse, so ist das eine besondere Gestattung, die nach civilrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen ist16 • Die Rechtslage kann deshalb für die anbauenden Eigenthümer sehr bedenklich werden. Doch hilft hier einerseits die thatsächliche Rücksichtnahme der Eisenbahnverwaltung, andererseits die Möglichkeit, dass der Zufuhrweg von der Gemeinde in der oben angegebenen Weise jeder Zeit übernommen werden kann. Dann ist natürlich Alles in Ordnung.

2. Eisenbahnrechtliche Ersatzwege nennen wir solche Wege, die von der Eisenbahnverwaltung geschaffen werden, nicht um dem Betriebe ihres Unternehmens zu dienen, sondern als Ersatz für anders bestimmte Wege, die sie bei Herstellung ihres Baues in Anspruch genommen hat. Das geschieht ja unter sehr verschiedenen Bedingungen, je nachdem es sich um einen Privatweg oder um einen öffentlichen Weg handelt, der in Anspruch zu nehmen ist. Der hergestellte Ersatzweg ist immer zunächst in Besitz und Eigenthum der Eisenbahnverwaltung und be18 O.-V.-G. 2. Mai 1898 (Eisenb.-Arch. 1899 S. 163): Der Zufuhrweg ist Privatweg, der Bahnaufsichtsbehörde unterstellt; er kann gegenüber den angrenzenden Privatgrundstücken durch einen festen Zaun abgesperrt werden. Wird er öffentlicher Weg im Sinne des gemeinen Wegerechts, so ist die Wegepolizeibehörde befugt, solche Absperrungen zu beseitigen. - Das französische Recht behandelt ja, wie gesagt, den Zufuhrweg als domaine public, aber als domaine public wie die voie ferree, deren Zubehör dem Gemeingebrauch nicht geöffnet ist. Gegenüber den Angränzern gilt dasselbe Recht wie beim Schienenweg: Bauwerke dürfen auf den angrenzenden Grundstücken nur in gewisser Entfernung errichtet werden, dürfen keine Fenster und keine Ausgänge dahin haben. Abweichungen gelten als simple tolerance; Feraud-Giraud 1. c. n. 138, n. 155. Der Zufuhrweg wird wie die Bahn selbst zur grande voirie gerechnet, soll aber doch keine "veritable voie publique" sein. Das französische System ist also im Erfolg noch viel strenger als das deutsche; weitgehende "tolerance" hilft aus.

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stimmt, von dem Ersatzberechtigten übernommen zu werden17 • Im Weiteren sind die beiden Fälle aber dann sehr verschieden zu behandeln. I Handelte es sich darum, nur einen Privatweg zu gewähren, so wird von der Eisenbahn den Berechtigten die Uebereignung desselben in Formen des Civilrechts anzubieten sein, und wenn das angenommen wird, ist Alles fertig. Wird die Annahme verweigert, so giebt es keinen Zwang dazu. Die Eisenbahn bleibt Eigenthümerin mit der Verpflichtung, den Weg für die Berechtigten offen zu halten und nur für diese. Eine Unterhaltungspflicht wird ihr mangels besonderer Bestimmungen nicht obliegen. Ist ein öffentlicher Weg in Frage als Ersatz für einen unterdrückten Weg dieser Art, so ist in gleicher Weise der Ersatzberechtigte zur Uebernahme aufzufordern. Die Uebertragung des Eigenthums an Grund und Boden erfolgt wieder in Formen des Civilrechts. Sie kann möglicher Weise abhängig gemacht werden von der Abtretung der verfügbar gewordenen Stücke des alten Weges. Im Streitfalle wird die Behörde, welche die Wegeveränderung anzuordnen hat, darüber entscheiden. Die Uebernahme des Ersatzweges kann hier erzwungen werden, insofern die Gesetzgebung der Aufsichtsbehörde das Recht giebt, die ordentliche Wegeverwaltung dazu anzuhalten, dass sie sich mit solchen Wegen belastetl B• Wenn es aus irgend einem Grunde zur Uebernahme nicht kommt, wird die Eisenbahn den Weg einstweilen weiter zu verwalten haben. Es ist dann ein ihr gehöriger Privatweg, aber ein Privatweg ganz besonderer Art 19 • I Maassregeln der allgemeinen Sicherheitspolizei finden selbstverständlich darauf Anwendung so gut wie auf die vorhin behandelten Zufuhrwege 2o • Darüber hinaus ist die Eisenbahn verpflichtet, den Weg 17 Soweit er nicht die Bahnlinie kreuzt; von diesem Fall wird nachher die Rede sein. 18 Ein solcher Zwang ist auch nach französischem Recht hier immer statthaft in dem Hauptfalle, wo die Herstellung des Ersatzweges auf einer Anordnung der den Eisenbahnbauplan genehmigenden Behörde beruht. Das Gleiche gilt, wenn ohne solche Anordnung die Eisenbahn durch eine Vereinbarung mit der Gemeinde nachträglich z. B. die Herstellung eines Parallelweges übernommen hat (FeTaud-GiTaud 1. c. n. 118). Hat die Bahn einen solchen Weg einseitig angelegt, so giebt es nach französischem Recht keinen Zwang zur Uebernahme. Nach deutschem Rechte wäre ein solcher auch hier zulässig. Vg1. oben Note 8. 19 Darüber, dass auch hier der von der Eisenbahn hergestellte Ersatzweg, so lange er nicht übernommen ist, ein ihr gehöriger Privatweg ist, vg1. O.-V.-G. 13. März 1899 (Eisenb.-Arch. 1899 S. 863): Die Staatseisenbahnverwaltung hatte sich durch Vertrag mit mehreren Landgemeinden verpflichtet, "im Interesse des öffentlichen Verkehrs" eine Fussgängerbrücke über den Fluss herrichten zu lassen; nachher haben die Gemeinden die Brücke nicht übernommen; sie ist daher "zur Zeit Privatbrücke des Eisenbahnfiskus". 20 So erkennt auch in dem oben erwähnten Fall das Oberverwaltungsgericht eine Zuständigkeit der ordentlichen Polizeibehörde bezüglich der

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in gutem Stand zu erhalten, wie ein Wegebaupflichtiger. Diese Pflicht ist nicht von der ordentlichen Wegeaufsichtsbehörde zu erzwingen, und ebenso wenig hat der Ersatzberechtigte einen civilrechtlichen Anspruch auf ihre Erfüllung. Es ist lediglich Sache der Behörde, welche den Eisenbahnbauplan genehmigt und die Wegeveränderung angeordnet hat, für die Durchführung ihrer Anordnung zu sorgen. Dazu gehört auch die Instandhaltung des Weges bis zur förmlichen Uebernahme von Seiten des ordentlichen Wegebaupflichtigen. Die Eisenbahnverwaltung ist aber auch verpflichtet, diesen Ersatzweg dem Verkehr offen zu halten. Und zwar nicht bloss, wie bei dem zu ersetzenden Privatweg, dem Verkehr der ersatzberechtigten Eigenthümer, denen der alte Weg den Zugang zu ihren Grundstücken vermittelte; auch nicht bloss in der Weise des Zufuhrweges zum Stationsgebäude, der zwar einem allgemeineren Verkehre dient, aber doch nur nach Maassgabe des eigenen Interesses der Bahn, also eigentlich auch nur für diesen beschränkten Zweck. Der zu verstattende Verkehr ist vielmehr hier ein unbedingter und unbeschränkbarer: um die öffentliche Strasse zu ersetzen, muss der Gemeingebrauch zum Maassstab genommen werden. Aber doch bloss für den eigentlichen Verkehr gilt I dieses Vorbild; was der Gemeingebrauch den angrenzenden Grundstücken gewährt, um ihre Bebauungsfähigkeit zu sichern und zu erleichtern, wird von diesen Ersatzstrassen nicht zu verlangen sein. Die Eisenbahnverwaltung genügt ihrer Pflicht, indem sie den gestörten Verkehr wieder ermöglicht; käme es darauf an, auch eine Bebauungsfähigkeit von Grundstücken zu ersetzen, so wären das die an der alten Strasse gelegenen, welchen mit der neuen ohnehin nicht gedient wäre. Von selbst aber ist der Ersatzweg privatrechtlicher Natur und deshalb den einzelnen Bestimmungen des Gemeingebrauchs nicht unterworfen. Die Eisenbahnverwaltung könnte ihre Rechte als Eigenthümerin geltend machen, um eine Benützung von Seiten der Angrenzer zum Anbringen von Ausgängen, Fenstern, Vorsprüngen u. dgl. abzuwehren. Auch eine seitliche Einfriedigung des Weges wäre zulässig. II. Wenn ein Schienenweg der Eisenbahn und ein gemeiner öffentlicher Weg sich auf dem nämlichen Stück Erdoberfläche begegnen, also eine Kreuzung beider stattfindet, so entsteht das, was wir eine eisenbahnrechtliche Wegegemeinschaft nennen. Die Rechtsfragen, die sich daran knüpfen, gehen vor Allem darauf, den Antheil eines jeden der betheiligten Wege an dieser Gemeinschaft zu bestimmen oder, was gleichbedeutend ist: das Herrschaftsgebiet der beiderseitigen Polizei. Die Kreuzung kann eine unmittelbare sein, so dass der eine Weg in gleicher Höhe über den anderen führt (Uebergänge). Sie kann aber auch streitigen Brücke nur an behufs Abwehr von Gefahren gemäss Allg. L.-R. Th. II T. 17 § 10.

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durch Kunstbauten der Art gestaltet sein, dass der eine Weg mit seinem Verkehr unter dem Bereiche des anderen bleibt, beide sich also in der senkrechten Linie ausweichen (Unterführund und Ueberführung). 1. Der einfachste Fall ist der des Planübergangs, passage ci niveau 21 • Der gemeine Weg führt quer über das Geleise der I Bahn. Ordentlicher Weise wird er der ältere sein. Bei Genehmigung des Eisenbahnprojektes ist die Ueberschienung angeordnet worden. Das Eigenthum am Grund und Boden hat damit nicht von selbst gewechselt. Aber ein öffentlich-rechtlicher Besitzstand der Eisenbahn gründet sich darauf. Der ihrem Schienenwege dienende Theil der Strasse ist in erster Linie ihr Schienenweg. Die Polizei der Eisenbahn ist die strengere und die stärkere, ihr Besitz überwiegt. Die kreuzende Strasse muss sich an dieser Stelle im Interesse des Eisenbahnverkehrs zeitweise ganz ausser Dienst stellen lassen: die Schranken, welche zu beiden Seiten des Uebergangs quer über die Strasse zu ziehen sind, bilden die erforderliche Vorrichtung dazu. Was zwischen diesen Schranken liegt, bildet den Herrschaftsbereich der Eisenbahnpolizei22 • Die gemeine Wegepolizei ist davon nicht schlechthin ausgeschlossen. Sie kann sich daneben noch geltend machen, namentlich zur Ordnung des Strassenverkehrs, soweit die stärkere Eisenbahnpolizei ihr Raum dafür lässt23 • Das von den Schranken eingeschlossene Stück bleibt überhaupt öffentlicher Weg 24 und als solcher öffentliches Eigenthum des Rechtssubjektes, dem es von Haus aus gehörte. Der Eisenbahn steht auch nicht etwa eine civilrechtliche Dienstbarkeit zu; dafür fehlen hier schon die I Formen der Begründung. Wird die Bahnlinie von der Stelle verlegt oder sonst aufgehoben, so würde das für eine wirklich begründete civilrechtliche Dienstbarkeit kein Grund des Unterganges sein. Hier aber verschwindet damit Alles; es bleibt kein Recht der Eisenbahn an diesem Boden übrig. Was ihr zustand, war ein auf der Projektgenehmigung beruhen21 Nicht hierher gehört der Fall, wo zu Gunsten eines Privatweges der Uebergang über den Bahnkörper gestattet wird. Die Uebergangsstelle pflegt durch eine Lücke in der Umhegung und durch ein Drehkreuz bezeichnet zu sein. Das ist eine blosse Erlaubniss, jeder Zeit frei widerrufbar. Vgl. Deutsch. Verw.-R. Bd. 11 S. 139. 22 O.-V.-G. 24. Mai 1897 (Eisenb.-Arch. 1897 S. 1015). 23 O.-V.-G. 3. Febr. 1897 (Samml. S. 198): Die gewöhnliche Wegepolizeibehörde wahrt ihren Weg auch gegenüber der Eisenbahnverwaltung, sofern dieser über Bahngebiet führt. Nur soweit eisenbahnpolizeiliche Interessen kollidiren, hindert die Eisenbahnpolizei die Vollstreckung. O.-V.-G. 6. März 1878 (Samml. Bd. 111 S. 191): Die Wegepolizeibehörde kann nicht anordnen, dass das Rangiren der Güterzüge zur Vermeidung von Störungen des Wegeverkehrs auf solchen Uebergängen beschränkt wird. !4 In allen Beziehungen. Reichsgericht 14. Nov. 1896 (Eger, Entsch. Bd. XII S. 334) folgert insbesondere aus der Gestattung des Niveauübergangs "die Pflicht der Eisenbahn, auch die Legung von Gas- und Wasserröhren zu Strassenzwecken zu dulden".

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des Recht zu besitzen öffentlich-rechtlicher Art; mit der Aenderung des Projekts und ihrer Durchführung geht dieser Besitz und sein Recht von selbst zu Grunde 25 • Insofern eine derartige Aenderung nicht vorauszusehen ist und das gemeinsame Stück Boden so ganz vorzugsweise der Eisenbahn dient, mag es angemessen erscheinen, dass diese Eigenthümerin davon werde. Man wird vielleicht geneigt sein, bei der Gemeinde, dem Kreis u. s. w. die Abtretung zu erwirken gegen eine angemessene Entschädigung. Das ist Abtretung eines öffentlichen Weges. Aehnlich kann es ja auch vorkommen, wenn eine neu angelegte Chaussee einen Gemeindeweg kreuzt. Die Form dafür giebt nicht der civilrechtliche Kauf, sondern die administrative Vereinbarung zwischen den beiden Rechtssubjekten öffentlicher Verwaltung 26 • Das Ergebniss wird dann sein: öffentliches Eigenthum der Eisenbahnverwaltung, belastet gemäss dem genehmigten Bahnprojekt mit dem beschränkten Mitbesitz des Wegeberechtigten der seinerseits seinen Weg nur mehr auf dem Titel eines öffentlichrechtlichen Besitzes behält. Wird dann später die Eisenbahn verlegt oder schlechthin aufgehoben, so bleibt der Eisenbahnverwaltung dieses Stück als civilrechtliches Eigenthum, das sie gegenüber dem fortbestehenden Wege nicht herausverlangen kann; sie wäre aber befugt, von dem Wegeberechtigten [ den Ersatz des Werthes zu beanspruchen gegen Abtretung des Bodens durch civilrechtlichen Vertrag. Nach dem Muster des letzten Falles wird sich die Sache auch gestalten, wenn der Planübergang bei Schaffung eines Ersatzweges hergestellt worden ist. Dann wird die Eisenbahnverwaltung nur die ausserhalb der Schranken liegenden Theile zu Eigenthum abtreten, das Stück zwischen den Schranken sich vorbehalten, belastet mit der öffentlichrechtlichen Pflicht, den Uebergang zu dulden 27 • [ 25 Feraud-Giraud 1. c. n.187: "la voirie vicinale conserve un simple droit de passage" ... "elle reprendrait la pleine propriete, la libre pos session, si cette affectation cessait." 26 Ueber die rechtliche Natur solcher Vereinbarungen vg1. Deutsches Verw.R. Bd. II S. 430 ff. 27 Bayr. V.-G.-H. 12. Febr. 1884 (Samm1. Bd. V S. 127) behandelt den Fall, wo für einen Gemeindeweg eine Ueberfahrt über den Schienenweg eingerichtet ist als Einräumung einer "servitutweisen öffentlichen Benutzung der neuen Wegeanlagen", welche dem Aerar eigenthümlich verbleiben, und spricht von einer "rein privatrechtlichen Natur der Servitut". Privatrechtlich ist das ganze Verhältniss gar nicht zu verstehen. Man muss sich klar machen, dass der Schwerpunkt hier überall in öffentlich-rechtlichen Ordnungen liegt. Von diesen ist auszugehen. Richtig Gleim, Eisenbahnbaurecht S. 250: "Die Rechte, welche der Bahnunternehmer durch die in der Feststellung des Bauplanes liegende Gestattung (den Weg zu überschienen) erwirbt, sind lediglich öffentlich-rechtlicher, polizeilicher Natur." Von der gleichen Natur sind selbstverständlich auch die Gegenrechte des verdrängten Wegeherrn. Für diese Rechte ist das grössere oder kleinere Maass der Zugehörigkeit des Grund und Bodens, das praktisch wichtig nur für den Fall des Aufhörens der

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An der Rechtsordnung des Planüberganges kommt also die überwiegende Bedeutung der Eisenbahn gegenüber dem gemeinen Wege zum Ausdruck. Allein ohne dass das äusserliche Bild sich wesentlich unterscheidet, kann dieses Verhältniss auch in umgekehrtem Sinn gestaltet sein. Wir haben bisher vorausgesetzt, dass es die eigentliche Verkehrslinie der Eisenbahn sei, mit welcher der gemeine Weg kreuzt. Wenn ein Geleise von nebensächlicher Bedeutung in Frage ist, wird die Sache anders zu beurtheilen sein. Wir sprechen nicht von einem Anschlussgeleise, das etwa für eine Fabrik oder ein Bergwerk eingerichtet worden ist, eben so wenig von dem gleichstehenden Fall, wo ein solches Geleise dem Eisenbahnunternehmen selbst die Verbindung mit seiner Kiesgrube, seiner vom geschlossenen Bahnhof getrennt liegenden Maschinenwerkstätte oder Materialienlagerstelle vermittelt. Solche Geleise sind Privatwege (vgl. o. S. 83). Sofern sie einen öffentlichen Weg kreuzen, liegen die Schienen auf diesem kraft besonderer Einräumung (Verleihung, Konzession). Der gemeine öffentliche Weg mit seinem Recht beherrscht das ganze Verhältniss. Der Fall, den wir im Auge haben, ist der, wo das Geleise immer noch dem öffentlichen Verkehr der Eisenbahn dient, also selbst zum öffentlichen Weg gehört, nur dass es eben wesentlich nur für die Vorbereitung, Entlastung, Erleichterung jenes Verkehrs benützt wird, also von untergeordneter Bedeutung ist. Man könnte etwa an ein Rangirgeleise denken, das ein Stück weit aus dem Bahnhof heraustritt und dabei einen öffentlichen Weg schneidet; aber das wird thatsächlich immer mit dem Hauptgeleise zusammen geschehen, so dass beide eine Strecke weit neben I einander herlaufen und im Betrieb, wie in ihrer rechtlichen Bedeutung nicht wohl zu trennen sind. Den Hauptfall werden daher die bIossen Verbindungsgeleise bilöffentlich-rechtlichen Ordnungen wird, grundsätzlich gleichgültig. Dass der Grund und Boden dem, der nach jenen öffentlichen Ordnungen ihn vorzugsweise besitzt, auch zu vollem Rechte in allen Beziehungen angehöre, ist lediglich eine Forderung der juristischen Aesthetik und Eleganz, wenn wir so sagen sollen; die öffentlich-rechtliche Ordnung kann auch ohne das in Kraft bestehen und dem Zwecke genügen. Das muss man festhalten. Im Uebrigen ist das Bestreben der Bahnverwaltungen, Eigenthümer der Kreuzungsflächen zu werden, aus dem angegebenen Gesichtspunkt nur zu billigen. In diesem Sinn möchte ich Stellung nehmen zu dem Satze Schelcher's in seinem Aufsatze in Eger, Entsch. Bd. XIII S. 263 ff. Er meint (S. 264): das Recht der Eisenbahnunternehmung, Geleise in den Wegekörper zu legen, darf wegen des dauernden Zweckes "nicht bloss als polizeiliches, unter Umständen widerrufliches Benutzungsrecht ertheilt, sondern es muss ein auf dauernde Benutzung gerichtetes Privatrecht des Unternehmers an der Kreuzungsfläche begründet werden". Er fordert desshalb Eigenthum oder Grunddienstbarkeit. Die sächsische Staatsbahn hält nach ihm daran, das Eigenthum an solchen Flächen zu erwerben. Andere Staatsbahnverwaltungen verfahren meines Wissens ebenso. Das ist gute Ordnung. Aber ängstlich dürfte man in dieser Beziehung nicht sein; es ginge auch ohne das. Mit der "Widerruflichkeit" hat es gute Wege. Die einzige Gefahr, dass ein Gericht nach Vorbild des Oberlandesgerichts Colmar eine rei vindicatio zuliesse, wird mit zunehmender Kenntnis des öffentlichen Rechts von selbst verschwinden.

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den. Vom Kanal- oder Stromhafen her führt z. B. ein Geleise zum Güterbahnhof, um die aus den Schiffen beladenen Waggons von Zeit zu Zeit darauf herzubringen und durch leere zu ersetzen. Oder zwei Bahnhöfe der Stadt sind durch die Hauptlinie in weitem Bogen verbunden, ausserdem führt aber noch ein kurzes Geleise quer über verkehrsreiche Strassen direkt von dem einen zum anderen und gestattet einen gewissen Wagenaustausch 28 • An den Stellen, wo ein derartiges Geleise eine Strasse kreuzt, entsteht etwas Aehnliches wie ein Planübergang. Aber die Ordnung des Verhältnisses der beiden Wege ist die umgekehrte wie dort. Die gemeinsame Bodenfläche ist in erster Linie gemeiner öffentlicher Weg. Der Herr der Strasse sorgt für die Instandhaltung, die gemeine Wegepolizei ist maassgebend für Schutz und Ordnung; die Eisenbahnpolizei spielt nur herein mit ihren besonderen Vorschriften für die Fortbewegung auf dem Geleise selbst. Und während beim Planübergang Alles nur darauf gerichtet ist, den ungestörten Betrieb der Bahn zu sichern, der kreuzende Strassenverkehr sich zu dessen Gunsten rücksichtslos von Zeit zu Zeit absperren lassen muss, bewegen sich hier die Züge vorsichtig I durch den im Uebrigen nicht gehemmten Verkehr hindurch, um ihn nicht über das Nothwendigste hinaus zu stören. Die gemeine Strasse ist hier offenbar die Hauptsache, der Schienenweg bildet seinerseits den "Uebergang" kraft einer beschränkten Mitbenutzung, die ihm eingeräumt ist. Dem entsprechend wird in solchen Fällen auch das Bestreben sich nicht geltend machen, die Kreuzungsfläche dem Eisenbahnunternehmen zu Eigenthum zu erwerben und das gesonderte öffentliche Eigenthum eines Bahnkörpers quer durch die Strasse zu ziehen. Im Gegensatz zu den Planübergängen pflegt man es hier einfach bei dem Rechtszustande zu belassen, der sich aus der Herstellung einer solchen Einrichtung zunächst von selbst ergiebt: die Gemeinde, Provinz u. s. w. bleibt Eigenthümerin zu öffentlichem Recht an ihrer ganzen Strasse; dem minderen Interesse der Eisenbahn genügt die Rechtsform jener öffentlich-rechtlich begründeten Mitbenützung. 28 Ober-Tribunal 19. Juni 1874 (StriethoTst 72 S. 273 ff.) behandelt einen Vertrag, durch welchen die Stadt Magdeburg die Genehmigung zur Herstellung eines Schienenweges vom Jakobsförder bis zum Geleise der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn ertheilte "unter Vorbehalt des Eigenthums an den durchschnittenen Strassen" und unter genauer Regelung des Betriebes (Beschränkung auf bestimmte Tagesstunden u. s. w.). Das Gericht bezeichnet das als "ein beschränktes Nutzungsrecht" und lässt civilgerichtliche Klage auf Einhaltung der vertragsmässigen Grenzen zu. In Wahrheit wäre die Angelegenheit wohl richtiger als eine polizeiliche behandelt worden. - Ein Verbindungsgeleise dieser Art kreuzt bei Strassburg die Kehler Strasse nach dem Rheinhafen. In Frankfurt geht ein solches den Main entlang. In Hamburg werden, wie mir berichtet wird, D-Züge auf solche Weise durch die Stadt hindurch geführt.

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2. Die Wegeüberführung kann sich technisch auf zwei verschiedene Arten gestalten: entweder die Bahn läuft in einen Einschnitt und der gemeine Weg übersetzt diesen Einschnitt mitteIst einer Brücke, oder der Weg wird von beiden Seiten mit einer Rampe an den Bahnkörper herangeführt und die beiden Rampenenden erhalten alsdann durch eine Brücke ihre Verbindung. Das gegenseitige Ausweichen in der senkrechten Linie kann auch durch ein Zusammenwirken von Einschnitt und Rampe bewirkt werden und sonst ist noch mancherlei Besonderheit denkbar. Für unseren Zweck genügt es sich die Sache in jenen zwei einfachen Grundformen vorzustellen. Juristisch bedeutsam ist ein anderer Unterschied: die Ueberführung kann mit einer seitlichen Wegeverlegung verbunden sein oder nicht. Ersteres wird meist bei der Rampe, letzteres beim Einschnitt zutreffen. Nicht immer trifft das zu; es ist auch Rampenbau denkbar ohne Wegeverlegung und Einschnitt mit einer solchen. I Im Falle einer Wegeüberführung mit Wegeverlegung wird die Bahn den bisherigen Weg an irgend einer anderen Stelle unterbrochen und das alte Wegegelände dem Bahnkörper einverleibt haben. Das kümmert uns hier nicht weiter. An der Stelle, wo die Wegeüberführung eingerichtet ist, hat die Bahn den Grund und Boden erworben. Der Bahnkörper bildet also ein ununterbrochenes öffentliches Eigenthum des Eisenbahnunternehmens, ausschliesslich beherrscht von der Bahnpolizei. Oben auf der Brücke, die quer darüber wegführt, gebietet ebenso ausschliesslich die gemeine Wegepolizei. Zum Wege gehört auch das Bauwerk, das ihn trägt. Alles dieses steht im öffentlich-rechtlichen Besitz des Wegeberechtigten. Das öffentliche Eigenthum, in welchem die Erdoberfläche steht, enthält, wie das civilrechtliche, ein Verbietungsrecht gegenüber der Inanspruchnahme des darüber befindlichen Luftraumes 29 • Dieses Verbietungsrecht ist hier eingeschränkt zu Gunsten des Wegeberechtigten. Die behördliche Genehmigung der Ueberbrückung ist die Rechtsgrundlage seines Besitzrechtes. Für das öffentliche Eigenthum bedeutet das eine öffentlich-rechtliche Beschränkung. Diese Beschränkung geht noch weiter, insofern die Wegebrücke sich nicht mit dem Luftraum begnügt, sondern Stützen sucht auf dem Bahngebiete selbst: eiserne oder steinerne Pfeiler werden auf den Bahnkörper gestellt neben die Geleise, die Böschungen zur Aufmauerung der Seitenpfeiler verwendet. Die Rechtsnatur des Verhältnisses ist dafür die nämliche. 20 O.-V.-G. 29. Mai 1895: Der Luftraum über öffentlichen Strassen bildet als solcher einen Gegenstand des Privatrechts. Die Stadt kann daher als Eigenthümerin ihrer öffentlichen Strasse gegen die Seitens der Polizeibehörde genehmigte Anbringung von Erkern vorgehen. - "Privatrechtlich" ist das alles natürlich nicht; vgl. die grundsätzliche Würdigung der Frage in Deutsch. Verw.-R. Bd. 11 S. 150 Note 4.

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Die beiden Machtgebiete schieben sich hier also nicht in einander wie beim Planübergang, wo dann einfach die Eisenbahnlpolizei als die stärkere überwiegt, sondern grenzen an einander nach oben und unten. Sobald die Brücke und was dazu gehört und was mit ihr vorgeht, in das Gebiet der Eisenbahnpolizei hineingreift, ist diese wieder vorwiegend: Einsturzgefahr, Ausbesserungen an Pfeilern und Seitenmauern sind in erster Linie unter dem Gesichtspunkte der Eisenbahnpolizei zu behandeln 30 • Der Unterhalt des Weges und folgeweise auch des ganzen Brückenaufbaues gebührt grundsätzlich dem Wegeberechtigten. Es kann jedoch bei Anlage der Bahn dem Unternehmen unter dem Gesichtspunkte der Entschädigung für vermehrte Wegelast der Ersatz dieser Mehrkosten auferlegt sein. Dieser Ersatz kann auch geleistet werden durch Uebernahme der unmittelbaren Unterhaltung der Brücke31 • Angemessen kann es insbesondere erscheinen, dass diejenigen Theile der Brücke, die die Bahnpolizei berühren können, von der Bahnverwaltung selbst besorgt werden. Die genauere Bestimmung ist Sache von oberbehördlichen Bestimmungen oder von Vereinbarungen zwischen Wegeberechtigten und Bahnverwaltung. Diese Vereinbarungen sind öffentlich-rechtliche Vertheilungen der beiderseitigen Aufgaben, civilrechtlichen Verträgen verwandt, aber den für diese geltenden besonderen Rechtsregeln keineswegs unterworfen (oben Note 26). Das ist hervorzuheben, weil es von praktischer Bedeutung werden kann. Mit der Frage der Unterhaltungspflicht hängt ein anderer Rechtspunkt zusammen. Wenn die Eisenbahn die Unterhaltung der Brücke selbst zu besorgen sich vorbehält, so bedeutet das im Zweifel auch den Vorbehalt des Eigenthums am ganzen Bauwerke, unbeschadet jenes öffentlichen Besitzrechtes des Wegeherrn. Uebernimmt der Letztere den Unterhalt, so wird ihm I auch das Eigenthum am Bauwerk übertragen sein sollen. Ob so oder so, das giebt während des Bestandes der Einrichtung keinen merklichen Unterschied. Wir haben aber zur Beleuchtung des ganzen Verhältnisses auch den Fall in's Auge zu fassen, wo eine Aenderung vor sich geht durch Aufhebung der Bahn, die unten liegt, oder des Weges, der darüber hinweg führt. Wird die Bahn aufgehoben (Verlegung der Strecke wird der einfachste Fall sein), so wird der Bahnkörper privatrechtliches Eigenthum, nach wie vor belastet mit der öffentlich-rechtlichen Beschränkung, den Weg, der es überbrückt, zu dulden. War das Brückenbauwerk von dem 30 O.-V.-G. 31. Jan. 1893 (Samml. Bd. XXIV S. 222): Umbau einer Wegebrücke über die Bahn, von der Wegepolizeibehörde angeordnet, kann nicht einseitig, d. h. nicht ohne Mitwirkung und Zustimmung der zuständigen Eisenbahnpolizeibehörde vorgenommen werden. 31 O.-V.-G. 31. Jan. 1893 (Sammi. Bd. XXIV S. 222).

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Wegeberechtigten übernommen und folglich ein Stück des öffentlichen Wegeeigenthums geworden, so besteht die Last in der Duldung dieses Bauwerkes. War die Bahn Eigenthümerin und Unterhaltungspflichtige geblieben, so trifft jene Last ihren Grund und Boden und ihr darüber sich erhebendes Bauwerk; das Eisenbahnunternehmen als solches behält zugleich die öffentlich-rechtliche Verpflichtung, für den Unterhalt zu sorgen. Wird umgekehrt der Weg aufgehoben, sei es, dass er einfach verlegt wird, sei es, dass er gänzlich eingeht, so verschwindet damit die rechtliche Belastung der Bahn. Es bleibt nicht etwa eine civilrechtliche Grunddienstbarkeit übrig. Die öffentlich-rechtliche Beschränkung bestand nur zu Gunsten des Weges 32 • War der Wegeberechtigte Eigenthümer des Brückenbauwerkes geworden, so kann er gehalten werden, es wegzuschaffen; nöthigenfalls greift die Bahnpolizei mit Zwang ein. Das Bauwerk und das Material, in welches es durch den Abbruch zerfällt, ist civilrechtliches Eigenthum des Wegeberechtigten. Wenn dagegen die Eisenbahn Eigenthümerin geblieben war, so kann sie jetzt frei über die zwecklos gewordene Brücke verfügen. I Die Wegeüberführung, sagten wir, kann auch so geschehen, dass keine seitliche Wegeverlegung sich damit verbindet. Die neue Wegebrücke liegt dann, aus der Vogelschau betrachtet, ganz an der Stelle des alten Weges. Aber unter ihr, an der Erdoberfläche, zieht sich jetzt die Bahnlinie hin. Das Eigenthum des Wegeberechtigten an diesem Stück Erdoberfläche ist dadurch nicht aufgehoben. Es bildet aber für ihn keinen Weg mehr; durch die Anlegung des Schienengeleises ist der Weg dort unten aufgehoben und ersetzt durch die Brücke. Das Eigenthum des Wegeberechtigten ist also civilrechtlicher Natur. Das Richtige wird nun sein, dass die Bahn dieses Eigenthum erwirbt und den Wegeberechtigten dafür entschädigt. Civilrechtlicher Vertrag giebt die Form. Ist das Eigenthum auf solche Weise für die Bahn erworben, so wird sich im Uebrigen Alles so gestalten, wie in dem soeben ausführlich besprochenen Fall der Wegeüberführung mit Wegeverlegung. Wenn aber eine solche Ordnung des Verhältnisses aus dem einen oder anderen Grunde unterlassen wird, dann wird sich eine recht eigenthümliche Rechtsgestaltung ergeben. Der Wegeberechtigte ist civilrechtlicher Eigenthümer des Grund und Bodens; die Eisenbahnunternehmung hat daran auf Grund der behördlichen Genehmigung ihres Planes ein öffentlich-rechtliches Besitzrecht erworben für ihren Schienenweg mit Allem, was dazu gehört. Dieser Schienenweg ist gemäss derselben behördlichen Anord!2 Es steht hiermit wie mit der auferlegten öffentlich-rechtlichen Grunddienstbarkeit (Rayonservituten u. dgl.), die auch erlischt mit dem Unternehmen, dem sie dient, ohne eine civilrechtliche Dienstbarkeit zu hinterlassen (Deutsch. Verw.-R. Bd. II S. 178).

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nung wieder belastet mit der Duldung der zu Gunsten der Wegeüberführung erforderlichen Einrichtungen, und der Wegeberechtigte übt daran seinen öffentlich-rechtlichen Besitz. 3. Die Eisenbahnüberführung wird verhältnissmässig häufiger ohne Wegeverlegung zu Stande kommen. In den Eisenbahndamm wird einfach da, wo der Weg die Linie quert, die Eisenbahnbrücke, der Wegedurchlass, eingefügt. Das Rechtsverhältniss gestaltet sich dann ganz entsprechend dem oben Ausgeführten folgendermaassen. I Unten besteht der alte Weg fort. Die Wegepolizei sichert seinen Bestand. Sie wird auch wirksam werden gegenüber Gefährdungen, welche dem Wege aus dem baulichen Zustande der Eisenbahnbrücke drohen können, sowie zur Ordnung von Ausbesserungsarbeiten und Umbauten, soweit ihr Gebiet zugleich davon berührt wird. Die Unterhaltungspflicht am Wege selbst gebührt dem Wegeeigenthümer. Insofern sie erschwert erscheint, kann nach dem, was in Bd. XV S. 524 dargelegt worden ist, eine Entschädigungspflicht des Bahnunternehmers in Frage kommen. Der Weg ist nach wie vor öffentliches Eigenthum des Wegeberechtigten. Dieses öffentliche Eigenthum ist aber kraft der Genehmigung des Eisenbahnbauplanes belastet mit den entsprechenden Beschränkungen. Es hat die Ueberbrückung in seinem Luftraum zu dulden und sich den Störungen zu fügen, welche Herstellungs-, Unterhaltungs- und Verbesserungs arbeiten mit sich bringen. Das Eisenbahnunternehmen hat auf Grund eben dieser behördlichen Anordnung einen öffentlich-rechtlichen Besitz an der überbauten Stelle und öffentliches Eigenthum an dem Bauwerk nebst dem darauf liegenden Schienenweg. Seine Polizei beherrscht diese Dinge. Die Unterhaltungspflicht bezüglich ihrer liegt ihm ausschliesslich ob. Aufhebung der Eisenbahn macht den Weg von dieser Belastung frei; es bleibt auch hier keine civilrechtliche Dienstbarkeit übrig. Aufhebung des Weges lässt civilrechtliches Eigenthum des Wegeberechtigten zurück, belastet mit dem öffentlich-rechtlichen Besitzstande der Bahn. Nur ein Punkt wäre hier noch besonders hervorzuheben. Bei der Wegeüberführung ohne seitliche Wegeverlegung, sagten wir vorhin, sei die richtige Ordnung der Dinge, dass der Wegeberechtigte für den Grund und Boden entschädigt wird und die Eisenbahn diesen zu Eigenthum erwirbt. Hier ist das Gegen Itheil zu sagen. Die überbrückte Erdoberfläche ist hier nicht Eisenbahn, sondern nach wie vor Weg. Es erscheint nicht angemessen, dass die Eisenbahnverwaltung das Eigenthum daran erwerbe, um dem Wegeberechtigten seinen Weg fortan als

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bIossen öffentlich-rechtlichen Besitz zu lassen. Dieses Eigenthum würde civilrechtliches Eigenthum sein. Es diente nicht dem Bahnkörper und gehörte nicht zu ihm. Denken wir uns den Fall einer Eisenbahnbrücke, die über sumpfige Wiesen führt, die beim Bau von der Bahn erworben wurden. Die Bahn würde auch an dem Theil, der unter ihren Brückenbogen liegt, durch civilrechtliche Verträge civilrechtliche Befugnisse einräumen können. Hier ist das darunter Liegende allerdings ein Weg; aber ein Weg der Gemeinde oder Provinz würde das Grundeigenthum der Eisenbahn, das ihm dient, nicht zum öffentlich-rechtlichen Eigenthum machen. Man muss sogar behaupten, dass ein Abtretungsvertrag, den der Wegeberechtigte wegen dieses Eigenthums mit der Bahn eingehen wollte, ungültig wäre. Es können wohl Wege zwischen Subjekten der öffentlichen Verwaltung übertragen werden sammt dem öffentlichen Eigenthum, das ihnen dient, aber nur damit das Uebertragene ein Weg des Erwerbers statt des Veräusserers wird. Hier soll es ein Weg des Veräusserers bleiben, von welchem nur das Eigenthum losgelöst wird. Dafür giebt es keine öffentlich-rechtliche Form, und civilrechtliche Formen sind unanwendbar nach dem Wesen des öffentlichen Eigenthums selbst.Der andere Fall der Eisenbahnüberführung würde dann der sein, wo zugleich eine seitliche Wegeverlegung stattfindet. Die Strasse schneidet z. B. die Bahnlinie in spitzem Winkel; aus technischen Gründen ist es richtiger, die Strasse rechtwinklig durch den Damm zu führen; zu diesem Zwecke treten also Verschiebungen ein. Oder die Strasse biegt aus, um die nöthige Tieflage zu finden. Hier wird dann die neue Strasse eingerichtet werden auf Grund und Boden, der von der Eisenbahn erworben I ist. Der guten Ordnung entspricht es, dass dieser Grund und Boden dem Wegeberechtigten zu Eigenthum abgetreten wird, ganz ebenso wie wir oben bei der Wegeüberführung ohne seitliche Verlegung verlangten, dass der Eisenbahn der bisherige Strassenboden abgetreten werde, auf dem jetzt ihr Geleise liegt33 • Wird nicht danach ver33 Die Eisenbahnverwaltungen gehen darauf aus, überall wo ihre Anlagen erscheinen, das unbegrenzte Recht über das betreffende Stück Erdball zu haben; sie wollen da sein, wie das französische Sprüchwort sagt: le propril~taire du ciel et de l'enfer. Das ist die Denkweise des privatrechtlichen Grundherrn. Die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen stehen fest genug auf ihren eigenartigen Besitzständen. Das eisenbahnrechtliche Wegeveränderungsrecht kümmert sich, wie wir gesehen haben, um die Ordnung der Eigenthumszuständigkeit gar nicht. Die Reichseisenbahnen führten einmal einen lebhaften Kampf mit dem Bezirkspräsidenten des Oberelsass um die Frage, ob sie das Eigenthum an einer unterführten Strasse auf der Linie Mülhausen-Basel abtreten sollten. Nach dem Obigen war der Bezirkspräsident im Recht. Aber wir meinen das nicht in dem Sinn, dass ein formeller Rechtsanspruch auf die Abtretung bestanden hätte. Die öffentlich-rechtlichen Ordnungen, die hier maassgebend sind, verhalten sich, wie gesagt, gleichgültig gegen diese Frage. Man kann nur sagen: es ist richtiger, schicklicher, dass die Sache so eingerichtet werde, dass der Wegeherr auch Eigenthümer

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fahren, so entsteht wieder die verwickelte Rechtsgestalt: die Eisenbahn hat civilrechtliches Eigenthum am Grund und Boden, der Wegeberechtigte ist daran im öffentlich-rechtlichen Besitze für seinen Weg, und dieser wieder ist beschränkt, öffentlich-rechtlicher Weise, zu Gunsten des Besitzes der Eisenbahnverwaltung am Ueberführungsbauwerke mit seinem Schienenweg. 111. Wir haben im Bisherigen eine Reihe von Einzelerscheinungen zusammengestellt; daran sind nun noch einige Bemerkungen allgemeinerer Art zu knüpfen. 1. Es wurde in unseren Ausführungen mehrfach mit dem Begriffe "öffentlich-rechtlicher Besitz" gearbeitet; was dalmit gemeint ist, wird an den betreffenden Stellen wohl ausreichend verständlich geworden sein. Die wissenschaftliche Genauigkeit fordert aber doch eine schärfere Bestimmung. Das öffentliche Recht leidet noch an einer ungenügend ausgebildeten Terminologie. So haben wir auch hier wieder eine Entlehnung aus dem Privatrecht machen müssen, wie das ja namentlich im Gebiet des öffentlichen Sachenrechts so häufig geschieht. Der entlehnte Terminus kann aber für das hier zu Bezeichnende immer nur so dienen, dass man ihn entsprechend anders versteht, als er ursprünglich gemeint ist. Unter öffentlich-rechtlichem Besitz verstehen wir den Besitz an einer öffentlichen Sache. Dieser kann wieder in sehr verschiedener Gestalt sich darstellen:

Der Herr der öffentlichen Sache wahrt sich in deren Besitz öffentlichrechtlicher Weise durch seine Polizei, ob er zugleich Eigenthümer ist oder nicht; letzteren Falls erscheint der Besitz in selbständiger Kraft und Bedeutung, unangreifbar für civilrechtliche Ansprüche, auch dem civilrechtlichen Eigenthum nicht weichend, also ganz anders als der civilrechtliche Besitz, weit wirksamer als dieser. Wenn man die Eigenart dieses öffentlich-rechtlichen Besitzes wiedergeben will, so wäre vielleicht der Ausdruck: Polizeibesitz nicht ungeeignet. Er ist, wie wir gesehen haben, schon dafür gebraucht worden 34 • Es handelt sich natürlich nur um Vorschläge. Dem Einzelnen kann an öffentlichen Sachen, ob sie dem Gemeingebrauch unterliegen oder nicht, ein besonderer Besitz eingeräumt sein, in Form einer bIossen polizeilichen Erlaubniss oder in Form der Begründung eines Rechtes zu besitzen, durch Konzession, Verleihung eines ist. Zwischen Verwaltungen ist das aber eine ausreichende Norm für das, was sie thun sollen; zwischen Privaten giebt es nur erzwingbare Rechtspflichten und lediglich moralische Pflichten; das hier ist ein Mittelding. In der allgemeinen Rechtslehre wäre wohl auch einmal daran zu denken. Wir wollen hier noch darauf zurückkommen. 34 Vgl. oben S. 47 Note 10.

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besonderen Nutzungsrechts. Ersteres bedeutet rechtlich eine blosse Duldung, ein Nichtverwehren; sein Werth liegt im Ausschluss der polizeilichen Verfolgbarkeit und I Strafbarkeit. Im letzteren Fall dagegen entsteht ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf den Besitz; der Besitz selbst hält sich durch diesen Anspruch und geniesst gegen Eingriffe dritter mittelbar den Schutz der Polizei der öffentlichen Sache, an der er besteht. Hier können wir von einem öffentlich-rechtlichen Besitz sprechen. Aber er ist offenbar ganz anders wie der ersterwähnte. Nicht die Thatsache der Erscheinung der öffentlichen Gewalt in der Zweckerfüllung der Sache macht seine Kraft aus, sondern der Rechtstitel, der ihn begründet hat. Das Vorbild ist das jus in re aliena und der Besitz ist nur die Ausübung dieses Rechts. Diese Art von öffentlich-rechtlichem Besitz können wir daher bezeichnen als die Ausübung eines besonderen Nutzungsrechts an einer öffentlichen Sache 35 • In den Fällen, welche wir soeben unter II (S. 218 ff.) beobachtet haben, tritt uns nun eine dritte eigengeartete Form von öffentlichrechtlichem Besitz entgegen. Wenn Eisenbahn und gemeiner Weg sich kreuzen, in Planübergang oder mitteIst Ueberbrückung, ist immer die eine Art von Weg die Hauptsache; der andere besteht neben ihm als Zuthat. Dieser zweite, der kreuzende Weg hat seinerseits alle Eigenschaften der öffentlichen Sache, insbesondere auch den polizeilichen Selbstschutz einer solchen, der ja nach der Art der Kreuzung mehr oder weniger selbständig neben der Polizei des anderen Weges zur Geltung kommt. Mit dem Polizeibesitz allein könnte er aber diesem gegenüber das räumliche Zusammenbestehen auf derselben Stelle nicht durchsetzen noch behaupten. Die gleichwerthige Polizei der Hauptsache würde den Eingriff abwehren. Es bedarf eines besonderen Rechtstitels, der diese Ordnung zwischen den zwei betheiligten Rechtssubjekten öffentlicher Verwaltung und ihren Wegeanstalten schafft: Vereinbarung oder Anordnung der zuständigen Oberbehörde. Das dadurch begründete beschränkte I Mitbesitzrecht wird dann zu Gunsten des kreuzenden Weges in Form des Polizeibesitzes ausgeübt. Der öffentlich-rechtliche Besitz, der hier entsteht, setzt sich also aus Elementen der beiden erstgenannten Arten zusammen. Er ist Polizeibesitz zur Ausübung eines beschränkten Mitbesitzrechtes an einer öffentlichen Sache 36 • Deutsch. Verw.-R. Bd. 11 S. 153. Die Grundsätze, welche wir für dieses Rechtsinstitut am Gemeinschaftsverhältnisse zwischen Weg und Eisenbahn entwickelten, werden auch zur Anwendung kommen bei der Ueberbrückung von Flüssen und Kanälen durch Weg oder Eisenbahn; ebenso in dem Fall, wo der Schifffahrts kanal über einen Weg in einer Brücke geführt wird. Auch das Verhältniss zwischen Festungswerken und öffentlichen Wegen kann Anwendungsfälle bieten. Das Verhältniss zwischen gemeinen Wegen verschiedener Zuständigkeit wird im Falle der Ueberführung oder Unterführung ganz nach unseren Regeln zu behandeln sein. Bei Plankreuzungen dagegen entsteht zwischen solchen kein 35

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2. Wie von einem öffentlichen Sachenrecht, so sprechen wir auch von öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen, öffentlich-rechtlichen Forderungen und Verbindlichkeiten. Wieder aber muss man sich wohl hüten, dass man nicht mit der Uebertragung dieser civilrechtlichen Ausdrücke zu viel Uebereinstimmung auch in der juristischen Gestalt und Natur der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Erscheinungen sucht. Dafür hat unsere Darstellung der Beziehungen zwischen Eisenbahnverwaltung und Wegeverwaltung mehrfach schlagende Belege gegeben. Im Civilrecht ist das Forderungsrecht klar und scharf; fehlt es an der Bestimmtheit, so ist das Gericht dazu da, sie ihm zu geben; kann es das nicht, so besteht kein Anspruch. I Auch im Gebiete des öffentlichen Rechts zwischen zwei Subjekten der öffentlichen Verwaltung können so gestaltete Ansprüche vorkommen. Insbesondere die verschiedenen Entschädigungsforderungen und Ausgleichungsansprüche gehören dahin, wie überhaupt in der Regel Alles, was sich unmittelbar in Geld ausdrücken lässt. Hier hilft noch die Zuständigkeit der Civilgerichte, die ja unbeschadet der öffentlich-rechtlichen Natur solcher Ansprüche gegeben zu sein pflegt. Wo es sich aber um Leistungen handelt, die mit der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe selber zusammenhängen, wo also das eigentliche Gebiet der Verwaltungsthätigkeit in Frage ist, da können wohl auch Rechte und Pflichten bestehen, aber zum Theil fehlt diesen, wenn man sie näher betrachtet, die nöthige formale Bestimmtheit in hohem Grade. Das Eisenbahnunternehmen, sagten wir, ist verpflichtet, Ersatz zu schaffen für die öffentlichen Wege, die es durch seinen Schienenweg zerstückt; der Wegeherr, Gemeinde, Kreis oder wer es sei, hat einen Anspruch darauf. Allein in wieweit dieser Anspruch wirklich besteht, das bestimmt die Behörde, welche den Bahnbauplan genehmigt. Ist der Eisenbahnunternehmer eine konzessionirte Aktiengesellschaft, so mag man es ja noch gelten lassen, dass diese Behörde nach billigem Ermessen zwischen ihr und den betheiligten Gemeinden jus in concreto schafft. Bei der Staatsbahn kann diese Behörde, das Ministerium, dafür angesehen werden, dass sie gleichzeitig mit den Interessen des Staates auch die der Gemeinden vertritt, deren Pflege ihr ohne dieses obliegt. Bei der Reichsbahn fällt das ganz weg; das entscheidende Reichsamt hat zu den elsässischen Gemeinden überhaupt kein Verhältniss. Hier also, Gemeinschaftsverhältnis; der geringere Weg geht hier an der Kreuzungsfläche ganz in dem stärkeren auf, oder der jüngere in dem älteren. Insofern richtig Obergericht Braunschweig 10. Januar 1856 (Seuffert, Arch. Bd. X Note 165): "Wenn die Eisenbahn eine Chaussee durchschneidet, so liegt darin ein von der Durchkreuzung mehrerer Chausseen völlig verschiedener rechtlicher Thatbestand." Wenn aber dieses Urtheil das Wesen der Verschiedenheit darin finden will, dass die Eisenbahn kein öffentlicher Weg, sondern Privateigenthum des Unternehmers sei, so ist es von der richtigen Auffassung der Sache sehr weit entfernt.

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möchte man sagen, ist Alles guter Wille und von einem Recht keine Rede. Und doch wäre das falsch. Wenn wir die Verwaltung auf ihren Gehalt an Rechtselementen prüfen, kann es uns nicht entgehen, dass es noch anderes Recht giebt als gesetztes und durch Richterspruch geschütztes. Jene Ersatzpflicht versteht sich von selbst, sie erlgiebt sich aus der Natur der Sache. Die Reichsbehörde, indem sie vorschreibt, dass und wie sie zu erfüllen sei, ist gebunden durch einen Naturrechtssatz. Sie hat viel freien Spielraum; aber es giebt immer die Möglichkeit, einen Punkt zu bestimmen, von dem man behaupten kann: darüber hinaus liegt die Rechtswidrigkeit. Umgekehrt hat die Bahnverwaltung Anspruch darauf, dass die Gemeinde die fertiggestellten Ersatzwege übernehme und sie von der weiteren Sorge dafür entlaste. Das Gleiche gilt von den Eisenbahnzufuhrwegen und Bahnhofvorplätzen, sobald sie thatsächlich dem allgemeinen Verkehr dienen. Je nach der Gesetzgebung ist ein Zwang gegen die Gemeinde überhaupt nicht möglich, oder wenn er möglich ist, wird er von einer Wegepolizeibehörde oder Gemeindeaufsichtsbehörde geübt (oben S. 208). Erstere sieht vielleicht ihr Verkehrsinteresse besser gewahrt, wenn die Bahn den Weg behält, letztere bedenkt, dass die Gemeinde arm, die Bahn reich ist. Die Verwirklichung ist auf diese Weise formell nicht gesichert. Und doch ist ein Stück Rechtsordnung in Frage, das sich von selbst ergiebt aus der Natur der beiderseitigen Aufgaben; dem entspricht ein Recht der Bahn auf Uebernahme; es geschieht ihr Unrecht, wenn die Gemeinde nicht übernimmt. Wenn gar nichts weiter vorgesehen ist zum Schutz, wirkt immer noch die naturalis obligatio kräftig genug, dass die Gemeinde sich auf die Dauer ihrer Pflicht nicht entzieht. Die Bahn kann ihren Schienenweg auf dem Boden der bisherigen Strasse angelegt haben, umgekehrt auf ihrem Eigenthum einen Ersatzweg, einen Wegedurchlass gewährt, eine Brücke gebaut haben für die Wegeüberführung, welche die Gemeinde thatsächlich benützt. Eigenthum und Polizeibesitz sind getrennt. Die öffentliche Sache will aber öffentliches Eigenthum sein; das ist ihre natürliche Bestimmung, alles Andere ist nur Nothbehelf. Daraus ergiebt sich keinerlei Rechtspflicht im Verhältniss zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Privateigenthum. Aber I zwischen öffentlichen Verwaltungen wirkt diese Natur der Sache: sie sind beide berufen, sie zur Durchführung zu bringen, jede an ihrem Theil, dürfen also dem Anderen ihre Mitwirkung zur Herstellung des richtigen Zustandes nicht versagen, sondern sind verpflichtet, abzutreten oder zu erwerben. Durch Auslegung der behördlichen Anordnungen oder der getroffenen Vereinbarungen kann man vielfach eine formelle Rechtspflicht herstellen. Auch ohne das bleibt eine natürliche Rechtspflicht bestehen.

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Was wir hier als naturrechtliche Forderungen aufstellen, wird thatsächlich meist zusammentreffen mit dem, was man auch als zweckmässig erkennt. Das ist ganz in Ordnung; das vernünftige Recht ist immer auch zweckmässig. Es kommt aber darauf an, dass man solche Regeln auch befolgt, ohne dass im Einzelfall die Zweckmässigkeit besonders einleuchtet; damit werden sie eben als Rechtsregeln anerkannt. Die Verwaltung wird dadurch an Sicherheit und Stetigkeit gewinnen und die Zweckmässigkeit auf keinen Fall Schaden leiden. Die KlarsteIlung derartiger Naturrechtsregeln durch Eindringen in das Wesen der einzelnen Verhältnisse wäre aber eine bedeutsame Aufgabe der Verwaltungsrechtswissenschaft. Vielleicht liegt darin ein grosses Stück ihrer Zukunft. 3. Das Verhältniss zwischen Eisenbahn und gemeinem Weg, dessen richtige Ordnung für unsere wirthschaftlichen Zustände von nicht geringer Bedeutung ist, wird in der bestehenden Gesetzgebung und in den daran sich schliessenden Bestimmungen wesentlich einseitig behandelt. Alles ist darauf zugeschnitten, dass die Eisenbahn das neue vordringende Element ist, und die Frage, die gelöst und geordnet werden soll, ist vor Allem die, wie die vorhandenen gemeinen Wege dem anspruchsvollen Neuling ausweichen und dafür erträglich neu eingerichtet werden sollen, ohne allzu viel von ihrer bisherigen Brauchbarkeit zu verlieren. Der zunehmende Verkehr und vor Allem das grossartige I Wachsthum unserer Städte hat aber jetzt die Frage umgekehrt und in dieser Form ist sie vielen Orten geradezu brennend geworden. Die Strasse drängt vor, die Eisenbahn ist das Hinderniss für ihren Verkehr, sei es, dass sie gar keinen Uebergang bietet, sei es, dass die vorhandenen Uebergänge und Ueberführungen gegenüber der Masse dieses Verkehrs unzureichend geworden sind. Der Ruf nach neuen und verbesserten Einrichtungen ertönt bald von da, bald von dort und wird immer lauter. In begrenztem Maasse wird allerdings den Wegeberechtigten oder Wegepolizeibehörden ein Recht zuerkannt auf Verbesserung der gelegentlich der Eisenbahnprojektgenehmigung vorgesehenen Einrichtungen. Dieses Recht kann dann auch durch Verwaltungsklage oder durch unmittelbare Verwaltungszwangsmassregeln durchgesetzt werden 37 • I Das französische Recht kennt solche Rechtsansprüche nicht. (Fcraudc. n. 66, 68: es ist die Rede von "nouveaux passages que la compagnie peut consentir a etablir, que des communes consentent a prendre a leur charge"). - Auch nach österreichischem Recht werden Verbesserungsforderungen der Gemeinde nicht anerkannt. V.-G.-H. 16. Nov. 1889 (Eger, Entsch. Bd. VII S. 391): die Erbreiterung eines Planübergangs wird nachträglich nothwendig; die Kosten sind zur Last der Gemeinde. V.-G.-H. 2. Dez. 1896 (Eger, Entsch. Bd. XIV S. 35): ein Eisenbahndurchlass ist zu erweitern, das geschieht auf Kosten derjenigen, in deren Interesse es nothwendig wird. - Nach preussischem Recht kann die Wegepolizeibehörde insofern Verbesse31

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Aber dem Bedürfniss genügt das nicht. Die Abhülfe muss in freierer umfassenderer Weise gewährt werden, und das kann nach Lage der Sache nur durch Beschluss der obersten Eisenbahnbehörde, des Ministers, geschehen. Solche Abhülfe wird bereitwillig geschaffen werden, wenn es sich um eine Privatbahn handelt und das Gesetz oder die Bedingungen der Konzessionsurkunde genügende Handhaben für die Aufsichtsbehörde bieten, um das Wünschenswerthe zu gebieten. Ist nichts Besonderes vorgesehen worden, so hat die Sache ihre Schwierigkeiten38 • Wenn aber der Staat selbst oder das Reich der Eisenbahnunternehmer ist, so werden sie erklärlicher Weise nur mit einem gewissen Zögern zu einer Anordnung schreiten, die ihre Finanzen nicht unbeträchtlich belasten kann. Kleine Verbesserungen, das geht noch an. Sobald aber kostspielige Wegeunterführungen oder -Ueberführungen in Frage kommen, taucht auch der Zweifel auf: sind wir dazu eigentlich verpflichtet? Die Lösung sieht man dann gern in einer Art mageren Vergleichs: man will seinen guten Willen zeigen und den Bau herstellen, die Stadt soll aber auch ihrerseits guten Willen zeigen und einen ordentlichen Zuschuss zahlen. Und nun beginnt ein Feilschen und Ringen. Persönliche Einflüsse machen sich geltend: ein bedeutender Abgeordneter, ein hoher Beamter, nimmt Partei. Politische Rücksichten spielen herein. Vielleicht erfreut sich die Stadt auch eines Gönners an höchster Stelle. Im Allgemeinen ist sie nicht der stärkere Theil. Die Unzufriedenheit der schwer belästigten Bevölkerung drückt auf die Stadtverwaltung in erster Linie, während die Eisenbahn leichter I zuwarten kann. Alles in Allem: die Entscheidung ist wesentlich eine Machtfrage. Die versöhnende Kraft der gleichen Rechtsregel versagt, weil ein formales geschriebenes Recht nicht gegeben ist. rungen erzwingen, als diese begriffen erscheinen in der dem Eisenbahnunternehmen bei der Projektgenehmigung auferlegten Wegebaulast. Wenn demnach die Eisenbahn für unterhaltungspflichtig erklärt worden ist bezüglich einer den Bahnkörper querenden Wegebrücke, so ist die Wegepolizeibehörde berechtigt, die erforderlich gewordene Verbreiterung von ihr zu verlangen (O.-V.-G. 31. März 1883, Samml. Bd. IX S. 38); ebenso eine Verstärkung der Brücke (O.-V.-G. 31. Jan. 1893, Samml. Bd. XXIV S. 222), beides auf Kosten der Bahn. Dagegen hat die Wegepolizeibehörde kein solches Recht, wenn der Eisenbahnunternehmung nur die Herstellung der Brücke oder sonstiger Einrichtung ohne künftige Unterhaltungspflicht auferlegt war (O.-V.-G. 14. März 1883); sie kann auch nicht die erforderlich gewordene Ersetzung eines Planübergangs durch Ueberführung oder Unterführung anordnen (O.-V.-G. 6. März 1878, Samml. Bd. III S. 191); diese also selbst dann nicht, wenn der Eisenbahn die Unterhaltungspflicht bezüglich des Planübergangs ausdrücklich auferlegt sein sollte. Ganz neue Wege über die Bahn sind selbstverständlich auf solche Weise nicht durchzusetzen. 38 Das Lastenheft der französischen Eisenbahnen verzichtet ausdrücklich auf derlei Nachforderungen: Feraud-Giraud 1. c. n. 66. 18 Otto Mayer. Bd. I

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Höchst anerkennenswerth ist das Bestreben, das sich mehr und mehr geltend macht, eine solche Regel in der Natur der Sache zu finden und sich danach zu richten. Unter den Lösungsversuchen, die in dieser Hinsicht gemacht worden sind, verdient vor Allem einer besondere Beachtung, der die Last der nothwendig gewordenen Einrichtung gewissermaassen vertheilen will nach dem Maassstabe der Verursachung dieser Nothwendigkeit. Der bisherige Zustand reicht für den Verkehr nicht mehr aus - wer ist schuld daran? Der soll auch die Kosten tragen. Wenn die Eisenbahn ein weiteres Geleise braucht auf ihrer Brücke über den Weg, mag sie diese auf ihre Kosten verbreitern. Ebenso wird die Stadt dann die Wegeüberführung verbreitern müssen, wenn der gesteigerte Verkehr ihres Weges solches erfordert. Bei Planübergängen erscheint die Sache besonders einleuchtend: genügt die Einrichtung nicht mehr, weil die Zahl der Eisenbahnzüge zugenommen hat oder gar häufigere Rangirbewegungen dort vor sich gehen, dann ist es Sache der Eisenbahn, durch Wegeüberführung oder -Unterführung abzuhelfen. Ist der Eisenbahnverkehr im Wesentlichen gleich geblieben, der Strassenverkehr aber so gestiegen, dass er die Unterbrechungen nicht mehr vertragen kann, dann ist der, dem die Strasse gehört, daran schuld, dass eine Aenderung eintreten muss, und er hat die Kosten aufzubringen39 • Damit würde allerdings eine gewisse Rechtsordnung in die Sache gebracht werden. Aber ob es die richtige ist, d. h. die in der Natur des Verhältnisses liegende? Gerade in dem Falle des Planüberganges würde sie meist zu keinem ganz klaren Er Igebnisse führen. In Wirklichkeit liegt ja die Sache gewöhnlich so, dass beides zugenommen hat, Eisenbahnverkehr und Strassenverkehr, und durch dieses Zusammenwirken ist der Zustand unhaltbar geworden. Folgerichtig würde man also auf eine gemeinsame Kostenlast hinauskommen4o • Die Berechnung aber, wie viel die Eisenbahn, wie viel die Strasse "schuld" ist, wie also die beiderseitigen Antheile sich stellen, ist eigentlich kaum möglich. Der Machtstreit würde also wieder beginnen. Vor Allem aber, wenn wir fragen wollen: wer ist schuld an dem Mehraufwand - es ist anzuerkennen, dass die Gerechtigkeit dafür spricht, die Entscheidung auf diesen Punkt zu stellen - wenn wir wirklich so fragen wollen, so dürfen wir doch nicht einfach den Zustand so hinnehmen, wie er jetzt ist, sondern müssen in Rechnung ziehen, dass auch dieser erst geschaffen worden ist durch das Eingreifen der Bahn. Hätte die Bahn die Strasse nicht seiner Zeit durchschnitten, so würde sie jetzt auch dem gesteigerten Verkehr noch genügen oder, wenn um dieses willen eine Verbreiterung nöthig Schelcher in Eger, Entsch. Bd. XIII S. 266 ff. So mit Recht Schelcher, 1. c. S. 267. Die Praxis der sächsischen Eisenbahnverwaltung, wie er sie bezeugt, scheint dabei eine sehr wohlwollende zu sein. 39

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wäre, so könnte die mit einem verschwindend geringen Kostenaufwand erfolgen. Der Eisenbahn war bei ihrer ersten Herstellung die Verpflichtung erwachsen, Vorrichtungen zu treffen, dass die durchschnittene Strasse leistungsfähig bleibe für ihre Aufgaben. Die behördliche Genehmigung ihres Bauprojektes hat bestimmt, was dazu gehöre. Soll damit diese Pflicht ein für alle Mal erledigt sein? Darf die Eisenbahn auf ihrem Schein bestehen, wonach sie nicht mehr zu leisten hat? So formalistisch darf man nicht rechnen zwischen zwei Vertretern öffentlicher Interessen. Der natürliche Verpflichtungsgrund bleibt fortbestehen und die Anordnungen, die zu treffen sind, um ihm zu genügen, müssen sich den veränderten Verhältnissen anpassen. Mit dieser Gedankenreihe scheinen uns die naturrechtlichen I Grundsätze gewonnen, die diese Materie beherrschen müssen. Die Scheidung vollzieht sich danach klar und einfach: Wo bei Herstellung der Bahn ein gemeiner Weg nicht bestand, den sie gestört hätte, besteht für sie keine Verpflichtung, den nachträglich auftretenden Bedürfnissen auf ihre Kosten gerecht zu werden. Neuanlagen zu solchem Zwecke fallen ganz und gar dem Wegeherrn zur Last. Das ist Rechtens. Dem freiwilligen Entgegenkommen ist dadurch keine Schranke gesetzt. Das Gleiche gilt, wenn damals ein Weg bestand, gelegentlich des Bahnbaues aber seine einfache Unterdrückung vereinbart oder angeordnet wurde. Es ist nichts übrig geblieben von einer Pflicht der Bahn diesem ehemaligen Weg gegenüber. Wenn aber ein bereits bestehender Weg erhalten blieb, so dass die Bahn verpflichtet wurde, Vorkehrungen zu treffen, die seinen Fortbestand sicherten, Planübergänge, Ueberführungen, Unterführungen, so besteht diese Pflicht fort, und wenn aus irgend einem Grunde diese Vorkehrungen sich auf die Dauer als ungenügend erweisen, so ist es Sache der Bahn, sie auf ihre Kosten zu verbessern und dem Bedürfnisse anzupassen. Das Risiko der Verkehrsvermehrung ist zu Lasten der Bahn, die ein für alle Mal dafür aufzukommen hat, dass der Weg dadurch, dass er sie kreuzt, nicht unfähig werde, dem Verkehr zu genügen, dem er zu dienen bestimmt ist. Diesem letzteren Grundsatz muss sofort eine Einschränkung, besser gesagt, eine genauere Bestimmung hinzugefügt werden. Es giebt Wege und Wege. Nur das Maass der Benützung kommt für das Risiko der Bahn in Betracht, nicht aber braucht sie eine Veränderung der Art des Weges sich gefallen zu lassen. Auch ein Fusspfad ist ein öffentlicher Weg. Wenn bei Herstellung der Bahn ein solcher vermittelst einer Fuss.gängerbrücke über den Bahnkörper hinweggeführt worden ist, so ist damit nicht die Verpflichtung verbunden, dass sie ihn zu einem Fahr16·

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weg sich auswachsen lässt und die im allgemeinen Verkehrs Iinteresse vielleicht wünschenswerth gewordene breite Strassenbrücke an seiner Stelle erbaut. Diese Aenderung würde als eine solche anzusehen sein, für welche der Wegeherr allein aufzukommen hat. Eine Scheidung zwischen grossen und kleinen Fahrstrassen wäre dagegen nicht zu machen; der Unterschied ist hier nur im Maasse des Verkehrs zu sehen, nicht in der Art desselben, und das Risiko des Maasses und der dafür nöthigen Neuverbesserungen trägt die Bahn allein. Diese Grundsätze41 entsprechen nicht bloss der inneren Gerechtigkeit der Sache, sondern sie haben auch den Vortheil, sich leicht übersetzen zu lassen in das formelle Recht; bei naturrechtlichen Regeln ist das ja immer die Frage. Die hier vertheidigte Art der Lastvertheilung kann sich einfach anlehnen an die bei Genehmigung des Bahnprojekts getroffenen Anordnungen. Ist dort nichts bestimmt über einen bestehen bleibenden Weg, so hat es dabei sein Bewenden. Ist dagegen zu Lasten der Bahn eine darauf bezügliche Einrichtung vorgeschrieben, so wird es zulässig sein, im Wege der Auslegung die weiteren Verpflichtungen zur Geltung zu bringen, welche für diesen Fall die Gerechtigkeit und die Natur des Verhältnisses verlangen. Die Aufsichtsbehörde bekommt dadurch der konzessionirten Eisenbahn gegenüber eine sichere Rechtsgrundlage für ihre Forderungen. Die oberste Leitung der Staats- und Reichseisenbahnen aber ist in die unvergleichlich bessere Lage gesetzt, deutlich erkennbares Recht zu handhaben, anstatt Vergünstigungen zu gewähren in stetem Streit zwischen Wohlwollen und Amtspflicht. I

41 Sie gehen über das, was von der preussischen Wegepolizeibehörde selbständig erzwungen werden kann (oben Note 37), insofern weit hinaus, als die Pflicht der Eisenbahn losgelöst ist von dem Zufall, dass ihr die Unterhaltung einer bestimmten Einrichtung, die Wegebaulast, noch besonders auferlegt wurde. Ferner auch insofern, als nicht bloss Verbesserung der bestehenden Einrichtung der Eisenbahn obliegen soll, sondern auch ihr Ersatz durch eine Einrichtung anderer Art, vor Allem also auch die Herstellung einer Unterführung oder Ueberführung statt eines Planüberganges.

Die Entschädigungspßicht des Staates nach Billigkeitsrecht Vortrag gehalten in der Gehe-Stiftung zu Dresden am 19. März 1904· Unter dem vielen Guten, das sich unserem Bürgerlichen Gesetzbuch nachsagen läßt, wird die Wissenschaft des öffentlichen Rechts vor allem rühmend hervorheben die Sorgfalt, mit der es vermieden hat, für ihr Gebiet irgend etwas zu bestimmen. So unterwirft es auch in § 89 den Staat der nach dem Verschuldungsprinzip geregelten zivil rechtlichen Schadensersatzpflicht nur da, wo er als Fiskus wie ein Privater in den privatwirtschaftlichen Verkehr sich gestellt hat. Darüber hinaus ist, wie die Motive bemerken, die Entschädigungspflicht des Staates eine öffentlich-rechtliche Frage, die als solche der Landesgesetzgebung gehört. Man hat nachher gleichwohl für gut befunden, dieser im E.-G. Art. 77 ausdrücklich Bestimmungen vorzubehalten über die Haftung des Staates auch für den Schaden, der in Ausübung der öffentlichen Gewalt zugefügt wird. Denn die Motive erkennen an, daß auch "die mit dem öffentlichen Rechte zusammenhängende Verpflichtung für solchen Schaden einzustehen, sich als eine privatrechtliche bezeichnen ließe". Sagen wir vielmehr: in der Wirklichkeit des Rechts, die man vorfand, war eine derartige Ausdehnung der zivilrechtlichen Grundsätze über Schadensersatzpflicht aus rechtswidrigen Handlungen geradezu herrschend geworden. Mit dieser störenden Tatsache hat sich das Gesetzbuch durch den Art. 77 seines E. G. weislich abgefunden. Für uns aber bleibt sie in ihrer ganzen Härte bestehen. Wie? Der Staat, der die öffentliche Gewalt ausüben läßt, ist doch zweifellos nicht der Fiskus, sondern steht auf unbestrittenem I Gebiete des öffentliches Rechts. Wenn hier Entschädigung stattfinden soll, warum wird sie nicht öffentlich-rechtlich geregelt, wie es sich gehört? Weshalb werden zivilrechtliche Ordnungen zur Aushilfe herübergenommen? Gegenüber feststehender Rechtsprechung und ausdrücklichen Gesetzesbestimmungen werden wir nicht einfach sagen dürfen: das ist eben unrichtig. Ein Problem ist gegeben, für das juristische Handwerk natürlich unfaßbar. Wir müssen versuchen, einen Blick zu tun hinter die Kulissen, vor denen das aufgeführt wird, was wir das geltende Recht nennen. • Zuerst veröffentlicht im Verlag v. Zahn & Jaensch, Dresden 1904.

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Gibt es öffentlich-rechtliche Ordnungen von Entschädigungspflichten des Staates? Das ist heutzutage keine Frage mehr. Sie haben sich, wie die meisten Stücke unseres Verwaltungs rechts allmählich aus den Zusammenhängen des Zivilrechts herausgelöst. In dem, wesentlich nach privatrechtlichem Muster gedachten System der landesherrlichen Hoheitsrechte findet sich schon eine besondere Entschädigungspflicht, die nur beim Landesherrn vorkommen kann, und die namentlich Hugo Grotius kräftig betont hatte: wenn er mit seinem jus eminens wegen der necessitas publica außerordentlicherweise, was des Untertanen ist, wegnimmt oder zerstört, dann soll er den Wert ersetzen; aequum et justurn est, pretium esse resarciendum, so lautet die Begründung. Im Polizeistaat bringt die lebhaftere Staatstätigkeit mancherlei Fälle mit sich, wo der Fürst aus gutem Willen Entschädigungen gewährt, wie es unter Friedrich dem Großen von den Manöverschäden heißt: "Nachteile, welche S. Majestät den Untertanen zu vergüten pflegen". Dem Verfassungs- und Rechtsstaat sind Entschädigungen aus gutem Willen grundsätzlich zuwider. Er setzt dafür die ausdrücklichen Rechtsvorschriften seiner Gesetze, meist vereinzelt, wie ihm die Materien in die Hände kommen. So erhalten wir I eine bunte Mannigfaltigkeit von Einzelbestimmungen, um nur das Reichsrecht zu nennen: Entschädigungen für Rayonbeschränkungen, Manöverschäden, Quartierlast und Requisitionen, nachträgliche Schließung genehmigter Fabriken, Inanspruchnahme patentierter Erfindungen, Tötung verseuchten Viehes, Vernichtung reblausverdächtiger Weinberge, dazu Entschädigung unschuldig Verurteilter und dergleichen mehr. Das Partikularrecht fügt weitere Einzelfälle hinzu. Es hat aber auch Verallgemeinerungen ausgebildet. Allen voran wäre zu nennen der § 75 der Einl. des A. L.-R., wonach der Staat den zu entschädigen gehalten ist, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird. Auch Gesetze wie das hamburgische vom 11. August 1859 gehören hierher, wonach der Staat entschädigt für alle Verfügungen der Verwaltungsbehörden, durch welche jemand in seinem Privatrecht verletzt wird, auch ohne Verschulden eines Beamten. überdies wird das alles noch ergänzt durch althergebrachtes Gewohnheitsrecht, wie namentlich das Reichsgericht ein solches feststellt für Entschädigungspflicht wegen Entziehung oder tatsächlicher Beseitigung von Eigentum und sonstigen Rechten 1 • Zerstreute Sätze, willkürlich herausgesuchte Einzelheiten, ungenügende Verallgemeinerungen - aber nichts ist hohler als der Anspruch auf wissenschaftliche Gediegenheit, mit welchem uns hier der Satz aufgedrängt wird: ein allgemeines Prinzip läßt sich nicht aufstellen. Das allgemeine Prinzip, das in all diesen Ordnungen erscheint, ist unver1

R.-G.-Ent. Bd. 41 S. 146.

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kennbar und es ist schon so und so oft ausgesprochen worden von den Zeiten des Hugo Grotius bis auf Moser, Pfeifer, die beiden Zachariae, Dernburg, Gierke. Geradezu genannt oder mannigfach umschrieben und geschildert, I ist es überall nichts anderes als die naturalis aequitas, die Billigkeit. Dem romanistisch gebildeten Juristen ist das keine neue und unbekannte Idee. Er weiß, wie mächtig sie wirkt bei Gestaltung des Zivilrechts. Soll sie nicht in gleicher Weise ihre Kraft bewähren können auf dem Boden des öffentlichen Rechts? Selbstverständlich darf man nicht blindlings übertragen. Man wird zuerst beobachten müssen, wie die Idee sich anpaßt den besonderen Voraussetzungen, die dort gegeben sind; dann aber ist sie durchzudenken in alle ihre Folgerungen, geradeso wie das auf zivilrechtlichem Gebiete geschehen ist. Das Wesen der Billigkeit steht in einem gewissen Gegensatze zum Recht: sie bedeutet eine Schonung, eine Rücksichtnahme, die dem einzelnen zuteil werden soll, um ihn vor Schaden zu behüten. Das Billigkeitsgefühl rührt sich gerade da am lebhaftesten, wo das geltende Recht in folgerichtiger Durchführung seiner Ordnungen den einzelnen in Schaden setzt durch unnötige Härte. Die Billigkeit vermag aber das Recht zu beeinflussen, indem dieses bei seinen Bestimmungen in gewissem Maße auf sie Rücksicht nimmt. Sie vermag sogar, wo sie besonders greifbar und zwingend erscheint, selbständige Rechtsinstitute zu erzeugen, die dann vor den anderen durch ihre Eigenart hervorstechen. Das bedeutsamste Beispiel von solchem Billigkeitsrecht geben auf dem Gebiete des Zivilrechts die Bereicherungsklagen; die Entschädigungspflicht des Staates, von der wir handeln, ist zu diesen das öffentlich-rechtliche Seitenstück. Der zivilrechtliche Verkehr bringt es mannigfach mit sich, daß im Zusammenhange der nämlichen Vorgänge der eine gegen seine Absicht verliert, während der andere gewinnt. Das mag immer etwas unbillig aussehen und bedauert werden; aber im I allgemeinen gibt es dagegen keine Hilfe. Nur für den schroffsten Fall hat sich Billigkeitsrecht gebildet: für den Fall der Vermögensverschiebung, wo ohne die Absicht des Geschädigten und ohne entsprechenden Entgelt ein bestimmter greifbarer Wert direkt aus seinem Vermögen in das des andern übergeht. Da soll die Ausgleichung stattfinden durch Herausgabe des ungerechten Gewinnes: Haec condictio ex bono et aequo introducta, quod alterius apud alterum sine causa deprehenditur revocare consueviti. Im Verhältnis zwischen Staat und Untertan handelt es sich nicht um solche Vermögensverschiebungen. Ihr Verkehr beruht wesentlich auf 1

1. 66 D. 12,6.

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Einwirkungen der staatlichen Tätigkeit auf die einzelnen. Ohne allerlei Nachteile geht es dabei für diese nicht ab; allein das sind die Daseinsbedingungen ihres Staates, dem sie nun einmal gehören; es ist nicht zu ändern. Sobald aber solche Nachteile einzelne ungleich und unverhältnismäßig treffen, beginnt sofort das Billigkeitsgefühl sich zu regen. Entferntere Schädigungen kommen auch hier wieder rechtlich nicht in Betracht: Zolltarifänderungen, Garnisonsverlegungen, Weiterführung von Eisenbahnlinien zerstören immer wirtschaftliche Werte, die auf den bisherigen Zustand gebaut sind; es ist alles guter Wille, was hier an Rücksicht geübt wird. Die Schwelle zur Rechtserzeugung, wie wir an den Einzelgesetzen sehen, überschreitet die Billigkeit auch hier wieder nur in dem greifbarsten Falle: es muß sich um eine Einbuße handeln an jenen unmittelbaren Gütern, die schon die Verfassung der Staatsgewalt gegenüber unter ihre besondere Obhut nimmt, an Freiheit und Eigentum und was ihnen gleichsteht, wie körperliche Unversehrtheit und wohl erworbene Rechte aller Art. Das ist's dann, was man nicht unpassend als das besondere Opfer bezeichnet, das I ausgeglichen werden soll; die Franzosen nennen es domrnage direct et materiel. Der Bereicherungsklage wegen ungerechter Vermögensverschiebung entspricht dann hier der Anspruch auf übernahme des besonderen Opfers auf die Gesamtheit durch Ersatzleistung aus der gemeinen Kasse. Dem vorhin angeführten Diktum Papinians können wir für das öffentliche Recht die Formel gegenüberstellen, die sich in einer Leipziger Doktordissertation von 1822 findet - Doktordissertationen sind besonders wertvolle Dokumente der allgemeinen Überzeugung, weil sie nicht leicht andere Behauptungen enthalten, als solche, die man zu ihrer Zeit ungefährdet aussprechen konnte. Sie lautet: eum et commoda et incommoda, quae ex societate civiIi oriuntur ab omnibus aquali jure ferri debeant, tunc luce clarius apparet iis quibus propter publicum usum jus vel bonum aliquod ablatum est, damnum a ceteris refundendum esse; wenn's nicht geschieht - repugnat aequitatP. Unser Leipziger Doktor steht ja glücklicherweise, wie wir gesehen haben, mit diesem seinem Zeugnis nicht allein. Ähnliche Billigkeitsforderungen, wie sie auf zivil rechtlichem Gebiete das System der Bereicherungsklagen erzeugten, haben also auch für das Verhältnis zwischen Staat und Untertan, mutatis mutandis, bestimmte Gestalt genommen und sind Gemeingut geworden; an ihren Früchten werden wir sie näher kennen lernen. Wenn es aber hier schon noch weiteren Zeugnisses dafür bedarf, so ergibt es sich aus der unglaublichen Armseligkeit der Gründe, die vorgebracht werden, wenn es dazwischen jemandem einfällt, diese Ideen zu bekämpfen. Naturrechtliche Anschauungen hat 1

Marschner, de potestate principis circa auferenda jura et bona civium,

§ 43, § 52.

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man ihnen noch jüngst vorgeworfen - nun ja denn! - aber auch, horribile dictu, den schnöden Standpunkt des Kapitalismus! Dann müßte auch, droht man, Vergütung geleistet werden für die besonderen Vorteile, die der einzelne etwa vom Staate bezieht - als ob das nicht tatsächlich in reichem Maße geschähe durch Gebühren und Beiträge! Schließlich stellt man sich an, als glaube man, daß nun für jedes Opfer, das der Untertan dem Staat zu bringen hat, Entschädigung verlangt werde, während doch nur das besondere Opfer, die ungleiche Belastung eine Frage ist. Die Voraussetzungen sind hier durch den angenommenen Billigkeitsgrundsatz ebenso bestimmt abgegrenzt, wie bei den zivilrechtlichen Bereicherungsklagen. Wenn man einen Überblick gewinnen will über den Umfang der Fälle, die danach hierher gehören, so wird man zunächst am besten ganz absehen von der besonderen Art, wie das alles nachher seine Rechtsverwirklichung findet. Die Einzelgesetze über Entschädigung nehmen ja immer nur ein Stück aus der Gesamtheit der Billigkeitsforderungen heraus, wie es der Zufall der gesetzgeberischen Geschäftsgelegenheiten bringt; ganz gleichwertige Fälle können dabei unberücksicht bleiben. Auch die Unterscheidung, auf die man sich viel zu gute tut, ob eine rechtswidrige Handlung der Diener des Staates im Spiele ist oder nicht, wird man nur dann von vornherein als maßgebend gelten lassen können, wenn man schon entschlossen ist, der Rechtsverwirklichung hier mit den zivilrechtlichen Deliktsregeln zu Hilfe zu kommen. Das ist aber eben die Frage. Zunächst können sich für uns die Fälle einzig nach der verschiedenen Art gruppieren, wie der Staat dazu kommt, solche Schädigungen, die ungleiche Opfer vorstellen, einzelnen Untertanen aufzulegen. Es kann förmlich und absichtlich geschehen. Deshalb steht an der Spitze der Fall, an welchem die ganze Idee ihr Licht zuerst entzündete, der Eingriff in Form Rechtens: Rechts Iveränderung durch Enteignung, Rayonbeschränkung, nachträgliche Schließung gewerblicher Anlagen. Davon würden wir unterscheiden als zweite Gruppe die tatsächlichen Eingriffe: Entnahme von Straßenbaumaterialien aus dem von der Behörde dazu bezeichneten Privatgrundstücke, Vernichtung reblausverdächtiger Weinberge, Zerstörung des Hauses, das die Feuersbrunst verbreiten könnte. Der erste Fall ist fast Enteignung, der letzte grenzt wieder an ein anderes Gebiet. Wir können es bezeichnen als das der rücksichtslosen Maßregeln: der Staat hat es nicht, wie bei der ersten und zweiten Gruppe, darauf abgesehen, ein bestimmtes Gut in Anspruch zu nehmen, aber er führt Unternehmungen, die geeignet sind, Schaden anzurichten, unverwandt

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durch und unhemmbar, auf die Gefahr hin, daß sie das tun: Militärschießstände, welche die Kugeln überfliegen lassen, die Nahrungsmittelpolizei, welche Sahne weggießen läßt, weil sie gewässerte Milch darin sehen kann, die Patrouille, welche nach dem flüchtigen Arrestanten schießt und den Vorübergehenden trifft, und, ach, die Justiz, diese gefährlichste Einrichtung des Staates, die doch nicht unterlassen darf, das scharfe Schwert der Gerechtigkeit zu schwingen, wie mancher Unschuldige ihr auch schon darunter gekommen ist. Auch die Manöverschäden gehören hierher: die Truppen ziehen aus, nicht um bestimmte Privatgrundstücke staatlichen Eingriffen zu unterwerfen; sie lassen sich nur durch die Rücksicht auf solches Eigentum in ihren Bewegungen nicht hemmen. Hinter all dem lauert schon ein besonderes Element, das man nur nicht überschätzen darf: Rechtswidrigkeit und Verschuldung. Manöverschäden sind nichts Rechtswidriges; gewisse Grundstücke verbietet das Gesetz dabei zu betreten; geschieht es doch, so ist es Rechtswidrigkeit: selbstverständlich entschädigt der I Staat im einen Falle wie im andem. Ob die Kugel den Kugelfang überfliegt, wie derartige Übungen es eben so mit sich bringen, oder die strafbare Dummheit eines Rekruten nachweislich dabei im Spiele war, macht für die Entschädigungspflicht des Staates nichts aus. Selbständige Bedeutung, aber keineswegs ausschließliche, bekommt dieses Element der Verschuldung erst bei einer weiteren Gruppe: nicht bloß rücksichtslose Maßregeln, alle Arten von öffentlichen Unternehmungen können Schaden anrichten. Es ist nicht darauf abgesehen, die einzelnen zu belasten wie bei der ersten und zweiten Gruppe; es soll auch nicht rücksichtslos vorgegangen, vielmehr jede Schädigung vermieden werden. Aber es gelingt nicht; alle menschlichen Unternehmen bringen immer einen gewissen Prozentsatz von Mangelhaftigkeit mit, vermöge dessen sie fehlgehen und Schaden anrichten können. Wen das trifft, der trägt zunächst diese notwendigen Kosten der Verwirklichung des Unternehmens allein; die Billigkeit fordert dann vom Staate den Ausgleich. Ein solches Fehlgehen des Staates kann sich ergeben aus einem Verschulden seiner Leute: Schiffszusammenstöße, Überfahren eines Menschen durch Militärfuhrwerk. Aber es hängt nicht lediglich daran; in anderen Fällen wirkt es unmittelbar aus den fehlerhaften Zuständen seiner Einrichtungen, wobei es dann nicht darauf ankommt, daß der bestimmte Beamte nachgewiesen wäre, durch dessen Schuld das so geworden ist: Unfälle bei Benutzung der öffentlichen Straße spielen hier eine Hauptrolle. Unter Umständen genügt es, daß der Schaden eingetreten ist, um anzunehmen, daß er aus den Einrichtungen des Staates

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heraus verursacht wurde: so wenn er fremde Sachen in seinen Gewahrsam genommen hat durch Beschlagnahme, Requisition, Hinterlegungszwang u. dergl. und die Sache untergeht oder ver Iletzt wird. Damit kommen wir freilich auf allzu interessante Fragen des Verwaltungsrechtes; darum genug.Es ist ein weites Gebiet, auf welchem unsere Billigkeitsregel ausgleichende Entschädigung fordert, überall gleichmäßig fest und bestimmt; wir haben die Grenzen nur angedeutet. Nun aber schreibt man mit Recht: Otto Mayer muß selbst zugeben, daß Billigkeitsforderungen für sich noch keine Rechtssätze sind. Natürlich! Es kostet mich auch keine Überwindung anzuerkennen, daß nicht alles, was logisch als gleichberechtigte Billigkeitsforderung erscheint, unmittelbar gedeckt wird durch die gesetzlichen Einzelbestimmungen samt den weitestgehenden Formulierungen allgemeiner Entschädigungspflichten in Gesetz und Gewohnheitsrecht. Es bleiben auf alle Fälle Lücken, größere oder kleinere, namentlich da es ja streitig sein kann, wie weit das Gewohnheitsrecht geht. Aber man darf sich doch auch der Tatsache nicht verschließen, daß derartige Lücken in der Wirklichkeit des Rechtes sich auszufüllen vermögen und daß ein Billigkeitsrecht dafür ganz besonders günstige Bedingungen hat. Alles Recht besteht nur, soweit es gehandhabt und durchgeführt wird. Ein hartes Recht vermag sich auf die Dauer schwer zu halten; ein Billigkeitsrecht, ein solches, das geradezu darauf gerichtet ist, Forderungen der überzeugenden Billigkeit zu verwirklichen, ist ganz anders daran. Soweit es förmlich gesetzt ist, wird es gehegt und gepflegt und ausgedehnt; es ist geneigt, von selbst zu entstehen als Gewohnheitsrecht, und wo im modernen Staat, namentlich in seinem öffentlichen Rechte, diese Form der Rechtsschöpfung außer Anwendung gesetzt ist, da genügt der Rechtshandhabung irgend ein äußerlicher Anhaltspunkt im gegebenen Recht, um die durch die Billigkeit gelieferten fertigen Regeln daran anzuknüpfen und sie mit einer entlehnten Rechtssatzkraft auszustatten. I Das ist bei den Bereicherungsklagen des Zivilrechts ganz augenscheinlich der Fall. Der code civil z. B. enthält darüber nichts als die condictio indebitP. Das französische Recht hat aber tatsächlich auf dieser Grundlage die ganze Fülle der Ordnungen verwirklicht bekommen, welche die Billigkeit an die ungerechte Vermögensverschiebung überhaupt knüpft. Unser B. G.-B. sagt wohl ganz schön, daß man verpflichtet sei herauszugeben, was man auf Kosten eines andern ohne rechtlichen Grund erlangt hat - was das heißt, verstünde kein Mensch, wenn nicht die einfachen Forderungen der Billigkeit es genau bestimm1

art. 1376, 1377.

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ten und die unübertrefflichen Erläuterungen, welche die römischen Juristen hier der naturalis aequitas gegeben haben. So aber genügen auch solche wenig geschickte Andeutungen des Gesetzes, damit das Billigkeitsrecht in seinem gehörigen Umfange sich verwirkliche. Die Billigkeitsforderung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes, dem schädigenden Staate gegenüber, zeigt die nämliche Erscheinung. Lehrreich ist dafür namentlich das französische Recht. Dort ist geltende Ordnung, daß das Zivilrecht nicht anwendbar sei auf die Entschädigungen, welche der Staat für die von ihm zugefügten Nachteile zu leisten hat; deshalb erkennen darüber ordentlicherweise die Verwaltungsbehörden, im letzten Grunde das oberste Verwaltungsgericht, der Staatsrat. Nach welchen Regeln? Diese Rechtsprechung stützt sich, wie Michoud neuerdings wieder festgestellt hat, "uniquement sur une idee generale de justice et d'equite, qu'aucun texte ne formule"2. Oder wie der führende Mann der heutigen Verwaltungsrechtswissenschaft, Hauriou, den Grundsatz formuliert: "si l'administration cause des prejudices a quelques uns, I c'est pour le bien de tous et il serait souverainement injuste que les uns pätissent pour les autres; - les administres dont les proprietes subissent des depreciations par suite d'operations speciales accomplies par l'administration doivent etre consideres comme ayant contribue par ce sacrifice a l'reuvre commune et comme ayant acquis par la des droits a l'indemnite 1." Er nennt das "une juridiction pretorienne"2. Also ein durch die Verwaltungsgerichte geschaffenes Billigkeitsrecht! Ganz ohne äußere Grundlage kann es natürlich nicht sein. Altes Gewohnheitsrecht aus der Zeit vor der Revolution ist zweifellos herübergenommen worden. Aber die heutigen französischen Juristen wollen von Gewohnheitsrecht nichts wissen. Wenn der Staatsrat dem von ihm unverbrüchlich gehandhabten Entschädigungsrecht eine Legitimation geben will, beruft er sich einfach auf den jetzt noch gültigen Art. 13 der Erklärung der Menschenrechte, der da, ähnlich wie § 38 der Sächsischen Verfassung, bestimmt: alle Bürger haben gleichmäßig zu den Staatslasten beizutragen. Und dieses französische Entschädigungsrecht umfaßt im wesentlichen lückenlos das ganze vorhin aufgestellte System von Billigkeitsforderungen, insbesondere, wie hervorgehoben werden muß, auch die zuletzt erwähnte Gruppe, wo der ungerechte Schaden zusammenhängt mit einem Verschulden, einer Verfehlung der Leute des Staates. Im Erfolg kommt das vielfach auf das nämliche heraus, wie wenn der Staatsrat 2

1 !

Revue du droit pub1. 1895 II p. 14. prtk d. droit adm. S. 239, 242. 1. c. S. 38.

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das Deliktsrecht des code civil, insbesondere den berühmten Art. 1384, auf den Staat anwendete. Aber das will er keineswegs; die Staatsratsentscheidung bei Huc, commentaire, den das Reichsgericht dafür anruft, sagt nichts von Art. 1384, sondern gibt I als einzige Begründung bezeichnenderweise nur den Satz: in der Erwägung, daß der Minister mit Unrecht behauptet, eine Vergütung sei hier nicht geschuldet 1• Das sind Erwägungsgründe, wie sie allerdings nur das, rechtswidrige und rechtmäßige Einwirkung gleichmäßig umfassende Prinzip der Billigkeit diktieren kann. So das französische Recht2 • Wie steht es bei uns? Der erste Eindruck ist der einer gänzlichen Zerfahrenheit und Systemlosigkeit. Namentlich die neuere Literatur setzt etwas darein, diese möglichst arg erscheinen zu lassen. Man hüllt sich in die Toga unerbittlicher Korrektheit und affektiert eine tugendhafte Scheu vor dem verwerflichen Konstruieren und vor allem, was nach Naturrecht aussehen könnte. In der Wirklichkeit der Praxis ist es nicht so schlimm. Die Billigkeitsforderung kommt tatsächlich auch bei uns zu ihrem Recht - wie könnte es anders sein! nur geschieht es in abweichender, ganz eigentümlicher Form. Der Punkt, von welchem der ganze Unterschied ausgeht, ist leicht zu ersehen. Die schroffe Fernhaltung der Gerichte von allen öffentlichrechtlichen Fragen, zu welchen in Frankreich bekannte geschichtliche Eindrücke geführt haben, ist uns fremd. Bei uns erkennen sie in weitem Maße über Geldansprüche gegen den Staat, auch wenn sie, genau genommen, dem öffentlichen Rechte angehören, und namentlich die Entscheidung über Vergütungen, welche dieser zu gewähren hat, ist ihnen fast durchweg geblieben. Damit treten diese Vergütungen bei uns in das Zeichen des I Zivilrechts, unter den Einfluß der zivil rechtlichen Gedankenwelt, die nun einmal bei den Gerichten herrscht und herrschen muß: die Entschädigungspjlicht des Staates wird zivilrechtlich erklärt und begründet. Das macht nicht viel aus, wo diese Entschädigungspflichten durch besondere gesetzliche Bestimmungen anerkannt und geregelt sind. Da ist es wesentlich nur eine Sache verkehrter Titulatur. Für die große Lücke aber, wo ein einfach anzuwendender gesetzlicher Rechtssatz nicht besteht, da waltet die zivilrechtliche Konstruktion frei und schöpferisch. Denn das Billigkeitsrecht, das mit zwingender Gewalt Cons. d'Etat 1l. Mai 1883; Dall. 85, 3.3: R.-G.-Entsch. 54 S. 23. Für einen einzigen Fall bestand bis in die neueste Zeit eine Lücke: die Verwaltungsrechtspflege, offenbar dem Prinzip der Gewaltentrennung gehorchend, wagte sich nicht an die Entschädigung unschuldig Verurteilter; ein Gesetz von 1895 ordnet jetzt bei Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren eine Entschädigung durch das Gericht, ganz wie nachher unser Reichsgesetz von 1898. 1

Z

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nach Verwirklichung strebt, sucht sich die Anlehnung an das gegebene Recht, die es doch nun einmal nicht entbehren kann, in den verwegensten Zurechtbiegungen zivilrechtlicher Rechtssätze. Was unsere Rechtsprechung auf diesem Gebiete geleistet hat, darf den Vergleich keineswegs scheuen mit der Kühnheit des französischen Staatsrats in Ausbeutung des verschwommenen Satzes der Erklärung der Menschenrechte. Es ist nur viel bunter und mannigfaltiger. Entschädigung, Schadensersatz - für die zivilrechtliche Auffassung liegt es natürlich am nächsten, die Pflicht des Staates hierzu zu begründen aus einer Haftung für die rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten.

Unser früheres Recht war in den meisten Gebieten wenig handlich, um einer juristischen Person so unmittelbar beikommen zu können. Am günstigsten stand es noch im Geltungsbereiche des code civil, wo nach dem oben erwähnten Art. 1384 der commettant, der Auftraggeber, für die Verfehlungen seines Beauftragten, des prepose, einfach einzustehen hat. Im Dienste der Billigkeit haben unsere Gerichte diese Bestimmung auf das freigebigste verwertet, um den Staat schadensersatzpflichtig zu erklären. Er wurde als commettant verurteilt, wenn sein Forst Ipolizeibeamter den verfolgten Holzfrevler fahrlässig verletztet, wenn die reglementsmäßig feuernde Militärpatrouille einen Unbeteiligten traf 2 , wenn Gefängnissträflinge infolge mangelhafter Beaufsichtigung bei ihrer Zwangsarbeit zu Schaden kamen3 • Wenn der Staat selbst unter solchen Voraussetzungen als' Fiskus und Privatunternehmer zivilrechtlich behandelt werden darf; dann gibt es keinen Fall mehr, wo er das nicht wäre. Der Billigkeitsforderung entsprach allerdings die Verurteilung in all diesen Beispielen. Mißhandelt ist immer nur der Art. 1384 c. c., der nicht zu solcher Anwendung bestimmt ist. Das Deliktsrecht der meisten deutschen Gebiete bot solche Handhaben wie der Art. 1384 nicht. Da wurden denn anderweite Konstruktionen zu Hilfe genommen. Eine besonders gern angewandte Formel ist die, daß man zunächst irgendeine privatrechtliche Pflicht zu einem bestimmten Verhalten aufstellt, die dem Staat obgelegen hätte und für deren Nichterfüllung er Schadensersatz zu leisten hat. Ein Dampfer der Verwaltung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, der den Zwangslotsen bringt, rennt an ein fremdes Schiff. Sein Führer hatte sich gegen die Vorschriften der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung von Schiffszusammenstößen verfehlt. Das Reich haftet nicht für 1 2 3

R.-G. 8. Dez. 1882.

O.-L.-G. Colmar 9. Jan. 1888. Jur. Ztschr. f. E. L. IX S. 273.

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ihn nach allgemeinem Deliktsrecht, haftet auch nicht als Reeder, weil kein Gewerbebetrieb bei ihm vorliegt. Aber die Polizeiverordnung, heißt es, wirkte zugleich unmittelbar auf das Reich als Schiffseigentümer, das selbst rechtswidrig gehandelt hat, weil es das ihm als solchem vorgeschriebene Verhalten bei diesem Manöver nicht erfüllt hat. Es wird zahlungspflichtig gemacht, indem man es im Geiste gewaltsam selbst ans Steuer setzt4 • - Auf einem Staatsbahnhof hatten I die Leute einen Graben offen gelassen und ein Arbeiter fällt hinein. Die Leute hatten damit eine vorhandene Polizeistrafbestimmung übertreten. Diese enthält aber zugleich eine "Norm" für den Grundeigentümer, dergleichen auf seinem Eigentum nicht zu dulden und wegen Nichterfüllung dieser Pflicht, "die ihre Quelle im Privatrecht hat", haftet der Fiskus unmittelbar 1 • Hier ist ja zivilrechtliches Gebiet. Aber darüber hinaus wird die Formel noch schärfer: für Unfälle, die auf der öffentlichen Straße sich ereignen, hat man, unabhängig von einschlägigen Polizeivorschriften, einen allgemeinen "privatrechtlichen Schuldgrund" aufgestellt. Der Straßeneigentümer, sagt man, hat dem Publikum gegenüber die Pflicht übernommen, die nötigen Vorkehrungen zutreffen, damit kein Schaden geschieht 2 • Bei Glatteis ist nicht gestreut und es kommt jemand zu Fall, Schuttansammlungen sind nicht beseitigt und ein Pferd tritt sich einen Nagel in den Fuß, der Fiskus haftet aus jener Pflicht - reines Naturrecht! In anderen Fällen arbeitet man wieder mit fingierten Verträgen. So bei gerichtlichen Hinterlegungen, auch bei erzwungenen. Der Staat soll entschädigen, wenn die Sache, deren er sich bemächtigt hat, bei ihm untergeht oder verletzt wird; das kann man sich aber nur mit Hilfe zivilrechtlicher Formeln zurechtlegen; also hängt man ihm zunächst ein "vertragsähnliches Forderungsrecht" an, dessen Nichterfüllung ihn haftbar macht 3• Ebenso verfährt man bei Sequestrationen, Beschlagnahmen jeder Art: mit den gewagtesten Quasiverträgen müssen die öffentlichrechtlichen Eingriffe des Staates ungewollte Verbindungen eingehen, damit nur die Billigkeit zu ihrem Recht kommt. I Eine besonders merkwürdige Rolle haben solche fingierte Verträge gespielt bei Veränderungen, die mit der öffentlichen Straße vorgenommen werden. Wenn ein Wohnhaus dadurch seinen Zugang, Licht und Luft seiner Fenster verliert, so fordert ja zweifellos die Billigkeit einen Ausgleich für das schwergeschädigte Eigentum. Das Reichsgericht hat das rechtlich möglich gemacht durch Annahme eines Vertrags, dessen R.-G.-Entsch. Bd. 39 S. 187. R.-O.-H.-G. 10 Dez. 1872. 2 R.-G.-Entsch. Bd. 54 S. 57. Auch die Wegebaupflicht wird verwertet, obwohl sie doch einen ganz anderen Sinn hat: R.-G.-Entsch. Bd. 52 S. 374. 3 Loening, Haftung des Staates, S. 131. 4

1

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Verletzung den Staat oder die Gemeinde zum Schadensersatz verpflichtet. Der Vertrag wird dadurch geschlossen, daß der Straßeneigentümer durch Herstellung der Straße die Angrenzer einlädt, Häuser daran zu errichten, und daß diese das Angebot annehmen, indem sie bauen!. An die Wahrheit eines solchen Vertrags zu glauben, ist für den Juristen keine leichte Sache; aber die Billigkeit ist eine rücksichtslose Gebieterin. Das B. G.-B. hat, wie gesagt, diesen Zustand unberührt lassen wollen; die Schärfung des juristischen Gefühls für die Grenzlinie zwischen öffentlichem und Zivilrecht, die wir von seinem Auftreten erwarten dürfen, wird erst allmählich Früchte tragen. Zunächst hat es hier nur in zweierlei Richtung gewirkt. Einmal war die Landesgesetzgebung teilweise rasch bei der Hand, den ihr durch Art. 77 E.-G. belassenen Spielraum auszunützen durch ausdrückliche Bestimmungen, welche die Haftung des Staates für Ausübung der öffentlichen Gewalt zivilrechtlich ordnen sollen. Das Bayrische A. G. läßt den Staat unmittelbar statt des schädigenden Beamten haften und zwar auch in Fällen, wo diesem selbst ein Verschulden nicht zugerechnet werden kann. Der Zusammenhang des Rechts der unerlaubten Handlung und des zivil rechtlichen Verschuldungsprinzips ist damit gänzlich aufgegeben; es besteht eigentlich gar kein Grund, das noch eine zivilrechtliche Haftung zu nennen. In Preußen I hat das A. G. den Art. 1384 in der Rheinprovinz bestehen lassen, "soweit er auf die Ausübung der öffentlichen Gewalt Anwendung findet". Der Minister hatte mit Recht bestritten, daß das überhaupt der Fall sei. Das Reichsgericht erklärt aber neuerdings noch auf Grund dieses Artikels die Gemeinde verantwortlich für Ausschreitungen ihres Polizeisergeanten 1 ; der Artikel gilt also in der Rheinprovinz jetzt nur noch für diejenigen Fälle fort, für welche er nicht gemeint war; für sein eigentliches Anwendungsgebiet ist er aufgehoben. Ähnlich Baden und Hessen 2 • Andererseits zeigt sich jetzt in der Rechtsprechung das Bestreben, die merkwürdigen privatrechtlichen Pflichten, mit welchen man früher arbeitete, zu ersetzen durch direkte Anlehnungen an Bestimmungen des B. G.-B. Um für Schäden aus schlechter Beschaffenheit der Straßen den Straßeneigentümer haftbar zu machen, wird jetzt ein "allgemeiner Grundsatz" dem B. G.-B. entnommen, insbesondere aus der Analogie der Haftung nach § 836 für Gebäudeeinsturz3 • Daß die öffentlichen R.-G.-Entsch. Bd. 10 S. 271. R.-G.-Entsch. Bd. 54 S. 1. Z R.-G.-Entsch. Bd. 54 S. 199 bringt eine interessante Anwendung dieses Deliktrechts auf militärische Scharfschießübungen. 3 R.-G.-Entsch. Bd. 54 S. 58. 1 1

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Straßen als Privatunternehmen zu behandeln sind, ist dabei selbstverständlich. Aber selbst die militärischen Übungen entziehen sich dieser Beurteilung nicht. Im Elsaß fällt eine Telegraphenstange um, welche die Truppen an die Mauer eines Fabrikgebäudes mit Draht befestigt hatten: das Reich haftet für die Verletzung nach B. G.-B. § 837 wegen Ablösung von Teilen eines Gebäudes und nach § 831, weil die Offiziere oder Militärbeamten - wer es ist, ist gleichgültig - es an der nötigen Sorgfalt bei Überwachung der Leitung haben fehlen lassen. "Mit der I Militärhoheit hat diese militärische Telegrapheneinrichtung nichts zu tun" - damit wird die Frage der Grenzen des Zivilrechts abgefertigt!. - Nur die Hausbesitzer an der verlegten Straße gehen künftig leer aus, da das Reichsgericht den Vertrag mit den Straßeneigentümern nicht mehr zu konstruieren weiß2. Im ganzen setzt sich nach wie vor die Billigkeitsforderung durch in Formen des Zivilrechts. Sie ist stark genug dazu, obwohl sie schwere Opfer verlangt, flagrante Übergriffe in das natürliche Gebiet des öffentlichen Rechts, Verrenkungen und Ausreckungen der zivilrechtlichen Rechtsinstitute. Aber bei diesem Kraftstück leidet sie selbst. Sie muß incognito auftreten. Man bekennt sich nicht zu ihr, sondern wahrt den Schein, Deliktsrecht anzuwenden. Was dabei herauskommt, entspricht ihr in der Hauptsache, aber sie geht doch durch eine fremde Idee hindurch, in welcher ihr Licht sich bricht. Es wird zu viel gewährt im Umfang der Fälle und im Maß der Entschädigung; das Deliktsrecht führt in beiden Richtungen weiter 3 • Es wird aber auch zu wenig gewährt; ob entschädigt wird, hängt nicht lediglich ab von der Frage: fordert es hier die natürliche Gerechtigkeit zur Ausgleichung einer unbilligen Last, sondern es kommt auch darauf an, ob die künstlichen Formulierungen, welche alles auf die Rechtssätze über unerlaubte Handlungen zurückführen sollen, hier noch möglich sind und noch mitgemacht werden können; denn irgendwo gebietet da doch das juristische Gewissen des Richters Halt. Und wo ist die Grenze? Wenn ein die Straße zierender Baum umfällt, haftet der Fiskus nach jenem allgemeinen Grundsatz, der in den Regeln über Gebäudeeinsturz zu finden sein so1l4. Wenn aber der Bahnwärter die Schranke I nicht offenhält, so daß jemand in der Dunkelheit daranrennt, haftet der Fiskus nicht, weil hier nichts eingestürzt ist und der Bahnwärter nicht als "Willensorgan " oder "verfassungsmäßig berufener Vertreter" betrachtet werden kann 1• Wenn jemand in einem Loch des Straßenpflasters 1 2

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R.-G.-Entsch. Bd. 54 S. 9. R-G.-Entsch. Bd. 51 S. 251. Liszt, Del.-Obl. S. 1, S. 4. R-G.-Entsch. Bd. 52 S. 374. R-G.-Entsch. Bd. 47 S. 328.

17 otto Mayer. Bd. I

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sich verletzt und es ist ein Straßenkontrolleur bestellt, so wird dieser sofort zum verfassungsmäßig berufenen Vertreter und die Stadt haftet!. Hat aber die Gemeinde keinen solchen bestellt und es entsteht Schaden durch den Zustand der Straße, so können die verfassungsmäßigen Vertreter sich auf die Beauftragten verlassen, die es besorgen sollten, und die Stadt haftet nicht 3• Glatteis auf dem Bahnhofsvorplatz macht den Fiskus nicht verantwortlich, wenn lediglich der Bahnmeister daran schuld ist, daß nicht gestreut wurde, wohl aber, wenn der Betriebsinspektor es an der nötigen Sorgfalt hat fehlen lassen4 • Quisquilien! Statt der lebendigen Gerechtigkeit erhalten wir die Zufallsprodukte der juristischen Konstruktionskunst. Diese letztere wollen wir nicht verachten; aber hier gerade, wo es sich um Billigkeitsrecht handelt und nur die Billigkeitsforderung die Gewaltsamkeiten rechtfertigen kann, die begangen werden, um es zu erzielen, gibt das einen schrillen Mißton. War das notwendig? Mußte die steife zivilrechtliche Formel die schöne natürliche Idee entstellen? Hatten wir nicht auch unsere Verfassungsbestimmungen über gleiche Verteilung der öffentlichen Lasten, unsere Einzelgesetze über öffentlich-rechtliche Entschädigung, unser altes Gewohnheitsrecht und die zahlreichen Stimmen in der Literatur, die allgemeine Billigkeitsentschädigung zu fordern scheinen? Und wahrhaft goldene Sätze I wie den des § 75 der Einleitung des A. L.-R.! Alles das ist unfruchtbar geblieben und mußte es bleiben gegenüber der Starrheit der zivilrechtlichen Auffassung. Die Gerichte haben eben les dHauts de leurs qualites! Und nicht bloß bei uns! Man darf ja nicht glauben, daß nur die Deutschen die verzweifelte Neigung hätten, alles um jeden Preis, auch der Logik und der Harmonie der Gedanken, zivilrechtlich sich zurechtzulegen. Es liegt in der Natur der Zivilgerichte überhaupt. Und der beste Beweis dafür ist, daß sie es auch in Frankreich nicht anders machen. Wo sie des Staates habhaft werden können, behandeln sie ihn auch dort als commettant im Sinne des Art. 1384 und als haftbar nach zivilrechtlichem Deliktsrecht, ohne die Grenzen des öffentlichen Rechtes zu achten. Und in der sich daran knüpfenden zivilistischen Literatur finden wir alle unsere wunderlichen Konstruktionen wieder von der Auffassung der Enteignungsentschädigung als Schadensersatz für Rechtswidrigkeit bis zum fingierten Vertrag des Straßeneigentümers mit dem angrenzenden Hausbesitzer1 . Der Unterschied ist nur der, daß dort der Staatsrat seine festbegründete Rechtsprechung nach Billigkeitsrecht dem gegenüberstellt und daß über diese beiden widerstreitenden Auf2

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O.-L.-G. Stettin 15. Juli 1902. O.-L.-G. Kiel 11. Juli 1902. R.-G.-Entsch. Bd. 53 S. 281. Demolombe XII u. 699; Aubry und Rau III S. 70; Laurent XX S. 418 ff.

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fassungen der große, in letzter Linie allein maßgebende Regulator der Kompetenzkonfliktsentscheidung tritt. Und diese Regulierung ist, mit Ausschluß alles Zweifels, zu Gunsten der Verwaltungsgerichte ausgefallen; abschließend war in dieser Hinsicht der berühmte Fall Blanco, Kompetenzkonfliktshofs-Entscheidung vom 8. Februar 1873. Das allein hat in Frankreich die vollkommene und einheitliche Entfaltung des öffentlichen Billigkeitsrechts ermöglicht. Die Gerichte freilich fallen immer wieder in die Neigung zurück, ihren I code civil mit seinen delits et quasi-delits, im Widerspruch mit dieser geltenden Ordnung, auf den Staat anzuwenden; sie können einfach nicht anders. Aber das gibt doch nichts als durchgeschlüpfte arretes, auf die man sich bei objektiver Beurteilung des französischen Rechts nicht berufen darf. Gerade dieser rechtsvergleichende Ausblick ist besonders dazu angetan, die Lehre zu bekräftigen, die sich aus der Betrachtung unserer eigenen Rechtszustände mit zwingender Gewalt ergibt. Das Heil kann nur in einem Punkte gesucht werden. Nicht in der Richtung, welche Dreyer in seiner vielzitierten Abhandlung - Zeitschrift f. franz. Ziv.-R. IV S. 383 ff. - empfiehlt. Er hebt mit Recht hervor, "vom Standpunkt der natürlichen Billigkeit" ein Unterschied zwischen dem "erlaubten und unerlaubten Eingriffe" nicht gemacht werden kann. Er will aber aushelfen durch die "Analogie der Ersatzpflicht für Expropriation"; dadurch würde, meint er, die sog. staatsrechtliche Begründung der Haftpflicht auf eine "privatrechtliche Grundlage" zurückgeführt und auch, woran ihm viel liegt, die zivilgerichtliche Zuständigkeit für die Zukunft gesichert. - Das öffentliche Billigkeitsrecht wird auf diesem Boden nicht gedeihen, auch wenn man ihn mit neuen Fiktionen privatrechtlicher Grundlagen düngt. Man könnte eher daran denken, durch ausdrückliches Gesetz die von den Gerichten zu handhabende öffentlich-rechtliche Entschädigungspflicht genau zu formulieren. Der zur Zeit vorliegende Entwurf eines Enteignungsgesetzes für Elsaß-Lothringen hat Bestimmungen dieser Art aufgenommen. Aber man darf nicht vergessen, daß es sich um Billigkeitsrecht handelt; das läßt sich nicht so vollkommen formulieren, daß keine auszufüllenden Lücken bleiben, und die schöpferische Ergänzung werden die Gerichte immer entlehnen aus den geläufigen Ideen des Zivilrechts, aus Vertrag und Delikt. I Es gibt kein anderes Mittel, solche unwillkürliche Verfälschungen des öffentlichen Billigkeitsrechtes zu verhüten, als die Beseitigung der Justizzuständigkeit, die ja hier reichsrechtlich nicht gefordert, nur eine übertragene ist. Das wird zugleich ein Mittel sein, um das Reichsgericht ganz erheblich zu entlasten und für dankbarere Aufgaben freizumachen. Die Verwaltung muß die Zuständigkeit für die Gewährung solcher Ent17·

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schädigungen in Anspruch nehmen. Ansätze dazu finden sich genug, namentlich auch in der sächsischen Praxis. Unerläßlich ist aber, daß die Form des Rechts dabei gewahrt werde; die Verwaltungsgerichte müssen auf alle Fälle das letzte Wort haben. Das Gesetz, statt wie in Bayern, Baden, Hessen Versuche zu machen, das Zivilrecht hier künstlich zu konservieren, hätte auszusprechen: Ober Ansprüche der öffentlichen Verwaltung entscheiden die Verwaltungsbehörden unter Vorbehalt der Berufung zum Oberverwaltungsgericht. Dann macht sich alles weitere von selbst. Die Verwaltung, die mitten in den Zusammenhängen steht, aus welchen die Billigkeitsforderungen erwachsen, ist durch die Natur der Sache berufen, diese zu verwirklichen; sie wird unmittelbarer von ihnen geleitet, worauf doch hier alles ankommt, und freier von fremdartigen Formeln. Die Weisheit einer Ordnung der Dinge auf diesem Fuße ist für die Justizschäden durch das Gesetz vom 20. Mai 1898 zur vollen Anerkennung gekommen. Wenn nach vollstreckter Strafe im Wiederaufnahmeverfahren die Freisprechung erfolgt, so war ein Unrecht geschehen. Warum läßt man nicht mit einer der beliebten Deliktskonstruktionen den Justizfiskus im Wege der Schadens ersatz klage haftbar machen für die Richter als seine fehlenden Organe, Vertreter, preposes? Nach dem Gesetz erklärt jetzt einfach die Justiz selbst, die den Fehler gemacht hat: I die Staatskasse soll entschädigen; wozu die Verpflichtung, wie die Motive sagen, aus der Justizhoheit sich ergibt. Der Staat will sich also hier als der nämliche zeigen, der geschädigt hat und der um der Gerechtigkeit willen auch den Schaden wieder gutmacht. Ein feines Empfinden für die Würde ihres Amtes hat die Gerichte hier immer abgehalten, ihn als einen mittelbaren Delinquenten zu behandeln, der für sie zu büßen hat und sich darin rekalzitrant zeigt. Daß die gleiche Auffassung auch für den verwaltenden Staat zur Geltung gelange, ist das Gebot eines entwickelteren Staatsbewußtseins und uns ein ernstes, dringendes Anliegen. Denn es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Rolle der Staat dem Volke tagtäglich dargestellt wird, das ihn mit Ehrfurcht betrachten soll. I

Der gegenwärtige Stand der Frage des öffentlichen Eigentums Vortrag gehalten in der Wiener Juristischen Gesellschaft am 6. März 1907· Die Freude des Mannes, der das Pulver erfunden hat oder die drahtlose Telegraphie, ist dem Juristen versagt. In der Rechtswissenschaft gibt es keine Erfinder oder sollte es sie wenigstens nicht geben. Nur was das Leben wirksam und schaffend an Rechtsstoff schon enthält, weist sie auf und beschreibt sie. Noch mehr: auch die Art, wie sie das beschreibt, die Begriffe, mit welchen sie das Vorgefundene zu erfassen und zu Verständnis und sicherer Beherrschung zu bringen sucht, sie werden besser von ihrem Vertreter nicht auf den Markt gebracht mit der frohen Verkündigung: dieses habe ich im stillen Kämmerlein ersonnen als etwas Neues, Bahnbrechendes. Sondern der Sache dient es mehr, wenn er sagen kann: hier ist eine alte erprobte Denkmaschine; seht zu, ob sie nicht jetzt noch zu brauchen ist. Handelt es sich um die Fortentwicklung unseres heutigen öffentlichen Rechts, so findet man solche Begriffsbilder natürlich nicht wohl durch Nachgraben in unserer eigenen Geschichte. Vielmehr hat uns das Schicksal dafür unsere zwei grossen Lehr Imeister beigegeben: die Römer und die Franzosen. Vor zwanzig Jahren, als meinem Versuch, die Mannigfaltigkeit des Verwaltungsaktes darzulegen, der "machtvolle einheitliche Begriff des Befehls" in den Weg gestellt werden sollte, mussten mir die contrats administratifs und die pacta censoria zu Hilfe kommen, beides obrigkeitliche Verfügungen und doch ob ihrer äusseren Vertragsgestalt von der starren Form des Befehls so weit entfernt als möglich l • Seitdem ist der wichtige Prozess der Differenzierung gewaltig vorwärts geschritten. Auch mein verehrter Gegner von damals zählt jetzt in seinem Staatsrecht des deutschen Reichs so vielerlei Arten von Verfügungen auf, dass das System der Rechtsgeschäfte des Zivilrechts sein vollwertiges Seitenstück darin finden mag 2 •

* Zuerst veröffentlicht im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 21 (1907),

S. 499 - 522.

1 Arch. f. Öff. R. II S. 155 (Laband); Arch. f. öff. R. III S. 1 ff. (Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrage). 2 Laband St.R. d. deutsch. Reichs II S. 179.

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Auch heute noch allerdings sind wir mit der Entfaltung der Rechtsinstitute unseres Verwaltungsrechts zu keinem rechten Abschluss gekommen und der Punkt, an dem die Sache stockt, lässt sich wieder mit voller Genauigkeit bezeichnen: es ist das öffentliche Sachenrecht, vor allem die führende Idee, das öffentliche Eigentum. Fleiner bemerkte jüngst in seiner Tübinger Antrittsvorlesung ganz mit Recht: ich hätte gerade mit dieser Lehre keinen völligen Erfolg gehabt 3• Wären es bloss meine Gedanken, so würde ich gerne sagen: sie werden eben nicht richtig sein. Aber so ist es nicht; ich vertrete wieder nur die Gedanken derselben grossen Vorbilder, die ich vor zwanzig Jahren angerufen habe. Worum handelt es sich? Um ein öffentlich-rechtlliches Rechtsinstitut. Wir unterscheiden ein solches von seinen zivilrechtlichen Seitenstücken dadurch, dass es gebaut ist auf der Grundlage der Ungleichwertigkeit der beteiligten Rechtssubjekte, des Staates und des Untertans. Nun sagt man wohl: ein öffentliches Sachenrecht ist unmöglich; denn befehlen kann man nur Menschen, nicht Sachen4 • Ich denke aber: auch Zivilrechtsverhältnisse bestehen nur zwischen Menschen (und, ihnen gleichgerechnet, juristischen Personen). Was man Sachenrecht nennt, ist nichts als die Regelung menschlicher Rechtsbeziehungen, welche die Macht über Sachen begleiten. Steht diese Regelung auf der Grundlage der Gleichwertigkeit, so ist sie zivilrechtlicher, andernfalls öffentlichrechtlicher Natur. Eigentumserwerb durch rechtsgeschäftliche Uebertragung ist ein sachenrechtliches Institut zivilrechtlicher Art, weil das dabei erscheinende Verhältnis zwischen dem alten und neuen Eigentümer nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit geregelt ist; Enteignung ist ein sachen rechtliches - oder was sonst? - Institut öffentlichrechtlicher Art, weil das Verhältnis zwischen dem alten und dem neuen Eigentümer, der jenen durch seinen Machtspruch verdrängt, die Ungleichwertigkeit zur Grundlage hat. Und dem entsprechend: werden die Verhältnisse, in welche der Herr der Sache als solcher zu andern Rechtssubjekten tritt, zivilrechtlich geregelt, so nennen wir das Eigentum selbst ein zivilrechtliches; finden dagegen diese Verhältnisse ihre Regelung durch das öffentliche Recht, so muss das Eigentum ein öffentlich-rechtliches heissen. Das letztere wird da zutreffen, wo alle durch das gleichstellende Privatrecht geordneten Erwerbe und Einwirkungen Dritter dem Herrn der Sache gegenüber ausgeschlossen und dafür seine einseitigen Verfügungen, Verleihungen, Gewährungen allein massgebend sind, der Rechtsschutz, aber von ihm gehandhabt wird einseitig durch seine Selbsthilfe. I 3 Fleiner, Die Umbildung zivilrechtlicher Institute durch das öffentliche Recht S. 16. Diese Abhandlung gibt einen ganz vortrefflichen Ueberblick der Entwicklung unseres Verwaltungsrechtes, klar und tiefgehend zugleich. 4 Jellinek im Verw. Arch. V S. 311; derselbe, Allg. Staatslehre S. 386.

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Es sollte nicht behauptet werden können, dass das öffentliche Eigentum, in diesem Sinne verstanden, ein Gedanke ist, der in des Menschen Hirn nicht passt. Und ebenso wenig ist es zu bestreiten, dass die ihm entsprechenden äusserlichen Ordnungen in der Wirklichkeit unseres Rechtes in weitem Umfange zu Tage getreten sind und noch zu Tage treten. Mit voller Klarheit aber erscheint das Rechtsinstitut in der bekannten Lehre des französischen Rechts vom domaine public. Die dazu gehörigen Sachen: Strassen, Festungswerke u. s. w. ne sont pas susceptibles d'une propriete privee, das will sagen: die dabei sich ergebenden Rechtsbeziehungen regeln sich nicht nach Privatrecht; geregelt sind sie natürlich doch, aber eben nach öffentlichem Recht, das öffentliche Eigentum ist öffentlich-rechtliches Eigentum. Wer es aber für eine Forderung nationaler Tugendhaftigkeit hält, von den Franzosen nichts zu lernen, der mag sich am römischen Recht erbauen, wo zur Zeit der Republik die Idee des öffentlichen Eigentums in voller Kraft und Reinheit sich verwirklicht findet. Der vollkommene Parallelismus des Systems öffentlicher Rechtsinstitute, das sich damals neben den zivilrechtlichen hinzog, ist schon öfter hervorgehoben worden. "Wenn die Grundbegriffe des Vermögensrechts, sagt Mommsen 5 , gleichmässig auf die Gemeinde wie auf die einzelnen Bürger bezogen werden, Eigentum, Forderung, Erbschaft auch auf den Staat Anwendung finden, so steht die positive Ausgestaltung derselben in den beiden Rechtskreisen fast durchgängig mit einander in prinzipiellem und praktischem Widerspruch." Die überall hervortretende majestas populi Romani macht den Unterschied und kommt insbesondere bei der Frage des Rechtsschutzes zum Vorschein. Karlowa in seiner Römischen Rechtsgeschichte 6 I hat dies gerade für das öffentliche Eigentum genauer beschrieben. "Auch wo der populus als Subjekt von Eigentum erscheint, sagt er, ist es zwar nicht der populus als Inhaber eines imperium über die Bürger, aber immer die von den Privatpersonen begrifflich verschiedene publica persona xa.' E~OXftv, welche in Frage kommt ... " "Res publica in diesem Sinne sind nicht bloss quae publico usui relictae sunt, sondern auch quae in pecunia populi sunt. Das entspricht der republikanischen Anschauung, die zwischen dem Staat als politischem Machthaber und dem Staat als Subjekt gewöhnlicher Privatrechte nicht unterscheidet." Auch das Eigentum des populus an Sachen, die nicht im Gemeingebrauch sind, unterscheidet sich charakteristisch von dem Eigentum der Privaten; auch sie sind extra commercium: keine actio finium regundorum mit angrenzenden Grundstücken von Privaten, die Censoren machen 5

Abriss des Römischen St.R. S. 366. Vgl. derselbe, Röm. St.R. I S. 162 ff.;

I

Bd. 11 S. 1 ff.

Etvers, Röm. Servitutenlehre S. 267 ff.; Weiske, Rechtslexikon X S. 239 ff.

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das nach Verwaltungsrecht; keine actio aquae pluviae arcendae gegen das staatliche Grundstück; keine Anwendbarkeit der privatrechtlichen Ordnung für Ueberhang und Ueberfall, keine privaten Servitutrechte - dafür "quasi-servitutorische Befugnisse", welche den Einzelnen durch Verfügung der Magistrate eingeräumt werden können 7 • Nun so ungefähr sagen wir es ja auch, nur mit ein bischen andern Worten und zwar, wie mir scheint, deutlicher und einfacher. Die weitere Entwicklung hat dann freilich davon abgeführt. Der erste Schritt geschah schon im alten römischen Reich selbst. Mit Einführung des Prinzipats und Aufkommen des damit verbundenen Fiskusbegriffes eröffnete sich die Möglichkeit, das gewöhnliche Zivilrecht auch auf Sachen anzuwenden, welche staatlichen Zwecken dienen. Die res fiscales, die kaiserlichen Sachen, werden wenigstens zum Teil so behandelt8 • Wo I die Grenze läuft, ist mir im einzelnen nicht klar geworden; vielleicht hat der Punkt überhaupt noch nicht genügend durchforscht werden können. Wo es darauf ankam, die Sache gegenüber den planlosen Einwirkungen des Zivilrechts für ihren Zweck zu sichern, wird man daran festgehalten haben (vielleicht mit Zuhilfenahme der Fiktion einer Uebertragung an den populus), dass sie nach Art der alten publica res zu behandeln sei. Bei den kaiserlichen Strassen z. B. war das gewiss der Fall. Jedenfalls ist hier der Ausgangspunkt gegeben für den noch jetzt lebendigen Gedanken, den namentlich auch das französische Recht bewahrt, dass der Staat zweierlei Eigentum hat, ein öffentlichrechtliches, wie er allein es haben kann und ausser ihm nur etwa die Gemeinde, und ein zivilrechtliches, wie jeder Privatmann. Bei uns aber hat sich nachher der grosse Umschlag vollzogen, dass wiederum eine einheitliche Gesamtauffassung vom Staatseigentum entstand, die aber jetzt ihren Schwerpunkt ausschliesslich auf die zivilrechtliche Seite liegt. Die ursprünglich allein herrschende Idee des öffentlich-rechtlichen Eigentums erlosch gänzlich. Wenn sie jetzt so starkem Widerspruche begegnet, so liegt das nicht daran, dass man die entsprechende praktische Gestaltung der Dinge bei uns nicht mehr für zweckmässig hielte; im Gegenteil, man streckt sich angestrengtest darnach, um mit anderen Mitteln für die besonders zu sichernden Sachen wenigstens annähernd ein solches Ergebnis zu erreichen. Der Grund ist vielmehr einzig eine geschichtlich erworbene Unzugänglichkeit der deutschen Juristen für diesen Gedanken. Der Theologe würde sagen: weil sie ihre Herzen verhärtet haben, hören sie nicht. Der Rechtsgelehrte fasst das natürlich anders auf; ihm ist dergleichen immer eine 7

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a. a. O. S. 4. I. 2 § 4 D. 43,8: res enim fiscales quasi propriae et privatae Principis sunt.

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sehr bedeutsame Erscheinung, die er suchen muss zu verstehen. Und das soll nicht schwer sein. Als nach den dunkeln Jahrhunderten endlich der moderne I Staat bei uns sich ausbildete, hatten die Juristen das römische Zivilrecht rezipiert, für das römische Verwaltungsrecht fehlte jegliches Verständnis; hatte man ja doch den Schlüssel nicht, der allein es erschliessen konnte, den rechten Staatssinn. So machte man sich eben aus dem Staat den Fiskus zurecht, den man in zivilrechtliche Ordnung zu bringen wusste, jenseits trieb sich dann der eigentliche Staat herum, rechtlos, eine unbändige Macht, mit der nichts anzufangen war. Aus den res publicae aber wird jetzt ein Ding, das das römische Recht nicht kannte 9 • Gewisse Sachen des Fiskus sollen extra commercium sein, d. h. nicht nach den gewöhnlichen Regeln des Zivilrechts veräussert, ersessen oder belastet werden können. Für die schwankende Abgrenzung dieser Sachen sucht man zufällige Anknüpfungen im corpus juris; Zweckmässigkeitsgedanken sind es offenbar wieder, die eigentlich führen; denn das Recht der Republik machte überhaupt keine solche Abgrenzung unter den Sachen des Staates, und wie die Kaiserzeit sie machte, wusste doch niemand zu sagen. Vor allem: die alte publica res war extra commercium, weil sie überhaupt ausserhalb des Privatrechts stand; die publica res der modernen Pandektenlehre stand im privatrechtlichen Eigentum des Staates und auf dem Boden des Privatrechts; nur war sie vermöge eines für sie geltenden privatrechtlichen jus singulare gewissen Rechtsinstituten entzogen lO • I Nähere Untersuchung zeigte allmählich, dass die Verkehrsentzogenheit keine so unbedingte war. Wenn der öffentliche Weg nur kraft einer dem Staate zustehenden Servitut besteht, kann selbstverständlich das darunter liegende Privateigentum veräussert werden. Aber auch wo volles öffentliches Eigentum vorliegt, kann die Verwaltungsbehörde besondere Nutzungsrechte daran verleihen, kann die Staatsstrasse zur Gemeindestrasse gemacht werden. Also, sagte man, indem man diese sehr verschiedenen Dinge in einen Topf warf, ist die öffentliche Sache nicht eigentlich verkehrsentzogen, sondern nur verkehrsbeschränkt, und einigte sich schliesslich auf den opportunistischen Satz: die öffentliche Sache ist unfähig, ihrer Zweckbestimmung durch Akte privatg Das Bewusstsein der völligen Unvereinbarkeit der modernen Pandektenlehre von den res publicae und dem wirklichen römischen Recht kommt schon bei dem ehrlichen Kreittmayr, Anm. über den Cod. Max. II § 5 zum Ausdruck: "Wer sich von all diesen Dingen nett und deutlichen Begriff machen will, der muss das Corpus Juris Romani nicht zum Lehrbuch gebrauchen; denn es siehet sehr verwirrt, finster und mangelhaft darin aus. Das wenigste schickt sich auf unseren heutigen Staat." 10 So die wohlgefestigte Lehre der älteren Pandektisten: Puchta § 35, Arndts § 49, Brinz § 50, Windscheid § 146. Vgl. auch: Roth, Bayr. Civ. R. § 54, Seuffert, Prakt. Pand. R. § 57.

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rechtlicher Natur entzogen zu werdenl l • Die Besonderheit der öffentlichen Sache war immer noch ganz privatrechtlich gedacht, der Zivilrichter entschied nach seinem Ermessen, welche Privatrechte an ihr mit ihrer Zweckbestimmung verträglich seien, welche nicht. Auf keinen Fall hätte man bei dieser Auffassung auf die Dauer stehen bleiben können; deshalb nicht, weil sie nicht nur sehr verschwommen, sondern auch höchst unpraktisch war. Nun aber vergegenwärtige man sich: wie es noch so liegt, da schlägt das grosse Ereignis des Bürgerlichen Gesetzbuchs mitten hinein und verlangt unbarmherzig die sofortige Entscheidung. Denn nach Art. 55 des Einführungsgesetzes treten die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze ausser Kraft; nur für das Wasserrecht gewährt Art. 65 noch Spielraum; im übrigen gilt für alle Sachen ohne Unterschied das gleiche gemeine I Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das bedeutet die Unmöglichkeit des alten privatrechtlich gedachten jus singulare der öffentlichen Sachen. Stünden sie, wie bei den Römern und Franzosen, ausserhalb der zivilrechtlichen Rechtsordnung, so ginge das Bürgerliche Gesetzbuch an ihnen vorbei; denn für öffentlich-rechtliche Dinge etwas zu ordnen, hat es sich ja geradezu ängstlich gehütet. So aber sind sie mit erfasst. Nun müsste das einfach ertragen werden, wenn es sich bloss darum handelte, festgewurzelte Anschauungen und liebgewordene Vorstellungsweisen zu beseitigen. Das sind Preise, die man immer zahlen muss für die Wohltat umfassender Neuregelungen. Aber so ist es nicht. Sachliche Interessen sind in Frage. Das Zweckmässigkeitsgefühl sträubt sich dagegen, dass so wichtige Einrichtungen künftig abhängig werden sollen von den Zufälligkeiten zivilrechtlicher Rechtsbegründungen und prozessualer Vorwirkungen. Man konnte gespannt sein, wie unsere zivilrechtliche Doktrin sich mit diesem Konflikte abfinden würde. Sie ist verschiedene Wege gegangen. Der einfachste und geradeste ist ja der, ruhig die Folgerung zu ziehen und zu sagen: fiat justitia pereat mundus. Davor muss man als guter Jurist immer Achtung haben. So verfährt Windscheid-Kipp, Lehrbuch der Pandektenrechts 1906. Eine eingehende Erörterung der Wirkung des BGB. führt hier zu dem unerfreulichen Endergebnis: "der beson11 Dernburg, Pand. I § 71, RegeLsberger, Pand. I S. 425, Ubbelohde, Forts. von Glück, Buch 43 und 44, IV S. 68 und 71; Stobbe, d. Priv.R. § 64; Randa, EigentumsR. nach Oestr. R. S. 30, 33, 38. Wappäus, dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 46 prägt den Ausdruck "partiell extrakommerziale Sachen". Vgl. auch: v. Brauchitsch, Verw.Gesetze IV S. 3, Bering, die Rechte an öffentl. Wegen S. 2; PrOVG. 20. Febr. 88 (Entsch. XVII S. 32), 21. März 88 (Entsch. XII S. 282).

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dere privatrechtliche Schutz solcher Sachen, wie ihn das gemeine Recht kannte, besteht nicht mehr 12 ." Im Gegensatz dazu glaubte Biermann, Giessener Rektoratsprogramm 1905 13 die bisherige Ordnung auf eine sehr einfache Weise retten zu können. Das Eigentum an der öffentlichen Sache ist, wie er gegen mich und Layer festhält, streng privat Irechtlicher Natur. Aber dieses Eigentum kann nach Landesrecht "ein beschränktes" sein, so zwar, dass gewisse rechtliche Verfügungen darüber, "Belastungen und Veräusserungen", nichtig sind und Ersitzung ausgeschlossen ist. Derartige Bestimmungen, meint er, werden vom BGB. nicht berührt, weil sie öffentlichrechtlicher Natur sind. Aber warum soll das öffentlich-rechtlicher Natur sein? Weil, sagt er, öffentliches Recht dasjenige ist, welches "dem Nutzen der Allgemeinheit dient oder staatliche oder sonstige obrigkeitliche Interessen schützt"14. I Auf diese Weise könnte man freilich ebensogut auch alle landesrechtlichen Bestimmungen über Ersitzung dem BGB. gegenüber aufrecht erhalten: bono publico usucapio introducta; vielBd. I § 147. Die öffentlichen Sachen S. 39 ff. (§ 7, II). U Biermann a. a. O. S. 40 Note 1 beruft sich für seine Auffassung auf "die Mot. zum Entw. I des EG, z. BGB."; den Ort gibt er nicht an. Die grundsätzliche Stellungnahme S. 146 spricht m. E. sehr deutlich gegen seine Auffassung und noch deutlicher, was zur Begründung des am nächsten hier einschlagenden Art. 66 (jetzt Art. 111) gesagt wird. Da heisst es S. 192: Es sei schwierig festzustellen, ob landesrechtliche Vorschriften, welche das Eigentum in Ansehung tatsächlicher Verfügungen beschränken (Kulturedikte, Forstordnungen, Bauordnungen u. s. w.) zivilrechtlicher Natur sind. Zur Beseitigung aller Zweifel soll ein Vorbehalt dafür gemacht werden. Aber "der Landesgesetzgebung auch die Macht einzuräumen, den rechtlichen Inhalt des Eigentums im öffentlichen Interesse zu beschränken, würde zu weit gehen und ist durch das publizistische Bedürfnis der Einzelstaaten nicht geboten. Durch eine solche Ausdehnung des Vorbehaltes würden die Landesgesetze zu Eingriffen in den privaten Rechtsverkehr ermächtigt werden, deren Gestattung mit Rücksicht auf die notwendige Einheitlichkeit des bürgerlichen Rechtes unzulässig erscheint." Dazu wird insbesondere hervorgehoben, dass sonst die Landesgesetzgebung zu viel Spielraum hätte "im öffentlichen Interesse" das Eigentum "unveräusserlich zu machen". Mir scheint, dass hier ganz genau das verworfen wird, was Biermann will. Biermann knüpft an seine Anrufung der Motive zum EG. noch eine gegen mich gerichtete Bemerkung. Er gibt meine Ansicht richtig wieder: der Ausschluss der Privatrechte von der Möglichkeit, die Sache zu erfassen, ist nur dann öffentlich-rechtlich, wenn er nicht selbständig angeordnet, sondern einfach die Folge ist der öffentlich-rechtlichen Herrschaft, in der die Sache steht und durch die sie ebensoweit von selber unzugänglich wird für die Wirkung privatrechtlicher Rechtsinstitute. Biermann fügt aber hinzu: "danach wäre eine baupolizeiliche Beschränkung des Grundeigentums wohl auch nicht öffentlich-rechtlich." Das trifft mich nicht. Die Baupolizei beschränkt natürlich das Grundeigentum, sie beschränkt es öffentlich-rechtlich, sie bedeutet nicht eine Herrschaft der öffentlichen Gewalt über die Sache - alles ganz richtig. Dafür bedeutet sie aber auch keinen Ausschluss des Privatrechtes und der Privatrechte, die nach wie vor auf die Sache frei einwirken. Es ist alles in Ordnung. Biermann muss mich hier irgend wie missverstanden haben. 12

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leicht auch wären alle alten privilegia fisci damit zu retten. Ich habe seinerzeit vorausgesagt, dass derartige Rettungsversuche kommen würden15. Aber das sind Zwangstaufen, welche das BGB. natürlich nicht gelten lässt. Auch Gierke hat inzwischen zu der Frage Stellung genommen, gründlich und gediegen wie immer16. Oeffentliche Sachen im eigentlichen Sinne sind ihm die dem Gemeingebrauch gewidmeten; die Festungswerke werden aber diesen gleichgestellt1 7. Alle stehen sie im privatrechtlichen Eigentum. Nur sind sie "in den Zustand einer objektiven Zweckgebundenheit versetzt und unterliegen dem Sachenrecht, nur innerhalb der Schranken, die hier das öffentliche Recht dem Privatrecht setzt, um die Erhaltung des Sachkörpers für den öffentlichen Gebrauch zu sichern"17. Wie er sich das denkt, müssen wir versuchen uns klar zu machen; er drückt sich gern etwas vielseitig aus. Wenn er z. B. davon spricht, dass die Sache in "ihrer Zugänglichkeit für das Privatrecht" beschränkt werden und gewisse Rechte daran "auch durch Ersitzung nicht begründet werden können"18, so möchte man an eine privatrechtlich wirkende Verkehrsentzogenheit im Sinne Biermanns denken, die ja, wie gesagt, dem BGB. gegenüber ausgeschlossen wäre. I Ferner könnte der Ausdruck: "die der Sache auferlegte öffentlichrechtliche Last des Gemeingebrauchs"19 und manches Aehnliche 20 leicht missverstanden werden, als sei von einem förmlichen Rechtsanspruch gegen den Eigentümer die Rede, servitutartig, etwa wie die Festungsrayonlasten. Aber zu wessen Gunsten bestünde der Anspruch? Den Gemeingebrauch selbst im Sinne von Ihering zu personifizieren, ist Gierke weit entfernt. Den Teilnehmern am Gemeingebrauch spricht er ausdrücklich ein unmittelbares Recht an der Sache ab 21 . Also würde man bei der Staatsstrasse z. B. ein lastberechtigtes Subjekt nur dann finden, wenn man als solches den Staat selbst von dem Fiskus absondert, der dann der belastete Eigentümer des Strassenbodens bleibt. So stellt ja Wappäus, der Klassiker der Fiskuslehre, die Sache dar 22 : "Der Staat verbietet kraft seines Hoheitsrechtes dem Eigentümer, der er auch selbst sein kann in seiner Eigenschaft als Fiskus, die Ausübung seines Eigentums daran, soweit darin eine Gefährdung des Gemein15 18 17

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Arch. f. öff. R. Bd. XVI S. 56, 57. Deutsches Privatrecht 11 S. 20 ff. a. a. O. S. 23 Note 11. a. a. O. S. 24 Note 15. a. a. O. S. 24. a. a. O. S. 24 Note 17. a. a. O. S. 23 Note 11.

Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 43.

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gebrauchs zu sehen wäre." Gierke verwirft aber mit anerkennenswerter Deutlichkeit den ganzen Dualismus Fiskus-Staat23 • Gerade die von ihm betonte Gleichstellung der Festungswerke macht ja die Sache ganz klar. Es handelt sich überall nur um eine bestimmte Art der Verwendung, welche der Eigentümer seiner Sache zu geben beliebt, nicht um eine ihm auferlegte Last. Was Gierke bei der "objektiven Zweckgebundenheit" der Sache und der Beschränkung des Privatrechts an ihr durch das öffentliche Recht wirklich meint, dürfte vielmehr im wesentlichen übereinstimmen mit dem, was wir als den öffentlich-rechtlichen Besitz bezeichnen, in welchem die Sache I steht. Der Staat setzt seine öffentliche Gewalt dafür ein, um sie tatsächlich bei ihrem Zwecke zu erhalten. Er übt die Polizei der öffentlichen Sache, Strassenpolizei, Strompolizei, Festungspolizei, Kirchhofspolizei, Eisenbahnpolizei. Damit ist er imstande, soweit dieser Zweck sonst dadurch beeinträchtigt werden könnte, auch die Ausübung wirklicher Rechte zu verhindern, die an der Sache begründet sein mögen. Namentlich wenn ein bestehendes Privateigentum dadurch in seiner Geltendmachung gehemmt wird - die Strasse ist z. B. versehentlich über ein nicht enteignetes Privatgrundstück geführt worden - mag das wohl auch den äusseren Eindruck einer "öffentlich-rechtlichen Last" hervorbringen.

Gierke steht hier nicht allein. In der älteren und neueren Literatur fehlt es nicht an Versuchen, die ganze rechtliche Besonderheit der öffentlichen Sache darauf zurückzuführen, dass das daran bestehende Eigentum und sonstige Privatrecht unter Umständen gegenüber den vorherrschenden polizeilichen Rücksichten sich nicht durchzusetzen vermag und insbesondere der Schutz der Zivilgerichte ihm nicht zu Teil wird24 • I Deutsches Privatrecht I S. 477. Sehr deutlich in diesem Sinne Luthardt in BI. f. adm. Praxis XX S. 321 ff. Insbesondere S. 326 Note 7: "diese auf staatspolizeilichen Rücksichten beruhende und mit polizeilichen Mitteln erzwingbare Bestimmung der Wege für den allgemeinen Gebrauch hat zwar tatsächlich die Folge, dass dieselben nicht veräussert werden; allein das ist keine privatrechtliche Unveräusserlichkeit, keine Beschränkung der Sache in ihrer Rechts- und Verkehrsfähigkeit, sondern eine aus dem Staatsrechte folgende Beschränkung des Eigentums." Daran knüpft er einen Tadel, dass "die Römer, welche sich ein in der Verfügbarkeit aus polizeilichen Rücksichten beschränktes Eigentum nicht denken konnten, zu dem salto mortale kamen, die Strassen extra commercium zu stellen. Man übersah dabei, dass die Beschränkung nicht im Privatrecht, sondern im Staats- und Verwaltungsrechte wurzelte und nicht der Sache, sondern dem Eigentümer anklebte." Das ist entschieden ungerecht. - Wegen der Festungswerke scheint diese Auffassung zu teilen Goez, Verw.R.Pflege in Württemb. S. 572. Auch Enneccerus, Bürg. R. I § 46 gehört wohl hieher; wenigstens glaube ich es nicht anders verstehen zu dürfen, wenn er dort unter Z. 4 kurz bemerkt: "die Vorschriften über öffentliche Wege und Plätze sind öffentlich-rechtlicher Natur und werden deshalb nicht aufgehoben." 23

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Kein Zweifel auch, dass diese Ordnung durch das BGB. unberührt bleibt; die Bestimmung des EG. Art. 111 hat zu allem Ueberfluss noch eine ausdrückliche Stütze dafür gegeben. Die Frage ist nur, ob das genügt, um den öffentlichen Sachen den besonderen Schutz zu geben, dessen sie zweckmässigerweise teilhaftig sein sollen und den man doch Jahrhunderte lang für angebracht hielt. Man darf sich nicht täuschen: ein Schutz ist es wohl, aber der Natur der Sache nach nur ein vorläufiger und ein vorübergehender. Die Verwaltungsbehörde, obwohl sie selbst entscheidet, kann sich der Handhabung und Wahrung des begründeten besseren Rechtes an der Sache nicht einfach entziehen; denn auch sie ist doch heutzutage Rechtsschutzanstalt. Wer da glaubt, sie würde diesem Rechte trotzen können mit dem endgültigen: ich will nicht, der lebt mit seinen Gedanken noch nicht im Rechtsstaate. So hat man das früher angesehen. Jetzt gehört zu einem ausreichenden Schutz der öffentlichen Sache, dass auch die Neubegründung solcher bindenden Rechte Privater an der öffentlichen Sache durch die Rechtsordnung ausgeschlossen ist. Man braucht bloss an den berühmten Hamburger Rechtsfall zu denken wegen des Siels, des städtischen Abzugskanals, der unter einem Privathause durchführte. Das Haus wurde versteigert und der Erwerber klagte gegen die Stadt auf Beseitigung des Siels, weil nach dem Gesetz der Zuschlag alle nicht besonders angemeldeten und vorbehaltenen Rechte an der Sache tilgte. Damals half das Reichsgericht 25 : es handelt sich um eine cloaca publica, sagt es, um eine öffentliche Anlage; auf die findet das Privatrecht keine Anwendung und folglich auch nicht jene Verwirkungsvorschrift; das Recht der Stadt ist gewahrt. Wäre es erloschen gewesen, so hätte die Polizei wohl I eine sofortige Zerstörung des Siels verhindern, aber nimmermehr dem Hauseigentümer auf die Dauer sein Recht vorenthalten können. Grundbuchrecht, Nachbarrecht, Ersitzung könnten alle Tage ähnliche Zwangslagen herbeiführen; man sage auch nicht, dass formgültige Veräusserungsverträge nicht vorkämen. Aber gerade den einzig wirksamen materiellrechtlichen Schutz, wie das Reichsgericht ihn damals gewährte, macht eben das BGB. jetzt unmöglich dann, wenn man das der Verwaltung an der Sache zustehende Recht selbst auf das Zivilrecht gründet. Die Ueberzeugung von der Notwendigkeit, die öffentlichen Sachen so zu schützen, WIrd nicht bloss bekundet durch theoretische Bestrebungen. Auch der Gesetzgeber hat es mehrfach, gerade aus Anlass des BGB., für angezeigt gehalten, ausdrückliche Fürsorge zu treffen. In Baden, Hessen und Elsass-Lothringen bestimmen die Ausführungsgesetze zum BGB26, dass öffentliche Sachen, Wege, Flüsse, Festungs25 28

RG. 10. Jan. 1883 (Entsch. VIII S. 152). Bad. A.G. Art. 12; Hess. A.G. Art. 17; Els.Lothr. A.G. § 44.

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werke, der Anwendbarkeit des Privatrechtes und des privatrechtlichen Rechtserwerbes, ganz oder in gewissem Masse, entzogen sein sollen. Damit wäre ja alles glatt. Aber das Schlimme ist: das Reichsrecht hat nur für das Wasserrecht freien Spielraum gelassen27 ; sonst für öffentliche Sachen nicht. Stehen diese in privatrechtlichem Eigentum, so können die reichsgesetzlichen Rechtsinstitute des BGB. durch Landesgesetz nicht gehindert werden, darauf zu wirken. Dadurch erwächst der Lehre von dem privatrechtlichen Eigentum an den öffentlichen Sachen zu ihrer Unfähigkeit, das unverkennbare praktische Bedürfnis der Rechtsordnung zu befriedigen, auch noch die immerhin peinliche Aufgabe, eine Anzahl bedeutender Landesgesetze einfach für nichtig zu erklären. Das ist die eine Seite der Sache. Man kann sie auch vom entgegengesetzten Standpunkte aus betrachten, auf den uns Gierkes Auffassung hinüberleitet. Statt auszugehen I von einem als selbstverständlich vorausgesetzten privatrechtlichen Eigentum, kann man auch einmal das öffentlich-rechtliche Element für sich betrachten, das ihm gegenübersteht. Wenn dieses, von dort aus gesehen, als eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung, eine objektive Zweckgebundenheit sich darstellte, so wird man jetzt vielmehr darin erkennen eine eigenartige Machtstellung des Staates über der Sache, eine Art von Besitz und Herrschaft, die das Gemeinwesen an ihr übt. Diese Auffassung lief von jeher neben der ersteren her. Man sprach von Polizeibesitz, tatsächlicher Herrschaft der Polizei über die Sache, nannte diese eine "polizeiliche Anstalt" oder "eine Sache, welche der Staat kraft seines Hoheitsrechtes sich zugeeignet hat und erhalten wissen will". Er hat daran ein "reines Hoheits- oder Polizeirecht, welches kein Eigentum ist, aber alle Befugnisse des Eigentums in sich schliesst", oder ein "öffentliches Eigentum", welches ihm aber seiner Natur nach "mehr ein polizeiliches Recht der Aufsicht, Regelung und Beschränkung der Staatsbürger gibt"28. Wenn wir solches hören, drängt sich die Frage auf: warum wird dieses Rechtsgebilde nicht fertig? warum entwickeln unsere Juristen diese öffentlich-rechtliche Sachbeherrschung nicht zu einem echten und gerechten öffentlichen Eigentum, wie die Römer und Franzosen? Dann wäre ja allem geholfen. Die Erklärung ist aber bei der Hand: die alte Fiskuslehre leidet es nicht. Denn nach dieser hat der Staat, so hochgebietend er ist, doch E.G. z. BGB. Art. 65. Keller, Gutachten zum Baseler Schanzenstreit s. 7; Schwab, in Arch. f. zivil. Praxis XXX Beil. S. 58 Note 81; Schultz, Zum Preuss. Wegrecht S. 7, 11, 19 Note 2, 21; Wand, Rechtsverf. d. öff. Wege S. 1; OVG. 1. Okt. 1887, 14. Nov. 1887; O.Trib. 31. März 1863 (Entsch. Bd. 57 S. 92). 27

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einen grossen Mangel: er ist unfähig Eigentum zu haben. Das ist ja gerade der Beruf des Fiskus, dass er ihn in dieser Hinsicht ersetze; dem muss seine Stellung vorbehalten bleiben. So sagt Wappäus, der I immer der beste Zeuge für diese Auffassung ist29 : "Uebt der Staat sein Eigentum an öffentlichen Sachen aus? Wir sagen: Ja. Freilich nicht als solcher; denn der Staat als solcher kann keine Eigentumshandlungen vornehmen, sondern kann nur gebieten und verbieten; aber als Vermögenssubjekt, als Fiskus übt er sein Eigentum aus; und weiter hat niemals jemand etwas behauptet." Nun gibt es ja viele Leute, die da glauben, über diese alte Fiskuslehre mit ihrer sonderbaren Zerlegung des Staates in zweierlei Rechtssubjekte seien wir heutzutage völlig hinaus. Aber das ist doch nur Einbildung. Eingestanden und verhohlen, bewusst und unbewusst, treibt jene Lehre noch immer ihr Wesen in den Gehegen unserer Wissenschaft und wenn man ihr ordentlich nachgeht, ist es leicht, ihre Spuren aufzuweisen, auch an Orten, wo man sie gar nicht erwartet hätte. So ist es eine selbstverständliche Folgerung der Fiskuslehre: wenn der Staat mit seinem Polizeibesitz und Hoheitsrecht der Sache allein gegenübersteht ohne den gewöhnlichen Privatmann, den Fiskus, wird seine Sache res nullius. So hat es Keller gemeint in seinem Gutachten zum Baseler Schanzenstreit, ebenso Schwab im Arch. f. civ. Pr. 30. So folgert aber auch das Reichsgericht in seinen Entscheidungen vom 23. Sept. 1880 und 10. Febr. 1881: Der öffentliche Fluss ist nach ALR. gemeines Eigentum des Staates, also kein Eigentum des Fiskus, also res nullius 30 • Mit der Fiskuslehre hängt auch zusammen jene fixe Idee, I wie es Seydel nennt3 t, dass alles was vermögensrechtlich ist, privatrechtlich sein müsse; da kommt eben alsbald der Fiskus ins Spiel und der ist privatrechtlich zu behandeln. Dieselbe Anschauung steckt aber auch hinter dem Vorwurf, den Gierke der Lehre vom öffentlichen Eigentum macht. "Es ist nicht abzusehen, sagt er, welcher Gewinn daraus erwachsen soll, wenn hier die überall sonst durchgeführte Scheidung von Hoheitsrecht und Privatrecht aufgegeben wird 32 ." Die Scheidung zwischen öffentlichem und Zivilrecht kann nicht schärfer durchgeführt Dem Rechtsverkehr entzogene Sachen S. 103. Hieher ist auch zu zählen Lang, Württemb. Sachenrecht § 17. Sein "öffentliches Gemeingut" welches kein Privateigentum des Fiskus sein soll, wird ihm unter den Händen zur res nullius. Derselbe Gedankengang steckt auch in der Bemerkung Dernburgs, Pand. I S. 168 Note 6: Nach KeLlers Ansicht ist die öffentliche Sache "Niemand gehörig", diese Ansicht "hat in veränderter Gestalt Eisele angenommen, indem er ein bloss publizistisches Eigentum des Staates an den öffentlichen Sachen annimmt". 31 Grundzüge einer allg. St.Lehre S. 38. 32 Deutsch. Priv.R. II S. 21 Note 5. 29

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werden, als es die Lehre vom öffentlichen Eigentum tut. Was Gierke vermisst, ist im Grunde doch nur die Scheidung zwischen dem allein eigentumsfähigen und nach Privatrecht zu beurteilenden Fiskus und dem nur Hoheitsrechte ausübenden Staate. Nicht anders ist es mit einer Lehre, die sich als ganz modern ausgeben möchte und von sehr hoch zu schätzenden Autoritäten vertreten wird, mit der Scheidung nach imperium und dominium. Sie findet sich in aller Schärfe schon bei Wappäus: nur der Staat hat imperium, dagegen nur der Fiskus dominium 33 • Für den engen Gedankenkreis der Fiskuslehre trifft das zu. Deshalb darf man aber doch nicht diese Formel verpflanzen wollen auf den Boden des einheitlich gedachten Staates, um damit den Massstab zu gewinnen, dass er öffentlich-rechtlich nur handelt, wo er befiehlt, privatrechtlich immer, wo er seine Gewalt dinglich wirken lässt. Beides ist ja tatsächlich nicht richtig. Man muss im Bann der Fiskuslehre stehen, um hier I noch mitzutun; aber man steht eben darunter. Es ist in den letzten Jahren eine Reihe tüchtiger Arbeiten erschienen, welche gerade im Hinblick auf das BGB. mit der Frage des Eigentums an öffentlichen Sachen vom öffentlich-rechtlichen Standpunkte aus sich befassen. Die Idee des öffentlich-rechtlichen Eigentums wird dabei durchweg abgelehnt und die Art, wie es geschieht, ist sehr geeignet, das Gesagte zu beleuchten. An der Spitze wäre zu nennen, nicht bloss des zeitlichen Vorsprunges halber, sondern auch wegen der besonderen Klarheit und Offenheit, mit welcher er sich zu seiner Stellung bekennt, Hatschek, die rechtliche Stellung des Fiskus im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die deutsch-nationale Auffassung, die er zu vertreten wünscht, geht aus von "der scharfen Scheidung von dominium und imperium". Damit hängt auf das innigste zusammen, "der Dualismus von Staat und Fiskus als Rechtspersönlichkeiten", und indem nun das Gemeinwesen mit diesem "Januskopf" in allerlei Rechtsbeziehungen hineintritt, erhält bei uns insbesondere auch die öffentliche Sache die nationale Doppelnatur: Privateigentum verbunden mit gewissen "öffentlich-rechtlichen Momenten". Mein Verdienst ist, gezeigt zu haben, dass diese spezifisch deutsche Auffassung nur haltbar ist, wenn man mit dem Dualismus von Staat und Fiskus Ernst macht. Tut man das nicht, so verfällt man unrettbar dem Greuel des fremdländischen Instituts des domaine public, das gerade auf nichts an33 a. a. o. s. 95. Neuerdings hat vor allem JeHinek diese Unterscheidung stark betont: Verw.Arch. 16 S. 40 ff.; Allg. St.R. I S. 386. Layer ist im Anschluss an ihn so durchdrungen gewesen von der Wichtigkeit dieses Gegensatzes, dass er in wohlmeinender Absicht ihn auch bei mir wieder finden wollte (Prinzipien des Enteignungsrechts S. 131, S. 645, S. 647), wogegen ich mich dann im Arch. f. öff. R. XVII S. 452 verwahrte.

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derem beruht als auf einer Verschmelzung von dominium und imperium. Meinerseits stimme ich mit Hatscheks Gedankengang vollkommen überein. Ohne den gesonderten Fiskus muss sich auch nach meiner Meinung das einheitliche, öffentlich-rechtlich gedachte Eigentum von selbst ergeben. Ich verstehe nur nicht, wie man an jenen Fiskus noch glauben kann, und halte dieses Ergebnis nicht für ein nationales Unglück. An zweiter Stelle sei erwähnt v. Eschstrutt, der öffentliche I Weg, 1902, mit Hatschek an wissenschaftlichem Art nicht zu vergleichen, aber herrschende Strömungen und Richtungen mit einer gewissen dilettantischen Unbefangenheit wiederspiegelnd; das hat ja auch seinen Wert34 • Der Staat mit seinen Hoheitsrechten "ist streng zu scheiden vom Fiskus", der als juristische Person die vermögensrechtliche Stellung einer Privatperson hat, während der Staat ausserhalb und über dem Privatrecht steht. "Der Staat ist an und für sich nur eins, aber gewissermassen eine Zwei-Einigkeit, deren einer Teil, das Gewand des Privatmannes anlegend, in dessen Sphäre, das bürgerliche Recht, hinabgestiegen ist 35 ." Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! Aber was wird bei dieser Auffassungsweise aus der öffentlichen Sache? Einfach was werden muss. Der öffentliche Weg steht unter der "Polizeiherrschaft" des Staates und soweit diese reicht, ist Privatrecht ausgeschlossen. Das selbstverständlich privatrechtliche Eigentum am Wegeboden, das einem Privatmann, einer Gemeinde, dem Staat als Fiskus zustehen mag, ist für den Begriff gleichgültig. Der die Polizeiherrschaft darüber ausübende Staat kann es nicht ersitzen, da er eigentumsunfähig ist. Enteignet er den Wegeboden, so erlischt allerdings das bisherige Eigentum, aber nicht zu Gunsten des Staates, der nicht Eigentümer sein kann, sondern die Sache wird res nullius 36 • Auch das sind bekannte Dinge. I 34 Die Schrift bildet Heft XVII der von Ebering herausgegebenen "Rechtsund staatswissenschaftlichen Studien". Der volle Titel lautet: Der öffentliche Weg. Versuch einer Darstellung des Begriffes nach dem heutigen preussischen und französischem Recht. Von Dr. jur. M. von Eschstrutt, Oberleutnant im Reitenden Feldjägerkorps, Forstassessor. In der Vorrede beruft sich der Verfasser vor allem auf Eindrücke, die er zur Zeit seiner Kommandierung an die deutsche Botschaft in Paris empfangen hat. 35 a. a. O. S. 28. 36 a. a. O. S. 17, S. 28, S. 43, S. 45. Neu ist die Behandlung des französischen Rechts. Die Idee des domaine public d. h. der Verschmelzung von Polizeiherrschaft und Eigentum erscheint Eschstrutt in der eigentümlichen Forderung des französischen Rechts, dass auch der Wegeboden der Oeffentlichkeit gehöre. Das ist eine "privatrechtliche Vorbedingung" für das Dasein eines öffentlichen Weges. (S. 114). Der Wegeherr muß also den Boden erwerben und "der Oeffentlichkeit übergeben", was in Klammern erläutert wird als "preisgeben". Dadurch wird nämlich der Wegeboden res nullius. Auf solche Weise wäre im französischen Recht "in concreto ein klarer Rechtszustand geschaffen". Von der umfangreichen Literatur der bibliotheque nationale, die er in der Vorrede rühmt, hat der Verfasser ersichtlich nur einen sehr kleinen Teil benützt.

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Einen recht hübschen Beitrag zu unserer Frage liefert neuerdings Herbert Schelcher, der öffentliche Weg und seine Bedeutung für das öffentliche und das Privatrecht37 • Schelcher gibt eine wohlgelungene Darstellung des status causae et controversiae, gibt insbesondere auch mit gutem Verständnis meine Ansichten wieder, denen er sich auf eine weite Strecke hin anschliesst, um an einem bestimmten Punkte mit kräftiger Wendung abzubiegen und seinen eignen Weg zu gehen. Der Staat, sagt er, übt an der öffentlichen Sache eine "umfassende Sachbeherrschung und Sachverwaltung" er ist "der Herr der öffentlichen Sache"38. Während aber wir deshalb diese seine ganze Herrschaft nach öffentlichem Rechte beurteilen, als öffentlichen Besitz, öffentlich-rechtliche Wegedienstbarkeit, öffentliches Eigentum, je nachdem, will Schelcher dem öffentlichen Rechte eine Grenze ziehen: öffentlich-rechtlich ist nach ihm immer nur der Besitz des Staates, alles was der Staat an der Sache noch mehr hat, vor allem sein Eigentum daran, liegt auf dem Gebiete des Privatrechts. Soll also der Staat in ein und derselben Betätigungsweise zugleich öffentlichrechtlich und privatrechtlich sich darstellen? Dass möchte auch Schelcher nicht so ohne weiteres annehmen. Allein er weiss einen Weg, der es ermöglicht. Der Staat handelt hier nämlich mit zwei verschiedenen Handlungsfähigkeiten. Er ist, "sowohl öffentliche, wie auch private juristische Person und das immer zu gleicher Zeit", nicht "ein einheitliches öffentliches I Rechtssubjekt", sondern ein einheitliches "Wesen", das mit "zweierlei Rechtspersönlichkeiten" ausgestattet ist - also Eschstrutts Zweieinigkeit. So wird es möglich, dass der Staat zu gleicher Zeit "sich zum Teil im bürgerlichen, zum Teil im öffentlichen Rechte bewegt"39. Nun, diese Möglichkeit wird man nicht abstreiten können. Nur kommt mir der eine Teil, der, ausgestattet mit besonderer zivilrechtlicher Persönlichkeit, auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts sich bewegt, so vertraut vor. Das ist doch wieder niemand anders als der wohl bekannte Herr Fiskus, der sein Inkognito auch hier nicht zu bewahren versteht. Immer das gleiche Bild! Der öffentlich-rechtliche Gedanke entwickelt sich kräftig und vielversprechend, aber im letzten Augenblick tritt immer der nämliche alte böse Feind dazwischen und lässt ihn nicht zur Vollendung und zum Ziele gelangen. Drüben aber winkt vergebens die öffentliche Sache, die, wie wir sahen, im Banne des Privatrechts die ihr angemessene Bedeutung nicht mehr zu finden vermag; nur in den Armen des öffentlichen Rechts wäre sie geborgen. "Sie konnten zusammen nicht kommen, die Wasser sind allzu tief." Die Macht ererbter Zwangsvorstellungen hält sie getrennt. 37 38 3t

IS·

Fischers Zeitschrift für Verwaltung Bd. 31. a. a.

o. S. 36, S. 57.

a. a. O. S. 36, S. 40, S. 42, S. 45.

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Das Uebel sitzt sogar noch tiefer, als es hier scheinen könnte. Während schon mancher es zu seiner Lebensarbeit erkoren hat, das Recht zwischen Staat und Untertan, das Verwaltungsrecht, wissenschaftlich tiefer zu gründen und schöner auszubauen - dürfen wir uns verhehlen, dass die Auffassung noch lange nicht tot ist: das Gebiet des öffentlichen Rechts sei gleichbedeutend mit dem Gebiet, auf welchem es ein sicheres Recht überhaupt nicht gibt sondern die Zweckmässigkeit und der mit der Willkür so nahe verwandte gesunde Menschenverstand herrschen? Ist nicht immer noch das Zivilgericht allein das I ordentliche Gericht und der Weg zu ihm der ordentliche Rechtsweg? Mit der Ordentlichkeit der Verwaltungsrechtspflege steht es immer noch nicht so ganz klar. Und ebenso bleibt dann auch der dumpfe Verdacht bestehen: das öffentlich-rechtlich gedachte Eigentum sei am Ende doch kein richtiges Eigentum. Auch unsere Gesetzgeber sind hier ängstlich. Im Entwurf des badischen Wassergesetzes vom 26. Juni 1899 stand geschrieben: die schiffbaren Gewässer ständen "im öffentlichen Eigentum des Staates". Die erste Kammer hat das Beiwort "öffentlich" gestrichen, weil "eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und anderem Eigentum dem bürgerlichen Rechte fremd sei". Natürlich! Und dem bürgerlichen Recht allein kann man trauen 40 ! Den Sächsischen Ständen liegt zur Zeit der Entwurf eines Wassergesetzes vor. Ursprünglich hiess es darin schlechthin, alle öffentlichen Gewässer seien "dem Privatrechtsverkehr entzogen". Im zweiten Entwurf dagegen wurde, wie es heisst, auf Anregung des Justizministeriums, ausdrücklich erklärt: "Das Bett der EIbe steht im Privateigentum des Staates." Privateigentum - nun weiss der Staat doch, was er hat! So hat denn allerdings die Lehre vom öffentlichen Eigentum wohl manche freudige Begrüssung gefunden und manche wertvolle Mitarbeit; aber der volle Erfolg ist ihr, wie Fleiner sich ausdrückt, bis zur Stunde versagt geblieben. Es konnte wohl kaum anders sein. Ob ihre Stunde jemals kommt, ob und I wenn sie völlig durchdringen wird, wage ich nicht zu sagen. Solche juristische Ideen sind ja keine ewigen Wahrheiten, denen der Sieg gewiss ist. Die grössere Klarheit und Einheitlichkeit des juristischen Denkens, die sie bringen wollen, sind keine unentbehrlichen Lebensgüter. Die Praxis schlägt sich gar wohl auch mit ganz schiefen Anschauungen durch, schlimmstenfalls mittels eines se40 Landgerichtspräsident Dorner in seinem Komment. z. bad. AG. z. BGB. S. 130 bemerkt im gleichen Sinn: durch die Bestimmung, dass die öffentlichen Sachen "im Eigentum stehen" (einfach: im Eigentum!) habe das Gesetz gebrochen mit der französischen Auffassung, wonach an diesen Sachen "nur" ein publizistisches Eigentum besteht. Das ist entschieden die Auffassung die zur Zeit unser höheres Richtertum beherrscht. Fteiner in der Note 3 erwähnten Antrittsrede hat dieses Misstrauen in das öffentliche Recht und seinen hemmenden Einfluss sehr richtig hervorgehoben (S. 16).

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gensreichen Verzichts auf Folgerichtigkeit. Es handelt sich wesentlich nur um Schönheitsfehler. Man muss damit zufrieden sein, wenn man das Seinige deutlich gesagt hat. Dann mag man sich wieder den Kollegen von der naturwissenschaftlichen Fakultät zum Vorbild nehmen: mit dem Mikroskop über dem Wassertropfen sitzen, in welchem die mancherlei und oft wunderlichen Lebewesen sich tummeln, Rädertierchen, Borstentierchen und was noch alles. Die fressen sich auf und dehnen sich aus oder gehen ein. Wenn ein so zähes Gebilde sich breit gemacht hat, wie die alte Fiskusidee, lässt es andere nicht zur Entwicklung kommen. Die Idee des öffentlichen Eigentums ist von Natur sehr stark. Vielleicht wird sie ihr doch noch über. Vielleicht auch, bevor's ihr gelingt, werden sie beide von einem bisher noch nicht beobachteten stärkeren Organismus aufgesogen. Nach uns kommen auch noch Leute; die werden es sehen. I

Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit im öffentlichen Recht* Inhalt I. Zum stand der Frage

11. Das entscheidende Merkmal ......................................

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III. Was zur juristischen Person gehört ................................ 19 IV. Die juristischen Personen des bürgerlichen Gesetzbuchs .......•.. 34 V. Die Gemeinwesen ................................................ 46 VI. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts ................ 67 VII. Uebersicht und Abgrenzung der Beteiligten ........................ 79

I. Zum Stand der Frage J ellinek hat in seiner Allg. Staatslehre die Forderung aufgestellt, dass die historisch-politische Betrachtungsweise des Staates, die ihn als soziale Erscheinung ins Auge fasst, streng gesondert bleibe von der juristischen. Es ist die Ursache der verhängnisvollsten Irrtümer, dass man "die juristische Natur des Staates fortwährend mit seiner sozialen Realität vermischt"1. Damit bringt er vortrefflich zum Ausdruck den Geist entschlossener Einseitigkeit, der die Stärke der Staatsrechtswissenschaft ausmacht und dessen vornehmster Vertreter Laband ist. Aber selbstverständlich bleibt daneben die gleichwertige Forderung bestehen, dass unsere juristischen Begriffe doch nichts anderes sein sollen als nur eine Wiedergabe jener sozialen Tatsachen in ihrer besonderen Sprache. Stimmt es dazu, wenn wir das, was Regel, historisch-politisch redend, preist als "die Wirklichkeit der sittlichen Idee", als "die Idee des an und für sich freien Willens", unsererseits kurzweg unter die Rubrik bringen einer: juristischen Person?

Herrschender Brauch ist es. Seit Albrecht damals seinen bekannten Spruch getan hat2 , ist es uns wie Schuppen von den Augen gefallen.

* Zuerst veröffentlicht in den Staatsrechtlichen Abhandlungen, Festgabe für Paul Laband zum fünfzigsten Jahrestage der Doktor-Promotion, Erster Band, Verlag J. C. B. Mohr (Faul Siebeck), Tübingen 1908, S. 1 - 94. 1 Allg. Staatslehre S. 130 ff., S. 133. ! Götting. Gel. Anzeigen 1837, 111. Ueber die geschichtliche Bedeutung dieses kleinen Aufsatzes vgl. Bernatzik in Archiv f. öff. R. V S. 246, 247.

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Die älteren Staats theorien sollen jetzt nichts anderes bedeuten als ein unbewusstes Sehnen nach der juristischen Persönlichkeit des Staates3 • Und schon wird von der "Einführung in die Rechtswissenschaft" ihren angehenden Jüngern das innerste Wesen des Staates klar gemacht mit der Vorstellung von einer "juristischen Persönlichkeit zu dem I Zwecke, um auf bestimmtem territorialem Gebiete die Hauptkulturbestrebungen der Menschheit kraft eigenen Rechtes durchzuführen". Eine zweifellose Förderung unserer Erkenntnis wäre freilich damit nur erreicht, wenn der Begriff der juristischen Person selbst zu den festen Grössen gehörte. Leider können wir das nicht sagen. Gerade sein Hinüberspielen in das Gebiet des öffentlichen Rechts scheint eher schädlich darauf zurückzuwirken. Man konnte ja auf mancherlei Anregungen rechnen. Die bedeutendsten Erscheinungen sind hier jedenfalls Genossenschaftstheorie und organische Staatslehre, die, ganz auf öffentlichrechtlichen Anschauungen gebaut, alles in ein grossartiges Gesamtbild zusammenfassen. Aber der Widerspruch, den wieder die ausgeprägte Eigenart dieser Lehren hervorruft, richtet sich nur zu gern gegen die juristische Person überhaupt, um diese dann mit der Wurzel auszureissen. Die französische Rechtswissenschaft, die mit der unsrigen nach und nach wieder Fühlung gewinnt, gibt hiefür neuerdings sehr beachtenswerte Belege. Es macht sich in ihr eine kräftige Strömung geltend, um die juristische Person zu verneinen im Namen des gesunden Menschenverstandes. Dabei muss als abschreckender Gegensatz die deutsche Lehre herhalten, als deren Vertreter man in erster Linie unsere Organologen nimmt nebst dem einen oder anderen, der - nicht unberechtigterweise - ihnen gleichgeachtet wird. Aus dieser französischen Literatur wäre zunächst zu nennen, das eindrucksvolle Buch von de Vareilles-Sommieres, les personnes morales 1902. Es hebt gleich in der Einleitung an mit einer Art feierlichen Exorzismus gegen das aufdringliche Volk der Personen, "qui n'existent pas", und verspricht dabei eine Widerlegung der deutschen Lehre, die auch in Frankreich an Boden gewinnt, wonach die juristische Person gelten soll als "un etre reel". "Les Gierkistes" werden diese schlimmen Leute später genannt (S. 204). In Wahrheit ist die juristische Person nur eine besondere Art, die wirklich in Frage kommenden Menschen kurz zu bezeichnen, "une stenographie" (S. 132, S. 216). Sie hat keinen "effet pratique". Wenn man genauer zusieht, ist alles doch nur ein Verein, une association (S. 149, 143, 485, 493, 509, 621). Auch der I Staat ist zuletzt nichts anderes als ein Verein seiner Bürger: ,,1'Etat c'est nous et les biens de l'Etat sont nos biens" (S. 491). a van Krieken, Ueber die sogenannte organische Staatstheorie 1875

s.

135.

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Noch grösseres Aufsehen machte jüngst das zweibändige Werk von Leon Duguit: l'Etat. Es geht unmittelbar auf den Staat los; die Idee einer Staatspersönlichkeit zu zerstören, ist sein Hauptzweck. Denn diese ist nichts als Anthropomorphismus und Atavismus, ein verwerfliches Ueberbleibsel des Feudalwesens und der absolutistischen Fürstenmacht (I S. 326). Nebenbei vernichtet dann das unerbittliche Mitglied der Fakultät von Bordeaux noch allerlei andere Begriffe, die uns bisher teuer waren: Souveränität (I S. 326, S. 340), Trennung der Gewalten (S. 437), Repräsentation (S. 9, S. 153), Eigentum (S. 210), Recht und Rechtssatz (S. 98, 100, 119, 409), Unterschied von Moral und Recht (S. 102), von Politik und Recht (S. 119), von bürgerlichem und öffentlichem Recht (S. 107, 268, 369) u. s. w. Mit den deutschen Theorien, die wesentlich in den Formen der Organologie erfasst werden, geht Duguit sehr streng ins Gericht. J ellinek namentlich soll in einem unbewachten Moment eingestanden haben, dass es nichts damit sei: "l'aveu du neant de toutes ces doctrines a echappe a un des defenseurs les plus autorises de la personnalite de l'Etat." Es soll das in dem Satz enthalten sein (System der subj. Rechte S. 29): "Hinter dem Vertreter steht ein Anderer, hinter dem Organ nichts." Das ist freilich ein offenbares Missverständnis von seiten Duguits, und wenn wir es auch niemanden gross übelnehmen können, dass er die Feinheiten der Organlehre nicht sofort versteht, so spielt er hier doch seinen vermeintlichen Trumpf etwas zu oft aus (I S. 8, S. 238, S. 240, S. 271; mehr habe ich nicht notiert). Aber was ist nun eigentlich der Staat? Duguit verwahrt sich zwar gegen die "doctrines du droit natureI" (S. 100). Seine eigenen Aufstellungen haben aber einen starken naturrechtlichen Zug. Die alles beherrschende Idee ist die solidarite sociale, deren Wesen wir nicht so kurz hier wiedergeben können; sie ist etwas wie Gemeinwohl, öffentliches Interesse. Diese Idee der solidarite sociale ist aber dann zugleich Rechtsordnung. Wenn Duguit von "la regle de droit" spricht, so meint er das in diesem philosophischen Sinn. Nun ist also rechtmässig nur die Handlung, "determine par un but conforme a la solidarite sociale ou, ce qui est la meme I chose, a la regle de droit" (S. 172). Unter diesem Gesetz stehen auch les gouvernants, die Machthaber; also auch der Staat, "puisque l'Etat n'existe que par les gouvernants" (S. 262). Diese, die durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl gebundenen Machthaber sind es in Wahrheit allein, was man den Staat nennt. Staat ist nur "un mot commode", ein bequemer Ausdruck, um sie zu bezeichnen (S. 259, Note 1).Die Neigung, den Kampf gegen die juristische Person als einen Kampf gegen die Führer der deutschen Rechtswissenschaft zu bezeichnen, besteht auch sonst. Gaston Jeze, in seinen vortrefflichen Principes generaux du droit administratif, S. 8 Note 1, begrüsst Duguit aufs

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Wärmste als eine Art Befreier von den trügerischen Theorien der überrheinischen Juristen und von ihren "constructions nebulo-metaphysiques"; er vergisst auch nicht als ganz spezifisch deutsch hervorzuheben die "theorie de l'organicisme", wobei Jellinek mit dem "Organ, hinter dem nichts ist", abermals vorgenommen wird. Sehr gern spielt auch, wie bei Duguit, der Gegensatz des demokratischen Gedankens herein. So wendet sich Berthelemy in dem Vorwort, mit dem er freundlicherweise die französische Ausgabe meines deutschen Verwaltungsrechts begleitetet, gegen die Auffassung der savants allemands, wonach der Staat juristische Person irgend welcher Art sei. Das ist ihm unvereinbar "mit den Ideen der französischen Revolution, von welchen doch das moderne öffentliche Recht ausgegangen ist". Neuerdings ist auch Le Fur, der schon in seinem grossen Werke2 die Mängel unserer Reichsverfassung vom republikanischen Standpunkte aus klar gemacht hat, uns mit einer Abhandlung über die juristische Person des Staates in Kohlers Zeitschrift für Völkerrecht und Bundesstaatsrecht Bd. I S. 244 ff. entgegengekommen, um die neue französische Lehre zu verkünden: Die juristische Person des französischen Staates ist nur "une expression commode pour les 40 millions de Fran~ais" (S. 231).Wenn es ein Beweis fortschrittlicher Gesinnung ist, dass man die juristische Person verwirft, so sind wir keineswegs so rückständig als unsere Nachbarn und Kollegen anzunehlmen scheinen. Die allerjüngste Zeit hat uns wieder Schriften geliefert, die in geradezu überraschender Weise die nämlichen Bahnen wandeln wie sie, ohne dass eine Nachahmung angenommen werden könnte. Scharfe Ablehnung der ganzen Organologie, Verlegung des Schwerpunktes der Frage auf den Boden des öffentlichen Rechtes und grundsätzlicher Widerspruch gegen jeden sachlichen Wert des Begriffs juristische Person, das ist das Gemeinsame. Zu nennen ist hier vor allen E. Hölder, Natürliche und juristische Personen 1905. Auch für ihn ist die juristische Person keine Person (S. 340); wirkliche Subjekte des Vermögens sind vielmehr immer nur wirkliche Menschen. Ausnahmsweise ist es eine einfache Gesellschaft von solchen (bei "egoistischen" Vereinen), sonst sind es durchweg Amtsträger (Mitglieder eines "altruistischen" Vereins, Stiftungsvorstände, Gemeindevertreter, Staatsbeamte, Monarchen). Hölder hat im Arch. f. öff. R. XXI S. 310 mit Recht betont, dass der Amtsbegriff "ganz und gar dem öffentlichen Recht zugehöre". Die Frage ist nur, ob das öffentliche Recht ihn in dem ganzen Umfang übernehmen kann, den er ihm gibt; davon soll aber hier nicht gehandelt werden. Das öffentliche Amt le droit adm. allemand, Bd. I S. VI ff. Etat federal et confederation d'etats S. 621 ff.

lOtto Mayer, t

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bedeutet nach Hölder jede dem Subjekt nicht um seiner selbst willen zukommende, sondern zum Besten anderer zu verwendende Macht (S. 102). Aehnlich ersetzt ja auch Duguit die juristische Person durch die Gebundenheit des Gewalthabers an die Regeln der solidarite sodale. Nun wird freilich auch bei Hölder das "Amtsvermögen" behandelt, "wie wenn es das Vermögen eines von jedem wirklich existierenden Menschen verschiedenen und durch die Amtsträger vertretenen Menschen wäre". Aber diese Vorstellung ist nichts als "ein technisches Hilfsmittel", "eine Metapher" (S. 206) - "un mot commode", wie es Duguit ausdrückt; die Uebereinstimmung ist nicht zu verkennen.-

Hölders Buch fand sofort einen Widerhall in der Schrift von Binder, das Problem der juristischen Persönlichkeit 1907. In Bezug auf die Stiftung schliesst er sich vorbehaltslos Hölder an: es ist "nicht private, sondern amtliche Macht", in der das Stiftungsvermögen steht (S. 132). Für die Körperschaft aber, mit Einschluss auch des "altruistischen" Vereins wird einfach Gesellschaft und Gesamteigentum der Mitglie Ider angenommen (S. 107). Also, um unseren Vergleich durchzuführen: halb Duguit, halb de Vareilles-Sommil?res. Und wiederum erweist sich als treibende Kraft das Bedürfnis, loszukommen von der "mystischen" Gesamtperson mit ihren Fiktionen, Personifikationen und "Organisierungen", von der ganzen "Frage nach ihrer Begreiflichkeit" (S. 115), und führt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die juristische Person nichts ist als "ein Bild, in dem wir den Inhalt der verschiedenartigsten Relationen zusammenfassen" (S. 144).Wenn man dem Begriff der juristischen Person einen sachlichen Wert abspricht, verliert er von selbst auch die feste Begrenzbarkeit seines Anwendungsgebiets. Handelt es sich nur um ein mot commode, so ist es Geschmackssache, wie weit man eine solche Bezeichnungsweise bequem findet. Das ist bei den französischen Gelehrten so. Bei Binder tritt es in Zusammenhang mit seiner besonderen Auffassung von der Persönlichkeit, die überhaupt "keine konstante Grösse" sein soll. Demgemäss kann auch die juristische Person mehr oder weniger vorhanden sein (S. 145); die Fälle von "Einrichtungen", die bildlich als Personen bezeichnet werden, "unterscheiden sich von einander nur durch das grössere oder geringere Mass der Anschaulichkeit" des gebrauchten Bildes. Hölder kennt gleichfalls Uebergänge, stärkere und schwächere Arten. Auch die einfache Gesellschaft z. B. wirkt ja nach aussen: "daher ist jede Gesellschaft mit Gesellschaftsvermögen eine juristische Person im weiteren Sinn des Wortes, wenngleich sie nicht eine juristische Person im engeren Sinne ist" (S. 327). Das ist nur folgerichtig. Aber von ganz anderer Bedeutung ist es, dass in der gleichen Weise gesprochen wird auch ausserhalb des Kreises grundsätzlich verneinen-

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der Geister, bei solchen Schriftstellern, für welche die juristische Person noch immer nicht bloss eine Redeweise ist, sondern ein wirksames Rechtsgebilde. Wir finden die nämlichen Abstufungen und ganz verwandte Ausdrucksreihen, wie die soeben erwähnten, sehr häufig auch da, wo diese Voraussetzungen zutreffen. So soll nach Unger 1 die "Gesellschaft mit kollektiver Personeneinheit" eine Rechtssubjektivität besitzen von ähnllicher Art wie die der Korporation: "nur ist die Existenz dieser selbständigen besonderen Rechtssubjektivität in dem einen. Falle eine wirkliche, materielle, in dem andern eine bloss scheinbare, formelle." - Stobbel lässt neben den gewöhnlichen juristischen Personen die Gesamthandsverbände zwar nicht "als juristische Personen erscheinen", wohl aber "wie solche gelten". Meurer 2 stellt neben die "rechtsfähigen Verbände" die Gesellschaften "mit formeller Rechtsfähigkeit". Juristische Person ist "der Ausdruck für die einer Vielheit durch das Recht zu Teil gewordenen Einheitsbehandlung, also eine Fiktion". Beschränkt sich das, wie bei den Gesellschaften mit formeller Rechtsfähigkeit auf das Verhältnis nach aussen, so muss man sagen, dass eine solche Vereinigung, "wenn sie auch kraft gesetzlicher Normierung nach aussen wie eine juristische Person funktioniert, doch keine juristische Person ist". Eine fingierte Fiktion also; das mag geeignet sein, den Stärkeunterschied besonders deutlich zu machen. - Bei Gierke 3 finden sich neben der juristischen Persönlichkeit, wie sie als "volle Verbandspersönlichkeit" erscheint, auch "unvollkommene Persönlichkeiten", Subjekte von Rechten und Pflichten ohne "eigene gemeinheitliche Rechtsfähigkeit". Es gibt also auch für die Lehre von der echten juristischen Person tatsächlich hier in der Wirklichkeit des Rechts eine Stufenfolge verwandter Erscheinungen. Dass aber die für sie daraus erwachsende Aufgabe gar nicht so leicht ist, nämlich alles, was nun nicht mehr juristische Person sein soll, rechtlich von dieser fern zu halten, das bezeugen die mehr oder weniger unglücklichen Wortbildungen, mit welchen, wie wir sehen, diese Absicht zum Ausdruck gebracht wird: sie laufen alle auf irgend eine Halbheit hinaus. Da tritt nun freilich die so einflussreich gewordene Genossenschaftstheorie dazwischen, um mit einem Schlage alle Sorge zu lösen: sie verneint nicht, sondern betont in der juristischen Person vorhandene Realitäten, worin sie die alte Lehre ja sogar weit überbietet; sie erspart aber auch die Notlwendigkeit strenger Scheidung gegenüber den Man1 1

! 3

System des österreich. Priv.-Rechts I § 43. Deutsches Priv.-Recht II S. 65. Die juristischen Personen nach deutschem Reichsrecht 1901 S. 79 ff. Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung S. 171.

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nigfaltigkeiten, die auch sie sehr wohl neben der juristischen Person bemerkt, indem sie alles unter den weiten Mantel ihres Grundgedankens nimmt. Für sie stehen alle diese Erscheinungen nicht schroff getrennt wie Ja und Nein; von der losest verbundenen Vielheit führen allmähliche Uebergänge bis zur starrsten Einheit. Hier wird, wie Gierke 1 sagt, "die Kluft, die im römischen Rechte zwischen Gemeinheit und Gemeinschaft gähnt, durch eine Fülle von Zwischengebilden ausgefüllt". Ist die Genossenschaftstheorie nach Gierkes Zeugnis jetzt mehr als früher bestrebt, körperschaftliche mit selbständiger Verbandsperson ausgestattete Gebilde von der gesellschaftlichen Vereinigung "durch einen scharfen begrifflichen Einschnitt zu sondern"2, so würde sie sich selbst verleugnen, wenn sie nicht den Vorbehalt machte, diese Grenze nicht allzu ängstlich zu respektieren. Für sie muss immer wieder durchschlagen "die nun doch einmal durch keinen juristischen Macht,spruch wegzuschaffende innere Verwandtschaft zwischen Gebilden diesseits und jenseits der trennenden Grenze"3. Es bestünde eine empfindliche Lücke, wenn diese Art, die Dinge zu betrachten, nicht vertreten wäre; sie ist ja auch überaus anregend und schwungvoll. Nur muss es daneben auch Juristen geben, die das minder dankbare Geschäft betreiben, solche Machtsprüche dennoch formen· zu wollen. Denn die Begriffe, deren das juristische Handwerk bedarf, sind von dieser Art und müssen es sein. Sie meistern die Wirklichkeit des Lebens und zwingen sie in ihre Formeln, schneiden scharf ab, was nicht darin enthalten sein soll, mag es "innerlich" noch so sehr dazu gehören, und geben auf solche Weise der Handhabung des Rechts jenes eherne Gleichrnass, auf dem für das Gemeinwesen der Segen des Rechts beruht. Ueber die Grenzen, die so gezogen sind, wird nicht mehr gewechselt. Darf es doch geschehen, so ist der Begriff noch nicht fertig und es muss noch gearbeitet werden, ihn tauglich zu machen zum Baustein für das Haus des Rechts. Wir kommen also auch, wollen wir anders an dem altgewohnten Institute festhalten, um die Aufgabe nicht herum, I einen geschlossenen Begriff der juristischen Person zu suchen. Wenn es einen derartigen Begriff gibt, so werden wir von ihm allerdings erwarten dürfen, dass er bescheidener sein und sich mit einem engeren Gebiet begnügen wird, als das, welches ihm in luftigerer Gestalt offen stünde. Für dieses Gebiet muss er aber jedesmal, wo er sich verwirklicht findet, eine bestimmte rechtliche Kraft und Bedeutung 1 !

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Deutsches Privatrecht I S. 480.

a. a. O. S. 48l. a. a. O. S. 482.

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haben; sonst wäre es eben keine juristische Person, sondern eine poetische, metaphorische, metaphysische oder sonst etwas. Und dann darf dieses Juristische doch auch nicht irgend etwas Juristisches sein, sondern muss eine Einrichtung vorstellen, von der der Name Person vernünftigerweise gebraucht werden mag. Die Frage, die uns angelegen ist, geht vor allem nach der Persönlichkeit des Staates. Es wäre aber gewiss verkehrt, wollten wir damit anfangen, dass wir den massgebenden Begriff am Staate suchen. Seit wann ist der überhaupt erst juristische Person geworden? Sondern der Boden, auf dem unser Begriff gewachsen ist, ist zweifellos das Zivilrecht und zwar die zivilrechtliche Körperschaft, der rechtsfähige Verein. Erst wenn man sich hier klar geworden ist, was eine echte und gerechte juristische Person sei, mag man mit dem gewonnenen Massstab hinübergehen zum Staat und ins öffentliche Recht und sehen, was man dort etwa finden mag, das darunter passt. Soweit haben wir dann auch dort juristische Personen. Soweit nicht, nicht.

ß. Das entscheidende Merkmal In der stumpfen Masse geschmolzenen Erzes leuchtet manchmal ein merkwürdiger Schein auf, den man "Silberblick" nennt. Den "Silberblick des Rechts" müssen wir wahrzunehmen wissen, hat ein alter rheinischer Gerichtspräsident einmal gesagt. Er meinte das als eine Forderung an die Praktiker. Es gibt aber auch in der Theorie etwas Entsprechendes. Und bei keinem tritt heutzutage diese Gabe glänzender hervor als bei Laband. Das zeigt sich selbst da, wo er ein Problem scheinbar nur gelegentlich berührt, wie das bezüglich des unsrigen geschehen ist in seinen "Beiträgen zur Dogmatik der Handelsgesellschaften", Zeitschr. f. d. ges. Handels Irecht Bd. XXX S. 469 ff. Was er dort sagt, mag uns als Ausgangspunkt und Grundlage dienen.

Laband stellt hintereinander drei Sätze auf: "Eine juristische Person kann Vermögen haben, eine Gesellschaft nicht" (S. 497). Das ist das allein Entscheidende, meint er, aber es gibt kein sicheres Unterscheidungsmerkmal; denn auch das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter kann tatsächlich so aussehen. Das Kriterium liefert erst das Passivvermögen: "Eine juristische Person kann Schulden haben, eine Gesellschaft nicht" (S. 498). Und zwar bedeutet dieses "Schulden haben", dass die Schulden nur den Verein treffen, nicht die Mitglieder. Daraus folgt der dritte Satz: "Die juristische Persönlichkeit des Vereins wird also erkennbar in der Nichthaftung der Mitglieder für die Vereinsschulden" (S. 500). Man hat dagegen eingewendet: es stünde nichts im Wege, dass gleichwohl auch die Mitglieder mit verpflichtet würden, als "Nebenschuld-

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ner", mit "sekundärer Haftung", kraft Gesetzes oder nach besonderer Uebernahme 1• Allein hier wird sich die Haftung doch genügend als be.,. sondere Zutat erkennbar machen, und deshalb bleibt das Merkmal selbst unbeeinträchtigt 2 • Bekker 3 aber bemerkt noch weiter: "Die Definition ist trefflich erfunden, offene Handelsgesellschaft und wirtschaftliche Genossenschaft aus dem Kreise der juristischen Person auszuschliessen. Da keine Regel existiert, welche Momente in die Definition aufzunehmen seien, welche nicht, so kann niemand Laband wehren, an dieser Definition festzuhalten; wiederum aber kann er niemand zwingen, dieselbe anzunehmen." Das Letztere wird freilich das gemeine Los menschlicher Definierungsversuche sein, unter welchem Laband nicht allein steht. Richtig ist, dass sein Unterscheidungsmerkmal zugespitzt ist auf offene Handelsgesellschaft einerseits, Aktiengesellschaft anderseits; es handelt sich eben um einen "Beitrag zur Dogmatik der Handelsgesellschaften". Vor allem aber scheint mir Bekkers Bemerkung daneben zu gehen, wenn sie sich richtet gegen eine Definition, gegen eine Bestimmung I des Begriffs der juristischen Person, die Laband mit dieser Formel hätte geben wollen. Er sagt nur, woran die juristische Person des Vereins erkennbar wird, wann bei einer Vereinigung anzunehmen ist, dass sie juristische Person sei. Das entscheidende Me:rkmal, die Nichthaftung der Mitglieder ist natürlich nicht selbst die juristische Person, die Nichthaftung ist der rechtliche Erfolg, der durch die Einrichtung einer juristischen Person erreicht werden soll; er ist nur durch diese möglich, also muss überall, wo dieser Erfolg erreicht dasteht, eine juristische Person gegeben sein. Sie ist bei den Handelsgesellschaften das ausschliessliche Mittel, diesen Erfolg zu ermöglichen. Damit ist selbstverständlich offen gelassen, dass die gleiche Einrichtung auch ausserhalb des Bereiches der Handelsgesellschaften zur Verwendung kommen mag, und namentlich auch, dass sie alsdann das Mittel sein kann, um andere Zwecke zu erreichen. Dann bleibt die Einrichtung ihrem Begriff und Wesen nach dieselbe; das Labandsche Merkmal ist nur für diese Fälle nicht gegeben, hat nicht dafür gegeben werden sollen. Laband lässt uns gleichwohl auch diesen weiteren Weg nicht unausgerüstet gehen. Denn gerade durch den Zusammenhang mit dem so stark betonten Zweck hat bei ihm auch das Mittel dazu, die juristische Person selbst ein entsprechend scharfes Gepräge bekommen. Das Rechtsgebilde ist geboren mit der kräftigen Farbe dieses Zweckes und 1 Eccius in Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. XXXII S. 7 und 8; Bekker, Pandekten I S. 217; Regelsberger, Pandekten I S. 316. : In diesem Sinne hatte Laband sich gegen den Einwand auch schon vorgesehen: a. a. o. S. 498 Note 28. S Pandekten I S. 217.

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muss daran wieder zu erkennen sein, wo auch es sonst noch erscheinen mag, oder es ist nicht mehr es selbst. Laband hat gerade diese Seite der Sache auf das Angelegentlichste hervorgehoben. Die Gesellschaft, sagt er, betreibt ein Handelsgeschäft; die Haftung der Mitglieder für die Geschäftsschulden soll ausgeschlossen sein. Dann "muss auch das aktive Vermögen dem Verein selbständig zustehen. Es wäre widersinnig und ein wirtschaftlich unmöglicher (nach bestehender Rechtsordnung auch rechtlich unmöglicher) Zustand, wenn die Passiva der Gesamtheit, die Aktiva den Einzelnen zufielen.... Aktiva und Passiva bilden zusammen das Vermögen .... Die Befreiung der Mitglieder von der Haftung für die Schulden des Vereins hat ihre Kehrseite daran, dass ihnen das aktive Vermögen nicht gehört und I dass auch Fürsorge dafür getroffen wird, dass sie es den Zwecken des Vereins nicht entziehen, es insbesondere nicht für ihre privaten Vermögensinteressen verwenden oder nach Belieben durch einen Beschluss unter sich verteilen können" (a. a. O. S. 499). Das, was Laband hier schildert, ist immer noch nicht die juristische Person selbst. Aber es ist der entscheidende Schritt, der zu ihr führen muss und allein zu ihr führt. Deshalb kommt alles darauf an, dass er nicht zu leicht genommen werde. Die Tragweite des Geforderten ist unzulänglich wiedergegeben, wenn man sich mit Labands äusserlichem Merkmal begnügen und in den Aktienvereinen nichts anderes finden will, "als Gesellschaften, bei denen nicht nur für einzelne, sondern für alle Gesellschafter die Möglichkeit von Verlust oder das Risiko begrenzt ist"1. Zunächst vollzieht sich noch die "Kehrseite" der Befreiung der Mitglieder von der Haftung: die Lösung des Vermögens von ihrer Person. Das ist die Kehrseite zu Gunsten derer, denen gegenüber eben jene Befreiung von der Haftung wirkt: zu Gunsten der Gläubiger des Vereinsunternehmens. Ihnen soll dadurch ein Erfolg und Ausgleich bereitet werden: das Vermögen, das ihnen haftet, wird ihnen sicher gestellt vor eigensüchtigen Zugriffen der Vereinsmitglieder, wie Laband sie schildert, und zugleich vor deren Privatgläubigern. Dem entspricht aber auch nur eine Loslösung unzweideutigen Rechts: die Mitglieder müssen aufhören Subjekte dieses Vermögens zu sein. Darum muss hier ferngehalten werden alles, was darauf ausgeht, die geforderte Entschiedenheit dieser Trennung wieder zu zerstören, indem man sie nur gewissermassen und verhältnismässig gelten lässt. In diesem Punkte wenigstens darf man nicht mit Bekker sagen: wer will mich zwingen, Labands Ideen anzunehmen? Hier zwingt die Logik. So ist es z. B. unrichtig gedacht, wenn Joll y 2 von dem Rechtsinstitut der Aktiengesellschaft behauptet, dass die Teilnehmer "formell durch 1 Hölder, Nat. und jur. Pers. S. 294; Binder, Problem S. 123. ! Zeitschr. f. deutsches Recht, Bd. XI S. 314.

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es als Einheit erscheinen, formell ganz so behandelt werden, als bildeten sie ein besonderes selbständiges Rechtssubjekt, während materiell I nur sie selbst berechtigt und verpflichtet sind und ein von ihnen verschiedenes Subjekt für die gesellschaftlichen Rechtsverhältnisse nicht existiert". Es kommt im Gegenteil alles darauf an, dass den Aktionären das Vermögen nicht gehört, nicht formell und nicht materiell. Die Verfassung der Aktiengesellschaft sichert ihnen gewisse Vorteile in Verwaltung und Nutzung dieses fremden Vermögens; wirtschaftlich kommt es ihnen zu gute. Will man das eine "materielle Berechtigung" nennen, so ist das ebenso richtig, wie wenn man sagt: das übermässig mit Hypotheken belastete Haus "gehört" den Gläubigern. Das ist Zeitungssprache. Für uns ist das wertlos; wer nur in diesem Sinn das Rechtssubjekt für die in Frage stehenden Rechtsverhältnisse ist, der ist juristisch nicht das Rechtssubjekt dafür. Ebenso falsch Salkowski 1• Er fängt erst ganz zutreffend an: "Ueberall, wo mehrere Personen durch Absonderung von Stücken aus ihrem Vermögen ein neues einheitliches Vermögen bilden, welches als ein von ihrem eigenen Vermögen getrenntes, verschiedenes, selbständiges rechtlich anerkannt wird, da haben wir heutzutage mit dem Begriffe der juristischen Person zu tun" (S. 66). Aber dann geht es weiter: Die mehreren Personen sind doch nur "nach aussen ein Rechtssubjekt ... Die juristische Person eines Personenvereines betrifft nur sein Erscheinen nach aussen ... Alle inneren Verhältnisse sind für die juristische Person gleichgültig" (S. 67). Gerade das Umgekehrte muss wahr sein: mit den inneren Verhältnissen fängt für die juristische Person alles an. Denn dass das Vereinsvermögen von den Vereinsmitgliedern rechtlich losgelöst ist, ihnen nicht gehören soll, das ist doch ganz und gar inneres Verhältnis. Und gerade darauf kommt es an, wenn eine juristische Person eingerichtet werden soll. Unzulässig ist es deshalb auch, von juristischen Personen zu sprechen, die diese wesentliche Voraussetzung nicht haben. Alle die uneigentlichen, unvollkommenen, halben oder verhältnismässigen juristischen Personen, wie man sie der guten Ordnung halber einfügen zu müssen glaubt (oben S. 9), sind einfach keine juristischen Personen.

Meurer 2 vereinigt zwei verhängnisvolle Epitheta, wenn I er von Gesellschaften mit "formeller" Rechtsfähigkeit spricht, die nur "nach aussen" wie eine juristische Person fungieren, während nach innen das Gesellschaftsprinzip entscheidet (S. 119). Er hat recht zu sagen, dass dies juristische Personen gleichwohl nicht sind; wozu dann das Spiel mit dem Wort? Seine Auffassung von der echten juristischen Person bewegt 1

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Zur Lehre von den juristischen Personen 1862 S. 66 ff. Die juristischen Personen nach deutschem Reichsrecht S. 79 ff.

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sich dafür vollkommen in der richtigen Bahn, wenn er hervorhebt, dass sie "ganz wie eine Einheit funktioniert, also nach innen und nach aussen wie eine physische Person behandelt wird" (S. 50), "ein von ihren Mitgliedern verschiedenes Subjekt von Rechten und Pflichten" (S. 131). Ebenso macht Unger 1 die Halbheiten, auf die er sich zuerst eingelassen hat mit den Abstufungen formell und materiell, nachher wieder gut durch desto klarere Hervorhebung dessen, was das Wesen der juristischen Person begründet: "die irdischen Güter, sagt er, welche zur Verteilung unter die Einzelnen bestimmt sind, werden diesen entzogen und dem vom Rechte künstlich geschaffenen Subjekte beigelegt" (S. 314). "Das Vermögen wird den einzelnen natürlichen Personen gänzlich entzogen und als Mittelpunkt desselben ein Subjekt ... künstlich geschaffen" (S. 315). "Bei der Korporation ist das Subjekt der einzelnen Rechte ein von den jeweiligen einzelnen Mitgliedern gänzlich verschiedenes, dieselben verdrängendes Subjekt" (S. 328). Kurz und bündig findet sich der entscheidende Gedanke ausgesprochen bei Rümelin 2 : "Mit der Annahme der juristischen Person ist zunächst die Loslösung des Vermögens von den beteiligten Menschen statuiert."Ich sagte: diese Lösung des Vermögens ist immer noch nicht die juristische Person selbst. Aber sie steht damit vor der Türe und muss eintreten. Denn dieses rechtlich gesonderte Vermögen soll ja nicht ausser Verkehr bleiben; sonst wäre das einfachste, man versenkte es ins Meer. Es soll im Gegenteil recht lebhaft im Verkehr zur Geltung gebracht werden, arbeiten und Nutz tragen. Nun ist aber dieser Verkehr von der Rechtsordnung so eingerichtet, dass er nur zwischen Rechtssubjek Iten vor sich geht, an die jeder Vermögenskreis und alles dazu gehörige Vermögensrecht geknüpft ist, die mit Wirkung für ihr Vermögen selbst handeln oder durch ihre geordneten Vertreter handeln, und denen gegenüber mit Wirkung auf dieses Vermögen gehandelt wird. Der Mensch ist für uns das natürliche Rechtssubjekt; er besitzt selbstverständlich Persönlichkeit. Zwischen solchen Rechtssubjekten können Vermögen und Teile davon wechseln. Aber in unserem Falle wird das Vermögen nicht von seinen Rechtssubjekten losgelöst, um sofort mit einem anderen schon vorhandenen Rechtssubjekte in derselben Weise wieder verbunden zu werden. Wenn also die Rechtsordnung diese Loslösung des Vermögens und sein Verbleiben im Rechtsverkehr zulassen will, so muss sie einen angemessenen Ersatz für das verlorene Rechtssubjekt anderweit schaffen oder zu schaffen gestatten. Die Einrichtung, die den 1 Z

System des österreich. Privat.-Rechts I § 43. Methodisches über die juristischen Personen S. 63.

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Ersatz vorstellt, ist die juristische Person. Es soll danach alles so behandelt werden, als wäre für dieses Vermögen ein besonderes Rechtssubjekt da1 . Wäre bestimmt worden, es sollte so angesehen sein, als wäre ein wirklicher Mensch da, wo keiner ist, so wäre das eine Fiktion; denn über die Natur ist die Rechtsordnung nicht Meisterin. Wohl aber ist sie Meisterin zu bestimmen, was vor ihr als Rechtssubjekt gelten soll. Wenn sie sagt: das soll so behandelt werden, als wäre es eines, so hat das den gleichen Wert, als wenn sie sagt: das ist eines. Insofern ist die juristische Person für den Juristen eine Wirklichkeit; für andere auch, sie sehen sie nur nicht2 • I In der Geschichte der juristischen Person ist keine Lehre so wichtig geworden wie die von ihrer Fiktionsnatur. Sie hat nach dem Gesagten den Ausdruck zu stark gewählt. Unter Umständen kann gerade in einem solchen Missgriff ein gewisses Verdienst liegen, wenn er nämlich zugleich geeignet ist, das Wichtigste und das, worauf es wesentlich ankommt, recht scharf zu unterstreichen. Das hat die Lehre hier getan: die Selbständigkeit und Gesondertheit der juristischen Person und dessen, was ihr zusteht, gegenüber allem, was dahinter ist, konnte nicht besser eingeprägt werden als durch das übertriebene Wort. Auch die übliche Terminologie hat ihr gutes Recht. Soll freilich der Gegensatz von natürlicher und juristischer Person bedeuten, was man ihm häufig zumutet, dass die eine wirklich ist, die andere nicht, so ist das nicht bloss, wie wir eben sahen, sachlich nicht richtig, sondern die Worte wären auch schlecht gewählt, um das auszudrücken. Dagegen sind sie allerdings wohl geeignet, die tiefgehende Verschiedenheit zu kennzeichnen, die zwischen den beiden besteht in der Art, wie jede die Einzelheiten ihrer Daseinsform gestaltet erhält. Bei einem verwickelten 1 Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 465 sagt von den "Theorien die jede Verbandspersönlichkeit streichen", also insbesondere an eine "reale Verbandspersönlichkeit" nicht glauben, sie wollten zum Teil "den in Wirklichkeit leeren Platz des Subjektes mit irgend einem um der Rechtstechnik willen konstruierten Träger besetzen". Was wirklich vorgeht, ist damit trefflich zum Ausdruck gebracht; nur ist der, welcher hier "will", nicht eine beliebige Theorie, sondern die Rechtsordnung selbst. 2 Böhlau, Rechtssubjekt und Personenrolle 1871 legt sehr starkes Gewicht auf dieses "nur so behandelt werden", "eine Personenrolle spielen". Das ist richtig ausgedrückt, darf aber auch nicht überschätzt werden in seiner Tragweite: sofern das nach dem Willen der Rechtsordnung so geschieht, läuft die Sache ganz auf die nämliche juristische Wirklichkeit hinaus wie die Fiktion. Man wird also Meurer zustimmen müssen, wenn er solche "Behandlung" durch das Recht und die Fiktion, soweit es auf das Ergebnis ankommt, ohne weiteres gleichsetzt (Die juristische Person S. 43, 46, 50). Aber das, was das Recht hier macht, scheint er mir seinerseits falsch einzuschätzen, wenn er es geradezu eine Fiktion nennt; sein Grund, dass die juristische Persönlichkeit "nur das Ergebnis rechtlicher Herrschaftsordnung", "Wirkung des Rechts" sei (S. 46), leuchtet mir nicht ein~ Ich halte die Wirkungen der Rechtsordnung für etwas sehr Reales.

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Gebilde, wie die Person in Wahrheit ist, kann das keine einfache Sache sein. Bei der natürlichen Person sieht es nur so einfach aus, weil die Rechtsordnung für sie eine Menge Bestimmtheiten übernimmt, die der Mensch schon mitbringt. Bei der juristischen Person fehlt das. Die Rechtsordnung und ihre Gehilfen, die Juristen, walten bei ihr schöpferisch freier. Was den Menschen zum Individuum macht, wird bei ihr ersetzt durch juristische Merkmale, die ihr gegeben werden, und damit sie die für das Stehen im Rechtsverkehr unentbehrlichen Kräfte erhalte, mit welchen die Natur den Menschen ausgestattet hat, müssen andere Personen ihr durch besondere Rechtsbeziehungen verbunden werden, die ihr diese Kräfte leihen. Das alles macht ihre Verfassung aus, deren sie I bedarf, um da zu sein. Sie ist durch und durch juristisch1 • Jetzt werden wir aber auch zusammenfassen dürfen, entsprechend dem oben S. 11 Geforderten: aus dem Unterscheidungsmerkmal, das Laband für die Aktiengesellschaft aufstellt, erwächst das markig gezeichnete Bild einer nicht mehr zu verwechselnden Einrichtung, die dieser eigentümlich ist; es ist eine Rechtseinrichtung, mit ihren besonderen Voraussetzungen und Wirkungen höchst bedeutungsvoll hineingestellt ins Rechtsleben; soll sie einen Namen haben, so gibt es keinen, der genauer wiedergibt, was sie wirklich ist, als: Person und juristische Person; sie verlangt geradezu nach ihm. Nun gibt es ja ausser der Aktiengesellschaft noch mancherlei Arten von juristischen Personen. Denkbar wäre, dass bei diesen ein anderer Begriff oder mehrere andere zum Vorschein kämen, so dass wir vielleicht genötigt wären, einen Oberbegriff zu suchen. Es wäre aber auch denkbar, dass wir mit dem hier gefundenen auskommen. Die Artver1 Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 473 schildert diesen Gegensatz des "sozialen Gebildes" zum natürlichen Gebilde in anschaulicher Weise. "Seine Bestandteile, sagt er, sind selbst Personen. Infolge hievon sind die inneren Lebensbeziehungen, die bei der Einzelperson schlechthin nicht in das Rechtsgebiet eintreten, bei der Verbandsperson der rechtlichen Ordnung fähig und werden in der Tat in umfassendem Masse zu Rechtsverhältnissen ausgestaltet. Die Verbandsperson hat eine Verfassung." Wenn freilich Gierke den Aktionär wegen seines Anteils an den Dingen der juristischen Persönlichkeit einen "Bestandteil" von dieser nennt, so ist das eben Genossenschaftstheorie. Mit der Genossenschaftstheorie hängt es auch zusammen, wenn Gierke a. a. O. S. 469 Note 3 den Namen juristische Person als "nichtssagend oder irrführend" verwirft. Eigentlich würde der Name durch seine eigene Schilderung gerechtfertigt sein. Aber er fürchtet darin die zu stark betonte Idee einer "lediglich durch juristische Kunst oder für juristische Zwecke geschaffenen Person". Für die von dem sich bildenden Gesamtwillen erzeugte Verbandsperson wäre der Name allerdings irrführend. Für eine juristische Person, die, wie die unsrige, gar nichts anderes sein kann als ein Geschöpf der Rechtsordnung, ist er es nicht.

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schiedenheiten beruhen auf Verschiedenheiten der Verfassung. Wir werden also zunächst deren Bestandteile, ausgehend von der Aktiengesellschaft, genauer untersuchen.

111. Was zur juristischen Person gehört Die natürliche Person bringt durch ihren Zusammenhang mit einem lebendigen Menschen sehr wesentliche Bestimmt Iheiten schon mit, die für die juristische erst zu suchen, durch die Rechtsordnung ihr besonders zu geben sind. Sie hat von vorneherein an der Leiblichkeit dieses Menschen ihren festen Sitz, an dem, was ihm frommt, ihren Zweck, an seinem Willen das in der Rechtsordnung unentbehrliche Werkzeug, sich zu betätigen. Das alles braucht die juristische Person auch. 1. Wenn wir für die juristische Person vor allem einen festen Sitz verlangen, so bedeutet das nicht etwa eine leere Ortsbestimmung, sondern, entsprechend der Leiblichkeit der natürlichen Person, ein äusserlich Wahrnehmbares, an dem sie stetig hängt und von dem ihre Wirksamkeit ausgehen soll; sie kann nicht lose in der Rechtsordnung herumflattern. Wir brauchen, wie Rümelin es ausdrückt!, einen Beziehungspunkt, und zwar einen neuen Beziehungspunkt: die juristische Person bedeutet ja nach ihm "zunächst die Loslösung des Vermögens von den beteiligten Menschen"2, also den Verlust des Beziehungspunktes; deshalb wird eben in der juristischen Person "das Vermögen an einen neuen Beziehungspunkt angeknüpft"3.

Vielleicht wäre dieser Formel eine leise Wendung zu geben: wenn die juristische Person nach Rümelin wirklich eine Person ist, so hat das ihr zugehörige Vermögen seinen Beziehungspunkt in ihr. Die Frage ist: wo hat die juristische Person selbst ihren Beziehungspunkt? woran hängt sie und wo ist sie zu Hause zu finden, wenn man sie treffen will? Das, worauf es hier ankommt, hat jene berühmte Lehre im Auge, die wir aus alter scholastischer Zeit überkommen haben: die Lehre vom Substrat der juristischen Person. Die Lösung, welche sie gibt, ist denn auch echte Scholastik. Weil die natürliche Person etwas Leibliches hinter sich hat, muss auch hier eine "körperliche Unterlage" da sein, und die ist entweder eine universitas personarum, dann haben wir die Körperschaft, oder eine universitas bonorum, dann haben wir die Anstalt oder Stiftung. Dass dieses Unterscheidungsmerkmal bei der Anwendung leicht "im I Stiche lässt", ist schon öfter bemerkt worden l . I 2

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Methodisches über die juristischen Personen S. 59 ff.

a. a. a, a.

o. S. 63. o. S. 62.

Regelsberger, Pandekten I S. 296.

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Die Aktiengesellschaft z. B., die "Kapitalsvereinigung" , wie man sie gerne nennt, hätte offenbar beiderlei Dinge zugleich als Substrate, die Menschen sowohl, wie die Vermögenswerte 2 ! Und was soll die juristische Person dabei tun? Sie hätte ihre beiden "Substrate" von einand.er getrennt zu halten, das ist ja ihre Aufgabe! Von dem einen aber, von den Menschen, denen gegenüber gerade ihr Vermögen zu sondern ist, kommt sie natürlich nicht los, wenn diese ihr Leib sind. Das Vermögen hinwiederum, die universitas bonorum, kahn wohl von diesen Menschen gelöst werden, um Gegenstand der rechtlichen Macht der juristischen Person zu sein; aber wie soll es als solcher zugleich die Körperlichkeit, die Unterlage abgeben für das, was ihr Herr ist3 ? Das plumpe Zugreifen nach der nächsten Körperlichkeit wird dem Wirklichen weder im einen noch im andern Falle gerecht. Mag es das scholastische Bedürfnis nach einem durchgehenden Schema äusserlich befriedigen, ein gesundes Verständnis kommt nicht dabei heraus. Der Fehler liegt aber nur daran, dass diese Lehre das unkörperliche Zwischenglied nicht sehen will, das diese "Substrate" doch erst, und zwar beide gleichmässig, mit der juristischen Person verbindet. Sie sind ja beide wichtige Zubehöre von ihr und zwar überwiegt bald das eine, bald das andere, so dass man wohl auch Artverschiedenheiten danach hervorheben mag. Aber das Vermögen ist doch nicht so ganz im allgemeinen mit einer besonderen Person verknüpft, sondern es soll auf diese Weise einem bestimmten Zwecke gewidmet sein. Und der Verein ist nicht bestimmungslos mit der juristischen Person in Zusammenhang gebracht, sondern um sich an dem Zwecke zu beteiligen, der durch diese verfolgt werden soll. Selbstverständlich: der Zweck ist seiner Natur nach etwas Innerliches, der menschlichen Gedankenwelt Angehörilges; daran kann man keine juristische Person anknüpfen, um sie sesshaft zu machen für den Rechtsverkehr. Es gibt aber doch Fälle, wo der Zweck in äusserer Welt sich darstellt in dauernden wahrnehmbaren Erscheinungen. Es können von den Menschen Einrichtungen getroffen werden, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen, sächliche und persönliche Mittel sehen wir in fester Ordnung vereinigt zu planmässiger Tätigkeit dafür; ein Unternehmen, eine Anstalt, ein Geschäft stellt sich uns dar. Das ist gegenständlich gewordener Zweck; bildlich sprechend mag man es einen verkörperten Zweck nennen. Eine wahre Körperlichkeit ist das natür! Witte in Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. VIII S. 6 ff. sucht dem Rechnung zu tragen: die Aktiengesellschaft, obwohl Körperschaft, bedarf doch eines Vermögenssubstrats und hat deshalb einen "anstaltsartigen Charakter". Namen sind billig wie Brombeeren. 3 Meurer, Jurist. Pers. S. 243 nennt dergleichen "eine unmögliche Identifikation von Subjekt und Objekt". Es sollte wenigstens unmöglich sein.

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lich nicht; aber eine erkennbare äusserliche Erscheinung wird man dem Zweck hier nicht absprechen können.

Diesem Unternehmen dient das Vermögen, für dieses bildet sich der Verein. Und wenn hier eine juristische Person hineingestellt werden soll, so ist das Unternehmen der gegebene "Beziehungspunkt" und dieses allein. Die manchmal aufgeworfene Frage: was wird denn eigentlich personifiziert, verpersönlicht? Ist nur so richtig zu beantworten. Damit wird hier angeknüpft an die Ideen von Brinz, an sein berühmtes "Zweckvermögen", das die juristische Person ersetzen solP. Ja, der Zweck ist der Herr! Aber um einen solchen mehr dichterischen Gedanken ins Juristische zu übersetzen, ist es notwendig, ihn im Gegebenen zu suchen und das Gegebene ist eben hier die juristische Person. In diesem Sinne werden wir Bekker2 näher stehen. Er will, im Gegensatz zu Brinz, die juristischen Personen "nicht gänzlich fallen lassen" (S. 207), erklärt sie aber für "gedachte Subjekte gewisser Arten von Zweckvermögen" (S. 208), und dazu gehört, dass "das schon vorhandene oder erst zu bildende Zweckvermögen gewissen herkömmlichen Anforderungen entspricht, unter denen organisierte Verwaltung und eigener Name die wichtigsten sind". Das ist ungefähr das, was ich sagen will: ich glaube nur den Gedanken einfacher und unmittelbarer auszudrücken: Vermögen, organisierte Verwaltung, eigener Name, alles auf einen bestimmten Zweck gerichtet, das nenne I ich ein Unternehmen; und zwar wird hier jedermann speziell das kaufmännische Unternehmen, das Handelsgeschäft wieder erkennen. Freilich, nicht jedes solche Unternehmen bedeutet von selbst schon eine juristische Person, wie man nach Bekker glauben könnte. Aber in bestimmten, leicht erkennbaren Fällen soll nach dem Willen der Rechtsordnung vor ihr alles so behandelt werden, als bestünde für das so ausgezeichnete Unternehmen ein eignes Rechtssubjekt. Dadurch wird das Unternehmen verpersönlicht, es wird eine juristische Person mit ihm verknüpft. Durch diese Verknüpfung gewinnt die juristische Person mit einem Schlage zwei Dinge zugleich, deren sie bedarf für ihr Dasein: einmal gibt ihr das Unternehmen den festen äusserlichen Punkt, an dem sie hängt, ihre Leiblichkeit, ihren Sitz; und sodann, da das Unternehmen selbst durch und durch verkörperter Zweck ist, findet sie in diesem zugleich den ihrigen. 1 2

Pandekten I S. 194 ff. Pandekten I S. 196 ff.

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2. Bevor wir daran gehen, das dritte Stück aufzuweisen, das noch fehlt, müssen wir unsere Stellung sichern gegen eine Menge von unechten juristischen Personen, die sich hier herandrängt. Der Probierstein ist immer die Trennung des Unternehmens von dem ursprünglichen Unternehmen. Und gerade die falschen Verknüpfungen, die hier durchweg vorliegen, sollen erhärten, wie bedeutsam und unersetzbar das Unternehmen im Mittelpunkte unseres Begriffes steht. Das Handelsgeschäft ist eines der kräftigsten Beispiele von verkörpertem, anschaulich gewordenem Zweck. Die Handelsrechtswissenschaft und das Handelsgesetz rechnen mit ihm als einer festen GrÖsse. Es wird gekauft und verkauft und vererbt, mit oder ohne Firma. Nun, dieses Geschäft, auch ohne alle Nachhilfe von seiten der Rechtsordnung, hat die ausgesprochene Neigung, sich in unseren Anschauungen und in unserer Sprechweise zu verselbständigen, ein Ding für sich zu werden gegenüber dem Unternehmer, ja sich über ihn zu erheben und die Rollen zu vertauschen, als wäre es der Herr und der Prinzipal nur sein geplagter Diener. Es hat sein Lokal und Personal, sein Vermögen, I seinen Namen, die Firma, deren der Kaufmann sich nur bedient, wenn er für das Geschäft handelt und nicht für sein "Privatleben". Es ist ein ganz unbefangener Anthropomorphismus, der da geübt wird, auch eine Verpersönlichung, aber eben keine juristische, sondern anschauliches Bild und Metapher. Für die Juristen aber, die mitten in dieser Anschauungsweise stehen, lag von jeher eine gewisse Versuchung vor, sie allzu ernsthaft zu nehmen. Wenn man früher wohl sich daran gemacht hat, die Firma als juristische Person hinzustellen!, so war in Wirklichkeit das Geschäft gemeint. W. Endemann 2 nennt dieses geradezu ein "Verkehrswesen" und beansprucht dafür die "Rechtssubjektivität". Bekker3 begrüsst ihn deshalb; die "Einzelgeschäfte", meint er, sollen ebenso gut zu juristischen Personen berufen sein, wie die "Gesellschaftsgeschäfte". Wenn er freilich dann im Texte wieder betont: "Das Handelsvermögen hört sicher nicht auf, Individualvermögen des Einzelkaufmanns zu sein", so ist das gewiss richtig; mangels einer darauf zielenden Rechtsvorschrift lässt sich eine solche Verselbständigung des Geschäftsvermögens gegen-

Kuntze in Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. VI S. 197. Das deutsche Handelsrecht S. 84. Behrend, Lehrbuch d. Handelsrechts S. 204 Note 6 sagt von dieser Richtung: "Eine bereits in älterer Zeit mehrfach vertretene Ansicht misst dem Geschäft des Einzelkaufmanns den Charakter einer Anstalt bei, d. h. einer durch den Zweck zusammengehaltenen Einheit, die nicht nur über ihren einzelnen Bestandteilen, sondern auch über dem jeweiligen Inhaber steht." Der Name Anstalt wäre unverfänglich, aber das Stehen über dem jeweiligen Inhaber kennzeichnet die juristische Person, die man damit verbunden denkt. 3 Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. XVII S. 387 Note 5. 1

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über dem Geschäftsunternehmer natürlich nicht behaupten. Damit ist aber auch verneint, was den eigentlichen Wert der juristischen Person ausmacht. Dass man im Verkehr mit dem Geschäft tatsächlich rechnet als wie mit einer Person, macht es nicht wirklich dazu, gerade so wenig oder noch weniger, wie der, welcher sich "als Kaufmann geriert", dadurch zum Kaufmann wird; dem Scheinkaufmann in diesem Sinne entspricht hier die Scheinperson. So beim Einzelkaufmann. Bei der Handelsgesellschaft verschiebt sich das Bild. Das Geschäft gehört der Gesellschaft, welche ihrerseits die eindrucksvollere wirtschaftliche Grösse vorstellt. Die Gesellschaft wird wie eine für sich I bestehende Einheit behandelt, von der hier alles ausgeht. Das ist zunächst wieder nur bildliche Redeweise. Aber wieder unterliegen auch hier die Juristen dazwischen der Versuchung und sagen kurzweg: "die offene Handelsgesellschaft ist eine juristische Person 1." Vor allem setzt bei diesen "Verbänden" die Genossenschaftstheorie ein. Für sie bildet sich ja unter solchen Voraussetzungen von selbst ein neues Wesen mit einem eigenen Willen, dem Gesamtwillen, der aus den Einzelwillen entsteht, "wie aus vielen Rinnsalen der Strom". Regelsberger2 , der dieses Bild gebraucht, will den Vorgang noch verdeutlichen durch den Hinweis auf die Stelle I. Korinther 12, 12: "alle Glieder Eines Leibes, wiewohl ihrer viele sind, sind sie doch ein Leib." Das ist von dem natürlichen Menschenleib gemeint, von dem Apostel aber übertragen auf die Christenheit, die aus vielen Einzelnen besteht und doch ein Leib ist, und dieser eine Leib ist Christus: "oü'no xai 6 XQLo"t6t;", fährt die Stelle fort. Wir sind also mitten in der paulinischen Mystik. Nun kann man allerdings der Meinung sein, dass jede wahre Religiosität eines Stückes Mystik bedarf. Bei der Rechtswissenschaft aber ist das nicht so, und höchst verdächtig müssen uns alle Wege sein, die dazu führen können, dass man Christus als den Prototyp der personifizierten Handelsgesellschaft bezeichnet. In Wirklichkeit erkennen auch die Anhänger der Genossenschaftstheorie juristische Persönlichkeit nicht so weit an, als sie eigentlich könnten. Da für sie alles das doch nur relativ ist, können sie mit der zu ziehenden Grenzlinie sich sehr wohl der herrschenden Meinung anschliessen, wonach nur die Aktiengesellschaft juristische Person ist; ein sachlicher Grund besteht dafür nicht. 1 Salkowski, zur Lehre von der jur. Pers. S. 53 ff., S. 66 ff.; Eccius in Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. XXXII S. 5; Kahler in Grünhuts Zeitschr., Bd. XIII S. 8. Beliebt ist gerade hier wieder die Halbheit "relative juristische Person": Dahn, handelsrechtl. Vortr. S. 76; Gareis, Handelsrecht S. 20. Vgl. auch Dernburg, Preuss. Priv.-Recht II, 2 S. 558. 2 Pandekten I S. 291.

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Für uns besteht ein solcher. Die juristische Person ist unmöglich und sinnlos überall, wo das Band mit den ursprünglichen Herrn und Trägern der Vermögens rechte nicht zerschnitten ist. Das ist bei der offenen Handelsgesellschaft I und bei der Kommanditgesellschaft der Fall. Das Gesellschaftsvermögen ist und bleibt freies Vermögen der Gesellschafter; die Gesamthand beschränkt sie nur in der Ausübung ihrer Rechte daran, aber entfremdet es ihnen nicht. Wozu also eine juristische Person? Erst mit der Aktiengesellschaft - die also eine dritte Stufe bildet ändert sich diese Sachlage. Hier tritt, rein wirtschaftlich genommen, das Unternehmen wieder stark in den Vordergrund. Der Name, unter dem gehandelt wird, soll "von dem Gegenstand des Unternehmens" entlehnt sein, Sachfirma ist die Regel; die Gesellschaft wird im eigentlichen Betrieb gar nicht mehr sichtbar; das Geschäft hat seine Ordnung für sich und geht allein. Verpersönlichung dieses Ganzen ist hier selbstverständlich. Das Besondere ist aber, dass auch rechtlich die Gesellschafter zurücktreten, jedenfalls weichen aus ihrer Stellung als die wahren Herrn und Eigentümer und als die tragenden Rechtssubjekte. Das ist die Bedeutung der gesetzlichen Ordnung des Verhältnisses. Und darauf beruht es, dass die Aktiengesellschaft eine juristische Person ist. Man hat hier oft von einer Abstraktion gesprochen, die sich vollziehe und auf solche Abstraktion die juristische Person überhaupt gebaut. Das passt ganz gut zur Genossenschaftstheorie, bei der die Einheit und die Vielheit ineinander stecken und in diesem Zustand stetiger Durchdringung verharren. Hier kann die juristische Person niemals mehr sein als eine durch Abstraktion von der Vielheit gewonnene Isolierung der Einheit!. Aber auch Laband meint2 : "Wer sich z. B. die Stadt Berlin als juristische Person vorstellt, abstrahiert dadurch I von der Vorstellung der einzelnen Einwohner; er kann diese Vorstellung überhaupt nicht anders gewinnen, als dass er sich die einzelnen Einwohner ,wegdenkt' ... das Recht, welches die Gesamtheit zur Trägerin von Rechten und Pflichten, also zur Person konstituiert, setzt sie dadurch der Vielheit als eine von ihr begrifflich verschiedene Einheit gegenüber ... es macht aus der 1 Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 470: "Als Rechtsbegriff beruht sie freilich auf einer Abstraktion, die aus der Wirklichkeit einen Teilinhalt heraushebt." Er ist berechtigt, sich (Note 8) auf die Zustimmung von Preuss, Bernatzik, Jellinek und Regelsberger zu berufen. Mit Pufendorf, den er gleichfalls nennt, scheint es mir aber nicht zu stimmen; für diesen ist die persona moralis composita doch allzudeutlich ein besonderes Geschöpf des Rechts (de jure nato et gent. I cap. I § XIII). Wie es sich mit dem gleichfalls angeführten Meurer verhält, werden wir sogleich sehen. t staatsrecht d. deutsch. Reichs I S. 79.

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Summe von Sonderexistenzen eine neue Grundeinheit, innerhalb deren es keine Vielheit gibt." Und Meurer schildert unter der Ueberschrift: die Vielheit als Rechtsträger, den Vorgang ganz ähnlich1 . Die Interessenten "ballen sich für die Vorstellung zum einheitlichen Subjekt. Das ist Abstraktion, nicht Fiktion ... An diese Abstraktion knüpft dann die juristische Fiktion an '" Die Fiktion besteht darin, dass diese vielköpfige successionistische Trägerschaft, die nach Art einer physischen Individualität gedacht ist, auch in dieser Art behandelt wird." Es liegt also bei den juristischen Personen "die natürliche Rechtsträgerschaft einer Vielheit" vor, welche das Recht "ganz wie eine Einheit behandelt". Beide, Laband wie Meurer, richten sich scharf gegen die organische Theorie; und doch scheinen sie hier noch unter ihrem Einfluss zu stehen. Es handelt sich um keine Abstraktion 2 • Eine Abstraktion ist es, wenn wir nach der gebräuchlichen Redeweise statt der Gesellschafter die Gesellschaft besitzen und handeln lassen. Wenn wir dabei die Gesellschafter "wegdenken", so sind wir uns wohl bewusst, dass sie deshalb doch da sind und da bleiben und unsere Abstraktion tragen und möglich machen, scheuen uns auch nicht, sie gelegentlich wieder als das Eigentliche und Wirkliche an der Sache hervorzuziehen. Wenn aber das Gesetz, wenn die Rechtsordnung bei der Aktiengesellschaft so "abstrahiert" haben will, so ist das keine Vorstellungsform, sondern eine Tat. Die Gesellschafter sind dann nicht weggedacht, wie Laband es ausdrückt, sondern juristisch weggeschafft, aus ihrer Rechtsstellung I herausgeschoben. Deshalb brauchen wir eben die juristische Person, um diese Rechtsstellung damit neu auszufüllen. Ganz richtig betont Laband, dass das Recht hier "eine neue Grundeinheit macht, innerhalb deren es keine Vielheit gibt". Aber eine neue Grundeinheit läge ja nicht vor, wenn, was hier vorliegt, doch nur "aus der Summe der Sonderexistenzen gemacht", nur "begrifflich" von ihr verschieden, nur eine Abstraktion von ihr wäre. Darin gäbe es eine Vielheit, das könnte man Gierke nicht abstreiten.

Meurer ist sichtlich bemüht, über die Abstraktion hinauszukommen und die Sache auf eine höhere Stufe zu heben, die er. als Fiktion davon unterscheidet: die Abstraktion, sagt er, macht die Vielheit "für die Vorstellung zum einheitlichen Subjekt". In diesem bleibt also die nur weggedachte Vielheit tatsächlich enthalten. Die Fiktion hingegen bestünde nun darin, dass "diese vielköpfige Trägerschaft" nicht bloss "nach Art 1 Die jurist. Pers. S. 24. Meurer spricht hier von der Stiftung insbesondere; da aber diese für ihn ebensowohl "Verbandsperson" ist wie die Körperschaft, so gilt das Gesagte allgemein. ! Gute Bemerkungen hiezu bei Behrend in Zeitschr. f. Hand.-Recht, Bd. XXXIV S. 274.

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einer physischen Individualität gedacht, sondern auch in dieser Art behandelt wird". Aber diese Fiktion ist gar keine echte Fiktion, sondern nur eine praktische Verwendung und Verwertung der Abstraktion; sie kommt von der Vielheit so wenig los wie diese. Meurer spricht denn auch geradezu seine Freude aus, dass auf solche Weise "bei den juristischen Personen die natürliche Rechtsträgerschaft einer Vielheit aufgespürt ist"l. Gewiss, er hat immer wieder den Weg zu ihr zurückgefunden, und ich sehe diese Vielheit und ihre Rechtsträgerschaft sehr wohl. Aber die juristische Person der Aktiengesellschaft, die doch nach Meurer "auch nach innen" wie eine physische Person behandelt werden soll und als ein "von ihren Mitgliedern verschiedenes Subjekt von Rechten und Pflichten" - die kann ich hier nicht sehen2 • I Der Fehler liegt in der unrichtigen Wahl des "Beziehungspunktes", in der falschen Verknüpfung der juristischen Persönlichkeit. So lange man diese doch wieder nur an bereits vorhandene Personen anhängt, sei es an einen Einzelnen, sei es an eine Gesellschaft, wird nichts Rechtes aus ihr. Sie bedeutet dann höchstens eine Seite jener Anderen. Mehr will auch die Abstraktion nicht sagen. Gierket, für dessen Standpunkt hierin freilich nichts Fehlerhaftes liegt, bringt das ganze Scheinwesen dieser abstrahierten Persönlichkeit schonungslos zum Ausdruck, wenn er ihr auch dem Verbande gegenüber kein anderes Dasein zuerkennt als ein solches, wie es die Persönlichkeit des Einzelmenschen diesem gegenüber hat: "diese Abstraktion aber ist von derselben Beschaffenheit, wie die Abstraktion, vermöge deren der Begriff der Einzelperson zustande kommt." Die Persönlichkeit des Einzelmenschen ist selbstverständlich in Wahrheit nur eine Eigenschaft von ihm. So wird auch die an die beteiligten Menschen geknüpfte Persönlichkeit stets nur eine Scheinperson werden. Die echte juristische Person kann nur bestehen, wenn sie wirklich etwas anderes ist als die beteiligten Menschen, rechtlich getrennt und abgegrenzt von ihnen. Dazu gehört aber, dass sie auch ihr "Substrat", ihren "Beziehungspunkt" ausserhalb dieser Menschen habe. Und solDie jurist. Pers. S. 24. Es ist immer das gleiche "ich möchte wohl, aber ich mag nicht", das hier in unserer Literatur aufgeführt wird. Man vergleiche z. B. die Schilderung bei Windscheid-Kipp, Pandekten I S. 269 Note 3 a: "Wenn die Korporationsmitglieder die Korporation nicht sind, so bilden sie doch dieselbe; die Korporation ist etwas anderes als sie, aber sie ist nichts ausser ihnen Existierendes (!). Indem die Korporation gedacht wird, wird zwar etwas gedacht, was die Korporationsmitglieder nicht sind; aber immerhin sind sie es, die als dieses Etwas gedacht werden.'" Ich habe immer gefunden, dass eine gewisse Grobkörnigkeit dem juristischen Denken im allgemeinen besser ansteht als Ueberfeinheit. 1 Deutsch. Priv.-Recht, I S. 470. 1

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ches kann sie hier offenbar nur finden in dem Geschäft, in dem Aktienunternehmen selbst. Dieses Unternehmen selbst und damit ihren Sitz und ihren Zweck zugleich erhält sie aber geliefert nicht von dem Gesetz, als das ein für alle Mal Bestimmte, noch weniger irgendwie von Natur aus, denn sie ist eine juristische Person. Sondern sie erhält es durch die rechtlich massgebende Verfügung der beteiligten Menschen. Und auf diese Weise stellt sich die Verbindung her zu dem dritten Element, das wir nun zu betrachten haben. 3. Wenn wir darauf bestehen mussten, dass die juristische Person der Aktiengesellschaft säuberlich geschieden werde von den Personen ihrer Mitglieder, so ist damit nicht gesagt, dass diese rechtlich gleichgültig seien für die Gestaltung dieser Persönlichkeit und ihre weiteren Schicksale. Wir können im Gegenteil von dieser Grundlage aus solche Einwirkungen erst recht deutlich erkennen und würdigen. I Sie hängen damit zusammen, dass alles Recht um der Menschen willen da ist, dass auch die juristische Person eine Einrichtung des Rechtes ist, also mit der Verfolgung ihres Zweckes, mit ihrem Unternehmen zuletzt doch wieder menschlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Bernatziks Satz!: "Rechtssubjekt ist der Träger eines jeden menschlichen Zweckes, den die herrschende Rechtsordnung als Selbstzweck anerkennt", trifft gerade bei den juristischen Personen, von denen er handelt, nicht zu: sie sind nie Selbstzweck. Wenn hier von menschlichen Zwecken die Rede ist, so ist das natürlich nicht nur so allgemein, anthropologisch oder moralisch gemeint, sondern rechtlich, und in diesem Sinne können nur die Zwecke bestimmter Menschen in Frage kommen; wenn wir ganz genau sein wollten, müssten wir sagen: bestimmter Rechtssubjekte; Menschen und was ihnen gleich behandelt wird, ist gemeint. Die juristische Person hat also notwendig neben sich bestimmte ihr zugehörige Menschen, d. h. solche, deren Zwecken sie mit ihrem Unternehmen zugleich dient und rechtmässig dienen soll2. Die Art, wie die Menschen bestimmt werden, mit welchen die rechtliche Zweckgemeinschaft besteht, ist immer ein Rechtsvorgang auf Seiten dieser MenArch. f. öff. Recht, Bd. V S. 233. Diese "zugehörigen" Menschen sind natürlich etwas ganz anderes als die sogenannten "Destinatäre", mit welchen. wir uns am Schlusse dieser Abhandlung (VII S. 84 ff.) noch beschäftigen werden. Ich habe dafür im Deutsch. Verw.-Recht, Bd. II S. 377 Note 1 den Ausdruck "Angehörige" vorgeschlagen. Aber einerseits klingt das Wort doch allzu sehr danach, als wäre die juristische Person die Hauptperson und ihr Angehöriger der Diener, während die Sache eher umgekehrt ist. Anderseits hatte ich damals geglaubt, an dem Wort "Staatsangehöriger" ein Vorbild zu finden; wie man sehen wird, kann ich das jetzt nicht mehr glauben. 1

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sehen: Willenserklärung zu freiwilliger Beteiligung; bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gibt es auch ein Beteiligtwerden durch obrigkeitliche Anordnung. Bei der Aktiengesellschaft finden sie sich zu einem Vereine verbunden. Ihre Zugehörigkeit zu der juristischen Person äussert sich in besonderen Einflussnahmen, die sie auf dieses andere Rechtssubjekt zu üben berufen sind. Es gibt ja Rechte an einer fremden Person; um Rechte an der juristischen Person handelt es sich. I Bei der Aktiengesellschaft sind diese Rechte ihrer Zugehörigen, der Mitglieder oder Aktionäre ganz besonders kräftig ausgebildet. Sie entfalten sich nach drei Richtungen. Fürs Erste: Die juristische Person Aktiengesellschaft ist eine Schöpfung nicht des Gesetzes, sondern der beteiligten Menschen kraft gesetzlicher Ermächtigung. Sie müssen sofort als Verein beginnen, mindestens fünf an der ZahP. Bringen sie das für nötig erachtete Kapital nicht gleich unter sich auf, so. können sie zu Zeichnungen einladen (Successivgründung). Für uns macht das hier keinen Unterschied; wir wollen die ganze Gesellschaft, in deren Namen die Eintragung und damit die Entstehung der juristischen Person bewirkt wird, als ihre Gründer bezeichnen. Hier von Organen zu sprechen, hätte natürlich gar keinen Sinn. Will man Bilder gebrauchen, so wäre eher ein gegenteiliges am Platze, man sage etwa, die Gründer seien die Väter der juristischen Person und leite daraus ihre quasi-väterliche Gewalt ab. Nüchtern ausgedrückt, üben die Gründer hier die rechtliche Macht auf die juristische Person aus, dass sie im Statut ihren Zweck bestimmen und die Art, wie sie ihn verfolgen soll; da hierin allerdings die Individualität dieser Person besteht, passt jenes Bild. Bei der Successivgründung wird sich ein gewisser Gradunterschied in Bezug auf diesen Machteinfluss ergeben: die Zeichner sind darauf beschränkt, in der konstituierten Versammlung die Sache zu Fall zu bringen oder sich ihr so anzuschliessen, wie sie geplant ist. Noch mehr wird ein Unterschied sich ergeben bei etwaiger Kapitalserhöhung: die jungen Aktien bedeuten ein einfaches Ja zu dem Unternehmen. Und doch ist das alles, unter allgemeineren Gesichtspunkten betrachtet, gleichartig: das Unternehmen der juristischen Person wird geschaffen oder ausgestattet, in beiden Fällen ihr Zweck anerkannt als der eigene, der Kreis ihrer Zugehörigen in ursprünglicher Weise bestimmt, im Gegensatz zu etwaiger Rechtsnachfolge. Insofern gehören Gründer und Anschlussgründer zusammen. Die rechtliche Macht, die hier geübt wird, wollen wir das Recht der Gründerschaft nennen.1

HGB. § 182 ff.

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Zum Andern: Mit der Schaffung der juristischen Person und ihrer Ausstattung mit den nötigen Mitteln ist die Rolle der Gründer nicht ausgespielt. Die juristische Person bedarf, um in der Rechtsordnung zu stehen und ihr Geschäft zu betreiben, eines Willens, der für sie handelt. Wenn es wahr wäre, dass sie einen solchen zu eigen besitzt, zusammengelaufen aus den überschüssigen Willensvorräten ihrer Aktionäre, so bräuchte man den nur loszulassen. Da das aber nicht der Fall ist, so muss für eine Vertretung gesorgt werden, für echten menschlichen Willen, der rechtlicherweise als der Wille der juristischen Person gelten soll, gerade wie beim handlungsunfähigen Menschen. Das ist kein Naturerzeugnis, sondern eine Rechtseinrichtung, die das Gesetz selbst ordnet oder mit seiner Ermächtigung die Verfügung der Gründer im Statut1• Diese Vertretungsordnung wäre ja in verschiedener Gestalt denkbar. Für die Aktiengesellschaft ist es bezeichnend, dass darin die Beteiligung der Gründer, der ursprünglichen und der ihnen etwa angeschlossenen in dem soeben hervorgehobenen Sinn, sich fortsetzt. Sie bleiben, einen Verein bildend, neben der geschaffenen juristischen Person stehen und üben als Mitglieder dieses Vereins ein Recht an ihr aus, das Recht der obersten Vertreterschaft. Die Form, in der sie das tun, ist der Generalversammlungsbeschluss. Die Generalversammlung nennt man deshalb wohl auch das "souveräne Organ" der juristischen Person Aktiengesellschaft. Sie beschliesst massgebend über alle wichtigeren Angelegenheiten und alle sonstigen Befugnisse, die Gesellschaft zu vertreten, und für sie tätig zu sein, führen sich im letzten Grunde auf ihre Aufträge und Ermächtigungen zurück. In diesem Rechte der obersten Vertreterschaft kommt der fortdauernde Anteil an dem Zwecke der juristischen Person zu starkem rechtlichem Ausdruck. Unter Beobachtung gewisser Formen kann aber die Generalversammlung auch diesen Zweck selbst, den "Gegenstand des Unternehmens" verändern und damit für das Wesen der juristischen Person in ähnlicher Weise bestimmend wirken, wie es bei der Gründung geschehen ist. Sie kann sogar diesen Zweck gänzlich verneinen, sie hat I über die juristische Person das jus vitae et necis und kann ihre Auflösung beschliessen. Endlich kommt dazu noch ein drittes: der Zweck der Aktiengesellschaft ist darauf geriChtet, ihren Mitgliedern selbst wieder zu Gute zu kommen. Er ist ja wirtschaftlicher Art, geht auf Erwerb durch Betrieb des Unternehmens und auf Ausschüttung der Früchte an die Aktionäre. Demgemäss haben hier die zugehörigen Menschen der juristischen Per1 In diesem Sinne können wir uns den Ausdruck "Willensorganisation" gefallen lassen; vgl. Bernatzik im Arch. f. öff. Recht, Bd. V S. 241.

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son gegenüber auch ein Recht auf Genuss ihres Erwerbes. Sie erhalten von ihr wiederkehrende Bezüge in Geld und im Falle der Auflösung kehrt nicht bloss an sie zurück, was sie als Ausstattung gegeben haben, sondern auch der Zuwachs, der ja Frucht ist, also der ganze Nachlass wird ihnen zuteil. Daran knüpft sich für die Aktiengesellschaft eine besondere Ordnung der Mitgliedschaft: diese hat einen schätzbaren Vermögenswert und wird als solcher Gegenstand des Verkehrs. Durch Geschäft unter Lebenden wie durch Erbrecht vollzieht sich die Rechtsnachfolge in die einzelnen Stellen der Mitgliedschaft. So bleibt deren ursprüngliche Gesamtheit immer besetzt, von Gründern in dem obigen Sinn oder von Gründernachfolgern, gleichviel, und die juristische Person ist ihrer Verfassung gemäss ständig begleitet von dem bestimmten Menschenkreis, der in so bedeutsamer und entscheidender Weise rechtliche Macht über sie auszuüben hat. Desto nachdrücklicher ist zu betonen, dass trotzdem die rechtliche Getrenntheit des Aktienvermögens besteht und die Aktiengesellschaft "als solche" ein von ihren Mitgliedern verschiedenes Rechtssubjekt bleibt. Die Rechtsgrenze markiert das Gesetz mit dem lapidaren Satze: es darf nur verteilt werden der Reingewinn. Erhalten die Aktionäre mehr, so ist das Recht der juristischen Person verletzt; ihr haften die Beamten, sie hat gegen die Aktionäre die Rückforderungsklage. Sie ist aber auch nichts weniger als irgend eine Erscheinungsform eines "Gesamtwillens" der Aktionäre. Denn das Recht der juristischen Person auf Haftung und Zurückerstattung kann auch nicht ausgeschlossen werden dadurch, dass die Generalversammlung, ihre oberste Vertreterschaft und die unmittelbarste Erscheinung des "Gesamtwillens" , einmütig die Verteilung guthiess. Wohl aber können die Gesellschaftsgläubiger, soweit sie geschädigt sind, diese Verletzung des Rechtes der I juristischen Person für ihre Ersatzansprüche geltend machen: die juristische Person ist ja gerade in ihrem Interesse errichtet, um das Geschäftsvermögen gegen jenen Gesamtwillen zu schützen und zusammenzuhalten (vgl. unten VII S. 81)1. 1 Die Aktiengesellschaft bildet mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der eingetragenen Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaft zusammen die Gruppe der sogenannten Formkaufleute. Es sind die vier juristischen Personen des Handelsrechts. Die Abweichungen vom Typus der Aktiengesellschaft sind, verglichen mit dem, was das Zivilrecht noch bietet, nicht so gross. Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien darf man natürlich die persönlich Haftenden nicht in der juristischen Person aufgehen lassen; das würde einen Verzicht auf jede Festigkeit des Begriffs bedeuten. Zur juristischen Person gehören hier wieder nur die Aktionäre mit ihren Kommanditeinlagen; Zweck der juristischen Person ist nicht der Betrieb eines besonderen Handelsgeschäftes, sondern die kommanditistenmässige Beteiligung an dem mit dem persönlich Haftenden gemeinsam betriebenen Handelsgeschäft. - Bei der eingetragenen Genossenschaft be-

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IV. Die juristischen Personen des Bürgerlichen Gesetzbuchs Gegenüber der juristischen Person des Handelsrechts weist die des Bürgerlichen Gesetzbuchs größere Mannigfaltigkeit der Gestaltung auf. Das was dort den wesentlichen Kern ausmacht, werden wir gleichwohl hier überall wiederfinden. 1) Der Aktiengesellschaft am nächsten steht der rechtsfähige Verein im allgemeinen und ganz besonders in derjenigen Unterart, die man als wirtschaftlichen Verein bezeichnet, weil sein Zweck "auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist" (BGB. § 22). Die Aktiengesellschaft liesse sich geradezu darunter rechnen, nur ist bei ihr alles feiner durchgebildet und reicher entfaltet. Aber auch hier haben wir das wirtschaftliche Unternehmen samt dem dafür bestimmten Vermögen, getrennt durch die juristische Persönlichkeit von den Gründern und dem von ihnen ausgehenden Verein; wir finden die drei Rechte wieder, I welche über die juristische Person geübt werden: Zweckbestimmung, oberste Vertreterschaft, Genuss der wirtschaftlichen Früchte ihres Betriebs; und wiederum liegt auch hier der Schwerpunkt der Einrichtung in der den Gläubigern des Unternehmens zu gewährenden Sicherheit, welche die Befreiung der Mitglieder von der Haftung ermöglichen solL

Diese Rücksicht auf die Gläubiger tritt besonders deutlich hervor bei den Bestimmungen über die Liquidation (BGB. § 48 - 53); die für die Aktiengesellschaft bestehenden Regeln sind hiefür geradezu vorbildlich geworden. Dagegen finden hier allerdings kein entsprechendes Seitenstück die sehr ins einzelne gehenden Bestimmungen, die dort auch in der laufenden Verwaltung einen Damm bilden gegen habsüchtige Uebergriffe der Mitglieder. Den Ersatz bietet einerseits die vorgeschriebene staatliche Verleihung, die, frei gewährt und versagt, an die nötigen Bedingungen und Vorbehalte geknüpft werden wird; deshalb ist sie ja eben vorgeschriebenl • Nicht zu übersehen aber ist auch die bedeutsame Rechtsschranke, steht die Abweichung vor allem darin, dass die zu vergebenden Gründerstellen, an welchen die Mitgliedschaftsrechte hängen, nicht verfassungsmässig festgelegt sind (Ges. v. 1. Mai 1889 § 1: "Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl"); hiezu werden die juristischen Personen des Zivilrechts noch viel ausgeprägtere Seitenstücke liefern. - Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist in den Grundzügen der Aktiengesellschaft völlig gleich. 1 In Prot. d. Kom. f. d. H. Lesung, Bd. I S. 500 betrachtet man den Vorbehalt staatlicher Verleihung als ein schärferes Erfordernis über die den Staaten gelassene Möglichkeit hinaus, "die Erlangung juristischer Persönlichkeit nach dem System der Normativbestimmungen zugänglich zu machen". Wenn Hölder, Nat. und jur. Pers. S. 294 beklagt, dass danach juristische Personen zugelassen werden könnten, die den Gläubigern keinerlei Sicherstellung des haftenden Vermögens bieten, so teilt das Reichsrecht offenbar solches Misstrauen nicht.

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die sich daraus ergibt, dass nach dem Gesetz über Hab und Gut der juristischen Person nicht anders verfügt werden kann als in der "Stellung eines gesetzlichen Vertreters". Dadurch ist unmittelbar der Vorstand gebunden und jeder andere "Vertreter"; aber auch die Mitgliederversammlung, die sie ernennt, steht in der gleichen Gebundenheit, wenn sie, massgebend für diese, "Angelegenheiten des Vereins ordnet". Die Rechtmässigkeit des HandeIns aller Vertreterschaft ist bedingt durch die Richtung auf die Zwecke des Vertretenen; Abweichung begründet Haftbarkeit des Vorstandes gegenüber der juristischen Person und Rückerstattungspflichten. Jederzeit kann ein neuer Vorstand, ein Liquidator, eine Konkursverwaltung darüber kommen, um das zur Geltung zu bringen, ganz abgesehen von unmittelbarem Eingreifen der Gläubiger nach den Grundsätzen der I Pauliana1 . Auf solche Weise schützt sich die juristische Person immerhin schon durch ihre eigene Schwere. Die Verleihung wird gar nicht so viel nachzuhelfen haben, je nachdem. 1 Diese in der Vertreterschaft selbst liegende Gebundenheit und Schranke scheint mir der richtige Kern zu sein in Hölders Auffassung aller Vertreterschaft als einer "amtlichen Macht, die verbunden ist mit der amtlichen Pflicht" (a. a. O. S. 287, S. 302). Der Amtsbegriff, mit dem er arbeitet, stimmt aber nicht ganz mit dem unsrigen überein (Arch. f. öff. Recht Bd. XXI S. 308 ff.); daraus ergeben sich, was die hier behandelten Punkte anbelangt, vor allem zwei Abweichungen: 1. Das Amt ist uns immer die Besorgung fremder Angelegenheiten und das Amtsvermögen fremdes Vermögen, Vermögen eines Gemeinwesens, einer Stiftung u. s. w. Da nun Hölder diesen anderen Rechtsträger streicht, den Amtsträger aber durch die "nach öffentlichem Rechte zu beurteilende amtliche Macht" nicht zum Eigentümer werden lässt, so sind die zum "Amtsvermögen" gehörigen Sachen für ihn res nullius: "Einen Eigentümer haben diese Sachen nicht" (S. 186). Vgl. auch S. 194, S. 288, S. 311, S. 338 - 339. 2. Hölders Amt als die pflichtmässige "Förderung fremden Lebens" setzt andere Menschen voraus, denen diese Fürsorge zu Gute kommen soll (S. 287, S. 288, S. 298, S. 302). Danach scheiden sich bei Hölder die rechtsfähigen Vereine in solche, bei denen der Zweck andern Menschen, Dritten, Vorteile bringen soll, "altruistische" Vereine, und in solche, die es nur auf die Förderung der Mitglieder abgesehen haben, "egoistische" Vereine (S. 286 ff.). Die Unterscheidung trifft nicht mit der gesetzlichen Einteilung in wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Vereine zusammen. Doch werden wohl die wirtschaftlichen Vereine auch das Hauptkontingent zu den egoistischen stellen. Während nun alle anderen juristischen Personen aufgelöst werden in Amtsverhältnisse, sind die egoistischen rechtsfähigen Vereine "nichts anderes als Gesellschaften, bei denen nicht nur für einzelne, sondern für alle Gesellschafter die Möglichkeit von Verlust oder das Risiko begrenzt ist" (S. 294). Gerade bei diesen fehlt also das sichernde Element, welches sonst in der amtlichen Natur der Mitgliedschaft gesehen werden könnte. Kein Wunder, dass Hölder hinzufügt: "Jede Zulassung solcher Gesellschaften hat grosse Bedenken." Dem egoistischen Verein scheint mir aber damit nicht sein volles Recht zu Teil geworden zu sein. Hölder gibt für ihn einfach Labands entscheidendes Merkmal wieder. Dieses ist aber, wie wir gesehen haben, keineswegs schon die juristische Person selbst. An dieses Merkmal knüpft sich vielmehr erst noch eine Reihe sehr bedeutsamer Dinge (vgl. oben S. 14).

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2) Ist bei den wirtschaftlichen Vereinen durch "besondere reichsgesetzliche Vorschriften" (wie eben gerade bei den handelsrechtlichen: Aktiengesellschaft, Eingetragene Genossenschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder durch die der "Verleihung" freigelassene Zuständigkeit ausreichend Fürsorge getroffen für genauere Sicherheitsmassregeln zu Gunsten I der Gläubiger, so fehlt dergleichen bei den nichtwirtschaftlichen rechtsfähigen Vereinen, den sogenannten idealen. Das deutet schon darauf hin, dass der Zweck der Einrichtung einer juristischen Person in diesen Fällen nicht so wesentlich und ausschliesslich in der Sicherung der Gläubiger liegt. Man braucht auch diese "idealen" Vereine nur anzusehen: Kegelklub, Jünglingsverein, Lesehalle, Museumsgesellschaft u. s. w., um sich zu überzeugen, dass der Gedanke an Ueberspannung des Kredits und gewagte Spekulation hier ganz zurücktreten muss. Der Grund, der die juristische Person notwendig macht, ist hier ein anderer. Die Rechtsform der Gesellschaft passt einer Vereinigung zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes nur dann, wenn der Mitglieder wenige sind und die Einzelnen durch starke wirtschaftliche Beteiligung festgehalten werden oder die Sache nur auf kurze Dauer berechnet ist. Die Vereine, von welchen hier die Rede ist, beanspruchen aber gerade eine gewisse Dauerhaftigkeit und sind dabei auf eine grössere, vielleicht sehr grosse, jedenfalls leicht wechselnde Teilnehmerschaft berechnet. Der gleiche Zweck und die dafür geordnete Vereinsleitung stellen das Bleibende vor 1• Damit ist wieder das Bild eines einheitlichen dauernden Gesamtwesens gegeben, mit dem wir ohne weiteres rechnen. Eine derartige Metapher, Stenographie, Scheinpersönlichkeit ändert selbstverständlich die dahinter stehenden Wirklichkeiten nicht; im Ernstfalle muss immer wieder auf diese zurückgegriffen werden. Bei der einfachen Gesellschaft treten da sofort die bestimmten Gesellschafter auf mit ihrem Vertragsverhältnis. Bei dem nicht rechtsfähigen idealen Verein dagegen mit seinem reicheren und beweglicheren Personalbestand führt diese Wirklichkeit, nach Gesellschaftsrecht beurteilt, die grössten Unzuträglichkeiten mit sich: wenn die scheinbare Einheit, so oft es rechtlich darauf ankommt, in die wechselnde Vielheit zerfällt, ist Rechtserwerb und Rechtsveräusserung,' Eintragung ins Grundbuch, Prozessführung 2 aufs äusserste erschwert oder I ganz undurchführbar. Dazu kommt die zerstörende Wirkung des gesetzlichen Kündigungsrechts, des Gesellschafterkonkurses, des Herauszahlungsanspruchs der 1 Man bezeichnet daher diese Vereine nicht unpassend als "Personenverbände, die ihrem Zweck nach Kontinuität verlangen", und die "Körperschaftsverfassung haben"; Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit S. 11; Binder, Problem der jur. Pers. S. 95. 2 Nur den Dritten zu Liebe hat CPO. § 50 hier mit einer Erleichterung eingegriffen, von der der Verein selbst kaum etwas hat.

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Ausscheidenden, dem allem durch besondere Vertragsbestimmungen nur unvollkommen vorgebeugt werden kann. Kurz: bei Anwendung des Gesellschaftsrechts steht das Vereinsunternehmen auf schwachen Füssen. Das hat aber gerade der Gesetzgeber gewollt: gerade um zur Eintragung und zum Erwerb der Rechtsfähigkeit zu drängen, hat di.e Kommissionsmehrheit in der entscheidenden Sitzung erwogen!, "zwinge er den übrigen Vereinen die für sie nicht passende Rechtsform der Gesellschaft auf"; deshalb wurden alle Anträge verworfen, die darauf zielten, den nicht rechtsfähigen Vereinen Abhilfen gegen die soeben hervorgehobenen Schwierigkeiten zu gewähren. Nun muss man sich klar machen: die Gefahr für das Unternehmen liegt in der Mitgliederschaft des Vereins, in ihrem schwankenden unfasslichen Bestand und in den zerstörenden Gesellschafterrechten der Einzelnen und ihrer Gläubiger. Um den Vereinszweck nach dieser Seite hin zu schützen und sicherzustellen, dazu soll die juristische Person dienen. Und wie tut sie das? Die Kommission hat den entscheidenden Punkt mit voller Deutlichkeit hervorgehoben. Beabsichtigt man, dem Verein "die Rechtsstellung zu gewähren, die sich aus dem Wesen der juristischen Persönlichkeit ergebe", so heisst das, sagt sie, "das Vereinsvermögen zu einem selbständigen Vermögen machen, welches in Wirklichkeit von dem Vermögen der einzelnen Mitglieder völlig getrennt und ausschliesslich für die Vereinszwecke bestimmt sei"2. Also Lösung des Unternehmens und des zugehörigen Vermögens von dem Verein und seinen Mitgliedern, das ist das Erste und Wesentlichste; die juristische Person hat dann die Lücke auszufüllen. Da gibt es nichts von Vielheit in der Einheit. Der Schnitt ist ebenso scharf und glatt wie nach Labands Formel bei der Aktiengesellschaft. Der Grund der Einrichtung ist nicht der gleiche, das ist richtig, darum passt Labands Formel nicht hieher: die Rücksicht auf die Sicherung I der Gläubiger kann ja mitwirken, aber hier doch nur sehr nebensächlich. Das Ergebnis ist das gleiche, das ist die Hauptsache; hierin bestätigen sich die Arten der juristischen Person gegenseitig. Betrachtet man den Zusammenhang des Grundes genauer, so ergibt sich auch eine gewisse Rechtfertigung für die zunächst etwas überschwänglich klingende Bezeichnung "idealer" Verein. Wenn die Gründer der Aktiengesellschaft und des sonstigen wirtschaftlichen Vereins die juristische Persönlichkeit für ihr Unternehmen einrichten, so tun sie das ja nicht aus Liebe zu den Gläubigern, die dadurch geschützt werden, sondern sie tun es aus dem sehr selbstsüchtigen Grunde, weil 1

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Prot. d. Kom. f. d. Ir. Lesung, Bd. Ir S. 458. a. a. O. S. 457, 458.

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dies das einzige Mittel für sie ist, sich von der Haftung zu befreien; darum schützen sie ihr Unternehmen vor sich selbst. Beim idealen Verein dagegen ist es ein sachliches Interesse: auf dass das Unternehmen dauere und gedeihe, lösen sie es von der wechselnden Mitgliederschaft, jeder von sich selbst und seinen Erben, schützen es dadurch auch vor dem Wankelmut der einzelnen Genossen, vor deren Erben und Gläubigern, und vor den eigenen nicht minder. Damit werden wir schon hinübergewiesen auf die andere Art von juristischer Person, die wir sogleich betrachten wollen. Aus dem Mangel eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ergibt sich aber noch ein Weiteres. Die der juristischen Person zugehörigen Menschen üben hier die nämlichen Rechte aus wie beim wirtschaftlichen Verein: die Rechte der Gründerschaft, der obersten Vertreterschaft, des Genusses des Zweckes des Unternehmens, der eben hier nicht Erwerb ist. Aber in diesem letzten Punkte besteht auch sonst noch Verschiedenheit. Es kann sein, dass das Unternehmen darauf gerichtet ist, den Mitgliedern gewisse Nützlichkeiten zu gewähren (Geselligkeit, Kunstgenuss); es kann aber auch sein, dass der Zweck nur darin besteht, andern zu dienen, das Gemeinwohl zu fördern!. Dann ist von einem eigenen Genuss der Mitglieder nicht die Rede und fällt also das ganze dritte Stück des Rechtes der Zugehörigkeit hinweg. Auch das weist schon hinüber auf die nächstfolgende Art von juristischer Person. Im einen wie im andern Falle aber hat die Mitgliedschaft beim idealen rechtsfähigen Verein nicht die Natur eines verfüg Ibaren Vermögenswertes. Selbst wo er seinen Mitgliedern Vorteile gewährt, hängen die ganz an der Person und ihrer Genussfähigkeit; Geldleistungen sind nicht in Frage. Den Einzelnen ist auch nicht die Möglichkeit gegeben, durch Kündigung einen Anteil am Vermögen der juristischen Person für sich flüssig zu machen. Dementsprechend findet hier keine Rechtsnachfolge statt wie beim Aktienrecht. Dort gibt es eine feste Anzahl von Gründerstellen, in welche die Nachfolge erworben werden kann. Hier ist jeder sein eigener Ahnherr: jeder neu Eintretende vollzieht eine Art Anschlussgründung und schafft sich seine Stelle im Verein; die Gründerstellen der Austretenden verschwinden!. 3. Als zweite Hauptart der juristischen Person erscheint die Stiftung oder Anstalt. Schon der Name lässt ersehen, wie deutlich hier der gemeinsame Kern jeder juristischen Persönlichkeit erkennbar wird: die Anlehnung an ein bestimmtes Unternehmen, welches eben durch

Der "altruistische" Verein; vgl. oben S. 36 Note 2. Hierin besteht Verwandtschaft mit der eingetragenen Genossenschaft; nur dass bei dieser ein übertragbares Geschäftsguthaben nebenherläuft (Ges. 1. Mai 1889 § 76). 1

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die Rechtsordnung verpersönlicht wird. Dahin lautet auch Gierkes Begriffsbestimmung 2 : "die Stiftung eine als Person anerkannte Anstalt"; ebenso Regelsberger3 : Träger der Persönlichkeit ist bei den Anstalten und Stiftungen "eine Einrichtung, durch die in dauernder Weise ein bestimmter sozialer Zweck von menschlichen Kräften verwirklicht wird". Nur bedarf es freilich hier einer genaueren Unterscheidung nach mehreren Richtungen. Das Wort Anstalt bedeutet eigentlich nichts anderes als ein auf Dauer berechnetes Unternehmen. Eine Südpolexpedition ist keine Anstalt, ein Unternehmen, welches darauf gerichtet ist, fort und fort solche Expeditionen auszusenden, ist eine Anstalt4 • Die Anstalt, wie das Unternehmen über Ihaupt, kann mit juristischer Persönlichkeit ausgerüstet sein oder nicht: ein Dampfkrahnen im Hafen ist eine Schiffahrtsanstalt, hat aber keine juristische Persönlichkeit. Wenn man also unter Anstalt schlechthin eine Anstalt mit juristischer Persönlichkeit versteht, so ist das wieder eine ungenaue Kurzschrift, also solche nicht ganz ungefährlich. Das Wort Stiftung dagegen bedeutet zunächst die Widmung von Vermögenswerten für einen guten Zweck. Das kann so geschehen, dass für diesen Zweck eine besondere juristische Persönlichkeit geschaffen wird: dann nennt man auch diese Person wieder Stiftung. Es kann aber auch geschehen durch Zuwendung an eine bereits gegebene juristische Person mit der Auflage, jenen Zweck zu verfolgen; dadurch entstehen lediglich Gebundenheiten für den Belasteten; der Fall geht uns hier gar nichts an 1 • Ferner: auch der Verein hat sein Unternehmen, seine Anstalt: wird diese verpersönlicht und bleibt der Verein mit den bekannten Rechten an der juristischen Person dahinter bestehen, so ändert die Anstalt selbst nicht ihre Art. Sie ist auch ganz das nämliche, wenn sie ohne zugehörigen Verein verpersönlicht wird als Anstalt mit juristischer Persönlichkeit, als Stiftung. Man denke sich z. B. eine Kleinkinderbewahranstalt, die diese drei Phasen durchmacht2 • 2 Deutsch. Priv.-Recht I S. 645, S. 647. 3 Pand. I S. 344. 4 Seydel, Bayr. staats-Recht, Bd. II S. 627: Das Wort Anstalt "bezeichnet alle bleibenden Einrichtungen zur Erfüllung bestimmter Zwecke". Gelegentlich des Streites über die Zulässigkeit von Schiffahrtsabgaben nach Reichsverf. Art. 54 ist die Feststellung des richtigen Anstaltsbegriffes bedeutsam geworden; vgl. Piloty, das Recht der Schiffahrtsabgaben in Deutschland S. 36 ff. t Im Gegensatz dazu nennt man die Stiftungen mit besonderer juristischer Persönlichkeit selbständige Stiftungen. Das BGB. § 80 ff. nennt sie rechtsfähige Stiftungen. 2 Es wäre nur folgerichtig, alle juristischen Personen kurzweg als "An-

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Deshalb mag man wohl sagen: ein rechtsfähiger Verein, eine Körperschaft, habe "anstaltliche Elemente"3; das ist wahr, nur zu wahr: er hat sie immer. Etwas ganz anderes aber ist es, wenn man damit sagen will: die juristische Person rechtsfähiger Verein entlehne Stücke von der anderen Art juristischer Person, von der Stiftung oder Anstalt als juristischer Persönlichkeit. Ich sage hier gleich schon, dass ich das für I unmöglich halte; beide Arten von juristischer Person entnehmen selbstverständlich vieles aus dem gemeinsamen Oberbegriff, unter einander sind sie geschiedene Dinge, wie ein guter juristischer Begriff es sein muss. Diese Frage wird aber nicht hier, sondern erst in der Lehre von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich ganz erledigen. Hier wird nur von den Stiftungen oder Anstalten des Zivilrechts die Rede sein, die allein das BGB. ja zu regeln beabsichtigt. Man leistet ihm einen schlimmen Dienst, wenn man die Unterscheidung von vornherein erschwert. Dass das Deutsche Privatrecht neben Enteignung, öffentlichen Sachen und sonstigen öffentlichrechtlichen Instituten sich auch die Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes nicht entgehen lässt!, liegt in altem Brauche begründet. Aber auch die Pandektisten fassen alles zusammen 2 • Umgekehrt wird bei Hölder jetzt alles öffentlichrechtlich: um amtliche Zuständigkeiten handelt es sich ja hier wie dort; also: "der Stiftungszweck ist nie ein privater", und die durch das BGB. normierten privaten Stiftungen und die in § 89 erwähnten Stiftungen des öffentlichen Rechts "lassen sich nicht gegeneinander abgrenzen"3. Wer vollends wie Zitelmann im Stande ist, die juristische Persönlichkeit mit losgelösten, objektivierten, kristallisierten Willenspartikeln zu erklären, dem verliert die Unterscheidung allen Wert: dem Willen, wenn er einmal kristallisiert ist, kann es gleichgültig sein, wie er nun weiter behandelt wird 4 • Für uns ist das Unterscheidungsmerkmal gegeben. Juristische Person ist ein verpersönlichtes Unternehmen. Ist dieses ein öffentliches Unterstalten" zu bezeichnen, denn eine Anstalt bildet immer den Kern. Das ist sehr gut hervorgehoben worden von Hölder, Kommentar z. Allg. Teil des BGB. S. 125; Cosack, Lehrb. d. bürgerlichen Rechts § 28. Wenn freilich der Letztere noch hinzufügt: es handle sich um einen "Anstaltsorganismus", welcher alle beteiligten Menschen "in sich zusammenfasst", so wird mir die Sache dadurch nicht deutlicher. 3 Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 474; Meurer, Die jurist. Pers. S. 17. 1 Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 635 ff., S. 645. 2 Regelsberger, Pand. I S. 344; Bekker, Pand. I S. 284 ff. S Nat. und jur. Pers. S. 259. 4 Zitelmann, Begr. und Wes. der sog. jurist. Pers. erwähnt wenigstens S. 95 die Möglichkeit einer Scheidung von öffentlichen und Privatkorporationen, um das sofort als "unzulänglichen Einteilungsgrund" zu verwerfen. Bei den auf kristallisiertem Willen beruhenden Stiftungen taucht ihm die Frage überhaupt nicht auf.

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nehmen, also ein solches, das vom Staate als ein Stück öffentlicher Verwaltung anerkannt und behandelt wird, so ist auch die juristische Person öffentlichrechtlicher Natur 5 • I Tatsächlich bleibt dabei für die private Stiftung allerdings nur ein sehr enger Spielraum der Verwendbarkeit. Wenn man genauer zusieht, werden es fast immer Zuwendungen mit Auflage sein oder rechtsfähige gemeinnützige Vereine mit starkem Grundkapital. Die Schwierigkeit liegt in der ständigen Versorgung mit der erforderlichen Vertreterschaft; der zugehörige Verein, der das zu machen berufen wäre, fehlt eben hier. Also muss etwas Dauerndes, Ausserhalbstehendes gefunden werden, an das man die Stiftung anlehnt. Das kann sich finden in den dauernden Zusammengehörigkeiten der Blutsverwandtschaft, in der Familie. In erster Linie aber denkt man wohl daran, dass die Stiftung einem öffentlichen Gemeinwesen anbefohlen werden könnte, dessen Beamte die Verwaltung und Vertretung führen oder sonst dafür sorgen. Allein das werden sie ja tatsächlich meist nur tun können, wenn der Stiftungszweck ein öffentliches Interesse hat, ein öffentliches Unternehmen zu sein verdient. Dann wird eben eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts aus der Sache werden. Man wird also mit dem zivilrechtlichen Rechtsinstitut doch nicht weit über die Familienstiftung hinauskommen!. -I Nun haben wir aber auch den wichtigsten Wesensunterschied der Stiftung gegenüber dem rechtsfähigen Verein schon berührt. Es fehlt ihr eben der Verein. Um es genauer zu sagen: sie hat ihr Unternehmen, an dem sie hängt, sie hat ihre zugehörigen Menschen, deren Zwecken

Otto Mayer, Deutsch. Verw.-Recht II S. 3 ff., S. 371. So sagt Oertmann, Bayr. Landesprivatrecht S. 110 ganz mit Recht: "reine Familienstiftungen" seien im Gegensatz zu öffentlichen Stiftungen als private anzusehen und "sie dürften sogar einen Hauptanwendungsfall der sonst ziemlich inhaltsleeren Klasse bilden". Wenn freilich dann noch einmal ein Unterschied gemacht werden soll zwischen öffentlichen Stiftungen und Stiftungen des öffentlichen Rechts, so möchte ich mich eher dem von Oertmann a. a. O. Note 5 bekämpften Autor anschliessen, der das "nicht zu scheiden weiss". Eine öffentliche Stiftung kann gar nicht anders als irgendwie in einem "organischen Zusammenhang" mit Staat, Gemeinde oder einem sonstigen Verband oder einer Anstalt des öffentlichen Rechtes stehn. Eine private Stiftung ist möglicherweise um besonderer Umstände willen von der Verwaltung zur Besorgung übernommen; das ist dann der seltene Fall, den BGB. § 96 vorsieht. Die Stiftung wird dann als private immer noch deutlich genug erkennbar bleiben. - Regelsberger, Pand. I § 91 handelt von dem Unterschied zwischen "öffentlichen und privaten Anstalten und Stiftungen", und zwar soll es sich immer um "selbständige" Anstalten und Stiftungen, solche mit juristischer Persönlichkeit handeln, gemäss der gemeinsamen Ueberschrift S. 344. Die zwei einzigen Beispiele von privaten Anstalten und Stiftungen dieser Art, die S. 354 gebracht werden, stimmen nicht. Die "Seelenmessstiftungen" sind keine selbständigen Stiftungen (in Frankreich macht man soeben die Probe darauf) und die "Lebensversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit" sind Gesellschaften. 5

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dieses Unternehmen zugleich dient. Aber diese bleiben nicht, zu einem dauernden sich stetig erneuernden Verein zusammengefasst, neben ihr stehen, um die Rechte der obersten Vertreterschaft und des Genusses ihres Zweckes an ihr zu üben. Was sie hat, das sind Gründer, ebensowohl wie der wirtschaftliche und der ideale Verein sie hat. Der Gründer he isst hier Stifter. Er bestimmt den Stiftungszweck, die Verfassung der juristischen Person und stattet sie aus mit den Mitteln zur Durchführung des Unternehmensi. Der Stifter kann ein Einzelner sein; es können aber auch ihrer mehrere zusammen auftreten. Auch eine Gesellschaft, ein Verein wäre als Stifter denkbar; man muss sich auch diesen Fall vergegenwärtigen, um den entscheidenden Punkt, an welchem die Eigenart der Stiftung zum Vorschein kommt, recht deutlich zu sehen. Es können auch hier nachträglich noch Leute kommen, welche diesen Zweck auch als den ihrigen erkennen und durch eigene Zuwendung die Mittel verstärken: AnschlussGründer. Das Besondere ist: an diese Gründereigenschaft knüpft sich keinerlei weiteres Recht, kein Recht auf Genuss irgend welcher Nützlichkeit, kein

Recht auf oberste Vertreterschaft. Die Erben können also auch nicht in ein solches eintreten. Wenn eine Einflussnahme jemandem vorbehalten werden soll, dem Stifter selbst oder seinen Erben oder irgend wie bezeichneten künftigen Familiengliedern, so ist das alles willkürliche Bestimmung der Verfassung; will man den also Berufenen überhaupt ein Recht zusprechen, so ist es ein be Isonders verliehenes, kein ursprüngliches wie das der Gründer und ihrer Rechtsnachfolger 1 . Also auch die Stiftung hat ihre zugehörigen Menschen, deren Zweck sie erfüllen soll, die ihr diesen Zweck bestimmen und die Mittel dafür vorsehen. Aber wenn das geschehen, ist ihre Rolle ausgespielt2. Die Ver1 Die "Genehmigung des Bundesstaats", die nach BGB. § 80 erforderlich ist, hat die gleiche rechtliche Natur, wie die Bestätigungen und Bewilligungen bei der Annahme an Kindesstatt nach BGB. § 1741 und § 1745. Es ist, was man früher wohl Justizpolizei nannte, und unterscheidet sich scharf von der eigenen Beteiligung des Staates, wie die juristischen Personen des öffentlichen Rechtes sie aufweisen (unten VI). Die im BGB. § 87 vorgesehenen Massregeln gehören eben dahin. 1 Meurer, Die jurist. Pers. S.33: "Aber auch die Stiftungsverwaltung kann ein Recht darstellen, nur wurzelt es niemals in der Mitgliedschaft und hängt nicht mit Selbstverwaltung zusammen." Klagbar kann ein solches Recht deshalb doch sein: Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 656 Note 66. Die Sache ist nicht unbestritten. 2 In diesem Sinne bemerkt Hölder, Nat. und jur. Pers. S. 264 sehr richtig: der Stifter und "jeder andere, von dem Stiftungsvermögen herrührt" (unser Anschlussstifter) habe "keine Beziehung zur Stiftung als einer solchen, deren Persönlichkeit auf seiner Persönlichkeit beruhen würde, und nur eine historische Beziehung zu ihrem Vermögen". Wir möchten lieber sagen: eine historische Beziehung zu ihrer Persönlichkeit, denn diese besteht doch. -

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waltung der juristischen Person ist hier nicht bestimmt, von dem eigenen Recht ihr zugehöriger Menschen beherrscht zu werden. Insofern mag man wohl sagen: der Unterschied zwischen Stiftung und rechtsfähigem Verein sei ein Unterschied der Art der Verwaltung 3 • Die juristische Person bewährt aber auch hier ihre wesentliche Bedeutung. Worauf es bei ihr wieder in erster Linie abgesehen ist, das ist die Loslösung des Vermögens von dem Gründer, ohne dass es mit einer andern schon gegebenen Person verbunden würde oder aufhören sollte, im Rechtsverkehr zu stehen und zur Verwertung gebracht zu werden. Die Loslösung selbst ist hier glatt, sie ist im Gesetze ausdrücklich vorgeschrieben 4 • Der Grund, weshalb diese I Einrichtung hier getroffen wird, ist aber wieder ein anderer wie bei der Aktiengesellschaft. Schutz der Gläubiger des Unternehmens kommt ja hier überhaupt nicht wohl in Frage. Es ist aber auch nicht wie beim idealen rechtsfähigen Verein, dass die zugehörigen Menschen, die eigentliche Unternehmerschaft, durch ihre Anzahl und ihren leichten Wechsel und durch die zerstörenden Rechte, welche dem Einzelnen nach Laune zur Verfügung stehen, den Bestand des Unternehmens gefährdeten. Die Stiftung hat regelmässig nur einen einzigen Zugehörigen, den Stifter, und dieser wäre unbedingt zuverlässig. Ihm ist ja diese Sache eine Lieblingsidee. In den meisten Fällen würde das Unternehmen geradesogut bestehen und durchgeführt werden, wenn er es in der Hand behielte und kein Stiftungsgeschäft machte - so lange er lebt! Nur so lange! Darin liegt hier die Gefahr, vor welcher die juristische Person zu schützen berufen ist. Die Trennung des Vermögens von dem ursprünglichen Subjekt, die sie bedeutet, richtet ihre Spitze nicht sowohl gegen ihren Stifter selbst, als gegen seine Erben. Um es von diesen zu trennen zu Gunsten seines bestimmten Zweckes, trennt er es von sich selbst. Bei der im Gesetze ausdrücklich vorgesehenen Stiftung von Todeswegen ist die Sache ja noch klarer 1 • Die Erben werden für die Sache ja wohl nicht ganz so Dass die sog. Genussdestinatäre die juristische Person erst recht nichts angehen, behalten wir uns vor, nach der Lehre von der öffentlichen Anstaltspersönlichkeit zusammenhängend zu erörtern. Hier bei der privaten Stiftung fehlt uns der ausreichende Stoff von Anwendungsfällen. 3 Meurer, Die jurist. Pers. S. 35: "Nur auf dem Verwaltungsgebiet kommt die Verschiedenheit zum Ausdruck." Leonhard, BGB. Allg. Teil S. 108: "das Unterscheidungsmerkmal des Vereins von den andern juristischen Personen ist die Selbstverwaltung der am Zwecke der Gesamtheit Beteiligten." 4 BGB. § 82. Meurer, Die jurist. Pers. S. 23 Note hält mir vor: Es sei nichts davon zu sehen, dass den Stiftern irgend etwas zugesichert ist. "Diese entäussern sich - das ist alles, was man bis jetzt von ihnen sicher weiss. Was man weiter wissen möchte, ist: an wen?" Nun, ich weiss nicht, wie man den § 82 lesen muss, um darin nicht die Antwort zu finden: an die Stiftung. Diese aber sichert dem Stifter durch ihr Dasein das zu, was er will. 1 Foerster, Preus. Priv.-Recht IV S. 404 gibt dem richtigen Gedanken einen übertriebenen Ausdruck, wenn er behauptet, dass "der noch lebende Stifter gewiss auch noch als Subjekt des Stiftungsvermögens anzusehen ist".

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warm empfinden wie der Stifter, eine Auflage, zu tun, wie er gepflogen hat, wäre eine ungenügende Sicherheit, ihre eigenen Schicksale, ihre Mittel, ihre Gläubiger kämen noch in Frage. Lösung aus all diesen Zusammenhängen ist die einzige Form, welche dem Zweck des Stifters dauernde Befriedigung ver he isst. Das eben bedeutet die juristische Person.

v.

Das Gemeinwesen

Der Begriff der juristischen Person, wie wir ihn festhalten wollen, hat den Nachteil, den mancher vielleicht schmerzlich empfindet, dass man ihn nicht überall anwenden kann. I Passt er auf die grosse Tatsache, die wir den Staat nennen? 1. Ich sage: die grosse Tatsache. Auch wer die Lehre vom Staate mit dem Satz beginnt: der Staat ist eine juristische Person, will damit nur das Endergebnis aller Entwicklung vorwegnehmen. Denn die juristische Person ist eine Rechtseinrichtung und für den Staat heisst es zweifellos nicht: im Anfang war das Recht. Sein Anfang und sein bleibender Grund ist die Macht. Der Staat ist, wie J ellinek es ausdrückt, stets zunächst etwas Faktisches gewesen, zu welchem Gewöhnung und Recht erst hinzutritt!.

Der Staat ist gegeben mit dem tatsächlichen Zustand, status, dass eine oberste Gewalt eingerichtet ist für ein gewisses Gebiet und für die zugehörigen Menschen. Was sich die Beteiligten dabei denken, wenn sie eine solche Einrichtung entstehen lassen, das mag gar vielerlei sein; welchen Zweck sie aber zu erfüllen hat in dem grossen Plan, nach welchem die irdischen Dinge sich abwickeln, das will uns die Weltgeschichte bezeugen. Diese Einrichtung, Staat genannt, hat die Aufgabe und die Wirkung, Volkseinheiten zu schaffen und zu erhalten, Menschengemeinschaften, die in solcher Gestalt zusammengebunden ihre Eigenart entfalten und zur Geltung bringen sollen gegenüber den andern und handelnd und duldend mitarbeiten an dem Gange der Geschichte der Menschheit. Sie ist es, die, um mit Hegels Hohem Lied auf den Staat zu reden, die konkreten Ideen, die Völkergeister, für den Weltgeist formt, "um dessen Thron sie als die Vollbringer seiner Verwirklichung und als Zeugen und Zieraten seiner Herrlichkeit stehen"2. Kann sie nicht das Höchste liefern in welthistorischen Reichen, so steuert sie wenigstens einen kleineren Beitrag bei, fördernd oder hemmend, zum Gesamtergebnis. Die Trägerschaft der obersten Gewalt aber, der Souverän, dem die letzte Entscheidung zusteht und auf welchen alle Staatstätigkeit zu1 2

Allg. Staatslehre S. 262. Philosophie des Rechts § 352.

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rückführt, muss sich gefallen lassen, dass er an diesem Massstabe gemessen wird. Gleichviel, ob für das Zeitbewusstsein der Zweck vorhanden war oder nicht, unterscheiden wir danach gute und schlechte Herrschaften. Es liegt unzweifelhaft schon im Besitz der ober Isten Gewalt über freie Menschen eine sittliche Macht, die den Besitzer zu dem Gebrauche drängt, wozu sie bestimmt ist. Wahnsinnig sind für uns die Tyrannen und die zur Herrschaft gelangten Volksmassen, die nichts davon zu spüren scheinen. Und wir preisen dagegen das klare Bewusstsein jener naturgegebenen Herrscherpflicht, mit welchem ein König sich selbst bezeichnet als den "ersten Diener des Staates". In solcher Weise steht der Staat auf sich selbst als eine gewaltige Tatsache. Recht und Rechtsordnung können und sollen dazu kommen; sie dringen nie in sein innerstes Wesen ein. Immerhin besteht das Bedürfnis, auch dieses in juristischen Formen zu begreifen und sich zurechtzulegen und dadurch den Anschluss von all den weiteren rechtlichen Gestaltungen zu erleichtern. Was ist also der Staat, juristisch gedacht? Mit der juristischen Person fangen wir natürlich nicht an; sie bedeutet ja immer nur eine, besondere Form, die dem vorhandenen Rechtsbestande gegeben wird. Was bedeutet juristisch der Staat von Haus aus? Die republikanische Antwort lautet: Der Staat ist das Volk und das Volk ist eine Gesellschaft, ein Verein. Ich sage: die republikanische Antwort, womit durchaus nicht gesagt sein soll, dass alle, die sie geben, republikanisch gesinnt seien. Aber die republikanischen Rechtsanschauungen spielen tatsächlich in unserem Staatsrecht eine sehr dominierende Rolle und werden massgebend weit über ihr natürliches Gebiet hinaus; das scheint mir auch bei dieser Lehre der Fall zu sein. Sie geht zurück auf die wohlbekannte Staatsphilosophie des Naturrechts, auf das pactum unionis, den contrat social. Die heutigen französischen Schriftsteller sind sich ganz klar in diesem Sinn. Le Fur erklärt einfach1 : "l'Etat n'est qu'une association" und Duguit meint ebenso einfach2 : ,,1'Etat est la societ€! elle-meme". Bei uns nennt Bähr 3 den Staat den "juristisch entwickelten Begriff für die Genossenschaft der Nation"; Haenel 4 bezeichnet ihn als "korporativen Verband" und Jellinek 5 , der ihm beipflichtet, I wählt den entsprechenden Ausdruck "Körperschaft"; bei Preuss 1 aber wird in gleicher Anschauungsweise die Staats1 2

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5 1

In Kohlers Zeitschr. f. Völk.-Recht und Bundesstaats-Recht I L'Etat I S. 256. Der Rechtsstaat S. 45. Deutsches Staatsrecht I S. 81. Allg. Staatslehre S. 176. Gemeinde, Staat, Reich, S. 214.

s. 231.

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gewalt "ein Organ des Volks". HöLder, der kein Organologe ist, scheint hier die letzten Folgerungen zu ziehen 2 , wenn er sagt: "Gleich dem Staate selbst ist das Staatsgut ein gemeinsames Gut der Staatsangehörigen, woran jeder Staatsangehörige beteiligt ist nach Massgabe seiner Beteiligung am Staat"; vorher (S. 181) war jedem auch schon sein entsprechender Anteil an den Staatsschulden zugesprochen worden. Das erlauchte Urbild dieses Staates ist der popuLus Romanus, der ja so gewaltige Eindrücke in der ganzen Kulturwelt zurückgelassen hat. Er hat auch der Republik ihren Namen gegeben: dieser bedeutet ein Staatswesen, das dem VoLke gehört, res populi, res publica, den Volksstaat. Dass hier der Ausgangspunkt liegt, ist nicht zu leugnen; ebenso klar scheint mir zu sein, dass nur eine Reihe von Begriffsverschiebungen es ermöglicht hat, hieraus einerseits das republikanische Dogma, anderseits die genossenschaftliche oder gesellschaftliche Staatstheorie zu ziehen. Immer und immer wieder müssen wir die trügerische Schlussfolgerung mitmachen: der Staat ist um des Volkes willen da, also muss das Volk herrschen und ist die Republik der Idealstaat; Volk ist aber alles, was in unseren Grenzen lebt und Menschenantlitz trägt, schrankenloses Wahlrecht also selbstverständlich; dass die Natur zu verbieten scheint, dass die Kinder es ausüben, ist ein Fehler von ihr. Nun bedeutet das Wort Volk bekanntlich sehr verschiedene Dinge. HeLd 3 zählt neunerlei Bedeutungen auf. Hier kommen bloss drei in Betracht; die werden aber in der verhängnisvollsten Weise durcheinander gebracht. Der populus Romanus ist keineswegs die Gesamtheit der zum römischen Staat gehörigen Menschen. Der populus ist ursprünglich das Gemeindeheer, sodann die zu Beratung und Beschluss versammelte waffenfähige Mannschaft, die Bürgerversammlung4 • Der Theorie ist es auch nicht entgangen, I dass die sogenannte Volksherrschaft niemals eine Herrschaft der Gesamtheit bedeutete. Hugo Grotius 1 meint: "Nulla respublica adeo reperta est popularis, in qua non aliqui aut valde inopes aut externi, turn vero et foeminae et adolescentes a deliberationibus publicis arceantur." Es handelt sich stets um einen auserwählten engeren Kreis, der berufen ist; man kann die Uebergänge zur Monarchie stufenweise verfolgen. 2 Nat. und jurist. Pers. S. 185. Gleichwohl steht seine Auffassung der hier vertretenen nicht so fern; vgl. Iherings Jahrb. LIII S. 59 ff. 3 System des Verf.-Rechts I S. 109 ff. • Mommsen, Abriss des röm. Staatsrechts S. 12, S. 14, S. 8I. t De jure belli et pacis I c. III § 8.

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Die neue re Lehre scheidet demgemäss diese zwei Begriffe von Volk. Versteht man darunter immer noch vornehmlich2 den "Inbegriff der im Staate geeinigten Menschen", also die Bevölkerung, so wollen wieder manche 3 das Wort ausschliesslich vorbehalten für den Begriff der "Gesamtheit der politisch Berechtigten", also der Staatsbürgerschaft. Richtig ist jedenfalls, dass das Wort nur in diesem Sinne gemeint wird, wenn es sich um Volksherrschaft, Volkssouveränetät, Volksstaat handelt; auch die Volksrechte im konstitutionellen System sind Rechte dieser mehr oder weniger natürlichen Aristokratie. Wenn demnach der Staat, als res populi, keineswegs dem Volk im Sinne des Inbegriffs der im Staate geeinigten Menschen, also der Bevölkerung, zugesprochen sein soll, so scheint er gleichwohl in einem besonderen Zusammenhang mit dem Volke in diesem Sinne zu stehen durch die Vermittlung des Staatszweckes. Ist der Staat nicht dazu da, den Interessen seiner Bevölkerung, der Masse seiner Staatsangehörigen zu dienen? Diese ist also doch das eigentliche Subjekt, die herrschende Bürgerschaft nur das "Organ", durch das es handelt. In diesem Sinne z. B. R. Schmidt4 : da sich "die Tätigkeit der Staatsorgane nach den Bestrebungen der Gesamtheit der Staatsglieder richten muss", so muss also die Willensbetätigung des Staates "den gemeinsamen Bedürfnissen der Bevölkerung dienen", und deshalb findet der ganze Staatszweck seinen besonders treffenden Ausdruck in Sarweys Wort: "dass das Volk im Staate handlungsfähig wird"s. Das sind Iherings Gedankenwege: Zwecksubjekt, Genussträger, Destinatär. I Aber auch hierin können wir wieder nichts anderes sehen als eine Begriffsverschiebung, welche durch die Vieldeutigkeit des Wortes Volk ermöglicht wird. Das Volk, auf welches der Zweck des Staates gerichtet ist, das ist nicht die jeweilige Menge von einzelnen Staatsangehörigen, sondern die davon wohl zu unterscheidende geschichtliche Grösse Volk. Natürlich, um dieser zu dienen, werden die Träger der Staatsgewalt, Fürst oder Volk-Bürgerschaft, sich um die gegenwärtige Menge zu kümmern haben, in welcher sie erscheint; sie werden sie hegen und pflegen, zahlreich und kräftig werden lassen um jenes Zweckes willen, werden aber auch nicht zaudern dürfen, sie dafür, wenn es sein muss, auf das Schwerste zu belasten, sie hinzuopfern, massenweise - damit dabei kund werde, wie Regel es so kräftig gesagt hat, dass der Endzweck des Staates nicht "die Sicherung des Lebens und Eigentums der Individuen" sei, dieses vielmehr "als ein verschwindendes Moment ge2

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5

G. Meyer-Anschütz, Deutsch. staats-Recht s. 11. Rehm, Allg. Staatslehre s. 151, S. 152. R. Schmidt, Allg. Staatslehre I S. 147.

a. a. O. Note 1.

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setzt ist" gegenüber der Wirklichkeit der sittlichen Idee l . Nur der geschichtliche Volksbegriff wird dem ganzen Ernst der Sache gerecht. Mit vollendeter Klarheit hat ihn Gerber 2 herausgehoben und aufgewiesen als einzig massgebend für den Staatszweck. "Das Volk", sagt er, "ist die natürliche Grundlage der Staatspersönlichkeit. Das will sagen, dass der Staat um dieses Volkes willen vorhanden ist, dass er das Volk selbst in seiner politischen Gestaltung darstellt. Das Volk ist aber nicht die Summe der einzelnen jetzt lebenden Menschen, sondern das in geschichtlicher Gemeinschaft geistig verbundene Ganze, welches in der gerade jetzt lebenden Generation nur seine gegenwärtige Erscheinung findet." So käme denn das Volk hier noch in einem dritten Sinne in Betracht. Und demgemäss, wenn das Volk als Gesellschaft der Staat sein soll, muss man wählen, in welcher von den drei Gestalten es diese Gesellschaft vorstelle: als geordnete Bürgerschaft, als Bevölkerung oder als geschichtliche Erscheinung. Das Letztgenannte fällt sofort weg. Auch der lockerste I "Verband" bedeutet immer Rechtsbeziehungen der Verbundenen. Das könnten aber doch nur Rechtsbeziehungen der jeweils Lebenden sein, mit den vergangenen und den künftigen Geschlechtern bestehen solche nicht: also wären wir an die Bürgerschaft oder die Bevölkerung gewiesenl • Versuchen wir es mit der Bevölkerung, dem Volk im Sinne der jeweiligen Menge von Staatsangehörigen, so ergibt der erste Blick, dass die Mehrzahl der darin Begriffenen als Träger selbständiger Rechtsbeziehungen gesellschaftlicher Art gar nicht in Betracht kommt; gemeinsam ist nur der rechtliche Zustand, von der Staatsgewalt zusammengefasst zu sein. Der "Verband" verdiente hier den Namen eines "passiven" in ausgesprochener Weise 2 • Er ist als solcher nicht der Zweck des Staates, hat auch nicht die Staatsgewalt, noch Anteil daran; das sind Dinge, die den beiden andern Begriffen Volk gehören. Wäre diese Menge wirklich "der Staat", dann hätte Seydel vollkommen recht zu sagen: der Staat ist Philosophie des Rechts S. 410. Grundzüge eines Syst. d. deutsch. Staatsrechts Beil. II S. 220. Es entspricht das den Ideen, die von Burke, reflections on the revolution in France, und von unserer historischen Schule (Savigny, Eichhorn u. s. w.) vertreten werden. 1 Wenn die historische Schule das natürliche Wachsen, Blühen und Verfallen der Staaten schildert, so gibt die geschichtliche Grösse Volk die Farben dazu. Das Volk in seinem geschichtlichen Entwicklungsgang steht allerdings unter Naturbedingungen. Will man es deshalb einen Organismus nennen, so hat dieser Vergleich manches Zutreffende. Aber gerade deshalb ist das Volk in diesem Sinne das Gegenteil eines Rechtsverbandes. ! Jellinek, Allg. Staatslehre S. 625. 1

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nicht Subjekt, sondern Objekt der Herrschermacht, die geübt wird 3 • So kann es nicht gemeint sein. Bliebe also, um die behauptete Gesellschaft vorzustellen, nur das Volk als die zur Abstimmung geordnete Bürgerschaft. Damit aber gerät man unvermeidlich in das Fahrwasser republikanischer Gedankenwelt. Den französischen Juristen ist das auch ganz selbstverständlich: die Monarchie kann für sie nichts anderes sein als eine verderbte association, ganz nach Rousseau. Freilich, die deutschen Juristen, auch wenn sie es ernsthaft nehmen mit der Staatsgesellschaft, wissen den letzten Folgerungen auszuweichen; das haben sie von jeher verstanden. So wird denn auch die Monarchie bei ihnen nicht nur zu einer wissenschaftlich gleichberech Itigten Staats art, sondern es wird ihr auch erleichtert, das Zeugnis sittlicher Gleichwertigkeit mit der einzig wahren politeia, mit der Republik zu erhalten. Seinen vornehmsten Ausdruck hat dies gefunden in der Unterscheidung eines anstaltlichen und eines genossenschaftlichen oder körperschaftlichen Staates. Steht das Volk unter einem Herrscher, so haben wir den "anstaltlichen Staatsbegriff", der Staat ist eine "Anstaltspersönlichkeit"; er, d. h. das Volk, wird von "fremdem Willen" geleitet. Das ist nicht als das Normale anzusehen, bezeichnet aber doch eine gewisse, wenn auch niedrigere Entwicklungsstufe. Den Gegensatz hiezu bildet der Fall, wo die "Gesamtheit" (hier als Bürgerschaft gedacht) das Recht hat, "sich ihre Organe selbst zu setzen". Das bedeutet dann einen "selbständigen Verband", einen Staat als Genossenschaft. Dazu gehört nicht notwendig Volkssouveränetät; ein Anteil des Volkes an der Ausübung der Staatsgewalt im Sinn des Konstitutionalismus tut es auch; ja es mag wohl schon genügen, dass die Untertanen nicht mehr bloss als Objekte behandelt, sondern als Rechtssubjekte geachtet sind, damit der Name "Anstalt" ausgeschlossen seil. Für uns hat dieser Name von vorneherein keineswegs einen so schlechten Klang. Die Anstalt und was ihr verwandt ist, wie Unternehmen, Geschäft, Einrichtung, ist uns ja auf dem Boden des bürgerlichen Rechts von der höchsten Wichtigkeit geworden für den Aufbau des Rechtsinstituts der juristischen Person. Sollte sie nicht auch hier wieder der eigentliche Kerngedanke sein? Und wenn, wie wir sahen, die Gesellschaftsidee die Aufgabe nicht erfüllen kann, dem Begriff Staat den 3 Vorträge aus dem allg. Staatsrecht S. 5: "Ich bezeichne Land und Leute insofern dieselben einem Herrscherwillen unterworfen sind als den Staat ... Nach dieser Ausdrucksweise ist also der Staat der Gegenstand, der Herrscher der Inhaber der Gewalt." 1 Gierke, Deutsch. Genossenschaftsrecht III S. 785; Rehm, Allg. Staatslehre S. 174; R. Schmidt, Allg. Staatslehre I S. 227.

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einheitlichen Grund zu liefern, sollte der nicht von der entgegengesetzten Seite kommen, von der Anstalt? Hat doch der Staat seinen Namen von dem "Zustand", von der Einrichtung des Gemeinwesens. Bevor seine Eigenschaft als juristische Persönlichkeit durchdrang, hat man ihn ganz gern als Anstalt bezeichnet 2 • Wenn heutzutage diese I Persönlichkeit einmal geleugnet wird, wie bei Seydel, stellt sich für den Staat der Begriff Einrichtung oder Anstalt ganz von selbst ein 1 . Ein besonders merkwürdiges Zeugnis gibt uns der kleine Aufsatz Albrechts, der für die Entstehung der juristischen Persönlichkeit des Staates ja geradezu die Bedeutung einer symbolischen Schrift hat; dort he isst es 2 : "Wir denken uns heutzutage den Staat nicht als eine Verbindung von Menschen, die lediglich und unmittelbar für individuelle Zwecke und Interessen berechnet ist, sondern als ein Gemeinwesen, als eine Anstalt, die, über den Einzelnen stehend, zunächst Zwecken gewidmet ist, die keineswegs bloss die Summe individueller Interessen, sondern ein höheres allgemeines Gesamtinteresse bilden." Das ist ein guter sicherer Anstaltsbegriff. Wir sind also ganz damit einverstanden, dass man den Staat eine Anstalt nennt, mit Vorbehalt der Frage, ob er noch mehr, ob er namentlich eine juristische Person ist. Wenn man freilich meinte, mit dem Wort Anstalt sei ohne weiteres auch schon eine Anstaltspersönlichkeit gefordert oder auch nur eine Art von "Verband", dem sie gehören könnte, so wäre das ein ganz unberechtigtes VorurteiP. Aber ebenso falsch ist es, zu glauben, eine Anstalt höre nachträglich auf eine Anstalt zu sein, wenn sie mit einer juristischen Person oder einer beteiligten Menschengruppe, einem Verbande verknüpft wird. Das ist so wenig wahr, wie dass eine Baumwollspinnerei ihre Natur aufgibt, wenn man sie auf Aktien gründet. Allg. Staatslehre S. 158 Note 2 nennt Rottek, Stahl, H. A. Zachaals Beispiele. Besonders stark betont ist die Anstaltsnatur des Staates bei Mahl, Enzyklopädie § 11. Auch der ganze Streit, ob der Staat nur "Rechtsanstalt" sei, oder auch "Zuchtanstalt" (Klüber, Oeff. Recht § 1 Note a) gehört hierher. 1 Seydel, Vorträge S. 3. Nach bayr. Staatsrecht II S. 627 sind diese bleibenden Einrichtungen" Anstalten. 2 Gött. Gel. Anzeigen 1837, III S. 1491. 3 Welches Gierke nicht teilt; Deutsch. Priv.-Recht I S. 635 hebt er ausdrücklich hervor, dass man unter Anstalten auch "dauernde Einrichtungen ohne eigene Persönlichkeit" verstehe. Auch ohne zugehörigen Verband, fügen wir hinzu, ohne seinen Widerspruch zu fürchten; die Transportanstalten des Art. 272 Ziff. 3 Allg. HGB., die er a. a. O. Note 2 als Beispiel gibt, haben keinen Verband um sich, ebensowenig wie die Schiffahrtsanstalten des Art. 54 der Reichsverfassung. 2

riae

Jellinek,

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Betrachten wir uns einmal den entsprechenden Vorgang bei der Anstalt Staat. Der Fürst hat seine Einrichtungen getroffen mit planmässiger Ordnung sachlicher und persönlicher I Mittel, um das Land zu regieren. Das ist eine Anstalt. Das Volk, die Bevölkerung, ist Gegenstand ihrer Einwirkung; möglicherweise haben bevorrechtete Glieder dieser Masse, die Bürgerschaft bildend, bei dem Betriebe dieser Anstalt ein hemmendes Wort drein reden zu lassen; das ändert nichts. Setzen wir aber nun den Fall: der Fürst wird gestürzt und die Jakobiner setzen einen Wohlfahrts ausschuss an seine Stelle, um die alte Maschine im Namen der souveränen Wählerschaft weiter arbeiten zu lassen - wird diese Maschine dadurch etwas anderes? Sie hat vorher der Staat geheissen, und heisst jetzt wieder der Staat. Vorher hat der König - in Verkennung seines Berufs als Leiter dieser grossen Anstalt, der, wie wir wissen, auch Pflichten mit sich bringt - gesagt: l'Etat c'est moi. Jetzt kommt der citoyen, der Wähler in Masse, und sagt das Gleiche von sich. Die Sache ist natürlich ganz die nämliche. Er behauptet zugleich, er sei identisch mit dem Volk als der Menge der Staatsangehörigen und mit dem Volk als der ehrwürdigen geschichtlichen Erscheinung, für die alles gefordert werden darf; und er benimmt sich demgemäss. Unsere Theorie aber glaubt ihm alles. Noch mehr: sie sagt auch, jetzt habe der Staat aufgehört, die unglückliche Natur einer Anstalt an sich zu tragen und dadurch sei eine Zeit höherer Kulturentwicklung heraufgebracht. Die Maschine aber bleibt dabei im wesentlichen dieselbe; man muss nur seinen Taine gelesen haben! Also: der Staat ist eine grosse Anstalt, ja! Die Staatsgewalt bedeutet die Leitung dieser Anstalt. Dazu gehört ein Volk und ein Gebiet, ohne das kann ja der grosse geschichtliche Zweck der Anstalt nicht gedacht werden. Die Leitung kann einer Bürgerschaft allein zustehen oder einem Fürsten allein oder Zwischengebilden. Ist's eine Bürgerschaft allein, so mag man den Staat eine Gesellschaft nennen; viel Gewinn ist nicht dabei. Ist's ein Fürst allein, so wird die Bezeichnung Anstalt für diesen Staat noch weniger eine ihn auszeichnende Besonderheit angeben l . I 1 Der Widerspruch Jellineks, Allg. Staatslehre S. 158, 159, gegen die "Lehre vom Staat als Anstalt", trifft eine Aufassung vom Staat, die nicht die meinige ist. Ueber den Anstaltsbegriff selbst glaube ich mit ihm einig zu sein und das hier Vorgetragene wird dem entsprechen. Die Begriffsbestimmung Jellineks im Syst. d. subj. öff. Rechte S. 224 und ebenso die meinigen in Theorie des franz.Verw.-Rechts S. 225 und im Deutsch. Verw.-Recht II S. 318 geher. allerdings von der "staatlichen" Anstalt aus als einem Einzelunternehmen des bereits vorausgesetzten und persönlich aufgefassten Staates. Bei der Anwendung auf den Staat selbst, erhält man zunächst das Gefühl: der Staat ist für diesen Namen zu gross. Aber daran darf man sich nicht stossen. Handelt es sich doch hier, wie ich oben (S. 48) bemerkte, nur darum das ursprünglich überjuristische Wesen des Staates "in juristischen Formen zu begreifen". Dafür müssen die nächstliegenden genügen.

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2. Bevor man entscheidet, ob der Staat eine juristische Person sein soll, muss man sich klar sein darüber, was man tut, wenn man ihn dazu macht: als was stellt er sich dar, ohne juristische Persönlichkeit gedacht, und was wird daran geändert, wenn nun diese dazukommt? Wir sind jetzt in der Lage das Problem auf seinen kürzesten Ausdruck zu bringen: es handelt sich darum, dass das grosse Unternehmen Staat mit allem was dazugehört von der menschlichen Trägerschaft der Staatsgewalt, dem Souverän, rechtlich gelöst werde; dergestalt, dass dieser Souverän fortan, was er hier wirkt, nicht mehr eignen Namens wirkt, sondern in Vertretung einer für dieses Unternehmen geschaffenen besonderen Rechtspersönlichkeit. Da muss ich denn von vornherein bestreiten, dass dieser Gedanke juristisch voZZziehbar ist. Wenn Titius eine Stiftung errichten will oder mit mehreren Freunden zusammen eine Aktiengesellschaft gründet, so kommt die Rechtsordnung, hinter der nichts anderes steht als eben die Staatsgewalt, und schiebt, mit vis haud ingrata, aber doch immerhin mit hoheitlicher Hand, die rechtliche Scheidewand zwischen ihn und das Unternehmen und dessen Vermögen, und hält sie fest und aufrecht gegen ihn; denn sie ist die Staatsgewalt. Die Staatsgewalt selbst kann den Gewaltträger wechseln, wenn der populus Romanus einem princeps weicht, der König von Frankreich der Nation; dann hält sich der neue Machthaber als solcher und bekommt dadurch eben seine Rechtsstellung. Dagegen zu Gunsten der Rechtsfigur einer juristischen Person abzudanken, die aus eigener Macht nichts ist, das hat in dieser Sphäre keinen Sinn: wer hielte hier die Scheidewand? Man darf doch nicht vergessen, dass das Verfassungsrecht ganz andere Bedingungen hat für das, was möglich ist, als das Privatrecht. - I Es werden aber auch des weiteren an die angebliche juristische Persönlichkeit gar nicht die rechtlichen Folgen geknüpft, die mit einer solchen verbunden sein müssten. Ihr Dasein und ihr eigenes Recht, mögen ihre Gründer - man gestatte hier wieder den Ausdruck - sich noch so weitgehende Macht vorbehalten haben, wird immer rechtlich bemerkbar sein an gewissen rechtlichen Grenzen, die diese Macht gleichwohl aufweist; sie behält eben doch immer die Natur einer Vertreterschaft. Hier aber handelt der Vertreter schlechthin in eigenem Namen: We the people of the uni ted states ... Wir Wilhelm, König von Preussen. Und das Schweizer Volk ist gänzlich unverantwortlich für die Leitung der Geschäfte des Staatswesens: was es in dessen Angelegenheit beschliessen will, hat nirgends Rechtsschranken, an welchen eine Vertreterschaft ersichtlich würde; und ebenso frei stand Friedrich der Grosse dem Staate gegenüber, dessen erster Diener - moralisch genommen! - er

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sein wollte. Im monarchischen Verfassungsstaate möchte man ja solche Gebundenheiten herausfinden; aber auch hier handelt es sich nur um Wirkungen des dem Volke eingeräumten Anteils an der Gewalt. Der Minister ist der Volksvertretung verantwortlich, nicht dem Staate; Fürst und Volksvertretung haben Rechtsschranken nicht dem Staate gegenüber, sondern untereinander, beide vereint sind sie der unbeschränkte Souverän und können alles. Ferner: nicht bloss dass man die wesentlichsten Folgerungen aus der Vertreterschaft nicht zieht, man verwahrt sich geradezu dagegen, dass man hier eine echte Vertreterschaft meint, wie sie zwischen getrennten echten Personen am Platze wäre. Sie soll etwas innigeres, unmittelbareres sein. Zeugnis dafür gibt vor allem die so reich aufgeblühte Lehre vom Organ. Organe finden wir jetzt fast überall und sie können sehr vielerlei bedeuten. Ihre eigentliche Heimat aber haben sie am Staat und den ihm ähnlichen Gemeinwesen; dort hat sich auch der korrekte Begriff ausgebildet, wie ihn die Schule lehrt. Vorbildlich ist die Schilderung des MarsiZius von Padua l von der Art, wie es beim Bau der civitas, des Gemeinwesens I zugeht; das richtet sich nach dem Muster der actio naturae in animali formando; es wird also als erste pars organica geformt ein Organ, das dem Herzen entspricht; das ist der principatus, die Regierung. So ist denn auch heute wieder der Fürst selbstverständlich Staatsorgan, aber ebenso in der Republik das Volk ist "unmittelbares Staatsorgan"l. Der Begriff des Organs hat aber von seinem tierischen Urbild her den Vorzug, auf den es gerade bei der Erklärung des Staates ankommt, dass er keine Geschiedenheit des Vertreters und des Vertretenen bedeutet, das Organ und das Ding, dessen Organ es ist, fliessen zusammen. Jellinek gibt die Lehre vollkommen richtig wieder mit dem Satz, den ihm die französischen Kollegen so sehr verübelt haben: "Hinter dem Vertreter steht ein anderer, hinter dem Organ nichts 2 ." Also auch keine juristische Person, fügen wir hinzu. Die wäre doch juristisch keineswegs nichts! Und wenn ihre Kraft und Bedeutung gerade darin liegt, Unternehmen und zugehörige Mittel von der Person des ursprünglichen Unternehmers, der seine Zwecke hier verfolgt sehen soll, rechtlich zu lösen, diesem gegenüber also gerade "ein anderer" zu sein, dann ist die Organschaft des Fürsten und des Volks die entschiedenste Verneinung einer wirklichen und echten ju1 Defensor pacis, pars II cap. XV. Selbstverständlich bildet auch hier wieder Aristoteles den Ausgangspunkt mit seiner Lehre vom Staat als dem Ganzen und dem Menschen als dem Teil. 1 Vgl. die ausführliche Lehre von den Staatsorganen bei Jellinek, Allg. Staatslehre S. 526 ff. Das Volk in der Demokratie ist danach genauer zu bezeichnen als ein: primäres, unmittelbares, einfaches, selbständiges, normales Staatsorgan. Meist allerdings ist es bloss Kreationsorgan. ! System der subj. öff. Rechte S. 29; vgl. oben S. 5, S. 6.

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ristischen Persönlichkeit des Staats. Mehr wollen wir von der OrganIehre hier nicht; das genügt. Ferner: Wir bemerkten eingangs dieser Erörterung, es sei nicht wohl denkbar, wie hier die Rechtsordnung eine juristische Person hp'.;te schaffen sollen, wiesen dann nach, dass tatsächlich die Folgerungen nicht gezogen und auch nicht beansprucht werden, die für die prak:' tische Rechtsgestaltung aus dem Vorhandensein einer solchen Person sich ergeben müssten. Jetzt muss man sich fragen: Hat denn die Rechtsordnung etwas Derartiges schaffen wollen? wann und wie hat sie das zum Ausdruck gebracht? Da kommen wir denn auf eine gar merkwürdige Tatsache. Dass ein Verein, eine Stiftung Rechtsfähigkeit haben soll, sagt I das Gesetz, und die Zeit, da das eintritt, lässt sich auf die Stunde bestimmen. Bei der allerwichtigsten juristischen Person dagegen versagt das Material. Und gleichwohl müsste sich die Sache vollzogen haben im vollen Lichte der Geschichte. Es ist gar noch nicht so lange her, dass der Staat bei uns als juristische Person gilt. Die Sache datiert von der Zeit, als die Ideen des Verfassungsstaates in Deutschland zur Herrschaft und grossenteils auch zur Durchführung gelangt waren. Damals kam Albrecht, 1837, mit seiner so berühmt gewordenen Rezension in den Göttinger Gel. Anzeigent. Der Staat ist eine Anstalt für Gesamtinteressen, sagt er; soweit der Einzelne, Herrscher und Untertan "im Namen und Dienste des Staates, als Haupt und Glied desselben berechtigt und verpflichtet ist", sprechen wir ihm somit alle juristische Persönlichkeit ab und dadurch werden wir notwendig dahin geführt,,,die Persönlichkeit dem Staate selbst zuzuschreiben und diesen daher als juristische Person zu denken". Die Verfassungsurkunden hatten den Fürsten üblicherweise noch einfach "das Oberhaupt des Staates" genannt; das sah nicht nach juristischer Person aus. Die Literatur gewöhnte sich aber an die neue Auffassung, anfangs recht mühselig. Man vergleiche nur z. B. das Konglomerat von Gedanken bei Klüber, Oeff. Recht des Teutschen Bundes (1840) S. 1 u. 5. Und so ist die Sache fertig geworden. Die deutschen Professoren haben, ohne alle Beihilfe, den Staat zur juristischen Person ernannt. Warum war das eigentlich notwendig? Es wirkte offenbar gar mancherlei Begründung zusammen. Manchmal möchte man meinen, es sei geradezu eine Art Anstandspflicht des Staates sich den Titel juristische Person nicht zu versagen; so wenn Bernatzik 2 aufstellt: "Schon im Begriff der Rechtsfähigkeit liegt es, dass die Quelle derselben, die staatliche Rechtsordnung und damit der Staat sich selbst als juristische Per1 2

Vgl. oben S. 54 Note 2. Arch. f. öff. Recht V S. 244.

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soh setzen muss." - Majestät trägt natürlich die Grosskreuze sämtlicher zu verleihenden Orden auch selbst. Auch eine sittliche Bedeutung wird dieser Auffassung zugesprochen; so hebt Rehm hervor 3 : Die Statuierung einer besonderen Staatssouveränetät bedeute, "dass die Staatsorgane die Rechts Ipflicht haben, die Staatsgeschäfte im Interesse der Gesamtheit der Staatsangehörigen zu führen"; es scheint mir wenigstens diese Pflicht mehr moralischer Natur zu sein, sofern sie auch den Fürsten und die Bürgerschaft umfasst. Wie Albrecht in den soeben wiedergegebenen Ausdrücken die Sache hinstellt, dürfte es mehr auf eine handliche Ausdrucksweise abgesehen sein, um alles zusammenzufassen, was in der grossen "Anstalt" zu leisten ist. Das ist wohl der einleuchtendste Zweck; er entspricht dem Bedürfnis der Zeit, sich mit den verwickelteren Erscheinungen des neuen Verfassungsstaates abzufinden. Auch HaeneP weist darauf hin, wenn er sagt, für den Staat sei "die juristische Persönlichkeit eine durch die Energie und Vielseitigkeit seiner Wirksamkeit begründete Notwendigkeit". Am allerentschiedensten findet sich dieser Zusammenhang der juristischen Persönlichkeit des Staates mit dem Aufkommen des Verfassungsstaates, vertreten von R. Schmidt 2 • Er gibt für frühere Entwicklungsstufen die Möglichkeit anderer Auffassungen zu; aber "der Dualismus der obersten Organe, der den Verfassungsstaat charakterisiert, setzt logisch mit zwingender Notwendigkeit die Annahme einer höheren Staatspersönlichkeit voraus". "Die Theorie der Verbandsperson ist die unerlässliche Vorbedingung, um den Verfassungsstaat erklären zu können 3. " Nun dürfen wir aber wohl auch die Schlussfrage erheben: ist das wirklich eine echte juristische Persönlichkeit, was man da gemacht hat? Lassen wir dahingestellt, was man machen konnte; was man brauchte und machen wollte, war offenbar nie etwas anderes als die anschauliche Zusammenfassung einer verwickelten Rechtseinrichtung, in welcher von sehr verschiedenen Mitwirkenden in planmässigem Zusammenarbeiten ein einheitlicher Zweck verfolgt wird. Das Geschäft, der Staat, liefert den einheitlichen Geschäftsnamen, unter dem alles geschieht. Mehr braucht eS nicht. Die Persönlichkeit I des Staates ist nichts als Bild, Gleichnis und Abstraktion. Allg. Staatslehre S. 152. Deutsches Staatsrecht I S. 107. Wenn hinzugefügt wird: die juristische Persönlichkeit des Staates "ist zugleich kraft der Macht des Staates, sich seine Rechtsordnung selbst zu gestalten ... überall und ausnahmslos positiven Rechts", so scheint mir diese Begründung weniger glücklich: wenn wirklich diese Macht besteht, so ist damit nicht gesagt, dass auch von ihr Gebrauch gemacht worden ist, um die streitige Persönlichkeit zu schaffen. 2 Allg. Staatslehre I S. 225 f. , 3 a. a. O. S. 226. 3

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Rechtlich bedeutungslos ist ja ein solches Auftreten unter einem Geschäftsnamen nicht. Wir haben gesehen, wie auf dem Boden des Zivilrechts die Rechtsordnung mehrfach Vorkehrungen trifft, um es anzuerkennen und ihm seine Gültigkeit und Wirksamkeit für die damit gemeinten wirklichen Personen zu sichern. So bei der kaufmännischen Firma, der offenen Handelsgesellschaft, in absichtlich geringem Masse sogar beim nicht rechtsfähigen Verein. Man hat das wohl als Einheitsbehandlung, als formelle Rechtsfähigkeit bezeichnet; mehr als eine Scheinperson entsteht auch durch solche Erleichterungen nicht!. Dem Staat kommt dieses Verfahren selbstverständlich überall zugute, wo er es brauchen kann. Bei ihm hat es aber auch noch eine besondere Bedeutung. Der Grund ist leicht zu sehen. Der Sprachgebrauch pflegt den Namen Staat nicht hereinzuziehen, wenn nur die Handhabung der öffentlichen Gewalt in Frage steht: nicht der Staat, sondern das Gericht urteilt, das Gesetz befiehlt, der König ruft zu den Fahnen, jedes in seiner Zuständigkeit. Es kann aber sein, dass die Verhältnisse, in welche bei Besorgung der Geschäfte zu treten ist, geordnet sein sollen nach den Regeln, die auch für gewöhnliche Menschen gelten, vor allem also durch das bürgerliche Recht. Da erscheint dann im Sprachgebrauch der Staat, oder noch lieber der Fiskus, um nicht nur eine Einheitsbehandlung anzudeuten, sondern auch eine Sonderbehandlung, die der Staatstätigkeit hier widerfährt: über diesen Staat oder Fiskus urteilt dann das Gericht, ihm befiehlt das Gesetz, als wäre er etwas anderes, als was aus diesen selbst spricht. Auch das ist zuletzt nichts anderes als vereinfachte Ausdrucksweise für ein Handeln mit verteilten Zuständigkeiten2 • I Das Wirkliche ist

Meurer, Die jurist. Pers. S. 43, S. 72 ff. Vgl. oben S. 9, S. 15, S. 23 u. 24. Haenel, Deutsches Staatsrecht I S. 104, gibt eine ausführliche Schilderung von der Bedeutung der juristischen Persönlichkeit für den "korporativen Verband", womit namentlich auch der Staat gemeint ist. Er unterscheidet zweierlei Wirkungen. Die erste Gruppe bezieht sich auf die Stellung der "Organe", die auch nach aus sen von dem bestimmt wird, was für die "inneren Verhältnisse" gilt. Hier dürfte im wesentlichen eine offene Handelsgesellschaft vorliegen. Der einzige Unterschied, dass für die Schulden des korporativen Verbandes nur dessen Vermögen haftet "und nicht das Organ persönlich", wird damit begründet, dass die für den Verband übernommenen Verbindlichkeiten "nur die Rechtswirkung haben, dass das Organ verpflichtet wird, die ihm im Inneren des korporativen Verbandes zustehende Rechte dahin zu verwenden, dass dem Rechte des Dritten Genüge geschehe". Das scheint mir aber nicht richtig zu sein; dem Dritten gegenüber hat der Vorstand der Aktiengesellschaft gar keine Verpflichtung. Bedeutsam ist also allein die zweite Gruppe von Wirkungen. Sie bestehen darin, "dass die Rechtsverhältnisse, welche zwischen dem korporativen Verbande durch seine Organe und zwischen Dritten obwalten, den nämlichen Sätzen des objektiven Rechtes unterliegen, welche Platz greifen, wenn an Stelle des korporativen Verbandes ein Individuum das beteiligte Rechtssubjekt ist". Das gilt "insbesondere im Gebiet des Privatrechts", aber auch für die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Gewerbeordnung, der Besteuerung und 1

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und bleibt einzig die lebendige Trägerschaft der obersten Gewalt, die mit ihren mancherlei Hilfskräften den Staat in Gang hält und damit das grosse Unternehmen betreibt, ein möglichst wertvolles Glied zum Ganzen der Menschheitsgeschichte zu stellen. Wenn unser schöner Begriff I der juristischen Person daran nicht heranreicht, so müssen wir uns sagen: der Staat ist eben zu gewaltig, um sich in den Rahmen zu fügen, der für Unternehmungen des bürgerlichen Verkehrs geformt ist. Wen das Wort Scheinperson zu gering dünkt, der mag ihn getrost eine Ueberperson nennen. 3. Der Staat ist nicht einzig in seiner Art. Weiter unterhalb finden sich verwandte Gebilde: Gemeinden und höhere Gemeindeverbände mit zugehörigem Stück Staatsgebiet und zu-

gehörigem Stück Staatsvolk und mit einer Gemeindegewalt zur Besorgung eigener Angelegenheiten. Man hat sie als Gebietskörperschaften bezeichnet, um die wesentliche Uebereinstimmung ihrer Natur mit der des Staates hervorzuheben 1• Es scheint mir auch die Frage der juristischen Person hier gerade so zu liegen wie beim Staat2 ; teils hat es die sonstiger "Lasten und Beschränkungen, die im öffentlichen Interesse an bestimmte Besitzverhältnisse oder Tätigkeiten geknüpft sind". Das ist ganz und gar die Scheinperson, wie wir sie oben dargestellt haben. In seinen Studien zum deutschen Staatsrechte, Bd. II S. 231 hat Haenel eine sehr schöne Erklärung des Wesens des Staates gegeben: "Der Staat lebt und webt ausschließlich in seinen Organen, d. h. in Menschen, die in einer eigentümlichen Berufsf'tellung den Staatszweck durch planvolle Abgrenzung und Vereinigung ihrer Willensbestimmungen verwirklichen. Abgesehen von diesen Organen hat der Staat keinerlei Realität, sondern ist nur eine einseitige Abstraktion, die wir uns in gewissen Zusammenhängen zur Erleichterung unseres Denkens und Sprechens bilden." Das ist die Anstalt, Staat genannt, und die Abstraktion ist ihre Persönlichkeit, die aber weil sie bloss eine Abstraktion ist, keine juristische Person bedeutet (vgl. oben S. 26 - 28). Auch Rehm, Allg. Staatslehre S. 156 scheint dem Staat "juristische Person" nur in diesem uneigentlichen Sinne zusprechen zu wollen. Wenn er sagt: "der Staat ist von unserem Standpunkt aus keine Fiktion, sondern eine Abstraktion", so ergibt sich aus seinen weiteren Erläuterungen, dass er tatsächlich ganz den oben dargestellten Gegensatz im Auge hat (vgl. oben S. 27). Ungefähr so Fricker in Tüb. Zeitschr. f. Staatsw., Bd. XXV S. 38: der Staat ist "nach innen eigenes Leben, nach aussen Persönlichkeit"; es ist aber dabei wesentlich an das völkerrechtliche Verhältnis zu andern Staaten gedacht. Schättle, Bau und Leben des soz. Körpers II S. 433 schätzt den Wert dieser "Person höherer Ordnung" sehr richtig ein, wenn er eine derartige Behandlung des Staates zwar für zulässig erklärt, aber mit dem Vorbehalt: "Nur gibt diese Benennung keinen besonderen wissenschaftlichen Ertrag, der nicht schon vorher gewonnen wäre." So ist eben die Scheinperson! Die wirkliche juristische Person bedeutet etwas Neues. 1 Preuss, Gemeinde, Staat, Reich S. 369 ff. Wegen des Ausdrucks "Körperschaften" müssen wir ja unsere Vorbehalte machen. 2 Wenn ich vorhin den Staat mit einer "Ueberperson" verglich, so lese ich jetzt bei Mitteis in seinem während des Druckes erschienenen Röm. Priv.Recht I S. 341: "Nach römischer Auffassung führt die Gemeindekorporation als Ganzes eine selbständige, sozusagen überirdische Existenz."

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geschichtliche Herkunft der Gemeinde mit sich gebracht, teils hat die Rechtsordnung das Vorbild des Staates einfach angewendet. Der Träger der Gemeindegewalt ist hier wesentlich demokratisch gestaltet. Aber dieses organisierte Gemeindevolk ist wiederum durch keine juristische Person von seinen Angelegenheiten rechtlich geschieden. In sofern stimmen wir also mit Laband überein, wenn er von dem Rechtssubjekt Stadt Berlin sagt, es sei nur eine "Abstraktion von der Vorstellung der Einwohner"3. Durch die Anteilnahme des Staates (Aufsichtsgewalt) wird das Gesamtbild der wirklichen Rechtsträgerschaft hier allerdings noch verwickelter. Ich will das nicht weiter verfolgen. Ueber dem Staate anderseits steht das Reich. Es gibt Leute, die bei dem Klang des Namens "Bundesstaat" sofort mit beiden Füssen in den Begriff Staat hineinspringen; für die ist dann auch die Frage der juristischen Persönlichkeit ohne weiteres mit entschieden. Geht man, wie es wohl richtiger ist, von der vertragsmässigen Grundlage aus und von der unzweifelhaften ursprüng Ilichen Bundesnatur des Reiches, so wird man sich auch diese Frage noch einmal überlegen müssen. Die verbündeten Staaten scheinen ganz von selbst zum Vergleiche einzuladen mit der Gesellschaft, dem Vereine, wie sie von den Menschen gebildet werden können nach den Regeln des Privatrechts. Dann wird man aber auch die Seitenstücke wiederfinden wollen von nicht rechtsfähigen Vereinen einerseits, rechtsfähigen anderseits. So hat denn auch Rehm in gründlicher Darstellung den Unterschied durchgeführt zwischen dem Staatenbund als Staatengesellschaft (Beispiel: der Rhein.,. bund) und als Staatenkorporation (Beispiel: der alte deutsche Bund)!. Bezüglich des deutschen Bundes sind die Meinungen geteiIt2. Man möchte darauf hinweisen, dass er nach der Wiener Schlussakte (Art. 2) nach aussen als "politische Gesamtmacht" auftrat, dass er Festungen besass, vielleicht auch Schulden machen konnte. Allein das alles lässt sich sehr wohl mit der Form einer Gesellschaft vereinigen. Gesamtname, formelle Rechtsfähigkeit, Abstraktion mögen dazu den Schein der Persönlichkeit hervorbringen. Dass die Grundverträge an etwas wie eine wahre Rechtsperson gedacht hätten, scheint mir ausgeschlossen zu sein. Das Reich nun bedeutet zweifellos dem deutschen Bunde gegenüber noch eine höhere Stufe der Entwicklung. Zwar das Schlagwort Bundesstaat mag uns wenig kümmern; die grossartige Verstärkung der Bun3 1 2

Staatsrecht des deutsch. Reichs I S. 79; vgl. oben S. 26. Allg. Staatslehre S. 86 ff. Literatur bei G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staatsrecht S.

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desgewalt und die Beigabe einer Volksvertretung würde meines Erächtens genügen, um die ganze Besonderheit der Erscheinung zu erklären; der sogenannte Bundesstaat ist bei uns in Wirklichkeit nichts als ein zum Segen der nationalen Einheit wohl ausgebauter Staatenbund 3• Es war aber der juristischen Person beschieden, bei der Gestaltung unserer Lehre vom Reich geradezu eine ausschlaggebende Rolle. zu spielen. Ihre Dazwischenkunft ist es, die das Reich von seiner vertrags'mässigen Grundlage gelöst und aus der Staatengesellschaft einen Staat gemacht hat. So nach I dem führenden "Staatsrecht des deutschen Reichs", nach Laband 1• Mit Verträgen der deutschen Staaten, heisst es hier (S. 84), hat die Entstehungsgeschichte des Reiches angefangen; aber durch die Errich., tung des Norddeutschen Bundes wurden die Augustverträge, durch die des Reichs. die Novemberverträge erfüllt und damit hörte das vertragsmässige Verhältnis auf; die Staaten bilden keine "Sozietät", welcher die Bundesgewalt als gemeinsame zustände, sondern diese. gehört.. dem Reich als juristischer Person. Die Staaten sind .daran nur beteiligt, wie die "Bürger in der Demokratie" an der Staatsgewalt beteiligt. sind (S. 91); sie sind "das Substrat dieser. Person". Schreibt man ihnen die Reichsgewalt als eigen zu, so hebt man dadurch die eben erst gemachte Annahme der juristischen Person wieder auf,. gerade wie "wenn man nicht die Privatrechtsperson selbst als das Subjekt ihrer Vermögens, rechte ansieht, sondern etwa ihren Vorstand oder ihre. Generalversammlung oder die Destinatäre, denen das Vermögen zu gute kommt" (S.90).

Laband ist sich treu geblieben. Er trennt die Staaten von dem, was des Reiches ist, mit dem scharfen wirkungskräftigen Begriff der juristi.;. schen Person, gerade wie er damit in der Zeitschr. L Handelsrecht Bd. XXX das Aktienvermögen so ausdrucksvoll gesondert hat von den dahinterstehenden Aktionären2 • Alles, was er weiter folgert, ergibt sich dann inder Tat von selbst: die Staaten stehen unter derneuen juristischen Person, wie die Bürger in der Demokratie unter ihrem Staat; das Reich ist ein Staat, Bundesstaat, Gesamtstaat; die Staateri, seine Untertanen, wenn sie überhaupt jenen Namen noch führen sollen,können es nur tun bei Annahme der nicht so ganz zweifels freien Lehre von der Entbehrlichkeit der Söuve-" ränitätfür den Staatsbegriff; ein nicht souveräner Staat ist· Preussen geworden. 3 Darüber meine Abhandlung: "Republikanischer und rnonärchischerBundes staat" im Arch. f. öff. Recht, Bd. XVIII S. 337 ff. 1 Staatsrecht.des deutschen Reichs I S. 83 ff. ! Vgl. oben II S. 14 ff.

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Alles das ist glatt und klar und einwandfrei bis auf einen einzigen Punkt, allerdings einen Kardinalpunkt: die juristische Person, auf die Laband sein ganzes Gebäude gestellt I hat, die gibt es hier nicht und kann es nicht geben. Wir haben vorhin (S. 56 ff.) dargelegt, dass es ein unvollziehbarer und auch tatsächlich nicht ernstlich durchgeführter Gedanke ist, wenn der Bürgerschaft im demokratischen Staate die Staatsgewalt entfremdet werden soll zu Gunsten einer eigens zu schaffenden Rechtsperson des Staates. Bei einer vertragsmässigen Verbindung von Staaten ist die Sache noch deutlicher. Wo käme da auf einmal die juristische Person her, die diesen Staaten das gemeinsame Unternehmen und damit zugleich ihre Souveränität davonträgt? Die Staaten sollen sie selbst geschaffen haben durch ihren Vertrag und seine Erfüllung. Kann man derartiges zuwege bringen? Gewiss kann man es, die Privatrechtsperson, auf die sich ja Laband hier beruft, die Aktiengesellschaft z. B., zeigt das deutlich. Aber dort steht die Sache doch so, dass das Gesetz sagt: wenn ihr diese Formen erfüllt, will ich das Geschäft so betreiben lassen, dass es selbst und das ganze Vermögen nicht euch mehr gehört, ihr nur die Erträgnisse bekommt, dafür aber auch nicht haftet. Dergleichen lässt sich nicht einrichten durch den bIossen Entschluss, wir wollen das künftig so halten. Aber Gesetz und Obrigkeit, die über diesen Leuten stehen, schützen das getrennte Geschäft und Vermögen vor ihnen und so kommt es zur juristischen Person. Ueber den vertragsmässig verbundenen Staaten steht nichts. Sie können eine gemeinsame Bundesgewalt, eine Vereinsgewalt schaffen; die Träger dieser Gewalt sind sie und immer nur sie. Man berufe sich nicht auf das Beispiel der Schweiz und der Nordamerikanischen Union. Dort ist ein neuer lebendiger Herrscher auf die Bühne getreten: das Schweizervolk, das Volk der Union; die Schweiz ist ein Staat mit reichlich bemessener Selbstverwaltung und die Union desgleichen. Im deutschen Reich ist das eben nicht so. Das deutsche Volk d. h. die damit gemeinte auserwählte Reichsbürgerschaft hat nur Anteil bekommen an der Reichsgewalt der deutschen Regierungen, wie die Staatsbürgerschaft verfassungsmässig Anteil hat an der Landesstaatsgewalt. Die dadurch entstehenden Gebundenheiten und das verwickelte Zusammenarbeiten erzeugen, wie beim Staate, das Bedürfnis nach einem zusammenfassenden Ausdruck, wegen der gröslseren Verwikkeltheit vielleicht noch mehr als dort. Dazu kommt die unleugbare Tatsache, dass dieser Bund, deutsches Reich genannt, für die geschichtliche Grösse, die das deutsche Gesamtvolk ja ist, den Dienst tut, den ein Staat zu verrichten hat für das seinige, kein Staat, aber ein seiner Zeit, ach so he iss ersehnter Ersatz dafür. Begreiflich ist die Neigung, es einen Staat

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zu nennen und damit ist ja für die herrschende Meinung auch die juristische Persönlichkeit entschieden. Aber all diese Begreiflichkeiten machen noch keine juristische Person. Für diese gilt die unerbittliche Frage: wer hält hier die rechtliche Scheidewand, die die verbündeten Regierungen von ihrer gemeinsamen Gewalt künstlich trennen soll? Denn künstlich ist das. Der solches bei der Aktiengesellschaft tut, der darüber stehende Souverän mit der von ihm vertretenen übergeordneten Rechtsordnung, der fehlt hier. Das Vertragsverhältnis zwischen den Verbündeten? Das sind sie selbst. Die Reichsverfassung? Das sind sie selbst unter Mitwirkung des Reichstags. Es bleibt nur eins: die juristische Person des Reichs für sich allein müsste es sein, die die Staaten in solcher Weise bei Seite schiebt. So ist es auch gemeint. Dieses aber ist Münchhausen, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht. Denn die juristische Person, dieses Geschöpf der Rechtsordnung, ist bloss dadurch etwas, dass eine vorhandene höhere Macht dazwischen tritt und sich für sie einsetzt und ihre Daseinsmöglichkeit gewährleistet. Und das fehlt ja gerade. Ohne das ist sie nichts als Spuk und Gespenst!.

VI. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Der Staat ist der Simson, den man vergeblich zu binden sucht mit den neuen Stricken der juristischen Persönlichkeit. I Die Gemeinde ist ihm nachgebildet und die Staatenvereinigung Reich teilt diese Natur der Vereinigten ganz von selbst. Beide haben sie auch wie der Staat die Aufgabe, das geschichtliche Dasein einer Volksgemeinschaft zu formen, die Gemeinde für das Volk einer Unterabteilung des Staatsgebietes, das Reich für das Gesamtvolk der mehreren Staatsgebiete, des Gesamtgebietes. Wir bedürfen für diese zusammengehörigen Erscheinungen eines gemeinsamen Namens. Die Bezeichnung "Gebietskörperschaft", die nach Gierkes Vorgang namentlich von Preuss vertreten und begründet wurde, hat nach dem soeben Gesagten sehr viel für sich. Wir können sie aber nicht gebrauchen, da das Wort Körperschaft doch allzusehr darauf festgelegt ist, eine echte juristische Persönlichkeit zu bedeuten. 1 Seydel, der mit seiner Lehre vom Reich als Staatenbund ursprünglich noch allzusehr unter dem Einfluss der Ideen Calhouns stand, hat sich in seinen späteren Schriften derart berichtigt, dass Laband (Staatsrecht I S. 90 Note 2) ihm das Zeugnis ausstellen kann, die Bestandsicherheit des Reiches sei auf diese Weise ganz gleichwertig gewährleistet. Es fehlt meines Erachtens nur noch eine kräftigere Betonung des Wesens der Bundesgewalt. Wenn nun Laband seinerseits auf die juristische Person des Reiches verzichten würde, so würde das, was von seiner Lehre übrig bleibt, im wesentlichen übereinstimmen mit der Seydels. Das scheint mir ein bedeutsamer Fingerzeig zu sein, in welcher Richtung bei dieser so viel umstrittenen Frage nach der Natur des Reichs die Wahrheit liegt.

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Ein solcher Beigeschmack fehlt dem Wort "Gemeinwesen", womit der gewöhnliche Sprachgebrauch diese nämlichen Dinge zusammenzufassen pflegt. "Wesen" mit irgend einem Zusatz bedeutet die Einrichtungen und Tätigkeiten nach der bestimmten Seite hin: Schulwesen, Gewerbewesen, studentisches Verbindungswesen, Börsenwesen. Gemeinwesen ist dann, was mit seinen Einrichtungen und Tätigkeiten alle Volksgenossen schlechthin angeht. "Einen Inbegriff von Angelegenheiten" nennt es Hölder bei der ausführlichen Behandlung, die er dem Begriff gewidmet hat!. Unter Gemeinwesen verstehen wir also den Staat und was ihm gleichsteht, Volkseinrichtungen zur Verfolgung wichtigster Zwecke, die keine juristischen Personen sind, mit denen aber im Verkehr der Einfachheit und Anschaulichkeit halber so gerechnet wird, als wären sie Personen. Und dabei werden dann die einzelnen Rechtsbeziehungen, in welche das Gemeinwesen tritt, behandelt nach den dafür geschaffenen Rechtsordnungen: Verwaltungsrecht, Bürgerliches Recht, Handelsrecht u. s. w. Das ist alles schon gesagt worden. Da kann es denn auch geschehen, dass solcher Rechtsordnung gemäss aus der Masse der Zwecke und Angelegenheiten dieses Gemeinwesens ein bestimmtes "Geschäft, eine Anstalt, ein Zweckvermögen sich loslöst, ohne an ein anderes I schon gegebenes Rechtssubjekt überzugehen, um vielmehr in solcher rechtlicher Getrenntheit als selbständiges Unternehmen betrieben zu werden. Alsdann erfüllt sich hier das Wesen der juristischen Person in ihrem echten Begriff und es entsteht eine juristische Person des öffentlichen Rechts 1• Das geschieht auf zweierlei Art: in Form der Körperschaft und in Form der Anstalt oder Stiftung, entsprechend den Grundformen der Rechtspersonen des bürgerlichen Gesetzbuchs. Es leuchtet aber ein, dass der innere Aufbau hier wesentlich anders bestimmt sein muss als dort. Wohl. haben wir auch hier mit Menschen und Menschenvereinen zu tun, die als Gründer, Stifter, Mitglieder und Vertreter in Betracht kommen. Aber dadurch,. dass als der gleichmässige Ausgangspunkt überall das Gemeinwesen erscheint, treten sie stark zurück und verschiebt sich das Bild ganz und gar. Daher kommt es auch, dass wir, um ein Seitenstück zu der bürgerlichrechtlichen Vereinspersönlichkeit zu gewinnen, die dort den Vortritt zu haben pflegt, hier mit der Anstaltspersönlichkeit2 beginnen und Nat. und jur. Pers. S. 156 ff. In derselben Weise findet Hölderam Schluss seiner Darstellung des Gemeinwe.sens den Uebergang zu den an diesem hängenden "untergeordneten rechtlichen Verbänden" (Nat. und jur. Pers. S. 169). 2 Das BGB. § 89 spricht hier von "Stiftungen und Anstalten des öffentlichen I

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nicht, wie man um des I Namens willen erwarten möchte, mit der öffen tHchen Körperschaft.

1. Als Anstalt bezeichneten wir oben IV. n. 3 ein sich als dauernd darstellendes Unternehmen; es stellt sich dar in den dem bestimmten Zweck gewidmeten Mitteln. Unter einer öffentlichen Anstalt verstehen wir alsdann, frei· nach J ellinek, "einem bestimmten Zweck der öffent~ lichen Verwaltung gewidmete Verwaltungsmittel"1. Oeffentliche Verwaltung aber ist alle unter der Leitung des Gemeinwesens stehende Wirksamkeit zur Verfolgung von Zwecken, die es als die seinigen anerkennt. Wann das vorliegt, ist jedesmalleicht zu sehen. Da die Gemeinwesen die Quelle aller öffentlichen Verwaltung sind, so gehören auch ihnen von Haus aus alle öffentlichen Anstalten. Es ist aber denkbar, dass eine Anstalt rechtlich gelöst wird von dem Gemeinwesen, dem sie eigentlich zusteht, dem Muttergemeinwesen, wie wir sagen, und zwar kann das auf zweierlei Art geschehen: - so, dass ein anderes Subjekt sie übernimmt, ein anderes Gemeinwesen oder ein beliehener Unternehmer (Eisenbahnkonzession)2; - oder so, dass sie betrieben werden soll, ohne doch an ein anderes bereits vorhandenes Subjekt angeknüpft zu werden. In diesem zweiten Falle erkennen wir die Voraussetzungen für die Entstehung einer echten und gerechten juristischen Person. Sie he isst eine juristische Person des öffentlichen Rechts, weil sie dazu da und geschaffen ist, ein Stück öffentlicher Verwaltung zu führen und dadurch in ihrem ganzen Wesen das öffentlichrechtliche Gepräge erhält3 • Rechts". Gierke, Deutsch. Priv.-Recht I S. 645 Note 2 bemerkt mit Recht: Jede "Stiftung" sei im Rechtssinne eine Anstalt. Er schlägt vor, den Ausdruck Stiftung ganz der entsprechenden juristisand, Staatsrecht des Deutschen Reichs 1901 Bd. 111. S. 248.

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Stellen wir also die entsprechenden Texte einander gegenüber. RV. 1849. Art. IV § 20. Die Schiffahrtsanstalten am Meere und in den Mündungen der deutschen Flüsse (Häfen, Seetonnen, Leuchtschiffe, das Lotsenwesen, das Fahrwasser u. s. w.) bleiben der Fürsorge der einzelnen Uferstaaten überlassen. I Art. IV § 22. Die Abgaben, welche in den Seeuferstaaten von den Schiffen und deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung dieser Anstalten notwendigen Kosten nicht übersteigen. Art. V § 25. Alle deutschen Flüsse sollen für deutsche Schiffahrt von Flusszöllen1 frei sein. Art. V § 26. Die Hafen-, Krahn-, Wag-, Lager-, Schleusen- und dergleichen Gebühren, welche an den gemeinschaftlichen Flüssen und den Mündungen der in dieselben sich ergiessenden Nebenflüsse erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung derartiger Anstalten nötigen Kosten nicht übersteigen. Art. V § 25 S. 2. Auch die Flösserei soll auf schiffbaren Flüssen solchen Abgaben nicht unterliegen.

RV. 1871. Art. 54 Abs. 3 S. 2. Die Abgaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstallten erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten nicht übersteigen.

Art. 54 Abs. 4. Auf allen natürlichen Wasserstrassen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehres bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung solcher künstlichen Wasserstrassen, welche Staatseigentum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht überschreiten. Auf die Flösserei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbaren Wasserstrassen betrieben wird. Art. 54 Abs. 5. Auf fremde Schiffe und deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaat, sondern nur dem Reiche zu.

Art. IV § 23 Abs. 2. Eine höhere Belegung fremder Schiffahrt kann nur von der Reichsgewalt ausgehen. Art. V § 27. Flusszölle und Flussschiffahrtsabgaben dürfen auf fremde Schiffe und deren Ladungen nur durch die Reichs-gewalt gelegt werden. Es sollte eine harte Sache sein, hier den Bruch mit der "Kontinuität des gesetzgeberischen Willens" herauszulesen. Peters scheint die Sache nicht so schlimm aufzufassen. Die Anordnung des Stoffes in Art. 54 ist "allerdings auffallend" (S. 27). Der Gesetzgeber ist eben wieder einmal töricht gewesen: "Es zeigt sich hier die bei den Rechtsvorschriften über Schiffahrtsabgaben leider häufige Erscheinung, dass die gesetzgeberische

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1 Unter Flusszöllen sind hier "alle Abgaben für die Befahrung deutscher Flüsse verstanden". Vgl. Entw. eines Gesetzes über die Aufhebung der Flusszölle Art. 2; unten S. 15.

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Willensmeinung nicht mit derjenigen Klarheit zum Ausdruck gebracht ist, welche an sich wünschenswert gewesen wäre" (S. 30). Unter diesen Umständen wäre es vielleicht unbescheiden, ernsthaftere Beweise aus dem Gesetzestexte zu verlangen. Immerhin weiss der Verfasser mancherlei vorzubringen. So wird ihm vor allem das Wort "Wasserstrasse" in Art. 54 Abs. 4 bedeutsam. Darunter soll nämlich auch das Meer begriffen sein, womit ja die erstrebte Identität von selbst sich ergäbe. Freilich der Abs. 3 S. 2 des Art. 54 hätte dann gar keinen Sinn und Zweck; denn so gut Abs. 4 die Binnenhäfen als besondere Schiffahrtsanstalten der Binnenwasserstrassen umfasst, würde er auch die Seehäfen als zur Wasserstrasse Meer gehörige Anstalten umfassen. Und warum soll das Meer hier als Wasserstrasse mit gemeint sein? Das wird ihm dadurch bewiesen, dass jemand einmal in einem Vortrag gesagt hat: "die wichtigste Wasserstrasse ist natürlich das Meer" und dass man auch sonst wohl beim Meer von Seeweg, Wasserweg u. s. w. redet (S. 28, 29). Es kommt aber doch nur darauf an, was Art. 54 unter dem Wort Wasserstrasse versteht. Die RV. von 1849 hatte in § 25 von den deutschen Flüssen gesprochen; unser Art. 54 fügt noch die Kanäle hinzu und bezeichnet dann beides als natürliche und künstliche Wasserstrassen. Das lässt dann für Abs. 3 ganz kor-rekt, nach Vorbild der RV. von 1849, die Anstalten am Meer und an den Flussmündungen übrig t . 1

Peters behauptet allerdings (S. 143), einen positiven Beweis zu liefern, dass Art. 54 Abs. 4 "auch den Seeverkehr und die Seewege gemeint hat", dadurch nämlich, dass unbestritten die dortige Bestimmung, wonach die Abgaben auf Privatkanälen an die Schranke der Selbstkosten nicht gebunden sind, auf den Nordostseekanal gemünzt war, also auf eine Seewasserstrasse. Dieses versteht er hier offenbar im Sinne von SeewasserStrasse, wie er denn auch sonst die hier fragliche Unterscheidung mehrfach formuliert als die von süssem und salzigem Wassert. Das ist ein Seitensprung. Der Nordostseekanal ist weder ein Teil des Meeres, noch eine Flussmündung, sondern ist schlechthin eine künstliche Wasserstrasse. Auf die chemische Beschaffenheit seines Wassers kommt es gar nicht an und mit dem positiven Beweise ist es nichts. An anderer Stelle (S. 28 Note 1) scheint dann wieder der Begriff des Seeweges an den Umstand gehängt werden zu sollen, dass Seeschiffe dort fahren können. Aber die Tiefe des Stromes ist für die hier zu 1 Gerade am Gegensatz zur Flussmündung wird das Wesen der vom Lande eingefassten und bestimmten Wasserstrasse deutlich. Handwörterbuch der Preussischen Verwaltung, Art. Flüsse, S. 537: "Der Fluss endigt mit der Mündung in die See, da wo die Wasserfläche eine solche Breite annimmt, dass das Festland auf die Wasserführung keinen Einfluss mehr ausübt." 1 Vgl. S. 232.

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machende Unterscheidung ebenfalls gleichgültig. Gleichgültig ist es auch, wenn, wie S. 26 hervorgehoben wird, "See- und Binnenschiffahrt sich vielfach neben einander bewegen und hinsichtlich der Betriebsmerkmale in einander übergehen". Es handelt sich um örtliche Abgrenzung, nicht um Betriebsformen. Zwecklos scheint mir die Polemik gegen die Formulierung des Art. 54 Abs. 3 zu sein. Die RV. von 1849 hatte von Abgaben gesprochen, welche "in den Seeuferstaaten von den Schiffen" erhoben werden. Jetzt heisst es "in den Seehäfen von den Seeschiffen". Das ist eine Verbesserung, die wohl genügend ist, um den damals vorausgeschickten Paragraphen, der von "Schiffahrtsanstalten am Meere und in den Mündungen der deutschen Flüsse" sprach, nicht vermissen zu lassen. Der Verfasser möchte es als leeren Nonsens behandeln. I Die Zufahrt vom Meere könne nicht als Bestandteil der Hafenanlage betrachtet werden und den Hafen als Zahlungsort entscheiden zu lassen, würde zu "seltsamen Konsequenzen führen" (S. 142, 143). Es scheint aber doch so zu sein, dass vielfach für die Leuchtfeuer, Fahrwasserbezeichnungen, Lotseneinrichtungen erst im Hafen und nach dessen Ordnungen bezahlt wird. Der Verfasser selbst führt Beispiele an (S. 224, 227, 287). Werden solche Gebühren schon unterwegs erhoben, so geschieht es doch nur mit Rücksicht auf das Ziel, den anzulaufenden Hafen. Oder weshalb sollte sonst das Seeschiff hereinkommen? Mir scheint, der Art. 54 Abs. 3 hat, was er sagen will, im Anschluss an das Bestehende deutlich genug ausgedrückt. Auch den Gesetzgeber sollte man nicht chikanieren 1 • Alles das läuft höchstens hinaus auf schwache Diskreditierungsversuche an den verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Nur ein einziges Mal wird noch ein ernsthaft gemeinter Angriff vorgebracht. Er findet sich S. 144 -147 unter der nicht ganz entsprechenden Ueberschrift: "Die Entstehung der Reichsverfassung". Dort bildet er den ersten Punkt in einer längeren Auseinandersetzung der Frage, die nach des Verfassers Meinung "von entscheidender Bedeutung ist für die Auslegung des Art. 54". Was nachher über "politische Triebkräfte" und dergleichen gesagt wird, geht uns hier für die "grammatische Auslegung" nichts an. Auch die Anzeige im Arch. f. Eisenbahnwesen erachtet dieses Stück Beweisführung für wichtig genug, um es besonders hervorzuheben (S. 12). Es handelt sich um die Bestimmung in Abs. 5 des Art. 54, I wonach das Reich fremde Schiffe mit anderen oder höheren Abgaben belegen kann, als die Schiffe der Bundesstaaten entrichten. Das böte. meint der

1 Ich glaube die Beobachtung gemacht zu haben, dass die deutschen Juristen überhaupt weit mehr als z. B. die französischen darauf aus sind, ihren Gesetzgeber auf Unregelmässigkeiten fest zu nageln. Darum spricht er auch so geschraubt zu ihnen wie im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist der Schade davon.

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Verfasser, eine empfindliche Lücke, wenn man annähme, daß auf natürlichen Wasserstraßen Abgaben für die einfache Befahrung grundsätzlich verboten seien; denn alsdann könnte man ja auch die Ausländer nicht damit belasten und die Waffe der Retorsion wäre "stumpf und wirkungslos". Also ist diese Fassung der Retorsionsklausel "nur verständlich unter der Voraussetzung, dass die Abgabenerhebung auf allen deutschen Wasserstrassen grundsätzlich gestattet ist" - ohne Unterschied von "See- und Binnenschiffahrt" . - Mir scheint aber diese ganze Beweisführung nur verständlich unter der Voraussetzung, dass man das Wörtchen "andere" in Abs. 5 unterdrückt. Der Fremde kann höhere Abgaben zahlen müssen als der deutsche Flussschiffer - gegebenen Falles also auch über die reichsverfassungsmässige Schranke der Selbstkosten der benützten Anstalt hinaus - und andere - gegebenen Falls also auch solche, die dem Deutschen reichsverfassungsmässig überhaupt nicht auferlegt werden können, Befahrungsabgaben z. B., wo der Deutsche nur Abgaben für Benützung besonderer Anstalten zahlt. Es ist alles in schönster Ordnung. Der Fall ist aber typisch für die Art, wie der Verfasser beweisen zu dürfen glaubt. Am Schlusse seines Buches (S. 336) beschleicht ihn eine trübe Ahnung, es werde "versucht werden", ihm gerade bei dieser Identität zu widersprechen und nach wie vor "den Art. 54 Abs. 4 nur auf Binnenwasserstrassen zu beziehen". Das, meint er, werde deshalb geschehen, weil man die "unbequeme Tatsache" vor Augen hat, dass auf Seewasserstrassen unangefochten Fahrwassergelder fortbestehen und neu entstehen, und ihm den Beweis missgönnt, der sich - bei angenommener Identität - hieraus für deren Zulässigkeit auf Süsswasserstrassen ergeben muss. Hätte man aber nicht viellmehr aus dem Umstand, dass nur für Seeschiffahrtsabgaben ein solches Tatsachenmaterial besteht, den Schluss ziehen müssen, dass es mit der behaupteten Identität und dem dafür zu liefernden Nachweis doch keine ganz so leicht zu nehmende Sache ist? Es war doch auch die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass die vorausgesetzten übelwollenden Gegner umgekehrt behaupteten, der Verfasser habe diese ganz unhaltbare Identität nur deshalb aufgestellt, um wenigstens einige "bequeme Tatsachen" zu bekommen, die er anrufen könnte. Jedenfalls scheint mir dem Verfasser nicht gelungen zu sein, einen anderen Grund plausibel zu machen. 11. Des weiteren besteht nach Peters auch eine inhaltliche Uebereinstimmung, was die Schiffahrtsabgaben anlangt, zwischen der Reichsverfassung einerseits, und dem Zollvereinigungsvertrage von 1867, sowie der Rhein- und Donauschiffahrtsakte und dem Elbzollvertrag andererseits. Da nun aber diese Verträge die gewünschten Schiffahrtsabgaben zulassen, so muss, meint er, angenommen werden, dass auch die Reichsverfassung, trotz des "dunkeln" Art. 54 Abs. 4 sie zulässt. Dazu wäre zu-

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nächst im allgemeinen zu sagen, dass die Notwendigkeit jener Identität keineswegs so einleuchtend ist. Der Verfasser sagt wohl: eine Abweichung sei "unwahrscheinlich", "logisch unmöglich", es habe für eine solche "kein vernünftiger Grund vorgelegen". Aber die völkerrechtlichen Verträge umfassen ja eben noch andere Staaten als die verfassungsmässig verbundenen. Hier ist es sehr wohl denkbar, dass man diesen noch engere Schranken zieht, als im Verhältnis zu jenen vertragsmässig bedungen wird. Dagegen ist das Umgekehrte wohl ausgeschlossen. Wir werden sehen, wie wichtig es ist, sich dafür den Blick frei zu halten. Betrachten wir jetzt diese Verträge etwas genauer.

1) Der letzte Zollvereinigungsvertrag wurde am 8. Juli 1867 I abgeschlossen; am 1. Juli war die am 17. April zustande gekommene Verfassung des Norddeutschen Bundes in Kraft getreten l • Es war natürlich, dass man die beiden Ordnungen möglichst in Einklang gebracht hat. Immerhin bestand für den Vertrag, der auch Süddeutschland umfasste, die Möglichkeit abweichender und laxerer Bestimmungen, die neben der Verfassung des Norddeutschen Bundes gelten und wirken konnten. Das hörte auf mit der Gründung des deutschen Reichs, dessen Verfassung nun auch Süddeutschland beherrschte. Sie erklärt in ihrem Art. 40 alles für beseitigt, was der ZVV. ihr gegenüber Abweichendes enthalten konnte. Was Schiffahrtsabgaben anlangt, kamen hier die Art. 23 und 25 des ZVV. in Betracht2 • Der erstere handelt von Wasserzöllen und Wegegeldgebühren I auf Flüssen, die nach den bestehenden Staatsverträgen und in Ermangelung solcher nicht über ein fixes Mass hinaus erhoben 1 Peters datiert die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 24. Juni 1867 (S.11) "zwei Wochen" vor dem Zollvereinigungsvertrag. Das ist das Datum des Preussischen Publikationspatentes. Sollte dieses wirklich massgebend sein? 2 Der Text dieser beiden Artikel lautet, soweit er hierher gehört: Art. 23. Die Wasserzölle oder auch Wegegeldgebühren auf Flüssen, mit Einschluss derjenigen, welche das Schiffsgefäss treffen (Rekognitionsgebühren), sind von der Schiffahrt auf solchen Flüssen, auf welche die Bestimmung des Wiener Kongresses oder besonderer Staatsverträge Anwendung finden, ferner gegenseitig nach jenen Bestimmungen zu entrichten, insofern hierüber nichts Besonderes verabredet worden ist oder verabredet werden wird. Auf den übrigen Flüssen, bei welchen weder die Wiener Kongressakte noch andere Staatsverträge Anwendung finden, werden die Wasserzölle oder Wasserwegegelder nach den primitiven Anordnungen der betreffenden Regierungen erhoben. Diese Abgaben sollen jedoch den Betrag von 1/4 Gr. vom Zollzentner oder 1 Fr. vom bayerischen Zentner für die Meile nicht übersteigen. Art. 25. Kanal-, Schleusen-, Brücken-, Fahr-, Hafen-, Wage-, Kranen- und Niederlagegebühren und Leistungen für Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, sollen nur bei Benutzung wirklich bestehender Einrichtungen erhoben werden und, mit Ausnahme der Abgaben für die Befahrung der nicht im Staatseigentum befindlichen künstlichen Wasserstrassen, die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung erforderlichen Kosten nicht übersteigen.

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werden sollen; er gilt als aufgehoben durch RV. Art. 54 Abs. 4, der Abgaben für die blosse Befahrung natürlicher Wasserstrassen überhaupt nicht mehr zulässt. Der andere, Art. 25 des ZVV., handelt von Abgaben für Befahrung künstlicher Wasserstrassen (Kanalgebühren) und Benutzung von Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs, wie sie auch nach Art. 54 Abs. 4 RV. zulässig sind, wird also durch diese Bestimmung ersetzt. Was hat jetzt unser Autor aus diesen klaren und einfachen Dingen gemacht? Er führt des Breiteren aus (S. 130 ff.), dass bei Gründung des Zollvereins zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Schiffahrtsabgaben bestanden: Wasserzölle, d. h. reine Steuern, und Schiffahrtsabgaben, d. h. Gebühren als Entgelt für staatliche Leistungen. Dem entsprechend, meint er, behandeln Art. 23 und Art. 25 "zwei ihrem inneren Wesen nach ganz verschiedene Abgaben; der erstere Steuern, der zweite Gebühren" (S.133). Sie hätten also diese beiden Abgabearten glatt unter sich verteilt. Daraus wäre, wie Peters noch besonders hervorhebt, für die deutschen Staaten die Wahl entstanden zwischen zweierlei Befahrungsabgaben (S. 134): solchen nach Steuerrecht und solchen nach Gebührenrecht. Nun ist allerdings, fährt er fort, Art. 23 durch die RV. beseitigt. Wenn diese "auch kein ausdrückliches Verbot der Flusszölle ausspricht", so hat dochArt.54 unzweifelhaft das Gebührenprinzip ausschliesslich massgebend machen wollen. "Damit war Art. 23 gefallen" (S. 137). Also: dass er nur von Zöllen, von Abgaben nach Steuerart sprach, das war sein Verderben; hätte er von Befahrungsabgaben nach Gebührenprinzip gesprochen, so lebte er heute noch. Aber diese hatten sich eben in Art. 25 des ZVV. geflüchtet, der auf solche Weise alles vereinigte, was Bestand haben konnte. Hiezu wird I Schumacher S. 135 zitiert, dem es gar nicht einfällt, den Inhalt von Art. 23 und 25 so abzugrenzen. Diese ganze Abgrenzung ist aber auch das Willkürlichste, was man sich denken kann. Peters hängt sich an den Ausdruck "Wasserzölle" in Art. 23. Wie er aber selbst zugeben muss (S. 136), ist "die Terminologie der Verwaltung und selbst der Gesetzgebung in bezug auf die Bezeichnung der beidenGruppen vonSchiffahrtsabgaben nicht gleichmässig gewesen". Die Begriffsbestimmung im Entwurf des von der RV. 1849 vorgesehenen Gesetzes über die Aufhebung der Flusszölle, Art. 2, lautet geradezu: "Unter Flusszöllen werden alle Abgaben für die Befahrung deutscher Flüsse verstanden." Das müsste schon bedenklich machen. Gerade gelegentlich der damaligen Verhandlungen der Nationalversammlung kam aber auch der Gegensatz zum Bewusstsein und zum Ausdruck, den unser Autor hier so kräftig hervorhebt und ausnutzt, der

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Gegensatz nämlich des steuerartigen eigentlichen FZusszoZles, der von einer Gegenleistung unabhängig ist, und des "im Rahmen des Gebührenprinzips sich haltenden Wasserwegege~des"l. Insbesondere einigten sich damals die Regierungskommissäre gegenüber jener beabsichtigten Aufhebung der Flusszölle zu der Erklärung, wonach zwar alle derzeit erhobenen Schiffsabgaben und Flusszölle wegfallen, jedoch die Uferstaaten berechtigt sein sollten, "Wasserwegegelder zu erheben" - und zwar, nach dem diesem Begriffe entsprechenden Gebührenprinzip, "nicht mehr als zum Ersatz der regelmässigen Verwendung erforderlich ist"2. Bei dieser Terminologie bedeutet allerdings Flusszoll nur die Befahrungssteuer, und wenn Art. 23 nur von Flusslzöllen spräche, die Wasserwegegelder aber ausdrücklich oder stillschweigend dem Art. 25 überliesse, dann könnte der Verfasser mit einigem Anschein behaupten, was er behauptet. Nun ist das aber ja gar nicht der Fall. Der Art. 23, im Gegenteil, handelt ausdrücklich nicht von Flusszöllen allein; was er regeln will nennt er in Abs. 1: "Die Wasserzölle oder auch W egege~d­ gebühren auf F~üssen" und dem entsprechend nochmals in Abs. 2: "die Wasserzölle oder Wasserwegege~der". Peters freilich sagt jetzt ganz ruhig (S. 136): die Zollvereinsverträge gebrauchten eben den Ausdruck "Wasserwegegelder" als synonym mit "WasserzöZlen"! Wir können ihn nicht hindern, das zu sagen. Die Sache ist aber nur zu klar. Ebenso gewaltsam, wie er diese Befahrungsgebühren aus dem Art. 23 ZVV. herausreisst, presst Peters sie dann in den Art. 25 hinein. Dort wird eine Reihe von Abgaben aufgezählt, um die Erhebung von Abgaben dafür an die Selbstkostenschranke zu binden. Von Kanalgebühren ist die Rede, nebenbei auch von Abgaben für die Befahrung nichtstaatlicher künstlicher Wasserstrassen. Die natürliche Wasserstrasse fehlt. Man kann es dem Art. 25 in keiner Weise ansehen, dass er auch diese betreffen will. Der Verfasser sagt allerdings (S.63) mit Recht: "die namentlich genannten Anstalten sind nur Beispiele und bedeuten keine erschöpfende Aufzählung". Wir haben ja am Schluss der Aufzählung die clausula generalis: "Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind". Aber da sollen doch hoffentlich die natürlichen Wasserstrassen nicht mit gemeint sein? Wenn man Kranen und Wagen und dergleichen ausdrücklich aufführt, hätte man das weitaus Wichtigste zu erwähnen unterlassen? Wo doch neben den Kanalgebühren die Lücke klafft, in die es hineingehörte? Hier in Art. 25, wo sie durchaus hin sollen, ist offenbar kein Platz für die Flussschiffahrtsgebühren. Und drü1 Vgl. die treffliche Darstellung bei Schumacher, Zur Frage der Binnenschiffahrtsabgaben S. 128 ff., S. 161. 2 Schumacher S.130; S.168 (Sachsen), S.l71 (Preussen: Aufhebung der Flusszölle und dafür Einführung eines Wasserwegegeldes).

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ben bei Art. 23, der I sie mit den kräftigen Worten Wasserwegegelder, Wegegeldgebühren sich fordert, da sollen sie nicht sein! Man möchte billig fragen: wie kommt ein scharfsinniger, wohl überlegender Schriftsteller dazu, am Recht in solcher Weise zu drücken u:t;ld zu schieben? Wenn man aber auf den weiteren Zusammenhang achtet, so sieht man, dass auch dieses seinen klug bedachten Zweck hat. Steht es nämlich fest - wir folgen einmal dem Verfasser mit seinen vermeintlichen Errungenschaften - dass Art. 25 ZVV. Schiffahrtsabgaben auf Flüssen in Gebührenform für zulässig erklärt, so bedarf es nur des Nachweises, dass zwischen seinem Inhalt und dem des Art. 54 Abs. 4 RV. "rechtliche Identität" besteht und es ist dargetan, dass der Einführung solcher Abgaben auch heute noch kein Hindernis in den Weg gelegt werden kann. Das ist ja klar. Nun denn, diese Identität wird dem Verfasser feierlich bezeugt von keinem Geringeren als Delbrück selbst, dem Urheber des Art. 54 und seinem berufensten Interpreten. Er findet nämlich in dem Protokolle, welches die Bevollmächtigten für den Abschluss des ZVV. aufnahmen, wörtlich folgendes: "Art.25. Herr Delbrück: Es sei eine Aenderung in der Fassung eingetreten, um den Einklang mit Art. 54 der Verfassung herzustellen; materiell sei nichts geändert." Diese Bemerkung hat der Verfasser bereits S. 17 mit den Worten bewillkommt: "Gegenüber einer so authentischen und so bestimmten Feststellung der gesetzgeberischen Willensmeinung ist jeder Zweifel an dieser Identität des Inhaltes ausgeschlossen1." Schumacher, I Binnenschiffahrtsabg-aben S.61 hat auch seinerseits die Bemerkung Delbrücks gewürdigt und namentlich hervorgehoben, worin die Aenderungen bestehen, die den "Einklang" herstellen sollen: es handelt sich, abgesehen von der Aufhebung der Schranke für Abgaben auf nicht staatlichen Kanälen, um eine Ersetzung der älteren, etwas schwerfälligen Bezeichnung der zu berechnenden Selbstkosten. Darauf kommt es ja hier nicht an. Unser Autor aber findet, dass Schumacher die Tragweite der Erklärung Delbrücks nicht voll erfasst: sie beweise "die Identität des Inhalts zwischen dem Art. 54 RV. und dem Art. 25 ZVV. nicht nur hinsichtlich jener einen Frage, sondern im vollen Umfange und in allen Beziehungen". Namentlich hätte sie also 1 Wenn der Verfasser solch ein "authentisches Zeugnis" zu haben glaubt, so bringt er es unnachsichtig immer wieder an; so dieses S. 16 ff., 130, 182, 230, 268. Vgl. auch Arch. f. Eisenbahnwesen 1906, S. 3, 4. Neuerdings hat er wieder in Deutsch. Wirtsch.Ztg. v. 15. April 1906 eine kurze Abhandlung veröffentlicht; da erscheint es zweimal S.722 u. 726. Gleich im Eingang des hier besprochenen Buches hatte er darauf hingewiesen, dass gegenüber der mangelhaften Ausdrucksweise der Gesetze "die ganze Beweiskraft authentischer Zeugnisse dazu gehört, um den gesetzgeberischen Willen aus der Verkleidung dunkler und ungeeigneter Ausdrücke herauszukennen" (S.3). Wie hier DeZbrück, so wird später auch Bismarck ein derartiges "authentisches Zeugnis" abgequält (vgl. darüber unten Nr. III). Sonst ist mir keines aufgefallen.

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auch bezeugt, darauf läuft ja alles hinaus, dass die gewünschten Schifffahrtsgebühren von beiden für zulässig erklärt sind. Viel verlangt von dem einfachen Wortlaut! Doch hören wir den Zeugen selbst. Delbrück hat ja in seiner Schrift: der Artikel 40 der Reichsverfassung, eine Art Kommentar zum ZVV. gegeben, um die Einwirkungen der Reichsverfassung genauer zu bestimmen. Da erläutert er denn zu Art. 25 die eingetretene "Aenderung in der Fassung", die er an jener Stelle des Protokolles hervorhob (S.88). Er tut das ganz in dem von Schumacher angegebenen Sinne: die früheren Verträge untersagten überhaupt die Erhöhung der einmal bestehenden Abgaben und banden sie überdies an die Selbstkosten. Die neue Fassung soll in Einklang mit Art. 54 Abs. 4 RV. nur diese letztere Bindung aufrecht erhalten. Eine weitere Identität damit bestätigt zu haben, ist sich der Zeuge offenbar nicht bewusst. Es ist also in dieser Hinsicht kein I Staat mit ihm zu machen. Im Gegenteil, unmittelbar vorher hat er zu Art. 23 ZVV. in der bestimmtesten Weise erklärt: "Aufgehoben sind die Verabredungen über Abgaben von der Schiffahrt ... durch die Bestimmung in Art. 54 Abs. 4 der RV., welche auf allen natürlichen Wasserstrassen die Erhebung von Abgaben verbietet, vorbehaltlich der unter den folgenden Art. 25 fallenden Abgaben für die Benutzung besonderer zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter Anstalten" (S.87). Also verbietet Art. 54 Abs.4 RV. Abgaben, welche Art. 25 ZVV. als in Art. 23 schon behandelt, folglich als zulässig voraussetzt. Und das wäre "Identität in vollem Umfange und in allen Beziehungen"? Was das für Abgaben sind, die da verboten werden, darüber lässt Delbrück auch keinen Zweifel: schlechthin "Abgaben auf natürlichen Wasserstrassen" ohne Unterschied zwischen Steuer und Gebühr! Deshalb ist durch dieses Verbot der Art. 23 ZVV. auch schlechthin aufgehoben, ohne Unterschied zwischen Wasserzoll und Wegegeldgebühr. Nun weist Art. 54 Abs. 4 RV. im allgemeinen auf die Abgaben hin, die neben seinem Verbote möglich sind (für besondere Anstalten und Kanäle); Art. 25 ZVV. versucht eine Aufzählung von Abgaben zu machen, die neben den in Art. 23 enthaltenen, jetzt verbotenen, Schifffahrtsabgaben möglich sind. Insoweit stimmt also der Inhalt des Art. 25 ZVV. mit dem positiven Rest des Art. 54 Abs.4 RV. überein. So sagt denn auch Delbrück a. a. o. zu Art. 25: "Sachlich ist der erste Absatz des Art. (der jene Aufzählung enthält) durch die erwähnte Bestimmung der RV. (Art. 54 Abs. 4) gedeckt; er wird indes eintretenden Falles zur Interpretation der letzteren herangezogen werden können 1." Wir werden sehen, wie wünschenswert es gewesen wäre, wenn der Verfasser diese Uebereinstimmung bei der Bildung seines I Anstaltsbegriffes hätte berücksichtigen wollen. Freilich, da die Schiffahrtsabgaben auf alle Fälle nicht darin begriffen sind, ist es eben auch seine so kühn umworbene 1

Zustimmend Seydel, Kom. z. RV. S.305.

7 Otto Mayer, Bd. TI

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Identität nicht mehr. Die hat der authentische Zeuge unwiederbringlich mit fortgenommen. 2. Eine inhaltliche Identität soll auch vorliegen zwischen Art. 54 RV. und den bestehenden Schiffahrtsverträgen, namentlich der Rheinschifffahrtsakte von 1868 und der Donauschiffahrtsakte von 1857. Der Text des Art. 3 der Rheinschiffahrtsakte könnte auf den ersten Blick den Bestrebungen des Verfassers sehr gefährlich scheinen. Er verbietet auf dem Rhein und den zugehörigen Wasserstrassen jede "Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet" (aucun droit base uniquement sur le fait de la navigation). Wenn das der Sinn auch des Art. 54 Abs. 4 RV. sein soll, dann ist es ja gut.

Peters hat auch hier einen Ausweg. Zunächst stellt er fest, dass man ursprünglich nur vorgeschlagen hatte zu sagen: "Für die Befahrung des Rheins" (pour la navigation du Rhin). Die Worte "base uniquement" und "sur le fait", erklärt er, seien Zusätze, deren Sinn nur darin liegen könne, "dass Befahrungsabgaben nicht unter allen Umständen unzulässig sein sollen" (S. 308). Wenn er das nicht sagte, würde man nie auf den Gedanken kommen! Die Hauptsache aber ist, dass auch die Rheinschiffahrtsakte eine Urkunde von ungewöhnlich mangelhafter undflüchtiger Fassung ist (S. 244), voll Flüchtigkeitsfehler (S. 305), von unklarer und zweideutiger Verfassung (S. 319), mit viel Lücken und Unklarheiten (S.320). Um so notwendiger ist es, zu ihrer Auslegung die Donauschifffahrtsakte von 1857 heranzuziehen (S. 307, 308, 310, 313). Sehr geschickt verlegt auf diese Weise der Verfasser die Entscheidung von einem offenbar ungünstigen auf einen vermeintlich günstigeren Boden. I Damit verhält es sich nun folgendermassen. Der Pariser Frieden von 1856 hatte in Art. XV für die Donau verboten "aucun peage base uniquement sur le fait de la navigation". In Art. XVI waren dann gleichwohl solche Abgaben zugelassen worden zur Deckung der Kosten der Arbeiten für die Schiffbarkeit der Donaumündungen. Diese Abgaben sollten zunächst von der Europäischen Kommission, später an ihrer Stelle von der Uferstaaten-Kommission beschlossen werden dürfen. Die Uferstaaten bestimmten dann in der Donauschiffahrtsakte Art. XXI, dass ihre Kommission "in gemeinschaftlichem Einverständnis" auch zur Deckung der Kosten anderer die Schiffahrt interessierender Stromarbeiten Abgaben sollte beschliessen können. Die Zulässigkeit dieser Bestimmung wurde vielfach angefochten. Die französische Regierung hat aber damals an die bayrische eine Note ergehen lassen, in welcher sie ausführt: Allerdings lasse Art. XV des Pariser Friedens Schiffahrtsabgaben nur für die nachher besonders vorgesehenen Fälle zu und Art. XVI spreche nur von den Donaumündungen. "Im Geist des Vertrages" liege es aber, die Erlaubnis nicht darauf zu beschränken,

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sondern die Zulässigkeit von Abgaben auszudehnen auf andere Arbeiten, welche notwendig wären für die Schiffahrtl. Praktisch geworden ist dieser Standpunkt nicht. Da aber auch die Beschwerde nicht wiederholt wurde, glaubt Verfasser feststellen zu dürfen, es sei "der französisch-österreichische Standpunkt, wonach solche Abgaben nicht base uniquement sur le fait de la navigation seien, ... offenbar von dem Areopag der Grossmächte sanktioniert worden" (S. 328). Die kleine diplomatische Liebenswürdigkeit, welche die französische Regierung erweisen zu dürfen glaubte in einer Sache, die sie nicht interessierte - der Verfasser nennt es I etwas überschwenglich den Ausdruck ihres "aufrichtigen Rechtsgefühls" - ist hier zu einer gewaltigen Kundgebung aufgebauscht. Auch der Inhalt jener Aeusserung, wenn man ihn nüchtern betrachtet, besagt keineswegs, was der Verfasser hineinlegt, und duldet vor allem auch keine Anwendung auf die ganz anderen Voraussetzungen der Rheinschiffahrtsakte, auf die es dem Verfasser doch vor allem ankommt. Die französische Note sagt nicht: wenn der Pariser Vertrag Befahrungsabgaben verbietet, so liegt es doch im Geiste dieser Bestimmung, dass eine Ausnahme anerkannt ist für Abgaben zur Dekkung nützlicher Stromarbeiten, sondern sie sagt: wenn von jenem Verbot eine Ausnahme gemacht ist zu Gunsten der Deckung gewisser nützlicher Stromarbeiten, so entspricht es dem Geiste des Vertrages, dieser Ausnahme keine "portee restrictive" zu geben, sondern sie auszudehnen auf Gleichwertiges. Da nun die Rheinschiffahrtsakte eine solche Ausnahme überhaupt nicht zulässt, so findet sich bei ihr nichts, woran der französische Gedankengang anknüpfen könnte. Und damit hängt zusammen: die französische Note ist nicht der Meinung, dass das vertragsmässige Verbot der Befahrungsabgaben jedem einzelnen Uferstaat freie Hand lasse, Gebühren zur Deckung der Kosten seiner Stromverwaltung zu erheben; so müsste es sein, wenn die Auslegung des Verfassers richtig wäre; die Uferstaaten haben aber trotz des "sanktionierenden Areopages" niemals dieses Recht in Anspruch genommen. Sondern die Note meint ganz folgerichtig: da der Vertrag eine Ausnahme macht zu Gunsten der Europäischen beziehungsweise Uferstaatenkommission, um für gewisse Stromarbeiten Abgaben zu beschliessen, so ist es zulässig, die Ermächtigung dieser Kommission auch auf andere nützliche Stromarbeiten auszudehnen. Es ist also wieder nur eine Reihe von Trugschlüssen, durch welche Verfasser zu dem verblüffenden Ergebnis kommt: wenn I die Rheinschiffahrtsakte Befahrungsabgaben verbietet, so bedeutet das, dass jeder einzelne Uferstaat berechtigt sei, solche Abgaben zu erheben, wenn er nur die Anstandsgrenze der Gebühren wahrt. 1

Der Text der Note bei PeteTs S. 326.

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Freilich, die Art, wie er das alles macht und gibt, beweist so viel Geschicklichkeit und Unverdrossenheit, dass man ein ästhetisches Wohlgefallen empfinden kann, ihm zu folgen. Es geht einem wie bei dem Zauberkünstler Bosko, der vor unseren Augen ein entlehntes Taschentuch erst in die eine, dann in die andere Rocktasche senkt; auf einmal ist's ein Kaninchen. IH. Reichen, fast überreichen Stoff bringt der Verfasser bei aus der Praxis der Gesetzgebungen und der Regierungen, wie sie sich stellt zu den jeweils massgebenden vertrags- oder reichs rechtlichen Grundsätzen, alles natürlich wieder zugespitzt und zurechtgelegt für den einen großen Zweck: Zulässigkeit von Schiffahrtsabgaben. In dieser Hinsicht verliert aber das Allermeiste für uns dadurch jede Bedeutung, dass wir dem Verfasser die Voraussetzungen nicht zugeben können, unter denen allein es die von ihm gewünschte Wirkung täte, nämlich seine als gänzlich unhaltbar erwiesenen "Identitäten". Es ist für die ganze Streitfrage vollkommen gleichgültig, wenn man unter den alten Zollvereinsverträgen freie Hand zu haben geglaubt hat, um Schiffahrtsabgaben aufzulegen. Ebenso ist es gleichgültig, wenn uns immer und immer wieder nachgewiesen wird, dass auch unter der Reichsverfassung noch Abgaben erhoben werden bei den Seehäfen und für das Befahren ihrer Zuwege vom Meer. Je mehr der Verfasser mit solchen Nachweisen seine Spalten füllt, desto auffallender wird die grosse Leere hinsichtlich der Abgaben von der Befahrung der Binnenwasserstrassen. Unter diesen Umständen hat es nur eine Art theoretischen I Interesses zu sehen, wie der Verfasser es zuwege bringt, seine eigentümliche Auffassung mit den Gesetzestexten und den vom Gesetze verwendeten Begriffen zu vereinbaren. Da der Verfasser durch Abgaben decken lassen will alles, was der Staat im Interesse der Flussschiffahrt leistet, RV. Art. 54 Abs. 4 aber Abgaben nur zulässt für Benutzung besonderer Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs, so muss er wohl oder übel versuchen, für alle jene Leistungen die Natur von Anstalten in Anspruch zu nehmen. "Demgemäss, sagt er S. 65 ganz richtig, ist der Anstaltsbegriff auch der eigentliche Schlüsselpunkt der umstrittenen Rechtsfrage." Um uns über diesen Begriff die nötige Aufklärung zu geben, überschüttet er uns nun dermassen mit Stoff, dass es nicht leicht ist, sich aus dieser Masse wieder herauszuarbeiten (S. 65 -105). Das Wort "Anstalt" hat, wie das deutsche Wörterbuch von Grimm bekunden muss, gar vielerlei Bedeutung; der Verfasser fügt noch weitere Beispiele hinzu von überall her, aus gemeinem Sprachgebrauch, wie aus Gesetzen und Verträgen. Namentlich die Zusammensetzungen wie: Anstalt machen, Anstalt treffen, sind geeignet, dem Wort etwas Schil-

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lerndes zu geben. Dazu kommt, dass so sehr viele andere Wörter neben ihm oder statt seiner gebraucht werden, als da sind: Einrichtung, Anlage (S.68), Veranstaltung, Vorkehrung (S. 85), Werke, Arbeiten (S.90), Leistungen (S. 95). Sie können als Synonyma dienen, promiscue oder als Pleonasmen, und damit eröffnet sich dem Verfasser die Möglichkeit, die mannigfachsten Dinge, sobald sie sich irgendwo einmal mit einem derartigen Namen belegt finden, als Anstalten zu begrüssen, für welche nach RV. Art. 54 Abs. 4 Abgabe gefordert werden darf. Das Ergebnis der "grammatischen Auslegung", wie er diese Forschungen nennt, würde danach sein, dass der Anstaltsbegriff ein höchst verschwommenes Ding ist, aus dem I sich jeder herausnehmen mag, was ihm passt. Aber nun kommt der feste Punkt: es sollen ja für eine solche Anstalt Abgaben entrichtet werden und zwar nach dem Gebührenprinzip; also muss der Staat etwas aufgewendet haben, was er sich auf diese Weise erstatten lässt. Und so fasst der Verfasser denn schliesslich alles zusammen in dem Satz, dass die Anstaltseigenschaft im Sinne des Art. 54 Abs. 4 allen "Einrichtungen und Leistungen" schlechthin zuerkannt werden muss, für welche der Staat irgendwie im Interesse der Schiffahrt einen Kostenaufwand machen mag. Auf diese Weise wird die Anstalt einfach zur Kehrseite der Gebühr: sie ist nichts als ein Posten in der dafür aufzustellenden Rechnung, ein wesentlich finanzwirtschaftlicher Begriff. Sie hat aber zugleich etwas Wirkungskräftiges in sich: dass alles, was menschliche Arbeit getan hat, einen Anspruch auf Selbstkostendeckung begründen soll, das ist der "beinahe selbstverständliche Standpunkt des wirtschaftlichen Naturrechts" (S. 322). Die unklare und undeutliche Ausdrucksweise des Art. 54 Abs. 4 gestattet die "Konstruktion des Anstaltsbegriffes auf logischer und naturrechtlicher Grundlage" (S. 242); und dann sieht er so aus! Nun das Naturrecht, auf dessen Boden wir dem Verfasser doch nicht folgen wollen, hat ja von jeher die Neigung gehabt, es mit den Wirklichkeiten nicht so genau zu nehmen; wenigstens insofern erkennen wir hier etwas von seinem Geist. Es handelt sich bei der Anstalt im Sinne des Art. 54 entfernt nicht darum, wie dieser Dichter und jener Philosoph dazwischen einmal das Wort gebraucht, sondern um ein Institut der öffentlichen Verwaltung. Für diese Anstalt ist auch keineswegs eine bestimmte finanzwirtschaftliche Bedeutung wesentlich; sondern ein bestimmtes öffentliches Interesse, das sie befriedigen soll, der öffentliche Zweck, I dem sie dient, bildet den Kern und Mittelpunkt des Begriffs. Man ist in der Wissenschaft auch ziemlich einig über seine Formulierung. Es handelt sich um sachliche und persönliche Mittel, welche das Gemeinwesen, dem sie zur Verfügung stehen, einem Zwecke von öffentlicher Nützlichkeit gewid-

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met häW. Diese Begriffsbestimmung ist keine "naturrechtliche", sondern ist abgezogen aus den Anwendungsfällen, die das wirkliche Recht liefert. Hilfsmittel zu ihrer Feststellung sind gerade solche Aufzählungen einzelner Anstalten, wie wir sie hier mannigfach vorfinden, vom preussischen Zollgesetz vom 26. Mai 1818 an bis zur Reichsverfassung von 1849 und zum Zollvereinigungsvertrage von 1867, dessen Aufzählung in Art. 25 - diesmal wirklich "nach dem Zeugnisse Delbrücks". - zur Auslegung des Begriffes besonderer Anstalten in Art. 54 Abs. 4 verwendbar ist 2 • Bei diesen Kanälen, Schleusen, Brücken, Fähren, Kunststrassen, Wegen, Häfen u. s. w. handelt es sich eben um solche Dinge, welche die obige Begriffsbestimmung abstrakt bezeichnen will: Mittel, einem bestimmten Zweck von öffentlicher Nützlichkeit gewidmet und dafür vom Staate zusammengefasst und in Ordnung gehalten. Selbstverständlich gehört es zum Wesen der Anstalt, dass der Staat sich um sie kümmere, auch für sie aufwende, was nötig ist; ist sie doch ein Stück öffentlicher Verwaltung. Aber wie viel sie ihn kostet, ist dafür gleichgültig. Und ganz ver [kehrt ist der Gedanke, dass nur das an ihr Anstalt sei, was er aufwendet und durch seinen Aufwand hinzutut. Das einheitliche Bestimmtsein für diesen Zweck macht die Anstalt zu einem Ganzen, nicht das einheitliche Bezahltsein; wer das letztere denkt, schielt wieder allzu frühzeitig nach Gebühren. Ein bisher nicht schiffbarer Flusslauf wird durch Ausbaggern schiffbar gemacht; er ist dadurch künstliche Wasserstrasse, Schiffahrtsanstalt geworden, soweit er schiffbar ist; nur für das gebaggerte Loch werden Gebühren berechnet - aber deshalb wäre es doch eine recht wunderliche Sache, wenn nur dieses Loch als der neue Kanal, die neue Wasserstrasse anerkannt werden dürfte, nicht die darüberstehende Fahrwasserhöhe, weil diese schon vorher da war. So stellt sich doch auch kein Mensch die Sache vor. Der Verfasser erkennt die "Seewasserstrasse" als Anstalt an, die "gebaggerte und bezeichnete Rinne", ebenso das Fahrwasser der Flussmündungen, wofür er sich auf eine "Legaldefinition" der Reichsverfassung von 1849 berufen mag 1 ; das kann doch nicht gemeint sein unter Abzug des Seeoder Flusswassers, welches der Staat ja allerdings nicht durch seinen 1 So jetzt wieder Thoma, Der Polizeibefehl S.356: "Oeffentliche Anstalt im Sinnne des modernen Verwaltungs rechts ist ein einem bestimmten Verwaltungszweck gewidmeter Bestand an VerwaItungsmitteln (Sachen und für die Anstalt tätigen Personen)." Diese Formulierung stammt von Jellinek, System der subj. öff. Rechte S. 224. Uebereinstimmend Otto Mayer, Deutsch. Verw.R. II. S. 318. - Eine Anstalt in diesem Sinne kann mit besonderer juristischer Persönlichkeit des öffentlichen Rechtes verbunden sein; dann nennt man auch diese "Anstalt": BGB § 89. Brinz hat dafür seinerzeit den Ausdruck "Zweckvermögen" aufgebracht; das ist bezeichnend für den Kern des Begriffes. 2 R. Delbrück, Der Art. 40 der RV. S. 88. Vgl. oben S. 19. 1 s. 102; vgl. auch S. 93, 127, 184,232, 251 - 253.

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Aufwand, durch sein "Menschenwerk" erst beschafft hat? Das gleiche gilt von den natürlichen Wasserstrassen im Binnenland, von den Flüssen, welche Verfasser stellenweise nicht abgeneigt scheint, auch noch als Anstalten anzuerkennen, was ich für unbedenklich halte 2 .1 Wenn es sich nun darum handelt, Gebühren zu erheben für die Benutzung solcher Anstalten, Wasserstrassen genannt, so ist die bedeutsamste und ihrem Wesen am meisten entsprechende Art von Benutzung die Befahrung oder Beschiffung. Durch die Befahrung der Wasserstrasse wird natürlich zugleich alles benutzt, was im einzelnen zu ihrer Herstellung, Unterhaltung und Verbesserung dient und in ihr aufgegangen ist. Nun können aber an und in der Wasserstrasse noch mancherlei Vorkehrungen getroffen sein, die derSchiffahrt zu dienen bestimmt sind; sofern sie nicht einfach begriffen sind in der befahrbaren Wasserstrasse selbst, bilden sie dieser gegenüber besondere Anstalten. An diesen kann wieder eine besondere Benutzung stattfinden und entsprechend eine besondere Gebühr geordnet sein. Die Unterscheidung zwischen der Befahrung und der Benutzung besonderer Anstalten, die ja im Texte des Art. 54 Abs. 4 so kräftig betont ist, wird dadurch glatt und klar, dass die Befahrung nichts anderes ist als eine Ausübung des Gemeingebrauchs an der Wasserstrasse t , und was Gemeingebrauch ist und was nicht mehr, dafür lassen sich ja ziemlich sichere Grenzen ziehen.

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2 S. 87 beruft er sich auf den Text des § 1 eines preussischen Gesetzentwurfs über Kommunikationsabgaben und bemerkt dazu: "hier sind alle Wasserstrassen ohne Unterscheidung von natürlichen und künstlichen als Anstalten bezeichnet." - Der Rechtsbegriff der öffentlichen Anstalt trifft zweifellos auch bei den schiffbaren Flüssen zu. Wenn noch ein gewisses Widerstreben gegen diese Bezeichnung besteht, so hängt das offenbar damit zusammen, dass lange und bis in die neuere Zeit der Fluss als res nullius, nicht als dem Staate zugehörig, angesehen war; damit vertrug sich der AnstaltS'begriff allerdings nicht. - Ich bemerke nur, dass es für die hier behandelten Fragen nicht entscheidend ist, ob man dem Fluss den Namen Anstalt gibt oder verweigert; wir kommen auch mit dem Namen Wasserstraße aus, der sachlich das Nämliche bedeutet; denn eine öffentliche Strasse ist eine öffentliche Anstalt. t In einem Bundesratsausschussbericht vom 13. April 1870 ist diese Abgrenzung der abgabenfreien Schiffahrt deutlich hervorgehoben: "Die Idee ist keine andere, als dass die von Natur gegebenen Wasserstrassen dem gemeinen Gebrauch ohne Beschränkung und Belastung überlassen werden sollen" (Verh. d. NRT. 1870, IV S. 523). - Die sehr breiten Ausführungen, "grammatischer" und "logischer" Natur, welche bei Peters S. 251 ff. über die Ausdrücke Befahrung und Benutzung gegeben werden, s'cheinen nur dartun zu sollen, dass der Gesetzgeber mit der Bezeichnung Befahrung bei Wasserstrassen "keinen Gegensatz zu der Benutzung vereinzelter Schiffahrtsanstalten ausdrücken wollte" (S. 253). Dass die Befahrung nur eine bestimmte Art von Benutzung ist, war wahrlich unnötig zu beweisen. Ist aber der Zweck, uns auf diese Weise in eine gewisse Stimmung zu setzen für die Abweisung aller zu machenden oder auch gemachten rechtlichen Verschiedenheit zwischen beiderlei Arten von Benutzung, so kommt es eben darauf an, wieweit man solchen Stimmungen zugänglich ist.

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Wenn nun wie hier ein Gesetz sagt: es darf nur von der Benutzung besonderer Anstalten eine Abgabe erhoben werden, so sind Abgaben ausgeschlossen gegenüber der bIossen Befahrung der Wasserstrassen und für alles, was dadurch mittelbar benutzt wird; denn das ist eben in seinem nutzbaren Ergebnis immer nur die Wasserstrasse und sonst nichts. Es ist von vornherein nicht recht zu begreifen, wie man da herum kommen will. Der Verfasser hat es fertig gebracht: Ist die Abgabe für eine öffentliche Anstalt, Sache oder Einrichtung im ganzen unzulässig, so ernennt man ihre einzelnen Stücke zu besonderen Anstalten und erhebt die Abgabe für diese. Das ist sein System. Die künstliche Wasserstrasse ist "in ihrer Gesamtheit", "in ihrer Totalität" Anstalt (S.243, 245). Aber ebenso sind auch Anstalten, jedes für sich "einzeln genommen", alle Bauten, welche zur Herstellung ihrer Schiffbarkeit gedient haben (S. 60), überhaupt alles, was dazu gehört, konstruktive und administrative Massregeln (S. 38), Verwaltungseinrichtungen (S.231). Bei den natürlichen Wasserstrassen tritt die Anstaltseigenschaft dieser "einzeln genommenen" Stücke noch deutlicher hervor. Buhnen und Kribben, Baken und Bojen, alles was wir doch nur als Mittel ansehen können, um das Fahrwasser zu schaffen und zu ordnen, das der Schiffer benutzen soll, sie sind beim Verfasser selbst wieder Anstalten, für deren Benutzung demgemäss Gebühr erhoben werden kann. Ist das bei anderen Anstalten auch so? Der Randstein des Bürgersteiges z. B., indem er die Fahrbahn zusammendrängt, mag mit der Buhne verglichen werden; die Strasse, zu welcher er gehört, ist eine I Anstalt; ist er selbst noch einmal eine? Aber bei dem Verfasser, das muss man zugeben, hat das alles Methode. Er sagt geradezu (S.240): Bojen und Baken haben die Eigenschaft als "besondere Anstalten": sie "verhalten sich zum Fahrwasser, wie der Wegweiser zum Weg". Also wäre richtig der Wegweiser eine besondere Anstalt der Strasse gegenüber! Wie ist es mit der Schule? Sie ist eine öffentliche Anstalt - die Inschrift "Schulhaus" wäre also noch einmal eine? Und die Schultüre, die Schultafel, der so wesentliche Bakel - sind sie nicht in der Schulanstalt einfach mitbegriffen, sondern besondere Anstalt, jedes "einzeln genommen"? Aber nicht bloss die dauernden Bestandteile des Anstaltsganzen verselbständigt der Verfasser auf solche Art; Anstalten sind ihm auch alle einzelnen Tätigkeiten, durch welche die Verwaltung die Wasserstrasse herstellen und gebrauchsfähig erhalten will. In diesem Sinne lässt er als Anstalten gelten: Baggerungen (S. 47, 111, 226), Felssprengungen (S. 47), auch alle Arbeiten, welche die einfache Stromunterhaltung mit sich bringt (S. 135, 136), als Ausbesserungen, Beseitigungen von Hindernissen u. s. w. Dass das jedesmal eine Anstalt für sich sei, will uns

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natürlich nicht sofort einleuchten; der Verfasser ist sich des wohl bewusst und gibt sich hier ersichtlich ganz besondere Mühe 1 .

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In erster Linie verwertet er ausgiebig seine Synonyma. Vor allem das Wort "Veranstaltung" muss ihm seine Dienste leisten und zwar, wie uns scheint, mehr als es kann. Es bedeutet ja eine Tätigkeit, die manchmal eine dauernde Gestalt annehmen und dann wohl auch mit dem Begriff Anstalt zusammentreffen kann; aber das ist keineswegs notwendig damit gesagt. Ein Fackelzug ist eine Veranstaltung, aber keine Anstalt. Auf solche Unterscheidungen kann aber der Verfasser keine Rücksicht nehmen; er verfährt, als bestünde einfach wieder eine der bekannten Identitäten und stempelt einen jeden, der Ausbesserungsarbeiten als Veranstaltungen bezeichnet, zum Zeugen dafür, dass solche Arbeiten als Anstalten zu betrachten seien im Sinne des Art. 54 Abs.4 1 •

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Mehrfach muss auch die badische Regierung unfreiwillig für seine Auffassung Zeugnis abgelegt haben. So hat sie 1879 mit der Schweiz 1 Wir heben hier oben nur beispielsweise einige dieser Argumentationen hervor, gerade solche, auf welche der Verfasser selbst am meisten Wert zu legen scheint. Es ist unmöglich und auch in keiner Weise fördernd, auf dieses ganze krause Vielerlei einzugehen. Nur die Bemerkung kann ich nicht unterdrücken, dass es dem Verfasser doch allzuhäufig widerfährt, aus seinen Texten - natürlich ganz unwillkürlich - Dinge herauszulesen, die absolut nicht darin stehen. So S. 103 Note zitiert er: "Bedeutende Summen ... werden auf Verbesserung des Fahrwassers der EIbe verwendet und Hamburg allein bestreitet die Kosten der Schiffahrtsanstalten bis zum Meere", und bemerkt dazu: "Hier erscheint die Fahrwasserverbesserung als Schiffahrtsanstalt." Kein Gedanke! S.404 zitiert er die Bestimmung des Gesetzentwurfs von 1849 über Aufhebung der Flusszölle: "Den an den Mündungen deutscher Flüsse bestehenden Abgaben für die Seeschiffahrt und die derselben dienenden Anstalten unterliegt ein deutsches Schiff oder dessen Ladung nur dann, wenn dasselbe von der offenen See kommt oder nach der offenen See abgeht", und fügt hinzu: "Die Fassung dieser Bestimmung lässt wieder die Anwendung des Anstaltsbegriffs auf blosse Fahrwasserverbesserung oder Fahrwasserunterhaltung erkennen." Man verliert sehr viel Zeit mit derartigen Bemerkungen, weil man natürlich immer meint, sie müssten doch irgend einen Grund und Sinn haben. Beliebt ist auch folgende Form, die man bei oberflächlichem Lesen nicht durchschaut. Es handelt sich um Aufzählungen wie z. B. die auf S. 135, wo im Vertrag die Rede ist von Erhebungen "zur Unterhaltung der Stromschiffahrt und Flösserei, der Kanäle, Schleusen, Brücken, Fähren, Kunststrassen, Wege, Kranen, Wagen, Niederlagen und anderer Anstalten für die Erleichterung des Verkehrs". Hiezu gibt Verfasser die "grammatische" Auslegung: "die Unterhaltung der Stromschiffahrt wird als Anstalt bezeichnet." Ist das wahr? Wenn überhaupt das Wort Anstalt sich auf das erste Glied der Aufzählung mitbezieht, was ich bezweifle, so könnte diese nach der Satzkonstruktion doch nur die Stromschiffahrt und Flösserei selbst sein; der Verfasser hätte allenfalls behaupten können: die Unterhaltung der Stromschiffahrt wird als Unterhaltung einer Anstalt bezeichnet. Dieses hätte ihm aber eben gar nicht gepasst. Man sieht auch hieraus wieder, mit welcher Vorsicht dieses Buch genossen werden muss. 1 Das muss sich z. B. Schenkel gefallen lassen, der in seinem Kommentar zum Bad. Wasserges. Baggerungen u. dgl. als "Veranstaltungen" bezeichnet. Sofort greift ihn Verfasser (S.98) heraus als Zeugen dafür, dass das "Anstal·· ten" seien, und zwar als einen besonders durchschlagenden.

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einen Vertrag geschlossen über den Wasserverkehr auf dem Oberrhein und dabei im Einklang mit RV. Art. 54 Abs. 4 bestimmt, dass für die "Benutzung der Wasserstrasse" Abgaben nicht zu entrichten sind; dagegen sollten Gebühren erhoben werden dürfen "für besondere den Zwecken der Schiffahrt oder Flösserei dienende Anlagen, Anstalten oder Leistungen". Der Verfasser verwertet (S. 95) diesen sehr ungünstigen Text durch folgenden Syllogismus: nach Art. 54 RV. sind Abgaben nur für besondere Anstalten zulässig; hier lässt die - zweifellos verfassungstreue - badische Regierung solche für Leistungen erheben; also sind nach ihrem Zeugnis auch Leistungen als besondere Anstalten im Sinne des Art. 54 RV. anzuerkennen! Selbst wenn diese kühne Schlussfolgerung richtig wäre, würde sie dem Verfasser nichts helfen; denn nachdem soeben die Wasserstrasse für abgabenfrei erklärt wurde, können diese abgabenpflichtigen "Leistungen" doch keine solchen für eben diese Wasserstrasse sein; und darauf allein käme es an. Die Schlussfolgerung schwebt aber auch gänzlich in der Luft. Denn "besondere Leistungen" können nicht nur anstaltsmässig gemacht werden durch eine eigens diesem Zwecke gewidmete Einrichtung, sondern auch ohne das, nebenbei, mit den sonst zur Verfügung stehenden Mitteln, Sachleistungen, Hilfeleistungen. Dafür kann sich die Verwaltung natürlich bezahlen lassen; wenn das Art. 54 schon für besondere, der Schiffahrt zu dienen bestimmte Anstalten erlaubt, dann gilt es für die mehr zufälligen Leistungen erst recht. Es wäre für die badische Regierung ganz überflüssig gewesen, sie I so gewaltsam in den Anstaltsbegriff hinein zu interpretieren. Der gleiche Vertrag erwähnt dann Gebühren, "insbesondere: c) für das Freimachen, Auffangen und Bergen abgetriebener bezw. an Brücken oder sonst hängen gebliebener Hölzer". Hiezu bemerkt der Verfasser mit Genugtuung: "Von Interesse ist, dass als ,besondere Anstalt' von der badischen Regierung auch die blosse Freihaltung der Fahrstrasse von vertriebenen Hölzern, also die Verhinderung von Verschlechterungen des Schiffahrts- und Flossweges angesehen wird." Mir scheint aber, dass er der badischen Regierung ganz ohne Grund diesen schiefen Gedanken zumutet und dass er seinerseits von dem Betriebe der Flösserei keine rechte Vorstellung hat. Es handelt sich doch hier nicht um die Freihaltung des Fahrwassers, sondern um eine Hilfeleistung, welche dem Flössereiunternehmer gewährt wird, damit sein Holz weiter schwimmt oder in Sicherheit gebracht wird. Für die These des Verfassers ist hier nichts zu holen. Er selbst ist dieses Argumentes so sicher, dass er es sofort verwertet zur Bekräftigung eines noch wichtigeren: diese Auffassung der badischen Regierung, meint er S. 96, berühre sich nahe "mit derjenigen der norddeutschen Regierungen, dass die Beseitigung von Wracks und Baumstämmen aus dem Fahrwasser eines Stro-

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mes eine besondere Anstalt im Sinne der Reichsverfassung und deshalb ein zulässiges Substrat der Abgabenerhebung sei". Worauf er hier verweist, das ist sein Haupttrumpf, der denn auch nicht oft genug ausgespielt werden kann. Im Jahre 1876 nämlich schlossen die an der Wesermündung beteiligten Staaten und das Reich (dieses wegen des Jadekriegshafens) einen Vertrag, wonach der Leuchtturm auf Wangeroog, und gewisse zugehörige Strandbefestigungen, sowie alle Seezeichen bis herauf nach Vegesack gemeinsam unterhalten und dafür Schiffahrtsabgaben unter dem Namen "Feuer- und Bakengeld" erhoben werden sollten von allen "in die I Wesermündung einlaufenden Schiffen". Unseres Erachtens ist hier gar nichts Auffallendes: das sind Seeschiffahrtsabgaben nach Art. 54 Abs.3. Nun aber geschah es: "die Einnahmen aus dieser Abgabe flossen reichlich und ihre Verwendungs zwecke wurden allmählich immer weiter ausgedehnt" (S.221). Durch Vertrag von 1886 wurde bestimmt, dass auch die Schiffahrtszeichen zwischen Bremen und Vegesack und die Beseitigung von Wracken auf dem ganzen betonnten Fahrwasser aus dem "durch den Ertrag des Feuer- und Bakengeldes gebildeten gemeinschaftlichen Fonds" bestritten werden sollten. Daraus folgert nun Verfasser, dass auch die Beseitigung von Wracken eine besondere Anstalt im Sinne von Art. 54 Abs.4 ist, gerade wie die Lösung von abgetriebenen Flosshölzern nach Badisch-Schweizerischem Vertrag. So verhält es sich aber keineswegs. Es wurden ja keine Schifffahrtsabgaben auf der Wasserstrasse Unterweser erhoben, sondern die an der Wesermündung erhobenen Gelder wurden zum Teil auch auf jener Wasserstrasse verwendet. Dem steht RV. Art. 54 Abs. 4 natürlich nicht im Wege; nur Art. 54 Abs. 3 ist bei diesem Verfahren nicht streng genug beobachtet worden, indem man die ganze Zeit her mehr erhob, als das dort ausdrücklich aufgestellte Gebührenprinzip erlaubte. Solche Erfahrungen wird man ja immer wieder machen; es wäre doch eine große Täuschung zu glauben, dieses Prinzip gebe eine leicht kontrollierbare Grenze. Das hätte also alles nichts zu bedeuten. Aber nun ist es dem Verfasser gelungen, ein Aktenstück auszugraben, das in der Tat eine Ungenauigkeit zu enthalten scheint, wie er sie braucht. Die rechtliche Natur dieses Aktenstückes ist nicht ganz klar. Verfasser führt es ein (S. 221) als eine "Aeusserung des preussischen Handelsministers (Bismarck) bei den vorbereitenden Verhandlungen über diese Vereinbarung". Nach seinen Angaben heisst es darin: Geld sei da; die beteiligten I Regierungen seien nicht gehindert, es über die eigentliche Bestimmung hinaus zu verwenden, wenn sie einig sind. "Auch steht die Bestimmung im letzten Absatze des Art. 54 der RV. (gemeint ist natürlich Abs. 4, der vorletzte) ... meines Erachtens einer solchen erweiterten Verwendung der Feuer-

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und Bakengelder nicht entgegen, weil die ordnungsgemäße Reinhaltung solcher Wasserstrassen von Schiffahrtshindernissen zu den vorausgesetzten Anstalten zu rechnen sein dürfte." Ob das ein Einfall von Bismarck selbst war oder von einem seiner Räte, so dass er nur unterschrieb, wissen wir nicht. Im Ernste war ja, wie wir sahen, eine besondere Rechtfertigung vor Art. 54 Abs. 4 gar nicht nötig. Aber ein diplomatisches Schriftstück wird immer gern so mit "könnte" oder "dürfte" einen kleinen unverbindlichen Ausblick auf die Rechtsfrage dreingeben. Was mögen in derartigen Aktenmonologen und -dialogen unserer Staatsmänner noch für rechtswissenschaftliche Gedankensplitter schlummern! Der Verfasser aber macht mit seinem Fund einen gewaltigen Lärm. Ich habe die verhängnisvolle "Aeusserung" nicht weniger als achtmal citiert gefunden: S.96, 119, 200, 211, 213, 214, 222, 241. Schliesslich wird noch eine förmliche Erklärung Delbrücks im Reichstag, wonach Abgaben für Stromunterhaltung unzulässig sind, samt allem was sich daran anschloss, grossartig mit dieser Aeusserung totgeschlagen: "denn es war Bismarck" (S. 241; vgl. über Delbrücks Erklärung unten S. 42). Ich glaube nicht, dass Bismarck auf solche Weise besonders geehrt wird. Die Begriffe der Anstalt und der Wasserstrasse, die für uns etwas Einheitliches darstellen, zusammengehalten durch den öffentlichen Zweck, dem zu dienen ist, unterliegen hier einem grossen Auflösungsprozess. Die Atome, in welche sie zerfallen, sind einzelne Ausgabeposten des Staates. Die Auflösung ist aber eine vollkommene. Verfasser bemerkt S.214 sehr richtig, dass für seinen Standpunkt jedes rechtliche und I praktische Interesse an der Unterscheidung von natürlichen und künstlichen Wasserstrassen verschwindet. Natürlich! Sind sie doch beide, soweit sie finanzwirtschaftlich in Betracht kommen, nichts anderes als Konglomerate von "Anstalten" (Bauten, Anlagen, Leistungen, Unterhaltungsarbeiten u. s. w.). Auch die Kanalgebühr ist nichts anderes als die Summe dieser einzelnen Ausgabeposten, über welche sie ja nicht hinausgehen darf. Es hat eigentlich nicht viel Zweck, den Kanal als Gesamtheit noch einmal eine Anstalt zu nennen. Auch der Fluss ist ja "Anstalt im Rechtssinne" nur so weit, als er solche abgabefähige Aufwendungen nachweisen kann (S. 103). Die Einzelheit beherrscht hier das Interesse, das Ganze tritt zurück, und - man sieht den Wald vor Bäumen nicht!Nur noch ein paar Worte zu einem Punkte, der eigentlich ein Hauptpunkt ist, bei uns aber bisher nicht so hervortrat, weil wir der Darstellung des Verfassers folgten, der ihn nicht als solchen behandelt. Das Gesetz verlangt doch eine besondere Anstalt und dass der Gebührenpflichtige sie als solche benutzt hat. Das scheint beides nicht zu passen auf die Anstalt des Verfassers, die in der Wasserstrasse drinsteckt, sicht-

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bar oder auch unsichtbar. Wie kann er das vereinbaren? möchte man fragen. Es ist aber sehr einfach: beides löst sich spielend in Dunst auf. Bei der Frage der "Benutzung" musste es ihm vor allem darauf ankommen, den Gedanken zu vermeiden, dass unmittelbar nur die Wasserstrasse benützt wird, alles andere erst wieder durch diese, in abgeleiteter unselbständiger Weise nützlich wird. Deshalb galt es die Benutzung möglichst zu vergeistigen, der Art, dass sie auch jene schwer fassbaren "Anstalten" unmittelbar zu erreichen vermag. Also was heisst "benutzen"? Einfach "Vorteil ziehen" aus dem, was der Staat leistet (S. 251 ff.). Dazu ist eine körperliche Berührung nicht erforderlich. Wiedenfeld ist im Unrecht, wenn er eine Benutzung der Buhnen I leugnet, "weil der Schiffer an ihnen vorbeifahren muss". Gerade in solcher Vermeidung kann die Benutzung bestehen: "Auch Bojen benützt man, indem man sie seitwärts liegen lässt" (S.255). In dieser Weise würde schliesslich auch das Fuhrwerk auf der Strasse die Prellsteine benützen. Ja, man müsste wohl auch die Kosten der Schiffahrtspolizei mit dieser Begründung den Schiffern abverlangen können: sie benützen doch diese "besondere Anstalt", indem sie einen Zusammenstoss mit ihr vermeiden. Der Verfasser kommt zu dem gleichen Ergebnis mit einer etwas abweichenden Begründung: Die Schiffer müssen die Kosten der Polizei in Form von Schiffahrtsabgaben zahlen, "weil deren Bestehen an und für sich dem Verkehre förderlich ist und solcher Gestalt auch dem einzelnen mittelbar nützt" (S. 255). So übt also jeder, der den Fluss befährt, an der Polizei "die Benützung einer besonderen Anstalt, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt ist" im Sinne des Art. 54 Abs. 4! Auf den ersten Blick will das nicht einleuchten. Hat man sich einmal an den Gedanken gewöhnt, so wird man geneigt sein, noch eine weitere Abgabe zu erheben für die literarischen Produktionen der amtlichen Wasserstrassenfreunde in den Ministerien: Anstalten sind sie ja auf alle Fälle, förderlich für die Wasserstrassen und den Verkehr darauf zweifellos, mittelbar nützen sie daher jedem einzelnen Schiffer, er benützt sie also im Sinne des Art. 54 Abs. 4 und muss zahlen. So viel von der Benutzung. Und die "besondere" Anstalt? Hier schüttelt der Verfasser nur den Kopf. Dieses Wörtchen hat überhaupt keinen rechten Sinn. Es hat "die Vermutung der Unwesentlichkeit, der Zufälligkeit, des stilistischen Beiwerks gegen sich" (S. 15). Was der Gesetzgeber damit wollte, ist "sehr schwer zu verstehen" (S.199). "Der Begriff des Besonderen ist eines selbständigen Daseins nicht fähig" (S. 242). "Die Auffindung des (korrespondierenden) Alligemeinbegriffs ist mit den Hilfsmitteln der grammatischen Interpretation nicht möglich" (S.110). Und die logische Interpretation ist derartigen Zusätzen nicht günstiger: "ein logischer Anlass war jedenfalls nicht vorhanden" (S. 243).

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Das genügt. Der Ausdruck "besondere Anstalt", der eigentlich so überwältigend deutlich ist, dass man glauben könnte, er erledige die Frage, kommt für den Verfasser nicht in Betracht. IV. Die juristischen Begriffe - und juristisch werden schliesslich alle Begriffe, sobald das Gesetz sich ihrer bedient - haben eine eigentümliche Härte und Sprödigkeit. Sie schmiegen sich nicht den wogenden schwankenden Wirklichkeiten an, sondern schneiden herrisch mitten durch. Da gibt's kein Schillern, keine Uebergänge; sondern: hier ist die Linie, links davon ist ja und rechts davon ist nein. Das muss so sein; wer Verständnis hat für den Segen und die Notwendigkeiten des Rechts, fügt sich darein und rechnet damit. Aber begreiflicherweise ist das nur allzuleicht den Technikern eine Torheit und den Sozialpolitikern ein Aergernis. So ist es insbesondere auch mit der Unterscheidung der natürlichen und der künstlichen Wasserstrassen nach RV. Art. 54 Abs. 4. Es handelt sich dabei, wie Loening mit Recht hervorhebt, um einen Rechtsbegriff der Reichsverfassung, der starr und fest bleibt, ob er der modernen Technik passt oder nicht 1• Was diese Bestimmungen vorgefunden I haben als schiffbaren Wasserstreifen des Binnenlandes, der es nicht erst geworden ist durch Menschenhand, das ist und bleibt natürliche Wasserstrasse, so lange es überhaupt Wasserstrasse bleibt. Man mag dagegen einwenden, es gebe in unserem Kulturland keine Wasserstrasse mehr, die nicht in gewissem Masse Menschenwerk sei, indem der Staat unterhaltend und verbessernd daran gearbeitet habe; alles sei nur ein Grad1 Deutsche Juristenzeitung 1905 Nr. 6. Es ist schon oben (unter III) hervorgehoben worden, dass für Peters dieser grundlegende Unterschied "fast gar keine Bedeutung" mehr hat; das einzige, was in Betracht kommt, ist die Unbeschränktheit der Abgabenhöhe bei nichtstaatlichen Kanälen; im übrigen stehen natürliche und künstliche Wasserstrassen rechtlich gleich. In dem Aufsatz, Deutsche Wirtschafts-Zeitg. II S. 721 ff., benutzt er nun das so viel angerufene "authentische Zeugnis" Delbrücks (oben II S. 17 Note 1) auch noch einmal für diese Auffassung. "Nach Delbrücks Zeugnis" heisst es S. 726, besteht jetzt noch, abgesehen von jenem Sonderrecht der nicht staatlichen Kanäle, auch nach 1867 der "überlieferte Rechtszustand der Zollvereinsverträge" fort. "Nun kannten diese Verträge aber einen Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Wasserstrassen überhaupt nicht; beide Begriffe waren ihnen fremd. Also besteht dieser Unterschied auch heute nicht mit irgend einer rechtlichen Wirkung, abgesehen natürlich von dem jus speciale der nicht staatlichen Wasserstrassen." Wie weit jener temoin malgre lui davon entfernt war, die Identität des Inhalts des Art. 54 RV. mit dem "überlieferten Rechtszustande" zu bezeugen, haben wir ja oben betrachtet. Sehen wir davon ab. Die Ausdrücke natürliche und künstliche Wasserstrassen waren dem Zollverein allerdings "fremd", wenn man so sagen will; er spricht dafür von Abgaben auf "Flüssen" (Art. 23 ZVV.) und von "Kanalgebühren" (Art. 25); darf man aber so ohne weiteres nun sagen: die entsprechenden Begriffe waren ihm fremd, und daraus so keck die wichtigsten Folgen ziehen für das gegenwärtige Recht, dem weder Begriff noch Ausdruck fremd sind? Hier kommt wieder ganz die Eigenart dieser Literatur zum Vorschein, auf welche wir eingangs hingewiesen haben.

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unterschied mit allmählichen Uebergängen. Gewiss, aber das Gesetz macht eben in diese verschwimmende Masse seine Cäsur und macht sie in seiner einfachen, vielleicht von manchem als roh empfundenen Weise. Es gibt auch keine zeitlichen Uebergänge, derart dass, was bisher natürliche Wasserstrasse war, durch Herstellung von Anlagen und Einrichtungen zur künstlichen würdet. In[sofern muss allerdings für die natürliche Wasserstrasse ein character indelebilis in Anspruch genommen werden. Loening scheint mir schon zu weit entgegenzukommen, wenn er eine Ausnahme zugesteht für den Fall der Kanalisierung des schiffbaren Flusses, d. h. der Verbesserung des Fahrwassers durch Stauanlagen. Auf derartig eingerichteten natürlichen Wasserstrassen werden Abgaben erhoben werden können für die Benutzung der Schleusen. Diese sind ja zweifellos "besondere Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs" im Sinn des Art. 54 Abs. 4. Peters beurteilt sie falsch, wenn er nur Schiffahrtshindernisse darin sieht. Sie sind Hebe- und Senkvorrichtungen. Das Schiff, das sich darin heben oder senken lässt, muss bezahlen. Für die Höhe der Abgabe kommt natürlich nicht nur der Aufwand für das Schleusenbedienungspersonal in Betracht, sondern auch für Bau und Unterhalt der Schleuse und was sonst noch daran hängt. Damit werden die Hauptkosten der Kanalisation wohl gedeckt sein. Zwar wird natürlich der Fiskus, wenn er doch einmal nimmt, möglichst viel in seine Rechnung hineinpressen. Mit der Kontrolle von Reichswegen ist es ja, wie wir gesehen haben, eine eigene Sache. Das ändert aber alles die Rechtslage nicht, noch die Natur der Wasserstrasset. Der Verfasser freilich möchte gar zu gerne hier noch eine [ Zwischenstufe einschieben. Nicht nur, meint er, kann durch geeignete Arbeiten aus einer natürlichen Wasserstrasse eine künstliche werden; man kann auch vorher schon unterscheiden wollen zwischen der biossen Unterhaltung einer natürlichen Wasserstrasse und ihrer Verbesserung, mit der Wirkung, dass man wenigstens für die letztere die Zulässigkeit von Abt Peters S. 47 ff. nennt das "Uebergang des einen Begriffs in den andern". Unter Begriff s'cheint er etwas anderes zu verstehen als wir. Die Frage ist, ob die Sachen sich ändern und dann unter einen andern Begriff fallen können; die Begriffe selbst bleiben dabei unbewegt. Die Beispiele, welche Peters gibt, treffen nicht zu. So namentlich die S. 50 und S. 174 erwähnten, nachträglich kanalisierten Altrheine. Diese haben einfach folgenden Gang durchgemacht: natürliche Wasserstrasse - keine Wasserstrasse - künstliche Wasserstrasse. Das ist etwas anderes, als hier zu Beweis steht. t Richtig bezüglich der rechtlichen Beurteilung der Schleusen: Wiedenfeld in Verh. der XXXIII. Plenarversammlung d. deutsch. Landwirtschaftsrats, Arch. XXIX S. 80, 82. - Ein Immediatbericht an den König, in welchem ausgeführt wird, dass nach Art. 54 auf der kanalisierten Ruhr Abgaben nur noch erhoben werden dürfen für "den Aufwand für die laufende Unterhaltung der öffentlichen Ruhrschleusen mit Einschluss der Gehälter der Schleusenwärter" muss sich von Peters (S. 229) sagen lassen: er sei "mit der grössten Eile entworfen worden".

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gaben in Anspruch nimmt. Der Verfasser selbst verwirft diese Unterscheidung als unbrauchbar; grundsätzlich, meint er, müsse auch der Unterhaltungstätigkeit die Anstaltseigenschaft zuerkannt werden (S.247, 248), d. h. in seiner Sprache, es sollen dafür Gebühren erhoben werden dürfen. Aber er möchte uns gleichwohl überzeugen, dass von den Regierungen in der Praxis diese falsche Unterscheidung in sehr bedeutsamer Weise geltend gemacht worden sei. Bei der Unmöglichkeit, die Grenzlinie zwischen diesen beiden Dingen immer genau zu ziehen, wäre für seinen Zweck immerhin auch damit schon viel gewonnen, und vor allem, wenn die Sache auf solche Weise etwas durcheinander gebracht wird, verwischt sich der schlechte Eindruck, den die in Frage kommenden Fälle hervorbringen müssten. Die Zeugnisse für diese angebliche Theorie der Regierungen verschafft er sich aber in recht gewaltsamer Weise. So heisst es z. B. in der Begründung zum Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 über die Flössereiabgaben: der Kommissarius des Bundesratspräsidiums habe ausgeführt, "dass die Kosten der Stromunterhaltung nach Art. 54 nicht in Anrechnung gebracht werden dürften, indem natürliche Wasserläufe nicht zu den dort gedachten Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs zu zählen seien". Und weiter wird festgestellt: "Jedenfalls ist durch Art. 54 der Verfassung so viel bestimmt, dass Wasserabgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten entrichtet werden sollen. Die blosse Unterhaltung der Strombahn ist aber keine besondere Anstalt." Es ist klar, I was hier gemeint ist: so lange dem Verkehr nichts anderes gestellt wird als die befahrbare Wasserstrasse, ist nichts zu entrichten; alle Leistungen, deren Erfolg nicht darüber hinausgeht, dass diese Wasserstrasse da ist, besser oder schlechter, sind Stromunterhaltung. Peters freilich (S. 200) sieht daraus den Schluss e contra rio gestattet, "dass Verbesserungen der Strombahn besondere Anstalten seien". Warum der gestattet sein soll, ist unerfindlich. Wenn das Gericht sagt: ein Hausknecht ist kein Handlungsgehilfe, ist daraus zu schliessen, dass der Ausläufer einer sei? So gar billig sind die argumenta e contra rio doch nicht zu haben! Bei Beratung des Gesetzes vom 11. Juni 1870, das die Elbzölle beseitigte, hatte ein Abgeordneter gewünscht, dass sie wenigstens insoweit aufrechterhalten blieben, als sie nicht reine Finanzzölle, sondern ein Aequivalent für die Kosten der Unterhaltung des Fahrwassers seien. Delbrück widersprach: Art. 54 lasse Abgaben nur für die Benutzung bestimmter Anstalten zu, aber nicht zur Aufbringung der Kosten für die gewöhnliche Unterhaltung der Fahrbarkeit der Ströme. Peters (S. 206) hebt hervor, dass DeZbrück damals wusste, dass an der EIbe Fahrwasserverbesserungen vorhanden waren, und schliesst daraus, dass er eine Stellungnahme zu der Frage, ob solche durch Abgaben gedeckt werden

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konnten, "vermeiden wollte". Wenn Delbrück, solches wissend, gleichwohl kein Stück von dem Elbzoll bestehen lassen wollte und bestehen liess, so scheint doch eher der umgekehrte Schluss geboten. Sehr merkwürdig ist auch die Art, wie der Fall der Krückau (S.215, 216) behandelt wird. Der Provinzialsteuerdirektor hatte gemeint, dass nach Art. 54 RV. die bisher erhobenen Abgaben unzulässig geworden seien, da die Krückau eine natürliche Wasserstrasse und der Staat nur durch "Aufmodern und Aufgraben" nachhelfe. Das Finanzministerium fragt, ob die Krückau etwa durch "Rektifikation, Vertiefung I u. s. w. zu einer schiffbaren Wasserstrasse künstlich hergerichtet ist oder ob die dabei vorgenommenen Arbeiten lediglich die Erhaltung einer von jeher bestehenden natürlichen Strasse betroffen haben". Auf den nunmehr erstatteten Bericht hin wurden die Abgaben aufgehoben. Der Verfasser, der aus den Akten referiert, sagt, es sei deshalb geschehen, weil "irgend nennenswerte Verbesserungen der natürlichen Schiffbarkeit nicht ausgeführt seien". Also noch einmal eine Zwischenstufe: einfache Verbesserung - nennenswerte Verbesserung? Nach der Fragestellung des Ministeriums konnte es, sobald die Krückau als natürlich schiffbar festgestellt wurde, auf den Grad der Verbesserung überhaupt nicht weiter ankommen. Ebenso macht sich Verfasser den folgenden Fall zurecht (S.230, 231). Die Regierung in Schleswig wollte grössere Verbesserungsarbeiten am Fahrwasser der Stör vornehmen und dafür Abgaben erheben. Das Finanzministerium wies das ganz ordnungsgemäss zurück, weil die Verbesserung des Fahrwassers nicht als besondere Anstalt im Sinne des Art. 54 angesehen werden könne. Nach Verfassers Meinung ist das natürlich ganz falsch; er will es entschuldigen durch die Behauptung: in Wirklichkeit sei es eben doch keine Verbesserung, sondern eine blosse Unterhaltung gewesen; denn laut Bericht der Regierung habe sich der Zustand des Fahrwassers in den letzten Jahren sehr verschlimmert gehabt. Das ist zwar, wie wir gesehen haben, nach seiner Meinung auch falsch, denn die blosse Unterhaltung rechtfertigt die Abgaben ganz ebenso gut; aber er liebt es, den Behörden diejenigen Fehler zuzudiktieren, die ihm verhältnismässig wünschenswerter scheinen. Jedenfalls beweist das Beispiel, wie wenig eine rechtsbedeutsame Grenzlinie, die man zwischen Unterhaltung und Verbesserung ziehen möchte, Aussicht hätte, respektiert zu werden. - I Nun werden wir allerdings nicht verkennen, dass es wünschenswert sein kann, solche Gradverschiedenheiten zu rechtlicher Wirksamkeit zu bringen. Wenn es an sich schon als Billigkeitsforderung empfunden wird, dass der, welchem eine staatliche Einrichtung in besonderer Weise zu gute kommt, auch eine besondere Vergütung entrichte zur Deckung des dem Staate entstehenden Aufwandes, so steigt die Kraft der Forde8 Otto Mayer, Bd. 11

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rung mit der Höhe jenes Vorteils und dieses Aufwandes, bis der Punkt kommt, wo die der Erhebung von Gebühren entgegenstehenden grundsätzlichen Bedenken überwunden werden. Diesen Punkt kann aber der Natur der Sache nach nur das freie Ermessen bestimmen, die Willkür. Aber wohlverstanden nur die Willkür des massgebenden Gesetzes oder der Stelle, der es solches anvertrauen will. Ein klassisches Beispiel für die Art, wie das zu machen ist, und zugleich die lehrreichste Erläuterung unserer ganzen Rechtsmaterie bietet das vielbesprochene Reichsgesetz vom 5. April 1886. Es handelte sich um die grossartige Korrektion der Unterweser von Bremen bis zur Mündung. Die Mündungsgewässer selbst fielen unter RV. Art. 54 Abs. 3; die Strecke von da aufwärts dagegen ist eine natürliche Wasserstrasse im Sinn von Art. 54 Abs. 4. Also konnten hier Abgaben von der Befahrung nicht erhoben werden und das Reichsgesetz ist ergangen, um der freien Stadt Bremen die Abgabenerhebung gleichwohl zu ermöglichen. Nach Peters verhielt sich die Sache nicht so. Der Art. 54 Abs. 4 will nach ihm gerade Abgaben erheben lassen zur Deckung solcher Aufwendungen. Bremen hätte also eigentlich eines Reichsgesetzes gar nicht bedurft. Nur der Sicherheit halber, "um sich namentlich hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben vor jeder Möglichkeit einer späteren Anfechtung seines Erhebungsrechts zu schützen", hat es die Reichsgesetzgebung in Bewegung gesetzt (S. 211). Demgemäss ist der Sinn I des Gesetzes vom 5. April 1886 kein anderer als der einer "authentischen Auslegung des Art. 54" (S. 211). Es hat durch "authentische Deklaration" festgestellt (S. 213), dass Art. 54 Abs. 4 auch für "Seewasserstrassen" gelten soll und dass die Verbesserung des Fahrwassers eine besondere Anstalt im Sinne dieser Bestimmung sei, also abgabefähig. Am Schlusse des Buches (S. 336, 337) wird dann gleichwohl von Art. 54 noch behauptet, dass er "einer Interpretation bedarf". "Ob man sie in authentischer Weise durch Reichsgesetz vornehmen will, wie es im Jahre 1886 auf besonderen Wunsch der Hansestadt Bremen in einem Einzelfalle geschah", soll Zweckmässigkeitsfrage sein. Unseres Erachtens bestünde nach stattgehabter authentischer Interpretation das Bedürfnis einer Interpretation nicht mehr; auch gibt es keine authentische Interpretation für den Einzelfall. Aber immerhin muss der Verfasser wissen, dass er mit der wiederholten Betonung dieses Wortes, bei dem Publikum, auf das er rechnet, den Eindruck hervorbringt, als gäbe das Gesetz vom 5. April 1886 der von ihm vertretenen Auffassung eine glänzende Bestätigung. Nun, das Gegenteil scheint mir unleugbar zu sein. Der Verfasser bemerkt am Schlusse seiner bezüglichen Ausführungen: für die Auslegung der RV. seien die parlamentarischen Vorgänge von 1886 "wenig verwertbar" (S. 214). Das bedeutet in seiner besonderen Sprechweise, wie wir schon wissen, dass sie seine Behauptungen schnurstracks widerlegen.

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Zunächst ist es nicht richtig, dass Bremen nur eine authentische Auslegung verlangte, weil die Reichsverfassung ohnehin schon den Sinn hätte. Es verlangte eine "im Wege des Spezialgesetzes zu erlassende Deklaration" und behauptete, dass, was es wolle, "dem Geiste der Reichsverfassung durchaus entsprechen würde". Wir wissen doch, was das heisst, "dem Geiste entsprechen"; es verträgt sich vollkommen I damit, dass der Text und sein Sinn entgegenstehen und deshalb ein Spezialgesetz nötig wird. Der Entwurf des Gesetzes 1 geht in dieselben Wege. Er sagt allerdings in der Begründung: "Aus den Bestimmungen der RV., insbesondere Art. 54 werden Einwendungen nicht herzuleiten sein" - Einwendungen gegen ein Reichsgesetz wie das vorgeschlagene, natürlich! Gegen ein selbständiges Vorgehen ohne besonderes Reichsgesetz, wie Verfasser es für zulässig hält, bestünden solche Einwendungen stark. Dann wird der leitende Gedanke jener Bestimmungen entwickelt, dass für die blosse Nachhilfe zur Erhaltung der natürlichen Wasserstrasse nichts zu entrichten sei, wohl aber da, "wo durch Anwendung künstlicher Mittel eine Fahrbahn erst geschaffen wird"2. Deshalb würde ja in Art. 54 Abs.4 Satz 2 bezüglich künstlicher Wasserstrassen Abgabenerhebung vom Wassertransport zugelassen (man bemerke: nur bezüglich dieser!). "Für die Praxis" sei die geplante Wasserstrasse "als eine selbständige Schöpfung anzusehen, welche auch wegen des aufzuwendenden Kostenbetrages und des Umfanges der Arbeiten einer künstlichen Wasserstrasse gleich zu achten ist. Es dürfte daher dem Geiste (!) der RV. durchaus entsprechen, wenn das für die künstlichen Wasserstrassen gewährte Abgabenrecht auf die korrigierte Unterweser angewandt und Bremen im Wege des Spezialgesetzes ermächtigt (!) wird, für den Fall der Ausführung des Korrektionsprojektes auf seine Kosten eine Abgabe für die Befahrung des Stromes nach Massgabe der für die Auflegung solcher Abgaben in Art. 54 der RV. aufgestellten Grundsätze zu erheben." I Dem "Geiste" der RV. entspricht, was hier Rechtens werden soll, aber eben noch nicht ist. Die korrigierte Strecke soll dem Rechte der künstlichen Wasserstrassen durch Spezialgesetz unterworfen werden, welchem Rechte sie eben sonst nicht unterstünde. Die Reichsverfassung wird nicht ausgelegt, sondern die Stadt Bremen wird "ermächtigt", gegen ihren Text, aber in Uebereinstimmung mit ihrem Geist. RTV. 1885/86, Drucks. N. 190. Peters S. 212 zitiert nur diese Stelle der Begründung; sie soll, wie er vorausschickt, beweisen, dass der Bundesrat in der Korrektion eine von selbst abgabenfähige besondere Anstalt gesehen habe, wie Bismarck in der Beseitigung von Wracks. Der ganze Inhalt der Begründung beweist, wie wenig das zutrifft. 1

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Dem entsprechend sagt auch der Gesetzentwurf selbst nicht, wie Peters fast glauben machte: Art. 54 Abs. 4 hat den Sinn, dass Abgaben auf solchen Wasserstrassen zulässig sind, sondern er sagt: die freie Stadt Bremen "kann" auf der korrigierten Wasserstrecke eine Abgabe nach Massgabe der für künstliche Wasserstrassen in Art. 54 Abs.4 RV. getroffenen Bestimmungen erheben. Bei der ersten Lesung im Reichstag am 12. März 1886 führt nun der Abg. Dr. Ba1·th aus 1 : "Wir können uns allerdings eines gewissen Bedenkens nicht erwehren, welches hervorgeht aus dem Art. 54 der RV. Bekanntlich hat der Art. 54 der RV. das Prinzip aufgestellt, dass auf natürlichen Wasserstrassen Schiffahrtsabgaben nicht erhoben werden sollen, und dieses Prinzip erachten wir selbstverständlich als ein ausserordentlich wichtiges und es kann unserer Ueberzeugung nach immer nur in einzelnen Fällen die Rede davon sein, dass eine Ausnahme von diesem Prinzip unter bestimmten Voraussetzungen gemacht wird." Er verlangt eine beruhigende Erklärung von der Regierung und fährt fort: "Dann wird man das ganze Gesetz konstruieren können als eine Art Verfassungsänderung ad hoc, die für einen ganz bestimmten Fall vorgenommen ist. In jedem einzelnen Falle, wann einmal ein ähnliches Gesetz zur Herbeiführung der Korrektion eines anderen Flusses vorgelegt werden sollte, ist ein neues Speziallgesetz erforderlich, bei dem genau in derselben Weise, wie das hier vorgesehen, prozediert werden müsste." "Verfassungsänderung ad hoc" gibt es nicht; so ist es aber auch nicht gemeint. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Durchbrechung der Verfassungsregel für den Einzelfall, ein Privilegium. Dabei bleibt bekanntlich die durchbrochene Regel selbst unverändert bestehen und wirksam für künftige Fälle. Aber um eine solche Durchbrechung zu machen, müssen allerdings die nämlichen Formen beobachtet werden wie bei einer Aenderung der Regel selbst; auch das ist eine alte Weisheit. Der Abg. Barth hat also verlangen wollen und mit Recht verlangt, dass die Formen der Verfassungsänderung beobachtet würden. Andere stimmten dem zu. Und was sagt die Regierung? Peters schreibt ihr S. 213, 214 ganz genau vor, was sie hätte sagen müssen. Wir befinden uns in vollem Einklang mit der Verfassung, musste sie sagen, denn wir wenden nur den Art. 54 Abs. 4 hier an, der solche Abgaben gestattet und befinden uns dabei noch im Einklang mit der bei den Akten befindlichen, berühmten Aeusserung des Reichskanzlers vom vorigen Jahre (sie muss beim Verfasser auch hier wieder herhalten: S. 214), wonach sogar die Beseitigung von Wracken eine verfassungs rechtlich zur Abgabenerhebung ermächtigende besondere Anstalt ist, um wie viel mehr die Beseitigung solcher 1

RTV. 1885/86 Steno Ber. S. 1452.

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Massen von Sand und Schlamm. In Wirklichkeit aber hat der Staatssekretär des Innern, v. Bötticher erwidert 1 : Auch im Bundesrat sei die Frage angeregt worden, "ob in der Vorlage nicht eine Aenderung gegenüber den Vorschriften des Art. 54 der Verfassung zu finden sein möchte". Die Frage wurde aber nicht weiter verfolgt, weil bei der Abstimmung nicht die erforderliche Zahl von Stimmen dagegen war (14 bekanntlich), um eine Verlfassungsänderung zu hindern. "Der Bundesrat hat vielmehr mit einer Majorität, wie sie für Verfassungs änderungen nach der Verfassung erforderlich ist, die Vorlage angenommen." Damit konnte der Abg. Barth sich vollauf zufrieden geben. Unterm 18. März erscheint dann der Kommissionsbericht (Pfafferott). Er erwähnt, dass der Befürchtung Ausdruck gegeben worden war, das Gesetz könne zum Ausgangspunkt der Einführung weiterer Schiffahrtsabgaben auf Flüssen genommen werden. Dem sei aber entgegnet worden: "es handle sich im vorliegenden Falle um ein Spezialgesetz, dessen Natur eine solche Ausdehnung ausschliesse". Zu der Frage der Verfassungsänderung wird zunächst festgestellt, dass (laut Erklärung des Staatssekretärs) die Formen der Verfassungsänderung erfüllt seien. Ob sie erforderlich waren, war nicht unbestritten geblieben. "Es ist die Ansicht vertreten worden, dass wir es im vorliegenden Fall mit einer künstlichen Wasserstrasse zu tun haben. Bei dieser Auffassung würde es für den Zweck eines Reichsgesetzes nicht bedürfen." Allein mehrere Mitglieder wandten sich dagegen und behaupteten, "dass die Unterweser auch nach Ausführung der projektierten Korrektion die natürliche Wasserstrasse bleibe, und da es sich im vorliegenden Falle nicht um die Benutzung besonderer Anstalten im Sinne des Art. 54 Abs. 4 al. 1 der Verfassung handle, ergebe sich, dass Verfassungsänderung ins Auge zu fassen sei". Dabei wurde noch hervorgehoben, "dass die Bestimmungen in Art. 54 der Verfassung keineswegs generell abgeändert werden dürften, vielmehr nur eine Ausnahme für den vorliegenden Fall zu machen sei". Die Kommission hat dazu sehr entschieden Farbe bekannt, indem sie folgenden Antrag annahm: "Die Kommission erblickt in der Annahme des Gesetzes eine Abweichung von den Bestimmungen unter Art. 54 Abs. 4 al. 1 der RV., nach den Erklärungen des Staatssekretärs (wegen beobachteter Form der Verfassungsänderung) erachtet die KomImission aber die aus Art. 54 der Verfassung herzuleitenden Bedenken für erledigt." In der Sitzung vom 19. März 1 sprach der Abg. Windthorst (der den Verhandlungen vom 12. nicht gefolgt zu sein scheint) noch einmal seine entschiedene Ueberzeugung aus, "dass in der Bewilligung dieser Ab1 1

RTV. 1885/86 Steno Ber. S. 1453. RTV. 1885/86 Steno Ber. S. 1569.

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gaben eine Verfassungs änderung liegt", und die Formen beobachtet werden müssen. Der Abg. Barth stellte darauf fest, "dass auch die Kommission in diesem Gesetz eine Abweichung von den Bestimmungen des Art. 54 der Verfassung erblickt", aber der Staatssekretär Bötticher erklärt habe, "dass die für Verfassungsänderungen erforderliche Majorität im Bundesrate vorhanden gewesen wäre, daher die Schwierigkeiten, die etwa aus dem Art. 54 erwachsen könnten, als beseitigt anzusehen waren"2. So wurde das Gesetz angenommen; auf Grund welcher Rechtsanschauungen, darüber kann doch auch nicht der mindeste Zweifel sein. Authentische Auslegung des Art. 54? Anerkennung der Anwendbarkeit des Abs. 4 auch auf Seewege? Anerkennung der geplanten Korrektion als einer besonderen Anstalt? Klipp und klar überall das Gegenteil von dem, was der Verfasser darüber aussagt, und keine Stimme ist laut geworden, um die von ihm hineingelegten Auffassungen überhaupt nur als möglich zu erwähnen3 . Um doch etwas vorzubringen, behauptet er zuletzt (S. 214): "Die eigentlich entscheidende Frage" sei offen geblieben. Er I meint die Frage der Verfassungsänderung. Wie wir sahen, ist auch das keineswegs der Fall. Er vermisst beim Reichstag "eine besondere Abstimmung über die Frage der Verfassungsmässigkeit oder Verfassungsänderung" (S.213). Aber wozu das? Wenn alles einig ist und bezeugt wird, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, soll man die rein akademische Frage doch noch zum Gegenstande einer besonderen Abstimmung machen? Das geschieht ja nie. Auch der Bundesrat, meint er, hatte "den Gesetzentwurf keineswegs als einen verfassungsändernden aufgefasst und vorgelegt". Aber woran merkt man das? Doch nur daran, dass der Vorschlag als abgelehnt gilt, wenn 14 Stimmen dagegen sind, und, im Fall das neue Gesetz selbst Verfassungsrecht sein soll, an einer entsprechenden Klausel, etwa: An die Stelle des Art. 54 der RV. tritt folgende Bestimmung. Beides war hier nicht in Frage. Besondere äusserliche Kennzeichen eines verfassungändernden Gesetzentwurfs oder Gesetzes sind nicht vorgeschrieben und nicht üblich. Das weiss Peters so gut wie wir. 2 Peters S.213 berichtet: Windthorst erklärte sich für die Ansicht, dass eine Verfassungsänderung vorliege, "während der Abgeordnete Barth sich zweifelhaft ausdrückte, indem er von Schwierigkeiten, die etwa aus dem Art. 54 erwachsen könnten, sprach". Diese irreführende Bemerkung ist alles, was er seinen Lesern aus den so bedeutsamen Aeusserungen Barths mitteilt. 3 Laband, StR. III S.248 Note 1 bemerkt ganz kurz: "Eine Ausnahme (von der Abgabenfreiheit natürlicher Wasserstrassen) hinsichtlich der Unterweser begründet das Reichsgesetz vom 5. April 1886." Erläuterungen fügt er nicht bei. Wer hätte auch an die Möglichkeit solcher Behauptungen gedacht, wie sie hier aufgestellt werden! Vgl. auch Haenel, D. StR. I S.627 Note 14: "Diese Bestimmungen (Art. 54 Abs.4 RV.) haben im Wege einer Verfassungsänderung ad hoc eine Modifikation durch das Gesetz vom 5. April 1886 erlitten, welches Bremen ermächtigt, u. s. w."

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V. Die Gesetze sind um der Menschen willen da und können und sollen sich ändern, wie es für diese gut ist. Damit aber hier nicht wechselnde Launen und einseitige Interessenstandpunkte regieren, ist es die Aufgabe aller, die nicht im Dienste solcher niederen Triebe stehen wollen, Zweck und Bedeutung des einmal vorhandenen Rechtes wohl zu würdigen und klar zu halten. Es ist schon öfter hervorgehoben worden, dass die Aufhebung der Schiffahrtsabgaben das Ergebnis war von wirtlschaftlichen Ueberzeugungen und Grundsätzen, die in den 60er und 70er Jahren in der Preussischen Verwaltung sehr mächtig waren. Die Festlegung dieses Rechtszustandes in der Reichsverfassung hat aber noch eine andere, sagen wir: eine politische Bedeutung. Der Verfasser ist bemüht, auch diese politische Seite aufzudecken. "Es gilt, sagt er (S. 233), die Konstruktion der inneren Zusammenhänge, die Ausfüllung des Gerippes der Tatsachen mit der Muskulatur der politischen Triebkräfte, die in jener Zeit an der Arbeit waren." Diese Muskulatur bestand nach ihm in einem erklärlichen Streben nach "Kaptivierung der öffentlichen Meinung". Die Regierung "warb für den neuen Nationalstaat durch Gewährung von Freiheiten, Rechten und Vorteilen". Dazu gehörte Abschaffung der Wasserzölle (Steuern). "Dass die Abschaffung der Schiffahrtsabgaben (Gebühren) eine werbende Kraft in diesem Sinne gehabt hätte, wird man schwerlich behaupten können." Also, meint der Verfasser, hatte es keinen Zweck, diese letztere Freiheit auch noch zu gewähren. Die Reichsverfassung von 1849 freilich dachte anders. Aber hier macht sich eben der große Unterschied geltend von damals und jetzt, den Peters schon S.154 hervorgehoben hatte: die Gesetzgebung von 1849 wurde fortgerissen "von einer radikalen Gruppe der früheren revolutionären Volksvertretung". Der "radikalen Strömung" entsprach das "radikale Verbot jeglicher Schiffahrtsabgaben" . Jetzt ist das ganz anders: "Im Jahre 1848 wollte die Revolution den Nationalstaat schaffen; die Regierungen hatten ihr gegenüber eine schwache Stellung und waren zum Nachgeben in sehr weitem Umfange bereit; die Reichsgründung in den Jahren 1866 und 1871 ging von den Dynastien und Regierungen aus, welche damals - in Preussen wenigstens - sehr stark waren." Darum ist es "zum mindesten nicht wahrscheinlich", dass sie sich jetzt den radikalen Forderungen gefügt I hätten. - Sollte man nicht glauben, Schiffahrtsabgaben zu fordern, sei ein Beweis monarchischer Gesinnung? Ich fürchte allerdings sehr, unseren Flussschiffern wird die feinere Begabung abgehn, um die ganze "werbende Kraft" des Unterschiedes nerauszufühlen zwischen einem mässigen Wasserzoll und einer nach agrarischen Wünschen berechneten Schiffahrtsgebühr. Aber es scheint

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mir auch bei der Aufhebung der Schiffahrtsabgaben in erster Linie gar nicht darauf abgesehen, das Volk durch Garantierung von weiteren Freiheiten zu gewinnen. Die Verfassung von 1849 schweigt davon in dem Abschnitt VI, der die berühmten Grundrechte des deutschen Volkes enthält. Der Sitz der Materie ist vielmehr ihr Abschnitt H, wo die Auseinandersetzung vorgenommen wird zwischen Reichsgewalt und Einzelstaatsgewalt. Im gleichen Zusammenhange finden sich die entsprechenden Bestimmungen bei unserer jetzigen RV., welche ja Grundrechte überhaupt nicht kennt. Es handelte sich, damals wie jetzt, in erster Linie darum, von Reichswegen eine gerechte und billige Ordnung dieser Dinge durchzuführen im Verhältnis zwischen den Einzelstaaten unter einander 1 • Was hatte man sich gegenseitig das Leben sauer gemacht mit der Art, wie die Abgaben, Zölle oder Gebühren, erhoben wurden, namentlich an den gemeinschaftlichen Flüssen! Baden und Württemberg zahlten Hunderttausende behufs Rückvergütung der preussischen Rheinzölle. Ebenso litt Sachsen, trotz Vertrags, unter der ungleichen Wirkung der preussischen Erhebungen auf der EIbe. Man beklagte das als "Folgen der inneren Zerrissenheit Deutschlands" und gewöhnte sich an den Gedanken, "jene ärgerlichen partikularistischen Konkurrenzstreitigkeiten" durch Beseitigung der Schiffahrtslabgaben gänzlich aus der Welt zu schaffen 1• So fand sich die Frankfurter Nationalversammlung geradezu gezwungen, gründlich Frieden zu stiften. Steuerartige Wasserzölle, die ihr Mass nicht in sich tragen, galten als ausgeschlossen. Es fragte sich nur, ob nicht, wie die Regierungen wünschten, wenigstens Wasserwegegelder im Rahmen des Gebührenprinzips gestattet sein sollten. Hier machte sich aber mit voller Kraft das durch die Erfahrungen der vergangenen Zeit nur allzu wohl begründete Bedenken geltend, dass mit der Aufstellung des Prinzips allein der partikularistischen Willkür keine ausreichend wirksame Schranke gesetzt sein würde. Es bedurfte zur Durchführung einer "sorgsamen Kontrolle" von Reichswegen. Dazu aber fehlten dem Reiche die 1 Wegen der Einzelheiten verweisen wir auf die Darstellung bei Schumacher, Binnenschiffahrtsabgaben S. 114 ff. I Schumacher S.117, 119, 129. Wigand, Steno Ber. der Nat.-Versammlung

V S.3212: "die Folge der Zustände der Wasserzölle ist, dass die einen die unnatürlichsten und ungerechtfertigsten Vorteile vor den anderen voraus haben." Unter Wasserzöllen sind damals, wie schon festgestellt, alle Arten von Schiffahrtsabgaben auf Flüssen verstanden worden. - Bei den Seeschiffahrtsabgaben bestanden solche Aergernisse nicht. Natürlich! In dem Hafen des Seeuferstaates, bei dem die Abgabe erhoben wurde, fand auch die belastete Schiffahrt ihr Ende; es gab keinen Hintermann zu beeinträchtigen. Das allein erklärt schon die verschiedene Behandlung durch die Verfassungsrechtssätze. Es kommen noch andere Rücksichten hinzu: Unentbehrlichkeit der fraglichen Seeschiffahrtsanstalten, die hier auch nicht schon um anderer Zwecke willen (Uferschutz!) gemacht werden müssen, Unfähigkeit der Nächstbeteiligten, die grossen Kosten ohne Abgaben zu decken u. s. w.

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Mittel, fehlte namentlich ein taugliches Personal. Ueberdies mussten dadurch fortwährend Reibungen zwischen der neuen Zentralgewalt und den alten einzelstaatlichen Regierungsgewalten erzeugt werden. So blieb nur die einfache Beseitigung aller Befahrungsabgaben2 • Nach dem Scheitern der 4ger Bestrebungen sind es zunächst wieder völkerrechtliche Verträge, durch welche die Staaten sich gegenseitig, jeder vor den Schiffahrtsabgaben des andern, schützen. In wiefern aus der Rheinschiffahrtsakte I und dem Elbzollvertrag, sowie aus dem Vertrag über Ablösung des Stader Zolles, woran überall auswärtige Mächte beteiligt sind, sich Schwierigkeiten ergeben können für die jetzt beabsichtigten Gebühren, soll unerörtert bleiben. Die Zollvereinigungsverträge aber von 1865 und 1867 sind nach Art. 40 der Verf. des Nordd. Bundes und der RV. ersetzt durch die entsprechenden Bestimmungen dieser Verfassungen. Insbesondere ist jetzt Art. 54 RV. bestimmt, in Hinsicht der Schiffahrtsabgaben den Interessen der deutschen Einzelstaaten denselben oder noch besseren Schutz zu geben, wie sie vorher durch die übereingekommenen Vertragsbestimmungen sich ihn ausbedungen hatten. Hier ist einer der Fälle, wo die nach Bismarcks Ausspruch noch fortbestehende und fortwirkende vertragsmässige Grundlage des Reichs greifbar wird. Wenn man sich diese Zusammenhänge recht vergegenwärtigt, dann wird man auch geneigt sein, die Sache mit dem nötigen Ernste zu behandeln. Hier ist kein Spielplatz für zweifelhafte Interpretationskünste. Es genügt auch nicht, dass geschickt und zielbewusst geschriebene Monographien ein notdürftiges juristisches Feigenblatt liefern. Im diplomatischen Krieg mit fremden Nationen mag das am Platze sein. Hier aber handelt es sich um Bundesgenossenschaft und Bundestreue. Zunächst darf der preussischen Regierung kein Vorwurf gemacht werden, dass sie das so mühsam erlangte Kanalgesetz auch mit jenem bedenklichen Zusatz wegen der Abgabenerhebung annahm. Aber ins Werk setzen kann sie diese Bestimmung nicht, ohne die Sache mit dem Reich in Ordnung gebracht zu haben. Es kann nicht daran gedacht werden, dass Preussen ruhig vorwärts geht und es dem Reiche, d. h. seinen Bundesgenossen, überlässt, zu sehen, was sie dagegen machen können und wie sie das anfassen. Der preussische Ministerpräsident ist selbst I der zum Einschreiten berufene Reichskanzler. Preussen muss sich das unbedingte Vertrauen bewahren, dass es der erste und oberste Hüter der Reichsverfassung ist, oder die ist überhaupt nichts mehr wert. Es geht auch nicht an, dass man, wie Peters S.337, mit scheinbarem Entgegenkommen, nachdem man die Bestimmungen der Reichsverfas2

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sung hinreichend verdunkelt zu haben glaubt, auf eine notwendige Interpretation verweist und den Bedrohten zur Wahl stellt: authentische Interpretation durch Reichsgesetz oder Interpretation durch den Bundesrat allein. Das sind Fallstricke, nichts anderes. Eine authentische Interpretation der Verfassung bedürfte nach richtiger Ansicht der nämlichen Formen wie die Verfassungsänderung1 . Preussen mit seinen 17 Stimmen kann also jede Interpretation, die ihm nicht passt, unmöglich machen. Dann liegt es nahe zu sagen: Ihr habt ja selbst zugegeben, dass die Sache zweifelhaft ist: eine authentische Interpretation ist nicht zu stande gekommen; es muss also für das weitere Vorgehen des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten einstweilen die doktrinelle Interpretation seiner vortragenden Räte massgebend sein. Nimmt man an, dass ein einfaches Reichsgesetz zur authentischen Interpretation genüge, oder überlässt die Entscheidung dem Bundesrat allein - wobei selbstverständlich von authentischer Interpretation keine Rede sein kann -, dann wird allerdings eine Entscheidung mit Sicherheit zu erzielen sein. Aber sehr leicht könnte man es zu bereuen haben, dass man sich in solcher Weise auf ein falsches und nachteiliges Gebiet hat drängen lassen. Denn der Bundesrat, ob mit dem Reichstag oder ohne ihn, beschlösse hier natürlich mit einlfacher Stimmenmehrheit. Der Schutz, den die Zollvereinigungsverträge gewährleisten, war aufrecht zu erhalten mit der einzigen Stimme eines jeden, der Schutz der Verfassungsbestimmung, die an die Stelle getreten ist, wenigstens mit einer sich zusammenfindenden Minderheit von 14 Stimmen. Ihr gutes Recht von einem einfachen Bundesratsbeschluss abhängig machen, hiesse auf diese Garantie verzichten. Es ist einfach nicht wahr, dass die Verfassungs bestimmungen durch die Bemühungen dieser eifrigen Literatur für das unbefangene Urteil dunkel und erläuterungsbedürftig geworden sind. Und der einzige rechtund bundesmässige Weg ist auch jetzt wieder nur der, den Bremen gegangen ist. Wenn es in diesen Dingen ein Mehr und ein Weniger gibt, so könnte man eher noch verstehen, wenn Bremen Zweifel gehabt hätte, ob es nicht für sein grossartiges Unternehmen die verfassungsmässige Berechtigung zur Gebührenerhebung voraussetzen dürfe: der Zusammenhang mit der Seeschiffahrt, die Umwandlung eines Binnenstromes in einen von Ebbe und Flut bewegten Meeresteil, damit liesse sich am Ende noch der Versuch machen, ob man nicht aus der befreiten natürlichen Wasserstrasse heraus und in das Rechtsgebiet der abgabenpflichtigen Seezufahrt oder der künstlichen Wasserstrasse hinein gelangte. Es war recht und gut, dass man diesen Versuch nicht gemacht hat. Der § 19 1 Seydel. Bayr. 8tR. II 8.323; Roenne, Pr. 8tR. II § 158 Note 4 (mit einer hier sehr beachtenswerten Abweichung); Bornhak, Pr. 8tR. I 8. 527.

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des preussischen Kanalgesetzes aber mit seinen Schiffahrtsabgaben auf allen "im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen" fordert die Reichsverfassung geradezu heraus. Um an eine Durchführung denken zu können, ist es notwendig, wie Bremen getan hat, beim Reich ein ermächtigendes Spezialgesetz zu erwirken, ein Privilegium, eine in Form der Verfassungsänderung zu bewilligende Ausnahme von der Vorschrift des Art. 54 Abs. 41 • I Freilich will es mir scheinen, dass die Reichsgesetzgebung kaum geneigt sein wird, die Ermächtigung in dem Umfange und so ganz blank zu erteilen, wie das preussische Gesetz lautet. Das würde dann selbstverständlich den anderen Staaten auch so zu bewilligen sein und käme einer Aufhebung des in Art. 54 Abs. 4 niedergelegten Verbotes von Befahrungsabgaben gleich. Wir wären damit auf einmal noch hinter die Bestimmungen des Zollvereins zurückgeworfen, die wenigstens greifbare Schranken der Abgabenhöhe garantierten 1 • Wie bei der Beratung des Bremer Gesetzes sehr richtig hervorgehoben wurde, wird das Reich sich vorbehalten müssen, jeden einzelnen Fall darauf anzusehen, ob er derart gelagert ist, dass hier Abgaben zugelassen werden sollen. Wenn es geschieht, um grossartige Neuschöpfungen des nationalen Verkehrswesens, nach Bremer Beispiel, zu ermöglichen, ist allgemeiner Beifall sicher. Es darf wohl auch schon ein geringeres Unternehmen sein. In anderen Fällen werden die Ansichten sich scheiden: Abgaben, damit der Fiskus seine alten Auslagen für Strombauten deckt? Damit die Eisenbahnen einen grösseren Anteil am Güterverkehr bekommen? Damit das Getreide nicht zu billig wird? Die Reichsgesetzgebung mag sich das jedesmal überlegen. I Aber auch, wo sie für ein bestimmtes Unternehmen die Bewilligung gibt, wird sie nicht unter allen Umständen einfach sagen dürfen: Ihr könnt hier Gebühren erheben nach Massgabe eurer Kosten. Das ging bei Bremen an, wo nach Lage der Sache kein Missbrauch zu befürchten war und keine ungerechte Schädigung der anderen. Meist aber wird das Reich nähere Bestimmung geben müssen, einen Höchstsatz, wohl auch 1

In diesem Sinn darf man wohl auch die Erklärung verstehen, welche am

1. Dez. 1904 der Minister v. Budde namens des Staatsministeriums im preus-

sischen Abgeordnetenhause abgab. - Während des Druckes dieser Abhandlung ist die Neuausgabe von Labands Reichs-Staatsrecht (Kleines Staatsrecht) erschienen, wo S. 273 Note 1 gegenüber dem § 19 des preussischen Kanalgesetzes die obige Forderung mit aller Entschiedenheit gestellt wird. 1 Dass das Gebührenprinzip ein sehr unsicherer Schutz ist, wurde schon hervorgehoben. In unserem Falle würde sich die Sache noch verschärfen durch die lange "irrtümliche" Handhabung der RV., derenhalber ungeheure Rückstände aufgelaufen sind; die denkt man nun alle an Kapital und Zinsen durch Schiffahrtsabgaben nachzuholen. Selbst ein so massvoller Mann wie Schumacher möchte mindestens bis auf das Jahr 1870 zurückgreifen (a. a. O. S. 201 ff.).

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einen Mindestsatz feststellen und überhaupt dafür sorgen, dass nicht, wie früher so oft, durch solche Dinge der Hausfriede zwischen den deutschen Staaten gröblich gestört werde. Das scheint mir bei der ganzen Angelegenheit die Hauptsache zu sein. I

Studieu zur Rheioschiffahrtsakte* Der Wirkliche Geheime Ober-Regierungsrat Herr M. Peters, vortragender Rat im Königlich Preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten, hat in seinem Buche "Schiffahrtsabgaben" unter anderem auch die Behauptung aufgestellt: Die Rheinschiffahrtsakte von 1868 gestatte den Uferstaaten die Erhebung solcher Abgaben, sofern sie nur das Gebührenprinzip einhalten und das Maß ihres Aufwandes für die Wasserstraße nicht überschreiten. Der Wortlaut des Art. 3: "Auf dem Rheine ... darf eine Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet, weder von den Schiffen oder deren Ladungen, noch von den Flössen erhoben werden", scheint diese Deutung unbedingt auszuschließen. Tatsächlich ist auch die noch bis zum Jahre 1867 so florierende Abgabenerhebung seitdem gänzlich eingestellt geblieben. Der Versuch, den Peters unternimmt, jener Anordnung der Rheinschiffahrtsakte mit Hilfe der Donauschiffahrtsakte einen anderen Sinn zu geben, geht erheblich über alles hinaus, was man sich sonst wohl im Kampfe der Meinungen an gewagten und unhaltbaren Rechtsdeduktionen gefallen lassen muß. Ich glaube das in den kritischen Bemerkungen meiner Schrift "Schifffahrtsabgaben"l S. 20 ff. mit hinreichender Deutlichkeit dargetan zu haben. Peters beruft sich aber auch (S. 302 ff. seines genannten Buches) auf die Entstehungsgeschichte des Vertrags und das ihm zugängliche Aktenmaterial, woraus ein Vorbehalt der Erhebung von Gebühren sich ergeben soll. Die Belege, die er anführt, sind keineswegs klar und die Darstellung ist recht dürftig; das hat bei ihm seine ganz bestimmte Bedeutung. Nachprüfen konnte ich zunächst nicht. Inzwischen hat aber das großherzoglich badische Ministerium die Güte gehabt, mir auf meine Bitte seine Akten, die Schiffahrtsabgaben betreffend, zur Einsichtnahme zu überlassen. Ich habe jetzt meine Faszikelstöße (sie fangen mit 1821 an) mühsam durchgearbeitet. Für die Schrift von Peters hätte ich es nicht getan. Aber es war sonst lohnend; es gibt gewiß kein besseres Mittel die damaligen staatlichen Zustände zu erkennen, als wenn man sich einmal so in die vielen kleinen Einzelheiten vertiefen muß. Die verschnörkelte Unterschrift eines deutschen Diplomaten von Anno 30 habe ich mir für meinen Privatgebrauch abgemalt. Man sieht den Mann leibhaftig vor sich und die ganze "gute" alte Zeit, zu der er gehört.

* Zuerst veröffentlicht in den Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Bd. 40 (1907), S. 1 - 15. 1 Tübingen 1907.

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In der Sache möchte ich nunmehr noch folgendes bemerken: Der Gegensatz von Steuer und Gebühr, der bei Peters eine solche Rolle spielt, ist ja in der Tat wissenschaftlich von höchster Bedeutung. Aber ganz dilettantisch wäre es zu verlangen, daß auch die geschichtliche Wirklichkeit sich nur um diese Begriffe drehte. In den Kämpfen, welche der abschließenden Rheinjschiffahrtsakte vorausgingen, sind durchweg ganz andere Unterscheidungsmerkmale für die von der Schiffahrt zu erhebenden Abgaben oder Zölle maßgebend gewesen. Zuerst waren es ja die holländischen "Seezölle", welche vertragswidrig an den Rheinmündungen erhoben wurden, zufolge der "grammatischen und logischen" Auslegung; welche die dortigen Geheimräte dem Worte "jusqu'ä la mer" zu geben wußten. Preußen war damals ziemlich im Stiche gelassen und arg verhöhnt worden wegen seiner "pretentions maritimes" - ohne Flotte! Schließlich half Metternich. Nun kam denn auch endlich die Rheinschiffahrtsakte von 1831 zustande. Die von der Wiener Kongreßakte Art. 108 vorgesehene Kommission der Rheinstaaten ordnete darin die Sache auf den Grundlagen der Rhein-Schiffahrts-Oktroi-Konvention vom 15. August 1804. Der Rheinstrom war behufs der Abgabenerhebung in Strecken zerlegt; am Anfange jeder Strecke war eine Zollstelle, um von den sie befahrenden Schiffen im voraus entrichten zu lassen, was dafür geschuldet war. Dies war aber zweierlei: die Rekognitionsgebühr, Schiffsgebühr, droit de reconnaissance, nach der Ladefähigkeit des Schiffsgefäßes berechnet, und das Oktroi, der eigentliche Zoll von der Ladung, droit sur le chargement, nach dem Gewichte der Ladung berechnet, mehr und mehr auch nach der Verschiedenheit ihrer Art abgestuft. Das was ihnen beiden gemeinsam war, die Eigenschaft als Streckenzoll, führte zunächst zu den bittersten Konflikten. Preußen hatte seit 1816 jene große Wirtschaftspolitik ins Werk zu setzen begonnen, der die Zukunft gehörte. Es faßte seine Länder zu einheitlichen Zollgebieten zusammen. Daraus ergab sich eine strenge U eberwachung der diese durchschneidenden Wasserstraßen. Die anderen Uferstaaten aber betrachten den Rhein wie einen neutralisierten Völkerverkehrsweg und protestieren gegen diese "Mautheingriffe" . Die Akten hallen wider vom "freien deutschen Rhein" im Sinne des "konventionsgemäß freien Rheins" und des Kampfes gegen Belastung oder Hemmung "aller auf dem freien Strome des Rheins transitierenden Waren"1. Zugleich aber hatte Preußen aus der Aufhebung aller Binnenzölle die Folgerung gezogen, daß auch die konventionsmäßigen Rheinzölle, soweit der Strom durch preußisches Gebiet fließt, nicht gefordert werden dürften. Sobald freilich ein Schiff aus diesem Bezirke heraustritt, was bei der Bergfahrt in Koblenz geschah, wurde ihm die Rechnung gemacht und alles für die durchfahrenen preußischen Erhebungsstellen konventionsmäßig Ge1 Prot. der Rheinschiffahrts-Kommission vom 23. November 1821.

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schuldete in einem großen Posten nachgeholt. Das hatte für die anderen zunächst nicht viel zu bedeuten2 • Wer, um dem preußischen Gesamtrheinzoll zu entgehen, vor der Endstation auslud, hatte den preußischen Einfuhrzoll zu bezahlen, und wenn er die Ware nach Baden bringen wollte, noch einmal den badischen Einfuhrzoll. Als aber die oberrheinischen Staaten in den Zollverein mit Preußen traten, fiel das letztere weg. Baden und Württemberg sahen sich genötigt, damit die Schiffe trotzdem bis zu ihnen herauffuhren, jedesmal den preußischen Rheinzoll zu vergüten. Ein greulicher Zustand3 ! Vergeblich verlangten die Süddeutschen die Durchführung des konventionsmäßigen Erhebungsmodus. Preußen erklärte die Wiedereinführung eines Streckenzolles für schlechthin unmöglich, da die Bevölkerung seines Rheingebietes nun einmal an die völlige Freiheit des inneren I Schiffahrtverkehrs gewöhnt seP. Nur einige Maßregeln zur Abschwächung jener Nachteile waren zu erzielen gewesen. Dafür schien sich seit Mitte der Vierziger Jahre die Möglichkeit zu eröffnen zur Unterdrückung des einen der beiden in der vertragsmäßigen Rheinschiffahrtsabgabe enthaltenen Bestandteile, des Oktrois oder eigentlichen Rheinzolles, im Gegensatz zur Rekognitionsgebühr oder Schiffsgebühr. Soviel ich sehe, ging der erste Anstoß dazu von der niederländischen Regierung aus. Im Protokoll der Rheinschiffahrts-Kommission vom 3. September 1844 erklärt ihr Bevollmächtigter: "Er sei beauftragt, die gänzliche Aufhebung des Rheinschiffahrtzolles in Antrag zu bringen, nötigenfalls mit einer geringen Erhöhung der Rekognitionsgebühr. " Alsbald griff auch Preußen den Gedanken auf. Gegenüber dem Drängen auf Wiederherstellung des Streckenzolles erwiderte es in der (Anm.1) erwähnten Note vom 12. Juli 1847: "Nur Aufhebung alles Zolles" könne helfen; dies sei "der einzig mögliche Weg zur Beseitigung der gegenwärtig bestehenden Ungleichheit". Auf der Konferenz der deutschen Rheinuferstaaten zu Wiesbaden 11. August 1847 wiederholt Preußen seinen Vorschlag, dessen Wortlaut allerdings so verstanden werden könnte, als bezwecke er Aufhebung aller Schifffahrtsabgaben. Bayern begrüßt ihn als "sehr erfreulichen Beweis föderativer Gesinnung", und fragt an, ob die Rekognitionsgebühr nicht gleichwohl bestehen bleiben solle. Preußen erwidert: "Auf das Rekognitionsgeld beziehe sich sein Vorschlag nicht. Wie der Landverkehr neben 2 Es trat nur auf diese Weise recht scharf hervor, daß Preußen tatsächlich "die Konsumenten der oberrheinischen Staaten besteuerte" (Note des preuß. Gesandten vom 2. Okt. 1847). 3 Schilderung in Zuschrift d. Min. d. Fin. a. d. Min. d. Ausw. vom 24. Mai 1845. 1 Note des preuß. Gesandten vom 12. Juli 1847; Note des preuß. Min. des Aeußern vom 16. August 1855, des'gl. des preuß. Gesandten vom 9. Oktober 1860.

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dem Transitzoll Chaussee- und Brückengeld, also Abgaben für die Benutzung gewisser Anlagen zu tragen hat, so dürfte auch neben dem künftig etwa einzuführenden Rheintransitzoll nach wie vor ein Wegegeld für das Befahren des Rheins zu zahlen, nach Befinden der jetzt bei Erhebung des Rekognitionsgeldes angewendete Tarif einer Revision zu unterwerfen sein." Der Vorschlag ging nicht durch. Preußen ist aber noch mehrmals auf diesen Gedanken zurückgekommen. So in der Note vom 16. August 1855, die sich ausdrücklich auf den im Wiesbadener Protokoll von 1847 eingenommenen Standpunkt beruft, und dann wieder in der Note vom 9. Oktober 1860 und in der Konferenz der deutschen Rheinuferstaaten vom 12. Dezember 1860; Aufhebung des Rheinzolles (Oktrois) und "anderweitige Regelung" der Rekognitionsgebühr, das ist die Losung. Es ist leicht zu verstehen, welchen Wert diese Unterscheidung für Preußen hatte. Sein Grundsatz: keine Binnenzölle und die konventionsmäßigen Streckenzölle waren in Konflikt und die Klagen der Vertragsgenossen hatten nicht ganz unrecht. Es kam also darauf an, den Schifffahrtsabgaben die Natur von Zöllen zu nehmen und nur Wegegelder zu erheben, die auch nach den strengsten Grundsätzen im Binnenverkehre gerade so gut zulässig sein mußten wie die Chausseegelder; dann war die "bestehende Ungleichheit" zu beseitigen. Der Wesensunterschied zwischen Zöllen und Wegegeldern wurde darin gefunden, daß die ersteren von den bewegten Waren erhoben werden, die letzteren für die Benutzung der Wasserstraße zur Schiffahrt, - "für das Befahren des Rheins", also von dem fahrenden Schiffe. Das sollte dann praktisch einen verschiedenen Erfolg haben, insofern die Zölle auf die Konsumenten überwälzt werden könnten, die Wegegelder nicht. Dessen glaubte man ganz sicher zu sein und darum nahm man es mit jener Unterscheidung der Erhebungsweise streng. Zu der Konferenz Ivom 12. Dezember 1860 hatte Baden den Antrag gestellt: "An Stelle des Rheinzolles und der Rekognitionsgebühr ein einfaches Wasserwegegeld zu setzen, 1 Sgr. vom Zentner der Güter, und auf die einzelnen Erhebungsstrecken zu verteilen." Aber Preußen bekämpfte diesen Antrag (der ja eine höchst beträchtliche Verminderung der Abgaben bedeutete), und zwar nicht wegen der unabhängig von den aufzuwendenden Kosten bemessenen Höhe der Abgabe, sondern wegen der Art der Erhebung (von den Gütern!), die es für besonders belästigend erkannte. Das einzige sei: Aufhebung aller Zölle und Erhebung einer nach Strecken verteilten Rekognitionsgebühr nach der Tragfähigkeit des Schiffes. Dabei schlug es vor, "den Ertrag der Rekognitionsgebühr (also die Gebühr für das Befahren des Rheins) dergestalt zu erhöhen, daß voraussichtlich eine angemessene Einnahme verbleibe". Der preußische, wie der badische Wegegeldbegriff ist ein rein formeller. Nach durchfahrener Strecke be-

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rechnet werden wollen sie beide; zum preußischen gehört auch noch die Erhebung vom Schiffsgefäß, zum badischen ein geringer Satz (nicht ganz 1 Pfg. pro Strecke und Zentner). In diesem letzteren Sinne wird auch öfter von einem "bloßen", einem "einfachen" Wegegeld gesprochen.Mit der schärferen Ausprägung der Wegegeldnatur der Abgabe sind wir von selbst in das Gebiet des wissenschaftlichen Begriffes der Gebühr gekommen. Gebühr ist eine Gegenleistung in Geld für die besondere Inanspruchnahme einer öffentlichen Anstalt oder Einrichtung. Zum Unterschied von der Steuer hat die Gebühr noch eine besondere - wir wollen sagen - moralische Rechtfertigung in dem Aufwand, welchen die benützte Einrichtung dem gebührenerhebenden Staate verursacht. Abstrakt genommen, kann man eine gewisse Billigkeitsforderung aufstellen, daß dieser Aufwand und der Gesamtbetrag der Gebühren sich möglichst decken sollen. Es wäre aber ein leerer Doktrinarismus zu behaupten, daß es glattweg so sein müsse und so sein könne l . Die Gebühren, welche die Post erhebt, geben vernünftigerweise einen Ueberschuß, die des Reichsgerichts und der Universität decken die Kosten nicht entfernt. Hier kommen noch allerlei andere Rücksichten in Betracht. Gebühren sind Gegenleistungen und entsprechen dadurch ihrem Begriff, auch wenn sie dem Maße nach der Leistung nicht entsprechen. Wenn es sich um die Benützung einer natürlichen Wasserstraße handelt, wäre aber schon rein tatsächlich ein fester Maßstab mit der Forderung des Ausgleichs nicht gegeben. Was dazu gehört, um Herstellung, Betrieb und Abschreibung bei einem Kranen, einer Schleuse, einer Wage zu decken, das mag man mit annähernder Sicherheit berechnen. Aber der Strom hält nicht nur weder Regel noch Gleichmaß ein in seinem Bedarf, er stellt auch eine Vereinigung gar vieler Interessen dar; was daran gebaut und gearbeitet wird, dient der Landeskultur, der Sicherung vor Ueberschwemmungen, der Gesundheitsfürsorge, der Schiffahrt auch; was jedes trifft für seinen Anteil, ist mehr oder weniger Schätzung und Willkür, grenzt sich keineswegs mit objektiver Sicherheit ab. Alles in Allem, wenn ich sage: Schiffahrtsgebühren sind zu erheben, gebe ich gar keinen Maßstab, setze ich hinzu: nach der Höhe des für die Schiffahrt gemachten Aufwandes, so gebe ich einen vieldeutigen, der Willkür Tür und Tore öffnenden. I Betrachten wir die Rheinschiffahrtsabgaben unter diesen Gesichtspunkten, so zeigt sich, daß der Zusammenhang mit den Strombaukosten, der die Gebühren kennzeichnen soll, bei ihnen von Anfang an 1 Wenn man gar, wie Peters S. 322, von einem "wirtschaftlichen Naturrecht" spricht, so ist das wohl nicht so ernst gemeint.

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betont wurde. Schon der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, auf dessen Grundlage nachher die Oktroi-Konvention geschlossen wurde, bestimmt in § 39, daß der Ertrag, nach Abzug der Kosten der Erhebung, der Verwaltung und der Polizei, "vorzüglich zur Unterhaltung der Leinpfade und der zur Schiffahrt erforderlichen Arbeiten auf jedem der respektiven Ufer bestimmt ist". Auch die Wiener Kongreßakte hebt in Art. 111 und 113 diese Gegenseitigkeit hervor. Selbstverständlich ist hier immer die ganze Abgabe gemeint ohne Unterschied zwischen Oktroi und Rekognitionsgebühr. Im Wiesbadener Protokoll vom 11. August 1847 erklärt Nassau: "Der Rheinzoll ist keine Abgabe, welche unbillig genannt werden kann, indem den Regierungen dagegen nicht unerhebliche Leistungen obliegen." Und gegenüber dem preußischen Versuch, einen aufzuhebenden Rheinzoll und ein beizubehaltendes Wegegeld zu unterscheiden, führt Hessen in einem Promemoria vom 3. Februar 1848 aus: "Die großherzogliche Regierung teilt die Ansicht der preußischen über die Natur der Rheinzollabgaben nicht. Sie sieht das Rheinoktroi, welches nach der Rheinschiffahrtsakte an den verschiedenen Erhebungsstellen erhoben werden soll, für nichts anderes als ein Wasserwegegeld an. Es soll dasselbe in seiner Wirkung derjenigen Abgabe gleich sein, welche auf gebauten Landstraßen für den Gebrauch derselben erhoben wird. Dieses Wasserwegegeld dient, nach Berichtigung der auf dem Rheinoktroi radizierten Renten zur Bestreitung der Kosten für die Unterhaltung der Leinpfade, für die Arbeiten im Bette des Flusses und für die polizeilichen Anstalten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit auf dem Rhein." Es wird dann der Vergleich mit den preußischen Chausseegeldern im einzelnen durchgeführt. In Staaten, die solche erheben, schließt das Promemoria, fordert die Konsequenz, auch die Wasserwegegelder, insbesondere die Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein, so wie sie sind, beizubehalten. - Dabei ergaben allerdings diese Wasserwegegelder für Hessen einen erheblichen Ueberschuß, der im Jahre 1848 auf über 100000 Tlr. jährlich berechnet wurde. Und doch Wasserwegegeld! In einer badischen Denkschrift von 1859 "über Umgestaltung der Rheinzölle in Wasserwegegeld" wird hervorgehoben: "Der Aufwand, dem die Zölle vorzugsweise ihren Ursprung verdanken, steht mit den Einnahmen in auffallendstem Widerspruch." Baden hat 1857 20 000 Franken eingenommen, 100 000 Franken ausgegeben. Gleichwohl wird nur angestrebt: ein "sehr mäßiges Wasserwegegeld, welches Mittel für die auf den Rheinzöllen noch ruhenden Renten und für Unterhaltung der Leinpfade und der Schiffahrtsstraße liefern würde". Baden ist also zufrieden, wenn es nur einen Zuschuß für den ihm obliegenden Aufwand erzielt. Eine glatte Deckung kann überhaupt nicht Ziel der Vereinbarung sein. Denn die Selbstkostenberechnung gibt hier keinen zu rechtlicher Bindung brauchbaren Maßstab.

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Diese Erkenntnis trat mit voller Klarheit zutage bei den Verhandlungen der Frankfurter Nationalversammlung zum Gesetzentwurf über die Aufhebung der Flußzölle. Der im Namen des "volkswirtschaftlichen Ausschusses" dazu erstattete Bericht rechtfertigt die Aufhebung aller Abgaben mit folgender Erwägung: "Der Grundsatz der Wiener Kongreßakte, die Flußzölle auf die zur Erhaltung der Schiffbarkeit notwendigen Einnahmen zu beschränken, ist wie die seitherige Erfahrung zur Genüge dargetan hat, keineswegs geeignet, die Schiff Ifahrt vor drükkender Belastung zu sichern. Großenteils liegt das in der Natur der Sache; denn ein Wasserwegegeld, dessen Höhe nach den Kosten der Unterhaltung sich richten soll, kann an sich keinen Maßstab geben, der im Vorwege sich fest bestimmen ließe usw." Es werden nun im einzelnen verschiedene Gründe dieser Unfaßbarkeit aufgeführt!. Noch schlagender ist die gemeinsame Gegenerklärung der Regierungen 2 • Sie verlangen Abschaffung aller bestehenden Schiffsabgaben und Flußzölle, "jedoch sind die Uferstaaten berechtigt, Wasserwegegelder zu erheben, welche von der Reichsgewalt, und zwar in der Art festgesetzt werden, daß jeder Uferstaat nicht mehr erhebt, als zum Ersatz der regelmäßigen Verwendung erforderlich ist". Also Gebühren in Höhe des eigenen Aufwandes sollen die Einzelstaaten erheben dürfen - das Gebührenideal! -, aber beileibe nicht nach eigener Schätzung und Festsetzung, sondern die unparteiische Reichsgewalt bestimmt ihnen das Maß. So allein wird das Gebührenprinzip hier rechtlich verwendbar. Die Chausseegelder, die so häufig mit den Schiffahrtsabgaben verglichen werden, lassen sich ihrer Natur nach viel leichter nach dem Maßstabe der Selbstkosten regulieren; der Aufwand ist hier gleichmäßiger und es handelt sich nicht darum, den Anteil anderer Interessen erst noch auszusondern. Der Zollvereinigungsvertrag vom 8. Juli 1867 Art. 22 beschränkt sie in der Tat auf die Höhe der Selbstkosten; er fügt aber vorsichtigerweise noch einen absoluten Maßstab hinzu: sie dürfen in keinem Falle den Satz des preußischen Tarifs von 1822 überschreiten. Hätte man es je gewagt die Schiffahrtsabgaben vertragsmäßig der einzelstaatlichen Berechnung der Selbstkosten anzuvertrauen, so würde man nicht versäumt haben, ein gleiches vorzusehen. Aber man hat es nie ernstlich versucht, sondern sich stets an feste Sätze gehalten. Der Fortschritt bestand nur im fortwährenden Herunterdrücken dieser Sätze. Ende 1860 war man soweit gekommen, daß Hessen und Nassau an eigentlichem Rheinzoll nur mehr 1/6 des ursprünglichen Normalsatzes erheben durften, Baden, Bayern und Preußen nur 1/10 ; seit 1864 waren Wigand, Stenogr. Ber. Bd. V S. 3758, 3759. Abgedruckt bei Schumacher, Zur Frage der Binnenschiffahrtsabgaben S. 130, 131. 1

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alle Staaten auch gehalten, an Rekognitionsgebühren höchstens die Hälfte des Normalsatzes zu erheben. Und nun wäre das Unglaubliche geschehen! Denn nach alledem sollen die Vertragsgenossen im Jahre 1868 kurzweg, eigentlich sogar ganz stillschweigend, jedem wieder freigegeben haben, sich seine Abgaben nach den zurechtgelegten Selbstkosten zu berechnen und solche also, wie das ja als selbstverständlich angesehen wird, auch durch die Nachholung älteren Aufwandes in nicht mehr meßbarer Weise zu steigern? Den Nachweis, daß die Regierungen wirklich so mutwillig gewesen seien, macht sich Peters, scheint mir, etwas gar zu leicht. Von dem ganz unzulässigen Versuch, aus der Donauschiffahrtsakte hiefür Schlüsse zu ziehen, reden wir nicht mehr; der ist beseitigt. Er beruft sich aber auch auf den Text der Rheinschiffahrtsakte und den Zusammenhang der Verhandlungen. Und dahin wollen wir ihm folgen. Was den Text anbelangt, so lautete der preußische Entwurf, der ja zugrunde lag, in dem entsprechenden Art. 3: "Für die Befahrung des Rheins darf eine Abgabe weder von den Schiffen oder ihren Ladungen, noch I von den Flössen erhoben werden." Hier ist einfach die, wie wir sahen, seit dem Jahre 1847 von Preußen festgehaltene Formel zur Bezeichnung der Wegegelder wiedergegeben, als der einzigen Abgabenart, an deren Möglichkeit noch gedacht werden sollte. Auch diese wird also hier verneint, mitsamt der mehr und mehr an diesen Ausdruck gehängten Idee einer Gegenleistung für den gemachten Aufwand. Der im endgültigen Vertragstext an die Stelle getretene Art. 2 spricht allerdings von "Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet". Aus den Aenderungen, welche der Text im Laufe der Verhandlungen erlitten hat, gehe hervor, meint er, daß seine anpassung an Art. 15 des Pariser Vertrages (Donauschiffahrt betreffend) beabsichtigt war (woraus er dann die wunderliche Folgerung ziehen möchte, daß auch die in einem späteren Artikel des Pariser Vertrags für gewisse Abgaben ausdrücklich gemachte Ausnahme mit übernommen wäre; davon reden wir, wie gesagt, nicht mehr); der neue Wortlaut sei anscheinend auf Betreiben des französischen Vertreters gewählt und habe die Absicht, jenes Verbot "seines allgemeinen Charakters zu entkleiden" und in seiner sachlichen Wirkung "einzuschränken"; die Zusätze "base uniquement" und "sur le fait", wie sie im französischen Texte lauten, könnten einen anderen Sinn überhaupt nicht haben; wenn man nicht sagen wollte, daß Befahrungsabgaben unter Umständen doch zulässig sein sollten, hätte man einfach "den preußischen Vorschlag mit seiner kurzen peremtorischen Fassung" angenommen. Ich habe in meiner Entgegnung bemerkt, daß ich nicht verstände, wie die Verschiedenheit der beiden Ausdrücke so große Tragweite

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haben solle. Nunmehr habe ich die Verhandlungen, auf welche sich Peters beruft, selbst eingesehen und kann bestätigen, daß er ein reines Märchen erzählt. Der Entwurf bestimmte in Art. 1 freie Schiffahrt auf dem Rhein, einschließlich von vier namentlich bezeichneten niederländischen Wasserläufen. Art. 2 verbot die Befahrungsabgaben. Art. 3 befahl alle zur Rheinschiffahrt gehörigen Schiffe wie die eigenen zu behandeln. Art. 4 handelte dann noch einmal von den Niederlanden besonders: die zur Rheinschiffahrt gehörigen Schiffe sollen dort auch jeden anderen Weg als jene vier nehmen dürfen und die niederländische Regierung "wird auch auf anderen als den in Art. 1 bezeichneten Wasserstrassen weder Gebühren und Abgaben, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung dieser Wasserstraßen gründen, noch zwischen Lobith, Rotterdam, Dortrecht und Amsterdam Boien-, Baken- oder Lotsengebühren erheben". Man sieht, daß dieser Art. 4 zum Teil von freier Schiffahrt handelt, was an Art. 1 sich anschloß, zum Teil von Abgabenverbot, was zu Art. 2 gehörte, beides war für die Niederlande apart behandelt. Das wollte man nicht, und so findet sich denn im Protokoll der Kommission vom 23. Juli 1868 der Vermerk: "Artikel 2 und folgende. Es wurde für geeignet erachtet, die Reihenfolge der Artikel 2 bis 8 vollständig zu ändern, so zwar, daß als neuer Artikel 2 der bisherige Artikel 4 in abgeänderter Fassung, sodann als Artikel 3 der bisherige Artikel 2 mit einem Zusatz aus dem bisherigen Artikel 4 ... eingesetzt werden soll."· 1 Bei der "neuen Fassung" des Artikel 2 ist dann ganz von selbst der Ausdruck "welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründen" aus dem nunmehr vorangestellten Art. 4 übernommen worden an Stelle des Ausdruckes "für die Befahrung"1. Diese beiden Ausdrücke standen im ursprünglichen Entwurf ganz friedlich nebeneinander und bedeuteten das nämliche (wird "auch auf anderen Wasserläufen" keine 1 Bei derselben Gelegenheit wurde dann auch die Bestimmung über Boienund Bakengelder (Art. 3 Abs. 2) verallgemeinert. Ursprünglich, in Art. 4, bezog sie sich nur auf die Niederlande, die ja unterhalb Rotterdam solche Gelder (Seeschiffahrt) erheben durften. Wenn die Folgerungen, welche Peters S.308 aus dem "ebensowenig" ziehen will, einer Widerlegung bedürfen, so wäre sie damit gegeben.

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Abgaben erheben, welche "sich lediglich ... gründen"). Sonst ist nichts vorgekommen. Es wäre schade, hier noch irgendeine Bemerkung hinzuzufügen. Des weiteren scheint die Phantasie auch noch eine unheilvolle Rolle gespielt zu haben, bei der Darstellung, die Peters S. 303 ff. gibt VOn den Gegenleistungen, welche für den Verzicht auf die Abgaben verlangt, und VOn den Verhandlungen, die darüber mit den Niederlanden geführt worden sind. Er erzählt Uns: "Die Gegenleistung sollte darin bestehen, daß die Niederlande ebenso wie alle anderen Rheinuferstaaten eine positive Verpflichtung übernehmen sollten, den Strom, den steigenden Bedürfnissen der Schiffahrt entsprechend, nicht nur zu unterhalten, sondern auch weiter auszubauen." Denn der maßgebende Art. 67 der Rheinschiffahrtsordnung vom 31. März 1831 verpflichtete im wesentlichen nur zur Unterhaltung des Leinpfades und zur Fernhaltung Von im Strombette vorkommenden Hindernissen. Es bestand zwar noch ein Vertrag vom 31. Dezember 1851 zwischen dem Zollverein und den Niederlanden, der eine ausdrückliche Stromverbesserungspflicht enthielt; aber der war kündbar. Das Streben der deutschen Unterhändler ging deshalb dahin, eine unkündbare feste Norm dieses Inhalts in die Rheinschiffahrtsakte aufzunehmen, und das kam zum Ausdruck in dem Art. 30 des "der niederländischen Regierung mitgeteilten preußischen Entwurfs", dahin lautend: "Les parties contractantes s'engagent chacune pour l'etendue de SOn territoire a mettre le chenal et le chemin d'halage en bon etat et ales maintenir dans cet etat." Allein: "dieser Vorschlag drang nicht durch, und nach langen mühevollen Verhandlungen kam es schließlich zu einem Komprorniß, daß die Strombaupflicht der Uferstaaten durch die Einschaltung comme pour le passe, zu deutsch: wie bisher (verbindlich) beschränkt werden sollte." Und nun knüpft Peters daran ein über drei Seiten sich hinwegziehendes Wehklagen über den deutschen Mißerfolg. Das war eine "contradictio in adjecto", keiner der "leider vielfach vorkommenden Flüchtigkeitsfehler", sondern ein wirkliches "sacrificium intellectus", ein "unklares und ohne Zweifel absichtlich mehrdeutiges Komprorniß", in der "Praxis als völlig wertlos" sich erweisend. In Wirklichkeit ist die Sache nicht so schlimm gewesen. Vielleicht ist es einem Leser, der gelernt hat, auf seiner Hut zu sein, gleich aufgefallen, daß hier gerade "der der niederländischen Regierung mitgeteilte Entwurf" betont wird, um dann mit dem französischen Texte weiter zu operieren. Es war natürlich alsbald Ehrensache der deutschen Vertreter in der Kommission geworden, den Vorrang ihrer Sprache zu behaupten; als Minimum hatten sie den Grundsatz aufgestellt, daß jedenfalls für sie Und ihre Staaten immer nur der deutsche Text maßgebend I sei

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selbstverständlich, möchten wir sagen 1 . Die Anträge, welche von ihnen eingebracht wurden, waren immer deutsch; manchmal verzögerte das Verlangen nach einer französischen Uebersetzung die Verhandlungen; bei größeren Entwürfen legte man aus Höflichkeit von vorneherein eine solche bei. Die Mitglieder der Kommission bekamen dann beides. Der badischen Regierung wurde unterm 6. August 1867 vom preußischen Gesandten der Entwurf der Rheinschiffahrtsakte "in deutscher und französischer Sprache" vorgelegt. Es würde nicht stimmen zu dem sonstigen Verhalten der preußischen Regierung, wenn sie es der niederländischen Regierung gegenüber anders gemacht hätte. Weshalb aber nun hier bei Peters diese plötzliche Vorliebe für den französischen Text? Darin steckt eben wieder eine kleine Schlauheit. Der maßgebende deutsche Text des Entwurfes lautete nämlich von vorneherein in Art. 30: "Die vertragenden Teile verpflichten sich, auch in Zukunft innerhalb der Grenzen ihres Gebietes das Fahrwasser und den Leinpfad in guten Stand zu setzen und darin zu erhalten." Das "auch in Zukunft" war in der französischen Uebersetzung einfach weggeblieben. Die zur Begründung beigegebene Denkschrift hatte aber S. 11 ganz ruhig bemerkt: "Art. 30 entspricht dem Art. 67 der Akte von 1831" - dem "ungenügenden" Art. 67! Die badische Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues hatte gleichwohl mit Bericht vom 2. September den Wunsch ausgesprochen, daß man sich dagegen versichere, um dieses (deutschen!) Textes willen nicht zur Wegräumung der Kiesbänke im Rhein angehalten zu werden. Der zum Gutachten aufgeforderte Bevollmächtigte in der Rheinschiffahrtskommission meint: man werde in dieser Hinsicht keine größeren Pflichten haben als bisher und niemand in der Kommission werde etwas dagegen haben, daß das im Schlußprotokoll erklärt werde (Bericht vom 15. April 1868 Ziff. 17). Im Schlußprotokoll wurde dann gleichwohl nichts aufgenommen; denn als der badische Vertreter in der Sitzung vom 23. Juli 1868 dies Bedenken zur Sprache brachte, erklärte die Kommission, daß ein Mißverständnis nicht möglich sei, "indem aus der Fassung des Artikels nicht mehr als die bisher bestehende Verpflichtung gefolgert werden könne" (Prot. S. 16). Dann fährt das Protokoll fort: "Auf Verlangen des Bevollmächtigten für Niederland wurde in Zeile 3 statt ,den Leinpfad' gesetzt: ,die vorhandenen Leinpfade', da nach den in den Niederlanden bestehenden Lokalverhältnissen die Anlegung eines Leinpfades nicht überall möglich sei." Niemand hat widersprochen; weder vorher noch nachher haben die Niederlande gegen den Art. 30 (jetzt Art. 24) andere Einwendungen 1 Prot. d. Komm. vom 7. Juni 1817 § 2; vom 7. Dezember 1825; Promemoria des preußischen Vertreters Präsident Delius von 1829: "daß Preußen und die übrigen deutschen Uferstaaten vollkommen berechtigt sind, den deutschen Text des Rheinvertrages als Original anzusehen."

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vorgebracht. Der französische Text war inzwischen durch den Zusatz "comme pour le passe" berichtigt und mit dem deutschen in Einklang gebracht worden (der schließlich seinerseits, statt "auch in Zukunft", sagte: "wie bisher") - ohne Sang und Klang! Die ganze Geisterschlacht um Art. 30, die Peters mit visionärem Auge geschaut haben will, mitsamt der deutschen Niederlage, ist ja recht fesselnd zu lesen und geeignet, das patriotische Gefühl zu erregen. Wahr ist nichts daran 2• I Einen praktischen Zweck und Zusammenhang hat das Phantasiegebilde gleichwohl. Da nämlich für die trügerische Zusage der Niederländer "die deutsche Gegenleistung in Gestalt des internationalen Verzichtes auf die Binnenzölle" in Art. 3 der Akte "vollkommen klar und deutlich" gemacht worden ist, so leuchtet es ja ein, wie gut es war, daß man diesen Verzicht nicht "gänzlich und für immer" und nicht so ganz "ohne weiteres" gemacht hat, sondern sich die Wiedereinführung wenn nicht von Zöllen, doch von Schiffahrtsabgaben im Gebührenmaß vorbehielt. Wir sollen es also mit Freuden begrüßen, daß nach Ausweis der Akten wirklich im Hinblick auf die erwartete und nicht eingetretene Gegenleistung der Niederländer ein solcher Vorbehalt ausgesprochen wurde. Dadurch erhält das Zitat, welches Peters S. 302 bringt, erst seine rechte Bedeutung. Er schreibt: "Der preußische Unterhändler für den Abschluß der Rheinschiffahrtsakte erklärte nach dem Protokoll vom 23. Juli 1868, die deutschen Staaten hätten auf diese Zölle ,keineswegs ohne weiteres' verzichtet, wenn sie auch deren Erhebung eingestellt hätten. Die übrigen deutschen Vertreter schlossen sich dieser Auffassung im allgemeinen an." Natürlich betrachten wir das Protokoll wieder erst einmal genauer. Dort hatte der niederländische Vertreter vor Eintritt in die sachliche Erörterung geäußert (S. 2): Es bedürfe, da die Hauptsache, nämlich die Abgabenfreiheit für den Rhein, in dem preußischen Entwurfe ohne weiteres zugestanden sei, gar keines langen Vertrages mehr; der Fiskus der Uferstaaten sei danach bei der Sache nicht mehr direkt interessiert; statt des ausführlichen Entwurfes würden daher wohl einige kurze Bestimmungen genügen. Darauf erwiderte der preußische Bevollmächtigte: "Daß die Rheinschiffahrtsabgaben, deren Erhebung, wie er hier beiläufig bemerken wolle, durch die Friedensverträge von 1866 zwar 2 Ernstliche Schwierigkeiten entstanden mit den Niederlanden nur wegen der Bestimmung in Art. 2, wonach sie die Schiffahrt auf dem Wege zum Meere "durch künstliche Anlagen nicht erschweren" sollten. Deshalb wurden die Verhandlungen sogar zeitweilig abgebrochen (Prot. 23. Juli 1868 S. 28). Die Niederländer waren damals sehr mißtrauisch gegen Preußen und fürchteten, man suche Vorwände, um in ihre Freiheit bezüglich des öffentlichen Bauwesens einzugreifen (Bericht des badischen Minister-Residenten im Haag vom 10. September 1868). Das war natürlich etwas ganz anderes.

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eingestellt worden, auf die die deutschen Staaten indessen keineswegs ohne weiteres verzichtet hätten, künftig definitiv aufgehoben sein sollen, sei auch in dem vorliegenden Entwurfe anerkannt." Aber es sei doch noch gar vielerlei im einzelnen zu ordnen und deshalb wäre es besser, sich an die Vorlage zu halten, "welche jedenfalls das Verdienst der Vollständigkeit für sich in Anspruch nehmen dürfe". Für diese Auffassung des preußischen Bevollmächtigten "entschied sich die Kommission in ihrer Mehrheit" (Prot. S.4). Es steht also so: Die "beiläufige Bemerkung" des preußischen Bevollmächtigten enthielt eine selbstverständliche, von niemandem bestrittene Wahrheit. Gibt man allerdings den Zwischensatz allein, so kann der Eindruck hervorgerufen werden, daß es sich um einen Vorbehalt handle auch gegenüber dem abzuschließenden Vertrag. Liest man aber billigerweise den ganzen Satz, so ergibt sich das gerade Gegenteil; es ergibt sich, daß der preußische Bevollmächtigte, eben weil die Einstellung der Erhebung der Schiffahrtsabgaben nach den Friedensverträgen keine definitive, für alle Rheinuferstaaten verbindliche war und sein konnte, eine ausdrückliche Vertragsbestimmung für nötig erklärte, in der sämtliche Rheinuferstaaten die definitive Aufhebung dieser Abgaben anerkannten. In den Friedensverträgen hatten die Kontrahenten sich nämlich zur völligen Einstellung nur verpflichtet, sofern, was dann tatsächlich geschah, auch die übrigen deutschen I Rheinuferstaaten gleichzeitig die gleiche Maßregel treffen würden; die deutschen Rheinuferstaaten standen aber hinsichtlich der Rheinschiffahrt überdies noch mit andern am konventionellen Rhein beteiligten nichtdeutschen Uferstaaten Frankreich und Niederland - in einem internationalen Vertragsverhältnis. Hatten diese die Abgaben auch einseitig bereits aufgehoben, so hatten sie sich doch ebensowenig, wie es die deutschen Rheinuferstaaten ihnen gegenüber getan, den anderen Rheinuferstaaten gegenüber ver,.. tragsmäßig zur Aufhebung verpflichtet. Der preußische Bevollmächtigte wiederholte daher lediglich, was bereits die preußische Denkschrift in der Begründung zu Art. 2 des Entwurfs der Rheinschiffahrtsakte ausgeführt hatte; datJ.ach sollte "durch diesen Artikel die bisherige nur zwischen deutschen Regierungen vereinbarte, in Frankreich und Niederland auf Grund einseitiger Akte der Gesetzgebung bestehende Freiheit der Rheinschiffahrt von Abgaben zum internationalen Vertragsrecht zwischen den Uferstaaten erhoben werden", wie es dann durch Art. 3 geschah. Die Zustimmung der Kommission "in ihrer Mehrheit" aber bezog sich in Wirklichkeit auf die von Preußen vorgeschlagene geschäftsordnungsmäßige Behandlung (Gesamtrevision der Rheinschiffahrtsakte statt der von den Niederlanden zuerst angeregten Beschränkung auf einzelne Aenderungen und Ergänzungen). Wenn man aber, wie Peters tut, die

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nur "im allgemeinen" erfolgte "Zustimmung der deutschen Vertreter" auf die tatsächlich unwidersprochene "beiläufige Bemerkung" bezieht und gar noch ohne den entferntesten Anhaltspunkt hinzufügt: "der französische Vertreter scheint .... doch im wesentlichen den deutschen Standpunkt unterstützt zu haben", so wird dadurch der Eindruck bestärkt, daß es sich hier in Wirklichkeit um einen rechtsbedeutsamen von den Vertragsparteien zugelassenen Vorbehalt handle. In beiden Richtungen wird also wieder einmal, objektiv betrachtet, bei vielen Lesern der Petersschen Ausführungen eine Täuschung vorliegen.Es sei mir nur gestattet, noch ein Wort zu sagen von einem sehr erwünschten Nebengewinn, den mir mein Aktenstudium gebracht hat und der mir für die Rechtsgeschichte der Schiffahrtsabgaben nicht unbedeutend zu sein scheint. Reichsdeputationshauptschluß, Pariser Frieden, Wiener Kongreßakte sprechen durchweg nur von Abgaben für die Benützung der Wasserstraße des Rheins, Schiffahrtsabgaben, droits de navigation. Was man für die Benützung der verschiedenen Einrichtungen in den Flußhäfen verlangen wollte, blieb zunächst noch frei und der Regelung der Einzelstaaten überlassen. Es scheint, gerade am Rhein, Unfug damit getrieben worden zu sein, und so ergab sich das Bedürfnis, die vertragsmäßige Bindung auch auf diese "Nebengebühren" auszudehnen. Der preußische Entwurf einer Rheinschiffahrtsordnung von 1821 bestimmte in § 57: "Wo Werfte, Bollwerke, Kranen, Wagen, Magazine und Sicherheitshäfen ... errichtet sind, ist nur derjenige, der sie wirklich gebraucht, zu den Unterhaltungskosten beizutragen verpflichtet. Ein Schiffer, der am Ufer anlegt ... ohne solche Anstalten zu benützen ... , ist nicht verpflichtet, dafür eine Gebühr zu bezahlen." Daneben handelt es sich auch darum, Maximalsätze für diese Gebühren zu gewinnen. Der so mühselig zustande gekommene Vertrag von 1831 gab in seinen Art. 53-70 die nötigen Bestimmungen, wieder mit Aufzählung der wichtigsten hierhergehörigen "Maßregeln zur Erleichterung des Handels und zur Beförderung der Schiffahrt". Die Zollvereinigungsverträge von 1833 handeln in Art. 15 von "Wasserzöllen oder auch Wegegeldgebühren auf Flüssen", in Art. 17 von "Kanal-, I Schleusen-, Brücken-, Fähr-, Hafen-, Wage-, Kranen- und Niederlage-Gebühren und Leistungen für Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind". So auch noch Art. 23 und Art. 25 des Zollvereinigungsvertrags von 1867. Die Reichsverfassung von 1849 spricht wiederum in § 25 von Flußzöllen, in § 26 von "Hafen-, Kranen-, Wage-, Lager-, Schleusen- und dgl. Gebühren".

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Also überall die Schiffahrtsabgaben einerseits und ein Versuch anderseits, die der Schiffahrt sonst noch dienenden Einrichtungen aufzuzählen. Und die Ausdrucksweise erbt sich fort, auch das Erfordernis der "Benutzung wirklich bestehender Einrichtungen" - wer sich darüber aufhält, hat kein Verständnis für das Gesetz der Beharrung im Recht; das gilt auch von Peters. Und nun kommt auf einmal die Verfassung des Norddeutschen Bundes Art. 54 Abs.4: "Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden." Es ist außer Zweifel, daß mit den "besonderen Anstalten" gemeint ist, was man sonst aufzuzählen versuchte. Delbrück1 hat es noch zu allem Ueberfluß bezeugt, daß Art. 25 des Zollvereinigungsvertrags VOn 1867 zur Erläuterung diene. Aber woher kommt nUn dieser Ausdruck "besondere Anstalten"? Logisch läßt er sich ja wohl erklären als Gegensatz zur benutzten Wasserstraße. Aber so von ungefähr schneit der Wechsel im Ausdruck nicht herein. Irgendein Grund, irgendeine Anknüpfung muß vorhanden sein. Ich hoffe, daß viele Leser verstehen werden, daß mich diese Unklarheit bedrückte, und ebenso, daß ich mich freute, als ich glaubte, die Lösung gefunden zu haben. Es ist bekannt, daß der Art. 54 unserer Reichsverfassung entstanden ist aus einer kräftigen Zusammenziehung der Bestimmungen der Art. IV und V der Reichsverfassung von 1849. Delbrück, der das ge.,. macht hat, hat natürlich die dazu gehörigen Materialien in Händen ge"': habt, und an solchen boten die Akten des preußischen Ministeriums nichts Bedeutsameres als die gedruckte "Denkschrift über die Bestimmungen, welche rücksichtlich der schiffbaren Flüsse und Wasserstraßen im Deutschen Reiche zu treffen sein werden in spezieller Anwendung auf die preußischen Verhältnisse". Sie enthält Bemerkungen zu den Verhandlungen des maßgebenden "volkswirtschaftlichen Ausschusses" der Nationalversammlung, datiert von Frankfurt, Oktober 1848, und vertritt ausdrücklich den Standpunkt der preußischen Regierung.Schumacher, der sie in den preußischen Ministerialakten gefunden haben muß, bezeichnet sie (Binnenschiffahrt S.126) als "anscheinend halbamtlich". Sie findet sich aber auch in den badischen Akten mit dem Vermerk des Ministeriums des Aeußern, d. d. 15. November 1848: "Von Großherzoglicher Gesandtschaft zu Frankfurt wird br. m. eingesendet die ihr vom Königlich preußischen Bevollmächtigten mitgeteilte Denkschrift über usw." Dann gehen Exemplare amtlich an die Ministerien des Innern und der Finanzen. 1

Der Art. 40 der Reichsverfassung S. 89.

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Für die äußere Rangstellung reicht das aus. Ich muß aber auch gestehen, ich habe in den ganzen 19 Faszikeln keine Auseinandersetzung gefunden, die so sehr den Stempel der geistigen Ueberlegenheit getragen hätte, wie diese. War es bloß die ungeheure Anregung des Jahres 1848? War es ein bedeutender Mann, der das geschrieben hat? Es verdiente festgestellt zu werden. Was unsereinen besonders anmutet, das ist der großartige systematische Zug, der in I diesem Schriftstück ist; die ganze Abgabenfrage beherrscht es. Es verdiente in extenso abgedruckt zu werden. Ich muß mich darauf beschränken, einiges wiederzugeben, was zur gegenwärtigen Frage gehört. Die Denkschrift beginnt mit einer Darstellung "der staatsrechtlichen Grundlagen im allgemeinen". Hier werden unterschieden: privative 1 und konventionelle Flüsse. Bezüglich der ersteren üben die Staaten unbedingte Rechte der Gesetzgebung und Aufsicht (S. 4): 1. über Gebrauch des Wassers (Zulassung Fremder zur Schiffahrt, Anlegung von Kanälen, Mühlen, Fähren); 2. über den Gebrauch der Ufer (Leinpfade, Häfen, Bollwerke und andere Wasserbauten); 3. über die Abgaben, welche, sei es für den Gebrauch des Wassers, sei es für die Benutzung der zur Erleichterung dieses Gebrauchs eingerichteten Anlagen, zu entrichten sind.

Diesen Rechten korrespondiert die Verpflichtung, für die Schiffbarkeit des Flusses und für die Anlegung und Unterhaltung der zur Beförderung derselben dienenden Anlage zu sorgen. In Ansehung der konventionellen Flüsse sind diese Rechte nicht aufgehoben, sondern nur in wenigen Beziehungen vertragsmäßig beschränkt. Insbesondere besteht hier für die Staaten die Verpflichtung: "von der Schiffahrt ... sowohl für den Gebrauch des Wassers als auch für die Benutzung besonderer Anstalten zum Besten des Verkehrs Abgaben von keinem höheren Betrage und auf keine lästigere Weise zu erheben, als diese für jeden einzelnen Fluß vereinbart ist". Es folgt sodann die Darstellung des "Rechtszustandes in Preußen" dieser ist sehr befriedigend. Auf privativen Flüssen und Kanälen wird (mit einigen Ausnahmen) weder ein Warenzoll von den verschifften Gütern, noch ein Wasserwegegeld von den Schiffsgefäßen, sondern nur eine nach dem Schiffsgefäß bemessene Abgabe "für die Benutzung der zur Erleichterung der Schiffahrt bestimmten Anlagen (Schleusen) erhoben". Auf konventionellen Flüssen wird von der Binnenschiffahrt (vermöge des oben geschilderten Systems der Erhebung an der Staats1 Deren schiffbarer Lauf einem Einzelstaate ausschließlich angehört (Oder!).

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grenze) weder ein Warenzoll, noch ein Wasserwegegeld (Rekognitionsgebühr) erhoben. So stehen im ganzen einer Ausgabe für Unterhaltung der Wasserstraßen von 1524907 Tlr. gegenüber an Einnahmen: eigentliche Wasserzölle 529033 Wasserwegegelder 106489 Abgaben für Benutzung besonderer Anstalten 471356 Summa 1106 878 Tlr. Hierzu wird bemerkt, daß die Einnahmen für die Benutzung von Häfen, Bollwerken, Kranen, Wagen usw. sowie das Aufziehen von Brücken bei dieser Berechnung ebensowenig berücksichtigt werden, als die Ausgaben für diese Anlagen, weil das fast überall den Kassen der betreffenden Kommunen gehört. Und nun kommen drittens Gedanken über das zu schaffende Reichsrecht. I Abtretung der einzelstaatlichen Flußhoheit an privativen Wasserstraßen ist untunlich. Anders bei gemeinschaftlichen Flüssen; hier tut "zentrale Leitung" not. Wie sollen sie geordnet werden? Ueber zweierlei ist man einverstanden: Es sollen Warenzölle auf den deutschen Wasserstraßen nicht erhoben werden - und: Es sollen "für die Benutzung besonderer Anlagen und Anstalten" Abgaben zu entrichten sein. Dazwischen liegt die dritte Frage, ob "für die Benutzung der Wasserstraßen ein zur Unterhaltung und Verbesserung zu verwendendes Wasserwegegeld" erhoben werden soll. Darüber sind die Ansichten verschieden. Preußen muß nach den seit 1816 und 1818 verfolgten Prinzipien diese Frage verneinen (S. 13). Das Argument: die von der Natur selbst geschaffenen Flüsse müßten frei sein im Gegensatz zu den "erst angelegten" Landstraßen und Kanälen, ist weniger bedeutsam als die politische Notwendigkeit: der Binnenverkehr auf den preußischen Wasserstraßen ist seit 30 Jahren "frei von allen nicht für die Benutzung besonderer Anstalten zu entrichtenden Abgaben". Das Volk ist daran gewöhnt. Es wären also nur beizubehalten die Abgaben "für die Benutzung besonderer Anstalten und Anlagen zum Vorteil der Schiffahrt", über welche, wie gesagt, kein Zweifel besteht. Unter den "Anlagen" sind "unbedenklich auch die Kanäle zu nennen". Die Höhe der Abgaben ist zu normieren auf die "Unterhaltungskosten" (S. 15). Wir hören unsere Reichsverfassung sprechen, Art. 54 Abs. 4! Alle die Ausdrücke, in welchen sie von ihrem Vorbild, der Reichsverfassung von

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1849,abweicht, sie klingen uns hier schon entgegen: "Wasserstraße" statt Flüsse, "besondere Anstalten" statt der Aufzählung, "Anstalten und Anlagen", um auch die künstlichen Wasserstraßen zu umfassen, besondere Anstalten "zum Besten des Verkehrs", "zur Erleichterung" des Gebrauchs des Wassers, der Schiffahrt eingerichtete oder bestimmte Anlagen, das hat sich zusammengezogen in besondere Anstalten, "die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind", und schließlich stimmen alle drei, die Reichsverfassung von 1849 und die von jetzt und unsere Denkschrift vom Oktober 1848 überein in dem Satz, daß hier nur die Unterhaltungskosten gedeckt werden sollen. Wird man danach einen Zweifel hegen können, daß Delbrück bei seiner Formulierung des Art. 54 Abs. 4 diese Denkschrift benutzt hat? Das fehlende Glied ist hier gefunden und der Kreis geschlossen1 • Und nun beachte man, wie reinlich sich hier die "Abgaben für die Benutzung besonderer Anlagen und Anstalten" abheben von dem "für die Benutzung der Wasserstraße" zu erhebenden und "zur Unterhaltung und Verbesserung zu verwendenden" Wasserwegegeld - dem Wasserwegegeld, das wegfallen soll, 1849 zuerst weggefallen ist, 1867 noch einmal, und das, nach Delbrücks Zeugnis, mit Einführung der Reichsverfassung auch aus dem Zollvereinigungsvertrag von 1868, der es noch in Art. 23 erwähnte, und des Art. 54 Abs. 4 I willen verschwinden mußte. Dem gegenüber hätte doch wahrlich auch die verwegenste Auslegungskunst nie darauf verfallen dürfen, eben diese "Unterhaltung und Verbesserung der Wasserstraße" in die "besonderen Anstalten" des Art. 54 hineinschmuggeln zu wollen. Herr Geheimrat Peters, der sich an dieses Unternehmen gemacht hat, rühmt sich gerne uns Minderbegünstigten gegenüber seines besseren Aktenmaterials. Seine unermüdlichen Versicherungen, er verstehe nicht, was der Gesetzgeber mit dem Worte "besondere" Anstalt Ernsthaftes gemeint haben könne (S. 15, 110, 199, 242, 243), waren schon ohnedies recht auffallend. Wenn wir jetzt annehmen müssen, er habe auch die hervorgehobenen Darlegungen der Denkschrift vom Oktober 1848 gekannt, so wird das noch auffallender. Aber es stimmt zu dem Zweck, den er verfolgt und zu der ganzen Art, wie er rechtswissenschaftliche Dinge behandelt. I

1 Wertvoll dürfte auch noch manches andere in der Denkschrift sein. So die Ausführungen S. 16 über die Sonderstellung der Seehäfen (Art. 54 Abs.3 RVerf.). Auch die Rechtsbedeutung der Schleusen wird beleuchtet, sofern sie einen Fluß nicht notwendig zur künstlichen Wasserstraße machen. Vgl. auch Entw. zum Schlußprotokoll zur Rheinschiffahrtsakte Art. 3.

Schiffahrtsabgaben 11 Kritische Bemerkungen zum Entwurf eines Reichsgesetzes, die Erhebung von Schiffahrtsabgaben betreffend* Die Frage der Zulässigkeit von Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Wasserstraßen ist jüngst noch lebhaft erörtert worden. Man hatte mit einem großen Aufwande von Scharfsinn für die Preußische Regierung das Recht in Anspruch genommen, solche Abgaben einzuführen, trotz des Art. 54 der Reichsverfassung, der sie zu verbieten scheint. Der dem Bundesrate jetzt vorliegende Gesetzentwurf will vor allem diesem Artikel eine neue, Schiffahrtsabgaben unzweideutig gestattende Fassung geben und sodann durch "gewöhnliches Reichsrecht" das künftige Abgabenwesen genauer regeln. Für ersteres ist die Erfüllung der in Art. 78 der Reichsverfassung für Verfassungsänderungen gesetzten Bedingung vorgesehen. Wir befinden uns glücklich auf den ebenen Pfaden verfassungsmäßiger Korrektheit. Ich wünschte, man hätte sie gleich von Anfang an beschritten. Denn der notwendig gewordene Federkrieg selbst konnte ja den Beteiligten - wenn auch nicht allen gleichmäßig schon Freude machen. Aber es gibt gewisse unwägbare Güter, die der rechte Staatsmann gegen Augenblickspolitik und Ressorteifer von vornherein außer Spiel halten wird. Möge wenigstens seine Hand sich nicht vermissen lassen, wenn jetzt, nach Annahme dieses Entwurfs, mit den auswärtigen Mächten wegen Änderung der Schiffahrtsverträge verhandelt werden muß. Unvollkommen genug ist zurzeit vor den fremden Nationen der Wunsch erfüllt, mit welchem der alte Arndt die Zukunft des Vaterlandes schmücken wollte: "Es geh' durch Tugenden bewundert, Geliebt durch Req,lichkeit und Recht Stolz von Jahrhundert zu Jahrhundert." I Darüber wäre viel zu sagen; ich beschränke mich auf das kurze Wort, ohne das ich an diesem schmerzlichen Punkte doch nicht vorbei kann. Ich mache auch einen Strich durch den geführten Streit und durch so manche noch offenstehende Journalnummer von Dingen, die nach mir gehauen und gestochen sein sollten. Für die Sache kommt nichts mehr darauf an. Die Begründung des Entwurfs - der mit der vorausgegangenen Literatur Vertraute erkennt darin alsbald "die Züge, die ihm teuer sind" - scheint zwar die früher vertretenen Ansichten immer noch festzuhal-

* Zuerst veröffentlicht im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen

1910.

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ten. Doch ist das menschlich wohl zu verstehen und in der Sache unschädlich. Denn für die wirkliche Stellungnahme der Regierung ist jetzt ein Rückfall nicht mehr denkbar. Ebenso ist es unschädlich, wenn die Begründung es als eine offene Frage behandelt, ob das, was jetzt mit dem Art. 54 der Reichsverfassung gemacht wird, nicht doch als eine bloße "Auslegung" anzusehen wäre. Denn die authentische Auslegung, um die es sich immer handeln soll, stünde in bezug auf die zu erfüllenden Voraussetzungen der Verfassungsänderung gleich. Abgesehen von gewissen Rücksichten der Eigenliebe hat diese höchst gezwungene Auffassungsweise nichts zu bedeuten. Wenn wir uns demnach einfach auf den Boden des Entwurfes stellen, so ist klar, daß der Spielraum für juristische Kritik jetzt sehr eingeengt ist. Die Beobachtung der Formen der Verfassungsänderung deckt das Neuzuordnende in weitem Maße. Allerdings fordert zunächst die Gesetzgebungstechnik, wie sie hier zum Vorschein kommt, das Urteil heraus. Die Bestimmungen scheinen an großer Ungenauigkeit und Lückenhaftigkeit zu leiden. Doch wird das eher auf ein Nichtwollen als auf ein Nichtkönnen zurückzuführen sein. Klares Recht ist der Vorteil des Schwachen, nicht des Starken; der Starke aber ist es, der hier den Gesetzesvorschlag bringt. I - Desto mehr müssen wir die zweite juristische Aufgabe uns angelegen sein lassen: die volle Tragweite der vorgeschlagenen Bestimmungen ist herauszuheben, was sie alles geben und nehmen, was sie alles ermöglichen. Nach Lage der Sache wird man gut tun, sich nicht darauf zu verlassen, daß vor dieser Grenze des rechtlich Ermöglichten halt gemacht wird. - Zuletzt aber führt uns der Entwurf, wir werden es sehen, noch auf die hochernste Rechtsfrage: Kann man wirklich in Form der Verfassungsänderung alles machen? Kann man in dieser Form gegen den Widerspruch der Nächstbeteiligten machen, was hier geplant ist? Die Sache berührt damit die Grundauffassung von Natur und Wesen des Reichs und wird zum Prüfstein für die deutschen Regierungen, wie sie sich dazu stellen. I Kapitell

Die neuen Schiffahrtsgebühren Die Gebühren, welche vom Staate zu erheben sind, und die ihnen verwandten Beiträge treten neuerdings mit Recht wieder stark in den Vordergrund wirtschaftspolitischer Erwägungen. Als "Gegenleistungen" für empfangene Vorteile entsprechen sie einer klaren und einleuchtenden Forderung der Billigkeit. Dieser Zusammenhang ist es aber auch, der ihr innerstes Wesen ausmacht. In diesem Sinne erklärt Ad. Wagner, Finanzwissenschaft Bd. II S. 37, die Gebühr, im Gegensatze zur Steuer, als ein "spezielles Entgelt des Pflichtigen für eine ihm besonders zugute

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kommende ... öffentliche Tätigkeit und für die dadurch bedingte Kostenverursachung". Die Steuer dagegen entrichtet die Gesamtheit und der einzelne als "generelles Entgelt" dafür, daß der Staat da ist und arbeitet (S.38). Die Beiträge, die nach Ad. Wagner nur eine Abart der Gebühren vorstellen, haben wie diese die Bedeutung, "zwischen Vorteilen, welche einzelne aus öffentlichen Anstalten ziehen, und Kosten dieser letzteren überhaupt allgemein und wieder zwischen dem in Einzelfällen verschiedenen Maße des Vorteils wie der Kosten dann noch speziell überall ein möglichst richtiges Verhältnis, mit nach dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung herbeizuführen" (a. a. O. S.190). Ähnlich: L. v. Stein, Finanzwissenschaft Bd. II S.139; Neumann, Die Steuer Bd. I S.392; Schall in Schönbergs Handbuch d. pol. Ökonomie Bd. III S.97; v. Heckel in Conrads Handwörterb. d. Staatswissensch. Bd. IV I S.19; v. Bitter, Handwörterb. d. Preuß. Verwaltung Bd. I S. 576. In dem Hauptpunkte wenigstens, den wir hier betonen, stimmt alles überein. Dieses Gebührenprinzip war schon bisher in Art. 54 Abs. 4 der Reichsverfassung zur Geltung gekommen, insofern Befahrungsabgaben zwar nur auf Kanälen, auf natürlichen Wasserstraßen aber Abgaben wenigstens gestattet waren "für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind". Das Neue wäre also, daß künftig auch bei natürlichen Wasserstraßen die Benutzung dieser Straße selbst, die Befahrung, der Gemeingebrauch abgabenpflichtig werden soll. Wer solche Wegegelder grundsätzlich verwirft, der muß auch gegen Kanalgebühren und gegen Chausseegelder sein. Man kann aber auch mit Ad. Wagner (a. a. O. S.136) in der unbedingten Aufhebung des Wegegeldes auf den Landstraßen einen "unrichtigen Kommunismus" finden. Dann kommt man folgerichtig auch an die natürlichen Wasserstraßen. Selbstverständlich ist nur, daß bei diesen das Wegegeld, soll es anders Gebühr bleiben, also Entgelt für den Vorteil aus besonderen Leistungen des Staates, von vornherein ganz anders rechnen muß als bei Kanälen und Landstraßen. Dort ist alles, was man genießt, der Leistung des Staates zuzuschreiben; die schiffbaren Ströme aber sind von Haus aus Naturgabe, und der Staat kann sich nur zugute rechnen, was er an Schiffahrtsnützlichkeiten hinzufügt. Dort ist alles, was der Staat leistet, zu Gunsten und Vorteil des Verkehrs bestimmt; der Strom aber wird ja gar mancherlei Interessen dienstbar gemacht, und das erste von allem, was der Staat hier mit Arbeit und Aufwand anstrebt, ist die Beschaffung der Vorflut und der Uferschutz. Der Entwurf eines Preußischen Wassergesetzes von 1894 hat das Rangverhältnis sehr wohl angedeutet, wenn er sagte: die ordnungsmäßige Unterhaltung der Wasserläufe umfasse "auch die Erhaltung der Schiffbarkeit". Hat man eine Zeitlang zuviel I geredet, als wenn alles nur für diese geschehe, so 10 otto Mayer. Bd. II

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kommt wohl die EIbe und beweist mit einem einzigen Dammbruch, was in Wahrheit die Hauptsache sei. Es kann also bei der natürlichen Wasserstraße als staatliche Leistung und Grundlage der Gebührenerhebung nur angesehen werden, was dem Schiffer an Vorteilen gewährt wird über die Naturgabe hinaus und über das zur Erhaltung von Vorflut und Uferschutz ohnehin Notwendige. Der Grundsatz selbst ist wohl außer Streit. Die Schwierigkeit liegt nur in der Ausscheidung des der Schiffahrt danach Anzurechnenden. Wenn sowohl die Reichsverfassung von 1849 als die jetzt geltende neben Abgaben für Benutzung besonderer Anstalten Abgaben für die Befahrung der natürlichen Wasserstraße selbst nicht zuließen, so glaubte man eben damals bei dieser die Heraushebbarkeit eines der Schiffahrt besonders gewidmeten Teiles von Einrichtungen und Aufwendungen, den sie dann durch ihre Gebühren zu decken hätte, nicht ins Auge fassen zu sollen. Es muß zugegeben werden, daß in dieser Hinsicht die Zeiten sich geändert haben. Unsere gewaltig vorgeschrittene Technik vermag jetzt Werke zu schaffen, welche den Gedanken des Sondervorteils der Schiffahrt und der Notwendigkeit ihrer Sonderbelastung geradezu aufdrängen. Als ein Glanzstück dieser Art darf das großartige Werk der Regulierung der U nterweser gelten, für welches denn auch durch Reichsgesetz vom 5. April 1886 zum ersten Male die Erhebung von Strombefahrungsabgaben gestattet wurde. Es geschah ausdrücklich und ausnahmsweise. Der Entwurf beruft sich aber mit Recht auf diesen Vorgang, insofern er in der Tat einen Bruch bedeutet mit dem radikalen Prinzip der Gebührenfreiheit des Gemeingebrauchs an natürlichen Wasserstraßen. Man mußte erwarten, daß es dabei nicht sein Bewenden haben würde. Folgerichtigem Denken würde es widersprechen, wenn eine solche Zulassung von Abgaben ausschließllich dem großen Bremer Unternehmen zugute kommen sollte. Sind doch gar manche andere, wenn nicht ganz so bedeutende, doch wesensgleiche denkbar, Unternehmungen, die in ihrem besonderen Verhältnisse zur Schiffahrt ganz dieselben Merkmale bieten. Warum sollen nicht auch diese durch Gebührenerhebung lebensfähig gemacht werden dürfen? Kurz, das Bremer Vorbild drängte zu einer Verallgemeinerung. Man könnte sagen: Das Reich soll als Grundsatz aufstellen, daß es überall, wo die gleichen Voraussetzungen vorliegen, die entsprechenden Gebühren bewilligen werde durch Reichsgesetz für den Einzelfall, wie für Bremen. Man könnte auch sagen: Wozu jedesmal die schwerfälligen Formen eines verfassungsändernden Gesetzes nach Reichsverfassung Art. 78? Das Reich mag ein für allemal für derartige Gebühren sein Verbot zurücknehmen; dann regelt sich die Sache in dem erstrebten Sinne von selbst. Als eine solche Verallgemeinerung der für Bremen zur Anerkennung gelangten Grundsätze, und zwar Verallgemeinerung in dem eben er-

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wähnten zweiten, dem weiteren Sinne, gibt sich Unser Entwurf ausdrücklich zu erkennen: "Es wird sich wesentlich," sagt die Begründung, "um eine Verallgemeinerung der damals maßgebenden verkehrspolitischen Gesichtspunkte und gesetzgeberischen Beweggründe handeln." Daß es sich bei diesem Vorbilde und bei dem, was in seiner Verallgemeinerung auszuführen ist, um nichts anderes handeln kann als um echte und rechte Gebühren, darüber hat man denn auch keinen Zweifel gelassen. Immer und immer wieder - man möchte zuletzt fast sagen: jetzt weiß ich es aber - werden die neuen Abgaben mit voller Sachkenntnis und in bewußtem Gegensatze zu einer Steuer nach den bestimmten Merkmalen bezeichnet und abgegrenzt, die eben nach dem von Wissenschaft und Praxis angenommenen I festen Begriffe die Gebühr ausmachen und sie dem natürlichen Billigkeitsgefühle so kräftig empfehlen. In diesem Sinne war ja schon die ganze schriftstellerische Vorbereitung des Entwurfes geleitet worden, und als es jetzt an seine Veröffentlichung ging, durfte das Berliner Tageblatt vom 24. Februar 1909 ihm Erläuterungen vorausschicken, die von sehr zuständiger Seite herrührten, und in denen es heißt: "Die Schiffahrtsabgaben sollen nur als Gegenleistungen für die Benutzung von wirtschaftlich förderlichen Schifffahrtsanstalten gefordert werden. Sie stehen also im Gegensatz zu sonstigen, der Schiffahrt in manchen Ländern auferlegten Abgaben mit Steuercharakter." Die Begründung des Entwurfes bekräftigt diese Zusicherung wiederholt und auf das entschiedenste. Die neue Fassung des Art. 54, heißt es da, verstehe unter den abgabepflichtig machenden Anstalten oder Veranstaltungen nur "die einen besonders hohen Kostenaufwand erfordernden und der Schiffahrt besonders große Vorteile bringenden". Und weiter: "Die Beschränkung der Abgabenerhebung auf den Fall der wesentlichen Verkehrserleichterung rechtfertigt sich dadurch, daß nur beträchtliche Verbesserungen an den natürlichen Wasserstraßen eine solche Ermäßigung der Beförderungskosten zur Folge haben können, wie sie als Gegenleistung für Schiffahrtsabgaben vorausgesetzt werden muß; denn die letzteren müssen so beschaffen sein, daß sie den Vorteil jener Vebesserungen nicht aufzehren." Erst die hier erstrebte "Anerkennung der Anwendbarkeit des Gebührenprinzips auf schiffahrtsförderliche Wasserbauten und Einrichtungen jeder Art" wird die Voraussetzungen schaffen für den großzügigen Ausbau der deutschen Wasserstraßen; denn es wird dann "immer möglich sein, die Benutzer der Wasserstraße nach Maßgabe des Vorteiles, der ihnen durch Ermäßigung der Schifflfahrtsselbstkosten erwächst, zur gänzlichen oder anteiligen Kostendeckung in Gebührenform heranzuziehen". Es entspricht "dem inneren Wesen des durch Art. I (des Entwurfs) verkörperten Gebührenprinzips, daß den Schiffahrtsabgaben immer eine Gegen10*

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leistung in Gestalt eines entsprechenden Verkehrsvorteils gegenüberstehen soll" . Unsere gute deutsche Sprache liefert keine Worte und keine Ausdrucksmöglichkeiten, um mit größerer Bestimmtheit ein reines, strenges Gebührenprogramm zu verkünden. Die Wiederholungen mögen für das Verständnis unnötig sein; aber sie müssen doch jedem, der nicht mit Voreingenommenheit an die Sache herantritt, den Ernst und die besondere Aufrichtigkeit einprägen, womit dieses Programm hier gemeint ist. Freilich, all das Gute und Treffende, was die Begründung über das Wesen der j,{ünftigen Gebühren zu sagen weiß, wird nicht von selbst Rechtens. Es kommt darauf an, daß diese deutliche Abgrenzung und Beschränkung auch im Gesetze zum Ausdruck gebracht sei. Sonst laufen die zugelassenen Abgaben Gefahr, diese bestimmten Eigenschaften, welche sie als Gebühren auszeichnen sollen, in Wirklichkeit eben doch nicht zu haben und einfach Abgaben zu werden auch ohne das. Es ist unzulässig, sich solche Bedenken verbitten zu wollen, als träten sie den gegenwärtig hier maßgebenden Persönlichkeiten im Preußischen Ministerium zu nahe. Wie rasch kommt an die Stelle eines solchen Herrn "ein neuer Pharao, der von Josef nichts wußte", und auch dem gegenüber soll das Gesetz Sicherheit geben. Selten aber war das "politische Mißtrauen", über welches man sich neulich im Arch. f. öff. R. Bd. XXV S. 539 beklagt hat, berechtigter und notwendiger als im vorliegenden Fall. Der Reichsgesetzgeber kann doch unmöglich vergessen wollen, woher die ganze Bewegung nach Schiffahrtsabgaben ihren Ausgang genommen hat. Der Einfluß der I notleidenden Landwirtschaft im Preußischen Landtag hat bekanntlich das Preußische Wasserstraßengesetz vom 1. April 1905 mit jenem § 19 belastet, der die Erhebung von Schiffahrtsabgaben "auf den im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen" vorschreibt. Die vielbetonte großzügige Wasserstraßenpolitik ist erst nachträglich hinzugekommen, ebenso wie die Wünsche des Eisenbahnfiskus. Man geht zu weit, wenn behauptet wird, daß sie nur erfunden worden sei, um der Erfüllung jener agrarischen Ideale Vorspann zu leisten; es ist gewiß viel sachliches Streben und ehrliche Unternehmungslust dabei im Spiele, die nur auf reichfließende Mittel warten, um allerlei auszuführen, was für die deutschen Wasserstraßen möglicherweise recht gut und nützlich sein wird. Aber deshalb werden wir doch nicht so tun sollen, als sähen wir nicht, daß hinter dem allem immer noch der einflußreiche Gläubiger steht mit dem wohlverfaßten und besiegelten Schuldschein in der Hand. Würde die Preußische Regierung, welche die neue reichsgesetzliche Ordnung betreibt, der übernommenen Verpflichtung ledig gesprochen werden, wenn sie beim Reiche nur durchsetzte, was die Begründung ihres Entwurfes als letztes Ziel in Aussicht stellt: "Gebühren" für kostspielige "Verbesserun-

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gen" der Schiffahrtswege nach Maßgabe der dadurch bereiteten "Vorteile" zu erheben, und "die Vorteile jener Verbesserungen nicht aufzehrend"? Es wäre ja ein Standpunkt denkbar, der sich damit zufrieden gäbe, wenn die zu erhebenden Gebühren eine weitere Verbilligung der Getreideeinfuhr durch Stromverbesserungen verhinderten. Doch soll man bei wirtschaftlichen Parteien auf Genügsamkeit nicht rechnen. Es kann darauf bestanden werden, daß im Sinne des § 19 des Wasserstraßengesetzes die Schiffahrtsabgaben solche Transporte verteuern sollten. Offen gestanden: ich glaube, daß man damit im Rechte sein wird. Jedenfalls muß sich auf eine von dieser Seite her zu beeinflussende Regierung , ein sehr starker Druck geltend machen, um sie über das in der Begründung gesetzte, völlig ungenügende Maß der Schiffahrtsabgaben hinauszuführen. Aller vom Reich gegebene Spielraum wird dazu ausgenützt werden. Will das Reich ernstlich Schiffahrtsabgaben nur gestatten in der von der Begründung aufgestellten Beschränkung auf echte Gebühren, so kann es die neuen Ermächtigungen, die es in seinem künftigen Gesetze gibt, nicht sorgfältig genug abwägen und abgrenzen, um auch eine wirksame Aufsicht darüber zu ermöglichen. Ob das dann jemand als Mißtrauen empfindet, kann nicht in Betracht kommen. Und so stellen wir denn die Frage: Was tut der Entwurf in seinem Gesetzestexte, um das in seiner Begründung so eindringlich verkündete Gebührenprinzip zur Verwirklichung zu bringen? Die überraschende Antwort ist: er tut hier weniger als nichts, er tut das Gegenteil. Selbst der Name Gebühr, der in der Begründung eine so laute Rolle spielt, der Text des künftigen Gesetzes vermeidet ihn. Und die Vorschriften, die er nun wirklich für seine Abgaben aufstellt, wenn sie auch notgedrungen ausgehen von einem Zusammenhang mit gewährten Schiffahrtserleichterungen, sind mit der größten Sorgfalt darauf berechnet, diesen Zusammenhang wieder unschädlich zu machen, damit nur ja keine Einengung oder Bedingtheit davon übrig bleibe, wie sie an einer echten Gebühr sich störend bemerkbar macht. Das läßt sich natürlich alles mit Rücksichten der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Verhütung von Schwierigkeiten rechtfertigen; nichts leichter als das! Alle Rechtsschranken haben etwas Lästiges. Zunächst wird der Text des Art. 54 Abs. 4 der Reichsverfassung von entbehrlicher Zutat entlastet. Er gestattete bisher Abgaben nur "für Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind". Jetzt sOllten' also auch die in der Wasserstraße selbst zu benutzenden Staatsleistungen hinzukommen. Das Gesetz sagt aber künftig einfach: "auf natürlichen Wasserstraßen" werden Abgaben erhoben. Die Begründung freut sich, die Forderung eines "Benutzungsaktes" völlig streichen zu können; denn: "der Begriff der Benutzung

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hat zu mancherlei Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten Anlaß gegeben". Wird aber hier nicht samt den Zweifeln auch ein Stück des Gebührenbegriffes totgeschlagen? Die Begründung beeilt sich, zu beruhigen: wegen des Gebührenprinzips müsse den Abgaben natürlich immer "eine Gegenleistung in Gestalt eines entsprechenden Verkehrsvorteils gegenüberstehen". Und im neuen Texte soll das dadurch zum Ausdruck kommen, daß die Abgaben nur erhoben werden dürfen "für" Dinge, die den Verkehr erleichtern. Wer aufmerksam zusieht, wird bemerken, daß uns durch diesen Ersatz für den gestrichenen Benutzungsakt immer noch eine wesentliche Bestimmtheit des Gebührenbegriffes entschlüpft. Denn dieses objektive Gegenüberstehen, für welches gezahlt wird, ist etwas sehr anderes: das zahlende Schiff braucht jetzt nichts mehr davon zu haben! Noch stärker wird der begriffswesentliche Zusammenhang zerstört durch die Art, wie jetzt der dem Schuldner anzurechnende "Verkehrsvorteil" und das ihm entsprechende Maß von Aufwand sich bestimmt. Es ist selbstverständlich, daß eine einheitliche Leistung auch einheitliche Gebührensätze verlangt. Der Kanal hat, wenn man genau zusieht, vielleicht für jeden laufenden Meter einen anderen Kostenaufwand verursacht, die einzelnen Plätze im Hafen kamen dem Staate verschieden teuer zu stehen; aber schließlich wäre doch kein Stück etwas ohne die anderen, und deshalb wird eines in das andere gerechnet. Auch Stromregulierungen liefern in diesem Sinne einheitliche Unternehmen. Wenn man das nicht berücksichtigte, würde man "zur Aufstellung einer großen Zahl I von örtlichen Streckentarifen nötigen", wogegen die Begründung sich mit großem Rechte, vielleicht sogar ganz überflüssigerweise verwahrt. Wer wird diese Dinge so kleinlich behandeln wollen! Es wird also, sagt uns die Begründung, eine "pauschale oder kollektive Berechnungsweise" zugelassen werden müssen. Gewiß, sagen wir arglos. Aber kaum ist das Wort "pauschale oder kollektive Berechnungsweise" da, so macht der Gesetzgeber sofort etwas ganz anderes daraus. Nun soll es dazu dienen, alles, was die Regierung irgendwie und irgendwo und irgendwem geleistet haben will, zusammenzuwerfen in einen großen Topf, um daraus eine unkontrollierbare Belastung des einzelnen "Benutzungsaktes" der natürlichen Wasserstraßen zu entnehmen, die jede Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung im Sinne des vielgepriesenen Gebührenprinzips ein für allemal ausschließt. Die drei ersten Sätze des neuen Art. 54 Abs. 4 sind dazu bestimmt, diese Kollektivität zur Vollendung ihres Zersetzungswerkes über eine Grenze nach der anderen hinwegzuführen. Der erste Satz soll sagen, WaS alles möglicherweise Anlaß zur Gebührenerhebung gibt. Damit

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nichts ausgelassen bleibe, werden dem ursprünglichen Ausdruck "Anstalten" noch "Werke" und "Einrichtungen" hinzugefügt. Das braucht alles nicht in örtlichem Zusammenhange mit der Wasserstraße zu stehen; als Beispiel werden in der Begründung Staubecken angeführt. Diese "Dinge", wie wir sie wohl mit genügender Allgemeinheit bezeichnen, werden allzumal anrechenbar, sobald sie die Wirkung haben, den Verkehr wesentlich zu erleichtern. Aber wohlverstanden: es genügt, daß sie das "kollektiv" tun. Wenn man behaupten kann, die Wasserstraße ist jetzt "wesentlich" besser geworden, so wird alles in Rechnung gesetzt, was irgendwie dazu beigetragen haben mag. Wieviel auf die einzelne Leistung fällt von dem Gesamterfolg, I ist nicht ausscheidbar und es kommt auch nicht darauf an. Was kann aber durch diese Türe nicht alles hereinströmen! Die Begründung tut sich etwas zugute auf eine vorgenommene Textverbesserung. Früher genügte es, daß die besonderen Anstalten zur Erleichterung des Verkehres "bestimmt" waren. Das entsprach, meint die Begründung, nicht der Billigkeit; denn daß diese Anstalten wirklich etwas taugten, war doch "nicht immer selbstverständlich". Daher wird jetzt ehrlich verlangt, daß der Erfolg "in wesentlichem Umfange erreicht wird", also einfach: "welche ... wesentlich erleichtern". Bei der kollektiven Berechnungsweise wird aber der Fall eines solchen Mißlingens kaum eintreten können; irgendeine Mitwirkung am guten Stande der Wasserstraße wird sich immer behaupten lassen; nötigenfalls hilft noch der zweite Satz, auf den wir gleich kommen. Im Zweckverband, der doch der Normalfall ist, werden ja alle Aufwendungen im voraus von der Gesamtheit genehmigt; dafür kann man doch dem Staate, der sie machte, nicht hinterdrein die Deckung versagen. Vor allem aber: Sollen wir wirklich glauben, die Abgaben würden nicht mehr erhoben oder herabgesetzt, wenn eines und das andere der blühenden Projekte "die verkehrsförderliche Wirkung" tatsächlich nicht hat, oder besser gesagt, sie würden zurückerstattet, denn einstweilen werden sie ja tapfer erhoben in Hoffnung künftiger Wirkungen? Das kann kein Ernst sein. Wohl aber wird allen Ernstes die " billigere " neue Fassung dazu dienen, den Kreis der aus Abgaben zu deckenden Dinge zu erweitern: um angerechnet zu werden, braucht die "Anstalt" nicht mehr "zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt" zu sein; es genügt, daß man sagen könne, sie habe tatsächlich eine solche Wirkung gehabt, in der bekannten kollektiven Weise wenigstens. Das kann man nach Bedürfnis auch nachträglich noch feststellen von Moortrockenlegungen, Bewässerungsstaubecken, Wildwasserverbauungen usw. I Der zweite Satz des neuen Art. 54 Abs. 4 muß die alte Beschränkung der Abgabenhöhe dem neuen Grundsatze anpassen, ·daß jetzt Befahrungsabgaben auch auf natürlichen Wasserstraßen erhoben werden.

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Diese Abgaben "dürfen bei staatlichen Anstalten oder Wasserstraßen die zur Herstellung und Unterhaltung erforderlichen Kosten nicht überschreiten", heißt es jetzt; vorher waren zuerst natürliche, dann künstliche Wasserstraßen erwähnt worden. Die Kanäle können staatliche oder private Wasserstraßen sein, die natürlichen Wasserstraßen sind alle staatlich. Ihre Unterhaltung fällt also den Abgaben zur Last. Wir bekommen sicherlich künftig Berichte über die Geschäftslage der neuen Einrichtung; es wird nicht schwer sein, sie in die nötige Form zu bringen. Da wird dann z. B. ein großer Posten erscheinen als: "Allgemeine Unterhaltungskosten der EIbe nebst zugehörigem Betriebs- und Verwaltungsaufwand." Wir dürfen nur nicht übersehen, daß wir damit einen großen Schritt vorwärts getan haben zu weiterer Ausdehnung des Abgabenwesens. Denn das ist ja selbstverständlich: wenn die Abgaben Stromverbesserungen, "Erleichterungen des Verkehrs", zu dekken haben, müssen sie auch aufkommen für die weitere Instandhaltung der zu diesem Zwecke hergestellten "Werke und Einrichtungen". Der Entwurf eignet sich aber hier die Vorstellung an, daß das Dasein der natürlichen Wasserstraße überhaupt schon eine "wesentliche Erleichterung des Verkehrs" bedeute. Folglich bedeutet ihm alles, was der Staat tut mit der Wirkung zu verhindern, daß jene schlechter werde, eine Leistung zur Erleichterung des Verkehrs. Der ganze Strom in Bausch und Bogen wird mit seinen Unterhaltungskosten der Schiffahrt zur Last geschrieben. Was aber dazu gehört, berechnet sich nach der "kollektiven" Weise: es genügt, daß man sagen könne: euer Strom wäre nicht in gutem Stand geblieben, wenn nicht dieser und jener Aufwand gemacht worlden wäre. Anstandshalber wird man ja voraussichtlich immer noch etwas in Abzug bringen als für Uferschutz, Bewässerung usw. erforderlich. Der Rechtstitel aber, den die neue Gesetzgebung gewährt, reicht hin, um, bei einigem guten Willen, die Schiffahrt so ziemlich mit der ganzen Wasserbauverwaltung zu belasten. Von solchen Rechtstiteln reden wir aber hier zunächst. Die Vertrauensfrage brauchen wir uns nicht stellen zu lassen, und den Philisterstandpunkt: "So weit werden sie nicht gehen", kann man ja immer noch einnehmen. Endlich kommt noch der dritte Satz hinzu, um diese große Kollektivität zur äußersten Vollendung zu führen: "Der Bemessung der Abgaben können die Gesamtkosten für ein Stromgebiet oder Wasserstraßennetz zugrunde gelegt werden." Auf diese Weise kann z. B. das ganze Stromgebiet des Rheines solidarisch gemacht werden mit der Wirkung, daß für alles, was an Wasserbaukosten darin aufgewendet wird - denn so weit geht ja die sachliche Kollektivität -, die Schiffe des Hauptstromes aufzukommen haben; denn diese liefern ja im wesentlichen die Abgaben. Die wünschenswerte Regulierung der Hochwasser der Pegnitz wird nicht ohne Einfluß auf die Schiffbarkeit des Maines blei-

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ben, weshalb sie billigerweise in den Abgaben des zwischen Köln und Arnheim verkehrenden Schiffes zum Ausdruck kommt. Mit Hilfe des Wasserstraßennetzes kommen wir noch weiter. Wenn einmal der Rhein-EIbe-Kanal vollendet sein und damit ein großes Wasserstraßennetz ganz Preußen durchziehen wird, werden die Schiffer auf der Mosel, vielleicht auch auf dem zweckverbandmäßig angeschlossenen Bodensee es verspüren, daß ein neuer Damm an der Warthe errichtet werden mußte, oder Verbauungen im Glatzer Gebirge eine günstige Rückwirkung auf den Niederwasserstand der Oder zugeschrieben wird. Sie werden es verspüren - sachlich genommen! Denn der Wahrnehmung des Gebührenpftichltigen ist natürlich jeder Zusammenhang zwischen seiner Pflicht und den ihr zugrunde liegenden Staatsleistungen gänzlich entzogen. Gegenüber den unbegrenzten Möglichkeiten, die da zusammenfließen, bleibt ihm nichts als das tiefe Bewußtsein· des beschränkten Untertanenverstandes und das von Sascha Schneider so schön gezeichnete "Gefühl der Abhängigkeit". Damit wird aber die subjektive Seite der vom Entwurfe angekündigten Kollektivität erst recht offenbar. Alle Schiffe innerhalb des Stromgebietes oder Wasserstraßennetzes haften gleichmäßig für den Gesamtaufwand und ohne weiteres. Wenn der Entwurf sagt, es genüge für die Abgabenpflicht "ein nur mittelbares Vorteilziehen", so ist die Wahrheit vielmehr, daß überhaupt kein Vorteil nötig ist, um herangezogen zu werden im Namen der gewaltigsten Aufwendungen. Wir denken dabei gar nicht erst an Virements zugunsten von Uferschutz und Landwirtschaft. Aber der Elbkahn wird für die Vertiefung des Fahrwassers zahlen, welche die Sohle des Stromes sehr überflüssig weit von seinem Kiele entfernt und ihm dadurch die erdrückende Konkurrenz des Großbetriebes schafft. Das Mannheimer Schiff entrichtet Abgaben auf dem ihm bisher schon vollauf genügenden Rheinstrome, damit größere Seeschiffe nach Köln fahren, und vor allem auch, um die Millionen aufbringen zu helfen für die bessere Schiffbarmachung von Main und Neckar, die es anders als an ihren Mündungen nie zu sehen bekommen wird. Es klingt ja gut und mag ein schöner idealer Zweck sein, "auch den minderbevorzugten Gegenden Deutschlands die Vorteile der billigeren Wasserfracht zu verschaffen", wie die Begründung das jetzt an Stelle der ursprünglich beabsichtigten Getreideverteuerung uns verheißt. Aber wenn man für solche patriotische Unternehmungen die anderen zahlen macht, die nichts davon haben, so darf man dem nicht den Mantel der Gebühr umhängen wollen. Das solidarische Einstehen der I Volksgenossen füreinander zu vermitteln, das ist eben nicht Sache der Gebühr. Das ist vielmehr klar und einfach die Aufgabe der Steuer, die, eben weil sie das soll, ihrer Natur nach losgelöst ist von jenem Zusam-

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menhange von Leistung und Gegenleistung, wie er die Gebühr ein für allemal kennzeichnet, kennzeichnet auch nach den Worten der Begründung. Um sich den guten Glauben zu wahren, als arbeite er mit dem Gebührenbegriffe, bedient sich der Entwurf eines leicht zu durchschauenden Kunststückes. Er schiebt ein eigentümliches abstraktes Subjekt dazwischen. Er nennt es den "Verkehr", die "Schiffahrt", die "Schiffahrtsinteressen" . Dieses Subjekt empfängt die sta.atliche Leistung, die gedeckt werden soll, und entrichtet dann auch die Abgabe dafür durch seine Angehörigen, die "Schiffahrtsinteressenten". So entspricht alles auf das beste, wie die Begründung sagt, "dem inneren Wesen des durch Art. 1 verkörperten Gebührenprinzips, daß den Schiffahrtsabgaben immer eine Gegenleistung in Gestalt eines entsprechenden Verkehrsvorteils gegenüberstehen soll". Allein dieses Subjekt ist doch nur ein eingebildetes. In der rauhen Wirklichkeit sind es die Schiffseigner oder Schiffer, die zahlen, und diese zahlen als einzelne, nicht als Stand. Muß einer Abgabe zahlen dafür, daß er seinen Strom ganz mit den gleichen Vorteilen und Schwierigkeiten befährt wie bisher, so wird das für ihn keine Gebühr dadurch, daß zum Ausgleich seinen Kollegen am anderen Ende des Reichs bessere Erwerbsbedingungen bereitet werden. Nur die wildgewordene Theorie des grünen Tisches könnte mit solchen Vorstellungen wirken wollen. Die Sache hätte noch am ersten Ähnlichkeit mit der vom Preußischen Kultusministerium getroffenen Einrichtung, wonach den Universitäts-Professoren ein Teil ihres Kollegiengeldes abgenommen wird, um es für Unterstützungen von Professoren, Gehaltsbewilligungen und sonstige Universitätszwecke frei zu verwenden. Althoff, der das durchführte, war I ein unerschrockener Mann; aber eine Gebühr wagte er es doch nicht zu nennen. Wenn nun trotz alledem der Entwurf sich geradewegs auf das Bremer Vorbild beruft und beansprucht, nichts anderes zu bringen als eine Verallgemeinerung der durch das Reichsgesetz vom 5. April 1886 aufgestellten Grundsätze, so konnte er keinen gefährlicheren Vergleich herausfordern. Es ist der reine Gegensatz. Das Reichsgesetz war mit größter Sorgfalt bedacht, Bremen in den Grenzen echter Gebühren zu halten und alle Willkür auszuschließen. Ein bestimmtes, wohlgeprüftes Unternehmen, das für die Schiffahrt nach menschlichem Ermessen eine wesentliche Verbesserung bringen mußte, mit gen au berechenbarem Kostenaufwand, wirksam in bestimmten örtlichen Grenzen, abgabenpflichtig nur der dortige Verkehr und nur die Schiffe, welche der gesetzlich festgelegten Schiffsgröße nach dafür angesehen sind, jenen Vorteil zu genießen - das war für Bremen recht! Aber das ist noch nicht alles. Es kommt noch ein ganz besonders schlagender Unterschied dazu. Gebühren können naturgemäß erst ge-

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fordert werden, wenn auch die Gegenleistung bereit ist. Deshalb hat auch jenes Reichsgesetz in § 1 die Gebühren Bremen nur gestattet für den Fall der Ausführung der Arbeiten; es hat aber, der guten Ordnung halber, den Bremern nicht gestattet, diesen wichtigen Zeitpunkt selbst zu bestimmen, sondern in § 2 dem Reichskanzler vorbehalten, es zu tun; von diesem ist denn auch, als nach einer Reihe von Jahren das Werk im wesentlichen vollendet war, die Erlaubnis zum Beginne der Abgabenerhebung erteilt worden. Der Entwurf natürlich schweigt über diesen Punkt wie über so vieles. Wie er sich aber die Sache vorstellt, das erläutert sich am besten an einer Stelle aus der Begründung (zu Art. I Ziff. 3), die man nicht gleich versteht. Durch die umfassendere Bezeichnung, heißt es dort, der Dinge, für welche I Abgaben gefordert werden dürfen, soll klargelegt werden, daß "auch unkörperliche Anstalten als Substrate der Abgabenerhebung in Betracht kommen". Dieser Begriff "unkörperliche Anstalt", wie gesagt, leuchtet nicht sofort ein. Die Anstalt stellt sich uns doch dar in den Personen und Sachen, mit welchen die Verwaltung einen bestimmten öffentlichen Zweck verfolgt. Bald überwiegen die Personen (Akademie), bald die Sachen (Straße, Kanal). Eine unkörperliche Anstalt sollte es so wenig geben als ein unkörperliches Pferd. Allein bei näherer Überlegung wird man zugeben müssen, daß diese Bezeichnung nicht unrichtig wäre bei einem bloß gedachten Pferde, einem Pferde in der Idee. Nun denn: solche bloß gedachte, unkörperliche Anstalten, das sind gerade die, "für" welche man nach dem Entwurfe die Abgaben zu zahlen hat. Darin liegt auch der wahre Grund, weshalb das Erfordernis des "Benutzungsaktes" gestrichen werden mußte, nicht in den "Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten". Die Abgabenerhebung wird natürlich sofort ins Werk gesetzt, ohne auf einen erlaubenden Reichskanzler zu warten; die Anstalten mit den wesentlichen Erleichterungen, für welche sie Gegenleistungen sein sollen, bestehen im besten Falle als allgemeine Projekte. Man scheint eine Zeitlang auf der Suche nach solchen gewesen zu sein, je kostspieliger desto besser. Am Binger Loch tauchte bekanntlich eines auf, gegen das die Schiffahrtsinteressenten sich verwahrten. Dann hat man die schon in Ausführung begriffene Rheinregulierung Sondernheim-Straßburg sich angeeignet. Neckar und Main sind sehr günstig. Die jüngste preußische Denkschrift vermochte bereits so viele Projekte aufzuzählen, daß die Rechnung ungefähr stimmte; eines davon, so unkörperlich, daß es sich selbst nur als "etwaig" bezeichnet, steht doch schon für die sofort zu erhebenden "Gebühren" mit 31 Millionen in Rechnung. Selbstverständlich braucht es auch bei den endgültigen nicht I zu bleiben; diese Projekte können wechseln, ganz wegfallen ohne Schaden; das ist eben der Vorteil "unkörperlicher Anstalten". Die Abgaben selbst fließen ruhig weitf!r. Sie

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sollen ja in Tat und Wahrheit nicht an Bedingungen gebunden sein, wie eine Gebühr, sondern was der Entwurf meint, ist lediglich, daß er den daraus sich sammelnden Geldern einen Verwendungszweck vorschreibt. Das sagt er bei den Zweckverbänden, auf die er abzielt, ausdrücklich (Art. II § 4): "Die Einnahmen aus den Abgaben sind nur zur Deckung der Kosten für Herstellung und Unterhaltung von Werken usw. zur Erleichterung des Verkehrs zu verwenden." Es wird sicher manches mehr oder minder Bedeutende geschaffen werden, was auch dem einen oder anderen Teile der Schiffahrtsinteressenten wertvolle Vorteile bringt. Was alles gemacht wird, kann man noch nicht wissen. Soweit aber keine eigentlichen Verbesserungen aufzuweisen sind, wird es ein leichtes sein, mit Hilfe der alles umspannenden wasserbaulichen Kollektivität für die verfügbaren Gelder die erforderliche Verwendung und Verrechnung zu finden. Wer unsere Herren Techniker als praktischer Verwaltungsbeamter näher kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hat, wird ihnen auch in dieser Hinsicht das größte Vertrauen schenken. Daß Steuern mit Verwendungszweck Steuern bleiben, bedarf keiner Ausführung. Auch die Zölle, deren Ertrag der Witwen- und Waisenversorgung dienen soll, sind Zölle geblieben. Auch äußerlich werden unsere neuen Schiffahrtsabgaben als echte Wasserzölle sich diesen indirekten Steuern anschließen. Die Schiffahrt wird damit belastet werden, nicht nach bezogenen Vorteilen, sondern nach der Leistungsfähigkeit. Man nimmt ihr nicht mehr ab, als sie voraussichtlich tragen kann. Berechnung nach der Art der transportierten Waren versteht sich dabei von selbst, ganz gemäß ALR. II, 15 § 89: "Der eigentliche Zoll wird von Sachen und Waren; I Brücken-, Fähr- und Wegegeld aber nur von den Personen, dem Vieh und den Fuhrwerken, welche die Brücke, die Fähre oder den Weg passieren, entrichtet." Daß bei dem aufzustellenden Tarife Getreide in die erste Klasse kommen wird, war vorauszusehen. Vielleicht liegt es auch in der Folgerichtigkeit, daß Transitgüter von diesen Schiffahrtsabgaben freibleiben. Doch sind das Dinge, auf die ich nicht eingehen will und nicht einzugehen brauche. Man könnte nur noch fragen: weshalb besteht der Entwurf so sehr darauf, daß man ihm seine Wasserzölle als Gebühren gelten lasse? Es kommt ja wohl auch sonst vor, daß etwas, was zunächst als Gebühr bezeichnet war, bei genauerer Prüfung sich als Steuer herausstellt. Dadurch wird diese nicht ungültig. Sie ist dann eben, wie Ad. Wagner a. a. O. S. 171 es ausdrückt, "nach Besteuerungsgesichtspunkten zu beurteilen", wird aber als Steuer von der Souveränität der staatlichen Gesetzgebung schließlich gerade so gut getragen wie als Gebühr. Vielleicht scheut man sich, eine neue indirekte Steuer auf Rohstoffe und Verbrauchsgegenstände einzugestehen. Ich möchte aber annehmen,

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daß noch ein anderes, sehr achtbares Gefühl dahinter steckt: im Reichsverhältnis nämlich ist es am Ende mit der Souveränität der Gesetzgebung doch nicht so einfach getan, sondern können Steuern ein Unrecht gegen den Bundesgenossen sein, wo es echte Gebühren nicht wären. In Kap. 3 wollen wir zeigen, daß das wirklich hier zutrifft. Gerade deshalb liegt uns aber jetzt so viel an der Richtigstellung. I Kapitel 2 Der Zweckverband

Die künftigen Abgaben belasten nicht bloß die schiffahrttreibenden Untertanen des Staates, der sie erhebt, sondern ebenso den Verkehr von und nach den anderen Staaten, der auf die besteuerte Wasserstraße angewiesen ist. Damit treffen sie aber diese Staaten selbst, sofern die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Gedeihens der Bevölkerung, für die sie zu sorgen haben, nachteilig dadurch beeinflußt werden. Echte Gebühren, welche die zu gewährenden Vorteile "nicht aufzehren", haben eine solche Wirkung natürlich nicht. Wenn der Entwurf sein angebliches Vorbild, das Reichsgesetz für Bremen, wirklich befolgen wollte, könnte man aller Sorge ledig sein. Da die Bremischen Abgaben nur entrichtet werden von Schiffen, die ihrer Größe nach von dem verbesserten Fahrwasser Nutzen ziehen, so wäre es keine wirtschaftliche Schädigung der preußischen und oldenburgischen Häfen an der Unterweser, wenn auch ihr Verkehr herangezogen würde; es entspräche im Gegenteil der Gerechtigkeit. Aber in Wirklichkeit geschieht das nicht einmal: die in Elsfleth, Brake, Blumenthai, Farge löschenden und ladenden Schiffe zahlen nichts, wenngleich sie die vollen Vorteile der auf Bremens Kosten hergestellten Stromvertiefung ausnutzen. So will es das vorbildliche Gesetz. Gemäß dem nachahmenden Gesetze wird dafür Preußen die zu Berg fahrenden Bremer Schiffe selbstverständlich ohne solche Vergünstigungen behandeln und sie mit Abgaben belegen, wenn sie von seinen Stromverbesserungen Vorteil haben; aber - und I damit geht das Gesetz nach der entgegengesetzten Seite wie das Vorbild über die Mittellinie der Gerechtigkeit hinaus - es wird sie auch besteuern, wenn sie nichts davon haben. Und in Sachsen hat man allen Ernstes den Fall ins Auge fassen müssen, daß Preußen, wenn man ihm nicht fügsam ist, die geplante Vertiefung des EIbefahrwassers nur bis zum letzten preußischen Hafen führt - das kann es jetzt schon, es ist sein Recht - und alsdann gleichwohl von dem sächsischen Schiffsverkehr, dem die Vorteile der Verbesserungen absichtlich unzugänglich gemacht sind, seine volle tarifmäßige Abgabe zur Erhebung bringt. Sobald man das Gebührenprinzip einmal über Bord geworfen hat, ist solchen Unfreundlichkeiten Tür und Tor geöffnet. Wo es einmal stückweise doch wieder

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hereingezogen wird, hat es nur die Wirkung, daß es eine gerechte Bemessung der zu erhebenden Schiffahrtssteuer behindert. Die Berechnung der Abgaben nach Tonnenkilometern hat den Gedanken hinter sich, der dem Entwurf ja überhaupt nicht fremd ist, als wäre der ganze Strom eine vom Staat erst gewährte Leistung, die dann selbstverständlich desto größer ist, je länger man darauf fährt. Da das aber nicht zutrifft, sondern eine frei zu bemessende Steuer vorliegt, so wird ein fal~ scher Maßstab für diese verwendet. Wie kommt das Mannheimer Schiff, für das voraussichtlich nichts geschieht, wie kommt es dazu, für die Regulierung von Main und N eckar und für die Vertiefung des Rheines bis Köln herauf das Mehrfache beitragen zu müssen, wie das Schiff des Kölnischen Rhein-See-Verkehrs? Und dahinter stehen erst noch die Kunstfertigkeiten, welche bei der Aufstellung der Tarife durch die abgabenerhebenden Staaten entwickelt werden können, nicht bloß um Eigenart und Mannigfaltigkeit hineinzubringen, sondern auch zu geflissentlicher Benachteiligung des Schiffahrtsverkehrs des Nachbarstaates. Aus der Zeit vor dem nun so mißliebigen Art. 54 ist ja noch einiges in der Erinnerung. I Diesen letzteren Punkt hat denn auch der Entwurf keineswegs ganz unbeachtet gelassen. Die Begründung zu Art. II § 1 weist ausdrücklich auf jene alten Mißstände hin, die jetzt wiederkehren könnten, wenn man keine Schutzvorkehrungen dagegen träfe. Der § 1 ist bestimmt, sie zu gewähren: Wenn mehrere der Uferstaaten Abgaben erheben, so müssen sie einen einheitlichen Tarif haben; in Ermangelung einer Verständigung über diesen entscheidet der Bundesrat. Nun steht es ja mit allen Schutzvorschriften so, daß sie der Starke am Ende entbehren kann; nur für den Schwachen sind sie eine wichtige Sache. Da muß es denn einen wunderlichen Eindruck machen, wenn die Begründung den § 1 ziemlich geringschätzig behandelt. Ohne daß die beteiligten Bundesstaaten mit Ausnahme des mindestbelasteten auf ihre Selbstkostendeckung teilweise verzichten, meint sie, wird die hier geforderte Tarifgleichheit "nur sehr selten möglich sein, nämlich nur dann, wenn zufällig die Selbstkosten und die Verkehrsmengen für die Stromanteile aller Uferstaaten gleich sind oder doch im gleichen Verhältnisse stehen". Nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung dürfte das alle 500 Millionen Jahre einmal eintreten. Für diesen Fall brauchte man also kein Gesetz zu machen. Ich halte die Sache nicht für so aussichtslos. Preußen, das in der Höhe der Abgaben selbstverständlich die Führung behält, wird zwar nicht verzichten; aber mit Hilfe der großen Kollektivität können die andern ihre Selbstkosten wohl meistens auf die erforderliche Höhe hinaufrechnen; schlimmsten Falles kann man ja stets einige "unkörperliche An-

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stalten" machen. Auch der Bundesrat kann helfen; seine "Entscheidung" wird ja wohl darin zu bestehen haben, daß er ex aequo et bono den Beteiligten einen Tarif oktroyiert (selbstverständlich keinen zu niedrigen) und bestimmt, wie hoch sie demgemäß ihre Selbstkosten anzusetzen haben. So kann es doch nur gemeint sein. I Allein nicht übersehen werden darf die Voraussetzung, die für die Anwendbarkeit dieses ganzen Schutzparagraphen besteht: alle Beteiligten müssen Schiffahrtsabgaben erheben. Also der obere Staat, der in diesen Zöllen den Ruin seiner Industrie sieht und befürchtet, sein zollfreundlicher Nachbar möchte diesen Erfolg durch die ausgesuchte Art, wie er seinen Tarif gestaltet und anwendet, noch beschleunigen, - er muß, um überhaupt etwas dreinreden zu können, erst einmal selbst Wasserzölle einführen, um sich dann, mangels einer Verständigung, durch den wohlgeleiteten Bundesrat noch vorschreiben zu lassen, wie hoch sie sein sollen. Die Schiffahrtsabgaben-Propaganda, die man in den letzten Jahren - mit großem Geschick, das ist nicht zu leugnenin den verschiedensten Gestalten betrieben hat, soll jetzt vom Reichsgesetz selber übernommen werden. Seine angeblichen Schutzparagraphen sorgen dafür! Damit können wir den Art. II § 1 beiseite legen. Die Begründung mißt ihm, wie gesagt, selbst keinen Wert bei. Er dient ihr nur als Übergang zu der Einrichtung, auf die es eigentlich allein abgesehen ist: "Dieser Zufall (daß die Tarife übereinstimmen können) wird selten oder nie eintreten, und es ist deshalb notwendig, Mittel und Wege zu finden, um die Tarifgleichheit sonst zu verwirklichen." Auf die "genossenschaftliche Zusammenfassung der Verkehrs- und Strombauinteressen" ist es abgesehen, die großen "Zweckverbände". Wiederum erscheint hier ein Wort von großer natürlicher Zugkraft, wie die Gebühr. Und wiederum werden wir genau zusehen müssen, was unter dieser Flagge segelt. Das ist ja zweifellos, daß Zweckverbände der beteiligten Staaten ein ausgezeichnetes Mittel sein können zur Hebung und Ordnung der gemeinsamen Wasserstraßen. Vielleicht wird mit der Schweiz einmal etwas Derartiges zustande kommen wegen der Schiffahrt zwischen Basel und Bodensee. Die drei I oberrheinischen deutschen Staaten haben für die Stromregulierung Straßburg-Sondernheim einen mustergültigen Verband geschlossen, dieses noch ohne Abgaben. Es würde voraussichtlich ein mächtiger Antrieb zu gesunder Fortentwicklung gewesen sein, wenn das Reich es den Uferstaaten freigestellt hätte, für derartige Verbesserungen der gemeinsamen Wasserstraße Gebühren zu vereinbaren. Was das neue Gesetz will, das sind aber im Gegensatze dazu keine frei vereinbarten, sondern Zwangsverbände. Es fängt damit an,

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die Schiffahrtsabgaben in der geschilderten Weise den einzelnen Staaten freizugeben. Dadurch sind sie, zumal der § 1 von der Begründung selbst als wertlos betrachtet wird, in die Lage versetzt, sich gegenseitig in ihren Schiffahrtsinteressen schwer zu schädigen. Abhilfe oder wenigstens Milderung kann nur auf dem Wege der Vereinbarung gesucht werden; diese ist aber jetzt nicht mehr frei, sondern geschieht unter dem Druck einer Notlage, in welche das neue Gesetz die Staaten versetzt. Und zwar sehr ungleichmäßig versetzt, das ist klar. Für Preußen wird eine solche Notlage gewiß nicht bestehen. Es beherrscht nun einmal die zunächst in Betracht kommenden deutschen Ströme sämtlich; wenn es nicht will, werden keine Abgaben erhoben werden trotz des neuen Gesetzes. Die handliche "Kollektivität" und die in ihrer Ausnutzbarkeit noch gar nicht zu übersehende Einheitsbehandlung des "Wasserstraßennetzes" ermöglichen ihm die wunderbarsten Kombinationen und ein äußerst wirksames Hin- und Herschieben des Druckes der Abgaben. Die andern Staaten stehen ihm hier wehrlos gegenüber und zersplittert. Vielen ist die Sache gleichgültig; einzelne haben ja ihre besonderen Gründe bekommen, mitzugehen. Wenn einmal das Gesetz in Kraft tritt, wird sich auch bewahrheiten, was die im Arch. f. öff. R. XXV erschienene Apologie sagt: an EIbe und Weser "interessiert man sich für Rheinschiffahrtsabgaben" und umgekehrt (S. 531); es wird nämlich überall I das Bestreben sein, die preußische Abgabenlast möglichst hoch auf dem Konkurrenzstrom lasten zu machen. Verschon' dies Haus, zünd' andre an! Dem Scharfblick der maßgebenden Männer ist diese wahrhaft glänzende Situation gewiß nicht entgangen. In einer wahren Notlage werden sich dagegen befinden die oberen Uferstaaten, deren Volkswirtschaft unter dem Schutz von Zollverein und Reichsverfassung auf der Grundlage einer abgabenfreien Wasserstraße sich eingerichtet hat; nennen wir Baden und Sachsen. Auf Unterstützung haben sie nach dem Gesagten nicht viel zu rechnen. Der Reichsverband schließt alle Repressalien aus, mit welchen sonst ein Staat sich wehren würde. Das Reichsgesetz gibt ihnen nur zum Schein die Waffe in die Hand, nun auch ihrerseits Preußen mit Schiffahrtsabgaben auf ihrem Stromteil zu bedrohen; sie schneiden sich damit selbst, die Preußische Regierung aber wird lächelnd denken: Nur zu! Je mehr auch ihr die Schiffahrt noch verteuert, desto zufriedener wird mein Landtag mit mir sein. Diesen Staaten wird also, um die Übel, die das neue Gesetz ihnen bereitet, auf ein erträgliches Maß herabzusetzen, kein anderer Ausweg bleiben, als eine Vereinbarung, einen Zweckverband mit Preußen zu suchen. Preußen wird das gewiß nicht ablehnen, obwohl es nach formellem Rechte dazu imstande wäre. Aber daß der Inhalt von Verträgen, die nur der eine Teil notgedrungen abschließt, durch diese Voraus-

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setzungen wesentlich bestimmt zu sein pflegt, ist eine bekannte Tatsache. Der Stärkere diktiert ihn. Wenn dieser Tage in einem großen Blatt geschrieben stand: alles sei jetzt gut; die im Stiche Gelassenen hätten nur bei ihren Verträgen die Augen aufzumachen, so war das ein billiger Rat. Es kann natürlich sein, daß eine neue Ordnung der Dinge, wenn sie einen solchen Erfolg erwarten muß, Vorkehrungen trifft, um ihn zu verhüten oder zu mildern. Der Gesetzgeber I betrachtet es ja auch sonst als seine Aufgabe, den wirtschaftlich Schwächeren zu schützen, den Handlungsgehilfen gegen die Vertragsbestimmungen, die der künftige Prinzipal ihm aufzwingen könnte, den Aktionär gegen rücksichtslose Geltendmachung der Mehrheitsrechte. Vor allem möchte man erwarten, daß die schonende Machtverteilung, die im Reiche selbst so sorgsam vorgesehen ist, sich doch wenigstens einigermaßen auch in der Verfassung der wichtigen Staaten-Zweckverbände widerspiegele, daß überhaupt diese Verfassung nicht ganz der Willkür und der Übermacht anheimgestellt bleibe.

Nichts dergleichen enthält der Entwurf! Auf Labands Tadel erwidert die Apologie im Arch. f. öff. R. XXV S.532: daß das alles der freien Vereinbarung überlassen bleibe, sei "dem föderativen Charakter des Reichs entsprechend". Ich finde, daß der föderative Gedanke etwas zu spät kommt, nachdem man erst wesentliche Schutzbestimmungen der Verfassungs-Grundverträge beseitigt hat. Er erhält dadurch etwas Unechtes. Jedenfalls wird der Erfolg ein höchst unföderativer sein. Die Verfassung der künftigen Zweckverbände wird sich mehr oder weniger anlehnen an den Typus der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft. Die Entscheidung hat immer Preußen, allein oder mit seinen Statisten. Diese Zweckverbände sind weitere Machtmittel Preußens. Damit ist nichts Nachteiliges über sie gesagt; aber die weiteren Bestimmungen des Entwurfes wollen von diesem Standpunkte aus beurteilt sein. Es handelt sich um die Bestimmungen der §§ 3-9 des Art. Ir. Sie zerfallen von selbst in zwei Gruppen: solche, die für die Machtentfaltung des Zweckverbandes unschädlich sind - wohin gehören die §§ 3, 4, 7 und 8 - und solche, die ihn noch weiter ausrüsten mit Zwangsrechten auch gegen Außenstehende - die vielsagenden §§ 5, 6 und 9. Die erste Gruppe ist unbedeutend und leicht abgetan.

§ 3 scheint den Verbandsgenossen unter sich, die sonst I trotz § 1 illusorische Tarifgleichheit zuzusichern; daß der Bundesrat - selbstverständlich auf Preußens Wunsch - von dieser Regel entbindet, nimmt ihr viel von ihrer Bedeutung. 11 otto Mayer, Bd. II

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§ 4 gibt die schon gewürdigte Bestimmung über den Verwendungszweck der erhobenen Abgaben. § 7 will den "Schiffahrtsbeteiligten" eine Mitwirkung in der Verwaltung der Zweckverbände einräumen. Er hat den Nachteil gehabt, daß die Leute das zu ernsthaft genommen haben, als wenn eine Art Schifffahrtsparlament im Werden wäre. Die Zweckverbände gehören ein für allemal der Preußischen Bureaukratie.

§ 8 gibt jedem an der Wasserstraße oder am Stromgebiete beteiligten Staate das Recht, dem Zweckverbande beizutreten. Das könnte ein schönes Recht sein, wenn man nur die Bedingungen wüßte. Diese bestimmt aber selbstverständlich für die in Betracht kommenden Ströme Preußen. Wenn man sich mit diesem nicht einigen kann, darf man an den Bundesrat gehen. Der soll dann einen Machtspruch tun; von Rechtsstreitigkeit ist ja hier keine Rede. Das ist aber doch nur ein anderer Ausdruck für den Rat, sich bei Preußens Bescheid zu beruhigen. Das aber ist alles, was der Entwurf, vom Standpunkte der Bundesgenossen aus gesehen, an Sicherheiten bietet. Ihre "Unsicherheiten", wenn wir die Machtbefugnisse so bezeichnen sollen, mit welchen der Preußische Zweckverband noch besonders ausgerüstet wird, sind desto deutlicher zum Ausdruck gekommen und desto wirksamer. § 5 verpflichtet "die an dem gemeinsamen Wasserstraßennetze liegenden Staaten", bei der Erhebung der Verbandszölle mitzuwirken. Nach der Stellung dieser Bestimmung unter den Vorschriften für den Zweckverband könnte man sie falsch verstehen. Es handelt sich nicht um Staaten, die dem Verbande beigetreten sind; die werden schon durch das Verbandsstatut I gebunden sein. Sondern um die, welche sich spröde verhalten und draußen zu bleiben wünschen. Das gibt die Begründung am Schlusse ihrer Erläuterungen zu § 5 deutlich zu erkennen. Zunächst sieht man nun den Zweck der Vorschrift nicht ein, da doch die Rechtshilfe für die Erhebung der fällig gewordenen Abgaben den Verbandsstaaten schon durch das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 ausreichend gesichert wäre. Die Begründung erhöht noch die Unklarheit, indem sie sagt: der § 5 solle nur "die Verpflichtung zur Einziehung, welche schon nach dem Reichsgesetze von 1895 auf Ersuchen im Einzelfalle begründet ist, allgemein aussprechen". Allgemein ausgesprochen ist ja die Verpflichtung auch schon in diesem Reichsgesetze. Aber es handelt sich nur um eine kleine Unbeholfenheit im Ausdruck. Nicht die Verpflichtung im bestehenden Umfange soll allgemein ausgesprochen, sondern an Stelle dieser Verpflichtung soll eine neue, umfassendere gesetzt werden: die Mitwirkung wird dem andern Staate zur Pflicht gemacht auch ohne "Ersuchen im Einzelfalle", d. h. dieser Staat muß auf Verlangen allgemeine Einrichtungen treffen zu regelmäßiger Erhebung der dem

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benachbarten Verbande zukommenden Abgaben. Wie sich aus den sofort anschließenden Erläuterungen zu § 6 ergibt, hat man den Staat des Ein- oder Ausladeortes im Auge. Das ist ja auch von einleuchtender Zweckmäßigkeit. Danach werden Baden und Sachsen, auch wenn sie bei ihrem Widerspruche verharren, in Mannheim und Dresden Einrichtungen treffen und Beamte anstellen müssen, um an ihrer hart betroffenen Schiffahrt die für die Stromstrecken des Preußischen Verbandes ihr auferlegten Wasserzölle zu ordnungsmäßiger Erhebung zu bringen. Vae vietis! § 6 ergänzt das: Die Ujergemeinden können durch die Landeszentralbehörden zur Mitwirkung bei der Abgabenerhebung angehalten werden. Der Selbstverwaltung kann man ja ein solches, ganz abgelegenes Geschäft nicht einfach im I Verwaltungswege zumuten; es würde eines Landesgesetzes bedürfen. Das erhielte man wohl auch leicht in den Staaten, die frei und fröhlich beitreten. Aber bei den widerstrebenden wäre zu befürchten, daß sie sich hinter die Abneigung ihrer Volksvertretung verstecken. Daher wird hier die reichsgesetzliche Ermächtigung sehr zweckmäßig sein, welche die Volksvertretung beiseite schiebt. Die gezwungenen Ufergemeinden sollen "ein die Erhebungskosten deckendes Entgelt erhalten". Eigentliche Frondienste werden also für den Zweckverband nicht verlangt. Auch die Staaten werden ihre erzwungenen Leistungen, nach dem soeben besprochenen § 5 des Entwurfes, nicht ganz unentgeltlich zu machen haben: das "verallgemeinerte" Reichsgesetz von 1895 verheißt ihnen, bei sinngemäßer Anwendung seines § 9, den Ersatz ihrer "baren Auslagen". Den Abschluß gibt der Entwurf durch seinen § 9, der da bestimmt, daß der "an einer gemeinsamen Wasserstraße oder an einem gemeinsamen Stromgebiete beteiligte Staat" gezwungen werden kann, dem dafür gebildeten Zweckverbande beizutreten. Durch den Bundesrat würde, wie die Begründung erläutert, "die Zustimmung des in Betracht kommenden Staates zu ergänzen sein". Damit kommt also, wenn die geschaffene tatsächliche Zwangslage nicht ausreicht, der Rechtszwang in klassischer Gestalt. Es handelt sich wieder um einen Machtspruch, den der Bundesrat erläßt nach freiem Ermessen, wenn er findet, daß die Sache "im allgemeinen Verkehrsinteresse liegt", sagt die Begründung, "sofern es zur Verwirklichung der Zwecke des Verbandes erforderlich ist", sagt etwas abweichend der schließlich allein maßgebende Text. Und der Verband, das ist natürlich Preußen. Die Beitrittsbedingungen regeln sich nach dem Statut des zwingenden Verbandes, der für den Neuling die angemessen scheinenden Bestimmungen hinzufügt oder sie durch den Bundesrat hinzufügen läßt. Daß I dieser fortan auch auf seiner Wasserstraße die Abgaben des Verbandes zu erheben hat, versteht sich von selbst; die Mitwirkung seiner Ufergemeinden zu erzwin11*

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gen, bietet gerade für diesen Fall der § 6 die wünschenswerte Handhabe. Auch die Vornahme oder Duldung der vom Verbande beschlossenen Stromverbesserungen ergibt sich eigentlich schon von selbst aus der einmal begründeten Mitgliedschaft. Der Entwurf hebt das wohl nur deshalb ausdrücklich hervor, weil es doch wieder einen besonders harten Eingriff in die staatliche Selbständigkeit vorstellen und man deshalb zweifelhaft werden könnte, ob es noch gewollt sei. Gerade in diesem Schlußparagraphen entlädt sich noch einmal die ganze Wucht des gesetzgeberischen Gedankens, der den Entwurf erfüllt. Er bringt etwas ganz Neues, dem in den bisherigen Ordnungen nichts vergleichbar ist, wenigstens nichts auf dem Boden des Bundesrechts. Die Begründung zu § 9 und dem dort eingerichteten Beitrittszwang meint zwar: "Eine derartige Organisationsbefugnis des Bundesrates ist nicht ohne Vorgänge." Und sie beruft sich dafür auf die in den Arbeiterversicherungsgesetzen vorgesehene Bildung von Berufsgenossenschaften und Errichtung von Versicherungsanstalten. Die letzteren freilich bieten keine erkennbare Ähnlichkeit. Wenn einmal der Bundesrat - was meines Wissens noch nicht geschehen ist nach LV.G. § 66 eine Versicherungsanstalt für das Gebiet mehrerer Staaten anordnet, so verpflichtet er dadurch diese Staaten nicht, diesen Anstalten "beizutreten" und Mitglieder zu werden; er führt einfach an ihrer Stelle das Reichgesetz aus. Dagegen darf die Begründung mit Fug und Recht auf die juristische Gleichartigkeit des Vorganges hinweisen, der sich bei der Bildung der Berufsgenossenschaft ergeben kann. Hier wird allerdings der Bundesrat, falls die Unternehmer eine brauchbare Genossenschaft durch ihre Vereinbarung nicht zustande bringen, den erforderlichen Zwecklverband zwangsweise begründen. Wenn aber doch schon solche Zwangsvereinigungen von Privaten zum Vergleich herangezogen werden sollen, dann wird der hier vorliegenden Sachlage noch viel mehr entsprochen werden durch die bekannten Fälle des sogenannten "halben Zwanges". Es handelt sich um eine nützliche Einrichtung, die nicht zustande kommen kann, wenn nicht alle sachlich dar an Beteiligten mittun. Die Verständigeren möchten schon, aber eine Minderheit bleibt starrköpfig. Da tritt dann die Obrigkeit dazwischen und wie jetzt die Begründung sagt - "ergänzt die Zustimmung" der Widerstrebenden, durch Genehmigung des Statuts oder Auflage der Verpflichtung beizutreten. In den Zwangsinnungen hat das Reichsrecht diesen Typus verwendet. Noch einleuchtender sind die landesrechtlichen Vorschriften über die erzwungene Bildung von Wassergenossenschaften. So Bayr. Wasserges. vom 23. März 1907 Art. 111, 140, 149, 151; Sächs. Wasserges. vom 12. März 1909 §§ 129 ff. Der Preußische Entwurf eines Wassergesetzes von 1894 § 214, § 221 enthielt Ähnliches. Auch an

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die Bestimmungen der Preußischen Landgemeinde-Ordnung vom 3. Juli 1891 § 128, § 130 wird man erinnert. Hier sind die Muster zu finden für die Rechtsformen, in welchen der Entwurf die Verhältnisse der Bundesstaaten in Schiffahrtsangelegenheiten zu regeln gedenkt. Aus den Wassergesetzen über privatwirtschaftliche Wasserbenutzung, in deren Gedankenkreise wir uns hier bewegen, ergibt sich, daß das Dazwischentreten der Obrigkeit für den, zu dessen Gunsten es geschieht, auch eine Kehrseite hat. Wenn der Grundbesitzer, zur Beförderung seiner Wirtschaft und damit der allgemeinen Wirtschaft, ermächtigt wird, des Nachbarn Recht und Eigentum in Anspruch zu nehmen, um Arbeiten vorzunehmen und Einrichtungen zu treffen, so darf dieser keinen Vermögensnachteil daraus haben; dem andern wird auferlegt, ihn zu entschädigen. So Bayr. Wasserges. Art. 65 ff.; Sächs. I Wasserges. § 10, § 32, § 151; Preuß. Entw. § 40, § 42 (Ausgleichungsverfahren). Auch diesen Gesichtspunkt hat der Entwurf sich angeeignet; er ergänzt den Beitrittszwang durch die Vorschrift: "Dem verpflichteten Staate dürfen hierdurch Ausgaben nicht erwachsen." Er hat also nichts zu zahlen, und führt der Zwangsanschluß gleichwohl zu Ausgaben, so muß ihm das aus der Verbandskasse vergütet werden. Die Absicht ist gut und entspricht der natürlichen Gerechtigkeit. Vielleicht ist es ein wenig karg, daß nur die "Ausgaben" berücksichtigt sind und nicht auch sonstige Vermögensschäden. Damit wollen wir nicht rechten. Aber mit wem glaubt der Entwurf zu tun zu haben? Das muß doch einmal gefragt werden. Es sind ja Staaten, um die es sich handelt; bis jetzt wenigstens hat man sie zumeist so angesehen. Mit diesen ist nicht zu rechnen wie mit dem Privatmann X. und dem Privatmann Y. oder wie mit gewöhnlichen Erwerbsgesellschaften. Mit ein paar dürftigen Erinnerungen an das, was für solche Rechtens sein mag, ist für die hier zu würdigende Sachlage kein Verständnis zu gewinnen. Das Ding, gegen das hier vorgegangen und das geschädigt wird, bedeutet auch nicht bloß eine mit harten Talern mehr oder weniger gefüllte Kasse, sondern bedeutet eine geschichtlich gewordene Unterabteilung des deutschen Volkes, die ein eigenes gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben bewahren möchte, wie es die Reichsverfassung gewährleistet. Der Bundesstaat, gegen den der Zwang ausgeübt wird, wäre kein Staat mehr, wenn er dabei an seine Barauslagen dächte. Sein großes Anliegen in diesen Dingen ist die wirtschaftliche Blüte der ihm anvertrauten Bevölkerung; für die hat er sich einzusetzen, und der größte Vermögensschaden, der ihm zugefügt werden kann, ist die Zerstörung von Werten an diesem Gut. Freilich, die Abgaben des benachbarten Zweckverban-

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des werden ihm schon so schwere Nachteile genug bringen für seine fleißige I Industrie, der die Rohstoffe verteuert, seinen Handel, dem die Konkurrenzbedingungen erschwert, seine Schiffahrt, der unreife Verbesserungsprojekte sichere Lasten und unberechenbare Versuche mit neuen Betriebsformen in Aussicht stellen. Aber daß sein erzwungener Beitritt diese Lasten nun auch noch um die Tonnenkilometer seiner eigenen Stromstrecken erhöhen soll, ist eine harte Sache, die sich zu all dem hinzufügt. Er hat überdies noch andere Güter als bloß wirtschaftliche zu hüten. Der fremde Verband soll da einfach ermächtigt werden, Wasserbauverwaltung auf seinem Gebiete zu üben, ob er will oder nicht; er kann sich wohl davor schützen, indem er das Geforderte selbst vornimmt, dieses dann natürlich nach Anweisung und unter Aufsicht des Verbandes, was vielleicht noch schlimmer ist. Hat man nicht schon Befürchtungen für die alte Heidelberger Brücke geäußert, als ob die Badener genötigt sein könnten, sie nach Zweckverbandsbeschluß abzureißen und zu modernisieren! Man möchte an die Athener denken, wie sie nach der Schlacht am Ziegenflusse ihre "langen Mauern" selbst niederreißen mußten unter der Musik der siegreichen Peloponnesier. Zu solchen Dingen wird es nicht kommen. Aber rechtlich zulässig wird es sein, und in dieser rechtlichen Zulässigkeit liegt die Erniedrigung. Ein etwaiger Versuch, die Gegenseitigkeit der Rechtslage zu behaupten, als ob ein gleicher Zwang auch gegen Preußen geübt werden könnte, müßte sofort in seiner eigenen Lächerlichkeit ersticken. Preußen kann in diesen Dingen, der Natur der Sache nach, immer nur der angreifende Teil sein. Es ist nützlich, auch diese Seite des Verhältnisses zu betrachten, damit auch an ihr erhelle, wie grundfalsch der Entwurf sich die Muster für seine Rechtsgestaltungen gewählt hat. Danach stünde also Preußen mit seinem Verbande hier an der Stelle des bescheidenen Landwirts, der die Obrigkeit anruft, um gegen den störrischen Nachbar ihren Spruch und ihre Zwangsmittel I zu erwirken, damit das nützliche Bewässerungsunternehmen in Gang komme. Aber die Obrigkeit, die Preußen hier anruft, das ist nicht eine über den Parteien stehende Verwaltungsbehörde, sondern der Bundesrat, und das ist in diesen Dingen doch wohl einfach Preußen selbst. Wir treten damit der hohen Versammlung keineswegs zu nahe. Wenn eigne Angelegenheiten des Reichs in Frage sind, hieße es dem Reiche mißtrauen, wenn wir ihr mißtrauten. Wenn es sich um Rechtsstreitigkeiten zwischen den Bundesstaaten handelt, ist sie nach Reichsverfassung Art. 76 Abs.l zur Erledigung berufen. Man streitet ja wohl darüber, ob sie nicht gehalten sein soll, diese Erledigung herbeizuführen durch Bestellung eines unabhängigen Schiedsgerichts. Aber Rechtssachen sind Ehrensachen für den, der sie entscheidet; da würde sicher auch unser Bundesrat nie versagen. Wenn es sich dagegen um einen Machtspruch

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handelt mit freiem Ermessen und aus politischen Erwägungen unberechenbarer Art, da müßte es doch sehr seltsam zugehen, wenn Preußen für seine Interessen keine Mehrheit fände, sofern ihm daran liegt. Und in Schiffahrtsangelegenheiten zumal, wo seine Überlegenheit so groß ist! Wir sehen ja, wie es jetzt geht. Und die Zwangsmittel alsdann? Das ist ja auch wieder Preußen! Gegen Preußen natürlich gibt es dergleichen nicht, reichsverfassungsmäßig. Für andere würde immer noch in Frage kommen, inwiefern Preußen die Vollstreckung paßt. Diese Frage wäre in den Fällen des § 9 des Entwurfs auch noch ausgeschaltet. Der "bescheidene Landwirt", den wir vorhin voraussetzten, vollstreckte hier selbst . Arbeitet man nur mit Vorstellungen, die der verwaltungsrechtlichen Ordnung der Verhältnisse der Untertanen untereinander entlehnt sind, so ergibt ihre Anwendung auf bundesrechtliche Verhältnisse wahre Zerrbilder. Wie die Gebühren des Entwurfs keine Gebühren, sondern Steuern sind, so auch I seine Zweckverbände, die den "föderativen Charakter des Reiches" betonen sollen, sind wenig verhüllte Ausdrucksformen einer preußischen Hegemonie, die sich darin verdichtet und Gestalt gewinnt. Es gibt allerdings zweierlei Arten solcher Hegemonie. Eine, die wir alten Anhänger Preußens ehren und hochhalten, und eine andere, die auf die Dauer unmöglich ist. Diese letztere Form ist leider hier in Frage. Es wird darauf zurückzukommen sein. Zunächst nur noch ein Wort zur Würdigung der räumlichen Tragweite dieser Zwangsgewalt. Wenn kleine Leute Verpflichtungen eingehen, schärft ihnen wohl ihr Rechtsberater ein: "Unterschreiben Sie nur, wenn Sie darauf ge faßt sind, jeden Buchstaben erfüllen zu müssen"; auf den Einwand: "Es ist ein so freundlicher Herr", zuckt er die Achseln. Zwischen Staaten ist die Sache insofern anders, als die Macht dahinter steht, die im entscheidenden Augenblicke sagen darf: nun will ich doch nicht. Wir nehmen an, daß kein einziger der Bundesgenossen Preußens den trügerischen Schimmer eines solchen Gedanken hegt. Also werden auch sie gut tun, die Leistungsfähigkeit der Einrichtung, die sie da schaffen helfen, gleich voll in Ansatz zu bringen und sich nicht meinen obigen Satz zum Muster zu nehmen: "Zu solchen Dingen wird es nicht kommen." Der freundliche Herr ist nicht notwendig immer so freundlich. Aber namentlich Bayern gegenüber scheint die gewaltige Expansivkraft des Zweckverbandes zurzeit wie nicht vorhanden behandelt zu werden. Wenn das neue Gesetz erst einmal da ist, wüßte ich nicht, welches Hindernis der gelegentlichen Entdeckung im Wege stünde, daß sie gleichwohl besteht.

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Nach der Preußischen Denkschrift haben Verhandlungen über den künftigen EIbeverband stattgefunden; daran müßte nach § 8 des Entwurfs auch Bayern teilgenommen haben wegen des Besitzes der zum Stromgebiet gehörigen Saalequelle. I Nun soll zwar beschlossen worden sein, die Saale draußen zu lassen. Aber das bindet die Zukunft nicht. Das Preußische Staubecken im Fichtelgebirge ist eine rechtliche Möglichkeit geworden. Ebenso macht nach der Denkschrift der Zweckverband für das Stromgebiet des Rheines an der bayrischen Grenzstadt Aschaffenburg halt. Dahinter liegt natürlich noch der schönste Wirkungskreis für ihn bereit, um Abgaben zu erheben, Strom- und Kanalbauten vorzunehmen bis hinauf zur obersten Haltung des Ludwigskanals. Von der Donau ist keine Rede. Das Gesetz begreift sie gleichwohl. Preußen kann jederzeit mit Baden und Württemberg für das gemeinsame Donaustromgebiet einen Zweckverband bilden zur Herstellung der Schiffbarkeit bis Sigmaringen und Erhebung von Abgaben für den durchgehenden Verkehr auf gemeinsame Rechnung (§ 2). Wie weit die Schiffbarmachung gelingen wird, ist rechtlich gleichgültig. Jedenfalls kann Bayern sofort beitreten (§ 8), und da sein Beitritt für die Verwirklichung der Zwecke des Verbandes erforderlich, kann es auch zum Beitritt gezwungen werden (§ 9). Die Abgaben auf der bayrischen Donau werden dann, ebenso wie die auf dem badischen Rhein, dem "nationalen" Gesichtspunkte dienen, "die Vorteile der billigen Wasserfracht den minder ausgestatteten Gegenden Deutschlands zu verschaffen". Was sonst noch alles auf bayrischem Boden Gutes gestiftet werden kann, läßt sich gar nicht absehen. I Kapitel 3 Verfassungsfragen

Wenngleich die Begründung eine Annahme der Vorlage mit der im Art. 78 der Reichsverfassung bezeichneten Mehrheit ins Auge faßt, so bringt es doch die Eigenart des geplanten Gesetzgebungsaktes mit sich, daß damit noch keineswegs ohne weiteres die volle Korrektheit des Verfahrens gewährleistet ist. Vielmehr bestehen verfassungsrechtliche Bedenken nach dreierlei Richtung. 1. Die Bedingungen des Art. 78 sollen im Sinne der Vorlage nur zu erfüllen sein bezüglich ihres Art. I, der eine Änderung - "neue Fassung" - des Art. 54 der Reichsverfassung bringt. "Dagegen", sagt die Begründung, "enthalten die Art. II bis V der Vorlage nicht Verfassungs-

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recht, sondern gewöhnliches Reichsrecht. " Hierfür würde also der Art. 78 der Reichsverfassung nicht in Betracht kommen. Nun sind aber bekanntlich als Verfassungsänderungen nicht bloß Neufassungen oder Streichungen am bestehenden Texte anzusehen, sondern auch Zutaten, und als solche kommen ganz besonders in Betracht Erweiterungen der Zuständigkeiten des Reichs im Verhältnis zu den Einzelstaaten über das hinaus, was das bestehende Verfassungsrecht ihm schon gewährt. Was dann das Reich auf Grund seiner neuen Zuständigkeit anordnet, kann "gewöhnliches Reichsrecht" werden. Aber die Schaffung der Zuständigkeit dazu ist damit nicht zu verwechseln. Unter diesem Gesichtspunkte verdiente die neue Reglemenltierung des Abgaben- und Zweckverbandwesens durch Art. II der Vorlage eine sorgfältigere Prüfung, als die Begründung ihr angedeihen läßt. Sie glaubt die ganzen Neuordnungen unterbringen zu können bei Reichsverfassung Art. 4 Ziff. 9, wonach zu den Angelegenheiten, welche der Gesetzgebung des Reichs und seiner Beaufsichtigung unterstellt sind, auch gehören: "die Fluß- und sonstigen Wasserzölle". Daß es sich im vorliegenden Falle um Wasserzölle handelt, soll ja nicht bestritten werden. Allein wenn hier sofort als Zweck verkündet wird, auf Grund dieser Ziff.9 "die Abgabenerhebung in einer für die nationalen Verkehrsinteressen unbedenklichen und insbesondere für die künftige Entwicklung des deutschen Wasserstraßennetzes förderlichen Weise zu regeln", so muß man sich auf eine kräftige Überschreitung des Rahmens dieser Verfassungsbestimmung gefaßt machen. Sie soll zu einer ganz eigenartig aufgefaßten "Wohlfahrtspolizei" des Reiches verwendet werden, als ob sie dem Reiche die Aufgabe gestellt hätte, Wasserstraßennetze zu entwickeln und zu diesem Zwecke das landesrechtliche Abgabenwesen auf den Strömen recht zu beleben und in Gang zu bringen! Der Sinn war aber doch diesem gegenüber einfach Verhütung, Milderung und Abschaffung seiner Wass·erzölle, wie das Art. 54 Abs. 4 sofort bestätigte. Im einzelnen zeichnen sich zunächst die § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 8 und § 9 des Entwurfs dadurch aus, daß sie den Bundesrat mit diskretionären Gewalten ausstatten, wie sie die Verfassung bisher nicht kennt. Nach § 1 Abs.2 "entscheidet der Bundesrat", wenn sich mehrere abgabenerhebende Staaten über einen einheitlichen Tarif nicht verständigen können. Die Begründung sieht darin nichts Neues: es ergibt sich "aus seiner Stellung als oberste Verwaltungsstelle in Reichsangelegenheiten und als Austrägalinstanz für die Beziehungen der Bundesstaaten untereinander". I Das "und" zwischen diesen beiden Rechtstiteln ist aber entschieden unmöglich. Entweder Reichsangelegenheit, dann keine Austrägalinstanz; oder Landesangelegenheit, dann keine oberste Reichsverwaltungsstelle. Die Begründung wollte sagen "oder"; aber das

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klänge zu schlecht, als ob man es nicht gen au wüßte. In Wahrheit stimmt beides nicht. Es handelt sich auch bei den Wasserzöllen des künftigen Rechtes nicht um eigene Reichsverwaltung, sondern um Landesverwaltung. Deshalb brauchen wir nicht zu untersuchen, ob es richtig ist, den Bundesrat als die oberste Verwaltungsstelle in Reichsangelegenheiten zu bezeichnen. Der Bundesrat übt hier auch nicht etwa eine Aufsicht über die Durchführung der Reichsgesetze für die Landesverwaltung, sondern er bestimmt einfach an Stelle der Staaten das, was diese im Interesse ihrer Verwaltung selbst machen möchten und nicht zustande bringen. Wenn hieran der Umstand schuld ist, daß man sich nicht vereinigen kann über das einheitlich neu zu Bestimmende, so ist das ja allerdings eine "Meinungsverschiedenheit", wie die Begründung betonen zu sollen glaubt. Aber nicht jede Meinungsverschiedenheit ist doch eine "Streitigkeit" im Sinne des Art. 76 der Reichsverfassung. Es gibt Dinge, wenn man sich nicht über die einigen kann, dann geschehen sie eben nicht, und zu diesen rechnet ja die Begründung selbst den einheitlichen Tarif des § 1 Abs. 1, wie wir gesehen haben. Also von Austrägalinstanz ist ebensowenig die Rede. Ähnlich verhält es sich in den anderen vorhin angeführten Fällen, zu welchen die Begründung sich nicht weiter äußert. Überall ist diese ganz eigenartige Art, den Bundesrat ins Spiel zu bringen, bezeichnend für die Absichten des Entwurfs, aber auch unzweifelhaft ein Novum, das die Beobachtung der Verfassungsänderungsregeln erheischt. Die §§ 5, 6, 8 und 9 des Art. II des Entwurfs haben das gemeinsam, daß sie den Bundesstaaten Lasten auflegen, I für welche bisher die Reichsverfassung eine Grundlage nicht gibt. Wenn § 5 die Uferstaaten verpflichtet, "bei der Erhebung der Schifffahrtsabgaben für Rechnung der Zweckverbände mitzuwirken", so wird man sich dafür auf Reichsverfassung Art. 4 Ziff. 9 nur berufen können, wenn man darin wirklich die Aufgabe des Reichs anerkannt findet, Schiffahrtsabgabenerhebung zu befördern. Die Begründung bezieht sich diesmal auf das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 über den Beistand bei Einziehung von Abgaben. Dieses Gesetz gründet sich seinerseits auf Reichsverfassung Art. 4 Ziff. 11: "Erledigung von Requisitionen". Auch seine Zulässigkeit wurde schon in Zweifel gezogen (vgl. Seydel, Komment. z. Reichsverf. S. 93). Aber es bedeutete doch immerhin noch Requisition, Rechtshilfe, Beistand für die Behörde des anderen Staates "auf Ersuchen" (§ 1). Wenn die Begründung glaubt, daraufhin so ohne weiteres durch gewöhnliches Reichsrecht den Uferstaat verpflichten zu können, auch ohne "Ersuchen im Einzelfall" und ganz "allgemein" die Erhebung der fremden Wasserzölle zu besorgen, so muß das bei einem

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so wichtigen Gesetzgebungswerk recht unangenehm auffallen. Es handelt sich um eine Verfassungsänderung. Für die Bestimmung des § 6, welche die Ufergemeinden zur Abgabenerhebung heranziehen läßt, ist in der bestehenden Reichsverfassung eine Grundlage ebensowenig zu finden. Der bloße Satz der Begründung: "Es müssen daher die Gemeinden der Ein- und Ausladeorte zur Mitwirkung bei der Erhebung herangezogen werden können," vermag diesen Mangel nicht zu ersetzen. Die §§ 8 und 9 bestimmen Beitrittsrechte zu einem gebildeten Zweckverbande und Beitrittszwang. Beides liegt außerhalb des Bereiches der Reichsgewalt, wie die geltende Verfassung ihn abgrenzt. Den Staaten steht es jetzt I schon frei, Zweckverbände zu bilden zu gemeinsamer Besorgung gemeinsamer Stroms trecken. Auf welchen Rechtsgrund hin sie gezwungen werden sollen, andere aufzunehmen, oder andere sollen zwingen können, beizutreten, ist aus der Reichsverfassung nicht ersichtlich. Die Begründung freilich möchte das aufgefaßt wissen als "Maßregeln, welche geeignet und dazu bestimmt sind, den Bau von Schifffahrtswegen aus den Mitteln der Interessenten zu fördern und die solchen Bauten entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen", und danach die Zuständigkeit des Reichs herleiten aus Reichsverfassung Art. 4 Ziff.8, wo "sogar" gestattet werde "die Herstellung von Wasserstraßen im Interesse des allgemeinen Verkehrs". Nun wissen wir ja schon, wie wenig diese Vorlage sich daraus macht, die Mannheimer Rheinschiffer als "Interessenten" zu bezeichnen, wenn sie für den Bau der Main- und Neckarregulierung besteuert werden sollen, und die Versuche der Bundesstaaten, ihr bißchen Selbständigkeit zu behaupten, heißen jetzt "zu beseitigende Hindernisse". Die Kunst, die Dinge beim rechten Namen zu nennen, wird in der Bundessprache immer höher ausgebildet. Aber wenn jene Verfassungsbestimmung dem Reiche Zuständigkeit verleiht wegen "Herstellung von Wasserstraßen im Interesse der Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs", so ist damit doch keineswegs gesagt, daß statt dessen auch ein preußischer Zweckverband ermächtigt werden kann, die Nachbarstaaten in Anspruch zu nehmen zur Verwirklichung seiner Zwecke, d. h. seiner beliebigen im voraus noch gar nicht feststehenden Verbesserungen an vorhandenen, in vollem Betriebe befindlichen Wasserstraßen, offener gesagt zur Erhebung von Abgaben auch auf der fremden Wasserstraße gegen seine bloße Zusage, alles wieder zu verwenden für seine "unkörperlichen Anstalten", Kollektivaufwendungen und Projekte, auf deren Gestalt und Durchführung das Reich keinen Einfluß I hat. Das wäre nicht mehr eine Ausführung jener Verfassungsbestimmung, sondern eher ein Verzicht darauf, eine tatsächliche Abdikation des Reiches zugunsten Preußens, verbunden mit einer uferlosen Ausdehnung der hier in Frage stehenden Machtbefug-

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nisse. Vielleicht wäre das etwas Gutes und Nützliches; lassen wir es dahingestellt. Jedenfalls könnte man, unter Beobachtung der Formen, in die Verfassung hineinschreiben, daß es geschehen kann und soll. Aber daß das jetzt schon in der Verfassung begründet sei, das wird man wohl mit Recht als nicht völlig zutreffend bezeichnen dürfen. Man wird es mir auch, schon nach dem Wenigen, was hier bemerkt werden mußte, nicht als einseitigen Berufsstandpunkt auslegen, wenn ich den Wunsch nicht unterdrücken kann, es möchten doch bei Ausarbeitung solcher Reichsgesetzentwürfe Juristen zugezogen werden. 2. Die Eigenart der geplanten Neueinrichtungen bringt auch gewisse Schwierigkeiten mit sich gegenüber dem Verfassungsrecht der Bundesstaaten. Es handelt sich ja nicht um Reichsabgaben, noch um Verwaltung der Wasserstraßen von Reichs wegen, wie man das bei Beratung der Reichsverfassung von 1849 eine Zeitlang ins Auge gefaßt hatte; das Reich nimmt nur sein Verbot der Wasserzölle und Befahrungsgebühren zurück und gibt die Bundesstaaten hierin frei. Damit sind diese Abgaben nicht von selbst erhebbar. Da es sich darum handelt, den Gemeingebrauch am öffentlichen Gewässer selbst zu besteuern, so bedarf es in jedem Staate, der solche Abgaben erheben will, erst noch eines Staatsgesetzes, das sie auferlegt; nur für besondere Anstalten, deren Benützung nicht in der allgemeinen Freiheit selbst liegt, wie Kranen, Lagerhäuser usw. können die Gebühren einfach im Verwaltungswege festgesetzt werden. Vgl. Deutsch. Verw.-Recht II S. 129, S.339. Seydel, Bayr. Staatsrecht III S. 258, hat gerade diese Unterscheidung mit I großer Klarheit hervorgehoben und namentlich auch auf das richtige Verhältnis zum alten Art. 54 Abs.4 der Reichsverfassung hingewiesen, der gegenüber den landesrechtlichen Gebührenordnungen nichts weiter bedeutet als eine "Beschränkung" und ein Maß ihrer "Statthaftigkeit". Die neue Fassung ändert hieran nichts; sie schiebt die reichsrechtlichen Grenzen nur weiter hinaus. Die Staaten brauchen ja auch, um Abgaben wirksam aufzulegen, keine positive Ermächtigung von seiten des Reichs; es genügt, daß dieses nicht verbiete. Eine solche Ermächtigung könnte nur etwa den Sinn haben, daß die Volksvertretungen beiseite geschoben würden, um den Regierungen freie Hand zu lassen zur Auferlegung dieser Abgaben. Das Reichsinteresse, daß die Staaten möglichst leicht und viel Schiffahrtsabgaben für sich erheben, müßte aber schon sehr groß sein, um einen so gewaltigen Eingriff in deren verfassungs rechtliche Ordnung vorzunehmen. Jedenfalls rechtfertigt der neue Text eine solche Auslegung ebensowenig wie der alte. Ob man sich nur ungenügend ausgedrückt hat, weil man des Unterschieds zwischen dem bisherigen Nichtverbieten der Reichsverfassung und einem Ermächtigen sich

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nicht bewußt war? Ob man vielleicht der Meinung war, landesrechtliche Schiffahrtsabgaben bedürften allgemein keiner gesetzlichen Grundlage? Wir lassen es dahingestellt, und halten uns einfach an den korrekten Sinn des Textes, wonach Staatsgesetze unentbehrlich sind. Die Volksvertretungen werden ihre Zustimmung zu geben haben. In dieser Hinsicht werden ja für Preußen keine Schwierigkeiten entstehen. Bei den anderen Staaten aber wäre es denkbar, daß ihre Volksvertretungen keine oder weniger hohe Abgaben wünschten. Keine Abgaben bedeutet allerdings, daß man es darauf ankommen lassen will, daß die Schiffahrt des Landes von Preußen und seinem Verbande nun mit geeigneter Abstufung seiner Abgaben behandelt wird; denn ein einheitllicher Tarif ist für diesen Fall nicht vorgeschrieben. Keine Abgaben muß man aber auch beschließen, wenn man nur mit der Höhe der preußischen nicht zufrieden ist. Denn man muß sich darüber klar sein, daß, sowie überhaupt einmal Abgaben bewilligt sind, man die Höhe derselben nicht mehr in der Hand hat: die bestimmt alsdann gemäß § 1 Abs. 2 der Bundesrat, selbstverständlich nach preußischen Grundsätzen. Ob der Bundesratsbeschluß einfach wie ein Landesgesetz wirkt oder wie es sonst gemeint ist, das scheint im Entwurf nicht ganz zu Ende gedacht zu sein. Jedenfalls wird es gemacht. Man braucht sich aber darüber keinen Gedanken hinzugeben; denn die Uferstaaten unserer Ströme werden sämtlich, freiwillig oder gezwungen, Mitglieder des preußischen Zweckverbandes sein, Bayern wahrscheinlich zunächst nur für die Pfalz und ein kurzes Stück Mainland. Dann ist der einheitliche Tarif von selbst gegeben (§ 3); der Zweckverband, dessen Verfassung Preußen bestimmt hat, setzt ihn fest; der Bundesrat bewilligt Ausnahmen von der Einheitlichkeit (§ 3 Abs. 2). Dem Zweckverband und seiner Vorstandschaft wäre also etwa die Stelle zugedacht, welche nach dem Vertrag v. 8. Juli 1867 dem Zollverein zukam mit Zoll-Bundesrat und Zoll-Parlament. Auch dieser war eine Art Zweckverband. Es werden jedenfalls wieder Bevollmächtigte der Staaten zusammentreten, um über den Tarif zu beraten. Nur die Volksvertretung, das Wasserzoll-Parlament wird fehlen. Die Mitwirkung der Schiffahrtsbeteiligten, von der Art. II § 7 redet, ist eine Seifenblase, auf welche nur sehr vertrauensvolle Handelskammern Häuser bauen zu können meinen. Das machen die Herren Geheimräte allein. Die Befragung von Sachverständigen läßt sich sehr gut damit verbinden. Nicht zu übersehen ist aber auch: Zum Unterschied vom Zollverein werden die Beschlüsse des Zweckverbandes über die I Abgaben nicht von selbst Gesetz. Sonst würde das Wasserzoll-Parlament vielleicht doch vorgesehen worden sein. Der Entwurf gibt auch hier den Staaten

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die Erhebung von Abgaben nur frei; wie solche rechtsverbindlich gemacht werden, das ist eine andere Sache. Die Reichsgesetzgebung ist selbstverständlich nicht dazu berufen, an der Festsetzung dieser Landesabgaben schöpferisch mitzuwirken. Man würde also die Tarifbeschlüsse des Zweckverbandes immer erst noch an die Landtage der Verbandsstaaten bringen müssen. Die können tatsächlich nicht wohl nein sagen, wollen sie nicht die schweren Nachteile eines Zweckverbandbruches heraufbeschwören. Aber wenig würdig wäre dieses Verfahren für sie, wie für die Landesherren, und dazu recht umständlich. Zweckmäßigerweise würde man also statt dessen durch Landesgesetz ein für allemal aussprechen: Was der Zweckverband an Abgaben für Wasserstraßenförderung im Sinne des neuen Gesetzes festsetzen wird, ist mit der Veröffentlichung in dem und dem Blatte rechtsverbindlich auch für unser Land und ohne weiteres zu entrichten. Manche Verfassungen haben schon Bestimmungen, bei welchen sich eine derartige Anordnung unterbringen ließe. So z. B. die Sächsische Verfassungsurkunde § 96 Abs. 2. In den meisten Staaten würde eine Verfassungsänderung notwendig werden. So wurde ja auch der vorhin erwähnte Zollvereinigungsvertrag von 1867 in Bayern unter Beobachtung der im Tit. X § 7 der Verf.-Urk. vorgeschriebenen Formen zum Gesetz gemacht, "insoweit durch dessen Inhalt der verfassungsmäßige Wirkungskreis des Landtags berührt wird" (Kgl. Deklaration vom 16. Nov. 1867). Im Falle eines Zwangsanschlusses (§ 9) werden für den gezwungenen Staat die Beschlüsse des Zweckverbandes die gleiche Wirkung haben sollen, wie wenn er freiwillig beigetreten wäre. Es würde also auch hier noch ein Landesgesetz nötig sein und bestünde dem Verbande gegenüber die I Pflicht, ein solches jedesmal seinem Beschlusse gemäß zu erlassen. Ich möchte nicht annehmen, daß der Entwurf für diesen Fall dem Tarifbeschlusse unmittelbare Gesetzeskraft verleihen wollte. Der Text spricht dagegen. Vielleicht hat man aber auch diesen Punkt bloß nicht zu Ende gedacht. Ist nach dem Gesagten der Zweckverband oder der Konvent der ihm vorsitzenden Geheimräte wenigstens sachlich maßgebend für die staatliche Abgabengesetzgebung und die Beschlüsse der Landtage in diesem Punkte, so ist er diesen gegenüber vollkommen souverän, was die Verwendung der eingegangenen Gelder anlangt. Der Zweckverband bestimmt, welche Aufwendungen als "im Schiffahrtsinteresse gemacht" anzusehen sind, weist danach jedem Staat das ihm Gebührende aus dem Abgabenerträgnisse zu, andere Verwendung verbietet das Reichsgesetz (Entw. Art. II § 4); Ersparnisse gibt es hier nicht, und das übrige ist formell gedeckt durch Beschlüsse, in die kein Landtag etwas dreinzureden hat. Der Reichstag natürlich erst recht nicht. So wird jenem Kon-

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vent im toten Winkel zwischen Reichsgesetz und Landtag eine wahrhaft ideale Stellung bereitet. Die Begeisterung für Schiffahrtsabgaben ist ja zurzeit bei den meisten Landtagen sehr groß. Sie könnte aber wohl in anderer Weise ihr Ziel erreichen, ohne den Rechten der Volksvertretung so viel zu vergeben. Dafür sollte man sich den Blick doch freihalten. Wenn dieser Entwurf erst einmal Reichsgesetz ist, wird es zu spät sein. 3. Die Bedenken aus Gesichtspunkten des Landesverfassungsrechtes bieten für das Zustandekommen der geplanten Neuordnungen kein formelles Hindernis. Die Einzelheiten aber, welche noch Änderungen an der Reichsverfassung bedeuten, könnten durch dieselbe Mehrheit gedeckt werden, welche schon für die veränderte Fassung des Art. 54 in Aussicht genommen ist. Setzen wir nun den ganz bestimmten Fall, es widerlsprächen nur noch Sachsen und Baden, also 7 Stimmen im Bundesrat. Ist es dann zulässig, diesem Widerspruche zum Trotz die geplante Änderung des bestehenden Rechtes vorzunehmen und den Entwurf zum Reichsgesetze zu erheben? Ich behaupte: Nein. Und zwar will ich sagen: rechtlich ist es nicht zulässig. Aber verständigen wir uns zuerst. Nach Unserer heutigen Auffassung VOn der Staatsgewalt ist diese rechtlich allmächtig. Der Staatswille jedenfalls, der in Form des Gesetzes erscheint oder, wo es am Platze ist, des verfassungändernden Gesetzes, hat seinen Untertanen gegenüber keine rechtlichen Schranken; er kann schlechthin bestimmen, was er will. Es gibt eine Auffassung, für die ist das Reich einfach der deutsche Staat und folglich der dazugehörige sogenannte Bundesstaat schlechthin Untertan dieses Staates Reich. Die Vertreter dieser Meinung machen dabei gern eine ausdrückliche oder stillschweigende Ausnahme zugunsten Preußens. Sie ist jedenfalls die populäre. Das Wort Kaiser hat sie ins Volk getragen. Mir selbst ist jüngst begegnet, als ich bei Darstellung des sächsischen Staatsrechts bestritten hatte, daß das Reich Staat sei, daß in einem angesehenen süddeutschen Blatt ein mit der Staatsrechtstheorie nicht ganz vertrauter Jurist schrieb: das sei "eine außerordentlich gewagte Konstruktion" und ich ein föderalistischer Reaktionär. Für diesen Standpunkt habe ich nichts mehr zu sagen. Für ihn wäre natürlich durch das bevorstehende verfassungändernde Reichsgesetz alles glatt erledigt. Man kann aber auch anderer Meinung sein und die ursprüngliche Bundesnatur des Reiches noch zur Geltung kommen lassen. Dem begegnet man, wenigstens in der einen und anderen Folgerung, sogar bei Schriftstellern, welche dem Reich den lieb gewordenen Namen Staatschon wegen I "Bundesstaat" - nicht versagen. Jedenfalls entsprach

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das Bismarcks Auffassung und, soviel ich weiß, bisher auch der der deutschen Regierungen. Nur von diesem Standpunkte aus ist die Frage denkbar und berechtigt, die wir hier stellen wollen. Von diesem Standpunkte aus gibt es nämlich für das Reich und die Reichsgenossen untereinander Rechtsbestimmungen und einzuhaltende Rechtsschranken auch über das hinaus, was in der Verfassung steht, "ungeschriebenes Verfassungsrecht" , wie Triepel in der Festschrift für Laband II S.253 es nennt. Insbesondere hat Georg Meyer, dieser nüchternste unter unseren Staatsrechtsschrütstellern, für "die Befugnisse der Reichsgesetzgebung zu Verfassungsänderungen " gewisse Schranken aufgestellt, die nur zum Teil durch besondere Verfassungsbestimmungen oder Nebenabreden gegeben sind, vor allem und in erster Linie "durch die vertragsmäßigen Grundlagen des Reichs" (G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staatsrecht S. 588). Das Schwierige ist natürlich immer, aus solchen allgemeinen Sätzen bestimmte greifbare Regeln zu ziehen. Man kann ja versuchen, wie G. Meyer es tut, eine Reihe von Forderungen aus Treu und Glauben des Bundesverhältnisses zu entwickeln. Die Praxis des Verfassungsrechtes ist aber nicht reich genug, um genügende Anlehnungen zu geben. Die Theorie muß auf sich selber stehen. Da ist es denn eine besonders wertvolle Bürgschaft der Richtigkeit, wenn führende Vertreter unserer Wissenschaft, von anderen Anschauungen ausgehend, zu den gleichen bestimmten Ergebnissen kommen, wie auch die durchgeführte föderalistische Ideee sie für sich beansprucht. Das Rechenexempel ist dann gewissermaßen auf zweierlei Wegen zu dem gleichen Ziel gelangt, jeder dient dem anderen als Probe.

Ich nenne Laband und Haenel, denen für die Lehre vom I Deutschen Staatsrecht zurzeit wohl kein dritter als gleichwertig beigesellt werden darf. Laband hat die Frage nach den Grenzen der Reichsgesetzgebung behandelt im Staatsrecht des Deutsch. Reichs I § 12 unter der überschrift: "Die Rechte der Einzelstaaten"; im wesentlichen übereinstimmend aber schon in Annalen des Deutsch. Reichs 1874 S. 1487 ff.: "Der Begriff der Sonderrechte nach deutschem Reichsrecht". Er unterscheidet: Mitgliedschaftsrechte, Sonderrechte und Rechte der Bundesstaaten als einzelner. Die letzteren umfassen alles, was diesen frei bleibt nach Abzug der Reichskompetenz (St. R. I S. 115). Sie genießen nicht den Schutz des Art. 78 Abs. 2 der Reichsverfassung. Sie sind aber geschützt durch einen ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz, insofern als das Reich "bei jeder Kompetenzerweiterung allen Staaten gleichmäßig eine Einbuße von Rechten zumutet" (a. a. O. S. 116 Note 1) und seine Obergewalt nicht gebrauchen darf, um in ungleicher Weise in dieses Rechtsgebiet einzugrei-

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fen. Das wäre "Mißbrauch der Souveränität" (Annalen 1874, S. 1514). "Es ist kein Gesetz, auch nicht in den für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Formen, zulässig, welches einen einzelnen Staat ohne seine Zustimmung aufhebt oder ihm allein finanzielle, militärische oder andere Mehrleistungen auferlegt" (a. a. O. S. 1515). Juristisch wäre allerdings nichts weiter dagegen zu machen: "Gegen den Mißbrauch der Souveränität kann es keinen formellen Schutz geben." Haenel, Deutsch. Staatsrecht S. 818, stimmt im wesentlichen überein. Wenn einem Staate, sagt er, durch Nebenvertrag, also nicht in der Reichsverfassung selbst, eine besondere Zusage gemacht worden ist, gilt Art. 78 Abs.2 nicht. Doch kann kein Zweifel sein, daß ein Eingriff der Reichsgesetzgebung in ein solches Recht "einen durch nichts zu rechtfertigenden Rechtsbruch bewirkt". Es gibt nUr kein verfassungsmäßiges I Anfechtungsmittel dagegen. "Ein solches Gesetz würde materielles Unrecht, aber formelles Recht sein wie jedes andere Reichsgesetz, wenn es in subjektive Rechte, sei es der Einzelstaaten, sei es der Reichsangehörigen, eingreift, die nach positivem Rechte als wohlerworbene Rechte im eminenten Sinne anerkannt sind, oder wenn es nach Willkür einzelnen Gliedstaaten besondere Privilegien einräumt oder besonders erschwerende Verpflichtungen auferlegt." Daß zum Schutze von subjektivem und objektivem Rechte Rechtsbehelfe nicht bestehen, das ist in diesen Verhältnissen nichts Unerhörtes. Wenn man es durchgesetzt hätte, wie man sich den Anschein gab, ohne Verfassungs änderung den Bundesrat einfach erklären zu lassen: "Besondere Anstalten" im Sinne des Art. 54 der Reichsverfassung sind alle Aufwendungen im Schiffahrtsinteresse, so hätten die Überstimmten auch nichts anderes tun können, als ihre Ansicht aussprechen, daß ein Rechtsbruch vorliege. Dadurch brauchen wir uns nicht beirren zu lassen. Die Hauptsache ist, daß auch nach Laband und Haenel Dinge, die im Verhältnis der Landesgesetzgebung zu den Untertanen lediglich als Unbilligkeiten zu bezeichnen wären, im Verhältnis zwischen der Reichsgesetzgebung und den einzelnen Bundesstaaten Unzulässigkeit des Gesetzes, Mißbrauch der Souveränität, Rechtsbruch werden. Die von ihnen hier aufgestellten Grundsätze können ohne weiteres beanspruchen, Ausdruck des allgemeinen Rechtsbewußtseins zu sein. Die föderalistische Theorie unterschreibt sie rückhaltlos; wenn sie glaubt, ihnen durch Zurückführung auf Treu und Glauben des ursprünglichen Bundesvertrags einen klareren Zusammenhang zu geben, so kommt es auf diese Abweichung hier nicht an. Hier sind also Dinge zu berücksichtigen, an die man mit dem bißchen zivilrechtliche Erinnerungen und Wasserrecht I nicht herankommt. Man wird freilich auch immer genau zusehen müssen, wie der Fall liegt. 12 otto Mayer, Bd. II

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Einwilligung des Geschädigten deckt natürlich jede ungleiche Behandlung. Unter Umständen besteht auch die Möglichkeit ausreichender Entschädigung des Staates, "der seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird". Auch wo das nicht möglich ist, kann eine solche Rechtseinbuße getragen werden müssen, wenn eben die gemeinsame Sache, das Reichswohl, es erfordert. Dann kommt es auch immer noch darauf an, ob es sich um eine wirkliche Rechtseinbuße handelt und nicht um eine der unvermeidbaren tatsächlichen Verschiedenheiten in der Wirkung der auf Gleichheit berechneten Gesetze. Angesichts all dieser Möglichkeiten wird es nicht leicht vorkommen, daß man einmal mit Sicherheit sagen kann: hier ist jene natürliche Schranke der Reichsgesetzgebung überschritten, Rechtsbruch gegeben. Es müßte etwa geradezu der Fall eintreten, daß die Gesetzgebung des

Reiches dazu benutzt werden sollte, um zum Sondervorteil führender Staaten eine Minderheit in ihrem Rechtsbestande zu benachteiligen.

Das braucht nicht gleich so weit zu gehen, daß die Mehrheit die Minderheit verteilt, wie man es sich schon als Musterbeispiel ausgedacht hat. Die bundeswidrige Art des Vorganges kann auch ohne das genügend offenbar werden. Wenn irgend einmal, so ist es jetzt der Fall.

Uferstaat eines schiffbaren Stromes zu sein, ist nicht bloß eine Tatsache von hohen wirtschaftlichen Vorteilen. Es verknüpft sich damit auch eine vielseitig ausgebildete Rechtsmacht, um diese Vorteile dem Staate und der ihm anvertrauten Bevölkerung zu sichern. Bei gemeinsamen Flüssen wirkt diese notwendig über die Grenzen der Gebietshoheit des einzelnen Staates hinaus, damit jedem die Wasserstraße als I Ganzes dienlich bleibe: allgemeingültige Völkerrechtssätze und besondere Verträge geben dem Strome seine Rechtsverfassung, die für die Uferstaaten eine ausgeprägte Rechtsgemeinschaft bedeutet, jedem Mitgliede das ihm Zukommende gewährleistend in Gestalt von Rechtsansprüchen gegen die anderen, Rechtsansprüche auf Zulassung zur Fahrt, Unterhaltung der Fahrbahn, Freiheit von Abgaben oder Einschränkung solcher (v. Martens-Bergbohm, Völkerrecht I S. 298; Karatheodori in Holtzendorffs Handb. d. Völkerrechts 11 S. 279 ff.; Gareis, Institutionen d. Völkerrechts § 20). Das Reich hat die deutschen Ströme mit solchen geordneten Rechtszuständen und Rechtsverhältnissen vorgefunden. Es hat ihre Ordnung in liberalem Sinne verbessert und sie zugleich verallgemeinert. Die Rechtsstellung der Uferstaaten untereinander sollte dadurch jedenfalls nicht verschlechtert werden; das wäre der Fall gewesen, wenn das Reich an Stelle der bisherigen selbständigen Rechtsansprüche zwischen ihnen lediglich polizeiliche Pflichten ihm gegenüber hätte setzen wollen. Es

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hat aber diese Verhältnisse seinerseits auch materiell gleichmäßig gestalten wollen; der Art.54 Abs.4 der Reichsverfassung begründete Rechtsansprüche auch für die Uferstaaten, die vorher solche Ansprüche vertragsmäßig nicht oder nicht in solchem Maße gehabt hatten. Das wird alles nicht zu bestreiten sein; aber ebensowenig wird zu bestreiten sein, daß das Reich im Wege der Verfassungsänderung den Art.54 beseitigen oder anders fassen kann und dadurch auch diese Rechte der Uferstaaten beseitigen. Das ist dann natürlich eine Rechtseinbuße für sie. Selbstverständlich würden Nichtuferstaaten dadurch nicht so getroffen werden, weil bei ihnen gleichartige Rechte überhaupt nicht vorliegen. Aber dadurch allein würde die Rechtseinbuße noch nicht zu einer ungleichen im Sinne unseres ungeschriebenen Verfassungsgrundsatzes. I Sehen wir zunächst weiter. Die Reichsverfassung hat die zwischen den Staaten bestehenden Schijjahrtsverträge nicht für aufgehoben erklärt. Es ist kein Grund einzusehen, weshalb sie das stillschweigend getan haben sollte. Die reichsverfassungsmäßigen Ansprüche der Staaten untereinander und ihre vertragsmäßigen konnten, soweit sie sich deckten, ganz gut mit den zweierlei Rechtstiteln für dieselbe Leistung nebeneinander bestehen. In der Literatur ist die $ache streitig; vgl. Haenel, Studien I S. 142 ff.; Seydel, Komment. z. Reichsverf. S.203; Laband, Staatsrecht II S. 156 ff.; Piloty, Recht der Schiffahrtsabgaben S. 6 ff. Unbestreitbar scheint mir allerdings wieder, daß das Reich, wenn sie, wie wir annehmen müssen, fortbestehen, auch diese Verträge samt den daraus fließenden Rechten der Uferstaaten durch seine Gesetzgebung beseitigen kann. Der Entwurf stellt sich auf den Standpunkt, den wir für richtig halten, und bestimmt, um für seine Neuordnungen Bahn zu schaffen, in Artikel V: "Landesrechtliche Vorschriften, einschließlich der zwischen Bundesstaaten bestehenden Vertragsrechte, welche der Erhebung von Schiffahrtsabgaben entgegenstehen, treten außer Kraft." Die Begründung hebt hervor, daß die Rechte Österreichs und der Niederlande aus Elbzollvertrag von 1870 und Rheinschiffahrtsakte von 1868 vorbehalten bleiben; nur die der deutschen Uferstaaten werden zerstört. Dabei wäre bezüglich der Rheinschiffahrtsakte nicht bloß des Art. 3, sondern auch des Art. 28 zu gedenken gewesen, insofern auch die vertragsmäßige Stromunterhaltungspflicht entsprechende Abgaben ausschließen dürfte. Die Begründung beruft sich auch hier wieder auf das Reichsgesetz für Bremen, welches die vertragsmäßigen Untersagungsrechte der Weseruferstaaten beseitigte. Das konnte es und von Bundeswidrigkeit durfte keine Rede sein, wo diese Staaten freudig zustimmten. übel hätte es ihnen auch angestanden, Inicht zuzustimmen, wo das Gesetz mit 12*

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geradezu übertriebener Sorgfalt darauf bedacht war, daß ihnen kein Schade erwachse, höchstens unentgeltlicher Vorteil. Das führt uns aber hinüber auf den zweiten Punkt. Der erste ist hinreichend geklärt: das neue Reichsgesetz mutet den Uferstaaten eine Rechtsminderung zu; es zerstört nicht bloß verfassungsmäßige, sondern auch vertragsmäßige Rechte, die seine Begründung ausdrücklich als solche bezeichnet. Fragt sich also nur, ob diese Rechtseinbuße als eine ungleiche anzusehen ist. Hier ist es ja schwer, die Stellung der einzelnen Bundesstaaten genau zu würdigen. Viele sind eigentlich unbeteiligt. Vieles spielt hinter den Kulissen, so daß man kein Urteil hat. Hessen ist an freier Bewegung durch die Eisenbahngemeinschaft gehindert: wenn wir einmal die großen "Zweckverbände" haben, werden solche Hinderungen zunehmen. Das Spiel steht wohl wesentlich zwischen Baden und Sachsen einerseits, Preußen, Bayern und Württemberg anderseits. Regierung und Volksvertretung stehen überall zusammen: handelt es sich doch nicht um politische und wirtschaftliche Grundanschauungen, die trennen könnten, sondern einfach gleichmäßig um Sonderinteressen. Reichsinteressen konnten auf beiden Seiten nur den Namen leihen. Baden und Sachsen sind zweifellos durch die geplante Rechtsänderung schwer betroffen, so schwer, daß die Vertreter der Projekte des Preußischen Arbeitsministeriums, die doch jetzt schon mit vollen Händen aus den künftigen Zweckverbandskassen schöpfen, keinen Versuch gemacht zu haben scheinen, sie zu "kaufen". Die anderen, die ihnen gegenüber stehen, erleiden formell die gleiche Rechtseinbuße. Aber nur das ärgste juristische Banausentum könnte die Sache damit abtun wollen. Wir haben es doch bei unserem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz I mit einer Forderung mllterieller Gerechtigkeit zu tun, und unmöglich wäre es, nicht zu sehen, wie es hiernach steht. Preußen erleidet in Wahrheit keine Rechtseinbuße, wenn jetzt das Verbot, sich gegenseitig durch Schiffahrtsabgaben zu belästigen,aufgehoben wird. Zufolge einer Wendung seiner inneren Politik will es ja gerade belästigen und macht sich nichts daraus, wenn es belästigt wird; im Gegenteil, je teurer die Transporte, desto zufriedener der Landtag. Es ist schlechthin der Starke in diesem ganzen Verhältnis, und wenn der Starke zu dem Schwachen sagt: wir wollen jetzt gegenseitig auf Rechtsschranken und Rechtsschutz verzichten, und hinzufügt: wir geben ja dadurch ganz gleichmäßig unsere Rechte auf - so ist das ein Hohn. Er ist ungefähr von der gleichen Art wie der, daß man es eine Huldigung für den "föderativen Charakter des Reiches" nennt, wenn die kleineren Staaten schutzlos den Bedingungen preisgegeben werden, die

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ihnen die Preußische Regierung für den unentrinnbaren Anschluß an den "Zweckverband" diktiert.

Bayern hat sich gefallen lassen müssen, daß es in die Verstricktheit der Preußischen Regierung mit hineingezogen wurde: wie diese ihren Mittellandkanal nicht eröffnen darf, bevor im Reiche die Schiffahrtsabgaben durchgesetzt sind - von Zeit zu Zeit pflegt ein agrarisches Blatt sie daran zu erinnern -, so soll Bayern den Anschluß seines zu regulierenden Mainflusses an die große rheinische Wasserstraße nur erhalten unter der gleichen Voraussetzung. Man sollte freilich meinen, der Anschluß hätte auch ohne das nicht verweigert werden können; denn dazu hat man doch das Reich. Aber Bayern erhält überdies den ganzen Anschluß kostenlos und für seine eigenen Arbeiten eine Anzahl von Millionen, alles aus der Schiffahrtsabgabenkasse des künftigen Zweckverbandes, "auf ungerechte Kosten" also, wie man sagen könnte; denn diese Kasse soll ja zu einem beträchtlichen Teile ge!füllt werden von den zwangsweise mitbesteuerten Bundesgenossen. Was Bayern dafür hingibt, ist nicht seine diesmalige Abstimmung im Bundesrat allein, sondern wohl noch anderes; je höher man von Bayerns Aufgabe denkt, desto höher wird man's werten. Der bekannte Realpolitiker im Alten Testament, der das Linsengericht unsterblich gemacht hat, weil er es dem Unwägbaren vorzog, ist am letzten Ende mit seiner Rechnungs.:.. weise schlecht genug weggekommen. Württemberg hat die allereinfachste Rolle in dieser Sache: ursprünglich keineswegs geneigt, stimmt es jetzt zu und erhält laut Preußischer Denkschrift den Neckar kanalisiert, wofür aus den "verkehrsförderlichen" Abgaben der anderen 28 Millionen zu verwenden sind. Andere haben vielleicht ähnliche Geldversprechungen in der Tasche. Jedenfalls sind alle diese Geschäfte vollkommen reell. Preußen kann in der Tat den künftigen Zweckverband jetzt schon wirksam verpflichten, denn es wird der künftige Zweckverband sein. Die beiden Empfänger verzichten auch auf kühne Verschleierungen, als wenn hier Reichsinteressen und Zukunftsentwicklungen des deutschen Volkes erstrebt würden; namentlic;h auf bayrischer Seite ist der Mangel an Hochachtung für diese Abgabenideen mit erfrischender Deutlichkeit erkennbar geworden. Sie verfolgen beide ehrlich ihre Sonderinteressen, wie sie Preußen auch verfolgt. Das neue Gesetz wird also "Jedem das Seine" bringen: Preußen darf seinen Kanal eröffnen und gewinnt ein großartiges neues Machtmittel obendrein, Bayern erhält seine Mainstraße, Württemberg seinen Nekkarkanal. Tout sera pour le mieux dans le meilleur des mondes! Nur: wenn das Gesetz diesen Erfolg nur dadurch erreichen konnte, daß es Baden und Sachsen schwere Rechtseinbußen zufügt, so ist es

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eben, unter jenen höheren Gesichtslpunkten des Bundesrechts betrachtet, nichts anderes als "Mißbrauch der Souveränität", "materielles Unrecht", "Rechtsbruch". Damit ist ja, wie vorhin ausgeführt wurde, nicht gesagt, daß wir ein solches Gesetz nun als ungültig und unwirksam behandeln dürften. Rechtsbehelfe gibt es nicht. Der Jurist kann sich nur verneigen. Aber deshalb ist es keineswegs eine ganz gleichgültige Sache, wenn ein Gesetz in solcher Art verurteilt werden muß, und ist auch nicht immer ganz bedeutungslos für die Welt der Tatsachen. Man hält dem Juristen gern mit einem gewissen Behagen vor, daß er mit seinen Formeln den Staat nicht völlig zu fassen vermag, daß hier Dinge am Werke sind, die sich seiner eigenartigen Rechenkunst entziehen. Aber das weiß natürlich niemand besser als wir; wie könnte man das nicht spüren, wenn man sich mit dem Staate beschäftigt! Deshalb müssen eben unsere Studien notgedrungen auch auf dieses Jenseitige am Staate, das Metajuristische, wie man es schon genannt hat, sich ausdehnen. Montesquieu, weiland Senatspräsident am Obersten Gerichtshofe zu Bordeaux, hat sein berühmtes Buch De l'esprit des lois wesentlich gerade solchen Dingen gewidmet. Darin bemüht er sich unter anderem, für jede Regierungsform eine Art Lebenspunkt aufzuweisen, an den allein niemals gerührt werden soll. Das ist le principe de chaque gouvernement, die Kraft, mit der die Regierungsform ihrer Eigenart nach in den Gemütern der Menschen verankert ist, auf welche es bei ihr ankommt. Die größte Sorge muß sein, daß diese Lebenskraft erhalten bleibe; andernfalls, wenn "le principe se corrompt", tritt notwendig eine Änderung der ganzen Verfassung und Regierungsform ein. In diesem Sinne wäre nach ihm das Prinzip der Republik la vertu, der schlichte Bürgersinn, das der Monarchie l'honneur, der Standesstolz der Bevorrechteten usw. Treitschke, der Prophet des neuen I Reiches, hat für den Bundesstaat etwas wie ein solches "Prinzip" des Montesquieu aufgestellt: er nennt es die "eidgenössische Gesinnung", den "eidgenössischen Rechtssinn", den "gewissenhaften föderativen Geist" (Rist. und pol. Aufsätze II S. 143, 157, 159, 190). Der Bundesstaat, meint er, mit seiner starken Gesamtgewalt kann nur so bleiben, "wo die Bundesgenossen sich daran gewöhnt haben, jeden mitverbündeten Staat als eine unantastbare gleichberechtigte politische Persönlichkeit zu achten" (S. 157, 158). Für Deutschland hat Treitschke damals (1864) das Vorhandensein der Voraussetzung verneint, und zwar um der Fürsten willen. Bismarck hat dann allerdings gerade das deutsche Fürstentum zur Trägerschaft des Bundesstaates gewonnen, unter gewaltiger Stärkung der monarchischen Idee, und war sich ja dessen auch bewußt. Wenn wir den hier vorliegenden Fall betrachten, müssen wir sagen, daß unsere

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Volksvertretungen, Reichstag wie Landtage, von solchem eidgenössischen Sinne nichts bekunden, aber auch gar nichts. Das ist nichts Neues. Die Regierungen waren im allgemeinen immer viel zugänglicher für solche Rücksichtnahmen. Im vorliegenden Falle versagen auch sie. Also: "le principe se corrompt", würde Montesquieu sagen; der deutsche Bundesstaat hat keine Zukunft. Daß er auf schwachen Füßen steht, war bei der allzu großen Ungleichheit der Bundesgenossen von vornherein klar. Nur bei sehr viel "eidgenössischem Sinn" konnte er Dauer versprechen. Und der ist offenbar nicht da. Das konnten wir allmählich schon wissen. Der vorliegende Fall beleuchtet die Tatsache nur besonders grell. Deshalb wird Deutschland nicht auseinanderfallen. Niederträchtig, wer das für möglich hält! Aber die Form muß sich ändern, welche die Zusammengehörigkeit zum Ausdruck bringt. Wenn der Bundesstaat nicht mehr haltbar ist, so wird einfach die Form gänzlich an seine Stelle treten, die jetzt schon neben I ihm hergeht: das ist die preußische Hegemonie in ihrer schärferen Gestalt, der Anschluß aller bisherigen deutschen Bundesstaaten an die Vormacht Preußen als dessen Nebenländer. Wir haben die vollen Militärkönventionen, die Akzession von Waldeck, die Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft; die Universitätsverwaltung ist, wie manches andere, durch Konferenzen der Dezernenten unter preußische Führung genommen worden; Braunschweig und ElsaßLothringen sind nicht zu übersehen. Die Sache der freien Wasserstraßen hätte eine gute Gelegenheit geboten, den bisherigen Gang der Entwicklung einigermaßen zu verlangsamen. Der Entwurf schafft mit seinen Zweckverbänden ein Institut preußischer Hegemonie von der allerderbsten Gestalt, das seinerseits wieder kräftig weiterdrängen muß. Und dabei ist noch eine wichtige Besonderheit nicht zu übersehen. Bisher waren solche Erweiterungen der preußischen Führerschaft jeweils Sache freien Entschlusses der Militärkonventionsstaaten, Waldecks, Hessens. Jetzt zum ersten Male verbinden sich die beiden Formen: Reich und Hegemonie. Und zwar in der Weise, daß die Reichsgesetzgebung dazu dienen muß, die Hegemonie zwangsweise auszudehnen. So ruft also jetzt unser Bundesstaat selbst schon den Erben herbei. Und das unter wahrhaft erschütternden Symptomen des Mangels an eidgenössischer Lebenskraft. Damit zeigt er zum ersten Male die nicht mehr zu verkennende Facies hippocratica, die Züge des Sterbenden. Sehr viele gute Deutsche werden das ohne allzu großen Kummer feststellen. Die Form des Bundesstaates an sich hat ja auch nichts besonders Liebenswertes. Sie gewährte nur das Mittel der Erhaltung gewisser staatlicher Selbständigkeiten. Aber die Zahl derer, die nur einen deutschen und keinen andern Patriotismus haben, ist sehr groß.

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Doch muß man sich auch über ein Weiteres klar sein: I Die preußische Hegemonie, wie sie jetzt Schritt für Schritt sich verwirklicht, wird auf die Dauer nicht so bleiben können. Sie legt, wie Treitschke (a. a. O. S. 156) mit Recht hervorhob, dem "Selbstgefühl der Stämme" allzu große Opfer auf. Preußisches Nebenland sein, Preußen zweiter Klasse, alle Nichtpreußen eine Art von Elsaß-Lothringern? Es ist viel zugemutet. Der Drang nach dem deutschen Einheitsstaate wird unwiderstehlich gemacht werden. Wie weit nicht auch die Idee der Monarchie dabei zu Schaden gekommen sein wird, wollen wir nicht untersuchen. Das ist noch ein recht ernsthafter Punkt; aber man darf nicht zu viel voraussehen wollen. Die Politik ist ja überhaupt keine Wissenschaft. Wir können nach unseren Einsichten in das begriffliche Wesen der Staaten und in die Staatengeschichte wohl sagen: die Dinge haben zurzeit den Zug nach dieser bestimmten Richtung. Ob nicht doch noch abgeschwenkt wird, entzieht sich unserem Ermessen. Das soll uns nicht abhalten, in einem Falle, wie der vorliegende, für die Wanderer eine Tafel aufzustellen mit der Aufschrift: "Der Weg führt nach Küßnacht, an dem bekannten Hollunderstrauche vorbei." Achtgeben werden sie nicht viel darauf. Vielleicht biegen sie aber sonst noch ab. Wenn nicht, wird es den Späteren Freude machen, festzustellen, wie wir das ja auch so oft tun: daß seinerzeit schon sehr bald der weitere Verlauf vorauszusehen war, und daß eben doch das Schicksal sich vollenden mußte. I

Beilage Der Wortlaut des Gesetzes nach dem Entwurfe

ATtikel I. Im Art. 54 der Reichsverfassung wird der Abs. 3 Satz 2 gestrichen. Der Abs. 4 erhält folgende Fassung: In allen Häfen und auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für solche Werke, Einrichtungen oder sonstige Anstalten erhoben werden, welche den Verkehr wesentlich erleichtern. Diese Abgaben sowie die Abgaben, welche auf künstlichen Wasserstraßen erhoben werden, dürfen bei staatlichen Anstalten oder Wasserstraßen die zur Herstellung und Unterhaltung erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Der Bemessung der Abgaben, mit Ausnahme der Abgaben für die dem örtlichen Verkehre dienenden Anstalten, können im Bereiche der Binnenschiffahrt die Gesamtkosten für ein Stromgebiet oder Wasserstraßennetz zugrunde gelegt werden. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird.

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ATtikel II. § 1. Werden auf einer gemeinsamen natürlichen Wasserstraße von mehreren Bundesstaaten Abgaben für den durchgehenden Verkehr erhoben, so darf dies nur auf Grund eines einheitlichen Tarifs geschehen.

In Ermangelung einer Verständigung der Staaten über den Tarif entscheidet der Bundesrat. § 2. Schließen sich mehrere Bundesstaaten zu einem Zweckverbande zusammen, um auf gemeinsamen natürlichen Wasserstraßen oder innerhalb eines gemeinsamen Stromgebietes auf gemeinsame Rechnung Abgaben für den durchgehenden Verkehr zu erheben, so gelten für einen solchen Verband die Vorschriften der §§ 3 bis 9.

§ 3. Die Abgaben sind innerhalb des Verbandes auf Grund eines einheitlichen Tarifs zu erheben.

Ausnahmen können durch den Bundesrat zugelassen werden. § 4. Die Einnahmen aus den Abgaben sind nur zur Deckung der Kosten für Herstellung und Unterhaltung von Werken, Einrichtungen oder sonstigen Anstalten, welche den durchgehenden Verkehr im Gebiete des Verbandes wesentlich erleichtern, zu verwenden und unter die Staaten nach dem Maßstabe derjenigen Aufwendungen zu verteilen, welche I ein jeder mit Zustimmung des Verbandes für das gemeinsame Wasserstraßennetz im Schiffahrtsinteresse gemacht hat. § 5. Die an dem gemeinsamen Wasserstraßennetze beteiligten Staaten sind verpflichtet, bei der Erhebung von Schiffahrtsabgaben für Rechnung der Zweckverbände mitzuwirken. § 6. Die Ufergemeinden können durch die Landeszentralbehörden zur Mitwirkung bei der Abgabenerhebung gegen ein die Erhebungskosten deckendes Entgelt verpflichtet werden.

Die Abgaben sind nach den für staatliche Verwaltungsgebühren maßgebenden Bestimmungen beizutreiben. Zur Entrichtung der Abgaben sind der Schiffseigner, der Schiffer und nach Maßgabe seines Ladungsanteils der Absender als Gesamtschuldner verpflichtet. § 7. In der Verwaltung der Zweckverbände ist den Schiffahrtsbeteiligten eine Mitwirkung einzuräumen. § 8. Jeder an einer gemeinsamen natürlichen Wasserstraße oder an einem gemeinsamen Stromgebiete beteiligte Staat hat das Recht, einem von anderen Staaten für diese Wasserstraße oder dieses Stromgebiet gebildeten Zweckverbande beizutreten. Wird über die Bedingungen des Beitritts keine Einigung erzielt, so entscheidet der Bundesrat.

§ 9. Tritt ein nach § 8 zum Beitritt berechtigter Staat dem Zweckverbande nicht bei, so kann er, sofern dies zur Verwirklichung der Zwecke des Verbandes erforderlich ist, von dem Bundesrate verpflichtet werden, dem Zweckverbande beizutreten und Stromverbesserungen zu dulden oder nach seiner Wahl vorzunehmen. Dem verpflichteten Staate dürfen hierdurch Ausgaben nicht erwachsen.

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Artikel 111.

Zur Deckung der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes auf natürliche Wasserstraßen verwendeten Kosten dürfen Schiffahrtsabgaben nicht erhoben werden. Diese Vorschrift findet auf die Kosten von Stromverbesserungen, welche am 1. April 1905 noch nicht vollendet gewesen sind, keine Anwendung. Artikel IV.

Die Vorschriften der Art. II und 111 finden auf bestehende Schiffahrtsabgaben keine Anwendung. Artikel V.

Landesrechtliche Vorschriften, einschließlich der zwischen Bundesstaaten bestehenden Vertragsrechte, welche der Erhebung von Schiffahrtsabgaben entgegenstehen, treten außer Kraft. I

Zur vorläufigen Reichsverfassung* Der gerade Weg ist der beste. Aber man kann ihn nicht immer gehen. Das gilt auch von den Schöpfungen der Staatskunst, insbesondere von großen Verfassungswerken, wie wir jetzt eines entstehen sehen. Das neue Deutschland soll als demokratische Republik gestaltet und als solche künftighin zweifelsfrei ausgestattet sein mit staatlicher Natur. Es galt ja unter den Rechtsgelehrten bisher schon als ein Erfordernis guter Gesinnung, ihm die Staatseigenschaft und die damit verbundene Festigkeit und Vollkommenheit auch unter der Bismarckschen Verfassung schon zuzusprechen - Bismarcks abweichender Auffassung zum Trotz, nach der es ein vertragsmäßiger Bund souveräner Fürsten und freier Städte sein und bleiben sollte. Jetzt wird es nicht mehr nötig sein, sich solchen patriotischen Zwang anzutun. Denn was bisher fehlte, bekommen wir jetzt: den einheitlichen lebendigen Souverän, als welcher nun gewappnet emporsteigt das deutsche Gesamtvolk. Von diesem Punkte aus hat denn auch die Verfassung in alle Einzelheiten hinein geradlinige Folgerungen zu ziehen: ihre innerliche Folgerichtigkeit ist ein wesentliches Stück der Macht über die Gemüter, welche ihre sämtlichen Bestimmungen hält und trägt. Das kommt vor allem zum Ausdruck in der Art, wie hier die Ausübung der obersten Gewalt geordnet erscheint. Sie geschieht immer im Namen des Gesamtvolkes, unmittelbar durch allgemeine Abstimmung oder durch Versammlungen gewählter Vertreter. So in der Verfassung der Vereinigten Staaten, in der Verfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in der Reichsverfassung von 1849 (die ja im wesentlichen gleichfalls schon republikanische Züge trug), so auch in dem Entwurf Preuß zu unserer künftigen Verfassung. In all diesen Beispielen wird neben die unmittelbar bestellte Volksvertretung noch ein zweites Haus geordnet (Senat, Ständerat, Staatenhaus): Die Mitglieder werden gewählt von den Volksvertretungen der bisherigen Bundesstaaten oder wenigstens nach Maßgabe der dort ergehenden Wahlgesetze. Man ermöglicht sich dadurch die Vorteile des Zweikammersystems und ein Widerspruch mit dem Grundgedanken des republikanischen Gesamtstaates liegt nicht darin. Das Gesamtvolk bestellt sich hier seine Vertreter nur auf einem Umwege und, einmal gewählt, handeln sie selb• Zuerst veröffentlicht in der Juristischen Wochenschrift, Jg.48 (1919), S. 209 - 210.

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ständig in seinem Namen, entzogen jedem fremden Einflusse. In allen unseren Fällen steht aber auch dahinter noch ein Gedanke hochpolitischer Zweckmäßigkeit: der übergang aus dem vorausgegangenen blassen Bundesverhältnis, in welchem die Bundesstaaten die selbstberechtigten Träger der Bundesgewalt waren, wird diesen erleichtert durch die Bewahrung einer wenigstens dem äußerlichen Anscheine nach gleichartigen Einflußnahme. Damit aber ist bezeichnet, was unserem Verfassungswerke die besonderen Schwierigkeiten schafft, wesentlich dazu beitrug, eine vorläufige Verfassung nötig zu machen und dieser auch einen sehr ungewöhnlichen Inhalt gegeben hat. Die Sache ist die, daß unsere bisherigen Bundesstaaten mehr für sich begehren, als ihnen nach der Natur der Sache und den vorliegenden Verfassungsmustern zukäme; sie wollen nach der Weise der bisherigen Reichseinrichtungen bundesmäßige Macht haben über die Ausübung der Gesamtgewalt; sie wollen Staaten bleiben. Daß sie in dem Entwurf der künftigen Reichsverfassung "Staaten", "Freistaaten" (§ 3) heißen und das zweite Haus des Reichstags, auf dessen Zusammensetzung ihre Volksvertretung Einfluß hat, "Staatenhaus" (§ 30), will nichts sagen. Auch die nordamerikanischen "states" führen diesen Namen und die schweizerischen Kantone werden von der Verfassung der Eidgenossenschaft sogar als "souverän" begrüßt. Die Hauptsache ist, daß sie das nicht sind. Dagegen weht es uns eigentümlich an, wenn der Entwurf in §§ 14-17 nun auch die Schatten des ehemaligen Bundesrats wieder vorüberziehen läßt: die Regierungen haben das Recht, zur Reichsregierung Vertreter zu entsenden (der "übliche diplomatische Schutz" nach RV. Art. 11 versteht sich dann wohl von selbst!). Bei den Reichsministerien sind aus diesen Vertretern Reichsräte zu bilden, deren Gutachten einzuholen ist vor Einbringung von Gesetzesvorlagen an den Reichstag und vor dem Erlaß der zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verlwaltungsvorschriften (entsprechend RV. Art. 7 Ziff. 1 u. 2). Und bei den Reichstagsverhandlungen haben sie jederzeit das Recht, den Stand": punkt ihrer Regierung zur Geltung zu bringen (RV. Art. 9). Der Entwurf war darauf bedacht, diese Zuständigkeit unschädlich zu machen; es läuft alles auf Gutachten und Parlamentsreden hinaus. Aber eine Verneigung vor der Einzelstaatssouveränität bleibt es doch. Ein sachliches Bedürfnis besteht nicht. Wenn das Reichsministerium und die Landesministerien Fühlung miteinander nehmen wollen, so können sie das tun, wie bisher auch; formale Rechtsinstitute braucht man nicht daraus zu machen. Noch weniger bedarf es der aufgedrungenen Mitarbeit solcher Landesregierungsvertreter bei Gesetzesvorlagen und Verwal'tungsvorschriften; man kann sich tüchtige Kräfte holen von überall her. Und gar die partikularistische Mitarbeit bei Behandlung des Reichs-

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tags! Welche Reibungen stehen da in Aussicht! Und keine preußische Hegemonie mehr, um dämpfend einzuwirken! Die Volksvertretungen der einzelnen Länder bauen das Staatenhaus; es ist nicht nötig, daneben noch einen besonderen Pavillon für ihr höheres Beamtenturn zu errichten. Mir scheint, als hätte der Verfasser des Entwurfs diese Bestimmungen selbst nur ungern darin aufgenommen. Daß aber die hier wirkenden Mächte so leicht nicht zu befriedigen sind, beweist das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919. Man hat sich genötigt gesehen, ihnen schon darin noch erheblich weiter entgegenzukommen. Ein Staatenausschuß wird gebildet aus Vertretern der Regierungen der einzelnen deutschen Länder. Es ist der alte Bundesrat mit veränderter Stimmenverteilung und ohne die alten Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Verwaltung (mit welchen, wie mit Recht gesagt worden ist, eine richtige parlamentarische Regierung nicht möglich war). Dagegen hat seine Zustimmung wie ehemals rechtliche Bedeutung für die Gesetzesvorlagen, welche die Regierung dem Reichstag machen will (§ 2; vgl. RV. Art. 7 Ziff.1); für das Zustandekommen von Reichsgesetzen (§ 4 Abs.2; vgl. RV. Art. 5); für Kriegserklärung und Friedensschluß (§ 6 Abs.2; vgl. RV. Art. 11 Abs.2); für Verträge mit fremden Staaten (§ 6 Abs. 3; vgl. RV. Art. 11 Abs. 3). Über die künftige Reichsverfassung beschließt die Nationalversammlung allein, doch ist ihr die Schranke gesetzt, daß der Gebietsbestand der Einzelstaaten nur mit deren Einwilligung geändert werden kann (§ 4 Abs.1). In der Sitzung der Nationalversammlung vom 10. Februar ließ sich der bayerische Gesandte Dr. v. Präger von der Reichsregierung ausdrücklich bestätigen, daß durch die Annahme der Notverfassung Entscheidungen über die Sonderrechte der einzelnen Freistaaten nicht vorweggenommen werden können. Französische und englische Schriftsteller haben seinerzeit uns Vorhalt darüber gemacht, daß unsere Reichsverfassung nicht folgerichtig aufgebaut sei. Mit der einheitlichen, auf der Volkssouveränität beruhenden Reichsgewalt seien Sonderrechte der Gliedstaaten unvereinbar und der Bundesrat sei "eine rudimentäre Form, mehr staatenbundlich". Ihr Tadel war unbegründet. Denn die Reichsverfassung hatte eben wirklich die Natur eines Bundesverhältnisses nicht abgestreift, war also wohl in der Lage, mit derartigen Bestimmungen sich zu vereinbaren. Wenn wir aber für das neue Reich, das jetzt entstehen soll, für den auf der Volkssouveränität beruhenden echten Gesamtstaat, Bundesrat und Reservatrecht beibehalten, dann werden jene Schriftsteller im Rechte sein. Dann zeigen wir allerdings, daß wir nicht imstande sind, jenen Grundgedanken folgerichtig durchzufüh-

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ren. Verstehen wir uns recht! Hinter den unglücklichen Rechtsgebilden, die man da durchsetzen will, stecken gute und anerkennenswerte Absichten. Wir wollen keine alles aufsaugende Zentralisation, wollen keinen jähen Bruch mit allem gewohnten Sonderdasein. Die einzelnen "Freistaaten" mögen ihren Wirkungskreis behalten und ihn möglichst frei auf ihre Weise ausfüllen. Aber dazu ist nicht nötig, daß das zu formalen Rechten und Sonderrechten dieser Staaten gestaltet sei, noch daß ihren Regierungen rechtliche Macht gegeben werde über die Ausübung der Reichsgewalt. Wenn es als Wahrheit gemeint ist, was nach dem Entwurf an der Spitze der Reichsverfassung stehen soll: "Alle Staatsgewalt liegt beim deutschen Volk" (§ 2) dann hilft es den Staaten letzlich doch nichts, dem Willen dieses Souveräns gegenüber auf ihrem Schein bestehen zu wollen. Der Schutz des Sonderdaseins und der freien Bewegung der Einzelstaaten beruht nur auf der Stetigkeit dieses Willens selber, auf den guten Grundsätzen, die er zu befolgen entschlossen ist, wie Treitschke es ausdrückt: auf dem "eidgenössischen Sinne" des Gesamtvolks. Das Unionsvolk könnte, rein juristisch betrachtet, auf dem Wege der Konvention seine Verfassung ändern und die Selbständigkeiten der Staaten einschränken. Es tut es nur nicht. Und mit dem Schweizervolk stände es ebenso. Gut wird es immer sein, die Grenzen zwischen Gesamtstaatsgewalt und Landesgewalt recht klar und deutlich zu ziehen. Gut wird es auch sein, wenn die Verfassung den festen Willen aller bekundet, daß diese Grenzen sollen eingehalten werden. Daß sie, wenn das Wohl des Ganzen es erfordert, dennoch weichen müssen, versteht sich von selbst und muß sich von selbst verstehen. Im letzten Grunde läuft eben in diesen Sphären alles doch nur auf moralische Gebundenheit der souveränen Gewalt hinaus - ähnlich wie beim Völkerrecht. Es kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn man Einrichtungen trifft, die den Anschein geben, als wäre es nicht so, als bestände z. B. hier die alte vertrags- und bündnismäßige Grundlage noch fort. Das kann nur das wahre Gesicht des Verhältnisses entstellen und Ansprüche wachhalten, die nicht mehr berechtigt sind. I

Kirche, Staat und Recht

Portalis und die organischen Artikel Rede gehalten zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Januar 1902 in der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg* Hochansehnliche Versammlung! Dieser Tag ist des Kaisers, ein Festtag für alles, was deutsch ist, ein Festtag insbesondere auch für die Kaiser-Wilhelms-Universität. Allenthalben thut man sein Bestes, um diesem Tage würdigen Schmuck zu geben, jeder Kreis auf seine Art; die Universität thut es auf die ihrige: sie versammelt sich mit ihren Freunden zu ernster Betrachtung über einen Gegenstand aus dem Bereich ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Wenn dies Mal dem Lehrer des öffentlichen Rechts vergönnt wird, das Wort zu führen, so ist ihm der Gegenstand von selbst gegeben. Unser Land, das Land, dem diese Universität zu dienen bestimmt ist, steht vor der Wiederkehr der Tage, an welchen vor hundert Jahren seine gegenwärtig geltende Kirchenverfassung begründet wurde. Am 18 germinal des Jahres X schlossen die Verhandlungen vor dem gesetzgebenden Körper mit der Annahme des Konkordats und der organischen Artikel. Es war nach christlicher Zeitrechnung der 8. April 1802. Wäre nicht allerlei dazwischen gekommen, so zählten wir heute den 7 pluviose des Jahres CX der einen und unteilbaren Republik. Das Gefühl des sicheren Besitzes darf uns der Dankbarkeit nicht vergessen machen für das, was jener 118 germinal gebracht hat. Es war ja alles damals nicht so einfach und selbstverständlich, als es uns jetzt wohl erscheint. Seit zehn Jahren war die kirchliche Ordnung in Frankreich zerstört. Der revolutionäre Radikalismus, der diese Zerstörung herbeigeführt hatte, war noch immer eine Macht. Vor Allem herrschte er in dem wichtigsten Teile der Nation, in dem siegreichen Heere des ersten Konsuls. Seine Generäle machten kein Hehl aus ihrem Unmut über die Wiederherstellung des alten Kultus. "Schade nur, rief einer nach dem ersten feierlichen Gottesdienst in Notre Dame, schade nur, dass die Million Menschen nicht dabei sein konnte, die man in den Tod geschickt hat, um das alles abzuschaffen." Von unmittelbarer Bedeutung waren die Hindernisse, die sich dem Unternehmen zunächst entgegenstellten auf dem Wege, den es verfas* Zuerst veröffentlicht im Verlag J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), Straßburg 1902. 13 Otto Mayer, Bd. n

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sungsmässig zu gehen hatte, auf dem Wege der Gesetzgebung. Hier hatte der Widerwille gegen die Pläne der Regierung soeben erst an einem höchst würdigen Gegenstande sich ausgelassen: am Entwurf des code dvil, des seither weltberühmt gewordenen bürgerlichen Gesetzbuchs Frankreichs. Die Verfassung des 22 frimaire VIII hatte nämlich nach Ideen des unermüdlichen Sieyes wieder einmal eine ganz neue Art von Gesetzgebungsmaschine aufgestellt. Danach besass der erste Konsul die Initiative; die Entscheidung lag beim gesetzgebenden Körper. Daneben aber bestand noch eine kleinere Volksvertretung, das Tribunat, dessen Mitglieder mit den Staatsräten des ersten Konsuls vor dem gesetzgebenden Körper über die Gesetzentwürfe zu plädieren hatten. Dieser gab sein Urteil ab auf Annahme oder Verwerfung, ja oder nein, seine Mitglieder verhandelten nicht; les sourds-muets du corps h~gislatif I nannte man sie. Als man nun probeweise einige Titel des code civil auf diesen gesetzgeberischen Prozessweg brachte, liess das Tribunat dagegen plädieren und der Prozess ging verloren; der code dvil ward abgelehnt. Das war zu Anfang des Jahres X geschehen und liess deutlich erkennen, welches Schicksal dem Konkordat selbst, dem Hauptstein des Anstosses bereitet werden sollte. Die Regierung musste nun zeigen, dass es ihr Ernst war: alle Mittel wurden in Bewegung gesetzt, vor Allem die widerspenstigen Körperschaften durch einen neuen kleinen Staatsstreich gesäubert. Die kirchlichen Gesetze kamen erst in Vorlage, als man genügend vorgearbeitet hatte, um aus wenigen überzeugten Anhängern und vielen eingeschüchterten Gegnern eine sichere Mehrheit zu schaffen. Es handelte sich nur mehr um einen feierlichen Schlussakt. Er traf zusammen mit der Wiedereröffnung der Sitzungen des corps legislatif. Am 15 germinal versammelte sich im Palais Bourbon dieser Areopag. Alles war in grosser Gala, dunkelblauer seidener Frack mit goldgestickten Kragen und Aufschlägen und die dreifarbige Schärpe darüber. Unter dem Klange einer zahlreichen Musik und zwischen einer Doppelreihe von Veteranen zog man auf. Die Redner des Tribunats und des Staatsrates erschienen in ihrer reichen Amtstracht. Auf den Tribünen ein Kranz von ausgezeichneten Personen; zahlreiche fremde Fürstlichkeiten und Herren, wie berichtet wird, hatten sich dort eingefunden, für die spröde Republik ein langentbehrtes Bild. Und als erster ergriff das Wort der Staatsrat Portalis; Napoleon hatte seinen glänzendsten Redner vorgeschickt. Er sprach den grossen discours sur l'organisation des cultes - ein merkwürdiges Denkmal des Geistes jener Zeit. Man sieht es ihm an, I dass es wirklich galt, wie ein Schriftsteller Portalis nachrühmt: das Christentum zu verteidigen vor einer Versammlung von Ungläubigen. Etwa eine Stunde lang spricht der Redner von der

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Notwendigkeit der Religion im Allgemeinen; dann gibt er eine Auseinandersetzung über die Vorzüge des Christentums vom philosophischen Standpunkte aus, alles das als stünde er vor Menschen, die noch einfach die freie Wahl hätten und von vorne anfingen. Schrittweise werden wir darauf geführt, dass man am besten thue, die Religion und die Kirche zu nehmen wie sie ist, selbstverständlich mit sorgfältig ausgedachten Schutzvorkehrungen, damit sie nicht gefährlich wird: dann wird diese friedliche Neuordnung der Dinge mächtig dazu beitragen, dass die Grösse und die Herrlichkeit des Vaterlandes sich erhöhe. Es war der Ton, den diese Versammlung verstand. Das höhnische Zischeln, das im Anfang die Worte des Redners begleitete, verstummte bald vor seiner ehrlichen Begeisterung und dem hohen Schwung seiner Gedanken. Am Schlusse drängte sich alles heran, um ihn zu beglückwünschen. Am 18 germinal sprachen dann noch Luden Bonaparte und Jaucourt. Die sofort vorgenommene Abstimmung ergab die Annahme des Gesetzes mit 225 gegen 21 Stimmen. Die Verhandlungen standen damals unter dem erhebenden Eindrucke der Friedensschlüsse von Luneville und Amiens, welche glorreiche Feldzüge beendigt hatten. Portalis selbst gab der Stimmung Ausdruck, wenn er seine Rede begann: "Wir waren gross im Kriege, wir werden es jetzt auch im Frieden sein." Dieses Wort ist in Erfüllung gegangen. Für alle Gebiete des öffentlichen Lebens hat die Gesetzgebung des Konsulats und des Kaiserreichs jene wunderbar harmonische Ordnung zu I schaffen gewusst, deren Glanz auch den der französischen Waffen überstrahlte und überdauerte. Sie trägt einen gemeinsamen glücklichen Grundzug: das ist das Wiederanknüpfen an die geschichtlich gewordenen Formen, mit welchen die Revolution ihr willkürliches Spiel getrieben hatte. Die Verwaltungsorganisation wie die umfassenden Justizgesetze und die Kirchenverfassung, je näher man sie betrachtet, desto weniger erscheinen sie originell. Die constitution civile du c1erge freilich war's gewesen, nur allzusehr. Damit war aber von selbst gegeben, dass jetzt an Stelle des Redners und Politikers der wohlgeschulte Jurist die vornehmste Stelle bei der Schaffung des Gesetzesinhalts zu spielen bekam. Denn die Rechtswissenschaft ist konservativer Art; sie ist nicht dazu berufen, neue Ideen in die Welt zu setzen, sie thut ihren Dienst, wenn sie diejenigen richtig erkennen und verwerten lehrt, die schon darin sind. Die Gegner des neuen Kurses haben damals den Zusammenhang wohl gespürt: sie eifern zugleich gegen die methode historique und gegen die jurisconsultes, in deren Hände sich die Regierung damit gegeben habe. Die bedeutendste Gestalt unter diesen Männern des Rechts ist kein anderer als der grosse Staatsrat Portalis, den wir soeben am Werke gesehen haben. Ueberall wird er in der vordersten Linie bemerkbar. 13*

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Er war es namentlich auch, der dem von ihm mitausgearbeiteten code civil jenes offizielle Vorwort gegeben hat, den discours preliminaire, in welchem das Glaubensbekenntnis dieser ganzen gesetzgeberischen Richtung abgelegt wird: es ist das Programm der historischen Schule, wie es vorher in England Burke, nachher in Deutschland Eichhorn und Savigny vertraten. Jean Etienne Marie Portalis war geboren zu Beausset bei Toulon den 1. April 1746 aus einer angelsehenen Familie, die dem Beamtentum und der Universität hervorragende Mitglieder zu liefern pflegte. Solche bürgerlich-aristokratische Familien sind in Frankreich von jeher die wertvollsten Kulturträger gewesen. Es liegt etwas ungemein Feines und Liebenswürdiges in ihrer guten echt französischen Art, wie sie in Portalis uns entgegentritt. Sein Meister, der geniale Korse, ist neben ihm immer ein wenig der Barbar. Dagegen wird man, wenn man vergleichen will, gern eine gewisse geistige Verwandtschaft empfinden zwischen ihm und Hugo Grotius, der ja auch französischen Blutes war. Die Aehnlichkeit des Lebensganges verstärkt noch den Eindruck: beiderseits zuerst die Schule der Advokatur, dann politische Thätigkeit, dann Exil, dann bedeutsame staatsmännische Stellung und neben allem vielseitige philosophische Studien und rege litterarische Thätigkeit. Bei Portalis tritt freilich der Jurist stärker und einseitiger hervor, Katholizismus und Protestantismus begründen gleichfalls Gegensätze. Gemeinsam ist aber wieder beiden die Hauptsache: das warme Herz, der milde menschliche Sinn, der aus dem jus belli et pacis leuchtet, bekundet sich auch in den Schriften und Reden des Portalis. Von Anfang an ist es seine Leidenschaft, gegen die herrschenden Mächte und Strömungen anzukämpfen für die Unterdrückten. Schon als Advokat in Aix veröffentlicht er eine Denkschrift, um den königlichen Verordnungen zum Trotz die Gültigkeit der Ehen der Protestanten zu behaupten. Später während der Revolution erhebt er wieder seine Stimme zum Schutz der verfolgten eidverweigernden Priester. Ebenso zum Schutz von Emigranten, die mit ihrem Schiff an die französische Küste geworfen, der Todesstrafe verfallen sein sollten. Selbst für Ludwig XVI. hat er einen gewagten Verteidigungsversuch unternommen. I Schon früher einmal eingekerkert, musste er im Jahre 1797 aus Frankreich flüchten. Auf dem Schlosse Emkendorff in Holstein fand er bei dem Grafen Friedrich v. Reventlow gastliche Aufnahme. Dort entstand sein zweibändiges Werk: Essai sur l'usage et l'abus de l'esprit philosophique au XVlIIe siecle. Es ist in drei Auflagen erschienen, zwei Mal auch in italienischer Uebersetzung. Ein Gegenstück zu den Encyklopädien der radikalen Aufklärung handelt es wie diese von allem Möglichen: Metaphysik, Religion, Moral, Politik, Geschichte. Der Verfasser war inzwischen mit deutscher Litteratur bekannt geworden,

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namentlich auch mit Kant, dem er scharfe Polemik widmet; er wirft ihm vor, dass er alle Sicherheit zerstöre, die der Mensch doch braucht; auf was soll man sich Joch verlassen, wenn man nicht einmal seinen Sinnen mehr trauen darf? Praktische Lösung, gegenwärtige Nützlichkeit vermisst er an seinen Lehren. Ihm selbst redet eben immer der Jurist und der Staatsmann drein, auch wo er nur Philosoph sein möchte. Am Schluss des Werkes geht er ganz aus sich heraus: er endigt mit einer feurigen Anklageschrift gegen die Ausschreitungen dessen, was er esprit philosophique nennt, in der französischen Revolution. Nach dem Staatsstreich vom 18 brumaire VIII kehrte Portalis nach Paris zurück, und nun begann, wie wir gesehen haben, mit der grossen Zeit der Gesetzgebung seines Vaterlandes auch die seine. Die Frage insbesondere: wie sind Konkordat und organische Artikel zu verstehen? löst sich fast immer auf in die andere: was hat Portalis sich dabei gedacht? Seine Reden und Berichte sind der beste Kommentar dazu: in diesen aber finden wir eine Reihe von Sätzen wörtlich wieder, die er in I seinem grossen philosophischen Werke aufgestellt und begründet hatte. Der Ausgangspunkt für die ganze kirchliche Rechtsordnung ist ihm die unbedingte Souveränetät des Staates. Die öffentliche Gewalt, sagt er mit einem markigen Wort, ist nichts, wenn sie nicht alles ist; die Religionsdiener dürfen nicht verlangen, ihr Schranken zu setzen. Wenn der Staat aus Klugheitsrücksichten die katholische Kirche nimmt, wie sie ist, so kann er doch eine solche Macht auf seinem Gebiete nur dulden, wenn sie in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu ihm gebracht wird. Die Formel dafür findet er in dem Begriff der protection: der Staat muss dafür sorgen, dass die Kirche den Nutzen wirklich stiftet, den sie dem Gemeinwesen und dem Einzelnen zu gewähren bestimmt ist, sie schützen gegen Störung, aber auch hindern an Uebergriffen. Aus dem Gesichtspunkte dieser protection, nicht aus dem der Entschädigung, wird vor Allem die Staatsbesoldung der Geistlichen übernommen, die durch die Einziehung der Kirchengüter jetzt notwendig geworden ist. Was sonst noch aus dem Grundprinzip fliesst, dafür gibt den Massstab, was das alte Königtum an Machteinflüssen auf die Kirche in Anspruch genommen hatte. So wird im Konkordat selbst dem Staatsoberhaupt wieder das Ernennungsrecht bezüglich der Bischöfe ausbedungen. In den organischen Artikeln aber, die eigentlich nur die in Art. 1 des Konkordats vorbehaltenen Polizeiverordnungen für die öffentliche Ruhe enthalten sollten, sehen wir zunächst einfach die anderen alten Waffen der Staatsgewalt wieder hervorgeholt: placetum regium für alle römischen Erlasse, appelatio tamquam ab abusu, Genehmigungsvorbehalt für päpstliche Legaten und Vikarien, wie auch für Synoden aller Art. Dazu kommen noch allerlei sehr in's Einzelne I gehende Bestimmungen über die Kleidung der Priester, Glockengeläute, einheitlichen Katechismus -

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hat man doch im Jahre 1806 darauf hin den sogenannten eatechisme imperial eingeführt, der in einer Reihe von Fragen und Antworten den Kindern nos devoirs envers Napoleon Ier notre empereur einprägen sollte. Besonders eigentümlich berührt uns heute der Versuch, die alten Ideen der gallikanischen Kirche wieder zu beleben: die gallikanischen Freiheiten sollen durch appel eomme d'abus geschützt sein, die Lehrer an den bischöflichen Seminarien haben die Erklärung des französischen Klerus von 1682 zu unterschreiben und danach zu unterrichten. Das bedeutet die Anerkennung der Beschlüsse des Kostnitzer Konzils betreffend die Unterordnung des Papstes unter das Konzil, und die Leugnung der päpstlichen Unfehlbarkeit. Die gallikanische Kirche hatte dieses und noch anderes verfochten. Aber freilich nicht alles ist lebensfähig, was rechtsgeschichtlich interessant ist. Die gallikanische Kirche war tot und ist tot geblieben. Der reiche Klerus des ancien regime mochte sich darin gefallen, nach Rom hin zu frondieren; die schwere Not der Revolution hat solche Gelüste, von vereinzelten Nachzüglern abgesehen, wohl für immer ausgetrieben. Ganz anders schwierig waren die Aufgaben, welche der Gesetzgeber zu lösen hatte bei der gleichzeitig unternommenen Neuordnung der evangelischen Kirche. Hier lagen ja die Verhältnisse schon von Haus aus nicht so klar und einfach, und den Grundideen des evangelischen Kirchenwesens stand Portalis ungefähr ebenso fremd gegenüber wie die Verfasser des Preussischen Landrechts denen der katholischen Kirche. Deshalb wird denn hier zunächst eine äusserliche feste I Richtschnur gesucht in möglichster Anlehnung an das, was man für die katholische Kirche schon bestimmt hatte. Unbedingte Staatssouveränetät selbstverständlich, desgleichen ein System der Protektion. Auch die Formen dieser Protektion werden ohne Weiteres übertragen: plaeet für kirchliche Anordnungen, Erlaubnisvorbehalt für synodale Versammlungen, reeursus ab abusu, Staatsbesoldung und weitgehendes Ernennungsrecht für kirchliche Aemter. Diese mechanische Parität führt unter anderem zu einem ganz absonderlichen Ergebnis. Weil nämlich der katholischen Kirche aus Sparsamkeitsrücksichten nur für jeden Kanton ein ordentlicher Pfarrer bewilligt worden war, wird auch für die evangelische die unterste Stufe der Organisation gebildet von dem eonsistoire loeal für mindestens 6000 Seelen. Darin ist die Ortskirchengemeinde, das wesentlichste Stück aller evangelischen Kirchenverfassung unorganisiert enthalten. Die spätere Gesetzgebung hat ja abgeholfen. Die Möglichkeit solcher Uebertragungen hörte natürlich auf, wo es galt, die Grundsätze zu finden für den eigentlichen inneren Aufbau der Verfassung. Hier hatte aber auch das sonst mit so gutem Erfolge geübte Zurückgreifen auf das geschichtlich Gewordene sein Missliches.

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Für die französisch-reformierte Kirche konnte man zwar am Ende ein Vorbild finden in den alten Verfassungsformen, welche Ludwig XIV. seiner Zeit zerschlagen hatte. In den deutsch sprechenden Grenzlanden aber und namentlich bei den Lutheranern im Elsass bestand bis zur Revolution das landesherrliche Kirchenregiment. Erst der Beschluss der constituante vom 4. August 1789 hatte es mit allen anderen Privilegien der kleinen Fürsten und Stadtobrigkeiten beseitigt. Es etwa jetzt zu Gunsten des französischen Staatsoberhauptes wieder zu beleben, war I undenkbar. Abgesehen von sehr schwerwiegenden andern Gründen, stimmte es auch nicht mehr zu der damals herrschenden Auffassung vom Wesen der Kirche. Das landesherrliche Kirchenregiment war gewachsen auf dem Gedanken der christlichen Obrigkeit, die das Volk mit dem Wort Gottes zu versorgen hat; die Kirche hatte hier die Rechtsgestalt einer obrigkeitlichen Veranstaltung. Inzwischen waren aber in der wissenschaftlichen Lehre wie in den politischen Strömungen die Ideen des Kollegialismus mächtig geworden. Danach ist die Kirche ihrer Rechtsgestalt nach wesentlich eine vom Staate getrennte Gesellschaft zu dem Zwecke der Einrichtung und Verwaltung der für ihre Mitglieder bestimmten Wortverkündigungsanstalt. Als das landesherrliche Kirchenregiment im Elsass fiel, stand diese Auffassung sofort bereit, die leer gewordene Stelle zu besetzen. Bereits 1791 hatten die angesehensten Häupter des elsässischen Protestantismus unter Führung des Strassburger Staatsrechtslehrers Koch sich zu einer Erklärung an die Regierung vereinigt über die allgemeinen Grundsätze ihrer Kirche und dazu gehörte vor Allem der Satz: "die Kirchengewalt geht ganz und gar aus von der Kirche als einer Gesellschaft im Staate". Dieser entschiedene Kollegialismus traf einerseits zusammen mit den von der reformierten Kirche ehemals verwirklichten Verfassungsgrundsätzen, schien andererseits zu stimmen zu den republikanischen Einrichtungen des weltlichen Staatswesens. Er wird jetzt von selbst zur Grundlage für die Verfassung beider evangelischer Kirchen. Vertretungen der Religionsgesellschaft werden geschaffen, die allerdings nur für die Augsburgische Konfession durchgeführt sind zu einem festen Zentralorgan, so dass die Verfassung hier einen geschlosseneren Eindruck macht. Aber für die Bildung I aller Vertretungskörper sind im Wesentlichen die Formen der reformierten Kirche massgebend geworden. Die Konsistorien und Oberkonsistorien entsprechen nicht den altdeutschen Behörden gleichen Namens, sondern dem consistoire Calvins. Einzig in Deutschland besteht bei uns eine lutherische Landeskirche ohne landesherrliches Kirchenregiment. Nebenbei hat damit ein anderes Problem seine Lösung gefunden, über dessen Bedeutung der Gesetzgeber sich allerdings nicht völlig Rechenschaft gegeben zu haben scheint: es lag in der vorgefundenen

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Vielheit gesonderter kirchlicher Gemeinwesen, die unter dem Namen des Protestantismus standen. Thatsächlich hat das Germinalgesetz einfach durchgeschlagen und zwei evangelische Kirchen gebildet: die reformierte und die Augsburgischer Konfession. Man möchte annehmen, dass das Bekenntnis den Unterscheidungsmassstab gegeben habe. Aber nur für die eine Seite wird ein solches positiv genannt, für die andere wäre es nicht möglich, eine gleich formelle Einheit zu betonen. Die reformierte Kirche, auch nur soweit betrachtet, als sie elässischen Boden berührte, zeigte ja in dieser Hinsicht gar verschiedene Bestandteile: französisch Reformierte mit der strengen confession de la Rochelle, schweizerisch Reformierte Zwinglischer Richtung mit der stark verblassten confessio Helvetica, deutsch Reformierte z. B. auf den Trümmern ehemals churpfälzischen Gebietes mit dem Heidelberger Katechismus und - der Augsburgischen Konfession. Die letzteren standen vielleicht ihren lutherischen Nachbarn viel näher als den orthodoxen Hugenotten. Aber das Merkwürdige ist: Portalis lehnt es ausdrücklich ab, dass die Grenzlinie überhaupt nach dem I Bekenntnisse gezogen sei. Das Dogma, sagt er in seiner grossen Rede, geht den Staat nichts an, von den dogmatischen Verschiedenheiten zwischen Reformierten und Lutheranern habe er nicht zu sprechen. Massgebend für die Trennung sei einzig und allein der Unterschied in der äusseren Gestaltung des Kirchenregimentes. Man könne nicht zwei Kirchen verschmelzen, die ihre besondere eigentümliche Rechtsordnung haben. In Wahrheit hätte man nach diesem äusserlich rein juristischen Massstab, wenigstens hier am Rhein, nimmermehr eine Grenzlinie gefunden, wie die, welche das Gesetz gezogen hat. Landesherrliches Kirchenregiment waren auch die deutschreformierten Pfälzer gewohnt und einen wesentlichen Unterschied zwischen dem städtischen Kirchenregiment im lutherischen Strassburg und dem im reformierten Mülhausen gab's nicht. Zudem war ja das landesherrliche Kirchenregiment jetzt gleichmässig für alle Teile beseitigt und der einzige Unterschied in der Verfassung, den Portalis hervorhebt: die grössere Abstufung und Festigkeit des Regimentes bei den Lutheranern, wurde für die Mehrzahl unserer kleinen Kirchengebiete durch die organischen Artikel erst geschaffen. Man darf es aussprechen: Portalis ist lediglich nach den hergebrachten Namen: reformiert und augsburgisch gegangen. Wie wenig ihm aber diese Namen sagen, beweist eine Verordnung vom 8 frimaire XII, in welcher ganz ruhig die Rede ist von dem Culte reforme de la confession d' Augsbourg. Danach könnte es scheinen, als wäre Portalis ganz gleichgültig gewesen gegenüber der Thatsache des Bekenntnisstandes der evangelischen Kirchen. Ist das wirklich so? Wir haben hier ein gefährliches Gebiet berührt, ein Gebiet der leidenschaftlichsten Parteikämpfe, die auf I dem

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Boden der Augsburgischen Kirche spielten und noch spielen. Bis zur Revolution bestand, wie gesagt, im Elsass eine Reihe von selbständigen lutherischen Gemeinwesen mit getrennten Kirchenregimenten und dem entsprechend besondern Kirchenordnungen. Alle enthielten diese den seit Ende des 16. Jahrhunderts üblich gewordenen Symbolzwang, die Vorschrift der Befolgung der Lehren einer gewissen Reihe von Schriften. Die verbreitetste Kirchenordnung, die Hanau-Lichtenbergische, hatte diesen Zwang in der Vorrede zur Ausgabe von 1659 besonders beweiskräftig begründet: "Die Priester in dem alten Testament, heisst es dort, haben (wie Mose schreibt im X. Kapitel Numeri) auf den zwo silbernen Stifts drommeten immer einerlei Melodie und Weise brauchen müssen, sie haben gleich schlecht oder stark geblasen und hat keiner der Priester etwas besonderes machen dürfen." Was ist aus diesen Vorschriften geworden? Darum dreht sich der Streit. Die einen sagen: es sind Rechtssätze und Recht muss Recht bleiben. Aber für die neue lutherische Gesamtkirche könnte doch nur ein Bekenntnisrecht gelten und diese alten Rechtssätze stimmen wieder nicht durchweg überein. Die Augsburgische Konfession haben sie alle, aber im Uebrigen bestehen Abweichungen. Was gilt? Nur das, was allen gemeinsam ist, hat man gesagt und darum z. B. die Konkordienformel für abgeschafft erklärt, weil sie in der Grafschaft Nassau-Saarwerden nicht galt. Allein eine andere dieser Kirchenordnungen, die Zweibrükken-Birkenfeld'sche, hatte z. B. die Symbolischen Bücher durchweg nur soweit für verbindlich erklärt, als ihre Sätze in notwendiger Verbindung stünden mit dem Satz, dass Jesus der Christ sei, der Sohn des lebendigen Gottes, also mit Auswahl. Hier versagt auch dieses bekenntnislrechtliche Rechenexempel. Die andern lutherischen Gemeinwesen des ganzen Rheinlandes, die die organischen Artikel doch auch mit umfassten, hätten noch weitere Manchfaltigkeiten gebracht. Der Standpunkt ist nicht haltbar. Es lassen sich triftige Gründe dagegen vorbringen, dass es sich hier überhaupt um Lehrgesetze gehandelt habe, die der französische Staat als solche stillschweigend hätte übernehmen und fortwirksam machen können. Deshalb hat man diesen Vorschriften eine rechtliche Bedeutung dadurch zu retten gesucht, dass man aufstellte: die neue Religionsgesellschaft habe deren Inhalt zu ihren Vereinsstatuten gemacht. Das stimmt mit den Anschauungen des damals herrschenden Kollegialsystems. Die Kirche ist eine Gesellschaft, ein Verein, warum soll sie nicht Vereinsstatuten haben? Aber wie ist das Statut errichtet worden? und was ist wieder der genaue Inhalt des gemeinsamen Vereinsstatuts? Diese Frage ist hier ebensowenig gelöst wie bei der ersten Annahme. Unter Berufung gerade auf die vorerwähnten Aeusserungen von Portalis hat man dann wieder behauptet, das Germinalgesetz habe mit

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allen alten Dogmen reinen Tisch gemacht: "Kirche Augsburgischer Konfession, sagt ein elsässischer Schriftsteller, ist Gott Lob nur ein Name, ein geschichtlicher Name, der daran erinnert, von wo wir ausgegangen sind." Das wäre natürlich das Einfachste, womit nicht gesagt ist, dass es das Beste sei. Wenn man genauer zusieht, hat Portalis sich keineswegs so ablehnend verhalten gegen die geschichtlich hergebrachten Bekenntnisse. Im Gegenteil, er legt ihnen eine hohe Wichtigkeit bei, nur bringt er das eben auf seine Weise zur Geltung und das ist eine ganz eigentümliche. Der Staat macht keine Dogmen, meint er, und zwingt I keine auf. Aber er hat ein grosses Interesse an ihrem Bestand. Denn er braucht die Moral. Die Moral aber ist für sich allein unklar und subjektiv. Die Religion stattet sie aus mit positiven Befehlen. Dadurch kommt Sicherheit in die Sache. Aber doch nur, wenn die Religion selbst festgelegt ist in bestimmten Lehrsätzen. Diesen Dienst kann auch eine falsche Religion leisten, darauf kommt es nicht an. La superstition est pour ainsi dire regularisee; das kann dem Staat genügen. In seinem Werk über den esprit philosophique hatte er das gründlich ausgeführt, und so sagt er denn auch in jener grossen Eröffnungsrede: der Staat müsse über die Lehre wachen, damit die Religionsdiener sie nicht entstellen und dadurch die feste Ordnung verderben können. Er versteigt sich bezüglich der evangelischen Bekenntnisschriften sogar zu der Behauptung: sie seien von den Kirchengesellschaften im Interesse der Regierung aufgestellt, damit diese wisse, woran sie sich zu halten habe. Demgemäss verordnen jetzt die organischen Artikel in Art. 4: Keine dogmatische oder Lehrbestimmung kann ergehen ohne Genehmigung der Regierung; und in Art. 6: Der Staatsrat erkennt über die Meinungsverschiedenheiten, welche sich unter den Religionsdienern erheben mögen. Der Staat also nimmt für sich das Recht in Anspruch, die Kirche und ihre Diener an das überlieferte Bekenntnis, auch wenn er es, wie hier nahe liegt, für falsch hält, zu binden, so weit es ihm passt und er ein Interesse zu haben glaubt, dass Neuerungen verhindert werden. Eine sehr seltsame Einrichtung, man wird das zugeben müssen. Portalis stellt sich offenbar die evangelische Kirche als eine Gesellschaft vor, die fortwährend damit beschäftigt ist, neue und verschiedenartige Glaubenssätze aufzustellen und zu lehren, so dass I der Staat um der Ordnung willen etwas Einhalt gebieten muss. Bei dieser scharfen Ausprägung des staatlichen Rechtes auf das Bekenntnis ist als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Bekenntnis an sich, innerhalb der Kirche, eine gewisse Geltung hat. Welches die rechtliche Natur dieser Geltung sei, darüber hat Portalis nichts angeordnet, auch keine theoretische Meinung aufgestellt. Er hat offenbar weiter

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keinen Wert darauf gelegt; vielleicht auch hatte er das berechtigte Gefühl des unzureichenden Verständnisses. Wir wollen auch unsererseits auf das schwierige Problem hier nicht weiter eingehen, sondern nur das Bild des Mannes noch vervollständigen, der der ganzen kirchlichen Neuordnung in so hervorragendem Masse den Stempel seines Geistes aufgeprägt hat. Sein Werk war mit der Vorbereitung und Verabschiedung des Germinalgesetzes noch keineswegs gethan. Es galt, die Ordnung nun auch ins Leben zu führen und in allen Einzelheiten zu verwirklichen. Portalis war als conseiller d'etat charge de toutes les affaires concernant les cultes und nachher als erster Kultusminister des Kaiserreichs mit der Aufgabe betraut und hat ihr seine letzten Jahre vornehmlich gewidmet. Was er in dieser umfassenden und unermüdlichen Verwaltungsthätigkeit geleistet hat, ist vielleicht noch höher zu schätzen, als was voranging. Er hat es verstanden, das etwas gewaltsam durchgedrückte, in seinem Inhalt keineswegs vollkommene Gesetz als Wohlthat empfinden zu lassen. Gegen alle politischen Leidenschaften, gegen so manchen alten Hass, gegen mächtige Interessen und ehrliche Ueberzeugungen, denen Opfer zugemutet werden mussten, führt er mit fester Hand durch, was das I Staatswohl erheischt - und alles ist ihm dankbar, alles vertraut ihm. Zeugnisse dafür von den entgegengesetztesten Seiten sind uns überliefert. Der furchtlose Edelmut, der ihn von Jugend an trieb, für die Bedrängten und Verfolgten einzutreten, war bei ihm ausgereift zu einer warmen Güte und Menschenfreundlichkeit, deren man überall sicher sein konnte. Das war das Geheimnis seiner Erfolge, das verklärte sein Bild für die Mit- und Nachwelt. Als er am 25. August 1807 starb, wurden allenthalben freiwillig Trauergottesdienste veranstaltet, mehrere Bischöfe hielten Gedächtnisreden auf ihn, aber auch protestantische Pfarrer und israelische Rabbiner. Hier in Strassburg hat am 20. September 1807 in der Neuen Kirche der Professor der Theologie Johann Lorenz Blessig seinem Andenken zu Ehren gepredigt über den Text Hiob IV, Vers 3 und 4: "Siehe du hast viele unterwiesen und lasse Hände gestärket. Deine Rede richtet die Sinkenden auf und den bebenden Knien erteiltest du Kraft." Frankreich wird jetzt stolz das Gedächtnis seines grossen Mannes feiern. Wir Deutsche sind der edlen Nachbarnation trotz allem durch die wichtigsten Bande gemeinsamer Kultur so eng verbunden, dass wir uns neidlos mit zu freuen vermögen. Von anderen gern zu lernen, ist ja unsere Eigenart und unsere besondere Kraft. Möge auch Portalis uns ein Vorbild sein. Gott segne unser Vaterland. Gott segne uns ern Kaiser. !

Fameck* Der Name ist plötzlich berühmt geworden. Er bezeichnet ein lothringisches Dorf, nordwestlich von Metz nach der französischen Grenze zu gelegen. Die Einwohner, etwa 1200 an Zahl, sind durchweg katholisch. Nach den beiden letzten Volkszählungen fand sich unter ihnen kein einziger Protestant. Da kam zu Anfang dieses Jahres ein kranker protestantischer Mann zu seinen dortigen Schwiegereltern und starb bei ihnen schon nach wenigen Tagen. Er wurde auf dem Gemeindefriedhof beerdigt. Daraufhin hat der Bischof BenzIer von Metz, der bekannte frühere Abt von Maria Laach, über diesen Friedhof das Interdikt verhängt. Eine Denkschrift, die er am 31. Oktober 1902 an den Bezirkspräsidenten von Lothringen gerichtet hatte, fand in der Nummer der Kölnischen Volkszeitung vom 29. März d. J. Veröffentlichung; sie soll den Rechtsstandpunkt klar stellen, von welchem er bei dieser Maßregel ausging. Wir ersehen daraus, daß der Bischof auf Grund des Artikel 15 des Dekretes vom 23. Prairial XII allgemein die Bildung gesonderter Kirchhofsabteilungen für Katholiken und Protestanten gefordert hatte. Wie die Amtliche Korrespondenz seither mitteilte, hätte die Regierung erwidert, daß sie seiner Auffassung über Zweck und Interpretation dieses Artikels nicht beitreten könne, aber bereit sei, über die Einzelfragen behufs Herbeiführung einer Verständigung zu verhandeln. Während nun noch mehrere derartige Streitfälle in Schwebe waren, wurde sie durch das Interdikt Fameck überrascht. Es ist dem Bischof in der Presse der Einwand entgegengehalten worden, daß nach katholischem Kirchenrecht die Beerdigung eines gewöhnlichen Ketzers den Kirchhof noch nicht "polluiert", d. h. entheiligt und zur Beerdigung von Katholiken unbrauchbar macht. Das mag ja richtig sein. Aber der Bischof kann auch ohnedies die kirchliche Beerdigung an einem solchen Platze verbieten. Das Interdikt ist ihm hier wesentlich Mittel zu dem Zwecke, die Abteilung des Kirchhofes durchzusetzen, die seiner Ansicht nach das Prairialdekret vorschreibt. Es handelt sich also um die Auslegung dieses weltlichen Gesetzes. Wenn die Auslegung richtig ist, auf welcher der Bischof besteht, wird der einsame Protestant auf dem Kirchhofe zu Fameck eine recht merkwürdige "Abteilung" zugewiesen bekommen. Der katholische Kirchhof hat ja eine sogenannte "Verbrecherecke"; der würde er sich • Zuerst veröffentlicht in der Christlichen Welt, Jg.18 (1904), Sp. 417 - 420.

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anschließen oder ein Seitenstück dazu bilden. Ein liberal sein wollendes "Reichsländisches Kirchenrecht", das unlängst erschien, bemerkt in dieser Hinsicht: "Als Protestanten gelten alle nichtkatholischen Christen, einschlüssig katholisch Getaufter, welchen wegen Nichtempfangs der Sakramente ec. die katholische Kirche die Beerdigung versagt." Die Note, auf die dabei verwiesen wird, hebt insbesondere hervor die Selbstmörder und die Ehebrecher. Sehen wir uns also die streitige Gesetzesstelle näher an. Sie lautet: Dans les communes ou l'on professe plusieurs cultes, chaque culte doit avoir un lieu d'inhumation particulier; et dans le cas ou il n'y aurait qu'un seul cimetiere on le partagera par des murs, haies ou fosses en autant de parties qu'il y a de cultes differents, avec une entree particuliere pour chacune, et en proportionnant cet espace au nombre d'habitants de chaque culte. Prairialdekret! Wie weit entfernt liegt uns schon jene Zeit! Dem Bischof ist gar nicht mehr möglich, sich darein zu versetzen. Die Kirche, heißt es in seiner Denkschrift, oder was dasselbe ist, alle einzelnen Katholiken haben ein Recht auf einen gesonderten ausschließlich katholischen Kirchhof; das Prairialgesetz habe nur den Zweck gehabt, dieses "unveräußerliche Recht" zu sichern. In Wahrheit war damals der Staat keineswegs geneigt, sich solchen Rechten der Kirche zu unterwerfen. Napoleon hatte ihr gegenüber den Satz aufgestellt: Die Souveränetät ist Nichts, wenn sie nicht Alles ist. Im Konkordat I waren ihr gewisse Zugeständnisse gemacht worden, um sie wieder in geordneten Gang zu bringen; die daran anschließende Gesetzgebung ordnete aber dann alles Einzelne mit absoluter Freiheit nach staatlichen Interessen und Gesichtspunkten. Das Prairialdekret ist ein Stück daraus. Die Kirchhöfe sind danach rein weltliche Einrichtungen der politischen Gemeinde. Die Bestimmung des Artikels 15 beabsichtigt keineswegs, sie den Kirchengemeinschaften wieder zu eigenem Rechte auszuliefern. Sie ist, wie der Minister in seinen Ausführungsvorschriften vom 8. Messidor XII erläutert, getroffen worden, um den Reibereien und Streitigkeiten vorzubeugen, die sich oft an die Beerdigungen knüpften. Man will im öffentlichen Interesse die zum Streit geneigten Parteien getrennt halten. Die Vorschrift ist polizeilicher Natur. Darum steht sie unmittelbar unter der Titelüberschrift: "Von der Polizei der Begräbnisplätze" und wird gefolgt von dem Artikel 16, der bestimmt, daß diese Plätze der "Autorität, Polizei und Aufsicht" der Gemeindeverwaltung unterstehen. Darum ist aber auch die Regierung befugt, von der Teilung des Kirchhofes abzusehen, wo dieses öffentliche Interesse anderweit, namentlich durch die Macht friedlicher Gewohnheiten, genügend gesichert ist. Tatsächlich haben unter ihren Augen in Frankreich wie in Elsaß-Lothringen immer gemischte Kirchhöfe bestanden. Noch vor Kurzem hat der Gemeinderat

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von Straßburg mit dieser Begründung die konfessionelle Teilung eines neu anzulegenden Kirchhofes abgelehnt; auf Beschwerde des dottigen Bischofs hat das Ministerium diesen Beschluß lediglich bestätigt. Die Vorschrift erwähnt den Fall, scheint jedoch der Meinung zu sein, die Tatsache, daß der Bischof von Straßburg widersprochen hatte, genüge, um die Auffassung der staatlichen Behörden von dem Sinne des von ihnen allein zu hütenden staatlichen Rechtes unbeachtlich zu machen. Nun trifft es sich aber, daß der Artikel 15, selbst wenn er der katholischen Kirche ein selbständiges Recht auf einen gesonderten Kirchhof einräumte, auf den Fall Fameck gar nicht anwendbar wäre. Er schreibt die Abteilung nur vor: dans les communes ou l'on professe plusieurs cultes. Ein Oberpräsidialerlaß vom 19. Januar 1877 hatte das dahin ausgelegt, daß vorausgesetzt wird, es müßten auch für die andere Religionspartei in der Gemeinde öffentliche Gottesdienste regelmäßig abgehalten werden. Die Denkschrift verwirft diese Auffassung als gesetzwidrig. Wenn sie freilich meint, es wäre ein unlöslicher Widerspruch, daß die Katholiken einen gesonderten Kirchhof beanspruchen können, wo sie auch nur eine Minderheit in der Gemeinde bilden, dagegen nicht, wo sie, wie in Fameck, als die große Mehrheit einem vereinzelten Protestanten gegenüberstehen, so beweist sie wieder nur ihre Unfähigkeit, den Standpunkt des staatlichen Gesetzgebers zu würdigen. Er hat doch nicht bloß die Wünsche einer katholischen Mehrheit zu berücksichtigen, sondern auch die Gefühle der andersgläubigen Staatsbürger zu schonen. Diesen kann man am Ende zumuten, daß sie eine eigene Kirchhofsabteilung bilden, wo sie in genügender Zahl vertreten sind, um eine lebendige Kirchengemeinde und eine zusammengehörige Kirchhofsbewohnerschaft zu liefern. Aber etwas ganz Anderes ist es, vereinzelte Menschen anderen Glaubens aus der einzig bestehenden Gräbergemeinschaft heraus in eine mehr oder weniger ausgeprägte Verbrecherecke zu verweisen. Das Letztere hat das Gesetz begreiflicher Weise nicht gewollt. Das Hauptargument ist für die Denkschrift die Wortauslegung: professer un culte, sagt sie, bedeutet in der französischen Sprache lediglich "sich zu einer religiösen Konfession bekennen". Der in Fameck verstorbene Protestant hatte sich doch auch während seiner letzten Tage zur evangelischen Konfession bekannt, also war Fameck eine solche Gemeinde geworden, wie sie das Gesetz in Artikel 15 voraussetzt. Aber wozu dann die Unterscheidung des besonderen Falles, wo in einer Gemeinde mehrere "Kulte" bestehen? Das, was die Denkschrift dafür ansieht, bestände ja jedes Mal, wenn ein Protestant in einer katholischen Gemeinde begraben werden soll; denn er muß doch dort gestorben, also eine Zeit lang samt seinem Bekenntnis dort I am Leben gewesen sein.

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Wenn wir der Denkschrift in diese Spitzfindigkeiten folgen wollten, könnten wir sagen: wenn der Mann tot ist und begraben werden soll, "bekennt" er doch eine Konfession nicht mehr, also ist die Gemeinde nicht mehr gemischt. Das Gesetz setzt natürlich eine Eigenschaft der Gemeinde in ihrem öffentlichen Zustand voraus, und die kann ihr nur durch dauernde Einrichtungen gegeben werden. Die Berufung auf die französische Sprache ist aber auch ganz verunglückt. Professer heißt nach Littre: avouer publiquement. Culte ist nach demselben: religion consideree dans ses manifestations exterieures. Der Oberpräsident ist damit vollkommen im Einklang, wenn er das entscheidende Merkmal in den geordneten öffentlichen Gottesdienst in der Gemeinde setzt. Die Denkschrift substituiert dem ganz willkürlich einen andern Begriff. Man würde sich wohl hüten, diese falsche Uebersetzung beizubehalten, wenn man nur einige Zeilen im Prairialdekret weiter lesen wollte. In Artikel 18 fährt dieses fort: religiöse Zeremonien außerhalb der Kirchen und Kirchhöfe sind nur erlaubt dans les communes Oll l'on ne professe qu'un seul culte. Nach der Uebersetzung der Denkschrift würde der arme kranke Protestant, so lange er da war, alle Prozessionen unmöglich gemacht haben. Zum Glück erläutert der Artikel 18 das, was Oll l'on professe plusieurs cultes bedeutet, durch Verweisung auf Artikel 45 der organischen Artikel, wo es seinem richtigen Sinn gemäß ein für alle Mal bezeichnet wird mit Oll il y ades temples destines ä. differents cultes. Die auf das Prairialgesetz gestützten Rechtsansprüche sind also unhaltbar nach allen Seiten hin. Ein gewöhnlicher Staatsbürger würde sich das wohl selbst sagen oder, wenn er sich dabei nicht beruhigen wollte, die von der Obrigkeit geordneten Rechtsmittel erschöpfen; ein Rekurs an den Bundesrat wäre möglich; das Landesgesetz vom 22. April 1902 eröffnet überdies für solche Fragen den förmlichen Weg der Anfechtungsklage vor dem Oberverwaltungsgericht, dem Kaiserlichen Rat. Der Bischof zieht es vor, mit den Waffen der kirchlichen Gewalt zum Angriff überzugehen, um sein vermeintliches Recht auf diesem Wege durchzusetzen. Der Schlag, den er führt, richtet sich der Form nach nur gegen die Katholiken von Fameck; aber wer darunter leidet, das ist vor allem der Staat. Denn wir wissen ja, wie das geht: in den Augen der Leute dort ist doch immer nur er dar an schuld, wenn sie jetzt in ihren religiösen Gewohnheiten so empfindlich gestört sind, und seine Aufgabe, den öffentlichen Frieden aufrecht zu erhalten, wird ihm keineswegs erleichtert, wenn künftig die Famecker in jedem auftauchenden Protestanten die Gefahr sehen müssen, mit der sie gegebenen Falles sein beerdigungsbedürftiger Leichnam bedroht. Was die Protestanten ihrerseits empfinden, ist wieder eine Sache für sich.

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Es fragt sich nun: was kann der Staat dagegen tun? Daß er seinen grundsätzlichen Standpunkt in der Kirchhofsfrage aufgeben würde, scheint uns undenkbar, obwohl man von klerikaler Seite sofort beflissen war, das anzukündigen. Zu einem Vorgehen gegen den Bischof fehlen andererseits die brauchbaren MachtmitteL Das Metzer Konsistorium hat sich zwar zu einem Beschluß vereinigt, der das Interdikt als eine Beschimpfung der protestantischen Kirche bezeichnet, und man könnte danach an unsern berühmten § 166 des Strafgesetzbuchs denken; aber in Wahrheit würde die Beschimpfung doch immer nur die Protestanten als einzelne Menschen treffen, und die sind nicht die Kirche, noch eine Einrichtung derselben im Sinne des § 166. Wohl aber ist es umgekehrt eine Einrichtung der katholischen Kirche, ihnen von Zeit zu Zeit dergleichen anzutun, und diese Einrichtung ist durch § 166 geschützt. Also Vorsicht! Es bestände für die Regierung nur die Möglichkeit, den "Rekurs wegen Mißbrauchs" zu erheben. Dann wird sie - vielleicht! - bei dem seltsamer Weise dafür zuständigen Bundesrat des deutschen Reiches die "Mißbrauchserklärung" erwirken. Diese hat aber nur die Bedeutung eines feierlichen Tadels, und wieviel Wert der Bischof darauf legen will, ist seine Sache. Damit sind alle Machtmittel der Regierung erschöpft. I Und seien wir froh darum: bei ernsthaften Zwangsmaßregeln gegen den Bischof käme gewiß nichts Gutes heraus. Es war in den Zeitungen zu lesen, die Regierung habe sich wieder, wie seiner Zeit gegen den Bischof Korum, nach Rom an den Papst gewendet, um durch ihn die Ordnung herstellen zu lassen. Das wäre ein arges Armutszeugnis. Geduldiges Abwarten ist wohl hier das Beste. Die richtige Instanz zu einer dauernden Besserung solcher Dinge sind einzig und allein unsere Landsleute, die deutschen Katholiken. Es handelt sich bei diesen Kirchhofsfragen nicht um Dogma und Seelenheil, sondern um eine Einrichtung, welche die Kirche zur Not sich auch anders gefallen lassen kann; die Tatsachen beweisen es. Hier können die Wünsche und Gesinnungen der Katholiken der einzelnen Länder sehr bedeutsam von Einfluß werden. Sollten die, mit welchen wir doch nun einmal fest zusammengebunden sein sollen für Freud und Leid, es nicht über sich gewinnen, auf Dinge zu verzichten, die unnötiger Weise dahin führen, uns innerlich zu trennen und Haß zu säen auf beiden Seiten? Freilich gerade der Fall Fameck zeigt mit seinen Begleiterscheinungen, wie weit entfernt wir noch sind von solchen Hoffnungen. Katholischerseits hat man in keiner Weise das Bewußtsein, unrecht gegen uns zu handeln. Im Landesausschuß wird mit Behagen behauptet: der Bischof konnte nicht anders; gegen den Unterstaatssekretär, der mild und maßvoll den staatlichen Rechtsstandpunkt vertrat, beginnt in der katholischen Presse eine wilde Hetze, in Metz veranstaltet man eine

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Zustimmungs- und Entrüstungskundgebung. Und wie merkwürdig klingen in der Denkschrift die Versicherungen: dafür, daß die Gefühle der Andersgläubigen bei der Einrichtung ihres Sonderkirchhofs geschont werden, sorge er, der katholische Bischof! Diesen, meint er, komme seine Maßregel nur entgegen, denn sie müßten ja selbst den Wunsch haben, unter ihren Glaubensgenossen zu ruhen! Er rühmt sich geradezu, auf solche Art den konfessionellen Frieden zu fördern, ja den Interessen des Deutschtums in Lothringen den größten Dienst zu erweisen! Bischof Benzier meint das mit aufrichtiger Seele. Aber eben das ist das Erschreckende. Mehr offenen Sinn für die Notwendigkeiten unseres friedlichen Zusammenlebens und ein wachsameres Gewissen dafür, das ist's, was wir brauchen. Fragen wir aber: was können wir dazu tun? so gibt es nur einen Weg und der heißt: bei uns selbst anfangen. Auch wir müssen uns viel mehr Mühe geben, unsere katholischen Mitbürger zu verstehen; daran fehlt es noch sehr. Und wenn wir ihnen immer in Diesem und Jenem entgegen treten müssen, auch wir verwenden noch lange nicht genug Sorgfalt und Besonnenheit darauf, sie nicht ohne Not zu kränken. Das ist die Wahrheit. Seien wir strenger gegen uns! Daß dann auch der Widerhall von der andern Seite nicht ausbleibt, dafür wollen wir Gott sorgen lassen. I

14 Otto Mayer, Bd. 11

Zum Toleranzantrag des Zentrums* Toleranz im Namen Roms, von Klerikalen und Ultramontanen beantragt - daß uns das eigentümlich anmutet, kein Mensch darfs verübeln. Aber Nichts wäre verkehrter, als in blindem Mißtrauen es für eitel List und Heuchelei zu nehmen. Der Antrag hat seine Verdienste. Natürlich ist auch viel kluge Taktik dabei und starke Befangenheit in einseitig katholischen Auffassungen. Desto mehr müssen wir danach streben, uns selbst den klaren Blick zu bewahren. 1 Der Toleranzantrag, wie er vorliegt1, zerfällt mit seinen vierzehn Paragraphen in drei leicht zu sondernde Teile: § 2-8 stellt Grundsätze auf für eine interkonfessionelle Rechtsordnung; § 9-14 soll die Selbständigkeit der Kirche gegenüber der Staatsgewalt sichern.

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Zuerst veröffentlicht in der Christlichen Welt, Jg.19 (1905), Sp. 338 - 344. Vgl. 1. Bericht der IX. Kommission zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Freiheit der Religionsübung; Reichstag, 10. Legislatur-Periode, H. Session, Nr.372. - 2. Denkschrift über den Entwurf eineS' Reichsgesetzes, betreffend die Freiheit der Religionsübung (Herausgegeben im Auftrage des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses). Stuttgart, Karl GrÜninger. 30 Pfg. Der Antrag selbst lautet in seiner vom 3. Dezember 1903 datierten Fassung: § 1. Jedem Reichsangehörigen steht innerhalb des Reichsgebiets volle Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften, sowie der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung zu. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen. Unberührt bleiben die allgemeinen polizeilichen Vorschriften der Landesgesetze über das Vereins- und Versammlungswesen. § 2. Für die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses, in welchem ein Kind erzogen werden soll, ist die Vereinbarung der Eltern maßgebend, welche jederzeit vor oder nach Eingehung der Ehe getroffen werden kann. Die Vereinbarung ist auch nach dem Tode des einen oder beider Elternteile zu befolgen. - § 3. In Ermangelung einer Vereinbarung der Eltern gelten für die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses, soweit nicht nachfolgend ein anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Sorge für die Person des Kindes. Steht dem Vater oder der Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen, neben einem dem Kinde bestellten Vormund oder Pfleger zu, so geht bei einer Meinungsverschiedenheit über die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses, in welchem das Kind zu erziehen ist, die Meinung des Vaters oder der Mutter vor. Das religiöse Bekenntnis des Kindes kann weder von dem Vormunde noch von dem Pfleger geändert werden. - § 4. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten darf ein Kind nicht zur Teilnahme an dem Religionsunterricht oder Gottesdienst einer anderen Religionsgemeinschaft angehalten werden, als den 1

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Der § 1 bildet einen Teil für sich. Ich möchte annehmen, daß er wesentlich bestimmt ist, eine wohlklingende Einleitung vorzustellen; diesen Zweck erfüllt er ja auch. Was man sich sachlich davon verspricht, das ist nicht so einfach zu erkennen.

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In den Kommissionsberatungen wurde erläutert: man habe hier im Wesentlichen einfach den Wortlaut des Art. 12 der PreußiSchen Verfassungsurkunde übernommen und es handle sich nur darum, zu verallgemeinern, was sich in Preußen bewährt hat. in § 2 und § 3 getroffenen Bestimmungen entspricht. - § 5. Nach beendetem vierzehnten Lebensjahre steht dem Kinde die Entscheidung über sein religiöses Bekenntnis zu. - § 6. Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft mit bürgerlicher Wirkung erfolgt durch ausdrückliche Erklärung des Austretenden gegenüber der Religionsgemeinschaft. Die Erklärung ist dem Amtsgerichte des Wohnorts gegenüber abzugeben; von diesem ist sie der zuständigen Behörde der Religionsgemeinschaft mitzuteilen. Die Erklärung kann schriftlich in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Ueber den Empfang der Erklärung ist eine Bescheinigung zu erteilen. Das Verfahren ist kosten- und stempelfrei. - § 7. Die Abgabe der Austrittserklärung bewirkt, daß der Ausgetretene zu Leistungen, welche auf der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft beruhen, nicht mehr verpflichtet wird. Leistungen, welche kraft besonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haften oder von allen Grundstücken des Bezirks oder doch von allen Grundstücken einer gewissen Klasse in dem Bezirk ohne Unterschied des' Besitzers zu entrichten sind, werden durch die Austrittserklärung nicht berührt. - § 8. Niemand kann zu Leistungen an eine Religionsgemeinschaft, zu welcher er nicht gehört, herangezogen werden, wenn nicht ein gemeinschaftlicher Genuß oder ein besonderes Rechtsverhältnis besteht. § 9. Religionsgemeinschaften, welche in einem der Bundesstaaten vom Staate anerkannt sind (anerkannten Religionsgemeinschaften), steht innerhalb des Reichsgebiets die freie und öffentliche Ausübung ihres Kultus zu. Dieselben sind insbesondere befugt, überall im Deutschen Reich ohne staatliche oder kommunale Genehmigung Gottesdienste abzuhalten, Kirchengebäude mit Türmen zu erbauen und auf denselben Glocken anzubringen. Ihre Religionsdiener dürfen die Religionshandlungen bei allen Mitgliedern der Religionsgemeinschaft ausüben. - § 10. Der Verkehr der anerkannten Religionsgemeinschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. Vorschriften und Anordnungen einer anerkannten Religionsgemeinschaft, welche sich auf die Religionsübung beziehen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit weder einer Mitteilung an die Staatsbehörde, noch einer Genehmigung von seiten der Staatsbehörde. - § 11. Anerkannte Religionsgemeinschaften können innerhalb des Reichsgebiets Religionsgemeinschaften oder geistliche Aemter, sofern für solche staatliche Mittel nicht in Anspruch genommen werden, ohne staatliche Genehmigung errichten oder abändern. Landesrechtliche Verbote oder Beschränkungen der Verwendung auswärtiger Religionsdiener zu einer seelsorgerlichen Tätigkeit finden keine Anwendung auf die Religionsdiener anerkannter Religionsgemeinschaften. - § 12. Die Aufnahme in eine anerkannte Religionsgemeinschaft, die Zulassung zu deren Religionshandlungen, sowie die Vornahme einer Taufe, einer kirchlichen Trauung oder eines kirchlichen Begräbnisses ist von einer Mitwirkung der Behörden des Staats oder einer anderen Religionsgemeinschaft oder von einer Anzeige bei solchen Behörden unabhängig. - § 13. Die Abhaltung von Missionen der anerkannten Religionsgemeinschaften unterliegt keinerlei gesetzlicher Beschränkung noch Hinderung. - § 14. Religiöse Genossenschaften, Gesellschaften und Vereine aller Art, welche einer anerkannten Religionsgmeinschaft angehören, bedürfen zu ihrer Gründung und Tätigkeit innerhalb des Reichsgebiets keinerlei staatlicher oder kommunnaler Genehmigung. 14*

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Ist dem so, dann würde dieser § 1 keineswegs, wie die Denkschrift des Kirchenausschusses argwöhnt, der Zulassung von Orden und Kongregationen zu gute kommen. Denn der Art. 12 der Preußischen Verfassungsurkunde handelt von dem jus reformandi, von der Zulassung neuer Religionsparteien im Sinne des kurz vorher ergangenen Patentes vom 30. März 1847 die Bildung neuer Religionsgemeinschaften betreffend. Jene "geistlichen Gesellschaften", welche nur vereinigt sind "zu gewissen anderen besonderen Religionsübungen", werden ja in Art. 13 der Verfassungsurkunde ausdrücklich unterschieden. Auch der Antrag des Zentrums trifft für sie erst in § 14 noch besondere Fürsorge, bestätigt also unsere Auslegung. Von diesen Religionsgesellschaften sind aber die katholische wie die evangelische Kirche in dem Art. 12 als bereits zugelassen vorausgesetzt mit einem besonders geregelten Umfang von Macht und Freiheit; verallgemeinert würde er in allen übrigen Staaten die gleiche Tatsache vorfinden. Die praktische Bedeutung des § 1 bestünde also nur in der freien Zulassung von Sekten und Dissidentenvereinen nach den "allgemeinen polizeilichen Vereinsgesetzen ". Die besonderen Beschränkungen, welche vereinzelte Landesgesetze (z. B. in Sachsen) solchen religiösen Sezessionen auferlegen, kämen in Wegfall. Das ist nicht viel. Aber immerhin für eine katholische Partei ein Beweis von Vorurteilslosigkeit. Daß wir Evangelischen mit Freuden zustimmen müßten, ist selbstverständlich. Ist doch für uns eine ganz andere Einschätzung des religiösen Wertes solcher Gebilde geboten als für die Katholiken. Die Denkschrift des Kirchenausschusses freilich glaubt den Schwerpunkt des § 1 darin zu finden, daß fortan für alle Religionsgemeinschaften der Erwerb juristischer Persönlichkeit durch Eintragung ins Vereinsregister nach den Bürgerlichen Gesetz-Buche § 21 ff. gesichert sei. Zur Zeit ist die Verwaltungsbehörde nach § 61 in der Lage, das nach freiem Belieben zu verhindern, indem sie Einspruch erhebt; nach § 84 des Einführungs-Gesetzes zum Bürgerlichen Gesetz-Buche bleibt sogar die juristische Persönlichkeit abhängig von besonderer Verleihung durch Gesetz, wo das Recht des Einzelstaates das vorgeschrieben hat. Beides, meint die Denkschrift, würde durch Anerkennung der "vollen Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften" aufgehoben. Ich bin nicht dieser Meinung. Die Ausführungen des Kirchenausschusses beruhen hier meines Erachtens auf Rechtsirrtum. Freie Vereinsbildung bedeutet keineswegs von selbst freien Erwerb juristischer Persönlichkeit. Aber wenn auch! Ist es Sache unserer Kirche, zum Schutze gegen solche Absplitterungen Machtvollkommenheiten der Polizeibehörde zu fordern und vielleicht sogar herbeizuführen, daß sie davon Gebrauch

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macht, um dem religiösen Verein die Wohltaten des Gesetzes zu entziehen, die dem Kegelklub und der Karnevalsgesellschaft nicht versagt werden dürfen? Das Bedenken, welches gegen § 1 erhoben werden muß, liegt auf einem anderen Feld. Es ist Selbsttäuschung der Antragsteller, wenn sie glauben, durch Erhebung des Wortlautes des Preußischen Rechtssatzes zum Reichsgesetze werde der Antrag "nur erreichen, was in Preußen schon geltendes Recht ist". Die landesrechtliche Bestimmung erhält ihre Erläuterung und Ergänzung durch die Gesamtheit des Landesrechts, in der sie steht. Die Bestimmungen des Allgemeinen Land-Rechtes sind durch den Grundsatz des Art. 12 der Verfassungsurkunde nicht von selbst hinfällig geworden; selbst für die viel bestimmter lautenden Artikel, die darauf folgen, ist das ja zweifelhaft gewesen. Jedenfalls haben neuere Landesgesetze auch gegenüber solchen allgemeinen Verfassungsgrundsätzen die Vermutung für sich, daß sie damit in Einklang stehen. Das ist Alles ganz anders bei einem Reichsgesetz. Hier tritt der Text heraus aus dem landesrechtlichen Zusammenhange und wirkt für sich; jener Zusammenhang wird nötigenfalls als "Auslegung aus den Materialien" geringschätzig bei Seite geschoben. Und sodann steht dieser Text souverän über den Landesgesetzen, die keine gleichberechtigten IMitarbeiter, sondern Untergebene sind, in die Schranken gebannt, die das Wort des Reichsgesetzes unüberschreitbar für sie errichtet hat. Deshalb kann es gar nicht ausbleiben, daß versucht wird, aus dem Wortlaut des § 1, der in Anlehnung an das Preußische Recht so harmlos wäre, selbständige Folgerungen zu ziehen. Es kann nicht ausbleiben? Es geschieht jetzt schon im Voraus und in Widerspruch mit den Versicherungen, daß für Preußen Alles beim Alten bleibe. In den Kommissionsverhandlungen hat man angefragt, wie es denn mit den Bestimmungen des Preußischen Rechts über die Prozessionen werde. Die Antragsteller trösteten erst: die Gültigkeit jener Bestimmungen sei ja trotz Art. 12 der Verfassungsurkunde nie bestritten worden. Aber mit einem Reichsgesetz ist es eben etwas Anderes. Ein Redner bemerkt alsbald: nur die "allgemeinen Bestimmungen vom Standpunkte der Verkehrsund Gesundheitspolizei" würden hier bestehen bleiben. "Man möge ruhig Jeden seine religiöse Ueberzeugung offenbaren lassen; wenn man Aufzüge von Kriegervereinen gestatte, dürfe man Prozessionen nicht beanstanden." Da haben wir schon die Wortverwertung! Auf diesem Wege wird aber gar Manches möglich sein. Wir haben Verbote des übermäßigen Glockenläutens - öffentliche Religionsausübung, die nach Reichsrecht frei sein muß! Ein hervorragender Kleriker wurde vor einigen Jahren nach § 166 des Straf-Gesetz-Buches verurteilt, weil er die

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protestantischen Ehen öffentlich Konkubinate genannt hatte; auf der Festung schrieb er ein hübsches kleines Buch: es sei doch merkwürdig, hieß es darin, er habe Nichts getan, als die vorgeschriebene Lehre verkündigt, und er wies das nach. Wird er nicht künftig durch das reichsgesetzlich anerkannte Recht, "seine religiöse Ueberzeugung zu offenbaren", gegen solche Anwendung des § 166 geschützt sein? Die Sache hat natürlich ihre Kehrseite; denn auch auf protestantischer Seite gibt es Ueberzeugungen, in den Schriften unserer Reformatoren derb genug formuliert, deren öffentlicher Ausdruck ein religiöses Bedürfnis sein mag. Es ist gar nicht abzusehen, was bei wohlwollender Auslegung mit einem solchen Texte alles gemacht werden könnte. Solches zu verhüten, gibt es nur ein Mittel: das Reichsgesetz müßte, statt sich auf "Grundrechte" zu beschränken, auch die ganze dazu gehörige positive staatskirchenrechtliche Ordnung selber in die Hand nehmen und festsetzen. Das wollen wir aber Alle nicht. Also lasse man auch so bedenkliche Allgemeinheiten bei Seite und beschränke sich, wie dem Reiche hier geziemt, auf solche Eingriffe, die bestimmt und klar genug geregelt werden können. 2

Was wir von einer Reichsgesetzgebung in dieser formellen Hinsicht verlangen, das würden die Vorschläge für Ordnung des interkonfessionellen Rechtes in § 2-8 des Antrages wohl meist erfüllen. Man wird auch zugeben müssen, daß das Bedürfnis hier besteht, ohne welches wir das Reich in dieses den Einzelstaaten grundsätzlich vorbehaltene Gebiet sich nicht einmengen lassen möchten. In vollem Maße darf ein solches Bedürfnis anerkannt werden für die Ordnung der religiösen Kindererziehung. Die Verschiedenheiten, welche unsere Staaten hier aufweisen, führen zu betrüblicher Verwirrung und sachlich ungerechtem Ergebnis. Also Einheit! Und die kann nur das Reich bringen. Die Frage ist nur: wie soll diese einheitliche Ordnung aussehen, nach welchen Grundsätzen soll sich die Scheidung machen? Für die katholische Kirche sind ja alle unsere Kinder durch die Taufe zunächst Katholiken geworden und werden nur rechtswidrig durch die evangelische Erziehung dieser Zugehörigkeit entfremdet. Deshalb ist es für einen Katholiken gar nicht so leicht, rückhaltlos mit den großen Wirklichkeiten zu rechnen, die man für jede vernünftige Ordnung zum Ausgang nehmen muß. In Wirklichkeit ist das einheitliche Christenvolk der alten staatsartigen Universalkirche heute gespalten, aber so, daß auch die einzelnen großen Bruchstücke die rechtliche Natur eines Volkes behalten haben. Sie sind keine Vereine. Man wird hineingeboren, wie in die staatliche Volksgemeinschaft. Familienrechtliche Zusammenhänge

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vermitteln auch hier in erster Linie I die Zugehörigkeit. Die Uebertritte spielen dabei keine größere Rolle als dort der Wechsel des Staatsverbandes. Hinter all dem Gewirr von Sonderbestimmungen sehen wir dazwischen, auch ohne formellen Rechtes zu sein, den folgerichtigen Gedanken wirksam werden, daß die Kirchenangehörigkeit des Vaters sich von selbst auf das Kind übertragen soll, wie seine Staatsangehörigkeit. Sachlich erzielt er jedenfalls diesen Erfolg durch die Erziehung in seinem Bekenntnis, wenn man nur der nach natürlichem Rechte ihm zustehenden Erziehungsgewalt freien Lauf läßt. Freilich, er kann auch in einem anderen Bekenntnis erziehen als in dem seinigen, und an seiner Stelle kann unter Umständen der Mutter die Erziehungsgewalt zustehn nach näherer Bestimmung des bürgerlichen Rechts und mit dem gleichen Einfluß auf den Bekenntnisstand des Kindes. Danach träfe es im praktischen Ergebnisse das Richtige, wenn in § 3 des Antrages die Bestimmung der kirchlichen Zugehörigkeit des Kindes juristisch formuliert wird als ein Ausfluß der Erziehungsgewalt nach bürgerlichem Rechte. Allein nach dem Antrag § 2 soll hier in erster Linie maßgebend sein die Vereinbarung der Eltern, welche formlos jeder Zeit getroffen werden kann und auch nach dem Tode des Einen oder Beider fortgilt. Dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit aussprechen. Doch vor allem keine Mißverständnisse! Wenn die in gemischter Ehe lebenden Gatten einträchtig sind in der religiösen Erziehung der Kinder, so daß der Mann nur bestimmt, was Beide wollen, so wünschen wir ihnen Gottes Segen dazu, ob evangelische oder katholische Kindererziehung dabei herauskommt, gleich viel. "So lange die Eltern einig sind, haben sie allein über die religiöse Erziehung der Kinder zu bestimmen", erklärten die Antragsteller in der Kommission. Das klingt wie das, was eben wir sagten. Aber es ist von ihnen nicht so gemeint. Sie fassen, echt katholisch, alles Religiöse und Moralische juristisch: einig sind die Eltern für sie, wenn sie durch einen rechtsgültigen Vertrag gebunden sind. Der Gatte wird als "einig" angesehen, auch wenn er nachträglich einsieht, daß sein Kind in der fremdartigen Religionsluft seelisch verkümmert. Und zwar ist er gebunden nicht bloß dem andern Gatten gegenüber, der ihn des Versprechens entbinden möchte, sondern gegenüber einer fremden kalten Macht. Und solch ein Vertrag soll formlos eingegangen werden können! Das hat in unseren Augen etwas Unmoralisches. Die Rechte, die das Gesetz den Eltern bezüglich der Erziehung der Kinder zugesteht, sind Pflichten. Wir würden jeden Vertrag für ungültig erklären, durch welchen der Bräutigam sich verpflichtet, den zu erwartenden Sohn in einem bestimmten Handwerk zu erziehen, oder ihm eine bestimmte Staatsangehörigkeit zu geben. Warum soll es mit der Bekenntnisfrage weniger ernst genommen werden?

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Es ist auch immer eine das Gefühl arg verletzende Sache, wenn nach dem bisherigen Rechte zur Erhaltung der vertragsmäßigen Religion des Kindes gegen den erziehungsberechtigten Elternteil mit Zwangsmaßregeln vorgegangen werden soll, womöglich gar auf Antrag der Kirche. Das Gesetz muß das religiöse Erziehungsrecht so ordnen, daß Dergleichen künftig ausgeschlossen ist.Die Bestimmungen über den Austritt aus der Religionsgemeinschaft, vor allem über das dazu erforderliche Entscheidungsalter (§ 5), scheinen, wie die Denkschrift mit Recht hervorhebt, die einfachen Vereine aus den Augen verloren zu haben. Bei diesen ist doch für selbständigen Eintritt wie Austritt volle Geschäftsfähigkeit, d. h. Volljährigkeit die naturgegebene Voraussetzung. Auf katholischer Seite war man immer bestrebt, das für den Uebertritt erforderliche Alter möglichst niedrig zu greifen. In der Kommission handelte es sich um die Zahlen 12,14, 16, 18, 21. Daß die Mehrheit an der Zahl 14 hängen blieb, dafür war wohl wieder der Gedanke an unser Konfirmationsalter von Einfluß. Es wäre sehr zu wünschen, daß man einmal die Redensarten aufgeben wollte von der durch die Konfirmation bestätigten "Reife" und von der damit geschehenden Aufnahme unter die "erwachsenen Christen". Die Konfirmation ist nur der Abschluß der schulmäßigen religiösen Erziehung. Im Uebrigen besteht ja die Erziehungsgewalt fort I und muß auch für kirchliche Dinge tatsächlich noch in reichlichem Umfange geübt werden. In sinngemäßer Anwendung des § 1827 des Bürgerlichen Gesetz-Buches wird man nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre einen Religionswechsel nicht mehr gegen den Willen des Kindes vor sich gehen lassen. Aber es ist ungehörig und widerspruchsvoll, daß ein solcher Junge seinem Vater eigenmächtig soll sagen können: ich verwerfe jetzt deine Kirche und gehe zu deinen Gegnern. Mit vierzehn Jahren ist er gerade nur reif zum Gegenstand aller Art von Proselytenmacherei, die sich in die Familien drängt. Man muß sich klar machen, was der Austritt rechtlich bedeutet. Für uns ist das ein Rechtsakt, ein öffentlichrechtliches Rechtsgeschäft, gleichartig dem Gesuch um Entlassung aus dem Staatsverband. Die katholische Kirche sagt ganz folgerichtig: für mich gibt es keinen rechtmäßigen Austritt eines Getauften; es gibt nur ein Delikt der Gehorsamsverweigerung, das ich als Tatsache nicht leugne, und es gibt eine reumütige Rückkehr zum Gehorsam. Dem entspricht es, die Altersgrenze in die Gegend der kirchlichen Strafmündigkeit zu legen. Wir aber, die wir einen wirklichen Austritt anerkennen, beweisen eine geringe Wertschätzung der Zugehörigkeit zur Kirchengemeinschaft, wenn wir diesen Rechtsakt wirksam vornehmen lassen durch einen Jüngling, der noch nicht befähigt sein soll, auf seine Mitgliedsrechte in einer Aktiengesellschaft wirksam zu verzichten. Freilich, wir können auch dem jungen

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Katholiken, der zu uns übertreten will, ruhig sagen: warte, bis du volljährig bist, es kommt ja doch nur auf den Glauben des Herzens an; für die katholische Kirche dagegen würde im umgekehrten Fall die sofortige Herstellung einer formellen Zugehörigkeit von ganz andrer Wichtigkeit sein. Das muß man berücksichtigen, um das Drängen auf Erleichterung des Uebertrittes recht zu verstehen.Der Ausschluß von Zwang zur Teilnahme an fremdem Gottesdienst und Religionsunterricht (§ 4) nimmt auf den ersten Blick sehr für sich ein. Aber schon in der Kommission wurde bemerkt und die Denkschrift hat es nachdrücklich hervorgehoben, daß hier andre große Interessen hereinragen: es handelt sich um die allgemeine Schulpflicht, zu deren Durchführung nun einmal ein geordneter Religionsunterricht gehört. Das ist eine hochbedeutsame Sache, die nicht übers Knie gebrochen werden darf. Mir scheint der Antrag, so wie er formuliert ist, noch unreif. Nach den Aeußerungen in der Kommission wollte man damit einen staatlichen Zwang zulassen "zum Unterricht in der eignen Konfession". Diese soll gegeben sein durch Vereinbarung der Eltern (§ 2) oder Bestimmung des Erziehungsberechtigten (§ 3). Von der Vereinbarung wollen wir ja absehn. Wie kann man aber einen Zwang üben wollen gegen den Erziehungsberechtigten, der jeden Augenblick allein zu bestimmen hat, was geschehen soll? Will man ihn zwingen, unter den üblichen Bekenntnissen eines auszusuchen? Oder soll er gebunden sein durch die Taufe des Kindes? Die bestimmt ja keine Konfession. Oder soll er das Kind in seiner eignen, jetzigen oder früheren Konfession unterrichten lassen, weil das Kind diese durch Abstammung erworben hat? Das Letztere scheint gemeint zu sein. Aber jedenfalls muß diese Sache sich erst klären. Selbstverständlich scheint uns § 7 und § 8: Ausschluß von öffentlichen Abgaben an eine fremde Religionsgemeinschaft. Das ist ja geradezu ein Ehrenpunkt für die Kirche, dem gegenüber alle sogenannten praktischen Erwägungen zu schweigen haben. Vielleicht aber, da man doch am Ordnung schaffen ist, denkt man auch daran, von Reichswegen einmal entgültig Frieden zu gebieten für die Friedhöfe; sie haben es besonders nötig. 3 Es bleibt noch der dritte Teil, § 9-14, enthaltend eine Reihe von Bestimmungen zum Zweck der Einschränkung der staatlichen Kirchenhoheit. Es wird stark damit aufgeräumt; von dem, was übrig bleibt, dürfen wir den Verdacht haben, daß es von den Antragstellern als unwirksam und unbeachtlich angesehen wird. Darunter gehören vor Allem die Rechte des Staates wegen Ernennung, Bestätigung, Vorschlag kirchlicher I Beamten. Die Erfahrung spricht wohl auch dafür, daß dabei nicht viel herauskommt.

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Aber dieser ganze Abschnitt bietet ein höc.'1st merkwürdiges Beispiel der Gesetzgebungstechnik. Er ist nämlich von den Antragstellern vorgeschlagen in dem nicht abzuleugnenden Bewußtsein, daß das so gar nicht Gesetz werden kann. Als Gegenstand ihrer Fürsorge tritt hier auf nicht mehr die Religionsgemeinschaft überhaupt, sondern die "anerkannte Religionsgemeinschaft". Das ist der culte reconnu des französischen Rechts. Wir haben mancherlei andere Ausdrücke dafür. Jedenfalls ist darunter begriffen, außer der katholischen, auch die lutherische, reformierte, unierte Kirche. Diese letzteren zerfallen wieder in so und so viele Landeskirchen. Auf diese alle sollte nun § 9 Anwendung finden mit dem Rechte für sie, überall im deutschen Reiche Gottesdienste abzuhalten, Kirchen mit Türmen zu errichten usw. Einer Niederlassung der Mecklenburgischen Landeskirche in Berlin, Leipzig, München wären z. B. die Wege geebnet. Die Denkschrift hat drastisch geschildert, wie das würde. Wir könnten es als eine Unhöflichkeit empfinden, daß eine konfessionelle Partei allgemeine Ordnungen vorschlägt, deren Anwendung auf uns zu solch unmöglichen Dingen führen muß. Aber auch im Weiteren ist offenbar, daß das Zentrum bei diesen Vorschlägen auf die evangelische Kirche einfach keine Rücksicht nimmt: freier Verkehr mit den Oberen, Abhaltung von Missionen, religiöse Genossenschaften, was geht das uns an? Und überhaupt alle diese Milderungen der Kirchenhoheit, was soll das einer Kirche helfen, die vermöge des landesherrlichen Kirchenregiments ganz und gar unter staatlicher Leitung steht? Oder soll etwa bei der Gelegenheit dieses auch so leichthin wegdekretiert werden? Wir können nicht glauben, daß dieses die Absicht ist. Aber dann müssen wir uns auch offnes Spiel ausbitten. Statt "anerkannte Religionsgemeinschaft" sage man einfach "katholische Kirche". Denn für die allein ist es offenbar gemeint. Handelt es sich demnach im Ernste nur darum, die katholische Kirche von staatlichen Beschränkungen zu befreien, die ihr lästig sind, so möchten wir erst recht sagen: was geht das uns an, d. h. die evangelische Kirche und ihre Vertretungen? Man steht sich ja nicht mehr wie im heiligen römischen Reich als bewaffnete Ländergruppen gegenüber, wo jede als einen Vorteil empfindet, was die andere schädigen kann. Wir haben keine Ursache zu besonderer Liebe zur katholischen Kirche, aber um unserer katholischen Mitbürger willen dürften wir ihr die ungestörteste Selbstverwaltung vergönnen, die jene nun einmal für sie fordern - immer mit dem natürlichen Vorbehalt: so lange sie nicht darauf ausgeht, uns direkt zu schädigen und zu verletzen; dann muß der Staat uns schützen um des öffentlichen Friedens willen, für den er da ist. Freilich der Staat hat es - namentlich bei katholischen Völkern um seiner selbst willen für nötig gehalten, der überschäumenden

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Lebenskraft dieser Kirche Schranken zu setzen. Vieles davon mag altmodisch geworden sein. Aber was etwa davon noch zu bewahren ist, das ist eine Frage für sich, die ausschließlich nach staatlichen Gesichtspunkten beurteilt werden muß. Das geht uns als Staatsbürger an, aber nicht als evangelische Christen; in der Kirche haben wir uns nicht damit zu beschäftigen. Dieser grundsätzliche Standpunkt scheint ja ganz einleuchtend und selbstverständlich zu sein. Und doch! Sobald es einmal wirklich darauf ankommt, müssen wir sofort inne werden, wie schwer es ist, ihn festzuhalten und durchzuführen. Jetzt wieder unser Kirchenausschuß - mit welcher Wucht stemmt er sich in der Denkschrift gegen diese Vorschläge, auch soweit es nur die katholische Kirche angeht! Er überschätzt zwar dabei einigermaßen ihre Tragweite. So z. B., wenn nach § 10 Abs. 2 kirchliche Anordnungen, welche sich auf die Religionsübung beziehen, zu ihrer Gültigkeit keiner Mitteilung an die Staatsbehörde bedürfen noch einer Genehmigung durch sie, so ist das keineswegs, wie die Denkschrift meint, gleichbedeutend mit einer dem Staate reichsrechtlich auferlegten Pflicht, alle solche Anordnungen nunmehr unbedingt als rechtsgültig anzuerkennen. Da besteht doch noch ein großer Unterschied. I Auch kann man eigentlich nicht sagen: das "Prinzip der staatlichen Kirchenhoheit" werde hier angegriffen; es sollen ja doch nur bestimmte Anwendungen dieses Prinzips beseitigt werden; das wurde auch schon in der Kommission hervorgehoben. Aber wie dem auch sei: was uns den tiefsten Eindruck machen muß, das ist die Tatsache, daß hier unser Kirchenausschuß sein ganzes Ansehen einsetzt für die Aufrechterhaltung der Rechte der Kirchenhoheit. "Mit dem Prinzip als solchem wird die evangelische Kirche nur einverstanden sein können." Abzuweisen ist der Angriff "auf das in hundertjährigen Kämpfen auf dem Boden protestantischer Staatsauffassung durchgerungene Prinzip der staatlichen Kirchenhoheit". Weiten Kreisen des evangelischen Volkes ist das aus der Seele gesprochen; das ist gewiß. Es mag darin von der einstmals so notwendig gewesenen Bereitschaft zu kriegerischem Waffengang noch etwas nachklingen; die Volksseele pflegt solche Eindrücke noch lange zu bewahren. Deutlicher aber tritt eine andere Idee hervor: die evangelische Kirche fühlt sich eins mit dem Staate; für seine Rechte und seine Machtstellung tritt sie ein, auch wo sie selbst unmittelbar nicht beteiligt scheint; wie sie sich dem Staate zugehörig weiß, so sieht sie umgekehrt im modernen Staate an sich schon etwas Protestantisches. Das muß man sich klar machen, um die vorliegende Erscheinung zu verstehn. Aber wie eigentümlich verwickelt ist doch jetzt unsere Lage!

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Ist diese historisch erklärliche Stellungnahme der evangelischen Kirche immer ein Vorteil für den Staat? Durchaus nicht. Die Maßregeln, die er doch nur in seinem eignen Interesse der katholischen Kirche gegenüber ergreift, erhalten eine ganz unnötige Schärfe, wenn der Anschein besteht, als steckten wir dahinter, und wecken so die Leidenschaft des Widerstandes, die das katholische Volk zusammenballt: Kulturkampf, Zentrumsherrschaft sind mit dadurch hervorgerufen als Besonderheiten des vorwiegend protestantischen Deutschland. Ein Staatsmann mag das so lebhaft empfinden, daß er nicht nur durch doppeltes Liebeswerben auf der anderen Seite es wieder gut zu machen sucht, sondern auch dazwischen uns mit demonstrativen Abschüttelungsgeberden begegnet. Und bei uns wächst der Unmut. Das landesherrliche Kirchenregiment steht ja bei dieser Gelegenheit nicht auf der Tagesordnung. Aber auch hier sehen wir uns schließlich wieder an die große Frage gemahnt: soll die evangelische Christenheit nicht allen Ernstes in ihren Gedanken sich darauf einrichten, daß ihre Kirche auf eignen Füßen zu stehen hat, und das damit beginnen, daß sie zunächst einmal staatliche und kirchliche Interessen reinlich scheiden lernt? I

Staat und Kirche· Litteratur: Friedberg, Die Grenzen zwischen Staat und Kirche und die Garantien gegen deren Verletzung, 1872; Hinschius, Allgemeine Darstellung der Verhältnisse von Staat und Kirche, 1883 (in Marquardsens Handbuch des öffentlichen Rechts I, 1); Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik, 1894, Bd I, S. 246 ff.; E. Troeltsch bei Hinneberg, Die Kultur der Gegenwart, Teil I, Abteilung 4, 1905; R. Sohm, Kirchenrecht Bd I, 1892; ders., Das Verhältnis von Staat und Kirche aus dem Begriff entwickelt (ZKR 1873). - K. J. Neumannn, Der römische Staat und die allgemeine Kirche bis auf Diokletian, 1890; Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899; J. Burkhardt, Die Zeit Konstantins des Großen, 1891; A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, 1887 ff.; E. Loening, Geschichte des deutschen Kirchenrechts, 1878; F. Kattenbusch, Lehrbuch der vergleichenden Konfessionskunde, 189