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German Pages 176 Year 2019
Friedemann Richert
Kleine Geistesgeschichte des Lachens
Friedemann Richert
Kleine Geistesgeschichte des Lachens In Zusammenarbeit mit Günter Vogel, meinem alten Griechischlehrer 2. Auflage
Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Einbandillustration: Marilyn Monroe (Ausschnitt) Porträtphoto von 1960 © akg-images
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 2., unveränderte Auflage 2011 © 2009 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werks wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-24064-7 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-71689-0 eBook (epub): 978-3-534-71690-6
Meiner Mutter zu ihrem 75. Geburtstag in Dankbarkeit gewidmet
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel I: Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vernunft, Leben und Lachen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11 13
Kapitel II: Das Lachen in der Antike . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 23 29 34 38 41
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Homer und das unauslöschliche Gelächter . . . Platon, die Komödie und das Lachen . . . . . . Aristoteles und das schönwendige Lachen . . . . Cicero und das erlösende Lachen . . . . . . . . Quintilian und das sittlich vollkommene Lachen Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel III: Die Bibel und das Lachen . . . . . . . . . . . . . . .
1. Das überlegene Lachen . . 1.1. Der lachende Gott . 1.2. Der lachende Mensch 1.3. Das Lachen der Tiere 2. Der Bund des Lachens . . 3. Verheißenes Lachen . . . 4. Resümee . . . . . . . . .
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Kapitel IV: Das Lachen im Mönchtum . . . . . . . . . . . . . .
1. Vorbildliches Christenleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Lachverbot in den Mönchsregeln . . . . . . . . . . . . . 2.1. Basilius von Caesarea – Enthaltsamkeit im Lachen . . .
45 46 48 54 58 62 65 76 79 79 81 82
8
3.
4. 5. 6.
Inhaltsverzeichnis
2.2. Die Magisterregel – vom Ernst des Lachens . . 2.3. Die Benediktusregel – Lachen ist unvernünftig Das Mönchtum und das Erbe der Antike . . . . . . 3.1. Der Einfluss der Kyniker . . . . . . . . . . . . 3.2. Der Einfluss der Stoa . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Das apokalyptische Spätjudentum . . . . . . . 3.4. Clemens von Alexandria . . . . . . . . . . . . Monastische Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . Der Verlust des schönwendigen Lachens . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 84 . 88 . 92 . 93 . 95 . 98 . 99 . 104 . 106 . 113
Kapitel V: Das Lachen in der Reformationszeit . . . . . . . . . 117
1. 2. 3. 4.
Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit Thomas Morus: Utopia . . . . . . . . . . . Martin Luthers Humor . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel VI: Das Lachen als philosophische Wegweisung . . . . 137
1. Kants Lächeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Nietzsche und das Lachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Kapitel VII: Lachende Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
1. Das Lob des schönwendigen Lachens . . . . . . . . . . . . . 151 2. Das Lachen und das Heilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Anmerkungen mit Literaturangaben . . . . . . . . . . . . . . . 159
Vorwort Vorwort
Für das Frühjahr 2006 wurde ich gebeten, im Rahmen eines interdisziplinären Utopiekolloquiums an der Schweizer Akademie der Geistesund Sozialwissenschaften zu Bern einen Vortrag zu halten. Während meiner Vorbereitungen stieß ich erneut auf Thomas Morus’ Schrift „Utopia“ und entdeckte dabei dessen Brillanz: Er schrieb dieses Büchlein, fern aller späteren Ideologien, in jenem humorvollen Geist, der den Ernst der Lage ins gemeinsame Lachen hinein auflöst. Dieses Denken nannte ich „lachende Vernunft“. So kam ich zum Thema „Lachen“, das ich fortan philosophisch und theologisch zu erschließen gedachte. Es entstand eine kleine Geistesgeschichte des Lachens, die die geneigten Leser nun in ihren Händen halten. Freilich, ohne die humorvolle und gedankliche Begleitung meines alten Griechischlehrers, Herrn Dr. Günter Vogel aus Nürnberg, wäre das Buch nicht zu dem geworden, was es ist: ein erzählender Spannungsbogen des Lachens von der Antike bis in die neue Zeit hinein. So verdanke ich Herrn Dr. Vogel wertvolle altphilologische und andere Hinweise. Ihm gilt mein herzlicher Dank! Nicht minder zum Dank verpflichtet bin ich meinem Lektor, Herrn Dr. Bernd Villhauer, der von Anfang an mit freundlichem Interesse und wohlwollender Kritik die Entstehung dieses Buches gefördert hat. Ihm verdanke ich es auch, dass die WBG die Veröffentlichung dieses Buches bereitwillig übernommen hat. Gewidmet aber ist das Buch meiner Mutter, Frau Lydia Richert. Mit ihrem fröhlichen Lachen hat sie meiner Familie und mir das Leben in seiner Schönwendigkeit nahegebracht. Nicht nur dafür möchte ich ihr von Herzen danken. Sindelfingen, im Januar 2009
Friedemann Richert
Kapitel I
Hinführung
1. Überblick Hinführung Überblick
Wo immer Menschen anzutreffen sind, trifft man auf das Lachen. Menschen sind auch lachende Wesen. Nicht umsonst wird Aristoteles das Diktum zugeschrieben, dass der Mensch das einzige Lebewesen sei, das lachen könne. Und in der Tat: Lachen ist ein zeitübergreifendes, anthropologisches Phänomen. Menschen lachen in den unterschiedlichsten Situationen und können einander zum Lachen bringen, durch Witz und Scherz, mit Komik und Humor, mit Komödien. Wo immer gelacht wird, da stellt sich – für einen Augenblick – ein Lebensgefühl ungezwungener Befreiung und Erleichterung ein. Man wird vom Lachen ergriffen und erlebt die Welt und das Leben in einem anderen Licht. Lachen ist eine Lebenskraft, die es versteht, unsere Wirklichkeit entscheidend aufzubrechen: entweder zum Schönen oder auch zur Häme hin. Lachen und Lachen sind nämlich zweierlei. Auch diese Erkenntnis begleitet seit jeher das Lachen. Es ist mit seiner kritischen Kraft älter als die geistigen Potenziale der Neuzeit, Aufklärung und Moderne, denn Lachen ist eben urmenschlich. Darum nimmt es nicht wunder, dass über das Lachen auch schon seit alters nachgedacht worden ist. Diesem Gedankenweg soll in diesem Buch gefolgt werden, allerdings mit der Einschränkung, hierbei nicht alle Stimmen zum Lachen bedenken zu können. Das zu wollen, wäre ja wohl selbst zum Lachen, zu umfangreich und vielfältig sind die Zeugnisse des Lachens. Aber gewichtige und einflussreiche Denker aus Philosophie und Theologie kommen zu Wort. Das Kapitel I. Hinführung stellt in Kürze den Zusammenhang von Vernunft, Leben und Lachen dar. Hier wird das Lachen in eine vorläufige Verhältnisbestimmung zum menschlichen Denkvermögen gesetzt.
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Hinführung
Es folgt das Kapitel II. Das Lachen in der Antike, hat diese Epoche doch Grundlegendes zum Lachen in das abendländische Denken eingebracht: Homer eröffnet mit seinem „olympischen Gelächter“ die Überlegungen der griechischen Antike zum Lachen. Es folgt Platon, der im Lachen zu guter Letzt einen heilsamen Weg für den denkenden Menschen erkennt. Aristoteles vertieft in wegweisender Form das Lachverständnis, indem er die Rede von der Eutrapelia, der Kunst des schönwendigen Lachens, einführt. Die römische Antike kommt mit Ciceros Überlegungen zum gebildeten Lachen zu Wort, ein Gedanke, den Quintilian in seinen rhetorischen Untersuchungen mit der Rede vom sittlich vollkommenen Lachen abschließt. Kapitel III. Die Bibel und das Lachen beschreibt das Lachen in biblischer Perspektive. Ausgehend vom alttestamentlichen Gottesverständnis wird das überlegene Lachen erschlossen, das sich im lachenden Gott, im lachenden Menschen und sogar im Lachen der Tiere bekundet. Der Bund des Lachens zwischen Gott und Mensch umschreibt sodann den Kern alttestamentlichen Lachens, der ins verheißene Lachen überleitet. Hier begegnet uns ein Anklang des schönwendigen Lachens, wie es in der Verkündigung Jesu und des Paulus angezeigt ist. Kapitel IV. Das Lachen im Mönchtum behandelt indes den Verlust des schönwendigen Lachens in der christlichen Tradition. Ausgehend von den wichtigsten Mönchsregeln wird beschrieben, wie es zum kulturprägenden Lachverbot des Mönchtums im Abendland gekommen ist. Infolgedessen ist das Lachen beinahe insgesamt in gebildeten Kreisen des Mittelalters in Misskredit geraten. Der Wiedergewinnung des gebildeten Lachens als Lebenskunst widmet sich das Kapitel V. Das Lachen in der Reformationszeit. So unterschiedliche Persönlichkeiten wie Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus und Martin Luther ziehen hier an einem Strang, um das Lachen als menschlichen Ausdruck in seiner Schönwendigkeit vom monastischen Verdikt nachhaltig zu befreien. Kapitel VI. Das Lachen als philosophische Wegweisung behandelt Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche. Für beide ist das Lachen ein Ausdruck der Befreiung, für Kant im Sinne einer die Vernunft aufklärenden Haltung, für Nietzsche als Kennzeichen des neuvernünftigen Übermenschen, der Welt und Leben als überkommen zu überwinden gedenkt.
Vernunft, Leben und Lachen
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Zusammenfassende Überlegungen benennt Kapitel VII. Lachende Vernunft, in dem ein Plädoyer für das schönwendige Lachen vorgelegt wird, das seinerseits von dem die Vernunft übersteigenden Charakter des Lachens lebt: Das Lachen rührt in seiner Schönwendigkeit an das Heilige und führt den Menschen über sich selbst hinaus: erlösendes Lachen.
2. Vernunft, Leben und Lachen Vernunft, Leben und Lachen
Wir Menschen sind – Kulturwesen. Wir können nicht einfach unserer Natürlichkeit gemäß ins Leben gehen. Wir müssen vielmehr ein Leben lang lernen, unser Leben zu führen. Hierzu gehört denn auch die Einsicht, dass wir unser Lachen nach Ort und Zeit, nach Anlass und Gegebenheit sich je einfinden lassen. Denn nicht immer ist das Lachen angezeigt, selbst wenn man gerne lachen möchte, es aber aus Gründen der Höflichkeit und des Anstands zu unterdrücken versucht. Wir finden uns als Menschen darum immer schon in einem Kulturraum vor, in den wir hineinwachsen und den wir zugleich gestalten. Dieser Kulturraum ist ein Ausdruck unserer Fähigkeit, uns zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen und zur uns umgebenden Natur und Welt gedanklich ins Verhältnis zu setzen. Dass wir unser Leben nun innerhalb dieses Kulturraums führen, bringt uns ohne Argumente zu der Einsicht, im Prinzip ein vernünftiges Leben führen zu wollen. Ein vernünftiges Leben als Haltung und Maß für unser Dasein erscheint uns daher als gutes Leben. Dieses zu erstreben, ist naheliegend, weil wir Menschen uns notwendig zuerst über das Denken in die Welt und ins Leben gestellt vorfinden. Und erst über das Denken kommen wir dann auch zum Erkennen. Nichts anderes besagt die klassische Definition des Menschen als animal rationale. Anders ausgedrückt: Der Mensch ist mit seinem Denken in ein reflexives Selbst- und Weltverhältnis gestellt, mittels dessen er zu sich selbst und zur Welt ins Verhältnis zu treten vermag. Freilich kann er dieses Reflexionsgeschehen nicht ins Unendliche fortsetzen, braucht doch das Denken an sich immer verlässliche Anknüpfungs- und Bezugspunkte. Denken ist daher, neben aller kognitiven Größe, ein intentionaler Akt, der seine Referenz nicht in sich selber haben kann. Denken
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Hinführung
ist somit auch Ausdruck unseres menschlichen Vermögens, sich in einer Urbeziehung zur geistigen Welt des Transzendenten, wenn man so will, des Heiligen eingebettet vorzufinden. Denken rührt nämlich immer auch an die Sinnfrage. An dieser Übergangsstelle zwischen dem Denken und der Sinnfrage erkennen wir nun besonders den Zusammenhang von Vernunft und Leben, denn wir wollen ja vernünftig leben. Und diejenigen, die dies angeblich nicht wollen, sondern sich lieber dem sogenannten „Bauchgefühl“ orientierend zuwenden, tun dies nolentes volentes mit vernünftigen Gründen. Daran aber wird ersichtlich, dass Vernunft und Leben sich in einer ganz bestimmten Ordnung zueinander befinden: Mittels unserer Vernunft wollen wir unser Leben gedanklich erfassen und durchdringen, wollen es ordnen und gestalten. Zugleich aber erfahren wir hierbei die Grenze unserer eigenen Vernunfteinsicht. Diese besteht darin, dass meine eigene Vernunft nicht ausreicht, mein Leben selbst zu erfassen. Vielmehr bin ich als Mensch immer auch auf die Wahrnehmung, Spiegelung und Klärung meiner Person durch andere angewiesen. Dahinter steckt freilich die Einsicht, dass kein Mensch eine private Vernunft haben kann, die sich von der Vernunft der anderen grundlegend unterscheidet. Vernunft, so zeigt sich dann, ist eine allgemein menschliche Größe, die zwar persönlich erlebt werden mag, dennoch aber im Grunde im Gemeinsamen des menschlichen Denkens zum Vorschein kommt. Daher sagt Aristoteles treffend, dass des Menschen Vernunft sein Vermögen zur Wahrheit ist, welches sich in der Vernunfteinsicht als Ausdruck der menschlichen Lebendigkeit niederschlägt.1 Anders ausgedrückt: Erst mithilfe der Vernunft gelingt es, uns selbst im Denken als lebendiges Wesen gegenüberzutreten, uns als Selbst wahrzunehmen. Die Vernunft eröffnet uns also einen geistigen Raum der Selbstbegegnung. Dies führt zu einer weiteren Einsicht: So wissen wir vermittels der Vernunft sogar, dass wir in den Augen der anderen eben diejenigen sind, als die sie uns wahrnehmen und erleben. Zugleich aber wissen wir durch die Vernunft, dass dieser fremde Blick der anderen nicht mit dem unsrigen identisch ist. Darum kann man sagen, dass uns die Vernunft über uns selbst hinausführt, indem sie unsere Selbstwahrnehmung in reflexiver Weise durch die gedachte Fremdwahrnehmung erweitert. Daran wird nun ersichtlich, dass die Vernunft auf das Gemeinsame des Lebens ausgerichtet ist, dieses
Vernunft, Leben und Lachen
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Gemeinsame aber in Bezug auf unser Leben unterschiedlich gesehen und wahrgenommen wird. Dass wir dies überhaupt können, ist eine Grundvoraussetzung für unser menschliches Lachen. Nun aber sind wir gedanklich in der Lage, die Fremd- und Selbstwahrnehmung unseres Lebens und seiner Dinge bewusst zu gestalten. So achten wir etwa auf ein stimmiges Erscheinen unserer selbst. Grundsätzlich leitet uns hierbei im Gedanken eine Idee vom Ganzen des Lebens an, die wir als gedankliches Gestimmtsein aller erscheinenden Wirklichkeit ordnend zugrunde legen. Erst mithilfe dieses Gestimmtseins ist für uns überhaupt erst alles, was es ist: ein Bild, eine Gesamtschau von unserem eigenen Leben, gar ein Weltbild. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Wir alle tragen ein Bild, eine Vorstellung vom richtigen Gehen in uns. Fällt nun ein kleines Kind beim Laufenlernen auf sein Hinterteil, so wissen wir, richtiges Gehen sieht anders aus. Wir vergleichen also das Bild des Gehens mit dem augenblicklichen Fallen. Das ordnende Zusammenspiel von Vernunft und Leben wird vom Gesehenen überrascht, weil es eine rat- und hilflos stimmende Lage vorfindet: Eine komische Situation stellt sich ein. Diese wird nun mit einem Lachen beantwortet, das zugleich einen befreienden geistigen Lebensraum für alle daran Beteiligten ermöglicht. Im Lachen löst sich demnach die Wirklichkeitsverengung des vernünftigen Denkens und führt zu einer Klärung der momentanen Situation. – Ein Blick auf verschiedene Stationen des Lachens mag dies verdeutlichen.
Kapitel II
Das Lachen in der Antike
1. Homer und das unauslöschliche Gelächter Homer und das unauslöschliche Das Lachen in der Gelächter Antike
Die europäische Literaturgeschichte beginnt – mit einem Lachen. Wohl in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts vor Christus verfasste Homer die Ilias, die als ältestes erhaltenes Großepos der europäischen Literatur gilt.1 Dieses Großepos trug Homer vermutlich als wandernder Rhapsode vor. Er beschreibt darin eine Episode der zehnjährigen Belagerung Trojas durch die Achaier, wie Homer die Griechen der Frühzeit nennt: Als zentrales Thema lässt sich der Zorn ausmachen, den der griechische Kriegsheld Achilleus gegenüber dem Heeresführer Agamemnon hegt, weil dieser ihm aus Gründen des Prestiges die schöne Sklavin Briseis weggenommen hat. In 24 kunstvoll gestalteten Gesängen charakterisiert Homer seine Protagonisten als Helden, deren Handeln nach den Leitbegriffen Scham (aidós), Mitleid (éleos), Ruhm (kléos) und Ehre (tíme) ausgerichtet ist. Parallel hierzu entspinnt sich eine Götterhandlung, greifen doch die Götter fördernd oder hemmend in die Kämpfe ein und suchen den Gang der Ereignisse je nach ihrem Gutdünken zu lenken. Für unseren Zusammenhang ist der erste Gesang der Ilias von Bedeutung2: Es herrscht göttliche Verstimmung zwischen Zeus und Hera. Der Vater der Götter, Zeus, ist gereizt und Hera, seine Gemahlin, macht ihm Vorwürfe. Dies aufgreifend, sagt er gebieterisch: „Unbändige! immer musst du ›denken‹, und ich kann dir nicht entgehen! Ausrichten aber kannst du dennoch nichts, und immer nur ferner wirst du meinem Herzen, und das wird dir noch schrecklicher sein! Doch wenn dieses so ist, so wird es mir ebenso lieb sein! Aber setz dich nieder in Schweigen und gehorche meinem Wort! Kaum werden dir sonst helfen, so viele da Götter
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Das Lachen in der Antike
sind im Olympos, wenn ich dir nahe komme und die unberührbaren Hände an dich lege!“3
Im Götterhimmel macht sich Empörung über den gewaltigen Zeus breit, aber nur Hephaistos, der Gott der Künste, des Feuers und der Handwerker, wagt es, sich offen auf die Seite seiner Mutter zu stellen, und sagt zu ihr: „Wirklich! heillose Dinge sind das und nicht mehr erträglich! Wenn ihr zwei der Sterblichen wegen derart streitet und vor den Göttern ein Gezänk aufführt! Und gar keine Freude wird mehr sein an dem guten Mahl, wenn das Gemeinere obsiegt! … Aber gehe du ihn an mit freundlichen Worten! Gleich wird uns dann der Olympier wieder gnädig sein!“4
Und an frühere Zornesausbrüche des Zeus sich erinnernd, nimmt Hephaistos den doppelt gebuchteten Trinkbecher, legt ihn in die Hände seiner Mutter Hera und sagt: „Ertrage es, meine Mutter! und halte an dich, wenn auch bekümmert! Daß ich dich nicht, so lieb du mir bist, vor meinen Augen geschlagen sehe. Dann könnte ich dir, so bekümmert ich bin, nicht helfen. … So sprach er. Da lächelte die Göttin, die weißarmige Here, und lächelnd nahm sie mit der Hand den Becher von dem Sohn. Der aber begann, den anderen Göttern rechtshin allen den süßen Nektar auszuschenken, aus dem Mischkrug schöpfend. Und unauslöschliches Gelächter (ásbestos gélo-s) erhob sich unter den seligen Göttern, als sie sahen, wie Hephaistos durch das Haus hin keuchte.“5
Die Situation ist verfahren. Die heilige Ordnung im Götterhimmel ist gestört. Die schier unerträgliche Spannung und das Streiten des höchsten und mächtigsten Götterpaares lassen sich nicht mehr mit denkerischen Mitteln lösen. Das Denken der Hera, das Denken des Hephaistos, das Denken der Götterversammlung, es scheitert an der Macht und Gewalt des Zorns von Zeus. Erst das Erscheinen des Hephaistos, sein komisches, zum Lachen reizendes Handeln löst die spannungsgeladene Situation auf in ein – unauslöschliches Gelächter. Zwar erfährt Hephaistos ob seiner Unbeholfenheit allseitigen Spott, aber der olympische Frieden, die himmlische Ordnung wird wieder hergestellt, und zwar allein durch das Lachen. Das gemeinsame Lachen, so können wir feststellen, überwindet Streit und Zank. Und selbst der grimmige Zeus findet sich in Ruhe und Erlösung bei seiner Gemahlin auf dem nächt-
Homer und das unauslöschliche Gelächter
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lichen Lager ein. Das gemeinsame Lachen ordnet die himmlische Götterversammlung. – Bei Homer begegnet uns zum ersten Mal in der europäischen Literatur das erlösende Lachen. „Zeus aber ging zu seinem Lager, der Olympier, der blitze-schleudernde, wo er vormals zu schlafen pflegte, wenn ihm der süße Schlaf kam. Dort stieg er hinauf und schlief, und bei ihm die goldthronende Here.“6
In der Ilias lachen zuerst und unbändig die Götter. Dies dürfte wohl darin begründet sein, dass ihr Lachen ein Zeichen der göttlichen Freiheit ist – gegenüber allem begrenzt Menschlichen, gegenüber aller menschlichen Vernunft. Dieses göttliche Lachen verweist damit auf eine höhere Ordnung des Denkens, die des Menschen Vernunft an sich nicht zu erschließen vermag. Dieses unauslöschliche Lachen kann als ein Kennzeichen der olympischen Götterwelt verstanden werden, die zu ihrer Aufrechterhaltung immer wieder eines bedarf: des Lachens. Doch haben die Menschen an diesem göttlichen, ordnenden Lachen ebenso teil. Im zweiten Gesang der Ilias herrscht große Aufregung im Heer der Achaier: Der Heerführer Agamemnon ist des langen und zermürbenden Krieges müde und schlägt vor, ins väterliche Land zurückzukehren. Daraufhin brechen im Lager der Achaier tumultartige Szenen aus. Allein Odysseus versteht es, die äußerst aufgebrachte Versammlung mit milden und sanften Worten wieder zu beruhigen. Doch die Gunst der Stunde will nun Thersites nicht ungenützt vorübergehen lassen: „Thersites allein, der in Worten Maßlose, kreischte noch weiter. Der wußte Worte in seinem Sinn, ungeordnete und viele, um drauflos und nicht nach der Ordnung mit den Königen zu streiten, sondern alles, was er nur meinte, daß es zum Lachen den Argeiern (= Achaiern/Griechen) wäre. Und er war als der häßlichste Mann nach Ilios gekommen: Krummbeinig war er und hinkend auf einem Fuß, und die beiden Schultern waren ihm bucklig, gegen die Brust zusammengebogen, und darüber zugespitzt war er am Kopf, und spärlich sproßte darauf die Wolle. Am verhaßtesten war er zumal dem Achilleus und Odysseus; beide schalt er stets.“7
Thersites ist ein Mann, dem es besser angestanden hätte, in der Versammlung zu schweigen denn sein Wort zu erheben. Ist er doch, gemäß der damaligen Denkwelt, allein schon durch sein körperliches Erscheinen als nicht vertrauenswürdige Person ausgemacht: Wer hässlich ist,
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Das Lachen in der Antike
der ist auch als verderblich einzustufen, dessen öffentliche Worte haben darum einen die Ordnung störenden Sinn.8 Doch Thersites ergreift das Wort, schmäht den Heerführer Agamemnon und beschimpft zugleich seine eigenen Genossen: Sie seien zu feige, einfach die Heimkehr ins Vaterland anzutreten. „Doch schnell trat zu ihm der göttliche Odysseus, sah ihn von unten herauf an und fuhr ihn an mit dem schweren Wort: Thersites! Schwätzer von krausem Zeug, wenn auch ein hellstimmiger Redner! Halte an dich und wolle nicht als einziger mit den Königen streiten! Denn kümmerlicher als du, so sage ich, ist kein anderer Sterblicher unter allen, die mit den Atreus-Söhnen nach Ilios gekommen. Darum nimm nicht die Könige in den Mund, wenn du redest, und bringe Beschimpfungen gegen sie vor und tritt ein für die Heimkehr! Noch wissen wir nicht sicher, wie es werden soll mit diesen Dingen: Ob gut oder schlecht heimkehren die Söhne der Achaier. Deshalb sitzt du jetzt hier und beschimpfst den Atreus-Sohn Agamemnon, den Hirten der Völker, weil ihm sehr vieles geben die Helden der Danaer (= Griechen)? und du verhöhnst ihn vor der Versammlung? Doch das sage ich dir heraus, und das wird auch vollendet werden: Treffe ich dich noch einmal, dass du sinnlos sprichst wie jetzt eben, nicht mehr soll dann dem Odysseus das Haupt auf den Schultern stehen, noch will ich weiter des Telemachos Vater heißen, wenn ich dich nicht nehme und dir deine Kleider ausziehe, den Mantel und den Rock und was deine Scham umhüllt, und dich selbst weinend zu den schnellen Schiffen jage, geprügelt aus der Versammlung mit schmählichen Hieben!“9
Nach diesen Worten geht nun Odysseus dazu über, Thersites kurz mit einem Stab auf den Rücken zu schlagen, sodass jener unter Tränen und Schmerzen ängstlich niedersinkt und mit leerem Blick sich die Tränen abwischt. Doch wie reagieren die durch Thersites Gescholtenen und Getadelten auf das Handeln des Odysseus? „Die aber, so bekümmert sie waren, lachten vergnügt über ihn, und so redete mancher und sah den anderen neben sich an.“10
Wieder ist es das Lachen, das die Welt in Ordnung bringt. Allerdings begegnet uns hier ein Lachen, das unserem sittlichen Empfinden nach Takt und Mitgefühl widerspricht. Wird doch hier – wie übrigens auch bei Hephaistos – über angeborene körperliche Beeinträchtigungen gelacht. Das homerische Gelächter wäre in heutiger Perspektive der zotigen Possenreißerei zuzuordnen. Nicht so in der Denkwelt zur Zeit
Homer und das unauslöschliche Gelächter
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Homers. Hier herrschte nicht das Ideal der sittlichen Gleichheit, sondern das Ideal der klar nach Hoch und Niedrig strukturierten Ordnung. Jeder hatte den ihm durch das Schicksal zugewiesenen Platz einzunehmen und zu behalten. Das wurde als gerecht angesehen. Für unseren Zusammenhang ist indes die Kraft des homerischen Gelächters wichtig: Es stellt die damals herrschende soziale Ordnung wieder her, es klärt eine spannungsreiche, eine affektiv geladene Situation. Wie schadenfroh dieses Lachen auch immer sein mag: Dass Odysseus durch sein Handeln das gemeinsame Lachen des Heeres hervorbringt, gilt als beste all seiner bisherigen Taten. „Nein doch! wahrhaftig, zehntausend gute Dinge hat Odysseus schon getan, mit guten Ratschlägen vorangehend und den Krieg ausrüstend. Jetzt aber hat er das als weit Bestes getan unter den Argeiern, daß er diesem wortwerfenden Lästerer Einhalt tat mit reden! … So sprach die Menge.“11
Diese Szene verdeutlicht die ordnende Kraft des Lachens, sodass man gar vom erlösenden Lachen reden kann. Erlösend deswegen, weil es die gedankliche Empörung, die spannungsreiche Situation im Heerlager vor Troja einer Klärung zuführt. Dieses Lachen lässt für kurze Zeit eine höhere Ordnung des Lebens und der Dinge aufscheinen, die menschliches Denken und Handeln sonst nicht mit sich führen. Man hätte ja auch empört sein können, „sei es über Odysseus, sei es über Thersites. Parteiungen hätten sich bilden, oder es hätte sich Betretenheit einstellen können. Aber nein, man lacht. Man nimmt die Sache als Zuschauer, und eben dadurch entsteht die Erleichterung. Und indem sie sich gemeinsam dem Gelächter hingeben, werden die Unterschiede zwischen Hoch und Niedrig neu eingeschärft.“12 Noch ein anderer Aspekt des Lachens ist bei Homer zu finden: das den Schrecken lösende Lachen als Ausdruck der Ehre. Im sechsten Gesang der Ilias besingt Homer die berühmte Abschiedsszene13 zwischen Hektor, dem ältesten Sohn des trojanischen Königs Priamos, und seiner Frau Andromache. Hektor ahnt bereits, dass er im Zweikampf mit Achilleus getötet werden wird, zieht es jedoch vor, lieber heldenhaft im Kampf zu sterben, als dem Spott und den Vorwürfen der Trojaner ausgesetzt zu sein. Im prächtigen Kampfesornat tritt nun Hektor seiner Frau gegenüber und nähert sich zugleich seinem kleinen Sohn Astya-
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Das Lachen in der Antike
nax. Dieser erschrickt ob des martialischen Aussehens seines Vaters, doch das gemeinsame Lachen von Vater und Mutter bringt eine Erlösung aus der gespannten Situation: „So sprach er und langte nach seinem Sohn, der strahlende Hektor. Zurück aber bog sich das Kind an die Brust der schöngegürteten Amme, schreiend, erschreckt vom Anblick des eigenen Vaters. Es fürchtete sich vor dem Erz und dem Busch von Roßhaar, den es sah, wie er furchtbar oben vom Helm herniedernickte. Da lachte sein Vater heraus und auch die hehre Mutter. Sogleich nahm herab vom Haupt den Helm der strahlende Hektor und setzte ihn nieder zu Boden, den hellschimmernden.“14
So durch das Lachen gelöst und befriedet, lässt sich der kleine Sohn in die Arme seines Vaters nehmen. Hektor beginnt nun für seinen Sohn in der Hoffnung zu beten, dass dieser ihn dereinst an Ruhm und Ehre übertreffen möge. Daraufhin gibt Hektor seiner Frau Andromache den gemeinsamen Sohn in ihre Arme zurück, „und sie empfing ihn in dem duftenden Bausch des Gewandes, unter Tränen lachend. Den Mann erbarmte es, als er es sah, und er streichelte sie mit der Hand.“15
In dieser ergreifenden Szene wird die Ordnung von Ruhm und Ehre angesichts des als Schicksal empfundenen Heldentodes Hektors auch von der scheidenden Ehefrau Andromache angenommen, und zwar – unter Tränen lachend. Wiederum ist es also das Lachen, das den Schrecken löst und dadurch eine höhere Ordnung des Lebens, gar des Todes zum Vorschein bringt. Dem Lachen bei Homer, so können wir festhalten, kommt eine ordnende, eine hierarchische Qualität zu. Alle Lachenden haben an dieser Hierarchie teil, wenn auch nur für einen Augenblick, vergänglich und flüchtig zwar, aber eben doch eine Zeitlang erfahrbar. Die unterschiedlichen Situationen des Lachens bei Homer – das olympische, das menschliche und das ehrbare Lachen – finden ihre Gemeinsamkeit in der Herstellung einer heiligen Ordnung, die nicht mehr mit denkerischen Mitteln erreicht werden kann. Das Lachen Homers ist also ein hierarchisches: Die Götter lachen unauslöschlich, die Menschen eine Zeitlang, das Ergebnis ist aber immer die Lösung einer unerträglichen Situation.
Platon, die Komödie und das Lachen
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Die europäische Literaturgeschichte beginnt – mit einem Gelächter. Damit hat Homer einen gedanklichen Auftakt der besonderen Art gesetzt: Lachen, verstanden als höhere Ordnung des Lebens.
2. Platon, die Komödie und das Lachen Platon, die Komödie und das Lachen
Die Geschichte der großen abendländischen Philosophie beginnt – mit einem Witz. Platon (427 – 347 v. Chr.) lässt in seinem Dialog Theaitetos den Sokrates folgende Anekdote über Thales, den wohl ersten europäischen Philosophen, erzählen, eine Anekdote, die möglicherweise schon zu dessen Lebzeiten (7./6. Jahrhundert vor Christi Geburt) kursierte: „Wie auch den Thales, o Theodoros, als er, um die Sterne am Himmel zu beschauen, den Blick nach oben gerichtet in den Brunnen fiel, eine artige und witzige thrakische Magd soll verspottet haben, daß er, was am Himmel wäre, wohl strebte zu erfahren, was aber vor ihm läge und zu seinen Füßen, ihm unbekannt bliebe.“16
Dieser Spott der thrakischen Magd, so fährt Platon fort, gelte nicht nur dem Thales, sondern allen, die „in der Philosophie leben“. Diese seien schlicht weltfremd und kümmerten sich nur um Fragen wie „was aber der Mensch an sich sein mag, … und läßt es sich Mühe kosten es zu erforschen“.17 Das Los eines solchen Philosophen sei es, dass er in den Augen der anderen eine lächerliche Erscheinung abgebe. Aus Unerfahrenheit falle er in Gruben und gerate zudem in allerlei Verlegenheit und Ungeschicktheit. „Weil er um keinen Rat weiß, erscheint er lächerlich.“18
Hier haben wir schon eine erste Spur von Platons Verständnis des Lächerlichen: Es spiegle nur die menschliche Unvollkommenheit wider, die die Lachenden erkennen, die Ausgelachten selbst aber wohl so nicht sähen. Wir treffen also wieder auf das Muster von Fremd- und Selbstwahrnehmung. Die oben angeführte Anekdote führt uns an den Beginn der griechischen Philosophie. Thales von Milet zählt zu den frühen Vorsokratikern und lebte etwa von 625 bis 545 vor Christus. „Herodot setzte ihn an die Spitze seiner Liste der sieben Weisen. Er ist unter anderem für seine
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Theorie bekannt, daß das Wasser das Urelement aller Dinge ist, und für seinen Satz, daß die Welt voller Götter ist. Er sagte im Jahre 585 v. Chr. eine Sonnenfinsternis voraus (eine Leistung, die gewiß lange Blicke in den Himmel erforderte). Wollte Platon zum Ausdruck bringen, daß das Philosophieren schlechthin gerne zum Gegenstand des Spottes wird, hätte er sich keinen repräsentativeren Philosophen aussuchen können. Weniger eindeutig ist es, weshalb die artige Magd aus Thrakien stammt. Unbelastet vom Gewicht altphilologischer Gelehrsamkeit kann man frei spekulieren: Thrakien ist das Land, wo der Dionysoskult seinen Ursprung genommen haben soll. So könnte man spekulativ interpretieren: Die kleine Geschichte konfrontiert den Ur-Philosophen mit der Ur-Komikerin und wirft Licht auf die Ursprünge der griechischen Komödie ebenso wie auf den Beginn des griechischen Philosophierens.“19 Nach Aristoteles greift die Komödie (kvmNd2a/komodía) einen schon länger bekannten Volksbrauch auf: den fröhlichen Umzug der Dorfund Kultgemeinschaft zu Ehren des Gottes Dionysos.20 Dieser Umzug wurde Komos (kMmow/komos) genannt und beinhaltete auch das Lied der ekstatisch-berauschten Menge, die in ihrem derben, orgiastischen Treiben allen gesitteten Anstand hinter sich lässt.21 Gedanklich lässt sich diese Linie bis in die noch heute üblichen Karnevals-, Winzer- und Bierfeste ausziehen, wie dem aufmerksamen Betrachter solcher Feste ins Auge springt. Platon selbst beschreibt in seinem Dialog Das Gastmahl solch einen Komos: Der betrunkene und von Flötenspielerinnen begleitete Alkibiades begehrt Einlass zu dem Symposion des athenischen Autors Agathon, bei dem auch Sokrates zu Gast ist, und wird mit hellem Jubel in die Gesprächsrunde geladen.22 Literaturgeschichtlich hat sich das Komostreiben, allgemein gesprochen, dann in der Komödie niedergeschlagen, die in ihren Anfängen noch die dionysischen Züge in sich trägt.23 In späterer Zeit jedoch werden diese Züge mehr und mehr abgeschwächt, sozusagen domestiziert: „Es werden der Komödie die Reißzähne gezogen.“24 Dennoch waren die Komödien der Antike keineswegs nur harmlose Gespiele, sondern stellten in Anlehnung an den antiken Vegetationszauber auf laszive Weise Spott und Possenreißerei dar: „Mit oft beißendem Spott und derben Späßen wurden öffentliche und auch private Skandale angeprangert und die aktuelle Politik herber Kritik unterzogen.“25 Für unseren Zusammenhang ist der Tatbestand
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wichtig, dass die Komödie wiederum das Gedankenspiel von reflexiver Fremd- und Selbstwahrnehmung thematisiert, und zwar in der Weise, dass sie durch das Lachen das zusammenbringt, was Konvention und Sitte, Vernunft und Leben streng getrennt sehen wollen. Die Komödie unterzieht jeglichen Ernst der Lächerlichkeit. Das aber ist für Mensch und Gesellschaft riskant, spart diese anmaßende Lächerlichkeit doch nichts aus, nicht einmal das Heilige. Insofern ist der öffentliche Gebrauch der Komödie gefährlich, weil er die öffentliche Ordnung des Zusammenspiels von Vernunft und Leben gefährdet. Deswegen wurde der Komos (kMmow/komos) im Sinne der Komödie im Laufe der Zeit in der attischen Demokratie auch auf Theateraufführungen begrenzt: Die Komödie verlor zu Beginn des 4. Jahrhunderts vor Christus, in der sogenannten Mittleren Komödie, mehr und mehr den beißenden, karikierenden, politischen und gesellschaftlich entlarvenden Spott und wurde dann ab etwa 300 vor Christus, in der sogenannten Neuen Komödie, zum bloßen bürgerlichen Gesellschaftsstück mit versöhnlichem und glücklichem Ende. „Man könnte sagen, daß die Komödie auf dem Theater schon eine solche Eingrenzung des komischen Erlebens (also des ungezügelten, ekstatischen Komos (kMmow/komos) ist, eine Ritualisierung in gesellschaftlich akzeptablen Formen innerhalb der Grenze der Bühne. Die Zuschauer im Theater lachen, und das mag sie davon abhalten, im Bezirk der Religion und des Staates (und über diese) zu lachen.“26 Die Komödie hat somit einen gesellschaftspolitischen Effekt, der das zügellose Lachen eingrenzt und im öffentlichen Sinne beherrschbar machen will. So wird deutlich, dass das gesellschaftliche Lachen seinen Ort und seine Zeit zugewiesen bekommt, mithin also das Lachen in einem volkspädagogischen Sinne begrenzt werden soll. Platon nun, der große Denker von Vernunft und Seele, sieht einen bleibenden Konflikt zwischen seinem aufgeklärten, vernünftigen Denken und der Komödie gegeben. Das Lächerliche, das Komische, die Komödie, sie kommen bei ihm aufseiten der Unvernunft zum Stehen. Dies ist darin begründet, dass nach Platon im Komischen keine hinreichende Klärung des Guten möglich ist, werde doch in der Komödie eine unzureichende Vermischung von Lust und Unlust vorgenommen, die aber nicht einem vernünftigen Menschen in seiner Lebenseinstellung gemäß sei. In seinem Dialog Philebos befasst sich Platon etwas einge-
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hender mit der Komödie. Platon erörtert hier die Frage, ob ein Leben des Genusses oder ein Leben der Erkenntnis für den philosophisch interessierten Menschen vorzuziehen sei, und kommt zu der Einsicht, dass das Letztere das in Wahrheit Vorzugswürdigere sei. Denn das Lächerliche der Komödie, das sei der Schlechtigkeit zuzuordnen. „Sokrates: Es ist also eine Schlechtigkeit, die von einer gewissen Beschaffenheit beigenannt wird, und zwar von der gesamten Schlechtigkeit der Teile, welche den entgegengesetzten Zustand enthält des von dem delphischen Spruch Ausgedrückten. Protarchos: Meinst du das ›Kenne dich selbst‹, o Sokrates? Sokrates: Allerdings. Und offenbar wäre doch, sich selbst nie zu kennen, das Gegenteil von jenem in dem Spruch Ausgedrückten.“27
Das Publikum, so ist Platon zu verstehen, genießt bei den Komödien sein Gelächter. Doch dieses Gelächter ist von besonderer Art: Es verhindert die wahre Selbsterkenntnis, denn dieses Gelächter beruht sozusagen auf Bosheit und Neid, wie Sokrates in diesem Gespräch vorher ausführt. Die Komödie macht mithin also diejenigen lächerlich, die sich selbst nicht erkennen und darum irrigerweise meinen, jemand zu sein, der sie in Wirklichkeit gar nicht sind. Diese Fehleinschätzung ist aber dem Menschen nicht dienlich. Im Gelächter zeigt sich also der Widerspruch des Menschen zu seiner Bestimmung, sich in Wahrheit selbst zu erkennen. Diesen Widerspruch nun genießen die Zuschauer und kommen darüber ins Lachen. Das aber ist kein alle befreiendes Lachen, sondern nur ein lächerliches, ein komisches Lachen. Es ist eben eine Mischung zwischen Lust und Unlust, die nur des Menschen Affekte wie den Neid bemüht. Für Platon etwa wäre der Anblick eines Menschen, der ausrutscht und hinfällt, zwar eine komische Erfahrung, aber eine solche, die aufgrund der Vermischung von Lust und Unlust der „Dunkelschönheit“ und damit der Unwissenheit dient. „Sokrates: Wenn wir also über unserer Freunde Lächerlichkeit lachen, sagt die Rede, daß wir, Lust dem Neide beimischend, die Lust der Unlust beimischen; denn der Neid sei uns schon lange bestimmt als eine Unlust der Seele, das Lachen aber als Lust, und beides sei hiebei zur gleichen Zeit vorhanden. Protarchos: Richtig. Sokrates: Und so deutet uns die Rede an, daß auch in Klagegedichten und Trauerspielen, nicht denen auf der Bühne nur, sondern auch im gesamten Trauerspiel und Lustspiel des Lebens, Unlust mit Lust zugleich ge-
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mischt sei und so in tausend andern Dingen. Protarchos: Es ist unmöglich, dies nicht einzugestehen, o Sokrates, wenn einer auch ganz hartnäckig auf dem Gegenteil bestehen wollte.“28
Das aber ist nicht gut, muss doch der Mensch zur Erkenntnis seiner selbst gelangen. Die Komödie und das Lachen können nicht als gut angesehen werden, weil sie der geforderten Ordnung des Menschen zum Guten hin im Wege stehen. Insofern ist das Lachen bei Platon etwas Zweifelhaftes, etwas, das nicht der Idee des Guten dienen kann. Wie ernst Platon seine Ordnung zum Guten hin nimmt, und wie sehr hierbei das Lächerliche als störend wahrgenommen wird, zeigt er auch am Dialog Parmenides. Hierin bedenkt Platon, allgemein formuliert, seine Ideenlehre in Bezug zu den erscheinenden Dingen des Lebens.29 Ein Problem stellen hierbei gemeinhin die verächtlichen und gemeinen Dinge dar: Kann an diesen eine „Idee an sich“, also eine Ordnung zum Guten hin ausgemacht werden? „Bist du aber bei solchen Dingen, Sokrates, welche ja lächerlich scheinen könnten, wie z. B. Haar, Kot, Schmutz oder anderen verächtlichen und gemeinen Dingen, im Zweifel, ob man auch für jedes von diesen eine besondere Idee aufzustellen habe, verschieden von dem, was uns davon durch die Hände geht, oder aber nicht? Nein, da auf keinen Fall, habe Sokrates gesagt, sondern deren Sein beschränkt sich auf das, was wir sehen; eine besondere Idee für sie anzunehmen, wäre doch gar zu ungereimt.“30
Das Lächerliche ist bei Platon demnach das, welches im eigentlichen, wahren Sein keinen Referenzpunkt aufweisen kann. Das Lächerliche wird also dem Schlechten, der Unvernunft und dem Törichten gleichgesetzt. Deutlich wird dies auch an anderer Stelle. In seinem Dialog Der Staat thematisiert Platon das Lächerliche nochmals. Das eigentliche Thema dieser Schrift ist die Gerechtigkeit, und zwar diejenige Gerechtigkeit, die Mensch und Staat zu einem guten Leben zusammenführt. Dies muss aber mit vernünftigen Gründen geschehen, die jedermann einleuchten. Das Lächerliche und die Komödie können jedoch diesen Anspruch nicht einlösen, vielmehr machen sie den Menschen selbst zu einer lächerlichen Erscheinung. So sagt Sokrates: „Gilt nun nicht die gleiche Überlegung auch für das Lächerliche? Wenn du bei der Aufführung einer Komödie oder auch im Privatkreis Possen hörst, die
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selbst zu machen du dich schämen würdest, und wenn du dich sehr darüber freust, sie aber nicht als schlecht verabscheust, verhältst du dich dann nicht ebenso wie bei jenen Klageszenen? Denn wenn die Neigung zum Possenmachen sich in dir selbst regte, dann hieltest du sie durch die Vernunft nieder, um nicht in den Ruf eines Possenreißers zu kommen. Hier aber läßt du ihr wieder die Zügel schießen, und hast du sie bei solchen Anlässen stark werden lassen, dann kommst du unvermerkt in deinem eigenen Verhalten oft dazu, dich als Possenreißer zu zeigen.“31
Hier wird nun eine weiterführende Einsicht Platons in Bezug auf die Komödie greifbar. Denn in seiner Abartigkeit kann das Lächerliche, kann das Komische nur von dem her begriffen werden, von dem es sich absetzt: dem Ernsten als dem Guten und Tüchtigen. Deswegen kommt, so kann man Platon verstehen, dem Lächerlichen und der Komödie auch ein aufklärerisches, mithin ein heilsames Moment zu. Wer sich tugendhaft in seinem Leben bewähren und deswegen nicht selbst als Possenreißer Lächerliches tun oder sagen will, der muss nicht nur das gute Ernste, sondern auch das Lächerliche kennenlernen. Für Platon gilt demnach auch, dass seine aufgeklärte Vernunft und das Leben nur in einem antagonistischen Verhältnis miteinander zu stehen kommen. Exemplarisch und sogar pädagogisch wertvoll geschieht dies dann doch in den Komödien. So bemerkt Platon in seiner Spätschrift Gesetze: „Was aber die häßlichen Körper und Gesinnungen und diejenigen angeht, die sich auf lächerliche und komische Wirkungen verlegt haben, die durch Wort und Gesang und durch Tanz und durch die Nachahmung mit all diesen Mitteln auf komische Weise erzielt werden, so muß man dies zwar betrachten und kennenlernen; denn das Ernste ohne das Lächerliche und überhaupt ein Gegensätzliches ohne seinen Gegensatz zu begreifen ist nicht möglich, wenn jemand auch nur ein klein wenig an der Tugend teilhaben will. Sondern gerade deshalb muß man ja beides kennenlernen, um niemals aus Unkenntnis etwas Lächerliches zu tun oder zu sagen, wo es sich nicht gehört. Sklaven vielmehr und bezahlten Fremden muß man Darstellungen dieser Art übertragen, und niemals darf man auch nur den geringsten Ernst darauf verwenden, und kein freier Bürger, weder Frau noch Mann, darf sich dabei sehen lassen, daß er sich solche Kenntnisse aneignet, und stets muß dabei etwas Neues an den Darstellungen hervortreten. All die lachenerregenden Spiele, die wir allgemein als Komödie bezeichnen, seien als in dieser Weise durch Gesetz und begründende Rede geregelt.“32
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In der Komödie werden also hässliche Gestalten, abstoßende Gesinnungen in Wort, Gesang und Tanz so dargeboten, dass sie zum erkennenden Lachen reizen, das letztlich zur Tugendbildung führen soll. Dem Gebildeten wird demnach durch eben dieses Lachen seine eigene Unvernunft offenbart, es führt den Menschen zur philosophisch intendierten Selbsterkenntnis, so zumindest Platon in seiner späten Zeit. Daher weisen das Lachen und das Komische bei Platon, trotz all seiner frühen Kritik daran, gleichwohl einen aufklärerischen, gar Tugend bildenden Charakter auf, wenn auch in einer dialektischen Spannung zum Guten stehend. Daher ist es Aufgabe des Staates, dieses Gute zu fördern, indem das Lachen der Komödie begrenzt und geregelt wird.
3. Aristoteles und das schönwendige Lachen Aristoteles und das schönwendige Lachen
Aristoteles (384/3 – 322/1 v. Chr.) hat sich in seinem umfangreichen Werk unter anderem grundlegend mit dem Menschen und dessen Verhältnis zur Vernunft beschäftigt. Nach Aristoteles ist der Mensch in einen denkerischen Horizont der Vernunft als Organ des Gemeinsamen gestellt. Dieser gemeinsame Vernunfthorizont eröffnet dem Menschen als seelenbegabtem Wesen das Leben als potenzielle Größe, also als in Möglichkeit seiend. So schreibt Aristoteles in seinem Buch Über die Seele, „daß die Vernunft das Intelligible gewissermaßen in Möglichkeit ist, aber nicht in Wirklichkeit, bevor sie es erfaßt. Es muß sich so verhalten wie bei einer Schreibtafel, auf der noch nichts in Wirklichkeit geschrieben steht, was bei der Vernunft zutrifft.“33
Von diesem Vernunftverständnis aus betrachtet Aristoteles das Zusammenspiel des Vernunftprinzips der Seele mit dem Körper des Menschen und stellt fest: „Wie es scheint, sind auch alle Affekte der Seele mit dem Körper verbunden: Mut, Sanftmut, Furcht, Mitleid, Wagemut, ferner Freude, Lieben und Hassen.“34
Aristoteles ist also an einer Klärung der menschlichen Affekte interessiert, und so verwundert es auch nicht, dass er sich eigens Gedanken
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über das Verhältnis des Menschen zur Komödie macht und feststellt, dass der Mensch das einzige Lebewesen sei, welches lache.35 Genauer zu fassen sind Aristoteles’ Überlegungen hierzu in seiner Schrift Poetik, in der er sich mit der Dichtkunst, der Tragödie, dem Epos und eben auch der Komödie befasst. Bedauerlicherweise ist gerade der Teil jener Schrift über die Komödie verloren gegangen, sodass man nur auf einzelne Hinweise zur Komödie im vorhandenen Textkorpus eingehen kann. Darin findet sich jedoch eine Definition der Komödie, die wohl Platons späten Gedanken von der heilsamen Wirkung des Lachens im Blick hat: „Die Komödie ist, wie wir sagten, Nachahmung von schlechteren Menschen, aber nicht im Hinblick auf jede Art von Schlechtigkeit, sondern nur insoweit, als das Lächerliche am Häßlichen teilhat. Das Lächerliche ist nämlich ein mit Häßlichkeit verbundener Fehler, der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht, wie ja auch die lächerliche Maske häßlich und verzerrt ist, jedoch ohne den Ausdruck von Schmerz.“36
Hier thematisiert Aristoteles das durch die Vernunft eröffnete Verhältnis des Menschen in den Formen der reflexiven Fremd- und der Selbstwahrnehmung. Über die Nachahmung wird nämlich in der Komödie das Lächerliche als ein mit Hässlichkeit verbundener Fehler aufgezeigt und inszeniert. Das Ansprechende bei dieser Nachahmung ist aber, im Unterschied zur Tragödie, dass hierin niemandem ein Schmerz zugefügt oder ein Verderben verursacht wird. Vielmehr ist es so, dass in der komischen Darstellung das Lächerliche dem denkenden Menschen als Fehler, als das Hässliche in der Wirklichkeit bewusst wird. Diesen Fehler erkennt der Mensch im Horizont der Vernunft als gedankliches Zusammenspiel von Wirklichkeitswahrnehmung und Vernunftwahrnehmung, das als Inszenierungsmuster der Komödie gedanklich zugrunde liegt. Der Zuschauer vernimmt demnach die fälschlich dargestellte Wirklichkeit als reflexive Fremdwahrnehmung, die über die Vernunft zugleich als Selbstwahrnehmung erkannt wird. Dieses Zusammenspiel führt den Zuschauer der Komödie in das Lachen. Es steht zu vermuten, dass Aristoteles hierbei an die reinigende Wirkung des Tragischen, die Katharsis, gedacht haben dürfte. „Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, … die Jammer
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und Schaudern hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt.“37
Diese Reinigung der Tragödie findet ebenso im Wechselspiel zwischen Fremd- und Selbsterkenntnis statt, wobei als Zielpunkt hier die wahre Selbsterkenntnis ausgemacht werden kann. Und eben diese Katharsis dürfte Aristoteles auch der Komödie zugeschrieben haben: „Die Veränderungen der Tragödie, und durch wen sie bewirkt wurden, sind wohlbekannt. Die Komödie hingegen wurde nicht ernst genommen; daher blieben ihre Anfänge im Dunkeln.“38
Aristoteles geht es also, so steht zu vermuten, um den heilsamen Aspekt der Komödie, führt dieser doch den Menschen in die Selbsterkenntnis. Im Unterschied zur Tragödie aber ist die Erfahrung der Komödie für den Zuschauer schmerzlos, weil die Komödie das Menschenleben in seiner erfahrbaren Wirklichkeit im Rahmen einer größeren Abstraktion darstellt. Dieses Abstrakte der Komödie stellt für Aristoteles wohl eine gedankliche Leistung des vernünftigen Menschen dar, die nur auf dem Hintergrund der aristotelischen Metaphysik zu verstehen ist. In seinem Denken geht hier Aristoteles vom konkret Ganzen als dem Ursprünglichen aus. Die Wirklichkeit wird demnach als Ganzes gedanklich über die Vernunft wahrgenommen. Die Abstraktion ist nun in diesem Zusammenhang ein Prozess eines gedanklichen Hinwegnehmens, ein Abstrahieren vom Ganzen, sodass das so gewonnene Abstrakte eine untergeordnete Teilbestimmung der Wirklichkeit benennt.39 So gesehen wäre für Aristoteles die Komödie wohl ein Zweig der Dichtung, die wiederum im Rahmen der Poetik und der Rhetorik zu behandeln ist. Als vernunftbegabtes Wesen führt der Mensch indes ein Verständnis einer je ganzen Wirklichkeit mit sich, mit dem er das Fehlerhafte der erscheinenden Wirklichkeit erkennt. Wer etwa stolpert oder ausrutscht und dabei hinfällt, wird als lächerliche Erscheinung nur deswegen wahrgenommen, weil der dieses Geschehen beobachtende Mensch das Heile und Ganze des menschlichen Gehens in seinem geistigen Auge mit sich führt. Und dieser Abgleich führt den Menschen dann in das Lachen, erkennt der Lachende doch hierbei die Unvollkommenheit menschlichen Lebens: hier das Stolpern, im Spiegel des heilen Ganzen (hier des rechten Gehens), zu dem er sich über seine Vernunft gedank-
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lich zugeordnet weiß. Diese Erkenntnis ist aber heilsam, weil sie den Menschen auf schmerzlose Weise im Vernunfthorizont „erwachen“ lässt. Wenn man so will, lehrt Aristoteles ein überlegt-überlegenes, ein maßvolles Lachen. Weiterführende Gedanken zum Lächerlichen finden sich noch in Aristoteles’ Schrift Rhetorik. Darin behandelt er im Allgemeinen die Redelehre für die Bereiche der Politik, der Rechtsprechung und der öffentlichen Feiern. Wichtig ist es für Aristoteles, den instrumentellen Rhetorikbegriff der Sophisten als verführerische Technik zugunsten einer philosophisch getragenen Wahrheitsorientierung der Rhetorik zu überwinden. Insofern ist die Rhetorik von einem ethisch-politischen Aspekt geprägt, der dem Redner moralische Integrität abverlangt. Ist diese aber nun gegeben, so kann der Redner als Stilmittel durchaus auch zum Scherz greifen: „Was Scherze betrifft: Da sie in Debatten einigen Nutzen zu haben scheinen, so soll man, so sagte Gorgias, den Ernst der Gegner durch Gelächter … zunichte machen – und der hat recht damit.“40
Aristoteles redet hier dem überlegt-überlegenen Lachen das Wort, demjenigen Lachen also, das eine argumentativ-ernste Situation im Scherz zu überwinden vermag. Lachen als Gelächter wird hier als eine Art geistiger Waffe verstanden, die zur Aufklärung bei redegewandten Wortgefechten als dienlich erachtet wird. In seiner Poetik, so sagt Aristoteles fortfahrend, habe er schon die vielerlei Arten der Scherze behandelt, zwei davon führt er nun weiter aus, es ist die Ironie und die Possenreißerei: „Ironie allerdings entspricht eher einem freien Manne als Possenreißerei, erstere treibt man zur eigenen Erheiterung, letztere zur Belustigung anderer.“41
Das von Aristoteles hier bedachte Lachen der Ironie kann wohl wiederum als Ausdruck des überlegenen und darum maßvollen Lachens verstanden werden, insofern es der eigenen Erheiterung dient. Sich selbst auf diese Weise zu erheitern ist nämlich eine gedankliche Leistung einer reflektierten Selbstwahrnehmung, in der man sozusagen sich selber humorvoll gegenübertritt. Das scheint nach Aristoteles ein Kennzeichen eines freien und gebildeten Menschen zu sein. Anders die Pos-
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senreißerei. Diese hat ihr Ziel nur im Gegenüber der Anderen, die man lediglich belustigen will. Demnach ist die Possenreißerei, so ist Aristoteles zu verstehen, eher ein Kennzeichen eines ungebildeten Menschen, fehlt hier doch das maßvolle Lachen. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch einen Blick in die Nikomachische Ethik: „Da es im Leben auch eine Erholung gibt und bei dieser eine mit heiterem Scherz verbundene Unterhaltung, so scheint es auch hier eine angemessene Art des Verkehrs zu geben, eine Art zu sprechen, was und wie man soll, und ebenso zu hören, obschon es auch wieder einen Unterschied macht, ob man bei solchen Gesprächen das Wort führt oder bloß zuhört. Offenbar findet sich aber auch hier der Mitte gegenüber ein Zuviel und ein Zuwenig. Die nun im Scherzen zuviel tun, erweisen sich als Possenreißer und lästige Menschen, indem sie schlechterdings darauf aus sind, Spaß zu machen, und sich mehr Mühe geben, Lachen hervorzurufen, als etwas Anständiges zu sagen und die aufgezogene Person nicht zu verletzen. Die aber selbst niemals scherzen und denen, die einen Scherz machen, böse sind, erscheinen als steif und trocken. Die aber angemessen zu scherzen wissen, heißen artig und gewandt, als wüssten sie sich wohl zu wenden. Denn solche Scherze sind gleichsam Bewegungen des Charakters, des inneren Menschen, und wie man die Körper nach ihren Bewegungen beurteilt, so auch des Menschen sittliche Eigenart.“42
Zielpunkt des Lachens ist bei Aristoteles die charakterliche Haltung der Schönwendigkeit, Eutrapelia genannt. Die Kunst der Eutrapelia besteht darin, dass sie ein Lachen befördert wissen will, das sich als Kennzeichen eines gebildeten Menschen ausgibt: ein zum Schönen sich hinwendender Humor, als Ausdruck des Charakters eines Menschen, der deswegen – in der Haltung der Eutrapelia – Abstand nimmt vom rohen, verletzenden, vom verspottenden Scherz. Vielmehr soll das Lachen des gebildeten Menschen sich durch eine Doppelsinnigkeit auszeichnen, die den Bruch in der Wirklichkeit lachend aufdeckt und so zur gemeinsamen Wahrheitserkenntnis hinführt. Diese Art zu lachen entspringt einer gebildeten Haltung des Menschen zum Guten hin, während der verletzende Spott und die billige Possenreißerei Kennzeichen eines ungebildeten Menschen sind. „Ihr Unterschied liegt darin, daß es sich bei der einen um die Wahrheit, bei den beiden anderen um das Lustbringende handelt.“43
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Wieder begegnet uns hier das Zusammenspiel von Vernunft und Leben, von Selbst- und reflexiver Fremdwahrnehmung, die sich allesamt im Lachen des Menschen begegnen. Demgemäß wird das gesittete Lachen, so kann Aristoteles verstanden werden, der Wirklichkeit gerecht, weil es die Würde des Menschen wahrt. Dem hämischen, verspottenden Lachen hingegen fehlt diese menschliche Größe, weswegen sich das gebildete Lachen nur in der Haltung der Schönwendigkeit recht vollziehen kann.
4. Cicero und das erlösende Lachen Cicero und das erlösende Lachen
Die Überlegungen von Aristoteles zum Lachen klingen bei Cicero (106 – 43 v. Chr.) wieder an. In seinem Werk De oratore bedenkt Cicero grundlegend die Bedeutung und Wirksamkeit der Rhetorik für das gebildete Leben. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Überwindung der Scheidelinie zwischen der Philosophie und der Beredsamkeit, die Cicero als „unsinnige, nutzlose und tadelnswerte Trennung gleichsam zwischen Zunge und Verstand“44 dem Sokrates anlastet. Cicero ist demgegenüber, ebenso wie Aristoteles, elementar an einer Aussöhnung zwischen der Rhetorik und der Philosophie gelegen. Zur bestmöglichen Verwirklichung von Philosophie und Rhetorik sind beide, so Cicero, bleibend aufeinander verwiesen. De oratore legt hiervon beredt Zeugnis ab, indem Cicero die wahre Redekunst im Zusammenhang der Philosophie lobend entfaltet. Im zweiten Buch von De oratore erörtert nun Cicero Aufbau, Struktur, Gattung und Stilmittel von gelingenden Reden. In diesem Zusammenhang geht Cicero ausdrücklich auf das Lachen als hilfreiches Stilmittel der Rhetorik ein. Freilich ist Cicero hierbei an einem takt- und maßvollen Gebrauch des Lachens durch den jeweiligen Redner gelegen: „Denn wer nicht sieht, was die Umstände fordern, wer zuviel redet, wer sich aufspielt, wer keine Rücksicht auf den Rang oder das Interesse der Leute nimmt, mit denen er zu tun hat, ja wer überhaupt in irgendeinem Punkt Takt oder Maß vermissen läßt, von dem sagt man, er treibe Unfug.“45
Dieses maßvolle und gebildete Benehmen beim Reden hat ein Ziel, nämlich das Volk seinerseits zu bilden, es also seiner Trägheit zu entrei-
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ßen und seine Zügellosigkeit zu mäßigen.46 Dementsprechend soll der wahre Redner in der Lage sein, einem gebildeten Umgang mit den menschlichen Affekten das Wort zu reden. Auf diesem Hintergrund wendet sich Cicero dann dem Witz und dem Lachen zu, die er als besonders nützlich für eine gute Rede ansieht, solange der Würde des Menschen kein Abbruch getan werde.47 Dem Lachen selbst geht Cicero unter einer fünffachen Fragestellung nach und unterscheidet hierbei das Lachen (risus) vom Lächerlichen (ridiculum): „Was das Lachen betrifft, so gibt es fünf Fragen, die zu untersuchen sind: Einmal, was es ist; zum anderen, woher es kommt; drittens, ob der Redner den Wunsch haben soll, Heiterkeit zu erregen; viertens, wie weit er gehen soll; fünftens, welche Arten des Lächerlichen es gibt.“48
Das Lachen ist nach Cicero ein plötzlich ausbrechendes, den ganzen Menschen an Leib, Geist und Seele erfassendes Phänomen, das Cicero freilich nicht weiter erklären kann und will. Hierzu verweist er auf berufenere Geister. Den geistigen Ursprung des Lachens definiert er dann aber wie folgt: „Der Ort und gleichsam das Gebiet des Lächerlichen – denn darauf bezieht sich die nächste Frage – ist wesentlich bestimmt von einer gewissen Häßlichkeit und Mißgestalt. Denn man lacht ja ausschließlich oder ganz besonders über das, was etwas Häßliches auf eine Weise, die nicht häßlich ist, bezeichnet und beschreibt.“49
Die Nähe zu Aristoteles ist hier zu greifen. Das Lächerliche ist demnach auf der Folie einer vernünftig erschlossenen, sozusagen heilen Wirklichkeit zu erkennen, die einem das Hässliche eben als Hässliches in Erscheinung treten lässt, dies aber in einer gelassen-schmerzlosen Art. Ausgangspunkt für diese Erklärung ist also die gemeinsame Vernunft der Menschen, die das Lächerliche als einen Bruch in der Wirklichkeit wahrnimmt. Das darauf folgende Lachen ist demnach als erkennendes, heilsames Lachen zu verstehen, führt es doch den Lachenden in die Wahrnehmung des Nichthässlichen als – des Schönen. Deswegen aber soll der Redner bei seinen Reden durchaus eine lachende Heiterkeit befördern, vor allem weil diese „… Bitterkeit und Strenge mildert und entspannt und häufig Widerwärtigkeiten, denen mit Argumenten nicht leicht beizukommen ist, in Scherz und Lachen aufzulösen weiß.“50
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Dieses erlösende Lachen findet nach Cicero jedoch seine Grenze bei verbrecherischer Ruchlosigkeit, außergewöhnlichem Elend und bei der öffentlichen Sympathie für allgemein beliebte Personen. Nur wenn beim Lachen Würde und Anstand gewahrt bleiben, kann der Redner sich des Witzes und des Lachens als Stilmittel unbedenklich bedienen: „Deshalb liegt der gesamte Stoff des Lächerlichen in den Fehlern, die im Leben der Menschen vorkommen, soweit sie nicht beliebt oder unglücklich sind oder wegen eines Verbrechens den Tod zu verdienen scheinen. Über solche Dinge lacht man, wenn sie richtig aufs Korn genommen werden.“51
Der gebildete Mensch weiß allerdings um die fließende Grenze zwischen erlösendem Lachen und der billigen, obszönen Possenreißerei, die nach Cicero zu vermeiden ist. Das Lächerliche darf demnach nur angedeutet werden, sodass der Zuhörer mehr ahnt, als er sieht. Das rhetorisch inszenierte Lachen hat demnach das vernünftige Feingefühl der Menschen anzusprechen. Nur bei Wahrung dieser Grenze wird das Lachen nicht seines erlösenden Charakters beraubt. Freilich, dies ist keine lehrbare Kunst (was Cicero bedauert), man kann hier nur auf die Klugheit und Würde der Menschen setzen. Gerade bei komischen Situationen herrscht eine Doppelsinnigkeit vor, die eine erstaunlich tiefe Erkenntnis über die Wirklichkeit des Menschen zum Ausdruck bringt: „Doppelsinnige Ausdrücke gelten als besonders geistreich, kommen aber nicht immer im Scherz, sondern auch im Ernst vor. … Es gibt keine Art des Witzes, der nicht ebensogut Ernstes und Gewichtiges zu entnehmen ist.“52
Hier beschreibt Cicero eine Erkenntnis, die Aristoteles’ Überlegungen noch vertieft: Die komische Situation, ja die Komödie an sich, benennt eine Wirklichkeitserschließung, die weiter reicht als dies etwa die Tragödie oder das Tragische je vermögen. Denn das Wesen des Komischen besteht darin, dass es dem Menschen durch das Lachen erlaubt, über sich und seine augenblickliche Situation hinaus in eine höhere Ordnung des Lebens hineinzuragen, wenn auch nur für einen Moment. Leichtes und Schweres werden gleichermaßen mithilfe des Lachens zum Ausgleich gebracht. Solches Lachen hat demnach einen transzendierenden, das Denkvermögen übersteigenden Charakter. Und dies geschieht bei der Komik dadurch, dass unser Verstand überrascht und sozusagen überlistet wird:
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„Ihr wißt freilich, daß die bekannteste Form der Komik dann gegeben ist, wenn etwas anderes gesagt ist, als wir erwarten. Hier müssen wir selbst über unseren Irrtum lachen. Ist dabei noch eine Zweideutigkeit im Spiel, wirkt es noch witziger.“53
Eine besondere Form witziger Zweideutigkeit stellt die Ironie dar. Diese besteht darin, dass man das Gegenteil dessen sagt, was man eigentlich meint. Cicero bezeichnet diese Art von Komik als feinen Witz (urbanus), der letztlich nur einem gebildeten Menschen möglich und zugänglich ist. Denn in der Ironie wird das Gesagte und Gehörte in Form eines gespielten Ernstes so dargeboten, dass das Schwere des Lebens oder der Dinge in das Leichte einer stilvollen Eleganz aufgehoben wird. Das Gesagte und Gehörte führt demnach den Gebildeten in eine höhere Ordnung des Lebens: „Von feinem Witz zeugt auch die Ironie, bei der man anders redet, als man denkt, nicht in dem … Sinne, daß man das Gegenteil sagt, … sondern in gespieltem Ernst des ganzen Stils der Rede, wobei man anders denkt, als man redet. … Es ist ein Stil von hoher Eleganz, der Ernst mit Witz verbindet und sowohl rednerischem Ausdruck wie kultivierter Plauderei entspricht. … Es ist der Ironie verwandt, wenn man einen Mangel mit einem schön klingenden Wort bezeichnet.“54
Cicero versteht also das Lachen des Menschen als ein Zusammenspiel von Philosophie und Rhetorik für das gute Leben, das den gebildeten Menschen ein ästhetisches Feingefühl für eine höhere Ordnung des Lebens eröffnet, ohne dass freilich dieses als Lebenskunst gelehrt werden kann. Insofern kann man sagen, dass Cicero das Lachen des Menschen als ein erlösendes Geschehen beschreibt, das das Schwere des Lebens und der Dinge in ein Leichtes wandelt und einen transzendenten Horizont aufreißt, wenngleich immer nur für einen Augenblick. Und je gebildeter der Mensch ist, desto zugänglicher wird ihm diese befreiende Erfahrung des Lachens.
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Das Lachen in der Antike
5. Quintilian und das sittlich vollkommene Lachen Quintilian und das sittlich vollkommene Lachen
Marcus Fabius Quintilianus (30 – 96 n. Chr.) gilt als der berühmteste Lehrer der Rhetorik im antiken Rom und ist wohl die erste Person gewesen, die im ersten Jahrhundert nach Christus unter Kaiser Domitian einen öffentlich besoldeten Lehrstuhl für Rhetorik innehatte. Am Ende seines Lebens veröffentlichte Quintilian (wahrscheinlich im Jahre 95 nach Christus) seine Institutio Oratoria, ein Lehrbuch der Rhetorik, das zwölf Bücher oder Kapitel umfasst. Den bildungsstarken Geist Ciceros fortführend, will Quintilian die Rhetorik zur vollendeten, wahren Kunst ausbauen und seine Schüler von Kindesbeinen an zur höchsten Stufe der Beredsamkeit führen. Für uns von Interesse ist hier das VI. Buch der Institutio, in dem Quintilian die Überlegungen Ciceros zum Lachen zu systematisieren versucht. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist seine rhetorische Affektenlehre, also das Gebiet der rhetorisch bedachten Gefühlswirkungen, in das er das Lachen einstellt. Das Lachen selbst wird von Quintilian als rhetorisches Stilmittel vor Gericht thematisiert, schreibt er doch dem Lachen einen erlösenden Charakter in bedrückenden Situationen zu. Diese Erlösung des Lachens geschieht „dadurch, daß man den Richter zum Lachen bringt, ihn zunächst zu befreien von der Bedrückung durch die traurigen Gefühle“55.
Dies zu bewirken, stellt allerdings eine Schwierigkeit dar, die nur der gewandte Redner zu lösen vermag. Deswegen bedarf der Redner einer guten und umfassenden Bildung. So setzt Quintilian großes Rednertum mit gebildetem Menschentum gleich, sodass rhetorischer Vollkommenheit sittlicher Vollendung entspricht. Aufgabe des Redners ist es demnach, eine gebildete Persönlichkeit im umfassendsten Sinne zu sein. Und zu dieser gehört auch der gebildete Umgang mit dem Lachen. So nähert sich Quintilian dem Lachen systematisch an, wenngleich er zunächst daran zweifelt, dass man die Gemütsbewegung des Lachens hinreichend erklären kann: „Denn ich glaube nicht, daß jemand befriedigend erklären könnte – so viele es auch versucht haben mögen –, woher der Lachreiz kommt, den nicht allein eine Handlung oder Bemerkung, sondern zuweilen auch eine Körperbewe-
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gung auslöst. Außerdem hat das, was zum Lachen bringt, keinen einheitlichen Grund; denn man lacht nicht nur über treffende und amüsante, sondern auch über törichte, zornige und ängstliche Bemerkungen und Handlungen, und deshalb läßt sich kein klarer Grund angeben, weil es vom Lachen zum Auslachen nicht weit ist.“56
Trotz dieser Bedenken hält Quintilian an der rhetorischen Wichtigkeit des Lachens für den Redner fest. Hierbei betont er das Zusammenspiel von Bildung und Persönlichkeit, das er über das menschliche Denkvermögen als solches zu erschließen gedenkt. Und obwohl Quintilian zunächst von der Nichterklärbarkeit des Lachens ausgeht, will er als gebildeter Mensch mithilfe des menschlichen Denkvermögens eine größtmögliche Annäherung an das Phänomen des Lachens vollführen. Denn das Lachen besitzt „die vielleicht gebieterischste und unwiderstehlichste Gewalt. Denn oft platzt es heraus, sowenig wir es wollen, und erzwingt sich eine Anerkennung nicht nur aus unserer Miene und Stimme, sondern schüttelt mit aller Kraft den ganzen Körper. In den wichtigsten Vorgängen bringt es oft … die entscheidende Wende, wenn es z. B. so häufig die Mauer von Haß und Zorn zerbricht.“57
Quintilian ist von der Macht des Lachens fasziniert, erhebt und erlöst es doch den Menschen, wenn auch nur für einen Augenblick, von Affekten wie Hass und Zorn, die der sittlichen Persönlichkeitsbildung entgegenstehen. Zwar gesteht Quintilian zu, dass die Kunst, jemand zum Lachen zu bringen, hauptsächlich in der natürlichen Veranlagung des Menschen liegt, auch, dass es hierfür keine Lachübung oder Lehrer gibt. Dennoch aber will Quintilian dem Lachen als rhetorischem Stilmittel so weit wie möglich mit logischen Überlegungen auf den Grund gehen. Demnach unterscheidet Quintilian in rhetorischer Hinsicht das Lachen in siebenfacher Weise: Zum einen das geistreiche, gebildete und darum witzige Lachen (urbanitas), von dem er das einfach, plumpe, bäuerische Lachen (rusticitas) abhebt. Dann das liebenswürdige, anmutige Lachen (venustum), dem er das Lächerliche als einfache, würzige Rede (salsum) gegenüberstellt. Des Weiteren benennt er das gepflegt-elegante und schöne Lachen (facetum), das er vom täuschenden, erschreckenden Scherz (iocus) abhebt. Schließlich nennt er noch den feinen Witz, die Witzelei (dicacitas). Nach dieser Einteilung des Lachens wendet sich
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Quintilian nun den verschiedenen Formen des Lächerlichen zu. Hierbei unterscheidet er den Sachwitz vom Wortwitz und benennt dann drei mögliche Weisen der Anwendung: „Entweder nämlich suchen wir das Lächerliche bei anderen oder bei uns selbst oder bei Dingen, die in der Mitte liegen. Bei anderen geschieht es, indem wir tadeln, widerlegen, durch Verkleinern entlasten, zurückschlagen oder verspotten. Bei uns selbst geschieht es so, daß wir uns in ein lächerliches Licht setzen und … manche halbtörichten Dinge sagen. Denn manches, was, wenn es uns unabsichtlich entfällt, töricht ist, wirkt, wenn wir es zum Schein tun, amüsant. Die dritte Art besteht … darin, daß wir Erwartungen enttäuschen, Worte in anderem Sinn verstanden wissen wollen, sowie in anderem, was keine der beiden Seiten berührt.“58
Das Lächerliche ist demnach in des Menschen Handeln, Tun und Reden zu finden, wobei Quintilian darauf Wert legt, dass der Redner sich nicht dem billigen Geschehen der ausgelassenen Effekthascherei hingeben, sondern stets der gesittet-gebildeten Haltung verpflichtet bleiben soll. Ist es doch ein Grundgebot des gemeinsamen Umgangs, niemand zu verletzen: „Denn ein zu teurer Preis ist das Lachen, wenn es auf Kosten unserer Ehrbarkeit erzielt wird.“59
Deswegen lehnt Quintilian auch die Possenreißerei, die platten und obszönen Unanständigkeiten sowie die gewollte Witzigkeit von Zweideutigkeiten ab und plädiert anstelle dessen für das gebildete, gesittete Lachen. Demgegenüber hebt Quintilian die Kunst der doppelsinnigen Rede hervor, der er eine geistige Witzigkeit zuerkennt. Auch hier kommt das Überraschungsmoment zum Tragen, denn das Lachen stellt sich bei der Doppelsinnigkeit dadurch ein, „daß unsere Erwartung getäuscht wird, die Überraschung erfolgt aber durch das Gegenteil“60.
Zum Schluss seiner Ausführungen plädiert Quintilian für das geistreiche, gebildete und darum witzige Lachen, die Urbanitas. Diese ist als rhetorisches Mittel nämlich in der Lage, zwischen dem Ernsthaften und dem Scherzhaften des Lebens eine Brücke zu schlagen. Insofern führt die Urbanitas zur höchsten Form des Lachens:
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„Denn – wenigstens meiner Meinung nach – handelt es sich da um Urbanitas, wo nichts Misstönendes, nichts Bäurisches, nichts Unordentliches, nichts Fremdklingendes sich im Sinn, in den Worten oder in Aussprache oder Gebärde fassen läßt, so daß sie nicht so sehr in einzelnen Bemerkungen liegt, als vielmehr in der ganzen Färbung der Rede.“61
Am Lachen, so kann Quintilian verstanden werden, zeigt sich sowohl des Menschen sittliche Größe als auch des Menschen Ungebildetheit. Und nur der gebildete, der rednerisch tüchtige Mensch ist in der Lage, die erlösende Größe des Lachens (urbanitas) gemeinschaftsstiftend zu pflegen. Wiederum ist es also das Lachen, das den Menschen, über sein Denkvermögen hinaushebend, in die Sphäre einer höheren Ordnung des Lebens verweist; freilich hat nur das gebildete Lachen diese geistige Kraft in sich.
6. Resümee Resümee
In weiten Schritten sind wir durch die Landschaft des antiken Lachens geschritten. Nicht überall haben wir haltgemacht, wichtige Stationen jedoch haben wir aufgesucht. Dabei entdeckten wir, dass dem antiken Lachen von allen behandelten Autoren eine befreiende, erlösende Kraft zuerkannt wird. Diese wird in unterschiedlicher Form in einer Wechselbeziehung zur geistigen Bildung des lachenden Menschen gesehen. Die Anfänge dieses Lachens finden sich bei Homer, der sowohl im Götterhimmel als auch auf Erden dem Lachen eine hierarchische Kraft zuspricht: Überall da, wo das argumentative und sachliche Denken an seine Grenze stößt, da eröffnet das gesellige, gemeinsame Lachen eine überraschende Lösung. Die Götter und die Menschen stimmen in das Lachen ein und erleben damit und dadurch eine himmlische Lösung für schier unlösbare Konflikte. Lachen ist demnach höher als alle Vernunft, weil es die Lachenden wieder zu einem geordneten Miteinander, zur gereinigten Vernunft erwachen lässt. Das Leben im Olymp und vor Troja nimmt wieder seinen geordneten Verlauf – durch das Lachen. Platon bewertet in seinen frühen Jahren die attische Komödie und das mit ihr verbundene Lachen als negativ, kann er doch im komischen Lachen keinen Verweis auf die Idee des Guten ausmachen. Vielmehr hat
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diese Art des gemeinen Lachens, die Possenreißerei, etwas Unvernünftiges in sich, dem jeglicher Referenzpunkt im wahren Sein abgeht. Erst in seinen späten Jahren kommt Platon zu der dialektischen Einsicht, dass das Komische nur durch den metaphysischen Urgrund, die Idee des Ernsten als des Guten und Tüchtigen, begriffen werden kann. Insofern erkennt Platon dann dem Lachen doch ein aufklärerisches Moment zu, das den Menschen zur wahrhaftigen Selbsterkenntnis, sein Berufensein zum Leben aus der wahren Vernunfterkenntnis eröffnet. Das Lachen zeigt dem Lachenden sein Gefangensein in der Unvernunft, die es ja philosophisch zu überwinden gilt. Lachen ist demnach ein heilsames Geschehen, das den Weisheitsliebenden in die Haltung der Tugend zu führen vermag. Aristoteles versteht das Lachen des Menschen auf der Folie seiner Vernunftkonzeption. Da die Vernunft des Menschen Vermögen zur Wahrheit ist, betrachtet der vernünftige Mensch das Lachen und die Komödie auf dem Hintergrund der Wahrheitssuche des Menschen. Als vernünftiges Wesen ist der Mensch nun in der Lage, in der ihm komisch erscheinenden Wirklichkeit einen Riss, einen Bruch zu erkennen, der ihn zum Affekt des Lachens führt. Das Lachen und die Komödie haben demnach einen heilsamen und reinigenden Charakter, lassen sie doch in leichter Weise die Unvollkommenheit manch menschlicher Wirklichkeit und Begebenheit erkennen. Lachen führt somit zur Vernunft hin – als Ausdruck der Wahrheitsliebe des Menschen. So wie Platon lehnt Aristoteles daher das ungebildete Lachen der Possenreißerei ab, denn diese ist maßlos und Kennzeichen eines ungebildeten Menschen. Zielpunkt des Lachens ist bei Aristoteles nämlich die charakterliche Haltung der Schönwendigkeit, die nur ein gebildeter Mensch erreichen kann. Allein maßvolles Lachen ist gutes Lachen. Dieses nennt er Eutrapelia. Auch Cicero redet dem gebildeten Lachen das Wort. Gebildetes Lachen ist für ihn erlösendes Lachen, vermag es doch schwierige Situationen in allgemeines Wohlgefallen aufzulösen. Dieses Lachen will das vernünftige Feingefühl des gebildeten Menschen ansprechen, der in der Lage ist, die gedankliche Tiefe des Komischen zu erkennen: Leichtes und Schweres über das Lachen gleichermaßen zum Ausgleich zu bringen. Dieses Lachen freilich geht bei der ungebildeten Possenreißerei
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verloren, missachtet diese doch die Würde und den Anstand des Menschen und verfehlt damit die geistige Größe des Komischen. Dem gebildeten Lachen hingegen wohnt gar eine transzendierende Qualität inne, weil es den Menschen in eine höhere Ordnung des Lebens führt. Das menschliche Denkvermögen übersteigend, leuchtet diese im gebildeten Lachen auf. Auch bei Cicero gilt: Lachen erlöst. Quintilian setzt die Überlegungen Ciceros zum Lachen in rhetorischer Perspektive fort. Quintilian ist von der unwiderstehlichen Gewalt des Lachens derart beeindruckt, dass er das Lachen in seinen verschiedensten Formen zu systematisieren sucht. Als höchste Form rednerischer Kunst lobt er das erlösende Lachen, das er in seiner gelungensten Gestalt an die sittliche Vollkommenheit des Redners bindet. Deswegen lehnt er wie Platon, Aristoteles und Cicero die billige, ausgelassene Effekthascherei des derben Lachens ab. Quintilian plädiert anstelle dessen für das gebildet-witzige Lachen, welches den Menschen aus seiner stupiden Ungebildetheit herauszuheben versteht: Lachen als geistige Kraft des gebildeten Menschen.
Kapitel III
Die Bibel und das Lachen
Die Bibel und das Lachen
Im Alten Testament wird die Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel erzählt. In menschlicher Sprache kommt Gottes Wort zum Ausdruck und erschließt so die Dimension der Wirklichkeit des Menschen. Diese wird von der heiligen Wahrheit Gottes als durchformt und geprägt gedacht. Dies vorausgesetzt, kommt das menschliche Leben in all seinen Facetten und Lebensvollzügen zu Wort und muss, wenn menschliches Leben gelingen soll, seine Lebensmitte in der Wahrheit Gottes bleibend finden. Ein solcherart geführtes Leben wird als gottesfürchtiges bezeichnet, das sich im Gegenüber zu Gottes wahrhaftiger Heiligkeit ereignet. Im Alten Testament ist demnach Gott der Herr allen Geschehens, der den Menschen in seinem geschichtlichen Werdegang stets zu einem gottesfürchtigen Leben ruft. Sich in dieser Ordnung recht einzufinden, heißt ein vernünftiges Leben zu führen. Denn Vernunft ist im Alten Testament die menschliche Erkenntnis, Gott als Ursprung und Ziel allen Lebens zu verstehen und zu verehren. Anders ausgedrückt: Gott ist Subjekt, der Mensch ist Objekt. Diese als vernünftig erkannte Denkordnung wird allen Lebenserfahrungen als erschließendes Geschehen zugrunde gelegt, wie denn auch das erste Gebot bekundet: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“1
Dieses Gottesverhältnis ist zugleich die Grundlage für die Lebendigkeit des Menschen, hat er diese doch als Gottes Geist „eingehaucht“ bekommen. Demnach ist der Mensch ein „lebendiges Wesen“.2 Als Geschöpf Gottes bewusst zu leben ist daher sowohl Kennzeichen der Vernünftigkeit des Menschen als auch Ausdruck seiner Menschlichkeit. Zum Menschlichen gehört aber auch das Lachen. So stellt sich die Frage, wie
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es im Alten Testament um das Lachen bestellt ist. Im Hebräischen, der Sprache des Alten Testaments, finden sich zwei Wortstämme, die das Phänomen des Lachens benennen: Zum einen das Verb fk, (zachaq) in der Bedeutung von „lachen“, welches fünfmal vorkommt3, darüber hinaus bedeutet es „tändeln, scherzen, liebkosen“. In dieser Bedeutung kommt das Verb siebenmal . vor.4 Das dementsprechende Substantiv f kC (zechoq) bedeutet „Lachen, Gelächter, Spott“ und begegnet uns zweimal im Alten Testament.5 Das andere Verb für „lachen“ lautet fke (sekaq) und heißt darüber hinaus auch noch „scherzen, spielen von Kindern, spotten, tanzen“. In der Bedeutung von „lachen“ begegnet dieses Verb 18-mal6, in der Bedeutung von „scherzen“ viermal7, in der Bedeutung von „spielen“ fünfmal8, in der Bedeutung von „tanzen“ siebenmal9, die Bedeutung von „spotten/verlachen“ hat es einmal10. Das Substantiv fAkB (sekoq) als „Lachen, Scherzen“ begegnet achtmal11, in der Bedeutung „Spott“ taucht es sechsmal auf12. Insgesamt taucht das Wortfeld von Lachen im Alten Testament somit 63-mal auf. Diese Statistik ist an sich noch kein erhebender Tatbestand, jedoch zeigt ein genauerer Blick auf das Vorkommen des Wortes „lachen“, dass im Lachen auch ein schöpfungstheologischer Aspekt angezeigt ist, der bisher wohl kaum beachtet worden ist. Denn eine genauere Betrachtung bestimmter Textpassagen eröffnet uns, dass im Alten Testament sowohl Gott, der Schöpfer, als auch seine Geschöpfe, die Menschen, ja selbst Tiere lachen. Lachen ist Ausdruck der gottgeschaffenen Lebendigkeit und darum Merkmal eines vernünftigen Lebens.
1. Das überlegene Lachen Das überlegene Lachen
Im Alten Testament findet sich eine Reihe von Textstellen, die ein Lachen kennen, das von geistiger Erhabenheit und Gelassenheit ob der widerwärtigen Dinge des Lebens getragen ist. Zunächst wird dieses Lachen Gott selbst zugeschrieben. Um es näher zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf das alttestamentliche Gottesverständnis geboten.13 Gott wird im Alten Testament als „Sein des Lebendigen“, als Inbegriff des Lebens und der heiligen Wahrheit verstanden. Folglich kann es auch
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keine Lebenswirklichkeit geben, die nicht von Gott her gedacht und nicht als durch ihn bedingt angesehen wird. Maßstab der zu deutenden Wirklichkeit muss deshalb allein Gott sein. Als Schlüsseltext dieses Gottesverständnisses kann hier auf die Selbstoffenbarung Gottes an Mose verwiesen werden, wie sie im Buch 2. Mose beschrieben wird: In der Wüste sieht Mose einen brennenden Dornbusch. Neugierig tritt er hinzu, um das Geschehen zu betrachten, und hört dann die Stimme Gottes, die ihn mit der Führung Israels beauftragt. Es entwickelt sich ein Zwiegespräch zwischen Mose und Gott um die Frage, wer denn Gott eigentlich sei. „Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: ›Ich werde sein‹, der hat mich zu euch gesandt.“14
Die hier verwendete Namensbezeichnung xDxE (Jahwe) für Gott kann wörtlich mit „er ist, er erweist sich als wirksam“ übersetzt werden und zählt zu den am häufigsten vorkommenden Gottesnamen.15 Jahwe ist damit der schlechthin Seiende, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann und der sich zugleich in seiner göttlichen Heilswirksamkeit dem Volk Israel zuwendet. Jahwe ist somit als der Seiende Grund und Ursprung allen Lebens, der eben als der Seiende auch die Vollendung allen Lebens wirkt. Dieses wirksame Sein Gottes als „Sein des Lebendigen“ findet schließlich Eingang ins sogenannte „Höre Israel“, dem bis heute liturgisch bedeutsamen Gottesbekenntnis des jüdischen Glaubens: „Höre, Israel, der Herr (Jahwe) ist unser Gott, der Herr (Jahwe) allein. Und du sollst den Herrn (Jahwe), deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“16
Beide genannten Textstellen bekunden somit, dass Gott Jahwe im Alten Testament die alles bestimmende Seinskraft ist, die selbst des Menschen Herz, Seele und Lebenskraft erschließend zu bestimmen versteht. Da Lachen aber ein Ausdruck von Lebendigkeit – Tote lachen nicht –, insofern eine Angelegenheit von Herz, Seele und Lebenskraft ist, ergibt sich daraus zweierlei: Zum einen ist Gott Jahwe als Lebendiger auch ein
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lachender Gott. Zum anderen ist der von Gott erschaffene Mensch ebenfalls zum Lachen „berufen“, hat er doch als „Ebenbild Gottes“ zeitlebens Anteil an Gottes Lebendigsein.17 Da Gott selbst lacht, kann auch der Mensch lachen und dies in der Haltung des vernünftigen Glaubens leichten Herzens üben. Ja, selbst Tiere haben über ihr Geschaffensein an diesem überlegenen Lachen Anteil.
1.1. Der lachende Gott Der lachende Gott
Das göttliche Lachen ist ein Ausdruck von Gottes Erhabenheit, die beispielsweise einige Psalmen thematisieren. Sie stellen diese Erhabenheit denjenigen Kraftanstrengungen gegenüber, die Gott als wirksame Lebenskraft aller zu negieren suchen und die heilige Wahrheit Gottes durch die menschliche Wirklichkeit gedanklich ersetzen wollen. Auch hier begegnet uns wieder das Muster von reflexiver Fremd- und Selbstwahrnehmung: Im Psalm 2, einem sogenannten Königspsalm, findet sich hierzu ein beredtes Zeugnis18: „Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich? Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn (Jahwe) und seinen Gesalbten: ›Lasset uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Stricke!‹ Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer.“19
Hintergrund dieses Psalms ist der Umstand, dass sich die Heiden und Völker, die bisher zum Einflussbereich des gesalbten Königs von Jerusalem zählten, in einer Art gesteigerter Selbstwahrnehmung gegen ihn zu erheben wagen. Der König ist jedoch der Stellvertreter Gottes auf Erden. Dieser Vorgang ruft nun seitens des Psalmsängers, als der wohl der König selbst ausgemacht werden kann, Erstaunen hervor. Denn sich gegen Gott aufzulehnen, heißt sich gegen das Leben zu stellen und bedeutet demnach, in einer unvernünftigen Lebenshaltung zu verharren. „Dieses Staunen erhebt sich in dem Wissen um die souveräne Macht Jahwes, der seinem erwählten König die Fremdvölker doch übergeben hat. Wie also können diese Mächte sich erkühnen, gegen Jahwe und seinen „Gesalbten“ zu rebellieren?!“20 Diese im Glauben an Jahwe er-
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schlossene Fremdwahrnehmung tritt nun der gesteigerten Selbstwahrnehmung der Heiden und Völker gegenüber und findet sodann ihren überlegenen Ausdruck im Lachen Gottes, das von einer Gewissheit ob der Nichtigkeit des rebellischen Geschehens geprägt ist. Es handelt sich hierbei um ein himmlisches Lachen, das in seiner Majestät alle menschlichen Handlungen und Planungen ordnet und ins rechte Licht rückt: Nur wer sein Leben und Handeln in Gottes seiender Wirksamkeit gründet, wird Bestand haben, so die reflexive Fremdwahrnehmung des Glaubenden angesichts der konkreten Situation. Dieses überlegene Lachen Gottes ist demnach in seiner lebendig-wirksamen Wahrheit und Heiligkeit begründet, hat doch Gott selbst seinen König auf dem heiligen Berg Zion bemächtigt und gegen alle gottlosen Feinde eingesetzt. Es ist eben diese Heiligkeit Gottes, die sich am Berg Zion und am heiligen, weil gesalbten König zu Jerusalem manifestiert, die alles Unheilige in seine Schranken weist: „Einst wird er mit ihnen reden in seinem Zorn, und mit seinem Grimm wird er sie schrecken: ›Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.‹ Kundtun will ich den Ratschluß des Herrn (Jahwe). Er hat zu mir gesagt: ›Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigentum. Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen.‹ So seid nun verständig, ihr Könige, und laßt euch warnen, ihr Richter auf Erden! Dienet dem Herrn (Jahwe) mit Furcht und küßt seine Füße mit Zittern, daß er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen. Wohl allen, die auf ihn trauen!“21
Das überlegene Lachen Gottes verweist demnach alle im Lachen Gemeinten auf Gottes Heiligkeit, die der Mensch zu achten und zu verehren hat. Ist doch Gott der schlechthin Lebendige, von dem alles und jeder abhängig ist. Wer sich also durch seine vermeintliche Vernunft dieser Lebendigkeit Gottes entziehen will, verliert seinerseits die Lebendigkeit, ist nur noch ein Schatten seiner selbst, dem nirgends und niemals zu trauen ist. Der Gottlose, so kann allgemein für die Psalmen gesagt werden, ist somit in seiner Selbstwahrnehmung eine unvernünftige und darum lächerliche Erscheinung, ein Niemand, der mit seinem Handeln die lebendige und heilige Ordnung Gottes auf Erden zu gefährden sucht. Deswegen muss dem Gottlosen mit den Mitteln des ver-
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nünftigen Denkens und Glaubens widersprochen werden, er muss sogar von der Erde vertilgt werden, wenn er in der Haltung der unheiligen Unvernunft verharrt. Andernfalls droht das Unheil auf Erden überhandzunehmen. Unserem heutigen Denken ist diese Redeweise fremd geworden, zu sehr sind wir einem Wahrheitspluralismus verhaftet, der die Wahrheitsfrage im öffentlichen Geschehen eher in eine Verfahrensfrage umdeutet und hierzu die Haltung der Toleranz bemüht. Freilich versteht man die Psalmen nur dann richtig, wenn man um den Zusammenhang von Gott, seiner lebensstiftenden heiligen Wahrheit und der daraus abgeleiteten Vernunft weiß. Da der rebellierende Gottlose freilich dies alles übergeht, kann er nur als eine lächerliche Erscheinung verstanden werden. Dieses Wissen verdankt sich der reflexiven Fremdwahrnehmung des Glaubens und zeigt sich im Alten Testament im – überlegenen Lachen Gottes. Dieses Lachen Gottes weist darum den Glaubenden in eine gelassene und weltüberlegene Haltung ein, die ihn eines vernünftigen Lebens versichert, das nicht mit billigem, weil unwissendem Spott zu verwechseln ist. „Der König von Jerusalem weiß Jahwe als den weltüberlegenen, im Himmel thronenden Gott, der über das Ansinnen der Rebellen lacht. Etwas von diesem Lachen Gottes klingt schon in (Vers) 1, in der verwunderten Frage des Sängers, an. … Einer Vermenschlichung (Gottes) tritt (hier) die Vorstellung vom weltüberlegenen himmlischen Thron entgegen. Hinter dem König von Jerusalem steht nicht irgendeine mythische Macht, sondern der gebietende Herr, der alles in seinen Händen hat und der über den wahnwitzigen Machtaufwand der Empörer ,spottet‘. Diese Vision vom lachenden und spottenden himmlischen Herrn ist eine Botschaft von unerhörter prophetischer Wucht.“22 Und es ist das überlegene Lachen Gottes, das weltüberlegen alle und jeden in seine Heiligkeit einweist und darum gottgewährtes Leben bekundet. Hier begegnet uns also der gedankliche Zusammenhang von Lachen und Heiligkeit. Die Vorstellung des lachenden Gottes findet sich auch in Psalm 37, der der Weisheitslehre zugerechnet wird.23 Im Gegenüber zu den Lebenserfahrungen wie Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit entfaltet und reflektiert dieser Psalm in weisheitlicher Tradition und Bildung das Zeugnis von Gott Jahwe. Und wieder ist es das Lachen Gottes, welches
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das wahrhaftige Zeugnis von Gottes lebensschaffender Lebendigkeit beglaubigt und damit den Gläubigen in die Haltung eines gottvernünftigen Lebens beruft, wie es die Unterscheidung von täuschender Selbstwahrnehmung und glaubender Fremdwahrnehmung im Psalm beredt zum Ausdruck bringt: „Entrüste dich nicht über die Bösen, sei nicht neidisch auf die Übeltäter. Denn wie das Gras werden sie bald verdorren, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. Hoffe auf den Herrn (Jahwe) und tu Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich. Habe deine Lust am Herrn (Jahwe), der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Befiehl dem Herrn (Jahwe) deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“24
In diesem Psalm redet der Weisheitslehrer einen Menschen an, der in seinem Innersten von Zorn entbrannt und entrüstet ist über die Bösen. Sein bisheriger, vernünftiger Gottesglaube scheint an gedankliche Grenzen gestoßen zu sein. Dem derart Zornigen wird nun das unangefochtene, „glückliche Leben des ,Übeltäters‘ als überflüssig und sinnlos hingestellt. ,Schnell‘ vollzieht sich an ihnen das Todesgericht. Wie das Grün im heißen Glutwind plötzlich verdorrt, so fällt auch die Existenz des ,Bösen‘ unversehens ins Verderben.“25 Deswegen aber kann der auf Gott Jahwe Vertrauende gelassen sein und sich selbst seines Zorns entledigen. Worin aber ist die Gelassenheit angesichts der harschen Wirklichkeit begründet? Es ist wieder das überlegene Lachen Gottes, welches den gedanklichen Weg in die geistige Freiheit der Überwindung der Affekte für den Gläubigen ermöglicht: „Der Gottlose droht dem Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen wider ihn. Aber der Herr lacht seiner; denn er sieht, daß sein Tag kommt.“26
Einem furchtlosen Lachen redet der Text das Wort. Gott kann in seiner Erhabenheit nur über den Gottlosen lachen, ist doch dessen Drohen gegen den Gerechten nichts weiter als ein sinnloses, inhaltsleeres Geschehen, dem keine Zukunft innewohnt. Es ist pure Unvernunft. Das Lachen Gottes eröffnet damit dem Gläubigen einen geistigen Weg der inneren Befreiung, es lässt ihn ebenso in eine überlegene Position einrücken und in dieses Lachen einstimmen: „Der Gottlose muß borgen und bezahlt nicht, aber der Gerechte ist barmherzig und kann geben. Denn die Gesegneten des Herrn erben das Land; aber die
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er verflucht, werden ausgerottet. Von dem Herrn (Jahwe) kommt es, wenn eines Mannes Schritte fest werden, und er hat Gefallen an seinem Wege. Fällt er, so stürzt er doch nicht; denn der Herr (Jahwe) hält ihn fest an der Hand.“27
Das Lachen Gottes, so lehrt dieser Weisheitspsalm, befreit von unerträglichen Situationen. Aus dem überlegenen Lachen Gottes erwächst dem Gottesfürchtigen gar eine lebensweltliche Sicherheit, die seinerseits den Frommen als Gesegneten Gottes ausweist. Gesegnet zu sein, heißt am Lachen Gottes teilzuhaben. Dieses ist somit auch ein triumphierendes Lachen, das in Gottes Seinsweise begründet ist: seiner Zeitenüberlegenheit, auch Ewigkeit genannt. Diesen Gedanken des zeitenthobenen Lachens greift im Alten Testament die Redeweise von der Weisheit auf, wird diese doch als personalisiert-göttliches Wesen gedacht. In ihrer Göttlichkeit will sich denn auch die Weisheit dem Menschen als Lebensberaterin andienen: „Ruft nicht die Weisheit, und läßt nicht die Klugheit sich hören? Öffentlich am Wege steht sie und an der Kreuzung der Straßen; an den Toren am Ausgang der Stadt und am Eingang der Pforte ruft sie: O ihr Männer, euch rufe ich und erhebe meine Stimme zu den Menschenkindern! Merkt, ihr Unverständigen, auf Klugheit, und ihr Toren, nehmt Verstand an! Hört, denn ich rede, was edel ist, und meine Lippen sprechen, was recht ist. Denn mein Mund redet die Wahrheit, und meine Lippen hassen, was gottlos ist. Alle Reden meines Mundes sind gerecht, es ist nichts Verkehrtes noch Falsches darin. Sie sind alle recht für die Verständigen und richtig denen, die Erkenntnis gefunden haben. Nehmt meine Zucht (= Belehrung) an lieber als Silber und achtet Erkenntnis höher als kostbares Gold. Denn Weisheit ist besser als Perlen, und alles, was man wünschen mag, kann ihr nicht gleichen. Ich, die Weisheit, wohne bei der Klugheit und weiß, guten Rat zu geben. Die Furcht des Herrn haßt das Arge; Hoffart und Hochmut, bösem Wandel und falschen Lippen bin ich feind. Mein ist beides, Rat und Tat, ich habe Verstand und Macht.“28
Die Kunst der Weisheit besteht, allgemein gesprochen, in einer umfassenden Lebensorientierung, die zum Gelingen des Lebens beitragen will. Die Weisheit versteht es, das Denken des Menschen so zu bilden, dass es zu einer gottesfürchtigen Vernunft erwacht. In Folge davon stellt sich ein verständiger Lebensvollzug ein, der Vernunft und Leben zu einem weisen Ausgleich bringt. An der Weisheit wird demnach ersichtlich, dass Vernunft praktisch werden kann. Demzufolge benennt das
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weisheitliche Wissen vernünftige Lebenseinsichten, die als ethisches Gut in Spruchsammlungen wiedergegeben werden. „Das Erkenntnisstreben dient dem Erfassen einer Seinsordnung mit ethischer Relevanz. Erkenntnis ermöglicht ein dieser Ordnung angemessenes Handeln, was wiederum in einem positiven Ergehen (und Leben) des Handelnden resultiert. Gott kann dabei als Garant der ethischen Seinsordnung verstanden werden. Weisheit wendet damit aus vorgängiger Erfahrung gewonnene Erkenntnisse auf neue Erfahrungen an, um diese zu deuten und zu strukturieren.“29 So gesehen ist die Weisheit eine Mittlerin zwischen Gott und Mensch. Darüber hinausgehend wird die Weisheit noch weiter gefasst: Sie ist in präexistenter, vorzeitlicher Weise von jeher schon bei Gott seiend, ist somit das erste, zeitenthobene Werk Gottes: „Der Herr (Jahwe) hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. Als die Meere noch nicht waren, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über den Fluren der Tiefe, als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, daß sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte.“30
In erstaunlicher Weise wird nun der Lobgesang der Weisheit fortgesetzt. Eine erhabene Innigkeit zwischen Gott und der Weisheit wird bekundet, welche die Weisheit als Personifizierung göttlicher Wesenszüge begreift: „Da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.“31
Die deutsche Übersetzung freilich eröffnet nicht sogleich den deutlichen Hinweis auf das Lachen: Das hebräische Verb fke (sekaq), welches in der Lutherbibel mit „spielen“ übersetzt wird, trägt in seinem Wortbedeutungsfeld den Sinn von „Lachen“ in sich, aus dem dann auch die Bedeutung „scherzend spielen“ erwächst. Die Weisheit trägt demnach das göttliche Attribut einer lachenden Lebensbekundung Gottes,
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die scherzend-spielend aus der göttlichen Ewigkeit herausgeht und hierbei die Menschen auf Erden aufsucht – als lachende Gespielin Gottes. Darum bewegt sich die göttliche Weisheit scherzend-lachend auf dem Erdkreis und (er)regt spielend mit vergnügendem Ergötzen die Menschen. Ein gemeinsames Zeugnis von Gott und der Weisheit ist darum das göttlich-überlegene Lachen, das den Menschen zugute kommen soll: „So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege halten! Hört die Mahnung und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, daß er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn. Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.“32
Auf die Weisheit zu hören, ihre Wege zu halten heißt, als Mensch sich immer wieder auch der göttlichen Gabe des erhabenen, weisen Lachens zu bedienen, um dadurch spielerisch das Leben in all seinen Untiefen besser meistern zu können. Ein weisheitliches Leben erweist somit seine Vernunft, indem es sich des erhabenen Lachens vergewissert. Besonders dem gottesfürchtigen Menschen wird diese Gabe im Alten Testament zugeschrieben.
1.2. Der lachende Mensch Der lachende Mensch
Kein Buch des Alten Testaments ist so vielfältig im kulturgeschichtlichen Sinne geprägt wie das bereits erwähnte salomonische Sprüchebuch. Es ist der großen Gruppe der altorientalischen Weisheitsliteratur zuzurechnen, die sowohl bei den Ägyptern, den Sumerern und Akkadern als auch (wahrscheinlich) bei den Kanaanäern anzutreffen ist. Die Weisheitsliteratur stellt den Versuch dar, „mit Hilfe der Vernunft die Lebensfragen des Menschen zu lösen, oder wenigstens die Fragen der Vernunft angesichts der religiösen Weltanschauung zu klären“33: „Der Weisheit Anfang ist die Furcht des Herrn (Jahwe), und den Heiligen erkennen, das ist Verstand.“34
Diese Lebensweisheit liegt dem überlegenen Lachen des Menschen im Alten Testament zugrunde. Die hier angesprochene Gottesfurcht ist
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nämlich nicht als angstbesetztes Erschrecken vor Gott, sondern als Erkenntnis von Gott zu verstehen, wie der hebräische Wortlaut an dieser Stelle nahelegt.35 Deswegen ist der gottesfürchtige Mensch zugleich ein vernünftiger, erschließt doch die Gottesfurcht das vernünftig erkannte Wissen um Gottes zuverlässige Treue zum Gläubigen. Hieraus erwachsen dem Gläubigen eine gedankliche und geistige Gelassenheit im alltäglichen Leben und Geschehen, Handeln und Treiben. Weisheitliches Leben ist darum ein mit guten Tagen gefülltes, langes Leben: „Denn durch mich (die Weisheit) werden deine Tage viel werden und die Jahre deines Lebens sich mehren.“36
Darum nimmt es nicht wunder, dass solcherart gottesfürchtige Menschen eine besonders gelassene Heiterkeit ausstrahlen. So rühmt das letzte Kapitel der Sprüche das weitsichtige Denken und Handeln der tüchtigen Hausfrau. Im lyrischen Stil eines alphabetischen Gedichtes (d. h., jede der 22 Strophen fängt der Reihe nach mit je einem Buchstaben des hebräischen Alphabets an) wird ein wahrer Tugendkatalog der Hausfrau oder auch des heiratsfähigen Mädchens lobend und anerkennend entfaltet: „Wem eine tüchtige Frau beschert ist, die ist viel edler als köstliche Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie tut ihm Liebes und kein Leid ihr Leben lang. Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gerne mit ihren Händen. Sie ist wie ein Kaufmannsschiff; ihren Unterhalt bringt sie von ferne. Sie steht vor Tage auf und gibt Speise ihrem Hause, und dem Gesinde, was ihm zukommt. Sie trachtet nach einem Acker und kauft ihn und pflanzt einen Weinberg vom Ertrag ihrer Hände. Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft und regt ihre Arme. Sie merkt, wie ihr Fleiß Gewinn bringt; ihr Licht verlischt des Nachts nicht. Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel. Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Bedürftigen. Sie fürchtet für die Ihren nicht den Schnee; denn ihr ganzes Haus hat wollene Kleider. Sie macht sich selbst Decken; feine Leinwand und Purpur ist ihr Kleid. Ihr Mann ist bekannt in den Toren, wenn er sitzt bei den Ältesten des Landes. Sie macht einen Rock und verkauft ihn, einen Gürtel gibt sie dem Händler. Kraft und Würde sind ihr Gewand, und sie lacht des kommenden Tages. Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist gütige Weisung. Sie schaut, wie es in ihrem Hause zugeht, und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit. Ihre Söhne stehen auf und preisen sie, ihr Mann lobt sie: ›Es sind
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wohl viele tüchtige Frauen, du aber übertriffst sie alle.‹ Lieblich und schön sein ist nichts; eine Frau, die den Herrn (Jahwe) fürchtet, soll man loben. Gebt ihr von den Früchten ihrer Hände, und ihre Werke sollen sie loben in den Toren!“37
Zweifelsohne wird hier das Ideal einer orientalischen Haushaltsführung gezeichnet, welches seine Wurzel in der Gottesfurcht hat. Für unseren Gedankengang ist hier das weisheitlich gestimmte Lachen der Frau zu bedenken: All ihr Tun und Handeln wird von der gelassen stimmenden Gottesfurcht geleitet, die sich augenfällig im Lachen ob des kommenden Tages zeigt. Wie immer auch die Aufgaben der Lebens- und Haushaltsführung beschaffen sein mögen, in der Haltung der weisheitlichen Gottesfurcht gewinnt die Frau eine pragmatische Gelassenheit, die sich im zuversichtlich-gelassenen Lachen bekunden. So wie Gott Jahwe der schlechthin Heilige und Überlegene ist, dem die lachend-spielende Weisheit zur Seite steht, so hat die Frau über ihre Gottesfurcht Anteil an dieser spielerisch sich zeigenden Weisheit und ist deswegen in das befreiende Lachen gestellt. Dieses Lachen, so kann gesagt werden, hat darum einen weisheitlich-göttlichen Charakter. Der gleiche Gedanke begegnet uns im Buch Hiob, welches ebenso in die Weltliteratur einzureihen ist. In großen Erzählbögen wird die Frage des sinnlos erscheinenden Leides des ausländischen, aber gleichwohl gottesfürchtigen Hiob aus dem Lande Uz erörtert und zu der weisheitlichen Denktradition in Beziehung gesetzt. Die idealtypisch gezeichnete Gestalt Hiob erleidet grundlos und unverstanden die Feindschaft Gottes. „Dadurch zerbricht nicht nur die Voraussetzung der Gerechtigkeit Gottes als Grundlage guter, gottgewollter Ordnung, sondern das Gottesverhältnis des Menschen wird paradigmatisch existenziell und damit theologisch prinzipiell ins Zwielicht gestellt – von niemand anderem als Gott selbst.“38 Und wieder ist es das Lachen, das hier gedanklich einen erlösenden Ausweg anzeigen will. Eliphas, ein Freund Hiobs und ein kundiger Vertreter der Weisheit, erörtert und erwägt im Gespräch mit Hiob sein Leiden und unterzieht dieses der weisheitlichen Weltsicht. Im klassischen Stil weisheitlicher Seligpreisung benennt Eliphas die Verheißung des göttlich gewährten Friedens und Heils für den Gottesfürchtigen. Zur Verdeutlichung dieser Glaubenshaltung greift Eliphas auf den in der Weisheitsliteratur gebräuchlichen Zahlenspruch
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zurück, in dem die göttliche Errettung aus Not und Gefahr dem Hiob vor Augen gemalt wird: „Siehe, selig ist der Mensch, den Gott zurechtweist; darum widersetze dich der Zucht des Allmächtigen nicht. Denn er verletzt und verbindet; er zerschlägt, und seine Hand heilt. In sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in sieben wird dich kein Übel anrühren. In der Hungersnot wird er dich vom Tod erlösen und im Kriege von des Schwertes Gewalt. Er wird dich verbergen vor der Geißel der Zunge, daß du dich nicht fürchten mußt, wenn Verderben kommt. Über Verderben und Hunger wirst du lachen und dich vor den wilden Tieren nicht fürchten. Denn dein Bund wird sein mit den Steinen auf dem Felde, und die wilden Tiere werden Frieden mit dir halten, und du wirst erfahren, daß deine Hütte Frieden hat, und wirst deine Stätte überschauen und nichts vermissen, und du wirst erfahren, daß deine Kinder sich mehren und deine Nachkommen wie das Gras auf Erden sind, und du wirst im Alter zu Grabe kommen, wie Garben eingebracht werden zur rechten Zeit. Siehe, das haben wir erforscht, so ist es; darauf höre und merke du dir’s.“39
Eliphas tritt für die Bewahrung des weisheitlichen Lachens ein, welches er als vernünftige Haltung ansieht, um dem menschlichen Leid die Spitze zu nehmen. Weisheitliches Lachen ist nämlich in der Lage, all die Widerwärtigkeiten des eigenen Lebens im Spiegel des weiten Raums von Gottes Allmächtigkeit einzuordnen. Dieses Lachen eröffnet somit eine gedankliche Teilhabe an Gottes Überlegenheit, die sich letztlich befreiend dem leidenden Menschen andienen will. Zwar widersetzt sich Hiob zunächst diesem Gedanken, zu sehr ist er in seinem Leiden gefangen, aber am Ende seiner Lebenstage wird Hiob, so schließt die Hiobserzählung, aufgrund seiner bleibenden Gottesfurcht aus dem Leiden erlöst, erfährt dann den von Eliphas verheißenen Segen und stirbt alt und lebenssatt.40 So kann festgehalten werden, dass das Lachen der Weisheit dem Menschen eine lebensdienliche, weil gelassen stimmende Lebenshaltung eröffnet. Begründet ist dies allein in Gottes heiliger Erhabenheit, die ihr Lachen nicht nur im Menschenleben, sondern auch im Tierreich verwirklicht sehen will.
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1.3. Das Lachen der Tiere Das Lachen der Tiere
Tiere werden im Alten Testament stets als beseelte Lebewesen verstanden, die wie die Menschen ihren Lebensodem von Gott selbst erhalten. Tiere sind im Alten Testament nicht „etwas“, sondern „jemand“. Könnten die beseelten Tiere nicht insofern auch als Personen bezeichnet werden? „Und wenn sich andere natürliche Arten im Universum finden sollten, die lebendig sind, eine empfindende Innerlichkeit besitzen und deren erwachsene Exemplare häufig über Rationalität und Selbstbewusstsein verfügen, dann müssten wir nicht nur diese, sondern alle Exemplare dieser Art ebenfalls als Personen anerkennen“, schreibt zu Recht Robert Spaemann.41 So liegt es auf der Hand, dass den Tieren in manchen Texten des Alten Testaments eine besondere Gottesbeziehung zuerkannt wird, welche die Tiere im Lobpreis Gottes bekunden.42 In der Weisheitsliteratur wird darüber hinaus noch die Vorbildfunktion der Tiere für den Menschen betont, wobei als besonderer Aspekt hierbei das Halten und Bewahren der göttlichen Lebensordnungen durch die Tiere benannt werden kann.43 Insofern bezeugen die Tiere allein schon durch ihr Dasein die allumfassende Schöpfermacht Gottes und sind dadurch Boten einer natürlichen Theologie: „Frage doch das Vieh, das wird dich’s lehren, und die Vögel unter dem Himmel, die werden dir’s sagen, oder die Sträucher der Erde, die werden dich’s lehren, und die Fische im Meer werden dir’s erzählen. Wer erkennte nicht an dem allem, daß des Herrn (Jahwes) Hand das gemacht hat, daß in seiner Hand ist die Seele von allem, was lebt, und der Lebensodem aller Menschen?“44
Diese Vorbildfunktion der Tiere wird auch explizit dem Lachen zugeordnet. Die bereits erwähnte Hiobserzählung erreicht ihren gedanklichen Höhepunkt in der Gottesrede der Kapitel 38–42. In dieser als Theophanie zu bezeichnenden Textpassage wird dem Leser vor Augen gestellt, „daß Gott es ist, der die Entscheidung fällt. Hier wird nun vollends deutlich, daß die ,Lösung‘ der Hiobsfrage nicht auf der gedanklichen Ebene intellektueller Erkenntnis erfolgt, die sich in einen irgendwie geformten theologischen Lehrsatz fassen ließe, sondern durch ein Geschehen, in das Gott den Hiob mit hineinnimmt.“45 Die im Glauben
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erschlossene Fremdwahrnehmung dominiert über die menschliche Selbstwahrnehmung. Und dieses Geschehen wird durch das Lachen der Tiere sinnbildlich dem Hiob vor Augen geführt. Da ist zunächst der Wildesel, der im Lachen seine unbändige Lebenslust zum Ausdruck bringt: „Wer hat dem Wildesel die Freiheit gegeben, wer hat die Bande des Flüchtigen gelöst, dem ich (Jahwe) die Steppe zum Hause gegeben habe und die Salzwüste zur Wohnung? Er lacht des Lärmens in der Stadt, des Treibers Schreien hört er nicht; er durchstreift die Berge, wo seine Weide ist, und sucht, wo es grün ist.“46
Der Wildesel wird hier als Vorbild für die gottgewährte Freiheit verstanden, die sich durch keine äußeren Umstände, durch keine menschliche Geschäftigkeit beeinträchtigen lässt. Diese Freiheit findet ihren Ausdruck im kreatürlichen Lachen, welches allein göttlichen Ursprungs ist. Wie der Wildesel als beseeltes Geschöpf Gottes angesichts menschlicher, städtischer Geschäftigkeit seine innere Freiheit bewahren kann, um wie viel mehr kann dies dann erst recht der von Gott geschaffene Mensch, so er gottesfürchtig ist! Ein weiteres Beispiel aus der Tierwelt überrascht zunächst. Die Rede ist nun von Straußenweibchen, deren Dummheit in der alttestamentlichen Welt sprichwörtlich ist. Doch auch diese sprichwörtliche Dummheit wird durch das Lachen überwunden: „Der Straußin Flügel hebt sich lustig; aber ist’s ein Gefieder, das sorgsam birgt? Läßt sie doch ihre Eier auf der Erde liegen zum Ausbrüten auf dem Boden und vergißt, daß ein Fuß sie zertreten und ein wildes Tier sie zerbrechen kann! Sie ist so hart gegen ihre Jungen, als wären es nicht ihre; es kümmert sie nicht, daß ihre Mühe umsonst war. Denn Gott hat ihr die Weisheit versagt und hat ihr keinen Verstand zugeteilt. Doch wenn sie aufgescheut wird, lacht sie Roß und Reiter.“47
Wie dumm und unverständig das Straußenweibchen auch immer sein mag, im Augenblick der Gefahr entzieht es sich mithilfe seiner schnellen Beine lachend der Bedrohung und gibt so für den Betrachter zugleich einen lustigen Anblick der Lebensfreude und der Lebenskraft. „Die Weisheit des Schöpfers ersetzt, was sie dem Tier vorenthalten hat. Daß der Strauß aber trotz seiner Mängel von Gott nicht vernachlässigt
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ist, das zeigt sich erst, wenn er aufgestört wird; dann zieht er mit seinen starken Beinen davon und verlacht (ignorierend) auf der Flucht Roß und Reiter.“48 Das Straußenweibchen entrinnt also aufgrund seiner puren Geschöpflichkeit der Gefahr und findet deswegen befreiende Wege, die sich auch im Lachen bekunden. Um wie viel mehr, so ist unser weisheitlich gehaltener Text zu verstehen, kann doch der gottesfürchtige Mensch über seinen Verstand hinaus auch in schwierigen Situationen eine Befreiung im Lachen finden! Ein weiteres Beispiel aus dem Tierreich will diese befreiende Haltung des Lachens dem Menschen nahebringen. Das Pferd in seiner majestätischen Schönheit und Kraft beeindruckt von jeher den Menschen und ruft dessen Bewunderung hervor: „Kannst du dem Roß Kräfte geben oder seinen Hals zieren mit einer Mähne? Kannst du es springen lassen wie die Heuschrecken? Schrecklich ist sein prächtiges Schnauben. Es stampft auf den Boden und freut sich, mit Kraft zieht es aus, den Geharnischten entgegen. Es lacht der Furcht und erschrickt nicht und flieht nicht vor dem Schwert. Auf ihm klirrt der Köcher und glänzen Spieß und Lanze. Mit Donnern und Tosen fliegt es über die Erde dahin und läßt sich nicht halten beim Schall der Trompete. Sooft die Trompete erklingt, wiehert es ›Hui!‹ und wittert den Kampf von ferne, das Rufen der Fürsten und Kriegsgeschrei.“49
Man merkt dieser Darstellung die Liebe des orientalischen Menschen zum Pferde an, „mit der dieses dem Menschen vertraute Tier bis in die kleinsten Einzelzüge hinein bewundernd beobachtet und gezeichnet ist, und wird an das arabische Sprichwort erinnert: Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“50. So weit Mensch und Pferd sich in Kraft, Mut und Stärke auch unterscheiden mögen, in einem können sie doch übereinkommen: im befreienden Lachen angesichts von Gefahr. Denn das Pferd symbolisiert durch sein Erscheinen und Auftreten die unermessliche Majestät des Schöpfergottes Jahwe, der alles Lebendige geschaffen hat. Und da der Mensch eben auch von Gott erschaffen ist, kann sich der Mensch, trotz aller Gefahren für Leib und Leben, der allmächtigen Kraft Gottes anvertraut wissen und darum, wie das Pferd, der Furcht im Leben lachen. Wahre Gottesfurcht ist daher nicht nur der Anfang aller Erkenntnis, sondern auch der Garant eines erlösenden Lachens.
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Die Gottesrede in der Theophanie an Hiob geht in ihrer Erhabenheit noch einen kühnen Schritt weiter: Nicht nur die Tiere des Erdreiches haben als Lachende am befreienden Lachen Gottes teil, sondern sogar das mythologische Urwesen Leviathan51 lacht ob aller menschlichen Bedrohung: „Kannst du den Leviathan fangen mit der Angel und seine Zunge mit einer Fangschnur fassen? Kannst du mit Spießen spicken seine Haut und mit Fischerhaken seinen Kopf? Lege deine Hand an ihn! An den Kampf wirst du denken und es nicht wieder tun. Siehe, jede Hoffnung wird an ihm zuschanden; schon wenn einer ihn sieht, stürzt er zu Boden. Wenn er sich erhebt, so entsetzen sich die Starken, und vor Schrecken wissen sie nicht aus noch ein. Trifft man ihn mit dem Schwert, so richtet es nichts aus, auch nicht Spieß, Geschoß und Speer. Er achtet Eisen wie Stroh und Erz wie faules Holz. Kein Pfeil wird ihn verjagen; die Schleudersteine sind ihm wie Spreu. Die Keule achtet er wie einen Strohhalm; er lacht der sausenden Lanze.“52
Diese eindrückliche Beschreibung des Leviathans lässt im bildhaften Sinne an ein Urkrokodil denken, das als König allen Getiers von keinem Menschen, sondern nur allein von Gott Jahwe, seinem Schöpfer, bezwungen werden kann.53 Die im Glauben eingeübte Fremdwahrnehmung gegenüber allen Lebenserfahrungen eröffnet darum auch einen gewandelten Blick auf die chaotisch anmutende Lebenskraft des Leviathans. Trotz all seiner Ungeheuerlichkeit – so gesehen in der Perspektive der Selbstwahrnehmung des Menschen – hat der Leviathan als Geschöpf Jahwes an der geschöpflichen Kraft des Lachens teil, mit der er sich aller menschlichen Bedrohung gegenüber als überlegen erweist. „Und gerade diese königliche Stellung des Lewjatan unter Gottes Geschöpfen ist der Beweis der Erhabenheit überlegener Macht und großzügiger Güte des Schöpfergottes, der, alles überragend, vor Hiob steht“54 und diesen in das göttlich gestiftete Lachen einweisen will. Darum wird der Leviathan als überlegener Lachender beschrieben. Um wie viel mehr aber ist der Schöpfergott Jahwe mächtiger und lachender als alles von ihm Geschaffene! Das gottesfürchtige, weisheitliche Lachen, so kann festgehalten werden, eröffnet demnach für Mensch und Tier eine Teilhabe an Gottes weiser Welten- und Lebensführung. Dies erkennend, wird der Gläubige in den Stand versetzt, über seine vernünftige Wahrnehmung hinaus, im
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Lachen aus all den bedrängenden Situationen im geistigen Sinne auszubrechen, um als Lachender das Lachen Gottes auf Erden wiederzugeben. Dieser Gedanke führt uns nun zum Bund des Lachens, der im Alten Testament bezeugt, aber weithin in Vergessenheit geraten ist.
2. Der Bund des Lachens Der Bund des Lachens
Im Alten Testament finden sich die Vätererzählungen von Abraham, Isaak und Jakob. Von besonderem Charme ist hierbei die Geburtsgeschichte von Isaak, die als Erfüllung des göttlichen Bundes mit Abraham zu verstehen ist. Dieser Bund besteht darin, dass Gott dem Abraham eine reiche Nachkommenschaft und dazu heimatliches Land geben wird, als Bundeszeichen hierfür wird die männliche Beschneidung eingeführt.55 Die daran anknüpfende Geburtsgeschichte des Isaak erweist sich nun bei genauerem Hinsehen als Schmuckstück einer „biblischen Komödie“.56 Dass dies freilich heute kaum mehr so gesehen wird, ist wesentlich dem Einfluss des Mönchtums geschuldet, der diese „biblische Komödie“ seiner humorvollen Spitze beraubt hat: „Jahwe aber suchte Sara heim, wie er gesagt hatte, und Jahwe tat an Sara, wie er geredet hatte. Sara wurde schwanger und gebar dem Abraham einen Sohn in seinem Alter zu der Zeit, die ihm Gott gesagt hatte. Und Abraham nannte den Sohn, der ihm geboren war, den ihm Sara geboren hatte, Isaak. Und Abraham beschnitt seinen Sohn Isaak im Alter von acht Tagen, so wie es ihm Gott geboten hatte. Abraham aber war hundert Jahre alt, als ihm sein Sohn Isaak geboren wurde. Und Sara sagte: Ein Lachen hat mir Gott bereitet; und sie sagte: Wer hätte wohl von Abraham gekündet: Sara stillt ein Kind! Denn ich habe ihm einen Sohn in seinem Alter geboren, jeder, der es hört, lacht mir zu.“57
Hier treffen gleichsam in göttlicher Weitsicht der Ernst der Lage und das Lachen aufeinander: Denn sowohl Abraham als auch Sara sind aufgrund ihres „biblischen“ Alters nach menschlichem Ermessen nicht mehr in der Lage, Eltern eines leiblichen Sohnes zu werden. So gesehen kann der Bund Gottes mit Abraham nicht mehr erfüllt werden. Doch wie wird dieser schiere Lebensernst überwunden? Durch das göttlich gestiftete Lachen. Nicht nur Sara lacht vor Freude über ihr Mutterglück und mit ihr
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diejenigen, die davon hören. Darüber hinaus wird das neugeborene Kind selbst mit dem befreienden Lachen gleichgesetzt. Der Name des neugeborenen Sohnes lautet nämlich „Isaak“, welcher ins Deutsche übersetzt „Er lacht“ bedeutet.58 Denn der Name Isaak (fGCF/izchaq) leitet sich von dem Verb fk, (zachaq) ab und meint hier das fröhliche, herzhafte, schallende Lachen, welches darüber hinaus auch noch die geschlechtliche Liebe zwischen Mann und Frau beschreibt. Zudem kann der Name Isaak zwei unterschiedlichen Subjekten zugeordnet werden: Er kann heißen: Er, der Vater (Abraham), lacht, oder es, das Kind (Isaak), lacht. Im Namen Isaak ist also schon das lachende Beziehungsgeschehen angegeben, bei dem Menschen miteinander in ein befreiendes, fröhliches Lachen ausbrechen können. Von besonderer Bedeutung ist es nun, dass der Sohn Isaak die Erfüllung des Bundes Gottes mit Abraham ist: „Und Gott sprach zu Abraham: … Ich will sie (deine Frau) segnen, und auch von ihr will ich dir einen Sohn geben. Ich will sie segnen, und sie soll zu Völkern werden, und Könige von Völkern sollen von ihr kommen. Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und er lachte. Er dachte bei sich: Einem Hundertjährigen sollte noch ein Sohn geboren werden, und Sara, eine Neunzigjährige, noch gebären? … Und Gott sagte: Sara, deine Frau, soll dir einen Sohn gebären, den sollst du ›Er lacht‹ (Isaak) nennen. Und ich will meinen Bund mit ihm aufrichten als einen ewigen Bund, ›daß ich ihm Gott sei‹ und seinen Nachkommen.“59
Und wenig später lesen wir, so als ob der Ernst durch das Komische gänzlich überwunden werden soll: „Da sprach Gott: Ich werde wieder zu dir kommen übers Jahr um diese Zeit; dann hat deine Frau Sara einen Sohn. Sara aber hörte es an der Öffnung des Zeltes hinter ihm. Abraham und Sara aber waren alt, vorgerückt an Jahren, und Sara ging es nicht mehr nach der Frauen Weise. Da lachte Sara bei sich und dachte: Nun ich verbraucht bin, soll ich noch Liebeslust empfinden, und mein Herr ist alt! Da sprach Jahwe zu Abraham: Warum lacht Sara und denkt: Sollte ich wirklich noch Mutter werden, wo ich doch alt bin? Ist denn irgend etwas zu schwer für Jahwe? Übers Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen, dann hat Sara einen Sohn. Sara aber leugnete: Ich habe nicht gelacht!, denn sie fürchtete sich. Aber er sagte: Nein, du hast gelacht.“60
Diese Erzählung spielt förmlich mit dem Lachen, freilich in der Intention, auf das durch Gott gewährte, erlösend-fröhliche Lachen in Isaak
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zu verweisen. Das ungläubige Lachen Saras ist darin begründet, dass sie das Sprechen Gottes nicht als solches erkennt, sondern für das eines fremden Mannes hält. Dieses ungläubige Lachen Saras wird durch die göttliche Autorität nun selbst ins Lächerliche gezogen. Ist doch Jahwe der schlechthin Lebendige, dem nichts unmöglich ist. Sara erkennt nun augenblicklich, dass ihr Lachen fehl am Platz war, und will es wieder zurücknehmen. Doch Gott behaftet sie bei ihrem Lachen: „Dieser letzte Satz: ,Nein, du hast gelacht‘ ist eine besondere Feinheit des Erzählers. Sara möchte am liebsten ihr Lachen ungeschehen machen; aber der Bote Gottes sagt ihr: Nein, dieses Lachen bleibt bestehen. Er meint: Du wirst noch einmal daran denken. Damit gibt er einen verborgenen Hinweis auf den Namen des Kindes. In diesem Zug klingt an, was in anderen Erzählungen von der Verheißung eines Kindes mit dieser verbunden ist, die vorausweisende Nennung seines Namens: ,Den sollst du … nennen!‘“61 Es ist das fröhliche Lachen, das erst über die Begegnung mit Gott, also über die Erfahrung der weltüberlegenen Heiligkeit Gottes, Abraham, Sara und schließlich Isaak „Er lacht“ miteinander verbindet. Alle beteiligten Personen sind durch Gottes befreiendes Handeln in einem ewigen Bund so miteinander verknüpft, dass das verbindende Thema das göttlich gestiftete, lebensbejahende Lachen ist. Denn Lachen befreit und überwindet den Ernst. Ein wahrhaft göttlicher Bund. Nicht umsonst zählt darum der Erzvater Isaak – als der Lachende – zu den Gründervätern des jüdischen Volkes. Und wenn es ein Volk auf Erden gibt, das in unbeschreiblicher Weise den Todernst des Lebens erfahren hat, dann ist es das jüdische. Aber ein besonderes Kennzeichen eben dieses Volkes ist es, dass es sich seinen Humor und Witz, sein befreiendes Lachen bewahrt hat. Und zwar ein Lachen, das sich über die gottgewährte Überwindung der Lebenswidrigkeiten, wie sie auch in den weisheitlichen Texten bezeugt ist, eine geistige Freiheit bewahrt hat, die sich allen geschichtlichen Angriffen als überlegen erwiesen hat.62 So gehört es zur Weisheit der biblischen Tradition, eine die Vernunft erhöhende Lachkultur zu kennen, die auf das göttlich gewährte Bessere des Lebens verweist, indem es in das Gute Gottes einweist. Lachen eröffnet Zukunft.
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3. Verheißenes Lachen Verheißenes Lachen
Biblisches Reden kennt nicht nur das weisheitliche Reden, das den Einzelnen in das gottgewährte Lachen einweisen will, wie dies anhand des Hiobbuches oder der Isaakgeschichte thematisiert wird. Darüber hinaus weiß biblisches Reden auch um das verheißende Reden Gottes zu seinem Volk, das als das erwählte einer göttlich gewährten Zukunft versichert wird, die im guten Sein Gottes selbst begründet ist. Dieses verheißende Reden sieht des Menschen Leben im Spiegel von Gottes Zeitüberlegenheit als Erlöstes und Befreites aufleuchten, und zwar angesichts von jetzt erfahrenem Leid. Sosehr die Menschen auch in je gegebenen Umständen und Widerwärtigkeiten gefangen – weil zeitgebunden – sein mögen, in der gedanklichen Haltung des vernünftigen Glaubens wird den Menschen eine befreite und erlöste Zukunft zugesprochen. Diese liegt jedoch außerhalb des menschlich Machbaren, vielmehr ist es Gott allein, der des Menschen Zukunft in das Gute des Lebens und Seins überführen wird. Wie kann das gedacht werden? Jeder Mensch lebt immer innerhalb eines fließenden Zeitraums, den wir Gegenwart nennen. Erst von diesem Gegenwartserleben aus betrachtet der Mensch seine Zeit in der Ausdehnung nach erfahrener Vergangenheit und erhoffter Zukunft. Das ist eine Bewusstseinsleistung von besonderer Qualität, ermöglicht diese doch dem Menschen, sich selbst aus dem Fluss der Zeit gedanklich herauszuheben, das Geschehene zu ordnen oder sogar neu zu bestimmen. Darin ist wohl auch der Grund zu sehen, warum es keine prinzipiell abgeschlossene Vergangenheit geben kann.63 Insofern ist die gedankliche Erinnerung an eine vergangene Zeit kein Wissen, sondern ein Meinen und Einschätzen, die zu ihrer Verlässlichkeit des klärenden Gesprächs mit anderen bedürfen, wie Robert Spaemann nachgewiesen hat.64 Dies gilt sowohl für das persönliche Leben als auch, und das wird heute gerne übergangen, für die geschichtliche Vergangenheit. Wie sehr dies zutrifft, zeigt sich heute öffentlich am empört auftauchenden politisch-ideologischen Moralismus, sobald jemand eine bestimmte geschichtliche Lesart der Vergangenheit als Dogma in Frage stellt. Diese Empörung ist in der verleugneten Erkenntnis begründet,
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dass geschichtliche Vergangenheit nicht einheitlich erinnert werden kann. Wird dies gleichwohl unternommen, empört man sich im Gestus der Political Correctness und findet wohlfeilen öffentlichen Beifall. Wahrhaftig aber ist dieser deswegen dennoch nicht. Der Ernst der Lage wird hier nicht mehr durch ein gemeinsames Lachen gelöst, sondern durch eine bierernste Inszenierung, der die Erhabenheit des vernünftig geklärten Glaubens biblischer Provenienz fehlt. Dieser aber versteht Zeit in all ihren Modi immer nur als bedingte, nicht als unbedingte Kategorie. Was nun für die Vergangenheit gilt, nämlich das im Gespräch gewonnene Meinen, kann für die Zukunft jedoch nicht in gleicher Weise gelten. Einfach aus dem Grunde, weil es für die kommende Zeit kein Erlebtes geben kann, das im Prozess des Meinens hinreichend geklärt werden könnte. Zu gegenwärtig ist menschliches Leben. Deswegen weiß niemand, was er je wissen wird. Es gibt kein zukünftiges Wissen, das in der Gegenwart konkret zu verrechnen wäre. Einzig des Menschen Wissen um seinen eigenen Tod bildet hier eine unverrückbare Ausnahme. Hierüber kann sich der Mensch wiederum im Gespräch mit anderen seine eigene Meinung bilden. Genau an diesem Punkt setzt eine besondere menschliche Bewusstseinsleistung ein, nämlich die des vernehmenden Glaubens. „Glaube ist die vernehmend-vernünftige Erkenntnis, dass es gutes Sein jenseits dessen gibt, was sich uns zeigt und darstellt. Dieses gute Sein nennen wir Gott.“65 Der Glaube geht nun davon aus, dass das gute Sein, Gott, in das vom Menschen erhoffte und ersehnte Bessere der Zukunft hineinragt und dadurch die Zukunft für den Menschen eine verlässliche Form annimmt. Dadurch wird ersichtlich, dass die Zukunft nicht in menschlicher, sondern in Gottes Verfügungsmacht und Hoheit steht. Als sprachliche Form hat sich hierfür die göttlich beglaubigte Verheißungsrede etabliert, die die menschliche Zukunft antizipierend als gutes Sein betrachtet. Glaube übt sich demnach in eine zeitenthobene Lebensbetrachtung ein, die aus der Verheißung lebt. So verwundert es nicht, dass sich in der Bibel Verheißungsworte finden, die das Lachen als Inbegriff eines gottgewährten, somit kommenden guten Lebens verstehen: „Wenn der Herr (Jahwe) die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre
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Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr (Jahwe) hat Großes an ihnen getan! Der Herr (Jahwe) hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich. Herr (Jahwe), bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.“66
Es steht zu vermuten, dass dieser Psalm aus der Zeit nach 538 vor Christus stammt, also aus jener Epoche Israels, die vom mühsamen Aufbau eines geordneten Kult- und Sozialwesens nach dem Ende des babylonischen Exils gekennzeichnet war. Im Rahmen jener Rückkehr hatte man im prophetischen Überschwang blühende Landschaften erwartet, fand jedoch nur ödes und karges Land vor, das zuallererst wieder bewohnbar gemacht werden musste.67 Obwohl gerettet, war die Lage ernst. Doch wie wird dieser Ernst der gesellschaftlichen Lage überwunden? Durch das verheißende und Zukunft gewährende Handeln Gott Jahwes, der die Seinen ins Lachen führen wird. Wieder wird über die im Glauben eröffnete Fremdwahrnehmung, sozusagen aus dem Blick Gottes die eigene Selbstwahrnehmung relativiert. Obwohl menschlich gesehen das Bessere des Lebens noch auf sich warten lässt, bestimmt doch das gute Sein Gottes den Ausblick auf die kommenden Zeiten. Tränen werden sich in Freuden wandeln, sodass der Mund des Menschen des Lachens voll sein wird. Das verheißene Lachen kann somit als gedanklicher Wendepunkt ausgemacht werden, der den darin Angesprochenen befreienden Mut zum Handeln eröffnet: Dieses Lachen ermöglicht dann Handlungsrationalität, also ein vernünftiges Handeln zur Verbesserung der Lebensverhältnisse, wie dies die Einweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahre 515 vor Christus belegt. Verheißenes Lachen führt demnach ins Staunen und in Freude am gottgewährten Leben. Im Neuen Testament wird dieses gottgewährte, bessere Leben mit dem Begriff „Reich Gottes“ wiedergegeben. Das Reich Gottes kann als theologischer Kern der Verkündigung von Jesus Christus ausgemacht werden.68 Dementsprechend unterweist Jesus seine Jünger in den lukanischen Seligpreisungen69: „Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn
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ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschsohnes willen. Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.“70
Bezeichnend ist, dass Jesus diese Seligpreisungen im Lukasevangelium nach der Berufung seiner zwölf Jünger verkündigt und er somit die Seligpreisungen in den Status eines theologischen Lehrprogramms aufrücken lässt. Diese sind mithin als göttlich eröffnete Fremdwahrnehmung für des Menschen Selbstwahrnehmung par excellence zu verstehen. Das Reich Gottes bringt demnach durch Gottes zeitübergreifendes Wirken für den Menschen ein allumfassendes Heilwerden mit sich, das ausdrücklich die leiblich-körperliche und die geistig-seelische Seinsweise des Menschen einschließt. Konkreter Ausdruck hierfür ist zum einen die Überwindung der leiblichen Not, die im Hunger angezeigt ist, zum anderen die Wandlung des Weinens in das göttlich gewährte Lachen. Wie kann auch ein heiler und erlöster Mensch anders gedacht werden, als dass er, frei aller Not und allen Leids, auch ein fröhlich Lachender sei? Deswegen gehört das verheißene Lachen zum Kern der Seligpreisungen Jesu, Lachen verstanden als Ausdruck eines gemeinsamen, gottseligen Lebens: „mak/rioi o2 kla2ontew nQn, Gti gel/sete“, zu Deutsch: „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“71 Das griechische Verb für lachen, gelCn (gelan), nimmt genau die Bedeutung des hebräischen Wortes für lachen, fk, (zachaq), auf und beschreibt das fröhliche, „glänzende“ Lachen. Darum können wir festhalten, dass es zum Kernbestand der jesuanischen Verkündigung gehört, dem Lachen eine befreiende und befreite Wirkung zuzuschreiben, die den Ernst der Lage antizipierend zu überwinden vermag. So gesehen greift Jesus in seiner Verkündigung den alttestamentlichen Bund des Lachens zwischen Gott und Mensch auf, erweitert aber seinen Geltungsbereich, indem er das Lachen des Menschen als ein Kennzeichen des Reiches Gottes bestimmt. Zu diesem Reich Gottes aber sind alle Menschen berufen, richtet sich doch die Verkündigung Jesu an alle Welt, wie der sogenannte Missionsbefehl Jesu bekundet.72 Nicht umsonst ermuntert Jesus seine Jünger, sich auf eine ganz und gar umfassende, Leib, Seele und Geist ergreifende Freude einzustellen, die sich im hüpfenden
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Springen als Ausdruck größter Lebensfreude zeigt, wie das griechische Wort skirtCn (skirtan) am Ende der Seligpreisung in Vers 23 belegt. Wie könnte da das fröhliche, das „glänzende“ Lachen fehlen? In neutestamentlicher Perspektive ist dieses der Zielpunkt allen verheißenen Fröhlichseins. Nun ist es schon erstaunlich, dass im Neuen Testament das Wort „lachen“ äußerst selten belegt ist, es begegnet uns nur dreimal.73 Daraus wird meist der Schluss gezogen, dass es im Neuen Testament nichts zu lachen gebe, sei doch die christliche Lehre eine allzu ernste Angelegenheit. Schließlich gehe es hier um Ursprung und Ziel des Menschen, um seine Sünde und Erlösung, und dies alles fokussiert im Glauben an Gottes Offenbarung über sein eigenes Wesen. Genau das ist der Fall. Allerdings ist es weit gefehlt anzunehmen, dass dieses nicht auch im Gestus des befreienden Lachens und eines erlösenden Humors darzustellen sei. Schon Anfang des letzten Jahrhunderts hat der Philosoph und Pädagoge Friedrich Paulsen darauf hingewiesen, dass sich Jesus bei seiner Verkündigung sehr wohl auch der rhetorischen Stilmittel der Ironie, des Humors und der Scherzrede bedient habe, um gerade damit den trockenen Ernst von dogmatischen Glaubenshaltungen zugunsten eines befreiten Lebens aus Gottes Gnade zu überwinden.74 Im Laufe der Zeit hat man jedoch, bedingt durch eine zunehmend unkundige Interpretation der biblischen Texte, dies nicht mehr verstanden und – oftmals bis heute – vergessen, dass zum christlichen Glauben das verheißene Lachen als erlösendes Moment notwendig mit hinzugehört. Noch einmal Paulsen: „Und seltsam würde wohl auch Jesum, wenn er wiederkehrte und das Christentum, wie es nun in der Welt ist, betrachtete, manches darin anmuten. Wenn er einmal den Beratungen im Kabinett dessen, von dem geglaubt wird, daß er sein Stellvertreter auf Erden sei, oder auch den Verhandlungen in unseren Kultusministerien und Synoden beiwohnte, oder wenn er eine Tageszeitung, die sein Zeichen, das Kreuz, an der Stirn trägt, in die Hand nähme und durchläse, vom Leitartikel der ersten Seite über die Notwendigkeit des christlichen Glaubens für die Erhaltung der irdischen Königreiche bis zu den Anzeigen auf der letzten Seite, die zum Genuß aller Freuden der Reichshauptstadt einladen; ob nicht manchmal wieder jenes ironische Lächeln um seine Lippen spielen würde, als
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wollte er sagen: Also wirklich, so hoch bin ich zu Ehren gekommen auf Erden?“75 Dieser Gedanke bringt auf erhellend-humorvolle Weise zum Ausdruck, dass das „Christentum … keine poetische Weltanschauung, kein Mythos, kein Lebensgefühl“,76 kein diakonisch-utopisches Weltverbesserungsprogramm ist, sondern im Gegenteil die Bezeugung der göttlichen Wahrheit. Und zu dieser gehört, wie schon aus dem Alten Testament ersichtlich geworden ist, das göttliche Lachen hinzu. Dementsprechend treten die Christen in der antiken Welt auf und bezeugen die göttlich erkannte Wahrheit, und zwar in und mit den kulturell bekannten und eingeübten Denktraditionen. Dies geschieht zugleich mit dem religiösen Anspruch, sich die Bildung der Menschen zu eigen zu machen. Dabei knüpft die christliche Bildungstradition bewusst an antike Bildungsideale an, formt diese aber im christlichen Sinne um. So wird etwa im Johannesevangelium der antike Logos-Begriff77 aufgegriffen und in die Nähe der alttestamentlichen Weisheit, der SophiaLehre, gerückt, um zu sagen: Jesus ist als der Christus dieser Logos, diese Weisheit, und zwar in der Weise, dass dieser göttliche Logos in Jesus von Nazareth Mensch geworden und in die Geschichte der Welt eingetreten ist. So wie die alttestamentliche Weisheit spielerisch-lachend den Menschen zur wahren Gottesfurcht führen will, so gilt dies im besonderen Maße für Jesus Christus, ist dieser doch der inkarnierte, der menschgewordene Logos selbst: In spielerischer Leichtigkeit durchwandelt Christus als der göttliche Logos, als das göttliche Wort, gleichsam in SiebenMeilen-Stiefeln die Welt und bleibt hierbei stets der Erhabene, dem das weisheitliche Lachen als Wesenszug sozusagen auf die Stirn geschrieben ist. Darum kann und muss man mit diesem weisheitlichen Logos alles von Anfang an neu bedenken, wenn man mit den Menschen an das Ziel ihres Leben gelangen will: verheißenes, neues Leben aus Gottes schöpferischer Hand: „Im Anfang war das Wort (der Logos), und das Wort (der Logos) war bei Gott, und Gott war das Wort (der Logos). Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Wort (der Logos) ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade
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und Wahrheit. Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“78
Welche Rolle spielen hierbei die Menschen, die über Gott, die Welt und den Menschen nachdenken? Die Antwort hierauf ergibt sich aus der göttlichen Wirkmächtigkeit, die als Gnade und Wahrheit durch Jesus Christus erfasst wird: Erlösung des Menschen von seiner Todesverfallenheit, von seiner Sünde, von seiner Gottvergessenheit. Dieses Geschehen wird wiederum im Neuen Testament mit dem Begriff „Reich Gottes“ umschrieben. Und das Reich Gottes führt nach den Seligpreisungen Jesu den Menschen eben in das verheißene Lachen. Des Menschen Teil ist demnach im erlösenden Lachen als Ausdruck der göttlichen Glückseligkeit der Seligpreisungen zu finden. Im Neuen Testament findet sich der positiv besetzte Begriff „Reich Gottes“ 67-mal, verstanden als Inbegriff des göttlich gewirkten Heils für den Menschen. Zu diesem Heil aber gehört, so lehrt uns die Seligpreisung Jesu, das verheißene, erlösende Lachen mit hinzu. Insofern ist die Rede vom Reich Gottes eine solche, die das gottverheißene Lachen in ihrem Selbstverständnis mit sich trägt und zum Klingen bringt. Den frühen Hörern und Lesern der neutestamentlichen Schriften war dieser gedankliche Zusammenhang noch vertraut, den späteren hingegen ist er abhandengekommen. Wie weit entfernt unser Schriftverständnis von demjenigen der frühen Christen ist, lässt sich beispielhaft an einem Text des Apostels Paulus zeigen, des frühesten schriftlichen Zeugen des christlichen Glaubens. Paulus selbst wird wohl eine hellenistische Schulbildung genossen haben, die bis zum Rhetorikstudium, der bedeutendsten Bildungsform der Antike, gereicht haben dürfte.79 So brach Paulus nicht mit den Formalzielen der antiken Bildung, wohl aber mit deren Inhalten, und verfasste seinem Bildungsstand gemäß seine Briefe im gehobenen rhetorischen Stil des Hellenismus, Koine genannt. Die antike Bildungstradition bei seinen Lesern voraussetzend, schrieb Paulus wohl im Jahre 56 nach Christus den Römerbrief, in dem sich folgender Gedanke findet: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist.“80
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Die Bibel und das Lachen
Dieser Text ist in unseren Augen alles andere als geeignet, dem Reich Gottes eine fröhliche und lachende Seite abzugewinnen. Die göttlich gewährte Fremdwahrnehmung, die zum erlösenden Lachen führen will, ist als Korrektiv der Selbstwahrnehmung in der deutschen Übersetzung kaum noch fassbar. Zwar wird die Freude nicht verschwiegen, aber diese könnte sich doch, so unser Eindruck, allerhöchstens in einem bescheidenen, seligen Lächeln zeigen, das als leiblicher Ausdruck der „Freude in dem heiligen Geist“ dem Christen einzig geziemend sei. Wir werden später noch sehen, wie sehr sich diese Sichtweise zum Nachteil des fröhlichen Lachens in der christlichen Kultur durchgesetzt hat.81 Paulus aber will mit diesem Text ganz anderes sagen82: Kultureller Hintergrund der damaligen christlichen Versammlungen ist das aus der Antike bekannte Symposion. Dieses war eine gesellige Zusammenkunft, die sich in ihrem Ablauf nach Mahl- und Lehrgemeinschaft unterscheiden ließ. Bei einem Symposion wurde demnach auch im Sinne des bereits erwähnten Komos (kMmow/komos) in fröhlicher Ausgelassenheit gefeiert und zudem ein lehrreiches Thema gemeinsam erörtert. Das hellenistisch-römische Symposion kann zudem noch als eine Art Vereinsgemeinschaft verstanden werden, in der man Angelegenheiten von vereinsbezogenem Interesse gemeinsam verhandelte. Dies war für ein geordnetes Zusammenleben nötig, da das damalige kommunale Verwaltungswesen ungleich weniger Lebensdinge regelte, als dies heute der Fall ist. So wurde beispielsweise das Bestattungswesen zur Zeit des Paulus durch sogenannte Bestattungsvereine organisiert, die sich des Begräbnisses verstorbener Vereinsmitglieder annahmen. Paulus setzt also bei seinen Briefen als Empfänger einen christlichen Verein, ein christliches Symposion voraus, das er gedanklich zu begleiten und auch zu ordnen suchte. Zur ordentlichen Durchführung eines Symposions aber gehörte ein Symposiarchos, ein für die jeweilige Zusammenkunft bestimmter Vorsitzender, der den inhaltlichen Ablauf zu regeln hatte. Gemäß der paulinischen Theologie war dieser Symposiarchos der auferstandene Christus, der in Form des Heiligen Geistes als anwesend gedacht wurde. Diese rein geistige Anwesenheit Christi führte freilich immer wieder dazu, dass bei den christlichen Symposien eine ordnende Hand fehlte und es daher wiederholt „drunter und drüber“ ging. Um doch Ordnung zu schaffen, schrieb dann Paulus seine
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Briefe. Hierbei aber ist es auffällig, dass er das antike Ideal der Gleichheit der Teilnehmer, Isonomie genannt, schlicht übergeht. Wahrscheinlich handelt er dabei in gedanklicher Nachfolge der Überlegungen von Platon und Aristoteles zur Polisgemeinschaft. Paulus war, entgegen unseren Erwartungen, nicht an einem sozialkritischen Ausgleich von Arm und Reich gelegen. Vielmehr theologisierte Paulus das christliche Symposion dahingehend, dass die erwartete Gleichheit aller erst im Reich Gottes erlebt werden könne. Paulus eschatologisiert also seine Vorstellung vom Reich Gottes: So wie Jesus das verheißene Lachen als zukünftiges Geschehen darstellt, so betont Paulus, dass das Reich Gottes nicht ein ungeordnetes, wildes Essen und Trinken im Hier und Jetzt ist, sondern sich im idealtypisch gedachten Symposion unter dem geistigen Vorsitz Christi schon auf Erden abbildet.83 Dieser Vorsitz Christi gewährleistet daher für das christliche Symposion, dass die ideale Gemeinschaftsform als Reich Gottes nach Gerechtigkeit, Friede und Freude schon heute ordnend erlebbar ist, und zwar auch bezogen auf das gemeinsame Essen und Trinken. In diesem Sinne bleiben Mahlund Lehrgemeinschaft als fröhliches Geschehen aufeinander bezogen. Zur Verdeutlichung dessen verweist Paulus hier auf die Freude (xar/ /chará), in der metonymisch, also im übertragenen Sinn, das verheißene Lachen greifbar wird: Diese Freude kommt aus dem Glauben, der den Menschen als Erlösten – im Heiligen Geist – in das göttlich gewährte Lachen stellt. Wie kann denn diese Freude anders gedacht werden, als dass sie sich auch im Lachen des Menschen zeigt? Zielpunkt des christlichen Symposions ist die idealtypisch geglaubte Herrschaft Christi, die in ihrer Gnade die Menschen zu einem guten Miteinander führen will. Bekundet wird dieses im göttlich verheißenen Lachen. Dieser Zusammenhang wird umso deutlicher, bedenkt man, dass das Wort Gnade (x/riw/cháris), welches Paulus allgemein seinem Symposionverständnis zugrunde legt, „eben nicht nur Gnade heißt, sondern gerade im Kontext von Symposien eine oszillierende, nicht genau zu definierende Bedeutungspalette besitzt, die von Gabe/Geschenk über Wechselseitigkeit, Dank/Dankbarkeit bis hin zu Charme, Anmut reicht“84. Gnade benennt hier die Anmut, dankbare Stimmung, die auch das verheißene Lachen impliziert. Dementsprechend betont Paulus, dass das Reich Gottes auch ein Reich des verheißenen, erlösten Lachens ist. Frei-
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lich dies zu erkennen, bedarf es einer sprachlichen und traditionellen Bildung, die Paulus bei seinen Adressaten allerdings voraussetzen konnte. Verheißenes, gottseliges Lachen, so können wir festhalten, gehörte demnach in der frühen Kirche auch zum Grundbestand des christlichen Glaubens. Dies zeigt sich auch an christlichen Texten, die nicht Eingang in den Kanon der Bibel gefunden haben. Die Petrusapokalypse, wohl um 150 nach Christus geschrieben85, erörtert inhaltlich „… in der Hauptsache Strafen in der Unterwelt, wie sie in der Antike z. B. seit dem 11. Buch der homerischen Odyssee und dem 6. Buch von Vergils Aeneis geläufig waren“86. Auf diesem gedanklichen Hintergrund erzählt die Petrusapokalypse in Anlehnung an Markus 12 von einem Zwiegespräch zwischen Jesus und Petrus. Jesus redet hier in der Position der göttlich gewährten Fremdwahrnehmung von seiner Kreuzigung, deren erlösend-heiteres Geschehen dem Petrus in seiner Selbstwahrnehmung zunächst verborgen bleibt. Deswegen wird Petrus angesichts des kommenden Leidens und Sterbens Jesu von diesem selbst in das erlösende Geheimnis dieses Geschehens unterwiesen. Petrus soll verstehen, dass der Tod Jesus als herrlichen Christus ausweisen wird, der in göttlicher Erhabenheit dem Geschehen selbst beiwohnt. Petrus ist so sehr von dem Gespräch bewegt, dass er in eine Vision, in eine göttliche Schau gerät, also in die Dimension der göttlichen Fremdwahrnehmung einrückt und in Vorwegnahme des zeitlichen Geschehens die wahren, erlösenden und tröstenden Zusammenhänge der Kreuzigung Jesu erfährt. So sagt Petrus: „Nachdem der Erlöser dieses gesagt hatte, erschien es mir, als würde er von oben ergriffen. Und ich fragte: ›Was sehe ich, Herr? Greifen sie nach dir und du greifst nach mir? Oder wer steht da neben dem Kreuz, heiter und lachend, während sie einem anderen auf Füße und Hände schlagen?‹ Der Erlöser antwortete: ›Der, den du heiter und lachend neben dem Kreuze stehen siehst, das ist der lebendige Jesus. Der, in dessen Hände und Füße sie die Nägel schlagen, ist dagegen nur sein schwaches, sterbliches Abbild. Er ist das sogenannte Lösegeld, ihn allein können sie zerstören. Er ist nur nach dem Bild des lebendigen Jesus entstanden. Sieh ihn und mich doch genau an!‹ Als ich genug gesehen hatte, sagte ich: ›Herr, niemand sieht dich, laß uns von hier fliehen.‹ Doch er erwiderte: ›Ich habe dir schon gesagt, daß sie blind sind. Laß sie gewähren! An dem, was sie reden, kannst du doch erkennen, wie wenig Einsicht
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sie haben. Denn anstelle meines Sklaven haben sie den zerstört, den sie sich in ihrer leeren Herrlichkeit eingebildet haben.‹ Dann sah ich jemanden näherkommen, der aussah wie der Erlöser und wie der, der lachend neben dem Kreuze stand. Er war ganz erfüllt mit Heiligem Geist, der Erlöser. Ein unaussprechliches Licht umgab sie beide, eine große Schar unbeschreiblich herrlicher Engel, die sie lobten.“87
Die hier vorgelegte gnostische Christologie, die mithilfe philosophischer Erkenntnis spekulativ den Gedanken des Scheinleibes Jesu gewinnen will, von dem sich dann in Herrlichkeit Christus als Herr abhebt, brauchen wir hier nicht weiter zu verfolgen.88 Für uns von Interesse ist die Einsicht, dass Lachen eine göttliche Eigenschaft ist, die in Person des heiteren und lachenden Christus beschrieben wird. Und dieses erlösende und erlöste Lachen des Christus wird geradezu in die himmlische Welt hinein verortet, als Inbegriff eines gottseligen Lebens. Petrus wird durch diese Vision zudem dem verheißenen Lachen zugeführt, das ihn ob aller Unbilden des zeitlichen Geschehens in fröhliche Gelassenheit stellt. So weit entfernt dieser Text theologisch von den kanonischen Schriften des Neuen Testaments auch sein mag, in einem Gedanken findet hier eine direkte Fortführung des biblischen Redens vom Lachen statt: So wie die Seligpreisungen Jesu und das verkündigte Reich Gottes das verheißene Lachen zusagen und dadurch eine erleichternde und erleichterte Lebensweise für den zum Glauben Berufenen kennen und benennen, so auch dieser apokalyptische Text: Christus selbst wird als der erlöst-erlösende Lachende, als der lachende Erlöser gezeichnet, dem sich Petrus in seiner Angst getrost anschließen und somit selbst des verheißenen Lachens gewiss werden kann. Lachen als Ausdruck und Kennzeichen eines christlichen Lebens. Und selbst das alttestamentliche Lachen Gottes in seiner heiligen Erhabenheit kann als Bezugspunkt unseres gnostischen Textes ausgemacht werden. Damit aber schließt sich der Kreis um das biblische Lachen: Die Petrusapokalypse führt in ihrem Lachverständnis, wohlgemerkt nur in diesem Punkt, das Alte und das Neue Testament zusammen. Gott als der erlösend Lachende und der darum erlöst-lachende Mensch gegen den Rest der Welt. Wer bräuchte da noch bekümmert sein?
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Die Bibel und das Lachen
4. Resümee Resümee
Die gedankliche Wanderung durch die Bibel hat uns gezeigt: Auch hier begegnet uns die menschlich-begrenzte Selbstwahrnehmung, die immer wieder durch die göttlich gewährte Fremdwahrnehmung aufgebrochen und dem Lachen zugeführt wird. Das Alte Testament redet freimütig vom lachenden Gott. Sein befreiendes, erlösendes Lachen ist nämlich ein Attribut seiner göttlichen Lebendigkeit, die den Gläubigen als zeitenthobene wirksame Lebenskraft in das erlösende Lachen stellen will. Biblisches Reden von Gott darf demnach nicht auf dieses Lachen Gottes verzichten, will es der göttlichen Wahrheit gerecht werden. Hauptmerkmal des göttlichen Lachens ist seine Überlegenheit, die geradezu einen triumphalen, die Lebenswirklichkeit übersteigenden Charakter hat. Göttliches Lachen transzendiert, aber nicht irgendwohin, sondern in das gute Sein hinein, dem die neuzeitliche Unterscheidung in Diesseits und Jenseits fremd sind. Ist doch das göttliche Lachen Ausdruck von Gottes schöpferischer Heiligkeit, die sich in der Weisheit, in der Sophia-Lehre, dem Menschen andienen will. Diese spielerische Weisheit anzunehmen, ist Kennzeichen einer vernünftigen Lebenshaltung und daher Ausdruck wahrer Gottesfurcht. Denn dadurch erfährt der Mensch seinerseits eine gedankliche, die Erfahrungswelt übersteigende Lebenseinsicht, die als geistige Befreiung aus Leid und Not verstanden werden kann. Selbst Hiob wird diese Erfahrung zuteil. Der gottesfürchtige Mensch ist daher ein lachender Mensch. Lachend deswegen, da er als Geschöpf Gottes am göttlich-befreienden Lachen Anteil bekommen kann. Auch die beseelt gedachten Tiere lachen, weil sie ein schöpfungstheologischer Ausweis von Gottes allmächtiger Erhabenheit sind. Indem die Tiere lachen, wollen sie als Zeugen Gottes den Menschen in das erlösende, befreiende Lachen angesichts von Bedrohung, Not und Gefahr einweisen: „Wenn schon wir Tiere in Gefahr und Gefährdung lachen können, um wie viel mehr kannst du, o Mensch, als Geschöpf Gottes deiner sicher sein und befreit lachen!“ Besonders deutlich und klar wird das biblische Lachen am Bund des
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Lachens zwischen Gott und Abraham, wie es in der biblischen Komödie der Geburtsgeschichte Isaaks erzählt wird. Das befreiende, glänzende Lachen, in das Abraham, Sara und Isaak einstimmen, ist Ausdruck der Erfüllung des gottgegebenen Bundes mit Abraham. Dieses fröhliche Lachen überwindet den Ernst des Lebens und der Lage und weist in den Segen Gottes ein, der dem Gottesfürchtigen gewiss sein kann. Diese gedankliche Line wird im verheißenen Lachen fortgeführt: Nicht nur eine kleine, erwählte Schar soll des erlösenden Lachens teilhaftig werden, sondern das ganze Volk Israel wird durch Gottes geschichtswirksames Handeln an dem verheißenen Lachen als Ausdruck der Erlöstheit Anteil haben. Im Neuen Testament schließlich wird das verheißene Lachen ein ausdrückliches Kennzeichen der Seligpreisungen Jesu. Das von ihm verkündete fröhliche, glänzende Lachen wird der Verkündigung vom Reich Gottes gedanklich zugrunde gelegt, zu dem nun alle Menschen prinzipiell berufen sind: verheißenes Lachen als glänzender Ausdruck eines allen Menschen zugesprochenen gottseligen Lebens. Die Logos-Lehre des Johannesevangeliums greift die alttestamentliche Sophia-Lehre auf und wendet diese auf Christus an: So wie die alttestamentliche Weisheit von jeher in spielerischer und lachender Weise bei Gott gewesen ist, so glänzend und erhaben ist Christus, das fleischgewordene Wort, dem das göttliche Lachen als Wesensmerkmal eigen ist. Der Apostel Paulus greift in seiner Verkündigung die biblische Vorstellung eines befreit-erlösten und darum ins glänzende Lachen gestellten Lebens auf. Deutlich wird dies an seiner Symposion-Lehre, in der er den Gedanken des fröhlich-verheißenen Lachens als Ausdruck von Gottes Gnade in Christus entfaltet: theologisch dargestellt und ausgeführt im idealtypisch verstandenen Symposion, das in seiner Freudenstruktur das verheißene Lachen im Reich Gottes vorwegnimmt. In der gnostischen Petrusapokalypse wird Christus als der heitere Lachende beschrieben, der ob des Todes Gewalt als der erlöst-erlösende himmlische Triumphator auftritt und dann den ängstlichen Petrus in das befreit-befreiende Lachen beruft, das Ausdruck der himmlischen Welt ist.
Kapitel IV
Das Lachen im Mönchtum
1. Vorbildliches Christenleben Vorbildliches Das Lachen im Christenleben Mönchtum
Das Mönchtum ist in seiner vielfältigen Erscheinung als eine wichtige Lebensform in der Geschichte des Christentums auszumachen.1 Allgemein bezeichnet der Begriff „Mönchtum“ eine stets religiös begründete Lebensart, die zum einen der Askese verpflichtet ist, zum anderen im Gegenüber zum normalen gesellschaftlichen und kirchlichen Leben eine mehr oder weniger radikale Absonderung als alternative Lebensweise propagiert. Ziel des Mönchtums ist es, nicht der „Welt“, sondern dem „Evangelium“ gemäß zu leben. Dieses Leben wurde von den Befürwortern des Mönchtums als das Bessere des Christenlebens ausgegeben. So bewahrt die Bezeichnung „Mönch“, abgeleitet aus dem griechischen monax3w (= monachós) in der Bedeutung „einzeln, einzig“, bis heute noch die persönliche Abkehr im Sinne der Vereinzelung gegenüber dem bisherigen sozialen Lebensumfeld. Schon in der alten Kirche wurde das monastische Leben mit seiner asketischen Grundhaltung als Merkmal eines vorbildlichen Christenlebens ausgegeben. Dementsprechend preist Euseb als Bischof von Caesarea zu Beginn des 4. Jahrhunderts das asketische gegenüber dem weltlichen Christenleben: „Auch für die Kirche Christi sind zwei Lebensnormen festgesetzt worden. Die eine führt über die Natur hinaus, hat nichts zu tun mit der gewohnten und normalen Lebensweise. Sie gestattet die Ehe nicht, noch das Zeugen von Kindern. Den Erwerb von Eigentum duldet sie nicht. Sie verwandelt die Lebensgewohnheiten der Menschen von Grund auf und macht, dass sie, von himmlischer Liebe angespornt, nur noch Gott dienen. Diejenigen, die sich zu dieser Art von Leben bekehrt haben, sind für die hergebrachte Lebensweise wie ab-
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Das Lachen im Mönchtum
gestorben und leben nur noch mit dem Körper auf Erden, da ihre Seele auf geheimnisvolle Weise schon in den Himmel eingegangen ist …, indem sie dadurch die Gottheit gütig stimmen, erfüllen sie eine priesterliche Aufgabe zu ihrem Wohl und zum Wohl der anderen. Dies ist die Norm des vollkommenen christlichen Lebens. Doch gibt es ein anderes Leben, das die Rechte und Pflichten des staatlichen und sozialen Lebens des Menschengeschlechts nicht verwirft … Der Christ akzeptiert als durchaus empfehlenswert auch diese zweite Lebensweise.“2
Die hier vorgelegte Unterscheidung wurde später mit den Begriffen vita contemplativa, als ein der Welt entsagendes Leben, und vita activa, als ein der Welt zugewandtes Leben, zusammengefasst und später im sogenannten „Decretum Gratiani“ in der römischen Kirche rechtsverbindlich gemacht.3 Die vita contemplativa formierte sich mehr und mehr im monastischen Lebensideal des Koinobitentums. Darunter versteht man eine Lebensgemeinschaft von Männern oder Frauen, die in einem Kloster als gemeinsamem Lebensort ihre Weltabgeschiedenheit zu leben suchen. Dieses klösterliche Leben umfasst in seiner konkreten Gestalt die ganze Person nach Leib, Seele und Geist und will die Mönchsperson in ein vorbildliches christliches Leben einweisen. Im Mittelpunkt dieses Lebens steht der Gedanke der vollkommenen geistlichen Existenz, die über das Moment des Verzichts und der Entsagung verwirklicht werden will: geschlechtliche Enthaltsamkeit, Aufgabe sozialer und familiärer Bindungen, Unterordnung als Gehorsam, Besitzlosigkeit, einfache Kleidung und karge Wohnstätten, Fasten als zeitweiliger Verzicht auf Speisen und Trank, zudem Verzicht auf das Sprechen und auf den Schlaf. Diese Merkmale dienen als Kennzeichen der äußerlichen Praxis des monastischen Lebens. Dem entspricht die innerliche Praxis als Konzentration auf das höchste Gut monastischen Lebens: die Gottesverehrung. So gestalten diesen Lebensvollzug der regelmäßige Gottesdienst, die Kontemplation als Gebet und Meditation, darüber hinaus auch intellektuelle Regsamkeit durch Textstudium (der Bibel, der Kirchenväter, der jeweiligen Klosterregeln) und der Schreibdienst in den Skriptorien. Insgesamt wollte das monastische Leben der Aufgabe der Nachfolge Christi gerecht werden, um so dem Ziel der irdischen Vervollkommnung möglichst nahe zu kommen. Zur Begründung des monastischen Lebens diente, so kann allgemein
Das Lachverbot in den Mönchsregeln
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gesagt werden, eine ganz bestimmte Vernunftkonzeption, die Vernunft nicht mehr als ein allen Menschen gemeinsames Vermögen zur Wahrheit versteht. Vielmehr redet sie einer speziellen Vernunft das Wort, die zwischen einem alltäglich-weltlichen und einem besseren christlichen Leben unterscheidet. Und dieses bessere Leben suchten die Mönche mithilfe von biblischen Texten im Verbund mit spätantikem Gedankengut zu einem hermeneutischen Konzept der Weltentsagung und Askese zusammenzuführen. In der Denktradition des Abendlandes herrschte nämlich über viele Jahrhunderte die Meinung vor, „dass nur eine auserlesene Schar der Erkenntnis von Wahrheit fähig ist: Zweierlei Leben gebe es auf Erden, eines für die wenigen Weisen, die der Wahrheit verpflichtet, und eines für die vielen Menschen, die dem alltäglichen, banalen Treiben verhaftet sind.“4 Mönchsein hieß demnach einer besseren Vernunft des Lebens zu folgen, als dies die Masse der Menschen wolle und könne. Kennzeichen dieser besseren Vernunft sei die monastisch gelebte Nachfolge Jesu als Ausdruck des wahren christlichen Glaubens. Zur korrekten Lebensgestaltung dieses Mönchslebens wurde wohl ab dem 4. Jahrhundert eine Vielzahl von Mönchsregeln geschrieben, die allesamt dem Bemühen geschuldet sind, das gemeinsame Leben der Mönche in Einklang mit der speziellen Glaubensvernunft zu bringen: Das wahre christliche Leben soll einer allumfassenden Vervollkommnung dienstbar gemacht werden.
2. Das Lachverbot in den Mönchsregeln Das Lachverbot in den Mönchsregeln
Um es gleich vorwegzusagen: Das abendländische Mönchtum kann dem Lachen nichts Positives abgewinnen. Genauer gesagt verurteilt das Mönchtum insgesamt das Lachen als Ausdruck einer unbeherrschten und unbesonnenen Lebenshaltung, die als einem Christen nicht angemessen erachtet wird. Höchstens das sanfte Lächeln (meid2ama = meidíama) könne für den Christen als schicklich angesehen werden. Es ist der bedeutende Theologe Basilius von Caesarea (329/330–379) gewesen, der mit seinen Mönchsregeln diesen Gedanken als Norm in das monastische Leben wegweisend eingeführt hat. Die bekannte Magisterregel (6. Jahrhundert) und die wohl wirksamste und bedeutendste aller
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Das Lachen im Mönchtum
Mönchsregeln im Abendland, die Benediktusregel (6. Jahrhundert), sind Basilius in diesem Punkt gefolgt.5
2.1. Basilius von Caesarea – Enthaltsamkeit im Lachen Basilius von Caesarea – Enthaltsamkeit im Lachen
Als Begründung für das monastische Lachverbot verweist Basilius auf den Umstand, dass nach dem Neuen Testament Jesus selbst nie gelacht habe. Damit führte Basilius eine gedankliche Grundlegung ein, die sich weit über das abendländische Mittelalter hinaus gehalten und sich als nahezu unwiderlegbares Argument gegen das Lachen erwiesen hat. So schreibt Basilius in seiner „Längeren Regel“: „17. Frage. Man muß auch im Lachen enthaltsam sein. Diejenigen, die asketisch leben, müssen auf etwas besonders achten, was von den meisten übersehen wird. Sich unbeherrschtem und zügellosem Lachen hinzugeben, ist ein Zeichen von Unenthaltsamkeit. Es beweist den Mangel an Selbstbeherrschung und zeigt, daß die Fähigkeit der Seele nicht von der Vernunft streng beherrscht wird. Dagegen ist es keineswegs unschicklich, in sanftem Lächeln die Entspannung der Seele zu zeigen. Davon sagt doch die Schrift: ›Ein fröhliches Herz erheitert das Antlitz‹ (Spr 15, 13). Aber laut herauszulachen, daß sich der ganze Mensch unfreiwillig schüttelt, geziemt sich nicht für ein ruhiges Gemüt, nicht für den Besonnenen und Selbstbeherrschten. Solche Art von Lachen tadelt auch der Prediger, weil es die Festigkeit der Seele zum Wanken bringt, indem er sagt: ›Lachen ist nur Verrücktheit‹ (Koh 2,2), und ›das Lachen des Toren ist wie das Knistern der Dornen, die unter dem Topf brennen‹ (ebda 7,6). Der Herr hat auch die natürlichen Gefühle des Fleisches gezeigt und dazu die, die Tugend bezeugen; er war müde und hatte Mitleid mit den Trauernden; gelacht aber hat er nie, soviel wir aus den Berichten des Evangeliums wissen; vielmehr hat er über die Lachenden sein Wehe gerufen (Lk 6, 25).“6
Ziel von Basilius’ Überlegungen zum Lachen ist der Kompetenzerwerb für ein durch und durch vernünftiges Leben, welches sich in vollständiger Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit des Mönchs zeigt. Durch das Lachen läuft der Mönch Gefahr, diese zu verlieren, weil das Lachen den Menschen an Leib und Seele erschüttert. Wer also lacht, der zeigt nur in aller Deutlichkeit seine Unvernunft.
Basilius von Caesarea – Enthaltsamkeit im Lachen
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Demgegenüber ist der Mönch gefordert, Jesus, dem Vorbild für den Christen schlechthin, nachzufolgen. Jesus selbst aber habe nie gelacht, und deswegen dürfe auch der Christ in seinem irdischen Leben nicht lachen. Für Basilius ist zudem klar, dass dem Lachen eine gefährliche Doppelsinnigkeit innewohnt: Auf der einen Seite kann das Lachen Ausdruck der „Heiterkeit der Seele“ und der „Freude über etwas Gutes“ sein, wie Basilius unter Verweis auf das Lachen Saras (vgl. 1. Mose 21, 6) oder auf die Seligpreisung Jesu nach Lukas 6, 21b durchaus zugesteht.7 Auf der anderen Seite aber ist das Lachen auch Ausdruck der menschlichen Torheit, die ob ihrer Sündhaftigkeit nichts Besseres weiß, als der Gottlosigkeit zu frönen. Der Mönch aber soll doch gerade seiner tumben Sündhaftigkeit entfliehen, will er das Ziel des Mönchslebens erlangen: die vollkommene Nachfolge Jesu, die in die Zerstörung der Sünde mündet. Die Sündhaftigkeit des Menschen gefährdet also das gute Lachen und bringt das irdische Lachen zum Umschlag: Der Lachende komme deswegen nicht mehr ins gottgefällige Lachen, sondern gerate geradewegs in das verderbliche, gottlose und gotteslästerliche Lachen. Dieser Gefährlichkeit des Lachens kann man nur mit einer rigorosen Enthaltsamkeit (Egkr/teia = enkráteia) entfliehen. So schreibt Basilius im schon zitierten Lachkapitel: „Die Enthaltsamkeit ist die Zerstörung der Sünde, die Vertreibung der Leidenschaften, die Abtötung des Körpers bis auf seine natürlichen Regungen und Begierden; sie ist der Anfang des geistlichen Lebens, das Unterpfand der ewigen Güter, sie vernichtet in sich selbst den Stachel der Lust. Die Lust ist doch der schlimmste Köder des Bösen, der uns Menschen am meisten zur Sünde verführt. Wie eine Angel zieht sie die Seele in den Tod. Wer sich von ihr nicht verweichlichen und unterjochen läßt, der entgeht durch die Enthaltsamkeit jeder Sünde.“8
Die Botschaft ist klar: Basilius erkennt sehr wohl die ansteckende Kraft des Lachens. Diese ist für ihn aber Ausdruck der sündigen Lust, die unter allen Umständen zu vermeiden ist. Auch dem gut geglaubten Lachen wohne doch diese sündige Lust inne und werde dadurch schnell zur Possenreißerei, darum ist Lachen in jedweder Form immer und stets zu meiden. So empfiehlt Basilius solche Gäste im Kloster zukünftig zu
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Das Lachen im Mönchtum
meiden, die über das einfache, bedürfnislose mönchische Leben mitsamt seinem genügsamen Essen lachen, es mithin lächerlich machen: „Ist aber ein anderer, einer aus der Welt, gekommen? Dann soll er aus den Werken lernen, wovon ihn das Wort nicht überzeugen konnte, und er soll sich ein Vorbild und Beispiel für genügsames Essen nehmen. Er soll den Tisch von Christen und die Armut, die sich um Christi willen nicht schämt, im Gedächtnis behalten. Hat er dafür kein Verständnis, lacht er gar darüber, dann soll er uns ein zweites Mal nicht belästigen.“9
In seiner „Kürzeren Regel“ verschärft Basilius das Lachverbot gegenüber dem oben Gesagten nun drastisch: Erlaubte er in seinen „Längeren Regeln“ noch das Lächeln als Ausdruck der Entspannung der Seele, so wird nun das Lachen insgesamt scharf verurteilt: „31. Frage: Darf man überhaupt nicht lachen? Da der Herr diejenigen, die jetzt lachen, verurteilt (vgl. Lk 6, 25), ist es ganz klar, daß der Gläubige nie Grund zum Lachen hat, zumal unter einer so großen Menge, die durch die Übertretung des Gebotes Gott beleidigt und in ihrer Sünde stirbt. Ihretwegen muß man trauern und weinen.“10
Laut Basilius, so kann man festhalten, gibt es für den Mönch das fröhliche, glänzende Lachen zeitlebens nicht, zu gefährdend und sündhaft ist es. Lachen und Mönchsein sind zwei sich gegenseitig ausschließende Lebenshaltungen. Lachen beleidigt Gott und führt in den Tod. Des Gläubigen Teil sei vielmehr nur Trauern und Weinen, ist doch das Nicht-Lachen ein Kennzeichen eines vernünftigen und selbstbeherrschten Lebens.
2.2. Die Magisterregel – vom Ernst des Lachens Die Magisterregel – vom Ernst des Lachens
Die Bedeutung der Magisterregel ist nicht nur in ihrer Einflussnahme auf die Entstehung der Benediktusregel zu sehen11, sondern vor allem in der Art, wie sie das monastische Lachverbot als Ausdruck einer christlichen Anthropologie ethisch zu begründen sucht. Der bis heute namentlich unbekannte Autor12 der Magisterregel versteht nämlich das Lachen durchaus als anthropologisches Merkmal, allerdings als eines, das dem wahren Christenmenschen nicht anstehe. Das Lachen zwinge
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den Menschen in seine Gewalt, sodass er für den Augenblick des Lachens seiner selbst nicht mehr Herr sei. Das aber könne niemals gut sein, weswegen das Lachen eine ernste Angelegenheit sei. Ziel der Regelunterweisung ist das Erlernen der vollständigen Mäßigung und Enthaltsamkeit, die als „heilige Kunst“ schon hier auf Erden eine Anwartschaft auf Gottes „neues Jerusalem“ gewähre. In pädagogischer Form führt der Magister den Schüler Schritt für Schritt an das heilige Leben des Mönchseins heran. Dieses anagogische, also zum Heiligen hinführende Konzept wird Stufe für Stufe entfaltet. Der Magister zählt im 3. Kapitel eine Vielzahl von Instrumenten guter Werke auf, angefangen vom ehrfürchtigen Bekenntnis zur Trinität, dem Beherzigen der Zehn Gebote und der sechs Werke der Barmherzigkeit nach Matthäus 25, 35 f., über die Anweisungen der Bergpredigt und die Mahnungen zum Gottvertrauen in geistlicher sowie in materieller Hinsicht, sodann das Erzittern vor dem Tag des Gerichts, bis schließlich des Menschen Mund als eigenständiges Organ mahnend bedacht wird: „Seinen Mund vor böser und unanständiger Rede bewahren. Das viele Reden nicht lieben. Leere oder zum Lachen reizende Worte ganz und gar nicht sagen. Lautes und schallendes Gelächter nicht lieben.“13
Die Magisterregel denkt den Menschen als zu bildendes Wesen. Darum nimmt sie das Innere des Menschen, das Herz, in ihren Blick. Es geht der Magisterregel also um Herzensbildung. Im Hören auf Gottes Wort, im Gebet und im Gottesdienst muss das Herz des Menschen seine christliche Reife zu erstreben suchen. Deren Kennzeichen ist eben auch die „Beherrschung des Mundes“, der sich jeder Form des Lachens und des schallenden Gelächters, der Possenreißerei zu enthalten habe. So ist es naheliegend, dass die Magisterregel im Kapitel über die Schweigsamkeit weit ausholt, um schließlich im nachfolgenden Kapitel das Lachen gänzlich zu verbieten. Erst so komme der lernende Mönch zu seiner eigentlichen Bestimmung. Die Magisterregel entwirft hierbei folgendes Menschenbild: „Das Bauwerk des Menschengeschlechtes ist unser kleines Körperchen, und obwohl es klein an Ausmaß ist und sich nur bei einigen großen Menschen gerade fünf Fuß über die Erde erhebt, – eitles Sich-zur-Schau-Stellen, jeder
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lebende Mensch – so meint der Mensch doch in seiner Kleinheit, die Höhe des Himmels und die Weite der Erde mit seiner Weisheit abmessen zu können.“14
In diesem kleinen Körperchen wohnt die Seele, die wiederum im Herzen wurzelt. Aus dieser Wurzel wachsen zwei hohe Zweige empor, die den Menschen über die Fenster der Augen und des Mundes mit der Außenwelt verbinden. Diese Fenster sind aber zugleich auch ein Einfallstor für die Sünde. So können die Augen die Begierden in den Körper hineinlassen, während umgekehrt das Tor des Mundes lästerliche Reden nach außen entlassen kann. Der Riegel für dieses Tor sind die Zähne. Der Mensch, vor allem aber der Mönch, muss also diesen Riegel vorschieben und so seinen Mund zum Schweigen bringen. Zugleich muss er seine Augen hüten, indem er seinen Blick stets gesenkt hält. Auf diese Weise kann, so ist die Magisterregel zu verstehen, der Sünde der Einund der Ausgang verwehrt werden: „Deshalb soll wegen des Ernstes der Schweigsamkeit selbst zu guten, heiligen und erbaulichen Reden den vollkommenen Schülern nur selten Erlaubnis gegeben werden. Doch was anderes Reden angeht, sollen die Brüder, die nicht gefragt sind, solange in Schweigsamkeit schweigen, bis die Zügel ihres stummen Mundes durch das Fragen des Abtes gelockert werden. Die Schweigsamkeit muß deshalb von den Brüdern so sehr beachtet werden, weil man beim vielen Reden der Sünde nicht entgeht und weil deshalb Tod und Leben in der Gewalt der Zunge liegen.“15
Am Ende dieser anthropologisch-pädagogischen Überlegungen, bei denen es um Leben und Tod geht, steht das unverrückbare Verdikt: „Leichtfertige Späße (scurrilitates) aber, albernes und zum Lachen reizendes Geschwätz stellen wir unter ewigen Verschluß und erlauben nicht, daß der Schüler zu solchen Reden den Mund auftun darf.“16
Radikaler und schärfer lässt sich das Lachverbot für Mönche nicht fassen, das Lachen muss auf ewig im kleinen, armseligen Körperchen des Menschen eingesperrt bleiben. Nur so kann das Lachen kein Unheil mehr anrichten. Ist der Mönch so weit in der Haltung der Schweigsamkeit unterwiesen, kann er sich in die weiterführende Haltung der Demut einfinden. Die Magisterregel beschreibt diesen ein Leben lang dauernden Weg im Bilde der Jakobsleiter17, auf der der Mönch die zwölf Stufen der Demut gleichsam gen Himmel steigen muss. Der Gipfel der
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Vollkommenheit sei dann in erreichbare Nähe gerückt, wenn der Mönch sich in jeglicher Hinsicht in Demut und ohne Lachen auf seinem Lebensweg eingefunden habe. „Die zehnte Stufe der Demut auf der Leiter zum Himmel ersteigt der Schüler dann, wenn er nicht leicht und vorschnell lacht, denn es steht geschrieben: ›Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus.‹ Und: ›Und wie das Prasseln der knisternden Dornen unter dem Kessel, so ist das Lachen des Menschen.‹ Die elfte Stufe der Demut auf der Leiter zum Himmel ersteigt der Schüler dann, wenn er beim Sprechen leise, ohne Lachen, bescheiden und gesetzt redet, wenn er wenige und fromme Worte spricht und kein Geschrei macht, wie geschrieben steht: ›Den Weisen erkennt man an seinen wenigen Worten.‹“18
Für die Magisterregel ist das Lachen ein den ganzen Menschen erfassendes Phänomen, das ihn, so er vom Lachen erfasst ist, allzu schnell der unheiligen Allianz mit der Possenreißerei und der leeren Eitelkeit anheimfallen lässt. Lachen gefährdet den Menschen an Leib, Seele und Geist, denn das Lachen trägt für den Menschen auf Erden keinerlei Nutzen oder Gottgefälligkeit in sich. Nur die Haltung der lebenslang einzuübenden gottesfürchtigen Demut kann dieser tödlichen Gefährdung wehren, will man im Jüngsten Gericht vor Gott bestehen: „Dann werden auch alle Gerechten aus ihrer Herrlichkeit dich im Gericht erblicken, und wenn du von ihnen getrennt und auf die linke Seite zu den Böcken gestellt wirst, dann werden sie über dich lachen und sagen: ›Seht den Menschen, der sich nicht Gott zur Hilfe nahm, sondern sich überhob in seinem Wahn.‹ Die Gottesfurcht hatte er nicht vor Augen, denn trügerisch handelte er vor seinem Antlitz.“19
Das irdische Lachen, so kann die Magisterregel verstanden werden, vertreibt den Menschen aus dem Heil. Das Lachen verhindert ein gottesfürchtiges Leben, indem es des Menschen Geist und Herz an Vernunft und Verstand verkehrt und ihn so in das Verderben führt. Das aber macht den Mönch zu einer lächerlichen Erscheinung, wie das Lachen der Gerechten im Gericht deutlich bekundet. Darum ist es stets auch Aufgabe des dem Abt untergeordneten Dekans im Kloster, in heilsam pädagogischer Hinsicht auf seine ihm zugeordneten Mönche einzuwirken, um ihnen das Lachen zu verwehren. „Wenn er aber einen Bruder sieht, der recht leicht zum Lachen neigt, dann soll ihn der anwesende Dekan ermahnen und zu ihm sagen: ›Was machst du,
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Bruder? Mit Ernst sollst du tun, was du tust, denn die Zeit unserer Bekehrung ist keine Zeit der Freude zum Lachen, sondern eine Zeit der Buße zum Beweinen der Sünden.‹“20
Erst wenn das Leben sich in dieser Herzensbildung bewährt und als gottgefälliges erwiesen hat, bekommt der Gläubige Anteil an jenem gottgegebenen Lachen, wie es in der Seligpreisung Jesu verheißen ist: „Selig, die ihr in dieser Zeit weint, denn ihr werdet in Ewigkeit lachen.“21
2.3. Die Benediktusregel – Lachen ist unvernünftig Die Benediktusregel – Lachen ist unvernünftig
In der Benediktusregel begegnet uns die wichtigste und bedeutendste Lebensregel des abendländischen Mönchtums. Sie geht auf Benedikt von Nursia (480 – 547) zurück, der um 529 das Kloster Montecassino gründete und oft als Vater des abendländischen Mönchtums bezeichnet wird.22 In der zweiten Jahrtausendhälfte setzte sich die Regula Benedicti im gesamten Bereich des Abendlandes mehr und mehr als die verbindliche monastische Lebensregel durch. Unter Karl dem Großen (748– 814) schließlich wurde die Benediktusregel zur allein gültigen und verpflichtenden Mönchsregel im Karolingerreich erhoben. Die Benediktusregel ist in ihrem gedanklichen Ansatz weit genug angelegt, um das Ziel des Klosterlebens, nämlich das gottesfürchtige Zusammenleben der Mönche, also das Koinobitentum, angemessen und befriedend zu regeln. Hierbei spielt, wie bei der Magisterregel, der pädagogische Gedanke der Herzensbildung des Mönchs eine zentrale Rolle. Am Ende des Prologs heißt es daher: „Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. Bei dieser Gründung hoffen wir, nichts Hartes und nichts Schweres festzulegen. Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren, dann laß dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. Darum wollen wir uns seiner Unterweisung niemals entziehen und in seiner Lehre im Kloster ausharren bis zum Tod. Wenn wir so in
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Geduld an den Leiden Christi Anteil haben, dann dürfen wir auch mit ihm sein Reich erben.“23
Benedikt ist in seiner Regel daran gelegen, den Mönch ganz und gar unter die Obhut des Abtes zu stellen, der seinerseits mit Augenmaß die Mönche anleiten soll. Ziel des monastischen Lebens ist es, im Glauben zu wachsen. Deswegen ist ein unbedingter Gehorsam gegenüber der Regel als „Lehrmeisterin“ vonnöten, will doch die Regel das gemeinsame Leben der Mönche zum allumfassenden gottesfürchtigen Gotteslob anhalten. Gehorsam zu sein bedeutet, unter keinen Umständen dem eigenen Willen zu folgen. Darum schreibt Benedikt im 3. Kapitel: „Die Einberufung der Brüder zum Rat“: „Alle sollen in allem der Regel als Lehrmeisterin folgen, und niemand darf leichtfertig von ihren Weisungen abweichen. Keiner darf im Kloster dem Willen seines Herzens folgen. Niemand maße sich an, mit dem Abt unverschämt oder gar außerhalb des Klosters zu streiten. Geht aber einer in seiner Anmaßung so weit, dann treffe ihn die von der Regel vorgesehene Strafe. Der Abt allerdings muß seine Anordnungen immer in Gottesfurcht treffen und sich dabei an die Regel halten.“24
Benedikt ist es also darum zu tun, mit seiner Regel eine ausgleichende, moderate Mönchsethik zu entwerfen, die es dem Mönch ermöglicht, mit seinem Leben Gott zu loben und zu ehren. „Wie es seinem Wesen entspricht, urteilt der wegen seiner discretio so hoch gerühmte Benedikt in diesem Punkt (des Lachens) differenzierter als die Regula magistri. Seine Regel geht insgesamt viermal auf das Lachen ein.“25 Das erste Mal kommt Benedikt im 4. Kapitel „Die Werkzeuge der geistlichen Kunst“ auf das Lachen zu sprechen. Dieses Kapitel behandelt zunächst, ähnlich wie die Magisterregel in ihrer Demutslehre, das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe, um dann die zweite Tafel des Dekalogs anzugehen, die ergänzt wird durch Werke der Barmherzigkeit. Diese „äußerlichen Werkzeuge der geistlichen Kunst“ werden nun durch „innere Werkzeuge der Herzensbildung“ ergänzt: Zorn, Rachsucht, Arglist, Unaufrichtigkeit sind zu meiden, Schwörverbot, Wahrhaftigkeit, Geduld, Feindesliebe, Askese etc. sind im Angesicht des Jüngsten Gerichts zu üben, um so mehr und mehr einer monastischen Ordnung des Her-
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zens verpflichtet zu leben. Diese entsagt immer und überall dem Bösen und sucht dabei Rettung in Christus und Orientierung beim Abt: „Böse Gedanken, die sich in unserem Herz einschleichen, sofort an Christus zerschmettern und dem geistlichen Vater eröffnen.“26
Wie bei der Magisterregel kommt nun im anthropologischen Interesse der Mund als Verbindungstür zwischen der Innen- und der Außenwelt in den Blick: „Seinen Mund vor bösem und verkehrtem Reden hüten. Das viele Reden nicht lieben. Leere oder zum Lachen (risui) reizende Worte meiden. Häufiges oder ungezügeltes Lachen (risum) nicht lieben. Heilige Lesungen gern hören. Sich oft zum Beten niederwerfen. Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet bekennen; und sich von allem Bösen künftig bessern.“27
Auch bei Benedikt begegnet uns also das Lachverbot im Zusammenhang der schon bei der Magisterregel aufgezeigten monastischen Anthropologie. In zweifacher Weise wird das Lachen verurteilt: Der Mönch muss zum einen mit seinem Mund das böse Reden im Zaum halten. Dies geschieht elementar im Vermeiden und Unterlassen von Worten, die das Lachen provozieren könnten. Zum anderen hat der Mönch das häufige oder gar maßlose Lachen alles andere als zu lieben. Ziel dieses Lachverbotes ist die Aufrechterhaltung der Ordnung des Herzens, die sich nur über das enthaltsame und beherrschte Leben bewahren lässt. Deswegen stellt Benedikt dem verbotenen Lachen das Beten gegenüber, dem eine heilende Wirkung zugeschrieben wird. Beten überwindet das Lachen, so Benedikt. Der Mönch ist in seinem Leben als ganze Person an Leib, Seele und Geist gefordert, die Regel des Mönchslebens zu beachten. Hierzu gehört auch die Haltung der Schweigsamkeit, die den Mund und das Herz des Mönchs zu erziehen vermag. Im 6. Kapitel „Die Schweigsamkeit“ verschärft Benedikt in Anlehnung an die Magisterregel darum sein Lachverbot: „Possenreißereien (scurilitates) aber oder müßige und zum Lachen reizende Worte verbannen und verwerfen wir für ewig an allen Orten, und zu solchem Gerede gestatten wir nicht, daß der Schüler den Mund öffne.“28
Ist der Mönch also so weit geschult, dass das „Tor des Mundes“ und das „Gehege der Zähne“ kein Lachen hervorrufendes Wort oder gar das
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Lachen selbst passieren kann, so kann sich der Mönch in die Haltung der Demut einüben. Dieses Einüben beschreibt Benedikt mit dem schon bekannten Bild der zwölfsprossigen Himmelsleiter, die den Mönch Stufe für Stufe gen Himmel zu führen versteht: „Die neunte Stufe der Demut ist es, wenn der Mönch die Zunge vom Reden fernhält und in Schweigsamkeit verharrt und bis zur Befragung nicht spricht, zeigt doch die Schrift: ›Bei vielem Reden entflieht man der Sünde nicht. Der Schwätzer hat keine Richtung auf Erden.‹ Die zehnte Stufe der Demut ist, wenn er nicht rasch und leicht zum Lachen bereit ist, steht doch geschrieben: ›Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus.‹ Die elfte Stufe der Demut ist, wenn der Mönch spricht, redet er ruhig und ohne Lachen, demütig mit Würde wenige und vernünftige Worte und in der Stimme sei kein Geschrei, da geschrieben steht: ›Den Weisen erkennt man an wenigen Worten.‹“29
Benedikt legt mit seiner Regel eine geistliche Weisung vor, die ein monastisches Leben nach dem Evangelium eröffnen will. Die so gelebte klösterliche Gemeinschaft findet ihre symbolhafte Entsprechung im Bild vom „Haus Gottes“, in dem die darin lebenden Mönche Gäste Gottes sind.30 Dieser Gaststatus zeigt sich neben der leiblichen Anwesenheit des Mönchs im Klostergebäude vor allem als geistige Gemeinschaft, ist doch im Haus Gottes selbst sein heiliger Geist anwesend, der den Leib Christi als geistig-geistliche Gemeinschaft auferbauen will. Hierfür benennt die Regula Benedicti das entsprechende pädagogische Maß in Form, Gestalt und Erscheinung des zu bildenden Mönchs. Nur wenn Schein und Sein des Mönchs in wahrhaftiger Demut einander entsprechen, ist ein gottgefälliges Leben im Hause Gottes möglich. Dieses Leben wäre ein durch den Glauben eröffnetes und darum vernünftiges Leben. Vernunft und Leben kommen bei Benedikt dadurch überein, dass beide mittels seiner Regel zur vollendeten Gottesliebe geführt werden. Es ist aber das Lachen (risus), das genau dieser vollendeten Gottesliebe im Weg steht, denn es trägt die Gefahr der Torheit – also der Unvernunft – in sich. So liegt es für Benedikt auf der Hand, dass vernünftiges Reden und Lachen sich gegenseitig ausschließen. Deswegen hat das Lachen im Leben der Mönche keinen Platz zu haben. Unsere geistige Wanderung durch das Mönchtum hat uns gezeigt: Das Mönchtum verbietet das Lachen, aus Sorge um das Seelenheil, als unvernünftige und darum nicht gottgefällige Seinsweise des Menschen.
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Ziel des durchgängigen Lachverbotes ist die Aufrechterhaltung eines heiligen Lebens, das in Gottgefälligkeit die Ordnung des Herzens und dementsprechend des Koinobitentums bewahrt. Gottgefällig aber ist ein Leben, wenn es in asketischer Vernunft geführt wird. Diese belehrt den Mönch, sein Leben und Denken am Maß des biblisch erschlossenen Lachverbots in Heiligkeit auszurichten. Darum passen Lachen und Vernunft nicht zusammen. Freilich gilt es zu bedenken, dass das monastische Lachverbot nicht im Einklang mit der Tradition des glänzenden, biblischen Lachens steht. Vielmehr geht es in geistesgeschichtlicher Hinsicht andere Wege, die in der geistigen Welt der Antike jedoch schon geebnet waren. Erst auf dem Hintergrund der spätantiken Gedankenwelt lässt sich das Verdikt des Lachens im Mönchtum verstehen.
3. Das Mönchtum und das Erbe der Antike Das Mönchtum und das Erbe der Antike
Das Mönchtum nimmt Bezug auf bereits Gedachtes und Gelebtes und formt dieses nach seinem Selbstverständnis in eine christliche Les- und Lebensart um. So durchzog der Gedanke der Eudaimonia, der Glückseligkeit als Ziel menschlichen Lebens, die antike Gedankenwelt. Die Eudaimonia hoffte man mittels Askese und Weltentsagung zu gewinnen. Im weit gefächerten geistigen Raum des Hellenismus steckten viele gedankliche Vorstellungen, die dem asketischen Leben zuträglich waren. Man denke hierbei etwa an die Pythagoräer, „auch an die Orphiker, in deren Schule wohl das bekannte Wort geprägt wurde: Der Leib ist das Grab der Seele. Solche Überzeugung schließt einen Dualismus ein, der zu einem Imperativ drängt, nach dem das ganze Leben unter dem Gebot steht, die Seele aus diesem Grab oder Gefängnis zu befreien.“31 Und auch Platon ist mit seiner Philosophie dieser anthropologischen Vorgabe gefolgt. Er hat zwar keine eigene Askeselehre entwickelt, aber ihm lag an einer Harmonie zwischen Leib und Seele. Diese wird dadurch erreicht, dass der Mensch seine Leidenschaften und Triebe in Zucht hält, dass er also selbstbeherrscht zu leben sucht. Dies gelingt umso mehr, je mehr der Mensch mit seiner Seele in einer Art Seelenschau der Wahrheit ansichtig werden, also die unvergängliche Welt der Ideen erreichen will. Dieser Denkansatz förderte in Platons Denken
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eine welt- und leibflüchtige Tendenz, die im weiteren Geschehen der abendländischen Philosophie ein weites Tor für das asketische Leben öffnete. So verkündeten die Philosophenschulen der Kyniker etwa das Lebensideal der Bedürfnislosigkeit, die der Stoa das des asketischen Lebens wie dies ebenso das apokalyptische Judentum unternahm. Das Christentum machte sich in der Zeit der frühen Kirche diese verschiedenen geistigen Traditionen zu eigen und wollte in Überbietung der asketisch-heidnischen Tradition die Gläubigen zu einem vollkommenen Christenleben erziehen. Ein Beispiel solch einer weltentsagend-asketischen Pädagogik bietet Clemens von Alexandria mit seiner Schrift Pädagogus. Und erst mithilfe dieser neu gewonnenen asketischen Hermeneutik konnten dann biblische Texte so gelesen werden, dass sie zur Begründung des monastischen Lebens dienlich waren.
3.1. Der Einfluss der Kyniker Der Einfluss der Kyniker
Die Philosophenschule der Kyniker geht auf Antisthenes (ca. 450– 365 v. Chr.), einen Schüler des Sokrates, zurück. Der Name „Kyniker“ leitet sich entweder von dem athenischen Gymnasium Kynosarges oder vom griechischen Wort für Hund: kyon (= k4vn) ab. Im ersten Fall wäre mit Kynismus die Lehre der Bedürfnislosigkeit gemeint, die Antisthenes wohl als Lehrer am Gymnasium Kynosarges verkündet haben soll. Im zweiten Falle wäre mit Kynismus – als „Lehre vom Hund“ – die schamloseste Vereinfachung des Lebens auf Animalisches gemeint, die als Protest gegen jegliche gesellschaftliche Konvention und Rücksichtnahmen einschließlich aller Tabus verstanden werden will.32 Beide Deutungen kommen aber darin überein, dass der Kynismus den Verzicht auf die in der Gesellschaft angebotenen Güter lehrt und damit einer Autarkie im umfassenden Sinne das Wort redet. Dem entsprach, dass die Kyniker keinen Beruf ausüben und kein Geld verdienen wollten. Ihr ethisches Ziel war ein Leben in der Haltung der Bedürfnislosigkeit und der Freiheit von allen Belastungen des Besitzes. Zudem wollten die Kyniker auch aller anderen Bindungen an Familie, Polis, Gesetz, Sitte und Tradition ledig sein. Durch auffällig ärmlich gehaltene Kleidung, etwa das Tragen des einfachen Philosophenmantels, machten sie zugleich in
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Das Lachen im Mönchtum
der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam, um sodann dem Volk ein radikales „Zurück zur Natur“ als Lebensmaxime zu verkündigen. Dies geschah mitunter auf grobe und derbe Weise, ein Umstand, der sich bis heute im Adjektiv „zynisch“ widerspiegelt: Das zynische, also das verletzend-spöttische Reden entstammt etymologisch dem Wort „kynisch“. Zur kynischen Ethik gehörte zudem auch die Kritik an Reichtum und Luxus. So verkündete Antisthenes: „Reichtum macht nicht glücklich“33,
ein Gedanke, der den Menschen die Haltung einer natürlichen Bedürfnislosigkeit nahebringen wollte. Nach Diogenes Laertios, dem antiken Biografen der griechischen Philosophen, lehrten die Kyniker „ein genügsames Leben zu führen, sich zu begnügen mit Speisen, die unmittelbar den Hunger stillen, und mit ihrem Mantel, unter Verachtung des Reichtums, des Ruhmes und der hohen Geburt“34.
Die kynisch gepriesene Bedürfnislosigkeit zeichnet sich als möglichste Einschränkung der eigenen Bedürfnisse aus, die sich vor allem in der Verachtung alles Entbehrlichen für das Leben niederschlug.35 Es ist dann Diogenes von Sinope (ca. 400 – 323 v. Chr.), ein Schüler von Antisthenes gewesen, in dem der Kynismus seinen wohl bekanntesten Vertreter gefunden hat. Er lebte die Bedürfnislosigkeit radikal und wohnte nach mehrfachen Berichten in einer Tonne. Über ihn wird auch die Anekdote erzählt, dass er Alexander dem Großen, als dieser ihn bewundernd bei seiner Tonne besuchte und ihm einen Wunsch zu erfüllen versprach, geantwortet haben soll: „Geh mir aus der Sonne.“
Wer ein kynisches Leben führen wollte, musste sich abhärtender Übungen (Wskhsiw = áskesis) unterziehen, welche das Ideal der Bedürfnislosigkeit einüben sollten. So pflegte sich Diogenes im Sommer auf dem glühend heißen Sand wie ein Hund umherzuwälzen, während er im Winter die kalten und schneebedeckten Säulen mit seinen Armen zu umfassen suchte. Damit wollte er seine Autarkie durch eine körperlichgeistige Askese erreichen, die die menschlichen Unzulänglichkeiten der Begierden, des Wohllebens und der Unwissenheit zu überwinden vermag. Und so nimmt es nicht wunder, dass ab dem 2. Jahrhundert nach
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Christus verschiedene kynische Apostel und Wanderprediger durch die Lande zogen und für die asketische Lebensführung des Kynismus ihre Stimmen erhoben. Es liegt auf der Hand, dass das Mönchtum an diese Form des bedürfnislosen Lebens nahtlos anknüpfen konnte.
3.2. Der Einfluss der Stoa Der Einfluss der Stoa
Die Philosophenschule der Stoa wurde um 300 vor Christus in Athen durch Zenon von Kition (Zypern) gegründet und ist von einer stark kultur- und zivilisationskritischen Betonung praktischer Lebensfragen geleitet.36 Für unsere Darstellung ist ein Blick auf die Ethik der Stoa zu werfen. Im Zentrum der stoischen Ethik stehen zwei Gedanken. Erstens: Nur, wenn man zur Erkenntnis der Natur, das heißt der von der göttlichen Vernunft zweckmäßig gestalteten Einrichtung der Welt kommt, kann man auch zur ethischen Erkenntnis von Gut und Böse gelangen. Zweitens: Einzig das auf diese Weise erkannte sittlich Gute, sodann als Tugendhaltung gelebt, ist wahrhaft gut und macht die Eudaimonia, die Glückseligkeit des Menschen aus. Dementsprechend formuliert die stoische Ethik die Maxime, dass ein gutes Leben nur im Einklang mit der Natur zu finden ist, dass man also gemäß der Natur zu leben hat, secundum naturam vivere. Dies gelingt dann, wenn sich der Mensch der Einsicht öffnet, gemäß der göttlichen Vernunft (Logos) zu handeln. Diese Vernunfthaltung führt ihn dazu, seine als unvernünftig erkannten Neigungen und Affekte rigoros zu bekämpfen. Vernünftiges Leben ist daher asketisch und selbstbeherrscht. Demnach besteht das Ideal des Weisen darin, ein leidenschaftsloses, also ein im eigentlichen Wortsinn „a-pathisches“ Leben zu führen. Solche Lebensführung wäre dann tugendhaft. Dieses wird dadurch befördert, dass der Weise diese Welt als einen vom göttlichen Logos durchdrungenen Makrokosmos erkennt, der sich als zyklische Folge von Vergehen und Neuwerden teleologisch, also mit natürlichen Zielvorgaben beschreiben lässt. Verbunden ist diese Vorstellung mit einer theologisch-religiösen Kosmoslehre, die die Natur, die Welt der Menschen und der Götter umfasst und diese mit dem richtigen Verstand, dem Orthos Logos, zur Sprache bringt. Gut ist demnach derjenige, der die naturgesetzlichen Pflichten und Bestim-
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mungen erfüllt. Und frei ist demnach wiederum derjenige, der sich jeglicher affektgebundenen Haltung und Einstellung entzieht und sich über diese erhebt. Das gelingt aber nur dann, wenn man sich ganz und gar unter das Gesetz der Vernunft stellt und darum alle äußerlichen Güter einschließlich des eigenen Lebens als Adiáphoron, als GleichGültiges erkennt. Diese stoische Lebenshaltung ist dann erreicht, wenn man sich durch nichts und niemanden mehr erschüttern lässt, wenn man also in der Haltung der unerschütterlichen Seelenruhe, Ataraxie genannt, sein Leben zu meistern versteht. So verwundert es denn nicht, dass die Anhänger der Stoa selbst der Askese zugetan waren, Askese verstanden als geduldig-ausdauerndem Widerstehen von allem, was diese Vernunftordnung zu gefährden sucht. Einher ging diese stoische Ethik zugleich mit der Lehre von der Gleichheit aller Menschen, ein Gedanke, der weit über die damalige Zeit hinauswies. Im Sinne der Askese ist es darum Aufgabe des Stoikers, in Anspruchslosigkeit, Natürlichkeit und gelassener Erhabenheit sein Leben zu führen. Konkrete asketische Haltungen sind demnach Nahrungseinschränkung, Bedürfnislosigkeit in Fragen der Kleidung, der Wohnung und des Besitzes, das disziplinierte Ertragen von Kälte und Hitze, ebenso das bewusst gewählte harte Lager, das Luxusverbot sowie strenge Enthaltsamkeit in Fragen der Ehe bzw. der gänzliche Verzicht auf diese. Die späte Stoa, zu deren wichtigsten Vertretern Seneca, Epiktet und Marc Aurel zählen, war ganz diesem asketischen Tugenddenken verpflichtet. Dieses vorausgesetzt, verwundert es nicht, dass auch das Lachen in der stoischen Ethik als unziemlich für den Weisen gilt. So schreibt Seneca d. Jüngere (4 v. Chr. – 65 n. Chr.): „Einige haben es fertiggebracht, daß sie niemals lächeln; manche haben sich den Wein, andere den Liebesgenuß, manche jedes Getränk versagt; ein anderer, zufrieden mit kurzem Schlaf, hat das Wachen unermüdlich ausgedehnt.“37
Die Botschaft von Seneca ist klar zu verstehen: Enthaltsamkeit ist der Schlüssel zu einem ethisch guten Leben. Sein kurzer „Tugendkatalog“ lässt den Schluss zu, dass das Lachen in ethischer Hinsicht zum Bereich der niedrigen Beschäftigungen des Menschen zu zählen, mithin einem menschengemäßen Leben nicht würdig ist. Dieser gedankliche Umschwung, diese als geistige Befreiung verstandene Entsagung wurde
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nicht nur von Seneca vorgenommen, sondern auch vom Kaiser Marc Aurel (121 –180 n. Chr.), der als „Weiser auf dem Thron“ bezeichnet wurde. Der Einfluss der Stoa auf den Kaiser war wohl in seinen späteren Lebensjahren beträchtlich. In seinen Selbstbetrachtungen schildert er, wie er mit einer illusionslosen Deutung der Lust dem Genuss von Speisen und Getränken seine Faszination ebenso nimmt wie der wollüstigen Liebe zwischen den Geschlechtern. Erst dieser aufgeklärte Blick auf das Leben führt zur wahren Selbsterkenntnis und damit auch zur wahren Selbstbeherrschung: „Wie wichtig ist es doch, sich bei Delikatessen und ähnlichen Speisen vorzustellen, daß dies die Leiche eines Fisches, dies die Leiche eines Vogels oder Schweines ist, und wiederum, daß der Falerner(wein) der Saft einer Traube ist und das Purpurgewand die Wolle eines Schafes mit Blut einer Muschel benetzt. Und bei den Vorgängen während des Geschlechtsverkehrs (stelle man sich vor: sie sind nur) ein Aneinanderreiben von Geschlechtsorganen und eine Ausscheidung von Schleim mit einer Art Krampf; wie wichtig sind doch diese Vorstellungen, da sie den Dingen an sich nahekommen und sie durchwirken, so daß man sieht, wie beschaffen sie denn eigentlich wirklich sind; auf diese Weise muss man während des gesamten Lebens handeln und, wo die Dinge sich zu vertrauenerweckend zeigen, (muss man) ihnen das Gewand ausziehen und sich ihre Wertlosigkeit vor Augen führen und ihnen den schönen Schein wegnehmen, mit dem sie sich ein tolles Image geben.“38
Der wahrhaft Weise, so Marc Aurel, müsse in seinem Leben strebsam dieser Erkenntnis der Wahrheit verpflichtet sein, die jeglichen schönen Schein der Dinge als das entlarvt, was er in Wirklichkeit ist: wertlos. So könne der Weise in disziplinierender Erkenntnis den doch nur vordergründigen Lüsten und leeren Leidenschaften selbsterkennend entsagen und der schädlichen Haltung des Hochmuts entgehen: „Denn ein gewaltiger Wahrheitsverdreher ist der Hochmut und gerade wenn du denkst, dich mit ernsten Dingen abzugeben, dann wirst du am ehesten (von ihrem vertrauenerweckenden, aber falschen Schein) berückt.“39
Ebenso wie die Kyniker bot die Stoa dem Mönchtum Anknüpfungspunkte für eine asketische Ethik. Es stellte ein gedankliches Rüstzeug zur Verfügung, mittels dessen ein monastisches Leben vorbildlich gelebt werden konnte.
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3.3. Das apokalyptische Spätjudentum Das apokalyptische Spätjudentum
Als weitere gedankliche Bezugnahme zur Begründung des monastischen Lebensideals kann das apokalyptische Spätjudentum ausgemacht werden. Darunter versteht man allgemein eine religiöse Strömung im Judentum, die das Leben in der gegenwärtigen Welt als Unheil versteht. Dieses kann wiederum nur durch Gottes Plan überwunden werden, dem der Fromme in der Haltung des rechten Glaubens weltüberwindend entspricht: So bestraft Gott im Jüngsten Gericht die Ungerechten, reinigt darin zugleich die Welt und bestätigt öffentlich die gerechten Frommen in ihrem Glaubensleben. Ziel all dessen ist der Beginn der ewigen Herrschaft Gottes. Dementsprechend versuchten die Anhänger des apokalyptischen Judentums dem gegenwärtig-bösen, irdischen Äon mithilfe eines besonderen Glaubenseifers zu begegnen: In vorbildlicher Lebensführung wollte und sollte man schon hier auf Erden den neuen himmlischen Äon repräsentieren. Dabei spielte die asketische Lebenshaltung eine bedeutende Rolle. Auf die ägyptischen Therapeuten aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., die sich als Diener Gottes und als Ärzte der Seelen verstanden, oder auf die jüdische Heilsgemeinde der Essener von Qumran (165 v. Chr.–70 n. Chr.) ist hier zu verweisen. Letztere erkannten sich in der Rolle des „heiligen Restes Israels“ wieder, nahmen sich selbst als in der Endzeit lebend wahr und übten daher, zur geistigen Vervollkommnung, eine strenge asketische Praxis. Verstärkt wurde diese Geisteshaltung noch durch eine enge Gemeinschaftsbildung, die sich in Form einer selbstständigen Polis am besten beschreiben lässt. So schreibt der jüdisch-griechische Philosoph Philon von Alexandrien (25 v. Chr.–50 n. Chr.) über das Leben der Therapeuten: „Die Tafel bleibt rein vom Fleisch, sie bietet statt dessen Brot als Nahrung, als Zukost Salz, dem bisweilen Hysop als Gewürz beigegeben wird, um den Feinschmeckern unter ihnen zu genügen. Die aufrechte Vernunft nämlich rät ihnen, in Nüchternheit zu leben, wie sie den Priestern rät, in Nüchternheit zu opfern. Wein ist nämlich Gift, das Tollheit erzeugt, köstliche Leckerbissen aber reizen das unersättliche Geschöpf der Begierde.“40
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Auch hier wird der Vernunft wieder eine asketisch-aufklärerische Bestimmung zugeschrieben. Wer also seinen Glauben aufrecht leben, wer sich zum neuen Äon hinzugezählt wissen wolle, der müsse eben in asketischer Nüchternheit sein Leben führen. Dies gereiche ihm letztlich doch zum Heil, nur so könne dem Leben im irdisch-bösen Äon die Stirn geboten werden, nur so könne man die fleischlichen Begierden überwinden. Diese gedanklichen Vorgaben eines asketischen Lebens fanden im Laufe der Zeit mehr und mehr Eingang in das jüdische religiöse Leben. Und die Christen glaubten mancherorts, sich dieser geistigen Haltung nicht verschließen zu können.
3.4. Clemens von Alexandria Clemens von Alexandria
Die antike Tradition verstand das Lachen, so es sich in gebildeter Manier vollzog, als ein dem Menschen angemessenes anthropologisches Merkmal. Wir sahen schon, dass Aristoteles die Haltung des wohlanständigen, schönwendigen Lachens als Kennzeichen eines gebildeten Menschen ausgegeben hat. Die dem Aristoteles folgende Tradition begriff den Menschen daher als homo risibilis, als des Lachens fähigen Menschen. In dieser Linie weiterdenkend, ist es geradezu ein Proprium des Menschen, dass er wohlgesittet lacht. Im Gegenüber und in Abgrenzung zu dieser heidnischen Tradition versuchte nun das Christentum frühzeitig, das Lachen neu zu definieren. Leitgedanke hierbei war die rechte Nachfolge Christi, die wiederum ihren Maßstab im Leben Jesu vorfand, wie es in den Evangelien niedergeschrieben war. Wir sahen schon, wie Basilius von Caesarea das Lachverbot als ein Kennzeichen der rechten Nachfolge Christi eingeführt hat: Da Christus nie gelacht habe, könne und dürfe auch der Christ nicht lachen. Vernünftiges Leben sei demnach ein lachfreies Leben. Dem frühchristlichen Denken und Glauben galt das Lachen immer weniger als geistig-gebildete Fähigkeit des Menschen, sondern mehr und mehr als das Gegenteil hiervon: als tumber Ausdruck niedriger und unvernünftiger Tätigkeiten. Diese Umdeutung des Lachens ist freilich einem antik-asketischen Menschenbild geschuldet, welches weit ins Mittelalter hinein wirksam war und den Menschen in edle und unedle
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Körperbereiche unterteilte: Edel sind Kopf und Herz, unedel sind Bauch, Hände und Geschlecht. Gott aber hat dem Menschen zum rechten Gebrauch des Körpers die Augen, die Ohren und den Mund als „Zäune“ gegeben, die die Wege in und aus dem Körper nach gut und schlecht öffnen oder versperren können.41 Die Vernunft und der Wille des Menschen wohnen demnach im Kopf bzw. im Herzen, während im Bauch die niedrigen fleischlichen Gelüste und Begierden angesiedelt sind. Das Lachen aber kommt aus dem unedlen Bauch, es erschüttert gar den ganzen Körper und führt den Menschen darum in eine unheilige Haltung: Der Bauch dominiert über den Kopf. Das aber ist dem Menschen nicht angemessen. Der christlich gesinnte Mensch verzichtet deswegen auf das Lachen, so er vernünftig sein will. Bis in unsere Alltagssprache hinein haben wir übrigens diese Unterscheidung zwischen dem edlen, vernünftigen Kopf und dem unedlen, unvernünftigen Bauch noch heute präsent: Possenreißerische, zotige und vulgäre Witze werden als „unter der Gürtellinie“ liegend bezeichnet.42 Der erste bedeutende christliche Text, der das Lachen im Sinne der oben genannten christlichen Anthropologie bedenkt, stammt von Clemens von Alexandrien (ca. 150 – ca. 215 n. Chr.). Er nennt eines seiner Werke Paidagogos, welches als pädagogische Mahnrede verstanden werden will. Als biblischer Bezugspunkt dient Clemens die Erzählung vom reichen Jüngling, der in die Nachfolge Jesu treten will, jedoch aufgrund seines Reichtums davon letztlich abgehalten wird.43 „Einem alten rhetorischen Schema gemäß läßt Clemens hierin dem Appell an Gesinnung und Willen eine die Handlungen lenkende ,erziehliche‘ Rede folgen. Dabei stellt er, … ganz im Stile popularphilosophischer ,Diatribe‘, d. h. der in lebhaft-lockerem Ton vorgetragenen Behandlung von Themen praktischer Lebensführung und -weisheit, Reflexionen über alle möglichen Fragen des sittlichen und gesellschaftlichen Lebens wie Essen, Trinken, Schlafen, Kleidung, Geschlechtsleben usw. an.“44 Als all dem zugrunde liegender Kerngedanke kann die platonisch inspirierte Idee der Wirkkraft wahrhaftiger Erkenntnis ausgemacht werden, die von selbst zum richtigen, also vernünftigen Handeln führt: Die Summe der christlichen Unterweisung ist demnach nicht ein blindlings sich vollziehendes, gesetzliches Leben nach Zucht und Ordnung. Das geforderte ethisch Gute springt dem wahrhaft Belehrten sofort als vernünftiges
Clemens von Alexandria
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Leben ins Auge, „wenn anders die Christen nicht als stumme Hunde dastehen und sich, wie das liebe Vieh, zwar abmühen sollen, doch nur getrieben vom Zwang der Furcht, ohne zu wissen, was sie tun“, so Clemens.45 Die Schrift „Paidagogos“ benennt nun dieses ethisch gute Wissen und dient demnach dem Christen als alltägliche Wegeleitung zu einem Leben in der Nachfolge Christi. So ist es nicht erstaunlich, dass Clemens das Lachen nicht mehr als geistig-gebildetes Geschehen, sondern als Laster versteht, das sich in schlüpfrigen Witzen auch während der Mahlzeiten äußert. Die schönwendige, lachende Gewandtheit ist vom Kopf in den Bauch abgestiegen. Dementsprechend schreibt Clemens im „Paidagogos“ zum Thema „Wie man sich beim Trinken verhalten soll“: „Denn wie kein Vernünftiger es für richtig hält, die Augen zu schließen, bevor er zum Schlafen geht, so dürfte auch niemand mit Recht wünschen, daß die Vernunft vom Gastmahl fern bleibe, noch dürfte er gut daran tun, sie einzuschläfern, bevor man mit Handeln aufhört. Aber die Vernunft wird ihre Obliegenheiten überhaupt nie im Stiche lassen können, nicht einmal wenn wir schlafen; denn auch zum Schlafe müssen wir sie herbeirufen. Denn da die Weisheit die vollkommene Kenntnis göttlicher und menschlicher Dinge ist, die alles in sich schließt, so wird sie, insofern sie die Menschenherde beaufsichtigt, eine Kunst für das Leben und ist deshalb immer bei uns, solange wir leben, und führt immer ihre Aufgabe durch, uns zum richtigen Leben zu erziehen. Die Unglücklichen aber, die die Sittsamkeit vom Gastmahl verbannen wollen, halten für ein glücklich zu preisendes Leben die Zuchtlosigkeit bei den Trinkgelagen; ihr Leben ist aber nichts anderes als Festgelage, Rausch, Bäder, Wein, Nachtgeschirr, Faulheit, Trinken.“46
Der Christ, so ist Clemens zu verstehen, hat ein vernünftiges Leben zu führen, das von der Haltung der Weisheit geführt und geleitet sei. Deswegen kann auch die Herrschaft des Bauches in ihren verschiedenen Erscheinungsformen nicht einem Christenleben angemessen sein. Im Gegenteil: Als vorbildlich ist ein enthaltsames und genügsames Leben zu bezeichnen, das sich als solches auch beim Essen und Trinken zum gesitteten Ausdruck bringt. Denn es liegt doch auf der Hand: Verliert die Vernunft die Herrschaft über den Menschen, wird also der Kopf vom Bauch beherrscht, dann tritt eine unheilige Unordnung zutage, die den Mund und das Herz des Menschen gefährdet, indem sie der Sünde Tür und Tor öffnet:
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„Mit Recht gibt daher der Erzieher, für unsere Rettung besorgt, das strengste Verbot: ›Trinket nicht Wein bis zur Betrunkenheit!‹ Willst du fragen, warum? ›Weil dein Mund‹, so heißt es, ›dann verkehrte Dinge reden wird, und du wie im Herzen des Meeres liegen wirst und wie ein Steuermann im großen Wogenschwall.‹“47
Dementsprechend ist der Christ unterwiesen, sich im Rahmen von Gastmahlen, also bei Symposien, nur gesittet und ohne verdorbene Sinnesart zu unterhalten: Er muss alle Obszönitäten meiden und jegliche Anspielung auf Schlüpfrig-Witziges unterlassen: „Wir müssen aber ohne jede Ausnahme alles unanständiges Sehen und Hören und mit einem Wort jede häßliche Wahrnehmung von zuchtlosem Wesen, was aber in Wahrheit der Mangel an jedem feineren Gefühl ist, mit aller Macht ausrotten, indem wir uns vor der die Augen und Ohren kitzelnden und verweichlichenden Lust hüten.“48
Dies alles zusammengenommen und bedacht, liegt es für Clemens auf der Hand, nun auch das Lachen selbst zu reglementieren und ihm Zügel anzulegen. Ist doch das Lachen, vor allem wenn es sich beim Gastmahl einstellt, schnell bereit, sich unter der Gürtellinie einzufinden. Clemens geht das Lachen grundsätzlich an, da es sich doch um Grundsätzliches handelt: des Menschen Seligkeit. Im Gedanken führt Clemens hierbei noch das rüde Treiben des Komos (kMmow/komos) mit sich, bei dem Schauspieler, Komödianten, Pantomimen und Clowns zum Lachen reizen und so ihr Unwesen treiben. Deren Lachen aber offenbart im Grunde ihre lächerliche Sinnesart: „Leute, die darin geschickt sind, lächerliche oder vielmehr zu verlachende Stimmungen nachzuahmen, müssen wir aus unserem Staat ausweisen. Denn da alle Reden ihren Ausgangspunkt im Denken und in der Sinnesart haben, so ist es nicht möglich, irgendwelche lächerlichen Reden von sich zu geben, die nicht von einer lächerlichen Sinnesart ausgingen. Denn das Wort ›es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, und keinen schlechten Baum, der gute Früchte bringt‹, paßt wohl auch hier; Frucht der Gesinnung ist die Rede.“49
Dieses Verdikt der Possenreißerei ist bei Clemens allumfassend angelegt: Niemand dürfe und solle sich dazu hergeben, jemals irgendwelche Possenreißerei zu betreiben. Darüber hinaus muss man auch dem Lachen an sich noch Zügel anlegen: Das feine, gesittete Lächeln als Aus-
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druck des Menschen kann noch hingenommen werden, alles darüber Hinausgehende aber ist von Übel: „Aber auch dem Lachen selbst muß man Zügel anlegen. Denn auch das Lachen selbst zeigt, wenn es sich in der richtigen Weise äußert, feinen Anstand; wenn es aber nicht so vor sich geht, ist es ein Beweis von Zuchtlosigkeit. Denn überhaupt darf man den Menschen von allem, was ihnen von der Natur gegeben ist, nichts mit Gewalt nehmen, vielmehr muß man für alles nur das richtige Maß und die richtige Zeit bestimmen. Denn man darf nicht deswegen, weil der Mensch ein Lebewesen ist, zu dessen wesentlichen Merkmalen das Lachen gehört, immerfort lachen, da ja auch das Pferd, dessen Kennzeichen das Wiehern ist, nicht immerfort wiehert. Als vernünftige Wesen müssen wir aber selbst das richtige Maß für uns finden, indem wir das Herbe und das Übertriebene unseres Ernstes in maßvoller Weise mildern, nicht in maßloser Weise aufgeben.“50
Der Mensch ist in der Tat mit der Gabe des Lachens ausgestattet. Es ist aber gerade diese Gabe, die ihn in Verantwortung für ein gesittetes Leben stellt. Und dieser Verantwortung wird der Mensch dadurch gerecht, dass er das Lachen in ein Lächeln verwandelt: „Wenn man die Spannung des Gesichts wie die eines Instruments zu harmonischer Wirkung ein wenig nachläßt, so heißt das Lächeln, und so breitet sich Erheiterung über das Gesicht aus; dies ist das Lachen des Verständigen.“51
Der „Paidagogos“ will den Christenmenschen zu einem verständigen Wesen erziehen, das in einer guten, gottgefälligen Ordnung mit sich selbst und darum auch mit den anderen zu leben versteht. Der solchermaßen Erzogene lebt darum in der Überordnung des Kopfes über den Bauch. In Bezug auf das Lachen heißt das: Lächeln ist das Lachen des Verständigen. So zu leben wäre vernünftig und christlich zugleich. Und dieses vernünftige Leben weiß sogar das Lächeln zu kontrollieren: „Aber auch das Lächeln muß in Zucht gehalten werden; und wenn es sich um unanständige Dinge handelt, so müssen wir uns lieber errötend als lächelnd zeigen, damit wir nicht den Schein erwecken, daß wir die gleiche Gesinnung haben und uns deshalb auch daran freuen; wenn es sich aber um traurige Dinge handelt, so ziemt es sich mehr, daß wir niedergeschlagen aussehen, als daß wir uns darüber zu freuen scheinen; denn das eine ist ein Zeichen von menschlichem Empfinden, das andere läßt die Vermutung von Roheit aufkommen.“52
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Das Lachen im Mönchtum
Ein vernünftiges Christenleben ist demnach ein selbstbeherrschtes Leben, das sich in Selbstbescheidung übt, um so der Gefahr eines Zuviels an Natürlichkeit, einer Dominanz des Bauchlebens zu entgehen. Dem entspricht das Lachen, verstanden als beherrscht-feinsinniges Lächeln. Und so überrascht es nicht, dass sich das Mönchtum insgesamt diese lachkritische Tendenz zu eigen gemacht, ja diese sogar noch überboten hat, wie wir gesehen haben.
4. Monastische Hermeneutik Monastische Hermeneutik
Die bisher skizzierte gedankliche Gemengelage, bestehend aus dem Kynismus, der Stoa, dem apokalyptischen Spätjudentum sowie kirchlich-pädagogischen Modellen wie dem des Clemens von Alexandria, wanderte nun Schritt für Schritt in die Interpretation der biblischen Schriften ein und diente dem monastischen Christentum als hermeneutische Folie zur Begründung des Mönchslebens. Diese monastische Hermeneutik war auch notwendig, denn weder mit dem Alten noch mit dem Neuen Testament an sich ist das Mönchtum mit seiner Lachkritik begründbar. Im gesamten Alten Testament findet sich weder der Gedanke der Askese noch das weltentsagende Moment, wie beides im Mönchtum anzutreffen ist. Im Gegenteil: Das weltentsagende Moment verbietet sich im Alten Testament schon aufgrund des darin bezeugten Schöpfungsglaubens, von dem es heißt: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“53
Diese positive Grundstimmung zur Schöpfung und darum zum gottgegebenen Leben durchzieht weite Teile des Alten Testaments und verhinderte konsequent jegliche Weltflucht des Menschen. Und in Bezug auf die Askese steht es nicht viel anders. Einzig sogenannte Minderungsriten, verstanden als zeitweilige Aussetzung oder Reduzierung des gewohnten Lebens, könnten als asketische Vorformen verstanden werden. Diese Minderungsriten, als Ausdruck von Not und Trauer, finden ihr Ziel in der Bewahrung der kollektiven Glaubensidentität des Judentums: der Verehrung Gott Jahwes. Als konkreter Ausdruck solch eines
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Minderungsritus kann das individuelle Fasten in Zeiten der Trauer oder das kollektive Fastenritual in gesellschaftlich-politischen Krisensituationen benannt werden.54 Das sind wohl die einzigen thematischen Anklänge des Alten Testaments an das Thema Askese. Somit wird ersichtlich, dass das Mönchtum in seiner theologischen Selbstbegründung sich nicht guten Gewissens auf das Alte Testament berufen konnte, wenngleich dies in vielerlei Hinsicht dennoch geschehen ist. Möglich war dies nur über die Umdeutung alttestamentlicher Texte durch die asketisch-weltflüchtige, durch die monastische Hermeneutik. Im Neuen Testament ist die Sachlage differenzierter anzugehen. Dem Christentum ging zunächst die asketisch gesinnte Täuferbewegung des Johannes voraus, der als Eremit in der Wüste lebte.55 Die zeitlich darauf folgende Jesusbewegung unterscheidet sich nun deutlich von der Täuferbewegung, weil die Jünger Jesu keine speziellen Fastenvorschriften auferlegt bekamen.56 Zudem erscheint Jesus auch nicht als Vertreter eines speziellen Bußfastens, wie die reichlich belegten Mahlgemeinschaften mit Jesus gut bezeugen.57 Zwar kennt Jesus das vorbereitende, gottgefällige Fasten58, misst diesem aber keine zentrale Glaubensbedeutung bei. Im Gegenteil kann gesagt werden, dass der historische Jesus durchaus den Freuden des Lebens zugetan war. Unwidersprochen zitiert Jesus die öffentliche Meinung über ihn, dass er „ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder“59
sei. Überhaupt kann die wohlgesittete Mahlgemeinschaft, das neutestamentliche Symposion, als Erkennungszeichen der Jesusbewegung ausgemacht werden, wie denn die Berichte über die Einsetzung des Heiligen Abendmahls bekunden.60 Und dass es bei diesen Mahlgemeinschaften durchaus fröhlich zugegangen ist, liegt auf der Hand. Darum kann man mit Recht sagen, dass hierbei auch herzhaft miteinander gelacht wurde. So wird das gemeinsame Freudenmahl sogar ein Kennzeichen der Verkündigung Jesu: „Jesus feiert mit Wein, dem Realsymbol des Messias. Und wer Wein trinkt, muß zuvor eine gute Grundlage schaffen, gut essen also, beides war wohl für die Gesellschaft Jesu wie ein Himmelreich.“61 So weit die eine Seite. Ein demgegenüber weltkritisches Moment ist allerdings in der Verkündigung Jesu auch zu finden. Denn das von ihm verkündete Reich
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Gottes relativiert alle anderen weltlichen Werte und Verhältnisse.62 Zudem verlassen die berufenen Jünger auf sein Wort hin alle gewohnten Lebensverhältnisse und folgen ihm nach.63 Und ein Kennzeichen dieser Nachfolge ist es denn, dass die Jünger auf alle schützenden Lebensbedingungen, also auf Haus und Besitz, Eltern und Geschwister, Ehe und Kinder verzichten: „Da fing Petrus an und sagte zu ihm (Jesus): Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verläßt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen – und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“64
In diesem Geschehen kann durchaus ein Ansatz zu einem asketischweltentsagenden Leben gefunden werden. Solche und andere Worte aus dem Neuen Testament65 beförderten den Hang und Drang des Mönchtums zur Askese im Verbund mit der Weltflucht. So verwundert es auch nicht, dass in die Mönchsregeln eine Fülle von Bibelzitaten, vornehmlich aus dem Neuen Testament, Eingang gefunden hat, die das monastische Leben einschließlich des geforderten Lachverbotes zu beglaubigen suchte.
5. Der Verlust des schönwendigen Lachens Der Verlust des schönwendigen Lachens
Beide Seiten der Verkündigung Jesu, die lebensfrohe Mahlgemeinschaft und die weltkritische Nachfolge, finden allerdings im Leben der Person Jesu von Nazareth zusammen: Jesus selbst hat weder asketisch gelebt noch seine Jünger zum enthaltsamen ehelosen Leben aufgefordert. Obwohl er selbst nach den Evangelien nicht für seinen eigenen Lebensunterhalt gesorgt hat, war ihm doch das asketisch-monastische Dasein fremd, vielmehr ließ er sich von reichen Freunden und Gönnerinnen das zum Leben Notwendige geben und proklamierte im Rahmen seiner Verkündigung keinesfalls das vom Mönchtum anvisierte Armutsideal, geschweige denn das Lachverbot. Jesus war vielmehr an einer Glaubenshaltung gelegen, die sich zum einen in sorgloser Gelassenheit um irdi-
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sche Dinge und zum anderen in tiefem Vertrauen zu Gott als himmlischem Vater lebenszugewandt äußerte. Mit anderen Worten gesagt: Jesus war am rechten Maß einer wohlanständigen Gewandtheit gelegen, wie seine weisheitlich inspirierte Rede vom sorgenfreien Leben in der Bergpredigt bekundet: „Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Felde so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage hat.“66
Dieser Gedanke Jesu mündet in die Haltung der Eutrapelia: der aus der Antike bekannten wohlanständigen Gewandtheit. Jesus erschließt diese in Zuversicht auf Gott, den himmlischen Vater. Dieses Vertrauen eröffnet als menschengemäßes Maß sittliche Gewandtheit und demnach auch Selbstbeherrschung: Sorgenfrei lebt derjenige, der die rechte Mitte zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig findet, der also zu unterscheiden weiß zwischen aufreibender Sorge einerseits und ahnungsloser Unbedarftheit andererseits. Diese Kunst der Unterscheidung führt dann eben nicht in die Haltung der Askese und Weltentsagung, sondern in die der Eutrapelia: der schönwendigen Gewandtheit. Mit dieser lernt der Jünger Jesu, zuversichtlich durch sein Leben zu gehen und in der Welt zu bestehen.67 Ein entsprechender Ausdruck hierfür wäre das
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„glänzende Lachen“ der Seligpreisung Jesu nach Lukas 6, 21b. So zumindest kann Jesus verstanden werden. Auch bei Paulus, der vielfach für das asketisch-weltentsagende Denken namhaft gemacht wird68, finden sich Anklänge an die Eutrapelia. So schreibt Paulus, die Dimension von Glauben und Welt vor Augen: „Das sage ich euch, liebe Brüder: Die Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als gebrauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.“69
Zweifelsohne lässt sich dieser Text durchaus im Sinne der stoischen, der kynischen, der apokalyptisch-jüdischen Ethik oder im Sinne des Clemens von Alexandria lesen. Und so geschah und geschieht dies oftmals, bis heute. Aber dieser von Paulus geformte Gedanke lebt nicht von den genannten ethischen Entwürfen, sondern von der theologischen Vorstellung der baldigen Wiederkunft Christi, Parusie genannt. Dieser Parusiegedanke verortet das Ziel menschlichen Lebens in die himmlisch vernommene neue Welt Christi, im neuen Äon. Somit redet Paulus hier nicht dem Ideal der Bedürfnislosigkeit, der Askese oder der verneinenden Weltflucht das Wort. Vielmehr verkündigt er eine theologisch-geistige Freiheit gegenüber der irdischen Gebundenheit des Menschen, die den Glaubenden in der Haltung des Gottesdienstes gerade wiederum an das Leben in dieser vorläufigen Welt verweist.70 Diese im Glauben erlebte Freiheit erlaubt es dem Menschen, das Leben im erlösenden Schatten des Kreuzes Christi zu bedenken. Mit diesem Gedanken überwindet Paulus geradezu das asketisch-weltflüchtige Ideal der Antike, indem er dem Gläubigen eine Lebenssicht eröffnet, Schmerzen als Schmerzen, Leiden als Leiden zu benennen, ohne dabei die Schmerzen des Lebens und das Leiden am Leben theologisch oder ethisch zu überhöhen: So wie Christus das Leid und den Schmerz des Lebens erfahren und als Mensch wirklich durchlitten hat, so bleibt auch der Christ zeit seines Lebens von diesen Erfahrungen nicht verschont, Askese hin, Askese her. Nicht die stoische Apathie, nicht die kynische Autarkie, nicht die jüdische Apokalyptik sind für Paulus Vorbild im Denken, sondern der Glaube an den auferstandenen Christus. Für Paulus ist nämlich dieser
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Glaube gerade die Antwort auf das durch Leid und Schmerz hervorgerufene Erfahrungsdefizit im Leben. Und dieses Erfahrungsdefizit findet seine gedankliche Entsprechung im verheißenen neuen Äon der Liebe Christi, von der den Glaubenden nichts und niemand je trennen kann: „Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“71
Auch bei Paulus lässt sich die in der Antike wohlbekannte Haltung der Eutrapelia finden: Der Christenmensch ist über die Glaubensgewissheit allem Extremen enthoben, er ist über die Liebe Gottes in eine Seinssicherheit gestellt, die den Christenmenschen in die Eutrapelia, in die sich schön schickende Gewandtheit als Lebenshaltung stellt. Schon Thukydides (vor 455 – ca. 400 v. Chr.) ist die Haltung der Eutrapelia bekannt. So lässt er den Perikles während des Peloponnesischen Kriegs in der berühmten Gefallenenrede Folgendes sagen: „Zusammenfassend sage ich, daß unsere Stadt im Ganzen die Schule von Hellas sei und daß jeder einzelne Bürger, wie ich glaube, bei uns in vielseitigster Weise und mit Charme im höchsten Grade wohlgewandt (entrap0lvw = eu- = schönwendig) seine eigene, persönliche Art entfalte.“72 trapélos
So weit Paulus und Thukydides sowohl zeitlich als auch religiös voneinander getrennt sein mögen, beide betonen die vielseitigen Weisen und höchsten Formen, in denen sich das Menschenleben innerhalb der athenischen Polis bzw. der christlichen „Polis“ wohl- und schönwendig entfalten kann. Beide legen also ihrem Denken die Tugendhaltung der Eutrapelia zugrunde. Der eigentliche Gewährsmann der Entfaltung des Gedankens der Eutrapelia ist aber Aristoteles. Wir sahen schon, wie er das schönwendige, wohlgesittete Lachen als dem Menschen gemäß darstellt. So beschreibt er in seiner „Nikomachischen Ethik“ solche Menschen als im höchsten Grade schönwendig und wohlgewandt (entrap0lvw = eutrapélos), die die rechte Mitte zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig beim Scherzen finden. Aristoteles wusste also noch etwas vom Ideal des
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„ernstheiteren Menschen“. Eines von dessen Kennzeichen ist es, dass er aus einer ausgeglichenen Mitte heraus lebt, in der jede Tugend schwingt und so zur menschlichen Reife führt. Das aber ist ein schönwendiges Geschehen: „Da es im Leben auch eine Erholung gibt und bei dieser eine mit heiterem Scherz verbundene Unterhaltung, so scheint es auch hier eine angemessene Art des Verkehrs zu geben, eine Art zu sprechen was und wie man soll, und ebenso zu hören, obschon es auch wieder einen Unterschied macht, ob man bei solchen Gesprächen das Wort führt oder bloß zuhört. Offenbar findet sich aber auch hier der Mitte gegenüber ein Zuviel und ein Zuwenig.“73
Diese ausgewogene Haltung nennt Aristoteles Eutrapelia, Schönwendigkeit oder Wohlgewandtheit. Der Gedanke der Eutrapelia lebt von folgendem Spannungsbogen74: „Das eine Extrem ist der Mensch, den man einen ›bomolochos‹ nannte: Das waren jene armen Teufel, die sich um die Opferaltäre herumtrieben, um irgendeinen Happen des Fleisches zu erwischen oder zu erbetteln; im erweiterten Sinn Menschen, die um eines fetten Mahles willen allerhand Späße vortrugen und es zufrieden waren, daß man mit ihnen billigen Spott trieb. Also Possenreißer um jeden Preis. Ihnen steht als anderes Extrem der ›agroikos‹ gegenüber, der ›bäuerische‹ Mensch, auf dessen grobe Steifheit der ›asteios‹, der Mann der feinen athenischen Stadtkultur, verächtlich herabschaut.“75
Dies bedenkend, sagt Aristoteles: „Die nun im Scherzen zuviel tun, erweisen sich als Possenreißer und lästige Menschen, indem sie schlechterdings darauf aus sind, Spaß zu machen, und sich mehr Mühe geben, Lachen hervorzurufen, als etwas Anständiges zu sagen und die aufgezogene Person nicht zu verletzen. Die aber selbst niemals scherzen und denen, die einen Scherz machen, böse sind, erscheinen als steif und trocken.“76
Von diesen beiden Extremen, der billigen Possenreißerei und der steifen Humorlosigkeit, hebt sich nun wohltuend der schönwendige Mensch ab: „Die aber angemessen zu scherzen wissen, heißen artig und gewandt (en- als wüßten sie sich wohl zu wenden. Denn solche trap0lvw = eutrapélos), Scherze sind gleichsam Bewegung des Charakters, des inneren Menschen, und wie man die Körper nach ihren Bewegungen beurteilt, so auch des Menschen sittliche Eigenart.“77
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Nach Aristoteles liegt das Ideal des Menschen in der Haltung der Eutrapelia, die sich schön und wohl zu wenden weiß, mithin in feinsinniger Tugendhaltung den ganzen Menschen nach Gesittung und Charakter ausweist: Der Mensch der Eutrapelia ist derjenige der glückseligen Mitte. Denn es gilt: „Der Possenreißer hat eine Schwäche fürs Lächerliche. Er schont weder sich noch andere, wenn er nur die Leute zum Lachen bringen kann, und sagt Dinge, dergleichen ein feinsinniger Mann nicht sagen, zum Teil nicht einmal anhören würde. Der steife und griesgrämige Mann ist für solchen Verkehr unbrauchbar. Zur Unterhaltung trägt er nichts bei und nimmt Anstoß an allem. Und doch scheint Erholung und heiterer Scherz für das Leben notwendig.“78
Erst die Haltung der feingeistigen Eutrapelia weist mithin diejenige charakterliche Wendigkeit auf, mit der ein gesittet-gebildeter Mensch sich den schönen und heiteren, den erholsamen und vergnüglichen Dingen des Lebens zuwendet, ohne sich dabei an sie zu verlieren. Die Eutrapelia ist eine geistige Eleganz der Bewegung, an der sich die Wahrhaftigkeit eines Menschen in Ernst und Heiterkeit, in Ernstheiterkeit, ablesen lässt. Man könnte auch vom taktvollen Humor reden. In der Eutrapelia begegnet uns gar der Gedanke, dass sich im schönen Spiel der Ernst des Lebens zur Glückseligkeit hin ordnen lässt: „Glückseligkeit besteht mithin nicht in den Vergnügungen, nicht in Spiel und Scherz. Es wäre ja ungereimt, wenn unsere Endbestimmung Spiel und Scherz wäre, und wenn die Mühe und das Leid eines ganzen Lebens das bloße Spiel zum Ziel hätte. Fast alles begehren wir als Mittel, ausgenommen die Glückseligkeit, die ja Zweck ist. Nun erscheint es doch als töricht und gar zu kindisch, kindischen Spielens wegen zu arbeiten und sich anzustrengen; dagegen der Spruch des Anacharsis: ›Spielen, um zu arbeiten‹, darf als die richtige Maxime gelten. Das Spiel ist ja eine Art Erholung, und der Erholung bedürfen wir darum, weil wir nicht ununterbrochen arbeiten können. Nun ist aber die Erholung nicht Zweck, weil sie der Tätigkeit wegen da ist.“79
Der aristotelischen Tradition folgend, galt einflussreichen Denkern der Antike die Haltung der Eutrapelia als gesittete Schönwendigkeit, die darüber hinaus auch noch eine spielerisch-humorvolle Feinsinnigkeit an den Tag legt. Kurz: Eutrapelia ist die schönwendige Tugend des Lachens. Begegnet uns nicht genau dieses Verständnis von sich wohl schickender Gewandtheit und taktvollem Humor in den schon zitierten Jesus-
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und Paulusworten? Diese Annahme liegt doch nahe, wie sonst könnten das in den Evangelien bezeugte historische Leben Jesu und seine Verkündigung in Einklang gebracht werden? Freilich gilt es zu bedenken: Das frühe Christentum hat sich mit seiner monastischen Hermeneutik konsequent der Vorstellung der Eutrapelia entledigt, hat sich des schönwendigen, des glänzenden Lachens selbst beraubt. Das hat seinen Grund darin, dass sich wohl unter Einfluss der asketischen Strömungen der Klang des Wortes Eutrapelia in der Sprache der Spätantike bedeutsam verschoben hat. Wer fortan jemanden mit dem Begriff Eutrapelia in Verbindung brachte, wollte ihn irgendwie verächtlich machen: Wer immer der Eutrapelia geziehen wurde, der war zwar redegewandt, aber im Sinne eines geschwätzigen Windbeutels. Das ehemals so angesehene Wort passt nun bestens in das asketische und weltentsagende Glaubensbild der frühen Kirche. Im Neuen Testament kommt das Substantiv Eutrapelia nur ein einziges Mal vor, und zwar im Epheserbrief.80 Hier ist der Umschlag des ehemals vornehmen Wortes hin zu dem nunmehr negativ qualifizierten Begriff der Possenreißerei zu finden: „Unzucht aber und alle Unreinheit oder Habgier soll unter euch keine Erwähnung finden, wie es sich für Heilige ziemt, und schändliches oder blödes Geschwätz oder Possenreißerei (eutrapelía), die sich nicht schicken, sondern weit mehr Danksagung.“81
So überrascht es auch nicht, dass Clemens von Alexandria sich in seiner Schrift „Paidagogos“ genau auf diese Stelle aus dem Epheserbrief bezieht, indem er mahnend feststellt: „Daher bewundere ich den Apostel, der auch hier uns ermahnt, keine leichtfertigen Witze zu machen und keine ungehörigen Worte zu sprechen. Denn wenn der Zweck der Zusammenkünfte zu den Mahlzeiten der Erweis der gegenseitigen Liebe, und wenn das Ziel des Gastmahls die Bezeigung freundschaftlicher Gesinnung unter den Teilnehmern ist, das Essen und Trinken aber nur (als Nebensache) zu der Liebe hinzukommt, wie wäre es da denkbar, daß wir nicht in vernünftiger Weise miteinander verkehren müßten? Wir dürfen aber wegen der Liebe auch keine Streitfragen aufwerfen.“82
Spätestens hier ist der Verlust des schönwendigen Lachens unübersehbar. Und begründet wird dies wiederum mit der Vernunft, freilich einer asketischen Vernunft, die nicht mehr die Weite und Größe der Ver-
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nunftkonzeption von Aristoteles, von Jesus und von Paulus aufweist. Dieser Negativbefund in Bezug auf das schönwendige, glänzende Lachen ist fortan ein fester Bestandteil der christlich-kirchlichen Kultur, wie dies am Mönchtum gezeigt werden konnte. Erst die Renaissance und die Reformation haben das schönwendige, glänzende Lachen, die Eutrapelia, wieder entdeckt.
6. Resümee Resümee
Das abendländische Mönchtum kann dem Lachen nichts Gutes abgewinnen, erschüttert doch das Lachen den Menschen an Leib, Seele und Geist. Wer also lacht, zeigt sich als unbeherrscht und unbesonnen, legt demnach eine dem Christen unwürdige Lebensart an den Tag. Das Mönchtum stand in seiner lachkritischen und asketisch-weltflüchtigen Haltung nicht allein da. Vielmehr nahm es geistige Anleihen bei den Kynikern, den Stoikern, dem apokalyptischen Judentum und entwickelte in dieser Gemengelage eine monastische Hermeneutik, mit der die gesamte biblische Tradition als Begründungslicht für das monastische Leben genommen werden konnte. Begünstigt wurde diese Entwicklung noch dadurch, dass sich die aus der Antike stammende Vorstellung des schönwendigen, glänzenden Lachens (Eutrapelia) in der Sprache der Spätantike und der Koine zum Negativen gewandelt hat: Das sittlich wohlgeschickte Lachen wurde nun selbst der billigen Possenreißerei zugeschlagen. Clemens von Alexandria nimmt in seiner Schrift „Paidagogos“ diese geistige Gemengelage auf, entwirft damit ein christlich-ethisches Lebensprogramm, in dem auch dem Lachen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird: Der wohlerzogene Christ hat ein vernünftiges, das heißt selbstbeherrschtes Leben zu führen, in dem der Kopf über den Bauch zu regieren hat. Lachen aber kommt aus dem Bauch, Lachen ist also unvernünftig. Allerhöchstens das beherrscht-feinsinnige Lächeln könne dem Christen gestattet werden. Basilius von Caesarea entwirft seine Mönchsregeln in Bezug auf die ihm vorgegebene Tradition. Er ist es dann gewesen, der mit seinen Mönchsregeln das Lachverbot in das Mönchtum eingeführt hat. Für Basilius liegt es auf der Hand: Lachen ist unvernünftig. Denn da nach
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Das Lachen im Mönchtum
dem Neuen Testament Jesus selbst nie gelacht habe, dürfe auch der Mönch nicht lachen. Mönchsein heiße, ein vernünftiges Leben zu führen. Vernünftig sei ein Leben, das sich in Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit der Nachfolge Jesu hingebe. Das sei die rechte Lebenshaltung, die dem bezeugten Glauben entspreche. In seinen „Längeren Regeln“ verbietet Basilius daher das zügellose und unbeherrschte Lachen, weil sich hierbei doch der ganze Mensch unfreiwillig schüttelt, weil dem Lachen eine Kraft innewohnt, die andere ansteckt und ebenso zur unseligen Unbeherrschtheit verführt. Nur das sanfte Lächeln als Ausdruck der Entspannung der Seele gestattet Basilius seinen Mönchen. In seinen „Kürzeren Regeln“ verschärft er hingegen das Lachverbot nochmals: Da Christus die jetzt Lachenden verurteile, habe der Gläubige niemals Grund zum Lachen, zu gefährlich und gefährdend sei das Lachen. Für die Magisterregel ist das Lachen eine ernste Angelegenheit. Zwar sei das Lachen durchaus ein anthropologisches Merkmal, aber eben eines, das den Menschen in einem gottgefälligen Leben zutiefst gefährdet: Wer lacht, verliert für einen Augenblick die Herrschaft über sich selbst. Wer lacht, öffnet sich der Sünde. Lachen verkehrt die Ordnung von Geist und Herz, von Vernunft und Verstand und führt den Menschen ins Verderben. Das aber ist nicht gut, vielmehr muss der Mönch immer und überall vollständig Mäßigung und Enthaltsamkeit üben. Dementsprechend muss er auch seinen Mund – als Einfalls- und Ausfallstor der Sünde – beherrschen und auf immer und ewig leere und zum Lachen reizende Worte rigoros meiden. Er muss das Lachen in sein armseliges Körperchen einsperren, um so der tödlichen Gefahr der Verwirrung von Vernunft und Verstand zu entgehen. Um einer gottgefälligen Herzensbildung willen muss das Lachen immer verwehrt werden. Am einflussreichsten und bedeutendsten für das Mönchtum ist freilich die Benediktusregel des Benedikt von Nursia geworden. Benedikt versteht das Klosterleben als Schule für den Dienst des Herrn und ist daher bemüht, ein pädagogisch ausgewogenes Klosterleben zu ermöglichen. Dabei geht es Benedikt um das vernünftige Mönchsleben. Wie die Magisterregel verbietet daher Benedikt das Lachen auf dem Hintergrund der monastischen Anthropologie: Der Mönch muss das Tor seines Mundes so weit schulen, dass aus diesem keine leeren und zum
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Lachen reizenden Worte nach außen gelangen. Ziel des Lachverbotes ist nämlich die Erlangung der Gottesliebe, die im Einklang zwischen Vernunft und Leben die Ordnung des Herzens im Klosterleben darstellen und bewahren kann. Da aber das Lachen sich schnell in Possenreißerei wandeln kann, steht es der vollendeten Gottesliebe im Wege und gefährdet die Ordnung des Herzens und des Klosters. Deswegen verwirft und verbietet auch Benedikt das Lachen bzw. zum Lachen reizende Worte für ewig an allen Orten. Kennzeichen eines wahren Mönches ist vielmehr das ruhige und bedachte Reden, das in Demut ganz auf das Lachen verzichtet. So liegt es für Benedikt auf der Hand, dass sich vernünftiges Leben und Lachen gegenseitig ausschließen.
Kapitel V
Das Lachen in der Reformationszeit
Das Lachen in der Reformationszeit
Bedingt durch den Einfluss des Mönchtums wurde dem Lachen in der gehobenen mittelalterlichen Literatur kaum Bedeutung beigemessen. Nichtsdestoweniger feierte das Lachen auch im religiösen Brauchtum des Volkes fröhliche Urständ. Hierauf hat Michail Bachtin bereits in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hingewiesen.1 So findet sich im Spätmittelalter der Brauch des Osterlachens (risus paschalis), der während der Ostergottesdienste geübt wurde. Das Osterlachen bestand im Allgemeinen darin, dass der Priester im Rahmen der Osterpredigt ein erheiterndes „Ostermärlein“ dem Kirchenvolk vortrug, um es zum Lachen zu bringen: Dieses Lachen wollte dem auferstandenen Christus nachempfunden sein, der als strahlender Sieger über den Tod und als schönwendig Lachender der Garant ewigen Lebens ist. Im Laufe der Zeit jedoch wandelte sich der risus paschalis mehr und mehr ins Possenreißerische, indem auf schamlose Weise Geschlechtliches und Obszönes in Wort und Tat augenfällig feilgeboten wurden. Darum kam das Osterlachen letztlich im 19. Jahrhundert zum Erliegen.2 Aber auch anderweitige Lachtraditionen finden sich im vielfältigen Volksbrauchtum wieder: so etwa das aus einer Verhexung erlösende Lachen oder das Rosenlachen, bei dem im Märchen dem Helden die Macht zukommt, mit seinem fröhlichen Lachen Blumen zum Blühen zu bringen, sodann das Lachen von Wunderkindern, die nach der Geburt nicht weinen, sondern sogleich lachen.3 Hinter alldem steht die Erkenntnis, dass Lachen lebensdienlich ist und es schlichtweg nicht verhindert oder untersagt werden kann. Zugleich aber belegt die Fülle von Lachsituationen, dass das Lachen sich immer zwischen den Polen der zotigen Possenreißerei und der Schönwendigkeit bewegt. Des Men-
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Das Lachen in der Reformationszeit
schen bewegliche Vernunft zeigt sich indes im lebendigen Zusammenspiel von Lachen und Schönwendigkeit. Menschliches Leben wird nämlich unvernünftig, wird ihm das Lachen in seiner Schönwendigkeit verwehrt. Das zumindest meinen Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus und Martin Luther. Alle drei Genannten erheben ihr feinsinniges Wort für die Wiederentdeckung des schönwendigen Lachens als Ausdruck eines gebildeten Menschen. Aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen mit dem Klosterleben sind ihre Ausführungen und Gedanken zum Lachen zugleich als gebildeter Widerspruch gegen das monastische Verdikt des Lachens zu verstehen.
1. Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit
Im Jahre 1511 legte Erasmus von Rotterdam4 (1469? –1536) in lateinischer Sprache der gebildeten Öffentlichkeit sein ironisch-satirisches Buch „MVRIAS EGKVMION (= MORIAS ENKOMION) SIVE LAUS STULTITIAE“, zu Deutsch „DAS LOB DER TORHEIT“ vor. Diese wohl berühmteste Schrift des Erasmus beleuchtet mit brillanter humanistischer Bildung, rhetorisch geschultem Geist und in philosophischer Beredsamkeit das Wesen der Torheit. Im 15. Jahrhundert war diese zu einem beliebten Motiv von Dichtern5 und Malern6 geworden, die sie als Weg zur höchsten Versuchung und Sünde geißelten. In bewusstem Widerspruch hierzu gibt Erasmus der Torheit nun ein heiteres und zum Lachen anregendes Antlitz: Als olympische Göttin, von Vater Plutos, dem alles beherrschenden Gott des Reichtums gezeugt, und von Mutter Neotes, der schalkhaften Nymphe der stürmischen Jugend geboren, übt die Torheit eine universale Weltherrschaft aus, unter der das gesamte Leben zum Stehen kommt. Indes: Wer immer die Wirksamkeit der Göttin Torheit richtig erkennt, dem wandeln sich zu guter Letzt Untugenden zu einem närrisch-befreiten Leben, das in seiner Tollheit der Wahrheit auf die Spur zu kommen vermag. Erasmus widmete diese Schrift seinem Freund Thomas Morus, dessen latinisierter Familienname (er hieß eigentlich More) ihn zu dieser Schrift inspiriert hat. Das griechische Wort für Torheit lautet nämlich Moria (= mvr2a). So schreibt Erasmus an Morus:
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„Da ich nun unbedingt etwas treiben wollte, … kam es mir in den Sinn, zur Unterhaltung eine Lobrede auf die Moria, wie die Griechen sagen, auf die Torheit zu verfertigen. ›Eine schöne Muse, die dir solches eingab!‹ wirst du sagen. Nun, vor allem danke ich die Idee deinem Namen Morus, der dem Namen der Moria geradeso ähnlich ist, wie du selbst ihrem Wesen unähnlich bist; man kann aber – darüber ist alles sich einig – unähnlicher gar nicht sein. Und dann glaubte ich, ein solches Spiel der Phantasie werde besonders dir gefallen; denn ein Scherz wie dieser – er ist, will ich hoffen, weder vulgär noch überall witzlos – machte dir stets großen Spaß, und ohnehin schaust du das menschliche Treiben mit den Augen eines Demokrit7 an, nur daß du bei allem scharfen Verstand, der dich weit von den landläufigen Ansichten wegführt, zugleich der umgänglichste, gemütlichste Mensch bist, der doch wieder mit allen auf alles einzugehen vermag und liebt.“8
Mithilfe eines Gedankenspiels der Fantasie entwirft nun Erasmus im Geiste der humanistischen Bildung eine Lobrede auf die Torheit, die sich anschickt, alle nur denkbaren Unzulänglichkeiten mit scharfem Verstand zu benennen und mit freundlicher Umgänglichkeit einer geistigen Klärung zuzuführen. Kommen doch die Moria (Torheit) und Morus darin überein, alles in der höheren, gebildeten Ordnung einer lachenden Vernunft zu ergründen: Mit ihrer scharfen Barmherzigkeit eröffnet die Göttin Torheit einen wahren Blick für das Leben. Wer immer in Torheit lebt – das tun alle Menschen –, der ist in Wahrheit frei von der Last der Mühsal, des Alters, der Krankheit. So verkündet die Torheit ex cathedra: „In dieser Herrlichkeit kam ich zur Welt, und darum begann ich mein Leben auch nicht mit Weinen – mein erstes war, die Mutter herzig anzulächeln.“9
Erasmus ist daran gelegen, einer lachenden Torheit das Wort zu reden, die es versteht, hinter dem blendenden Schein der unzulänglichen Wirklichkeit die höhere göttliche Ordnung der lachenden Wahrheit aufleuchten zu lassen. Insofern treffen in der lachenden Torheit die Vernunft und das Himmlische versöhnt aufeinander. So listet Erasmus in Bezug auf die griechische Mythologie eine Fülle von menschlichen Lastern und Schwächen auf, freilich mit dem erlösenden Schluss, dass die Torheit über diese als errettende Königin herrscht: „Die also dort mit den hochgezogenen Brauen ist die selbstgefällige Philautia (= Selbstsucht); die andere – ihre Augen lachen euch an und ihre Hände regen
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Das Lachen in der Reformationszeit
sich zum Klatschen – ist die schmeichelnde Kolakia (= Schmeichelei); die dritte dort, die schlaftrunken einzunicken scheint, die gedächtnisschwache Lethe (= Vergessen); die nächste, die beide Ellenbogen aufstützt und die Hände verschränkt, die bequeme Misoponia (= Arbeitsscheu); die folgende, die den Kranz von Rosen trägt und von Salben trieft, die freudetrunkene Hedone (= Lust); die da mit dem irren, unsteten Blick die gedankenlose Anoia (= Unverstand); ihre Nachbarin mit dem blühenden Gesicht und der stattlichen Leibesrundung die üppige Tryphe (= Schwelgerei/Hochmut). Auch zwei männliche Gottheiten seht ihr bei den Mädchen – dort den ausgelassenen Komos (= orgiastischer Umzug), der bei keinem Gelage fehlt, und hier Hypnos (= Schlaf), den Langschläfer. Das ist Huius10, mein Gefolge, und ich sage euch: dank seinen treuen Diensten unterwerfe ich alle Welt meinem Willen und bin Königin über die Könige.“11
Nachfolgend lässt Erasmus in witziger Weise die göttliche Rednerin Torheit ausführen, dass die gesamte Menschheit, ja selbst die Götterwelt ihr Dasein letztlich nur ihr, der Torheit, verdankt. So verkündet sie strahlend: „Was könnte süßer sein als das Leben an sich? Aber daß es entsteht – wer darf sich das gutschreiben außer mir? … Der Göttervater (= Zeus) und Menschenbeherrscher selbst … muß ja seinen dreizackigen Blitz daheim lassen …, muß wie ganz ein Komödiant eine Maske anziehen, der Ärmste, sobald er einmal tun will, was er nicht selten tut – ein Kindlein zeugen. … Und warum nicht noch deutlicher reden, wie das doch meine Art ist? Was meint ihr: ist es der Kopf, das Gesicht, die Brust, die Hand, das Ohr, kurzum, ein sogenannter edler Teil, was einem Gott, was einem Menschen das Leben gibt? Ich denke nein; vielmehr ein dermaßen törichtes, dermaßen lächerliches Etwas am Menschen ist der Stammhalter seines Geschlechts, daß man es, ohne zu lachen, gar nicht nennen kann; aber dieses Etwas ist der wahre heilige Quell, aus dem alle Wesen ihr Leben schöpfen. … Es ist schon so: mein Werk ist jener Rausch, jenes lächerliche Getändel, dem die hochnäsigen Philosophen entstammen – Mönche heißt man sie heute – und die purpurgeschmückten Könige und die frommen Priester und schließlich alle die Götter der Poeten, eine so große Gesellschaft, daß sie im Olymp kaum mehr Platz findet, wie weit er sich auch dehnt.“12
Erasmus ist rhetorisch geschickt genug, seine nachfolgende Kirchenund Gesellschaftskritik aus dem Munde der Göttin Torheit so eloquent darzubieten, dass die Ausführungen keine Angriffsfläche bieten. Denn alles entspringt der Torheit – als der Weisheit letzter Schluss. Und dieser
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besteht nach Erasmus in einem befreienden, geradezu in einem olympischen Lachen. Man wird hierbei unwillkürlich an das homerische Gelächter erinnert. Denn die Torheit thront im Himmel und herrscht auf Erden, ja in das erlösende Lachen der Torheit kann nur derjenige einstimmen, der gebildet ist. Wer aber will das nicht sein? Wer hier nicht mitlacht, der bekundet selbst seine Ungebildetheit. So lebensklug und weise, so lachend und darum vernünftig trägt Erasmus seine ironische Satire vor, dass in allem, was die Torheit vom Katheder herab als Eigenlob verkündet, immer die erlösende Wahrheit zum Vorschein kommt: „Sei nun so gut, du dummer Weiser, und erwäge, wie viel Angst und Sorge auf dein Herz Tag und Nacht einstürmt und es zermartert, trag alles Weh und Leid deines Lebens auf einen Haufen zusammen – dann wirst du endlich erkennen, wie viel Schweres ich meinen Dummköpfen erspare. Und nicht nur sie selbst sind in einem fort lustig und scherzen, trällern und lachen; auch jedem andern, wohin sie kommen, bringen sie Behagen, gute Laune, Unterhaltung und Fröhlichkeit mit: man möchte glauben, die Güte der Götter habe sie just dazu der Welt geschenkt, daß in den düstern Ernst des menschlichen Lebens ein Sonnenstrahl scheine. … Die Toren gehören eben auch wirklich den Göttern, vor allem mir, und darum sind sie mit Recht bei jedermann angesehen.“13
Diese entlarvend-erleichternd vorgetragene Wahrheit verkündigt die Torheit stets im Gestus der befreienden Narrenrede, im Gestus des lachenden Dritten. So resümiert die Torheit: „Kurzum – es gibt kein Zusammenleben, das ohne mich erfreulich oder dauerhaft wäre: kein Volk könnte den Fürsten mehr ausstehen, kein Herr den Knecht, keine Zofe die Dame, kein Lehrer den Schüler, kein Freund den Freund, kein Weib den Mann, kein Vermieter den Mieter, kein Kamerad den Kameraden, kein Tischgenosse den Tischgenossen. Sie müssen eben einander zuliebe bald fünf gerade sein lassen, bald zum Schmeicheln sich verstehen, bald ein Auge klug zudrücken, bald mit dem Honig der Torheit sich bei Laune erhalten.“14
Die Torheit singt ihr eigenes Lob, den Menschen zum Trost und zur Selbsterkenntnis: die Torheit als wahre Heilerin des Menschengeschlechts: „Wird der einen anderen lieben, der sich selber haßt? Wird der mit einem anderen harmonieren, der mit sich selber hadert? Wird der einen anderen
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Das Lachen in der Reformationszeit
erfreuen, der sich selber quält und schulmeistert? Das behauptet doch nur, wer törichter ist als die Torheit. Nun aber: wer mir die Türe weist, kann nicht nur mit keinem anderen sich vertragen – sein eigenes Ich wird ihm zuwider, sein eigenes Wesen ekelt ihn an, er wird sein eigener Feind. … Und überhaupt – ohne meinen Zuspruch wagt keiner etwas Großes, und keiner hat eine der herrlichen Künste erfunden ohne meine Führung.“15
Die Torheit, so ist Erasmus zu verstehen, befreit den Menschen zu einem erhellend-törichten Leben, das allererst die Würde des Menschen ausmacht. Nur wer sich in dieser befreienden Torheit einfindet, kann Großes vollbringen. Darum spart Erasmus auch nicht mit einer grundsätzlichen Kritik an den Repräsentanten der geistlichen und weltlichen Bildungselite, die in ihrer stupiden Geisteshaltung dem Unbedeutenden des Lebens frönen und damit Unglück über die Menschen bringen: Die Kapitel 49 – 60 stehen ganz im Zeichen einer entlarvenden Kritik an weltlichen Ständen, Adel, Königen, Philosophen, Theologen, Mönchtum, Klerus und Papsttum, die gerade in Unkenntnis der Torheit ihre gefährliche Unbildung offen zutage legen. Um dies zu verdeutlichen, kommt Erasmus am Ende seiner Ausführungen auf ein Zentralmotiv der paulinischen Theologie zu sprechen, die Torheit des Kreuzes. Im Gefolge des Paulus steht und fällt für Erasmus ein befreites und gebildetes Christenleben mit dieser christlichen Torheit. Nur wer in dieser Torheit umfassend gebildet ist, zieht aus der närrischen Weisheit des Lebens und Evangeliums den letzten Schluss: Wer immer die lachende Vernunft der Torheit ausmerzen will, wer also alles nach starrer Vernünftigkeit und – modern gesprochen – Rationalität ordnen will, der zerstört das Leben der Menschen. Zur Beglaubigung seiner Aussagen führt Erasmus eine Fülle von Bibelzitaten an, die allesamt den Topos der Torheit zum Inhalt haben, so allen voran Paulus: „Auch Paulus, der große Heidenlehrer, steht gern zu seinem Torennamen, wenn er den Korinthern schreibt: ›Ich rede töricht; ich bin es mehr als sie‹, gerade als ob es unverzeihlich wäre, an Torheit hinter anderen zurückzubleiben.“16
So fordert die Torheit ihre Leser auf, in Sachen Torheit dem Apostel Paulus in nichts nachzustehen: „›Wir sind Toren um Christi willen.‹ Da hört ihr, wie laut ein solcher Zeuge mein Lob kündet! Aber noch mehr: dieselbe Autorität verordnet klar und
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deutlich Torheit als unentbehrliche und unfehlbar wirkende Arznei mit den Worten: ›Wer unter euch weise scheint, soll töricht werden, damit er weise sei.‹“17
Es verwundert nicht, dass die Lobrede der Torheit in Anlehnung an die Verkündigung Jesu und des Apostels auch auf die vergessene Tugend der Eutrapelia anspielt und für die Haltung der gelassenen Schönwendigkeit ihre Stimme erhebt: „Die Menschen sind allesamt Toren, auch die Frommen; selbst Christus, der doch von der Weisheit des Vaters ist, entschloß sich, um der Torheit der Menschen zu helfen, gewissermaßen ein Tor zu werden. … Als Mittel wählte er die Torheit des Kreuzes und die beschränkten, denkfaulen Apostel: ohne Unterlaß predigte er ihnen die Torheit, warnte er sie vor der Weisheit, hieß er sie auf das Beispiel der Kinder zu schauen, der Lilien, des Senfkorns, der Spätzlein, auf Wesen, denen Verstand und Urteil abgeht, die bloß von der Natur geleitet dahinleben, unbeschwert von Wissen und Sorgen.“18
Das Ziel der Torheit ist demnach eine Einweisung in den heiligen Willen Gottes, dessen konkreter Ausdruck eine gebildete Frömmigkeit ist. Diese will den Menschen als geistige Person immer wieder Einblicke in die höchsten, himmlischen Welten und heiligen Sphären eröffnen, denen gegenüber das irdische Leben tumb und ungebildet ist. Denn solch glückselig machende Torheit verwandelt alle Augenblicke zum Guten hin, „und das heißt doch nur ein klein wenig genippt (zu haben) am vollen Becher künftiger Seligkeit“19.
Es dürfte wohl kein Zufall sein, dass in einer Welt, in welcher der Zusammenhang zwischen Lachen und Vernunft als Ausdruck eines schönwendigen Lebens gedanklich verloren gegangen schien, Erasmus von Rotterdam sein „Lob der Torheit“ den Gebildeten seiner Zeit zum Bedenken anvertraute. Erasmus bekundet darin die befreiende und zugleich schönwendige Kraft des törichten Lachens. Dieses aber eröffnet des Menschen Vernunft zum Heiligen, zum Göttlichen hin. Und in diesem findet der Mensch – über die christliche Torheit – sein Heil. Darum hält Erasmus mit dieser Schrift seinen Zeitgenossen – und nicht nur ihnen – einen Spiegel vor, der aufscheinen lässt, dass der Mensch sich selbst verfehlt, wenn er ohne humanistisch-christliche Bildung lebt. Trotzdem muss
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man sich frank und frei eingestehen, dass der Mensch eben auch bei aller Bildung und allem Wissen ein Tor bleibt, der nur als Ein-Gebildeter meint, die Ordnung des Lebens selbst meistern zu können. Denn fern aller Beziehung zur himmlischen Torheit, mithin zum Heiligen und zu Gott, so kann Erasmus verstanden werden, ist der Mensch eine lächerliche Erscheinung. Dies zu verhindern bzw. zu überwinden, kann allein der lachenden Vernunft der Torheit gelingen, die um den lebenswichtigen Zusammenhang von Lachen und dem Heiligen weiß.
2. Thomas Morus: Utopia Thomas Morus: Utopia
Im Jahre 1516 legte Thomas Morus (1477 –1535) seine weltberühmt gewordene Schrift „DE OPTIMO REI PUBLICAE STATU DEQUE NOVA INSULA UTOPIA LIBELLUS VERE AUREUS“, also „EIN WAHRHAFT GOLDENES BÜCHLEIN ÜBER DEN BESTEN ZUSTAND DES STAATES UND ÜBER DIE NEUE INSEL UTOPIA“ der Öffentlichkeit vor. In diesem Büchlein wird ein fiktiver Reisebericht vorgetragen, der von der Entdeckung der Insel Utopia erzählt. Dort gewährt ein ideales Gemeinwesen seinen Bewohnern ein glückseliges Leben in kollektivem Frieden und geordneter Freiheit, in geistvoller Bildung und körperlich ertüchtigender Arbeit: Das gute Gesamtwohl eröffnet dem Einzelnen ein besseres Leben. Das dreiteilige Werk „Utopia“ (I: Prolog zum Reisebericht, II: Disputation der Frage einer gerechten Politik, III: Erzählung von der Idealverfassung Utopias) avancierte nicht nur in der europäischen Literatur zum Vorbild des späteren utopischen Denkens: Auf der Grundlage eines vernünftigen Gedankenexperiments soll mithilfe einer sozialen Kritik an den bestehenden Verhältnissen ein alternativer staatsphilosophischer Entwurf gewonnen werden, der eine frei von allen Pathologien bestehende Gesellschaft beschreibt.20 Indes: Morus weigerte sich zeitlebens, seine in lateinischer Sprache verfasste Schrift „Utopia“ in andere Sprachen übersetzen zu lassen. Verständlich wird diese Haltung, bedenkt man, worin nach Morus selbst der Anspruch dieses Büchleins besteht, nämlich „nicht weniger heilsam wie witzig zu sein“21.
Thomas Morus: Utopia
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Ein heilsamer Witz aber verliert seine zum Lachen anregende Wirkung, wird er in andere Sprachen übersetzt, vor allem dann, wenn diese heilsame Witzigkeit in gebildetem Latein als Sprache ins Wort gesetzt wird, wie es bei „Utopia“ der Fall ist. Mit seiner Schrift „Utopia“ legte Morus also kein staatsphilosophisches Werk, sondern ein humorvolles Gedankenspiel vor, dessen Adressaten die humanistischen Eliten seiner Zeit waren. Daher übersandte Morus seine „Utopia“ gleich nach ihrer Fertigstellung an Erasmus von Rotterdam und betonte in seinem Begleitbrief den humorvollen Spielcharakter seiner Schrift: „Unser Nirgendwo, das nirgends gut geschrieben ist, schicke ich zu Dir.“22
So verwundert es nicht, dass der große Humanist Erasmus die Herausgabe von Morus’ „Utopia“ übernahm, um diese Schrift den Gebildeten seiner Zeit zugänglich zu machen. Für ihn ist der humorvolle Charakter „Utopias“ auf der Hand liegend, empfiehlt er doch in einem Brief an den Humanisten William Cop, sich dieses Büchlein zu besorgen, um einmal herzhaft lachen zu können.23 Zudem: Mit seinem humorvollspielerischen Büchlein greift Morus einen sehr beliebten Brauch der Humanisten der Renaissancezeit auf, der später in Vergessenheit geraten ist: das Gedankenspiel der feingeistigen Suche nach dem Besten. Dieses Spiel begann mit der Frage: „Was ist der beste …, was ist die beste …, was ist das beste …“, also auch: „Was ist die beste Ordnung für ein Gemeinwesen?“, in Latein: „Quid optimus rei publicae status est?“24 Mit einer spielerisch-humorvollen Vernunft wurde somit die Wirklichkeit in kritischer Erschließung bedacht und einer gedanklichen Verbesserung zugeführt. Und nur diesem Spielcharakter wohnt dann eine sozialkritische Tendenz inne. Dies ist bei „Utopia“ der Fall. Geht aber das spielerische Verständnis von „Utopia“ verloren, so wird diese Schrift ihrer ursprünglichen Intention beraubt und mit anderen, dem HeilsamWitzigen fernstehenden Deutungen versehen, etwa der des staatsphilosophischen Anspruchs. So geschehen bei der weitreichenden Rezeption von „Utopia“. Indes: Nur mit der feingeistigen, humanistischen Bildung von einst lässt sich der humorvolle Geist von „Utopia“ heute wieder erkennen. Humor aber regt zum Lachen an. Darum wollte Morus mit „Utopia“ ein zum Lachen anregendes Werk, wenn man so will: eine scherzhafte Satire vorlegen.
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Ein gebildeter Blick auf „Utopia“ selbst lässt denn auch unschwer das zum Lachen anregende Denken dieser Schrift erkennen. So betont Morus immer wieder die witzige und humorvolle Bildung der Utopier, die sich etwa im geselligen Miteinander bei Tische erheiternd äußert: „Jedes Mittag- und Abendessen eröffnen sie mit der Vorlesung einer moralischen Abhandlung, jedoch einer kurzen, damit kein Überdruß entsteht. Darauf beginnen die Älteren eine anständige, aber nicht grämliche und witzlose Unterhaltung. … Man … unterlässt nichts, was die Tischgesellschaft erheitern könnte. Sie haben nämlich eine ziemlich starke Vorliebe für derlei.25“
Dementsprechend umfasst die Bildung der Bewohner Utopias einen feingeistigen Kanon bekannter Philosophen, Dichter, Historiker und Mediziner der Antike sowie die satirisch-parodistischen Dialoge des Lukian von Samosata26: „und auch Lukian mit seinen feinen und geistreichen Witzen gefällt ihnen.“27
Das Lachen in Utopia ist in allen Lebenslagen jedoch immer der Schönwendigkeit verpflichtet, während die zotige Possenreißerei allerorten verpönt ist: „An Narren haben sie viel Spaß. Ihnen etwas zuleide zu tun, gilt als sehr ungehörig; doch verbieten sie es nicht, sich an ihrer Torheit zu vergnügen, weil sie meinen, dies bringe den Narren selbst den größten Vorteil. Wer so finster und streng ist, daß er über keinen Streich und über keinen Witz lachen kann, dem vertrauen sie keinen Narren an, aus Furcht, er werde ihm keinen Nutzen bringen, ja nicht einmal Vergnügen bereiten, worin doch die einzige Begabung eines Narren besteht. Einen Missgestalteten oder Krüppel auszulachen, gilt als schimpflich und hässlich, nicht für den Verspotteten, sondern für den Spötter.“28
Nicht die zotige Possenreißerei, sondern das fröhliche Lachen gehört zum Grundmenschlichen in „Utopia“, ein Gedanke, den Morus sehr wohl im Gegensatz zum monastischen Lachverbot formuliert hat: Er selbst nahm in der Zeit zwischen 1499 und 1503 immer wieder am Klosterleben der Kartäuser im Charterhouse of London teil. Darum ist es Morus mit seiner „Utopia“ ernst: Er legt mit ihr eine gesellschaftskritische Komödie vor, als deren gedankliches Vorbild wohl Erasmus’ Schrift „Das Lob der Torheit“ angesehen werden kann. So bedient sich Morus in Aufbau, Form und Inhalt der rhetorischen Einsicht, dass man unter
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Lachen häufig das herausbringen und klären kann, was durch kein sachliches Argument klarzulegen ist. Gelingende Kritik, so kann Morus verstanden werden, bedarf des schönwendigen Lachens. Morus will demnach dem befreienden, erlösenden Lachen das Wort reden. Und er tut dies mit solch einer geistigen Feinsinnigkeit, wie sie nur der Haltung der Eutrapelia entspringen kann. Dies belegen etwa die komischen Namen in Utopia: Der Staatsgründer von „Utopia“ wird Utopos genannt, was am besten „Nirgendwo“ zu übersetzen ist; das Staatsoberhaupt von „Utopia“ heißt Ademos, welches „ohne Volk“ bedeutet; die Hauptstadt „Utopias“ heißt Amaurotum, welches unter Anspielung auf London mit „trübe Stadt“ wiederzugeben ist; der Berichterstatter über „Utopia“ wird Hythlodeus genannt, was am besten wohl mit „Feind leerer Worte“ zu übersetzen ist. Dass dieser Hythlodeus zudem noch den hebräischen Vornamen Raphael trägt, deutet auf sein heilsames Wirken hin: Raphael heißt „Gottheit der Heilung“: Der Gewährsmann für „Utopia“ will also eine inhaltsreiche, heitere Rede darbieten, die er unter humorvollem Lachen zu Gehör bringen will. Denn die verschmitzt-humoristischen Bedeutungen und Anspielungen in „Utopia“ sprangen damals jedem gebildeten Humanisten sogleich ins Auge, dem Nichtkundigen in Sachen humanistischer Bildung jedoch bleibt dieses feinsinnige Geschehen verborgen. Morus bedient sich bei seinen Ausführungen darum einer lachenden Vernunft, die ihre Ausführungen auf das befreiende und horizontverschmelzende Moment des gemeinsamen, herzhaften Lachens zentriert. In ihr kommen in reflexiver Weise Selbst- und Fremdwahrnehmung zum höchsten Einklang: im Lachen. Lachen, so kann Morus verstanden werden, ist der Schlüssel zu einem vernunftgemäßen Leben. Ein solcherart vernunftgemäßes Leben aber begreift auch die Religion zugleich als Ausdruck fröhlicher Erhabenheit. Das Christentum in seiner prekären Kirchlichkeit von damals vor Augen, erhebt Morus in „Utopia“ sein Wort für die Freiheit des Gewissens, die zu einer religiösen Toleranz drängt. Dieses sich gegenseitige Anerkennen in Fragen der Religion ist der Quellgrund wahrer religiöser Erhabenheit. So verfügte Utopos, „daß jeder der Religion anhängen dürfe, die ihm beliebe; andere aber zu seiner Religion zu bekehren, dürfe er nur insoweit versuchen, daß er seine
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Das Lachen in der Reformationszeit
Anschauung ruhig und bescheiden mit Vernunftgründen belege, nicht aber die fremden Meinungen gehässig zerpflücke; wenn er durch Zureden nicht überzeugen könne, dürfe er keine Gewalt anwenden, und Schmähworte solle er unterdrücken.“29
Dreh- und Angelpunkt aller Ausführungen von Morus ist die lachende Vernunft. Diese ist das heilsame Konstruktionsprinzip, das in „Utopia“ mit ihrer rhetorisch brillanten Sprache zum Vorschein kommt. Das rechte Verständnis von „Utopia“ steht und fällt mit dem Erkennen und Verstehen ihrer lachenden Vernunft. Denn allein diese ist in der Lage, hinter all dem Spielerischen und Humorvollen den Ernst der Lage so zur Sprache zu bringen, dass jeder Angesprochene und auch Kritisierte in ein gemeinsames, befreiendes Lachen mit einstimmen kann. Der Charme von Morus’ lachender Vernunft besteht nämlich darin, bei aller berechtigt vorgetragenen Kritik, jedem so Gescholtenen sein Gesicht wahren zu lassen. Diese gegenseitig sich anerkennende und im Lachen befreiende Haltung ist nach Morus eine notwendige Voraussetzung für eine gelingende Verständigung. Diese gelingt nicht über eine kämpferische und ideologisch verengte Parteinahme, jedoch über ein gemeinsames, herzhaftes Lachen. Lachen verbindet Ernst und Spiel, Lachen bringt im Spiel das Ernste so zum Vorschein, dass das Ernste im Erleben der Lachenden einer befreienden Klärung zugeführt wird, die über die Tragik des Geschehens hinausweist. Morus wusste aufgrund seiner vorzüglichen Bildung um diesen grenzüberschreitenden, ja transzendierenden Charakter des schönwendigen Lachens. Das Lachen führt demnach zum Guten, zum Heiligen hin, mittels dessen dann das Bessere gedacht werden kann. Genau dieses Ziel strebt Morus mit seiner Schrift „Utopia“ an: Den Ernst der Lage so ins Auge zu fassen, dass man darüber in ein gemeinsames, befreites und befreiendes Lachen – im wahrsten Sinne des Wortes – ausbrechen kann. Insofern ist „Utopia“ keine Utopie im neuzeitlichen Sinne, sondern eine Art humorvolles und zum Lachen animierendes Gedankenspiel über den besten Staat. „Utopia“ ist deswegen eine gesellschaftskritische Komödie, die im Grunde eine wesentlich ernstere Form der Wirklichkeitserfassung darstellt, als dies die Tragödie oder die späteren Formen der Utopie je konnten. Völlig zu Recht bemerkt daher der Soziologe Peter L. Berger, dass das Komische die dominante Realität relativiert, indem es den Menschen aus seinem Alltag heraus-
Martin Luthers Humor
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führt und ihn zugleich die Perspektive einer Gegenwelt eröffnet.30 Darum kommt man im Bedenken des Komischen auch ernsthaft zu der Einsicht, „daß die Komödie tiefer ist als die Tragödie“31. Morus’ „Utopia“ will mithilfe der „lachenden Vernunft“ somit die Ratlosigkeit ob aller politischen, kirchlichen und sozialen Missstände überwinden, indem all dieses im Medium herzhaften Lachens einer komisch-befreienden Klärung zugeführt wird. Und Morus wollte das befreiende Lachen bei der gebildeten Elite seiner Zeit, den Humanisten, fruchtbar werden lassen, erhoffte er sich doch von diesen wohl eine gemeinschaftsdienliche Wirkung. Denn herzhaftes Lachen steckt an. Humor, Witz und das Komische entstehen vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Not, besonders in Zeiten politischer Unterdrückung.32 Und da Morus nur zu gut um die politischen und sozialen Bedrohungen seiner Zeit wusste, griff er eben zur Sprache des Humors, des Komischen und des Lachens.
3. Martin Luthers Humor Martin Luthers Humor
Mit Martin Luther (1483 –1546) begegnet uns eine der wirkmächtigsten Gestalten des Abendlands des vergangenen Jahrtausends. Er kann ebenso wie Erasmus und Morus zum hellen Gestirn der Gebildeten seiner Zeit gerechnet werden, und die Wirkung seiner prägenden Gedanken reicht bis heute.33 Luther beherrschte die humanistische, die theologische und die rhetorische Bildung ebenso spielend wie er in Fragen des kirchlichen und monastischen Lebens äußerst kundig war. Darum lohnt ein Blick auf Luthers Lach- und Humorverständnis, welches sich freilich verstreut in seinen zahlreichen Schriften findet. In all seinem Denken und Schaffen ging es Luther um die ernste Frage des Glaubens in seiner Wahrheit. Diese war für ihn ausschließlich in der Christusreligion verbürgt, welche ihm getröstete Freiheit und heitere Gelassenheit ob des mitunter törichten Treibens in der Welt eröffnete. So bediente sich Luther auch des rhetorischen Stilmittels der Narrenrede, in der er Kritik und Wahrheitserkenntnis geschützt benennen konnte. 1520 formuliert er in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ seine grundsätzliche Kritik an Kirche und Papsttum und schreibt gleich zu Beginn:
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Das Lachen in der Reformationszeit
„Ich bin vielleicht meinem Gott und der Welt noch eine Torheit schuldig und habe mir vorgenommen, wenn mir’s gelingen mag, sie redlich zu zahlen und auch einmal Hofnarr zu werden. Gelingt mir’s nicht, so habe ich doch einen Vorteil: Es braucht mir niemand eine Kappe zu kaufen noch den Kamm zu scheren. … Es hat wohl mehrmals ein Narr weise geredet, und vielmals sind weise Leute gröblich zu Narren geworden, wie Paulus sagt: ›Wer da weise sein will, der muß ein Narr werden.‹“34
Über die töricht-erhellende Narrenrede hinaus griff Luther seine theologischen Gegner auch mit Ironie und beißendem Spott an: Wo immer Luther die reformatorischen Grundpfeiler des Glaubens: das „allein durch Glauben (sola fide)“, das „allein aus Gnade (sola gratia)“, das „allein die Schrift (sola scriptura)“ gefährdet sah, scheute er auch nicht vor dem rhetorischen Stilmittel des Auslachens zurück35, wohl wissend, dass er sich hiermit außerhalb des feinen, gesitteten Lachens bewegte, welches ihm durch seine Kenntnis von Cicero und Quintilian durchaus bekannt war. Seine Gegner verfuhren indes kaum anders. Bei alledem aber ging es Luther nicht um persönliche Verletzungen oder Demütigungen seiner Gegner.36 Vielmehr legte er immer auf das gebildete Denken und vernünftige Argumentieren Wert: „Kurzum, nicht Faustrecht, sondern Kopfrecht, nicht Gewalt, sondern Vernunft muß regieren, unter den Bösen sowohl als unter den Guten. Faust und Harnisch tun’s nicht, es müssen die Köpfe und Bücher tun.“37
Dieses Kopf- und Vernunftrecht muss immer vor allen anderen Begründungen von Glauben und Wahrheit stehen. Wo dieses nicht der Fall ist, da tut sich die Welt des Lächerlichen auf, die Luther beredt und höchst geschickt aufzuzeigen verstand. Dies ist die eine Seite von Luthers Lachverständnis. Die andere Seite zeigt sich uns, wirft man einen Blick auf Luthers Leben. Bis ins eigene Ergehen hinein war er dem denkenden Glauben verpflichtet und scheute keine persönlichen Beeinträchtigungen und Verfolgungen, wie die öffentliche Entrechtung seiner Person durch die Verhängung der Reichsacht 1521 belegt. Indes: Diese Bedrohtheit an Leib und Leben führte Luther zu der Erkenntnis, den Ernst der Lage mit einer lachenden Vernunft und Humor anzugehen. Luther wusste: Humorvolles Lachen, auch über sich selbst, befreit und erlöst aus schier ausweglosen Situationen. Sein Wirken bedenkend, schreibt er 1531 mit einem Augenzwinkern:
Martin Luthers Humor
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„Ich habe Christus und den Papst aneinandergehängt und bin so zwischen Tür und Angel gekommen. Gehe ich darob zu Boden, so wird’s Christus wohl richten.“38
Eine glaubend-heitere Gelassenheit angesichts des Ernstes der Lage bricht sich hier Bahn. Luther erlebt über seine glaubensbedingte Fremdwahrnehmung eine gelassene Selbstwahrnehmung. Begründet ist diese Haltung allein in Luthers Glaubensverständnis. In seiner Auslegung des ersten Gebotes im „Großen Katechismus“ 1529 hat Luther den Glauben (fides) als Zuversicht und Vertrauen (fiducia) beschrieben.39 Damit meint Luther das kindliche Vertrauen zu Gott als konkrete Form der lachenden Vernunft. Dieses kindliche Urvertrauen zu Gott birgt sich in der Glaubensgewissheit, dass der Christ in allen Lebenslagen am Sieg Christi über Sünde, Tod und Teufel teilhat, dass man mithin unter Gottes Obhut befreit lachen und leben kann. Dieses Lachen ist freilich in der höheren Erfahrung mit dem heiligen Gott begründet, dem nichts und niemand widerstehen kann. Deswegen lehrt Luther im „Kleinen Katechismus“ 1529 als Auslegung des ersten Gebotes auch: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“40
Die heilige Furcht des Menschen vor Gott, der heilige Schauer, zielt demnach auf Liebe und Vertrauen zu Gott, eröffnet somit eine Glaubensvernunft, die der Wirklichkeit ein anderes Gesicht zu geben vermag. Diese lachende Vernunft nun nimmt die Herrschaft Gottes fröhlich und zuversichtlich wahr und kann so einen Wirklichkeitsblick erschließen, der auch mit den Widerwärtigkeiten des Lebens umzugehen weiß. So sagt Luther 1531: „Wenn du von tristitia (= Traurigkeit) angefochten wirst, dann iß, trink, suche Gesellschaft auf. Wenn du dich mit Gedanken an Mädchen erfreuen kannst, tue dies.“41
Die lachende Vernunft kommt gerne bei menschlicher Geselligkeit zutage, auch in erheiternden Fantasiebegegnungen mit Mädchen, die bekanntlich viel lachen können. Diese Weite und fröhliche Weltzugewandtheit von Luthers Humor steht im markanten Gegenüber zum monastisch-asketischen Lebensideal, das Luther bestens kannte. Insofern ist Luthers Humor auch Ausdruck eines befreit-christlichen Lebens
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in lebensbejahender Weltzugewandtheit. Freilich war diese fröhliche Ungezwungenheit Luthers doch manchem zu unsittlich. So hat Aurifaber, der Herausgeber der meisten Tischreden Luthers, obiges Zitat wie folgt abgewandelt: „Nehmlich wer mit Traurigkeit, Verzweiflung oder anderm Herzeleid geplaget wird und einen Wurm im Gewissen hat, derselbige halte sich erstlich an den Trost des göttlichen Worts, darnach so esse und trinke er, und trachte nach Gesellschaft und Gespräch gottseliger und christlicher Leute, so wirds besser mit ihm werden.“42
Luther liebte aber das Leben, wie Gott es geschaffen hat. Deswegen waren für ihn Christsein und Fröhlichsein untrennbar miteinander verbunden: „Gott will, daß wir fröhlich seien, und haßt die Traurigkeit. Wenn er nämlich gewollt hätte, daß wir traurig seien, hätte er uns nicht die Sonne, den Mond und die anderen Schätze der Erde geschenkt. Dies alles gibt er uns zur Freude. Sonst hätte er Finsternis geschaffen und nicht zugelassen, daß die Sonne immer wieder aufgeht oder der Sommer wiederkommt.“43
Luther redet darum immer wieder dem gebildeten Lachen das Wort. Als er 1536 einmal die Verrohung der Sitten des Adels in Thüringen beklagte, nahm er Zuflucht zu einer humorvollen Betrachtung der schier unlösbaren Aufgabe: „Ich war neulich am Hof und predigte gar schrecklich gegen das Saufen, aber es hilft nicht. Taubenheim und der von Minckewitz sagten, es könnte an den Höfen auch nicht anders sein; es wäre Musik und alles Ritterspiel gefallen, allein mit Saufen wäre jemand zu feiern. Wenn ich wieder zum Fürsten komme, will ich nicht mehr als bitten, daß er überall allen Untertanen gebieten wollte, daß sie sich vollsaufen sollten. Vielleicht lassen sie es bleiben, wenn es ein Gesetz ist.“44
Am deutlichsten freilich wird Luthers Humor im Umgang mit seiner Frau Katharina von Bora. Diese bedachte er regelmäßig mit scherzhaften Äußerungen, um ihr zu erleichtern, was sie beschwerte. Luther selbst war 1546, seinem Todesjahr, von gebrechlicher Gesundheit: „Alt, ungestalt, faul, müde, kalt und schon einäugig schreibe ich“45,
so Luther selbst in einem Brief dieser Tage. Seine Ehefrau Katharina von Bora war ihrerseits darüber schwer bekümmert und in Sorge um ihren
Martin Luthers Humor
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Mann. Zum Gedankenaustausch, zum Trost und zu ihrer Erheiterung schrieb Luther darum von unterwegs immer wieder an sie. Luthers Humor war Katharina von Bora schon durch viele Briefe gewohnt, in denen er immer wieder seinem Witz freien Lauf ließ: „Meiner freundlichen, lieben Käthen Lutherin, Brauerin und Richterin auf dem Saumarkt zu Wittenberg zuhanden“, oder: „Meiner gnädigen Jungfer, Katharinen Lutherin von Bora und Zülsdorf gen Wittenberg, meinem Liebchen“, oder: „Der tiefgelehrten Frauen Katharin Lutherin, meiner gnädigen Hausfrauen zu Wittenberg“.46
Mit solchem Sprachwitz redete Luther seine Frau mit Hochachtung und Liebe an. In seinem letzten Brief an seine Frau vom 10. Februar 1546, acht Tage vor seinem Tode, schrieb Luther: „Der heiligen, besorgten Frau, Frau Katherin Lutherin, Doktorin, Zülsdorferin, zu Wittenberg, meiner gnädigen, lieben Hausfrau. Gnade und Friede in Christo! Allerheiligste Frau Doktorin! Wir danken Euch ganz freundlich für Eure große Sorge, vor der ihr nicht schlafen könnt. Denn seit der Zeit, seit der ihr für uns gesorgt habt, wollte uns das Feuer verzehrt haben in unserer Herberge, hart vor meiner Stubentür. Und gestern, ohne Zweifel aus Kraft Eurer Sorge, wäre uns schier ein Stein auf den Kopf gefallen und hätte uns zerquetscht wie in einer Mausefalle. Denn es rieselte in unserem heimlichen Gemache wohl zwei Tage über unserem Kopf Kalk und Lehm, bis wir Leute dazu nahmen, die den Stein anrührten mit zwei Fingern: Da fiel er herab, so groß wie ein langes Kissen und eine große Hand breit; der hatte im Sinn, Eurer heiligen Sorge zu danken, wenn die lieben Engel nicht gehütet hätten. Ich habe Sorge, wenn Du nicht aufhörst zu sorgen, es könnte uns zuletzt die Erde verschlingen und alle Elemente verfolgen. Lernst Du so den Katechismus und das Glaubensbekenntnis? Bete Du und lasse Gott sorgen. Dir ist nicht befohlen, für mich oder Dich zu sorgen. Es heißt: ›Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der sorget für dich‹, Ps. 55, 23 und an vielen Stellen mehr. Wir sind, Gott Lob, frisch und gesund, nur daß uns die Verhandlungen Unlust machen und daß Jonas wollte gern einen bösen Schenkel haben, daß er sich an einer Lade zufällig gestoßen hat. So gar groß ist der Neid in den Leuten, daß er mir nicht gönnen will, allein einen bösen Schenkel zu haben. Hiermit Gott befohlen. Wir wollten nun fortan gern los sein und heimfahren, wenn’s Gott wollte, Amen. Am Tag Scholasticae 1546. Euer Heiligkeit williger Diener Martinus Luther.“47
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Das Lachen in der Reformationszeit
In diesem Brief wird sowohl Luthers Humor angesichts der ernsten Sorge seiner Frau als auch seine Selbstbelächelung im Hinblick auf die Schenkelverletzung deutlich vernehmbar. Wie ernst die Lage und das eigene Befinden auch sein mögen: Durch Witz und Humor bekommt die Wirklichkeit ein freundlicheres Gesicht. Kurz gesagt: Luther wusste um die befreiende Wirkung der lachenden Vernunft. Dies wird auch ersichtlich an manch praktischen Ratschlägen. Als ihn ein junger, unsicherer Pfarrer um Rat fragte, wie er bei der Predigt im Gottesdienst seine Angst vor der Gemeinde überwinden könne, riet ihm Luther zur humorvollen Gelassenheit: „Wann ich auf den Predigtstuhl steige, so sehe ich keinen Menschen an, sondern meine, es seiend eitel Klötzer, die do für mir stehen, und rede meines Gottes Wort dahin.“48
Und dem hochgebildeten, aber mitunter schwermütig gestimmten Freund Philipp Melanchthon rät Luther in einem Brief von 1521 freimütig: „Wenn du ein Prediger der Gnade bist, so predige keine erdichtete, sondern wahre Gnade. Wenn es wahre Gnade ist, soll sie die wahre und nicht erdichtete Sünde heilen. Gott macht nicht erdichtete, sondern wahre Sünder heil. Sei doch ein Sünder und sündige tapfer, aber glaube noch tapferer und freu dich in Christus, der ein Sieger über die Sünde, den Tod und die Welt ist. Bete tapfer, auch als der tapferste Sünder.“49
Luther redet hier einem fröhlichen und leichten Glauben das Wort, und da er mit Aristoteles, allen voran seiner „Nikomachischen Ethik“, vertraut war, liegt es auf der Hand, in diesem Ratschlag Luthers die Haltung der Eutrapelia aufleuchten zu sehen: Melanchthon soll für sich selbst als Prediger der Gnade die Haltung der Schönwendigkeit des wahren Glaubens entdecken. Diese hält, so kann Luther verstanden werden, auf der einen Seite die eigene Unvollkommenheit zum Narren, auf der anderen Seite weiß sie um die Bedrohungen von Sünde, Tod und Welt, die nicht zum Lachen sind, in Christus aufgehoben. Der Ernst der Sünde wird durch den noch größeren Ernst des Glaubens so sehr entkräftet, dass dem solchermaßen Glaubenden das freimütige und befreite Lachen zuteilwird. Diese lachende Vernunft lebt vom Glauben, der sich in Schönwendigkeit zeigt. In dieser Erkenntnis stimmte Luther mit den von ihm
Resümee
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ansonsten so verschiedenen Humanisten Erasmus und Morus überein: Lachen befreit und führt, recht verstanden, in die gelassene Haltung der Eutrapelia. So überrascht es auch nicht, dass Luther das schönwendige Lachen als Ausdruck des rechten Glaubens erachtet: „Denn wo der Glaube ist, da ist auch Lachen“50,
so fasste Luther seine praktische Theologie einmal zusammen. Das schönwendige Lachen erhebt den Menschen zu dem, wozu er nach Luther geschaffen ist: in fröhlicher Dankbarkeit Gott zu loben und ihm allein die Ehre zu geben. Luther widerspricht mit seinem Humor demnach kategorial dem monastischen Verdikt des Lachens: Schönwendiges Lachen ist Ausdruck eines vernünftigen Christenlebens.
4. Resümee Resümee
Mit seiner Schrift „Das Lob der Torheit“ hält Erasmus von Rotterdam ein Plädoyer für das gebildete Lachen, das seinerseits Kennzeichen eines gebildeten Menschen ist. Dieses gebildete Lachen erhebt sich einerseits als erlösende Torheit zu einer berechtigten Kritik an bestehenden Verhältnissen, andererseits versteht es die recht erkannte Torheit, die Würde des Menschen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen: sich in den heiligen Willen Gottes in gebildeter Frömmigkeit einzufinden. Dieser zeigt sich als Umkehrung aller Verhältnisse in der Torheit vom Kreuz, die den Menschen allererst als gebildete Person in Erscheinung treten lässt. Insofern lehrt die Torheit eine lachende Vernunft, die mehr umfasst als ungebildetes, vordergründiges Denken. Demnach zeichnet die Göttin Torheit eine befreiende, himmlisch-heilige Qualität aus, deren konkreter Ausdruck das je und je sich einstellende schönwendige Lachen ist: die Eutrapelia. Thomas Morus legt mit seiner Schrift „Utopia“ eine gesellschaftskritische Komödie vor, die als Dreh- und Angelpunkt ebenso der lachenden Vernunft verpflichtet ist. Mit feinsinniger Sprachkunst versteht es Morus, den gebildeten Leser so auf das fröhliche Lachen als grundmenschliches Moment einzustimmen, dass hierbei im spielerischkomischen Moment der Ernst der Lage einer erheiternden, ja gar
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transzendierenden Klärung zugeführt wird: das gemeinsame herzhafte Lachen als höchste Form von gelingender Gesellschaftskritik, die Eutrapelia als gebildete Tugendhaltung. Martin Luther nun entdeckt und beschreibt das Lachen des wahren Glaubens. Deshalb ist für ihn falscher Glaube in jeder Form eine lächerliche Erscheinung, welcher mit Narrenrede und ironischen Spott entlarvt wird. Umgekehrt drängt der wahre Glaube zur Heiterkeit und zum gelassenen Lachen. Begründet ist diese Haltung im kindlichen Vertrauen des Menschen auf Gott, der in seiner Heiligkeit den glaubenden Menschen zum befreiten Lachen führt. Selbst der Ernst der persönlichen Situation wird in diesem Glauben einer lachenden Vernunft zugeführt, die das Schwere und Ungewisse des Lebens in einem heiteren Licht erscheinen lässt. Hat man den Glauben recht verstanden, eröffnet sich eine Lebenszugewandtheit, die sich als Schönwendigkeit zeigt: Eutrapelia als Ausdruck des Glaubens. Zusammenfassend kann man also festhalten, dass bei aller Verschiedenheit Erasmus, Morus und Luther das schönwendige Lachen als dem gebildeten Menschen gemäß erachten. Das monastische Lachverbot wird seinerseits im Lachen überwunden. Kernpunkt hierfür ist ein Verständnis der menschlichen Vernunft, das den Ernst des Lebens in ein gemeinsames, befreiendes Lachen hinein auflöst: die lachende Vernunft als göttliche Gabe, der sich der Mensch in Bildung bedienen kann.
Kapitel VI
Das Lachen als philosophische Wegweisung Das Lachen als philosophische Wegweisung
Aus der weiten Welt der neuzeitlichen Philosophie kommen nun zwei Vertreter zu Wort, deren Gedanken und Erkenntnisse grundlegend die Lehren der jeweils nachfolgenden Philosophen bestimmt haben: Es sind dies Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche. Ohne Kant lässt sich das geistesgeschichtliche Projekt der Aufklärung kaum erfassen und denken, ohne Nietzsche kann man die Moderne mit ihrem Drang zur Auflösung von Wahrheit in die menschengemachte Wirklichkeit nicht hinreichend begreifen. Insofern sind ihre Überlegungen als philosophische Wegweisung zu verstehen, die auch das Lachen grundsätzlich bedacht wissen will.
1. Kants Lächeln Kants Lächeln
Dem großen Philosophen Immanuel Kant (1724 –1804) wird das Attribut des „Alleszermalmers“ zugesprochen: Der geistigen Ausrichtung seiner Zeit folgend, habe er mit der Kraft des aufgeklärten Denkens alles kritisch geprüft und hinterfragt. Demnach müssen sich Majestät und Gesetzgebung, Denken und Religion, Sittlichkeit und Ethik nicht nur diesem Anspruch stellen, sondern auch unterwerfen. Mit seiner gedanklichen Schärfe und Klarheit gilt Kant als der Aufklärer der Deutschen schlechthin. So verwundert es nicht, dass man Kant bis heute nicht den geringsten Sinn für Humor zuerkennt, ein Verdikt, das der Philosoph sogleich mit folgendem Satz kontert: „Die Deutschen haben keinen Witz.“1
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Das Lachen als philosophische Wegweisung
Kant wusste um den Anspruch des aufgeklärten Denkens, gerade darum aber auch um die begrenzte Reichweite der Vernunft, und dies weniger in ihrer theoretischen Erschließung als vielmehr in ihrem praktischen Lebensvollzug. Hier erkennt Kant einen Widerspruch, den er im Wesen des Menschen selbst ausmacht. Der sich selbst aufklärende Mensch kann nämlich die Aufklärung nur innerhalb seiner lebenspraktischen Vernunft leben. Anspruch und Wirklichkeit der Aufklärung klaffen somit letztlich auseinander. Diesen Gegensatz quittiert Kant nun – mit einem Lächeln und zeigt damit dessen die Vernunft erleichternden Charakter an. So beantwortet Kant die ihm gestellte Frage, ob die Menschen seiner Zeit in einem aufgeklärten Zeitalter leben, mit einem erhabenen Lächeln auf seinen Lippen: „Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die Menschen … schon im Stande wären, … in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung … allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung, oder das Jahrhundert Friederichs.“2
Kants Verweis auf das Jahrhundert des Preußenkönigs Friedrich II. (des Großen, 1712 –1786) als Zeitalter der Aufklärung ist nicht ohne das ironische Lachen Kants zu verstehen. Führte doch Friedrich II. in seinem Herrschaftsgebiet das System des aufgeklärten Absolutismus ein: Es verfestigte die Vorherrschaft des preußischen Adels über Bauern und Städte, zugleich aber leitete er die Arbeiten zum Allgemeinen Preußischen Landrecht (1786 veröffentlicht) ein. Außerdem führte Friedrich II. über Jahre hin mit seiner stark ausgebauten Armee (1786: ca. 240 000 Soldaten) eine expansionistische Kriegspolitik. Für Kant lag damit deutlich der Unterschied zwischen einem mündig-freiheitlich aufgeklärten Zeitalter und dem Zeitalter der Aufklärung im Sinne Friedrichs II. zutage. Und dieser gewichtige Unterschied kann nur mit einem – entlastenden Lachen beantwortet werden. Im Prozess des Aufklärens, so kann Kant verstanden werden, zeigen sich ganz unterschiedliche und widerständige Vermögen im Menschen, wie etwa der Charme klarer Urteilskraft oder die methodische Reinheit der Vernunft. Und genau in diesem aufklärenden Geschehen kommt
Kants Lächeln
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der Vernunft eine grundlegende Kraft menschlichen Lebens zur Hilfe: das Lachen. Ein Lachen, welches das ganze Gewicht der Aufklärung selbst leicht und menschlich macht: „Betrachten wir den Menschen nur auf dieser Welt, so ist er ein object zum Lachen.“3
Die Vernunft der Aufklärung entdeckt den autonomen Menschen, aber freilich als einen solchen, der sich selbst nicht allzu wichtig nehmen soll: In der reinen Vernunft, die sich aller metaphysischen Spekulation enthält, begegnet sich der Mensch selbst als bloßes Objekt, und diese Selbstbegegnung ist zum Lachen. Kant spielt hier förmlich mit dem Gedanken des entlastenden Lachens, gemäß seiner anthropologischen Einsicht: „Ein Mensch ist ein thier, das lacht.“4
Mit dieser Beschreibung des Menschen als „lachendes Tier“ gewinnt Kant ein befreites Terrain im Gegenüber zur dogmatischen Aufklärung: Diese Charakterisierung des Menschen relativiert den aufklärerischen Gedanken der fortschreitenden Vervollkommnung der Kultur des Menschen. Hinter Kants Formulierung steckt nämlich die entlastende Einsicht, dass die Menschen sittliche Mängelwesen sind. So fragt Kant: „Wie kann man aber erwarten, daß aus so krummen Holze etwas völlig Gerades gezimmert werde?“5
Und die lebensdienliche Antwort hierauf ist für Kant im Lachen gegeben, das diesen Mangel in einem menschlich-erträglichen Licht erscheinen läßt. Auch das ist Aufklärung. Dem Lachen schreibt Kant darum eine Erkenntnisleistung zu, die Denkhorizonte aufreißt und zusammenbringt, was scheinbar nicht zusammenfindet. Darin sieht Kant indes auch das Wesen des Witzes: „Der Witz paart (assimiliert) heterogene Vorstellungen, die oft nach dem Gesetze der Einbildungskraft (der Assoziation) weit auseinander liegen, und ist ein eigentümliches Verähnlichungsvermögen, welches dem Verstande (als dem Vermögen der Erkenntnis des Allgemeinen), so fern er die Gegenstände unter Gattungen bringt, angehört.“6
Aufgeklärte Philosophie zeichnet sich nach Kant durch praktische Menschenkenntnis aus. So überrascht es nicht, dass Kant seine weiteren Ge-
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Das Lachen als philosophische Wegweisung
danken über das Lachen im Rahmen seiner Anthropologie verortet. Hierbei legt er sein Augenmerk nun auf die Affekte, die er – wohl als Erster in der Philosophie – unter dem Aspekt der mechanischen Gesundheitsbeförderung betrachtet: „Durch einige Affekten wird die Gesundheit von der Natur mechanisch befördert. Dahin gehört vornehmlich das Lachen und das Weinen.“7
Kants Interesse wendet sich hier weniger dem hämischen als vielmehr dem gutmütigen Lachen zu, weil es nicht umsonst allgemein als beliebter und gedeihlicher angesehen wird: „Die dabei stoßweise (gleichsam konvulsivisch) geschehende Ausatmung der Luft (von welcher das Niesen nur ein kleiner, doch auch belebender Effekt ist, wenn ihr Schall unverhalten ertönen darf) stärkt durch die heilsame Bewegung des Zwerchfells das Gefühl der Lebenskraft.“8
Da Kant seine Überlegungen nun aber auf den gesundheitlichen Aspekt zentriert, unterscheidet er die Wirkung des Lachens nicht nach sittlichen Qualitäten: Possenreißerei, schalkhaftes oder gedeihlich-gutmütiges Lachen bewirken dieselbe körperliche Reaktion: „So ist das Lachen immer Schwingung der Muskeln, die zur Verdauung gehören, welche dieses weit besser befördert, als es die Weisheit des Arztes tun würde.“9
Lachen ist an sich gesund, befördert des Menschen Verdauung und kann deswegen auf diesem Felde als jedweder ärztlichen Kunst überlegen angesehen werden. Eine Hochachtung des Lachens par excellence. Dieselbe Wirkung erkennt Kant auch einer fehlgeleitenden Urteilskraft zu, die er in unserem Zusammenhang Albernheit nennt. Zu deren Verdeutlichung erzählt Kant folgende Begebenheit: Ein englischer Graf, der deutschen Sprache nur einigermaßen mächtig, und ein in Hamburg lebender deutscher Naturaliensammler, seines Zeichens Magister, beginnen miteinander eine Konversation. In gebrochenem Deutsch erzählt nun der Engländer: „›Ick abe in Amburg eine Ant geabt (ich habe in Hamburg eine Tante gehabt); aber die ist mir gestorben‹. Flugs ergriff der Magister das Wort und fragte: ›warum ließen Sie sie nicht abziehen und ausstopfen?‹ Er nahm das englische Wort Ant, welches Tante bedeutet, für Ente, und weil er gleich
Kants Lächeln
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darauf fiel, sie müsse sehr rar gewesen sein, bedauerte er den großen Schaden. Man kann sich vorstellen, welches Lachen dieses Mißverstehen erregen mußte.“10
Kant thematisiert aber nicht nur die gesundheitsfördernde Bewegung des Lachens. Er untersucht darüber hinaus auch das Lachen als Erkenntnisvorrat der ästhetischen Urteilskraft. Diese betrachtet, allgemein gesprochen, das Schöne und Erhabene. Beides nun führt die Anschauung der Idee ihrer Unendlichkeit mit sich, verweist also über sich hinaus auf das Übersinnliche. Das Denken wird hier in der ästhetischen Anschauung so erweitert, dass sich hierbei ein je persönliches Gefühl der Beförderung des Lebens einstellt, welches freilich keinen objektiven Tatbestand aufzuweisen vermag: Das ästhetische Urteil ist demnach immer ein Gefühl der Gemütskräfte des Menschen, anders ausgedrückt: ein Spiel der Gedanken. So liegt es auf der Hand, dass Kant das Lachen als möglichen Ausdruck der schönen Künste betrachtet, worunter auch der Scherz fällt: „Im Scherze (der … eher zur angenehmen, als schönen Kunst gezählt zu werden verdient) hebt das Spiel von Gedanken an, die insgesamt, sofern sie sich sinnlich ausdrücken wollen, auch den Körper beschäftigen; und, indem der Verstand in dieser Darstellung, worin er das Erwartete nicht findet, plötzlich nachläßt, so fühlt man die Wirkung dieser Nachlassung im Körper durch die Schwingung der Organen, welche die Herstellung ihres Gleichgewichts befördert und auf die Gesundheit einen wohltätigen Einfluß hat. Es muß in allem, was ein lebhaftes erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann). Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer angespannten Erwartung in nichts. Eben diese Verwandlung, die für den Verstand gewiß nicht erfreulich ist, erfreuet doch indirekt auf einen Augenblick sehr lebhaft. Also muß die Ursache in dem Einflusse der Vorstellung auf den Körper und dessen Wechselwirkung auf das Gemüt bestehen; und zwar … dadurch, daß sie, als bloßes Spiel der Vorstellungen, ein Gleichgewicht der Lebenskräfte im Körper hervorbringt.“11
Das Lachen ist demnach ein erlösender Affekt, der den erwartungsvoll gespannten Verstand plötzlich vollkommen anders überrascht, als dieser erwartet, und ihn zur Entspannung ins Leere laufen lässt: ins Lachen. Und es ist die Kraft des Lachens, die das Gleichgewicht der Lebenskräfte hervorbringt. Insofern hat das Lachen bei Kant nicht nur
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eine gesundheitsbefördernde Wirkung, sondern auch einen gedanklichhygienischen Effekt. Das Lachen erhebt den Menschen aus seiner momentanen Ratlosigkeit und erschafft damit eine Ordnung der besonderen Art: Menschen gelangen im lebhaften Lachen für einen Augenblick an die Grenze ihres Denkvermögens und kommen gerade dadurch zu sich selbst als – lachend-leibhafte Personen. Kant erkennt also genau das gedankliche Zusammenspiel von Selbstwahrnehmung und reflexiver Fremdwahrnehmung. Hierzu Kant: „Wenn jemand erzählt: daß ein Indianer, der an der Tafel eines Engländers in Surate eine Bouteille mit Ale öffnen und alles dies Bier, in Schaum verwandelt, herausdringen sah, mit vielen Ausrufungen seine große Verwunderung anzeigte, und auf die Frage des Engländers: was ist denn hier sich so sehr zu verwundern? antwortete: Ich wundere mich auch nicht darüber, daß es herausgeht, sondern wie ihr’s habt herein kriegen können: so lachen wir, und es macht uns eine herzliche Lust: nicht, weil wir uns etwa klüger finden als diesen Unwissenden, oder sonst über etwas, was uns der Verstand hierin Wohlgefälliges bemerken ließe; sondern unsre Erwartung war gespannt, und verschwindet plötzlich in nichts.“12
Nicht von ungefähr bedenkt Kant das Lachen vornehmlich in seinen Überlegungen zur Urteilskraft, nimmt diese doch eine Art Vermittlerrolle zwischen dem denkenden und dem anschauenden Vermögen des Menschen ein. Ein Kennzeichen der Urteilskraft besteht freilich darin, dass diese „… ein besonderes Talent sei, welches gar nicht belehrt, sondern nur geübt sein will. Daher ist diese auch das Spezifische des so genannten Mutterwitzes, dessen Mangel keine Schule ersetzen kann.“13
Die Kunst des Lachens, etwa über einen Witz, ist daher grundlegend an den gesunden Menschenverstand gebunden, den man eben hat oder nicht. Sosehr Kant das Lachen bedacht und vergnügt gebraucht wissen will, erlernen kann man es nicht. Es ist vielmehr ein Ausdruck menschlicher Lebendigkeit, die mehr umfasst als alle gedanklichen Spekulationen. Lachen ist lebendiger Erkenntnisvorrat.
Nietzsche und das Lachen
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2. Nietzsche und das Lachen Nietzsche und das Lachen
Mit Friedrich Nietzsche (1844 –1900) begegnet uns ein Philosoph, dessen Gedanken zu den wirkmächtigsten innerhalb der europäischen Geistesgeschichte zählen. Sein immer wieder auch aphoristisch vorgelegtes Denken mündet ein in einen grundsätzlichen Zweifel an der Leistungsfähigkeit unserer Wörter und Grammatik, somit an der Reichweite unseres Denkens. Nach Nietzsche kann nämlich das sich selbst behauptende Denken der Aufklärung, wie Kant dies vorgelegt hat, nicht zugleich das darstellen und leisten, was es vorgibt zu können: das vernünftige Erschließen dessen, was ist. Nietzsche bestreitet somit grundsätzlich die Lesbarkeit der Welt mit den bisherigen Mitteln der Vernunft, wie diese sich in der abendländisch gewordenen Unterscheidung von Wirklichkeit und Wahrheit manifestiert hat. Vor allem die gedankliche Gleichsetzung der Wahrheit mit dem Guten an sich und die dadurch bestimmt zu erschließende Wirklichkeit lässt sich nach Nietzsche nicht mehr denken. Damit kritisiert er das platonische und das christliche Denken in gleicher Weise und setzt stattdessen auf eine Hermeneutik des Verdachts. Mit dieser misstraut Nietzsche grundlegend der Leistungsfähigkeit der aufgeklärten Vernunft und ersetzt sie durch deren Naturalisierung: Diese besteht in einem erlösenden Zusammenbringen von dem, was Platonismus und Christentum einst unseligerweise getrennt haben: Gemüt, Leib und Vernunft: „Der Leib ist eine große Vernunft, eine Vielheit mit einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Herde und ein Hirt. Werkzeug deines Leibes ist auch die kleine Vernunft, mein Bruder, die du ›Geist‹ nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner großen Vernunft.“14
Mit seiner Rede von der großen und der kleinen Vernunft will Nietzsche das überwinden, was sowieso dem Denken keine Hilfe zu geben vermag: die Vorstellung der Welt. Diese ist nach Nietzsche nämlich ein Grenzbegriff der Sprache, der mehr verspricht als je durch Erfahrung eingelöst werden kann. Insofern steht der Mensch nach Nietzsche unbehaust da, muss er doch nun eine eigene Sprache und Grammatik finden, die fortan genötigt sind, ohne den metaphysischen Bezug auf Gott
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Das Lachen als philosophische Wegweisung
gedacht zu werden. Nietzsche will Gott, vornehmlich in seiner christlichen Lesart, loswerden, zweifelt aber selbst daran, ob dies jemals gelingen wird, zu tief verwurzelt ist im menschlichen Denken Übernommenes und darum Überkommenes: „Die ›Vernunft‹ in der Sprache: o was für eine alte betrügerische Weibsperson! Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben …“15
Um nun dieser Vernunftfalle mit ihrer Bindung an die Grammatik zu entgehen, versucht Nietzsche den Begriff „Welt“ neu zu denken, bleibt aber letztlich, da er dies wiederum nur mit sprachlichen Mitteln tun kann, ein Gefangener des Althergebrachten. Einen Ausweg sieht Nietzsche nur in der „notwendigen Unwissenheit“. Insofern ist für ihn auch der modern gefasste Begriff der Welt mit seiner Fortschrittsmetaphorik nichts anderes als Ausdruck der notwendigen Unwissenheit des Menschen: „Der Weltprozeß und die Persönlichkeit des Erdflohs! Wenn man nur nicht ewig die Hyperbel aller Hyperbeln, das Wort: Welt, Welt, Welt hören müsste, da doch jeder, ehrlicherweise, nur von Mensch, Mensch, Mensch reden sollte!“16
In seiner Skepsis gelangt Nietzsche schließlich zum Menschen als Drehund Angelpunkt seiner Überlegungen, freilich zu einem, der er nach Nietzsche sein soll, frei von allen bisherigen Bindungen: der sich selbst erfindende Mensch, auch Übermensch genannt. Dieser willensstark entworfene Übermensch wird nun dem vorfindbar schwachen Menschen verheißend gegenübergestellt. Gewährsmann und Verkünder all dessen ist nach Nietzsche der persische Religionsstifter Zarathustra aus der Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus. Nolens volens bleibt Nietzsches Denken dem Religiösen verhaftet: „Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr getan, ihn zu überwinden?“17
Nietzsche selbst gibt auf diese Frage eine Antwort. Im Gelächter findet die wirksame Form der Überwindung des Menschen statt, und es ist Aufgabe der Übermenschen, dieses Gelächter anzustimmen: „Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham.“18
Nietzsche und das Lachen
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Konnte Kant den Menschen noch als „lachendes Tier“ begreifen, das im Lachen eine entlastende Befreiung von den hehren Ansprüchen der Aufklärung erfährt, so denkt Nietzsche den Menschen als „lächerliches Tier“. Der „Affe Mensch“ ist für den Übermenschen ein Gelächter, und dieses Gelächter wird hier bei Nietzsche zu einer Waffe, das den Menschen in all seiner Verächtlichkeit brandmarkt. Das verächtliche Gelächter hat aber einen vom Ererbten befreienden Charakter, es erlöst den armseligen Menschen von seiner Armseligkeit, indem es ihn selbst überwindet. Deutlich wird dieser Gedanke anhand einer Episode, die Zarathustra bei seiner Wanderung durch die unbehauste Welt erlebt: Ein Hirte liegt, sich windend und zuckend, auf der Erde, eine schwarze Schlange ragt aus seinem Schlund. Ekel und Grauen erschüttern sein Gesicht. Zarathustra ist bei diesem Anblick von Grauen und Schauer ergriffen, will dem hilflosen Hirten helfen und versucht nun die Schlange aus dem Schlund des Hirten zu reißen, allein vergebens. Da schreit er dem Hirten zu, er solle der Schlange den Kopf abbeißen. Dieser markdurchdringende Schrei Zarathustras ist geballter Ausdruck allen Grauens, Hasses, Ekels und allen Erbarmens und des Guten zugleich. Der Hirte beißt nun mit ganzer Willensstärke zu, speit den Schlangenkopf aus und – ist befreit: „Wer ist der Mensch, dem also alles Schwerste, Schwärzeste in den Schlund kriechen wird? – Der Hirt aber biß, wie mein Schrei ihm riet; er biß mit gutem Bisse! Weit weg spie er den Kopf der Schlange –: und sprang empor. – Nicht mehr Hirt, nicht mehr Mensch – ein Verwandelter, ein Umleuchteter, welcher lachte! Niemals noch auf Erden lachte je ein Mensch, wie er lachte! O meine Brüder, ich hörte ein Lachen, das keines Menschen Lachen war.“19
Mit dieser Erzählung führt Nietzsche an das die Welt überwindende Lachen heran, welches nur verständlich wird, weiß man um den biblischen Hintergrund von Nietzsches Gedanken: Die Schlange ist nach 1. Mose 3 das erdhaft-teuflische Lebensprinzip, das den Menschen bei seiner Sündhaftigkeit und Todverfallenheit behaftet. Und der Hirte ist das biblische Bild für den bewahrenden und fürsorglichen Gott, wie er etwa in Psalm 23 besungen und im Christuswort des guten Hirten (Johannes 10, 14) zum Ausdruck gebracht wird. Demnach ringen hier die menschlich-todverfallene und die göttlich-himmlische Welt miteinander
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Das Lachen als philosophische Wegweisung
und scheitern dabei aneinander. Nur Zarathustra, der neue Gewährsmann für ein befreites Leben, weiß hier zu helfen: Mit aller Willensstärke muss dem erdhaft-teuflischen Lebensprinzip, also der Welt, der Kopf abgebissen werden, wobei mit diesem Beißen sich dann auch der GottHirte und der leidende Mensch zu einem neuen Wesen verwandeln: zum Umleuchteten. Und dieses Umleuchtetsein lässt sich in einem noch nie da gewesenen Lachen erkennen und vernehmen. Auch hier ist das Lachen bei Nietzsche wieder eine Art Waffe, die Gott, Erde und den Menschen überwältigt und in den Bereich des völlig anderen, des durch Zarathustra eröffneten neuen Lebens führt. Das Lachen hat für Nietzsche eine alles bisher Gedachte und Geglaubte überwindende Macht. Dieses befreiende Lachen entsteht allein durch Willensstärke und Kampf – ein schwerer Weg. Gut und leichtfüßig geht dieses Lachen indes dann vonstatten, wenn es sich anstelle des Kampfes des Tanzes bedient: „Ihr höheren Menschen, euer Schlimmstes ist: ihr lerntet alle nicht tanzen, wie man tanzen muß – über euch hinweg tanzen! Was liegt daran, daß ihr mißrietet! Wie vieles ist noch möglich! So lernt doch über euch hinweg lachen! Erhebt eure Herzen, ihr guten Tänzer, hoch! höher! Und vergeßt mir auch das gute Lachen nicht! Diese Krone des Lachenden, diese RosenkranzKrone: euch, meinen Brüdern, werfe ich diese Krone zu! Das Lachen sprach ich heilig; ihr höheren Menschen, lernt mir – lachen!“20
Für Nietzsche ist Zarathustra darum vor allem der Wahrlacher, der dem höheren Menschen den heilig-befreienden Weg des guten Lachens weist, gepaart mit dem Tanz. Da Nietzsche als Altphilologe bestens mit der altgriechischen Kultur des Dionysoskultes vertraut war, liegt es auf der Hand, dass er bei seinen Überlegungen eine geistige Anleihe beim rauschhaften Komostanz nimmt21, in dem Gott und Mensch das werden, was sie sein sollen: reich an Lebensfülle, in der alles bisher Gedachte in seiner Dekadenz durch eine Ethik der Härte überwunden wird: „Der Reichste an Lebensfülle, der dionysische Gott und Mensch, kann sich nicht nur den Anblick des Fürchterlichen und Fragwürdigen gönnen, sondern selbst die fürchterliche Tat und jeden Luxus von Zerstörung, Zersetzung, Verneinung; bei ihm erscheint das Böse, Unsinnige und Häßliche gleichsam erlaubt, infolge eines Überschusses von zeugenden, befruchtenden Kräften, welcher aus jeder Wüste noch ein üppiges Fruchtland zu schaffen imstande ist.“22
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Es ist die leichtfüßige, tänzelnde Kraft des Lachens, die diesen Reichtum der Lebensfülle des höheren Menschen in die Tat umzusetzen versteht. Der Rausch des Komos macht stark und trennt im Lachen die Spreu vom Weizen, eine neue, heilige, von der herkömmlichen Vernunft befreite Welt entsteht. Um dies noch deutlicher zu sagen: In diesem Lachen treten der christlich verstandene Gott und der ebenso christlich verweichlichte Mensch endlich von der Weltbühne ab. Lachen befreit die Weltvernunft. Darum kann Zarathustra verkündigen: „Seht, ich lehre euch den Übermenschen! Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde. Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.“23
Und eben diese Giftmischer müssen getötet werden – durch das Lachen: „›Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man‹ – so sprachst du einst. O Zarathustra, du Verborgener, du Vernichter ohne Zorn, du gefährlicher Heiliger …“24
Dieses tödliche Lachen befreit – nicht nur den Menschen hin zum Übermenschen, selbst die Götter finden sich in einer höheren Form des heiligen Lachens ein, ein Lachen, das durchaus Anklänge an das homerische Lachen im Götter-Olymp findet: „Und gesetzt, daß auch Götter philosophieren, wozu mich mancher Schluß schon gedrängt hat –, so zweifle ich nicht, daß sie dabei auch auf eine übermenschliche und neue Weise zu lachen wissen – und auf Unkosten aller ernsten Dinge! Götter sind spottlustig: es scheint, sie können selbst bei heiligen Handlungen das Lachen nicht lassen.“25
Die europäische Literaturgeschichte beginnt mit einem Lachen und sie vollendet sich, so ist Nietzsche zu verstehen, wiederum im Lachen, freilich in einem Lachen der höheren Ordnung der Vernunft und Sprache, die Nietzsche der Welt heilsbringend geben will. So behauptet er von sich selbst, dass durch ihn die deutsche Sprache zu ihrer Vollendung gebracht wurde. Im Jahre 1884 schrieb Nietzsche in einem Brief an seinen Freund Erwin Rohde:
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Das Lachen als philosophische Wegweisung
„Ich bilde mir ein, mit diesem Z.(arathustra) die deutsche Sprache zu ihrer Vollendung gebracht zu haben. Es war, nach Luther und Goethe noch ein dritter Schritt zu tun –; sieh zu, Alter Herzens-Kamerad, ob Kraft, Geschmeidigkeit und Wohllaut je schon in unserer Sprache so beieinander gewesen sind.“26
Ist es doch vornehmlich das Lachen, eingesetzt als Waffe, wirksam als tödlich-befreiende Tat, verheißend als leichtfüßig-tänzelndes Geschehen, das zur Vollendung führt. Wer wollte nach Nietzsche daran zweifeln?
3. Resümee Resümee
Nach Kant klaffen die Reichweite der aufgeklärten Vernunft und deren lebenspraktischer Vollzug auseinander. Beides nun wird durch die grundlegende Kraft des Lachens so miteinander ins Gespräch gebracht, dass die Aufklärung selbst ein menschliches Antlitz erhält. Solchermaßen kann der Mensch über sich selbst lachen, indem er sich als das erkennt und anerkennt, was er – trotz allem Pathos der Aufklärung – ist: ein Tier, das lachen kann. Mit dieser witzigen Aussage schreibt Kant dem Lachen einen befreienden Impetus zu, der dem Menschen die unangenehme Einsicht erleichtert, ein sittliches Mängelwesen zu sein. Im dadurch erzeugten Lachen liegt eine Erkenntnisleistung, die einander widerstrebende Denkhorizonte aufklärt und miteinander zu verbinden versteht. Insofern befreit das Lachen. Diese Befreiung im Lachen ist für Kant zudem gesund, denn das Schwingen der Muskeln beim Lachen dient der Verdauung und ist in diesem Felde jedweder ärztlichen Kunst überlegen. Freilich plädiert Kant für das allgemein gedeihliche, gutmütige Lachen. Diesem Gedanken spürt Kant dann in seinen Überlegungen zur ästhetischen Urteilskraft nach: Im Lachen erkennt er einen Erkenntnisvorrat, der im Scherz dem Menschen zuteilwird. Im lebhaften Lachen gelangt der Mensch für einen Augenblick an die Grenze seines Denkvermögens und kommt eben dadurch zu sich selbst als leibhafte Person. Kant bedenkt hier also das reflexive Zusammenspiel von Selbst- und Fremdwahrnehmung, das den Menschen in das Lachen zu weisen versteht. Die ästhetische Urteilskraft versteht indes
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das Lachen als befreiendes Gedankenspiel des Menschen, das ihn in eine höhere Ordnung des Denkens stellt: in die Vermittlung zwischen dem denkenden und dem anschauenden Vermögen des Menschen. Diese Vermittlung des Lachens ist freilich ein menschliches Talent, welches nicht erlernt werden kann: Lachen ist eben ein lebendiger Erkenntnisvorrat. Nietzsche nun will das Lachen zum einen als befreiend-tödliche Waffe verstanden wissen. Mit Zarathustras Lehre vom Übermenschen will Nietzsche alles: Gott, die Welt und den Menschen neu denken und zur Sprache bringen. Das adäquate Ausdrucksmittel hierfür ist das Gelächter über Gott, die Welt und die Menschen. Zu diesem Gelächter kommt der neue Mensch einzig durch seine Willensstärke, die ihm angesichts eines universalen Ekels zu einem nie da gewesenen Lachen erleuchtend bekräftigt. Freilich kann nur der Wahrlacher Zarathustra hierzu den befreienden, lachend-heiligen Weg aufzeigen. Leichter und gefälliger geschieht dies indes im Komoslachen, das als vernünftig gedachter Rausch eine befreite Welt verheißt. In diesem tödlichen Lachen befreit sich der Übermensch von allen Widerständen, weswegen dieses Lachen eine heilige Qualität aufweist. Darum kommt Nietzsche auf das homerische Lachen zu sprechen, bei dem sich selbst die Götter beim Heiligen nicht des Lachens enthalten können: Am Ende obsiegt das heilige Lachen, das Nietzsche mit seiner Schrift „Also sprach Zarathustra“ als Vollendung der Sprache der Welt übergeben hat. Freilich findet sich weder bei Kant noch bei Nietzsche eine Bezugnahme auf das schönwendige Lachen. Kant kommt diesem zwar nahe, indem er das Lachen als gesundheitsförderlich begreift, eine eigenständige Betrachtung der Eutrapelia, gar als Tugendhaltung, fehlt indes. Für Nietzsche hingegen ist die Abwesenheit des schönwendigen Lachens aus seinem Denken heraus zu erklären, geht der Eutrapelia doch die Kraft der Hervorbringung des neuen Lebens ab, wie Nietzsche es erschlossen wissen will. Insgesamt mag das Fehlen des schönwendigen Lachens darin begründet sein, dass sowohl Kant als auch Nietzsche gewissermaßen ein traditionsfreies, neues Denken vorlegen wollten, in dem die Eutrapelia keinen Platz finden kann.
Kapitel VII
Lachende Vernunft
1. Das Lob des schönwendigen Lachens Das Lob des schönwendigen Lachende Vernunft Lachens
Wer immer über den Menschen nachdenkt, wird ihm nur dann gerecht werden können, wenn er dessen Lachen mit in den Blick nimmt. Dieser Blick lässt nämlich das Lachen als urmenschliches Phänomen erkennen: Es gibt kein Menschenalter und -leben, das ohne das Lachen auskommt. Menschenleben ist auch lachendes Leben. Und umgekehrt gilt: Wo gelacht wird, da sind Menschen zugegen. Freilich, Lachen und Lachen ist zweierlei. Insofern ist es entscheidend, in welcher Haltung das Lachen sich ereignet. Denn Lachen hat immer die Kraft, eine vorfindbare Situation unerwartet aufzubrechen und neue Horizonte aufzureißen. Im Lachen übersteigt der Mensch – für einen Augenblick – sozusagen sich selbst und findet sich in einer anderen Ordnung des Denkens und Begreifens vor. Lachen führt den Menschen somit an die Grenzen seiner Vernunft und Welterschließung. Der Charme des Lachens besteht indes darin, dass es im Akt des Lachens gerade die verlustig gegangene Ordnung der Vernunft und der Welterschließung wieder herstellt. Insofern kommt dem Lachen sogar eine Art „ordnendes Wächteramt“ zu. Will der Lachende den oder die anderen Menschen hierbei für sich gewinnen, bedarf sein Lachen einer Zielrichtung und Intention, in die hinein die anderen mit ins Lachen gezogen werden. Geschieht dies freilich in der Haltung der billigen Possenreißerei, also auf Kosten Anderer, wie dies etwa beim verächtlichen Gelächter der Fall ist, so kann dieses Lachen unter gesitteten Menschen nicht mit einer allgemeinen Zustimmung rechnen. Diese Erkenntnis durchzieht das gesamte Lachverständnis des Abendlandes, ausgenommen Nietzsche. Das Verdikt der Possenreißerei dürfte darin begründet sein, dass bei
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solchem Lachen das gemeinsame Organ aller Menschen, die einander verbindende Vernunft als geistiges Fundament, aufgegeben wird. Dies leitet zu einer Lebenswirklichkeit, die nicht verbindet, sondern demütigend und erniedrigend ausgrenzt. Das allerdings wird dem Anspruch der Vernunft nicht gerecht, als allgemein menschliches Vermögen zur Wahrheit zu amtieren. Menschliches Leben aber will vernünftig und damit anschlussfähig an das Leben der Anderen sein, zumindest auf die Länge der Zeit gesehen. Insofern muss das Lachen, so es als Allgemeingut der Menschen bewahrt werden soll, in ein positives Verhältnis zur Vernunft treten können. Bei der billigen Possenreißerei erkennt man indes mit Vernunftgründen: Sie ziemt sich nicht, so das Lachen gesittet sein will. Dass die Possenreißerei sich jedoch immer wieder einer Beliebtheit erfreuen kann, liegt an uns Menschen selbst: Wir genießen etwa die Schadenfreude und lachen über das Missgeschick Anderer, wohl wissend, dass wir uns hierbei nicht als sittlich-vernünftig erweisen. Auch das gehört, man mag es beklagen, zum Menschsein hinzu. Wir Menschen sind eben auch darauf aus, im Gedankenspiel andere zu übervorteilen. Um freilich das Lachen im geselligen Miteinander seine befreiende Kraft entfalten zu lassen, bedarf es einer erwachten geistigen Bildung und Gesittung, die den Lachenden zieren und auszeichnen soll. Auch in dieser Einsicht kommt die abendländische Lachtradition mehrheitlich überein. Entscheidendes hat hier Aristoteles mit seiner Lehre vom schönwendigen Lachen, der Eutrapelia, geleistet. Dahinter steckt die Idee des „spielenden Menschen“, der in seiner feingeistigen Haltung einer lachenden Vernunft das Wort redet, die spielerisch den Ernst der Lage mit einer seelischen Beweglichkeit zum Schönen, Heiteren und Erholsamen zu wenden versteht, ohne sich darin zu verlieren. Die Kunst der Eutrapelia zeichnet sich im Konkreten dadurch aus, dass man angesichts des Ernstes einer Lage alle daran Beteiligten in ein gemeinsames Lachen einstimmen lässt, das jeden Angesprochenen taktvoll achtet und auf diese Weise für sich zu gewinnen versteht: ein zum Schönen sich hinwendendes Lachen, das sich als wohlanständige Gewandtheit zeigt. Dieser geistige Wohlklang zeichnet sich vornehmlich durch ein befreiendes Geistesgeschehen aus, das eine gespannte oder komische Situation einer Lösung zuführt. Auf diese Weise umfasst die
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Eutrapelia mehr als alle sachlich vorgetragenen Argumente. Dem schönwendigen Lachen wohnt die Kraft inne, die Welt und das Leben nicht als ein tragisches Theater auszulegen, in welchem der Mensch seine Lebensrolle durch „Weinen, Sünde, Tod und Teufel“ bestimmt weiß, wie dies etwa das Mönchtum gelehrt hat. Vielmehr versteht die Kunst der Eutrapelia Welt und Leben als ein ernst-heiteres Spiel, das die Lebensrolle des Menschen innerhalb einer höheren Ordnung der Vernunft begreift. Die Kunst des schönwendigen Lachens lebt daher auch von einer Art metaphysischer Referenz, in die der so Lachende erleichternd einstimmt. Man könnte hierzu auch Gottgefälligkeit sagen. Mit Ausnahme des Mönchtums durchzieht diese Erkenntnis in verschiedenen Facetten und Betonungen das gesamte Lachverständnis des hier vorgelegten philosophischen und theologischen Überblicks. Wir sahen schon, wie im verheißenen, glänzenden Lachen Jesu und bei Paulus dieser Gedanke angeklungen und je bedacht worden ist. Bedingt durch das Mönchtum geriet aber auch dieses Lachen in seiner Wohlgefälligkeit in Misskredit. Erst Thomas von Aquin (1225?–1274) ist es gewesen, der in der christlich-philosophischen Tradition den Gedanken der Eutrapelia wieder aufgegriffen und als Tugendhaltung vertieft hat. Für ihn liegt es nämlich auf der Hand, dass sowohl dem beschaulichen Spiel als auch dem heiteren Lachen eine sittliche Qualität innewohnt, die einen gebildeten Menschen dem Guten zuführt: „Ausruhen der Seele aber ist … eine Art von süßer Lust (delectatio). Und so muß man als Heilmittel gegen seelische Ermüdung sich jener süßen Lust hingeben, die da besteht im Entspannen der auf das Denken hin überforderten Kräfte. … Reden aber und Tun, das in diese Richtung zielt, und bei welchem man nichts anderes sucht als eben jene süße Lust der Seele, nennt man Spiel und Scherz. Und mithin ist es notwendig, Spiel und Scherz zu üben als eine gewisse Beruhigung der Seele. Das ist es, was auch der Philosoph (= Aristoteles) sagt: ›Es gibt mithin in diesem Leben eine Erholung, die mit heiterem Scherz verbunden ist.‹ Also muß man sich von Zeit zu Zeit auch dieser Erholungsweise hingeben. … Somit ist es durchaus möglich, daß auch beim Spielen eine Tugend geübt werde. Der Philosoph nennt sie Eutrapelie. Es wird von jemandem ausgesagt, er sei ,eutrapelos‘, wenn er auf schöne Weise wendig ist, das will sagen, wenn er seinem Sprechen und Tun eine Wendung zum Tröstlichen zu geben weiß.“1
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Auf das Vergnüglich-Tröstliche also richtet sich die Eutrapelia, die in ihrem spielerischen und scherzhaften Charakter dem heiteren Lachen den Weg bereitet. Nach Thomas von Aquin verstehen es feinsinnig gebildete Menschen, in der Haltung der Eutrapelia über den Ernst der Welt und des Lebens hinaus dem ethisch Guten als heiterem Geschehen auf die Spur zu kommen, „weil sie das, was gesagt oder getan wird, auf eine schickliche Weise ins Lachhafte ziehen“2.
Das schönwendige Lachen ist demnach die Darstellung der lachenden Vernunft, wie wir dies bei Erasmus, Morus und Luther gesehen haben. Freilich ist bisher noch nicht hinreichend geklärt, wie denn hier das Zusammenspiel von Lachen und Vernunft zu denken ist. Zwar hat Kant hierüber schon Erhellendes geschrieben, indem er dem Lachen eine Erkenntnisleistung zuschreibt, die widerstrebende Denkhorizonte aufzureißen und zu versöhnen vermag. In dem hohen Ton der ästhetischen Urteilskraft erkennt er einen Erkenntnisvorrat des Menschen, der ihm vornehmlich im Scherz zuteilwird. Deswegen hat das Lachen einen befreienden Charakter, der zudem der Gesundheit des Menschen allumfassend dienlich ist. Diesen Gedanken führt nun der Philosoph Helmuth Plessner (1892– 1985) in eigenständiger Weise fort. Aufschlussreich hierfür sind die Überlegungen, die er in seiner Studie „Lachen und Weinen“ im Jahre 1941 vorgelegt hat. Nach ihm entspringt das Lachen der einfachen und alltäglichen Erfahrung, dass etwas oder jemand aus der Vernunftordnung der Dinge oder des Lebens herausfällt. Lachen entsteht dann, so ist Plessner zu verstehen, wenn der Ordnungssinn unserer Vernunft in eine Grenzlage gerät, in der zwei gegensinnige Erfahrungen auf einmal einem Menschen widerfahren und die Vernunft diese widerstreitende Situation nicht lösen kann: „Nur solche Grenzlagen reizen zum Lachen, die, ohne bedrohend zu sein, durch ihre Nichtbeantwortbarkeit es dem Menschen zugleich verwehren, ihrer Herr zu werden und mit ihnen etwas anzufangen.“3
Das Lachen ist demnach Ausdruck eines mit vernünftigen Mitteln nicht aufzulösenden Widerfahrnisses, das im Akt des Lachens einer Befreiung zugeführt wird.
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„Am reinsten zeigt sich die befreiende Wirkung der Überkreuzung des abdrängenden und des anziehenden Charakters in Situationen der Komik und des Witzes, in denen sich der Antagonismus zwischen anschaulicher Eindeutigkeit und sinnhafter Mehrdeutigkeit, zwischen Sinn und Sinn entfaltet.“4
Des Menschen Vernunft sucht in allen Lebenssituationen immer nach dem darin liegenden Sinn. Tritt nun Sinn gegen Sinn an, so kommt es zum Zusammenstoß von unvereinbaren Sinneinheiten, welchen die Vernunft nicht auflösen kann. Die Vernunft kommt an die Grenze ihres Verstehens. Diese Vernunftspannung wird nun im Lachen aufgelöst: „Daß hier das Lachen am reinsten und freiesten sich entfaltet, liegt zweifellos an der ästhetischen Distanz, die nur unser Anschauen und Auffassen in Anspruch nimmt und uns auch dann noch im Parkett sitzen läßt, wenn wir selbst auf der Bühne stehen. Im Bewußtsein der Unbeteiligtheit des (gleichwohl getroffenen!) Zuschauers und -hörers – das bei humorlosen Menschen sofort aufhört, wenn es sich um sie selber handelt – weiß man sich geborgen.“5
Das Lachen ist demnach als ein Gedankenspiel zu verstehen, das uns erlaubt, von Situationen, von Personen, gar von uns selbst abzusehen, weil wir hierbei zugleich Subjekt als auch Objekt sind. Im Lachen erleben wir den eigentümlichen Wechsel zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und der ebenfalls eigenen, reflexiven Fremdwahrnehmung unserer selbst bzw. der jeweiligen Situation. Wir können demnach beteiligt sein und sind doch – im Akt des Lachens – zugleich unbeteiligt. Im Lachen werden wir auf eine unfassbare Weise frei und leicht von uns selbst und den Dingen, von der Situation und den Gegebenheiten, von der gespannten Wirklichkeit. Lachen befreit und erlöst. Wir erleben im Lachen eine besondere Freiheit. Sie lässt uns zugleich eine lebensbejahende Geborgenheit erfahren, die das rein kognitiv Denkbare übersteigt. Lachen durchbricht alle vorgegebenen Vernunftordnungen der Dinge und des Lebens und verweist den Lachenden in einen anderen Sinnbereich: in eine Art Gegenwelt, die von anderer Qualität ist, als unsere Vernunftordnung zu erfassen vermag. Lachen, so kann man unter Aufnahme der antiken, der biblischen Tradition und der Zeit der Reformation sagen, führt den Menschen an das Heilige heran. Und es ist diese Erfahrung des Heiligen, die den lachenden Menschen in und als Schönwendigkeit anrührt. Darum lachen Menschen auch gerne. Dieses
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Lachende Vernunft
schönwendige Lachen erlöst die je gespannte und überforderte Vernunft, indem es ihr ihre geistige Beweglichkeit zurückgibt. Das ist das Wesen der lachenden Vernunft, die ihrerseits dem Heiligen nahesteht.
2. Das Lachen und das Heilige Das Lachen und das Heilige
Das Heilige, wenn man so will, Gott, ist für den Menschen vornehmlich als ein Sinnbereich erlebbar, der zwar rationales Denken übersteigt, aber – die Vernunft ansprechend und anleitend – geistig vernehmbar ins Leben hineinragt. Genau hierin haben das Lachen und das Komische im Leben – man denke etwa an das Komosgeschehen der Antike – ihren Berührungspunkt mit dem Heiligen. Nicht von ungefähr kommt auch Nietzsche, trotz seiner grundsätzlichen Kritik an der überkommenen Vernunft mit ihrem überalterten Weltverständnis, zu einem Lachverständnis, das sich dem Heiligen – verstanden als das Neue und Weltüberwindende im Sinne Zarathustras – zuneigt: Am Ende ist das heilige Lachen des homerischen Götter-Olymps befreiend hörbar. Das Lachen, so kann man darum allgemein sagen, weist den Menschen in das Heilige ein. Auf diesen Zusammenhang hat der Soziologe Peter L. Berger aufmerksam gemacht. Er untersucht den gedanklichen Zusammenhang, der sich im Erleben des Komischen und des Lachens einerseits und des Heiligen andererseits wie von selbst einstellt: „Der Vergleich mit dem komischen Erlebnis ist instruktiv. Beide Erfahrungen haben gewisse Grundzüge mit allen anderen ›geschlossenen Sinnbereichen‹ (wie etwa dem Traum, der Ästhetik, der menschlichen Geschlechtlichkeit) gemeinsam – separate Realitätsstrukturen, eigene Raum-Zeitlichkeit, ›Schwellen‹-Empfindungen beim Betreten und Verlassen der Inselwelt, spezifische Wahrnehmung anderer Menschen und spezifische Eigenwahrnehmung.“6
Die Welt des Lachens und die Welt des Heiligen, so ist Berger zu verstehen, leben von einem nicht mit vernünftigen Gründen zu klärenden Empfinden, das den Menschen in eine andere Ordnung der Dinge und des Lebens eintauchen lässt. Diese Wahrnehmung führt einen erlösenden Charakter von der vorfindbaren und mitunter hart erlebten Wirklichkeit mit sich. Deswegen ist das Lachen immer auch ein intentionaler
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Akt, der auf das Heilige verweisen will. Lachen ist deshalb nicht ein ins Nichts sich auflösendes Geschehen, wie Kant meinte, sondern ein Platzhalter einer metaphysischen Referenz, wie immer diese schließlich inhaltlich erschlossen werden mag. Und in seiner Schönwendigkeit eröffnet das Lachen wohlwollende und befreiende Horizonte. Andernfalls gerät das Lachen zur Waffe etwa im Sinne Nietzsches oder birgt die Gefahr in sich, nur als plumpe Tumb- und Torheit zu erklingen. Dieses törichte Lachen beruht auf billiger Effekthascherei und entkleidet dabei den Lachenden selbst seiner Würde. Der so Lachende macht sich selbst lächerlich. Das aber ist nicht ratsam, weil damit das Leben in seiner lachenden Vernunft entwertet zu werden droht. Verliert die lachende Vernunft das Heilige aus den Augen, beginnen Spott und Häme. Der lachenden Vernunft ist darum immer an einer Balance zwischen schönwendigem Lachen und gesitteter Bildung gelegen, um so die Alltäglichkeit des befreienden Lachens zu wahren. Darum wurde auch in der Antike und in der Reformationszeit dem gebildeten Lachen der Vorzug gegeben. Dies bedacht, ist das schönwendige Lachen eine Lebenskunst, ja gar eine Tugend, die das Leben des Menschen auszeichnet. Und in dieser Tugend der Eutrapelia können sich alle Menschen wiedererkennen und wiederfinden, dies zudem fraglos und einvernehmlich, bewundert, befreit und leicht. Nicht umsonst fühlt man sich intuitiv zu gebildet lachenden Menschen mehr hingezogen als zu humorlosen Gestalten. Schönwendig lachende Menschen erfahren darum eine Steigerung des eigenen Lebensgefühls in der Begegnung mit anderen: Diese Art des Lachens verbindet und befreit, erlöst und heilt. Indes: Das eigentlich Beglückende dieses Lachens liegt in seiner „scharfen Barmherzigkeit“, die mit ihm einhergeht. Denn es benennt mit barmherzigem Scharfblick klar das Peinliche und Sonderbare, das Ungeschickte und Komische, das unlösbar Erscheinende, aber immer so, dass hierbei die Gemeinten ihr Gesicht wahren können: im gemeinsamen Lachen, etwa über sich selbst, über andere, über Probleme und Situationen, gar auch über Gott und die Welt. Und dies alles geschieht frei und ungezwungen, klar und wahrhaftig, leicht und angenehm, eben schönwendig. Wer immer über den Menschen nachdenkt, der möge dies auch in der Haltung der Eutrapelia tun. Diese versteht den Menschen als ein
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Lachende Vernunft
Wesen, das mit einer lachenden Vernunft ausgestattet ist, die es nach Kräften zu fördern gilt. Und wer immer für andere Menschen Verantwortung tragen will, der möge seiner lachenden Vernunft innewerden. Diese gelebt, wird man jedem Menschen mehr gerecht, als man weithin glaubt. Leuchtet doch die lachende Vernunft in jedem Leben immer wieder auf und lädt zu einem gemeinsamen schönwendigen Lachen ein.
Anmerkungen mit Literaturangaben
Kapitel I Hinführung Anmerkungen Das mit Lachen Literaturangaben in der Antike
1 Vgl. Aristoteles, Über die Seele, Buch I, 404 a; und 407 a; alle verwendeten Texte von Aristoteles sind, soweit nicht anders vermerkt, zu finden in: Aristoteles, Philosophische Schriften in sechs Bänden, übersetzt von Eugen Rolfes u. a., Lizenzausgabe 1995.
Kapitel II Das Lachen in der Antike
1 Vgl. Der Literaturbrockhaus, Bd. 4, 1995, 171 –173. 2 Vgl. zum Folgenden: Christian Maier, Homerisches Gelächter, Spaß, Brot und Spiele, in: Merkur, Lachen, 2002, 789 – 800. 3 Homer, Ilias, Neue Übertragung von Wolfgang Schadewaldt, 1976, erster Gesang, 561–567. 4 Ebd., 571–583. 5 Ebd., 586–600. 6 Ebd., 609–611. 7 Ebd., zweiter Gesang, 212 – 221. 8 Im Griechischen hat das Wort kak3w (= hässlich, nicht richtig beschaffen) zugleich eine negative sittliche Bedeutung. 9 Homer, Ilias, zweiter Gesang, 244 – 264. 10 Ebd., 270 f. 11 Ebd., 272–278. 12 Christian Maier, Homerisches Gelächter, Spaß, Brot und Spiele, in: Merkur, Lachen, 2002, 793. 13 Es ist Friedrich Schiller gewesen, der in seinem Schauspiel „Die Räuber“ diese Szene aufnimmt und von Amalia für ihren tot geglaubten Geliebten
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Anmerkungen mit Literaturangaben
Karl Moor folgendes Hektorlied singen lässt: „Willst dich, Hektor, ewig mir entreißen, wo des Äaciden mordend Eisen dem Patroklus schröcklich Opfer bringt? Wer wird künftig deinen Kleinen lehren Speere werfen und die Götter ehren, wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?“, Schiller, Die Räuber, zweiter Akt, zweite Szene, 41, in: Ders., Dramen und Gedichte, 1955. Homer, Ilias, sechster Gesang, 466 – 473. Ebd., 483–485. Platon, Theaitetos, 174 a; alle verwendeten Texte von Platon sind, soweit nicht anders vermerkt, zu finden in: Platon, Werke in acht Bänden, griechisch und deutsch, Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 52005. Ebd., 174 b. Ebd., 174 d. Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 19 f. Vgl. Aristoteles, Poetik, Griechisch/Deutsch, übersetzt und hg. von Manfred Fuhrmann, RUB 7828, 1449 b. Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 242002, 514; Gemoll, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, 1965, 461. Vgl. Platon, Das Gastmahl, 212 c ff. Die einzelnen altphilologischen und literaturgeschichtlichen Überlegungen zur Komödie bzw. zum Komos können wir hier getrost übergehen, eine ausführliche Darstellung hierzu findet sich in: Der kleine Pauly, Lexikon der Antike, Bd. 3, 1979, 281 – 292. Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 20. Peter Funke, Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit (500 – 336 v. Chr.), in: Hans-Joachim Gehrke/Helmuth Schneider, Geschichte der Antike, 2006, 191. Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 20 f. Platon, Philebos, 48 c. Ebd., 50 a, b. Die Altphilologie ist sich in der Deutung dieses Dialogs nicht einig, ein Umstand, den wir aber hier berufeneren Geistern zur Deutung überlassen wollen. Vgl. hierzu die Einleitung zu Parmenides, übersetzt und hg. von Hans Günter Zekl, 1972, XI – XXXVII. Platon, Parmenides, 130 c, d. Ders., Der Staat, 606 c; übersetzt und erläutert von Otto Apelt, 1961. Ders., Gesetze, 816 d – 817 a. Aristoteles, Über die Seele, Buch III, 429 b; 430 a. Ebd., Buch I, 403 a. Dieser Satz entstammt wohl einem verloren gegangenen Werk des Aristoteles, wird ihm aber allgemein zugeschrieben. Aristoteles, Poetik, 5, 1449 a.
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Ebd., 6, 1449 b. Ebd., 5, 1449 a, b. Vgl. Aristoteles, Metaphysik, XIII, 2, 1077 b. Ders., Rhetorik, übersetzt und hg. von Gernot Krapinger, RUB 18006, Drittes Buch, 1419 b. Ebd. Ders., Nikomachische Ethik, IV. Buch, 14. Kapitel, 1127 b –1128 a. Ebd., 1128 b. Cicero, De oratore, drittes Buch, 61; sämtliche Textstellen sind entnommen: Marcus Tullius Cicero, De oratore – Über den Redner, Lateinisch-Deutsch, übersetzt und hg. von Harald Merklin, RUB 6884. Ebd., zweites Buch, 17. Vgl. ebd., 35 f. Vgl. ebd., 229. Ebd., 235. Ebd., 236. Ebd. Ebd., 238. Ebd., 250. Ebd., 255. Ebd., 269 f.; 272. Quintilian, Ausbildung des Redners, VI, 3, 1; sämtliche Textstellen sind entnommen: Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners, zwölf Bücher, übersetzt und hg. von Helmut Rahn, Sonderausgabe 2006. Ebd., VI, 3, 7. Ebd., VI, 3, 8 ff. Ebd., VI, 3, 23 f. Ebd., VI, 3, 35. Ebd., VI, 3, 64. Ebd., VI, 3, 107.
Kapitel III Die Bibel und das Lachen Die Bibel und das Lachen
1 2. Mose 20, 2 f.; alle Bibelstellen werden, soweit nicht anders vermerkt, zitiert nach: Die Bibel, nach der Übersetzung Martin Luthers, 1999. 2 Vgl. 1. Mose 2, 7. 3 Vgl. 1. Mose 17, 17; 18, 12 f.; 18, 15; 21, 6b. 4 Vgl. 1. Mose 19, 14c; 21, 9; 26, 8; 39, 14; 39, 17; 2. Mose 32, 6; Richter 16, 25. 5 Vgl. 1. Mose 21, 6; Hesekiel 23, 32.
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Anmerkungen mit Literaturangaben
6 Vgl. Prediger 3, 4; Hiob 5, 22; 29, 24; 30, 1; 39, 7.18.22; 41, 21; Habakuk 1, 10; Psalm 2, 4; Psalm 37, 13; Psalm 52, 8; Psalm 59, 9; Sprüche 1, 26; 29, 9; 31, 25; Klagelieder 1, 7; Richter 16, 27. 7 Vgl. Jeremia 15, 17; Sprüche 8, 30 f.; 26, 19. 8 Vgl. 2. Samuel 2, 14; Psalm 104, 26; Hiob 40, 20.29; Sacharia 8, 5. 9 Vgl. 1. Samuel 18, 7; 2. Samuel 6, 5.21; 1. Chronik 13, 8; 15, 29; Jeremia 30, 19; Jeremia 31, 4. 10 Vgl. 2. Chronik 30, 10. 11 Vgl. Hiob 8, 21; Psalm 126, 2; Sprüche 10, 23; 14, 13; Prediger 2, 2; 7, 3.6; 10, 19. 12 Hiob 12, 4; Jeremia 20, 7; 48, 26 f.39; Klagelieder 3, 14. 13 Es würde zu weit führen, hier die gesamte Entwicklung des alttestamentlichen Gottesbegriffs darzulegen. Es soll der Hinweis genügen, dass sich im . Alten Testament vor allem vier Gottesbegriffe finden: „sH (El) und yvJ sI (Elohim als majestatis pluralis für Gott, wörtlich übersetzt: Götter), beide in . der Bedeutung von Gott, dann viƒ wK (Adonaj), welches Herr bedeutet, und schließlich xD xE (Jahwe) in der Bedeutung Gott, abgeleitet aus dem Verb xvƒ À (haja = sein), somit ist Jahwe der Seiende schlechthin. Dieser Gottesbegriff hat sich als der bestimmendste und wichtigste im Alten Testament etabliert. Vgl. zur gesamten Bedeutung und Geschichte des Begriffs Gott im Alten Testament: Otto Kaiser, Der Gott des Alten Testaments, Theologie des AT Bd. 1, 1993; Bd. 2, 1998. 14 2. Mose 3, 13 f. 15 Ernst Jenni/Claus Westermann, Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, Bd. 1, 1971, 703. Nach Jenni/Westermann kommt der Gottesbegriff xD xE (Jahwe) im Alten Testament 6828-mal vor, vgl. ebd. 16 5. Mose 6, 4 f. 17 Vgl. 1. Mose 1, 27: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ 18 Vgl. zum Folgenden: Hans-Joachim Kraus, Psalmen, Bd. 1, 41972, 11 – 22. 19 Psalm 2, 1–4. 20 Hans-Joachim Kraus, Psalmen, Bd. 1, 41972,14. 21 Psalm 2, 5–12. 22 Hans-Joachim Kraus, Psalmen, Bd. 1, 41972, 16 f. 23 Vgl. zum Folgenden: Ebd., 285 – 292. 24 Psalm 37, 1– 5. 25 Hans-Joachim Kraus, Psalmen, Bd. 1, 41972, 288. 26 Psalm 37, 12 f. 27 Ebd., 37, 21– 24. 28 Sprüche 8, 1–14. 29 Religion in Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch für Theologie und
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Religionswissenschaft, vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, hg. von Hans Dieter Betz u. a. (= RGG4), Bd. 8, 2005, 1366 f. Sprüche 8, 22–29. Ebd., 8, 30 f. Ebd., 8, 32–36. Helmer Ringgren u. a., Sprüche, ATD Bd. 16, 31991, 3. Sprüche 9, 10. Vgl. Ernst Jenni/Claus Westermann, Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, Bd. 1, 1971, 776. Sprüche 9, 11. Ebd., 31, 10–31. RGG4, Bd. 3, 2000, 1777. Hiob 5, 17–27. Vgl. Hiob 42. Robert Spaemann, Personen, 1996, 264. Vgl. Jesaja 43, 20: „Das Wild des Feldes preist mich, die Schakale und Strauße; denn ich will in der Wüste Wasser und in der Einöde Ströme geben, zu tränken mein Volk, meine Auserwählten“, vgl. auch Psalm 148, 7 –12: „Lobet den Herrn auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres, Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten, ihr Berge und alle Hügel, fruchttragende Bäume und alle Zedern, ihr Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel, ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden, Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen!“ Vgl. Sprüche 6, 6– 8; 30, 24 – 31; Jesaja 1, 3; Jeremia 8, 7. Hiob 12, 7–10. Artur Weiser, Das Buch Hiob ATD 13, 1980, 241. Hiob, 39, 5–8. Vers 7 habe ich wörtlicher übersetzt als dies die Lutherbibel vorgibt. Hiob 39, 13–18. Artur Weiser, Das Buch Hiob ATD 13, 1980, 248. Hiob 39, 19–25. Artur Weiser, Das Buch Hiob ATD 13, 1980, 249. Seine bedeutendste Wirkungsgeschichte entfaltete der Name dieses Urmeerwesen durch das gleichnamige staatsphilosophische Werk von Thomas Hobbes: „Leviathan“ aus dem Jahr 1651. Hiob 40, 25.31 f.; 41, 1.17 – 21. Vgl. hierzu: Psalm 104, 26: „Dort ziehen Schiffe ihre Bahn, der Leviathan, den du gemacht, damit zu spielen.“ Und Psalm 74, 14: „Du hast zerschlagen Leviathans Köpfe, gabst ihn zur Speise den Haifischen“, Übersetzung von Hans-Joachim Kraus. Artur Weiser, Das Buch Hiob ATD 13, 1980, 263.
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Anmerkungen mit Literaturangaben
Vgl. 1. Mose 17, 1 – 8. So mit Le Goff, Das Lachen im Mittelalter, 22004, 32. 1. Mose 21, 1 –7, übersetzt von Claus Westermann, Genesis, Bd. 2, 1981, 404. Vgl. ebd., 324 – 325. 1. Mose 17, 15 –19, übersetzt von Claus Westermann, Genesis, Bd. 2, 1981, 304. 1. Mose 18, 10 –15, übersetzt von Claus Westermann, Genesis, Bd. 2, 1981, 330. Claus Westermann, Genesis, Bd. 2, 1981, 342. Vgl. Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 103 –112. Vgl. hierzu: Friedemann Richert, Der endlose Weg der Utopie, 2001, 502 – 508. Vgl. Robert Spaemann, Personen, 1996, 111 –122. Friedemann Richert, Denken und Führen, 2006, 167. Psalm 126. Vgl. Hans-Joachim Kraus, Psalmen, Bd. 2, 1972, 854 f. Wir können hier getrost die einzelnen exegetischen und systematischen Erörterungen zum Reich Gottes übergehen, eine ausführliche Darstellung und Diskussion hierzu findet sich in: Friedemann Richert, Der endlose Weg der Utopie, 2001, 508 – 528. Vgl. Leonhard Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, 31981, 118 –127. Lukas 6, 20– 23. Lukas 6, 21b. Vgl. Matthäus 28, 18 – 20. Das Verb gelCn (gelan) in der Bedeutung von lachen kommt nur zweimal im Neuen Testament vor: einmal in den Seligpreisungen nach Lukas 6, 21b, dann in den daran anschließenden „Weherufen“ Lukas 6, 25b: „Wehe euch, die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen.“ Dieses hier erwähnte Lachen hat Lukas wohl aus kompositorischen Gründen als Parallelisierung zu 6, 21b eingeführt und meint damit das selbstsichere, nicht gottgefällige, possenreißerische Lachen. Dieses wird aufgrund seiner nicht aus Gott stammenden Herkunft als negativ bewertet. Insofern wertet dieser Parallelismus das fröhliche, weil gottgegebene Lachen in 6, 21b gedanklich geradezu auf. Vgl. Heinz Schürmann, Das Lukasevangelium, erster Teil, 1984, 336 – 341. Das Substantiv g0lvw (gélos): Lachen begegnet nur einmal in Jakobus 4, 9: „Jammert und klagt und weint: Euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit.“ Auch dieses Bußwort ist dem gleichen Gedanken geschuldet wie bei Lukas 6, 25b: Das hier gemeinte Lachen ist das gottlose, spöttische Lachen der Sünder, die Gott mit ihrem Lachen negieren wollen. Vgl. Franz Mussner, Der Jakobusbrief, 1975, 186. In der Verkündigung Jesu zählt demnach nur das gottgefällige, verheißene Lachen als Ausdruck des
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Reiches Gottes. Nur zu diesem Lachen sind die Menschen wahrhaftig berufen. Vgl. Friedrich Paulsen, Das Ironische in Jesu Stellung und Rede, in: Schopenhauer, Hamlet, Mephistopheles, 1926, 259 – 284. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. Dr. Uwe Pörksen. Ebd., 283. Robert Spaemann, Das unsterbliche Gerücht, 2007, 65. Uns braucht hier nicht die gesamte Sichtweise des Logos-Begriffs der Antike zu interessieren, es genügt, den Zusammenhang zwischen dem Logos-Begriff der Antike und dem des Johannesevangeliums zu erkennen. Vgl. zum LogosBegriff: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von Joachim Ritter (= HWPh), Bd. 5, 1980, 491 – 502. Johannes 1, 1–4.14.16 f. Vgl. Detlev Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte, 1993, 62 f. Römer 14, 17. Siehe hierzu Kapitel IV. Vgl. zum Folgenden: Matthias Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 1996, 275 – 371. Denselben Gedanken hat Paulus schon im 1. Korintherbrief dargelegt, indem er das gemeinsame Abendmahl vom allgemeinen Essen und Trinken streng geschieden wissen wollte, vgl. 1. Korinther 11, 17 – 34. Matthias Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 1996, 350. „Unter dem Namen Petrus-Apokalypse sind aus dem 2. Jh. n. Chr. drei unterschiedliche Texte bekannt, die griechische, die äthiopische und die koptische Petrus-Apokalypse. Die griechische und äthiopische Version sind miteinander literaturgeschichtlich verwandt. Die koptische Apokalypse ist ein ganz eigener Text.“ (Klaus Berger, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, 1999, 1163.) Ebd. Ebd., Koptische Petrus-Apokalypse 10, 1 –13. Vgl. allgemein hierzu: Karlmann Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte, Bd. 1, 1982, 118 –138.
Kapitel IV Das Lachen im Mönchtum Das Lachen im Mönchtum
1 Im Rahmen unserer Darstellung kann nicht die gesamte Geschichte des Mönchtums verhandelt werden. Unser Fokus wird vielmehr auf der Bestimmung und Bedeutung des Lachens im Mönchtum liegen, wie diese anhand
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Anmerkungen mit Literaturangaben
gewichtiger monastischer Lebensregeln ausgemacht werden können. Zur allgemeinen Betrachtung der Geschichte des Mönchtums vgl. Karl Suso Frank, Geschichte des christlichen Mönchtums, 51993; vgl. zudem: Lexikon des Mittelalters, Bd. VI, 2003, 733 –746; vgl. RGG4, Bd. 5, 2002, 1412 –1436; Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, 1981, §§ 28, 38 a – e, 49 a – e, 52 a–g, 60 et passim; Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, 2002. Zitiert nach: Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, 2002, 7. „Es gibt zwei Arten von Christen. Die eine Art aber ist die, der es zukommt, dem göttlichen Dienst verpflichtet und hingegeben der Kontemplation und dem Gebet, sich von allem Getöse der zeitlichen Dinge fern zu halten, nämlich die Kleriker und die Gott durch Gelübde Geweihten bzw. die Konversen. KlVrow (Kleros) bedeutet nämlich im Griechischen soviel wie lateinisch Los. Von daher werden derartige Menschen Kleriker genannt, d. h. durch das Los erwählte. Alle hat nämlich Gott zu den Seinigen erwählt. Diese nämlich sind Herrscher, d. h. solche, die über sich und andere in Tugenden herrschen, und so in Gott Herrschaft haben. Und dies bezeichnet die Krone (Tonsur) auf ihrem Kopf. Diese Krone haben sie von der Anordnung der Römischen Kirche her zum Zeichen der Herrschaft, die in Christus erwartet wird. Das Scheren des Kopfes ist das Ablegen alles Zeitlichen. Jene nämlich sollen, zufrieden mit Nahrung und Kleidung und ohne Eigentum untereinander, alles gemeinsam haben. §.1. Es gibt aber die andere Art der Christen, nämlich die Laien. La3w (Laós) nämlich heißt Volk. Diesen ist es erlaubt, Zeitliches zu besitzen, aber nur zum Gebrauch; denn nichts ist erbärmlicher als um des Geldes willen Gott zu verachten. Diesen ist eingeräumt zu heiraten, die Erde zu bebauen, untereinander Richter zu sein, Prozesse zu führen, Opfergaben auf die Altäre zu legen, den Zehnten zu zahlen und so können sie zum Heil kommen, wenn sie die Laster durch Gutestun meiden“, Decretum Gratiani, Decreti Pars Secunda, Causa XII, Questio I, 7, Edition Friedbergs 1879. Friedemann Richert, Denken und Führen, 2006, 40. Mit diesen Regeln sind wohl die wichtigsten und wirksamsten Lebensregeln für das Mönchsleben insgesamt benannt. Die Regeln des Basilius wurden vor allem in der Ostkirche maßgeblich, während die Magisterregel und die Benediktusregel in der abendländischen Kirche tonangebend geworden sind. Vgl. hierzu Karl Suso Frank, Die Mönchsregeln, 1981, 63 ff.; Ders., Die Magisterregel, 1989, 52 ff. Basilius von Caesarea, Die Mönchsregeln, hg. von Karl Suso Frank, 1981, 125. Vgl. ebd. Ebd., 126. Ebd., 132 f. Ebd., 214 f. Vgl. Karl Suso Frank, Die Magisterregel, 1989, 30 – 33, wo in einer tabellari-
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schen Gegenüberstellung die Gleichheit und Parallelität der Magisterregel und der Benediktusregel augenfällig werden. Vgl. ebd., 8–11. Ebd., 106 (= RM 3, 57 – 60). Ebd., 118 (= RM 8, 1 – 4). Ebd., 122 (= RM 8, 33 – 36). Ebd., 127 (= RM 9, 51). Das Bild der Jakobsleiter nimmt Bezug auf die Erzählung 1. Mose 28, 10 –19, in der der Erzvater Jakob im Traum eine zur Erde reichende Himmelsleiter sieht, auf der die Engel auf- und absteigen. Das Bild der Jakobsleiter ist ein beliebtes Motiv in der frühchristlichen asketischen Literatur. Vgl. Karl Suso Frank, Die Magisterregel, 1989, 360. Ebd., 135 f. (= RM 10, 78 – 81). Ebd., 155 (= RM 12, 30 – 34). Ebd., 147 (= RM 11, 75 f.) Ebd. (= RM 11, 79). Vgl. Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, 2002, 26. Die Benediktusregel, 32001, 71 (= Prolog, 45 – 50). Ebd., 85 f. (= RB 3, 7 –11). Le Goff, Das Lachen im Mittelalter, 22004, 58. Die Benediktusregel, 32001, 91 (= RB 4, 50). Ebd., 91 f. (= RB 4, 51 – 58). Ebd., 98 (= RB 6, 8), eigene Übersetzung. Ebd., 110 f. (= RB 7, 56 – 61), eigene Übersetzung. Vgl. Die Benediktusregel, 32001, 155 (= RB 31, 19), 197 (= RB 53, 22), 223 (= RB 64, 5). Karl Suso Frank, Geschichte des christlichen Mönchtums, 51993, 4. Vgl. HWPh, Bd. 4, 1976, 1468. Ebd. So Diogenes Laertios, zitiert nach HWPh, Bd. 1, 1971, 772. Vgl. zum Folgenden: ebd. Die Stoa wird in der Regel in drei Phasen eingeteilt. So unterscheidet man die Alte, die Mittlere und die Späte (auch römisch-kaiserzeitliche) Stoa. Aus den beiden erstgenannten Phasen sind allerdings sämtliche Originalwerke verloren gegangen, sodass man in Fragen der praktischen Philosophie für die Mittlere Stoa vor allem auf das philosophische Werk Ciceros zurückgreifen muss, für die Alte Stoa hingegen ist man ausschließlich auf Zitate, gegnerische Stellungnahmen und doxographische Abrisse späterer Autoren angewiesen. Vgl. hierzu: HWPh, Bd. 10, 1998, 176 –186. Seneca, Philosophische Schriften, Bd. 1, übersetzt von Manfred Rosenbach, 1995, 173.
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Anmerkungen mit Literaturangaben
38 Marc Aurel, Die Kunst, vernünftig zu leben, 1958, 122 f.; hier: Die Übersetzung des griechischen Textes stammt von Dr. Günter Vogel. 39 Ebd. 40 Philon, De vita contemplativa, 73 f., zitiert nach: Karl Suso Frank, Geschichte des christlichen Mönchtums, 51993, 2. 41 Ausläufer dieses Menschenbildes finden sich noch bei Luther, wenn er im „Kleinen Katechismus“ den ersten Glaubensartikel wie folgt auslegt: „Ich gläube, daß mich Gott geschaffen hat sampt allen Kreaturen, mir Leib und Seel, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält“, Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 81979, 510. 42 Vgl. Le Goff, Die Geschichte des Körpers im Mittelalter, 2007, 84. 43 Vgl. Markus 10, 17 – 27; Matthäus 19, 16 – 22; Lukas 18, 18 – 23. 44 Adolf Martin Ritter, Klemens von Alexandrien, 123, in: Gestalten der Kirchengeschichte, Alte Kirche I, hg. von Martin Greschat, 1984, 121 –133. 45 Zitiert nach ebd., 124. 46 Clemens von Alexandrien, Paidagogos, in: Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften, aus dem Griechischen übersetzt von Otto Stählin, 1934, zweites Buch, Kapitel II, 25, 2 – 4. 47 Ebd., 28, 1. 48 Ebd., Kapitel IV, 41, 3. 49 Ebd., Kapitel V, 45, 1. 50 Ebd., 46, 1–2. 51 Ebd., 46, 3. 52 Ebd., 47, 2. 53 1. Mose 1, 31a. 54 „Und David suchte Gott um des Knäbleins willen und fastete, und wenn er heimkam, lag er über Nacht auf der Erde“, heißt es 2. Samuel 12, 16, also in der Erzählung von Davids Ehebruch und seiner dann folgenden Buße und Reue. Als schönes Beispiel für das kollektive Fasten sei auf das Buch Jona verwiesen, das im 3. Kapitel solch einen Minderungsritus belegt, verbunden mit dem Bußritus des Sacktragens und des Sich-in-die-Asche-Setzens. 55 Vgl. Markus 1, 6 par., Matthäus 11, 18 par. 56 Vgl. Markus 2, 18 ff. 57 Vgl. Markus, 2, 15; Lukas 14, 1; Johannes 2, 1 –11. 58 Vgl. Matthäus 6, 16 –18. 59 Matthäus 11, 19; vgl. Lukas 7, 34. 60 Vgl. Markus 14, 12 – 25 par.; 1. Korinther 11, 17 – 34. 61 Klaus Berger, Wer war Jesus wirklich?, 1999, 44. 62 Vgl. etwa Matthäus 13, 44 – 46. 63 Vgl. Matthäus 4, 18 – 22 par.
Das Lachen in der Reformationszeit
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64 Markus 10, 28–30. 65 Vgl. noch Markus 10, 17 – 31 par., wo anhand des reichen Jünglings das Problem von Reichtum und Nachfolge thematisiert wird; zudem Matthäus 19, 1–12 par., wo das Verhältnis von Ehe, Ehescheidung und Eunuchentum reflektiert wird; und Lukas 12, 22 – 33 par., wo Jesus zur himmlischen Gelassenheit gegenüber den irdischen Sorgen aufruft. 66 Matthäus 6, 25–34. 67 Dieser Gedanke ergibt sich daraus, dass Jesus sich in der Bergpredigt nach Matthäus 5–7 an seine berufenen Jünger richtet und diese damit unterwiesen werden, wie sie in der Welt vor Gott verantwortlich leben können. 68 Vgl. RGG4, Bd. 1, 41998, 833 f. 69 1. Korinther 7, 29– 31. 70 Vgl. hierzu auch Römer 12, 1, wo Paulus die Christen ermuntert, ihr Leben als vernünftigen Gottesdienst (logik:n latre2an = logikän latreian) zu begehen. 71 Römer 8, 37–39. 72 Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, II, 41,1, übersetzt nach Helmuth Vretska, RUB 1807. 73 Aristoteles, Nikomachische Ethik, IV., Kapitel 14, 1128 a. 74 Vgl. zu Folgendem: Hugo Rahner, Eutrapelie, eine vergessene Tugend, in: Geist und Leben, 27. Jahrgang 1954, 346 – 353. 75 Ebd., 347. 76 Aristoteles, Nikomachische Ethik, IV., Kapitel 14, 1128 a. 77 Ebd. 78 Ebd., 1128 a, 1128 b. 79 Ebd., X, 6, 1176 b–1177 a. 80 Der Epheserbrief zählt nicht zu den echten Paulusbriefen, wird vielmehr den Deuteropaulinen zugerechnet, also den in Anlehnung an Paulus geschriebenen Briefen. Vgl. Eduard Lohse, Die Entstehung des Neuen Testaments, 3 1979, 57–60. 81 Epheser 5, 3 f. 82 Clemens von Alexandrien, Paidagogos, in: Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften, aus dem Griechischen übersetzt von Otto Stählin, 1934, zweites Buch, 7, 53, 3.
Kapitel V Das Lachen in der Reformationszeit Das Lachen in der Reformationszeit
1 Vgl. Michail Bachtin, Rabelais und seine Welt, 1995; seine Kernthese lautet, dass ganz Europa über viele Jahrhunderte von einem staatstragenden Ernst
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Anmerkungen mit Literaturangaben
beherrscht wurde, dem im Volk immer eine untergründige, staatskritische Lachkultur gegenübergestanden hat. Als haltbar freilich hat sich seine These nicht erwiesen. Vgl. Dirk Schümer, Lachen mit Bachtin, in: Merkur, Lachen, 2002, 847–853. Vgl. Theologische Realenzyklopädie, hg. von Gerhard Krause u. a., Bd. 25, 1995, 532. Vgl. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 5, 2005, Sp. 868 – 884; hier findet sich noch eine Fülle anderer Lachmotive. Vgl. allgemein zu Erasmus: Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam, 92004. Vgl. etwa Sebastian Brants Moralsatire „Das Narrenschiff“ (1494). Vgl. etwa das Triptychon „Der Garten der Lüste“ (1500?) von Hieronymus Bosch. Demokrit (ca. 460 – 370 v. Chr.) wurde erstmals bei Horaz (65 – 8 v. Chr.) „Der lachende Philosoph“ genannt. Erasmus von Rotterdam, Lob der Torheit, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 2, 3 2006, 3. Ebd., Kap. 8. Auf Deutsch vielleicht „Hui“, „Pfui“. Der hier vorgelegte Text bleibt auch in der lateinischen Fassung unklar, sodass von einem Druckfehler auszugehen ist. Wahrscheinlich heißt es im Original: Huius, inquam, famulitii fidelibus auxiliis …, wörtlich: „durch dieser, sage ich, Dienerschaft treue Hilfen …“, besser: „Also: diese Dienerschaft ist es, dank deren treuer Dienste ich alle Welt meiner Botmäßigkeit unterwerfe, wobei ich sogar über Herrscher herrsche.“ Diesen Hinweis samt lateinischer Korrektur verdanke ich meinem alten Griechischlehrer, Herrn Dr. Günter Vogel. Ebd., Kap. 9. Ebd., Kap. 11. Ebd., Kap. 35. Ebd., Kap. 21. Ebd., Kap. 22. Ebd., Kap. 63. Ebd., Kap. 65. Ebd., Kap. 65. Ebd., Kap. 67. Vgl. zum gesamten Utopieproblem: Friedemann Richert, Der endlose Weg der Utopie, 2001. Thomas Morus, DE OPTIMO REIPUBLICAE STATU, DEQUE NOVA INSULA UTOPIA, LIBRI DUO, Francofurti, Ex Officina Chalcographica Ioannis Saurii, Sumptibus Petri Kopffii, 1601, 1; eigene Übersetzung. Hans Peter Heinrich, Thomas Morus, 1998, 69. Vgl. ebd., 73.
Das Lachen in der Reformationszeit
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24 Der geistesgeschichtliche Hintergrund dieses Gedankenspiels ist in der während der Renaissance hoch geschätzten Rhetorik zu finden, vgl. hierzu: Lexikon der Renaissance, hg. von Günter Gurts u. a., Digitale Bibliothek Bd. 41, 2004, 3820 ff. 25 Thomas Morus, Utopia, in: Der utopische Staat. Übersetzt und hg. von Klaus J. Heinisch, 1991, Kap. 10. 26 Lukian von Samosata (etwa 120 –190 n. Chr.) lebte als Wanderredner, dann als Schriftsteller in Athen, später als Verwalter in Ägypten. Er zählt zu den geistreichsten Schriftstellern der antiken Kaiserzeit. Mit seinen witzig-kritischen Satireschriften nahm er die Gebrechen und religiös-philosophischen Torheiten seiner Zeit im gefälligen Stil aufs Korn. Goethe entnahm seiner Schrift Der Lügenfreund den Stoff zum Zauberlehrling, vgl. Stefan Link, Wörterbuch der Antike, 112002, 541. 27 Ebd., Kap. 19. 28 Ebd., Kap. 24. 29 Ebd., Kap. 30 c. 30 Vgl. Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 244. 31 Ebd., 251. 32 Vgl. ebd., 10 ff. 33 Vgl. hierzu: Friedemann Richert, Denken und Führen, 2006, 40, 78, 167 –171. 34 Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation: Von des christlichen Standes Besserung, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 1, hg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, 1982, 151 f. 35 Beispielhaft sei hier aufs Luthers Schrift „Vom unfreien Willen“ (1525) verwiesen, die als Antwort auf Erasmus’ Schrift „Vom freien Willen“ (1524) zu verstehen ist. Hierbei bedient sich Luther u. a. des rhetorischen Stilmittels der reflexio, des virtuosen Aufgreifens gegnerischer Argumente, die abgewandelt und „zurückgeschleudert“ werden. Diese Kunst vollführt Luther teils spöttisch, teils ironisch, teils werbend. Freilich: Diese Schrift Luthers hat elementar zum Bruch mit Erasmus beigetragen. 36 So schrieb Luther an Tetzel, der mit seiner Ablasspredigt Luther 1517 zur Veröffentlichung der 95 Thesen veranlasst hatte, 1519 einen tröstlich gehaltenen Brief. Denn Tetzel wurde aufgrund des öffentlichen Geschehens um die beginnende Reformation von seinem Dominikanerorden verstoßen und in Klosterhaft gesetzt, vgl. Richard Friedenthal, Luther, 91983, 231. 37 Martin Luther, Lektüre für Augenblicke, ausgewählt von Walter Sparn, 2004, 143. 38 Ebd., 64. 39 Vgl. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 81979, 560 ff. 40 Ebd., 506.
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Anmerkungen mit Literaturangaben
Zitiert nach Birgit Stolt, Martin Luthers Rhetorik des Herzens, 2000, 24. Ebd. Martin Luther, Tischreden, RUB 1222, 253. Martin Luther, Lektüre für Augenblicke, ausgewählt von Walter Sparn, 1983, 113. Martin Luther, Ausgewählte Schriften, Bd. 6, hg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, 1982, 265. Zitiert nach Fritz Blanke, Luthers Humor, 1957, 18. Martin Luther, Ausgewählte Schriften, Bd. 6, hg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, 1982, 272 f. Martin Luthers Tischreden, zusammengestellt von Jürgen Henkys, 2003, 114. Brief Luthers an Melanchthon vom 1. August 1521, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel Bd. 2, 1931: WA BR 2, 372, Nr. 424, 82–85.93. Martin Luther, Tischreden, Nr. 457: „Der Glaube lacht aller Widerwärtigkeiten“, in: Martin Luther, Gesammelte Werke, hg. von Kurt Aland, Digitale Bibliothek Bd. 63, 2004, 6580.
Kapitel VI Das Lachen als philosophische Wegweisung Das Lachen als philosophische Wegweisung
1 Zitiert nach Steffen Dietzsch, Immanuel Kant, 22004, 202. 2 Immanuel Kant, Was ist Aufklärung?, A 491; sämtliche Textstellen von Kant sind zitiert nach: Immanuel Kant, Werke in zehn Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Sonderausgabe 1983. 3 Zitiert nach Steffen Dietzsch, Immanuel Kant, 22004, 204. 4 Ebd. 5 Immanuel Kant, Der Philosophischen Religionslehre drittes Stück, A 133. 6 Ders., Der Anthropologie erster Teil, Anthropologische Didaktik, § 51, A 153. 7 Ebd., § 76, A 219. 8 Ebd., A 220. 9 Ebd. 10 Ebd., Anmerkung A 221. 11 Ders., Kritik der ästhetischen Urteilskraft, § 54, A 222. 12 Ebd. 13 Ders., Kritik der reinen Vernunft, A 133. 14 Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, in: Ders., Werke II, 1997, 300; sämtliche Textstellen von Nietzsche sind zitiert nach: Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, Lizenzausgabe 1997. 15 Ders., Götzendämmerung, Werke II, 960.
Lachende Vernunft
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Ders., Unzeitgemäße Betrachtungen, Werke I, 266. Ders., Also sprach Zarathustra, Werke II, 279. Ebd. Ebd., 410. Ebd., 531. Vgl. Kapitel II/2. Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Werke II, 244 f. Ders., Also sprach Zarathustra, Werke II, 280. Ebd., 550. Ders., Jenseits von Gut und Böse, Werke II, 753 f. Ivo Frenzel, Friedrich Nietzsche, 1991, 114.
Kapitel VII Lachende Vernunft Lachende Vernunft
1 Zitiert nach Hugo Rahner, Eutrapelie, eine vergessene Tugend, in: Geist und Leben, 27. Jahrgang 1954, 352. 2 Ebd., 350. 3 Helmuth Plessner, Lachen und Weinen, in: Ders., Gesammelte Schriften VII, 1982, 328. 4 Ebd., 329. 5 Ebd., 329 f. 6 Peter L. Berger, Erlösendes Lachen, 1998, 242.