Kirchenverwaltung und Landesherrschaft: Kirchenordnendes Handeln in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert [1 ed.] 9783737010856, 9783847110859


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German Pages [725] Year 2020

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Kirchenverwaltung und Landesherrschaft: Kirchenordnendes Handeln in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert [1 ed.]
 9783737010856, 9783847110859

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Schriften zur politischen Kommunikation

Band 26

Herausgegeben von Angela De Benedictis, Gustavo Corni, Brigitte Mazohl, Daniela Rando und Luise Schorn-Schütte

Andr8 Junghänel

Kirchenverwaltung und Landesherrschaft Kirchenordnendes Handeln in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert

Mit 11 Abbildungen

V& R unipress

Reihe des Internationalen Graduiertenkollegs »Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert«

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zugl. Dissertation Johann-Wolfgang-Goethe-UniversitÐt Frankfurt am Main und Università degli Studi di Pavia 2015. D.30  2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Collage erstellt von AndrØ JunghÐnel, ErlÐuterung und Quellennachweis im Abbildungsverzeichnis auf S. 693. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6312 ISBN 978-3-7370-1085-6

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel I: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Fragestellung: Herrschaftsvermittlung, Normimplementation, Kommunikationspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Zum Forschungsstand und Untersuchungsraum . . . . . . . . . . 1. (Kirchen-) Verwaltung als Gegenstand historischer Forschung 2. Die territoriale und kirchliche Entwicklung der Landgrafschaft Hessen (-Kassel) von Philipp dem Großmütigen bis ins 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp der Großmütige, reformatorische Grundentscheidungen

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und die Teilung der hessischen Lande . . . . . . . . . . . . . . . Die gesamthessischen Generalsynoden und die wachsenden konfessionellen Spannungen zwischen den hessischen Landgrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Vermächtnis Wilhelms IV. von Hessen-Kassel und der Regierungsantritt seines Sohnes Moritz des Gelehrten . . . . . . Die Einführung der reformierten »Verbesserungspunkte« in Hessen-Kassel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hessen-Kassel am Abgrund: Der Konflikt mit Hessen-Darmstadt und das Überleben im und nach dem Dreißigjährigen Krieg . . .

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3. Die räumliche und organisatorische Gliederung der Kirchenverwaltung in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im Untersuchungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Superintendenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Metropolitane, Klassen und Klassenkonvente . . . . . . c) Konsistorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Kapitel II: Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher . . . . . . . A) Leben und Amt der Superintendenten; Quellenwert und Funktion ihrer Diensttagebücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Paul Stein (amtierte von Oktober 1622 bis November 1634) . . . a) Leben und Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diensttagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theophil Neuberger (amtierte von Dezember 1634 bis Januar 1656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leben und Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diensttagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Johannes Hütterodt (amtierte von November 1638 bis September 1672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leben und Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diensttagebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Diensttagebuch Johann Heinrich Stöckenius’ (amtierte von 1658 bis 1684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Wahl, Bestätigung und Amtseinführung der Superintendenten . . . 1. Das Rücktrittsgesuch des Eschweger Superintendenten Georg Reinmann (1621) und die Nachfolgekontroverse um Hermann Fabronius (1623) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahl zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg 1634 und die nicht erfolgte landesherrliche Konfirmation Johannes Hütterodts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit: Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Landesherr und Superintendenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien . . . . . . . . . 1. Die Gravamina der bei der Superintendentenwahl versammelten Pfarrerschaft als Panorama kirchenadministrativ relevanter Problemlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kommunikationsstrukturen und -strategien, die dafür genutzten Formen kirchlichen Verwaltungsschrifttums sowie individueller Arbeitsorganisation und der Wert der »Repositur« . . . . . . . . Post vom Superintendenten: Geistliche Verteilmechanismen . . . »Kopialbücher« als Instrumente der Wissenssicherung . . . . . . Kontinuität über Jahrhunderte bei der Besetzung der Pfarrstellen im Hochstift Hersfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Anlass bestimmt die Form: aufgabenbezogene Strukturierung der Schriftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt und Wichtigkeit der Repositur . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Visitationen und Visitationsberichte: Ordnungssicherung und Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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a) Themen und Durchführung der Visitationen . . . . . . . . . . aa) Bauunterhaltung und Mittelbeschaffung, Bekenntnisordnung, Sittenzucht und Kirchenorganisation – Paul Steins erste Stationen: Ziegenhain, Treysa und Neukirchen . . . . . . . . . . . . bb) Einsetzung und Disziplinierung von Pfarrern, die rechte Versehung der Schule, die andauernde konfessionelle Devianz weltlicher Führungsschichten, heimische Rechnungskontrolle und der angemessene Unterhalt des Pfarrers von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim (Klasse Borken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lose Sitten und geordnete Amtsführung im Krieg: Eine Ermahnung an den Metropolitan zu Gudensberg und das konsequente Verhalten Paul Steins gegenüber den Verfehlungen des künftigen Pfarrers von Obermöllrich . . dd) Ein Blick auf die Visitationsüberlieferung im Bezirk der Superintendentur Rotenburg . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechnungen über das Visitiergeld als Spiegel der Visitationspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Kooperation der Superintendenten in Rotenburg und Kassel – Der Fall Lüderbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Verhältnis von Kirchenvisitation und Landesvisitation . . 4. Seelsorgliche Erwägungen und geistliche Schriftstellerei . . . . .

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Kapitel III: Der geistliche Apparat vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner . . . . . . . 1. Herkunft und Berufung, Eignung und konfessionelle Unbedenklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprachfehler im Pfarramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis der Gemeinden zu ihren Pfarrern und Opfermännern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Fall des Opfermanns Adam Leuchter . . . . . . . . . bb) Die Praxis der Stellenbesetzung – Wunsch und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft . . . . . . . . . . 2. Diener mehrerer Herren: Oboedienzkonflikte und ihre Auswirkungen im kirchenorganisatorischen Alltag . . . . . . . . Patronat und Kirchenbaulast: Die Auseinandersetzungen um die Pfarrbesetzung und den Pfarrhausbau in der Deutschordenspfarrei Felsberg . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3. Ihre lokale Eingebundenheit und die Vorbildrolle der Geistlichen; »Salz der Erde« und »Licht der Welt« – Die Ausschreiben des Superintendenten Neuberger . . . . . . . . . . B) Die Gemeinde als politische und kirchliche Organisationseinheit . . 1. Der Aufbau der politischen und kirchlichen Gemeinde in Stadt und Dorf – Identitäten und Inkompatibilitäten . . . . . . . . . . Schultheiß und Kirchensenior – Die Absetzung des Frankershausener Schultheißen als Kirchensenior durch den Ortspfarrer 1657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hospitäler, Siechen- und Sondersiechenhäuser – Die Oberaufsicht der Superintendenten und ihre Vertretung durch die Ortspfarrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen – die Kirche als regionaler Wirtschaftsfaktor und die Finanzierung ihrer Aufgaben . 1. Allgemeine Prinzipien der kirchlichen Vermögensverwaltung und ihre Anwendung: Die Ordnung des kirchlichen Finanzwesens vor Ort, Rechnungskontrolle als landeshoheitliche Aufgabe und die Erfassung und Sicherung der kirchlichen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stadt und Superintendent im Streit um den Lehenschreiber zu Lichtenau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Aufsicht der Superintendenten über die ad pios usus errichteten Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Supplikationen um Schuldenerlass und Zinsermäßigung und der Umgang der Superintendenten damit . . . . . . . . . . . . . . . D) Alltagsgeschäft: Der Umgang der kirchlichen Institutionen mit den Herausforderungen ihrer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aufrechterhaltung der Eheordnung Die Soldaten und die Frauen: Heiratserlaubnis für Fremde und Erlaubnis zur Wiederheirat für Frauen umgekommener, entlaufener oder nachrichtenlos im Krieg verschollener Männer . . . . . . . . . 2. »Abergläubische, aus dem Papsttum noch herrührende« Bräuche und adlige Trauerriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele für unterschiedliche Umgangsweisen mit magischen Praktiken und darauf gerichteten Vorwürfen . . . . . . . . . . . Kapitel IV: Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle zwischen Landesherr, Pfarrerschaft und Bevölkerung . . . . . . . . . . . A) Die Kanzel als Sprachrohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kanzelverkündung der Abdankung Landgraf Moritz’ und des Regierungsantritts seines Sohnes Wilhelm V. (1627) . . . . .

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Inhalt

2. Geistliche Kommunikation im Kontext des Dreißigjährigen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlassbezogene Gebete und Gottesdienste Gebet für das Gelingen der Reise des Landgrafen an den Kaiserhof nach Prag (April 1628); Wie der Leipziger Konvent den »gemeinden in ihr christlich gebet anzubefehlen« (Februar 1631); Wie »bey itziegen leufften im offentlichen kirchengebet, zu vorderst keiserlicher majestät, undt dan auch anderer christlicher potentaten gedacht werden solle« (August 1631); Dankgottesdienst für den schwedischen Sieg bei Breitenfeld (September 1631) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

b) Die Ansetzung außerordentlicher Fast-, Buß- und Bettage . Bergwerk versus Betstunde: Ausnahmen von der Kirchgangspflicht zugunsten wirtschaftlicher Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Kommunikationsdrehscheibe Schreibtisch . . . . . . . . . . . . . 1. Die Umwidmung der Marburger Stipendiatengelder auf die neu zu errichtende Hohe Schule Kassel und das Auskunftsersuchen des Superintendenten an die Präsentationsstädte (1628) . . . . 2. Angst geht um – Die Auswirkungen des Restitutionsedikts auf lokaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Die beratende Tätigkeit des Kasseler Predigerministeriums in geistlich-politischen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahmen zum Schicksal der Reformierten im Reich . . a) Das Bedenken zur Bedrängnis der Reformierten in der Grafschaft Nassau-Siegen (1628) . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Bedenken zur beabsichtigten Wiedereinführung der lutherischen Kirchenordnung in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein (1629) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Stellungnahme zu den Gravamina der hessischen Ritterschaft von 1640 bezüglich der Forderung nach Zulassung lutherischer Hausgottesdienste und der Abschaffung als übermäßig empfundener Kasualiengebühren . . . . . . . . . . D) Recht und Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entstehung und Verbreitung der Presbyterialordung von 1630 und der Widerstand des Adels gegen diese »Neuerung« . 2. Die Entstehung landesherrlicher Ordnungen im Spannungsfeld zwischen Zwang zur Seligkeit und Realismus . . . . . . . . . . a) Der diskursive Entstehungsprozess der Feiertagsordnung vom 20. Juli 1642 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

b) Neubergers Bedenken zu einer umfassenden »Newen Ordnung« und sein Entwurf einer neuen Fluchordnung im Spiegel seines Buches »Zungenzaum«. Zwischen Kooperation und Konflikt: Die Zusammenarbeit zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel V: Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Der Konflikt um die Zugehörigkeit von Ort und Kirche Züschen zwischen der Grafschaft Waldeck und der Landgrafschaft Hessen-Kassel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Genese des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zusteuern auf den Höhepunkt des Konflikts und dessen konfessioneller Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Introduktion des Pfarrers Hermann Gerhard durch Hessen-Kassel 1622 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Introduktion des Pfarrers Georg Thonius durch Hessen-Kassel 1625 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Machtdemonstrationen, Denkanstöße und die Reaktion der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hessische Eigenmächtigkeiten und die Langzeitwirkung von Gewalt .

B) Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Wessen das Land, dessen der Glaube – Das Reichshofratsurteil von 1623/1626 und seine Konsequenzen für das politische und konfessionelle Gefüge Hessen-Kassels . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Huldigung der Pfarrer gegenüber Hessen-Darmstadt und der Versuch, Hessen-Kassel von aller Oboedienz in den Pfandgebieten abzuschneiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Einsetzung lutherischer Pfarrer in den niederhessischen Pfandgebieten durch Hessen-Darmstadt und die (vorzeitige) Restitution der reformierten Stelleninhaber durch Hessen-Kassel (1626–1629) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Absetzung und Restitution des Pfarrers Bartholomäus Arcularius zu Homberg an der Efze . . . . . . . . . . . . . . . b) Reformierter Diakon neben lutherischem Pfarrer : Die Restitution des Diakons Samuel Andreas Cancrinus – konfessionelle Spannungsprogrammatik in Niederurff . . . . c) Die Restitution des Pfarrers Johannes Schoppach und des Diakons Johannes Magirus zu Treysa . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

d) Die Verhältnisse zu Niederdünzebach, Schwebda und Reichensachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Absetzung und Restitution des Pfarrers Nicolaus Schlingaxt zu Röhrda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel VI: Fazit: Kirchenverwaltung und Landesherrschaft . . . . . . .

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diensttagebücher der Superintendenten . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere ungedruckte Quellen (Auflistung der benutzten Signaturen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kirchenkreisarchiv Eschwege (KKAE) . . . . . . . . . . . . b) Stadtarchiv Eschwege (StA ESW) . . . . . . . . . . . . . . . c) Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel (LKA Kassel) . . . . . . . . . . d) Universitätsbibliothek Kassel – Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (Handschriften und Alte Drucke) . . . . . . . . e) Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (StAD) . . . . . . . . . . f) Hessisches Staatsarchiv Marburg (StAM) . . . . . . . . . . . 3. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Internetressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D) Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die gründlich überarbeitete und erweiterte Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2015 im cotutelle-de-thHse-Verfahren sowohl zur Promotion zum Doktor der Philosophie am Fachbereich 8 (Philosophie und Geschichtswissenschaften) der Goethe-Universität Frankfurt am Main als auch zum Dottore di Ricerca (in Diritto e Storia delle Civilt/: Diritto romano, Civilt/ del mediterraneo antico e Cultura giuridica europea) an der Universität Pavia führte. Den ersten Anstoß zu ihrer Entstehung lieferte im Juni 2010, mit einem Hinweis auf die Veröffentlichung zum Diensttagebuch des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt, Markus Friedrich, damals Assistent am Lehrstuhl für Neuere Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit an der Universität Frankfurt am Main, heute Professor an der Universität Hamburg. Positiv aufgenommen wurde die Idee zur Beschäftigung mit dem Verhältnis von Kirchenverwaltung und Landesherrschaft in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert von der damaligen Lehrstuhlinhaberin Frau Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte, die sich selbst intensiv mit der evangelischen Geistlichkeit dieses Territoriums auseinandergesetzt hat. Von April 2011 bis März 2014 konnte die Dissertation im Rahmen und mit Unterstützung des Internationalen Graduiertenkollegs »Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert« vorangetrieben werden, in dessen Schriftenreihe und finanziert aus dessen Geldern sie nun auch erscheinen kann. Für die letztendliche Übernahme der Druckkosten, Jahre nach Ende des Graduiertenkollegs, bin ich dem Dekanat des Fachbereichs Philosophie und Geschichtswissenschaften, auf das die Mittel des ehemaligen Graduiertenkollegs übergegangen sind, sowie dem GRADE Center GPE Geschichte – Philosophie – Ethnologie zu Dank verpflichtet, ebenso wie der Vermittlung durch Herrn Prof. Dr. Andreas Fahrmeir und der organisatorischen Abwicklung durch die Fachbereichsreferentin Frau Dr. Ellinor Schweighöfer. Die Mitgliedschaft in diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten deutsch-österreichisch-italienischen Graduiertenkolleg hat mich

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Vorwort

unerwarteterweise in das norditalienische Pavia geführt. An der Universit/ degli Studi di Pavia nahm sich der Betreuung meines Vorhabens Frau Prof. Dr. Daniela Rando an, die sich versiert auf die sprachlichen und fachlichen Untiefen der Reformations- und Kirchengeschichte eines ihr bis dahin wenig vertrauten Territoriums einließ, und die Entstehung dieser Arbeit wie ihren Autor mit einem realistischen Blick förderte. Zur Aufnahme in das rechtsgeschichtlicharchäologische Promotionskolleg der Universität Pavia erklärte sich Prof. Dr. Dario Mantovani bereit. Das Vertrauen und die große Geduld, die beide Betreuerinnen in den Jahren nach der Promotion bis zur Drucklegung bewiesen haben, ist nicht selbstverständlich. Seit den ersten tastenden Anfängen am Hessischen Staatsarchiv Marburg zeigte sich Herr Diplom-Archivar Hartmut Klingelhöfer meinen Recherchen und Anregungen gegenüber stets aufgeschlossen. Im Laufe der Zeit lernte ich die Bestände und Mitarbeiter dieser Einrichtung wie auch des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt immer besser kennen, denen ich für ihre Hilfsbereitschaft danke. Dies gilt auch für das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in Kassel, wo man sich meiner Anliegen ebenso freundlich und kooperativ annahm. Zu danken habe ich darüber hinaus Johannes Träger (Leipzig), dessen fachkundige kritische Lektüre diese Arbeit bereichert hat. Ein Glücksfall war die Bekanntschaft mit dem seinerzeitigen Dekan des evangelischen Kirchenkreises Eschwege, Herrn Dr. Martin Arnold, der mir die Bestände des dortigen Kirchenkreisarchivs öffnete. Während in den oberen Etagen des Kirchenkreisamtes den Erfordernissen heutiger Kirchenverwaltung nachgegangen wird, harrten im Keller wohlgeordnet die Überreste vergangener Jahrhunderte ihrer Entdeckung. Indem ich einige davon ans Licht holen konnte, dürfte sich der bereitwillige Schließdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsleitung des Kirchenkreisamtes schon ausgezahlt haben. Mit großem Entgegenkommen hat mir auch der damalige Leiter des Stadtarchivs Eschwege, Herr Dr. Karl Kollmann, die Schätze seines Hauses zur Verfügung gestellt. Das vielfältige Engagement Martin Arnolds und Karl Kollmanns für die Region Werra-Meißner, die das Diensttagebuch Johannes Hütterodts, das hier in einen weiteren Kontext eingeordnet wird, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, hat so reichlich Früchte getragen. In der Hoffnung, den Weg derer, auf deren Schultern ich stehe, selbst ein Stück weitergegangen zu sein, übergebe ich dieses Werk der Öffentlichkeit, in Dankbarkeit gegenüber allen, die an seiner Entstehung Anteil genommen haben. München, am 7. September 2020

Vorbemerkung

1. Die Transkription von Quellenzitaten folgt den »Grundsätze[n] für die Textbearbeitung am Fachbereich Historische Hilfswissenschaften« der Archivschule Marburg mit Stand vom 26. April 2009 ( [Abruf: 22. Oktober 2019] dort dem Link zur »neue[n] Fassung« folgen). Diese sehen in den für diese Arbeit relevanten Passagen vor : »II. Transkription […] 2. Groß- und Kleinschreibung a) Satzanfänge, Namen [Anm. 1: Als Namen werden angesehen: a) Namen von Personen. b) Namen von Orten, Territorien und geographischen Objekten/Einheiten (z. B. Goslar, Mecklenburg, Wetterau, Zugspitze, Saale).] und alle Bezeichnungen für Gott werden stets groß geschrieben. b) Mit Ausnahme der unter a) genannten Worte und der von Ortsnamen abgeleiteten Adjektive werden alle übrigen lateinischen Worte unabhängig von der Entstehungszeit der Texte klein geschrieben. c) Mit Ausnahme der unter a) genannten Worte, werden alle deutschen Worte in Texten bis ca. 1700 klein geschrieben. Nach ca. 1700 wird die Groß- und Kleinschreibung der Vorlage übernommen.«

Von der Regel der Kleinschreibung wird dann eine Ausnahme gemacht, wenn die spezielle Schreibweise eines Autors betont oder eine Passage in ihrer Eigentümlichkeit hervorgehoben werden soll (z. B. bei Titeln und Überschriften), außerdem bei herrschaftlichen Anreden (wie »Ihrer F[ürstlichen]. Durchleucht«, »I[hre]. F[ürstliche]. G[naden].«). »3. Normalisierungen einzelner Buchstaben a) ›u‹ und ›v‹ sowie ›i‹ und ›j‹ werden nach ihrem Lautwert transkribiert. […]« Bei lateinischen Wörtern (z. B. »jus«, »jurisdictio«) folgt die Transkription von »i« und »j« am Wortanfang der klassischen Schreibweise mit »i«. Die Endung »ij« bei lateinischen Wörtern, insbesondere Monatsnamen, wird zur Wahrung des Schriftbildes im Regelfall beibehalten.

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Vorbemerkung

»[…] 5. Interpunktion« Die Interpunktion geschieht in Anlehnung an den heutigen Gebrauch, sie soll »das Verständnis des Textes erleichtern. Klammerzeichen der Vorlage [»/:« einleitende, »:/« ausleitende Klammer] werden als runde Klammern wiedergegeben.«

2.

3.

4.

5.

Werden handschriftliche Quellen nach gedruckten Vorlagen zitiert, wird die Schreibweise der angegebenen Vorlage übernommen. Übergeschriebenes »e« und »o« wird durch die normalen Umlaute wiedergegeben, diakritische Zeichen in älteren lateinischen Drucken werden in der Regel weggelassen. Die hier vorgestellten Transkriptionsregeln finden nur Anwendung, wenn nach den handschriftlichen Quellen selbst zitiert wird. Bei der Titelangabe alter Drucke (16./17. Jahrhundert) und bei Zitaten aus deren Text werden durch Großbuchstaben hervorgehobene Wörter nur mit großem Anfangsbuchstaben wiedergegeben; bei längeren Zitaten werden »u« und »v« in der Regel nach ihrem Lautwert transkribiert. Die Datumsangaben folgen den Angaben in der jeweiligen Quelle und damit – soweit nicht ausdrücklich anders angegeben – dem alten, in den protestantischen Gebieten noch im gesamten 17. Jahrhundert gültigen julianischen Kalender, der zu dieser Zeit elf Tage (unter Einbeziehung des umzurechnenden Tages) hinter dem neuen gregorianischen zurückblieb.1 Die Diensttagebücher der Superintendenten werden nach dem Datum des jeweiligen Eintrags zitiert, wo eine Blattzählung vorhanden ist, wird diese mit angegeben. Die Archivsignatur des jeweiligen Diensttagebuchs wird nicht mit in die Belege aufgenommen, diese lässt sich leicht über das Quellenverzeichnis ermitteln, in dem die Diensttagebücher chronologisch geordnet mit ihrer jeweiligen Laufzeit aufgeführt sind. Die Begriffe »reformiert«/»calvinistisch« bzw. »calvinisch« (den Gegensatz zu »lutherisch« bildend) werden, wie im deutschen Sprachraum heute üblich, austauschbar verwendet. Zu unterscheiden vom auf die Konfessionsrichtung bezogenen Begriff »reformiert« ist der Begriff »reformatorisch«, mit dem allgemein – ohne konfessionsspezifische Konnotation – aus der Reformation hervorgegangene Bewegungen oder Folgen bezeichnet werden. Zwischen der Verteidigung dieser Dissertation im Juli 2015 und ihrer Drucklegung 2020 haben im Hessischen Staatsarchiv Marburg umfangreiche Neuverzeichnungsarbeiten stattgefunden. Diese betrafen die Bestände 22 a 1 [Kirchensachen: Generalia], 22 a 8 [Kirchensachen: Regierung Kassel], 22 a 3 e [Konsistorium Kassel: Varia; aufgelöst, jetzt 22 a 3], 115/07 [Waldeckische Ältere Kanzleien: Kirchen], 315 a [Generalia des Konsistoriums Kassel; darin

1 Zu Hessen-Kassel siehe: Hamel: die Kalenderreform des Jahres 1700 und ihre Durchsetzung in Hessen.

Vorbemerkung

17

aus Nr. 325 die bislang unverzeichneten Stücke, die sich heute in 318 Kassel, Nr. 1710 bis 1726 befinden] und 315 i [Akten der Superintendentur Kassel; aufgelöst, heute überwiegend in 318 Kassel], aus denen diese Arbeit wesentlich geschöpft hat. Überall wurden die von mir noch durchgesehenen umfangreichen Pakete aufgelöst und deren Inhalt in einzelne Verzeichnungseinheiten überführt. Wo die einzelnen Dokumente in den Paketen schon zusammengefasst in von früheren Archivaren mit inhaltserschließenden Titeln beschrifteten Umschlägen lagen, wurden die Dokumente in dieser Zusammenstellung, unter leichter Abwandlung der alten Umschlagtitel, auch in die Neuverzeichnung im Archivinformationssystem (Arcinsys) des Hessischen Landesarchivs übernommen. Wo es solche Vorarbeiten nicht gab, wurden neue Titel gebildet. Dabei ist manches von mir bisher Übersehene oder nur aus der älteren Literatur Bekannte zutage gekommen, Anderes aber auch verschollen. Bis auf eine Ausnahme konnten alle in dieser Arbeit zitierten Archivalien ihren neuen Signaturen zugeordnet werden, dies geschah noch im April 2020. Das Stück, das auch mit Unterstützung der Marburger Archivare nicht wiedergefunden werden konnte, liegt der Darstellung in Kapitel IV C 1 b zugrunde, ein von der Hand des Kasseler Superintendenten Paul Stein stammendes Protokoll, auf zwei ineinanderliegenden Doppelblättern, zur Beratung des Kasseler Predigerministeriums vom 11. und 12. Februar 1629 über die beabsichtigte Wiedereinführung der lutherischen Kirchenordnung in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein. Das Protokoll, das sich, als es mir aufgefallen ist, in StAM 315 i, Paket 11 befand, liegt als digitale Kopie vor, das Original allerdings ist seit der Auflösung dieser Pakete verschollen. So, wie aber bei dieser Neuverzeichnung nicht nur Dokumente verschollen, sondern auch wieder aufgetaucht sind, ist zu hoffen, dass aufmerksamen Archivaren oder Benutzern dieses Protokoll erneut auffällt und dann auch in der Verzeichnung sichtbar gemacht wird.

Kapitel I: Einleitung

A)

Fragestellung: Herrschaftsvermittlung, Normimplementation, Kommunikationspraxis

»Die Art und Weise, wie das kirchenordnende Handeln der Reformatoren [des 16. Jahrhunderts, A. J.] im 17. Jahrhundert rezipiert und weiterverarbeitet wurde, ist weitestgehend unbekannt. Es handelt sich hierbei um eine terra incognita.«1 Der Hamburger Kirchenhistoriker Johann Anselm Steiger fragt danach, »welche Situationen vor Ort welches kirchenordnende Handeln überhaupt erst in Gang gesetzt haben« und macht als Hauptquelle dafür Visitationsberichte aus, die mit den Kirchenordnungen synoptisch gelesen werden sollten, um das Verhältnis von Ideal und Wirklichkeit zu bestimmen.2 In der Visitation durch das kirchliche Aufsichtsamt habe sich »das Kirchenregiment vor Ort« vollzogen, das »nicht gesetzlich, sondern evangelisch motiviert ist und die Verkündigung des Wortes Gottes zum Zentrum hat«.3 Die hier gegebene Anregung soll in der vorliegenden Arbeit in einem weiten Rahmen für die Landgrafschaft Hessen-Kassel aufgegriffen werden. Dabei stehen mit den Diensttagebüchern dreier Supintendenten und darüber hinausgehenden Zeugnissen hervorragende Quellen zur Verfügung, die einen tiefen Blick in das organisatorische Gefüge der Landeskirche, die alltäglichen Arbeiten ihrer Diener wie auch das Leben der Gemeinden erlauben. Der Schwerpunkt des Interesses liegt dabei auf dem kommunikativen Aspekt, denn Verwaltung ist primär Kommunikation, Vermittlung von Herrschaft.4 Hier 1 Steiger: Kirchenordnung, Visitation und Alltag. Johann Gerhard (1582–1637) als Visitator und kirchenordnender Theologe, S. 227 (Hervorhebung im Original). 2 Steiger: Kirchenordnung, S. 228 (Zitat) und S. 249. 3 Steiger: Kirchenordnung, S. 251. 4 So unter Rekurs auf das Diktum Max Webers: »Denn Herrschaft ist im Alltag primär : Verwaltung« (Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Kapitel III: Die Typen der Herrschaft, letzter Satz von § 3 [Legal-rationale Herrschaft], in dem hier verwendeten, im Jahr 2013 erschienenen, Bd. 23 der Abteilung I der Max-Weber-Gesamtausgabe, S. 459), auch Becker : Kom-

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Einleitung

soll nach der Rolle kirchlicher Amtsträger im Prozess frühneuzeitlicher Herrschaftsvermittlung gefragt werden. Zum einen musste zwischen dem Landesherrn und seinen führenden Geistlichen, mit denen er seine kirchenpolitischen Vorstellungen realisieren wollte, ein persönliches Vertrauensverhältnis bestehen. Aber auch die Pfarrer vor Ort wurden in ihren (politischen) Gemeinden als Vertreter des Landesherrn wahrgenommen und standen somit in einem gespannten Verhältnis zu ihrer Gemeinde, deren Lebensweise sie einerseits teilten, der sie aber gleichzeitig als Amtsträger mit entsprechend vorbildlichem Wandel reglementierend gegenübertreten sollten.5 Die Übertragung herrschaftlicher Normvorgaben auf die unterschiedlichen Empfängerebenen spielte sich dabei nicht »verlustfrei« ab, jeder der Beteiligten musste seinen Weg im Umgang mit den Normen finden, sie in seine soziale Lebenswirklichkeit implementieren.6 Ein geordnetes Kirchenwesen sollte durch entsprechende landesherrliche Ordnungen gewährleistet werden, an denen deutlich wird, worin frühneuzeitliche Kirchenverwaltung bestand. Wurden Schwierigkeiten bei deren Umsetzung bekannt oder ergaben sich andere Probleme, wandte sich der Superintendent mit Ausschreiben an die Geistlichen seines Bezirks. Oft waren leitende kirchliche Amtsträger auch schon an der Ausarbeitung der Ordnungen beteiligt, wurden um Stellungnahmen gebeten oder meldeten sich selbst in Fragen der Kirchenpolitik zu Wort. Das Funktionieren dieses Systems erforderte ein effizientes Informationsmanagement, weshalb die Untersuchung der alltäglichen Kommunikationspraxis zur Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung von Informationen auf allen Ebenen einen weiteren Baustein zur Erhellung des Verhältnisses von Kirchenverwaltung und Landesherrschaft liefern soll. munikation, Netzwerke, Öffentlichkeit. Überlegungen zu einer Kommunikationsgeschichte der Verwaltung, S. 305–307, 312, dem es sowohl um die verwaltungsinterne Kommunikation wie um die »sprachliche Interaktion zwischen Untertanen und der Obrigkeit« geht, die »auf strategischen und regelgebundenen Sprechakten in einem sozialen Raum« beruht habe (S. 307). Zum Konzept der Herrschaftsvermittlung und seinen Grundlagen: Brakensiek: Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich; Kaak: Eigenwillige Bauern, ehrgeizige Amtmänner, distanzierte fürstliche Dorfherren. Vermittelte Herrschaft im brandenburgischen Alt-Quilitz im 17. und 18. Jahrhundert, S. 46–53 (»Zum Verständnis ›vermittelter Herrschaft‹«). 5 von Friedeburg: Landgemeinde, adlige Herrschaft und frühmoderner Staat in Hessen-Kassel nach dem Dreißigjährigen Krieg: Merzhausen 1646–1672, S. 158; Brakensiek: Legitimation durch Verfahren? Visitationen, Supplikationen, Berichte und EnquÞten im frühmodernen Fürstenstaat, S. 365; Landwehr : Policey im Alltag, S. 7, 314–316, 326f.; siehe auch: Eibach: Verfassungsgeschichte als Verwaltungsgeschichte, S. 148f., Eibach plädiert auf S. 149 dafür, »Verwaltung vor Ort als Beziehungsgeflecht und Kommunikationspraxis zu verstehen, in der nicht einfach nur Befehle exekutiert werden, sondern Austauschprozesse zwischen mehr oder weniger machtvollen Akteuren stattfinden« und »Verwaltung als kommunikativ-symbolische Praxis zu untersuchen« (S. 151). 6 Zum Begriff der Implementation: Landwehr : »Normdurchsetzung« in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs; Ders.: Policey im Alltag, S. 4f.

Zum Forschungsstand und Untersuchungsraum

B)

Zum Forschungsstand und Untersuchungsraum

1.

(Kirchen-) Verwaltung als Gegenstand historischer Forschung

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Verwaltungsgeschichte soll hier bewusst sehr weit verstanden werden, um möglichst viele Bereiche und Konzepte einfließen lassen zu können, die auf die Problematik frühneuzeitlicher Herrschaft anwendbar sind.7 Verwaltung wurde in den einleitenden Bemerkungen als Vermittlung von Herrschaft verstanden. Der praktische, kommunikative Aspekt dieses Verständnisses steckt auch in der ausführlicheren Definition, die Dietmar Willoweit gibt, in der überdies der materielle, schriftliche Niederschlag, der die Grundlage dieser Arbeit bildet, gebührend berücksichtigt wird: »Verwaltung ist politische, das heißt auf das Gemeinwesen bezogene, Herrschafspraxis, die sich des Mediums der Schriftlichkeit bedient und auf wiederholte Übung gerichtet ist«.8 Herrschaft soll hier mit Max Weber verstanden werden als »die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden«,9 wobei nach dem ob und wie der Realisierung dieser Chance gefragt wird. Die Methoden, mit denen die Territorialisierung und Herrschaftsverdichtung im Spätmittelalter ihren Anfang nahm,10 waren kirchlichen Ursprungs: eingeforderte Berichte, Suppliken von Bittstellern, Visitationen, geordnete Rechtsverfahren und Kontrolle der Finanzen.11 Hier will die Dissertation ansetzen. Am Beispiel der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert soll das interne Verwaltungshandeln kirchlicher Amtsträger, wie vor allem dessen Wirkung nach außen als Beitrag zur lokalen Verankerung territorialer Herrschaft untersucht werden. Die konfessionelle Durchdringung aller Lebensbereiche im Gefolge der Reformation und Gegenreformation, die unter dem Stichwort der Konfessionalisierung diskutiert wird, habe in ihrer Wirkung den Obrigkeiten einen steuernden Zugriff auf die Untertanen gegeben, wobei den Geistlichen eine wichtige Mittlerrolle zugefallen sei.12 Insbesondere die dieses Theorem ausführlich er7 Einen vorzüglichen Überblick über die Weite des Aufgabenbereichs gibt Hochedlinger : Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit. Vorbemerkungen zur Begriffs- und Aufgabenbestimmung. 8 Willoweit: Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher Forschung, S. 10. 9 Weber : Wirtschaft und Gesellschaft, S. 210 (Kapitel I: Soziologische Grundbegriffe, § 16 [Macht und Herrschaft], erster Teil des zweiten Satzes). 10 Dazu: Willoweit: Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterlichen Landesherrschaft. 11 Siehe die Hinweise bei Reinhard: Zusammenfassung: Staatsbildung durch »Aushandeln«?, S. 432f. sowie bei Brakensiek: Legitimation durch Verfahren? 12 Schilling: Das konfessionelle Europa. Die Konfessionalisierung der europäischen Länder seit Mitte des 16. Jahrhunderts und ihre Folgen für Kirche, Staat, Gesellschaft und Kultur, S. 45.

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Einleitung

läuternden Darstellungen Wolfgang Reinhards und Heinz Schillings13 haben wichtige Fragen gestellt und Zusammenhänge aufgezeigt, die auch der vorliegenden Arbeit als Anregung dienen, ohne dass hier versucht wird, die Anlage der Arbeit an dieser Theorie auszurichten oder ihre Quellen von vornherein in diesem Lichte zu interpretieren. Als ein Effekt der Konfessionalisierung habe die »Staatsbildung« einen bedeutenden Schub erhalten.14 Allerdings wurde in den letzten Jahren der heuristische Wert dieser Kategorie für die Geschichte der Frühen Neuzeit sowohl unter modernisierungskritischen Gesichtspunkten,15 wie in der Diskussion um die Angemessenheit des Begriffs »Absolutismus«16 in Frage gestellt. So aufgeladen diese Kategorie auch ist, weist sie doch auf einen charakteristischen Vorgang hin, nämlich den der Herrschaftsverdichtung, den Versuch frühneuzeitlicher Fürsten, ihrer Herrschaft vor Ort Geltung zu verschaffen. Mit sozialgeschichtlichem Ansatz untersucht Luise Schorn-Schütte die evangelische Geistlichkeit und »[d]eren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft« unter anderem am Beispiel der Landgrafschaft Hessen-Kassel.17

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Einen guten Überblick über die Kernpunkte des von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard, wenn auch mit geringfügig unterschiedlichen Akzentsetzungen, breit entfalteten Konzepts bietet: Reinhard: Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters. Wie dieses Konzept fruchtbar gemacht werden kann, zeigt beispielsweise Lotterer : Gegenreformation als Kampf um die Landesherrschaft. Studien zur territorialen Entwicklung des Hochstifts Paderborn im Zeitalter Dietrichs von Fürstenberg (1585–1618). Neben den in der vorangehenden Anmerkung genannten Arbeiten: Schilling: Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft – Profil, Leistung, Defizite und Perspektiven eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas, sowie Reinhard: Was ist katholische Konfessionalisierung? Reinhard: Was ist katholische Konfessionalisierung?, darin auf S. 426f. eine stichpunktartige Übersicht zu den »Dimensionen der Konfessionalisierung« nach Ursachen, Formen (Verfahren und Institutionen: »4. Symbiose mit der Staatsgewalt«) und Folgen (intendiert, nicht intendiert: »1. Beitrag zum Wachstum der Staatsgewalt«); Ders.: »Konfessionalisierung« auf dem Prüfstand, S. 80f. Schorn-Schütte: Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma?; unter anderem Blickwinkel: Schmidt: Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung. Zur Erläuterung der Zusammenhänge: Reinhard: Sozialdisziplinierung – Konfessionalisierung – Modernisierung. Ein historiographischer Diskurs. Blänkner : »Absolutismus« und »frühmoderner Staat«. Probleme und Perspektiven der Forschung. Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit. Deren Anteil an der Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit und Gesellschaft. Dargestellt am Beispiel des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Stadt Braunschweig; eine ähnliche Arbeit für die weltliche Amtsträgerschaft stammt von Klingebiel: Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der Frühen Neuzeit: Untersuchungen zur Staatsbildung und Gesellschaftsentwicklung im Hochstift Hildesheim und im älteren Fürstentum Wolfenbüttel; die konfessionellen Auseinandersetzungen in einem Teil von Klingebiels Untersuchungsgebiet behandelt gelungen Plath: Konfessionskampf und fremde Besatzung. Stadt und Hochstift Hildesheim im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges

Zum Forschungsstand und Untersuchungsraum

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Die vielfältigen Aspekte der Karriere Geistlicher sowie deren Interaktion mit der Obrigkeit, die sie aufgrund sorgfältiger Quellen- und Literaturanalyse konfessionell und territorial vergleichend herausarbeitet, bieten Anknüpfungspunkte auch für die vorliegende Untersuchung. Hier soll der Blick allerdings umfassender auf die herrschaftsvermittelnde Tätigkeit, das Verwaltungshandeln der Geistlichen sowie die dabei vorgegangenen Kommunikationsprozesse auf allen hierarchischen Ebenen, sowohl in ganz praktischer Hinsicht der Genese und Übermittlung wie auch hinsichtlich der Implementation der normativen Vorgaben in die soziale Wirklichkeit gerichtet werden. In Teilen wird dieser Ansatz in der Studie von Veronika Albrecht-Birkner über die »Reformen Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha und ihre Auswirkungen auf Frömmigkeit, Schule und Alltag im ländlichen Raum (1640– 1675)« verfolgt.18 Anhand der Quellen zu Visitationen einzelner Orte und der dazu ergangenen herzoglichen Instruktionen fragt sie danach, wie die beabsichtigte »Reformation des Lebens« bei den Gemeinden und Geistlichen ankam und welche Maßnahmen zur Hebung rechter lutherischer Glaubenspraxis ergriffen wurden. Gleichfalls mit der Übung des kirchenregimentlichen Instruments der Visitation im 17. Jahrhundert beschäftigt sich die Arbeit von Anne-Kristin Kupke zu den Kirchen- und Schulvisitationen auf dem Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.19 Dabei nimmt sie besonders den Aspekt der praktischen Durchführung und die Auswertung der bei der Visitation entstandenen Akten in den Blick. Deutlich werden bei ihr die hierarchische Struktur der am Visitationsakt von der Anordnung über die Durchführung bis zur Auswertung beteiligten Organe und die dabei auftretenden Schwierigkeiten sowie die erforderliche Rücksichtnahme auf unterschiedliche lokale Herrschaftsstrukturen und Weisungsbefugnisse, die ein »Durchregieren« der kurfürstlichen Organe mitunter verhinderten. Beide Arbeiten, sowohl von Albrecht-Birkner wie von Kupke, zeigen – auch anhand der Instruktionen und Visitationsfragen – die Weite der Gegenstände und die ordnungstiftende Funktion frühneuzeitlicher Kirchenverwaltung im Gefüge der Landesherrschaft. (ca. 1580–1660), auf S. 64–72 positioniert sich der Autor, in Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur, zur Konfessionalisierungsthese, »Sozialdisziplinierung« sowie zu Periodisierungsmodellen zur Konfessionsbildung. 18 Albrecht-Birkner : Reformation des Lebens. Die Reformen Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha und ihre Auswirkungen auf Frömmigkeit, Schule und Alltag im ländlichen Raum (1640–1675). 19 Kupke: Die Kirchen- und Schulvisitationen im 17. Jahrhundert auf dem Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Mit einem Repertorium der Visitationsakten.

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Einleitung

Den Anstoß zur Erschließung von Kirchenvisitationsakten und zur verstärkten Beschäftigung mit diesem Gegenstand gaben Ernst Walter Zeeden und Hans Georg Molitor.20 Aus dem Umfeld Zeedens sind für den hier verfolgten Ansatz insbesondere die Arbeiten von Peter Thaddäus Lang21 und Helga Schnabel-Schüle22 von Interesse. Letztere macht deutlich, wie das Instrument der Visitation bei sensibler Handhabung Einblick in den sonst für Außenstehende verschlossenen Kosmos des Dorfes geben konnte, was aber von allen auf herrschaftlicher Seite Beteiligten eine »kommunikative Kompetenz« erfordert habe.23 Die Analyse des im Kontext der Visitation entstandenen Schriftgutes, einschließlich der Supplikationen der Untertanen, erhelle darüber hinaus die »sprachlichen Handlungen« sowie die »Informationsprozesse, die zwischen den verschiedenen Ebenen liefen«.24 Auf »die in der Forschung tendenziell überzeichnete Prägekraft landesherrlicher Kirchenvisitationen, deren punktueller Zugriff oft nur Bestandsaufnahmen erlaubte«, macht Christoph Volkmar aufmerksam, der in seiner unten näher vorgestellten Untersuchung vielmehr »die 20 Zeeden / Molitor (Hgg.): Die Visitation im Dienst der kirchlichen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, Bd. 25/26). 2. Aufl., Münster 1977. Einen Überblick über Aufbewahrungsort und Inhalt hessischer »Kirchenvisitationsakten« haben vorgelegt: Reinhardt / Schnabel-Schüle (Hgg.): Repertorium der Kirchenvisitationsakten aus dem 16. und 17. Jahrhundert in Archiven der Bundesrepublik Deutschland. Band 1: Hessen, für die Landgrafschaft Hessen-Kassel (S. 32–52) werden darin für das 17. Jahrhundert allerdings nur Inventarien samt Kirchenrechnungen sowie Verzeichnisse der Pfarrer, ihrer Kompetenzen und der Einkünfte der Pfarreien aufgeführt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten auch genuine Visitationsberichte der behandelten Protagonisten aufgefunden werden. 21 Lang: Visitationsprotokolle und andere Quellen zur Frömmigkeitsgeschichte. 22 Schnabel-Schüle: Kirchenvisitationen und Landesvisitationen als Mittel der Kommunikation zwischen Herrscher und Untertanen; Dies. (Hg.): Repertorium der Kirchenvisitationsakten aus dem 16. und 17. Jahrhundert in Archiven der Bundesrepublik Deutschland. Band 2: Baden- Württemberg, Teilband II [zugleich die Dissertation der Bearbeiterin], insbes. die Einleitung S. 15–33. 23 Schnabel-Schüle: Kirchenvisitationen, S. 175, 181, 185f., auf S. 186 heißt es: »Es war kommunikative Kompetenz von den Herrschern gefragt, um ihre Herrschaft zu festigen und ihre Akzeptanz bei den Untertanen nicht aufs Spiel zu setzen«; in diesem Sinne auch: Brakensiek: Akzeptanzorientierte Herrschaft. Überlegungen zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit. Weiterhin: Konersmann: Kirchenvisitation als landesherrliches Kontrollmittel und als Regulativ dörflicher Kommunikation. Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken im 16. und 17. Jahrhundert, sowie die Dissertation desselben Autors Konersmann: Kirchenregiment und Kirchenzucht im frühneuzeitlichen Kleinstaat: Studien zu den herrschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Kirchenregiments der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken 1410– 1793. 24 Schnabel-Schüle: Kirchenvisitationen, S. 175 (Zitate), 179f.; mit der narrativen Struktur von im Zusammenwirken weltlicher und kirchlicher Obrigkeit entstandenen Vernehmungsprotokollen vor dem Hintergrund württembergischer dörflicher Gesellschaft beschäftigt sich Sabean: Peasant Voices and Bureaucratic Texts: Narrative Structure in Early Modern German Protocols.

Zum Forschungsstand und Untersuchungsraum

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Umformung des ländlichen Kirchenwesens durch starke [adlige] Patrone«, die dauerhaft vor Ort präsent waren, in den Mittelpunkt stellt.25 Welche Wege der Informationsgewinnung und Herrschaftsvermittlung kirchlichen Organen neben der Visitation zur Verfügung standen, wird die vorliegende Arbeit versuchen aufzuzeigen. Schnabel-Schüle weist überdies darauf hin, dass es »[i]n den protestantischen Visitationen […] zu einer Koppelung von allgemeinen Polizeiangelegenheiten und den traditionellen Gegenständen der Kirchenvisitation« gekommen sei.26 Die besonderen Mechanismen frühneuzeitlicher Policey bestanden aber neben der kirchlichen Aufsicht und Zucht, beide Bereiche überschnitten sich zum Teil, erhoben aber den Anspruch eigenständiger Gewalt. Der Versuch frühneuzeitlicher Herrscher einen disziplinierten Untertanenverband zu schaffen, wurde mit dem Begriff der »Sozialdisziplinierung« bezeichnet.27 Das Konzept, das mit dem der Konfessionalisierung verbunden wurde, hat vielfältige Anwendung, aber auch Kritik erfahren. Insbesondere wurde der »Erfolg« frühneuzeitlicher Normgebung hinterfragt und wurden »Gesetze, die nicht durchgesetzt werden« sogar zu einem Strukturmerkmal der Epoche erklärt.28 Auf überzeugende Weise hat Achim Landwehr diesen Erklärungsversuchen den Begriff der Normimplementation entgegengesetzt, Normen müssen in die jeweilige soziale Wirklichkeit des Empfängers, mit den dort gebotenen Rücksichtnahmen übertragen werden, unterschiedlich nach Person und Ort.29 Landwehr veranschaulicht die Beziehungen der verschiedenen am Herrschaftsprozess Beteiligten mit den Bezeichnungen »Programmgeber«, »Programmanwender« und »Programmempfänger«30 und stellt den Implementationsprozess als Kreislauf dar, der von den Empfängern – etwa durch Supplikationen – wieder zum Programmgeber zurückführt.31 Die intensiven Prozesse des Austauschs und der Rücksichtnahme im Rahmen der Implementation führten Landwehr zu dem Urteil, dass herrschaftliche »Anweisungen nur 25 Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 305. Mit dieser Sensibilität behandeln die von Dagmar Blaha und Christopher Spehr 2016 herausgegebenen Beiträge in dem Band »Reformation vor Ort. Zum Quellenwert von Visitationsprotokollen« das Thema. 26 Schnabel-Schüle: Kirchenvisitationen, S. 178. 27 Oestreich: Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, insbes. S. 187f., 191, 194f. Dazu: Schulze: Gerhard Oestreichs Begriff »Sozialdisziplinierung in der Frühen Neuzeit«, sowie Krüger: Policey zwischen Sozialregulierung und Sozialdisziplinierung, Reaktion und Aktion – Begriffsbildung durch Gerhard Oestreich 1972–1974. 28 Schlumbohm: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? 29 Landwehr : »Normdurchsetzung«; Ders.: Policey vor Ort. Die Implementation von Policeyordnungen in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. 30 Landwehr : Policey im Alltag, S. 29–38, insbes. S. 34. 31 Landwehr : Policey im Alltag, S. 7–9, 34 (»zirkulärer Prozeß«), 328; siehe auch die ähnlichen Überlegungen, aus rechtshistorischer Sicht, bei Stolleis: Was bedeutet »Normdurchsetzung« bei Policeyordnungen der frühen Neuzeit, insbes. S. 753f.

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Einleitung

dort wirksam werden konnten, wo ihre Wirksamkeit zugelassen wurde«.32 Kirchlichen Amtsträgern kam dabei eine mehrfach konfliktträchtige Doppelrolle zu, sie waren sowohl Empfänger wie Weitervermittler der herrschaftlichen Vorgaben, sie sollten selbst vorbildlich leben wie auch für die Einhaltung der Normen durch die lokale Gesellschaft sorgen.33 Neben der Dissertation von Achim Landwehr Policey im Alltag bereitet auch die in zwei Teilbänden erschienene Habilitationsschrift von Andr8 Holenstein Regelungsweise und Regelungsgegenstände »guter Policey« sowie deren Adaption im Kontext lokaler Praxis umfassend auf.34 Einer Gruppe im Prozess der Reformation widmete die Forschung erst spät verstärkte Aufmerksamkeit: dem Adel. In jüngeren Publikationen wurden zahlreiche soziale, politische, kulturelle und konfessionelle Aspekte adligen Lebens in der Frühen Neuzeit, auch speziell in Hessen, beleuchtet.35 Insbesondere die Fragen und Ergebnisse der 2019 erschienenen Habilitationsschrift von Christoph Volkmar, der unter dem Titel »Die Reformation der Junker« den Beitrag des Landadels zur lutherischen Konfessionsbildung im Mittelelberaum untersuchte,36 lassen sich auf die vorliegende Arbeit übertragen. Durch seine Mitarbeit an der Erschließung der Adelsarchive im Landesarchiv Sachsen-Anhalt hatte Volkmar Zugang zu bisher kaum ausgewerteter Überlieferung.37 Die lokalen Adligen bestimmten mithilfe ihres Kirchenpatronats ob, wann, wie und durch wen die Reformation in ihrem Herrschaftsgebiet Eingang fand. Zum Teil konnten sie dabei gegenüber der Landesherrschaft eigene Strukturen etablieren. Als Aufforderung und Wegweiser für ihr Handeln verstanden sie Luthers Schrift »An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung«.38 Betrachteten frühere Untersuchungen die Einführung der Reformation in einem Territorium, auch aufgrund der benutzten Quellen, vom Ergebnis 32 Landwehr : Policey im Alltag, S. 315. 33 Landwehr : Policey im Alltag, S. 7, 314–316, 326f.; Ders.: Policey vor Ort, S. 64. 34 Holenstein: »Gute Policey« und lokale Gesellschaft im Staat des Ancien R8gime. Das Fallbeispiel der Markgrafschaft Baden(-Durlach); Ders.: Die Umstände der Normen – die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und lokaler Gesellschaft im Ancien R8gime. 35 Bünz / Höroldt / Volkmar (Hgg.): Adelslandschaft Mitteldeutschland; Weckenbrock (Hg.): Ritterschaft und Reformation; im europäischen Rundumblick Breul / Andermann (Hgg.): Ritterschaft und Reformation; Conze / Jendorff / Wunder (Hgg.): Adel in Hessen; Wunder / Jendorff / Schmidt (Hgg.): Reformation – Konfession – Konversion. Adel und Religion zwischen Rheingau und Siegerland im 16. und 17. Jahrhundert. 36 Volkmar : Die Reformation der Junker ; siehe auch Ders.: Niederadlige Kirchenherrschaft als Forschungsproblem. 37 Neben seiner Habilitationsschrift vor allem Volkmar : Adelsarchive im Landesarchiv Sachsen-Anhalt; allgemein und mit speziellem Blick auf Hessen: Hedwig / Murk (Hgg.): Adelsarchive – zentrale Quellenbestände oder Curiosa? 38 Zu deren Hintergrund siehe den Kommentar von Kaufmann: An den christlichen Adel.

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des landesherrlichen Kirchenregiments her, untersucht Volkmar, aufbauend unter anderem auf Emil Sehlings »Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung«,39 die Handlungsmotive und Strategien landsässiger Adliger, die die unter ihrem Patronat – mit dem vor allem das Recht zur Pfarrerbenennung verbunden war – stehenden Kirchen etwa durch Bau, Ausstattung und Grablegen als Bühne familiärer Herrschaftsrepräsentation gegenüber ihren Untertanen und benachbarten Adligen nutzten und durch die ihnen verpflichteten Pfarrer ein Loyalitätsnetz aufzuspannen versuchten, das sie auch gegen Eingriffe der Landesherrschaft sichern sollte. Die von Volkmar herausgearbeiteten Strategien der Adligen, mit denen sie sich gegen landesherrliche Übergriffe in ihre (kirchliche) Herrschaftssphäre zu schützen versuchten, lassen sich auch in der Landgrafschaft Hessen-Kassel beobachten, vor allem nach ihrem landesherrlich forcierten Übergang zum reformierten Bekenntnis. Einen Einblick in »Herrschaftsstruktur, Verwaltungspraxis und das administrative Informationssystem« einer global agierenden Organisation gibt Markus Friedrich in seiner Habilitationsschrift über die »Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden«.40 Der darin verfolgte Ansatz und dessen methodische Durchführung, »die Rolle informationsvermittelnder Kommunikation« und deren Nutzbarmachung für politische Entscheidungsprozesse sowie »das Zusammenspiel der verschiedenen Hierarchieebenen innerhalb des Ordens« herauszuarbeiten, ist anregend auch für die vorliegende Arbeit.41 Eine weitere Publikation des Autors lenkt den Blick auf das sprichwörtliche »Gedächtnis der Verwaltung«, die Archive.42 Eine Grundbedingung für deren Entstehung im modernen Verständnis war die Ausweitung pragmatischer Schriftlichkeit, vor allem zur Rechtssicherung, seit dem Spätmittelalter. Die Ausweitung herrschaftlicher Kontrolle machte auch die Aufbewahrung der gewonnenen Informationen und getroffenen Entscheidungen sowie deren schnelle Auffindbarkeit notwendig.43 Die Bedeutung der Möglichkeit des Rückgriffs auf die »Repositur« zur Nachvollziehbarkeit von Herrschaftsrechten wird auch im Handeln der Akteure der vorliegenden Arbeit deutlich,44 ebenso wie das Ver-

39 Sehling: Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung. 40 Friedrich: Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540–1773, das Zitat S. 36. 41 Friedrich: Der lange Arm Roms?, S. 13. 42 Friedrich: Die Geburt des Archivs. Eine Wissensgeschichte. 43 Friedrich: Die Geburt des Archivs, S. 31–49; zur pragmatischen Schriftlichkeit auch: Clanchy : From Memory to Written Record. England 1066–1307, S. 329–335 (»Pragmatic Literacy«). 44 Siehe schon Friedrich: Die Geburt des Archivs, S. 64f. mit Anm. 75 und 77 in Bezug auf das Diensttagebuch des Eschweger Superintendenten Hütterodt. Eine klare funktionale und konzeptionelle Trennung zwischen der Aufbewahrung für die laufende Arbeit noch benö-

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hältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bei der Generierung entscheidungsrelevanter Informationen. Friedrich hebt in der Analyse von Briefen eines kursächsischen Amtsschreibers aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Hinblick auf dessen Verwaltungstätigkeit einen Aspekt hervor, der auch die Faszination im Umgang mit den Quellen dieser Arbeit ausmacht, nämlich deren Individualität,45 deren Abhängigkeit vom persönlichen Einsatz des jeweiligen Amtsträgers, der selbst kreativ Formen von Schriftlichkeit im Umgang mit den anfallenden Verwaltungsaufgaben finden musste, ohne dass er auf Formulare oder durchgängig etablierte Verfahrensmuster zurückgreifen konnte. Ähnlich wie Friedrich für den Jesuitenorden untersuchte Arnd Brendecke die Generierung von Herrschaftswissen, einschließlich der Herstellung und Benutzung von Karten und Globen, sowie die gewundenen Wege der Informationsakquise, die Kommunikation und Instanzen bei der Regierung aus der Ferne im System der spanischen Kolonialherrschaft.46 Auch seine Perspektive, die Philipp II. von Spanien als »Spinne im Netz« porträtiert, der in seinen Entscheidungen von den durch Andere, die ihre Fäden im Hintergrund zogen, vorverdauten und geschickt präparierten Informationen abhängig war, ist sehr erhellend. Eine gewisse Summa über die Forschungen aus diesem Umfeld zieht der im Münchner Sonderforschungsbereich »Pluralisierung & Autorität« entstandene Band »Information in der Frühen Neuzeit«.47 Die Verbindung zwischen Kirche und Welt, die Übertragung der aus den bisherigen Systemstudien gewonnenen Erkenntnisse und der dazu angewandten Methoden auf die Analyse der Organisation territorialer Kirchentümer und deren rechtlicher Voraussetzungen, stellt der von Johannes Wischmeyer herausgegebene Band »Zwischen Ekklesiologie und Administration« her.48 Die Beiträge in dem auf das 16. Jahrhundert konzentrierten Band, in dem eine Auseinandersetzung mit Hessen fehlt, bringen insbesondere das enge Zusammenwirken weltlicher und kirchlicher Kräfte bei der Herausbildung und Ausübung frühneuzeitlicher territorialer Kirchenleitung sowie deren Nutzung »von unten«, durch die von ihr Betroffenen, zum Ausdruck.49

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tigter älterer Unterlagen in der Registratur und der Abgabe von Dokumenten, die ihren Wert für die tägliche Arbeit verloren hatten, an das Archiv, fand noch nicht statt. Friedrich: Die Geburt des Archivs, S. 46 (im Abschnitt: »Franz Pehem in Altenburg, oder Pragmatische Schriftlichkeit am Beginn der Neuzeit«). Brendecke: Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft. Brendecke / Friedrich / Friedrich (Hgg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien. Wischmeyer (Hg.): Zwischen Ekklesiologie und Administration. Modelle territorialer Kirchenleitung und Religionsverwaltung im Jahrhundert der europäischen Reformation. Siehe den Kommentar von Härter: Die Ausformung von Kirchenleitung und Religionsverwaltung im Kontext von Verrechtlichung und Konfessionalisierung: ein kritischer Kommentar aus der Perspektive der Rechtsgeschichte, insbes. S. 252.

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Die speziellen Bedingungen reformierter Kirchenverfassungen unter Berücksichtigung Hessen-Kassels stellt Paul Münch in seinem Werk »Zucht und Ordnung« vergleichend dar.50 Mit diesem Titel greift er einen Umstand auf, der in den reformierten Kirchenordnungen eine besondere Ausformung gefunden hat, die Kirchenzucht. Ihren Stellenwert und die Rolle der zu ihrer Ausübung eingerichteten Institutionen im gesellschaftlichen Miteinander, die auch in der vorliegenden Arbeit Berücksichtigung finden sollen, erörtert Paul Münch in einem Aufsatz anhand der »sozialen Problematik des calvinistischen Seniorats um 1600« vor allem unter Auswertung der Überlegungen des reformierten Kirchenrechtlers Wilhelm Zepper.51 Eine immer noch maßgebliche Arbeit zu den reichsrechtlichen Voraussetzungen des landesherrlichen Kirchenregiments und zu den Begründungen desselben in »den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts« hat Martin Heckel vorgelegt.52 Er geht darin vor allem auf die staatskirchenrechtlichen Theorien des Episkopalismus und des Territorialismus, ihre Vertreter und unterschiedlichen Ansätze sowie ihre Nähe oder Ferne zu den theologischen Ideen der Reformatoren ein. Er gibt damit einen Einblick in Begründungszusammenhänge des »ius episcopale« und »ius territoriale«, die auch den Hintergrund für die Argumentation hessen-kasselscher Amtsträger in den Auseinandersetzungen mit Adligen und Pfarrern um die Reichweite des landesherrlichen Kirchenregiments bilden. Das von Alf Lüdtke erarbeitete, auf dem Prinzip der Anerkennung und der Theorie des Kräftefeldes beruhende Konzept von »Herrschaft als sozialer Praxis« hat vielfältige Aufnahme gefunden.53 In der Konkretion von Markus Meumann und Ralf Pröve die von »Herrschaft als dynamischem und kommunikativem Prozess« sprechen und von einem multipolaren Modell der Interaktion ausgehen,54 kann sich auch der Ansatz der vorliegenden Arbeit verorten. Dabei wird auch klar, dass die mikrohistorische Analyse einzelner Konfliktfälle die Ableitung makrohistorischer Interpretamente ermöglichen soll, wie sie zugleich die von den vorgestellten Großkonzepten aufgezeigten Zusammenhänge analytisch fruchtbar zu machen versucht. Beide Perspektiven schließen sich nicht aus, sondern führen zu einem integrativen Gesamtbild, das Anknüpfungsmög50 Münch: Zucht und Ordnung. Reformierte Kirchenverfassungen im 16. und 17. Jahrhundert (Nassau-Dillenburg, Kurpfalz, Hessen-Kassel). 51 Münch: Kirchenzucht und Nachbarschaft. Zur sozialen Problematik des calvinistischen Seniorats um 1600. 52 Heckel: Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 53 Lüdtke: Einleitung: Herrschaft als soziale Praxis. 54 Meumann / Pröve: Die Faszination des Staates und die historische Praxis. Zur Beschreibung von Herrschaftsbeziehungen jenseits teleologischer und dualistischer Begriffsbildungen, das Zitat: S. 45 (im Original kursiv).

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Einleitung

lichkeiten bei ähnlicher Fragestellung auch für andere Untersuchungsräume ermöglichen soll.55

2.

Die territoriale und kirchliche Entwicklung der Landgrafschaft Hessen (-Kassel) von Philipp dem Großmütigen bis ins 17. Jahrhundert

Philipp der Großmütige, reformatorische Grundentscheidungen und die Teilung der hessischen Lande

Was die Landgrafschaft Hessen-Kassel als Untersuchungsgebiet für kirchliches Verwaltungshandeln im 17. Jahrhundert so interessant macht, ist das Durchlaufen einer »zweiten«, calvinistischen, Reformation.56 Das territoriale und konfessionelle Aussehen Hessens im 17. Jahrhundert wurde aber maßgeblich bereits durch die Entwicklungen unter Landgraf Philipp »dem Großmütigen« im 16. Jahrhundert und seine ihm in den verschiedenen Landesteilen nachfolgenden Söhne geprägt. Obwohl schon im 15. Jahrhundert die hessischen Landgrafen Visitationen vor allem der Klöster durchführten,57 stand dem eigenmächtigen kirchenpolitischen Vorgehen Landgraf Philipps immer noch die formale kirchliche Oberhoheit des Erzbischofs von Mainz im Wege. Schließlich erreichten die Unterhändler Kursachsens und Hessens im Vertrag von Hitzkirchen vom 11. Juni 1528 von Mainz das Zugeständnis, dass, wenn sich Sachsen und Hessen, der »geistlickeit und Jurisdiction halb« an die – nach evangelischem Verständnis weit ausgelegte, nicht nur auf das Wormser Edikt bezogene – Vergleichsformel des Speyerer Reichstags von 1526, »Nemlich wie Ire Chur vnd furstliche gnaden [Kursachsen und Hessen, A. J.] es gegen Gott vnd Keys. Majestät verdrawen zu verandwurtten«, hielten, Kurmainz sie dann »in dem besytze so derhalb Ire Chur vnd furstliche gnaden [Kursachsen und Hessen, A. J.] diesser zeit [faktisch, A. J.] haben Rugig bleiben vnd vnser gnedigster her von Meintze 55 So auch Schilling: Disziplinierung oder »Selbstregulierung der Untertanen«? Ein Plädoyer für die Doppelperspektive von Makro- und Mikrohistorie bei der Erforschung der frühmodernen Kirchenzucht, insbes. S. 690; gleichfalls Landwehr : Policey im Alltag, S. 37. 56 Siehe zur Problematik des Begriffs »Zweite Reformation« die Forschungskontroverse in dem von Heinz Schilling herausgegebenen Sammelband »Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland –Das Problem der ›Zweiten Reformation‹« zwischen Wilhelm Heinrich Neuser : Die Erforschung der »Zweiten Reformation« – eine wissenschaftliche Fehlentwicklung, und dem selbige Kategorie erklärenden und verteidigenden Heinz Schilling: Die »Zweite Reformation« als Kategorie der Geschichtswissenschaft; siehe auch den kritischen Beitrag von Klueting: Gab es eine »Zweite Reformation«? Ein Beitrag zur Terminologie des Konfessionellen Zeitalters. 57 Zu den »Landesherrliche[n] Klosterreformen« ausführlich: Schilling: Klöster und Mönche, S. 99–119; Heinemeyer: Territorium und Kirche in Hessen vor der Reformation, S. 32–37; Schneider : Formierung, S. 80f. mit Anm. 48.

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vnd seiner Churfurstl. gnaden Dhumcappittel iren Chur vnd furstlichen gnaden kein verhinderung thun sollen«, jedoch solle, so gestanden Kursachsen und Hessen zu, den Geistlichen in ihren Territorien »Irer jerlichen Renten zins zehenden gulten durch die Amptlut zu bezalung oder wo es nit sein wollt zu gepurlichem Rechtem verholffen werden […]. Alles so lang vnd bis durch Romische keys. Maj. vnd ein gemein frey Cristlich Concilium In sollichem andere ordenunge vnd determination befließlich furgenomen vnd gesatzt werden«.58 Damit war die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzbischofs über hessische Untertanen – zumindest vorläufig – aufgehoben. Versuche, sie 1548, im Zuge der Auseinandersetzungen um die Einführung des Augsburger Interims, zu restituieren, scheiterten; 1552, am 1. August, einen Tag vor der Unterzeichnung des Passauer Vertrages,59 wurde der Verzicht im Feldlager bei der Belagerung der Reichsstadt Frankfurt in einem Vertrag zwischen (dem späteren) Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und dem Mainzer Erzbischof Sebastian von Heusenstamm bestätigt.60 Endgültig ging die geistliche Jurisdiktion, mit der Übernahme der im Passauer Vertrag getroffenen Absprachen zur gegenseitigen Duldung der Konfessionen, im Augsburger Religionsfrieden von 1555 auf die Landesherren über.61 Der Übergang der geistlichen Gerichtsbarkeit auf den Landgrafen von Hessen im Vertrag von Hitzkirchen aus dem Jahr 1528 wird auch noch im 17. Jahrhundert ein Referenzpunkt für die Rechtfertigung kirchenordnenden Handelns durch den Landesherrn und dessen Diener gegenüber lokalen Adligen sein. Zu einer innerfamiliären Belastungsprobe wurden die Auseinandersetzungen über das Testament Philipps des Großmütigen, das die Gestalt der Landgrafschaft für die kommenden Jahrhunderte bestimmen sollte. Ursprünglich verfocht Philipp darin die Maxime der Unteilbarkeit des Landes und damit der geschlossenen Übergabe an seinen ältesten Sohn.62 Zu Änderungen an dieser Konzeption veranlassten ihn zum einen die weiteren Söhne, die ihm seine erste Ehefrau gebar,63 und zum anderen, dass Margarethe von der Saale, die er 1540 58 Kopp: Ausführliche Nachricht von der ältern und neuern Verfassung der Geistlichen und Civil-Gerichten in den Fürstlich-Hessen-Casselischen Landen. Erster oder historischer Teil, Beilagen Nr. 46 (S. 107f.); Auszug auch in: Urkundliche Quellen II, Nr. 104 (S. 69f.). 59 Drecoll: Der Passauer Vertrag (1552). Einleitung und Edition, S. 73, 79 zum Datum der Unterzeichnung durch Kurfürst Moritz von Sachsen und den für seinen gefangenen Vater, Landgraf Philipp den Großmütigen, handelnden späteren Wilhelm IV. von Hessen-Kassel; der Vertrag auch in: RTA J. R. Bd. 20,1, Nr. 3 (S. 123–135). 60 Happe: Studien zur Geschichte des Kampfes um geistliches Recht und Gericht in Hessen, S. 90; zu den Zusammenhängen jeweils kurz: Schneider : Formierung, S. 94; Schilling: Klöster und Mönche, S. 55. 61 RTA 20,4, Nr. 390 (S. 3102–3158: Reichsabschied 1555), darin S. 3108–3114 der Augsburger Religionsfrieden. 62 Demandt: Erbfolge, S. 144f. 63 Demandt: Erbfolge, S. 145f.

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zur Zweitfrau genommen hatte,64 energisch die Gleichbehandlung ihrer Söhne mit denen aus der Erstehe forderte.65 In Philipps erster Ehe mit Christine von Sachsen waren neben den 1532 geborenen Sohn Wilhelm, der 1537 geborene Ludwig, der 1541 geborene Philipp und der 1547 geborene Georg getreten, bevor Christine 1549 starb. Auf das Drängen Margarethes, die 1566 starb, hatte Philipp sich dazu entschieden, seine bis 1557 von ihr geborenen sieben Söhne – von insgesamt 9 Kindern –66 mit einer aus seinem Land herausgeschnittenen kleineren Herrschaft auszustatten67 und sie in der letzten Fassung von 1562 seines immer wieder geänderten Testaments zu Grafen von Diez zu machen, ein Titel, der Bestandteil seines eigenen war.68 Wenn er schon die Söhne aus seiner zweiten Ehe auf diese Weise ausstattete, konnte er die nachgeborenen Söhne aus seiner ersten Ehe nicht mehr einfach nur mit einigem unselbstständigen Besitz abfinden, sondern fühlte sich verpflichtet, für sie ebenso eigene Herrschaftsbereiche zu bilden, das hieß, sein zu Land teilen.69 Dies geschah so, dass Wilhelm das »Niederfürstentum« Hessen mit dem Hauptort Kassel, Ludwig das »Oberfürstentum« mit dem Hauptort Marburg, Philipp der Jüngere die Niedergrafschaft Katzenelnbogen mit dem Hauptort St. Goar und Georg die Obergrafschaft Katzenelnbogen mit dem Hauptort Darmstadt erhielt.70 Mit dem Tode Landgraf 64 Rockwell: Doppelehe; Breul: »Mit gutem Gewissen.« Zum religiösen Hintergrund der Doppelehe Landgraf Philipps von Hessen. 65 Demandt: Erbfolge, S. 154, 157–161. 66 Demandt: Erbfolge, S. 155. 67 Demandt: Erbfolge, S. 149f., 151f. 68 Demandt: Erbfolge, S. 162–168: Philipps Testament vom 6. April 1562 (S. 164) im Verbund mit seiner vom Kaiser bestätigten Donation auf Lebenszeit an die Söhne Margarethes vom 25. Februar 1562 (S. 166), die sie erst am 26. Mai 1565 annahmen (S. 168 Anm. 100 am Ende). Das mit gewissen Einschränkungen souveräne (S. 163, 166) Herrschaftsgebiet der Grafen von Dietz umfasste Umstadt und Bickenbach, die Ämter Lißberg, Ulrichstein, Schotten, Stornfels, Homburg vor der Höhe sowie einen Anteil am Dorf Dehrn sowie die ehemalige Grafschaft Diez selbst (S. 166), die als Teil des Katzenelnbogener Erbes an Hessen gefallen war (S. 166). 69 Demandt: Erbfolge, S. 153. In seinem Schreiben, mit dem sich Landgraf Philipp bei seiner ersten Ehefrau für die Zustimmung zu seiner Zweitehe bedankt (Spangenberg 1539 Dezember 11, Lenz: Briefwechsel I, S. 358f., hier S. 359 (Nr. 11 der Dokumente in Beilage II)), versprach er : »Es sollen auch beid unser kiender, die von unser beider leib geporren und menlichs geschlechts sein, die rechten fursten zu Hessen sein und pleiben, dieweil sie leben und andere unsere kiender, die wir von der anderen unser ehefrauen erzeugen werden, daran nichts haben, aldieweil diese unsere mit irrer liebten erzeugte kinder leben«. Wo aber wir kiender von der andern unser frauen krigten, die sollen an dem furstenthumb des landts zu Hessen nichts habben, sonder durch andere eigen erbgutter durch uns landtgraff Philipsen, das es graven oder bannerhern sein mogen, vorsehen werden«. 70 Demandt: Erbfolge, S. 163; siehe auch: Römer: Der Landgraf im Spagat? Die hessische Landesteilung 1567 und die Testamente Philipps des Großmütigen. Der Erwerb der Grafschaft Katzenelnbogen, um deren Erbe sich das vom Kaiser unterstützte Nassau auf der einen und Hessen auf der anderen Seite stritten, gelang Hessen endgültig erst in Folge des

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Philipps des Großmütigen am 31. März 1567 traten seine Söhne aus erster Ehe ihre Herrschaften als Wilhelm IV. von Hessen-Kassel,71 Ludwig IV. von HessenMarburg,72 Philipp II. von Hessen-Rheinfels73 und Georg I. von Hessen-Darmstadt74 an. Als Philipp II. von Hessen-Rheinfels 1583 starb, wurde sein Herrschaftsgebiet unter den verbleibenden Brüdern aufgeteilt, von denen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel den größten Teil erhielt.75 Auch das Gebiet der Grafen von Diez nahmen die vier Gebrüder 1577 wieder in Besitz und teilten es unter sich auf, nachdem sechs der Söhne aus der Ehe mit Margarethe von der Saale gestorben und der siebente, Graf Christoph, »wegen seiner Untaten in Ziegenhain eingekerkert« war, wo er 1603 starb.76 Philipp der Großmütige baute allerdings Sicherungsmechanismen in sein Testament77 ein, die eine Kooperation der Brüder in wichtigen Aspekten der Landesregierung gewährleisten sollten, um die Einheit des Landes wenigstens in der Form institutioneller Klammern aufrechtzuerhalten.78 So unterstellte er die Verwaltung der hessischen Landesuniversität Marburg gemeinsam den Brüdern

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Frankfurter Vertrags von 1557, siehe: Demandt: Die letzten Katzenelnbogener Grafen und der Kampf um ihr Erbe, S. 130. Zu ihm: Schulz: Wilhelm IV. Landgraf von Hessen-Kassel (1532–1592). Zu ihm: Rudersdorf: Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537–1604. Landesteilung und Luthertum in Hessen. Demandt: Landgraf Philipp der Jüngere von Hessen-Rheinfels. Ein fürstliches Kultur- und Lebensbild aus der rheinischen Renaissance. Zu ihm: Noack: Landgraf Georg I. von Hessen und die Obergrafschaft Katzenelnbogen (1567–1596); Steiner : Georg I., Landgraf von Hessen-Darmstadt. Uhlhorn / Schwind: Die territoriale Entwicklung Hessens 1247 bis 1866, S. 73 linke Spalte; Demandt: Die Grafschaft Katzenelnbogen und ihre Bedeutung für die Landgrafschaft Hessen, S. 96; ausführlich: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 5, S. 636–638, durch die verschiedenen hier geschilderten Besitztausche, kam es praktisch zu keiner (wie im Testament Philipps des Großmütigen für einen solchen Fall vorgesehenen [Rommel: Ebd., S. 636]) gleichmäßigen Teilung Hessen-Rheinfels’ unter den übrigen Linien, von der Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 54 Anm. 60 spricht. Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 237 (mit dem Zitat); Rudersdorf: Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg, S. 150. Philipps des Großmütigen Testament, ausgefertigt in Kassel am 6. April 1562, findet sich vollständig in: Schmincke: Monimenta Hassiaca, S. 577–631 mit dem rahmenden Notariatsinstrument und dem anschließenden Kodizill, Melsungen 1566 November 4, mit der Verschreibung von Legaten »an Personen, die sich um ihn auf dem Krankenlager verdient gemacht hatten« (das Zitat aus der Edition nur des Testaments bei Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1526–1603, S. 260–278 [mit anderer Abschnittszählung als bei Schmincke], hier S. 277 Anm. 35). Dass Philipp eine Teilung des Landes unter den vier Söhnen aus seiner Ehe mit Christine von Sachsen auch jetzt noch nur ungern sah, zeigt die Formulierung in § XII (»Wegen theilung des Landes unter die vier Herrn Söhne«): »[…] vnd bedeuchte vns das beste vor sie sein, daß sie bey einander haus hielten, wie die Hern von Weymar thun, vnd das land nicht theilten. Im fall aber so sie nicht bey ein wohnen könten oder wolten, so ist vnser vätterlicher will vnd verordnung, daß es also gehalten werde […]« (Schmincke: Monimenta Hassiaca, S. 592f., das Zitat S. 593, ähnlich auch in § VIII auf S. 590f.).

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Wilhelm IV. und Ludwig IV. (§ VI), reichslehnrechtlich blieb Hessen eine Einheit, die Titulatur aller Landgrafen war gleich (Landgraf zu Hessen, Graf zu Katzenelnbogen, Diez, Ziegenhain und Nidda), es bestand ein gemeinsames Samthofgericht (§ XXII), ein Austrägalgericht als Schiedsinstanz zur Beilegung dynastischer Streitigkeiten der Brüder untereinander (§ XXXI) sowie ein Samtarchiv in Ziegenhain,79 das Unterlagen von Relevanz für die gesamte Dynastie verwahrte.80 Philipp empfahl den vier Brüdern überdies, keinen Prediger zurückzuweisen, wenn er im Rahmen der Wittenberger Konkordie lehrte (§ IV).81 Die praktische Seite der Zusammenarbeit regelten die vier Brüder 1568 in einem Brüdervergleich.82 Wilhelm IV. von Hessen-Kassel als ältester der Söhne Philipps des Großmütigen, dem auch der größte Teil des Landes zufiel, wurde von den Brüdern in Konflikten als maßgebliche Autorität anerkannt.83 Die gesamthessischen Generalsynoden und die wachsenden konfessionellen Spannungen zwischen den hessischen Landgrafen

Die vier Herren Gebrüder, die Söhne Landgraf Philipps des Großmütigen, behielten die Zusammenkünfte ihrer jeweiligen Superintendenten und fähigsten Pfarrer, nun auch in Gemeinschaft mit weltlichen Räten und Marburger Theologieprofessoren, als Entscheidungsgremium in kirchlichen Angelegenheiten zur Wahrung der geistlichen Einheit Gesamthessens bei.84 Zwischen 1568 und 79 Landgraf Philipp war erkennbar um das Bild, das sich spätere Generationen von seinem Handeln machten, bemüht. So heißt es in dem Notarsinstrument, dem das Testament inseriert ist, dass alle früheren Testamente »hinfürter keine krafft oder execution haben, vnd aber doch aus beweglichen vrsachen zur gedechtnüs verwart werden sollen« (Schmincke: Monimenta Hassiaca, S. 581); Philipp selbst führte zum Umgang mit seinen für ungültig erklärten früheren Testamente aus: »[…] doch haben wir die alten nicht wollen verbrennen, sondern in unserer Registratur zu Ziegenhain gelegt, vff das vnsere Söhne demnest sehen mügen, was gemuts wir von jahren zu jahren, vnd von zeiten zu zeiten gewesen« (Schmincke: ebd., S. 581). Erwähnung findet das Samtarchiv ebenfalls in den §§ XXXIV und XXXV (Schmincke: ebd., S. 607f.). Zu archivpraktischen Fragen siehe auch die »Instruction, was unser von gottes gnaden Wilhelm, Ludwigen und Georgen, gebruder, landgraven zu Hessen, graven zu Catzenelnbogen registratores sich jederzeit sowohl in unser allgemeinen, als auch eines jedern insonderheit registratur verhalten söllen«, in: Gundlach: Urkunden und Akten, S. 140–145 (Nr. 97). 80 Ausführliche Aufzählung der einheitsstiftenden Maßnahmen bei Demandt: Erbfolge, S. 169f. 81 Maurer : Bekenntnisstand, S. 36. 82 Der (Ziegenhainer) Brüdervergleich vom 28. Mai 1568 ist abgedruckt in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 789–797 (Nr. VIII). 83 Demandt: Erbfolge, S. 171. 84 Im Brüdervergleich von 1568 heißt es dazu im ersten Punkt: »Wir wollen auch allen und iede Jahr zu gelegener und hierzu bequemer Zeit/ zum wenigsten einen/ wo nicht mehr Synodos alternatis vicibus, zu Cassel und Marpurg/ oder andern bequemen Orten/ wie das iedesmahl die Gelegenheit am besten geben/ und Wir Uns mit einander vergleichen werden/ halten/

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1582 kamen dazu, außer 1570, im jährlichen Wechsel zwischen Marburg und Kassel insgesamt dreizehn »Generalsynoden« zusammen.85 Schon die erste Generalsynode, 1568 in Marburg, bestimmte den Kasseler Pfarrer Bartholomäus Meier, ab 1569 Superintendent des Bezirks, dazu, den noch fehlenden letzten Teil der Kirchenordnung von 1566 auszuarbeiten.86 Weiterhin wurde die Revision und Neupublikation der Kirchenzuchtordnung von 1543 für notwendig gehalten.87 Auf der zweiten Generalsynode 1569 in Kassel wurde der Auftrag auf die Prüfung und Verbesserung der gesamten Kirchenordnung von 1566 ausgeweitet darauff alle unsere Superintendenten und etliche der vornehmsten Praedicanten/ neben einen oder zweyen Professoribus Theologiae der Universität Marpurg/ und unsern Räthen/ die wir jedes mahl darzu ordnen werden/ zusammen kommen […]« (Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 790). 85 Das maßgebliche Werk hierzu verfasste Heppe: Generalsynoden Bd. 1 sowie Ders.: Generalsynoden Bd. 2; »ergänzt und berichtigt« wird dieses Werk im Abschnitt über die Generalsynoden in Heppe: Kirchengeschichte I, S. 353–436 (das Zitat: S. 353 Anm. 1). Ein Teil der von Heppe benutzten Quellen (»Außerdem fand ich ich in dem Archive der Superintendentur zu Allendorf [heute Bad Sooden-Allendorf, A. J.] zwei Faszikel, von denen der eine sämmtliche Synodalabschiede in sauberer Copie, und der andere mehrere überaus wichtige Urkunden aus den Jahren 1576 und 1577 enthält.« [Heppe: Generalsynoden Bd. 1, Vorwort S. IV]) liegt heute im Kirchenkreisarchiv Eschwege (KKAE). Dazu zählt ein bemerkenswerter Band, der kalligraphisch ausgeschmückte Abschriften der Abschiede der Generalsynoden enthält – unterteilt in Generalia (Anliegen von allgemeinem Interesse) und Specialia (ortsspezifische Problemlagen), letztere blieben in der Edition der Abschiede in EKO Bd. 8, S. 347–393 unberücksichtigt –, die wahrscheinlich für den Allendorfer Superintendenten Christian Grau/Gravius (amtierte von 1557–1600 [Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 157, Nr. 3]) bestimmt waren, im Eschweger Archiv trägt er die Signatur »Bestand 1, Nr. 31« (Einbandaufschrift: »Acta synodalia de ann. 1568–1607«); leider befindet sich der Band heute in einem konservatorisch bedenklichen Zustand. Der andere Band mit Abschriften von Dokumenten zur Diskussion um die Konkordienformel in Hessen, die ebenso für Christian Grau angefertigt worden sein dürften, trägt die Signatur »Bestand 1, Nr. 165«. 86 Abschied der ersten Generalsynode zu Marburg vom 21. Juni 1568, in: EKO Bd. 8, S. 347– 350, hier S. 348, Punkt 2: »Soviel den letzten teil der kirchenordnung anlangt, dessen wird sich Magister Meier, pfarher zu Cassel, underwinden und die mit rat und zutun der superintendenten ufs papier bringen; und soll alsdan dies teil, wan es gefertiget, hochermelten unsern gnedigen fursten und herrn zu besichtigen und zu weiterer deliberation vorbracht werden. Und ist hierbei sonderlich erinnert, daß in solchem teil ein gewisse ordnung gemacht, in welchen gradibus consanguinitatis et affinitatis die ehe zulessig sein solle oder nicht […]«. Siehe auch: Hannelore Jahr in der Einleitung zur von ihr edierten Kirchenordnung von 1566, in: EKO Bd. 8, S. 24–35, hier S. 27 Anm. 20; zum Inhalt des geplanten vierten Teils auch die Einleitung zur Kirchenordnung selbst, wo (EKO Bd. 8, S. 187f.) die Inhalte der vier Teile aufgezählt werden: »Kirchen Ordnung: Wie sich die Pfarhern vnd Seelsorger in jrem beruff mit leren vnd predigen, allerley Ceremonien vnd guter Christlicher Disciplin vnnd Kirchenzucht halten sollen: Für die Kirchen inn dem Fürstenthumb Hessen: Aus der Aposteln, jrer Nachfolger vnd anderer alten Christlicher reiner Lehrer schrifften gestellet« (EKO Bd. 8, S. 178–337). 87 Abschied der ersten Generalsynode zu Marburg 1568, in: EKO Bd. 8, S. 349, Punkt 4; die Kirchenzuchtordnung von 1543: »Ordenung von Gots gnaden, Vnser Philipsen Landtgraven zu Hessen […] Jnn ettlichen Notwendigen, zu erhaltung Christlicher Zucht vnd Erbarkeyt, Auch guter Pollicei, dienlichen Puncten vnd articuln«, in: EKO Bd. 8, S. 148–154.

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und Bartholomäus Meier übertragen,88 daneben sollte aus dem dritten und vierten Teil der Kirchenordnung eine separate Agende hergestellt werden.89 Daraus entstand zum einen die »Reformationsordnung« von 1572, die zu einer an den praktischen Bedürfnissen orientierten Kurzfassung der Kirchenordnung von 1566 wurde, mit Aussagen über die Lehre, über »leben und wandel« sowie »annehmung und beurlaubung der predicanten«, über Kirchenzuchtfragen und die Eheordnung.90 Zum anderen wurde 1574 eine Agende veröffentlicht, die Regelungen über den Gottesdienstablauf, Gebete und Formulare für besondere Handlungen sowie am Schluss einen Abschnitt »Was die superintendenten in ihren ordentlichen visitationibus fürnemen und verrichten sollen« enthielt.91 88 Abschied der zweiten Generalsynode zu Kassel vom 18. Juni 1569, in: EKO Bd. 8, S. 351–353, hier S. 351, Punkt 1: »[…] nachdem die […] kirchenordnung von den superintendenten ubersehen und durchlesen und aber darunter etzliche puncten vorgelaufen, so besserung und enderung bedurfen, welchs aber itzo so bald in der eil nicht gescheen mogen, so sollen dieselben puncten, wie die zu verbessern und zu endern und bemelter kirchenordnung hinfuro inzuverleiben, bedacht werden, durch Herrn M. Meyern ufs papier pracht und jederm fursten insonderheit zugestellet und ubergeben werden […]«. 89 Abschied der zweiten Generalsynode zu Kassel 1569, in: EKO Bd. 8, S. 351, Punkt 2: »[…] daß aus bemelter publicirter kirchenordnung ein kurzer extract oder agenda zu extrahiren und zu verfertigen sein solte, dieweil aber doch in den ersten zweien teilen allein von der superintendenten ampt, verordnung und befelch tractirt, daß derwegen von unnöten geachtet, einigen extract derhalben zu verfertigen, so soll solche agenda allein aus dem dritten teil der albereits publicirten kirchenordnung und dann auch den vierten teil, so bald derselbig gefertigt, weil dieselb beide teil die pfarherrn sonderlich betrifft, extrahiert und derselben agenden den catechismus, so durch das ganze furstentumb in kirchen und schulen gebraucht wirdet, im vierten teil der ordnung inserirt werden«. 90 »Ordnung vnd Reformation Vnser von Gotts gnaden Wilhelms, Ludwigs, Philipsen vnnd Georgens, Gebrüder Landtgrauen zu Hessen, Grauen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain vnd Nidda, etc. Wie es in vnsern Fürstenthumben, Graff vnd Landtschafften, nicht allein im Kirchen Regiment von vnsern Visitatore vnd Praedicanten, mit der Lehr, jrem Leben vnd Wandel, Visitation der Pfarren, annemunge vnd beurlaubung der Praedicanten, übunge des Catechismi vnd dergleichen: Sondern auch sonsten in andern, zu abschaffung allerhand Aberglaubens, Rotten vnd ergerlichen Lebens, auch beförderung Christlicher Zucht vnd Erbarkeit, vnd erhaltunge guter Policey dienlichen stücken, als mit Cristallen sehern, Zauberern, Widerteuffern, Kirmessen, Sontags tentzen, Gotttslesterern vnd Vollsauffern, auch in etzlichen Ehefellen, vnd mit straff der Vnzucht vnd Ehebruchs, gehalten werden soll. M. D. LXXII.«, in: EKO Bd. 8, S. 394–407 (der Publikations- und Observanzbefehl der vier Gebrüder, S. 407, datiert vom 1. August 1572), die beiden im Text zitierten Überschriften gehören zu Punkt 2 und Punkt 3 (S. 395–398) der Reformationsordnung. 91 »Agenda Das ist: Kirchenordnung wie es im Fürstenthumb Hessen mit verkündigung Göttliches worts, reichung der heiligen Sacramenten vnd andern Christlichen handlungen vnd Ceremonien gehalten werden soll. 1. Corinth. 14. Lasset es alles züchtigklich vnd ordentlich zugehen. Getruckt zu Marpurgk durch Augustinum Colbium im Jahr 1574.«, in: EKO Bd. 8, S. 408–469 (der Publikations- und Observanzbefehl der vier Gebrüder, S. 408f., datiert vom 20. Juli 1573), der Abschnitt über die Aufgaben der Superintendenten, dessen Überschrift zitiert wurde, findet sich auf S. 461–464; die vier Gebrüder geben als Beweggrund für die Anfertigung der Agende auf S. 408 ausdrücklich an, dass die Kirchenordnung ihres Vaters aus dem Jahr 1566 »weil sie etwas lang und ausführlich ist, nicht von allen

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Jedoch blieb »die Ordnung von 1566 als Auslegungsmaßstab für die kürzere Form in Gültigkeit«.92 Die Aussage: »Zu rechtlicher Geltung ist die Ordnung in der Gestalt von 1566 innerhalb des landgräflich hessischen Territoriums nicht gekommen«,93 ist nachweislich unzutreffend.94 Philipp der Großmütige ging, so wie er es Herzog Albrecht von Preußen 1534 empfahl, »ein mittelstrassen zwuschen den lütterischen und zwinglischen«;95 er riet Albrecht dazu, ebenso wie er, seinen Predigern zu befehlen, darüber, »wie oder welcher gestalt der her [im Abendmahl, A. J.] da were«,96 jede »unnotige disputation vor dem gemeinen man [zu] unterlassen«97. Hessen folgte der Position Melanchthons, der vermittelnd zwischen Luther bzw. dessen Nacheiferern und der zwinglianisch-calvinistischen Richtung stand.98 Die zunehmenden innerprotestantischen Differenzen zwischen Lutheranern und Philippisten, was die reine evangelische Lehre sei, machten sich auch in Hessen bemerkbar. Die sich anbahnende Kontroverse schlug sich erstmals in einer Notiz im Abschied der zu Kassel tagenden zweiten Generalsynode aus dem Jahr 1569 nieder, in der es heißt: »Das dann auch zum vierten von dem Herrn D. Jacobo Andreae gesucht und begeret worden, seine confession von den superintendenten zu underschreiben, so wollen unsere gnedige fursten und herrn hirunder des Churfursten zu Sachsen und andere der Augspurgischen confession verwanter fursten be-

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predicanten, sonderlich aber den einfeltigen, deromaßen fleißig gelesen, verstanden und in acht genommen werden mochte, wie billich sein solte, daß wir demnach aus ermelter kirchenordenung mit euerm unserer superintendenten rat und bedenken diese kurze Agenda extrahiren, ausziehen und stellen lassen, alles zu dem ende, damit die einfeltigen sich umb so viel leichter und besser darnach zu richten und allenthalben in unserer obrigkeit und gebiet ein gleichförmigkeit in den kirchenceremonien und sonstet sein und erhalten werden möge«. Maurer : Bekenntnisstand, S. 34. Hannelore Jahr in der Einleitung zur Kirchenordnung von 1566, in: EKO Bd. 8, S. 27. So verweist der von 1638–1672 amtierende Eschweger Superintendent Johannes Hütterodt in seiner um 1661 zur Unterrichtung des Konsistoriums entstandenen, im handschriftlichen Konzept erhaltenen »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt undt Vogtey Langula« (KKAE Best. 4 Großburschla, Nr. 2) darauf, dass zu »Grossen Burschel« »biß dahero die Hessische Kyrchenordnung, wie die Ao 1566 gedruckt, erhalten« (fol. 11r), d. h. in Geltung geblieben sei. Urkundliche Quellen II, S. 188 (Nr. 279): Kassel 1534 März 18 [»am Mitwochen nach Letare«]), auszugsweiser Abdruck der Ausfertigung aus dem ehemaligen Staatsarchiv (für die Provinz Ostpreußen) in Königsberg. Rommel: Philipp der Großmüthige, III. Urkunden, S. 52f. (Nr. 14), hier S. 53: Kassel 1534 März 18 [»am Mitwochen nach Letare«]), vollständiger Abdruck wahrscheinlich nach dem Konzept oder einer Abschrift des Briefes; diese Passage wird in dem auszugsweisen Abdruck der Ausfertigung in Urkundliche Quellen II, S. 188 (Nr. 279) nur zusammenfassend, nicht wörtlich, wiedergegeben; zwischen dem Abdruck der Ausfertigung und dem des Konzepts/ der Abschrift bestehen geringfügige orthographische Unterschiede. Urkundliche Quellen II, S. 188 (Nr. 279). Heppe: Generalsynoden Bd. 1, S. 175–194 (»Das Luthertum der hessischen Landeskirche«) sowie Ders.: Kirchengeschichte I, S. 334 in Verbindung mit S. 333 Anm. 3 zur Bekenntnisverpflichtung der Pfarrer.

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denken vernehmen und sich alsdann ihrer f. g. gemuts hieruber weiter resolviren«.99 Der Propst der Tübinger Stiftskirche und Kanzler der dortigen württembergischen Landesuniversität, an der er auch als Professor der Theologie unterrichtete, Jacob Andreae,100 hatte aufgrund der aufgebrochenen innerevangelischen Lehrdifferenzen einen Konkordienprozess angestoßen,101 der, nach Vorarbeiten in den vorangegangenen Jahren, 1576, nach dem Sturz der »Kryptocalvinisten« in Kursachsen,102 zur Ausarbeitung des »Torgischen Buches« führte. Dieses als gemeinsames Bekenntnis aller der Augsburgischen Konfession zugetanen Stände und Städte des Reiches gedachte Dokument verfehlte unter diesen allerdings die erhoffte Zustimmung,103 in Hessen, das ursprünglich zu den Unterstützern des Konkordienprojektes zählte,104 sorgte die allein auf Luther ausgerichtete Darstellung für Unmut.105 Daran änderten für Hessen auch eine Überarbeitung106 sowie die 1579 beigegebene erklärende und als »Entschärfung« gedachte Vorrede107 nichts.108 Der Hauptstreitpunkt war die zur Erklärung der Präsenz von Leib und Blut Jesu in, mit und unter den Abendmahlselementen herangezogene Ubiquitätslehre, die es nicht bei einem Geheimnis bewenden ließ, sondern nach der Christus nicht nur in seiner göttlichen, sondern auch in seiner menschlichen Natur allgegenwärtig, lateinisch »ubique«, sein konnte. Diese sophistisch die Naturen Jesu auseinanderreißende Lehre erschien dem Landgrafen von Hessen-Kassel als Abfall vom Vermächtnis seines Vaters, Landgraf Philipp des Großmütigen, der die Söhne ermahnt hatte, bei der Wittenberger Konkordie109 zu bleiben, die die Frage des Wie der Präsenz 99 Abschied der zweiten Generalsynode zu Kassel vom 18. Juni 1569, in: EKO Bd. 8, S. 351– 353, hier S. 352f., Punkt 4. 100 Über ihn und sein Werk: Brecht: Andreae, Jakob (1528–1590) sowie Ebel: Jacob Andreae (1528–1590) als Verfasser der Konkordienformel. 101 Heppe: Generalsynoden Bd. 1, S. 44–48. 102 Junghans: Kryptocalvinisten, zu Kursachsen S. 125–127. 103 Ernst Wolf: Einleitung zur Edition der Konkordienformel, in: BSLK, S. XXXII–XLIV, hier S. XXXVI–XXXIX mit Anm. 1 (S. XXXVIII f.); Heppe: Generalsynoden Bd. 1, S. 171–175; Brecht: Andreae, Jakob, S. 679. 104 Ernst Wolf: Einleitung zur Edition der Konkordienformel, in: BSLK, S. XXXIII. 105 Heppe: Generalsynoden Bd. 1, S. 218–220 (»Die Censur der hessischen Theologen über das Torgauer Buch und die Antwort der Sachsen.«). 106 Koch: Konkordienformel, hier insbes. S. 477–479. Ernst Wolf: Einleitung zur Edition der Konkordienformel, in: BSLK, S. XL; Heppe: Generalsynoden Bd. 1, S. 234–238, 263–267 (»Die Erklärung der vier hessischen Landgrafen gegen die Bergische Concordienformel.«); Ders.: Kirchengeschichte I, S. 381–387 (»Der Convent zu Treysa im November 1577 und die Zurückweisung der Bergischen Concordienformel.«). 107 Heppe: Generalsynoden Bd. 2, S. 51–53 (»Der Schmalkalder Convent und die neue Präfation der Concordienformel.«); Ders.: Kirchengeschichte I, S. 403–412 (»Zurückweisung der Präfation der Concordienformel in Hessen.«). 108 Heppe: Generalsynoden Bd. 2, S. 70–81. 109 Kaufmann: Wittenberger Konkordie.

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Jesu im Abendmahl offenließ. Wilhelm IV. konnte seine die anderen Landesteile regierenden Brüder überzeugen, dem Rat ihres Vaters zu folgen und zur Wahrung der kirchlichen Einheit des Landes die Unterschrift unter die Konkordienformel und das Konkordienbuch110 zu verweigern, dem Hessen somit nicht beitrat. Dies fiel Ludwig IV. von Hessen-Marburg besonders schwer. Er hielt sich in seinen Jugendjahren von 1561–1565 am Hof Herzog Christophs von Württemberg auf, wo er nicht nur das dort praktizierte Luthertum und die Strukturen der Kirchenordnung kennenlernte, sondern auch seine Frau, die württembergische Herzogstochter Hedwig.111 1576 einigten sich die Landgrafen Ludwig IV. und Wilhelm IV. auf die Berufung des ihnen empfohlenen Tübinger Gelehrten 110 Symbolträchtig am 25. Juni 1580, zum fünfzigsten Jahrestag der Übergabe der Confessio Augustana, »wurde das Konkordienbuch gelegentlich des Dresdener Jahrmarktes veröffentlicht« (Ernst Wolf: Einleitung zur Edition der Konkordienformel, in: BSLK, S. XLII). Die Konkordienformel, am Ende der im Konkordienbuch versammelten Schriften, »versteht sich in ihrer endgültigen Zielsetzung als Erklärung der Augsburgischen Konfession von 1530, ihrer Apologie, der Schmalkalischen Artikel von 1537 und der Katechismen Luthers [des kleinen und des großen, A. J.], möchte also nicht ein neues Bekenntnis sein« (Koch: Konkordienbuch, S. 479). Neben den genannten Schriften enthält das Konkordienbuch auch die drei altkirchlichen Symbole und (Zitat: Koch: Konkordienbuch, S. 473) »Melanchthons Tractatus de potestate et primatu papae von 1537 (allerdings ohne Nennung von Melanchthons Verfasserschaft) […] sowie als Anhang die Sammlung von Kirchenväterzitaten zur Christologie (Catalogus Testimoniorum)« (= »Vorzeichnüs der Zeugnissen Heiliger Schrift und der alten reinen Kirchenlehrer, wie dieselbigen von der Person und göttlichen Majestät der menschlichen Natur unsers Herrn Jesu Christi, zur Rechten der allmächtigen Kraft Gottes eingesetzt, gelehret und geredt haben«, BSLK, S. 1101). Die Konkordienformel/Formula Concordiae (BSLK, S. 735–1100), deren authentische Sprachfassung die deutsche ist, ist nach der Vorrede unterteilt in die »Epitome Articulorum […]«/ »Summarischer Begriff der streitigen Artikel zwischen den Theologen Augsburgischer Konfession […]« (BSLK, S. 767) und die »Solida […] declaratio […]«/»Allgemeine, lautere, richtige und endliche Wiederholung und Erklärung etlicher Artikel Augsburgischer Konfession, in wölchen ein Zeither unter etlichen Theologen Streit vorgefallen, nach Anleitung Gottes Worts und summarischer Inhalt unser christlichen Lehre beigelegt und verglichen« (BSLK, S. 829). Die Epitome – pro erörtertem Punkt unterteilt in eine Vorstellung des »Status Controversiae«, »Affirmativa« (die Lehre, zu der sich die Unterzeichner in diesem Punkt bekennen) und »Negativa« (die Lehre, die sie verwerfen) – sind eine Kurzfassung der ausführlicheren Darstellung in der Solida declaratio. Die behandelten Punkte in ihrer Abfolge sind: I. Erbsünde, II. freier Wille, III. »Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott«, IV. gute Werke, V. Gesetz und Evangelium, VI. tertius usus legis, der Gebrauch des Gesetzes als Lebensregel für die Getauften, VII. Abendmahl, VIII. Person Christi, IX. Höllenfahrt Christi, X. Kirchengebräuche (Zeremonien), XI. Vorsehung/Prädestination, XII. »Von andern Rotten und Sekten, so sich niemals zu der Augsburgischen Confession bekannt«. Die kritische Edition der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK) entspricht in Aufbau und Inhalt dem Konkordienbuch. 111 Rudersdorf: Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg, S. 86–88, 96–127; siehe auch die Kritik an der Argumentation Rudersdorfs von der in Württemberg empfangenen konfessionellen Prägung Ludwigs bei Matthias: Theologie und Konfession. Der Beitrag von Ägidius Hunnius (1550–1603) zur Entstehung einer lutherischen Religionskultur, S. 97–99 (»Die Kirchenpolitik des Landgrafen Ludwig IV. von Hessen-Marburg«).

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und Diakons Ägidius Hunnius auf eine theologische Professur an der Universität Marburg und gleichzeitig eine Pfarrstelle.112 Der junge begabte Mann vertrat aber in den Streitigkeiten um Abendmahl und Christologie als versierter Redner mit großem Eifer die Position seines Landsmanns Jacob Andreae und anderer Befürworter der Konkordienformel und trieb so einen Keil zwischen die Landgrafen.113 An den dogmatischen Auseinandersetzungen und denen um die Person des Hunnius zerbrach die konfessionelle Einheit Hessens. 1582 führten die unversöhnlichen Gegensätze schließlich zu einem Ende der gemeinsamen Generalsynoden.114 Manfred Rudersdorf konstatiert: »Nicht die reformierten, offenen oder verdeckten, Kasseler Neigungen, sondern das orthodoxe Luthertum in Marburg hatte sich als Sprengkraft für die hessische Solidarität und damit für das einheitliche Verfassungsgefüge des Landes erwiesen«.115 Im selben Jahr, 1592, als sich Ludwig IV. und Wilhelm IV. endlich über den Weggang des so viel Zwietracht säenden Hunnius geeinigt hatten – der nach Wittenberg berufen worden war, wo er Professor primarius an der theologischen Fakultät der Universität, Propst an der Schlosskirche, Mitglied im Konsistorium und ab 1595 Stadtsuperintendent wurde116 – starb am 25. August Wilhelm IV.117

Das Vermächtnis Wilhelms IV. von Hessen-Kassel und der Regierungsantritt seines Sohnes Moritz des Gelehrten

Landgraf Wilhelm IV. bestimmte nicht nur die konfessionelle Tendenz HessenKassels, sondern hinterließ seinem Nachfolger auch ein verwaltungsmäßig bemerkenswert gut organisiertes und erfasstes Land. Dies wird vor allem an dem von ihm in Auftrag gegebenen »Ökonomischen Staat« deutlich. In den unter diesem Titel zusammengefassten Stücken ließ er seit seinem Regierungsantritt zusammengetragene herrschaftsstatistische Angaben größtenteils ökonomischer Natur – zur Organisationsstruktur seines Landes, zur Bevölkerung, den in den Ämtern erwirtschafteten, dem Landgrafen zufallenden Erträgen, davon zu 112 Heppe: Kirchengeschichte I, S. 370; Matthias: Theologie und Konfession, S. 71–82 (»Der Weg nach Marburg«). 113 Heppe: Kirchengeschichte I, S. 378–381; zu Hunnius und seinen theologischen Positionen v. a. Matthias: Theologie und Konfession. 114 Heppe: Kirchengeschichte I, S. 435f. (»Die Generalsynode des Jahres 1582.«). 115 Rudersdorf: Hessen, in: Schindling / Ziegler (Hgg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, S. 279. 116 Mahlmann: Hunnius, Ägidius (1550–1603), S. 704 legt Wert auf die Feststellung, Hunnius wäre, »nachdem Ludwig sich mit Wilhelm auf den Kasseler Hofprediger und HunniusSchüler Johannes Winckelmann als Nachfolger geeinigt hatte, im Frühjahr 1592 freigegeben [worden]. Entlassen worden ist Hunnius nicht«. 117 Heppe: Kirchengeschichte I, S. 437–446; ausführlich Matthias: Theologie und Konfession, S. 273–327 (»Die Auseinandersetzung um Hunnius’ Entlassung«).

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bestreitenden Ausgaben und verfügbaren Überschüssen – in übersichtlicher und zugleich repräsentativer Form zusammenstellen.118 Die noch heute in ihrer Anlage, Detailgenauigkeit und kontinuierlichen Auflistung der Daten über Jahrzehnte beeindruckenden Handschriften, legen Zeugnis ab, vom rationalen und zugleich praktisch orientierten Geist ihres Auftraggebers. Der »Ökonomische Staat« war als Auskunftsmedium und Entscheidungshilfe in der täglichen Regierungsarbeit gedacht, einzelne Teile sollten daher auch nach dem Tod Wilhelms IV. von seinem Sohn und Nachfolger, Landgraf Moritz, fortgeführt und aktuell gehalten werden.119 Dieser trat die Regierung 1592, nach dem Tod seines Vaters, mit großen in ihn gesetzten Hoffnungen an. Trug schon sein Vater aufgrund seiner Regierungsweise und wissenschaftlichen Neigungen den Beinamen »der Weise«, so nannte man Moritz »den Gelehrten«.120 Seine Ausbildung erhielt er in Religionsdingen durch den aus Sachsen vertriebenen »Kryptocalvinisten« Caspar Cruciger d. J.121 118 Die Handschriften liegen in einer dreibändigen Edition vor, wovon der erste Band Entstehung und Hintergrund des Werkes erläutert und in die Bedingungen der Zeit einordnet: Zimmermann: Der hessische Territorialstaat im Jahrhundert der Reformation; Zimmermann (Bearb.): Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV. Nach den Handschriften bearbeitet, Bd. 2. Mit einer Schrifttafel; Krüger (Hg.): Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV. Dritter Band: Landbuch und Ämterbuch. Eine erste Auswertung der im »Ökonomischen Staat« bereitgestellten Daten wurde vorgenommen von Krüger: Finanzstaat Hessen. Zur Bedeutung des »Ökonomischen Staates« siehe auch: Brakensiek: Verwaltungsgeschichte als Alltagsgeschichte, v. a. S. 274–279. 119 Dies wird deutlich am sogenannten »Ämterbuch«, wo die Zeilen für die Jahre 1590–1605 zur Eintragung der Einnahmen, Ausgaben und des Überschusses (»Rest«) an Geld unter anderem für das Amt »Hirschfeldt« (Hersfeld) vorbereitet sind, aber unausgefüllt blieben, die mühsame Datenerhebung und genaue Buchführung Landgraf Wilhelms IV. durch seinen Sohn Moritz nach dem Regierungswechsel also nicht fortgesetzt wurde, siehe: Krüger: Der Ökonomische Staat, Bd. 3, S. 507 sowie zur Einordnung S. 26. Allerdings wurde der »Ökonomische Staat« von Landgraf Moritz, dessen Vater ihm die Benutzung sehr ans Herz legte, durchaus zu Rate gezogen, wie später im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen der Landgrafschaft Hessen-Kassel und der Grafschaft Waldeck über die Zugehörigkeit des Ortes Züschen und die dortige Pfarrgerechtigkeit gezeigt wird. Ludwig Zimmermann gelangt sogar zu der Einschätzung: »Der Ökonomische Staat ist das Vermächtnis des Landgrafen Wilhelms IV. an seinen Sohn. Das Staatshandbuch des hessischen Fürsten ist also ein politisches Testament« (Zimmermann: Der Ökonomische Staat, Bd. 2, S. XXII). 120 Zu seinem Leben, seinem Wesen, seiner Regierung, seinem Umfeld sowie zu seinen gelehrten und künstlerischen Interessen siehe den Ausstellungskatalog Borggrefe / Lüpkes / Ottomeyer (Hgg.): Moritz der Gelehrte. Ein Renaissancefürst in Europa, sowie die Aufsätze in: Menk (Hg.): Landgraf Moritz der Gelehrte. Ein Kalvinist zwischen Politik und Wissenschaft. 121 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 178, dort auch (mit Anm. 88) zu einem Brief Lucas Majus d. Ä. an Johann Jacob Grynaeus in Basel vom 20. März 1586 darüber, dass der Unterricht auf Grundlage »einer Confessione a D[omi]no Melanchthone multo accuratius et maiori perspicuitate quam priore fuit scripta« erfolgt sei (Kursivierung und Auflösung der Abkürzung wie in der Vorlage); Ritter: Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 181 mit Anm. 141 vermutet, dass diese Confessio das von Christoph Pezel verfasste Nassauische

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und in den profanen Wissenschaften, vor allem den Sprachen, durch Tobias Homberg122. Ganz im Geiste seines eigenen Vaters, Philipp des Großmütigen, ermahnte Wilhelm IV. in seinem Testament von 1586 seinen Sohn Moritz und dessen Räte, streng darauf zu achten, nur solche Geistlichen zu bestellen, »die aller Christlichen friedtligkeit, nicht zu zanck undt vnnötigen Spitzfindigkeit geneigt seindt« und dass sie »darneben dis Jhr fürnehmste sorge sein laßen, das in Kirchen undt Schulen der religion halber keine trennung noch etwas neüwes eingeführet, sondern die Lehr des H. Evangelij […], auch der Auspurgischen confession rein undt lauter getrieben, undt alle Diejenige so schwärmereyen undt Curiosas quaestiones zu moviren undt frembten verstand einzuführen, undt dadurch unitatem ecclesiarum zu turbiren sich vntterstehen würden, bey zeiten abschaffen«.123 Bei solchen allgemeinen Bemerkungen, die »vnitatem ecclesiarum Hassiacarum«124 zu wahren, ließ es Wilhelm IV. nicht bewenden. Im Hinblick darauf, dass weiterhin »ein schädtlicher spalt im Articul des hochwürdigen Nachtmahls« bestehe,125 gibt er seinem Sohn Moritz dieselbe Empfehlung, die er im Testament seines Vater erhielt, er möge in diejenigen, die sich zur Wittenberger Konkordie, »zur Concordia Buceri bekennen, auch sonsten friedfertig seyn, undt keine turbas moviren, weitter nicht dringen, noch Jhnen Jhre conscientias curiose inquiriren noch andern solches zuthun gestatten«.126 Wilhelm IV. äußert sich auch zum »streit von der allenthalbenheit des Leibes Christi«. Über das »dogma ubiquitatis« seien selbst die Theologen uneins, »Dahero wier dan umb solches gefahrlichen streits willen, daran so vihl absurda consequentia hengen, […] bewogen werden vns der Subscription des concordien buchs zu verwegern, so wollen wier hiermit vnseren Sohn Landgr. Moritzen und vnsere nachkommende aus vätterlicher sorgfeltigkeit […] vermahnet haben, das sie sich vor diesem streidt undt irrigem labyrinth hüten, und darinnen nicht einlaßen, auch ebenmaßige versehunge bey allen Kirchen undt schulen dieser lande mit fleiß thuen […]«.127 Die Ausführlichkeit, mit der Wilhelm IV. diese Fragen in seinem Testament behandelt, zeigt, welches Konfliktpotenzial er auf dem Gebiet der Religion erkannte.

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Bekenntnis der Dillenburger Synode von 1578 gewesen ist (BSRK II, S. 720–739 (Nr. 36)). Menk: Absolutistisches Wollen, S. 173–176 zu den frühen akademischen Erfolgen Moritz’ sowie seinen vielfältigen gelehrten Interessen und Kontakten. Menk: Absolutistisches Wollen, S. 173; Landau: Tobias Homberg wird zum Erzieher des Landgrafen Moriz vorgeschlagen (Brief von Rektor, Dekan und Professoren zu Marburg an Landgraf Wilhelm IV. vom 9. August 1577). Testament Landgraf Wilhelms IV. von Hessen-Kassel vom 25. Juni 1586, in: Kopp: Bruchstücke II, S. 114–146, hier S. 124 (§ 14). Kopp: Bruchstücke II, S. 124 (§ 14). Kopp: Bruchstücke II, S. 125 (§ 16). Kopp: Bruchstücke II, S. 125 (§ 17). Kopp: Bruchstücke II, S. 125f. (S. 18).

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Der 1572 geborene Moritz heiratete im Jahr 1593 die fünfzehnjährige Agnes von Solms-Laubach, die er »auf der Hochzeit seiner ältesten Schwester Anna Maria (mit Ludwig von Nassau-Saarbrück[en])« kennengelernt hatte.128 Mit der Heirat in dieses Grafenhaus festigte er überdies seine Beziehungen zu den Mitgliedern des Wetterauer Grafenvereins.129 Moritz’ Nachfolger, der im Februar 1602 geborene Wilhelm V., stammt aus dieser Ehe, die allerdings schon im November 1602 durch den Tod Agnes’ wieder geschieden wurde.130 Schon im Mai 1603 heiratete Moritz erneut, nun bewusst in ein dezidiert calvinistisches Grafenhaus,131 womit er seine politischen Allianzen festigen und seinen konfessionellen Präferenzen für alle sichtbar Ausdruck verleihen konnte. Er nahm die sechzehnjährige Juliane von Nassau-Siegen zu seiner Frau, eine Tochter des bedeutenden Militärtheoretikers Johann VII. (des Mittleren), der ein Neffe Wilhelms von Oranien war.132 Die intelligente und durchsetzungsfähige Frau133 sollte, als es 1627 zum Regierungsverzicht ihres Mannes kam, mit ihren Forderungen zugunsten ihrer Kinder das Gesicht der Landgrafschaft verändern. Die Beziehungen zu Nassau waren es auch, die die Einführung der »Zweiten Reformation« in Hessen-Kassel begünstigten. An der 1595 von Landgraf Moritz gegründeten Hofschule, die ab 1599 unter dem Namen Collegium Mauritianum 128 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 315. 129 Margret Lemberg: Frauen um Landgraf Moritz, S. 176 weist darauf hin: »Doch die Ehe sollte – nach der Vorstellung des letzten noch lebenden Sohnes Philipps des Großmütigen, des Landgrafen Ludwig von Marburg –, noch einen anderen Zweck haben: Agnes’ religiöse Überzeugung und ihr Einfluß sowie der ihres klugen lutherischen Vaters sollten zur Festigung des Luthertums in Niederhessen beitragen«; ebenso macht Schmidt: Der Wetterauer Grafenverein, S. 535 in seiner Untersuchung des Heiratsverhaltens der gräflichen Linien Solms-Lich und Solms-Laubach für den Anstieg des Fürstenkonubiums in den 60 Jahren nach 1585 »[d]as konsequente Festhalten am Luthertum« verantwortlich. Anders Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, S. 295, der von »der bekannten reformierten Haltung der Grafen« spricht. 130 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 317 mit Anm. 34; Kretzschmar: Wilhelm V., Landgraf von Hessen. 131 Wolf: Zur Einführung des reformierten Bekenntnisses in Nassau-Dillenburg; Georg Schmidt: Die zweite Reformation in den Reichsgrafschaften. Konfessionswechsel aus Glaubensüberzeugung und aus politischem Kalkül?, S. 106–115 über »Graf Johanns VI. [von Nassau-Dillenburg] Weg zum Calvinismus«. Johann VI. von Nassau-Dillenburg war der Vater Johanns VII. von Nassau-Siegen. 132 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 318; Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, S. 295. Zu Julianes Vater : Wolf: Johann der Mittlere von Nassau-Siegen als Heiratspolitiker, zu der Verbindung Moritz’ mit Juliane S. 172f.; Oestreich: Graf Johann VII. Verteidigungsbuch für Nassau-Dillenburg 1595. Der Unterschied der nassauischen von der oranischen Staats- und Wehridee. 133 Über Julianes Gaben, Aufgaben und Einfluss: Lemberg: Frauen um Landgraf Moritz, S. 176–186, zu ihrem eigenen Gebrauch ließ sie sich sogar eine Abschrift des »Ökonomischen Staates« Wilhelms IV. anfertigen (Ebd., S. 182f. mit Abbildung des Titelblattes); siehe auch Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, S. 295.

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eine breiter ausgerichtete vorakademische Lehre anbot und 1618 zum Ritterkollegium oder Collegium Adelphicum (nach seinem Sitz im ehemaligen Brüderkloster der Kasseler Karmeliter) Mauritianum erweitert wurde, wurden auch die Söhne auswärtiger Adliger unterrichtet,134 darunter die nassauischer Grafen. Indem der in der calvinistischen Welt weit vernetzte Johann VI. von NassauDillenburg 1599 damit drohte, seinen Sohn Johann VII. von Nassau-Siegen, Moritz’ Schwiegervater, anzuweisen, die seit 1598 zur Festigung der Beziehungen zu Hessen-Kassel an der Hofschule unterrichteten Enkel aus Kassel abzuziehen, weil sie dort nicht das Abendmahl nach reformierter Sitte, also mit gebrochenem Brot, empfangen könnten, gab er Moritz den Anstoß, über die offizielle Einführung reformierter Gottesdienstgebräuche in seinem Land nachzudenken.135 Die Einführung der reformierten »Verbesserungspunkte« in Hessen-Kassel

Die reformierte Welt erwartete von Moritz ein deutliches Zeichen des Ausdrucks seines Bekenntnisses, das sich unter den Umständen der Zeit nicht mehr verheimlichen ließ. Konnte noch Wilhelm IV. – trotz seiner erkennbaren Präferenz für den reformierten Protestantismus – im Interesse der konfessionellen Einheit Hessens eine nach außen erkennbare klare Festlegung vermeiden, so forderten Moritz’ politische Allianzen eine Entscheidung heraus, wozu er aufgrund seiner 134 Hartwig: Die Hofschule zu Cassel unter Landgraf Moritz dem Gelehrten, zu den verschiedenen Stadien der Einrichtung insbes. S. 7, 15–17, 85. Zu der Aussage, dass neben den 24 Freistellen, die zum einen Teil Söhnen des hessischen Adels, zum anderen Teil den Sängerknaben der Hofkapelle vorbehalten waren, »noch auf eigne Kosten die Söhne von Fürsten, Grafen, Adeligen und anderen vornehmen Leuten Aufnahme finden« konnten, merkt Hartwig an: »Obwohl diese Bestimmung bereits in den const[itutiones]. Maur[itianae]. [dazu S. 17 Anm. 2] sich findet, so scheint sie doch nicht von Anfang in Kraft getreten zu sein; denn erst um das Jahr 1602 erklärte sich Moritz bereit unter gewissen Bedingungen die Hofschule auch Ausländern zu öffnen« (Ebd., S. 18 Anm. 4). Zur Hofschule siehe auch: Heidelbach: Die Ritterakademie und die Universität in Kassel; zur Bildungspolitik Landgraf Moritz’ und ihrem konfessionellen Kontext: Arnd Friedrich: Die Bildungspolitik Landgraf Moritz des Gelehrten zwischen Melanchthonianismus und Ramismus. 135 Dazu ausführlich quellenbasiert: Wolf: Zur Einführung der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz, S. 82–87; siehe auch Menk: Absolutistisches Wollen, S. 176–178. Die nassauischen Grafensöhne weilten also bereits seit 1598 zur Ausbildung am Kasseler Hof, womit Gräf: Die Kasseler Hofschule als Schnittstelle zwischen Gelehrtenrepublik und internationalem Calvinismus, S. 28 zu ergänzen ist, der die Namen der adligen Schüler nennt: »Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts studierten Adolf und Wilhelm, Söhne des Grafen Johann VII. von Nassau-Siegen, am Mauritianum, ebenso deren Bruder, der später als niederländischer Gouverneur von Brasilien Berühmtheit erlangende Johann Moritz von Nassau, der zwischen 1616 und 1619 als Hofschüler in Kassel immatrikuliert war«. Zu Johann VI. siehe: Menk: »Qui trop embrasse, peu estreind.« Politik und Persönlichkeit Graf Johanns VI. von Nassau-Dillenburg 1580–1606.

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eigenen religiösen Prägung, seiner intellektuellen Haltung und seines Austauschs mit der reformierten Gelehrtenwelt auch selbst geneigt war. Ein Vorspiel fand in der von den hessischen Zentren weit abgelegenen Niedergrafschaft Katzenelnbogen statt. Der dort seit 1598 wirkende hessen-kasselsche Superintendent Christian Zindel drängte in Bezug auf die Einführung eines reformierten Kirchenwesens sehr vorwärts,136 wobei er sich offensichtlich an dem von Christoph Pezel formulierten »Nassauischen Bekenntnis« der Dillenburger Synode von 1578 orientierte,137 was unterstrichen wird durch die offenbar von Landgraf Moritz erbetene Entsendung des an der Hohen Schule Herborn lehrenden, auch praktisch versierten reformierten Kirchenverfassungsrechtlers Wilhelm Zepper138 durch Johann VI. von Nassau-Dillenburg im Jahr 1600, um gemeinsam mit Zindel die kirchlichen Verhältnisse vor Ort im Hinblick auf eine reformierte Umgestaltung zu begutachten.139 Zindel feierte das Abendmahl seit

136 Menk: Die Konfessionspolitik des Landgrafen Moritz, S. 105 mit Anm. 33; Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 178–208, zu den Reformmaßnahmen gehörte auch schon die auf Betreiben Zindels durch eine Provinzialsynode (wahrscheinlich 1602) vorgenommene Einführung der reformierten Zählung des Dekalogs, also die vom lutherischen Katechismus abweichende, bibelgemäße Separierung des Bilderverbots als zweites Gebot (Ebd., S. 196f.); zu den Ereignissen auch, allerdings in einigen Punkten abweichend von Ritter, dessen über Bestände des Staatsarchivs Marburg hinaus quellengesättigter Darstellung hier hauptsächlich gefolgt wird, Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 21–32: »Die Tätigkeit des Superintendenten Christian Zindel in der Niedergrafschaft Katzenellenbogen und dessen eigenmächtige Durchführung der Verbesserungspunkte in den Jahren 1598–1604«. 137 Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 181–191; das »Nassauische Bekenntnis« in: BSRK II, S. 720–739 (Nr. 36). 138 Zu ihm: Weerda: Wilhelm Zepper und die Anfänge reformierter Kirchenrechtswissenschaft in Deutschland, S. 269 zu seinen Lebensstationen. 139 Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 191–194; Menk: Absolutistisches Wollen, S. 179; Menk: Die Konfessionspolitik des Landgrafen Moritz, S. 105 mit Anm. 32 zum »Kreditiv Johanns VI. für die Zeppersche Reise nach Rheinfels« vom 18. Juni 1600 sowie S. 107f. zum weiteren Zusammenwirken Zeppers und Graf Johanns VI. von Nassau-Dillenburg in Fragen reformierter Konfessionspolitik. Ausgangspunkt für die forcierten Reformmaßnahmen in der Niedergrafschaft war das Protokoll der zweiten Visitation (zur ersten Visitation 1598 siehe Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 178f., 182–184) die Zindel in seinem Amtsbezirk durchführte, vom 12. Februar 1600: »M[agistri] Zundelii relation, was er in kirchensachen seiner inspection verrichtet«, in: EKO Bd. 9, S. 57–65 (Nr. 4a) (siehe hierzu auch die Inhaltsübersicht bei Ritter: Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 185–191); Resolution Landgraf Moritz’ vom 20. Mai 1600 zum Visitationsbericht, in: EKO Bd. 9, S. 66–68 (4b). Landgraf Moritz, Zindel und der Oberamtmann Krug sorgten in dem von Altgläubigen in den angrenzenden Hochstiften Mainz und Trier umgebenen Gebiet persönlich für eine – in dem Visitationsbericht aus dem Jahr 1600 von Zindel angeregte und von Moritz gebilligte, seit 1603 forciert, allen voran in der Stiftskirche St. Goar, betriebene – calvinistischer Anschauung entsprechende Purifikation der Kirchen, indem sie, wo dies ohne Tumult möglich war, Heiligenbilder und -statuen entfernen und Fresken weiß übermalen ließen, um Resten

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Ostermontag, dem 25. April 1603 mit gebrochenen Hostien.140 Wahrscheinlich schon am Sonntag Laetare, dem 3. April des Jahres 1603, reichte er den Kommunikanten in Gegenwart und offensichtlich mit Billigung des Landgrafen sogar gebrochenes Brot.141 Als Zindel dies am Ostermorgen (8. April) 1604 wiederholte, aber in der Nachmittagspredigt durch den St. Goarer Schulmeister und Pfarrer Johann Greiff, der Zindels reformierte Haltung nicht teilte, widerlegt wurde, wodurch das Volk in Aufruhr geriet, sah sich Landgraf Moritz zum Handeln genötigt. Am 22. Juni 1604 wurden beide, Zindel wegen Eingriffs in das ius episcopale des Fürsten durch eigenmächtige Änderung der Kirchengebräuche und Greiff wegen Absonderung von der Gemeinde, ihrer Ämter enthoben.142 Da das Brotbrechen aber nun einmal eingeführt sei, so der Landgraf, sollte es beibehalten werden; die Praxis sowohl lutherischer wie auch calvinischer Kirchen in diesem Punkt sei uneinheitlich, so dass, anders als Greiff behauptet habe, »die fractio panis keine gewisse nota des calvinismi« sein könne.143 Moritz entsandte darauf den Kasseler Superintendenten Gregor Schönfeld zur Untersuchung und Vermittlung; zu seiner Mission traf er am Sonntag, 23. September 1604 in St. Goar ein, wo auch eine Provinzialsynode zusammentrat. Am folgenden Tag setzte Schönfeld den Superintendenten Zindel und den Pfarrer Greiff wieder in ihre Ämter ein, letzteren, dem man nahegelegt hatte, aus Altersgründen um seine Dimission nachzusuchen, verabschiedete er aber

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alter Riten endgültig die Grundlage zu entziehen (Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 200–202). Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 197f. So Zindel in einer schriftlichen Rechtfertigungserklärung gegenüber dem Oberamtmann der Niedergrafschaft Katzenelnbogen, Otto Wilhelm von Berlepsch, vom 14. Februar 1604, zitiert bei Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 205 mit Anm. 187. Das dabei nicht genannte Jahr des Landgrafenbesuchs kann im Gesamtkontext nur 1603 sein. Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 206. Etwas anders erklärt Heppe: Verbesserungspunkte, S. 7 die Geschehnisse um Zindel: »Auf eigne Hand hatte nemlich derselbe seinem Diöcesanklerus die Einführung des Brotbrechens bei dem Abendmale anbefohlen. Der Befehl des Superintendenten erregte jedoch den entschiedensten Widerspruch der Geistlichkeit. Sämmtliche Pfarrer der Diöcese klagten bei dem Landgrafen, daß der Superintendent in ungehöriger Weise die kirchliche Sitte antaste, und Moritz konnte nicht umhin, den Superintendenten wegen seines eigenmächtigen Verfahrens mit Suspension zu bestrafen«. Aus der Instruktion Landgraf Moritz (für seinen abgesandten Rat Johann von Bodenhausen?), Kassel, 22. Juni 1604, zitiert nach: Ritter: Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 206f., der zitierte Ausschnitt auf S. 207 mit Anm. 190, die Instruktion liegt demnach heute im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Archivstelle Boppard, im Bestand Stiftsarchiv St. Goar A 4 sowie A 6, S. 327–333. Zu den Ereignissen und zur Person Zindels siehe auch: Heldmann: Die hessische Diözese der Niedergrafschaft Katzenellenbogen, ihre Superintendenten und Inspektoren, S. 134f., die dortige Formulierung auf S. 135 legt nahe, dass die Instruktion für Bodenhausen bestimmt war.

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sogleich in den Ruhestand.144 So kehrte mit diesen konfessionellen Vorzeichen unter Zindels weiterer Leitung in der ganzen Diözese vorerst Ruhe ein. An Ruhe in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen dürfte Moritz auch deswegen gelegen gewesen sein, um seinen Onkel, den im Sterben liegenden kinderlosen Lutheraner, Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg, den letzten noch lebenden Sohn Landgraf Philipps des Großmütigen, sowie seinen gleichnamigen Vetter, Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt, nicht zu alarmieren und damit die zu erwartende Erbschaft aus dem Territorium Ludwigs IV. nicht zu gefährden. Am 9. Oktober 1604 trat der von den potentiellen Erben lang erwartete Todesfall Ludwigs IV. von Hessen-Marburg ein. Sein Testament vom 25. April 1595 setzte Moritz von Hessen-Kassel und den 1596 verstorbenen Bruder Ludwigs IV., Georg I. von Hessen-Darmstadt, bzw. deren Nachkommen »zu gleichen Theilen« als Universalerben »Vnserer Landt vnd Leuth, vnd aller anderer Vnserer Verlaßenschafft, liegend vnd fharend, beweglich vnd vnbeweglich« ein, »derogestald das Jhre beide LL. [= Liebden] solches Alles freundtlich vnd eintrechtig mit einander theilen vnd sich darein vergleichen, vnd was einem Jeden in solcher Theilung vnd Vergleichung zukommen wurdt, vor sich haben vnd behalten sollen«.145 Eine Bedingung stellte Ludwig IV. von Hessen-Marburg jedoch, er wolle seinen Erben »hiermit bey Verlust deßjenigen, so ihnen hierein verordenet, vnd sie von Vns zu erben haben, vfferlegt vnd anbeuohlen haben, das sie Vnsere gehorsame Vnderthanen bey Vnserer wahren Religion, dero in Gottes Wortt, den prophetischen vnd apostolischen Schrifften gegrundten vnd in Anno 1530 weiland Keißer Carln durch Vnsern gottseligen Hern Vatter vnd andere Reichsständ zu Augspurg vbergebenen Confession vnd deroselben Apologi, so biß anhero bey Vns gehalten wordenn, vnd noch, vnd dan Vnsere Superintendenten, Pfarher vnd Prediger, so zu Zeitt vnsers Absterben sein werden, in ihrem Beruff vnd Lehr, pleiben, vnd daruon nicht abweißen oder vertringen 144 Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 208 mit Anm. 194; siehe auch Menk: Die Konfessionspolitik des Landgrafen Moritz, S. 108f. 145 »1595. Marburg, am 25. April. Testament Ludwig’s des Aelteren Landgraf von HessenMarburg«, in: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 72–83 (Beilage VII), hier S. 75f.: »Wan aber gedachter Vnser Vetter, Landtgraue Moritz, oder Vnser Bruder Landtgraue Georg vor oder nach Vns nach dem Willen des Almechtigen mitt Todt abgehen wurden, ist Vnser Will vnd Meinung, daß deßelben Abgestorbenen eheliche Manleibs Erben, welche er alßdan verlaßen wurdt, den Jhme hierdurch vermachten halben Theil an Landt vndt Leuthen vnd allem andern haben sollen«. Das Testament wurde durch ein Kodizill vom 30. Dezember 1601 (in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, unter VII., den »Documenta zu der vorigen Deduction causae principalis […] gehörig«, S. 8–11 (Dokument B)) bestätigt und zugunsten der zweiten Gattin Ludwigs IV., Maria von Mansfeld, ergänzt; zu ihr siehe Gräf: Von ungleichen Paaren und gierigen Erben – Maria von Mansfeld (1567-vor 1635), die letzte Landgräfin von Hessen-Marburg, und ihre Erben. Zum Testament Ludwigs IV. und dessen Konsequenzen siehe auch: Rudersdorf: Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg, S. 251–269 (»Das ambivalente Erbe Landgraf Ludwigs IV.: Hessen-Darmstadt als der neue Kontinuitätsträger des Marburger Luthertums«.

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laßen« .146 Außerdem sollten seine Erben dafür sorgen, dass, »weil die Schulen Seminaria Ecclesiae seind, […] Vnser Universitet alhier zu Marpurg, wie auch die Particular-Schulen hin vnd widder in Städten […] mit solchen Professoren vnd Praeceptorn, die vorberurter Augspurgischen Confession verwandt vnd zugethan, vnd keiner wieddrigen oder irrigen Lehr zugethan, besteldt werden«.147

An die Stelle des namentlich genannten Erben Georg I. von Hessen-Darmstadt war nach seinem Tod dessen Sohn Ludwig V. von Hessen-Darmstadt148 getreten. Dieser wollte das Testament aber nur bedingt akzeptieren,149 indem er auf die Testamentseröffnung, laut Protokoll, nach Beratung mit seinen Räten erklärte: »Sie köndten das Testament weder schelten noch loben/ liessen es auff seinem Werth vnnd Vnwerth ersitzen/ vnnd weil es den Kayserlichen Rechten nicht gemeß/ auch der Erbverbrüderung vnnd Erbeinigung mit Sachsen/ Brandenburg vnd Hessen/ deßgleichen dem Altvätterlichen Testament/ mit etzlichen Puncten zu wider/ köndten sie darein nicht willigen/ sondern bethen die Sach zum Außtrag kommen zu lassen«.150

Landgraf Moritz hingegen nahm das Testament vorbehaltlos an.151 Da Ludwig V. aber darauf bestand, trat das im Testament Philipps des Großmütigen zum Austrag von Streitigkeiten zwischen den landgräflichen Linien vorgesehene und im Brüdervergleich der Söhne Philipps anerkannte Schiedsgericht (Austrägalgericht) zusammen.152 Vor diesem beanspruchte Ludwig V. für sich und seine beiden Brüder – Philipp, den einzigen Vertreter der 1609 für ihn eingerichteten, 146 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 76. 147 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 77. Zum Testament Ludwigs IV. und dessen Konsequenzen siehe auch: Rudersdorf: Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg, S. 251– 269 (»Das ambivalente Erbe Landgraf Ludwigs IV.: Hessen-Darmstadt als der neue Kontinuitätsträger des Marburger Luthertums«). 148 Zu ihm: Walbrach: Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt. Ein biographischer Abriß; Pons: Kaisertreu und lutherisch. Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt und das politische Vermächtnis seines Schwiegervaters des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. 149 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 125 nennt dies: »ein unter verschiedenen Formeln verdeckter Widerspruch«. 150 »Copia Protocolli, Wie es bey vnd nach Publicirung Weylandt Landgraff Ludwigs deß Eltern Testaments Casselischen Theils gehalten/ vnnd hernach den Niedergesetzten außträglichen Richtern vberreicht worden«, über die Testamentseröffnung am Mittwoch, 24. Oktober 1604 und die Erklärungen der beiden regierenden Landgrafen am folgenden 25. Oktober, in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, unter VII., den »Documenta zu der vorigen Deduction causae principalis […] gehörig«, S. 42–48 (Dokument O), hier S. 46. 151 Ebd., S. 46, 47. 152 Die entsprechende Passage im Testament Philipps des Großmütigen vom 6. April 1562, in: Schmincke: Monimenta Hassiaca, S. 606 (»§ XXI. Wegen der austräge bey vorfallenden zwistigkeiten.«); im »Brüder-Vergleich oder »Erb-Einigung« der Söhne Philipps vom 28. Mai 1568, in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 796. Zur Anrufung und Zusammensetzung des Austrägalgerichts in dieser Sache siehe Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 125–127.

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nach seinem kinderlosen Tod wieder an Darmstadt zurückgefallenen Nebenlinie Hessen-Butzbach,153 und Friedrich, den Begründer der 1622 eingerichteten Darmstädter Nebenlinie Hessen-Homburg154 – drei Viertel des oberhessischen Erbes Ludwigs IV. von Hessen-Marburg, also eine Teilung nicht nach fürstlichen Linien (Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt), sondern nach Köpfen.155 Ludwig V. konnte sich mit seinem Begehren allerdings nicht durchsetzen, sondern das Austrägalgericht nahm eine Teilung des ehemaligen Territoriums Ludwigs IV., wie in dessen Testament bestimmt, zu zwei für beide Linien gleichen Hälften vor, die deren bisherigem Gebiet jeweils am nächsten lagen.156 Was Ludwig V. und Moritz darüber hinaus begehrten, sei ihnen im Wege des ordentlichen Rechts zu suchen unbenommen.157 Ebenso wie Moritz nahm Ludwig V., wenn auch unter Protest gegen das Teilungsurteil, den ihm zugewiesenen Erbteil in Besitz und ließ sich dort huldigen.158 Die Universität Marburg war ausdrücklich ausge153 Zu Philipp von Hessen-Butzbach: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 239f. 154 Zu Friedrich von Hessen-Homburg: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 240f. 155 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 128 (zum Erbrecht nach Stämmen/Linien oder Köpfen siehe S. 123f.) 156 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 132f. Die Immissionsdekrete vom 14. November 1604 für beide Linien in ihr jeweiliges Erbteil finden sich in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, unter VII., den »Documenta zu der vorigen Deduction causae principalis […] gehörig«, S. 55 (Dokument T, für Landgraf Moritz von Hessen-Kassel), S. 56 (Dokument V, für Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt sowie seine Brüder Philipp und Friedrich). Das endgültige Teilungsurteil mit Auflistung der Einkünfte und Mannschaften eines jeden der jeweils neunzehn an die beiden Linien gefallenen Ämter (tabellarisch) in Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 245–247 (Beilage IX, »Theilungs-Anschlag, weiland Landgraf Ludwig des Aelteren hinterlassener Land und Leute, so Landgraf Moriz zu Hessen vor dem in Kraft des Erbvertrags des hessischen Fürstenhauses niedergesetzten Gericht übergeben, und in des hochfürstlichen Hauses Hessen-Darmstadt beharrliche Contumaciam am 29. Januar 1605 für bekannt angenommen und darauf in puncto divisionis des Oberfürstenthums Hessen und zugehörigen Grafund Herrschaften definitive gesprochen worden.«); der Text des Urteils findet sich unter dem tendenziösen Titel »Copia Der angemasten außträglichen Richter Außspruchs in judicio divisorio« in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, unter VII., den »Documenta zu der vorigen Deduction causae principalis […] gehörig«, S. 57 (Dokument Y). Das Protokoll der Verhandlungen vor dem Austrägalgericht vom 2. November 1604 bis zum 23. Februar 1605 findet sich in den »Acta […]«, unter IX., den »Documenta zu der vorigen Deduction Nullitatum […] gehörig.«, S. 11–117 (Dokument H). 157 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 130 mit Anm. 71. 158 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 133. Vorher versuchte Landgraf Moritz das Austrägalgericht dazu zu bewegen, aufgrund der mangelnden Annahme des Testaments Ludwigs IV. durch dessen Darmstädter Neffen, ihn in die ganze Erbschaft einzuweisen (»Copia der Cassellischen Rähte am 9. Tag Novembris, Anno 1604 vor den Niedergesetzten außträglichen Richtern gehaltenen Receß«, in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, unter VII., den »Documenta zu der vorigen Deduction causae principalis […] gehörig«, S. 50f. (Dokument Q); ausführlicher wiederholt durch die Kasseler Räte am 12. November 1604, in: Ebd., S. 52–55).

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nommen von einem Anstandsrezess, den die hessischen Landgrafen von Kassel und Darmstadt – letzterer auch im Namen seiner beiden Brüder – am 14. Januar 1604, also weit vor dem Tod Ludwigs IV. von Hessen-Marburg, geschlossen hatten, in dem sie sich gegenseitig zusicherten, im Falle des Todes Ludwigs IV. mit der Einnahme seines Landes bis nach dessen Begräbnis und der Eröffnung seines Testaments zu warten. Die Universität Marburg, die im Testament Philipps des Großmütigen der gemeinsamen Verwaltung Hessen-Kassels und Hessen-Marburgs unterstellt wurde,159 sollte unmittelbar mit Eintritt des Todes Ludwigs IV. also nur noch einen Herrn haben, Moritz, »gleichwohl mit der ausgedruckten Reservation, daß vns Landgraf Ludwigen [V. von HessenDarmstadt] vnd vnsern freundlichen lieben Brudern/ hierdurch an vnserm Rechten/ was wir dessen zu […] der Universität befugt seynd/ nichts derogirt/ benommen/ noch praejudicirt seyn soll […]«.160 Trotz der Proteste Ludwigs V. von Hessen-Darmstadt war damit schon die Vorentscheidung getroffen, welcher Linie die Universität und die Stadt Marburg zufallen sollten.161 Ludwig V. suchte nun einen Anlass, um gegen den ungeliebten Schiedsspruch vorgehen zu können. Diesen lieferte ihm das Streben Landgraf Moritz’ nach konfessioneller Einheitlichkeit seines Landes. In Kassel muss es erstmals 1600 oder 1601 eine Abendmahlsfeier nach reformiertem Ritus gegeben haben,162 ob solche Feiern in den Jahren bis 1605 regelmäßig stattfanden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, eine Bemerkung, die der St. Goarer Superintendent Zindel am Sonntag Laetare 1603 von Landgraf Moritz nach dem Genuss des Abendmahles mit gebrochenem Brot aufgeschnappt haben will, lässt dies aber vermuten.163 Vom 14. bis 16. Februar 1605 versuchte Moritz erstmals die Bevölkerung einer Stadt, hier die Kassels, von der 159 Bestimmung in § VI des Testaments Philipps, in: Schmincke: Monimenta Hassiaca, S. 589. 160 »Anstandts-Recess zwischen Herrn Moritzen, Caßelischer, und Herrn Ludwig dem Jüngern, vor sich und im Namen seiner Gebrüdere, Herrn Friedrich, Darmstädtischer Linie, allerseits Landgraffen zu Hessen, wegen Landgraff Ludwigs, des Aeltern zu Hessen Marpurg, hinterlassener Lande, und was deme mehr anhängig«, in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 810f. (Nr. XIV), hier S. 811 linke Spalte. Zu dem Anstandsrezess siehe: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 54f. mit Anm. 61 auf S. 55. 161 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 131f. mit Anm. 73 auf S. 132. Landgraf Moriz war (nach Rommel: Ebd., S. 131 Anm. 72) sogar bereit, Ludwig V. »die Mitverwaltung der Universität zuzugestehen, wenn er etwas von der strengen lutherischen Lehre abweichen wolle«, was natürlich nicht geschah. 162 Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 27 Anm. 1 (Jahr 1600), S. 80 (Jahr 1601). 163 »Ego non abhorreo a panis fractione. Minister noster in urbe Casseliensi Neapolitana eam introduxit nemine contradicente« (zitiert nach Ritter : Konfession und Politik am hessischen Mittelrhein, S. 204 mit Anm. 187). Pfarrer in der Gemeinde Kassel-Neustadt war von 1598–1607 der spätere kurzzeitige (1622–23) Superintendent des Bezirks Rotenburg Johannes Kalckhoff (zu ihm: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 164); Hofprediger von 1592–1607 und seit 1600 zugleich Superintendent des Bezirks Kassel war Gregor Schönfeld (Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 316f.).

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biblischen Gebotenheit des Abendmahls mit gebrochenem Brot in Verhören intellektuell zu überzeugen. Die ungewöhnliche Methode ist nicht nur Ausdruck von Moritz’ grenzenlosem Vertrauen in die Überzeugungskraft der »Vernunft« auch in Religionsfragen, noch dazu beim »gemeinen Mann«, sondern durch sein zum Teil eigenes Engagement vor Ort auch des »persönlichen Regiments«164 dieses Landesfürsten. Die Vernehmungsprotokolle »der Haushaltungsvorstände und männlichen Einzelpersonen in Kassel« sind erhalten;165 sie mussten »vor dem Bürgermeister erscheinen und mußten durch Unterschrift ihre Meinung abgeben, ob sie mit der beabsichtigten Änderung der Zeremonien bei der Abendmahlsfeier einverstanden seien, oder angeben, aus welchen Gründen sie Widerspruch erhöben«.166 Eine einordnend quantitative Auswertung der Protokolle hat Karl Wolf vorgenommen. Letztlich konnten die Zweifler scheinbar überzeugt und eine große Zustimmung zum Vorhaben Moritz’ durch das ergebene Vertrauen in die Entscheidungskompetenz des Landesherrn bei den teilweise lese- und schreibunkundigen Befragten fingiert werden.167 Zu Pfingsten 1605, am 19. Mai, wurde erstmals in der Hofkirche durch die Pfarrer Johann Strack und Lucas Majus offiziell prunkvoll das Abendmahl nach reformierten Ritus gefeiert.168 Allerdings »[e]rst im Jahr 1607, da man die Hostien auff der Freiheit den 2. Aug[usti] und in der Brüderkirchen den 9. hinausgeschafft, nachdem nach eingeführtem Brodbrechen die Hostien zwey Jahr blieben waren, konnte man in der Residenzstadt von einem auch äußerlich abgeschlossenen Prozeß reden«.169 Im Juni 1605 ergriff Moritz die Initiative, seine Reform in der Universitätsstadt Marburg einzuführen. Hier erschien sie ihm, ob der Multiplikatorfunktion der Universität für die künftigen Pfarrer seines Landes, besonders wichtig, ihm musste aber auch klar sein, dass die Einführung seiner Religionsreform im durch das Testament Ludwigs IV von Hessen-Marburg an das Luthertum gebundenen Oberhessen besonders gefährlich war. Am 10. Juli ließ Moritz den Theologieprofessoren Johannes Winckelmann und Balthasar Mentzer d. Ä. sowie dem Superintendenten Heinrich Leuchter und dem Kaplan Conrad 164 Oestreich: Das persönliche Regiment der deutschen Fürsten am Beginn der Neuzeit (darin hauptsächlich zur Herausbildung der Geheimratsgremien). 165 Sie befinden sich heute in StAM 22 a 8, Nr. 176 (Kassel); siehe dazu auch den einordnenden Bericht (Abschrift?) zur Übersendung der Protokolle, signiert, Kassel, im Februar 1605 (das nicht ganz klar lesbare Tagesdatum könnte eine »14« sein), die unmittelbar unter der Datierung stehende Unterschrift (?) lese ich »Wengen«, in StAM 22 a 1, Nr. 258. 166 Wolf: Zur Einführung der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz, S. 92. 167 Wolf: Zur Einführung der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz, S. 93f. 168 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 185; Wolf: Zur Einführung der Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz, S. 93; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 80. 169 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 185 (die Kursivierung des dort nachgewiesenen Zitats folgt dieser Vorlage).

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Dietrich170 gegen den Rat seiner Kasseler Theologen und Räte – die ihm empfahlen, zuerst eine Einigung mit Ludwig V. von Hessen-Darmstadt über das oberhessische Erbe Ludwigs IV. von Hessen-Marburg abzuwarten171 – drei mit der dissimulierenden Bezeichnung »Verbesserungspunkte« versehene Artikel vorlegen, auf die er ihre Erklärung erwartete172 : »1) Daß die gefährlichen und unerbaulichen Disputationes und Streit von der Person Christi eingezogen, und von der Allenthalbenheit Christi und was derselben anhängig in concreto, als: ›Christus ist allenhalben‹, und nicht in abstracto ›die Menschheit Christi ist allenthalben‹, gelehrt, 2) Das [sic!] die zehn Gebote Gottes, wie sie der Herr selbst geredet, mit seinen eignen Fingern auf die steinernen Tafeln und von Mose in der Bibel geschrieben, gelehrt und gelernt, und die noch vom Papsttum an etlichen Orten überbliebenen Bilder abgethan, 3) Daß in der Administration und Gebrauch des heiligen Abendmals das gesegnete Brot nach der Einsetzung des Herrn soll gebrochen werden«.173

Bei seinem Reformvorhaben174 berief sich Moritz auf das Testament seines Vaters Wilhelm IV., der ihm die Befolgung der Confessio Augustana und der Wittenberger Konkordie nahegelegt hatte, mit denen er die »Verbesserungs170 Alle Genannten sind kurz porträtiert bei Heppe: Kirchengeschichte II, S. 9–11; ausführlicher zu Winckelmann, Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 409f.; zu Mentzer, Ebd., S. 227f.; zu Leuchter, Hütteroth: Kurhessische Pfarrergeschichte II, S. 10f., mit Ergänzung in Ders.: Die althessischen Pfarrer, S. 206; zu Dietrich, Hütteroth: Kurhessische Pfarrergeschichte II, S. 64f., mit Ergänzung in Ders.: Die althessischen Pfarrer, S. 58 (beim Sterbedatum liegt eine Verwechslung mit dem weiter unten genannten lutherischen Pfarrer zu Treysa, Johann Dietherich, vor). Winckelmann wirkte seit 1582 als Hofprediger unter Moritz’ Vater Wilhelm IV., der ihn sehr geschätzt haben muss, und wurde 1592 als Nachfolger Ägidius Hunnius’ zum Professor in Marburg berufen, womit die Stelle als »Ekklesiast«, Inhaber der zweiten Pfarrstelle (Hütteroth: Kurhessische Pfarrergeschichte II, S. 37), verbunden war. 171 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 14; Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 44f. 172 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 16. 173 Zitiert nach Heppe: Verbesserungspunkte, S. 15 (hier mit leichter Veränderung der Zeichensetzung wiedergegeben); »Historischer Bericht/ Der […] Marpurgischen Kirchen Händel«, S. 3f.; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 8 Anm. 1 vermerkt als Quelle seiner Anführung der Verbesserungspunkte: »Der Erlaß befindet sich im Marburger Staatsarchiv unter dem Datum vom 21. Juni 1605 innerhalb der noch nicht neu geordneten Marburger Kirchenakten«, Hofsommer nennt damit also einen früheren Termin als die Vorlage an die Marburger Theologen. Mitunter findet sich die Aufspaltung des zweiten Verbesserungspunkts in zwei Teile: die Ergänzung des Dekalogs und das Bilderverbot, sodass von vier Verbesserungspunkten gesprochen wird, so vor allem in Akten mit Bezug auf Eschwege und Schmalkalden (Hofsommer: Ebd.). 174 Übersichtliche Darstellungen mit der Präsentation umfangreichen Quellenmaterials haben hierzu – als Dokumentation einer Ausstellung – auch vorgelegt: Langschied / Unglaube: Von gebrochenem Brot und zerbrochenen Bildern. Die Zweite Reformation in Hessen-Kassel 1605; Unglaube: Die drei Verbesserungspunkte von 1605. Theorie und Praxis der Zweiten Reformation in Hessen-Kassel.

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punkte« in Übereinstimmung sah,175 sowie auf die Abschiede der hessischen Generalsynoden von 1577 und 1578.176 Auf letzterer wurde den Theologen ans Herz gelegt, sie mögen bei der bisherigen Eintracht »bestendiglich verharren« und sich »alles unnötigen ergerlichen und unerbaulichen disputirens und zankens enthalten, auch insonderheit obangeregten handels de ubiquitate und die dorunter angezogene ungewonliche definitiones und phrases, als nemblich daß die menscheit Christi [o]der menschliche natur in Christo almechtig und allenthalben sei und was dergleichen mehr sein möge, […] uf einen ort setzen, derselbigen nit gebrauchen und von dem hohen geheimbnis der personlichen vereinigung der beiden naturen und deren eigenschaften im Herrn Christo anders nicht dan in concreto und mit solchen reden, damit man die person und nicht die naturen zu nennen pflegt, […] in kirchen und schulen lehren, reden, schreiben und lesen«.177

Am 11. Juli 1605 erklärten die Theologen auf die Vorlage des Landgrafen, immer gemäß der lutherischen Bekenntnisschriften einschließlich der Katechismem Luthers (mit der unbiblischen Zählung der zehn Gebote durch Auslassung des zweiten, des Bilderverbots) gelehrt zu haben, auf die Synodalabschiede seien sie aber – außer Winckelmann, mit dabei ausdrücklich erklärten Reserven178 – in ihren Bestallungsreversen nicht verpflichtet worden und die Einführung des Brotbrechens könne nur als Türöffner für die Lehre Calvins dienen.179 Nachdem die Kirchendiener schriftlich und mündlich, auch in Gegenwart des Landgrafen, erklärten, ihr Gewissen verbiete ihnen die Annahme der Verbesserungspunkte, sich auf die Konkordienformel beriefen und sich nicht klar von der Lehre von der »allenthalbenheit des fleisches Christi«180 distanzierten,181 sprach der Landgraf am 22. Juli auf dem Marburger Schloss in Gegenwart seines Marburger Kanzlers und der Räte, der Universität und des Stadtrats die Entlassung seiner ungehorsamen Diener aus, gestattete ihnen aber, sofern sie sich ruhig verhielten, den weiteren Aufenthalt in seinem Land.182 Angesichts der Dienstentlassung der Theologen und Seelsorger verbreiteten sich unter der Marburger Bevölkerung über die nun bevorstehende Änderung der Kirchengebräuche schnell die wildesten Gerüchte.183 175 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 10. 176 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 15f., 17. 177 Abschied der neunten Generalsynode zu Marpurg 1578, in: EKO Bd. 8, S. 379–382, hier S. 379f. 178 Vilmar : Confessionsstand, S. 170f. 179 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 16. 180 Abschied der neunten Generalsynode zu Marpurg 1578, in: EKO Bd. 8, S. 379–382, hier S. 379. 181 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 11, 16, 18. 182 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 20; Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 51f. 183 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 28; »Historischer Bericht/ Der […] Marpurgischen Kirchen Händel«, S. 19.

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Einleitung

Um einen Theologen in der Stadt zu haben, der seine Reform vermitteln konnte, holte Moritz den Kasseler Superintendenten Gregor Schönfeld zunächst vorübergehend und »kurz vor [dem] 22. VI. 1606«184 dauerhaft als ersten Theologieprofessor, Prediger (Ekklesiast) an der Stadtkirche und ab 1611 Mitglied des Konsistoriums nach Marburg.185 Ebenfalls nach Marburg gerufen hatte Moritz den Metropolitan von Ziegenhain, Valentin Schoner, den er als Nachfolger Heinrich Leuchters zum Superintendenten des Bezirks ernannte.186 Außerdem besetzte Moritz die beiden vakanten Professuren an der theologischen Fakultät zunächst mit dem bisherigen Friedberger Pfarrer Johannes Molther, der insbesondere Hebräisch lehrte, und dem Gudensberger Pfarrer Caspar Sturm, der zugleich neuer Ephorus der Stipendiatenanstalt wurde.187 Allerdings war damit das Schlimmste noch nicht überstanden, denn der Unmut in der Bevöl-

184 Gundlach (Bearb.): Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, S. 14f. (Nr. 26: Gregorius Schönfeld d. Ä. 1606–1618). 185 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 17; zu Schönfeld: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 316f.; Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 13, S. 171–183, hier S. 173– 175. 186 Zu ihm: Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 13, S. 189–193 (dort heißt es auf S. 189: »Im J[ahr]. 1576 kam er als erster Prediger und Metropolitan nach Ziegenhain […].«); offiziell als Superintendent des Bezirks Marburg eingeführt wurde Schoner am 22. September 1605 (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 41). Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 49 bezeichnet Schoner, anstatt als Metropolitan, als »Superintendent von Ziegenhain« (ebenso Heppe: Verbesserungspunkte, S. 19; bei Hütteroth: Kurhessische Pfarrergeschichte II, S. 11 ist er : »Pfr. in Ziegenhain 1576–1605; Stellvertretender Sup[erintendent]. (Dekanus) der Graffschaft Ziegenhain 1582–1605«), allerdings gab es zu dieser Zeit keine eigene Diözese Ziegenhain; daher wird auch die bei Hofsommer auf S. 51 in Anm. 2 gemachte Aussage über die Teilung der Diözese anlässlich ihrer angeblichen Zusammenlegung mit Marburg fraglich, bei der die Klasse Rotenburg, die bisher zur Superintendentur Ziegenhain gehört hätte, der Inspektion des in Eschwege sitzenden Superintendenten Georg Reinmann (dessen Diözese eigentlich nach Rotenburg benannt war) unterstellt worden sein soll. Erst um 1610 wurde im zu Hessen-Kassel gehörenden Teil der Grafschaft Ziegenhain eine Einteilung der Pfarrer in Klassen vorgenommen (Treysa, Ziegenhain, Neukirchen), vorher waren offenbar alle Pfarrer der Grafschaft unter dem Metropolitan von Ziegenhain vereinigt, weshalb Schoner, auch wenn er dem Superintendenten in Kassel unterstand, natürlich eine besondere Rolle zukam. Dies wird aus dem um 1610 entstandenen »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden« (StAM 22 a 8, Nr. 153 [Kassel]) deutlich, an dessen Ende es, nach der Darstellung wie die Pfarrer der Grafschaft Ziegenhain in Klassen abgeteilt wurden, heißt: »Was ein jeder für filial zu seiner pfarr habe, und von wem die pfarren in der Grafschafft Ziegenhain zu lehen gehen, deßwegen ist mir kein bericht zugestellt worden, Dominus Schonerus wirt deßwegen bericht geben können«. 187 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 21f.; Gundlach (Bearb.): Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, S. 12 (Nr. 21: Johannes Molther d. Ä.), S. 14 (Nr. 24: Caspar Sturm); »Historischer Bericht/ Der […] Marpurgischen Kirchen Händel«, S. 15f., 18.

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kerung wuchs, worüber Moritz die Vernehmung der Zunftmeister188 und eine Eingabe der Bürgerschaft189 belehrte. Zur Erklärung der beabsichtigten Religionsverbesserung hielt Gregor Schönfeld am Montag, dem 5. August eine Predigt »über den 3. Verbeßerungspunkt, den Gebrauch des Brotbrechens betreffend«, während Valentin Schoner am folgenden Tag »über die Lehre von der Person Christi und über den Decalog zu predigen« gedachte.190 Die Ereignisse in der Marburger Pfarrkirche an diesem Dienstag, dem 6. August 1605, wurden zum Wendepunkt für die Einführung der »Zweiten Reformation« in der Stadt und zum Fanal für den anschließenden literarischen Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform.191 Hauptquelle für die Geschehnisse ist eine von reformierter Seite anonym verfasste Schrift unter dem Titel »Historischer Bericht der neulichen Monats Augusti zugetragenen Marpurgischen Kirchen Händel«.192 Die Ereignisse bei der Ein188 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 22–24; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 54f. (Protokoll der ausweichenden Erklärung der Marburger Zunftmeister vom 23. Juli 1605). 189 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 24–27; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 55f. (Supplik der Bürgerschaft vom 28. Juli 1605 und Erwiderung Moritz’). Schon vorher fanden Verhöre von Bürgermeister, Rat und Viererausschuss (Verscharen: Gesellschaft und Verfassung der Stadt Marburg, S. 4: »[…] im Verlaufe der Stadtunruhen am Ende des 14. Jahrhunderts erstmals als direkte Vertretung von Zünften und Gemeinde eingerichteten und seit 1428 dauerhaft bestehenden Ratsausschuß der Vierer […]«) statt, die aber ebenso große Reserven erkennen ließen, insbesondere im Hinblick auf das Brotbrechen und das Bilderverbot, worüber seine Marburger Räte Moritz am 16. Juli 1605 Bericht erstatteten (Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 50f. mit Anm. 1 auf S. 51). 190 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 26. 191 Die Schriften sind in 99 Nummern, zwischen 1605 und 1647 erschienen, aufgelistet und mit einer Erläuterung versehen in Vilmar: Confessionsstand, S. 306–335 (Beilage V). 192 »Historischer Bericht/ Der Newlichen Monats Augusti zugetragenen Marpurgischen Kirchen Händel«, die Seiten dieser Schrift sind als Faksimile abgedruckt in Kunst / Glockzin (Hgg.): Kirche zwischen Schloß und Markt, S. 59–69. Die Verfasserschaft wird dem Kasseler Superintendenten Gregor Schönfeld zugeschrieben (Vilmar : Confessionsstand, S. 305f.; Ders.: Kleine Notizen zur Geschichte der Verbesserungspunkte, S. 170 in der Anm. zu einem abgedruckten Brief Schönfelds an Lucas Majus d. J. in Kassel vom 14. August 1605; dem schließt sich Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 61 Anm. 1, Punkt 1 an, indem er darauf hinweist, die in einem Brief Schönfelds über die Ereignisse an seine Frau vom 6. August 1605 »vorkommenden Redensarten decken sich im Wortlaut oft so frappant mit dem des ›Historischen Berichts‹«, jener Brief endet mit den Worten: »Am Tage meines Leidens mit zitternden Händen geschrieben, nachdem ich ein wenig geruhet und mich erquickt. Meiner lieben Hausfrauen Elisabeth Schönfelds zu Cassel.« [abgedruckt in Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 13, S. 173–177 in der Anm., das Zitat S. 177; das Original befindet sich im ersten Band der Sammlung des Hessen-Rotenburgischen Kanzleidirektors Johann Christoph Kalckhoff »Collectaneen Series Superintendentium Cassellanorum« in der Kasseler Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek mit der Signatur »2o Ms. Hass. 86 [1«]; Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 422, in Anm. 188 mit dem Hinweis, dass schon die »Nohtwenige Erzehlung Der Motiuen vnd Vrsachen/ […] Deßgleichen ein kurtze vnnd begründete Antwort auff den Historischen Bericht von den Marpurgischen Kirchenhändeln«, S. 68 [Titel ergänzt nach Vilmar : Con-

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führung der »Verbesserungspunkte« in Marburg zeigen exemplarisch die mit diesem Vorhaben insgesamt verbundenen Schwierigkeiten. Dass mit Zwangsmaßnahmen der Religionsreform in den Herzen der Bevölkerung trotz deren äußerlicher Fügung noch kein Eingang verschafft war, sondern der Widerstand gegen die aufgedrungenen Vorstellungen des Landgrafen anhielt, blieb Moritz zu seinem Leidwesen nicht verborgen.193 Die Superintendenten der Landgrafschaft Hessen-Kassel fühlten sich allerdings ziemlich allein gelassen, da man ihnen zum Teil vorwarf, die Reform fuße auf ihrem eigenen Gutdünken, ohne die Billigung des Landgrafen zu haben. Daher baten sie denselben, endlich ein Mandat ausgehen zu lassen, das ihnen bei Widerständen auch Amtshilfe durch den weltlichen Arm gewährte. Dieses offizielle Mandat zur Einführung der Verbesserungspunkte erging im Dezember 1605.194 Die anhaltenden und für Moritz offenbar unerwarteten Schwierigkeiten bei der Einführung der landesherrlichen Religionsreform, die Widerstände die ihr von Seiten der Bevölkerung, der Pfarrer und vor allem der Adligen entgegengesetzt wurden, die die Inhaber ihrer Patronatsstellen von der Annahme der Reform abhielten, veranlassten Moritz zur Ausschreibung von Provinzialsynoden auf den 17. Februar 1607 an den Sitzen aller vier Superintendenturen seines Landes – Kassel, Eschwege, Marburg und St. Goar –,195 deren Ergebnisse in die Generalsynode zu Kassel im April 1607 mündeten, auf der, unter persönlicher Beteiligung des Landgrafen, intensive Gespräche mit renitenten fessionsstand, S. 308 Nr. 10] der »vier entlassenen lutherischen Theologen« diese Vermutung äußere; die Ansicht Vilmars teilt auch mit Menk: Landgraf Moritz und die Rolle Marburgs bei der Einführung der »Verbesserungspunkte«, S. 52 mit Anm. 26 auf S. 56; 1993 hat derselbe [Menk: Absolutistisches Wollen, S. 187 Anm. 127] noch geschrieben: »Die bei A. Vilmar, Kleine Notizen […] vorgenommene Verfasserzuordnung auf Gregor Schönfeld ist nicht überzeugend.«). 193 Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 71. Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 422–429 analysiert die Marburger Auseinandersetzungen auch als einen Konflikt um die Teilhabe am Kirchenregiment zwischen Zünften und Bürgergemeinde auf der einen, Rat und Schöffenkollegium, und durch sie mittelbar dem Landgrafen, auf der anderen Seite. 194 EKO Bd. 9, S. 69f. (Mandat zur Einführung der Verbesserungspunkte vom 23. Dezember 1605; in Editionen dieses Stückes anhand anderer Vorlagen finden sich Datierungen, die um einige Tage von der hier gegebenen abweichen; Kleinschmid, in HLO II, S. 553 überschreibt das bei ihm ebenfalls vom 23. Dezember datierende Mandat mit den erklärenden Worten: »Das Patent, welches Herr Landgraf Moritz den 27ten Decembr. 1605 unterschrieben, sodann untersiegelen und affigiren lassen«); zum Kontext der Dezember-Tagung der Superintendenten, übrigen geistlichen Räte und der Landvögte, Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 94–98 (S. 98 zur den Superintendenten unterstellten Eigenmächtigkeit); Heppe: Verbesserungspunkte, S. 41–47. 195 Mandat an die Superintendenten vom 17. Januar 1607 zur Einberufung der Provinzialsynoden, in: EKO Bd. 9, S. 71f.; zu den Provinzialsynoden siehe Heppe: Verbesserungspunkte, S. 54–64; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 165–187.

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Pfarrern geführt und weitere Maßnahmen zur Einheit der Kirche beschlossen wurden, die der Reform zum Durchbruch verhelfen sollten.196 Auf den Provinzialsynoden in Gegenwart jeweils zweier weltlicher Räte wie auf der Generalsynode ging es zum einen um gottesdienstliche Fragen, um die Einheit der Lehre und Zeremonien, worüber der Landgraf von den Provinzialsynoden »außführlichen bericht« der Superintendenten erwartete, zum andern trug er ihnen auf: »Ir sollet auch alle pfarrherrn in der persohn unaußbleiblich bey endtsetzung ihrer pfarren zu erscheinen erfordern unndt auch fürtters berichten, wer erschienen oder nicht, damit hierauff auch die gebühr angeordnet werden könne«.197 Neben der ausdrücklichen Ablehnung der »Verbesserungspunkte« galt auch das Nichterscheinen auf der Provinzialsynode als Beleg für die Verweigerungshaltung der Pfarrer. Die »Rekusanten«, von denen es in jeder Diözese einige gab, waren aber in der Minderheit, besonders zahlreich allerdings an der Werra, in der Diözese Eschwege, wo von 146 zugehörigen Pfarrern 29 die »Verbesserungspunkte« bisher nicht in ihren Gemeinden eingeführt hatten.198 Moritz beschloss daher zwölf der rekusierenden Pfarrer der Werraregion vor die Schranken der Kasseler Generalsynode zu laden,199 auf der sich ab dem 17. April 196 Abschied der Kasseler Generalsynode vom 20. April 1607, in: EKO Bd. 9, S. 73–85 (7a); Ergebnisse waren unter anderem das »Bekenntnis der Kasseler Generalsynode«, in: EKO Bd. 9, S. 86–90 sowie der »Katechismus der Kasseler Generalsynode«, in: EKO Bd. 9, S. 91– 98; zur Kasseler Generalsynode von 1607 ausführlich Heppe: Verbesserungspunkte, S. 64– 95; auch Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 188–196. 197 Mandat an die Superintendenten zur Einberufung der Provinzialsynoden, in: EKO Bd. 9, S. 72. Die landgräfliche Proposition, die das Arbeitsprogramm und die Rechtfertigung für die Einberufung der Provinzialsynoden, hier speziell für die Kasseler, enthielt, findet sich abschriftlich in: StAM 22 a 8, Nr. 23. 198 »Synodal Abscheydt zu Eschwege anno Christi: 1607 den 25. Febr. von den zehen gebothen, Brodtbrechen am H. Abentmal undt andern Ceremonien.«, in: Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 243–253, der nach Klassen eingeteilte »Catalogus Pastorum« (S. 249–253) listet nach Spalten getrennt sowohl diejenigen auf, die den Abschied unterschrieben (»subscribunt«) als auch diejenigen, die ihn zurückgewiesen haben (»recusant«) und zieht auf S. 253 die Summe, wobei zu den 29 Rekusanten unter den insgeamt 146 Pfarrern auch diejenigen, terminologisch Hervorgehobenen, gezählt werden, die noch zweifeln (»dubitarunt«; Pfarrer der Klasse Schmalkalden, von denen viele, entschuldigt oder unentschuldigt, gar nicht erschienen waren) sowie zwei noch Schwankende (»fluctuar[unt]«; Georg Vitus, Pfarrer zu Hersfeld, und der Amtsgeschäften halber entschuldigte Hersfelder Diakon Abraham Raid) ; abweichend von den Angaben im Synodalbuch gibt Hofsommer: Verbesserungspunte, S. 178 einen Anteil von 26 Rekusanten unter insgesamt 143 Pfarrern an; zur Eschweger Provinzialsynode auch: Heppe: Verbesserungspunkte, S. 58–61. Immer noch erhebliche Widerstände lässt auch die Zahl erkennen, die Valentin Schoner, der Marburger Superintendent, Landgraf Moritz meldete, allein im hessen-kasselschen Teil Oberhessens, dem früheren Herrschaftsgebiet Ludwigs IV. von Hessen-Marburg, verweigerten von insgesamt 77 Pfarrern 20 die Annahme der »Verbesserungspunkte«, was einem Anteil von über einem Viertel entspricht (Menk: Absolutistisches Wollen, S. 202). 199 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 81; Heppe: Verbesserungspunkte, S. 190.

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1607 neben den Superintendenten der Hofprediger Kalckhoff und einige herausragende Metropolitane sowie weltliche Räte, darunter die Landvögte an der Lahn und Werra sowie der Oberamtmann zu Rheinfels, versammelten.200 Aus dem Protokoll, das der damalige Pfarrer an der Neustädter Kirche zu Eschwege und spätere Superintendent des Bezirks Rotenburg, Hermann Fabronius, auf der Kasseler Generalsynode wie auch schon auf allen vorangegangenen Provinzialsynoden, außer der zu Marburg, »mit großer Genauigkeit führte«,201 wissen wir, was unter den neun erschienenen Reformgegnern des Werraraums202 der schon hochbetagte Jestädter Pfarrer Bartholomäus Schellenberger, der sich im Gegensatz zu seinem Sohn Christoph, dem Pfarrer zu Netra, vom Landgrafen überzeugen ließ, von dem Eindruck, den dieser auf ihn machte, bekannte: »Videbar mihi Deum audire loquentem per os principis« – Es schien mir, als hörte ich Gott durch den Mund des Fürsten sprechen.203 Die intensiven Bemühungen zeigten aber nicht bei allen Wirkung, vier der Vorgeladenen blieben standhaft bei ihrer Ablehnung.204 Weiterhin in Opposition gegen die Religionsreform des Landgrafen Moritz standen weite Teile des Adels sowie der Landkomtur des Deutschen Ordens in Marburg205. In Eschwege, Hersfeld und Schmalkalden musste Moritz auch noch 200 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 65f. 201 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 65, 81 (Zitat); die Protokolle befinden sich heute in der Murhardschen Bibliothek in Kassel, siehe Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 425 Anm. 204. 202 Die Zahl: Heppe: Verbesserungspunkte, S. 194; Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 575. 203 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 89f. Wenig später allerdings ließ Bartholomäus Schellenberger den Landgrafen wissen, dass seine Gemeinde zu Jestädt das Brotbrechen nicht annehmen wolle und ihn des Abfalls von seiner vorigen Lehre anklage (Heppe: Ebd., S. 98f.). Auch andere Pfarrer – deren Pfarrorte im »Gericht«, dem adligen Hoheitsgebiet, derer von Boyneburg lagen und deren Gemeinden von den Adligen gegen die Reform aufgestachelt wurden – schickten Klageschriften an den Landvogt an der Werra, welche Behandlung ihnen aufgrund der Annahme der Verbesserungspunkte und ihrer Bemühungen diese in ihren Gemeinden einzuführen widerfahre (Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 160–165 über die Pfarrer zu Röhrda [Klageschriften vom 25. April und 2. Juni 1606] und Wichmannshausen [Klageschrift vom 2. Juni 1606]). 204 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 91–95; Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 575: durch die Bemühungen Moritz’ und Gregor Schönfelds seien von den neun Verhörten »fünf derselben zu den Verbesserungs-Puncten bekehrt« worden. 205 In der Marburger Elisabethkirche als Ordenskirche konnte erst im November 1606 mit dem Theologieprofessor Johannes Molther ein der Religionsreform des Landgrafen wohlgesonnener Pfarrer eingesetzt werden (Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 124), bis dahin war die Kirche Zufluchtsort für alle Marburger, die das Abendmahl weiter nach lutherischem Ritus empfangen wollten. Der Orden konnte zwar einige bewegliche Bildwerke in Sicherheit bringen, an den steinernen und hölzernen Zeugnissen christlichen Glaubens in der Kirche kam es aber Ende 1618/Anfang 1619 zu einem Bildersturm, bei dem die Kunstwerke bewusst liturgisch entstellt, das heißt vor allem die Gesichter zerkratzt oder Köpfe abgehauen, Arme und Hände abgeschlagen und unter den Altarreliefs insbesondere

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erhebliche Widerstände unter der Bevölkerung überwinden, denen er in Eschwege206 und Hersfeld207 mit Verhören der Bürgerschaft, in Schmalkalden sogar mit Militär208 begegnete.

Priesterfiguren mutiliert wurden, wie Forschungen anhand der ehemaligen Lettnerfiguren und der Altarretabel Ludwig Juppes und Johann van der Leytens zeigen: Müller : Bildzerstörung als Bildüberschreibung. Die Revision einer These: zu den narrativen und theologischen Eingriffen in die Altarretabel der Marburger Elisabethkirche im calvinistischen Bildersturm von 1618/19; Ders.: Von der Kunst des calvinistischen Bildersturms. Das Werk des Bildhauers Ludwig Juppe in der Marburger Elisabethkirche als bisher unerkanntes Objekt calvinistischer Bildzerstörung; reserviert gegenüber Müllers These, die Zerstörungen an den Flügelaltären der Elisabethkirche seien Folge calvinistischer Bilderstürmerei, zeigt sich Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 188–197 (»Bildersturm aus Rache« dafür, dass sowohl Moritz dem Jüngeren 1608/09 als auch Hermann [später : von Hessen-Rotenburg] 1614, als nachgeborenen Söhnen des Landgrafen Moritz, die Stelle als Koadjutor der Ballei Hessen des Deutschen Ordens verweigert wurde [Ebd., S. 191f.]), hier S. 192f. in Anm. 83, S. 192 mit Anm. 81 zum unsicheren Datum des Bildersturms. Zum ambivalenten Verhältnis Landgraf Moritz’ zu bildender Kunst: Kümmel: Der Ikonoklast als Kunstliebhaber, dort S. 34–38 zur Elisabethkirche. Zu den Auswirkungen der »ersten« und »zweiten« Reformation auf die konfessionelle und personelle Struktur der Deutschordensballei Hessen: Demel: Von der katholischen zur trikonfessionellen Ordensprovinz. 206 Konzise zur Einführung der Verbesserungspunkte in Eschwege, wo Bürgermeister, Rat und Gemeinde vereint gegen die der Reform freundlich gesonnenen Pfarrer um den Eschweger Superintendenten Reinmann (zugleich Pfarrer an der Altstädter Kirche und Metropolitan der Klasse Eschwege) standen, Arnold: Die mauritianische Reform in Eschwege. Landesherrliche Konfessionspolitik und bürgerschaftlicher Widerstand. Die Protokolle der Vernehmung vom 15.–19. Dezember 1608, die sich im Staatsarchiv Marburg befinden, sind ediert in: Eckhardt (Hg.): Eschweger Vernehmungsprotokolle von 1608 zur Reformatio des Landgrafen Moritz. Aufschlussreich sind auch die Beiträge einer »Gedenkstunde« zum Gesamtthema »Landgraf Moritz und Eschwege«: Otto Perst: 1. Lebensgang und Persönlichkeit des Landgrafen; Theodor Griewank: 2. Die kirchlichen Verbesserungspunkte in theologischer Sicht; Kurt Holzapfel: 3. Der Kampf um die Verbesserungspunkte in Eschwege. 207 Hierzu vor allem Menk: Hersfelder Widerstände gegen die Einführung der »Zweiten Reformation« durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, mit teilweiser Auswertung und Würdigung der ebenfalls im Staatsarchiv Marburg erhaltenen Protokolle der Vermehung der Hersfelder Einwohnerschaft über ihre Stellung zur landesherrlichen Religionsreform, die am 29. Dezember 1608 begannen; zur Beseitung der seit der »ersten« Reformation noch übrigen Bildwerke in der Hersfelder Stiftskirche im Dezember 1608 Kümmel: Der Ikonoklast als Kunstliebhaber, S. 46–52. Zu einer eindeutigen konfessionellen Positionierung des geistlichen und weltlichen Führungspersonals in Hersfeld kam es erst im März und April 1609, als auch Absetzungen weiterhin unfügsamer Kirchen- und Schuldiener vorgenommen wurden (Menk: Ebd., S. 42f.); zu Hersfeld auch: Heppe: Verbesserungspunkte, S. 155– 170; Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 143f., 153f., 177. Schon seit dem 15. Jahrhundert hatte Hessen die Schutzherrschaft über das Stift Hersfeld inne, ganz unter hessischer Kontrolle war Hersfeld aber erst seit 1606, als Landgraf Moritz seinen erstgeborenen Sohn Otto als Administrator des Stifts installieren konnte, nach dessen Unfall-Selbstmord im Jahr 1617 (dazu Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 332f.) folgte ihm als Administrator der nachgeborene Sohn aus Moritz’ erster Ehe, der als Wilhelm V. 1627 auch den Landgrafenthron übernahm; ausführlich zu den hessischen Rechten am Stift Hersfeld: Led-

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Die »Ritterschaft«, der Adel, insbesondere an der Werra, wo die Familie derer von Boyneburg besonders hervortrat,209 aber auch in den übrigen Gebieten Hessen-Kassels wehrte sich gegen die Eingriffe des Landgrafen Moritz in ihre Patronatsrechte, indem er ihre Pfarrer absetzte und bei ausbleibender Präsentation eines geeignet erscheinenden Kandidaten eigenmächtig neue, den »Verbesserungspunkten« wohlgesonnene Pfarrer in ihren Patronatspfarreien einsetzte,210 was er mit seinem übergeordneten »ius episcopale« rechtfertigte.211 Mit seinem rigiden Vorgehen schuf Moritz eine starke Opposition innerhalb seiner ritterschaftlichen Landstände, die später die erste Gelegenheit nutzen sollten, um die ihnen aufgedrungenen, zumeist ungeliebten, calvinistischen Pfarrer loszuwerden.

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derhose: Iurium Hassiae Principum In Abbatiam Hersfeldensem Ante Pacis Guestfalicae Tabulas Brevis Assertio; kurz auch Menk: Hersfelder Widerstände, S. 40. Speziell hierzu: Rohnert: Die Mauritianische Kirchenreform in der Herrschaft Schmalkalden; ausführlich auch Heppe: Verbesserungspunkte, S. 113–154; der Höhepunkt der Versuche Landgraf Moritz’ seiner Reform beim Volk Eingang zu verschaffen lag Ende 1608 und 1609 (Heppe: Ebd., S. 124–150 [»§. 3. Die gewaltsame Reformation des Kirchenwesens in Schmalkalden«]), noch 1613 musste er allerdings feststellen, dass das kirchliche und damit verbundene schulische Leben aufgrund dessen, dass sich Volk und Rat weiter verdeckt gegen die Reform sperrten, in einem sehr desolaten Zustand war (Heppe: Ebd., S. 153f.). Über den Bildersturm zu Schmalkalden, der unter militärischer Bedeckung am 9. Dezember 1608 begann, und den teilweisen Schutz der Werke durch Moritz’ zweite Gemahlin Juliane gibt Auskunft: Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 181–188; detailreich zum Umgang mit den Bildern an und in den städtischen Sakralbauten und der Hofkirche: Kümmel: Der Ikonoklast als Kunstliebhaber, S. 38–46; siehe auch Heppe: Verbesserungspunkte, S. 137–139. Nach dem Tod Georg Ernsts, des letzten Grafen von Henneberg, am 27. Dezember 1583, war die Herrschaft Schmalkalden an Hessen-Kassel gefallen, hierzu im Detail Knetsch: Die Erwerbung der Herrschaft Schmalkalden durch Hessen, S. 23 zum Tod Graf Georg Ernsts. Diehl: Adelsherrschaft im Werraraum. Das Gericht Boyneburg im Prozess der Grundlegung frühmoderner Staatlichkeit, S. 293–320 (v. a. S. 305–309). Moritz verhielt sich im Hinblick auf die Absetzung von Pfarrern zunächst sehr zögerlich, wurde aber durch den beharrlichen Widerstand schließlich dazu gezwungen, wollte er seiner Autorität nicht ganz verlustig gehen. Hofsommer : Verbesserungspunkte, S. 112–120 zu den Patronatspfarrern der Adelsfamilie Schenck zu Schweinsberg in Oberhessen und anderen, die am 11. April 1606 abgesetzt wurden. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Ritterschaft ließ Moritz vom 19. bis 22. Juni 1608 im Werraraum zu Jestädt, Reichensachsen, Oetmannshausen, Bischhausen, Netra, Herleshausen, Renda und Ermschwerd durch zwei Kommissare »die bisherigen Pfarrer für abgesetzt« erklären »und sofort andere« installieren, »überall unter passivem Widerstand der Edelleute, welche vor Notar und Zeugen gegen das Verfahren feierlichst protestirten«, ebenso abgesetzt wurden die Pfarrer zu Ingsterode, Völkershausen und Wipperode, deren Pfarreien »den benachbarten Pfarrern als Filiale übergeben« wurden (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 99–107, die Zitate S. 106f.). »Es ist kaum möglich, eine zur Einführung der Verbeßerungspunkte gehörige Urkunde des Landgrafen zu finden, worin derselbe nicht in nachdrücklichster Weise sein ›wol begründetes jus episcopale‹ in diesen oder ähnlichen Ausdrücken hervorhebt« (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 4 Anm. *).

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Es fragt sich, was Landgraf Moritz bewog, all diese Konsequenzen auf sich zu nehmen. Herbert Kemler hat die Vermutung geäußert, Moritz habe »mit seinen Verbesserungspunkten und der rigiden Art, wie er sie durchgesetzt hat, auf die seit den 1580er Jahren in Gang gekommene Rekatholisierung in nächster Nachbarschaft reagiert« und verweist – indem er hervorhebt, wie gefestigt die römische Kirche aus dem Trienter Konzil hervorgegangen ist – auf die zumeist mit der Tätigkeit von Jesuiten verbundenen Rekatholisierungen im Stift Fulda, im Bistum Würzburg, in Fritzlar, auf dem Eichsfeld sowie im Bistum Paderborn.212 Die Ansicht, nach calvinistischer Manier von altkirchlichen Resten gereinigte Liturgie und Kirchenräume sowie die für biblisch geboten gehaltene Feier des Abendmahls mit gebrochenem Brot machten sein Land immun gegen andringende gegenreformatorische Bestrebungen, mag eine Rolle bei Moritz’ Entscheidung zur Einführung der »Verbesserungspunkte« gespielt haben,213 dass sie der ausschlaggebende Grund war, ist schwer vorstellbar,214 zumal der 212 Kemler : Verbesserungspunkte für Hessen-Cassel. Was bewog Landgraf Moritz den Gelehrten zur Einführung des calvinistischen Gottesdienstes, das Zitat S. 56; eine interessante Beobachtung teilt Kemler auf S. 76 mit: »Auch für seine Reisen zu den Zentren der Ablehung – Marburg und Eschwege beispielsweise – konnten die katholischen Landesherren wie Abt Balthasar von Dernbach und Erzbischof Daniel Brendel schon als Vorbild dienen, die ebenfalls in Hammelburg oder im Eichsfeld eine lange Zeit verbracht hatten, um ihre Anordnungen überwachen zu können«; zu Dernbach siehe: Walther: Abt Balthasars Mission. Siehe hierzu auch: Heppe: Die Restauration des Katholizismus in Fulda, auf dem Eichsfelde und in Würzburg, sowie Gräf: Interterritoriale Politik und Konfessionalisierung. Die Hessen-Kasseler Reaktionen auf die Rekatholisierung in den benachbarten geistlichen Territorien. 213 In Allendorf verhörte Landgraf Moritz am Sonntag Jubilate, 26. April 1607, den greisen Pfarrer Adam Liberius von Ermschwerd und legte dabei dar: »Unser Streben geht vielmehr dahin, daß wir uns von den Papisten, welche de intermissa fractione so viel gloriiren, möglichst weit absondern« (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 96). Immer wieder führt auch Hofsommer : Verbesserungspunkte den Schutz gegen Rekatholisierungsbestrebungen als Motivation für Moritz’ Vorgehen an, z. B. auf S. 47 in Anm. 1: »Er sah in der Spannung der beiden evangelischen Konfessionen mit Recht eine Förderung der unterwühlenden Restitutionsarbeit des Jesuitenordens, der damals dem Katholizismus schon weite Gebiete, die vorher evangelisch gewesen waren, zurückerobert hatte«; diese konfessionelle Spannung zwischen Niederhessen und dem aus der Erbschaft Ludwigs IV. von Hessen-Marburg erworbenen Teil Oberhessens zu beseitigen, habe Moritz mit seiner Religionsreform intendiert, um »im eignen Lande eine volle Union der Evangelischen, anderen evangelischen Ländern und Ständen zum Vorbild, ins Werk zu setzen«. Unverkennbar ist die Faszination Landgraf Moritz’ gegenüber den innovativen Konzepten der Jesuiten v. a. im Schulbereich (siehe die erwähnten Besuche Moritz’ und seiner Frau Juliane in den Jesuitenkollegien zu Fulda und Paderborn bei Gräf: Interterritoriale Politik und Konfessionalisierung, S. 129). 214 Man wird »kaum einen direkten Kausalzusammenhang im Sinne einer Beziehung von Ursache und Wirkung zwischen der Rekatholisierung in dem einen und der Einführung des Reformiertentums in dem anderen Territorium aufweisen können. Daß es sich dabei aber nicht nur um ein bloß zufälliges Zusammentreffen von Vorgängen handelte, die nichts miteinander zu tun hatten, wird in den Quellen selbst deutlich, etwa in den Schriften Christoph Pezels«, so Harm Klueting, der zuerst auf diesen Zusammenhang hingewiesen

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Übergang zum Reformiertentum in Hessen-Kassel seit langem vorbereitet war.215 Persönliche Glaubensüberzeugung und Überzeung von der Vernünftigkeit seiner Reform, spielten bei dem Wissenschaftler Moritz wohl die Hauptrolle, gepaart mit mangelnder Sensibilität für das religiöse Empfinden seiner Untertanen und Blindheit gegenüber den Konsequenzen seines harten Durchgreifens. Dass die Bevölkerung seines Landes aufgrund der rituellen Nähe des Luthertums zur alten Kirche216 besonders gefährdet wäre, zum römischen Katholizismus abzufallen, konnte in Hessen ernsthaft ebensowenig irgendjemand behaupten wie dass die in den Kirchen noch übriggebliebenen christlichen Kunstwerke, Gemälde, Reliefs und Statuen von den Gläubigen angebetet würden,217 die mit hat, in: Das konfessionelle Zeitalter, S. 222f. sowie v. a. Ders.: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, insbes. S. 306–312 (»4. Motive und Anlässe für den Übergang vom Luthertum zum Reformiertum«). 215 Kemler : Verbesserungspunkte, S. 73 sieht den Zeitpunkt des Beginns der Einführung der »Verbesserungspunkte« »als Reaktion auf die Rückkehr Balthasars [von Dernbach] auf den Fuldaer Abtsthron Mitte Dezember 1602« an, gibt aber den Zeitpunkt zu dem Moritz »mit seinen Verbesserungspunkten an die Öffentlichkeit« trat, nicht ganz nachvollziehbar, mit »im Frühjahr 1603« an. 216 Dies wurde, in Abgrenzung zum Calvinismus, vor allem von den Dresdner Oberhofpredigern Polykarp Leyser d. Ä. und Matthias Ho[ von Ho[negg wiederholt betont, worauf aufmerksam macht, Kaufmann: Dreißigjähriger Krieg, S. 26f., 41–43. 217 So schreibt der Hersfelder Diakon (zweite Pfarrer) Abraham Raid in einer Rechtfertigung vom 25. Juli 1607 an Landgraf Moritz: »Soviel aber die Bilder anlangt, darff man sich nicht besorgen, das in unser Gemein dieselbige jemandt verehre oder anbete, den ab anno 1525, in wilchem mein Vatter H[err] Balthasar Raidt, seeliger Ahnher zum Pfarrer bestettiget, sindt die Zuhörer (wie auch noch) auß Gottes Wort darvon gnugsam unterrichtet, auch alle Bilder und Neben-Altaria auß der Kirchen abgeschafft« (zitiert nach Menk: Hersfelder Widerstände, S. 41, Ergänzung schon in dieser Vorlage, die Textstelle dort kursiv), trotzdem fand man in der Hersfelder Stiftskirche noch genug, was man aus ihr herausschaffen, durch Meißelschläge unkenntlich machen oder übertünchen konnte, wie Kümmel: Der Ikonoklast als Kunstliebhaber, S. 46–52 darstellt. Das Verbot bildlicher Darstellungen als Folge der Ergänzung des Dekalogs reagierte auf Luthers Verkürzung desselben gegenüber dem biblischen Wortlaut in seinem Kleinen Katechismus (BSLK, S. 507f.), in dem er das nach reformiertem Verständnis zweite Gebot (philonische Zählung) »Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!« (2. Mose 20,4–5a) altgläubigem Brauch nach nicht ausdrücklich als eigenes Gebot benannte (augustinische Zählung), aber (so in der Erklärung zum ersten Gebot in Luthers Großem Katechismus, BSLK, S. 564 im Text bei Anm. 10) als vom ersten Gebot mitumfasst verstand (erklärend hierzu: Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 315; zum theologischen Umgang Luthers und der Reformierten mit dem Bild, siehe: von Loewenich: Bild, VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, S. 546–555). Allerdings wurde in Hessen das Bilderverbot schon im Kasseler Katechismus von 1539, der sich am Straßburger Katechismus von 1534 orientierte (siehe: Heppe: Historische Untersuchungen über den Kasseler Katechismus), als zweites Gebot separat aufgeführt (EKO Bd. 8, S. 138) und Philipp der Großmütige hatte schon 1527 verfügt, dass »die abgöttischen Götzen die ahn des Herrn stadt in den Tempel gesatzt sind in allen Pfarrhen, Cappeln, Clöstern, Feldkirchen, Clausen und walfarten ab-

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ihrer ablehnenden Haltung den »Verbesserungspunkten« gegenüber gerade zeigten, wie gefestigt sie in ihrem hergebrachten evangelischen Bekenntnis waren. Die Begriffe »reformiert« bzw. »calvinistisch« sind dabei auf die konfessionellen Verhältnisse in den deutschen Territorien nur sehr eingeschränkt anwendbar. Zwar gibt es Gemeinsamkeiten der deutsch-reformierten Kirchen218 mit dem Calvinismus westeuropäischer Prägung, so vor allem im Abendmahlsverständnis und in der Bilderfrage,219 inwiefern die als typisch calvinistisch angesehene Prädestinationslehre in den deutschsprachigen reformierten Kirchen Eingang fand, wird aber unterschiedlich bewertet,220 für Hessen-Kassel gibt es Hinweise, dass unter den Universitätstheologen und der höheren Geistlichkeit schon vor der Dordrechter Synode 1618/19 dieses reformierte Proprium in seiner gomaristischen Auslegung vertreten wurde.221 Die zumeist aus einem

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geschafft, Also daß der Bildniß nimmermehr zu tage kommen und die Walfarten gentzlich und zumall abgestellet werden« (HLO II, S. 552f., Ausschreiben an die weltlichen Räte vom 18. und an die geistlichen vom 21. Oktober 1527, aus letzterem, S. 553, das Zitat), worauf sich Moritz in seinem Mandat vom 23. Dezember 1605 (EKO Bd. 9, S. 69) bezog. So die Begriffsprägung bei Heppe: Verbesserungspunkte, S. III f. (Vorwort); siehe auch Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 175 mit Anm. 56. Goeters: Genesis, Formen und Hauptthemen des reformierten Bekenntnisses in Deutschland; Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 312–326 (»5. Reformierte Propria«). Mit Ausnahme des aus Kursachsen vertriebenen Bremer Superintendenten Christoph Pezel für die deutschen Territorien, bis etwa 1615, ablehnend: Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 322f., zu Pezel näher S. 196–199 sowie Moltmann: Christoph Pezel, S. 106–111, der von Pezel verfasste »Consensus Bremensis Ecclesiae« von 1595 in: BSRK II, S. 739–799 (Nr. 37), dazu Moltmann: Christoph Pezel, S. 146–163. Heinrich Heppe räumt ein, »daß die Theologie der deutsch-reformirten Kirche im 17. Jahrhundert sich in ihrem Anschluß an die Lehrformen Calvin’s (selbst in der Prädestinationslehre) allerdings fast bis zur völligen Verleugnung des deutsch-evangelischen Typus entstellt hat«, für das 16. Jahrhundert und die Einführung des reformierten Bekenntnisses in der Kurpfalz, in Hessen-Kassel und in Brandenburg hält er begründet an dem eigenen Typus einer melanchthonisch geprägten »deutsch-reformierten Kirche« fest (Heppe: Der Charakter der deutsch-reformirten Kirche, das Zitat S. 705). Dies ist auch der Punkt, an dem sich die Auseinandersetzung Heppes mit August Friedrich Christian Vilmar entzündete, der den unverändert lutherischen Bekenntnisstand der hessen-kasselschen Kirche verfocht, siehe hierzu das klare Porträt zu Person und Ansichten Heppes von Zuck: Heinrich Heppe. A Melanchthonian Liberal, sowie Maurer : Das Bild der Reformationsgeschichte bei August Vilmar und Heinrich Heppe. So Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 63–65 für den Marburger Theologieprofessor Raphael Egli (zu ihm Gundlach: Catalogus Professorum, Nr. 25 (S. 14)) und den Kasseler Hofprediger Paul Stein. Die Gomaristen, benannt nach dem Leidener Professor Franz Gomarus (1563–1641), verfochten die göttliche Erwählung als Ursache des Glaubens und die Unbedingtheit der göttlichen Gnade, während die nach dem Leidener Professor Jakob Arminius (1560–1644) benannten Arminianer stärker die Mitwirkung des Menschen am Gnadengeschehen betonten (Benrath, S. 64). Die lutherische

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melanchthonisch-humanistischen Hintergrund zum Reformiertentum gedrängten Theologen und Landesherren222 mieden in einer Stimmung aufgeheizter interkonfessioneller Polemik die verrufene Bezeichnung »Calvinisten«,223 auch aus reichsrechtlichen Gründen, um den Schutz des Augsburger Religionsfriedens nicht zu verlieren, der neben den altgläubigen Reichsständen nur die der Confessio Augustana verwandten einschloss. So begegnete Landgraf Moritz den Bedenken des Ermschwerder Pfarrers Adam Liberius, wohin seine Religionsreform führe, bei dessen Verhör in Allendorf an der Werra am 26. April 1607 mit der Bemerkung: »Ihr sollt nicht denken, daß wir euch auf Zwingli’s, Calvin’s oder anderer Leute Bücher verpflichten werden«, »Der ist Calvinisch, der sich auf Calvinum taufen läßt, auf Calvini Schriften die Hand legt, was unser keiner gethan hat; der aber ist ein Christ, der auf Christum getauft ist, und sich seines gekreuzigten Christi rühmt«.224 Dass die deutschen reformiert gesonnenen Fürsten von der presbyterial-synodalen Kirchenordnungsform, wie sie die selbstständigen niederländischen und französischen Emigrantengemeinden praktizierten, zugunsten einer »landeskirchlich-obrigkeitliche[n] Gestalt des Reformiertentums«225 abwichen, zeigt auch in Hessen-Kassel die 1610 angeordnete Einführung eines von der Regierungskanzlei getrennten Konsistoriums zur Beratung und Entscheidung der geistlichen Angelegenheiten der gesamten Landgrafschaft;226 ein mit der Regierung verbundenes »Kanzleikonsistorium« in Kassel, zur Ausübung des landesherrlichen ius episcopale, existierte bereits seit 1599.227

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Sichtweise hingegen erklärt den von Gott vorausgesehenen Glauben zur Ursache der Erwählung (Benrath, S. 64 bei der Besprechung von Paul Steins »Friedenspredigt«). Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 189– 199, 306f. So heißt es in der »Confessio Sigismundi« aus dem Jahr 1614 des sich zur »reformierten« Konfession bekennenden brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund, er wolle – wohl im Bewusstsein der schwerwiegenden Auseinandersetzungen, würde er anders handeln – »zu diser Bekenntnuß keinen Underthanen öffentlich oder heimblich wider seinen Willen zwingen, sondern den Curs und Lauff der Warheit Gott allein befehlen«, er gebiete aber, dass diejenigen die die Wahrheit bis jetzt noch nicht erkannt hätten, »deß lesterns, schmehens, diffamirens, wider die orthodoxos et reformatos, die man auß lauterm Haß und Neid für Calvinisch mit vollem Mund außruffen thut, […] sich gäntzlich enthalten« (BSRK II, S. 835–843 (Nr. 42), die Zitate S. 842f.). Zitiert nach Heppe: Verbesserungspunkte, S. 96 und 97. Klueting: Die reformierte Konfessionalisierung als »negative Gegenreformation«, S. 193. EKO Bd. 9, S. 99–121 (Nr. 8); näher dazu in Kapitel I B 3 c. So Heppe: Verbesserungspunkte, S. 5, 174 ohne Anführung von Belegen, auf S. 5 heißt es: »Das in diesem Jahre [1599] zu Kassel errichtete Consistorium, aus den Kanzleiräten, dem Superintendenten und dem geistlichen Ministerium daselbst bestehend und mit der Kanzlei auf das Genauste verbunden, ward nemlich mit der zweiten Prüfung, Anstellung und disciplinarischen Beaufsichtigung aller Pfarrer in der Landgrafschaft Hessen-Kassel beauftragt, und sollte hierdurch ganz im Stillen einen für die Kirchenreform empfänglichen Boden bereiten helfen«.

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Als große Anerkennung seines Reformationswerks muss Landgraf Moritz die Einladung zur Beteiligung von Theologen seines Landes an der niederländischen Nationalsynode in Dordrecht empfunden haben, die von November 1618 bis Mai 1619 tagte, um die Streitigkeiten zwischen »Gomaristen« und »Arminianern«, »Kontraremonstranten« und »Remonstranten« zu schlichten, die im Zusammenhang mit der calvinistischen Prädestinationslehre über den menschlichen Beitrag zur Erwählung durch Gott und zu seinem Gnadenwirken geführt wurden.228 Die Delegation, die Moritz schließlich entsandte, bestand aus dem damaligen Rektor der Universität Marburg, dem Professor für Logik und hebräische Sprache, Georg Cruciger, aus dem Kasseler Hofprediger und Professor der Theologie sowie Dekan am Kasseler Collegium Mauritianum, Paul Stein, weiterhin aus dem Marburger Superintendenten Daniel Angelocrator und als Berater aus dem betagten, aber scharfsinnigen Marburger Philosophieprofessor Rudolf Goclenius d. Ä.229 Den Abgesandten trug Moritz in seiner Instruktion auf, ihren Beitrag zur Versöhnung der aufgebrochenen Differenzen zu leisten und sich dabei mit den kurpfälzischen und anderen ausländischen Theologen abzustimmen. Sie sollten ihm von deren Meinung, »wie auch, was sonst in einem und anderm vorläuft und gehandelt wird, wo vonnöten, vor ihrer Wiederkunft zuschreiben, auch endlich, wann sie wiederkommen, furderliche vnderthänige Relation zuschicken«.230 Als Hauptfolge der Beteiligung hessen-kasselscher Theologen an der Dordrechter Synode231 kann die sichtbare Einbeziehung des Landes in die europaweite Gemeinschaft reformierter Kirchen gelten und somit eine Stärkung des konfessionellen Zugehörigkeitsgefühls.232 Außerdem fand der auf der Dord-

228 Zum allgemeinen Hintergrund: van Dooren: Dordrechter Synode. 229 Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 60–67 zur Zusammensetzung der Delegation und dem theologischen Hintergrund der Ausgewählten, in diesem Aufsatz auch zum Verlauf und zur hessen-kasselschen Beteiligung an der Synode sowie ihren Folgen für die Landgrafschaft; Heppe: Kirchengeschichte II, S. 47–53 (»Die Beschickung der niederländischen Nationalsynode zu Dortrecht durch hessische Deputirte«). 230 Die Instruktion, datiert »Marburg den 1. Octobris 1618«, in: Heppe: Historia synodi nationalis Dordracenae, S. 231–233, das Zitat S. 233 (Schluss), in diesem Aufsatz hat Heppe auch alle Berichte abgedruckt, die die Gesandten an Landgraf Moritz geschickt haben, diese finden sich im Original in StAM 4 i, Nr. 196. 231 Das theologische Ergebnis der Dordrechter Synode ist in den »Dordrechter Canones« niedergelegt, zu finden in: BSRK, S. 843–861 (Nr. 43). Die Verhandlungen lassen sich nachvollziehen anhand der »Acta Synodi Nationalis […] Dordrechti Habitae […]« und der diesen beigegebenen »Judicia Theologorum Provincialium, De Quinque Controversis Remonstrantium Articulis. Synodo Dordrechtanae Exhibita. Anno M DC XIX.«. 232 Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 91; Heppe: Kirchengeschichte II, S. 53; Maurer : Bekenntnisstand, S. 56.

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rechter Synode als orthodoxe Lehrnorm anerkannte Heidelberger Katechismus neben dem hessischen233 nun auch in der Landgrafschaft Eingang.234 Die Integration, die Hessen-Kassel in Dordrecht erfuhr, offenbahrte überdeutlich die Natur des mauritianischen »Verbesserungswerks«: »Es handelte sich um einen Konfessionswechsel, der von weiten Kreisen der Bevölkerung als solcher empfunden wurde und der doch vor der Öffentlichkeit, vor allem in den Augen der argwöhnischen hessen-darmstädtischen Vettern, keiner sein sollte«.235

233 »Katechismus der Kasseler Generalsynode 1607«, in: EKO Bd. 9, S. 91–98 (Nr. 7c); auch in BSRK II, S. 822–833 (Nr. 40) (»Der Hessische Katechismus von 1607«). Als Lehrgrundlage fand der Hessische Katechismus auch Eingang in die Konsistorialordnung von 1610 (EKO Bd. 9, S. 114, Schluss des Abschnitts »Von der Oberinspection des Consistorii und andern gewöhnlichen Visitationibus«), er wurde den Predigern und Schulmeistern in ihren Bestallungsreversen zur verpflichtenden Lehrnorm gemacht, siehe StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch« fol. 180r–183v die Erwähnung in den Punkten 13 und 14 des 23 Punkte umfassenden von dem unterzeichneten Johann Bodenstein offenbar eigenhändig abgeschriebenen Verpflichtungsformulars (»Fürstlicher Hessischer Kirchendiener bestallung«), auf dessen Rückseite (fol. 183v) von der Hand des Superintendenten Paul Stein vermerkt ist »Reverß Johan Bodensteins, Adjuncti des Pfarhers zu Rockensüß, Ambts Sontra. Vom 5 Junii 1633«; für die Schulmeister siehe: StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 184r–187v, Revers (»Fürstliche Heßische Schuldiener bestallung«) des Hofgeismarer Schulmeisters Christoph Fernau vom 23. November 1647 in 17 Punkten, in Punkt 5 wird als Lehrnorm der Hessische Katechismus genannt; siehe dazu: Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 197 mit Anm. 17 und 18. 234 Der Heidelberger Katechismus findet sich in BSRK II, S. 682–719 (Nr. 35); zu seiner Anerkennung auf der Dordrechter Synode, Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 68f.; zu seiner Verwendung in Hessen, Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 199, wo festgestellt wird: »[…] der Heidelberger Catechismus hatte zu sehr den Charakter und Ruf eines ausgesprochen antilutherischen Buches, als daß man nicht hätte bedenklich sein sollen, sich durch die Aufnahme desselben Kaiser und Reich, resp. den Marburgischen Miterben gegenüber zu compromittiren [siehe die abratende »Gutachtliche Aeußerung der theologischen Facultät zu Marburg über die Einführung des Heidelberger Katechismus in Hessen (vom Jahre 1608)«, in: Heppe: Beiträge zur Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens im 17. Jahrhundert, S. 107–111 (Beilage Nr. 6), v. a. S. 108f., Punkte I–III]. Erst nach Anerkennung der reformirten Kirche im Westphälischen Frieden fiel auch dieses Bedenken hinweg. Der bis dahin nicht vorgeschriebene, aber fast allgemein in den Stadtschulen gebrauchte pfälzische Catechismus wurde darum in der Schulordnung von 1656 für die 3 obersten Classen (in den unteren sollte nur der hessische tractirt werden) eingeführt«. In Punkt 12 des – im Vergleich zu dem in der vorhergehenden Anmerkung genannten – veränderten Bestallungsreverses für Prediger in 21 Punkten der Kirchenordnung vom 12. Juli 1657 (HLO II, S. 461–554) wird erwartet, dass der sich Verpflichtende seinen »Pfarr-Kindern, neben dem Heydelbergischen, keinen andern als den Hessischen Catechismum tractiren lassen, sondern denselben mit seinen Rand-Fragen nach Anleitung vorgeschriebener Instruction und Gelegenheit Alten sowol, als der Jugend fleissig einbilden« wolle (HLO II, S. 550–552, das Zitat S. 552 (Hervorhebung im Original), der Revers gehört in den Zusammenhang der Seiten 541–544). 235 Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 59.

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Hessen-Kassel am Abgrund: Der Konflikt mit Hessen-Darmstadt und das Überleben im und nach dem Dreißigjährigen Krieg

Darmstadt verfolgte die Entwicklung sehr genau. Indem er mit der Einführung der »Verbesserungspunkte« in seinem Teil Oberhessens gegen die testamentarische Bindung des ehemaligen Territoriums Ludwigs IV. von Hessen-Marburg an das Luthertum verstieß, lieferte Moritz seinem Vetter Ludwig V. von HessenDarmstadt ein Argument, um gegen ihn wegen Verletzung des Testaments Ludwigs IV. vor dem Reichshofrat Klage auf Aberkennung seines Erbteils und auf Einräumung ganz Oberhessens an die Darmstädter Linie zu erheben. Allerdings, so betont Christoph Rommel, komme der Religionspunkt »in dem Klag-Libell von 1606 nur beiläufig in den Artikeln 461–471 vor, und ward erst 1616 in den articulis additionalibus als wesentlich herausgehoben«.236 Die zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt vor allem auf religiösem Gebiet publizistisch ausgetragenen Spannungen vertieften sich in der Zwischenzeit noch. Das nach der Vertreibung der lutherischen Theologen aus Marburg schon im Oktober 1605 in Gießen eingerichtete Gymnasium Illustre wurde 1607 vom Kaiser als Volluniversität privilegiert, unter der Bedingung, dass die Universität nach Marburg umziehe, sobald dort wieder eine dem Testament Ludwigs IV.

236 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 143 Anm. 89; die »Articulirte Klag Deß Durchleuchtigen vnd Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Ludwigen/ Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ etc. hochgemüssigten Klägers. Contra Den auch Durchleuchtigen vnd Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Moritzen Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ etc. Beklagten« in 503 Einzelpunkten findet sich in: Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt, S. 1–53 (Stück I; eingebracht am 10. Dezember 1606, nach: »Der Röm. Keys. May. vnsers aller gnädigsten Herrn/ Decret in puncto obgesetzter Exceptionum Declinatoriarum fori & Incompetentiae« vom 23. Oktober 1613, in: Acta […], S. 206 [Stück V]); die articuli additionales, die schon im Erscheinungsjahr der »Acta […]« 1614 vorgelegen haben müssen, aber erst 1622 am Kaiserhof eingereicht wurden (siehe Gründliche Erzehlung, S. 7 zu den Nummern 18, 19 und 20), verbergen sich hinter der »Articulata Deductio causae principalis, Herrn Ludwigen/ Herrn Philipsen/ vnd Herrn Friederichen/ Gebrüdern/ Landgraffen zu Hessen/ etc.« (Stück VI) und der »Articulirte[n] Deduction-Schrifft/ in puncto Nullitatum« (Stück VIII) (jeweils mit zugehörigen Dokumenten als Stück VII bzw. IX) unpaginiert in den »Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt«. Rommel selbst bewertet die Entwicklungen, die HessenDarmstadt die Klagemöglichkeit eröffneten, etwas anders: nach mehreren erfolglosen Versuchen einer Verständigung mit Ludwig V. habe Moritz begonnen, »das ihm zugesprochene Erbtheil in Oberhessen zu ordnen und, im Vertrauen auf die früheren Beschlüsse der hessischen General-Synoden und auf das im Religionsfrieden den evangelischen Ständen zugestandene Reformationsrecht, einige kirchliche Verbesserungspunkte zu Marburg einzuführen, übereinstimmend mit dem Ritus in Niederhessen, aber nicht mit dem letzten Willen des Landgrafen zu Marburg. Hierdurch wurde in L[andgraf]. Ludwig zuerst die Idee erweckt, sich die ganze Erbschaft des Oberfürstenthums zu erwerben« (Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 136).

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gemäße theologische Lehre möglich würde.237 Die Gründung der Universität Gießen entzog der als gesamthessische Hochschule angelegten Marburger Anstalt nicht nur einen bedeutenden Teil ihrer Einkünfte aus dem Territorium Hessen-Darmstadts, sondern auch Lehrkräfte und Studenten, die an die rasch an Ansehen gewinnende benachbarte lutherische Hochschule abwanderten und an einer Fortdauer der Kontroverse mit Hessen-Kassel interessiert waren.238 Während Moritz die vom Reichshofrat verlangte Herausgabe der Akten des Austrägalgerichts zum Erbschaftsstreit bis 1620 verweigerte,239 publizierte HessenDarmstadt schon 1614 die bis dahin entstandenen »Acta […] die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt«, woraufhin Moritz – in der Formulierung Rommels – »die Veröffentlichung des gegenseitigen Briefwechsels und der HausGeheimnisse für eine neue schwer übersteigliche Scheidewand« erklärte.240 Bewegung kam in die lange rechtshängige Sache, als während des inzwischen ausgebrochenen Dreißigjährigen Krieges die kaiserliche Armada Hessen näher rückte und Ludwig V., der das Testament seines Marburger Onkels immer noch nicht anerkannt hatte, »1622, wie man glaubte auf Rathschlag der Mitglieder des Reichshofraths, den status controversiae änderte, und nach Anerkennung des Testaments das End-Urtheil von 1623 herausbrachte«.241 Dieses Urteil vom 1. April 1623 (neuen Stils) lautete dahin, »daß ihme Herren Landgraff Moritzen keines wegs gebührt wieder obgemeltes Herrn Landgraff Ludwigen des Eltern Testament/ welches Er in allen puncten vnd clausulen, ohne einigen vorbehalt acceptirt, die geklagte vnnd bekandte offenbahre contraventiones vorzunehmen/ sonder daß Er damit zu viel vnd vnrecht gethan/ auch zumal sich selbst seines ihme darinnen vermachten Erbtheils/ allerdings vnfähig vnd verlustig gemacht hab/ vnd solchen seinen Erbtheil/ von zeit der vorgenommenen contravention, an Herrn klägern mit allen darvon auffgehabenen nutzungen vnd einkommen abzutretten/ einzuräumen/ vnd zu restituiren schuldig/ vnd zu solchem allem hiemit völlig erkent vnd verdampt seyn soll«.242 237 Hierzu detailreich: Felschow / Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck, S. 19–29 (»Kraft kaiserlicher Gnad und durch landgräflichen Willen – Die Gründung einer Universität in Gießen«), dort S. 29 zum Versprechen der Rückverlagerung nach Marburg. 238 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 189f., 206; Ders.: Die Konfessionspolitik des Landgrafen Moritz, S. 113; die Hintergründe der Gründung der Gießener Universität beleuchtet ausführlich Rudersdorf: Der Weg zur Universitätsgründung in Gießen. Das geistige und politische Erbe Landgraf Ludwigs IV. von Hessen-Marburg; sehr gelungen ist auch der Ausstellungsband: Felschow / Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck. Die Anfänge der Universität Gießen vor 400 Jahren. 239 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 145 mit Anm. 91. 240 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 181 mit Anm. 123. 241 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 177 Anm. 120. 242 Gründliche/ Warhaffte Vnd Vollstendige Erzehlung/ Wie es vmb den Marpurgischen Successionstreit vnd Process, So […] zwischen den beyden Fürstlichen Linien/ Hessen Cassel vnnd Darmbstadt sich entsponnen […] vnd was dabey allenthalben vorgelauffen

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Als Ausgleich für seit 1605 entgangene Nutzungen aus dem oberhessischen Erbe Ludwigs IV. von Hessen-Marburg wurde Hessen-Kassel in einem weiteren Urteil des Reichshofrats vom 11. April alten bzw. 21. neuen Stils des Jahres 1626 zur Zahlung von 1 357 154 Gulden und einem Albus an Hessen-Darmstadt verurteilt.243 Diese von Hessen-Darmstadt verlangte und vom Reichshofrat bewilligte astronomische Entschädigungssumme war von Hessen-Kassel, das ökonomisch und militärisch darniederlag, nicht aufzubringen, erst recht nicht, wie von Hessen-Darmstadt gefordert und durch die kurkölnischen Exekutoren des Urteils bewilligt, innerhalb von sechs Wochen.244 Aufgrund der fehlenden Parition wurden daraufhin von Kurköln Hessen-Darmstadt auf dessen Vorschlag territoriale Pfandschaften auf hessen-kasselschem Gebiet angewiesen, aus deren Einkünften sich Darmstadt bis zur Höhe der festgesetzten Entschädigungssumme genugtun sollte.245 Mit dem Urteil von 1623 war auch Marburg mit der Universität in Darmstadts Hand, sodass die Gießener Alma mater suspendiert und, wie im Vorfeld der Privilegienerteilung von Ludwig V. dem Kaiser versprochen, nach Marburg verlegt wurde. Durch die Präsenz Tillyscher Truppen wurde das Urteil des Reichshofrats exekutierbar und Hessen-Kassel musste den seit 1605 von ihm innegehabten Teil Oberhessens räumen,246 womit auch das Konsistorium, das nach Kassel verlegt wurde,247 aus Marburg weichen musste; im Kasselischen Teil Oberhessens wurde das Luthertum restituiert.248

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[…], Beilage 24 (S. 108); die wertende Dokumentensammlung wurde 1643 – wie sich aus Inhalt, Formulierung und Art der Darstellung ergibt – von Hesen-Kassel veröffentlicht. Gründliche Erzehlung, S. 35, das Urteil 1626: Beilage 102 (S. 294–296); siehe auch: Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 143. Gründliche Erzehlung, Beilage 107 (S. 307), Beilage 112 (S. 320–328). Gründliche Erzehlung, Beilagen 114, 115 (S. 328–330: Darmstädtische Anträge), Beilage 116 (S. 331: Immissionsbescheid der Kurkölnischen Subdelegierten). In der »Designatio vnd Ernennung deren örter/ in welche die Immission gebeten wird« (Beilage 115, S. 330) werden genannt: die Niedergrafschaft Katzenelnbogen, benachbarte Orte am Rhein, der Kasselische Teil an Umstadt, im Landesinneren Friedewald, das Gericht zu Heringen, Landeck, das Fürstlich hessische Erbgemeinschaftsrecht an Hersfeld, Vacha, Schmalkalden, Herrenbreitungen, Barchfeld, Hauneck, Neukirchen (im heutigen Schwalm-Eder-Kreis), Ziegenhain, Spieskappel (»Cappel«) und die Höfe um Ziegenhain, Treysa, Schwarzenborn, die Landsburg (»Landsberg«), Schönstein, Jesberg, Borken, die Herrschaft Plesse, »Vber dieß auch auß dem Niederfürstenthumb Hessen« die Ämter Homberg an der Efze, Gudensberg, Rotenburg an der Fulda, Sontra und Eschwege mit allen Zugehörungen, Diensten, Rechten und Gerechtigkeiten. Schmitt: Die Besitznahme von Marburg durch die Hessen-Darmstädtischen Beamten im März 1624. Siehe dazu die relevante Überlieferung in StAM 22 a 1, Nr. 190 und Nr. 261 sowie in StAM 22 a 8, Nr. 25. Menk: Absolutistisches Wollen, S. 216 mit Anm. 248 weist auf ein Schreiben der Kasseler Pfarrer Paul Stein, Thomas Wetzel, Paul Andreas Peter Kind, Johann Daniel Starck, Lucas Majus d. J., Johann Friedrich Wilner und Johannes Majus hin (StAM 4 d, Nr. 188), datiert,

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Landgraf Moritz geriet zunehmend in Bedrängnis. Als »Calvinist« hatte er sich angreifbar gemacht, der Kaiser hatte zudem offenbar ein Auge auf das Stift Hersfeld geworfen, Hessen war ein Durchzugsland für die Heere des Dreißigjährigen Krieges von Westen nach Osten und von Norden nach Süden, außerdem hatte er es mit dem als »Winterkönig« in Böhmen gescheiterten pfälzischen Kurfürst Friedrich III. gehalten und sich auch sonst den Kaiser nicht zum Freund gemacht,249 überdies entschuldigte Moritz seinen Günstling, den »Generalaudienzierer« Wolfgang Günther,250 der auf einer »Kriegs-Berathschlagung« in Ziegenhain im Juni 1624 die niederhessische Ritterschaft wegen ihrer eigenständigen Verhandlungen mit dem kaisertreuen Ludwig V. von Hessen-Darmstadt als die Brücke bezeichnete, über die der Feind ins Land gezogen sei,251 damit, »daß er hiermit weiter nichts [gesagt habe], als was er wohl von uns selbst gehöret und verstanden, und also ex mente animo et ore nostro, nachgeredt haben mag«.252 Das reichs-, religions- und landespolitische, ökonomische und militärische Desaster seines geschrumpften Fürstentums sowie das Misstrauen, das er zu seiner Gattin Juliane253 sowie Wilhelm, seinem ältesten noch lebenden Sohn aus erster Ehe,254 gefasst hatte, veranlassten Moritz, den von verschiedenen

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Kassel, 13. März 1624, in dem sie Landgraf Moritz auf »absehbare kirchliche und konfessionelle Konsequenzen aus dem Anfall Oberhessens an Hessen-Darmstadt« aufmerksam machten, besorgt um das ihren oberhessischen reformierten Amtskollegen drohende Schicksal der Vertreibung und das Schicksal der dortigen reformierten Untertanen, woraufhin ihnen der Landgraf – von Menk als Zeugnis seiner Wirklichkeitsferne interpretiert – in einer Randnotiz aber nur »Furcht und Kleinmüthigkeit« vorwarf. Siehe die in der »Warnung eines unbekannten Hessen vom Rhein an Joh. Schüler, landgräflichen Mathematicus, über den bevorstehenden Einfall in Hessen« vom 22. September 1622 genannten Punkte, in: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 526f. (Beilage IX. zu Buch V. Hauptstück VIII.), hier S. 526. Zu ihm: Gräf: »Vnd also ex mente, animo & ore nostro nachgeredt haben magk …« Der Generalaudienzierer Wolfgang Günther und Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, hier S. 72f. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 579f. (das zitierte Wort auf S. 580); das die Anklage enthaltende Schreiben der niederhessischen Ritterschaft an Landgraf Moritz vom 1. Juli 1624, in: Ebd., S. 682–690 (Beilage A. zu Buch V. Hauptstück IX.), insbes. S. 688. Zitat aus der »Resolution des Herren L. Moriz auf das vorhergehende Schreiben der Niederhessischen Ritterschaft, gerichtet an die Räthe. Wolfenbüttel, am 2. August 1624«, in: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 691f. (Beilage B. zu Buch V. Hauptstück IX.), hier S. 692. Nach dem Regierungsantritt Wilhelms V. ließ dieser, im Gegensatz zu seinem Vater, der vehement protestierte und dagegen rechtlich vorzugehen suchte, einen von der Ritterschaft initiierten Prozess gegen Wolfgang Günther in Ziegenhain zu, bei dem er gefoltert und schließlich am 12. Dezember 1628 hingerichtet wurde, siehe: Wilhelm Grotefend: Der Prozeß des landgräflichen Raths Dr. Wolfgang Günther (1627–1628), in: Hessenland. Zeitschrift für hessische Geschichte und Literatur 12 (1898), S. 226–228, 270–272, 288–290, 298–301 sowie die Korrekturen bei Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 164–169. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 666f. Anm. 628. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 670–672 mit Anm. 631 (S. 671–672).

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Seiten offen oder verdeckt gewünschten Rücktritt am 17. März 1627 zugunsten seines seitdem als Wilhelm V. (1602–1637)255 regierenden Sohnes zu vollziehen.256 Ein innerfamiliäres Problem der hessen-kasselschen Linie musste allerdings noch vor der Herrschaftsübergabe gelöst werden: der Ausgleich zwischen dem kommenden Landeserben Wilhelm V. und den sechs noch lebenden Söhnen aus Moritz’ zweiter Ehe, worauf deren Mutter Juliane entschieden drang. Dieser Ausgleich erfolgte durch Abtrennung eines Viertels der Landgrafschaft – daher der Name Rotenburger (nach der Residenzstadt) Quart – das Hermann (1607– 1658), dem ältesten noch lebenden Sohn Julianes, »kraft kaiserlicher Bestätigung zugesprochen« wurde.257 Im Grundsatz wurde die Abtretung eines souzeränen Landesteils zur Versorgung der Söhne und Töchter aus zweiter Ehe durch einen Vertrag vom 12. Februar 1627 zwischen dem künftigen Wilhelm V., seiner Stiefmutter Juliane und deren Sohn Hermann vereinbart.258 In seinem Abdankungs-Abschied vom 17. März legte Moritz eine »Interims-Quart« fest, zu der die Städte Melsungen, Felsberg, Lichtenau und Witzenhausen gehörten, die den hessischen Prinzen aus der Ehe mit Juliane noch am Tag von Moritz’ Abdankung huldigten.259 Verändert und endgültig festgelegt wurde der Zuschnitt der Rotenburger Quart in einem Vertrag vom 1. September 1628.260 In der Quart galt kein Primogeniturrecht; wenn die jüngeren Söhne anstelle von Kriegsdiensten ihren Anteil an der Herrschaft beanspruchten, musste ihnen ein Teil eingeräumt werden, so wurde für Friedrich (1617–1653) Hessen-Eschwege geschaffen261 und 255 Zu Wilhelm V. kurz mit Verweis auf weitere biographische Arbeiten: Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 159f. 256 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 674; Eßer : Landgraf Moritz’ Abdankung und sein politisches Vermächtnis. 257 Krüger-Löwenstein: Die Rotenburger Quart, S. 30; Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 351. 258 Der Vertrag findet sich in Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 822–826 (Nr. XXI). 259 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 728f. 260 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 735–737. Der endgültige Vertrag findet sich vollständig in einer Ausgabe des Hessischen Hauptakkords, »Haubtvertrag […]«, S. 249– 257 (Nr. CXXI); auch in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 848–852 (Nr. XXXI). Der als Rotenburger Quart abgeteilte vierte Teil des »Niederfürstentums« Hessen umfasste »einen beträchtlichen Strich Landes von der Fulda bis zur Werra [nämlich Schloß, Stadt und Amt Rotenburg, nichts ausgenommen, Stadt und Amt Sontra, Schloß, Stadt und Amt Eschwege, und was dabei bisher berechnet worden, sammt dem Gericht Beilstein und dem ehemaligen Kloster Germerode, Schloß, Stadt und Amt Wanfried, den Hessischen Antheil an der Stadt Treffurt, die Stadt Witzenhausen nebst Schloß und Amt von Ludwigstein, und die Herrschaft Plesse, mit den dazu gehörigen von Braunschweig wieder zu erlangenden Lehen und mit dem Amt Gleichen,] […]« (Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 735). 261 Zu Friedrich und seinem Herrschaftsgebiet: Löwenstein: Ein Drittel vom Viertel – HessenEschwege in der Quart, insbes. S. 109, 112 (zur Einrichtung Hessen-Eschweges); Collmann: Des Landgrafen Friedrich von Hessen Todesritt von Posen nach Kosten.

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für Ernst (1623–1693) – nachdem das zugesicherte Viertel des Gesamtlandes 1648 infolge des Gebietszuwachses Hessen-Kassels im Westfälischen Frieden um die Niedergrafschaft Katzenelnbogen vergrößert worden war – Hessen-Rheinfels.262 Gegenüber dieser Unterherrschaft im Osten des Landes behielt sich Hessen-Kassel bestimmte Rechte vor, so die außenpolitische Vertretung, die Regelung von Münz- und Militärangelegenheiten, das Lehnswesen, die Einberufung der Landstände, die Erhebung von Reichs- und Kreissteuern und von Beiträgen zu Einrichtungen für das gesamte Land, wie die Universität, sowie »die Episkopalrechte, d. h. die Bestimmung der Religion und die Aufsicht über Kirche und Schulwesen«.263 Neben den Beamten zur eigenständigen Verwaltung der Quart waren Reservatenkommissare für die »Wahrung der […] Rechte und Einkünfte« Hessen-Kassels zuständig.264 1626 war es nach dem Tod Ludwigs V. auch in Hessen-Darmstadt zu einem Macht- und Generationswechsel gekommen. Zwischen Wilhelm V. von HessenKassel und dem neuen Regenten Georg II. von Hessen-Darmstadt kam es zu einer Annäherung, die am 24. September 1627 in den Abschluss des »Hessischen Hauptaccords« mündete.265 Darin wurde festgelegt, dass nach der kaiserlichen Bestätigung des Vertrages die Pfandorte, die Hessen-Darmstadt auf Kasselschem 262 Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 30. 263 So die Zusammenfassung in dem übersichtlichen Beitrag von Günter Hollenberg: Krieg und Frieden, Dynastie und Konfession. Politische Geschichte Hessen-Kassels zur Zeit Hütterodts, S. 28. 264 Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 28; Löwenstein: Ein Drittel vom Viertel – HessenEschwege in der Quart, S. 104 gibt an, dass es zu einer Ernennung von Reservatenkommissaren im niederhessischen Teil der Quart erst viel später gekommen ist (1655 Rheinfels; 1694, 1723, 1733 Niederhessen). 265 Die zu Hersfeld, Romrod, Nidda, Frankfurt am Main und Darmstadt geführten Verhandlungen waren wesentlich langwieriger als hier darstellbar, siehe: Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 170–182. Einblick in Gegenstände und Schwierigkeit dieser Verhandlungen gibt, was der Kasseler Superintendent Paul Stein niedergeschrieben hat unter dem Titel »Kurtzer entwurff, was es im fürstenthumb Hessen von der zeit an der ersten reformation, mit dem religionswesen, sonderlich in der lehr von der allenthalbenheit des leibs christi, von abentmals des herren, und anderen puncten vor eine beschaffenheit gehabt habe«. Diese Ausarbeitung ist sowohl im – vollständigeren – Konzept von Steins eigener Hand mit zahlreichen Korrekturen (StAM 22 a 1, Nr. 98) wie in der sauber von anderer Hand geschriebenen Ausfertigung (StAM 4 i, Nr. 167) erhalten. Als Rückvermerk steht auf dem Konzept: »Kurtzer Entwurff vom Religionswesen im Fürstenthumb Hessen von der ersten Reformation de anno 1526. an bis auff das Jahr -82. da der letzte Generalis Synodus zu Marpurg gehalten worden; Neben andern nothwendigen puncten; zugestelt F. Cantzley am 19. Maji 1627. als Ihrer F. Gn. Räthe naher Romrodt zu Ihrem Vetter Landtgraff Georgen verreiset, wegen der Marpurgischen Successionssach gütliche Handlung vorzunehmen«. In dem Text wird die Religionspolitik Moritz’ des Gelehrten in die Kontinuität seines Vaters Wilhelm IV. und seines Großvaters Philipp gestellt und Ägidius Hunnius als der eigentliche Urheber der religiösen und politischen Trennung beider hessischer Linien ausgemacht.

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Gebiet innehatte, zurückgegeben werden sollten, nur das Amt Schmalkalden behielt sich Darmstadt noch als Pfand gegen eine Ablösungssumme von 100.000 Gulden vor. Hessen-Kassel trat seinen Anteil am oberhessischen Erbe Ludwigs IV. von Hessen-Marburg – den sich Darmstadt in Ausführung des Urteils des Reichshofrats mithilfe Tillyscher Truppen schon genommen hatte – nun formell an Hessen-Darmstadt ab, ebenso wie die Niedergrafschaft Katzenelnbogen.266 Landgräfin Juliane unterschrieb den Vertrag, laut Datierung, in Kassel am 18. Oktober 1627 »vor vns vnd alle vnsere Söhne Fürsten zu Hessen« nach intensiven Änderungsbemühungen mit dem Bemerken, »daß solcher accord vnsern Söhnen nützlicher/ als wan er vnderlassen würde«.267 Solchen Überlegungen wollte der abgedankte Landgraf Moritz, dessen Unterschrift zum Inkrafttreten des Vertrags ebenso nötig war, nicht nachgeben. Hermann entschuldigte das Fehlen der Unterschrift seines Vaters – der am 15. März 1632 im Eschweger Schloss, wo er, bis dahin weiter für Unruhe sorgend, seinen letzten Aufenthalt genommen hatte, starb268 – damit, dass er »wegen allerhand perplexitäten deß gemühts/ sich in diese vnd dergleichen wichtige sachen nicht finden können« und bat Georg II. von Hessen-Darmstadt zugleich: »Damit dan eben deßwegen diß ersprießliche compositions-werck nicht gehindert noch verzögert werde/ sondern nichts do weniger seinen kräfftigen effect vnd würckliche vollziehung erreiche/ So ersuchen vnd bitten E[ure]. L[iebden]. wir hiermit freundlich/ dieselbe wollen sich daran/ daß ermelte vnsers gnedigen Herrn Vatters ratification, gleich der vnserigen/ so bald nicht erfolget/ nicht irren/ sondern bey der Röm. Kay. Mayt. vnserm allergnedigsten Herrn/ es dahin richten vnd befördern helffen/ daß Ihre Kay. Mayt. nichts do weniger zu dero/ vnderthenigst gesuchter confirmation berürten vergleichs vnd Abschieds/ allergnedigst zu verstehen/ geruhen mögen«.269

266 Der von Wilhelm V., Georg II. und Philipp von Hessen-Butzbach unterschriebene Vertrag findet sich mit allen vorbereitenden und nachfolgenden Dokumenten in: Haubtvertrag/ Wie solcher zwischen den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Wilhelmen Vnd Herrn Georgen / Gevettern/ Landgrafen zu Hessen/ Grafen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ etc. Für sich vnd beeder Ihrer FF. GG. Hochlöbliche Fürstliche Linien Cassel vnd Darmstad veranlast/ aufgerichtet/ volnzogen […], S. 46–77 (Nr. XXXVII). 267 »Haubtvertrag […]«, S. 83f. (Nr. XLV). 268 Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 355–366; Löwenstein: Ein Drittel vom Viertel – Hessen-Eschwege in der Quart, S. 105–107. 269 »Haubtvertrag […]«, S. 86f. (Nr. XLVII., Schreiben Landgraf Hermanns an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Kassel 1627 Oktober 10), hier S. 87. Am selben Tag ratifizierte Hermann den Hauptakkord (Ebd., S. 88f. [Nr. XLVIII.]). Die Konzepte zu den Ratifikationsschreiben Julianes und Hermanns, wie auch des die absehbare Unterschriftsverweigerung durch Moritz entschuldigenden Schreibens wurden von Darmstädtischen Räten konzipiert (siehe: Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 338–341).

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Mit der kaiserlichen Konfirmation des Hauptvertrags geschah dies am 1. Februar (n. St.) 1628.270 Den Hauptvertrag begleiteten zahlreiche mit ihm unter dem 24. September 1627 datierte Nebenverträge, u. a. zur Religionsfrage und Dienerbestellung, darunter auch der Pfarrer, sowie der Kirchenvisitation im Hohen Hospital Haina, das »krafft vertrags de anno 1569. nicht eben in eines Fürsten alleinigen Land/ sondern in beyder Fürsten territorio liegt«271 und dazu, wie es in den Gebieten, in denen während der Darmstädtischen Pfandschaft das Luthertum wieder eingeführt worden war sowie »under denen lutherischen von der ritterschafft der religion halber gehalten werden solle«272. Nachdem Kaiser Ferdinand II. 1629 versucht hatte, mit dem Restitutionsedikt seine militärische Stärke in einen Triumph über die protestantischen Fürsten umzuwandeln, änderte sich die Lage jedoch schnell. Seit Juli 1630 stand der Schwedenkönig Gustav II. Adolf im Reich.273 Einer seiner frühesten Bundesgenossen war Wilhelm V. von Hessen-Kassel, der »im November 1630 zunächst vorläufig, im August 1631 dann dauerhaft« mit dem im evangelischen Lager als Retter Gefeierten paktierte,274 womit Wilhelm V. seine bisherige formelle Neutralität aufgab, um einen Ausweg aus der sonst hoffnungslos erscheinenden Lage seines Landes zu finden.275 In den folgenden Jahren wurde Wilhelm V. mit dem hessen-kasselschen Heer zu einem potenten Akteur, der im Spiel der europäischen Mächte auf dem Schlachtfeld des Reiches Berücksichtigung verlangte und seine Kräfte geschickt zur Durchsetzung seiner Interessen einzusetzen verstand. Wilhelm V. eroberte am 14. August 1631 Hersfeld zurück276 und besetzte, wenn auch mehrfach verdrängt, Anfang September 1631 die mainzische Exklave Fritzlar277 und im darauffolgenden Oktober das Stift Fulda, das Hessen-Kassel bis in den September 1634 innehatte, als es wieder von kaiserlichen Truppen eingenommen wurde.278 Seit 1636 wurde die Armee wesentlich durch französi270 »Haubtvertrag […]«, S. 180–210 (Nr. CXII.). 271 Gründliche Erzehlung, Beilage 220 (S. 525f.), das Zitat S. 526, ergänzt durch einen Vertrag beider hessischer Hauptlinien, der sich neben Haina auch auf die Hohen Hospitäler zu Merxhausen, Gronau und Hofheim bezog vom 14. Dezember 1627, in: Gründliche Erzehlung, Beilage 148 (S. 557–561). 272 Gründliche Erzehlung, Beilage 206 (S. 509f.) allerdings mit zum Teil verderbtem Text gegenüber der Ausfertigung für Hessen-Kassel in StAM Urk. 5, Nr. 94 sowie einer Abschrift für den Kasseler Superintendenten Paul Stein in StAM 318 Kassel, Nr. 1441 (aus dem darauf angebrachten Rückvermerk stammt die zitierte Passage). 273 Kampmann: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, S. 72. 274 Kampmann: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, S. 75. 275 Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 31; das Bündnisverhältnis zwischen Hessen-Kassel und Schweden analysiert gründlich Doroth8e Goetze: Hessen als Bündnispartner Schwedens im Dreißigjährigen Krieg (1631–1643). 276 Hanke: Fulda in Hessens Hand, S. 99; Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 255. 277 Hilbert: Fritzlar im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, S. 300–313. 278 Hanke: Fulda in Hessens Hand, S. 130–157, 551–555.

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sche Subsidien unterhalten,279 schon 1631 hatte sie Gebiete in Westfalen, um Paderborn und Münster, erobert280 und sicherte die Existenz Hessen-Kassels.281 Bestandteil des mit Frankreich ausgehandelten Subsidienvertrages war unter anderem die Verpflichtung zum Entsatz Hanaus,282 der Geburtsstadt der Gattin Wilhelms V., Amelie Elisabeth (1602–1651), einer Tochter Philipp Ludwigs II. von Hanau-Münzenberg und der Catarina Belgia, einer Tochter Wilhelms I. (»des Schweigers«) von Nassau-Oranien.283 Die 1636 erfolgte Entsetzung Hanaus von der Belagerung durch kaiserliche Truppen284 brachte Wilhelm V. zusammen mit seiner letztendlichen Weigerung dem Prager Frieden von 1635 unter den vom Kaiser vorgegebenen Bedingungen beizutreten, die Reichsacht ein.285 Vor deren Exekution floh er mit seiner Familie ins bisher von den Kriegswirren verschont gebliebene Ostfriesland, wo er am 21. September 1637 in Leer starb.286 Das Jahr 1637 ist in die hessische Geschichte als »Kroatenjahr« eingegangen. Der Kaiser gab das Land des zum Reichsfeind erklärten Wilhelm V. seinem Heer preis, unter dem die kroatischen Soldaten unter dem General Isolani besonders gefürchtet waren. Die Bevölkerung erlebte ein Jahr des Schreckens, in dem sie sich wiederholt in die befestigten Städte, vor allem in die Festung Kassel, 279 Ulbert: Französische Subsidienzahlungen an Hessen-Kassel, S. 162, 167. 280 Tacke: Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter, S. 181–184; Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 255f.; v. Geyso: Beiträge zur Politik und Kriegführung Hessens im Zeitalter des 30jährigen Krieges, Teil 2, S. 31, 42–50. 281 Für die Zeit der Regentschaft Amelie Elisabeths schreibt Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, S. 313: »In den Zeiten härtester Bedrängnis war Hessen-Kassel weiterhin mehr eine Armee als ein Territorium«. 282 Ulbert: Französische Subsidienzahlungen an Hessen-Kassel, S. 162. 283 Puppel: Die Regentin, S. 190; Buckreus: Die Körper einer Regentin. Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel, S. 27; Helfferich: The Iron Princess. Amalia Elisabeth and the Thirty Years War, S. 16; zur Herkunftsfamilie Amelie Elisabeths siehe Cramer : Hanau; wie Amelie Elisabeth führte schon ihre Mutter Catarina Belgia die Regentschaft für den noch minderjährigen Hanauer Thronerben, siehe: Puppel: Die Regentin, S. 101; zu Amelie Elisabeth, mit der Wilhelm V. 1619 die Ehe schloss, auch Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 8–11. Bei der Schreibung ihres Namens richte ich mich nach Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 32 Anm. 6: »Der Name der Landgräfin lautet zeitgenössisch und in ihrer eigenen Hand ›Amelie Elisabeth‹, in kurialer Schreibung manchmal auch ›Amelia Elisabetha‹, nie aber ›Amalie‹. Diese Schreibung ist erst durch Rommel in Umlauf gebracht gebracht worden«. 284 Altmann: Landgraf Wilhelm V., S. 141f. 285 Hierzu: Hollenbeck: Die hessisch-kaiserlichen Verhandlungen über die Annahme des Prager Friedens, S. 118 (zur Ablehung des Prager Friedens und der Verhängung der Reichsacht); Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 31f.; Brunner : Theophilus Neuberger, S. 549–551. Ein aufbereiteter Auszug aus dem Prager Frieden findet sich in Roeck: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 4, S. 341–359. 286 Puppel: Die Regentin, S. 191f.; in ZHG 2 (1840), S. 179f. ist – veröffentlicht vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde – eines der letzten Schreiben abgedruckt, die Wilhelm V. von Hessen-Kassel ausgefertigt hat, in dem, gerichtet an den Obristen Johann Geyso, datiert »Ollersum« (= Oldersum), 23. August 1637, seine bedrängte Lage greifbar wird.

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flüchtete;287 zahlreiche Städte und Dörfer, vor allem entlang der Werra, gingen in Flammen auf, darunter Allendorf und Eschwege;288 außerdem grassierte die Pest.289 Wilhelm V., der bei seinem Tod als ältesten Sohn den 1629 geborenen, noch unmündigen künftigen Wilhelm VI. hinterließ, beauftragte in seinem Testament seine Frau Amelie Elisabeth zusammen mit einem Regentschafts- und Landrat mit der vormundschaftlichen Regentschaft, so wie sie von Landgräfin Anna, der Mutter Philipps des Großmütigen, ausgeübt worden war. Die energische und tatkräftige Frau führte diese Regentschaft zunächst aus dem ostfriesischen Exil brieflich korrespondierend mit ihren Räten, bevor sie im März 1640 nach Kassel zurückkehren konnte.290 Im Oktober 1637 eröffnete Georg II. von HessenDarmstadt den erstaunten Kasseler Räten die ihm schon im April 1636 vom Kaiser übertragene Administration über das Territorium des geächteten und mittlerweile verstorbenen Wilhelm V. von Hessen-Kassel.291 Diener und Untertanen hatten mittlerweile dem jungen Wilhelm VI. gehuldigt und selbst die Ritterschaft schreckte vor dem Kappen aller Bande zum Kasseler Herrn zurück.292 Trotz aller Bemühungen des Darmstädter Landgrafen und des Kaisers

287 Siehe hierzu: Kürschner : Hessen im »Kroatenjahr« 1637; zum Leiden der Bevölkerung im weiteren Kriegsverlauf Ders.: Aus dem Kirchenbuch von Reichensachsen (und Langenhain) von 1639 bis 1653, mit der Edition der chronikalischen Notizen des Pfarrers Lorenz Ludolph. 288 Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 32; Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 257; speziell zu Eschwege das Buch von Fritsche / Wiegand: Eschwege 1637. Die Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg, in dem die Zahl der verbrannten Häuser und der wirtschaftliche Rückgang fundiert zurechtgerückt und von Übertreibungen bereinigt werden; siehe auch die von York-Egbert König unter dem Titel »Gedenke daran Eschwege…« gewissenhaft bearbeitete Edition der »Aufzeichnungen des Cyriakus Kompenhans aus dem Jahr 1637«. 289 Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 39; Press: Hessen im Zeitalter der Landesteilung, S. 312, 316f. Schon unter dem 27. Oktober 1622 vermerkte Paul Stein in seinem Diensttagebuch: »Unser gn. f. und herr begehrt bericht, wie viel in nechsts abgelauffenen 14 tagen verstorben, und an was schwacheit; item, was für krankheiten under die leute einreissen; ob auch etwa die peste mit underlauffe. Ist eine zusammenkunfft deswegen auf der ambtstube angestellt, und ihrer f. gn. bericht zugeschickt worden«. 290 Puppel: Die Regentin, S. 193–213. 291 Puppel: Die Regentin, S. 215; irritierend ist, dass es dort heißt, »dass der Landgraf von Hessen-Darmstadt ihnen [den hessen-kasselischen Räten] die vom 11./21. April 1636 datierte kaiserliche Deklaration und Gehorsamsbrief zugestellt hatte«, während Puppel auf S. 213 schreibt, »dass Kaiser Ferdinand II. den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, der schon im Rahmen der Prager Friedensverhandlungen das Land seines Vetters gefordert hatte, im August 1636 zum ›Administrator‹ Hessen-Kassels bestimmt hatte« (Kursivierung des Monatsnamens von mir, A. J.). 292 Schon am 28. September 1637, »am Morgen nach dem Eintreffen der Nachricht« vom Tod Wilhelms V., wurden »den anwesenden Soldaten Wilhelm VI. und Melander als neue Kriegsherren vorgestellt, sowie von der Bürgerschaft, den Einwohnern und von den Un-

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weigerte sich die Regentin standhaft, sich Georg II. oder dem im April 1638 stattdessen zum kaiserlichen Kommissar für die Verhandlungen ernannten Reichserzkanzler, dem Mainzer Kurfürsten, zu unterordnen und erhielt stattdessen den Druck mit der ihr zur Verfügung stehenden Armee aufrecht.293 Zwischen 1643 und 1648 kam es zwischen beiden hessischen Linien zum sogenannten »Hessenkrieg«, der seit Mai 1645 in offener militärischer Auseinandersetzung geführt wurde,294 in dem Amelie Elisabeth die Wiederherstellung des Vorkriegszustandes, also eine Revision des Hauptakkords von 1627 anstrebte, während Georg II. mindestens den damit hergestellten status quo bewahren, besser noch ganz Hessen unter seiner Regierung vereinigen wollte.295 Die anti-kaiserliche Politik Hessen-Kassels, verbunden mit der militärischen Drohkulisse zahlte sich aus. Dem Westfälischen Frieden296 wurde eine Einigung beider hessischer Linien inkorporiert, die vorsah, dass Hessen-Kassel Niederkatzenelnbogen und die Herrschaft Schmalkalden zurückerhielt und vom nördlichen Teil Oberhessens, der ihm in dem Urteil des Austrägalgerichts 1605 zugesprochen wurde, etwa 60 % einschließlich Marburgs – wohin 1653 die Universität von Kassel zurückverlegt wurde, nachdem die hessen-darmstädtische Alma mater schon 1650 wieder in Gießen ihren Betrieb aufgenommen hatte297 – behalten durfte, während der Rest, das »Hessische Hinterland«, im

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tertanen des Amtes Kassel die Huldigung gefordert«; die Huldigung der Landstände für Wilhelm VI. fand am 21. Oktober 1637 in Kassel statt, Puppel: Die Regentin, S. 195–197. Puppel: Die Regentin, S. 229–232. Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 259–261. Beck: Der Hessische Bruderzwist; Weber : Der Hessenkrieg. Zu den Verhandlungen auf dem Friedenskongress: Bettenhäuser : Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongress; den Weg dahin beleuchtet Weiand: Hessen-Kassel und die Reichsverfassung. Ziele und Prioritäten landgräflicher Politik im Dreißigjährigen Krieg, darin S. 94–168 zur Verfassungspolitik Hessen-Kassels auf dem Westfälischen Friedenskongress 1643–1648 sowie Dies.: Hessen, Europa und das Reich: Welchen Anteil hatte Hessen-Kassel am Westfälischen Frieden? Felschow / Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck, S. 65f. (im Beitrag »Mit Sack und Pack die Lahn hinab und restauriert in Gießen – Das Ende der hessen-darmstädtischen Universität in Marburg und erneuter Beginn am alten Ort im Jahr 1650«, S. 57–66, darin auch zum Schicksal der noch hessen-darmstädtischen Universität Marburg im »Hessenkrieg«); zur Wiedereröffnung der hessen-kasselschen Universität Marburg: Kaehler: Die Universität Marburg von 1653–1866, S. 267–271 (im Dritten Kapitel: Die Restauration der Universität im Jahre 1653, S. 225–298). Der neue Hauptvertrag vom 14. April 1648 hatte noch eine gemeinsame Verwaltung der Universität Marburg durch beide hessische Linien vorgesehen, wobei, da Oberhessen mit Marburg ein mehrheitlich lutherischer Landesteil war, – wie es auch Art. VII § 2 IPO vorsah – der lutherische Teilhaber Hessen-Darmstadt die Professoren der Theologie und Philosophie ernennen sollte. Hessen-Kassel, dem ein Nominierungsrecht nur für die Professoren der Jurisprudenz und Medizin blieb, fühlte sich dadurch benachteiligt, weshalb die Option des Hauptvertrags (Lünig: Das Teutsche ReichsArchiv [Bd. 9], hier S. 900f.) zur Separation der Universität in einem Vergleich vom 6. September 1649 (bestätigt am 19. Februar 1650, siehe Kaehler: Die Universität Marburg von 1653–1866, S. 232) zur Aufrichtung jeweils eigener Universitäten genutzt wurde, in

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Westen Oberhessens um die Orte Biedenkopf und Battenberg an HessenDarmstadt ging;298 außerdem erhielt Hessen-Kassel im Westfälischen Frieden endgültig das Gebiet des Stifts Hersfeld299 sowie einen bedeutenden Teil der Grafschaft Schaumburg, von der nach dem Tod des letzten Grafen schon 1640 ein Teil an Hessen-Kassel als Lehnsherrn zurückgefallen war, mit der lutherischen Universität Rinteln.300 In seinem Teil Oberhessens301 und in Schmalkalden musste Hessen-Kassel eine ungestörte Ausübung der lutherischen Religion zusichern.302 Der Erfolg, auf den die hessen-kasselschen Herrscher am längsten

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Marburg auf der Grundlage der vorkonfessionellen Privilegien Kaiser Karls V. aus dem 16. Jahrhundert, so dass an der hessen-kasselschen Landesuniversität Marburg künftig auch reformierte Theologen lehren konnten (die Überlegungen dazu schildert Kaehler: Die Universität Marburg von 1653–1866, S. 231–253). Der neue Haupt- und Friedensvertrag zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt vom 14. April 1648, zustandegekommen unter Vermittlung Herzog Ernsts I. »des Frommen« von Sachsen-Gotha, findet sich in der Ausfertigung für Hessen-Kassel in: StAM Urk. 5, Nr. 148 (abgedruckt bei: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 899–905 (Nr. L), zur anhand der Einkünfte erfolgten Teilung Oberhessens S. 899f.; zur Teilung Oberhessens siehe auch Beck: Der Hessische Bruderzwist, S. 74f.); der Hauptvertrag wurde dem Westfälischen Frieden einverleibt durch Art. XV, § 13 IPO = § 58 IPM; siehe dazu Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 37 (daraus die statistischen Angaben und der Begriff »Hinterland«); Demandt: Geschichte des Landes Hessen, S. 261f. Art. XV § 2 IPO = § 49 IPM. Zum Anfall der Grafschaft Schaumburg mit den bisher vom Hochstift Minden innegehabten Ämtern Schaumburg, Bückeburg, Sachsenhagen und Stadthagen an Hessen-Kassel: Bettenhäuser: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongress, S. 90–97 mit der in der zugehörigen Anm. 299 angegebenen Literatur; die Regelung im Westfälischen Frieden: Art. XV § 3 IPO = § 50 IPM. »Betreffend […] den Punctum Religionis […] so viel die Lande des Ober-Fürstenthumbs Casselischen Theils betrifft«, siehe den Hauptvertrag zwischen Hessen-Kassel und HessenDarmstadt vom 14. April 1648, in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 901f. Hollenberg: Krieg und Frieden, S. 40. »Bey einführung des exercitij reformatae religionis« zu Schmalkalden wurden am 19. Dezember 1648, mitunterschrieben von dem Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt, »zwieschen beyderseits confessionen theologis, in ahnwesenheit der fürstlichen heßischen deputirten«, unter Mitteilung an die Deputierten des Rats und die gemeinen Vormünder, einige Punkte zur Regelung praktischer Aspekte des Zusammenlebens von Lutheranern und Reformierten in der Stadt (Benutzung welcher Kirche, Besoldung des Rektors der reformierten Schule etc.) verabschiedet (»unverfänglich communiciret, zu papier gebracht«): StAM 318 Kassel, Nr. 1445 (Abschrift), auf der Grundlage des zum Hauptvertrag zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt vom 14. April 1648 am selben Tag getroffenen Nebenrezesses (StAM Urk. 5, Nr. 149; Extrakt der Rahmenregelungen dieses Nebenrezesses zum Umgang mit Bikonfessionalität in der zurückgegebenen Niedergrafschaft Katzenelnbogen sowie in der Herrschaft Schmalkalden, in StAM 22 a 1, Nr. 295), siehe hierzu Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 256, 260f., 263f. In StAM 22 a 1, Nr. 186 findet sich eine zugunsten der Reformierten umfangreich kommentierte Abschrift einer Eingabe von Bürgermeister, Rat, gemeinen Vormündern und der »gesampte[n] ChristLutherische[n] Evangelische[n] Bürgerschafft« zu Schmalkalden an die Regentin Amelie Elisabeth vom 28. Dezember 1648 ebenso wie das Protokoll einer Kommission vom 27. November bis 2. Dezember 1648 zur Vorbereitung des Abschieds zwischen den Theologen.

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hingearbeitet hatten und der schließlich der resoluten Landgräfin gelang, war die reichsrechtliche Anerkennung der Reformierten im Westfälischen Frieden als dritte vom Augsburger Religionsfrieden geschützte Konfession.303 Nach dieser fordernden Regentschaft übergab Amelie Elisabeth am 25. September 1650 die Herrschaft an ihren inzwischen 21jährigen Sohn Wilhelm VI.304 In der nun bikonfessionellen Landgrafschaft war Wilhelm VI. auf Versöhnung der beiden evangelischen Konfessionen bedacht. Diese neue Linie, mit der sich die an die fürstliche Protektion des Reformiertentums gewöhnten Geistlichen erst anfreunden mussten, wurde vor allem in den erneuerten Kirchen- und Schulordnungen der Jahre 1656/57305 sowie in dem Kasseler Religionsgespräch 303 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 222; Bettenhäuser : Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongress, S. 51–54; die Regelungen im Westfälischen Frieden: Art. VII § 1 (Einschluss der Reformierten in den Religionsfrieden; Verbot des ius reformandi der etablierten öffentlichen Religionsausübung, sollte der Landesherr von einer evangelischen Konfession zur anderen, bisher nicht in einem von ihm regierten Land eingeführten, wechseln) und § 2 (Zulassung von dem Landesherrn folgenden Bekenntnisgemeinden in Gebieten mit anderskonfessioneller Mehrheit bei selbstständiger Finanzierung) IPO = § 47 IPM sowie Art. XV § 1 IPO = § 48 IPM (ausdrücklicher Einschluss des Hauses Hessen-Kassel und aller seiner Diener in den Religionsfrieden gemäß Art. VII § 1 IPO). 304 Puppel: Die Regentin, S. 232f.; zur Regierung Wilhelms VI., Philippi: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel, S. 1–9. 305 Zu diesem »Gesamtpaket« gehören: die Unterschulordnung vom 7. Juli 1656 (HLO II, S. 320–336); die Reformationsordnung in Kirchen- und Policey-Sachen aus dem Jahr 1656 (zur Revision der Ordnung von 1572) (»Ordnung Vnd Reformation, Vnser von Gottes gnaden Wilhelm [VI.], Landgraffens zu Hessen […], Wie es in vnsern Fürstenthumben, Graff- und Herrschafften, nicht allein im Kirchen-Regiment von vnsern Visitatoren vnd Predigern, mit der Lehr, ihrem Leben und Wandel, Visitation der Pfarrer, Annehm- und Beurlaubung derselben, übung des Catechismi bey den Conventen und dergleichen: Sondern auch sonsten in andern zu Abschaffung allerhand Aberglaubens, Rotten und ärgerlichen Lebens, auch Beförderung Christlicher Zucht und Erbarkeit, vnd Erhaltung guter Policey dienlichen Stücken, als mit Cristallensehern, Zauberern, Wiedertäuffern, Kirmessen, Sontagstäntzen, Gottslästern vnd Vollsäuffern, auch in etlichen Ehefällen, vnd mit Straff der Vnzucht vnd Ehebruchs gehalten werden sol«), HLO II, S. 402–432, enthält auf S. 423–432 auch eine »Convents-Ordnung«, zur Abhaltung der Zusammenkünfte der in einer regionalen Klasse unter dem Vorsitz eines Metropolitans zusammengeschlossenen Pfarrer, mit detaillierten Regelungen, u. a. zur censura morum; zu Diskussionen über die künftige konfessionelle Ausrichtung der Landgrafschaft unter dem auf innerprotestantische Versöhnung bedachten Wilhelm VI. führte die »Agenda Das ist: Kirchen-Ordnung, Wie es im Fürstenthumb Hessen mit Verkündigung Göttlichen Worts, Reichung der heiligen Sacramenten und andern Christlichen Handlungen und Ceremonien gehalten werden soll« (zur Revision der Ordnung von 1574), die der Landgraf unter dem 12. Juli 1657 mit dem Ziel approbierte, sie auch in den lutherischen Gebieten einführen zu können (HLO II, S. 461–554), in einer scharfen Beschwerdeschrift vom 15. Januar 1657 (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 226–240 [Anhang III]; Original in StAM 22 a 1, Nr. 42 [in diesem Umschlag an dritter Stelle]) äußerte das Kasseler Predigerministerium gegenüber dem Landesherrn seinen Unmut über den Druck der Agende ohne um eine Stellungnahme gebeten worden zu sein, aufgrund der Distanz, die die Gottesdienstgebräuche der Agende zu den reformierten

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von 1661 zwischen Marburger reformierten und Rintelner lutherischen Theologen greifbar.306 Auch Wilhelm VI. war keine sehr lange Regierung vergönnt, 1663 starb er. Da auch er mit dem 1651 geborenen Wilhelm einen unmündigen Sohn hinterließ, trat erneut eine vormundschaftliche Regentschaft ein unter seiner Gemahlin Hedwig Sophie, einer Schwester des »Großen Kurfürsten« Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, zunächst für den prospektiven Thronfolger Wilhelm VII., nachdem dieser kurz vor der Regierungsübernahme 1670 starb, für den künftigen Landgrafen, den 1654 geborenen Carl,307 der die Regierung 1677 selbst übernahm und bis zu seinem Tod 1730 ausübte.308

Kirchen schafften, was sie vor allem dem Einfluss Hütterodts zuschrieben, in dessen Bezirk sich noch einige lutherische Traditionen erhalten hatten, indem sie darüber klagten, »daß der superintendens von Eschwege der direction in allem sich anmaßet« (Heppe: Verbesserungspunkte, S. 227), zum Zustandekommen der bisher genannten Ordnungen siehe Heppe: Kirchengeschichte II, S. 96–106 sowie Ders.: Verbesserungspunkte, S. 181–240 (»Zweite Abteilung. Die Umarbeitung der hessischen Kirchenordnung (1655–1657).«), Ders.: Die Verfassung der evangelischen Kirche, S. 31–41 (»§ 9. Die reformirte hessische Kirchenordnung von 1657 und die fortschreitende Ausprägung der landesherrlichen Episcopalgewalt in der Verfassung der hessischen Kirche.«), Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 74f., zur Mitarbeit des Kasseler Superintendenten Neuberger : Brunner: Theophilus Neuberger, S. 580–583, siehe dazu auch die archivalische Überlieferung in StAM 22 a 1, Nr. 42 sowie in StAM 22 a 3, Nr. 781; weiterhin die Presbyterial- oder Ältestenordnung vom 1. Februar 1657 (»Welchergestalt, zu Abschaffung eingerissener Argernüß, vnd Pflantzung wahrer Gottseligkeit, im Eltisten Rath nach Christi Befehlch verfahren, vnd was darin verrichtet werden sol.«), in: HLO II, S. 434–442, womit die Presbyterialordnung aus dem Jahr 1630 erneuert wurde (HLO II, S. 45–51); schließlich die geänderte Konsistorialordnung vom 12. Juli 1657 (»Wie es mit Vnserem zu Cassel besteltem Consistorio vnd Senatu Ecclesiastico gehalten, vnd was von demselben in Geistlichen vnd denselben anhangenden Sachen verrichtet vnd verhandlet werden soll.«), in: HLO II, S. 445–461; alle Ordnungen zusammen wurden am 1. Dezember 1657 den Metroplitanen zugesandt, die dafür Sorge zu tragen hatten, dass sie am 27. Dezember 1657 »in allen Kirchen von der Kanzel herab den Gemeinden des Landes mittelst eines Ausschreibens des Konsistoriums bekannt gegegeben, und vom 1. Januar 1658 an in Gebrauch genommen« wurden (Heppe: Kirchengeschichte II, S. 102f.). 306 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 222–230; Maurer: Bekenntnisstand, S. 62–65; zu dem Kasseler Religionsgespräch vom 1.–9. Juli 1661 und dessen Folgen ausführlich: Vilmar : Confessionsstand, S. 264–274; Zeller : Die niederhessische Irenik, S. 137–140. 307 Philippi: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel, S. 10–14. 308 Puppel: Die Regentin, S. 236–277 (»›alles was ich gethan, nicht viel geachtet wird‹ – Hedwig Sophie von Hessen-Kassel (1623–1683, reg. 1663–1677)«); zu Landgraf Carl: Philippi: Landgraf Karl von Hessen-Kassel sowie Ders.: Die Landgrafschaft Hessen-Kassel, S. 15–53.

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3.

Die räumliche und organisatorische Gliederung der Kirchenverwaltung in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im Untersuchungszeitraum

a)

Superintendenturen

Nach dem Tod Landgraf Ludwigs IV. von Hessen-Marburg und der Aufteilung seines Landes unter die beiden noch übrigen Linien 1604/5 gab es in HessenKassel vier Superintendenturen: Kassel, Rotenburg (zu dieser Zeit, unter Georg Reinmann, mit Sitz in Eschwege), Marburg und St. Goar. Der alte lutherische Superintendent Heinrich Leuchter hatte im Zuge der Einführung der Verbesserungspunkte in Marburg 1605 zusammen mit den Theologieprofessoren Mentzer und Winckelmann die Stadt verlassen. An Leuchters Stelle rückte 1606 der Ziegenhainer Metropolitan Valentin Schoner. Als Schoner am 13. August 1611 starb,309 wurde Andreas Peter Kind sein Nachfolger, nach dessen Tod am 26. Juli 1614310 übernahm Daniel Angelocrator (Engelhard) das Amt des Marburger Superintendenten.311 Als 1623 durch Urteil des Reichshofrats HessenKassel seinen Anteil am Erbe Ludwigs IV., das Oberfürstentum Kasselischen Anteils mit Marburg, vollständig an Hessen-Darmstadt verlor, musste auch Angelocrator seinen Posten räumen, der damit der letzte reformierte Marburger Superintendent war. Die Arbeit konzentriert sich daher auf die beiden durchgängig zu Hessen-Kassel gehörenden reformierten Superintendenturen Kassel und Rotenburg. Diese waren in Klassen unterteilt, die sich weitgehend am Zuschnitt der zur politischen Verwaltung eingerichteten Ämter orientierten, ihnen stand ein Metropolitan vor, der in der Amtsstadt, von der die Klasse in der Regel ihren Namen trug, saß. Das Amt Kassel war in drei Pfarreiklassen unterteilt, die später anscheinend selbst zu Ämtern wurden, denen einer der drei Stadtpfarrer als Metropolitan vorstand: auf der Ahna (Metropolitan: der Dekan des St. Martinsstifts und erste Prediger der Freiheiter Gemeinde), auf der Bauna (Metropolitan: der erste Prediger der Altstädter- oder Brüder-Gemeinde) und vor der Neustadt (Metropolitan: der erste Prediger der Unterneustädter Gemeinde).312 »Das Ampt Cassell belangendt, habenn die vorigen superintendenten niemals keinenn classicum conventum angestellet, und ob ich wohl für gehabt (wie ich auch mit dem durchleuchtigen hochgebornen fürsten und herren, Herrn Mauritzen Landtgraffen zu Hessen, meinem gnedigen fürsten und herrn selbst geredt) das ampt in drey classes zu theilen, als die predicanten uf der Ahne in die erste, die uf der Baune in die ander, und 309 Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 315f. 310 Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 7, S. 71 (im Eintrag zu seinem Sohn Paul Andreas Peter Kind als Anmerkung). 311 Zu ihm: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 1, S. 64–62, hier S. 66. 312 Vgl. Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 47, 51, 56.

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die vor der Neuenstatt in die dritte classe, so bin ich doch wegen des boesen unbestendigen wetters, so den herbst uber gewesen, da die leut mit einerndung der frucht zu schaffen gehabt haben, und die pastores gebeten disse sachen zu differiren; und zum andern mit meiner visitation hin und wiedder daran verhindert worden. Wils aber, so Gott will, des nechsten tages ins werck richten, wenn mir mein gnediger fürst und herr so gnedig erscheinen, und wie ichs am fuglichsten angreiffen soll, befehlen wirdt.«

Wie aus diesem Zitat im »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren, so in die superintendentz des bezircks Cassel gehören, abgetheilett sindt« hervorgeht,313 das – nach der Amtszeit der darin genannten Metropolitane und einem Schreiben des Superintendenten Johann Strack – Ende 1608 entstanden ist,314 313 »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren, so in die superintendentz des bezircks Cassel gehören, abgetheilett sindt« (um 1610), StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel), fol. 4rv. Darin, zum Beispiel bei der Besprechung der Klassenkonvente in der ersten Klasse, Homberg (fol. 1r), wird wiederholt verwiesen auf die Anzahl der »pfarrer, deren nahmen und pfarr gesetzet sindt in dem verzeichnus von wehm die pfarren zu lehn gehen«. Dahinter verbirgt sich aller Wahrscheinlichkeit nach das offenbar kurz vorher entstandene »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden« (StAM 22 a 8, Nr. 153 [Kassel]). Darin werden nach der Nennung der Pfarrer und Diakone der drei Pfarreien der Stadt Kassel (Freiheit, Altstadt, Neustadt) und des Hofpredigers (Johannes Kalckhoff), noch ohne Differenzierung nach Klassen, 25 Prediger im »Ampt Caßell« aufgeführt. 314 Deutlich wird dies vor allem aus der Überschneidung der Amtszeit des darin genannten Gudensberger Metropolitans Andreas Scribonius (von 1606 bis zu seinem Tod 1610, zurückrechenbar aus der Übersicht auf einem Blatt, überschrieben: »Succession der Evangelischen Prediger in der Statt Gudensberg ab Anno 1527«, in: StAM 318 Kassel, Nr. 402, die gleiche Zeitangabe findet sich im Pfarrerverzeichnis bei Hilmes LKA Kassel, Findbuch Pfarrarchiv Gudensberg, S. 2), mit der des Kasseler Superintendenten Johann Strack des Älteren (31. März 1608 bis zu seinem Tod am 27. Juni 1612, nach Ledderhose: KirchenStaat, S. 23); dieses »Verzeichnus«, in dem Johann Strack die Details zur Grafschaft Ziegenhain in seiner charakteristischen unordentlichen Schrift eigenhändig eingetragen hat, wie das »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren […]« (StAM 22 a 8, Nr. 153 [Kassel]), in dem er selbst als Pfarrer an der Kasseler Altstadtgemeinde aufgeführt wird – in beiden spricht der Superintendent von sich in der ichForm –, stammen zwar von zwei verschiedenen Händen, gehen aber in ihrer Anlage offenbar auf den Superintendenten Strack zurück. Wenn mit dem Herbst im Zitat der des Jahres 1608, des ersten Amtsjahres Stracks, gemeint ist, dann sind die Verzeichnisse Ende 1608/Anfang 1609 entstanden, zumal ein jüngerer archivarischer Bleistiftvermerk auf dem »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren […]« als Entstehungsort und -zeit nennt: »Cassel vor 1610«. Diese zeitliche Einordnung wird bestätigt durch ein Schreiben des Kasseler Superintendenten Johann Strack an Landgraf Moritz, Kassel 1608 Dezember 30 (praes.: Marburg 1609 Januar 1), StAM 22 a 1, Nr. 265, in dem es heißt: »Auff Ewer F. G. genedigen befelich, habe ich die classes deß ministerij im bezirck Caßell, wie auch in der Graffschafft Ziegenhain, verzeichnet, so mit A signirt Ewer F. [Gnaden] hierbey vertraulich entpfangen werden.. Darbeneben habe ich auch die namen der pastorum, ire pfarren, filialen, und von wehm sie conferirt und verlehnt werden auffgeschrieben undt mit B signirt, dießelbe Ewer F. G. ich in aller underthenigkeit ubersende«. Damit können nur die beiden Verzeichnisse in StAM 22 a 8, Nr. 191 und Nr. 153 (Kassel)

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wurden die drei Kasseler Klassen zu dieser Zeit gerade ebenso eingerichtet wie die in der ehemaligen Grafschaft Ziegenhain liegenden Klassen Ziegenhain (für das Amt Ziegenhain), Treysa (für die Stadt Treysa und das Amt Schönstein) und Neukirchen (für die Ämter Neukirchen, Oberaula und Schwarzenborn), die einst dem Superintendenten in Alsfeld zugeordnet waren.315 Mit der Aufteilung Hessens unter den Söhnen erster Ehe Philipps des Großmütigen 1567 fiel Alsfeld an Hessen-Darmstadt, weshalb die Aufsicht über die geistlichen Angelegenheiten in dem an Hessen-Kassel gefallenen Teil der ehemaligen Grafschaft Ziegenhain dem Kasseler Superintendenten aufgetragen wurde, nominell wurden die Städte und Ämter aber weiterhin separat als zum Ziegenhainer Territorium gehörig geführt, dessen Grafentitel alle hessischen Landgrafen trugen, sodass der Kasseler Superintendent dafür jährlich einen eigenen Betrag von 80 Gulden an Visitiergeld ausbezahlt erhielt. Für die bisher offenbar dem Metropolitan von Ziegenhain unterstehenden Pfarrer wurde mit der Aufteilung in drei Klassen eine überschaubarere Gliederung gefunden. Im »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren […] abgetheilet sind« hat Johann Strack auf der letzten beschriebenen Seite für die drei neu eingerichteten Klassen im Gebiet der ehemaligen Grafschaft eigenhändig die Namen der Metropolitane und die Anzahl der ihnen unterstehenden Pfarrer nachgetragen; am Ende schreibt er, »[…] und stehen der pastorum namen verzeichnet in dem zweiten uberschickten verzeichniß von wem die pfarren im bezirck Caßell zu lehn gehen, mit B signiret«.316 Das »Verzeichniß von wem die pfarren in der Graffschaft Ziegenhain zu lehn gehen«, mit Angaben zu den Kollaturverhältnissen und auch den Namen des jeweiligen Pfarrers, findet sich ebenfalls von Stracks Hand gleich im Anschluss.317 Zusätzlich finden sich die Namen der Pfarrer der Ziegenhainer Klassen aber tatsächlich im mit B signierten »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche gemeint sein, auf deren äußeren Umschlagseiten sich tatsächlich die Kennzeichnung mit diesen beiden Buchstaben befindet. Strack weist auch auf eine bei der Anfertigung der Verzeichnisse aufgetauchte Schwierigkeit hin, die für die damalige Registraturführung aufschlussreich ist: »Mehr nachrichtung habe ich in der eil nicht haben konnen, dan mir nuhr zwey bücher, eines darinnen die kirchenrechnung, daß ander darinnen die besoldung der pfarherrn verzeichnet, sind zugestellet worden, wo aber die bücher so sonst zur inspection gehoren, und die vorigen superintendenten Herr Caspar Kauffunger und Herr Meyer seligen gehabt, hinkommen sind, weiß ich nicht, und thet gleichwoll von noten, daß man dießelben woll uffhube, umb der posteritet willen, und weil sich teglichen der kirchen guter halben hader und zanck erhebet«. Unter derselben Signatur StAM 22 a 1, Nr. 265 findet sich auch ein Schreiben Stracks an Landgraf Moritz, Kassel 1610 Dezember 15, über den Tod mehrerer Pfarrer, die 1610 der Pest erlegen sind, darunter des oben zur Datierung der Verzeichnisse herangezogenen Gudensberger Metropolitans Andreas Scriba (Scribonius). 315 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 125 (unter »Anmerkung«). 316 StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel). 317 StAM 22 a 8, Nr. 192 (Kassel).

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zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden«,318 auf das sonst von dem anderen Stück319 hinsichtlich der Patronatsverhältnisse immer verwiesen wird. Dieses (mit B signierte) liefert eine Übersicht über die Namen aller zu seiner Entstehungszeit Ende 1608 amtierenden Pfarrer und ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Klassen. Neben den genannten Kasseler und Ziegenhainer waren dies: Homberg an der Efze, Borken, Felsberg, Gudensberg, Wolfhagen, Zierenberg, Hofgeismar, Trendelburg, Grebenstein, Zapfenburg mit Gieselwerder (Sitz des Metropolitans wurde Gottsbüren), Bovenden (Herrschaft Plesse).320 Die Herrschaft Plesse im südlichen Niedersachsen, die 1571 infolge des Aussterbens der Herren von Plesse an Hessen-Kassel fiel,321 gehörte zwischen 1626 und 1628 zu den territorialen Pfandschaften Darmstadts auf hessenkasselschem Gebiet und war einer der Teile der Landgrafschaft, die 1627 vertraglich an die Nebenlinie Hessen-Rotenburg abgetreten wurden, der auch die Kollatur über die Pfarreien zukam. In dem oben angeführten, Ende 1608 entstandenen »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren […] abgetheilet sind«, schreibt der Kasseler Superintendent (Johann Strack) zu Plesse: »In der Herrschafft Plesse bin ich noch nicht gewesen, habe ufgehalten, darmit mir jemandt adjungiret würde. Dann die predicanten haben viel hendel mit den pfarrkindern; so sind auch die predicanten den verbesserungspuncten nicht wohl zugethan. Will aber des nechsten tages mich dahin verfuegen, und thun, so viel mir Gott gnadt gibett«.322

Die Pfarreien der Herrschaft Plesse (Bovenden, Angerstein, Spanbeck mit den Filialen Unterbillingshausen und Holzerode, Eddigehausen, dessen Pfarrer zugleich »uf dem Schloß Plessa prediget«, mit der Filiale Reyershausen, und Hö-

318 StAM 22 a 8, Nr. 153 (Kassel). An dessen Ende heißt es nach der Darstellung, wie die Pfarrer der Grafschaft Ziegenhain in Klassen aufgeteilt wurden, »Was ein jeder für filial zu seiner pfarr habe, und von wem, die pfarren in der Grafschafft Ziegenhain zu lehen gehen deßwegen ist mir kein bericht zugestellt worden, Dominus Schonerus wirt deßwegen bericht geben können. / Die pfarherren aber haben zugesagt, mir daß verzeychnüß zu überschicken, will anhalten daß es deß nechsten tages geschehen solle«; die Pfarrer bzw. die Metropolitane haben offensichtlich geliefert. 319 »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren […] abgetheilet sind«, StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel). 320 Dies entspricht auch noch der Aufteilung bei Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 16–153. 321 Dazu und zur Vorgeschichte: Scherwatzky : Die Herrschaft Plesse, S. 6; die Urkunde der Lehensauftragung an Hessen hat ediert, Dolle: Die Lehnsauftragung der Eigengüter der Herren von Plesse an den Landgrafen von Hessen im Jahre 1447. 322 »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren […] abgetheilet sind«, StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel), fol. 4r. Zur Einführung der Verbesserungspunkte in der Herrschaft Plesse siehe: Mager: Die zweite Reformation in den Plessedörfern und die dabei in Kraft gesetzten Gesangbücher, sowie Cuno: Die reformierten Gemeinden der Herrschaft Plesse und des Amtes Neuengleichen in Gegenwart und Vergangenheit.

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ckelheim)323 tauchen wiederholt in den Diensttagebüchern der Kasseler Superintendenten Paul Stein und Theophil Neuberger auf;324 die Einführung der reformierten Konfession durch Hessen-Kassel hat im Bekenntnis der evangelischen Gemeinden dort bis heute ihre Spuren hinterlassen.325 In der Superintendentur Rotenburg waren die Klassen in solche »An der Werra« und solche »An der Fulda« eingeteilt. »An der Werra« (»jenseit des Meißners«) lagen die Klassen: Schmalkalden, Vacha, Eschwege326, Allendorf, Witzenhausen. Und »An der Fulda« (»disseit des Meißners«) lagen die Klassen: Hersfeld, Rotenburg, Sontra, Spangenberg, Melsungen, Lichtenau, Waldkappel.327

323 »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden«, StAM 22 a 8, Nr. 153 (Kassel), fol. 13r. 324 So heißt es z. B. im Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1628 im dritten Eintrag zum 20. Februar: »Pfarher zu Spanbeck, Hanewacker, lieffert einen schrifftlichen bericht ein, wegen einer schmehpredigt, so Sebastian Trawbott, pfarrherr zu Eddigehausen in der Herrschafft Plesse, auff den Sontag Septuagesima gehalten haben soll. Ist fürstlicher regierung zugeschickt worden«, und im 8. Eintrag zum 3. April: »Secretarius Arnold lieffert Justi Hanewackers, Pfarhers zu Spanbeck supplication, darinnen er umb die pfarr Boventen oder Eddigehausen anhelt, neben der beiden gemeinen zu Boventen und Angerstein an Ihre F. Gn. gethanen intercession ein, mit befehl, dieselbe bei die Plessische acta zu legen«. 325 So zählen, außer in Höckelheim, die evangelischen Kirchengemeinden der genannten Orte bis heute zur Evangelisch-reformierten Kirche, einer eigenen Gliedkirche der EKD. 326 Die Klasse Eschwege war dreigeteilt und wird so auch in allen Pfarrerkatalogen im Diensttagebuch Hütterodts aufgeführt, siehe für 1660, DTB S. 1722. Die Ordnung dieser Einteilung erhellt aus dem von Hermann Fabronius geschriebenen Einkünfteregister des Superintendenturbezirks Rotenburg aus dem Jahr 1624 (»New summarisch Register undt verzeuchnis der Pfarr- undt Castengüter, der Superintentz Rotenbergk wie dieselbigen im Jahr Christi 1624 von den Metropolitanis undt Pfarrern uberschickt, undt ihnen theils zu besoldung, theils zur kyrchen noturft angewendet werden«, KKAE Best. 1, Nr. 34). Eschwege, die dritte Klasse an der Werra, ist dort unterteilt in: »a) 1. Orden: Stadt [Eschwege], Ambt Billstein undt Ringaw. […] b) 2. Orden: Wanfridt undt Trefurdt. […] c) 3. Orden: Gericht Boyneburgk […]«. Eine Zweiteilung findet sich im Konventsprotokoll der Klasse Eschwege, KKAE Best. 3, Nr. 204, wo es am Beginn der dort niedergeschriebenen Zusammenfassung der Konventsordnung heißt: »Anno 1659. […] I. Vorbereitung zum Convent. 1. Nachdem diese Claße Eschwege ziemlich groß ist, so ist dieselbige in zwey theile, deren eines gegen morgen [= Osten] dieser stadt, das andere gegen abendt [= Westen] gelegen vertheilet worden. 2. Die convente sollen allwege in einem jeden theil bey städten u. dörffer ordentlich umbgehen«. 327 Nach dem von dem Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius eigenhändig angefertigten »Catalogus pastorum. Verzeychnus der pfarrer der kyrchen Gottes im Bezirgk Rotenbergk an der Werra undt Fulda wie dieselbigen im Jahr Christi 1622 angeordnet gewesen seindt«, im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 302–307. Zu den kirchlichen Strukturen im Bereich der Superintendentur Rotenburg siehe auch die übersichtliche und quellenfundierte Darstellung bei Arnold: Kirche in der Region Werra-Meißner, S. 67–72.

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Einleitung

Die Herrschaft Schmalkalden war zwischen 1626 und 1648 territoriales Pfand Hessen-Darmstadts, zunächst als Ersatz für entgangene Nutzungen am Oberfürstentum seit 1604 und nach dem Abschluss des Hessischen Hauptakkords von 1627 gegen eine Ablösungssumme von 100.000 Gulden. Seit der Wiedereinräumung an Hessen-Kassel 1648 waren die reformierten Gemeinden dort einer eigenen Inspektur zugeordnet, reformierter Inspektor von 1648 bis 1668 war Christoph Brandisius.328 Bevor die Herrschaft Schmalkalden 1626 infolge des Reichshofratsurteils und 1627 durch den Hessischen Hauptakkord HessenDarmstadt als Pfandschaft eingeräumt wurde, gehörte sie seit dem Anfall an Hessen-Kassel 1583 als reguläre Klasse zur Superintendentur Allendorf/Rotenburg.329 Allerdings scheinen auch nach der Einrichtung der Inspektur 1648 die Rotenburger Superintendenten die Herrschaft Schmalkalden weiterhin als aufsichtsrechtlich zu ihrer Superintendentur gehörig empfunden zu haben, vor allem Hütterodt, der auf die Aufforderung des Konsistoriums, »ein verzeichnus aller unter seiner inspection gelegenen pfarren, wie die itzige pfarhern heißen undt wer bey ein oder andern pfarr die collatur habe«,330 selbiges mit dem Bemerken überschickte, »daß ich Schmalkalden ausgelassen, weil ich keinen modum inspectionis erlangen könne undt allenthalben hindergangen werde«.331 Im Pfarrerverzeichnis des Jahres 1657 im Diensttagebüch Hütterodts blieb die »Classis Schmalkaldensis ad Vierram« leer,332 für 1659 steht dort »vacat«333 und 1660 »Quiescit«.334 Dasselbe ist auch für die Klasse Hersfeld vermerkt,335 wäh328 Zu ihm kurz: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 261. 329 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 255–275, dort wird schon der infolge des Reichshofratsurteils von 1626 vertriebene Schmalkaldische Stadtpfarrer Sebastian Herrnschwager als »reformirte[r] Inspector« bezeichnet (S. 256), so auch Bach: Kirchenverfassung, S. 133f. (»Reformirte Inspectoren zu Schmalkalden«). Während der hessen-darmstädtischen Pfandschaft heißt es daher zu Beginn des von Hütterodt angelegten »Catalogus pastorum Dioeceseos Rotenbergensis Ao 1638 5. Novembris« konsequent: »An der Werra. Die Claß Schmalkalden ist unter anderer Herrschaft« (Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 385–388, hier S. 385). 330 So im offensichtlichen Konsistorialprotokoll, »Actum den 27. Junij [1]651«, Punkt 8: »Dem superint. zu Eschwege soll geschrieben werden, daß er […]« mit dem Randvermerk: »Exped[ier]t«, ein beidseitig beschriebenes Blatt, StAM 22 a 1, Nr. 283. 331 DTB Hütterodt, S. 1025, Eintrag zum 6. Juli 1651; siehe auch die Zusammenstellung bei Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 53f. 332 DTB Hütterodt, S. 1378. 333 DTB Hütterodt, S. 1556. 334 DTB Hütterodt, S. 1722. 335 Vollständig wurde die Stadt und das Stift Hersfeld als eigenständige Inspektur 1673, nach dem 1672 erfolgten Tod des Superintendenten Hütterodt, aus der Superintendentur Rotenburg herausgelöst; die Mitteilung des Konsistoriums vom 14. Januar 1673 an den Allendorf-Rotenburger Superintendenten und Schmalkalder Inspektor Hieronymus Wetzel, dass es dem Rektor des Hersfelder Gymnasiums, Johann Daniel Crugius, neben der bisher schon innegehabten Inspektion über das Stift auch die über die Stadtkirche zu Hersfeld und die drei dieser inkorporierten Dörfer Schenklengsfeld, Hilmes und Cruspis übertragen

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rend in den Verzeichnissen für die Jahre 1649336 und 1653337 im Diensttagebuch die Namen für Pfarrer und Diakone der Klassen noch eingetragen waren. Beide Klassen wurden also weiterhin als zur Superintendentur Rotenburg gehörig empfunden, nur dass die Aufsichtsfunktion über diese im Moment anderweitig wahrgenommen wurde.338 Allerdings scheint über das Verhältnis der Superintendentur zu den Inspekturen auch bei Konsistorium und Regierung Unklarheit geherrscht zu haben.339 In einem eigenhändig von Hütterodt verfassten »Memoriale uber etliche gravaminum des Rotenbergischen Becircks«, datiert Kassel, am 1. Dezember 1654, heißt es unter Punkt 2: »Da dem superintendenten zu Eschwege, die inspection zu Schmalkalden von alters gebühret hat, auch von newem in anno 1648 schrifft- undt mündtlichen anbefohlen worden, gleichwohl aber alle verordnungen immediate vom f[ürstlichen]. consistorio an den inspectorem Brandisium abgegangen, darüber dan der superintendens bey u. gn. f. u. herren umb instruction, wie die visitatio zu Schmalkalden geschehen solle, unterthänig nachgesuchet undt von Aprili 1652340 biß daher noch keine resolution erfahren hat, alß suchet derselbige nachmals ein decretum undt instruction, wornach er sich zu richten«.341

In dem einliegenden Antwortentwurf des Konsistoriums vom 8. Dezember 1654 heißt es dazu unbestimmt: »Ad 2. beschwert sich superintend. uber die exclusion von der inspection zu Schmalkald. Resol. bliebe bey dem, wie es bißhero alda damit gehalten worden«.342 Irritierend mag der Wechsel der Sitze der Superintendenten an der Fulda und Werra sein, zwischen Rotenburg, Allendorf und Eschwege. Ledderhose weist in seinem »Kirchen-Staat« darauf hin, man habe »das unveränderte Principium,

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habe, findet sich einliegend zwischen Buchblock und Rückdeckel des Verzeichnisses »Pfarrlehen und geistliche Beneficia betreffendt« in KKAE Best. 1, Nr. 32. Zum Umfang und zur Struktur der Inspektur Hersfeld, Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 235–254, dort S. 236 auch zu dem Vorgang von 1673; Classen: Die kirchliche Organisation Althessens, S. 279, 292; siehe auch den kurzen Hinweis bei Heppe: Kirchengeschichte I, S. 312 Anm. 3. DTB Hütterodt, S. 779. DTB Hütterodt, S. 1153f. Zum territorialen Zuschnitt und zur Entwicklung der Superintendentur Rotenburg konzise und mit weiterführenden Hinweisen: Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 51–54. Siehe DTB Hütterodt, S. 801, 924, 1080. DTB Hütterodt, S. 1080: »26. 27. 28. 29. 30.ten April: Zu Cassel gewesen, […] d) Im F. Consistorio tractirt. 1. Schmalkaldische inspection, deswegen an I. F. Gn. ein schreiben eingegeben«. StAM 22 a 3, Nr. 777 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. Rotenburg betr. Einige Gravamina des Rotenburgischen bezirck namentl. die Schmalkalder Inspection, Bestellung von Pfarrern, Pfarreiabgrenzungen, Gottesdienst bei denen von Adel, jüdische Synagogen. 1654.«). StAM 22 a 3, Nr. 777.

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daß so wenig eine Superintendentur als ein Metropolitanat, nothwenig jederzeit bey einer gewissen Stelle bleiben müsse«.343 Die von Hütterodt seit dem 4. November 1638 verwaltete Superintendentur wurde 1531 durch die Kirchendienerordnung mit der Einrichtung dieses Amtes in Rotenburg begründet,344 ihr erster Inhaber Georg Möller/Molitor war bereits Prediger in Rotenburg, ebenso wie sein Nachfolger 1542 Jost Winter.345 Dessen Nachfolger, Christian Grau oder Gravius, war, als er 1557 Superintendent des Bezirks wurde, Pfarrer in Allendorf an der Werra, weshalb ihm erlaubt wurde, sein Amt von dort auzuüben.346 Graus Nachfolger, der 1595 zum Superintendenten gewählte Georg Reinmann, war seit 1579 erster Pfarrer an der Katharinen-Kirche in der Eschweger Neustadt, wechselte 1603 in derselben Funktion an die Eschweger Altstadt- oder Marktkirche St. Dionysius und nahm also sein Superintendentenamt von Eschwege aus wahr.347 Als 1622 Johannes Kalckhoff, zu dieser Zeit Dekan und erster Pfarrer an der Rotenburger Stiftskirche, an die Stelle des wegen Alters und Krankheit zurückgetretenen Superintendenten Reinmann trat, wechselte der Sitz der Superintendentur wieder an ihren ursprünglichen Bestimmungsort Rotenburg,348 nach dem sie weiterhin benannt wurde. Auch Kalckhoffs Nachfolger Hermann Fabronius, der schon nach der Ernennung Kalckhoffs zum Superintendenten ihm als Adjunkt beigegeben wurde und seit 1605 bis Ostern 1623 erster Pfarrer 343 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 150 (bei der Vorstellung der Klasse Bovenden). Dass es eine Residenzpflicht zumindest in dem Superintendenturbezirk gab, dem man vorstand, geht – wenn auch offensichtlich scheinend – ausdrücklich hervor aus der Kirchenordnung von 1566, wo es heißt, wenn ein Pfarrer aus einem anderen Bezirk zum Superintendenten erwählt würde, »soll er seine kirche, da er zuvor residirt, mit einem andern geschickten diener versehen und bei der kirchen, darüber er zu einem superintendenten verordnet, seine wonung haben« (EKO Bd. 8, S. 191 linke Spalte oben). 344 EKO Bd. 8, S. 71–74. 345 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 157. Eine Abschrift des »Credentz brieff[s]« für Jost Winter, dass die Untertanen und Beamten des Superintendenturbezirks ihn unterstützen und ihm gehorsam sein sollen, ausgestellt von Landgraf Philipp in Kassel am 17. Oktober 1542, findet sich im »Copialbuch« in StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 2r. 346 Zu Christian Grau: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 108f. Der »Bestallungs brieff oder Credentz«, ausgestellt in Kassel am 1. Dezember 1557, mit dem Landgraf Philipp Christian Grau zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg ernannte, findet sich abschriftlich in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 2rv, sowie ebenfalls abschriftlich, wahrscheinlich als Muster gedacht, in StAM 22 a 8, Nr. 194 (Kassel) als letztes Stück im Umschlag mit der Aufschrift »Betr. deß Casselischen Herrn Superintendentens Bartholomei Meyerß hohen alterß halber Erlaßung deß Predig Amptß undt künftige Dr. Schönfeltß bestellung an deßen statt undt desselben besoldung de Anno 1600. Item Die außschreibung eineß Synodi auf Exaudi ejusd[em]. anni«. Im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 167 heißt es: »Anno Christi 1595 hatt Christianus Gravius unserm gnädigen fürsten undt herrn das Superintenden ambt resigniret undt übergeben«, er starb am 15. März 1600 in Allendorf. 347 Zu Georg Reinmann: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 276f. 348 Zu Johannes Kalckhoff: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 164.

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an St. Katharina in der Eschweger Neustadt war, übte, als ihm nach dem Tod Kalckhoffs 1623 selbst das Amt eines Superintendenten übertragen wurde, dieses von Rotenburg aus.349 Im »Synodal-Buch, darinnen die Synodi, examina undt namen der Pfarrer der kyrchen Gottes des bezirks Rotenberg in Hessen verzeichnet undt auffgeschrieben seindt« findet sich die Zusammenfassung eines Befehls Landgraf Moritz’ den Ort der Superintendentur betreffend, der aus der Kenntnis der bisher vollzogenen Wechsel verständlich wird: »Bericht vom Superintenden Ambt. Anno Christi 1621 hatt M. Georgius Reinmannus sein Superintenden ambt resigniret, es ist aber das selbige aller erst hernach über ein jahr wieder bestellet worden. Undt hatt unser gnädiger fürst undt herr L. Moritz in Heßen es vor rathsam gehalten, daß – nachdem von zeiten Gravii seligen welcher von Allendorf nicht gern abziehen wollen, es diesen orts verwaldet, undt bei antritt Reinmanni albereit ein Decanus zu Rotenbergk gewesen – der Superintenden sitz wiederumb nach Rotenbergk, bey dem Stifft, dahin es von alters geordnet, verwendt, undt derjenige, welcher zum Superintenden gewehlet wörde, auch zugleich des Decani ambt bedienen sölle.«350

Mit der Ernennung des Allendorfer Pfarrers und Metropolitans Caspar Josephi 1634 zum Superintendenten wurde das Amt erneut von Allendorf an der Werra aus ausgeübt. Dort wurde 1638 auch Johannes Hütterodt gewählt, damals erster Pfarrer an der Eschweger Altstadtgemeinde und Metropolitan der Klasse, mit dem das Amt nach Eschwege zurückkehrte. Nach seinem Tod 1672 wurde mit dem Superintendentenamt der reformierte Inspektor der Herrschaft Schmalkalden, Hieronymus Wetzel, ein Neffe des 1658 verstorbenen Kasseler Superintendenten Thomas Wetzel, betraut, der 1676 als Metropolitan nach Allendorf wechselte.351 Von da an wurde die Superintendenz »ahm Werra- und Fuldastrom«352 künftig von Allendorf aus verwaltet.353 349 Zu Hermann Fabronius: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 79f.; Strieder: Gelehrtenund Schriftsteller-Geschichte, Bd. 4, S. 48–66. 350 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 296, der Text steht auf einem Blatt, mit dem der ursprünglich auf dieser Seite geschriebene Text überklebt wurde, die übergeklebte Seite ist aufgerissen und der darunter stehende Text, der eine ausführlichere Variante bietet, teilweise lesbar. 351 Zu Hieronymus Wetzel insbesondere: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 17, S. 11–13. 352 Landgraf Moritz von Hessen-Kassel an die zur Wahlsynode nach Rotenburg verordneten Marburger Konsistorialräte, Breitenau 1622 Oktober 3, StAM 315 a, Nr. 31 [6. Stück von vorn im Konvolut]. 353 Zu allen genannten Superintendenten siehe die Übersicht bei Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 156–162; zu ihren Amtszeiten und Sitzen auch Arnold: Kirche in der Region WerraMeißner, S. 53–55.

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Einleitung

Metropolitane, Klassen und Klassenkonvente

Einen Einblick in die Entstehung des Amtes der Metropolitane und die Motivation zu dessen flächendeckender Einführung gewährt ein Musterbrief auf der Grundlage eines Schreibens Landgraf Wilhelms IV. vom 16. Februar 1570 zur Beauftragung eines Pfarrers mit der »neben inspection uber ewere benachbarte pfarherrn, schulen, kasten und spittal« in der Stadt Witzenhausen mit samt dem Gericht Ludwigstein.354 Dieser Pfarrer sollte in Abwesenheit des Superintendenten ein Auge auf Lehre, Leben und Wandel der Pfarrer, Schulmeister und anderen Kirchendiener haben und insbesondere zusammen mit den Beamten die Abhörung der Spital- und Kastenrechnungen vornehmen. Den Anlass dazu bot die Arbeitsbelastung des von 1557–1595 amtierenden Superintendenten und Allendorfer Pfarrers Christian Grau/Gravius, der um Erleichterung gebeten hatte, um über seinem Superintendentenamt nicht seine Pflichten als Pfarrer vernachlässigen zu müssen: »[…] [E]s hat unß unser superintendens zu Aldendorff Christian Grau nun zu etlichen mahlen underthenig anbringen und berichten lassen, daß er von wegen grösse des zircks, so ihm zu verwalten befohlen, seine pfarrkirch zu Aldendorff, dero er gleichwol eher und zuvor, dan er von unserm herrn vater [Philipp dem Großmütigen, A. J.], löblicher gedechtnuß, zum superintendenten verordnet, vorgesetzt gewesen, nicht mit geringem beschwerden seines gewissens, mit dem vielfaltigem umbreisen und visitiren verseumen müste, und derwegen umb ermelter ursachen, und darbeneben auch seines leibs gelegenheit willen, underthenig gebeten, ihme etliche aus unsern pfarherrn in seinem bezirck seßhafft zu undersetzen, welchen beneben und mit ihme die sonderbare inspection uf ihren benachbarten pfarherrn befohlen werden möchte, in aller massen dan dasselbige hiebevor in unsers herrn und vaters, löblicher gedechtnuß, visitation ordnung christlich und wol verordnet gewesen, und es auch biß anhero im circk Cassell etliche jahr hero gehalten worden.«355

Wilhelm IV. hieß das Ansuchen seines Superintendenten gut und forcierte daraufhin offenbar die Bestellung solcher nachgeordneter Inspektoren im Bereich der Superintendentur Allendorf-Rotenburg.356 Mit dem pauschalen 354 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 2v–3r (Abschrift, überschrieben mit: »Befehlschrifft, betreffende, die besonderbare inspection durch die Metropolitanos«), der genaue Adressat der Vorlage bleibt ungenannt; die Worte »unser Statt Witzenhausen mit sampt dem gericht Ludwigstein« sind unterpunktet und über »Witzenhausen« wie über »gericht Ludwigstein« durch je ein »N. N.« ersetzt. 355 Musterbrief zur Bestallung von Metropolitanen, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 2v–3r (Abschrift). 356 Wilhelm Bach stellt in seiner »Kurzen Geschichte der kurhessischen Kirchenverfassung«, S. 148f. an den Anfang seiner Präsentation ungedruckter Aktenstücke ein dem zitierten gleichlautendes Schreiben, datiert Kassel, am 2. März 1576, adressiert, »Dem Würdigen unserm lieben Getreuen Joanni Wernero Pfarhern zu Sontra«, den Wilhelm IV. darin gleichfalls mit der »Neben Inspection über eure benachbarte Pfarhern« etc. beauftragt

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Hinweis auf die »visitation ordnung« könnte gemeint sein, die »Ordenung wilcher masse hinfür die Visitatores, Pfarher, vnnd yre helffer Diacon, vnd alle Kirchendiener verordnet gehandthabt, vnd im fal, so yrer einer ader mehr vntuglich, lessig ader vngeschickt befunden, abgesatzt werden sollen« aus dem Jahr 1537.357 Darin heißt es zu Beginn des zwölften Abschnitts »Von jarlichen synodis ader versamlung der pfarhern« ganz ähnlich wie in dem zitierten Musterbrief: »Die superintendenten mögen in ihren zirken etliche in stetten oder dorfen untersetzen, die uf ein zal ihrer nachpur pfarhern aufsehens haben, wie sie leren und leben und darvon darnach dem superintendenten bericht zu geben haben«.358

Die »pfarherrn in stedten desselbigen zirks«359 spielen für die Superintendenten nach der Kirchenordnung von 1566 als Vermittler gegenüber den »predigern auf dem land«360 eine besondere Rolle. Nach dem praktizierten Verständnis der Kirchenordnung von 1566 wurde der Superintendent von allen Pfarrern eines Bezirks gewählt. Die Kommunikation über den Termin der Wahlsynode und die Mitteilung über an die gesamte Pfarrerschaft zu richtende Gebetsermahnungen wurde aber nur mit den »pfarherrn in stedten« abgewickelt.361 Dazu heißt es: »Es sollen weiter die pfarherren in denen stedten solchs alles fleißig zu wissen tun den andern predigern auf den dörfern, ein jetzlicher denen, so in der nehe gesessen sind; dieweil on das die superintendenten denen pfarherrn in den stedten bevohlen, ein fleißiges aufsehens zu haben auf die kirchen in denen dörfern, so ihnen nahe gelegen, damit die pfarherrn, so auf den dörfern alda umbher wohnen, zu denselbigen in stetten eine zuflucht haben und rat fragen können, so etwas vorfallen würde, darzu sie ihres rats bedörfen. Es sollen sich auch die pastores auf dem lande, so es die notturft erfordert, von diesen vermanen lassen, wenn sie in ihrem ampt nachlessig erfunden, und zur zeit der visitation soll der superintendens die pfarherren in stedten vornehmlich

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(»Bestellung zum Metropolitan ohne den Titel«). Das oben zitierte Schreiben vom 16. Februar 1570 stellt somit einen Beleg für die bereits früher erfolgte Zuweisung von Inspektionsaufgaben an die Stadtpfarrer auch im Bezirk Rotenburg dar. Martin Arnold: Kirche in der Region Werra-Meißner, S. 66 mit Anm. 415 hat das Vorkommen des Begriffs »Met[ropolitanus].« schon in den Unterschriften der Stadtpfarrer von Witzenhausen und Lichtenau als Examinatoren unter einem Bekenntnisrevers vom 4. Oktober 1569 anlässlich einer Sammelordination beobachtet, Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 31; allerdings scheint es, als wären die Zusätze »Met. Witz.« bzw. »Met. Liecht.« nachgetragen worden und stammten nicht von der Hand der Unterschriebenen. EKO Bd. 8, S. 92–100. EKO Bd. 8, S. 99; siehe dazu auch Hassencamp: Kirchengeschichte, S. 549. Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 190 (rechte Spalte, Beginn von Punkt (3) zur Wahl eines neuen Superintendenten). Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 199 (linke Spalte oben). Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 190 (Punkt 3 auf dieser Seite).

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fragen und verhören vom wandel und leben der pastorn in den nechsten dörfern. Zuletzt, so ein schwere sach furfallen würde, der sie nicht abhelfen können, sollen die pfarherrn solche beizeit an den superintendenten oder künftigen synodum gelangen lassen, damit den kirchen und deren selbigen dienern wol vorgestanden werde. Und können diese pfarherrn in den stedten, so viel dies ampt betrifft, recht verglichen werden mit denen, welche man vorzeiten genannt hat chorepiscopos […] und vor etlichen jaren decani rurales seind genant worden«.362

Bei der nach der landgräflichen Bestätigung erfolgenden Einführung oder Ordination des neuen Superintendenten hielt man es dann für »unnötig, daß die pfarherrn uf dem land und in dörfern zu solcher ordination gefordert werden«.363 Vielmehr galt die Regel: »Sobald die pfarherr aus den stetten nach geendtem synodo wiederumb heimkommen, sollen sie den andern predigern auf dem land, so einem itzlichen in der nähe gesessen, alles zu wissen tun, was auf gemeltem synodo verhandelt ist«.364 Auch in der Agende von 1574, im 17. Kapitel »Was die superintendenten in ihren ordentlichen visitationibus fürnemen und verrichten sollen«, werden »pfarherrn und kirchendiener der stedt und dörfer« unterschieden.365 Weiterhin heißt es: »Es soll auch der superintendens allwegen in der visitation ihrer der pfarherrn einen von den dorfen ein predigt in der stadt in seiner und der andern ins ampt gehöriger pastorn gegenwertigkeit tun lassen, auch etzliche under ihnen für den andern allen examiniren, insonderheit die er des unfleißes verdechtig helt, damit sie also zum studiren und bessern fleiß excitirt und angehalten werden«.366

Das kommt der Abhaltung von Klassenkonventen, die mitunter in Gegenwart des Superintendenten stattfanden,367 schon sehr nahe. In der Konsistorialordnung von 1610 schließlich sind die Metropolitane, als den Superintendenten nachgeordnete Inspektoren, ebenso wie die Klassenkonvente auch begrifflich fest etabliert.368 Die Konvente fanden in der Regel zweimal jährlich statt, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. Unter dem Vorsitz des Metropolitans versammelten sich dabei die Pfarrer der Klasse (fratres classici) reihum in einer Pfarrei, einer von ihnen predigte vor allen anderen um danach von ihnen zen362 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 191. Siehe dazu auch die Ausführungen bei Bach: Kurze Geschichte der kurhessischen Kirchenverfassung, S. 40f. (»§. 18. Weitere Ausbildung der hierarchischen Verfassung. Metropolitane.«); Heppe: Kirchengeschichte I, S. 317, 448f. 363 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 193 (Punkt 1). 364 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 199 (linke Spalte oben). 365 Agende 1574, EKO Bd. 8, S. 461 (rechte Spalte). 366 Agende 1574, EKO Bd. 8, S. 463 (rechte Spalte). 367 So dokumentiert im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, für den Herbstkonvent am 25. August 1630 zu Besse (fol. 15rv). 368 Konsistorialordnung 1610, EKO Bd. 9, S. 113 (rechte Spalte).

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suriert zu werden, nach der Predigt fand in der Regel noch eine Katechisation statt, um den Kenntnisstand der Kinder wie der Erwachsenen zu überprüfen, ein anderer hielt eine lateinische Rede über einen vorgegebenen biblischen oder theologischen locus und musste sich anschließend ebenfalls der Zensur seiner Mitbrüder stellen.369 Für die gemeinsame Mahlzeit gaben alle Teilnehmer einen Beitrag,370 wenn die gemeinsame Kasse leer war, musste anscheinend ohne festen Termin neu gezahlt werden; neu eintretende Pfarrer gaben offenbar einen Reichstaler zum Einstand.371 Die Klassenkonvente dienten also der gegenseitigen Überprüfung in Lehre und Leben wie der Besprechung von die ganze Klasse betreffenden Angelegenheiten zur Aufrechterhaltung einer einheitlichen Ordnung. Illustrativ sind hierbei die Feststellungen des Superintendenten Johann Strack über die Abhaltung der Konvente in der Klasse Homberg zu Beginn seines Verzeichnisses, »in was fur classes die pfarren, so in die superintendentz des bezircks Cassel gehören, abgetheilett sindt«, entstanden Ende 1608, als – vielleicht im Zuge der Vorbereitungen der Konsistorialordnung – stärker auf die Abhaltung von Klassenkonventen gedrungen wurde: »Die erste classis ist im ampt Homberg, da ist Metropolitanus M[agister]. Casparus Arcularius, und gehören in solche classem siebenzehen pfarer, deren nahmen und pfarr gesetzet sindt in dem verzeichnus, von wehm die pfarren zu lehn gehen. 1. Diesse kommen des jahrs zweymahl zusamen, uf Ostern, wenn itzo die sommerfrucht ausgestellet, und uf Michaelis, wenn sie eingeerndet und wider ausgeseet haben. 2. Einer aus den predicanten hat ein latinam orationem von einem articul unser christlichen lehr, welchen ihm der Metropolitanus aufgibt, der dann auch zuvor die oration uber sie hett, unnd wo vonnötten verbessertt. Zum dritten, So helt einer unter ihnen ein teutsche predigt fur dem volck, aus dem text, so ihm der Metropolitanus furgeschrieben, von welcher sie dann nach gehaltener predigt freundlich conferiren, unnd wo er vielleicht etwas angestossenn, wirt er besser unterrichtett. Zum virdten wirt auch der predicanten lebenn examiniret, und werden zum fleis in der lehr, und zur gottseligkeit im leben vermahnett. 369 Der erste Klassenkonvent im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, ist unter dem 7. Mai 1629 eingetragen (fol. 12r); eine lateinische Rede wird aber erstmals beim Frühjahrskonvent am 21. April 1630 erwähnt(fol. 13v): »Orationem latinam in anno 1631 Deo nos benH juvante, habebit Dominus Pastor Wernensis« – der Pfarrer von Wehren (Caspar Sternberger, laut Unterschriftenliste fol. 3v). 370 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 12r Vermerk beim Klassenkonvent in Gudensberg am 7. Mai 1629: »Hinfuro soll ein ieder frater 1 12 Kopfst. vor die mahlzeitt auff H. Superintendenten [Paul Stein, A. J.] bevehls zum convent in continenti richtig machen und bezahlen«. 371 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 16r : »Den 16. Maij [1631], alß die herrnn pfarrherrn extraordinariH nacher Gudenspergk zu kommen gefordertt wordenn, haben nach der mahlzeitt beide pfarrherrn zu Geismar und Melrich ihren Reichsthaler pro introitu entrichtet und bezalett«.

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Zu Homberg wahr der conventus classicus lange zeitt liggen blieben, und hatten die prediger uf dem lande uf Herr Casparn [Arcularius, den Metroplitan, A. J.] nicht achten wollen, itzo aber im Novembri habe ichs wider angeordnet.«372

Seit den 1620er Jahren wurde über die Konvente auch Protokoll geführt.373 Dies geht wahrscheinlich auf eine Anregung Paul Steins im Zuge seiner Visitation der Klasse Ziegenhain vom 8. bis 11. November 1622 zurück. Er sorgte dafür, dass die zumeist halbjährlichen Konvente der Pfarrer an wechselnden Orten der Klasse stattfanden, womit zugleich eine Visitation der jeweiligen Pfarrei durch die Klassenbrüder verbunden sein sollte; diese Konvente standen in der Regel unter dem Vorsitz des Metropolitans, der das Protokoll unterschreiben und dem Superintendenten zuleiten sollte, damit dieser dem Konsistorium davon referieren könne. Von der noch nicht publizierten Konventsordnung374 wurde den

372 »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren, so in die superintendentz des bezircks Cassel gehören, abgetheilett sindt« (Ende 1608), StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel). 373 Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das Konventsprotokoll (und Kopialbuch) der Klasse Gudensberg (»Protocollum conventus Classis Gudensbergensis ab Anno 1626 ad 1689. Continet igitur acta Annorum 63« [Aufschrift auf dem Vorderdeckel des Pergamenteinbands], tatsächlich bis 1698 geführt, begonnen unter dem seit 1626 amtierenden Metropolitan Martin Happel, auch als Kopialbuch genutzt und angereichert mit aufschlussreichen chronikalischen Einträgen), LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22. Ein weiteres Beispiel ist das Konventsprotokoll der Klasse Eschwege (»Protocollum conventuale classis Eschwegiensis Hassiae ad Vierram ab anno salutis 1622«, geführt bis 1797), KKAE Best. 3, Nr. 204, das aber vor 1659 nur zwei Klassenkonvente nennt, 1622 und 1631 (weitere finden sich im DTB Hütterodts), sowie eine Zusammenkunft 1630 bei der Hütterodt, damals Pfarrer an der Eschweger Neustadtkirche, im Auftrag des Superintendenten Fabronius, »[n]achdem uff ausgegangenen f[ürstlichen]. befehl das jubelfest wegen der Augspurgischen Confession ausgeschrieben«, allen Pfarrern der Klasse, die Treffurter ausgenommen, »nach empfangener instruction auff was weiße u. maaße das jubeljahr zu halten seye denenselben mit mehrerm zu verstehen gegeben«. Der Eintrag zu 1622 spiegelt schon wesentliche Elemente der Konventspraxis wider: »Anno C[hristi]. 1622. Alß den 1ten Octob. dieses jahrs zu Rotenberg M. Johannes Calcovius zum superintendenten u. Hermannus Fabronius pfarrer der Newstat alhier zu einem adjuncto des superintendenten erwehlet worden, hat ehegemelter Herr Fabronius uff gutachten des Herrn Superintendenten Reinmanni, welcher wegen alter u. mangel des gesichts, sein ampt resigniret, einen convent in diesem monat in der Newstadts kirche gehalten, in welchem M. Constantinus Cnyrimius Pfarrer zu Niedernhona De Ministerio Ecclesiastico geprediget, undt haben alle anwesende classici demselben nicht allein in der kyrchen zu seiner adjunctur gratuliret, sondern auch dem colloquio, wie auch der censur u. dem Convivio in dem Newstadts pfarrhause, in der fordersten stuben beygewohnet, u. hat sich Herr Schlingaxtus [Pfarrer zu Röhrda, A. J.] mit seiner Crisi gegen die gradus admonitionum wohl vernehmen laßen«. Zu 1631 heißt es dann: »Anno Christi 1631. In der wochen nach Martini, ist der convent alhier in der Altenstadt kyrche gehalten worden u. hat M[agister]. Christophorus Quast de scriptura sacra geprediget undt in dem colloquio verantwortet u. seyndt nachbeschriebene pfarrer persöhnlich dabey gewesen. […] Summa 18 Pfarrer«. 374 Heppe: Die Verfassung der evangelischen Kirche, S. 30 teilt mit: »[…] im Jahre 1621 ließ Moritz mit einer Conventsordnung und einer Instruction für die Katechisation zugleich

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Pfarrern im Gefolge dieser Visitation mit Zustimmung des Konsistoriums ein »begrieff, wie es etwan in den conventibus classicis zu halten sein möchte, interims weise, bis disfals eine gewisse verordnung geschehe« zugänglich gemacht, um sich bis zu deren endgültiger Veröffentlichung daran zu halten.375 Diese übermittelten vorläufigen Regeln zur Konventsordnung, in deutscher Sprache abgefasst, haben sich offenbar in einem Exemplar erhalten.376 Dieses eine Presbyterialordnung aufstellen, an deren Publication er nur durch äußere Verhältnisse gehindert ward«; siehe auch Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 47f. 375 Eigenhändiges Konzept Paul Steins des Visitationsabschieds zu Ziegenhain vom 8.– 11. November 1622, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 1rv (Punkt »II. Von conventibus classicis«); die Reinschrift in StAM 315 a, Nr. 19 stimmt im Wesentlichen damit überein, in ihr fehlt aber z. B. bei dem zu übermittelnden »begrieff« der leges conventualium das Wort »interims weise«. Der Abschnitt im Konzept lautet wörtlich: »Als dan auch bis dahero järlich zween conventus classici in dieser classe haben pflegen in der vestung Ziegenhain gehalten zu werden, bey welchen conventibus aber doch mehr nicht verrichtet worden, als das einer aus den fratribus classicis eine predigt gehalten, welche hernach von den andern fratribus censurirt, auch darauf eine fraterna collatio von einem gewissen loco communi oder vornehmen puncten unser christlichen religion angestellet worden, so ist es mit den fratribus classicis dahin abgeredet, und es also verordnet worden, das es zwahr bey der anzahl deren zweyen järlichen conventuum bis auf fernere verordnung noch zur zeit gelassen, gleichwohl aber ins künfftige die zusammenkunfft nicht jederzeit an einem ort allein, sondern per vices und in gewisser ordnung bey allen und jeden in diese class gehörigen kirchen angestelt und gehalten werden sollte. Bey welchen conventibus neben der gewöhnlichen predigt und deren censur und collation, zugleich die visitation der kirchen des orts da der convent gehalten wird, und das examen catecheticum der jugend daselbst, wie dan auch censura morum der fratrum classicorum vorgenommen und zu werck gerichtet, auch jederzeit, was bey solchen conventibus classicis vorgefallen und verabschiedet worden, richtig protocollirt, und das protocoll vom praeside des convents und metropolitano underschrieben, dem superintendenten hirvon dem fürstlichen geistlichen consistorio zu Marpurg ferner zu referiren, durch den metropolitanum alsbalt nach gehaltenem convent zugeschickt werden solle. In massen dan den fratribus dieser class auf ihr begehren, weil sie bis dahero keine gewisse leges gehabt, darnach sie sich in solchen ihren classicis conventibus hetten richten können, vertröstung geschehen, das mit vorbewust und bewilligung des fürstlichen geistlichen consistorii zu Marpurg, ihnen zu besserer und mehrer nachrichtung, ein begrieff, wie es etwan in den conventibus classicis zu halten sein möchte, interims weise, bis disfals eine gewisse verordnung geschehe, und ein durchgehende conformitet angerichtet werde, von mihr dem superintendenten zugeschickt werden solle. Und haben die fratres classici sich dahin erklärt, demjenigen, wie obstehet, also nachzukommen, auch jederzeit dem superintendenten von demjenigen, so bey solchen conventibus vorfallen wird, in schrifften umbstendig, mit zuschickung des gehaltenen protocols, zu berichten«. Der zu diesem Punkt positive Bescheid des Marburger Konsistoriums vom 5. Juli 1623 auf den Visitationsabschied zu Ziegenhain findet sich in StAM 315 a, Nr. 19, darin erhält Paul Stein die Erlaubnis, dass er »gemeldtte ordtnung classicorum conventuum […], weil dieselbe vieler obliegenden geschäfft und verhinderungen halber von unserm gn. f. und herrn noch nichtt publicirt, interimsweise den pastoribus zu ihrer nachrichtung woll communiciren« möge. Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel II C 3 (zu »Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien« der Superintendenten, »Visitationen und Visitationsberichte«). 376 StAM 318 Kassel, Nr. 1712 (als zweites Stück einliegend).

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trägt nicht nur eindeutig von der Hand Paul Steins stammende Randbemerkungen und Korrekturen, die zum Teil auf die Abschrift nach einer Vorlage hinweisen, sondern die Fassung erwähnt auch Marburg noch als unhinterfragt zu Hessen-Kassel gehörig und als Sitz des Konsistoriums, sie muss also noch vor dessen Inbesitznahme durch Hessen-Darmstadt im März 1624 entstanden sein. Damit handelt es sich bei ihr vermutlich um jenen »begrieff, wie es etwan in den conventibus classicis zu halten sein möchte«, von dem Paul Stein in seinem Visitationsabschied vom November 1622 spricht. Bemerkenswert ist, dass diese Fassung die wörtliche Grundlage für die Konventsordnung von 1656 bildet; letztere weist, neben einigen Konkretisierungen, nur geringe sachliche oder Anpassungen in der Formulierung sowie an die veränderte konfessionsgeographische Situation und Ergänzungen oder Verschiebungen weniger Passagen auf, außerdem wurden die Sinnabschnitte um Zwischenüberschriften ergänzt.377 Die Konventsordnung von 1656 entstand also schon zu Beginn der 1620er Jahre! Sie war, trotz ihrer offenbar nur handschriftlichen Verbreitung, noch in den 377 Zum Vergleich sei hier der Anfang jener Konventsordnung vom Beginn der 1620er Jahre (StAM 318 Kassel, Nr. 1712) zitiert: »Dieweil die Conventus Classici ein stadtlich mittel, so wohl einigkeit in der lehr alß auch ehrbarkeit im leben zu erhalten, undt den Kirchenbaw tapffer fortzusetzen, seindt, so sollen dieselbe durch unser Furstenthumb undt zugehörigen Graff- undt Herrschafften, wo sie bißhero im brauch gewesen, eiferig undt fleißig hinfuhro gehalten, oder da sie entweder ein zeidt lang underlaßen, oder gar nicht ublich gewesen, ohne einigeß zurucksehen angestellet undt unverenderlich underhalten werden, dergestalt, daß sie in einer jeden classe under den Predigern ordentlich umbgehen, undt also ein jegliche kirche besucht undt hierdurch im Christenthumb erbawet werden möge. / Es sollen aber nach antzahlen der Pfarren in einer jeden Classe mehr oder weniger Conventus jährlichen gehalten werden, Nemblich in vast großen Classibus viere, in mittelmeßigen drey, in den geringsten zum wenigsten zween, also daß innerhalb zwey oder aufs höchste drey Jahren alle kirchen der classis würcklich besucht werden. / Sollten dann die Ampter zu groß undt die Pfarrer zu weit von einander entlegen sein, alß bey den zwo haupt stätten, im Under- undt Oberfürstenthumb, Cassell undt Marpurg, so ist eß dahin zu richten, daß etliche in die stat zum ordentlichen Convent zu kommen verordnet, die ubrigen in ein besondere Classem abgetheilet, undt auß der stat jemandt zum directori Ihnen zugegeben werde«. Die Überschrift des ersten Absatzes sowie der vorletzte und letzte Absatz lauten in der späteren »Convents-Ordnung« von 1656 wie folgt: »§. 1. Von Vorbereitung zum Convent. a) Die Conventus sollen in denen Classen so umgehen, daß eine jede Mutterkirche besuchet werde. […] b) Wie viel und wie offt deren jährlich zu halten? Es sollen aber nach an Zahl der Pfarren in einer jeden Classe mehr oder weniger Conventus Jährlichen, nemlich in den grossen Classibus zween in den andern zum wenigsten einer gehalten werden, also daß in einer jeden Class innerhalb zweyen, dreyen oder auffs höchste vier Jahren alle Pfarrkirchen würcklich besucht werden. / c) Wann die Classen zu gros und die Pfarren zu weit von einander entlegen, wie es einzurichten? Sollten dann die Aempter zu groß und die Pfarren zu weit von einander entlegen seyn, so ist es dahin zu richten, daß dasselbe Ampt in gewisse besondere Classes abgetheilet, die jetzt gesetzte Anzahl der Conventen in einer jeden Classe Jährlich gehalten, und aus den Metropolitanis und primariis der Stadt jemand zum Directore ihnen zugegeben werden« (HLO II, S. 423f., Kapitel 13 der Reformations-Ordnung in Kirchen- und Policey-Sachen, § 1 a, b und c).

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1650er Jahren bekannt, weshalb man sich an ihr als Vorlage für die offizielle Druckfassung orientierte. Die Grundregeln dieser langen deutschen Fassung wurden in sechzehn lateinischen Punkten zusammengefasst, die 1630 handschriflich als »Leges« dem Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg vorangestellt wurden.378 Damit entsprach das Konventsprotokoll einer Vorgabe, die sich ausdrücklich erst in der Konventsordnung von 1656 findet: »Zu solchem ende sol so bald nach Eröffnung dieser Ordnung in einer jeden Claß ein eigen Buch, worin diese Convents-Ordnung voran gebunden seyn soll, gemacht werden, darin zum Anfang alle Namen der Brüder, wo sie dienen, auch zu welcher Zeit sie zu solchem Dienst kommen, ordentlich eingeschrieben, und zu vester Haltung dieser Ordnung verpflichtet werden, auff daß solches Verzeichnüß stets für Augen liege, und die außbleibende desto füglicher gemerckt werden können«.379

Eine verbindliche Form erhielten die Klassenkonvente – zumindest für den Bezirk der Superintendentur Kassel – durch die den Metropolitanen mit Ausschreiben vom 10. August 1647 kommunizierten, in 23 lateinischen Punkten abgefassten »Leges conventuum classicorum«, die sich stark an der bisherigen Konventspraxis orientierten.380 Neuberger wollte damit den »underschiedlich 378 »LEGES Conventuum Classicorum, eorumque actionum in dioecesi Gudensbergensi« in 16 lateinischen Punkten im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, hier fol. 2r–3r ; das Incipit von Punkt 1 lautet: »Duo quotannis […]«; auf fol. 3v–4v haben unter der Überschrift »Subscripserunt omnes et singuli anno 1630 et seqq.« (Kursives nachträglich ergänzt) alle Pfarrer der Klasse Gudensberg bis 1689 eigenhändig unterschrieben, in der Regel versehen zumindest mit dem Jahr ihres Amtsantritts, zum Teil auch mit dem Tagesdatum ihrer Unterschrift, später ergänzt um ihr Todesjahr, das Jahr ihrer Remotion oder den Ort an den sie als Pfarrer wechselten, trotz der Überschrift beginnend mit dem Metropolitan »M. Martinus Happelius pastor in Gudensberg. Anno [16]26 in die AS [Assumptionis Mariae (15. August)?]«, als Zweiter sein Schwiegersohn, Pfarradjunkt und Nachfolger : »Conradus Johrenius, Ecclesiae Gudensberg. Diaconus. die 15 Maij 1633. anno 58. socerk [?] successit in Metropolitanatu«. 379 HLO II, S. 427. In der »Convents Ordnung« (so der Rückvermerk von der Hand Paul Steins, unter dem in einem Quadrangel der Buchstabe »M.« steht) aus den 1620er Jahren heißt es noch: »Undt soll zu solchem endte so bald nach publicirung dieser ordnung in einer Jeden Classe ein eigen buch oder protocol gemacht werden, darin zum anfang alle nahmen der fratrum, wo sie dienen, auch zu welcher zeidt sie zu solchem dienst kommen, ordentlich eingeschrieben werden, auf daß solcher Catalogus stets fur augen liege und die außbleibende desto füglicher gemerckt werden können« (StAM 318 Kassel, Nr. 1712, fol. 3v). 380 Diese verbindlichen »Leges conventuum classicorum« mit dem Incipit (Punkt 1) »Bis in anno […]« (abgedruckt bei Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 1006–1008, dazu auch S. 408–412 [§ 180]) finden sich abschriftlich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 65–68 sowie zu Beginn des Konventsprotokolls der Klasse Borken (1648–1733), LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 23, dessen Führung anscheinend erst im Gefolge dieser Regeln begonnen wurde, unter diesen »Leges Conventuum Classicorum a Reverendissimo Domino Superintendente Theophilo Neubergern praescriptione anno 1647 mense Augusto« haben am 25. Oktober 1648, angefangen mit dem

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bei den conventib. classicis durch unruhige köpffe«, mitunter durch Trunkenheit begünstigten Händeln entgegenwirken. »Wan dan solchem ubel notwendig gewehret, auch wo es noch nicht endstanden, vorgebawet werden muß, als hab ich auf etlicher fratrum sonderlich bitten und anhalten, beikommende leges conventuales ufgesetzet, welche ins protocollum conventuale geschrieben, iederen davon ein copia, ad majorem observantiam gegeben, und fleißig darüber gehalten werden soll. Hetten die metropolitani eines und anders darbei zu erinnern, das zu endern und zu verbeßern were, können sie es den negsten durch ein briefflein thun, so sols in acht genommen werden.«381

In endgültiger Form wurde die Konventsordnung erst als letztes Kapitel der Reformationsordnung in Kirchen- und Policeysachen von 1656 auf Deutsch publiziert, die mit Beginn des Jahres 1658 in Kraft trat.382 Metropolitan Gerhard Stirn, alle Pfarrer der Klasse Borken unterschrieben. Im »Copialbuch« der Superintendentur Kassel, StAM 22 a 6, Nr. 5, finden sich auf fol. 251f. diese »Leges conventuum classicorum« in 23 lateinischen Punkten, die adressiert sind: »Sämptlichen Pfarrern amts Caßell uff der Ahna«, der jeweilige Dekan des Kasseler Martinsstifts war zugleich Metropolitan dieser Klasse, auf fol. 252v finden sich die Kenntnisnahmeunterschriften der Pfarrer von Wolfsanger, Simmershausen, Hohenkirchen, Obervelmar, Heckershausen, Weimar, Dörnberg und Ehlen; die erste Kenntnisnahmeunteschrift des Pfarrers von Wolfsanger ist datiert auf den 30. April 1653 (die letzte auf den 4. Mai), der Superintendent Theophil Neuberger war, nach der Aussage Thomas Wetzels, »mitt-Decanus« des Martinsstifts (undatiert, wahrscheinlich aus der Anfangszeit der Superintendenz Neubergers 1635, StAM 22 a 8, Nr. 156 [Kassel], fol. 11r unter »Zum andern […]«, siehe das umfangreiche Zitat daraus im Rahmen der Biographie Neubergers im Kapitel II »Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher«), ihm oblag offenbar hauptsächlich die Führung der Klasse Ahna, weshalb sich die zurückgelaufene, von den Pfarrern unterschriebene Konventsordnung im von Neuberger angelegten »Copialbuch« der Superintendentur findet. 381 Aus der Abschrift des Begleitschreibens Neubergers zur Übersendung der »Leges conventuum classicorum« vom 10. August 1647 im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 64. 382 HLO II, S. 402–433, hier S. 423–432 (Kapitel 13). Im Konventsprotokoll der Klasse Eschwege, KKAE Best. 3, Nr. 204, heißt es dazu: »Anno Christi 1658. Alß die Renovirte Fürstl. Kyrchenordnung auff den newen jahrstag publiciret u. eingeführet werden sollen, hat der Superintendens M. Johannes Hütterodt auff empfangenen f. consistorial befehlich vor dem weynachtsfest anno 1657 eine zusammenkunfft aller pfarrer dieser claß angestellet u. denselben nicht allein mündlich, sondern auch schrifftliche instruction mitgetheilet, auff was maaß u. weiße nicht allein die ordnunge publiciret, sondern auch in fester observantz unverbrüchlich gehalten werden solle, welches dan alle anwesende mit handgegebener trew in der kyrchen der Altenstadt zugesagt u. verheißen haben undt seyndt hierbey alle pfarrer wie auch Großen Burschel u. Lüderbach, zur stette gewesen, die andern viere aber, nemlich Dreffurt, Falcken, Schnellmanshausen, undt Langula, als welche die Sachsische Kyrchenordnunge haben, seyndt hierzu nicht citiret worden«. »Anno 1659. Dieweil nach inhalt der ernewerten Fürstl. Kyrchenordnunge auch zugleich eine Conventsordnunge in den truck gegeben u. dabey befohlen worden, daß man dieselbige conventsordnunge in ein eigen buch einfaßen undt nach deren richtschnur in denen conventen alles verrichten soll; solche aber absonderlich itzunder nicht zu bekommen gewesen, als ist zu mehrer nachricht ein kurtzer auszug der Conventsordnunge begriffen u. hieher gesetzet worden«.

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Die Metropolitane sollten gegenüber den Pfarrern ihrer Klasse eine Vorbildrolle in Amtsführung und Leben einnehmen und sich durch entsprechende Gelehrsamkeit auszeichnen. Sowohl im Hinblick auf mangelnden Studieneifer383 als auch im Hinblick auf diesbezügliche Überheblichkeit gegenüber ihren Klassenbrüdern blieben Konflikte mit diesen wie dem Superintendenten nicht aus. Die Ausführungen im dritten Eintrag zum 20. Januar 1630 im Diensttagebuch Paul Steins sind dafür bezeichnend: »Der pfarrherr von Oberelsungen, Ehr Christoff Brandisius, ist auf erfordern erschienen; und hab ich ihm sein unformliches verächtliches an den metropolitanum zum Zierenberg, M[agister]. Kleinschmidten, gethanes schreiben zum schärffsten verwiesen, und ihn zu mehrerm respect und gehorsam gegen denselben vermahnet. Hat zugesagt, ins künfftige sich der gebühr und also gegen seine vorgesetzte zu erzeigen, das niemand, sich uber ihn mit fugen zu beschwehren, ursach haben solle. Bittet aber darneben, ihme, dem metropolitano, auch zu befehlen, das er ihn und andere fratres classicos nicht verachte. Dann er einsmals in conventu classico gesagt, er habe mehr latein in seiner mützen, als sie, die fratres classici, in ihren haubtern«.384

c)

Konsistorium

Abschließend sei noch ein Blick auf die Rolle und das Schicksal des geistlichen Leitungsgremiums der Landgrafschaft, das Konsistorium, geworfen. Angesichts der bei der Einführung der Verbesserungspunkte auftretenden Schwierigkeiten fragte Landgraf Moritz schon im Dezember 1605 die auf dem »Kasseler Konvent« versammelten Superintendenten und Landvögte, »ob und in welcher Weise man auch in Marburg« (»für die kirchliche Verwaltung der neu erworbenen oberhessischen Landestheile«)385 »ein Consistorium einrichten könne«,386 dessen Etablierung die um Rat Gefragten befürworteten.387 1608 wurden die Pläne konkreter, Moritz ließ sich die Ordnung des kurpfälzischen Kirchenrats als 383 Als der Gudensberger Metropolitan Martin Happel am 16. Juni 1631 wegen Amtsverfehlungen vorgefordert wurde, heißt es am Ende des dritten Eintrags zu diesem Tag darüber im Diensttagebuch Paul Steins: »Es ist auch bey dieser gelegenheit mit ihm geredet, und er erinnert worden 1. fleissig auff seine predigten, und sonstet zu studiren, darmit er in conventibus classicis, als ein metropolitanus, das praesidium desto besser führen könne. 2. Die ausschreiben wegen vorfallender kirchensachen, auch die kirchenordnung selbst, in gebührlicher obacht zu halten, und daran zu sein, das dergleichen von andern seinen fratribus classicis geschehe«. 384 DTB Paul Stein 1630/31, Eintrag zum 20. Januar 1630, Nr. 3. 385 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 43. 386 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 42. 387 Die wörtliche Stellungnahme der Kommission in ihrem ersten Gutachten, in: »Auszug aus der gutachtlichen Erklärung der auf dem Kasseler Convent im Decbr. 1605 versammelten Theologen«, in: Heppe: Verbesserungspunkte, S. 177–180, hier S. 180. Ergebnis des Kasseler Konvents war auch das oben bereits angesprochene offizielle Mandat zur Einführung der Verbesserungspunkte vom 23. Dezember 1605.

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Orientierung schicken,388 es wurden erste Ordnungsentwürfe389 und Stellungnahmen390 ausgearbeitet. Die Überlegungen zur Errichtung eines Konsistoriums reihen sich ein in die »Neuordnung der territorialen Verwaltung«, manifestiert in der 1609 erfolgten »Einrichtung eines Geheimen Rats«391. Auf einem engeren Landkommunikationstag zu Kassel erklärten die Stände am 8. Dezember 1609 ihre Freude über die vernommene Absicht des Landgrafen, »wie bei andern chur- und fursten christlich und wohl herkommen«, ein Konsistorium zu errichten, welchem Vorhaben sie besondere Priorität beimaßen, da zwar die zur 388 Nachweis der Korrespondenz bei Menk: Absolutistisches Wollen, S. 211 mit Anm. 225; die kurpfälzische Kirchenratsordnung Friedrichs III. (»des Frommen«) vom 21. Juli 1564 findet sich in: EKO Bd. 14 (Kurpfalz), S. 409–424 (Nr. 32); die Ordnung des kurpfälzischen Administrators Johann Casimir vom 6. September 1585, in: Ebd., S. 515–524 (Nr. 83) und diejenige Friedrichs IV., »wohl von 1593«, die sich Moritz der Gelehrte wahrscheinlich schicken ließ, in: Ebd. S. 544–555 (Nr. 91). 389 Ein Entwurf »aus der Zeit um 1608« (so in der editorischen Einleitung zur Konsistorialordnung, in: EKO Bd. 9, S. 41) ist im Textapparat zur Konsistorialordnung (EKO Bd. 9, S. 99–121) abgedruckt (die Vorlage in StAM 22 a 4, Nr. 729); ebenso ein Entwurf ist die »Eheordnung« und das aus dem Jahr 1608 stammende Stück »Von der Jurisdiction macht und gewaldt des Consistorij und wie daßelbig in den sachen bis zur Execution procediren und verfahren soll« (beide zusammen unter dem Titel »Eheordnung« abgedruckt in: EKO Bd. 9, S. 122–132 (Nr. 9), die Vorlagen stammen aus StAM 22 a 8, Nr. 24 [erste beide Stücke, danach das Titelzitat]). 390 »20 Maij [1608?] Responsum deputatis ad errectionem Consistorij« (Konzept); daran anschließend die im Aufbau auf voriges Bezug nehmende »Recapitulatio relationis historiae« (Konzept); »Capita consultationis pro erigendo Consistorio« (Konzept/Abschrift); Gutachten »zu obgemelter Consultation deputirte[r] diener«, Marburg 1608 Juni 23 (Konzept), in dieser Reihenfolge einliegend in StAM 22 a 8, Nr. 24. Besonders aufschlussreich ist das Gutachten der »hierzu verordnete[n] Räthe« mit eigenhändigen Randbemerkungen Landgraf Moritz’, Marburg 1608 Juni 15 (Ausfertigung), in: StAM 22 a 1, Nr. 270 (im Umschlag mit der Aufschrift »1608–1611 betr. verschiedene Verbesserungspunkte in kirchlichen Angelegenheiten« das erste Stück); Heinrich Heppe, der daraus in Verbesserungspunkte, S. 173f. Anm. * zitiert, war das Stück bekannt, an der bei ihm angeführten Stelle (fol. 1v–2r) empfehlen die Räte, »daß nicht zwey, sondern ein consistorium, unndt daßelb zu Marpurgk am bequembsten zu instauriren, unndt ahnzuordnen sein möchte«, was der Einheitlichkeit der Konsistorialverordnungen diene, außerdem liege Marburg in der Mitte des Landes, dort liege die Universität und es sei genügend geeignetes Personal vorhanden (Juristen, Theologen, politische Räte), sie verbanden mit der Ortswahl die Hoffnung, dass so »auch insonderheit, die im oberfürstenthumb zu Marpurg unndt daselbst herumb in städten unndt uffm land, noch hinderstellige, mit desto mehrerem ansehen, gewonnen, undt zue annehmmung der christlichen verbeßerungs puncten beweget werden«. 391 Die Zitate aus Menk: Absolutistisches Wollen, S. 211. Zur Gründung des Geheimen Rates und der Umordnung der territorialen Verwaltung: Becker : Der Geheime Rat in HessenCassel, v. a. S. 8, 13; Dülfer: Fürst und Verwaltung, S. 177–180; Rosenfeld: Geheime Kanzleien und Kabinett in Hessen-Kassel, S. 126; allgemein: Dülfer : Studien zur Organisation des fürstlichen Regierungssystems; zur Herausbildung der Geheimratsgremien aus dem persönlichen Regiment des Landesherrn: Oestreich: Das persönliche Regiment der deutschen Fürsten am Beginn der Neuzeit.

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Behebung der Mängel in der Kirchendisziplin »bestelte superintendenten […] an ihrem moglichen vleis nichts erwinden lassen, jedoch, weill das landt grob, [es] in eines oder zweier vermogen nicht ist, alles notturfftig zu erwegen, [und] zur richtigkeit zu bringen«.392 So ließ schließlich Moritz unter dem Datum des 10. Oktober 1610 seine Ordnung für das von ihm in Marburg angeordnete einzige, für das gesamte Land zuständige Konsistorium ausgehen.393 Besetzt werden sollte sein »Kirchenraht, Gericht unnd Consistorium«394 »mit vier Personen, Als zweyen Theologis und zweyen Politicis oder Rechtsgelehrten«, unter denen, um alle angemaßte Präeminenz zu vermeiden, das Direktorium jährlich, angefangen mit dem ersten »Theologus«, zwischen Theologen und Juristen wechseln sollte. »Diesen vier Consistorialibus und Geistlichen Rähten« wurde »ein Syndicus, der der Rechten gelehrt und in praxi geübt« beigeordnet, der bei Abstimmungen »gleich den andern Consistorial Rähten ein votum haben« sollte,395 sowie »ein Notarius, der zugleich Registrator sey, sambt einem Scribenten und geschwornen Consistorialdiener oder Botten«;396 insgesamt bestand das Konsistorium also aus sieben Mitgliedern, fünf stimmberechtigten (den vier Räten und dem Syndikus), dem Notar und dem Diener.397 Im Interesse einer 392 Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1605–1647, Nr. 5 (S. 44–53: Engerer Landkommunikationstag in Kassel 25. November-8. Dezember 1609), Dritte Erklärung der Landstände (S. 51–53), hier [§ 2] S. 53. 393 »Ordnung Unsers von Gottes gnaden Moritzen, Wie es mit Unserm zu Marpurgk besteltem Consistorio und Kirchen Raht gehalten und was von demselben in Geistlichen und denselben anhangenden Sachen verrichtet und verhandelet werden soll […] Zu Cassell […] gedruckt durch Wilhelm Wessell, Anno M.DC.X«, ediert in: EKO Bd. 9, S. 99–121 (Nr. 8), die Vorrede Moritz’ ist auf S. 100 datiert: »Geben zu Marpurgk, den zehenden tag Octobris, Anno etc. Ein thausend Sechshundert zehen«. 394 EKO Bd. 9, S. 100 linke Spalte. 395 EKO Bd. 9, S. 102 rechte Spalte. 396 Die Zitate zur allgemeinen Besetzung: EKO Bd. 9, S. 101 (Abschnitt: »Von Persohnen, mit welchen das Consistorium besetzt werden soll«). 397 Die Erstbesetzung des Konsistoriums bestand aus den beiden Theologen Caspar Sturm und Gregor Schönfeld, deren Bestallungsreverse mit den inserierten Urkunden sich in StAM Urk. 7, Nr. 218 und 222 finden, sowie aus den beiden Juristen Hermann Vultejus und Johannes Goeddaeus, deren von ihnen abgegebene Reverse mit den inserierten Bestallungsurkunden sich in StAM Urk. 7, Nr. 219 und 220 finden, als Syndikus des Konsistoriums und »Nebenassessor« diente Hartmann Reinigk (Reinicke), sein Bestallungsrevers mit inseriererter -urkunde in StAM Urk. 7, Nr. 217, alle Urkunden und Reverse wurden in Marburg am 12. Januar 1611 ausgestellt; Notar und Registrator (Konsistorialsekretär) war Johann Conrad Cellarius, allerdings ist nicht sicher, ob von Anfang an, denn sein Bestallungsrevers mit inserierter -urkunde, in der das Datum offengelassen ist, wird im Rückvermerk auf 1614 datiert, möglicherweise wurde der Revers bei der Verlegung des Konsistoriums nach Kassel 1624 aber neu geschrieben und das Datum im Rückvermerk stellt einVersehen dar, ausweislich des Textes und weiterer Hinweise diente Cellarius aber schon dem Konsistorium in Marburg als Notar und Registrator. Der Scribent/geschworene Konsistorialdiener/Bote erhielt vielleicht keine eigene Bestallungsurkunde, möglicherweise wechselten die Inhaber dieses Amtes auch häufiger, je nach Bedarf in der landgräflichen

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geordneten Amtsverwaltung ohne Ansehen der Person wurde den Konsistorialen von vornherein bestimmt: »Es sollen auch alle Sachen in pleno Senatu gehört, berahtschlaget und erlediget und deren keine von einem oder dem andern ad partem angenommen, vielweniger verhandlet und expediret, Sondern in gemeinen Raht umb vermeidung alles verdachts und Partheiligkeit willen gewiesen werden«.398 Vor das Konsistorium gehörten »alle Geistliche Sachen, Als Bestellung der Ministerien, Kirchen und Schuelen und deroselben Obervisitation und Inspection, Desgleichen auch alle Ehe- und Divortiensachen«.399 Dabei wurde zwischen Judicialia und Extrajudicialia, gerichtlichen/rechtlichen und gütlichen Sachen unterschieden. Ein Rechtsspruch war vor allem in Ehesachen oft nötig, wenn es zu Streit über die Gültigkeit eines behaupteten Eheversprechens kam oder die Scheidung begehrt wurde.400 Der Umgang mit derartigen Verwaltung. Möglicherweise verbirgt sich ein Träger dieser Funktion hinter dem im Schreiben von Vizekanzler und Räten an Landgraf Moritz, Kassel 1624 Mai 7, StAM 4 d, Nr. 186, neben Cellarius genannten »Secretarius Taurellus«, der »wegen etzlicher bey sich habender sachen« des Konsistoriums geschrieben habe (dort fol. 3r oben). 398 EKO Bd. 9, S. 102 linke Spalte. 399 EKO Bd. 9, S. 105 linke Spalte (Anfang des Abschnitts »Was vor Sachen an und vor das Consistorium und Kirchen Raht gehören sollen«). 400 Für »sachen, darin uff volnziehung der ehe gehandelt undt dieselbe gesuchtt wirdt« (S. 122– 127) sowie »Wan auff die ehescheidung geclagtt und dieselbe, auch erlaubung oder verstattung, sich anderwerts zuverheuraten, gesuchtt wirdtt« (S. 127f.), findet sich, wie oben schon angezeigt, in StAM 22 a 8, Nr. 24 ein in EKO Bd. 9, S. 122–128 mit dem Titel »Eheordnung« ediertes Stück, das unter der Überschrift »Von Ehesachen, undt erstlich, wan die Eheverlübnis vor bündig zu halten sey oder nicht« Verfahrensbestimmungen enthält. Die Formulierung der Überschrift dieses Stückes »Von Ehesachen […]« wie auch die des in StAM 22 a 8, Nr. 24 nachfolgenden Stückes »Von der Jurisdiction macht und gewaldt des Consistorij und wie daßelbig in den sachen bis zur Execution procediren und verfahren soll«, das zusammen mit ersterem unter dem gemeinsamen Titel »Eheordnung« in EKO Bd. 9, S. 128–132 abgedruckt ist, erinnert an die Formulierung der Abschnittsüberschriften der Konsistorialordnung, dies bestätigt der im Apparat zur Konsistorialordnung auf S. 115 parallel zum Abschnitt »Von Ehe- und Divortiensachen« abgedruckte Entwurf von 1608, der nach der Überschrift »III. von ehesachen« abbricht, eine Ausarbeitung erfolgte wahrscheinlich in dem separaten Stück, beide Stücke wurden aber in dieser Form kein Teil der Konsistorialordnung. Beide weisen Streichungen und Einschübe auf, wurden aber eindeutig von unterschiedlichen Händen geschrieben, während das erste Stück undatiert ist, weist das zweite am Ende eine Jahresdatierung auf: »Geben den Anno D[o]m[in]i 1608.«, worunter eine andere Hand das Durchgestrichene wiederholt hat »Anno Dominj 1608.«. Diese Überlieferungssituation zeigt, dass die beiden Stücke sowohl entstehungsgeschichtlich als auch thematisch keine Einheit bilden, wenn sie auch zum Gesamtkomplex der Aufgaben- und Verfahrensbestimmung für ein zu errichtendes Konsistoriums gehören. Dass sie bisher nur in einmaliger handschriftlicher Form gefunden wurden und nicht in einem zeitgenössischen Druck vorliegen sowie dass ihr Aufbau und ihr äußeres Erscheinungsbild sie der Entstehungsstufe »Konzept« zuweisen, spricht dagegen, dass sie jemals als Ordnung formal in Kraft gesetzt wurden, wie es die Art ihrer Publikation in den Evangelischen Kirchenordnungen suggeriert (klarstellend im Hinblick auf diesen Entwurfscharakter allerdings die Bearbeiterin des Bandes in ihrer editorischen Einleitung, in: EKO Bd. 9, S. 42 [zu Nr. 9 »Eheordnung«]). Gleichwohl erhellen die beiden Stücke die konzeptionellen

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Fällen wurde weiterhin durch die Reformationsordnung von 1572 geregelt, die in Titel 9 »Von heimlichen verlöbnussen und fleischlichen vermischungen«, in Titel 10 »Von denen in ehesachen verbotenen und zugelassenen gradibus der blutverwandtnus und schwägerschaft« sowie in Titel 11 von »Von ehebrechern« handelte.401 »Was aber gemeine fornication- und dergleichen fäll und excess und deroselben bestraffung, und sonderlichen auch die Blutschanden, Ehebruch und dergleichen in die Criminalitet und Peinlichkeit einlauffende Sachen belangt, […] dieselben ihrer art und eigenschaft nach ans Geistliche Gericht nicht gehörig […]. Und wollen, daß sowohl diß Unser Consistorium als auch Unsere Weltliche Regierung, Ober- und under Beampten und ein jeder an seinem ort solchen underschiedt der Sachen bey annehmung und Verhandlung derselben observiren und halten solle. Jedoch sollen in fällen, darin casus conscientiae vorlauffen, in alle wege unserer Consistorialium gutachten und bedencken eingeholet werden.«402

Moritz war also um ein klares Kompetenzverhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit bemüht. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, wo »die Kirchen- und Schueldiener« ihr Forum haben sollten. Hier wollte Moritz, »daß sie, die Kirchen- und Schueldienere, in Geistlichen und ihrem Ampt anhangenden Sachen, Excessen und Verbrechung dem Consistorio und desen instantz, Censur und Jurisdiction unterworffen sein, aber in andern Civil- und Politischen Schuldt-, Schaden- und dergleichen Sachen und Forderungen, die mit ihrem Geistlichen Stand und Ampt keine Gemeinschaft haben, bey irer ordentlichen und herbrachter Weltlichen instantz und Gerichtszwangk gelassen werden sollen«.403

Überlegungen zu den normativen Grundlagen auf dem Weg zur Konsistorialordnung von 1610. Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die beiden Stücke, ähnlich der Visitationsinstruktion für das Konsistorium (EKO Bd. 9, S. 133–135 [Nr. 10]), separat ergangene Verfahrenskonkretisierungen darstellen, allerdings wird die Visitationsinstruktion im Text der Konsistorialordung auf S. 112 ausdrücklich genannt, während unter den »Ehe- und Divortiensachen« zu den Rechtsgrundlagen des Prozesses lediglich, scheinbar einzelfallbezogen, darauf verwiesen wird, dass sich der Landesherr vorbehält, »die beschriebene Geist- und Weltliche Rechte und insonderheit unsere Reformation-, Kirchenund Policey Ordnung [von 1572] […] in etzlichen und sonderlich disputirlichen fällen zuerleutern und zuerklären« (S. 115). 401 Reformationsordnung 1572, in: EKO Bd. 8, S. 394–407, hier S. 402–407. In der Konsistorialordnung heißt es, das Konsistorium solle mit den Parteien zunächst »gütliche Verhör und Handlung vornehmen, in entstehung aber deroselben den Partheyen das Recht öffenen und so wol in Directione processus als auch verfassung der End- und Beyurtheiln auff die beschriebene Geist- und Weltliche Rechte und insonderheit auch unsere Reformation-, Kirchen- und Policey Ordnung […] sehen und die in schüldiger uffacht haben« (EKO Bd. 9, S. 115). 402 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 105 linke Spalte. 403 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 105 rechte Spalte.

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Kirchliche und weltliche Organe waren zur Kooperation angehalten, sowohl bei der Bestrafung von Regelverletzern wie auch bei der Gewährung von Amtshilfe durch Magistrate und weltliche Beamte bei der Exekution von Anordnungen oder Urteilen des Konsistoriums.404 In Fällen besonderer Widersetzlichkeit konnte das Konsistorium auch vom Mittel des geistlichen Bannes oder der »Excommunication«, des Ausschlusses von der Gemeinde und dem Genuss des Abendmahls, Gebrauch machen, so lange, bis die betreffende Person »auff vorgehende respicentz, besserung und satisfaction beym Consistorio die Absolutionem a Banno ordentlicher weise erhalte, alsdann sie wiederumb in die Gemeine Gottes auffgenommen und zu deren Geistlichen Güttern und gebrauch zugelassen […] werden soll«.405 Kirchengemeinden, Schulen, Hospitäler, Stiftungen und andere kirchliche Einrichtungen verfügten über eine Ausstattung mit Vermögen, Land und regelmäßigen Einkünften, zum Teil aus Darlehenszinsen und Pachteinnahmen. Damit sie mit diesen Erträgen ihren bestimmungsgemäßen Aufgaben nachkommen konnten, war es nötig, dass »die hierzu gewiddumbte und gehörige Gütter, Renthen und gefelle nicht in abgang, schmelerung und beschwerung geraten, sondern in gutem bawlichen und pfleglichem wesen, stand und esse frey und unbeschwert beysammen gehalten und gelassen, auch die Hospital-, Casten-, und dergleichen Rechnungen fleissig gewahret werden«.

Käme es zu Unrichtigkeiten der »Kirchen-, Casten- und Spital Rechnungen«, die »von solcher Wichtigkeit und Weitleufftigkeit« wären, »daß der Superintendens mit zuziehung der Beampten« denselben nicht abhelfen könnte, »So sol der Superintendens oder auch die Prädicanten, Casten- und Spittalmeister, die es betrifft, solches zum Consistorio in schrifften umbstendlich berichten«, das sich um eine gütliche Lösung bemühen »oder unsere Regierung und Oberbeampten

404 Ein »Consistorial-Ausschreiben an die Metropolitanos, wie es mit Abnehmung der Kirchen-Buße in fornications- vnd dergleichen Fällen zu halten seye« vom 28. August 1644 bestimmte, es sollten in »Fornications- und dergleichen Fällen« von denen, die über solche Verfehlungen Kenntnis erhielten, zuerst die weltlichen Beamten informiert werden, um eine lediglich milde Kirchenpönitenz, bei Umgehung der weltlichen Obrigkeit, zu vermeiden. Pfarrer und Beamte, die nach der Kirchenordnung beide »auf die fälle fleissige achtung« zu geben hatten (HLO II, S. 85f., hier S. 85 (linke Spalte)) sollten den Bericht an die fürstliche Kanzlei gemeinsam unterschreiben. Jedoch sollte die Versöhnung »mit der Gemeinde Gottes« und die Wiederzulassung zum heiligen Abendmahl »durch den langen Verzug des berichts vnnd eingeholte verordnung der Bestraffung halber nicht aufgehalten werden« (paralleles »Regierungs-Ausschreiben an die Beamten« (vom gleichen Tag), HLO II, S. 86). 405 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 115f. (»Von Execution des Consistorii Decreten, Abschieden und Erkantnüssen«), hier S. 116.

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umb gebührliche verhelffung ersuchen sol«. Wo keine gütliche Lösung gefunden werden könne, solle der einschlägige Rechtsweg beschritten werden.406 Als weitere Kontrollmöglichkeit des Konsistoriums sah die Konsistorialordnung vor, es »sollten beyds, Superintendenten und Metropolitani, […] die jenige fähl und mängel, die sie selbstet nicht corrigiren und endern köndten, wie auch sonstet ihre bey den Visitationibus et Classicis Conventibus, so dann den abgehörten Casten-, Hospitalund dergleichen Rechnungen verpflogene handlung und verrichtung neben überschickung eines unterschriebenen Exemplars einer jeden abgehörten Rechnung dem Consistorio in schrifften zuerkennen geben«.407

Sowohl in Angelegenheiten der Dienst- und Disziplinaraufsicht über die Pfarrer wie auch in den übrigen Fragen der Kirchenordnung wirkten Konsistorium und Superintendenten zusammen. Neben den »gewöhnliche[n] und ordinari Visitationes von unsern Superintendenten« sollte das Konsistorium »jährlich oder wann es vor nötig und rahtsam erachtet […] ein Ober- und gleichsamb synodalische Visitation […] halten, auff daß ein durchgehender richtiger Consensus in doctrina et ceremoniis in Kirchen und Schuelen […] gewahret und erhalten« werde, wozu es »zu bequemer zeit alle unsere Superintendenten zusampt den Metropolitanis und andern fürnehmen Prädicanten im Lande entweder gen Marpurgk oder einen andern gelegenen ort auff einen gewissen Tag beschreiben und zusammen fordern« sollte, mit Vorwissen des Landgrafen und anschlie-

406 Alle Zitate und Referate in diesem Abschnitt aus der Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 114f. (Titel »Von den Kirchen-, Schulen-, Hospitalien-, Casten- und dergleichen Güttern Renthen, Zinsen und Gerechtigkeiten«). Die Visitationsinstruktion für das Konsistorium, in: EKO Bd. 9, S. 133–135 (Nr. 10), hier S. 135 erwartet von den Konsistorialen: »Letzlich sollen sie auch beneben ersehung der kirchen, casten, allmosen, hospital- undt siechenheuser undt dergleichen milten sachen und stiefftungsrechnungen und denen beygefuegter inventarien vleissige erkundigung furnehmen, ob alles undt jedes von den superintendenten, pfarherrn undt andern der kirchen, hospitalien, siechenheuser und dergleichen dienern undt vorstehern recht, wol und trewlich verwaltet und verrechnett werde, insonderheitt hierunter darauff sehen, daß nichts entwendet, endtzogen oder vereussert, sondern, da etwas alienirt were, das dasselbig widerumb herbey bracht, restituirt und erstadtet werde […]«, im Falle eines notwendigen rechtlichen Austrags sollten die Kastenverantwortlichen Unterstützung vom Konsistorialsyndikus erhalten. 407 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 113 (rechte Spalte); ähnlich heißt es in der Visitationsinstruktion für das Konsistorium, EKO Bd. 9, S. 133 (rechte Spalte): »ob alles und jedeß dem wort Gottes und berurten symbolis undt ordnung gemeß«, könne das Konsistorium auch aus den »von jedes becirgks superintendenten eingeschickten relationibus deren bey den gewonlichen visitationibus der superintendenten und classicis conventibus furgangener handlungen« ersehen und, bei daraus vermerkter Ungleichheit, auf den Obervisitationen oder synodalischen Konventen »darvon mit den andern anwesenden superintendenten und metropolitanis communiciren und nach notturfft sich unterreden«.

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ßender »umbstendige[r] schrifftliche[r] relation« an ihn.408 Dabei sollte besonders hinsichtlich des Verständnisses und der Verinnerlichung, der Frucht der Lehre im Leben der Pfarrkinder inquiriert werden, sollte es die Notdurft erfordern auch durch Verhöre.409 »Bey diesem Ober Visitation- und synodalischem Conventu soll nach inhalt unserer sonderbahren hierzu verfertigten und dem Consistorio zugestelten Instruction gehandlet und verfahren werden«,410 diese Instruktion, als eine Art Ausführungsbestimmung und Konkretisierung dieses Abschnitts der Konsistorialordnung, ist erhalten.411 Zur Vermeidung von »verwirrung und ungelegenheit« sah die Konsistorialordnung außerdem vor, dass künftig eine Vorzensur theologischer Literatur stattfinden sollte, sodass die Geistlichen des Landes vor der Publizierung die »facultatem publicandi« des Konsistoriums erlangen mussten.412

408 Alle Zitate und Referate hierzu aus der Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 112f. (Titel »Von der Oberinspection des Consistorii und andern gewöhnlichen Visitationibus«). 409 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 112; Visitationsinstruktion, EKO Bd. 9, S. 133–135 (Nr. 10), hier S. 134. 410 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 112. 411 Die »Instruction, deren sich unser Consistorium bey den järlichen Obervisitations- und synodalischen Conventibus zugehalten« ist überliefert in StAM 22 a 8, Nr. 24 (letztes Stück in diesem Umschlag, saubere Abschrift, undatiert, wahrscheinlich 1610; danach der Titel zitiert), abgedruckt in EKO Bd. 9, S. 133–135 (Nr. 10 »Visitationsinstruktion für das Konsistorium«); unverständlich ist daher, wie die Bearbeiterin dieses Bandes der Evangelischen Kirchenordnungen zu der hier zitierten Passage der Konsistorialordnung auf S. 112 in Anm. 27 bei der Erwähnung der »Instruction« schreiben kann »Liegt nicht vor«, wenn sie diese selbst in die Sammlung der Kirchenordnungen aufgenommen hat. Ob solche Obervisitationen oder synodalischen Konvente in dieser expliziten Form allerdings tatsächlich stattgefunden haben, ist fraglich (verneinend: Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 392 Anm. 5). 412 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 113: »So sol hinführo das Consistorium darauff sehen, daß kein Pfarrherr oder ander Theologus, auch Schuelmeister oder andere Geistliche Person in unserm Fürstenthumb und Landen in Religionssachen etwas in offenen Truck außfertige, Er habe es dann zuforderst des Consistorii Censur untergeben und vom selben facultatem publicandi erlangt«. Auch abgesehen davon, dass es im Gegensatz zur Zeit vor Publizierung der Konsistorialordnung, von der es zur Rechtfertigung der neuen Regelung heißt, dass »das Bücherschreiben ein zeitlang fast [= sehr] gemein worden«, nur wenige über Predigtliteratur (v. a. Leichenpredigten) hinausgehend publizierende einfache Geistliche gab, scheint die Vorschrift allenfalls spärlich angewandt worden zu sein. Im Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger heißt es allerdings unter dem 5. Februar 1635: »Den 5. Febr. hab ich die samtliche buchdrucker und buchbinder vorgefordert, und ihnen vermög fr. consistorialordnung im namen unsers g. fürsten und herrn angezeigt: 1. den druckern, daß keiner nichts drucke, er hab es dan zuvor dem superintendenten gezeigt, ohne was die professores der hohen schul drucken lassen etc. 2. den buchbindern, daß sie, was sie vor bücher kauffen und verkauffen oder auß der meß bringen lassen, derselben ein register zeigen, auch da verdächtige bücher zu binden gebracht würden, sie zuvor dem superintendenten bringen, bey straf 10 goltfl. Alles bey der pflicht, damit sie I. f. g. zugethan sein etc.«.

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Um 1610 war unter reformierten Kirchenverfassungsrechtlern eine Debatte im Gange über die beste Ordnung des Verhältnisses von kirchlicher und weltlicher Obrigkeit, die neue Nahrung erhielt durch das in der hessen-kasselschen Konsistorialordnung niedergelegte Modell der summepiskopalen Machtvollkommenheit des Landesherrn, der seine bischöflichen Rechte (jura episcopalia) zur Ausübung an ein Gremium delegierte; der Zuschnitt der Konsistorialordnung sagt damit auch etwas darüber aus, wie Landgraf Moritz seine eigene Rolle verstand.413 Bedeutend waren die Überlegungen des reformierten Herborner Kirchenverfassungsrechtlers Wilhelm Zepper (1550–1607),414 dessen Rat sich Landgraf Moritz zu Anfang des Jahrhunderts bei der Einführung reformierter Gebräuche in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen bedient hatte. Paul Münch hebt in seiner Analyse der »Politia ecclesiastica« Zeppers dessen Auffassung hervor, »daß episkopale und konsistoriale Elemente keineswegs das System einer reformierten Kirchenverfassung sprengen müssen«.415 Vergleicht man die Konsistorialordnung und die darin niedergelegte Aufgabenzuweisung mit dem kirchenverfassungsrechtlichen Entwurf Zeppers, so gewinnt man den Eindruck, dass letzterer Landgraf Moritz als Modell gedient haben könnte. Die Rolle der weltlichen Obrigkeit in der Kirche sieht Zepper in ihrer dienenden, schützenden, fürsorgenden Funktion für deren externe Angelegenheiten,416 indem er darauf hinweist, dass der magistratus politicus »tabulae Decalogi custodem esse, & ecclesiae Dei nutricium«.417 Die bisher im Bereich der hessen-kasselschen Kirche schon etablierten Elemente gemeindlicher und synodaler Selbstverwaltung, die auch Zepper empfiehlt, – wie das Institut der Gemeindeältesten (Senioren, Presbyter)418 oder die Konvente der in einer regionalen Klasse unter dem Vorsitz

413 Zu dieser Debatte siehe Menk: Absolutistisches Wollen, S. 211–215. 414 Zepper: Politia Ecclesiastica, 2. Aufl., »priori longH emendatior, & vari. multarum rerum accessione locupletata«, Herborn 1607 (die erste Auflage erschien unter dem Titel »De Politia Ecclesiastica«, Herborn 1595 [VD16-Nr.: Z 380]); Ders.: Von der Christlichen Disciplin oder Kirchenzucht (1596). Zur Einordnung der »Politia Ecclesiastica« siehe: Münch: Zucht und Ordnung, S. 196–207; Weerda: Wilhelm Zepper und die Anfänge reformierter Kirchenrechtswissenschaft in Deutschland. 415 Münch: Zucht und Ordnung, S. 197 in einer Würdigung der Untersuchung Weerdas; die Ausführungen Zeppers zum Konsistorium in seiner Politia ecclesiastica, S. 681–697 (Buch 3, »Caput VI. De Consistorio ecclesiastico«). 416 Münch: Zucht und Ordnung, S. 203f. Zepper : Politia ecclesiastica, S. 788 (Buch 3, »Caput XIV. De differentia inter magistratus & ministerii administrationem, & intra quos uterque terminos consistere debeat«, S. 787–806): »[…] magistratus circa disciplinam in ecclesia externam versatur […], atque ministeria […] ad internam illam alendam et provehendam requiruntur […]«. Damit unterscheidet Zepper der Sache nach ein »ius circa sacra« von einem einem »ius in sacra«, wie Münch: Zucht und Ordnung, S. 206 ausführt. 417 Zepper: Politia ecclesiastica, S. 688 (bei Ziffer 2). 418 Zepper: Politia ecclesiastica, S. 539–548 (Buch 2, »Caput XVI. De vocatione, & officio presbyterorum«).

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eines Metropolitans zusammengeschlossenen Pfarrer419 – sollten, so der Tenor der Konsistorialordnung, beibehalten, fortentwickelt und zur Formierung einer in Glauben und Leben homogenen Bevölkerung genutzt werden;420 selbst Generalsynoden waren nicht ausgeschlossen.421 Mit dem Konsistorium wurde zur Entlastung der Regierung und zur spezialisierten Aufgabenwahrnehmung eine zusätzliche Ebene zwischen Superintendenten und Landesherr eingefügt, womit den Superintendenten – deren Amt auch Zepper kennt422 – keine tragende Rolle mehr, sondern nur noch eine unterstützende zukam.423 Heinrich Heppe bedauerte den Verlust der »althessische[n] Kirchenverfassung«, indem mit der Errichtung eines Konsistoriums als separate Landesbehörde »die kirchliche Verwaltung zur Staatsadministration in ein durchaus coordiniertes Verhältnis gesetzt« worden sei: »Das episcopale Regiment [der Superintendenten, A. J.] war nun von dem Consistorialgouvernement gänzlich absorbirt«.424 Im Hinblick auf die ursprüngliche Gründungsmotivation des Konsistoriums, der Koordination einer nachhaltigen Überzeugung der Gegner der mauritianischen »Verbesserungspunkte«, konstatiert Heinrich Heppe, »daß was der persönlichen Wirksamkeit der Superintendenten nicht möglich gewesen war, durch die Ge419 Zepper: Politia ecclesiastica, S. 670–681 (Buch 3, »Caput V. De conventibus classicis ministrorum«). 420 Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 113. 421 Bei Zepper: Politia ecclesiastica, S. 705–728 (»Caput VIII. De synodis generalibus, vel nationalibus: & consociatione ecclesiarum reformatarum, illarumque synodorum & consociationis ratione, ordine & legibus«). Praktisch machte das Konsistorium 1611 selbst den Vorschlag zur Einberufung einer Generalsynode, um auf ihr zu beraten, wie mit denen umzugehen sei, die sich weiterhin den Verbesserungspunkten widersetzten (Marburg, 1611 Mai 3 [Antwort auf eine Anfrage Landgraf Moritz’, Kassel 1611 April 27], in: StAM 22 a 1, Nr. 270); in seinem Antwortentwurf vom 14. Mai 1611 (Ebd.) hält Moritz aber eine Generalsynode nicht für nötig, die Probleme könnten auch »uff einem gemeinen synodo« (synodalische/Obervisitation des Konsistoriums?) behandelt werden und wünscht zuvorderst die Ermahnung der Superintendenten und Metropolitane zu strengerer Aufsicht auf solche Fälle und zu fleißigerer Lehre; siehe dazu das kurze Referat dieses Vorgangs bei Heppe: Verbesserungspunkte, S. 175. 422 Buch 3, »Caput XIV. De officio Inspectoris. Inspectorum, sive illi Episcopi, sive Superintendentes, sive Decani, sive aliis nominibus Graecis vel Latinis vocentur, officii totius ratio haec est […]« (Zepper: Politia ecclesiastica, S. 511–532, das Zitat zu Beginn des Kapitels, S. 511). 423 Dülfer : Fürst und Verwaltung, S. 182. 424 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 174 mit Anm. *; Landgraf Moritz brach, so Heppe, »dem bisherigen Kirchenregiment die Spitze ab«, schon »indem er im Jahre 1599 zu Kassel ein Consistorium schuf, welches mit der Kanzlei im genauesten Zusammenhang stand, und welches von ihm mit der Ausübung der gesammten kirchlichen Administration betraut ward. – Was früher die Generalsynoden gethan hatten, das that jetzt das Consistorium« (Heppe: Die Verfassung der evangelischen Kirche, S. 28); nach Heppe »war die frühere Autonomie der evangelischen Kirche Hessens vom Cäsaropapismus der Zeit vollständig absorbirt, und mit der Aufrichtung der Consistorialverfassung war die althessische Kirchenverfassung seit 1610 unter ihren Trümmern begraben« (Ebd., S. 30).

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schäftsmaschinerie der Collegiatbehörde noch weit weniger ermöglicht werden konnte«.425 In Schwierigkeiten gerieten der Bestand des Konsistoriums und die Ausübung seiner Geschäfte 1624 durch die Einnahme des Kasselischen Anteils Oberhessens mit Marburg durch Hessen-Darmstadt infolge des Reichshofratsurteils von 1623, in dem Darmstadt das gesamte oberhessische Erbe zugesprochen worden war. Am 16. September und erneut am 29. September 1624 erging an Georg Cruciger, der wie andere konfessionell missliebige Professoren am 17. März 1624 durch Hessen-Darmstadt von seinen Ämtern als Professor für Theologie und hebräische Sprache an der Universität und Ephorus der Marburger Stipendiatenanstalt suspendiert worden war,426 die Aufforderung der landgräflichen Regierung, nach Kassel zu kommen, da Landgraf Moritz »gnedig gewillet, daß bißhero zue Marpurg geweßene geistliche consistorium anhero zuelegen, unnd beneben D. Crocio427 ein und andern darzu zu bestellen, und unß derowegen g[nädig]. bevolen, daß wir euch demnehisten fordern, und Ihrer f[ürstlichen]. g[naden]. fernere meinung anzeigen solten«, zu der er sich entweder vor Ort erklären oder schriftlich anzeigen solle, warum es ihm nicht möglich sei, in Kassel zu erscheinen.428 Die Aufforderung an ihn erging wahrscheinlich, da sich Caspar Sturm, der bisherige zweite Theologe in dem Gremium, altersbedingt nicht dazu bereitfand nach Kassel zu ziehen, sondern, nachdem auch er seiner seit 1605 innegehabten Marburger Professur durch Hessen-Darmstadt entsetzt wurde, lieber zurück nach Gudensberg auf seine frühere Pfarrstelle ging.429 Georg Cruciger folgte dem Ruf nach Kassel;430 am 425 Heppe: Verbesserungspunkte, S. 174. 426 Gundlach: Catalogus Professorum, Nr. 28 (S. 16). 427 Der über die Grenzen Hessen-Kassels hinaus angesehene reformierte Theologe Johannes Crocius (1590–1659) war seit 1612 Hofprediger Landgraf Moritz’, wurde 1618 Professor primarius der Theologie und Pfarrer zu Marburg und 1619 Konsistorialrat, siehe zu ihm: Gundlach: Catalogus Professorum, Nr. 27 (S. 15f.); dass er auf die Aufforderung hin seinen Lebensmittelpunkt von Marburg nach Kassel verlegte – in der Hoffnung, ein neues Auskommen zu finden, von der Einquartierung bayerischer Soldaten und anderen Widrigkeiten verschont zu bleiben – und seine Tätigkeit im Konsistorium dort fortsetzte, ergibt sich aus der Abschrift seines Antwortschreibens an Vizekanzler und Räte, Kassel 1624 Juni 27, in: StAM 22 a 1, Nr. 261. 428 Schreiben der Kasseler Regierung an Georg Cruciger in Marburg, 1624 September 29 (Abschrift), StAM 22 a 8, Nr. 25. Dies ist ein Erinnerungsschreiben an ihr erstes an ihn gesandtes Schreiben vom 16. September 1624, von dem sie glauben, »das solch unser schreiben euch nicht zubrachte seie« und das sie deswegen nochmals beilegen. Aus der auch hier beiliegenden Abschrift dieses ersten Schreibens stammt das Zitat. 429 Siehe das Schreiben von Vizekanzler und Räten an »Casparum Sturmium der heiligen Schrifft D. und Assessorn des geistlichen Consistorij«, Kassel 1624 Juni 29 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 190, in dem sie ihn auffordern, wie dies seine Kollegen im Konsistorium schon getan hätten, sich auf ein beiliegendes Schreiben (hier im Konzept) zu erklären, das Vizekanzler und Räte am 9. Juni 1624 im Namen des Landgrafen an die geistlichen Kon-

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Einleitung

29. Januar 1627 ersuchte er dann Landgraf Moritz mit einem Schreiben aus Fritzlar, wohin er sich zu seinem Schwager, dem Verwalter der dortigen Niederlassung des Deutschen Ordens, begeben hatte, ihn angesichts seiner unzumutbaren Lebensumstände in Kassel sowie der geringen und noch dazu rückständigen Besoldung, seines Dienstes zu erlassen.431 Der auf Ersuchen der Regierung unter Inkaufnahme großer wirtschaftlicher Nachteile von Marburg nach Kassel gezogene, als Sekretär des Konsistoriums bezeichnete Johann Conrad Cellarius (Keller), an den – seiner Bestallung als Notar und Registrator gemäß432 – der Auftrag ergangen war, »die zum geistlichen sistorialräte Johann Crocius und Caspar Sturm, den Konsistorialsyndikus Hartmann Reinigk und Johann Conrad Cellarius/Keller, den Sekretär des Konsistoriums, abgehen ließen, mit der Aufforderung, sich mit den zum »Consistorio gehörigenn sachen« nach Kassel zu begeben, wo ihnen »bey f[ürstlicher]. canzley alhier, zue ewerer verrichtung, und repositur ein sonder losament« eingeräumt werden solle; (die Initiative von Vizekanzler und Räten geht zurück auf ein tags zuvor, am 8. Juni 1624, in Kassel präsentiertes Reskript Landgraf Moritz’, Güstrow 1624 Mai 21, in dem er auf ihr Schreiben aus Kassel vom 7. Mai 1624 antwortete, in dem sie ihm berichteten von der durch die Darmstädtischen Räte an Konsistorialsekretär Cellarius »begerten separation derenn ahm consistorio biß hero ergangenen actorum und das diejenige acta so zum Oberfürstennthumb gehörenn ihnen gefolget, die andere aber anderßwohin verschaffet, undt also des consistorij stuebe gereümet werden möge«, woraufhin Moritz den Räten schwere Vorwürfe machte, StAM 4 d, Nr. 186); Caspar Sturm (1550–1625) bittet mit einem offensichtlich in Kassel aufgesetzten Schreiben vom 30. Juni 1624 (präsentiert am gleichen Tag ebenda; StAM 22 a 1, Nr. 190) unter Hinweis auf sein hohes Alter und seine schwache Gesundheit, deretwegen er schon vor geraumer Zeit, bisher ohne Antwort, um seine Entlassung nachgesucht habe, ihn zu entschuldigen, da ihm, »mit welchem es nunmehr bey nahe gar ad extrema kommenn, nicht geziemenn will, I. f. g. und des gemeinen wesens hochwichtigenn geschäfften, mich ferner ahn zu maßenn«. Zu Caspar Sturm siehe: »Sturm (Caspar)«, in: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 65–68 sowie Gundlach: Catalogus Professorum, Nr. 24 (S. 14). 430 Sein Revers mit der inserierten Bestallungsurkunde als Konsistorialrat datiert aus Kassel vom 1. September 1624, StAM Urk. 7, Nr. 224. Während Georg Cruciger den zurückgetretenen Theologen des Gremiums, Caspar Sturm, ersetzte, trat anstelle des in Marburg gebliebenen Juristen Johannes Goeddaeus der spätere hessen-kasselsche Kammerdirektor und Vizekanzler Justus Jungmann (zu ihm Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 6, S. 417–419), sein in Kassel am 1. September 1624 ausgestellter Revers mit der inserierten Bestallungsurkunde findet sich in StAM Urk. 7, Nr. 226. Auch der zweite Jurist des Konsistoriums, Hermann Vultejus, blieb in Marburg (zu ihm: Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 351–364, hier S. 354), seine Stelle als Konsistorialassessor nahm Johann Biermann ein, sein Bestallungsrevers mit inserierter -urkunde, datierend aus Kassel vom 1. September 1624, liegt in StAM Urk. 7, Nr. 225. 431 Georg Cruciger an Landgraf Moritz, Fritzlar 1627 Januar 29 (Ausfertigung mit Rückvermerk Landgraf Moritz’ vom 31. Januar 1627 und einem beiliegenden Antwortentwurf der Räte vom 22. Februar 1627 mit der Bitte an Cruciger, nach Kassel zu einem Gespräch zu kommen), StAM 22 a 8, Nr. 11; ein Vermerk auf der Adressseite dieses Schreibens lautet »Cruciger Consistorialrath«. 432 StAM Urk. 7, Nr. 221; der von Cellarius unterschriebene und mit seinem Petschaft bekräftigte Revers, dem die Bestallungsurkunde inseriert ist, ist nur im Rückvermerk datiert auf 1614, in der inserierten Urkunde ist das Datum offengelassen »Signatum Cassel am …«.

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Consistorio gehörige sachen mit anhero zuebringen«, entschuldigt sein diesbezügliches Unvermögen damit, dass »die Darmbstadische zue Marburgk residirende räthe das gemach, darin die sachen bishero gewesen, mit einem vorgehenckten starcken mahlschloße verwahret, undt nicht allein an den consistorial acten, so viel deren das Oberfürstenthumb betreffen, sondern auch an den gehaltenen consistorialprotocollen, gerichts- und andern gezeuckten und confiscirten büchern interessirt sein wollen«.433

Hartmann Reinigk (Reinicke), Doktor der Rechte, der bisherige Konsistorialsyndikus, an den ebenfalls die Aufforderung ergangen war, nach Kassel zu kommen, beklagt sich schwer über den bisherigen Umgang mit ihm, dass man Landes- und bayerische Soldaten bei ihm wie jedem anderen Bürger, nicht einmal mit Rücksicht auf seine im Kindbett liegende Frau, mit großen Unkosten Da alle anderen vor der Verlegung des Konsistoriums nach Kassel datierenden Bestallungsbriefe in Marburg ausgestellt wurden (siehe etwa die den jeweiligen Reversen inserierten für den Konsistorialassessor, den Theologen Caspar Sturm [StAM Urk. 7, Nr. 218], und den Konsistorialsyndikus Hartmann Reinicke (Reinigk) [StAM Urk. 7, Nr. 217] am 12. Januar 1611 in Marburg ausgestellten) und der Revers und die ihm inserierte Bestallungsurkunde in der Form jenen gleicht, die erst nach der Verlegung nach Kassel ausgestellt wurden (etwa für Georg Cruciger, Kassel 1624 September 1 [StAM Urk. 7, Nr. 224]), liegt die Vermutung nahe, dass, auch wenn Cellarius, der hier »Johan Curtt Cellarius« genannt wird, am Anfang seines Reverses bekennt, dass Landgraf Moritz ihn »zu S. F. G. notario undt registratore bey deroselbigen consistorio naher Marpurg besteltt uff- undt angenohmen hatt«, der Bestallungsbrief Cellarius’ in dieser Form erst 1624 beim Umzug nach Kassel ausgetellt wurde, »1614« also ein Schreibfehler ist. 433 Johann Conrad Cellarius an die fürstliche Regierung zu Kassel, Kassel 1624 Juni 26 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 211. Auf die unklare Antwort, wie er sich gegenüber dem von Hessen-Darmstadt geäußerten Begehren nach Trennung der ober- und niederhessischen Betreffe der Konsistorialrepositur verhalten soll, schrieb Cellarius am 6. Juli 1624, nach Marburg zurückgekehrt, an Johannes Crocius in Kassel, »der Heiligen schrifft Doctori, Professori und Assessori Consistorij zu Marpurg etc. meinem sonders g[nädigen] Herrn undt Forderern«, mit einem Postscriptum vom 7. Juli 1624, StAM 22 a 8, Nr. 586 (Marburg); Cellarius war inzwischen ein Ultimatum bis zum Montag, 12. Juli 1624, gesetzt worden, um sich aus Kassel Rat zu holen, denn bisher hatte er »deßwegen keine gewiße resolution vom Herrn Vicecantzlar zu Cassel bekommen, wie eß mit denen zum Ober Furstenthumb ohnstreitig gehorgen actis pfarr-, ehe- und andern sachen, uff der Darmbstadischen anhalten, gehalten, und ob ihnen solche […] gefolgt werden, oder uff u[nsers] g[nädigen] f[ürsten] u[nd] h[errn]. Landtgrav Moritz etc. fernere g[nädige]. erklarung ich warten soll«, weshalb er Crocius bat, »sich derhalben zu erkundigen, und davon bey erster gelegenheit, wesen zu erhaltung Ifg. gerechtigkeit ich mich ferner zugehalten, auch was sonsten zu fortsetzung consistorij Ifg. sich ferner erklären, [ihn] ohnbeschwert und g[nädi]g. zu avisiren« (die Zitate aus dem Schreiben vom 6. Juli, die Mitteilung über das drängende Ultimatum im Postscriptum vom 7. Juli 1624). Auf seine am 8. Juli in Kassel präsentierten Hilfegesuche, wegen der ihm »zugemuhtten separation der consistorialischen acten«, konnten ihm Vizekanzler und Räte allerdings auch diesmal keinen klaren Bescheid erteilen, sondern vertrösteten ihn auf die ungewisse Antwort des Landgrafen, dem sie die Sache erneut zur Entscheidung vorgelegt hatten, bis dahin solle er die Darmstädtischen Räte um Aufschub bitten (beiliegendes Antwortkonzept vom 8. Juli 1624).

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Einleitung

und Umständen einquartiert habe und überdies seine Jahresbesoldung für 1623 von 150 Gulden noch rückständig sei, weshalb er bittet, ihn, dass er aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen »vor dießmahll nicht folgen kann, […] bey hochgedachtem unserm gnedigen fürsten unndt herrn unterthenig zu endschuldigen« und mitteilt, dass er sich stattdessen von Ludwig V. von HessenDarmstadt »advocando« habe in Dienst nehmen lassen. Außerdem weist er darauf hin, »weill ich das consistorialsiegell, so ich vermöge der ordtnung ij[e]derzeit in meinen händen unnd verwahrsamb gehabtt, noch bey mihr habe, dasßelb man aber zur fernern consistorial verwaltung vonnöthen haben wirdt, so bitte ich deßwegen verordtnung zu thun, das es von mihr erhaben werde«.434 434 Hartmann Reinigk an die fürstliche Regierung zu Kassel, Marburg 1624 Juni 19 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 185, der es ablehnte, mit Frau und Kindern, wie von Landgraf Moritz angedacht sogar »nuhr interims weiße, so lange bis mann sehenn wirdt, wohinauß es mit der Marpurgischen sach lauffenn möchte« (Schreiben von Vizekanzler und Räten vom 9. Juni 1624, StAM 22 a 1, Nr. 190), in das teurere Kassel zu ziehen und dafür seine in Marburg aufgebaute Existenz aufzugeben. In einem Schreiben aus Darmstadt vom 7. April 1624 erklärte Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt gegenüber seinem Hofmarschall, Geheimen Rat und Amtmann zu Rüsselsheim, Georg Riedesel zu Eisenbach, seine Absicht, den sich in Marburg aufhaltenden Hartmann Reinigk zu seinem Rat und Advokaten zu bestellen, der sich daher nach Gießen begeben solle, um von dort mit den Räten Reinkingk und Liebenthal (siehe das Portrait Christian Liebenthals hier : , Abruf: 22. Oktober 2019) nach Darmstadt zu reisen (StAM 19 d, Nr. 322), mit beiliegendem Antwortkonzept Riedesels aus Marburg vom 10. April 1624 wegen Bedenken, ob Reinigk Landgraf Moritz noch mit Diensten verbunden sei, was er durch die Auflösung des Konsistoriums in Marburg verneinte. Mit Schreiben aus Marburg vom 24. März 1629 unterrichtete Hartmann Reinigk Landgraf Wilhelm V. von HessenKassel darüber, dass er die immer noch ausstehende Forderung seiner »Consistorial besoldung, so mir als gewesenem syndico von anno 1623 undt 1624 biß in Aprilem, da es durch enderung der regierung uffgehört, undt sich uff 135 königs[-] oder 150 reichsth[a]l[e]r beläufft, nemlich jars 150 fl« an Gerwin Sandmann (siehe die Erwähnung Sandmanns hier , Abruf: 22. Oktober 2019) abgetreten habe, der ihm dafür seine gangbare Forderung gegen die Gaugreben in derselben Höhe überlassen habe. Im Folgenden bat Sandmann darum, die fürstliche Rentkammer möge die ihm zedierte Forderung der Konsistorialbesoldung gegen seine Schuld beim Gotteskasten der Kasseler Hofkirche aufrechnen, dem er »mit 100 thalern cappitahl undt etzlichen nachstendtigen zinßen verhaftet«; siehe die Überlieferung in StAM 22 a 8, Nr. 170 (Kassel), darin im Umschlag mit der Aufschrift: »Hof Gottes Casten zu Caßell de a(nno)o 1629 1630«. Die Stelle als Konsistorialsyndikus erhielt der von Hessen-Darmstadt als Professor der Rhetorik und Marburger Universitätssyndikus abgesetzte Gregor Schönfeld d. J. (sein Bestallungsrevers mit inserierter -urkunde, ausgestellt 1624 in Kassel [ohne Tages- und Monatsangabe], StAM Urk. 7, Nr. 223; ohne Unterschrift und Siegel Schönfelds), der aber bereits 1625 starb, siehe »Schönfeld, (Gregorius) d. jüng.«, in: Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 13, S.183f., hier S. 183 sowie Gundlach: Catalogus Professorum, Nr. 555 (S. 319). Dem verstorbenen Schönfeld folgte als Konsistorialsyndikus und »Nebenassessor« Georg Walther, der von ihm abgegebene Bestallungsrevers mit der inserierten -urkunde, Kassel 1625 September 12, liegt in StAM Urk. 7, Nr. 227.

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Im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg findet sich unter dem Abschied der Eschweger Spezialsynode vom 9. Mai 1610435 das folgende fortgeschriebene Notabene: »Anno Christi 1610 ist ein consistorium zu Marpurgk angeordnet, dahin alsdan die pfarrer die dienste zu erlangen angewiesen. Daher gefolget, daß in diesem synodalbuch die subscriptiones der newen pfarrer alhier nicht weiter gefolget, nachdem sie zu Marpurgk examiniret undt ihre confirmationen von dar aus dem superintendenten gebracht haben. Ist in anno 1624 nach Cassel transferiret bis ins Jahr 1627 da es wiederumb erlaßen, undt die kyrchen undt schülbestellung, wie vormals, an die superintendenten gewiesen worden«436

Wurde das Konsistorium 1627 also erneut mit der Regierung verbunden, womit den Superintendenten ein größerer Verantwortungsbereich zufiel, so wurde es spätestens mit der Erneuerung der Konsistorialordnung 1657 als eigenständige Behörde, nun in Kassel, wiederbegründet,437 darauf jedoch »1668 abermals mit der Regierung verbunden«, nun dezentral an den Verwaltungssitzen der einzelnen Provinzen438 (Kassel für Niederhessen, Marburg für Oberhessen und Rinteln für Schaumburg). Trotz der Auflösung des Konsistoriums als eigenständiger Behörde 1627 waren mit der Wahrnehmung der geistlichen Geschäfte offenbar weiterhin besondere Personen, möglicherweise in derselben Konstellation aus geistlichen und weltlichen Räten wie von der Konsistorialordnung vorgesehen, betraut und auch die Bezeichnung »Konsistorium« dauerte fort.439 435 »Special Synodus« ist lediglich ein anderer Terminus für »Provinzialsynode«, auf der sich die Geistlichen eines Superintendenturbezirks versammelten, dazu: Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 65; Hochhuth: Geschichte der hessischen Diöcesan-Synoden, S. 14f., S. 68–72 speziell zur Eschweger Synode von 1610. 436 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 269 (Rückseite; die Paginierung wurde nicht konsequent durchgeführt), die gestrichelte Linie im Zitat ist ein Tilgungszeichen; der zweite Teil »Ist in anno 1624 […]« ist von anderer Hand geschrieben als der erste Teil des Zitats); mit Angabe von 1624 als Jahr der Auflösung des Konsistorium, aber sachlich gleich: Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 44. 437 Geänderte Konsistorialordnung vom 12. Juli 1657, in: HLO II, S. 445–461. 438 Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 45; Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 68 Anm. 17. 439 So spricht der Kasseler Superintendent Neuberger in einem Schreiben, das er als Beilage zu einer Mitteilung vom 15. Juni 1643 an die Metropolitane seines Bezirks verschickte, davon, er müsse »wan ich hier bin, […] auch zum consistorio gehen«, Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 36–37 (»Copia einer beilage betreffent die zeit den H. Superintendenten anzusprechen«). Auch übertrug die Regentin Amelie Elisabeth die Ehesachen der Soldaten – wie sie Neuberger in einem Schreiben, datiert Kassel 1647 Januar 21, mitteilt – wieder ihren »gesambtenn sowohll geistl. alß weldtlichenn consistorial räthenn«, »Copialbuch« StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 229 (wahrscheinlich Abschrift). Auch im Diensttagebuch des Superintendenten des Bezirks Rotenburg, Johannes Hütterodt, kommt das »Konsistorium« durchgehend als amtierendes Gremium vor, so bereits im fünften Eintrag zu seinen Verrichtungen in Kassel, als er sich dort zwischen dem 19. und 26. November 1638 zu Gesprächen mit seinem Kollegen Neuberger aufhielt (DTB Hütterodt, S. 3).

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Einleitung

So wurde insbesondere der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger immer wieder als Konsistorialrat angesprochen.440 Die Mitgliedschaft des Superintendenten im Konsistorium, in einem Gremium, das auch seine eigene Amtstätigkeit kontrollieren und ihm Anweisungen erteilen sollte, hat schon in der Zeit selbst für Unbehagen gesorgt und Dispensationen notwendig gemacht.441 Auch wenn es in Einzelfällen in der täglichen Praxis der Kirchenverwaltung gelang, Superintendenten und Konsistorium gegeneinander auszuspielen,442 so bewahrten sich die Superintendenten, wie sich im Verlauf der Arbeit zeigen wird, auch während der Existenz eines Konsistoriums als eigenständiger Behörde, trotz ihrer Weisungsgebundenheit und Berichterstattungspflicht, doch eine gewisse Unabhängigkeit, mussten sie dafür auch manchmal kämpfen – schließlich war es primär das Konsistorium bzw. die Regierung, die zur Nachrichtenlieferung und zum Vollzug ihrer Entscheidungen auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen waren.

440 So ist die Leichenpredigt, die Johann Heinrich Stöckenius dem am 9. Januar 1656 verstorbenen Neuberger hielt, auf dem Titelblatt bezeichnet als »Christliches Ehren-Gedächtnüß/ Des […] Herren Theophili Neubergers/ gewesenen Fürstlichen Hessischen wolverordneten Consistorial-Raths/ Superintendenten vnd Hof-Predigers«. 441 Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 58f. sowie die Überlieferung in StAM 5, Nr. 3367: »Die Wahl eines zeitigen Superintendenten zu Caßell betr. vom Jahr 1656–1718«, fol. 21f. (Rückvermerk fol. 22v : »Copia Fürstl. verordnung ans Consistorium ergangen, daß hinfüro kein Superintendens zuegleich auch Consistorialrath sein könne oder solle vom 8 t. Febr. 1678«), fol. 29f. (Dispens für den Kasseler Superintendenten und Konsistorialrat/Assessor Georg Heinius vom 23. August 1684). Bei Theophil Neuberger, Thomas Wetzel und Johann Heinrich Stöckenius ging es anscheinend noch ohne Dispens, da die landesherrliche Verordnung, die die offensichtliche Inkompatibilität beider Ämter auch ausdrücklich feststellte, erst 1678 erging. 442 So im Konflikt um den Rektor der Allendorfer Stadtschule, Nicolaus Pflock, der zugleich die Pfarrei Kleinvach versah (Probepredigt, Examination und Konfirmation vor dem Kasseler Superintendenten Neuberger, siehe dessen DTB, zweiter Eintrag zum 17. August 1637, seine Ordination dort verzeichnet im zweiten Eintrag zum 18. August 1637), seinen Schuldienst aber nur nachlässig wahrnahm und wegen der übermäßigen Züchtigung eines Jungen in die Kritik geriet. Während Hütterodt ihn als Schulmeister gern längst abgesetzt gesehen hätte, hielt das Konsistorium, solange es keinen Besseren gab, an ihm fest; siehe die Einträge zu Pflock im DTB Hütterodts (Personenregister) und den Schriftwechsel in LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 164 (aus dem Zeitraum 1650–1662: »Beschwerden wegen des Verhaltens des Rektors Pflock an der Stadtschule Allendorf« [Findbucheintrag]).

Kapitel II: Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

A)

Leben und Amt der Superintendenten; Quellenwert und Funktion ihrer Diensttagebücher

1.

Paul Stein (amtierte von Oktober 1622 bis November 1634)

a)

Leben und Amt

Paul Stein wurde 1585 in Sontra, in Osthessen, im heutigen Werra-MeißnerKreis, als Sohn des Ratsherrn und Weinschenken Hans Stein geboren.1 Seine akademische Ausbildung erhielt er an der Universität Marburg,2 hauptsächlich unter dem Theologen Caspar Sturm,3 wo er im Jahr 1605 zum Magister promoviert wurde, anschließend war er bis 1609 Stipendiatenmajor der hessischen Stipendiatenanstalt.4 Am 3. Januar 1606 disputierte er unter dem Vorsitz Caspar Sturms »De sculptilibus et imaginibus«,5 über Skulpturen und Bilder, ein 1 Der Eintrag »Stein (Paul)«, in: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 278–285, hier S. 278 nennt das Jahr 1585 als exaktes Geburtsjahr, allerdings ohne Angabe eines Geburtstages, während Magdanz: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Kassel-Land, S. 143 (Nr. 6) das Geburtsjahr mit einem »ca.« versieht, ebenso Schorn-Schütte: Prediger an protestantischen Höfen, S. 335 (Nr. 16). 2 Seine dortige Immatrikulation am 2. Juni 1601 ist nachgewiesen in Caesar: Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis, Pars tertia, S. 140. 3 Zu ihm: Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 65–68. 4 Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 278 und Schorn-Schütte: Prediger an protestantischen Höfen, S. 335 (Nr. 16). 5 Die 1606 in Marburg publizierte Disputation ist nachgewiesen unter der VD17-Nr.: 23:247203P. Strieder nennt noch eine zweite 1607 in Marburg veröffentlichte Disputation Paul Steins, die er unter dem Vorsitz Caspar Sturms hielt, »Theses de bonorum operum e fide ortu atque origine« (genannt unter den Schriften Caspar Sturms bei Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 66), diese ließ sich in den Bibliotheken nicht nachweisen. Ebenfalls 1607 erschien in Marburg eine Disputation die Paul Stein als Respondens unter dem Vorsitz Gregor Schönfelds am 3. Juli 1607 gehalten hatte, deren Thema eine intensive Auseinandersetzung vorwegnahm, die Stein mit Balthasar Mentzer (dem Älteren) über zehn Jahre später führen sollte: »Heptas Syllogistica. Septem Syllogismis, Quibus Christianae Emenda-

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Thema, das in seiner Behandlung Steins positive Haltung den 1605 verkündeten »Verbesserungspunkten« gegenüber erkennen lässt. 1609 wurde er zum Hofdiakon, also zum zweiten Hofprediger berufen.6 Am 9. August 1612 wurde Stein erster Pfarrer an der Kasseler Altstädter, der sogenannten »Brüdergemeinde«, und damit Metropolitan der Klasse Bauna,7 bevor er 1613 zum Hofprediger tionis In Inferioris & ex parte etiam Superioris Hassiae Ecclesias introducta capita publice vellicare nuper libuit D. Balthasari Mentzero, veritatis elucidandae tuendaeq[ue] causa paqakk¶kyr opposita« (VD17-Nr.: 1:057873R). Außerdem vertrat er in einer 1608 in Marburg gedruckt erschienenen Disputation unter dem Vorsitz des Johannes Turnovius/Jan Turnowski (»ecclesiarum in Majori Polonia Conseniore«) als Respondens »Theses de verbo Dei in sacras litteras relato« (aufgeführt bei Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 281; in den Bibliotheken nicht nachweisbar ; zu Turnovius: Dittmann: Beyträge zur Geschichte der Stadt Thorn, S. 9f.). 6 Die Steins Revers inserierte Bestallungsurkunde als Hofkaplan (= Hofdiakon) datiert aus Kassel vom 1. Januar 1610 (der Rückvermerk lautet auf 1611 [»M DC XI«]), StAM 5, Nr. 9957 (fol. 20f.; Hofpredigerbestallungen und Reverse). Ein halbes Jahr nach Dienstantritt als Hofdiakon verfasste Paul Stein ein genauer nicht zu datierendes Gesuch um Besoldungszulage (StAM 22 a 8, Nr. 193 [Kassel]; ohne Adressat, Konzept (?)), da die ihm gleich einem »ex praeceptoribus aulicis inferioribus« – allerdings ohne die diesen gewährten Sachleistungen (freier Tisch, Kleidung, Wohnung, Holz, Licht) – jährlich zustehenden 80 fl. nicht ausreichten, bittet er darum »I. das mihr gleich einem praeceptori aulico kleidung gereicht werde. II. das ich freye wohnung, oder was ich järlich an hauszins geben muß, haben möge. III. das ich etwas an holtz bekommen möge, soviel mihr etwan das jahr uber vonnöthen«, außerdem bittet er um eine Besoldungszulage für den Kornkauf und darum, »ihr. f. g. wollen aus gnaden nicht allein das salarium von dem tag an ich anhero kommen bin, sondern auch zum anfang meiner haushaltung [Stein hatte 1610 geheiratet, A. J.] das deputat [Kostgeld, das ihm eigentlich, da er »den tisch bis auf drey wochen lang zu hoiff gehabt«, nicht gebühren würde, A. J.] reichen lassen«. 7 So die genaue Angabe bei Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 24. Die an anderer Stelle hierzu gegebenen Informationen sind uneindeutig oder verwirrend. Das zutreffende Jahr nennt auch Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 278: »Bereits 1609 kam er [Stein] als Hofdiakonus nach Caßel, 1612 als Prediger an die Brüdergemeinde, kurz nachher wurde er Hofprediger und zugleich bey dem 1618 errichteten Collegio Adelphico Mauritiano Professor der Theologie und deßelben Dekanus«. Magdanz: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Kassel-Land, S. 212, listet Stein von 1612–1618 unter den Metropolitanen der Klasse Bauna und somit als ersten Pfarrer an der Brüderkirche auf (zur Verknüpfung der beiden Ämter, erster Prediger an der Altstädter- oder Brüdergemeinde und Metropolitan der Klasse Bauna: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 51), anders auf S. 143 (in der Kurzbiographie Steins bei der Aufzählung der Metropolitane der Klasse Ahna, deren Funktion mit dem Amt des Dekans des Kasseler Martinsstifts und ersten Predigers an der »Stiftskirche«, der Kirche auf der Kasseler »Freiheit«, verknüpft war, siehe: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 47), wo Magdanz Stein von 1617–1618 Diakon an der Altstädter oder Brüdergemeinde sein lässt, Letzteres vertritt auch Schorn-Schütte: Prediger an protestantischen Höfen, S. 335 (Nr. 16). Aus einem Schreiben des Marburger Konsistoriums an Landgraf Moritz vom 26. Februar 1613 (StAM 22 a 8, Nr. 152 [Kassel]) geht hervor, dass Johann Strack d. J. die Kaplanstelle an der Brüderkirche wahrnehmen soll (zu ihm kurz Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 36), nachdem sein gleichnamiger Vater, der Kasseler Superintendent und zugleich erster Pfarrer an der Brüderkirche war, am 27. Juni 1612 verstorben war (Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 23); dessen Stelle nahm Johann Crocius ein, der 1614 (wahrscheinlich neben seiner Hofdiakonatsstelle) erster Pfarrer an der Brüderkirche wurde (Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-

Leben und Amt der Superintendenten; Diensttagebücher

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berufen wurde, als die Stelle durch den Weggang Johannes Kalckhoffs als Stiftsdekan und erster Prediger nach Rotenburg frei wurde;8 als Hofdiakon amtierte neben Stein der an seine Stelle berufene Johannes Crocius.9 1618 erhielt Stein neben seiner Hofprädikatur die Professur für Theologie an der zum Collegium Adelphicum Mauritianum (Ritterkolleg) erweiterten Kasseler Hofschule, deren Dekan Stein wurde, eine Aufgabe, die er bis zu seiner Wahl zum Superintendenten des Bezirks Kassel im Oktober 1622 wahrnahm. Während Steins Abwesenheit auf der Dordrechter Synode 1618/1910 vertrat ihn in seinen Kasseler Geschichte, Bd. 2, S. 398). Ihm folgte 1615 als Hofdiakon und »darauf [als] Prediger bey der Brüderkirche« Thomas Wetzel (Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 17, S. 9–11, hier S. 9). 8 Einblick in die Überlegungen, die ein Kandidat für die Hofpredigerstelle und dessen Umfeld anstellten, gewährt in seltener Weise der Briefwechsel zwischen Lucas Majus d. J., zu dieser Zeit zweiter Pfarrer an der Kasseler Martinskirche, seiner Schwester Sibylle und deren Ehemann Hermann Fabronius, Pfarrer an der Neustädter Kirche St. Katharina zu Eschwege, als letzterer im Frühjahr 1613 Landgraf Moritz als Prediger auf einer Reise unter anderem nach Berlin begleitete, wo er am Himmelfahrstag, dem 13. Mai 1613, als Reformierter vor dem Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg in der Hofkapelle eine Predigt hielt (Brief Nr. XXI, S. 4 am Ende, Berlin 1613 Mai 14, Hermann an Sibylle Fabronius) und zu anderer Gelegenheit mit diesem über die reformierte Konfession sprach (Brief Nr. XXVI, Halle a. d. Saale 1613 Juni 1, Hermann an Sibylle Fabronius). Ich danke Frau Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte, dass sie mich auf diesen Briefwechsel, der in der Landes- und Murhardschen Bibliothek zu Kassel unter der Signatur »2o Ms. Hass. 61« (Hermann Fabronius Briefwechsel 1613–1618) aufbewahrt wird, aufmerksam gemacht und mir Abschriften davon zur Verfügung gestellt hat. Das Jahr der Übernahme der Kasseler Hofprädikatur durch Paul Stein wird sowohl bei Magdanz: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Kassel-Land, S. 143 als auch bei Schorn-Schütte: Prediger an protestantischen Höfen, S. 335 (Nr. 16) falsch mit 1612 angegeben, wahrscheinlich zurückgehend auf die unklare zeitliche Angabe in der SteinBiographie bei Strieder (zitiert in der vorhergehenden Anm). Dass es sich um das Jahr 1613 handeln muss, macht sowohl der Vergleich mit der Biographie Johannes Kalckhoffs (Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 7, S. 3f.) als auch der Fabronius-Briefwechsel deutlich. In einem Brief aus Kassel an seine Schwester in Eschwege schreibt Lucas Majus d. J. am 21. April 1613 deren Mann betreffend (Brief Nr. XV): »[…] gestern hat mich der superintendens alhier [Nicolaus Eckhardt, Superintendent des Bezirks Kassel 1612– 1622, siehe: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 23f.] berichtet, er habe verstanden, das unser gnediger furst und herr deines herrn Fabronii mitt der hofpredicatur wolle verschonen und ihm bei seiner gemeine lassen. Welches woher er habe, weis ich nicht«. Die noch unsichere Nachricht sollte sich als zutreffend erweisen, Paul Stein erhielt die Stelle. 9 Siehe den Eintrag »Crocius (Johannes)«, in: Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 2, S. 397–423, hier S. 398 Anm. *, dort wird Crocius als Hofprediger bezeichnet, wozu er den Ruf schon 1612 erhalten haben soll, während Stein den Rang eines ersten, quasi Oberhofpredigers bekleidete. Allerdings gibt es eine Bestallungsurkunde für Thomas Wetzel zum Hofkaplan, datierend Kassel 1614 März 1, StAM 5, Nr. 9957 (fol. 22f.). Wenn Crocius also ebenfalls als Hofdiakon amtiert hat, dann möglicherweise nur für eine kurze Zeit. 10 Neben der schon angesprochenen Überlieferung zur hessen-kasselschen Teilnahme an der Dordrechter Synode finden sich zwei weitere Stücke, die die Tätigkeit Paul Steins näher beleuchten. In StAM 315 a, Nr. 687 liegt eine »Admonitio de calumniis, quibus haec doctrina in Belgio fuit gravata etc.«, der lateinische Text stammt nicht von Steins Hand, wohl aber der Rückvermerk des einfachen Blattes: »Appendix relatione synodice de quinque articulis, De

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Funktionen Paul Andreas Peter Kind, der Anfang 1619 Hofdiakon wurde und Stein nach dessen Wahl zum Superintendenten im Hofpredigeramt nachfolgte.11 »Nachdem durch ordentliche wahl eines ehrwürdigen synodi, und darauf erfolgeten gnedigen consens und approbation des durchläuchtigen hochgebornen fürsten und herrn, herrn Moritzen, landgraven zu Hessen […], ich Paulus Steinius zu einem superintendenten des bezircks Cassel bestettigt«, ist er »am 8. octobris anno 1622 darzu ordinirt, und öffentlich inaugurirt worden«.12

calumniis & incommodioribus nonnullorum phrasibus; prout eam mutarunt ex notis exhibitis Deputati Synodi. Dictat. 8/18 Aprilis anno [1]619«, versehen mit dem Quadrangel »8«. Gleichfalls in StAM 315 a, Nr. 687 findet sich, vollständig von der Hand Paul Steins, ein großes gefaltetes Blatt mit dem Rückvermerk: »Observationes posteriores [im Titel: postremae] in canones synodicos emendatos, secundum quas illi denuk corrigendi sunt; Item: Reiectio praecipuarum blasphemiarum & calumniarum. Dictat 5/15 Aprilis anno [1]619«, versehen mit dem Quadrangel »6«, das hauptsächlich sprachliche Verbesserungen auflistet. 11 Kinds Revers mit der inserierten Bestallungsurkunde als Hofkaplan, datierend aus Kassel vom 1. Januar 1619, findet sich in StAM 5, Nr. 9957 (fol. 24f.). Dazu und zu den Ereignissen, die Kinds Karriere hemmten, »Kind, Kindius (Paul Andreas Peter)«, in: Strieder : Gelehrtenund Schriftsteller-Geschichte, Bd. 7, S. 70–78. Zum Prozess der Übernahme der Hofprädikatur durch Kind, siehe: DTB Paul Stein 1622/23, Einträge zum 25. Januar 1623, Nr. 4; 31. Januar 1623, Nr. 6; 5. Februar 1623, Nr. 2 und 3 (Hofdiakonat geht an Johann Daniel Starck, dessen Stelle als Kaplan [zweiter Pfarrer] in der Kasseler Neustadt Johannes Majus übernimmt [Eintrag zum 12. Juni 1623], am 9. September 1623 [Eintrag Nr. 2 zu diesem Tag] wird der Hofkaplan Johann Daniel Starck auf landgräflichen Befehl zugleich zum ersten Pfarrer in der Kasseler Neustadt berufen); 6. April 1623: »Hab ich Ehrn Paulum Andream Petri Kindium zum hoffprediger, und Ehrn Johan Daniel Starcken zum hoffcaplan eingeführet«. Kandidat für die Übernahme der Hofprädikatur war auch Johannes Crocius, der mittlerweile als Professor der Theologie, Konsistorialrat und Prediger in Marburg wirkte, siehe das aufschlussreiche Memoriale (der geheimen Räte?) vom 9. Dezember 1622 unter Punkt 2, mit handschriftlichen Marginalien Landgraf Moritz’, in: StAM 22 a 1, Nr. 267 (nach dem mit Federproben versehenen »Memorial in futuro synodo tractandorum«) sowie im DTB Paul Steins den Eintrag vom 9. Dezember 1622, Nr. 1; Crocius hat aber sehr lange gezögert zu antworten, weswegen Stein ihn am 3. Januar 1623 daran erinnerte (erster Eintrag zu diesem Tag im DTB), siehe auch das Memorial (der geheimen Räte?) vom 9. Januar 1623: »I. Superintendens hat noch keine antwordt von D. Crocio bekommen, wundert sich selbst was die ursach sey« (StAM 22 a 1, Nr. 267). Steins theologische Professur am Collegium Adelphicum (Ritterkolleg) sollte Thomas Wetzel übernehmen – der schon während Steins Abwesenheit auf der Dordrechter Synode diesen als Präses in einer Disputation vertrat (Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 282) –, siehe: DTB Paul Stein 1622/23, Einträge zum 2. Februar 1623, Nr. 2 und zum 5. Februar 1623, Nr. 2, dies ist wahrscheinlich auch geschehen, in seinen 1635 verfassten »beschwerungen« (StAM 22 a 8, Nr. 156 [Kassel] darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das letzte, »Memorial« überschriebene, fol. 10r– 12v, hier fol. 12r) gibt Wetzel an, in der »F[ürstlichen]. Hoffschul« tätig gewesen zu sein, während seiner Zeit als Pfarrer an der Brüderkirche habe er »auch vier jahr darbey im Collegio Adelphico täglich theologiam profitiren und publice disputiren müssen«. 12 Anfang des Dienstagebuchs Paul Steins 1622/23.

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Die Einführung Paul Steins wird – wie die nachfolgender Superintendenten – in Gegenwart der Metropolitane seines Bezirks in der Kasseler Martinskirche stattgefunden haben.13 Der Landgraf war damit einverstanden, dass Stein seinem Vorgänger Eckhardi zugleich als Dekan und erster Pfarrer des Martinsstifts nachfolgt. Daher bittet das Marburger Konsistorium am 30. Oktober 1622 Schultheiß, Bürgermeister und Rat der Stadt Kassel sowie die Senioren der Kirche auf der Kasseler Freiheit, »daß ihr die gemein in der Freyheiter kirchenn bey euch drüber höret, undt von ihnen vernehmet, ob sie mit seiner [Paul Steins] Person undt gaben zufrieden, unß auch ihre erklärung in schrifften glaubwürdig den nechsten zu schreibet, uns mit ferner anordnung darnach haben zu richten«.14 Die Angeschriebenen erklären daraufhin am 5. November 1622, sie hätten dem Schreiben des Konsistoriums »zu folge die beide gemeinden der ober- undt niederbürgerschafft, so zu der Freyheitter kirchen gehören, vor unß erfordern undt zusammen kommen lassen, ihnen solches der gebuer vorgehalten. Darauff sie sich dann einhellig erclehret, das sie mit gedachts Herrn Steinii Persohn undt gaben sehr woll zufriedenn, bedancken sich auch gegen hochg[edachte]. ihr[e] f. g. gleichfalß underthenig undt wolten gebetten haben, e[ure]. ehrw[ürdige]. undt e[hrnveste]. h[och-]. g[elahrte]. wollen ferner gehörige anordnung deßwegen zu werck richten«.15

Auf diese Kasseler Erklärung schrieben die Konsistorialräte am 16. November 1622 zurück, dass sie »derowegen in nahmen undt von wegen unsers g. fürsten 13 Die Einführung Paul Steins als Superintendent des Bezirks Kassel sollte schon am Sonntag, dem 6. Oktober stattfinden, da die Einführung des zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg ernannten Johannes Kalckhoff auf den 9. Oktober angesetzt war, wozu die Metropolitane des Rotenburger Bezirks nach dem Konzept des »Denunciatorial-Schreibens« vom 5. Oktober schon eingeladen waren (StAM 315 l, Nr. 60 [darin vorletztes Stück]). Darüber informierten die vom Marburger Konsistorium zur Wahlsynode nach Kassel abgeordneten Räte am 5. Oktober den Landgrafen und waren zuversichtlich, dass »morgen sontags den 6. huius geliebt es Gott alhir des newe erwehleten superintendenten proclamatio und ordinatio verrichtet sein wirtt« (StAM 315 l, Nr. 60 [darin letztes Stück, Konzept]). Fand die Amtseinführung Paul Steins, wie er selbst glaubhaft angibt, aber tatsächlich erst am 8. Oktober statt, muss es noch zu einer kurzfristigen Verschiebung gekommen sein, die auch zu einer Verschiebung der Einführung des Rotenburger Superintendenten geführt hat. Tatsächlich gibt Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 158 an, Johannes Kalckhoff, »Dechant in Rotenburg«, »wurde den 10ten Octob. 1622 [zum] Superintendent daselbst« eingeführt (so auch Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 164). 14 »Des Consistorii Schreiben, an Schultheissen, B[ürgermeister]. und Rath, auch Seniorn der Freiheit, Meine, Pauli Steinii, vocation zum Pfarrambt und Decanat der Stifftskirch betreffend« (Rückvermerk), Marburg 1622 Oktober 30, Abschrift (nicht von Steins Hand), StAM 315 l, Nr. 380 (erstes Schreiben, mit dem Quadrangel »A« auf fol. 2v). 15 Schultheiß, Bürgermeister und Rat der Stadt Kassel sowie Senioren der Freiheiter Gemeinde an das Konsistorium zu Marburg, Kassel 1622 November 5, Abschrift, StAM 315 l, Nr. 380 (zweites Schreiben, mit dem Quadrangel »B« auf fol. 2v).

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undt herrn landtgrav Moritzen zu Heßen, […] [Paul Stein] zum Pfarrern iztberuhrter kirchen confirmiret auch zugleich den decanat uffgetragen« hätten, woraufhin sie den Adressaten geboten, den neuen Amtsinhaber entsprechend zu ehren, ihm zu gehorchen und »daß ihr undt euer anbefohlene underthanen undt gantze gemeinde […] auch zu erhabung der gewohnlichen competentz, undt damit ihme dieselbe allerseits ohnweigerlich gefolget werde, so viel an euch ist beforderung erweiset«.16 Paul Stein, der sich seit dem 6. November 1622 auf einer Visitationsreise nach Gensungen (heute ein Stadtteil von Felsberg), Ziegenhain, Treysa und Neukirchen befand,17 notierte nach seiner Rückkehr am 26. November 1622 in sein Diensttagebuch: »Hab ich unterschiedliche schreiben, so in meinem abwesen in mein losament gelieffert worden, eröffnet, und zu expediren angefangen. 1. Und zwar hab ich anfangs ein schreiben funden von f. geistlichen consistorio zu Marpurg, darinnen mihr die pfarr und decanat im stifft alhir, aufgetragen und anbefohlen wirdt, wie dan auch deswegen an schultheissen, b[ürgermeister]. und rat, auch seniorn der Freiheiter gemein, vom consistorio geschrieben, und ihnen solches notificirt worden.«

Als Dekan des Kasseler Martinsstifts hatte sich Stein in erster Linie um ökonomische Angelegenheiten zu kümmern, wobei ihn ein Stifts(kasten)schreiber oder Stiftsökonom unterstützte,18 »als verordneter decanus« musste er zu diesem Zweck »die stifftsachen, als register, brieffe, uhrkunden, bibliothec19 etc. in guter verwahrung undt auffsicht haben«,20 zu diesem Komplex gerhörte auch die Sorge um die bauliche Erhaltung der Stiftskirche St. Martin auf der Kasseler Freiheit. Über Letzteres gibt der Eintrag Auskunft, den Paul Stein für den 9. Juni 1623 in seinem Diensttagebuch niederschrieb: 16 »F. Consistorii Schreiben an Schultheissen, B[ürgermeister]., Rath und Seniorn der Freiheiter Kirch alhir, das sie mich Paulum Steinium vor Ihren Pfarher, und Decanum des Stiffts erkennen sollen« (Rückvermerk), Marburg 1622 November 16, Abschrift (nicht von Steins Hand), StAM 315 l, Nr. 380 (drittes Schreiben, mit dem Quadrangel »D« auf fol. 2v). 17 DTB Paul Stein, Eintrag zum 6. November 1622. 18 DTB Paul Stein 1622/23: 17. Oktober 1622, Nr. 4 (Stiftsökonom), 12. Dezember, 14. Dezember 1622, Nr. 2, 2. Januar 1623, Nr. 2 (Punkt 2), 29. September 1623 (Stiftsschreiber). Dabei hinterließ auch der Dreißigjährige Krieg seine Spuren, wie etwa aus dem vierten Eintrag zum 17. Oktober 1622 hervorgeht: »Ist fürstlicher befehl wegen der landrettungstewr aus den stifftsgütern auf den 22. Novembris zu lieffern, eingehendigt worden, den ich dem stifftsoeconomo zugestellt, mit befehl, die stewr zu entrichten«. 19 Die Stiftsbibliothek findet im Diensttagebuch Steins Erwähung im vierten Eintrag zum 16. Oktober 1622: »Eodem die ist der anfang gemacht worden der liefferung der bibliothec, so zum stifft gehörig«. 20 Zitat aus den 1635 verfassten »beschwerungen« Thomas Wetzels, zu dieser Zeit Dekan und erster Pfarrer am Martinsstift: StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das letzte, »Memorial« überschriebene, fol. 10r–12v, hier fol. 10r unten.

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»Ist das Ministerium convocirt, und gehandelt worden, wie folget 1. wegen des stifftsdachbauwes, daß dennächsten der anfang gemacht, und zu dem ende etwas von der bürgerschaft colligirt werden solle. 2. damit der caste[n] das seine darzu tun könne, soll mit der oberkeit geredet werden, dem castenschreibern zu den nachstendigen schulden zu verhelfen. 3. zu Schmalkalden 50.000 schiffernegel und 5000 lattennegel zu bestellen, das sie dennächsten anhero geschafft werden.21 4. Meinicken zu sagen, daß er den boden, so zum stifft gehört, räume; wie ingleichen auch den windelstein am thurm.22 5. Wegen der Erffurtischen sach an D. Wilhelm Burckhard Sixtinum zu schreiben.23 […]«.

Dass Paul Stein weiter Kontakt in seine Heimatstadt Sontra hielt, zeigt ein zwischen den 21. Februar und 1. März 1623 eingeschobener Eintrag in seinem Diensttagebuch: »Vom 21. Februarii bis auf den 1. Martii bin ich verreiset gewesen naher Sontra, das under diesen ich in ambtssachen nichts verrichtet«. Die Pflege von Kontakten in seine Herkunftsregion zeigt auch ein – noch in weiterem Sinne aufschlussreicher – Brief Paul Steins an den Allendorfer Pfarrer und Metropolitan Caspar Josphi, der sich als Ausfertigung von der Hand Steins in der Überlieferung des Empfängers im Kirchenkreisarchiv Eschwege findet. Dieser Brief aus Kassel vom 19. Juni 1622, also aus einer Zeit, als Stein noch Hofprediger und noch nicht Superintendent war, beginnt mit den Worten, »desen letzt an mich gethanes schreiben hab ich zu m[einer] wideranheimbkunfft von Sontra, wohl empfangen verlesen« und endet mit der Bekundung: »Meine hausfraw hat wegen unsicherheit der straßen sich newlicher tage nicht miht mihr nacher Sontra auf den weg wagen wollen, das ich allein daselbsthin verreiset. Wirt also

21 Zur Eisenverarbeitung und ihrer Bedeutung für Schmalkalden: Troßbach: Landgraf Moritz und das Problem von Mobilisierung und Partizipation in der »Zweiten Reformation«, S. 143 mit der Anführung weiterer Literatur. 22 Im folgenden Eintrag vom 10. Juni 1623 heißt es dazu: »Meinicken hab ich gesagt, den boden und windelstein wegen habenden dachbawes auff der stifftskirchen zu reumen. Will es tun; bittet aber, das ihme, weil auff der schule raumes gnug sey, eine kammer, darinnen er sein gezeug verwahren könne, gebawet werde«. 23 Hierbei ging es um Fragen der Münzsortenumrechnung bei der Zinszahlung für ein der Stadt Erfurt vom Kasseler Martinsstift gewährtes Darlehen. Als ersten Eintrag zum 24. Dezember 1622 notiert Stein in seinem Diensttagebuch: »Des raths zu Erffurd schreiben und erklärung wird eingelieffert, das sie inskünfftig die pension, so sie dem stifft alhir zu lieffern schuldig, iederzeit an harten sorten, als den r[eichs]thaler zu 24 und den span. thal. zu 27 g[roschen]. entrichten lassen wollen; iedoch mehr nicht, als von 100 goltfl. capital 4 fl. in 21 g[roschen]. pension. […]«. Der Schriftwechsel mit der kurmainzischen Stadt Erfurt hat sich erhalten in StAM 22 a 8, Nr. 201 (Kassel). Wilhelm Burkhard Sixtinus, Juris utriusque Doctor, war zu dieser Zeit Geheimer Rat Landgraf Moritz’ und wurde in dieser Angelegenheit als Rechtsgelehrter hinzugezogen, zu ihm: Winter: Sixtinus, Wilhelm Burchard sowie Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 26f.

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unser zusammenkunfft aufm Meisner24 auch dis jahr, besorglich, in boden fallen. Auffs jahr, verhoffe ich, wollen wir wider gutten friedt und also besser gelegenheit haben, unser vornehmen disfals zu effectuiren«.25 Entscheidend an dem Brief, in dem Paul Stein dem Allendorfer Metropolitan auf dessen Anfrage hauptsächlich die vom Landgrafen gebilligte aktuelle Regelung zum Umgang mit unterschiedlichen Münzsorten und ihren Werten mitteilt, ist, dass wir daraus erfahren, dass Paul Stein an Podagra (Fußgicht) litt und welche Auswirkungen dies auf sein Leben hatte: »Da nun auf voriges sein vor ohngefehr zweyen oder mehr monaten an mich abgangenes schreiben ich demselben bis dahero nicht geantwortet, ist dis die ursach, weil ich dazumahl, als mihr das schreiben uberlieffert worden, eben in der nacht am podagra schwach worden, das ich, als der antwort halber zufrag bey mihr geschehn, wegen der podagrischen schmertzen nicht habe schreiben können«.26 24 Der Hohe Meißner (Höhe etwa 750 m), nahe Hessisch Lichtenau, erhielt als höchster Berg Hessen-Kassels und des späteren Kurhessen den Beinamen »König der hessischen Berge«. An dem Basaltmassiv wurde von 1558–1974 Braunkohle abgebaut, in der Anfangszeit zur Befeuerung der Salzpfannen »in den Soden« (heute Bad Sooden-Allendorf an der Werra), zu Letzterem Träger / Marzela: Der Braunkohlebergbau am Meißner. 25 KKAE Best. 3, Nr. 1873 [drittes Stück im Konvolut]. Darauf, dass Catharina Breul, die Ehefrau Paul Steins, nach dessen Tod den 1634 zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg/Allendorf aufgestiegenen Caspar Josephi heiratete, wird später noch eingegangen. Dadurch, dass die größtenteils aus Hessen-Kassel stammenden Geistlichen die konfessionelle Wahl ihres Landesherrn mitvollzogen und ein Bewusstsein ihrer auch regionalen Herkunft bewahrten, wird die These von Schorn-Schütte: Geistliche Amtsträger und regionale Identität, S. 20 unterstrichen, die von einem »regionale[n] Selbstbewusstsein« spricht (in Hessen-Kassel lässt sich nach der Einführung der »Zweiten Reformation« unter den reformierten Geistlichen wohl durchaus auch von einem territorialen Selbst- und Landesbewusstsein sprechen, was an den 1635 verfassten »beschwerungen« Thomas Wetzels, damals Dekan und erster Pfarrer am Kasseler Martinsstift, deutlich wird, der davon spricht, dass er »nunmehr 21 jahr als ein treuer patriot und landtkindt in kirchen und schulen, wie bekant keine faule tage, sondern zimliche große mühe gehapt« [StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das letzte, »Memorial« überschriebene, fol. 10r–12v, hier fol. 12r, Anfang von Punkt 4]), zu dem das Bewusstsein einer gemeinsamen Konfession (bzw. deren Erhaltung oder das Streben nach ihr) selbstverständlich dazugehört, womit der Identitätsbruch verständlich wird, den die Auflösung von territorialer und religiöser Einheit in HessenKassel 1648 (Oberhessen und Schmalkalden lutherisch, Niederhessen reformiert) für einige Geistliche bedeutete. Auf Paul Steins enge Beziehung, die er zu seiner Heimatstadt Sontra wahrte, deutet auch ein Eintrag in der Visitierrechung des Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius für das Jahr 1627 auf der zweiten Seite der Rubrik »Bottenlohn« hin: »24 alb. 6 hlr. […]. Item einem man von N[idd]awitzhausen in meiner wiederkehr nach Waltcappell zu gehen, als ich den schulmeister daselbst Oswaldum Ludolphum zu Hona bei der Darmstadischen undt pestilentzzeit zu einem pfarrer daselbst ordiniret u. eingeführet undt meinen weg dann zum Herrn Superintenden von Cassel nach Sontra nehmen müssen, im Novemb.« (KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung für 1627, vorletzte beschriebene Seite). 26 Paul Stein an Caspar Josephi, Kassel 1622 Juni 19, KKAE Best. 3, Nr. 1873 [drittes Stück im Konvolut].

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In einem Schreiben »betreffent die Zeit den H. Superintendenten anzusprechen« entschuldigt sich Theophil Neuberger, der im Dezember 1634 die Nachfolge des verstorbenen Paul Stein angetreten hatte, noch im neunten Jahr seiner Amtszeit für die Einführung von Sprechzeiten für ihr Anliegen persönlich vorbringende Pfarrer und Untertanen, zu der er sich, um nicht ganz am Studieren gehindert zu werden, gezwungen sehe, mit dem Verweis darauf, dass sein »antecessor [Paul Stein] sel. wegen leibsschwacheit etzliche jahre27 lang leider wider seinen willen, nicht hat predigen noch auch sonst wohin gehen und kommen [können] und derhalben Zeit gehabt28 andern geschefften abzuwarten«.29 In einem Antwortentwurf auf die 1635 verfassten »beschwerungen« Thomas Wetzels, der Paul Stein als Dekan und erster Pfarrer am Kasseler Martinsstift nachfolgte, heißt es im ersten Punkt sogar, das geistliche »Ministerium alhier sey wegen des superintendenten Steinii schwachheit in ziemliche unordtnung gerathen, was das leben anlangt«.30 Auch Paul Steins Diensttagebücher lassen mit Bemerkungen wie »weil ich nicht ausgehen können«31 erkennen, dass er zwar nicht ununterbrochen über mehrere Jahre hinweg das Haus nicht verlassen konnte, aber doch immer wiederkehrend für einige Zeit nicht dazu in der Lage war. Am 28. Juli 1628 hielt sich Stein in Wildungen auf, um in dem waldeckischen Badekurort sein Leiden durch den Gebrauch des dortigen Sauerbrunnens zu lindern.32 Nach 27 In einer Abschrift im »Copialbuch« (StAM 22 a 6, Nr. 5), fol. 115r heißt es anstelle von »etzliche Jahre« »acht Jahr«. 28 In einer Abschrift im »Copialbuch« (StAM 22 a 6, Nr. 5), fol. 115r wird ergänzt »daheim«. 29 Die Betreffangabe und das Zitat nach einer Abschrift des empfangenen Ausschreibens im Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 36–37, hier S. 36 (die Zählung im Konventsprotokoll wechselt zwischen Foliierung und Paginierung). Ein Entwurf mit eigenhändigen Ergänzungen Neubergers findet sich in: StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 236 rv. Das Ausschreiben gibt sich dort als Postscriptum aus, ohne aber einem Brief zugeordnet werden zu können. Das in einer Abschrift im »Copialbuch« auf fol. 115r neben dem Datumsverweis »ut in literis« angegebene Datum 11. Juli 1643 passt zu keinem anderen der darin gesammelten Ausschreiben. Im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, S. 36 steht diese »beilage« unter der Abschrift einer Mitteilung Neubergers vom 15. Juni 1643, die im »Copialbuch« fehlt, wahrscheinlich bezieht sich der Verweis »ut in literis« darauf. In dieser kurzen Mitteilung schrieb Neuberger an die Metropolitane: »[…] aus gewißen ursachen wolte man im consistorio gerne wißen, welche gemeinden ihre kelche in dem krigswesen verlohren und so gar arm sein, daß sie keinen hinwidrumb kauffen, und zu wegen bringen konnen; wollet mich deßen so bald muglich berichten, aber doch nur die allerärmbste, und so gar keine mittel haben, benahmen«. 30 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das erste, fol. 1r. 31 DTB Paul Stein, Eintrag zum 4. Februar 1630, Nr. 3; auch DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 30. März, Nr. 2. 32 Dies ergibt sich aus der eigenhändigen Notiz Steins in einem Rechnungsabhörungsprotokoll: »Actum Wildungen am 28. Julii 1628. Demnach die castenrechnungen zu Obern- und Nidern Urff, auch Rommershausen bey neulichster visitation Ambts Borcken, und einführung Ehrn Cancrini nicht verfertigt gewesen, so sind pfarher und castenmeister daselbst heut

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Steins Tod weist seine Witwe Catharina Breul in ihrer an den Landgrafen gerichteten Supplikation vom 1. September 1635 um die Prädikantenwitwensteuer zur Begründung hin auf die »treuen dienste meines herrn s[elig]., so er uber zwanzig vier jahr (ohne ruhm zu melden) in hoff- und stadtministerio, wie auch bey der superintendentz alhir, mit hindansetzung seiner gesundheit, bestes fleisses in allen müglichen dingen geleistet, und in betrachtung, das mein herr s[elig]. bey seiner kundbaren langwürigen leibsschwachheit gutten theil seiner besoldung an kostbare medicamenta, so er uf rath der medicorum, in hofnung, vorige gesundheit wider zuerlangen, gebrauchet, ufwenden müßen […]«.33

Wenn ihn die Schmerzen am Schreiben hinderten, scheint er – wie längere Passagen von anderer Hand in seinen Diensttagebüchern vermuten lassen – diktiert zu haben. Dieser zeitweisen Gebundenheit an sein Haus verdanken wir aber wahrscheinlich Steins staunenswert gründliche und ausführliche Tagebuchführung, die auch als Nachweis gedient haben dürfte, dass er trotz seines Handicaps sein zu einem wesentlichen Teil in der Führung von Korrespondenz bestehendes Amt nicht vernachlässigte; Zusammenkünfte, etwa des Predigerministeriums, fanden in seinem Haus statt und auf Visitationsreise ging er, wenn es seine Beschwerden zuließen. Sehr aufschlussreich in dieser Hinsicht ist ein Schreiben Paul Steins vom 17. Juli 1631 »Zu ihrer f. gn. selbst eigenen handen«, in dem er Landgraf Wilhelm V. in Untertänigkeit nicht verhalten kann, dass er und der damalige Hofprediger Theophil Neuberger erst durch das fürstliche Ausschreiben von dem anstehendem Fast-, Buß- und Bettag in Kenntnis gesetzt worden seien, was ihn argwöhnen lässt, ihm würden von anderen bewusst Informationen vorenthalten, um ihn dann wegen Pflichtvergessenheit anzeigen zu können. Er versichert dem Landgrafen aber, »das ich, auch bey höchster meins leibs bawfelligkeit, dennoch diese und dergleichen ambtssachen und deren verrichtungen mihr zum höchsten angelegen sein lasse […]; inmassen ich wegen meiner amtsverrichtungen hir und an andern in meinen becirck dato alhir zu Wildungen, da ich ohne das mich beym saurbrunnen aufgehalten, auff erfordern erschienen, und ihre rechnungen abgelegt, welche befunden worden, wie folget […].« Die Gotteskastenrechnungen von 1626 und 1627 der übrigen Pfarreien der Klasse Borken hatte Stein schon bei einer Mittelpunktvisitation vom 14. bis 17. Juni 1628 abgehört. Das Protokoll mit der zitierten Notiz auf fol. 5r (kursive Hervorhebung von mir) findet sich in StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin das 4. Protokoll]. 33 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das dritte (fol. 3rv, 9rv) hier fol. 3r. Wie weit der desolate Gesundheitszustand Steins bekannt gewesen sein muss, lässt die Bemerkung von Statthalter, Vizekanzler und Räten zu Kassel in einem Gutachten (Konzept) an den Landgrafen vom 30. September 1635 (Ebd., viertes Schreiben [fol. 4rv, 8rv], hier fol. 4rv) erahnen, die sie dem Referat der Begründung des Gesuchs der Witwe in Klammern beifügen: »ihres herrn s[elig]. besoldung seye uff kostbare medicamente undt rat der medicorum mehrentheils (welchem dann leichtlich glauben beyzumessen) uffgewendet« worden.

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gehörigen orten, aus meinen diariis und protocollis wie dan auch sonstet meines thuns und lassens halber, e. f. gn. oder den jenigen, welche von deroselben darzu verordnet werden möchten, jederzeit verhoffentlich solche rede und antwort zu geben bereit bin, das alle meine misgünstige und heimliche obtrectatores, da deren vorhanden sein solten, dardurch schamroth gemacht, und hergegen meine unschuld an das tagesliecht gebracht werden soll«.34

Dass, wie Theophil Neuberger schreibt, sein »antecessor [Paul Stein] sel. wegen leibsschwacheit etzliche jahre lang leider wider seinen willen, nicht hat predigen noch auch sonst wohin gehen und kommen« können,35 wird der Grund gewesen sein, weshalb Landgraf Wilhelm V. im November 1632 anstelle Paul Steins »D. Johannem Crocium zur praedicatur der Freiheiter kirch alhier auf gewisse maß gnedig bestellen laßen«; es habe »sich dan gemelter D. Crocius mit dem superintendenten Paulo Steinio der besoldung halber der gestalt verglichen, daß ihme, D. Crocio, dieselbe auß denen stifftsgefellen S. Martin, welche der superintendens jährlich bißhero erhaben, verhandreicht werden solle«.36 Diese Besoldung für die Wahrnehmung der ersten Stiftspfarrstelle, die bisher Paul Stein zustand, und nun auf Johannes Crocius übertragen wurde, sah folgendermaßen aus: Es wurde bestimmt, dass »ihme D. Crocio der stifftschreiber dieses orts, wer derselbe zu jederzeit sein wird, von denen stifftsgefellen, so bißhero der superintendens Steinius gehabt, so fern die geltgefelle anreichen werden, oder sonstet aus denen dem superintendenten angewiesenen geltgefellen järlich, an geld ein hundert und fünfzehen fl., jeden in zwanzig sechs alb. gezehlt, fürstl. heßischer in anno 1622 publicirter müntzordnung gemeß, jedes jahrs in vier quartahlen, so dan an marckreiner frucht zwanzig V[iertel]. korn, und neun V[iertel]. haffer Casselisch maß, zu dem an feder viehe drey gänse und neun handen, uf Michaelis, ohnseumlich und treulich in seine gewarsam lieffern, und sich daran nichts hindern lassen soll. Alsdan auch sechzehen claffter holtz ihm D. Crocio jedes jahr vor daß hauß, ohne alle seine mühe und unkosten zu schaffen bewilligt worden […]«.37 34 StAM 40 a Rubr. 24, Nr. 125 (Stück im Konvolut relativ weit hinten einliegend). 35 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 36–37, hier S. 36 (Beilage zu einer Mitteilung Neubergers vom 15. Juni 1643). 36 Statthalter, Kanzler und Räte, Kassel November 1632 (Tagesdatum offengelassen, im Rückvermerk: 6. November), Entwurf eines Vergleiches über die Besoldung zwischen Paul Stein und Johannes Crocius bei der Übergabe der Stiftsprädikatur, hier zitiert aus der Anweisung für Paul Stein, StAM 22 a 8, Nr. 164 (Kassel) [Umschlag mit der Aufschrift: »Dr. Crocii bestellung zum Prediger der Freyheiter Gemeinde betr. 1632.«, darin erstes Schreiben]. 37 Statthalter, Kanzler und Räte, Kassel 1632 November 9 (Tagesdatum unsichere Lesung), Entwurf eines Vergleiches über die Besoldung zwischen Paul Stein und Johannes Crocius bei der Übergabe der Stiftsprädikatur, hier zitiert aus der Anweisung für Johannes Crocius, StAM 22 a 8, Nr. 164 (Kassel) [Umschlag mit der Aufschrift: »Dr. Crocii bestellung zum Prediger der Freyheiter Gemeinde betr. 1632.«, darin zweites Schreiben]. Als Ausgleich für Paul Stein wurde bestimmt: »Vorhochgedachte ihre f. gn. auch gnedig bewilligt, dem superintendenten dargegen anderwertige erstattung zu thun; als werden, auf bürgermeister

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Stein genoss offenbar in besonderem Maße das Vertrauen Landgraf Moritz’. 1615 schickte er ihn zu einem Kolloquium mit dem waldeckischen Hofprediger Ludwig Hoffmann, das vom 7.–10. November auf Schloss Waldeck stattfand.38 Wie zu vermuten, standen im Mittelpunkt des Kolloquiums die Differenzen in der Abendmahlslehre zwischen Lutheranern und Calvinisten, eine Bezeichnung die Stein in einem Brief an Elisabeth von Waldeck für sich und seine Bekenntnisverwandten nur als Fremdzuschreibung gelten ließ. Das gräfliche Veranstalterpaar war »konfessionsverschieden«, während Graf Christian zu Waldeck auf der lutherischen Seite stand, war seine Ehefrau Elisabeth39 eine Tochter des reformierten Grafen Johann VII. von Nassau-Siegen, des Schwiegervaters Moritz’ von Hessen-Kassel; in Begleitung eines »Grav Johan von Nassaw« reiste Stein übrigens an und auch wieder ab, zu Moritz, dem er eine Abschrift des Protokolls des Kolloquiums übergab. Den Brief, dem diese Angaben folgen, den Paul Stein im Nachgang des Kolloquiums am 30. Januar 1616 in Erwiderung auf Vorwürfe des Hofpredigers Hoffmann an Elisabeth von Waldeck richtete, habe

und raths alhiero beschehene bewilligung und gethane erklerung, gemeltem superintendenten Steinio hirmit bey gemeiner stadt cämmerey fünffzehen fl., beym gottes-casten zwanzig fl., und beym stipendiaten casten dreissig fl. in 26 alb. dem fürstlichen in anno 1622 publicirtem müntzedict gemeß, angewiesen, mit befehl, daß itzige und künfftige cämmerer, gottes- und stipendiaten-castenschreiber jährlich obgemelte summ, von quartalen zu quartalen dem superintendenten gegen quittung richtig lieffern, und in rechnung einbrigen sollen. Und soll der anfang vom nechst verlauffenen Michaelis tag dieses jetztlauffenden jahrs gemacht werden« (StAM 22 a 8, Nr. 164 (Kassel) [in demselben Umschlag wie eben, erstes Schreiben]). 38 Das Protokoll ist erhalten in der waldeckischen Überlieferung, StAM 115/07, Nr. Generalia 59. Ebenso erhalten ist die mehrseitige eigenhändige Erwiderung Paul Steins an Gräfin Elisabeth, die Gemahlin Graf Christians von Waldeck, eine geborene Prinzessin von NassauSiegen, in der er sich gegen Vorwürfe des waldeckischen Hofpredigers im Hinblick auf das Verfahren bei dem Kolloquium verteidigt, die dieser in zwei an die Gräfin gerichteten Briefen erhob, die Stein und Crocius von der Frauenzimmerhofmeisterin Elisabeths überbracht worden seien, die Erwiderung: Kassel 1616 Januar 30, StAM 115/07, Nr. Generalia 15. Darin schreibt Paul Stein auch, dass das Protokoll teils vom Pfarrer der Stadt Waldeck, der Hoffmann als theologischer Assistent zur Seite stand, und teils von dem Stein begleitenden Sekretär verfasst worden sei (Punkt 4 [fol. 3rv], Punkt 12 [fol. 5r]). Die letzten beiden erheblich lesbareren Seiten des Protokolls stammen wahrscheinlich von dem Kasseler Sekretär, diese Hand schrieb auch den Rückvermerk: »Colloquium inter M. Paulum Steinium Cassellanum Superintendentem et M. Johannem Hoffmannum Concionatorem aulicum Waldecensem«. Der Kasseler Sekretär kannte aber wahrscheinlich nicht den wirklichen Vornamen des waldecker Hofpredigers, der laut dem ebenfalls in StAM 115/07, Nr. Generalia 15 enthaltenen Entwurf der Bestallungsurkunde (Datum offengelassen) und der Abschrift des diese bestätigenden Reverses Hoffmanns (Mai 1613, ohne Tagesdatum) »Ludovicus«, also Ludwig und nicht Johann hieß. Zu dem Kolloquium kurz Menk: Absolutistisches Wollen, S. 198f. 39 Zu ihr : Menk: Gräfin Elisabeth und die Beziehungen des Bildungsreformers Wolfgang RatkeRatichius zu Waldeck, v. a. S. 55–57.

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er, wie er selbst einräumt, »nottringlich mit etwas harten worden […] schreiben müssen«.40 Bekannt geworden ist Stein aber weniger für seine harten Worte, als für eine Auseinandersetzung, in der seine Position unter dem Schlagwort »niederhessische Irenik« in die historische Forschung eingegangen ist.41 Am 22. Juni 1618 hielt Paul Stein in der Kasseler Hofkirche bei der Hochzeit des Geheimen Rats und Hofmarschalls Dietherich von dem Werder mit Dorothea Catharina von Waldau in Anwesenheit des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg eine »Concio Irenica oder FriedensPredigt/ […] Darinnen vnder andern dargethan vnd bewiesen wird/ das beyderseits Evangelische von der Person des Herrn Christi/ dem heiligen Hochwürdigen Abendmahl/ vnd der Gnadenwahl der Kinder Gottes/ im Fundament vnd Grund der Seeligkeit durchaus Einig: Vnd das die wenige zwischen ihnen noch schwebende streitige Puncten bey weytem der importantz vnd erhebligkeit nicht seyen/ daß von deren wegen das Band der Christlichen Brüderlichen Liebe zwischen ihnen/ beyderseits Evangelischen/ getrennet vnd zerrissen werden solle«.

Mit seiner Initiative knüpfte er an einen gleichartigen Versuch des Heidelberger reformierten Theologen David Pareus42 an und wie dieser zog sich Stein damit energische Gegnerschaft zu, in seinem Fall vor allem die des im Zuge der Einführung der Verbesserungspunkte an der Universität Marburg »beurlaubten«, jetzt Gießener Professors der Theologie, Balthasar Mentzer des Älteren. Mentzer setzte Stein 1619 zuerst eine »Wolgemeinte Erinnerung von der Concione Irenica oder Friedens-Predigt« entgegen. Darin hält er die von Stein benannten und weitere Differenzpunkte der beiden protestantischen Richtungen im Gegensatz zu Stein für grundsätzlich und unversöhnlich und wirft seinem Kontrahenten überdies Unaufrichtigkeit vor: wo die Reformierten die Oberhand hätten, würden sie die lutherischen Pfarrer von ihren Stellen vertreiben, gleichgültig ob 40 StAM 115/07, Nr. Generalia 15 (das letzte Zitat fol. 6r, »Grav Johan von Nassaw« fol. 2v). 41 Zeller : Die niederhessische Irenik. Zum Verständnis der Kirche in Hessen-Kassel von Moritz dem Gelehrten bis Wilhelm VI. 42 Zu Pareus: Himmighöfer : Pareus, David. Pareus brachte 1614 sein »Irenicum sive de unione et synodo evangelicorum concilianda liber votivus. Paci ecclesiae & desideriis pacificorum dicatus« heraus (Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:232939S), das 1615 in deutscher Übersetzung durch Winand Zonsius erschien: »Irenicum Oder Friedemacher. Wie die Evangelischen Christlich zuvereinigen/ und zu einem Synodo, oder allgemeinen Versamblung gelangen mögen« (VD17-Nr.: 39:133695M). Stein selbst wies auf die Vorbildwirkung des Pareus für ihn hin, siehe Zeller : Die niederhessische Irenik, S. 104 mit Anm. 41. Die bisherigen bio-bibliographischen Beiträge zu Paul Stein und der Auseinandersetzung infolge seiner Friedenspredigt haben übersehen, dass Paul Stein am 21. Januar 1609 unter dem Vorsitz David Pareus’ über »De libero hominis arbitrio/ Authore & respondente Paulo Steinio Sontrano, Hasso« disputiert hat, die Disputation erschien auf S. 286–316 als Bestandteil einer theologischen Disputationensammlung David Pareus’ 1611 in Heidelberg (siehe Quellenverzeichnis).

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sie meinten, mit ihnen »im Fundament und Grund der Seligkeit durchaus einig« zu sein.43 Letzterer Vorwurf erscheint nicht ganz unberechtigt, wie die Wiedereinsetzung reformierter Prediger in Niederhessen anstelle von durch HessenDarmstadt introduzierten lutherischen nach dem Abschluss des Hessischen Hauptakkords 1627 zeigt, die zum Teil vor dem in einem Nebenrezess zu den Religionsfragen zwischen Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel vereinbarten Termin erfolgte.44 Stein entgegnete Mentzer noch 1619 mit einer, wie die Friedenspredigt selbst, Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg gewidmeten »Rettung der zu Cassel am 22. Junii Anno 1618 gehaltene[n] FriedensPredigt«, worin er schon in der »Vorrede an den Christlichen Leser« ausführt, er wolle aus seiner Friedenspredigt »keine Concionem Eristicam oder Streitpredigt machen«.45 Zur Untermauerung seiner sachlichen Position schrieb Stein schließlich ein dreibändiges Werk, das in den Jahren 1622–23 erschien, in dem er die unterschiedlichen Ansichten zu den drei in seiner Friedenspredigt benannten Punkten, die jedoch die Seligkeit und christlich brüderliche Liebe der Parteien nicht hinderten – Person Christi, Abendmahl, Gnadenwahl/Prädestination – gründlich untersuchte: »Evangelischer Kirchen Brüderschafft/ Das ist/ Außführlicher/ Sonnenklarer Beweiß/ das beyderseits Evangelische im Grund der Seeligkeit einig/ und ohnerachtet deren zwischen ihnen noch schwebenden Streitigkeiten und Irrungen/ einander gar wol mit gutem Gewissen für Brüder in Christo erkennen können/ auch billich darfür erkennen und halten sollen. Gestellet und entgegen gesetzt Ehrn D. Balthasaris Mentzeri Examini der Rettung der Casselischen Friedenspredigt/ Und Ehrn M. Petri Tuckermans/ Fürstlichen Braunschweigischen Hoffpredigers zu Wolffenbüttel/ Antwort auff gemelte Rettung«.

Steins Botschaft, die Gemeinsamkeiten der Evangelischen zu erkennen, um sich vom gemeinsamen konfessionellen Gegner, dem Papst und seinen Verbündeten, nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, sondern sich mit vereinten Kräften besser behaupten zu können, zeigte erst Wirkung auf dem Leipziger Konvent der evangelischen Stände 1631. Der Unwille Mentzers, den Kern von Steins Botschaft wahrzunehmen und positiv darauf einzugehen, dürfte bei Stein zu einer gewissen Resignation geführt und ihn auch noch Jahre später zur Vorsicht bei innerprotestantischen, mit 43 Mentzer : Wolgemeinte Erinnerung von der Concione Irenica oder Friedens-Predigt, S. 5; siehe dazu auch: Zeller: Die niederhessische Irenik, S. 105. 44 Näher dazu in Kapitel V C unter der Überschrift »Wessen das Land, dessen der Glaube – Das Reichshofratsurteil von 1623/1626 und seine Konsequenzen für das politische und konfessionelle Gefüge Hessen-Kassels«. 45 Stein: Rettung der […] FriedensPredigt, fol. Bijr ; zur »Rettung« näher Zeller : Die niederhessische Irenik, S. 107–112.

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konfessioneller Polemik aufgeladenen Auseinandersetzungen gemahnt haben. Als er selbst vor der mit Hessen-Darmstadt vertraglich in einem Nebenrezess zum Hessischen Hauptakkord vereinbarten Frist dem lutherischen Pfarrer Henrich Mogk in Niederurff46, der dort noch bis zum 1. Februar 1629 (neuen Stils) bleiben durfte (ein Jahr nach der kaiserlichen Konfirmation des Hauptakkords am 22. Januar [alten]/ 1. Februar [neuen Stils] 1628), einen reformierten Kaplan namens Samuel Andreas Cancrinus zur Seite gestellt hatte, lesen wir in seinem Diensttagebuch als zweiten Eintrag zum 15. April 1628 folgenden Rat: »An Cancrinum hab ich geschrieben, das er seines anbefohlenen ambts in aller stille abwarten, dem pfarrhern in seinem ambt keinen eintrag thun, und dem frieden nachjagen, sonderlich aber sich mit ihme in keine schrifftwechselung begeben, noch zu ärgerlichem gezänck einige ursach geben; da ihm aber von seinem collegen zur ungebühr zugesetzt werde, solches jederzeit anhero berichten, und gehöriger verordnung erwarten solle«.

Paul Steins Bemühen um eine Annäherung zwischen Reformierten und Lutheranern macht auch noch ein anderer bisher von ihm verschwiegener Punkt deutlich. War er bisher immer stolz auf seine Teilnahme an der Dordrechter Synode,47 so verschwieg er dabei, dass die hessische Delegation das Verdammungsurteil gegen die Arminianer nicht gebilligt sowie auf eine christologische Begründung der göttlichen Vorherbestimmung hinzuwirken versucht hatte.48 In seinem für die Verhandlungen mit Hessen-Darmstadt, die zum Hessischen Hauptakkord führten, bestimmten »Kurtze[n] Entwurff vom Religionswesen im Fürstenthumb Hessen von der ersten Reformation de anno 1526 an bis auff das Jahr [15]82 da der letzte Generalis Synodus zu Marpurg gehalten worden; Neben andern nothwendigen puncten; Zugestelt F. Canzley am 19. Maji 1627« bemerkt Stein aber : »Von der gnadenwahl und andern daran hangenden puncten Da vielleicht von der gnadenwahl und andern daran hangenden puncten etwas erregt werden solte, hette man sich dahin zu erkleren, das hirvon in den kirchen des Niderfürstenthumbs Hessen anders nicht gelehret würde, als wie D. Luther hirvon in seiner vorrede uber die epistel an die Römer lehret. Darbey dan auch angezeigt werden könte, das man an denen harten lehren und reden deren sich etzliche theologi in diesen 46 Niederurff ist heute ein Stadtteil von Bad Zwesten im nordhessischen Landkreis SchwalmEder und gehörte zur Pfarreiklasse Borken. 47 So z. B. in der »Rettung Der […] FriedensPredigt«, fol. Br, am Beginn der »Vorrede an den Christlichen Leser«: »Als ich vor ohngefehr dreyen Monaten von dem zu Dordrecht in Holland gehaltenen Niederländischen NationalSynodo durch GOttes Gnade wiederumb allhier zue Land glücklich angelangt […]«. 48 Benrath: Die hessische Kirche und die Synode von Dordrecht, S. 85f., siehe auch S. 73, 74f., 79f.; zu den diesbezüglichen Vorwürfen Mentzers, Zeller : Die niederhessische Irenik, S. 117.

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puncten gebraucht, dieser seits so gahr kein gefallen hette, das auch die zum synodo Dordracena vor ohngefehr acht jahren abgeordnete hiesige theologi, gedachtem synodo mit vorbringung underschiedlicher beweglicher ursachen, zum instendigsten angehalten, auch erlangt, das daselbst in dem schluß solches synodi so wohl das absolutum decretum reprobationis, als andere mehr aus demselben herfliessende irrige harte lehren und reden austrucklich verworffen worden wehren; gestalt man dann nicht allein in angeregtem Dordrechtischen schluß zu sehen, sondern auch, der hiesigen theologen deswegen beym synodo gethane erinnerungen und eingeführte motiven vorgezeigt werden könten«.49

Das besonders enge Verhältnis, das Paul Stein und Landgraf Moritz gehabt haben müssen, geht auch aus einem Schreiben von Landgräfin Juliane an Stein hervor, das zur Zeit der Verhandlungen Wilhelms V. mit Hessen-Darmstadt entstand, in dem Juliane ihn bittet, den alten Landgrafen zur »Vernunft« und zur Einsicht zu bringen, nicht hinter jeder Aktion etwas gegen ihn Gerichtetes zu vermuten.50 Von Sympathie zeugt auch das einfühlsame Portrait, das Stein von Moritz in seiner Leichenpredigt zeichnete, die er bei dessen Begräbnis in der Kasseler Stiftskirche am 3. Mai 1632 hielt.51 Paul Stein starb am 3. November 1634. Mit seiner Frau Catharina Breul, der Tochter des Rentmeisters Engelhardt Breul aus seiner Heimatstadt Sontra, zeugte er fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, von denen eine Stein schon im Tod vorausgegangen war.52 Paul Steins Witwe reichte bei Landgraf Wilhelm V. ein in Kassel am 1. September 1635 datiertes Gesuch um die Gewährung der Prädikantenwitwensteuer ein,53 einer von Landgraf Wilhelm IV. 1583 fundierten Stiftung, die aus 40 »Präbenden« oder »Pfründen« für Witwen verstorbener Pfarrer bestand, jede Präbende zu jährlich 6 Gulden an Geld, 6 Viertel Korn, 2 Viertel Hafer und 2 Viertel Gerste; sollte die Zahl der anspruchsberechtigten Witwen 40 übersteigen, wurden die Überzähligen mit einem geringeren Betrag aus den Einkünften des

49 Zitiert nach dem Konzept von der Hand Paul Steins, in: StAM 22 a 1, Nr. 98, hier : fol. 5v, der im Text angeführte Titel stammt aus dem Rückvermerk dieses Stückes; Reinschrift von anderer Hand in StAM 4 i, Nr. 167. 50 Das Schreiben der Landgräfin Juliane an Paul Stein, Heydau 1627 Mai 2, ist besprochen bei Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 174f. mit Anm. 204; die ebenfalls bei Lemberg: Juliane Landgräfin zu Hessen, S. 329 mit Anm. 62 angegebene Archivsignatur StAM 4 a 37, Nr. 75 existiert allerdings nicht, sodass sich das Schreiben selbst nicht auffinden ließ. 51 Monumentum Sepulcrale, S. 50–96 (»Die ander [= zweite] Klag- vnd Trawrpredigt Pauli Steinii, Superintendenten zu Cassel«), insbesondere in der Erzählung von seinem letzten Leiden und Sterben S. 88–95. 52 Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 279. 53 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das dritte (fol. 3rv, 9rv).

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Stifts Rotenburg versorgt und der Exspektanz auf die nächste freiwerdende volle Präbende. »Obberührte pfründten sollen allein die praedicanten, so in unserm fürstenthumb, obrigkeit und gebieth, es sey in Städten oder dörfern in pfarr diensten gewesen und darin verstorben hinderlaßene wittiben, die dißen nottürfftig undt sonsten ihren underhalt nicht haben, auch sonsten eines erbaren uffrichtigen und unstraffbaren wandels sein, solang sie in demselben wittibenstandt unverweißlich verharren, fähig sein, und da deroselben wittiben eine oder mehr der pfründen begehrt, soll sie deßwegen bey unserm superintendenten desselben bezircks, darin ihr eheman verstorben, ansuchen, welcher solches forters an unß und unsere nachkommen fürsten zu Hessen in schrifften mit allem umbständlichen nottürfftigen berichts alters, lebens, wesens und wandels, gelangen lassen soll, daruf wir jedderzeit gebührliche verordtnung thun, und befelch an gehörige ortte geben wollen […]«.54

Friedrich Jacobi, ein Sekretär des Landgrafen, habe die Supplikation in die Kasseler Kanzlei gebracht, wobei er, so die Räte in ihrem Gutachten, bemerkt habe, »daß zwar E[ure] F[ürstliche] G[naden] davor hielten, es wehre die wittib von got also gesegnet, daß sie deß gesuchten beneficii so hoch nicht bedürfftig, wolten aber, was hiebey zu thun dero regierung heimgestelt haben«, mit der Bitte um Bericht. Statthalter, Vizekanzler und Räte leiteten die »zu ihrem undt ihrer kinder underhalt« bewilligte Supplikation an den damaligen Kasseler Superintendenten Neuberger, Steins Nachfolger, weiter mit der Anweisung, »daß er sie in numerum der predigers wittiben unter welcher ihr solche gnaden steure ausgetheilet würde, eligiren solte«.55 Neuberger stellte das Gesuch, offenbar unwissend, dass es bereits beim Landgrafen eingereicht wurde, mit einem Postscriptum diesem erneut zu,56 der sich irritiert darüber zeigte, da er »nicht gewohnet, unß eine sache zum zwey oder mehrmahlen, nachdem wihr einmahl 54 Vidimierte Abschrift (»Copia auscultata«) vom 27. März 1657 der Stiftungsurkunde vom 24. Oktober 1583, StAM 315 l, Nr. 53, das Zitat fol. 3rv. Zwei verworfene Reinschriften, von denen die erste umfangreich korrigiert ist, sowie eine saubere Abschrift (der Schrift nach zu datieren auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts oder auf das 18. Jahrhundert) der letzten der verworfenen Reinschriften der Witwensteuer-Stiftungsurkunde, alle noch unter dem Datum des 9. Oktober 1583, befinden sich zusammen mit einem »Extract fundationis« sowohl der 1575 »vor abgelebte Prediger welche dem Predig Ambt nicht mehr vorzustehen vermögen« gestifteten 20 Rotenburger Kanonikate (vollständige Abschrift der Stiftungsurkunde und der Vollzugsanweisung Landgraf Wilhelms IV. von Hessen-Kassel vom 1. Januar [»newen jahrs tag«] 1575 im »Copialbuch« in StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 13v–17v) wie der Witwensteuer in StAM 22 a 1, Nr. 198. 55 Statthalter, Vizekanzler und Räte zu Kassel in einem Gutachten (Konzept) an den Landgrafen vom 30. September 1635, StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das vierte (fol. 4rv, 8rv). 56 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), in dem betreffenden Umschlag fol. 7rv (undatiertes Postscriptum).

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bescheidt darauf geben, vortragen zuelaßen«. Der Landgraf zweifelte in seinem Reskript, »ob die supplicantin auch solches beneficij, welches unßers ermeßens nuhr vor arme wittiben fundiret, unndt gestiefftet, fähig, unndt mittheilhafftig sein könne« und gibt weiter zu bedenken, »es habe supplicirendte des geweßenen superintendenten Ehrn Steinij sehl. wittibe, nachdem sie von Gott mitt beßern mitteln, alß etwa andere arme pfarrers wittiben gesegnet, deß gesuchten beneficij eben nicht so hoch vonnothen«.57 Der Landgraf scheint hier darauf anzuspielen, dass Catharina Breul nach dem Tod Paul Steins Caspar Josephi, den Metropolitan der Klasse Allendorf geheiratet hat, der 1634 zum Superintendenten desselben Bezirks Rotenburg berufen wurde. Ein genaues Heiratsdatum ließ sich nicht ermitteln, die Bemerkungen des Landgrafen legen aber nahe, dass Catharina Breul zum Zeitpunkt ihres Witwensteuergesuchs zumindest nicht arm gewesen sein kann und damit in der Tat aus dem Kreis der »praedicanten weiber, so da arm und von ihrem patrimonio ihr underhaltung nicht haben können, auch eines erbahren ufrichtigen lebens, wesens und wandel sein, und im wittiben stande verharren werden«58 herausfiel; wenn der Landgraf um diesen Umstand wusste, muss das Leben der Witwe Steins damals für einiges Aufsehen gesorgt haben. Der Landgraf hat aber trotzdem seiner Räte »bericht unndt bedencken zueforderst hieruber nachmahls zu erfordern, vor nötig erachtet, welches ihr dan den nechsten unß nunmehr werdet zuekommen zuelaßen, unndt einzuschicken wißen, unndt da ihr vermeinet, daß es ohne sonderbahr nachtheill unndt abgang mehrgedacht[er]. wittibensteur beschehen könne, seindt wihr ahn unßerm orth gar wohl zuefrieden, undt konnen es geschehen laßen, daß der supplicantin in ihrem suchen willfahret, unndt sie gleich andern mitt solchem beneficio, wofern es nur zuelangen will, pro rata versehen werde, wie wirh ihr dan viel lieber etwaß zuezuelegen, alß daß jenige worzue sie befuegt, abzuekürtzen, gemeinet«.59

Die Räte blieben bei ihrer einmal ausgesprochenen Empfehlung: aufgrund der langen treuen Dienste ihres Mannes, seines schlechten Gesundheitszustandes, des für Medikamente und ärztlichen Rat aufgewendeten großen Teiles seiner Besoldung und der vier vorhandenen Kinder (geboren 1614, 1618, 1622, 1625)60 sprachen sie sich für die Gewährung der Witwensteuer aus, zumahl sie glaubten, 57 Landgraf Wilhelm V. an Statthalter, Vizekanzler und Räte zu Kassel, Zapfenburg [= Sababurg] 1635 September 22 (präsentiert 1635 September 24), 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das fünfte (fol. 5–6), die Zitate fol. 5r. 58 Vidimierte Abschrift (»Copia auscultata«) vom 27. März 1657 der Stiftungsurkunde vom 24. Oktober 1583, StAM 315 l, Nr. 53, das Zitat fol. 2r. 59 Landgraf Wilhelm V. an Statthalter, Vizekanzler und Räte zu Kassel, Zapfenburg [= Sababurg] 1635 September 22 (präsentiert 1635 September 24), 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das fünfte (fol. 5–6), das Zitat fol. 5rv. 60 Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 279.

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wenn Catharina Breul der Steuer nicht bedürftig, »sondern also begütert wehr, daß sie sich mit ihren kindern ehrlich ausbringen könte, sie würde darumb nicht nachgesucht haben«. Wie sich aus gestrichenen Passagen in dem Antwortentwurf der Räte ergibt, hatten sie die Fundation der Witwensteuer nicht vorliegen,61 sonst wäre ihre Empfehlung möglicherweise anders ausgefallen. Ob Catharina Breul die Prädikantenwitwensteuer letztendlich zuerkannt wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wahrscheinlich fiel es am Ende einem in der Kette der Beteiligten auf, dass sie nicht (mehr) zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehörte. Bemerkenswerterweise war mit Caspar Josephi die Reihe der Superintendenten, mit denen Catharina Breul verheiratet war, noch nicht zu Ende, denn nach Josephis Tod 1638 heiratete sie Thomas Wetzel, den Dekan und ersten Prediger des Kasseler Martinsstifts, der 1656 als Nachfolger des verstorbenen Theophil Neuberger zum Superintendenten des Bezirks Kassel berufen wurde, aber schon 1658 starb.62 Als Catharina Breul 1672 starb,63 hatte sie alle ihre Superintendenten-Ehemänner überlebt.

b)

Diensttagebuch

Paul Stein scheint mit seiner gründlichen Tagebuchführung den Anfang gemacht und das Vorbild geliefert zu haben für die Diensttagebücher Theophil Neubergers und Johannes Hütterodts, die bei Paul Stein beide Erwähnung finden64 und – zumindest Neuberger – von seiner Tagebuchführung wussten. Die Einträge in den Diensttagebüchern Paul Steins – es existieren solche, mit Lücken, für die Jahre 1622/23, 1628, 1629, 1630/31 und 1632/33 – sind im Vergleich mit denen der anderen Superintendenten am ausführlichsten und erlauben am 61 Statthalter, Vizekanzler und Räten zu Kassel in einem Gutachten (Konzept) an den Landgrafen vom 30. September 1635, StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, das vierte (fol. 4rv, 8rv), hier fol. 4rv, die gestrichene Passage ist die erste auf fol. 4v. 62 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 25. Zu dem verwandtschaftlichen Netzwerk siehe SchornSchütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 99–101 sowie die Verwandtschaftstafel I: Stein – Angelocrator – Wetzel – Colmann – Mosebach (Landgrafschaft Hessen-Kassel) auf S. 467. 63 Schorn-Schütte: Prediger an protestantischen Höfen, S. 335 (Nr. 16). 64 Neuberger wird als Hofprediger immer wieder erwähnt, der, wie andere Mitglieder des Kasseler Predigerministeriums, im Auftrag Paul Steins Botschaften zur und von der Regierung überbringt (z. B. Diensttagebücher Paul Steins, Einträge zum 27. März 1629, Nr. 2 und zum 9. März 1630, Nr. 3 am Ende). Hütterodt, als erster Pfarrer an der Eschweger Altstadtgemeinde und Metropolitan der Klasse, wird im Diensttagebuch Paul Steins 1631/32 im ersten Eintrag zum 16. August 1631 genannt: »M. Johannes Huttenrodt pfarrherr zu Eschweg schickt ein schreiben ein undt bittet, daß daß streiffen auf die catholische lande undt sonderlich auf die geistlichen möchte eingestellet werden, in bedencken, daß die pfarrherrn, so auf der gräntze [zum Eichsfeld, A. J.] wohnen, eben solches sich zu befahren, welches schreiben den kriegßräthen sobalt zugefertigt worden«.

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besten die Rekonstruktion von Zusammenhängen. Ob es Diensttagebücher auch für die Jahre 1624, 1625, 1626, 1627, 1634 gab und wenn ja, wo diese abgeblieben sind und ob die zeitlichen Lücken in den Jahren, für die Diensttagebücher erhalten sind, ursprünglich gefüllt waren, konnte bislang nicht ermittelt werden. Aufgrund der herrschaftsnahen Stellung des Kasseler Superintendenten sind die Diensttagebücher eine Fundgrube zur Erhellung der Zusammenarbeit der weltlichen und geistlichen Sphäre sowie für die Aufgaben der leitenden Geistlichen.65 Sie liefern überdies ein Panorama der Konflikte mit kirchlicher Implikation in der gesamten Landgrafschaft während einer Zeit enormer Herausforderungen durch den Dreißigjährigen Krieg.66 Bisher sind die Diensttagebü-

65 Über diesen engeren Bereich der Amtsgeschäfte geht die Überlieferung hinaus, die Julia Zech: Reformation als Herausforderung. Konflikte und Alltag des Superintendenten Jacob Jovius im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel 1569–1585, untersucht. Jovius hat ein Rechnungsbuch und zwei Konzeptbücher hinterlassen (zur Quellengrundlage und -einordnung, S. 51–56), aus denen Zech, unter Kontextualisierung mit ergänzender Überlieferung, mehrere Konfliktfelder herausarbeitet. Die Kommunikationsweise und Themen Jovius’ ähneln denen der hier in den Fokus gerückten Superintendenten, wenn auch die Quellengattung, die Breite der Themen wie der methodische Zuschnitt der Untersuchung jeweils ganz unterschiedlich sind. 66 Dass in Kassel die kirchlichen Fäden aus der gesamten Landgrafschaft zusammenliefen und im Diensttagebuch des Superintendenten ihren Niederschlag fanden zeigt z. B. der Eintrag vom 12. März 1623, Nr. 3: »Ihre F. Gn. [Landgraf Moritz, A. J.] lassen mich zu sich fordern, und stellen mihr underschiedliche schreiben des consistorii zu […]. 2. Wegen introduction Fabronii zum superintendenten und decano zu Rottenburg, welche das consistorium auf den 24. einstehenden monats Aprilis zu verrichten gemeinet, und wiederbestellung des Fabronii stelle, darzu sie Sartorium, caplan zu Eschwege, und Hoffmeisterum, adjunctum des pfarhern zu Massenheimb, vorschlagen. Worauff Ihre F. Gn. sagten, so viel den ersten punctum introductionis anlangt: selbige wohl ehe hette können vorgenommen werden, weil die vom consistorio eingewandte ursachen, das die passionspredigten angiengen, und die ostern nahe wehren, nicht erheblich; jedoch könten Ihre F. Gn. geschehen lassen, weil bey jetzigen unsichern zeiten die superintendenten doch nicht viel visitiren könten, das es mit der introduction so lang bis auf den 24. Aprilis ein anstandt hette. Wegen der vorgeschlagenen personen sagten Ihre F. Gn. das sie dem Caplan zu Eschwege Sartorium gehört; hette gahr ein leise stimme, das er in der Newstätter kirch daselbst etwan nicht wohl würde zu vernehmen sein, doch wan die bürger seiner gewohnt weren, und ihn vernehmen könten, wehren Ihre F. Gn. zufrieden, das er Fabronio im pfarrambt succedire. Hoffmeisterum betreffend, erklärten Ihre F. Gn. sich dahin, weil er nicht allein im vergangenen sommer, sondern auch noch ohnlangst aufs newe von den Baierischen spoliirt, wehren Ihre F. Gn. gnedig zufrieden, das er naher Eschwege an Sartorii stette zum caplan angeordnet würdt. Und solte ich dieses dem Secretario anzeigen, ein antwortlich schreiben ans consistorium in dictum sensum abzufassen«. Unter dem 9. April 1628, Nr. 1 heißt es im Diensttagebuch Paul Steins: »Fürstliche Herrn Räthe haben mit dem ministerio sowohl wegen gestrigen an sie gethanen schreibens, die bettag betreffend, als auch anderer sachen halber communicirt, und ist der schluß gemacht, wie folget […]. 7. Dieses alles solle von mihr dem superintendenten Fabronio zu wissen gethan werden, damit es derselbe in seiner inspection auch bestellen könne«, was geschehen ist, wie das Diensttagebuch unter dem 12. April 1628, Nr. 6 vermeldet: »Dem superintendenten zu Rottenburg Fabronio hab ich abschrifft deren ausschreiben an die

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cher Paul Steins und Theophil Neubergers nur punktuell ausgewertet worden.67 Am ausführlichsten hat sie als Quelle bisher Karl Bachmann in seiner »Geschichte der Kirchenzucht in Kurhessen von der Reformation bis zur Gegenwart« gewürdigt, allerdings zum Teil in unklarer Abgrenzung und ohne die Superintendenten beim Namen zu nennen.68 Wie schon in der Biographie Paul Steins erwähnt, diente ihm seine Diensttagebuchführung nicht nur als Erinnerungsstütze, sondern auch als Tätigkeitsnachweis und zur Rechtfertigung, dass er, trotz seiner wiederkehrenden Unfähigkeit das Haus zu verlassen, seine Amtsverwaltung nicht vernachlässigte. Es ist deutlich, dass ihm seine Tagebucheinträge nicht als Ort für Briefentwürfe dienten,69 diese finden sich separat in anderen Zusammenhängen, sondern dass metropolitanos meiner inspection, auff der cantzley befehl zugefertigt, und darbey angedeutet, das er ebenmessige verordnung in seinem bezirck thun solle«. 67 Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 347 Anm. 101 zu Einflüssen auf und Kriterien für die Besetzung von Pfarrstellen mit Beispielen aus dem DTB Paul Steins 1622/23 und dem DTB Theophil Neubergers; S. 377f. zum Verhältnis des weltlichen und kirchlichen Zuchtanspruchs in verschiedenen Fällen, extrahiert aus dem DTB Paul Steins 1622/23 und dem DTB Theophil Neubergers. Intensiv wertet Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 191–200 (»Eherechtsprechung als Teil reformierter Bußzucht – Das geistliche Ministerium Kassel 1624–1648«) die Diensttagebücher, die er auf S. 191 in Anm. 174 nennt, im Hinblick auf Ehefälle aus. Nur die Diensttagebücher Paul Steins zu den Jahren 1622/23 sowie zu 1629 sind ihm offenbar unbekannt geblieben. 68 Bachmann: Kirchenzucht, S. 53–65, auf S. 53f. Anm. 6 c, wo er die einzelnen Protokolle auflistet (die 1912, als sein Buch veröffentlicht wurde, noch »im Turmzimmer des Kgl. Konsistoriums« Kassel lagen, S. 54 Anm. 6 c Punkt 4), unter Punkt 4 nennt er ein Superintendentenprotokoll, dass vom 13. April 1629 bis zum 25. April 1648 reicht, ohne darauf hinzuweisen, dass hier die Protokolle zweier Superintendenten vorliegen, da Paul Stein am 3. November 1634 gestorben ist, möglicherweise kommt ihm dies aber für seine Fragestellung als unerheblich vor, da er die Namen der Superintendenten, denen die Protokolle zuzuordnen sind, ohnehin nicht nennt. 69 Es gibt eine Ausnahme. Im DTB Paul Steins 1630/31 liegt zwischen den Einträgen zum 18. und 19. März 1630 das nicht eigenhändige Konzept eines Briefes von »Paulus Steinius suo & collegarum suorum nomine« an Landgraf Wilhelm V. vom 19. März 1630 ein, der »gnedig befohlen, das ich auff Herrn Lucae Maij, wegen seines Eydams Francisci Engelharts gethanes undertheniges suppliciren, meinen grundlichen bericht, sowohl des pfarrers zu Obern Mellrich, Christian Seurings, alß auch gemelten Francisci Engelhardts halber, thun soltte«. Seuring, der »ob soltte er einer weibs personn unzucht angemuthet, und andere leichfertigkeiten getrieben haben, beschuldiget«, sei »wegen starcken verdachts, bis zu ausführung seiner unschuldt, dazu ihme eine monats frist bestimpt, seines pfarampts zu suspendiren«, das Kasseler Predigerministerium halte dafür, »das er des ärgernuß und großer verbitterung halber zwischen ihme undt der gemeinde, des ortts lenger nicht zu dulden sey«. »Betreffend Franciscum Engelhardi, hatt sich derselbe zum offteren alhier im predigen hören laßen, und erachten neben mir, meine collegen im ministerio alhier, alß deren judicium ich hierüber gehöret, darvor, das er wegen seiner gaben im predigen zum ministerio gnugsam qualificirt und düchtig sey, wie sie dan darbeneben nicht zweiffeln, er werde sonstet auch im examine (welches die zeit geben wird) ebenmesig seiner progressum halber in studio theologico ihnen alß examinatoribus ein gutt gnügen thun. Dahero sie ihm dann, sonderlich wegen seines altten wohlverdienten schwehers, Herrn Lucae Maij, alß dem es gleichwoll nunmehr

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er, wie der Vergleich mit den Konzepten oder den Ausfertigungen der Schreiben zeigt, zur Absendung fertige oder bereits abgegangene Briefe, zum Teil in wörtlicher Übereinstimmung von Passagen, hier mit einer Inhaltsangabe niederlegte. Auf die angewandte Sorgfalt, auch bei Berichten über persönliche Unterredungen, weisen zudem die nur vereinzelten Korrekturen und auf das Bemühen um Vollständigkeit die Nachträge am Rand hin. Aus der Zusammenschau mehrerer Einträge zu empfangenen und abgegangenen Briefen sowie eventuell diesen selbst oder deren Konzepten ebenso wie aus Einträgen über Gespräche zu der jeweiligen Sache, lassen sich Vorgänge, Beweggründe für Entscheidungen wie auch die Arbeitsweise Steins sehr genau nachvollziehen. Die Diensttagebücher Steins sind zum größten Teil eigenhändig verfasst, allerdings gibt es immer wieder Strecken, in denen er wahrscheinlich diktiert hat, da ihn möglicherweise seine »podagrischen schmertzen« am Schreiben hinderten.70 Diese Einträge von anderer Hand, darunter einer Hand, die auch in für Stein angefertigten Abschriften wiederkehrt,71 benutzen aber weitgehend seine Diktion und seinen graphischen Stil der Eintragungen, so dass Paul Stein die Einträge diktiert haben muss und er als Verfasser angesehen werden kann. Stein selbst hat eine sehr charakteristische Handschrift: klein, mit deutlich abgegrenzten Buchstaben, der Verwendung der typischen lateinischen Kürzungszeichen für per, prae-, -us und Kontraktionen, die nach einer gewissen Eingeauch schwer fallen will, ihn sampt weib und kind lenger zu erhalten, diese beforderung gerne gönnen, auch hochgedachte Ihre F. G. underthenig intercedendo ersuchen, disfals den gutten altten Herrn Lucam Majum mit einer gewürigen gnedigen resolution zu erfreuen«. Zu Familiennetzwerken und Protektion bei der Pfarrstellenbesetzung in Hessen-Kassel, die auch hier greifbar werden, am Beispiel des Lucas Majus jun. (1577–1633), dessen Schwiegersohn hier zu einem Pfarramt verholfen werden soll, Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 345–347. 70 Paul Stein an Caspar Josephi, Kassel 1622 Juni 19, KKAE Best. 3, Nr. 1873 [drittes Stück im Konvolut]; siehe die nähere Behandlung oben in der Biographie Paul Steins. Im DTB Paul Steins 1630/31 findet sich unter dem 24. März 1630, Nr. 1 folgender Eintrag, der zeigt, dass Paul Stein gesundheitlich vorübergehend an der Ausübung seines Amtes verhindert war : »Dieweil ich leibsschwacheit halber den conventum classicum im ambt vor der Newstad auf angesetzten freitag nach ostern nicht halten kan […], als ist den pastoribus gemelten ambts notificirt, das der convent prorogirt und ihnen hirnechst zu wissen gethan werden solle, wann und wo derselbe gehalten werden solle«. Metropolitan der Pfarreiklasse Kassel-Neustadt war der erste Pfarrer an der Unterneustädter Gemeinde (Paul Stein war als Dekan und erster Pfarrer des Kasseler Martinsstifts Metropolitan der Klasse Ahna) (Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 46–61: »Von den Classen der drey Casseler Aemter«), gelegentlich nahmen die Superintendenten aber an den Konventen anderer Klassen teil, so war Paul Stein z. B. am 7. Mai 1629 auf dem zu Gudensberg stattfindenden Konvent der Klasse »gegenwertig« (Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 12r). 71 Die Hand, die den »Abschied wie es zu Schmalkalden, Dreiss Ziegenhain, und under denen Lutherischen von der Ritterschafft der Religion halber gehalten werden solle« (Rückvermerk von der Hand Paul Steins) abgeschrieben hat, in StAM 318 Kassel, Nr. 1441, diese lässt sich, wie gleich näher ausgeführt wird, dem Paul Stein enger vertrauten Diener und Schreiber Johannes Pforr zuordnen; die Ausfertigung für Hessen-Kassel liegt in StAM Urk. 5, Nr. 94.

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wöhnungszeit sehr gut lesbar ist. Sein Schriftbild ist auf den ersten Blick von dem anderer Hände unterscheidbar. Eine geschulte, auf Repräsentativität bedachte Kanzleihand ist es nicht, außer der gelegentlichen Hervorhebung von Initialen verzichtet er auf schmückendes Beiwerk. Der Eintrag zu jedem Tag beginnt mit der Überschrift »Actum am […]« etwa »8 octobris ao 1622.«. Darunter sind mit vorangestellter Nummer die einzelnen Sachverhalte zum jeweiligen Tag aufgelistet, zum Teil mit weiteren Unterpunkten, etwa bei Absprachen mit der Regierung zu verschiedenen Sachverhalten,72 die manchmal sogar nochmals unterteilt sind.73 Außer bei der Verwendung vorgegebener lateinischer Termini (consistorium, presbyterium, superintendens, adjunctus etc. in der jeweiligen Deklination) und kleineren in der damaligen Gelehrtensprache üblichen lateinischen Wendungen, schreibt er vollständig auf (Frühneuhoch-) Deutsch. Die Einträge sind zeitlich sehr dicht. War Stein auf Visitationsreise, gibt er dies mit dem entsprechenden Zeitraum an und verweist auf die dabei entstandenen Protokolle. Anschließend listet er auf, welche Briefe, von wem und mit welchem Inhalt in seiner Abwesenheit eingegangen sind.74 In einem »Verzeichnuß was sich in der Superintendentz Cassel zu antritt meines Amts gefunden. Anno etc. 1634 im Decembri« listet Steins Nachfolger 72 So im DTB Paul Steins 1628, im Eintrag zum 26. April, Nr. 3 und 4. 73 So im DTB Paul Steins 1629, im Eintrag zum 27. März (fol. 19v–20r) (nicht von der Hand Paul Steins). 74 Gut erkennbar ist diese Form im DTB Paul Steins 1622/23, im Eintrag zum 6. November 1622: »Bin ich naher Gensingen [heute: Gensungen, ein Stadtteil der Gemeinde Felsberg im Schwalm-Eder-Kreis] verreiset, und den 7. Novembris daselbst Conradum Geisselium zum pfarher eingeführet, auch das junge volck im catechismo examinirt, und den pfarhern mit seines antecessoris s[eligen]. wittibe verglichen, wie dan solche vergleichung vom metropolitano zu Felsperg, und denen andern anwesenden fratribus classicis, weil ich zu eilen gehabt, auf meinen befehl zu papier bracht, und mihr ad ratificandum uberschickt werden soll. Desselben tags bin ich von Gensingen naher Ziegenhain, und folgends von dar naher Treisa und Newkirch zur visitation verreiset; auch in solcher visitation vom 7. bis auf den 25. Novembris zubracht, wie dan solche verrichtungen bey gemelten visitationibus in denen darbey gehaltenen protocollis und visitationsabschieden zu sehen. / Actum am 26. Novembris. Hab ich underschiedliche schreiben, so in meinem abwesen in mein losament gelieffert worden, eröffnet, und zu expediren angefangen. 1. Und zwar […]«. In StAM 315 a, Nr. 22 (vorletztes Stück) liegt das Konzept der Abschiede über die Mittelpunktvisitation in der Festung Ziegenhain vom 8.–11. November 1622 und zu Treysa vom 13.–19. November 1622 von Paul Stein. Eine Abschrift des Visitationsabschieds zu Ziegenhain mit zahlreichen Korrekturen und die Reinschrift, in die diese Korrekturen eingearbeitet sind, liegt in StAM 315 a, Nr. 19 (Akte im Kasten ganz oben), unterteilt in »Capita generalia, so ins gemein alle undt jede kirchen dieser clas betreffen« und »Capita specialia, welche gewisse kirchen undt gemeinten dieser class betreffen«. Dort (StAM 315 a, Nr. 19) liegt im Anschluss auch der Bescheid des Konsistoriums aus Marburg vom 5. Juli 1623 auf die Vorschläge Paul Steins zur Visitation in der Klasse Ziegenhain, mit der abschriftlichen Beilage einer früheren Stellungnahme des Konsistoriums an Landgraf Moritz vom 16. März 1622, mit der übereinstimmend es die Veräußerung von Kastengütern zur Instandsetzung von Kirchengebäuden ablehnt.

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Theophil Neuberger etliche Stücke auf, die sich verstreut auch noch heute in den Kirchenbeständen des Staatsarchivs Marburg finden.75 Auf folio 2r unter der Überschrift »Superint[endenten]amt In diesen gemeine Visitationssachen betreffend« werden unter Punkt 10 »Protocolluma, was in des Superintendenten Steinii ambt täglich vorgelauffen de anno 1622 23 etc.« aufgelistet. Damit gibt dieses Inventar den Titel des ersten Diensttagebuchs Paul Steins wieder, »PROTOCOLLUM, was in meinem, Pauli Steinii, Superintendentenambt täglich vorgelauffen, und von mihr verrichtet worden. Angefangen am 8. Octobris anno 1622.«,76 das vollständig von Steins Hand stammt und bis zum 30. September 1623 reicht. Schon die Änderung von »Protocollum« in »Protocolla« in dem Inventar legt nahe, dass Neuberger auch die übrigen Diensttagebücher Steins bekannt waren, was ein eigenhändiger, offenbar deutlich späterer Nachtrag unter dem abgeschlossenen Inventar bestätigt, der überdies noch weitere Erkenntnisse bereithält: »Auß dieser verzeichnuß, so uf fr. regierung befehl, von Johanne Pforrio, Diacono zu Wolfhagen, der des vorigen Herrn Superintendenten [Paul Stein] sel. diener und schreiber gewesen,77 verfertigt ist, sihet man, wie ich die sachen, zu antrettung meines Ampts, gefunden, und was für eine last und arbeit mihr hinderlassen worden. Sintemahl nit allein nit liquidirt, viel weniger die liquidationes [= Forderungen der Kirchenkästen, A. J.] bestettigt oder richtig gemacht, welches zwar bey diesen jahren nit geschehen können, sondern es sind auch die rechnungen nit durchsehen, nit abgehört, noch geschlossen, von 6. 7. 8. 9. 10. 11 Jahren. 75 Das Inventar befindet sich heute in StAM 318 Kassel, Nr. 4; der erste Teil lag bis Anfang Dezember 2016 vor dem Beginn der Eintragungen im Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1632/33 (StAM 315 a, Nr. 21 (1. Teil)), als er mit dem zweiten Teil, einem Doppelblatt mit den letzten beiden beschriebenen Seiten, in StAM 318 Kassel, Nr. 4 zusammengeführt wurde. Der Titel stammt von der Hand Theophil Neubergers, der darunter auch eigenhändig unterschrieben hat. Die Aufstellungen im Inventar stammen von Steins ehemaligem Diener und Schreiber Johannes Pforr, Neuberger hat einige Marginalien und Streichungen angebracht. 76 StAM 315 a, Nr. 23. Die Diensttagebücher werden der Einfachheit halber nur mit dem jeweiligen Jahr und dem Datum des jeweiligen Eintrags (wo vorhanden mit Angabe der Blattzählung) zitiert, die Signatur wird normalerweise nicht genannt. Im Quellenverzeichnis sind die Diensttagebücher in chronologischer Reihenfolge mit dem zugehörigen Fundort im Staatsarchiv Marburg aufgelistet. 77 Zu Johannes Pforr : Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 35; ob die enge Beziehung zwischen Paul Stein und Johannes Pforr auch daher rührt, dass beide in Sontra geboren wurden, wo Paul Steins Vater als Weinschenk tätig war, und der des ca. 1596 geborenen und 1638 41jährig in Kassel an der Pest verstorbenen Johannes Pforr als Herbergswirt, ist unklar, da die Angabe des Geburtsortes bei Bätzing auf einem Fehler beruhen könnte, denn an der Universität Marburg hat sich Pforr am 27. Mai 1615 als aus Waldkappel gebürtig immatrikuliert: »Ioannes Pforrus Wald-Capella-Cattus« (Caesar : Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis, Pars quarta, S. 88 [Fol. 178.b.]). Zu Pforrs im Dezember 1629 auf Betreiben Steins erfolgter Berufung als Diakon nach Wolfhagen siehe unten in Kapitel III A 1.

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Die pfarr, schul und opferhäuser hab ich uf den dörfern meistentheils bawfällig, viel gantz wüst und unbewohnlich gefunden. Kein protocollum hab ich weiter gefunden als de annis, 1622. 1628. 29. 30. 32. 33. aber unvollkommen. Den geschrieben Hess. Catech. mit den scholis hab ich uf fr. cantzley, weil er gedruckt werden sol, H. Dec. Wetzelio selbst zugestelt am 7. Martij 1651«.78

Durch die Anmerkung Neubergers erfahren wir den Namen eines Gehilfen Paul Steins, den Stein an anderer Stelle, indirekter, auch selbst erwähnt hat.79 Offensichtlich kannte sich dieser Johannes Pforr sehr gut mit dem unter Paul Stein bei der Verwaltung der Superintendenz entstandenen oder benutzten Schriftgut aus, sodass ihn die fürstliche Regierung mit der Anfertigung des Inventars nach Steins Tod beauftragte. Die namentlich zuordenbare Handschrift des Inventars erlaubt uns einen Vergleich mit den nicht von Paul Stein geschriebenen Passagen in seinen Diensttagebüchern. Daraus ergibt sich, dass bis auf die wenigen von Stein selbst geschriebenen Einträge, fast sein ganzes Diensttagebuchs für das Jahr 1629 von der Hand Johannes Pforrs stammt, wie auch im Diensttagebuch für 1628 die zahlreichen nicht von Paul Stein selbst geschriebenen Einträge bis zum 16. Februar.80 Nach 1629 stand Johannes Pforr dem Superintendenten Paul Stein nicht mehr als Schreiber zur Verfügung, da er am 18. Dezember auf Befehl 78 Eigenhändiger Nachtrag Theophil Neubergers zum Inventar der Superintendenz-Repositur auf der unteren Hälfte der vorletzten beschriebenen Seite, StAM 318 Kassel, Nr. 4; auf der letzten Seite setzt sich die Aufzählung der aus Steins Amtszeit ihm hinterlassenen Mängel fort, unter Ergänzung von Umständen, die Neuberger selbst in der Ausübung seines Superintendentenamtes behinderten, wie andere Pflichten oder der Krieg. Der geschriebene Hessische Katechismus »mit scholis« (Erklärungen) ist ein (verschollenes) Werk Paul Steins, dazu näher in Kapitel II C 1. 79 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675. In einem Schreiben des Lichtenauer Metropolitans Caspar Rudolph Weisbrot an den Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius vom 3. [evtl. 30.?] Oktober 1628, ist – offensichtlich mit Bezug auf Johannes Pforr – »von des izigen Hern Superintendenten kinder praeceptorn zu Cassell« die Rede, aus dessen Bemerkung gegenüber einem der Klassenbrüder man entnehmen zu können glaubt, der Klasse Lichtenau solle neben dem einen schon vorhandenen noch ein zweiter vertriebener Pfarrer als Adjunkt zur Versorgung zugewiesen werden, »welches dan Herr Johan Pforrius, alß dem [als ehemaligem Pfarrer von Quentel, A. J.] unser armer zustand satsam bewust, in keinen weg verhoffentlichen von uns fordern und außpressen wirt«, was Pforrs einflussreiche Position zeigt, die auch Fabronius bekannt gewesen sein muss (LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 554 [darin das 4. Stück]). 80 Wenn Johannes Pforr im Inventar (StAM 318 Kassel, Nr. 4) von »Protokoll« spricht, wie auf der vorletzten beschriebenen Seite des ersten Teils, wo es über die abgehörten Rechnungen im Amt Bovenden heißt: »Was [1]629 dieser Rechnung halber vorgangen ist im Protocoll zu sehen«, oder auf der letzten Seite des ersten Teils, wo er neben die Angabe, dass in der Stadt Grebenstein die Kasten- und Hospitalrechnungen zuletzt 1628 abgehört wurden, schreibt: »NB. Der Siechen Rechnung halber gibt das Protocoll nachrichtung«, meint er allerdings damit wahrscheinlich Visitationsprotokolle.

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des Landgrafen ordiniert und zum Diakon nach Wolfhagen bestätigt worden war,81 was die nur noch sporadischen, am 12. Dezember endenden Einträge im Diensttagebuch Paul Steins für den letzten Monat des Jahres 1629 erklärt. Die Bemerkung Theophil Neubergers offenbart aber auch, wie viele Aufgaben des Superintendenten, wahrscheinlich durch die aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden eingeschränkte Beweglichkeit Paul Steins, liegengeblieben sind oder nur mangelhaft erledigt werden konnten und wie sehr Stein offenbar auf einen »diener und schreiber« angewiesen war. Gegenüber Landgraf Wilhelm V. gibt Paul Stein an, aus seinen »diariis und protocollis« jederzeit Rechenschafft über seine Amtstätigkeit ablegen zu können.82 Wenn hier von Diensttagebuch gesprochen wird, dann unter Fortführung der im Begleitband zum Diensttagebuch Hütterodts eingeführten Begrifflichkeit,83 womit der zwar quellengemäße,84 heute aber zum Teil spezieller konnotierte Begriff »Protokoll« in den heutigen Sprachgebrauch überführt wird, zumal Stein, wie belegt, dafür auch selbst die Bezeichnung »Diarium« kannte. Das Diensttagebuch vom 2. Januar bis 20. August 162885 ist bis zum 16. Februar immer wieder durchbrochen von Einträgen der Hand Johannes Pforrs, die das Tagebuch auch beginnt und bis zum 12. Januar allein führt, ab dem 19. Februar sind die Einträge vollständig von Paul Stein selbst geschrieben (Abb. 1). Nach dem Eintrag vom 15. Juni gibt es eine größere Lücke, bis es mit dem Eintrag vom 19. August 1628 weitergeht.86 Im Diensttagebuch für das Jahr 1629, das Einträge vom 2. Januar bis 12. Dezember umfasst,87 stammen nur die Einträge vom 21. bis 24. August, Nr. 3 (fol. 41r–42r) von Steins Hand, schon der letzte Satz dieses dritten Eintrags zum 24. August und die beiden folgenden Einträge zu diesem Tag, sind wieder von der Hand Johannes Pforrs geschrieben, von Paul Steins Hand stammen wei81 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675; dazu näher unten in Kapitel III A 1. 82 Paul Stein an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1631 Juli 17, StAM 40 a Rubr. 24, Nr. 125 (Stück im Konvolut relativ weit hinten einliegend). Ausführlicher wurde darauf bereits oben in der Biographie Paul Steins eingegangen. 83 Arnold / Kollmann (Hgg.): Alltag reformierter Kirchenleitung. Das Diensttagebuch des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt. 84 Auch der braunschweig-wolfenbüttelsche Superintendent Jacob Jovius verwendete für seine Konzeptbücher den Begriff »Protokoll«, Zech: Reformation als Herausforderung, S. 52. 85 StAM 315 a, Nr. 5. 86 Bach: Kirchenzucht, S. 54 Anm. 6 c) Punkt 2 ebenso wie Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 191 Anm. 174 lassen das DTB Paul Steins zum Jahr 1628 daher versehentlich mit dem 15. Juni enden. 87 StAM 22 a 1, Nr. 181; die Foliierung ist nicht zeitgenössisch, sondern wurde später in großen arabischen Zahlen mit blauem Buntstift angebracht. Das Diensttagebuch von 1629 ist in eine mittelalterliche liturgische Pergament-Notenhandschrift eingeschlagen. Für Hinweise zur näheren liturgischen Einordnung der Fragmente danke ich Prof. Dr. Thomas Frank (Pavia).

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Abb. 1: Diese Seite aus dem Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1628 mit den Einträgen vom 7. Februar bis zum 9. Februar, Nr. 1 macht anhand der Verschränkung der Hände Paul Steins (Einträge ganz oben und unten) und Johannes Pforrs (am 8. Februar unter Nr. 2 und 3 am Ende durch Paul Stein ergänzt) ihre enge Zusammenarbeit sehr deutlich.

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terhin die Einträge zum 10. und 11. Oktober (fol. 50rv),88 außerdem hat Paul Stein am 4. Dezember (fol. 56v) noch einen eigenhändigen Eintrag vorgenommen. Die folia 57 und 58 sind leer geblieben, sie waren wahrscheinlich für nicht ausgeführte Nachträge bestimmt. Auf fol. 59r stehen dann die beiden letzten Einträge, zum 11. und 12. Dezember, wieder von der Hand Pforrs. Interessant ist, dass gerade aus den nicht eigenhändigen Einträgen zum 24. November, 2., 3. und 4. Dezember 1629 hervorgeht, dass Paul Stein in dieser Zeit sehr mobil war, obwohl nur der Eintrag zum 4. Dezember 1629 von der Hand Paul Steins stammt und auch noch mit der Nr. 1 versehen ist, der keine weiteren Punkte folgen. Unter dem 24. November 1629, Nr. 2 heißt es (Abb. 2): 2. »Bin bey f. herrn räthen gewesen, undt habe ein memorial 1. wegen widerbestellung der pfarr Wolffhagen, und 2. wegen der hospital- und casten capitalien, daß darüber richtige obligationes gegeben werden mögen, hinderlaßen. Nach mittag bin ich von hinnen naher Gudensberg, und von dar naher Borcken verreist, und habe daselbst und in den ämbtern von heut an biß auff den 2. Decembris inclusive visitiret und die castenrechnungen abgehöret. Actum am 2. Decembris anno 1629. Heut habe ich Ehr[n] Johan Saxo zu Nidenstein zum pfarhern eingeführt und bin des abendß nach Gudenßberg gereist. Actum am 3. Decembris M. Henrich Faber, gewesener adjunctus zu Ermetheuß, ist zu Metz fur ein pfarher auffgeführt worden, und bin ich des abendß wider anhero kommen. Actum am 4. X[Decem]bris. Hab ich etliche schreiben, so in meinem abwesen ankommen, erbrochen und verlesen, als nemlich 1. […]«.

Der Annahme, Paul Stein wäre von seinen podagrischen Schmerzen so sehr geplagt gewesen, dass er nicht mehr hätte selbst schreiben können und sein Diensttagebuch daher von einer anderen Person führen ließ, der er diktierte, ist – augrund seiner Reiseaktivitäten – zumindest für diese Tage die Grundlage entzogen. Es ist unklar, ob die Einträge vom Beginn der Visitation (zweite Hälfte des Eintrags zum 24. November, Nr. 2) bis zum 3. Dezember nachgetragen sind oder nicht. Da Paul Stein im Eintrag vom 24. November, Nr. 1 an den Amtmann zur Zapfenburg, Johann von Uffeln, »per recepisse […] begehrt«, eine uneinsichtige »Dirne« »schirßkunfftigen freytag, den 4. Xbris, anhero zu bescheiden«, 88 Der darauffolgende Eintrag vom 14. Oktober 1629, wieder von fremder Hand, informiert uns darüber, dass Stein »[n]ach verrichteter predigt« zur Visitation in die Klasse Hofgeismar gereist ist, von der er am 23. Oktober wieder zurück war, weshalb der nächste Eintrag erst vom 24. Oktober stammt.

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Abb. 2: Die Einträge zum 24. November, Nr. 2, sowie zum 2. und 3. Dezember im Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1629 (fol. 56v) stammen von der Hand Johannes Pforrs, gefolgt vom eigenhändigen Eintrag Paul Steins zum 4. Dezember 1629. Die Einträge berichten über Erledigungen vor, während und nach einer Visitationsreise in die Klassen Gudensberg und Borken.

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hatte er schon geplant, wie lange seine Visitationsreise dauern würde, weshalb die Ankündigung im Eintrag vom 24. November, Nr. 2, »von heut an biß auff den 2. Decembris inclusive« nicht zwangsläufig für einen Nachtrag sprechen muss, zumal diese Einträge vom 24. November, Nr. 1 und Nr. 2 (zweite Hälfte) bis zum 3. Dezember mit dickerer Feder oder unter Aufnahme von mehr Tinte geschrieben sind und sich damit deutlich von der weniger breit geschriebenen ersten Hälfte des Eintrags zum 24. November, Nr. 2 abgrenzen. Dann hätte Paul Stein sein Diensttagebuch zum Nachschlagen sogar mit auf Visitierreise genommen und sein Schreiber/Diener die kurzen Einträge vorgenommen. Die nicht von Steins Hand stammenden Einträge sind in der ich-Form gehalten und weisen auch dadurch darauf hin, dass Autor dieser Zeilen Paul Stein ist, in dessen Stil und Wortwahl, analog zum Titelblatt des Diensttagebuchs 1622/23, auch das Titelblatt des Diensttagebuchs 1629 von dieser Hand geschrieben wurde: »PROTOCOLLUM Gehalten bey der Superintendentz deß becirckß Caßel, im Jahr 1 6 2 9«. Wieder zuhause angekommen, hat Paul Stein versucht, den Inhalt der inzwischen eingegangen Korrespondenz eigenhändig in sein Diensttagebuch zu schreiben, ist damit aber nicht über den ersten Punkt hinausgekommen, die nächsten beiden Blätter blieben leer, bis am 11. und 12. Dezember wieder von der Hand Johannes Pforrs die Eintragungen fortgesetzt wurden. Ist Paul Stein der Aufwand für eine eigenhändige gründliche Diensttagebuchführung inzwischen zu viel geworden? An der bisher in den Diensttagebüchern Paul Steins auftauchenden, nicht von seiner Hand stammenden Schrift, der von Johannes Pforr, stechen die am Beginn eines neuen Eintrags oder Abschnitts stets hervorgehobenen Initialen heraus, die auf die Schulung des Schreibers in einer Kanzlei hinweisen könnten, oder aber, wie bei Pforr, auf seine Tätigkeit als Schulmeister.89 Im Vergleich zur 89 Von Pforr hat sich eine in Marburg ausgefertigte Supplikation erhalten, StAM 22 a 4, Nr. 2, in der er um den vazierenden Schuldienst zu Waldkappel nachsucht, »Cum igitur officium praeceptoris, quod est Waldcappellis in patri. nostr. dilectissim., pro tempore vacet […]«; das Konsistorium, dem das Schreiben am 25. November 1615 präsentiert wurde, notierte darauf als Rückvermerk: »Johannes Pforrus Waldcappellensis petit functionem scholasticam patriam«. Wie Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 35 dann auf Sontra als Pforrs Geburtsort kommt, wird immer schwerer nachvollziehbar, obwohl der Hinweis auf seinen Vater, der dort Herbergswirt gewesen sein soll, nicht unglaubwürdig klingt. Dass Pforr während seines kurzen Studiums in Marburg – nach Caesar : Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis, Pars quarta, S. 88 (Fol. 178.b.) hatte er sich erst am 27. Mai 1615 immatrikuliert – Stipendiat der Stadt Waldkappel war, erhellt aus dem beiliegenden Konzept zu einem Schreiben des Konsistoriums an Pfarrer, Bürgermeister und Rat zu Waldkappel, mit dem sie dieselben, nachdem sie Pforr, den sie als »ewer stipendiarius« bezeichnen, »examinirt, darzu duchtig befunden, und zum schulmeister bey euch confirmirt unnd bestätiget« haben, auffordern, ihn der Jugend zu befehlen und ihm die gewöhnliche Besoldung zukommen zu lassen. Die Schulmeisterstelle in Waldkappel hatte Pforr bis März 1622 inne, als er die Pfarrstelle in Quentel antrat, siehe dazu unten in Kapitel III A 1 b bb.

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Handschrift Paul Steins sind die Buchstaben relativ groß, Zerschreibungen am Wortende und gebräuchliche Kontraktionskürzungen kommen vor. Auffällig ist nach der Schilderung der Sachlage in einem Eintrag die Einleitung des Bescheids mit »Resol[utio].« oder schlicht »R.« und einem durch den Abstrich gezogenen Suspensionsstrich. Neben den Diensttagebüchern existieren weitere protokollartige Aufzeichnungen Paul Steins, die ihren Widerhall in den Diensttagebüchern gefunden haben. So ein doppelseitig beschriebenes einfaches Blatt mit Einträgen vom 13. und 17. April 1629 zum Streit um den Besitz und die Höhe der Pachtzinszahlungen einer halben Pfarrhufe (»-hube«) zu Mosheim, die zur Mutterkirche Sipperhausen gehörte.90 Unter dem 13. April, Nr. 8, dem 17. April, Nr. 2 und, da einer der Betroffenen zu beiden Terminen nicht erschienen war, dem 24. April, Nr. 3 finden sich im Diensttagebuch 1629 Eintragungen zu dieser Sache, die sich klarer und konziser lesen, als das unmittelbar bei oder nach dem Verhör der Parteien entstandene Protokoll. Das Stück offenbart aber, dass die Einträge im Diensttagebuch einen längeren Reflexionsprozess durchlaufen haben, nicht Produkte des Augenblicks sind, sondern konzise und präzise Zusammenfassungen der Amtsverrichtungen, die nach deren Vollzug entstanden. Da das nur noch fragmentarisch erhaltene Protokollblatt vollständig von der Hand Paul Steins stammt, ist das Motiv für seine in dieser Zeit nicht eigenhändige Tagebuchführung umso rätselhafter. Vor dem Beginn des Diensttagebuchs 1630/3191 liegt ein von der Hand Johannes Pforrs stammendes Protokoll vom 2. Dezember 1629 über die, bei Gelegenheit der Visitation zu Gudensberg,92 in Anwesenheit des Metropolitans Martin Happel, durch Paul Stein (»von mir«) vorgenommene Versöhnung zwischen dem Pfarrer von Merxhausen, Eberhard Kreuter, und dem Vogt (des Hohen Hospitals) dort, Johann Hoffmann, das außerdem die Erteilung des Auftrags zur Kinderlehre an Catharin, eine von zwei dazu in Vorschlag gebrachte Schwestern, anstelle einer anderen, der »wegen ihrer vermessenheit die kinderlehr verbotten« wurde, und die Bestimmung der Aufgaben des »Lesers« zu Merxhausen, Johann Rihelius,93 enthält: 90 StAM 318 Kassel, Nr. 5. 91 StAM 315 a, Nr. 20; im Behördenrepertorium des Konsistoriums Kassel verzeichnet als: »Visitationssachen 1629–1631«. 92 Siehe die oben zitierten Einträge aus dem DTB Paul Steins zum 24. November 1629, Nr. 2 (2. Teil) bis zum 3. Dezember. 93 Im DTB Paul Steins zum Jahr 1628 finden sich mehrere Einträge, die sich auf die Lektur zu Merxhausen und Johann Rihelius beziehen, der durch Hessen-Darmstadt als Pfarrer von Haina abgesetzt wurde. Unter dem 29. April 1628, Nr. 1 heißt es: »Johannes Rihelius, entsetzter pfarher zu Heina, schickt ein schreiben ein, darinnen er umb die Lectur im Closter Merxhausen, welche Ehr Peter Duderstad resignirt haben soll, anhelt. / Ist dem Herrn Vice Cantzlarn zugeschickt worden, solches naher Heina denen zu abhörung der rechnungen

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»Ehrn Johann Rihelio, Lesern alhir, ist befohlen 1. Sontags und mitwochens in allen stuben denen, so nicht in die kirch gehen können, das evangelium zu verlesen und eine kurtze erinnerung darbey zu thun. 2. Allen morgen und mittags in der kirch das gebett zu sprechen. 3. Des Sontags die kinderlehr, auch zuweiln eine predigt zu halten. 4. In abwesenheit deß pfarrhers die predigt zu verrichten. 5. Selbst alhir zu communiciren, und, wenn communion gehalten werde, administriren zu helffen, worzu in auch Ehr Eberhard admittiren, bey der administration verba Christi oder Pauli reden, und das alte lied aber unterlaßen soll.«94

Außerdem liegt vor dem Beginn des Diensttagebuchs 1630/31 eine mehrere Blätter umfassende, undatierte Aufstellung von »Visitations Puncten«, »Wie es mitt den kirchen undt dann auch mitt den schulen eine gelegenheitt undt zustandt hette. Die kirchen betreffende, wehre zuforderst uff die docentes […] darnach uff ihre auditores oder discentes, mitt allem fleiß zu inquiriren: undt zwar uff des docentis, superintendentis et pastorum simulac diaconorum officium et vitam«, in 13 nummerierten Punkten und darüber hinausgehenden Fragevorgaben für mit der Durchführung der Visitation vom Fürsten beauftragte Kommissare. In ihrer Zweckstellung und Anlage weisen sie zwar eine Ähnlichkeit mit dem Kapitel »Was die superintendenten in ihren ordentlichen visitationibus fürnemen und verrichten sollen« der Agende von 1574 auf, gehen aber zeitlich und inhaltlich darüber hinaus.95 Die unter dem dritten Punkt auf-

deputirten mitzugeben, damit daselbst mit den Obervorstehern auß der sach geredet werden könne«. Siehe auch die Einträge zum 26. Januar, Nr. 2; 15. Mai, Nr. 3; 28. Mai, Nr. 4; 4. Juni, Nr. 2; 8. Juni, Nr. 3; 9. Juni, Nr. 2; 12. Juni. 94 Auf einem beiliegenden Zettel findet sich das Konzept dieser Aufgabenbestimmung, in dem anstelle des dritten und vierten Punktes hier als Punkte 3 und 4 zwei andere Dinge genannt werden: »3. Bey den kindern ufm spitall stunde gehalten und under dem eßen 1 capitul gelesen, 4. kinderlehr gehalten, alle tag aufm spital, und den sontag in der kirch«. 95 Agende von 1574 (Erscheinungsdatum des Druckes; das Vorwort, der ihren Landesteil regierenden vier Söhne Landgraf Philipps des Großmütigen, ist datiert vom 20. Juli 1573), EKO Bd. 8, S. 408–469, hier S. 461–464; auch mit den im gleichnamigen 19. Kapitel der Kirchenordnung von 1657 enthaltenen Fragestücken (HLO II, S. 531–541) weisen die »Visitations Puncten« keine über Ähnlichkeiten in Zweck und Anlage hinausgehenden Gemeinsamkeiten auf. Im Prolog sowie im dritten und vierten der »Visitations Puncten« wird, anders als in den beiden genannten Visitationsfragenkatalogen, auch noch auf die Synodalabschiede verwiesen. Einen Ansatzpunkt für die Einengung der Datierung könnte Punkt 5 liefern: »Ob er auch den zu Cassel getruckten Catechismum undt kinderlehr vermög des synodalischen abschieds eingeführt undt mitt fleiß treibe, wann, wie offt, undt in was form undt gestalt er denselben exercire, dabei ihnen dann sonderlich der zu Schmalkalden deswegen jungst gemachte abschiedt undt ordtnung furzuhalten undt uffzulegen wehre«. Der Hessische Katechismus wurde von der Kasseler Synode 1607 veröffentlicht; was mit den »zu Schmalkalden deswegen jungst gemachte[n] abschiedt undt ordtnung« gemeint ist, ist nicht klar. Am ehesten könnten die »Visitations Puncten« in den Kontext der Konsistorialordnung von 1610 gehören, stimmen aber auch da mit keinem bekannten Dokument überein, ins-

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gestellte Inquisitionsfrage, »Ob undt wie in gemein alle undt jede pastores & diaconi […] die christliche verbeßerungs puncten in ihren kirchen, auch mitt was fur einem successu eingefuhrt haben«, weist auf ein Entstehungsdatum der »Visitations Puncten« nach 1605, die Erwähnung der Konsistorialordnung sogar auf nach 1610 hin.96 Die Einträge im Diensttagebuch für den Zeitraum vom 2. Januar 1630 bis zum 29. August 1631, das zwischen den Einträgen vom 1. April und 1. November 1630 eine Lücke aufweist, stammen von insgesamt vier Händen: vom 2. Januar 1630 bis zum 22. Februar, Nr. 3 von der Hand Paul Steins, unterbrochen vom ersten Eintrag unter »Actum am 21. Januarii« (die Überschrift von der Hand Paul Steins), der von einer engen, zierlichen Hand geschrieben wurde, zur über den Züschener Pfarrer Georg Thonius erschollenen »rucht«, »als hette er seine magdt geschwengert« (Abb. 3). Der Eintrag zum 22. Februar 1630, Nr. 4 über das Verhör des Obermöllricher Pfarrers Christian Seuring vor dem Kasseler Predigerministerium, über die ihm nachgesagte Unzucht, stammt ebenso von dieser Hand, die letzten vier Zeilen dieses Eintrags sind wieder von der Hand Paul Steins geschrieben, bis zum 25. Februar, Nr. 1 als »die schulfrawen vorgefordert, und wegen ihrer schulen besprecht worden« – wie viele Schüler, Knaben wie Mägdlein, sie unterrichteten, worin, wie viele Kinder sie auf die Konfirmation und damit den erstmaligen Genuss des Abendmahls vorbereiteten, wie viele schon konfirmiert seien, welchen Katechismus sie lehrten – etwa in der Mitte der ersten Seite dieses Eintrags übernimmt der andere Schreiber, auf der nächsten Seite stammen die letzten vier Zeilen dieses Eintrags wieder von der Hand Paul Steins, der dann bis zum 1. April 1630 fortfährt. An dieser Stelle liegt das vierseitige Protokoll der Vernehmung Hans und Christina Kepplers vom 19. März 1629 (richtig: 1630?)97 besondere nicht mit der Instruktion für das Konsistorium »bey den järlichen obervisitationund synodalischen conventibus« (EKO Bd. 9, S. 133–135). 96 Vielleicht verweist der im Diensttagebuch Theophil Neubergers durchstrichene Eintrag zum 9. Februar 1635 auf diese »Visitations Puncten«. Der Eintrag bezieht sich auf den vorangehenden, ebenfalls durchstrichenen Eintrag: »Den 8. Februarii hat der Herr Superintendens [von Allendorf, Caspar Josephi, A. J.] die fundation u. verschreibung uber die visitirgelder bey mihr abgeholet, u. wider zu liefern versprochen. reddidit / Eidem misi 9. Februarii 5 bogen fragstück in visitationen. Soll sie wiedergeben. / [Am Rand, nicht durchstrichen:] Eidem dedi die allmosen ordnung, 7 stück. Den 13. Februarii« (kursiv : der anders geschriebene nachträgliche Vermerk Neubergers). 97 Die Jahreszahl in der Überschrift dieses Protokolls »Actum am 19. Martij 1629« scheint von Paul Stein nachgetragen zu sein. Da es am Ende des Protokolls aber, von der schon vorher auftauchenden engen, zierlichen Hand geschrieben (anders als der Rest des Protokolls), heißt: »Es ist ihnen beyderseits gesagt worden, daß sie sich uff die recon- conciliations [sic!] mittell mit fleiß bedencken, und schirstkunfftigen donnerstag nach ostern ist der 1. te Aprilis sich widerumb alhir [in Kassel, A. J.] furm Herrn Superintendenti einstellen, undt wesen sie sich schlißlich bedacht, anzeigen, immittels solle an beyde örter an pfarherrn undt obrigkeit umb zeugnis ihres lebens und wandels geschrieben werden«, und das Diensttagebuch tat-

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Abb. 3: Auch die Einträge zum 21. Januar 1630 (aus dem DTB Paul Steins für die Jahre 1630/31) zeigen wieder die Verschränkung der unterschiedlichen Schreiberhände in der Diensttagebuchführung Paul Steins. Der erste Eintrag unter diesem Datum von der engen, zierlichen Hand wird in der letzten Zeile mitten im Satz von Paul Stein zu Ende geführt, was deutlich für ein vorangegangenes Diktat spricht; von Steins Hand stammen auch der zweite, dritte und vierte Eintrag. Der vierte Eintrag nimmt auf den ersten Bezug und weist auf die Botentätigkeit hin, die andere für den am Gehen gehinderten Paul Stein übernahmen: »Ehr Theophilus hoffprediger, und Ehr Wetzelius haben F. Räthen referirt, was in Thonii sach verhandlet, und wesen er sich endlich erkleret […]«.

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über ihren Ehestreit ein, von bisher unbekannter Hand, am Rand der ersten Seite ist zu Beginn vermerkt »Fiscalis Kuhne«, was anzeigt, dass es sich wahrscheinlich um eine Abschrift des durch den Fiskal, das landgräfliche Strafverfolgungsund Anklageorgan, aufgenommenen Protokolls handelt. Die vorher ausgelassenen Einträge zum 20. bis 22. März 1630 schließen sich von der Hand Paul Steins nun an, dem erneut zwei Punkte unter »Actum am 1. Aprilis 1630«, die Überschrift von der Hand Paul Steins stammend, folgen, die von der schon weiter vorn in diesem Diensttagebuch beobachteten engen, zierlichen Hand eingetragen wurden, der erste bezieht sich auf den Ehefall, zu dem das Protokoll kurz vorher einliegt: nach »langer underhandelung« konnte durch die Vermittlung des Superintendenten tatsächlich ein Vergleich erzielt werden, dass beide wieder an einen Ort zusammenziehen und sich friedlich und wie solches rechtschaffenen Eheleuten gebührt, gegeneinander bezeigen. Nun gibt es eine größere zeitliche Lücke, der nächste Eintrag datiert vom 1. November 1630. Die nun einsetzende Schrift, nicht von der Hand Paul Steins, weist zwar größer geschriebene Buchstaben auf, als die bisher beobachtete fremde Hand, wirkt aber unsauberer, auch die Form der Einträge ändert sich nun. Am Kopf der Seite in der Mitte ist das Jahr angegeben (»Actum A[nn]o 1630«), darunter der Tag, »1. Die Novembris« mit einem Eintrag, unter dem »2. Die Novembr.« finden sich zwei nur durch eine Lücke abgegrenzte unterschiedliche Einträge, nicht wie bisher durch eine Ordnungsnummerierung. Ab dem 3. November rückt das Tagesdatum an den linken Seitenrand und die Einträge zu einem Tag werden mit »Eod[em]. [die]« voneinander abgegrenzt. Ab dem Jahreswechsel 1630/31, der auf einer Seite mit den Einträgen vom Dezember 1630 erfolgt, findet sich bis zum Schluss auf fast jeder Seite oben links das Jahr 1631 angegeben. Im Eintrag zum 2. Dezember 1630 taucht eine weitere, dritte nicht von Paul Stein stammende Hand auf, von der fast das gesamte Diensttagebuch 1632/33 geschrieben wurde, sehr klar und deutlich lesbar, mit ebenmäßigen Buchstaben in der Art einer Textura; erneut taucht diese Hand im ersten Eintrag zum Jahr 1631, »Den 15. Ianuarii Anno 1631« auf. Am 6. Juni 1631 findet sich wieder die Handschrift Paul Steins, in der üblichen Form mit übergesetzter Tagesangabe und erneut am 15. und 16. Juni 1631, diesmal hat er schon den Usus der Angabe des Tagesdatums am Seitenrand übernommen. Zum 27. Juli und im letzten Eintrag dieses Diensttagebuchs, zum 29. August 1631, taucht wieder die klare, gut lesbare Hand auf. Sonst dominiert seit dem 1. November 1630 jene unsaubere, zum Teil scheinbar schnell hingeworfene Hand, die sächlich unter dem 1. April 1630 einen Eintrag zu diesem Ehefall enthält, ist es nicht sicher, ob sich der Prozess wirklich ein Jahr hingezogen hat (so Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 194 Anm. 188) oder Paul Stein beim Nachtrag der Jahreszahl in der Überschrift des Protokolls ein Lapsus unterlaufen ist.

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wiederholt Einträge wieder ausgestrichen hat.98 Am Ende der Einträge zum Monat Juli finden sich Nachträge zu den Daten 4. und 6. Juli (Abb. 4). In der Doppelseite, über die sich der Eintrag zum 16. März 1631 erstreckt, liegt ein von der üblichen Hand geschriebener und von Paul Stein eigenhändig unterschriebener Zettel, der das immer wieder greifbar werdende Bemühen der Superintendenten zur Vermeidung zivilgerichtlicher Streitigkeiten bei der Involvierung kirchlicher Amtsträger deutlich macht: »Nachdem Eckhardt Kaulen, schreiners alhiero, haußfraw klagt, daß sie dem schulmeister von Heilgenroda vor diesem garn gethan, ihr tuch darauß zu machen, er aber solch tuch noch nicht gelieffert, wie wohl er daß macherlohn bekommen; alß soll der schulmeister dahin bedacht sein, daß er solch tuch ehesten tages lieffere, damit nicht in verbleibung desen von nöthen sey, die weltliche obrigkeit, dahin solches eigentlich gehöret, zu ersuchen. Cassel am 18. Julij 1631. Paulus Steinius«.

Vielleicht gerade aufgrund ihrer Leserlichkeit und Sauberkeit durfte jene ebenmäßige, sporadisch schon 1630/31 auftauchende Hand fast das gesamte Diensttagebuch 1632/3399 – das vom 2. Januar 1632 bis zum 20. März 1633 reicht – schreiben, bis auf wenige Stellen, die von der unsauberen Hand stammen, die das Diensttagebuch 1630/31 seit dem 1. November 1630 dominiert.100 Die Tagesdatierung erfolgt auch hier, nicht wie bei Paul Stein über den Einträgen, sondern am linken Rand; mehrere Einträge zu einem Tag werden mit »Eodem« abgegrenzt; zum Beginn eines neuen Monats wird dessen Name in Kapitälchen den Einträgen als Überschrift vorangestellt, teilweise wird dafür sogar eine neue Seite begonnen und ein Teil der vorhergehenden leer gelassen, genauso am Anfang eines neuen Jahres. Angesichts des zeitlichen Umfangs des Diensttagebuchs 1632/33 ist es im Vergleich mit den vorangegangenen bemerkenswert schmal, so füllen die Einträge zum Januar 1633 gerade einmal fünf sauber und großzügig beschriebene Seiten, während es im Januar 1623 in der kleineren Schrift Paul Steins noch 10 eng beschriebene Seiten waren. Auch bei der be98 Streichung der Einträge zum 29. April, 1. Mai, 6. Mai 1631 über Präsentation und Probepredigt des Hermann Wallmeister für den Kaplansdienst zu Treysa und die Einberufung der Metropolitane nach Kassel, die Einträge werden auf der Folgeseite übersichtlicher, ergänzt um andere Einträge, notiert; gestrichen ist ein Teil des Eintrags zum 18. Juni 1631 (zunächst verworfene Urteilsempfehlung in einer Desertions- und Schwängerssache); Durchstrichen ist der Eintrag zum 15. Juli 1631 (Memorial an Landgraf Wilhelm V.: Anregung eines allgemeinen Danksagungs-, Fast- und Bettags, Abstellung von allgemeinen Lastern [Fluchen, Lästern, Schwören, Spielen, Tanzen, Saufen, Fressen »undt andere offenbare grosse sunde«] »dadurch der Sabbath entheiligt« werde, Beamte zwängen Untertanen am Sonntag und monatlichen Bettag zu Frondiensten). 99 StAM 315 a, Nr. 21 (Teil 1). 100 Deutlich der Eintrag zum 13. Februar 1632.

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Abb. 4: Die Seite zeigt die Einträge vom 27. bis 31. Juli mit einem Nachtrag zum 4. Juli 1631 im Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1630/31. Der oberste Eintrag stammt von der klaren, ebenmäßigen, gut lesbaren Hand, die im Anschluss fast das gesamte Diensttagebuch 1632/33 geschrieben hat. Die Einträge darunter stammen von der seit dem 1. November 1630 beobachtbaren, im Vergleich mit der vorangegangenen deutlich unsaubereren Hand, die anstelle einer Ordnungsnummer unter dem Tagesdatum, wie bei Paul Stein, den zweiten Eintrag zum 27. Juli mit »Eod[em].« beginnt. In diesem sowie den Einträgen zum 28. und 29. Juli sowie dem ersten Teil des Eintrags zum 31. Juli 1631 geht es um die Probepredigt, das Examen, die Ordination und Konfirmation sowie die Einführung des Nicolaus Majus als Pfarrer an der Rotenburger Neustadtkirche. Für diesen letzten Akt, die Vorstellung und Einführung vor der Gemeinde, ist am 31. Juli das Ergebnis von Probepredigt und Examen »an den Superintendenten zu Rottenberg H[errn]. Fabronium geschrieben« worden.

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merkenswert gleichmäßigen und sauberen Schrift finden sich immer wieder schnelle mehrfache Durchstreichungen und Überschreibungen. Aus den ausführlichen Einträgen in den Diensttagebüchern des Kasseler Superintendenten Paul Stein sind Zusammenhänge sehr gut rekonstruierbar. Liest man die verschiedenen Einträge zu einem Sachverhalt zusammen, kombiniert sie wenn möglich sogar mit anderer Überlieferung, auf die sie Bezug nehmen, gewinnt man ein sehr detaillreiches Bild, das – indem bislang verborgene Abstimmungen im Hintergrund sichtbar werden – unseren Kenntnisstand, auch zu bedeutenderen Entscheidungen der Zeit, mit Tragweite für das ganze Land, zu erweitern vermag.101

2.

Theophil Neuberger (amtierte von Dezember 1634 bis Januar 1656)

a)

Leben und Amt

Theophil oder – wie er seinen Vornamen selbst immer schrieb – Theophilus Neuberger wurde als Sohn des kurpfälzischen Hofpredigers und späteren Inspektors zu Alzey Martin Neuberger am 5. Mai 1593 in Jena, »vermutlich bei Gelegenheit eines Besuches [seines Vaters] dortselbst«, geboren.102 Nach Schulbesuchen in Heidelberg, Alzey und Neuhausen (heute ein Stadtteil von Worms) sowie Unterricht bei Privatlehrern besuchte er ab 1610 die Universität Heidelberg. Seine Leichenpredigt nennt überdies eine praktische Erfahrungsmöglichkeit, die ihn auf seine späteren Aufgaben am besten vorbereitet haben dürfte, er sei nämlich »unter des auch zu weilen theils von seinem Vatter/ theils von den Churpfältzischen Herren Kirchen-Räthen in Land Visitationibus mit genommen worden/ die praxin Ecclesiasticam desto besser zu sehen«.103 Nach dem baldigen Tod seines Vaters war Neuberger gezwungen selbst frühzeitig in den Kirchendienst zu treten, nachdem er theologische Privatkollegs gegeben und hin und wieder in Heidelberg gepredigt hatte, wurde er schließlich 1614 als Pfarrer an das »Fürstlich[e] Hauß« – heute wieder die Abtei – Neuburg bei Heidelberg, berufen. Im selben Jahr heiratete er auch Magdalena Stotz, die Frau des kurpfälzischen Oberschultheißen zu Heppenheim »uff der Wiesen«, heute ein Stadtteil von Worms,104 mit der er im Laufe seines Lebens sieben Söhne und sechs Töchter zeugte, von denen aber nur ein Sohn und drei Töchter das Er101 So gewährt das DTB Paul Steins 1630/31 z. B. tiefere Einblicke in das Zustandekommen der Presbyterialordnung vom 7. April 1630 (HLO II, S. 45–51), worauf näher in Kapitel IV D 1 eingegangen wird. 102 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 382. 103 Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3r. 104 Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. Erv.

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wachsenenalter erreichten.105 Von Neuburg aus wurde er im Mai 1615 von der verwitweten Gattin Kurfürst Friedrichs IV. von der Pfalz zum Pfarrer in ihrer Residenz Kaiserslautern bestellt und im Juli 1620 in der Nachfolge des Abraham Scultetus zum kurfürstlichen Hofprediger in Heidelberg. Die Ereignisse in der Folge des Scheiterns des »böhmischen Abenteuers« Kurfürst Friedrichs V., die Einnahme der Kurpfalz durch spanische Truppen, nötigte den Hof nach näheren Stationen schließlich zur Flucht nach Berlin.106 Bei seinen Predigten, die Neuberger dort neben den kurbrandenburgischen Hofpredigern verrichtete, fiel er auf, sodass ihn Herzog Johann (Hans) Albrecht II. von Mecklenburg (-Güstrow) zu seinem Hofprediger nach Güstrow berief, wohin er »Anno 1623. den 29. May mit seiner famili. […] abgeholet vnd gebracht worden«. Die Dankbarkeit Neubergers dem Herzog gegenüber und dessen Wertschätzung für ihn, ließen Neuberger, auch als der Herzog »wegen der Wallensteinischen Tyranney« in zunehmende Bedrängnis geriet, ihm die Treue halten. Schließlich spitzte sich die Situation aber so zu, dass Neuberger etwa Mitte 1628 bat, »ihn gen Berlin vmb mehrer Sicherheit willen eine Zeitlang ziehen zu lassen«. Hatte er schon seine Zeit in Güstrow zu Besuchen an der Universität Rostock und der Bekanntschaft mit dortigen Gelehrten genutzt, so hat er auch jetzt in Berlin »seine Zeit mit studiren zubracht« und »die Universität Franckfurt an der Oder besucht«.107 Nach Kassel kam Theophil Neuberger 1628, am 30. Oktober,108 nachdem ihn Landgraf Wilhelm V. bei einem Besuch bei seiner (bereits 1625 verstorbenen) Schwester Elisabeth,109 die mit dem Herzog von Mecklenburg) verheiratet war,110 kennengelernt und nun erfahren hatte, dass er sich wegen der Kriegsereignisse gerade ohne Anstellung in Berlin aufhalte. In Kassel machte ihn Wilhelm V. zu seinem Hofprediger,111 verantwortlich war er damit auch für den Aufbau eines Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3r. Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. Ev-E 2. Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 2rv. Vom Folgetag ist ein Schreiben des Kanzlers Heinrich Lersner an Landgraf Wilhelm V. über Neubergers Ankunft und Akkommodation erhalten: StAM 4 b, Nr. 720; dasselbe Ankunftsdatum wird auch in der Leichenpredigt genannt, Stöckenius: Christliches EhrenGedächtnüß, fol. E 3r. 109 Neuberger hielt der am 16. Dezember 1625 Gestorbenen am 25. Januar 1626 bei ihrem Begräbnis im Dom zu Güstrow die »Christliche Leich- vnd TrostPredigt […]« (VD17-Nr.: 23:306835R). 110 Könnecke: Elisabeth, Landgräfin von Hessen-Kassel. 111 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 383f. Die pfälzische Kurfürstin-Witwe hatte Neuberger nur zum Herzog von Mecklenburg wechseln lassen, »mit dem Beding/ daß er/ wann es mit der Pfaltz besser würd/ wieder erlassen werden solte« (Stöckenius: Christliches EhrenGedächtnüß, fol. E 2r), weshalb Wilhelm V. von Hessen-Kassel nun zuerst bei ihr um Neubergers Dimission nachsuchen musste (Ebd., fol. E 3r). Sein Revers, dem der aus Kassel vom 1. Januar 1630 datierende Bestallungsbrief als Hofprediger inseriert ist, findet sich in StAM 5, Nr. 9957 (fol. 38f.). 105 106 107 108

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reformierten Kirchenwesens in den besetzten Gebieten, im Stift Fulda112 und in Paderborn113. Neben dem Hofpredigeramt bekleidete er auch die Stelle eines Diakons an der Kasseler Martinskirche.114 Die Leichenpredigt auf ihn hebt hervor, dass »ihme vnterschiedliche vornehme Vocationes von vornehmen Orten zukommen/ welche er aber alle/ weil er wieder seiner gn. Herrschafft willen/ aus seiner Vocation zu treten/ bedenckens hatte/ mit gebührendem Glimpff abgelähnt«.115 Neuberger war neben seiner geachteten kirchenorganisatorischen Tätigkeit ein produktiver seelsorgerlicher Schriftsteller, der mit weit verbreiteten Gebetbüchern,116 Predigtsammlungen,117 moraltheologischen An112 Die Besetzung des Hochstifts Fulda durch Hessen-Kassel ist schon verschiedentlich untersucht worden, muss hier aber – gerade aufgrund der herausragenden Stellung Neubergers bei der Organisation des reformierten Kirchenwesens, wie sie vor allem in der in StAM 4 f Fulda, Nr. 388 verwahrten Korrespondenz zum Ausdruck kommt – zumindest erwähnt werden; diese Korrespondenz hat ausgewertet: Brunner : Die kirchliche Verwaltung der Abtei Fulda zur Zeit der hessen-kasselischen Oberhoheit (1632–1634). Siehe weiterhin die umfassende Publikation Hanke: Fulda in Hessens Hand, v. a. S. 403–491 (Konfessionspolitische Maßnahmen) sowie Jäger : Amt und Konfession. Zur Personal- und Religionspolitik der hessen-kasselischen Regierung in Fulda während des Dreißigjährigen Krieges 1631– 1634. 113 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 396; Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3v. 114 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 385. 115 Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3rv. Siehe das Abwerbungsschreiben von Bürgermeister und Rat der Stadt Bremen für Neuberger, der sich wohl bei einem entsprechenden Vorfühlen nicht abgeneigt gezeigt hatte, an Landgraf Wilhelm V. von HessenKassel vom 22. Februar 1630, StAM 17 d, Nr. Neuberger 1; der Entwurf einer Antwort von Statthalter, Kanzler und Räten zu Kassel, die Bürgermeister und Rat zu Bremen bis zu einer Resolution nach Rückkünft des abwesenden Landgrafen vertrösteten, vom 6. März 1630 findet sich in StAM 22 a 8, Nr. 154 (Kassel). 116 »Theophili Neubergers Newes Bet-Buch: Dessen Erster Theil Begreifft allerley tägliche/ auch gemeine/ vnd sonderbare/ auff allerley Stands Personen/ Anliegen/ vnd Zufäll gerichtete Gebet. Der Ander Theil Helt in sich sonderliche Gebett/ auff alle Fest- vn[d] Sontags Euangelia durch gantze jahr gerichtet/ darin deß gantzen Evangelij Summa gefasset/ vnd nützlich applicirt wird. Auff vielfaltiges begeren from[m]er Leute endlich publicirt. Getruckt zu Cassel/ Bey Johan[n] Wessel/ Jn Verlegung Johan Schützen/ Buchbinders/ Jm Jahr 1630«, die Vorrede zu diesem sehr erfolgreichen Werk, das bis ins 18. Jahrhundert noch zahlreiche Auflagen erlebte, stammt von Paul Stein (siehe VD17/18 und Brunner : Theophilus Neuberger, S. 398). Es erfuhr sogar eine Würdigung im Kontext der Erarbeitung der neuen Gottesdienstagende von 1657, indem Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg der zuständigen Kommission in einem Brief vom 13. Mai 1655 zur Vereinheitlichung der Gebräuche vorschlug, man möge »aus des Superintendenten Theophilus Neuberger Gebetbuch die sonntägigen Gebete, so mit Fleiß auf die Evangelien gerichtet sind, als Präparationen – vor der Predigt durchgehends lesen« (Heppe: Verbeßerungspunkte, S. 186; Original des Briefes in StAM 22 a 1, Nr. 42). 117 So listet z. B. das Inventar der Kirche zu Jestädt 1655 »An Büchern« auf: »Predigten über die Sontägl. Evang. Neubergers in 4o« (»Inventarium: oder Eigendliche Verzeichnüß aller Kirchen-, Pfarr- und Schul-Güter, Einkommens, Zinßen und Gerechtigkeiten zu Jestätt, Neuen- und Motzenroda. Beschrieben von Jacobo Vogeleio, jetziger Zeit Pfarrer daselbst.

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leitungen118 und weiterer größtenteils erbaulicher Literatur hervortrat.119 Neuberger habe, wie seine Leichenpredigt angibt, in Kassel »anfangs seines Diensts etliche Jahre nach einander privata Collegia gehalten«,120 so dass es nicht verwundert, dass er 1632 das Angebot einer theologischen Professur an der Hohen Schule Kassel erhielt, welches er – nach anfänglicher Neigung dem Wunsch seines Landesherrn zu folgen – letztlich ablehnte, da »inmittelst solche hindernüsse eingefallen, derentwegen ich meine gedancken geändert, und beschlossen, bey meiner besoldung und jetz habenden dienst, mit ruhe, so lang mihrs Gott gönnet, mich zu behelffen«, welches er bittet, »im besten zu verstehen, und sich samt anderen zu versichern, daß alles vornemlich modestia causa, et tranquillitatis amore geschehe«.121 Zu Spannungen, die den unterschiedlichen Charakter der beiden aufzeigen, kam es zwischen Theophil Neuberger und Johannes Crocius. Crocius hatte 1633 den Liebhaber seiner Tochter, den er für einen Einbrecher hielt, als dieser durch ein Fenster seines Hauses wieder nach draußen gesprungen war, im Gefolge eines Handgemenges unter Beteiligung des Nachtwächters mit einem »schweren Hammer […], dessen er sich als Dekan zum Aufschlagen des Siegels zu bedienen pflegte«, erschlagen. Daraufhin musste sich Crocius in einem Prozess, den die Mutter des Erschlagenen gegen ihn anstrengte, wegen vermuteten Notwehrexzesses verantworten, weshalb er »von seinen Ämtern als Rektor der Universität

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Im Jahr Christi 1655«, fol. 2r, Punkt 4 am Seitenende, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109); dabei handelt es sich wahrscheinlich um »Theophili Newbergers/ Fürstl. Hessen Casselischen Superintendenten/ Erbäwliche Außlegung der Sontäglichen Evangelien durchs Jahr […]« (VD17-Nr. des Gesamtwerks: 23:325509N), das 1636 in Kassel in zwei Teilen erschienen ist, »Vom ersten Advent biß auff Himmelfahrtstag« (VD17-Nr.: 23:325512R) und »Vom Himmelfahrtstag biß zum ersten Advent« (VD17-Nr.: 23:325518M). Etwa: »Theophili Newbergers Soliloquia Vom Göttlichen leben eines wahren Christen in dieser welt« (das erstmals 1633 in Kassel mit einer für die Zeitumstände sehr aufschlussreichen umfangreichen Widmungsvorrede an Landgraf Wilhelm V. sowie einer ebensolchen »Vorrede an den Christlichen Leser« erschiene Buch, erlebte gleichfalls in Kassel 1642 und 1658 noch zwei weitere Auflagen, siehe die Einträge in VD17 zu diesem Titel sowie Brunner : Theophilus Neuberger, S. 399) oder sein »Zungen-Zaum. Das ist Trewhertzige Warnung vor etlichen zu diesen bösen Zeiten vberhandnemenden Zungen-Lastern« (Kassel 1652). Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3r : »Daß er seine Zeit vnd Leben nicht in Müssiggang oder sonst vnnützen Dingen zubracht habe/ bezeugen seine an Tag gegebene Schrifften vnd Bücher/ welche ob sie schon für hohen Augen gar gering seyn/ gleichwol beweisen/ daß er die Zeit/ so er in den vielfältigen Verfolgungen vnd Reisen/ vnd bey seinen ordinari Ambts-Geschäfften übrig haben vnd abbrechen können/ nicht vergeblich anwenden wollen/ wie dann GOtt Lob/ auch in andern Landen bekandt ist/ was er damit gebauet vnd Nutzen geschaffet«; einen guten Überblick über »Neubergers literarische Tätigkeit« gibt Brunner : Theophilus Neuberger, S. 396–400. Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 3v. Theophil Neuberger an den Vizekanzler Helfrich Deinhard, Kassel 1632 Dezember 14, StAM 17 h, Nr. 2181.

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[Kassel] und Dekan der Freiheiter Gemeinde122 suspendiert wurde. Die Versehung der letzteren Stelle wurde Neuberger als dem Diakonus übertragen«.123 Crocius, der nach »ergangenem gäntzlichem losspruch«, befördert durch Gutachten von sechs Juristenfakultäten,124 1636 »umb völlige restitution zu meinen diensten, und mitt nahmen zu meinem pfarrampt in der Freyheiter Kirchen« nachsuchte, griff nun Neuberger, dem er – ohne ihn namentlich zu nennen – vorwarf, »under wärender rechtfertigung« sein ihm ordentlich anvertrautes Pfarramt unberechtigt eingenommen zu haben und nun nicht mehr aufgeben zu wollen, publizistisch und gegenüber dem Landgrafen an.125 Um die Verbreitung einer Schrift Crocius’ zu verhindern,126 deren auf ihn zielende Bemerkungen 122 Ob bei dem oben erwähnten Übergang der ersten Stiftspredigerstelle von Paul Stein an Johannes Crocius im November 1632 tatsächlich auch das Dekanat des Martinsstifts an Johannes Crocius ging, ist nicht ganz klar. 123 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 391f., dort die Schilderung der Ereignisse, S. 392 die Zitate. 124 Claus: Johannes Crocius, S. 50f. Anm. 2 am Ende, die Juristenfakultäten waren die der Universitäten Jena, des darmstädtischen Marburg, Erfurt, Groningen, Frankfurt an der Oder und Helmstedt; siehe auch: Brunner : Theophilus Neuberger, S. 393. 125 Die Zitate aus: Johannes Crocius an Landgraf Wilhelm V., Kassel 1636 Februar 10, StAM 22 a 8, Nr. 165 (Kassel) [an zweiter Stelle in dem betreffenden Umschlag]. Wilhelm V. hatte Crocius durch seinen Landsekretär Friedrich Jacobi zu Hofgeismar (so im Schreiben Crocius’) verschiedene »offerten« machen lassen, darunter wahrscheinlich die Wiederübernahme des Rektorats der Hohen Schule Kassel. Crocius wollte sich damit aber nicht zufrieden geben, sondern supplizierte weiter um »die von ihme gesuchte plenari restitution zur praedicatur in der Freyheitter kirchen« (ohne Tagesdatum und Verfasser, Kassel Februar 1636 datierter Entwurf eines Gutachtens für den Landgrafen, Ebd.). In einem Gutachten für den Landgrafen meinten dessen Räte, »daß Efg. ihm D. Crocio nach gestalt dießer sachen durch die beschehene offerten, gnadt undt ehr gnung bewießen, unndt er zumahlen, wan er sonsten die sach mitt ihren umbständten, unndt allen dabey vorlauffenden considerationen davon die consulenten [der Juristenfakultäten, A. J.] nichts wissen können, recht bedencken will, keinen fugk, recht oder ursach hab in Efg. weiter zu tringen unndt ein mehrers zu begehren; bevorab da seine gehapte stelle in der Freyheiter kirchen anderwerts bestellet, welches er wohl gewust […]. Halten demnach doch unmaßgeblich unterthenigk darfür, Efg. hetten ihm uff sein ferner anhalten eine solche resolution geben zu laßen, daß sie es nachmals, einmahl vor alle mahl, bey denen ihm beschehenen offerten bewenden ließen, unndt auß gnugsamen habenden ursachen, welche sie ihm, weitern disputat zu vermeiden, nit anzuzeigen schuldigk sindt, sich ferner nit erklären könten, unndt darumb mit dieser sachen weiter unbemühet sein wolten, gleichwohl ihm aber sonsten mit allen gnaden gewogen verpleiben theten« (Vizestatthalter, Hoffmarschall, Vizekanzler und Räte an Wilhelm V., Kassel 1636 Januar 27, StAM 22 a 8, Nr. 165 (Kassel) [als drittes einliegend in demselben Umschlag wie das Schreiben Crocius’; vgl. auch den ebd. an erster Stelle einliegenden Gutachtenentwurf]). 126 Crocius: Johannis Crocii Hochabgenötigte Unschuld, und Ehrenrettung (1636); ein Exemplar der konfiszierten, in VD17 nicht nachweisbaren Schrift befindet sich, wahrscheinlich der zugehörigen Aktenüberlieferung entnommen, in der Bibliothek des Staatsarchivs Marburg (Signatur : XI B 560). Crocius wehrte sich damit gegen eine Veröffentlichung des Dresdner Oberhofpredigers Matthias Ho[ von Ho[negg, in der er den Prozess gegen Crocius für seine beißende Polemik gegen die Calvinisten benutzte: »Un-

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Neuberger als »ehrenrührige auflage« bezeichnete, wandte er sich an den Landgrafen, denn »ich […] zu dem amt, darin ich stehe, ohne mein suchen oder begeren, beruffen bin, und dasselbe zwar nechst Gott, von e. f. g. uf reiffe gnugsame berathschlagung, und mihr das predigen uf der freyheit nachmahl schrifftlich durch e. f. g. eigene hand anbefohlen worden, ich auch nit einen heller von der besoldung habe, so D. Crocius gehabt, massen er sie auß dem Stifft, davon ich gantz außgeschlossen werde, erhaben […], alß gebe e. f. g. ich hirmit unterthänig zu erkennen, ob mihr, der ich nach Gottes willen, wiewol unwürdig, und wieder meiner neider und mißgönner rath, dem kirchenwesen, und so vielen redlichen gelehrten leüten im predigamt vorgesetzt bin, solche ehrenrührige beschmitzung in offenem truck passiren zu lassen gebüre«.127

Die fürstliche Regierung konfiszierte daraufhin die bisher ausgegangenen Exemplare der bei »Ketzels Wittib« in Grebenstein erschienenen und durch den Kasseler Buchführer Johannes Schulz verbreiteten Schrift.128 Auf dem Konzept des Schreibens, das Statthalter, Kanzler und Räte zu demselben Zweck an Crocius richteten, findet sich der Rückvermerk: »dieße Schrifft ist confiscirt, und die exemplaria zum Archivo geliffert worden«.129 »Nachdem ohn lengst der ehrwürdige undt hochgelahrte Ehr M. Paulus Steinius gewesener Superintendens und Decanus alhiero im Herrn seliglich endtschlaffen, und unser g. f. u. h. L[andgraf]. W[ilhelm]. zu Heßen etc. g[nädig]. befohlen uf ehist kunfftigen freitag den 12 ten dieses monats X[Decem]bris einen synodum anhero jegen Cassell zur wahl eineß newen Superintendenten auszuschreiben. Alß ist ahn statt hochermelts u[nsers]. g[nädigen]. f[ürsten]. u[nd]. h[errn]. unser befehl hirmit ahn euch, alß Metropolitani, daß ihr euch darnach anhero nicht allein selbst in der person euch des donnerstags zuvor jegen abent alhier zu dem endt einzustellen, sondern auch bey allen zu ewerer clas gehorigen pastorn die ohnfehlbare versehung zu thuen, darmit vermeidentliche Rettung Churfürstl. Durchl. zu Sachsen gethaner Gewissens-Frag […]« (1635), womit Ho[ seinerseits auf die »Oraculum Dodonaeum« (1634) betitelte Veröffentlichung eines von ihm erstellten vertraulichen Gutachtens für den sächsischen Kurfürsten reagierte, in dem er es ablehnte, für die freie Religionsausübung der Calvinisten die Waffen zu ergreifen und den nahen (Prager) Frieden nur um ihretwillen auszuschlagen. Zu den genannten Schriften und ihrem Entstehungshintergrund: Hitzigrath: Die Publicistik des Prager Friedens, S. 4–8. 127 Theophilus Neuberger an Landgraf Wilhelm V., Kassel 1636 Mai 11, StAM 22 a 8, Nr. 14 [darin erstes Schreiben]; aus dem Schreiben zitiert auch: Claus: Johannes Crocius, S. 62f. Anm. 2. 128 Der Buchführer Johann Schulz an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Kassel 1636 Mai 12, StAM 22 a 8, Nr. 14 [darin zweites Schreiben], laut Rückvermerk hat er 95 Exemplare abgeliefert. 129 Statthalter, Kanzler und Räte (erschlossen) an Johannes Crocius, Kassel 1636 Mai 13 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 14 [drittes Schreiben]; entschuldigendes Antwortschreiben Johannes Crocius’ an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Kassel 1636 Mai 14 (praes.: Mai 20), StAM 22 a 8, Nr. 14 [viertes Schreiben], darin einliegend ein von ihm begehrtes und aufgestelltes »Verzeichniß wo Herrn D. Crocius Sachen [= Exemplare seiner Schrift] hinkommen seind«.

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sie, sampt und sonders, (doch also daß in der claß, einer oder mehr, so uf zutragende nohtfälle in der gantzen class das ambt verrichten möge, daheimb gelassen werden, welche gleichwohl ihr votum andern uftragen mogen) besagts donnerstags den 11 ten huius jegen abent alhier gleichergestalt einkommen, folgenden freitag den 12 ten der predigt und gebeht beywohnen, und daruff wie herkommen zur election und wahl eineß newen Superintend[ent]i schreiten und daruff hochged[achter]. I[hrer]. f[ürstlichen]. g[naden]. approbation und ferner verordnung underthenig abwarten mogen, sich auch darahn nichts außerhalb Gottes gewalt verhindern oder abhalten lassen sollen.«130

Nachdem die so mit Schreiben vom 1. Dezember 1634 zusammengerufenen Metropolitane und Pfarrer des Superintendenturbezirks Kassel am 12. Dezember zur Wahl zusammengetreten waren, wurde am 14. Dezember 1634 Theophil Neuberger vom Landgrafen zum Superintendenten ernannt.131 Viele Steuerungsaufgaben nahm Neuberger vom Schreibtisch aus wahr, wozu ihn auch der Kriegsverlauf zwang. In der Landes- und Murhardschen Bibliothek Kassel hat sich in einem Band mit hessischen Chroniken abschriftlich »Herrn Theophili Neubergers Superintendenten zu Cassell geschriebene Chronick von anno 1635 biß 1648« erhalten, in der er über die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges sowie andere wichtige Ereignisse in Hessen, wie die Folgen des Fuldahochwassers in Kassel Anfang 1643, und die Konsequenzen von Pest und Krieg für seine eigene Familie in kurzen Einträgen zu den jeweiligen Jahren berichtet.132 Diese chronikalischen Notizen werden aber durch die genaueren Angaben 130 Statthalter, Vizekanzler und Räte (die letzten beiden Absender aus ähnlichen Schreiben erschlossen) »Ahn Alle Metropolitanos und Pfarrer der Superintendentz Caßell uf den 12 huius zum Synodo und Election eineß Newen Superint. zu Caßell zu erscheinen« (Rückvermerk), Kassel 1634 Dezember 1, StAM 22 a 1, Nr. 58; die Tagesdaten in dem Schreiben sind aus Freitag, 19. Dezember und Donnerstag, 18. Dezember (auf den 12. und 11. Dezember) korrigiert; auf fol. 2r des gefalteten Blattes findet sich eine Auflistung der Orte, teilweise mit Ergänzung der dortigen Metropolitane (nur hinter Trendelburg steht anscheinend der Name des Pfarrers von Liebenau, »M. Albertus« [Johannes Alberti (?) – Desel: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Hofgeismar, S. 694–696], das zur Klasse Hofgeismar gehörte), an die das Schreiben geliefert werden soll; es ist nicht ganz klar, ob das stark korrigierte und wie ein Konzept wirkende Schreiben nicht doch in dieser Form an die Metropolitane verschickt wurde und nach der Kenntnisnahme aller zum Absender zurücklief, denn ihm liegt auf einem einzeln einliegenden Blatt eine Liste bei mit der Überschrift »Zu berichten wie die Pfarh[errn] folgender Örter mit Nahmen heißen. N[ota]B[ene]. nicht ein jeder sondern der prim[us]«, auf der die jeweiligen Metropolitane eigenhändig unterschrieben haben, möglicherweise aber erst am Wahltag, die Überschrift und die vorgegebenen Ortsnamen dieses Blattes stammen von einer anderen Hand als der Text des Schreibens. 131 Das Datum des 14. Dezember 1634 ist entnommen aus Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 25 sowie dem Eintrag »Neuberger (Theophilus)«, in: Strieder : Gelehrten- und SchriftstellerGeschichte, Bd. 10, S. 48–58, hier S. 49. 132 Landes- und Murhardsche Bibliothek Kassel, Signatur : »8o Ms. Hass. 1«, darin S. 334–368; siehe dazu schon die Erwähnung bei Brunner: Theophilus Neuberger, S. 551.

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in den Visitierrechnungen133 teilweise korrigiert. Für Ende 1635 notiert Neuberger in seiner Chronik (S. 338): »Endlich so hat in diesem jahr 1635 die pest alhierin zu grassiern angefangen und in folgenden jahren 1636 und 37 continuiret, da nicht rathsam gewesen zu reisen, sonderlich weil auch Gott mich selbst an den meinigen mit der pest in meinem haus hart heumgesucht, also, daß in denen 3 pest jahren meiner kinder 6 mit der pest befallen, davon 4 gestorben 2 wieder uff kommen sampt einer magdt in das mihr also in den 3 jahren das visitiren verbottenn geweßen wegen abhörung der rechnungen«.

Zum Jahr 1637 heißt es dort (S. 352): »In diesem und 2 vorigen Jahren wie droben zu ende des Jahres 1635 hat die pest starck regieret, u. auch mein hauß und familiam hart angegriffen, hab aber gleichwohl nicht müßig gangen, sondern beneben fleisiger verrichtung anderen meiner amts geschafften uf begehrnn unsers gnädigsten fürsten und herrn meine postill verfertiget«.

Noch ein weiteres, eigenhändiges, Selbstzeugnis Theophil Neubergers über die Beschwernisse dieser Zeit hat sich erhalten. Ein von dem Wolfhagener Diakon Johannes Pforr, dem früheren Diener und Schreiber Paul Steins, angefertigtes »Verzeichnuß was sich in der Superintendentz Cassel zu antritt meines [Theophil Neubergers] Amts gefunden. Anno etc. 1634 im Decembri« führte Neuberger auf den letzten beiden Seiten mit eigenhändigen Bemerkungen darüber, »wie ich die sachen, zu antrettung meines ampts, gefunden, und was für eine last und arbeit mihr hinderlassen worden«, fort.134 Über die Schwierigkeiten der Jahre unmittelbar nach seinem Amtsantritt schreibt er dort: »NB. Anno 1635 hab ich wegen anderer arbeit nit visitiren noch rechnungen hören können, massen I. f. g. selbst durch den Secretarium J. Gudenum sagen lassen, weil die vistationes so lang angestanden weren, möchten sie diß jahr auch noch anstehen, damit vorhabende arbeit vollendet würde. Zu Gudensperg hab ich anno 1636 angefangen zu rechnen etc. muste aber wegen Stattbergischer soldaten einfall wegräisen. Im Amt Felßberg hab ich eod. anno die visitation verrichtet. Darauf ist der feind eingefallen, hat Homberg belägert, u. das gantze land durchstreiffet, daß ich nirgend hinkommen können. Die drey Casselische Amter hab ich in anno 1635 und 36 gantz durchbracht. Anno 1637 hab ich nit können visitiren, weil der feind die gantze zeit umb und umb, ja gar biß an Cassel gestreifft«.

Darüber, wie Neuberger als Geistlicher mit Schicksalsschlägen umging, legen schon seine 1633 veröffentlichten »Soliloquia vom göttlichen Leben eines 133 StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621 bis 1738 [Magazin III K (Reihe) 5 (Stange 4)]. Näher dazu im Abschnitt über »Visitationen und Visitationsberichte«. 134 »Verzeichnuß was sich in der Superintendentz Cassel zu antritt meines Amts gefunden. Anno etc. 1634 im Decembri«, StAM 318 Kassel, Nr. 4.

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wahren Christen« ein beeindruckendes Zeugnis ab. In der »Vorrede an den Christlichen Leser« heißt es: »Schließlich vnd fürs fünffte/ hat mich diese arbeit auff vornehmer leute begeren auff mich zu nehmen/ sonderlich bewogen mein eigen haußcreutz/ vnd hertzliche betrübnuß/ da der liebe Gott meine kinder in Meckelburg/ allda ich diß Werck angefangen/ samptlich auff einmal mit schmertzlichen Kranckheiten heimgesuchet/ vnd vnter denselben das liebste mir durch den zeitlichen todt auß diesem leben genommen/ dazu auch bald die abermalige verfolgung angangen/ vnd also ein creutz auff das ander kommen ist: in welcher gleichsam auf einen hauffen zusammen lauffender trübsal/ ich als ein Christ meine hertzliche bekümmernuß nicht besser/ als mit solchen heiligen vnd erbawlichen gedancken zu miltern gewust hab: gestalt ich auch durch Gottes gnad nicht geringe milterung darauß empfunden/ welches ich darumb gedencke/ damit der Christliche Leser bald anfangs wisse vnd versichert sey/ daß alles/ was ich hierinn gesetzt/ gar nicht affectirt/ gesucht oder verblümbt werck/ sondern von grund meines hertzens gegangen sey. Wie ich dann alles diß zuvorderst zu meiner selbst eigenen erbawung vnd besserung meditiret vnd geschrieben hab«.135

Angesichts dieses Einbruchs der Zeitläufte in das persönliche Leben Neubergers ist sein Amtsethos umso bewundernswerter. Um in die Abläufe vor Ort einzugreifen und allgemeine Missstände zu beheben, richtete er Zirkularbriefe, Ausschreiben, an die Metroplitane und Pfarrer seines Zuständigkeitsbereichs, die zum größten Teil erhalten sind, als zurückgelaufene Originale mit den Kenntnisnahmeunterschriften der Metropolitane136 und teilweise auch abschriftlich im Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg,137 deren Metropolitan den Inhalt der Ausschreiben den Pfarrern seiner Klasse in derselben Form als Rundbrief kommunizierte.138 Hugo Brunner hebt nicht nur deren kulturhistorischen Wert hervor, sondern bemerkt auch: »Man ist erstaunt, 135 »Theophili Newbergers Soliloquia Vom Göttlichen leben eines wahren Christen in dieser welt«, das Zitat findet sich auf den der Bogensignatur »d v« folgenden beiden Seiten. 136 In dem »Copialbuch«, StAM 22 a 6, Nr. 5, das – entgegen seinem Namen – nicht nur Konzepte und Abschriften, sondern eben auch zurückgelaufene Ausfertigungen enthält. 137 Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22. 138 So nachzuvollziehen an LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg Nr. 121 (erstes Stück im Konvolut): Ausschreiben Neubergers an die Metropolitane vom 18. Juni 1650 (es wurden scheinbar mehrere von Neuberger selbst unterschriebene Ausfertigungen verschickt, von denen sich jeder Metropolitan eine nahm und den Rest weiterschickte; auf dieser Ausfertigung, die der Metropolitan von Gudensberg unter seinen »fratres classici« zirkulieren ließ, haben alle zu diesem »cursus epistolarum« gehörenden Pfarrer der Klasse hinter dem Namen ihres Pfarrortes ihre Kenntnisnahme und die Weiterleitung an den nächsten Pfarrer in der Reihe mit Tag, Uhrzeit und ihrer Unterschrift bestätigt, der Letzte in der Reihe schickte das Schreiben schließlich an den Metropolitan zurück; siehe zu einer ähnlichen Verfahrensweise die Nachbemerkung im Ausschreiben Neubergers vom 20. August 1639, in: Ebd., das 4. Stück mehrerer an einer Heftlasche [im Konvolut das 8. Stück von hinten] zusammengebundener Schriftstücke).

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wie der Mann die Sprache handhabt!«,139 ebenso wie er über Neubergers veröffentlichte Schriften sagt: »Auf der Höhe seines Schaffens aber müssen wir Neuberger den besten Prosaisten seiner Zeit zuzählen«.140 Neuberger (Abb. 5) hielt dem 1637 im ostfriesischen Leer gestorbenen Landgrafen Wilhelm V., nachdem er nach Kassel überführt werden konnte, am 23. April 1640 die Leichenpredigt,141 genauso wie 1651 seiner Gemahlin Amelie Elisabeth, die bis 1650 in Hessen-Kassel die vormundschaftliche Regentschaft für ihren Sohn Wilhelm VI. geführt hatte.142 In letzterer bezeichnet sich Theophil Neuberger als »Hess. Kirchen[= Konsistorial-]Rath/ Superintendenten vnd Hoffpredigern zu Cassel«. Seine Haupteinkünfte bezog er aus seiner Tätigkeit als Hofprediger.143 Aus den zweimal jährlich, zu Ostern und Luciae (13. Dezember), jedem Superintendenten angewiesenen 150 Gulden, also 300 Gulden jährlich, unterstützte er bedürftige Pfarrer und bestritt die Ausgaben für die Visitationen (Bau und Instandhaltung der Visitierkutsche, Papier, Botenlohn, »Verehrungen« in Pfarrhaushalte, wenn Pfarrer eingeführt wurden oder er bei ihnen während Visitationen übernachtete), als Besoldung standen ihm davon im Jahr 40 Gulden »wegen des becircks Caßell« und 15 Gulden »Wegenn der Graffschafft Ziegenhain«, also zusammen 55 Gulden, zu.144 Wie hoch zu Neubergers Zeit die Besoldung als Konsistorialrat war, ist nicht ganz klar, unter Landgraf Moritz betrug sie – wie das oben angeführte Beispiel des Konsistorialsyndikus’ Hartmann Reinigk gezeigt hat – 150 Gulden jährlich. Die besondere Gunst, der sich Theophil Neuberger bei Hofe erfreute,145 hat aber auch Konflikte begünstigt. Zu Unstimmigkeiten kam es zwischen Neuberger und Thomas Wetzel, dem bisherigen ersten Pfarrer an der Altstädter Brüderkirche. Er beschwerte sich 1635, »Zum ersten, das itziger superintend[en]s undt hoffprediger Herr Theophilus Neuberger die behausung bey der Freyheiter kirch, so der vorige superintendens sehliger zur wohnung gehapt, beziehen will. 139 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 553, dort S. 553–569 eine ausführliche Charakteristik dieser Ausschreiben mit umfangreichen Zitaten. 140 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 400. 141 »Christliche Ehrengedechtnis […] Herrn Wilhelmen des Fünfften/ genant Standhafftigen/ Landgraven zu Hessen […]«. 142 »Christliche Leich- vnd TrostPredigt/ Alß weyland der Durchleuchtigen & Hochgebornen Fürstin Frawen Ameliae Elisabethae, Landgrävin zu Hessen […] verblichener Leichnam/ mit Fürstl. solenniteten in die Fürstliche Grufft vnd Ruhestette gebracht/ vnd niedergesetzt worden. […]«. 143 Siehe die Aufstellung bei Brunner : Theophilus Neuberger, S. 583 mit Anm. 2. 144 Siehe z. B. die Rechnung für 1636, fol. 3v, in: StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621 bis 1738 [Magazin III K (Reihe) 5 (Stange 4)]. 145 So war Neuberger einer der sieben Zeugen, die das Testament Landgraf Wilhelms V. vom 31. März 1633 unterschrieben, was als großer Vertrauensbeweis gedeutet werden muss, siehe Puppel: Die Regentin, S. 193 Anm. 17.

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Abb. 5: Theophil Neuberger ist der einzige der hier behandelten Superintendenten, dessen äußere Erscheinung wir durch ein Portrait kennen. Die Angabe seines Alters in der Umschrift erlaubt eine Datierung ins Jahr 1635. In diesem Jahr erschien sein »Fasciculus underschiedener christlicher und zum Trost und wahrer Gottseligkeit erbawlicher Predigten«, in dem dieser Kupferstich abgedruckt war (VD17-Nummern 3:610358H und mit Link zum Digitalisat 23:323946D). Auf dieses Portrait hingewiesen hat schon Hugo Brunner : Theophilus Neuberger, S. 398 sowie Ders.: Geschichte der Residenzstadt Cassel, Tafel 8 (Abbildung).

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Dabey aber ist in acht zu nehmen 1. erstlich, das gemelte behausung eigentlich zur superintendentz nicht gehöret, sondern ein pfarr- und dechanthaus ist, so jederzeit von denen bewohnet und gebrauchet worden, die in der Freyheiter kirch pfarrer undt decani gewesen […]. Weil ich nun auch des orts zum ordentlichen pfarrer und decano bin constituiret worden, so gehöret besagte wohnung mihr ja billig zu beziehen. Dan wer das ampt hatt, der mus auch billig haben, was darzu gehöret, undt von alters hero darzu ist gewidmet worden. […] Zum andern ist mihr auch nicht wenig beschwerlich, verklainerlich undt schedlich, das der Herr Superintendens Theophilus mitt-decanus und ich die zweite person in der dechaney sein; Ehr Theophilus auch die helffte der dechaney besoldung aus den stifftsgefellen empfangen und ich darjegen, was mirh desfals abgehen solte, solches von der hoffpredigers bestalung vom rentmeister zu Gudensberg erheben solle. Hirbey ist nun 1. zu considerirn, das der decanat undt das pfarampt in der Freyheiter kirch im nahmen Ihr[er] F. Gn. mihr nicht allein von den damahligen f. commissarijs ohn mein ansuchen purH ohne einige condition oder restriction auff- und angetragen, sondern auch hernacher vom Herrn Superintendenten selbst coram dei et ecclesiae facie solenniter solchergestalt anbefohlen worden, und darumb so wolle mihr nicht allein der bloße titul und nahme eines pfarrers und decani des orts, sondern auch die gantze besoldung, so von undencklichen jahren derselbe ohnstreit undt unzertheilt gehapt, propter labores, die bey solchen emptern sind, gebühren. […] Endtlich und zum dritten wolte mihr auch das beschwerlich sein, wan ich den andern sontag, da der diaconus in der Freyheiter kirch, wie breuchlich, die fruepredigt hatt, bey hoff allzeit predigen undt under des[sen] Herr Theophilus ruhe haben solte […]«, was absprachewidrig dazu führen würde, dass »ich müste alsdan zu hoff mehr predigen als der ordinar hoffprediger selbst, der doch solch ampt hatt, und deswegen auch seinen sold darjegen jährlich einnimpt.«146

Mit dem ausführlichen Memorial zur Begründung seiner »beschwerungen« antwortete Wetzel wahrscheinlich auf ein schon zuvor ergangenes Reskript des Landgrafen in seiner Angelegenheit, in der dieser die genau entgegengesetzte Position zu Wetzel vertrat.147 Einige Punkte der insgesamt 26 machen klar, weshalb die Entscheidung für Neuberger als neuen Superintendenten gefallen ist:

146 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das letzte, »Memorial« überschriebene, fol. 10r–12v. 147 In StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel) trägt in dem Umschlag mit den sieben eingebundenen Schreiben das zweite, fol. 2rv, die Überschrift: »Actum den 19. Februarij Ao 1635. Ins Vicestadthalters Losament. Verganger sontagk 14 tage sey D. Jungman zu ihm kommen undt hab ihm Ifg. rescript vorgelegt wegen des superintendenten wohnung, den decanat undt etliche predigten betreffendt, auch ihm copiam derhalben zugestelt«, wonach die Beschwerdepunkte Wetzels aufgeführt werden; die Überschrift lässt auch eine genaue Datierung der Angelegenheit zu.

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1.

»Ministerium alhier sey wegen des superintendenten Steinij schwachheit in ziemliche unordtnung gerathen, was das leben anlangt. 2. Wetzelius habs auch wohl verrichten können, aber der eifer bey Theophilo sey mehr gespüret. 3. Herr Theophilus sey aus gutem bedacht undt macht zum superintendenten verordtnet. […] 5. Ifg. achte sich nicht schuldigk, jedem ihrer decision halben redt und antwort zu geben. 6. Es sey aber solche decisio nicht aus ubereilung oder unvolkommenem bericht hergefloßen. 7. Theophilus sey in Steinij stell bestellet wie er solche bedienet mit dechaney undt pfar. […] 18. Theophilus hab so numerosam familiam als Wezel undt sey Theophilus frombt. […]«.148

Nach diesen Worten ist auch nicht ganz klar, wie die Wahl der Pfarrer des Superintendenturbezirks Kassel wirklich ausgefallen ist, ob auf Neuberger tatsächlich die meisten Stimmen entfallen sind oder ob ihn der Landesherr, wie in nachfolgend vorgestellten Fällen, für die bessere Wahl hielt und ihn, trotz Stimmenmehrheit für einen anderen, zum Superintendenten ernannte. Ein Abstimmungsergebnis konnte im Fall Neubergers nicht gefunden werden. Neuberger wusste seine Arbeit in herausgehobener Stellung, die ihm zweifellos ein Herzensanliegen war, aber auch für seinen und der Seinigen Vorteil zu nutzen. So wurde 1648 sein erst 22jähriger Sohn Ernst, trotz Bedenken des Konsistoriums wegen seines noch jungen Alters, auf die gut dotierte Pfarr- und Metropolitansstelle zu Felsberg berufen.149 Am 16. Dezember 1634 trat Neuberger in einer Interzession bei Wilhelm V. dafür ein, »meinen eydam Gregorium Stannarium zu dem diaconat in der Neüstatt […] gnedig zu befördern in mehrerer betrachtung, das es mihr an diesem teüren ort [i. e. Kassel] sehr hart und schwer felt, das grosse haußkosten zu führen«.150 148 StAM 22 a 8, Nr. 156 (Kassel), darin in einem Umschlag mit sieben eingebundenen Schreiben, deren Blätter fortlaufend durchgezählt sind, davon das erste, fol. 1r. 149 Bedenken von Vizekanzler und anderen Konsistorialräten an die Regentin Amelie Elisabeth, Kassel 1648 Mai 19, StAM 17 I, Nr. 4713; Brunner : Theophilus Neuberger, S. 586f. In seinem Diensttagebuch notierte Neuberger schon unter dem 13. Mai 1647: »Ernestus Neuberger ist auch gehort u. examinirt. In concione hat er einmahl haesitirt, so auß forcht geschehen. In examine ist er zimlich bestanden, weil er die definitiones, distinctiones und classes argumentorum hatt fein furbringen können«. Den ehrgeizigen und zugleich stolzen Vater hört man aus dem Eintrag heraus. 150 StAM 40 a Rubr. 24, Nr. 125. Er, Stannarius, der bisher als Kaplan in der Kasseler NeustadtGemeinde gedient hatte und schon 19 Jahre »im Ministerio« stehe, sei auch »seiner gemeine lieb«.

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Über Neubergers Lebens- und Arbeitsweise sowie den Umgang mit den Pfarrern seines Bezirks und Bittstellern in kirchlichen Angelegenheiten gibt in seltener Klarheit ein auszugsweise schon oben in der Biographie Paul Steins angeführtes Schreiben Neubergers Aufschluss, das er als Beilage zu einer Mitteilung vom 15. Juni 1643 an die Metropolitane verschickte und das sich in dieser Zuordnung abschriftlich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg findet: »Copia einer beilage betreffent die zeit den H. Superintendenten anzusprechen Auch würdige, wohlgelaerte geliebte brüder in Christo. Nachdem ich nun ins neunte jahr nicht ohne große beschwerungen, und hinderniß meines studirens mit großer gedult, maßen ich bishero nimanden lang warten laßen, vertragen, das ich täglich auch wenn ich am nötigsten sonst zu thun gehabt, wie wohl nit so sehr von pfarrern als andern leuten wegen kasten, ehe oder andern sachen, item mit mancherlei supplicationibus angelauffen, und machmahl von einem nach dem andern dermasen aufgehalten und gehindert worden, das ich hernach die nacht uber studiren und arbeiten müssen, und also an meiner gesundheit nicht geringen schaden und abbruch davon erlangt, sintemahl es mit mir weit ein ander gelegenheit hat als mit meinem nunmehr seligen antecessore, indem das ich, wan ich hier bin, ordinariH predigen, und demnach auch darauf studiren, auch zum consistorio gehen, und zum offtern andern sachen, bei hoff, uf fürstlicher cantzlei, rathhauß und presbyterio abwarten muß, zu geschweigen was täglich vor schreiben in und außerhalb landes zu verfertigen vorfallen, dahingegen mein antecessor sel. wegen leibsschwacheit etzliche jahre lang leider wider seinen willen, nicht hat predigen noch auch sonst wohin gehen und kommen [können] und derhalben zeit gehabt daheim andern geschefften abzuwarten. Als wil ich hiermit (gleich wie zu den consistorialsachen der freitag verordnet ist) zu denen dingen die einer oder ander vom land bei mir zu thun hat, den donnerstag und freitag bestimbt und angesetzet haben, da ein jeder es sei pfarrer, schuldiener hospital und castenmeister pfarrerswittiben oder jemand sonst von den gemeinden, sich bei mir, so er was zu thun hat, angeben, und sein sachen151 vorbringen mag. Und seind solche tage desto bequemer, weil viel dinge vorfallen, die etwa mit dem consistorio so bald zu communiciren, auch manche ohne das bei fürstlicher cantzlei oder consistorio zu thun haben. Was unverzugliche nothfäll sein möchten, die werden hirmit ausgenommen, auch werden die pfarrer fur ihre person eben hiran nicht gebunden, sondern die mögen wans von nöten, täglich ansprechen, nur bitt ich sie, an den studiertagen als dinstags und sonnabents sonderlich vormittag umb studirens willen meiner zu verschonen, und etwa sobald nach der betstunde einzusprechen. Wenn aber sonst jemand außer den bestimbten tagen kömbt, wird er mich nicht verdencken, so er ab und uff die verordnete Zeit verwisen wird. Welches alles die pfarrer denen obgedachten leuten nicht aber offentlich sondern mit gelegenheit nach und nach anzeigen

151 In einer Abschrift dieses Ausschreibens im »Copialbuch« (StAM 22 a 6, Nr. 5), fol. 115r heißt es »sein suchen«, in einem eigenhändigen Konzept Neubergers auf fol. 136r : »seine sachen«.

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und es dahin richten werden, das sie es in acht nehmen. Datum ut in litteris. Der letzte schicke es versigelt wider ein«.152

Am 30. Juli 1655 bat Neuberger den Landgrafen um eine Verordnung, wer, wenn er sich auf Visitationsreise befand, sein Predigtamt an der Hofkirche versehen solle, da ihm »hinkünfftig gantz unmüglich sein würd, draussen umbher, so doch gar nötig, zu visitiren, und zugleich auch hier zu predigen«, seine Kasseler Kollegen würden sich mit der Vertretung in solchen Fällen »sehr difficultieren«, »auch nit wol thunlich, das von den nechstgelegenen fratribus uf den dörfern solches nach der reye geschehe, angesehen, weil offt frembde herrschafften herkommen, leichtlich von ihnen, etliche wenige außgenommen, auß forcht, weil sie es nit gewohnt, ein fehler begangen werdten mochte«. Zugleich nutzte Neuberger die Gelegenheit, um um einen »tüglichen ledigen adjuncto« anzusuchen.153 In seinen Funktionen als Superintendent war es Thomas Wetzel, zu dieser Zeit erster Stiftsprediger und Dekan an der Martinskirche, der Neuberger bei Abwesenheit vertrat. So kommunizierte er am 5. Juni 1651 »auf gutachten des fürstl. consistorij in abwesenheit des H. Superintendenten als vicarius pro tempore« den Metropolitanen eine Änderung der Formel, wie die landesfürstliche Obrigkeit künftig ins Gebet einzuschließen sei.154 Die Leichenpredigt auf Neuberger lässt den Weg zu seinem Tod mit der »schmertzliche[n] Krankheit des Lendensteins vnd Hustens« beginnen, bis er auch noch von »der Milzschwachheit hart angegrieffen« wird, schließlich ist »über das noch ein Fieber ihm kurtz vor seinem Ende zugestossen«. Er habe »fleissig in wehrender Kranckheit vmb Linderung seiner Schmertzen/ vnd daß er aus dem kercker des Elends vnd Jammers möge außgespannet werden/ ohne vnterlaß gebeten/ daneben hat er alle ordentliche von den Herrn Medicis vorgeschriebene Mittel gebraucht/ aber dieselbe haben nichts verfangen wollen«, so ist er schließlich am 9. Januar 1656 »im HErren sanfft vnd selig entschlaffen«,

152 Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 36–37. 153 StAM 5, Nr. 3367 [Konvolut mit der Aufschrift »Die Wahl eines zeitigen Superintendenten zu Caßell betr. vom Jahr 1656–1718«, darin das erste Stück]; in einem Vermerk auf fol. 5r heißt es bezüglich der Predigtvertretung: »Vom Consistorio die verordnung zu thun, das absente Domino Superintendente anderen predigern hiesiger statt und umbliegender orten per vices die predigten bey hoff zu verrichten auffgetragen werde«; auf fol. 6 findet sich die abschriftliche Auskunft Hütterodts, datiert in Eschwege schon am 10. März 1655, dass er »bey wehrender visitation auf dem lande«, gemäß einer landesherrlichen Verordnung aus der Zeit des Allendorfer Superintendenten Christian Grau, ergangen kurz nach dessen Amtsantritt 1557, in seinem Predigtamt in der Eschweger Altstadtkirche durch die Pfarrer seiner Klasse der Reihe nach vertreten werde, »ist auch kein minister gewesen, der sich desen gewegert oder entschlagen haben solte«. 154 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 105f.

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»Jm 43. Jahr seines Predig-Ambts/ vnd 21. Jahr seines SuperintendentenAmbts«.155 Conrad Johrenius, der den alten Metropolitan der Klasse Gudensberg, Martin Happel, als Adjunkt in seinem Amt unterstützte,156 scheint ein besonders gutes Verhältnis zu Neuberger gehabt zu haben. Am Ende der Leichenpredigt auf Neuberger finden wir ein lateinisches Gedicht von ihm; im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg lesen wir : »Anno 1656. 9. die Januarij sub vesperam defunctus est vit. vir admodum reverens atque eminentissimus Dominus Theophilus Neubergerus, archipalatinus, theologus gravissimus, Illustrissimo / consilijs ecclesiasticis Superintendens Cassellanus, Ecclesiastes in aula primarius, euergeta noster desideratissimus: requiescat in pace«.157

b)

Diensttagebuch

Theophil Neuberger selbst führte die Tradition der Diensttagebuchführung zunächst fort. Insgesamt umfassen seine Notizen den Zeitraum vom 12. Januar 1635 – Mitte Dezember 1635 hatte er sein Superintendentenamt angetreten – bis zum 25. April 1648 (Abb. 6).158 Ab 1638 umfassen die Einträge allerdings nur noch wenige Seiten, 1648 nur eine. Neuberger führte sein Diensttagebuch im 155 Stöckenius: Christliches Ehren-Gedächtnüß, fol. E 4v (unbenannt, eine Seite vor der Bogensignatur »F«). 156 Zu Martin Happel(ius) (1569–20. September 1664) siehe: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 122. Conrad Johrenius versah seit 1633 die Kaplansstelle zu Gudensberg (StAM 318 Kassel, Nr. 411, im Umschlag mit der Aufschrift »Verschiedene Praesentations Schreiben von Burger Meister und Rath zu Gudensberg und darauf erfolgte resolutionen die zweyte Predigersstelle zu Gudensberg betreffend.« zwei Konzepte von Schreiben, mit eigenhändigen Korrekturen des Superintendenten Paul Stein, an Pfarrer, Bürgermeister, Rat [und das zweite auch an die ganze Gemeinde] zu Gudensberg, zum einen vom 1. März 1633, Conrad Johrenius im Predigen zu hören, sich über ihn zu erklären und mit ihm über die Zulage zur Diakonatsbesoldung zu verhandeln sowie zum anderen vom 22. März 1633 über Johrenius’ Konfirmation und Bestätigung zum Diakon nach Gudensberg) und folgte Happel 1658 im Amt des Metropolitans, er starb 1674 (Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 1v [eigenhändiger Eintrag Martin Happels über sich bei Anlage des Konventsprotokolls und Kopialbuchs], 3v–4v [Unterschriften aller Pfarrer der Klasse Gudensberg, die ihren Dienst zwischen 1630 und 1689 angetreten haben, an zweiter Stelle Conrad Johrenius], S. 236 [Johannes Mel wird Adjunkt des Conrad Johrenius], S. 277 [am Seitenende trägt Johannes Mel seine 1674 erfolgte Übernahme des Pfarr- und Metropolitanamtes von dem zurückgetretenen Conrad Johrenius ein]). 157 Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 140 (Zählung im Band wechselt zwischen Paginierung und Foliierung). 158 StAM 315 a, Nr. 21 (Teil 2), (früher unter der Signatur StAM 315 a, Nr. 20).

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Abb. 6: Der Beginn des Diensttagebuchs Theophil Neubergers: »Den 12. Jan. [1635] hab ich mit Herrn Burgermeistern u. meinen Collegis geredt de successore Keplern. Ist [als Präzeptoren an der Kasseler Stadtschule, A. J.] vorgeschlagen M. Hildebranden Kuhn, und M. Thomas Krugius [vgl. Weber : Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel, S. 139f.]. [Eodem (die)] Zilianus Demmer, ein schlachter bittet, daß die 100 thlr, so er der Brüderkirchen schuldig, ihm gelassen werden, wil verschreibung und zinß geben. Ist mit rath der Burgermeister bewilligt, doch daß er liegende güter verhypothecire. […]«.

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ersten Jahr, 1635, noch recht ausführlich, im Laufe der Jahre, vor allem ab 1638, berichtet er allerdings immer punktueller, hauptsächlich über Pfarrerexamen und -ordinationen, Schulmeisterbestellungen sowie Ehesachen und über Sachverhalte, die an keiner anderen Stelle – wie Ausschreiben, Briefen, Protokollen – einen Niederschlag gefunden haben. Bei Neuberger drängt sich stark der Eindruck auf, dass er der Meinung war, eine intensivere Diensttagebuchführung lohne sich für ihn nicht, weshalb er sein Bemühen im April 1648 einstellte, obwohl er sein Amt noch bis zu seinem Tod am 9. Januar 1656 führte, jedenfalls sind weitere Teile seines Diensttagebuchs bis jetzt nicht aufgetaucht und werden auch in der älteren Literatur nicht erwähnt. Offensichtlich war Neuberger, wie er auch selbst schreibt, durch seine zahlreichen Funktionen als Superintendent, Hofprediger und Konsistorialrat sowie als Schriftsteller und Geistlicher, der sein Amt in fachlicher und ethischer Hinsicht sehr ernst nahm, voll ausgelastet. Der Aufwand der intensiven Diensttagebuchführung, wie wir sie von Paul Stein kennen, stand dabei für ihn offenbar in keinem angemessenen Verhältnis zu deren Nutzen. Die Einträge jedoch, die Theophil Neuberger vorgenommen hat, sind gehaltvoll und geben interessante Einblicke in die Probleme, die sich während seiner Amtsführung stellten und werfen ein Licht auf seine Arbeitsweise und Persönlichkeit. Neuberger hat sein Diensttagebuch komplett eigenhändig geführt. Die Art, wie er das tut und seine Handschrift muss im Vergleich mit den Diensttagebüchern Paul Steins als unordentlich bezeichnet werden, es finden sich zahlreiche Streichungen und Einfügungen am Rand, die Seiten sind zum Teil sehr dicht beschrieben, seine Handschrift ist »mittelgroß«, nicht sehr sauber und er arbeitet mit zahlreichen Suspensionskürzungen und Zerschreibungen – es musste offensichtlich schnell gehen. Neuberger wollte – im Gegensatz zu Paul Stein – Schreibarbeiten solcher Art offenbar nicht delegieren, sie sind damit auch Zeugnis des jeweiligen Moments. Neuberger nutzte sein Diensttagebuch auch für Briefentwürfe, so an den Marburger Superintendenten Georg Herdenius wegen des von Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel gemeinsam verwalteten Hohen Hospitals Haina, vom 28. Oktober 1635 und an die Junker von Schachten wegen ihrer Weigerung, in ihrem Ort Schachten, in Kirche und Pfarrhaus, Konvente der Pfarrer der kleinen Klasse Grebenstein159 stattfinden zu lassen, vom 29. Oktober 1635. Auch wenn Neubergers Diensttagebuch seinem äußeren Erscheinungsbild nach wahrscheinlich nicht zur Vorlage gegenüber anderen bestimmt war, so finden sich unter dem Eintrag zum 18. Januar 1640, als der Kasseler Schultheiß Bartholomäus Vigelius ermahnt wird und Reue zeigt, wegen zu Unrecht, in Trunkenheit, auf falsches Anbringen anderer Leute »außgegossner injurien wieder Ehrn Georg Bernhardi, adjunctum oder substi-

159 Zur Klasse Grebenstein: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 138–140.

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tutum alhie uf der Freyheit,160 und wieder dessen haußfraw und ganzes hauß«, neben der Unterschrift Theophil Neubergers auch die des Dekans und ersten Predigers am Martinsstift, Thomas Wetzel und des Hofdiakons Bernhard Matthaeus. Auf der hinteren Umschlaginnenseite des Tagebuchs findet sich ein Catalogus »Promovendi«, ein Katalog der zu Promovierenden, derer also, die Anstellung oder Versetzung suchten, wobei fast alle Namen als erledigt durchgestrichen sind. Außerdem liegen mehrere lose Zettel ein, so nach dem »Concept schreibens an Junckern von Schachten wegen der conventen zu Schachten« eine Aufstellung über empfangene und an arme Pfarrer und andere Bedürftige ausgeteilte Gelder.

3.

Johannes Hütterodt (amtierte von November 1638 bis September 1672)

a)

Leben und Amt

Johannes Hütterodt, der von November 1638 bis zu seinem Tod am 20. September 1672 Superintendent des Bezirks Rotenburg war, hat wohl die umfangreichste und am leichtesten zugängliche Überlieferung zu seiner Amtstätigkeit hinterlassen und besaß offenkundig ein Talent für die effektive Organisation und ein Gespür für die realistischen Möglichkeiten von Kirchenverwaltung. Geboren wurde er am 9. Juli 1599 in Eschwege, der Stadt seiner späteren beruflichen Wirksamkeit, als Sohn eines Weißgerbermeisters.161 Der Aussage seines Vaters »Hanß Huttenrodt«162 bei der Vernehmung der Einwohnerschaft 160 Bernhardi findet im DTB Neubergers schon früher Erwähnung, im Eintrag zum 12. April 1638, wo es unter anderem heißt: »Sein zum predigamt ordinirt worden Georgius Bernhardi zum Diaconat zu Melsungen. […]«; siehe auch DTB Hütterodts, S. 95 (15. Nov. 1639). 161 Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 11, 14. Die Angabe des Geburtsdatums beruht nur auf dem Eintrag in der Personenkartei von Kurt Holzapfel im Stadtarchiv Eschwege, bislang konnte kein weiterer Nachweis dafür, etwa aus den Kirchenbüchern, beigebracht werden, mahnt Karl Kollmann auf S. 14 zur Vorsicht; das Todesdatum ebd., S. 22. 162 Von der Namensform Hutten-/Hüttenrodt (die z. B. konsequent der Lichtenauer Pfarrer und Metropolitan Caspar Rudolph Weisbrot in der Adresse seiner Briefe in LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 502, 552, 554 verwendet) ist wahrscheinlich auch das Siegel inspiriert, das Hütterodt verwendet. In schwarzes Wachs gedrückt zeigt sein Siegel folgendes Bild: die Buchstaben »I« und »H« umrahmen eine (Holz-) Hütte mit erkennbarem Rahmen, Dach und Eingangsbogen, ob sich im Giebel ein Kreuz als Kennzeichen für eine Kirche befindet, ist nicht klar erkennbar; darunter befindet sich ein Schild mit Helm und Helmzier, auf dem Schild ist ein Kreuz zu sehen, dessen Schaft unter dem Querbalken von einem langgezogenen N geteilt wird, an dessen Anschwung ein kleiner Kreis und über dessen Abschwung ebenfalls ein kleiner Kreis steht; so z. B. deutlich erkennbar auf der Adressseite eines Schreibens, das Hütterodt am 28. November 1660 ans Konsistorium richtete, in: StAM 22 a 3, Nr. 905 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. Inquisition gegen Curt Leopold v. Boineburg welcher extra casum necessitatis sich auff seinem Hauß zu Reichensachsen durch einen Lutherischen Prediger

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anlässlich der Einführung der Verbesserungspunkte in Eschwege ist zu entnehmen, dass dieser der Mauritianischen Religionsreform nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstand.163 Seine Aussage vom 17. Dezember 1608 lässt weiterhin darauf schließen, dass sein Sohn in diesem Jahr in die Schule in Eschwege ging.164 Wenn auch über Hütterodts weitere schulische Laufbahn keine Angaben vorliegen, geht Karl Kollmann davon aus, dass er anschließend das Gymnasium in Hersfeld besuchte.165 Bemerkenswert ist die Wahl seines Studienortes. Als »Joannes Hütterodius Eschwicensis Hessus« schrieb er sich 1617 zusammen mit zwei anderen hessischen Landeskindern aus Spangenberg, darunter Christian Gravius/Grau, wahrscheinlich ein Enkel des gleichnamigen Allendorfer Superintendenten,166

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das Abendmahl reichen laßen 1660«, darin das zweite Schreiben); undeutlich ist das Bild auf einem schwarzen Siegel erkennbar, das Hütterodt neben dem Johannes Kniriems, des Pfarrers der Eschweger Neustadt, auf der Adressseite eines Schreibens beider ans Konsistorium vom 17. September 1659 angebracht hat, in: StAM 22 a 3, Nr. 885 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. die Beschwerde des Superintendenten Joh. Hütterodt u. Pfarrers Joh. Cnirim zu Eschwege über die Rotenburg. Regierung, dass sie ihnen wegen Nichtbefolgung e. Vorladung ihr freies Gebräu entzogen habe. 1659«, darin das erste Schreiben). Auf einem in rotes Wachs gedrückten Siegel auf der Adressseite eines Schreibens Hütterodts ans Konsistorium aus Eschwege vom 12. Juni 1655 sieht man als Bild (nicht wie auf den kleinen schwarzen Petschaftsiegeln eine Hütte, sondern) offenbar einen springenden Bock, der mit seinen Hinterläufen auf einem Helm steht, so in StAM 22 a 3, Nr. 889 (Umschlag mit der Aufschrift »Akten des Kasseler Konsistoriums / Pfarrei zu Düntzebach / Bestellung Christian Hospachs an Stelle des nach Schwebda berufenen Konr. Gross. 1654. 1655. Auch die Bestätigung Joh. D. Graus als Pfarrer in Aspach, Christian Hubeners als Pfarrer in Rambach«, darin das dritte einliegende Schreiben). Ob das verwendete Siegel Hütterodts abhängig ist von der Farbe des verwendeten Wachses oder ob sich sein Siegelbild im Laufe der Zeit geändert hat, kann nicht eindeutig geklärt werden. Auf die erste von vier Fragen: »Warum er bißhero nicht communicirt noch auch seine kinder oder sich selbst zu den ergentzten zehen gebotten Gottes angehalten?« (Eckhardt : Eschweger Vernehmungsprotokolle, S. 2) antwortete er : 1) Weil die ceremonien wehren geendert undt er uff die vorigen von M. Schimmelp[fennig]. seeligen eingesegnet [= konfirmiert, A. J.] , vor ihm auch verheißen worden, bei solchen zu pleiben, zu stehen und zu halten. Das brodtbrechen halte er nicht vor unrecht; den decalogum lasse er seine kinder lernen undt ziehe sie zur schule undt kirchen. […] 3) Wolle sich einstellen [zum Abendmahl, A. J.] alß ein frommer christ, wehre ja gottes wort gemeeß. […]«, Ebd., S. 107 (5./6. Bauerschaft, Nr. 159). Das Datum der Vernehmung in Eckhardt: Eschweger Vernehmungsprotokolle, S. 95. Kollmann: Johannes Hütterodt, zieht diese Schlussfolgerung aus der Aussage von Hütterodts Vater, die er auf S. 11 anführt und auf die er sich auf S. 19 offenbar bezieht, irrtümlich für das Jahr 1606. Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 19; zum 1570 von dem Hersfelder Abt Michael Landgraf gestifteten Gymnasium: Vigelius: Denkwürdigkeiten von Hersfeld, S. 64f. Sein Vater war höchstwahrscheinlich der Spangenberger Pfarrer Dietrich Grau (1579–1619 »nachts auf dem Wege zwischen Elbersdorf und Spangenberg; man fand ihn tot in einem Wassergraben, ohne jedoch Zeichen an ihm wahrzunehmen, daß er darin ertrunken wäre«; Pfarrer in Spangenberg seit 1609), ein Sohn des ehemaligen Allendorfer Superintendenten Christian Grau. Hütterodts möglicher Kommilitone wurde als Dietrich Graus erster Sohn

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an der in der Theologie reformierten Prinzipien folgenden Viadrina, der kurbrandenburgischen Universität in Frankfurt an der Oder, ein, obwohl er zu dieser Zeit auch noch in Marburg unter dieser konfessionellen Prämisse hätte studieren können. Neben Hütterodts Name in den Frankfurter Universitätsmatrikeln ist vermerkt: »compl[evit]. anno 1620, mense Apr[ilis]., cum promoveret magisterium, vicerect[ore]. Eberto«.167 Im April 1620 wurde Hütterodt also zum Magister promoviert und zwar mit einer am 12. Februar gehaltenen Disputation, publiziert unter dem Titel »Manuductionis aphoristicae ad discursum artium et disciplinarum methodicum sectio septima in qua continetur metaphysica«168 als siebenter Teil einer Sammlung von 16 Disputationen unter dem Vorsitz des gerade das Dekanat der philosophischen Fakultät bekleidenden Professors der hebräischen Sprache Theodor Ebert, also 16 kurze Beiträge (Handreichungen) zum methodischen Diskurs über Künste und Wissenschaften,169 worunter Hütterodt öffentlich über die Vorzüge und Nachteile der Metaphysik »extraordinariH« disputierte.170

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1594 geboren und starb am 2. Novemer 1656 in Allendorf (alle Angaben und das Zitat aus Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 110 [Grau, Dietrich]; zu Dietrich Grau und den Umständen seines Todes näher Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 5, S. 70f.). Angesichts seines Sterbeortes ist es möglicherweise Hütterodts Kommilitone zu dem das Personenregister zum Diensttagebuch Hütterodts unter »Grau, Christian, B[ür]g[er]m[eister]. Allendorf« mehrere Einträge auflistet, zumal ein zweiter Sohn des Spangenberger Pfarrers, der gleichnamige praktische Arzt Dr. Dietrich Grau, ebenfalls Bürgermeister in Allendorf war (Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 110) und im Diensttagebuch Hütterodts genannt wird. Ein weiterer »Christian Grau« war (nach dem Personenregister zum Diensttagebuch Hütterodts) allerdings Bürgermeister in Spangenberg. Friedlaender (Hg.): Aeltere Universitäts-Matrikeln. I. Universität Frankfurt a. O. Bd. 1, S. 608 linke Spalte. Manuductionis Aphoristicae Ad Discursum Artium Et Disciplinarum Methodicum Sectio Septima in qua continetur Metaphysica ad disputandum proposita In Academia Viadrina Praeside M. Theodoro Eberto S. S. Hebreae Linguae Profess. & p[raesente]. t[empore]. Ordinis Philosoph. Decano. Respondente Johanne Hütterodio Esvegense Hasso ad diem 12. Februarij Anno Aera Christiana M. DC. XX. [1620]. M. Theodori Eberti Professoris Academici Manuductionis Aphoristicae Ad Discursum Artium et Disciplinarum Methodicum Sectiones Sedecim, in quibus continentur Praecognita. Grammatica. Rhetorica. Po[tica. Logica. Historica. Metaphysica. Physica. Mathematica. Ethica. Oeconomica. Politica. Artes Effectiva. Medicina. Jurisprudentia. Theologia. In Academia Francofurtana Scriptae. [Pars Prima.] Ad Georgium Guilielmum S. R. Imperii Archicamerarium & Electorem & c. Francofurti Prelo Kochiano [1620] [VD17-Nr.: 1:726921Z]. Das als Onlinedigitalisat verfügbare Exemplar der Staatsbibliothek zu Berlin dieses dem brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm zum Herrschaftsantritt 1619 gewidmeten Bandes trägt auf dem vorderen Einbanddeckel eingeprägt ein ovales Medaillon mit umlaufender Titulatur, das den Kurfürsten in Goldprägung stehend im hermelingefütterten Wams mit Schärpe und hochstehendem Kragen zeigt. Dies geht hervor aus der vor der ersten Disputation des Bandes abgedruckten Aufstellung »Nomina illorum, qui hoc programmate invitati & evocati, huic discursui literario, ut Disputatores & Auditores interfuerunt«, wo an erster Stelle unter denen, die »Extraordi-

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1621 wurde Hütterodt Rektor der Eschweger Stadtschule, parallel dazu nahm er die relativ gering besoldete und mit überschaubaren Aufgaben verbundene Stelle eines Diakons an der Neustädter Kirche wahr, die erst 1619 eingerichtet worden war. Wahrscheinlich hat Hütterodt Arbeit und Einkünfte des Neustädter Diakonats zumindest teilweise dem dritten Lehrer an der Eschweger Schule, Magister Otto Freund, überlassen, den er hinter seinen eigenen Namen im Kopialbuch der Stadt Eschwege geschrieben hat, in dem Hütterodt eigenhändig über Entwicklung und Zustand der Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, einschließlich der mit den jeweiligen Stellen verbundenen Einkünfte und die Namen ihrer Inhaber, berichtet.171 1627 nahm er die Gelegenheit wahr und wechselte auf die besser dotierte Diakonatsstelle in der Eschweger Altstadt. Dabei gab er, wie es scheint, seine Stelle als Rektor der Stadtschule wie auch das damit verbundene Diakonat in der Neustadt auf, in beiden Ämtern folgte ihm Philipp Heuckerodt.172 Allerdings wechselte Hütterodt schon am 1. Dezember 1628 nach dem Tod des bisherigen Stelleninhabers Johannes Sartorius auf die erste Pfarrstelle an der Neustadt. Nachdem Aaron Grusemann, der erste Pfarrer an der Altstadtgemeinde 1630 die konfessionellen Seiten wechselte und zum Katholizismus übertrat,173 übernahm Hütterodt dessen Stelle und wurde damit zugleich Metropolitan der Klasse Eschwege. Hütterodts Platz als erster Pfarrer an der Neustädter Kirche nahm Christoph Quast ein.174

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nariH disput.runt In Metaphysicis publicH de Bono & Malo Joan. Hütterodius Esvegensis Hassus« genannt wird (die Kursivierung folgt der Vorlage). Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 23. Das Original dieses von Karl Kollmann edierten Berichts befindet sich im Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, S. 1–26, die Angaben zum Neustädter Diakonat S. 15f., die Namen der Inhaber auf S. 16. Anders als Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 19, 22 kann ich Hütterodts eigenen Darlegungen im Kopialbuch Eschwege nicht entnehmen, dass er neben dem 1627 angetretenen Diakonat in der Altstadt (ab 1628 – so Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 28 Anm. 56 –) gleichzeitig das in der Neustadt wahrnahm. Zu Grusemann, der 1622 Diakon und 1626 erster Pfarrer an der Eschweger Altstadtgemeinde wurde: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 14, S. 23–25 im Artikel über »Schultze (Bernhard)«; er starb 1640 als Schultheiß der Mainzischen Exklave Fritzlar ; eine Disputation von ihm aus dem Jahr 1617 wird genannt in Strieder: Gelehrtenund Schriftsteller-Geschichte, Bd. 2, S. 254 im Artikel über »Combach (Johannes)« sowie in Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 68 im Artikel über »Sturm (Caspar)«; zur Auseinandersetzung, die Grusemann 1619/1620 als Marburger Stipendiatenmajor mit dem Gießener Professor Johannes Steuber führte, Strieder : Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 15, S. 325 im Artikel über »Steuber (Johannes)«. Die Angaben folgen – bis auf die angesprochenen Reserven – Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 19, 22; Kurzbiographien zu den genannten Personen finden sich in den Anmerkungen zu der Quellenedition von Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse; in der Quelle, im »Copialbuch von Eschwege« (StA ESW Fach 1, Nr. 25), finden sich die Angaben zur Altstadtgemeinde auf S. 4–14, die Namen von Pfarrer und Diakonen stehen auf S. 6, zur Eschweger Stadtschule S. 25f.

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Zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg gewählt wurde Hütterodt in Allendorf durch die Mehrheit der Pfarrer am 2. November 1638 und zu diesem Amt ordiniert am 4. November 1638. Allerdings war Hütterodt schon einmal 1634 zum Superintendenten gewählt worden, jedoch verweigerte Landgraf Wilhelm V. damals die Ernennung und zog den Zweitplatzierten Caspar Josephi vor.175 Verheiratet war Johannes Hütterodt seit 1623 mit der, aller Wahrscheinlichkeit nach 1601 geborenen, Lohgerberstochter Ottilia Schuchardt. Er blieb also auch als studierter Theologe dem Handwerkermilieu, aus dem er selbst stammte, bei seiner Eheschließung treu. Nachdem seine erste Ehefrau 1661 gestorben war, heiratete Hütterodt im Jahr darauf erneut, diesmal die um 1617 geborene Witwe des Kasseler Bürgermeisters Peter Boclo, Hedwig, die Hütterodt, der am 20. September 1672 starb, weit überlebte und 1699 in Spangenberg zu Grabe getragen wurde.176 Unter den vier Kindern Hütterodts, drei Töchtern und einem Sohn,177 ragt jener am 23. April 1633 geborene Johann Wilhelm Hütterodt heraus,178 der spätestens 1676 landgräflicher Rentmeister in Spangenberg wurde, ein Amt das er bis 1702 bekleidete.179 Er heiratete 1667 in Eschwege »die 12 Jahre jüngere Catharina Elisabeth Boclo, Tochter jenes Peter Boclo aus Kassel, mit dessen Witwe sein Vater fünf Jahre zuvor seine zweite Ehe eingegangen war«. Er starb 1705 in Spangenberg, seine Witwe ebenda 1710.180 Das energische Bemühen um tragfähige ökonomische Verhältnisse, das Hütterodt in seinem beruflichen Wirken auszeichnete, lässt sich auch in seinem privaten Leben erkennen. Aufgrund der Auswertung der Besitzverhältnisse Hütterodts und seines familiären Umfelds anhand der Eschweger Häuserge175 Darauf wird näher in Kapitel II B 2 dieser Arbeit eingegangen. 176 Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 14f. 177 Diese und die folgenden Angaben nach Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 14f., dort viel detaillreicher. 178 Für die Ausbildung seines Sohnes Johann Wilhelm, der in Kassel und Marburg studierte, bemühte sich Hütterodt um Stipendien. Nach Verhandlungen und vorübergehendem Nachgeben gegenüber anderen Interessenten erhielt er sowohl das zu Waldkappel gestiftete Hartungsche Beneficium wie auch das von der Adelsfamilie Diede zum Fürstenstein fundierte Beneficium Agnetis (Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 16; DTB Hütterodts, S. 1282f. [23. Oktober 1655]). Oft wurde die Aufsicht über wohltätige Stiftungen vom Stifter testamentarisch dem Superintendenten zugewiesen, so beispielsweise auch beim Hartungschen Beneficium, um dessen Ordnung sich Hütterodt 1665 kümmerte, wie die Überlieferung dazu in KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 18 zeigt. 179 In KKAE Best. 4 Eschwege, Nr. 16 befinden sich Aufzeichnungen über eine Klage, die Gotteskasten und Spendevorsteher zu Eschwege 1693 gegen den Spangenberger Rentmeister Johann Wilhelm Hütterodt führten, der 1682 Güter von einem seiner Schuldner übernommen hatte, die, ihm unwissend, mit einer Hypothek zugunsten der pia corpora belastet waren, in die nun, aufgrund der seit 1675 rückständigen Zinsen des dem Voreigentümer verobligierten Kapitals, gegriffen werden sollte. 180 Die Angaben nach Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 16f., das Zitat S. 16.

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schichte kommt Karl Kollmann zu dem Ergebnis, »dass der Superintendent im Laufe seiner Dienstjahre einen erheblichen Haus- und Grundbesitz angesammelt haben muss, offenbar sowohl durch Erbe als auch durch Kauf«.181 Hütterodt bemühte sich nicht nur um eine Finanzierung der Studien seines Sohnes, sondern auch darum, dass er selbst nicht zu kurz kam. So strebte er im Hinblick auf seine Besoldung eine Gleichbehandlung mit dem Kasseler Superintendenten an. Nur durch sein offensichtlich vertrauensvolles Verhältnis zu Theophil Neuberger – wiederholt berichtet Hütterodts Diensttagebuch über Besprechungen mit »Herrn Theophilus«182 – kann er erfahren haben, dass die Kasseler Superintendenten, nachweislich schon Paul Stein, zwei Rotenburger Kanonikate erhielten,183 die gemäß der Stiftung von 1575 nur zur Unterstützung solcher Pfarrer bestimmt waren, die »alterß und ohnvermöglichkeit oder sonsten beharlicher leibsschwacheitten halber, nicht mehr der kirchen dienen und dem gottesdienst abwarten können, sondern nothwendig vom predig ambt abstehen und ihre pfarrstellen mit dero darzue gehöriger besoldung verlaßen und ubergeben mußen«.184 Diese zwei Kanonikate brachten Neuberger jährlich ein: 50 Gulden an Geld, 2 Viertel Weizen, 16 Viertel Korn und 6 Viertel Hafer. Es ist nachvollziehbar, dass auch Hütterodt um die Gewährung zweier von insgesamt zwanzig verfügbaren Kanonikaten nachsuchte. Dies lässt sich aus dem Bedenken erschließen, mit dem die Regierungsräte der Regentin Amelie Elisabeth von der Bewilligung der Supplik Hütterodts als der Stiftung zuwider abrieten, nur für besondere Notlagen erlaube diese die vorübergehende Gewährung einer Präbende an noch amtierende Pfarrer, deren »pfarrgefälle aber also gethan, daß sie darvon ihren notürfftigen unterhalt nicht haben könten«. »Da nun dergleichen canonicaten an jetzo vaciren theten, oder sonsten mittel auß den jaarlichen visitirgeldern verhanden wehren, dardurch ihme in etwaß succurrirt und geholffen werden möge, welcheß zue erkundigen stünde, so stellen 181 Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 19. 182 Siehe etwa DTB Hütterodt, S. 3f. (19.–25. November 1638 Aufenthalt in Kassel); S. 1226 (28. November bis 6. Dezember 1654 Aufenthalt in Kassel, 30. November : »[…] habe Vormittag biß umb 2 Uhr mit H. Theophilo communicirt: von unterschiedlichen Kyrchensachen.«) sowie die übrigen Stellen zu »Neuberger, Theophil« im Personenregister zum DTB Hütterodts. 183 Siehe die Übersicht »Die Canonici des Stiffts in Rotenbergk sind ietzieger Zeit als in anno 1634 nachvolgende Pfarherrren« in StAM 22 a 8, Nr. 700 (Rotenburg), sowie jene mit dem Rückvermerk »Nachrichtung wegen der Rodenbergischen Canonicate und dehren Stifftung« in StAM 22 a 8, Nr. 698 (Rotenburg). 184 Zitat aus dem Schreiben Sämtlicher Regierungsräte an die Regentin Amelie Elisabeth, Kassel 1642 September 26, ob dem Ansuchen Hütterodts nach der Gewährung von zwei Kanonikaten stattgegeben werden könne, StAM 22 a 8, Nr. 700 (Rotenburg) (in dem Schreiben fol. 1r); eine vollständige Abschrift der Stiftungsurkunde und der Vollzugsanweisung Landgraf Wilhelms IV. von Hessen-Kassel vom 1. Januar [»newen jahrs tag«] 1575 findet sich im »Copialbuch«, StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 13v–17v.

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wihr zue Efg. gnedigem gefallen, ob und was dieselbe ihme darauß zuezuelegen g[nädig]. verordnen wollen«.185 Als Hütterodt vom 12. bis 15. April 1643 in Kassel weilte, brachte er dort – Neuberger war leider abwesend – am Freitag, dem 14. April im Konsistorium die Folgen seiner demnach abschlägig beschiedenen Supplikation um die Kanonikate zur Sprache: »Hierbey habe ich remonstrirt, daß zu diesen undt dergleichen reisen ich keinen verlag oder besoldung, sondern nur zur visitation, 20 F. [= Gulden] hette. […] Immittels wardt ich nicht geheißen, solche kosten de meo zu zahlen undt erinnert H. Vicecantzler, mich mit einem canonicat zu bedencken, dieweil ich nun auf supplicirendes anhalten deswegen abschlägige antwortt bekommen, sagt ich, die pferde so den haafer verdienen, bekommen ihn nicht, undt alß ich gefragt war, ob ich keinen hafer auf pferde bekäme, sagt ich, ich wissete von nichts«.186

Nicht klar ist, ob die Regierungsräte wussten, dass Neuberger, scheinbar ohne Widerspruch, jährlich die Einkünfte aus zwei Kanonikaten bezog. Bei aller Begründetheit der Ablehnung der Supplikation Hütterodts zeigt dies in Besoldungsfragen eine Ungleichbehandlung beider Superintendenten, die bei Hütterodt sogar dazu führte, dass er den Fuhrlohn für seine Dienstreisen zum Teil selbst bezahlen musste, wovon man in Kassel offenbar bislang nichts wusste. Hütterodts Auftreten und Handeln zeugt von einer großen Verbundenheit und Vertrautheit mit der Region in der er wirkte und ihren Menschen. Er war außerdem ein großer Freund des offenen Wortes, was ihn manchmal in

185 »Samptliche Regierungs Rhete Bedencken uff des Superintendenten zue Eschwege Ehrn M. Joh. Hüttenrodts zweyer Canonicaten halber beschehenes Suchen etc.« (Rückvermerk), Kassel 1642 September 26, StAM 22 a 8, Nr. 700 (Rotenburg) (die Zitate in dem Schreiben fol. 2r); Hütterodts Supplikation selbst ließ sich nicht finden. 186 DTB Hütterodts, S. 343–345, das Zitat S. 344 unter Punkt 2. b). Den Bericht über seine Gespräche in Kassel beginnt Hütterodt auf S. 343 folgendermaßen: »1. den Donnerstag den 13ten huius [April 1643] die visitir rechnung abgelegt undt dabey erinnert – daß es papirer rechnung wehren [d. h. ohne inhaltliche Aussagekraft, A. J.], dan a) ich wehre nicht bezahlt, b) in den anweisungen der pfarrer [zum berechtigten Bezug des Visitiergelds, A. J.] wehren wohl 100 F. annoch unbezahlt, c) des fuhrlohns köndte ich nicht zukommen. Dieweil aber die Herren Cammerräthe nicht alle zur stätt gewesen, hat mihr keine antwortt werden können«. Siehe auch den DTB-Eintrag, S. 570 (25. Januar 1646): »Habe ich uff Cassel geschickt […] 4. an H. Theophilum, Catalogum viduarum [wegen der Prädikantenwitwensteuer, A. J.] undt darneben gebäten bey F. Rentcammer mihr das wort zu thun, daß mein schade ersetzet werde« sowie S. 573f. (16.–20. Februar 1646), hier S. 573: »Casselische Reise – Am 16ten Febru. uff Cassel gezogen, den 17ten umb neuhn uhr vormittag einkommen […]. […] Den 19ten an die regentin schreiben übergeben […]. […] Eodem die, meine visitirrechnung de anno 1645 eingegeben, darbey ein Memoriale – eingelegt, darinnen ich suche 1. ersetzung des schadens wegen des pferdes, 2. fuhrlohns besserung, 3. woher fuhrlohn zu nehmen, wan bey den junckern visitirt wirt, 4. instruction zu geben, wie die visitirkutsche zu bawen«.

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Schwierigkeiten brachte,187 ihm aber wohl oft bei der Durchsetzung seiner Meinung half und ihm Respekt verschaffte. Er wusste, wie er mit den Menschen, mit denen er täglich umging, reden musste. Am 22. Oktober 1655 bestürmten Hütterodt die beiden amtierenden Bürgermeister zu Allendorf, wo er sich zur Visitation aufhielt, angesichts des gerade anwesenden Universitätsboten, der die Stipendiatengelder der Stadt forderte, wollten sie, dass die 40 Gulden nicht aus der Stadtkasse, sondern aus dem Kirchenkasten bezahlt würden, welchem Ansinnen Hütterodt entgegenhielt, »durch den brand aber wehren die capitalia verringert«, noch als Folge der Schäden des Dreißigjährigen Krieges.188 »Alß nun mancherley wortwächsel undt unfreundliche bezeigung vorgangen, habe ich endlich gesagt, so ihrs auf die kyrche treiben wollet, ey so verkaufft die kyrche und schaffet die prediger u. schueldiener ab.«189 Eindrücklich ist auch, was 187 Hütterodt war es ein Anliegen, »daß die jungen kerlen nicht so baldt zu pfarrdiensten, sondern zuvor in den schuelen sich zu üben, bestellet und die f. kyrchen- undt consistorialordnung observirt werde«, woran er das Konsistorium schon bei seinem Aufenthalt in Kassel vom 9.–11. Februar 1643 erinnerte (DTB, S. 330 Punkt f). Unter dem 10. Juli 1651 heißt es dann im DTB Hütterodts (S. 1027): »Filtzbrieff vom consistorio kommen, darin mihr verwiesen, daß ich geschrieben, man forderte die jungen kerlen zu pfarrdiensten wider die consistorialordnung und dadurch würden die schuelen verseumet«. Allerdings scheint Hütterodts Beharrlichkeit Früchte getragen zu haben, denn unter dem 1. Juni 1652 richtete das Kasseler Konsistorium selbst einen Brief mit diesem Anliegen an Hütterodt (LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 392 [1. Stück im Konvolut]), dessen Eingang er unter dem 6. Juni 1652 in seinem DTB auf S. 1085 mit den Worten vermerkte: »Befehlich von f. consistorio kommen daß kein student uff cantzel gelassen werden solle, ehe er vom superintendenten examinirt seye«. Die Einträge aus dem Diensttagebuch Hütterodts werden, vor allem im Hinblick auf die Groß- und Kleinschreibung, in der Regel nach der bisher angewandten Transkriptionsrichtlinie wiedergegeben, die publizierte Transkription des Diensttagebuchs wird dementsprechend angepasst. 188 Im Kopialbuch Allendorf (KKAE Best. 1, Nr. 20) beginnt auf S. 41 wie folgt der Abschnitt »Von den supellectilien der kirchen, der pfarr, der caplaney, der schuel und der wohnheuser der schuelcollegen. Anno 1637 den 27. ten Aprilis, ist die schöne wohlerbawete stadt Allendorff an der Werra von den Croaten und kayserlichen kriegsvölckern under dem obristen Beyott und Geleen, vorsetzlich mit fewer angesteckt und von grund aus weggebrandt und gantz in die asche gelegt worden, in diesem brand sind auch gantzlich geblieben und in steinhauffen verkehret worden beyde schöne erbawte kyrchen, sambt einer köstlichen bibliotheca, davon nichts ubrig geblieben. Es sint auch durch diesen schrecklichen brandschaden in asche gelegt beyde schöne wohlerbawete kirchthürme, sambt denen darauf hangenden uberaus köstlichen glocken«. Das Kopialbuch, dessen am spätesten datiertes Stück das Jahr 1683 aufweist, wie die datierten Unterschriften z. B. auf S. 78 unter dem Bücherverzeichnis der Bibliothek zeigen, gibt auch Auskunf über die Besoldung des Pfarrers und Kaplans zu Allendorf; auf S. 131–175 (ab S. 144 unpaginiert) finden sich überdies Protokolle der Konvente der Pfarrer der Klasse Allendorf aus der Zeit von 1643– 1691, mit ausführlicheren Bemerkungen ab 1660 (S. 133). 189 DTB Hütterodt, S. 1280f. (22. Oktober 1655; der mit »Eadem vespera fallen Christoph Kyrchmeyer u. D. Graw alß regirende Burgmr. an mich […]« beginnende Eintrag bezieht sich wohl auf den vorhergehenden: »Am – Montag nachmittag [= 22. Oktober] bin ich mit den beiden ministris aufs Rathaus gegangen […]«, der unter der Angabe steht, den

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Hütterodt von seinem Gespräch mit Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg berichtet, der ihn am 6. Mai 1649 »nach gehaltener predigt« in sein »gemach gefordert«: »1. Hierbey zeigeten I. F. Gn. an, daß sich die beambten über mich beschweret hetten, ich nehme ihnen ihren respect, hinge alle sache an die grosse glocke, verhetzete die bürger gegen sie, undt wan frembde leute in der kyrchen wehren, so höreten sie solches alles. Und hielten I. F. G. dafür, es müssen gradus admonitionum zuvor gebraucht werden. Desen bin ich nicht gestendig, daß ich einigem seinen respect solle genommen haben undt erinnerte ich mich nicht, daß ich eins beambten gedacht hett; wen ich aber an der oberkeit offene sünd fünde, so straffete ich sie, und solte ich nicht straffen, so wolte ich kein pfarrer seyn, baht darneben umb abscheidt«.190

»Aus allen konte I. F. Gn. sehen, daß ich nicht meine, sondern kyrchen-, pfarr- u. schuele wolfahrt suchete […]«.191 Hütterodt nahm sein Amt und die damit verbundenen Aufgaben ernst, er setzte sich für seine Kirche ein, ihre personelle, ökonomische und moralische Integrität, und war ein überzeugter Calvinist.192 Ein deutschsprachiges Gedicht, das »Friedericus Lornitius, Königst[einensis]. Misnicensis, olim Lutheranus, jam vero orthodoxus« zu seinen Ehren verfasste, bezeichnet Hütterodt sogar als »der Reformirten Licht« und preist seine Gelehrtheit und Tugendhaftigkeit: »Nun sehet ihr den Preiß und seyd ein solcher Mann, Den jeder ehret, und den die Schaar der Christen liebet, So orthodoxi sind, auch Ruhm und Ehre giebet, Und den der Helio der Musen betet an«.193

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»20. [Octobris] Nach Allendorff gereiset […]«, auch wenn der dem Allendorfer Aufenthalt gleichfalls noch untergeordnete, auf die Schilderung des Wortwechsels folgende Eintrag auf S. 1281 beginnt »Den folgenden Montag, war der 22te Oct. habe ich […]«). DTB Hütterodt, S. 814–816, die Einordnung des Gesprächs auf S. 814, das längere Zitat auf S. 815. Dieses und ein weiteres angeführtes Beispiel bringt auch Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 59f. mit Anm. 91 auf S. 60. »[…], da ich nun dagegen nur spott, unehr undt verläumbdung hett, so bätte ich I. F. G. umb schutz. […] I. F. G. haben mich ermahnet zu friedfertigem bezeigen undt die private admonition zu gebrauchen, undt sich erbotten, ambtman u. schultheißen solte auch gesagt werden, was ihnen zu thun wehre« (DTB Hütterodt, S. 816 [6. Mai 1649, Schluss des Gesprächs mit Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg]). Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 62. Im Visitierbuch Hütterodts (KKAE Best. 1, Nr. 18) auf den Seiten 1434a und 1435a, zwischen den Einträgen zum 13. (Erläuterungen zur Rechnungsabhörung zu Schwebda auf S. 1433a, der Vorderseite des Blattes mit dem Gedicht, geschrieben) und 18. November 1663, in Abbildung und Transkription mit Erläuterungen abgedruckt bei Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 20f., das Zitat gibt die letzten Zeilen dieses Ehrengedichtes wieder. Die Anspielungen Lornitius’ (Friedrich Lornitz) lassen auch erahnen, welche Qualitäten Hütterodt für die Erarbeitung der Unterschulordnung von 1657 geeignet erscheinen ließen, in der detailliert didaktische und Empfehlungen zur Lektüre bestimmter Autoren ausge-

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Die Erwähnung des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt im Diensttagebuch Neubergers lässt nicht nur vermuten, bei wem Hütterodt die Möglichkeit der Diensttagebuchführung näher kennengelernt hat, sondern wirft auch ein Licht auf die dramatischen Verhältnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. »Den 18. Sept. [1640] ist Joh. Heuckerod von Eschwege, nachdem er im predigen praesentibus Dn. Wetzelio, et J. D. Scheffero gehört ex Rom. 1, 16 und examinirt, auch qualificirt befunden, publicH uf der Freyheit praesentibus Superint. Joh. Hüttenrodt, et Domino Wetzelio ordinirt worden.«194

Die Überprüfung der Predigtfähigkeit, das Examen und die Ordination der Pfarrer, auch aus dem Bereich der Superintendentur Rotenburg, wurden mehrfach – nicht nur in Zeiten kriegsbedingter Flucht – durch Geistliche in Kassel vorgenommen, die offenbar das formal aufgelöste Konsistorium ersetzten, und fanden im Diensttagebuch des dortigen Superintendenten ihren Niederschlag. Da die Superintendenten auch für die Bestellung von Schulmeistern – die meist zugleich den Dienst als Opfermann (Küster) versahen – zuständig waren, deren Eignung sie ermitteln mussten, enthält das Diensttagebuch Hütterodts wiederholt Schreibproben von den Händen der Kandidaten.195 sprochen werden (dazu kurz Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 74; die Unterschulordnung vom 7. Juli 1656 in: HLO II, S. 320–336). 194 Jener »Johann Heuckerod« (im DTB Neubergers fehlt der Bogen über dem »u«, deswegen ist eigentlich zu lesen »Henckerod«, der Name ist aber als »Heuckerodt« aus dem Eschweger Umfeld bekannt, siehe das Personenregister zum DTB Hütterodts) wurde am 21. Oktober 1640 auf dem Rathaus (»in curia«) zum neuen Rektor der Eschweger Stadtschule gewählt, in der Nachfolge Johann Kniriems, der die Stelle des auf der Flucht in (Hannoversch) Münden gestorbenen Diakons an der Altstädter Kirche, Philipp Heuckerodt (Johanns Vater?), annahm (DTB Hütterodt, S. 158). Im Kopialbuch Eschwege heißt es, dass »M. Philippus Heuckerodt Diaconus der Altenstadt in Anno 1640 im Julio zu Münden, wohin er sich wegen des grossen Feldtlagers, so die franzosische, schwedische, hessische u. luneburgische völcker alhier gehabt, wenden müßen, todts verfahren« (Kopialbuch von Eschwege, StA ESW St. Schr. Fach 1, Nr. 25, S. 2; ediert bei Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 17). 195 Siehe die Hinweise darauf bei Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 68f., v. a. S. 69 Anm. 168, sowie Ders.: Die Anfänge der Dorfschulen und des Elementarunterrichts in der Region Eschwege im 17. Jahrhundert. Eigenhändige Zeugnisse über ihre Berufung zum Schulmeister finden sich auch im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 357f. (Stadtschulmeister, Unterschrift der Bekenntnisformel: »Formula confessionis et obligationis praeceptorum oppidanorum circi Rotenbergensis«), S. 359–362 (Dorfschulmeister : »Formula confessionis et sponsionis aediturorum et praeceptorum paganorum in circulo Rotenbergensi«), S. 366– 368 (Stadtschulmeisterkatalog: »Catalogus praeceptorum & ludimoderatorum oppidanorum sub inspectione Josephi scholis praefecturae«), S. 369f. (Dorfschulmeisterkatalog: »Schulmeister undt Opfermenner auff der Gemeinde bitt undt bewilligung examiniret, angenohmen, undt bestetiget wie folget«, Fortführung von Caspar Josephi angelegter

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Hütterodt musste zu dieser Zeit wie viele andere vor der Furie des Krieges hinter die schützenden Mauern der Festung Kassel fliehen,196 wie er in seinem Diensttagebuch unter dem 10. Juni 1640 berichtet (Abb. 7): »Alß wegen annahung der schwedischen undt conjungirten armeen jederman flüchtig worden undt ich die repositur uff Münden undt von dannen nach Cassel schicken müssen. Ist in ambtssachen nichts furgefallen alß daß ich […] 5. die Steure erstlich von etlich undt achtzig reichstalern, nachmals von 50 rtall. von der f[ürstlichen]. fraw regentin, fur den Rotenbergischen becirck, erhalten undt mit zuziehung Herren Theophili Superintendentis außgetheilet, undt das in Cassel eine steure von 436 rtall. gesamlet undt mihr fur den Rotenb. becirck 216 rtall. 12 alb. 6 hll. zugestellet worden. 6. In consessu consiliarorum deliberirn müßen, wie die krancken in Cassel von der gaßen in Herberge gebracht, alimentirt, curirt undt getröstet werden köndten«.197 Verzeichnisse, eigenhändige Unterschriften erst seit dem Amtsantritt Hütterodts, insgesamt 1634–1659), S. 376f. für die Jahre 1642–1645 und fast ganz am Ende des Synodalbuchs (hier unpaginiert) von 1650–1661; der am 11. Oktober 1642 zum Schulmeister von Heringen angenommene »Steffenn Riß« (Stephan Rieß – so in Hütterodts Schreibweise) hat sich sowohl im Diensttagebuch Hütterodts, S. 315 als auch im Synodalbuch, S. 376 eingetragen (Hütterodts Vermerk dort unter dem 12. Oktober), ebenso hat Engelhard Suck, als er 1643 auf ein Jahr zur Probe als Schulmeister von Grandenborn bestellt wurde, im Diensttagebuch, S. 326 (14. Januar) und im Synodalbuch, S. 376 (15. Januar) eine Schreibprobe hinterlassen. 196 Eindrucksvoll sind die Berichte darüber, die sich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg finden, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 20r–22v (zu den Jahren 1636– 1637), fol. 27r (zum Jahr 1640). 197 DTB Hütterodt, S. 152 (leicht korrigiert nach dem Original). In der oben angesprochenen, im Diensttagebuch Neubergers einliegenden Aufstellung über empfangene und an arme Pfarrer und andere Bedürftige ausgeteilte Gelder (einliegend nach dem Konzept wegen der Konvente zu Schachten vom 29. Oktober 1635) wird der Eschweger Superintendent (zu dieser Zeit Hütterodt) im dritten und vierten Eintrag erwähnt: »Item Unsere gnädige fürstin und fraw hat für die arme pfarrer gegeben anno 1640 den 9. Aug. u. sein vom Superint. zu Eschwege unter seine fratres außgetheilet 10 ducaten. / Item den 2. Sept. [1640] u. sein in beyde classes außgetheilt in beysein des Superint. zu Eschwege, Herrn Crollij, Herrn Ledderhosij, Herrn Grederi u. Herrn Stöckenij’ laut subscribirter specification 90 spanische thaler«. In StAM 318 Kassel, Nr. 208 (in einem Umschlag mit der Aufschrift »Spenden aus dem Gotteskasten im 30jährigen Kriege für Kirchen und Schuldiener betr.«) liegen zahlreiche Zettel mit Gesuchen um Anweisungen oder Lieferbestätigungen für diese Austeilungen Neubergers, darunter an 11. Stelle auch ein »Verzeichnis der exulierenden armen pfarrern undt schueldienern des becircks Rotenbergk so sich itzunder in Cassel aufhalten« aus den Klassen Vacha, Eschwege, Allendorf, Hersfeld, Rotenburg, Sontra, Waldkappel (»Cappel«), Lichtenau und Melsungen. Hütterodt ist nicht darunter, unter anderem auf ihn könnte sich daher der Satz am Ende des Dokuments beziehen: »Die andren pfarrer undt schueldiener, welche es nicht so hoch anitzo bedarpfen, wie wohl sie auch zur stette sindt, habe ich mit fleiß außgelaßen«. Am Ende dieses in Kassel am 28. Juli 1640 datierten Dokuments hat Neuberger notiert: »Unter diese leüte sein vom F[ü]r[stlichen]. Hofdiacono, Ehrn Joh. Henr. Stöckenio, sechtzig acht rthlr., jedem so viel, alß vorverzeichnet, auß dem hof[gottes]kasten außgetheilet worden«. Außerdem hat sich das Konzept erhalten eines

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Abb. 7: Auf Seite 152 seines Diensttagebuchs, mit den Einträgen vom 8. und 10. Juni 1640, berichtet Hütterodt – offenbar erst rückblickend – im unteren Teil (beginnend mit »Alß […]«) über die Evakuierung der Repositur der Superintendentur nach Kassel und zusammenfassend über die während seiner eigenen kriegsbedingten Flucht dorthin vorgefallenen wenigen »ambts sachen«. Die beiden Punkte des Eintrags auf der folgenden Seite (153) sind noch überschrieben »Am 16 ten Augusti 1640. In Cassel«, während auf der übernächsten Seite (154) vor dem Eintrag zum 5. Oktober 1640 wieder »Actum Eschwege« steht.

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Ab dem 5. Oktober 1640 heißt es im Diensttagebuch Hütterodts wieder »Actum Eschwege«. Hütterodts ausgeprägtes dokumentarische Interesse erklärt möglicherweise auch seine ausdauernde Diensttagebuchführung, die vom 4. November 1638 bis zum 17. Dezember 1660 reicht, wobei die letzten acht Seiten (S. 1684–1691), mit den Daten ab dem 4. November 1660, versehentlich nach dem 4. August 1659 (S. 1683) eingeheftet worden sind, aber ganz ans Ende des Diensttagebuchs gehören, um nach dem Eintrag vom 5. Oktober 1660 (S. 1761) fortzusetzen,198 der einen Nachtrag vom 22. Oktober 1660 enthält.199 Da das Diensttagebuch ohne Ankündigung nach dem Eintrag zum 17. Dezember 1660 (S. 1691) am Ende einer Versoseite abbricht, muss davon ausgegangen werden, dass es eine Fortsetzung gab – es sei denn, Hütterodt wollte mit dem Schluss des Jahes 1660 eine Zäsur setzen –, denn er starb erst am 20. September 1672; wo diese wahrscheinliche Fortsetzung geblieben ist, ist aber bis jetzt unbekannt. Eingang in sein Diensttagebuch gefunden haben neben Konzepten200 und empfangenen

durch »F. heßische Vice Cantzler auch andere Geist- und weltliche Consistorialrhäte hirselbst« ausgestellten »Patent[s] vor die anhero vorm feindt geflöhnete arme pfarher, kirchen[-] und schuldiener, daß sie zu ihrem uffenthalt eine steur und collecte uffsamblen mögen«, Kassel 1640 September 14, StAM 22 a 1, Nr. 306. In diesen Kontext gehört die Notiz im Diensttagebuch Hütterodts. 198 Dieser Eintrag zum 5. Oktober 1660 (S. 1761) lautet: »5. [octobris 1660] Fridewalt / H. Molitor [der Pfarrer dieses Orts, A. J.] schreibet wegen Hans Sieffriets so der zinß schon erlassen u. doch mehr erlassen haben wil, so ich abgeschlagen. Dergleichen ist am 22ten alß er kommen, auch geschehen. Satis remissum est. Solvat caetera«. 199 Hütterodts Diensttagebuch – von ihm selbst vor dem ersten Eintrag überschrieben mit »Protocoll der Superintendenz des Bezircks Rotenbergk. Anfänglich den 4 ten Novemb. Ao. 1638« (kleine Abbildung der ersten Seite bei Rappe-Weber : »Verhöre, Handlungen und Bescheide«. Das Diensttagebuch als Instrument der kirchlichen Amtsführung, S. 86 Abb. 2) – liegt im Kirchenkreisarchiv Eschwege (ohne Signatur). Dort und im Stadtarchiv Eschwege existieren Digitalfotos der einzelnen Seiten auf drei DVDs. Den Zugung zu diesem Diensttagebuch (mit Abbildungen des Bandes und einzelner Seiten) hat der Sammelband von Arnold / Kollmann (Hgg.): Alltag reformierter Kirchenleitung eröffnet, dem eine Transkription des Diensttagebuchs mit Orts- und Personenregister auf einer CD-Rom beigegeben ist; diese wird bei Zitaten an die hier verwendete Transkriptionsrichtlinie angepasst und vereinzelt nach dem Digitalisat des Originals korrigiert. In dem Sammelband haben insbesondere die Aufsätze von Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, Rappe-Weber: »Verhöre, Handlungen und Bescheide« sowie Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten. Kirchliche Amtsträger und adlige Herren zwischen Kooperation und Konflikt, das Diensttagebuch Hütterodts inhaltlich näher erschlossen. 200 So etwa das Konzept des Vergleichs des ehemaligen Pfarrers zu Reichensachsen, Lorenz Ludolph, der als Inspektor nach Siegen wechselte, mit seinem Nachfolger in Reichensachsen, Johann Bornmann, wegen der »Kompetenz«, insbesondere der Naturalienbesoldung und der noch ausstehenden Ernte der Feldfrüchte, vom 20. März 1654 (DTB Hütterodt, S. 1201f.).

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Briefen201 auch Protokolle der Sitzungen des Presbyteriums der Eschweger Altstadtgemeinde202 sowie Berichte über die Konvente der Pfarrer der Klasse Eschwege, deren Metropolitan Hütterodt war, zum Teil, wie auch manche andere Passagen, auf Latein.203 Im Gegensatz zu den Zeiten regelmäßiger Tagebuchführung bei Paul Stein, in denen kaum ein Tag ohne Eintrag bleibt, finden sich bei Hütterodt immer wieder kürzere zeitliche Lücken, in denen er keine Einträge204 oder nur Kurznotate vorgenommen hat.205 Paul Stein erzählt sehr stark, seine überlegt strukturierten und sprachlich verständlich formulierten Einträge erleichtern die Nachvollziehbarkeit. Hütterodt hingegen scheint mehr aus der Orts- und Personenkenntnis heraus zu schreiben, er legt zwar insbesondere in Ehefällen206 und persönlichen Konfliktfällen207 mitunter lange Protokolleinträge in seinem Diensttagebuch nieder, diese sind aber weniger klar strukturiert und sprachlich verständlich. Hütterodt schreibt in erster Linie für sich, während Paul Stein, wie er selbst in seiner Verteidigung gegenüber dem Landgrafen zugab, aus seinen »diariis und protocollis« auch anderen Rechenschaft zu geben bereit war 201 Zum Beispiel: DTB Hütterodt, S. 1344 (22. Juli 1656): Schreiben des Pfarrers zu Netra, Burckhardt Heise, an Hütterodt; S. 1686 (26. November 1660): die Gemeinde Rambach bittet Hütterodt um einen neuen Schulmeister. 202 Zum Beispiel DTB Hütterodt, S. 131 »Actum im Presbyterio – am 12. Martii. Anno 1640«; S. 134f.: »18. Martii. Im presbyterio: 1640«; S. 161f. (6. November 1640). 203 DTB Hütterodt, S. 327: Bericht über den Klassenkonvent am 25. Januar 1643 (deutsch), ein weiterer in diesem Jahr wird lediglich erwähnt und die Predigtmaterie angegeben auf S. 383 zum 22. November 1643; ein lateinischer Konventsbericht findet sich z. B. auf S. 482 zum 15. Januar 1645 und auf S. 1298 zum 30. Januar 1656; alle Konvente fanden offenbar in Eschwege statt. Im separat geführten »Protocollum conventuale classis Eschwegiensis Hassiae ad Vierram ad anno salutis 1622« (KKAE Best. 3, Nr. 204), geführt bis 1797, sind unter Hütterodts Metropolitanat seit einem Konvent 1631 »in der wochen nach Martini« bis zum 7. Februar 1659 (nach Publizierung einer als letztes, 13. Kapitel in der Reformationsordnung von 1656 enthaltenen »Convents-Ordnung« [HLO II, S. 423–432]) hingegen keine Klassenkonvente eingetragen. 204 Auffällig ist z. B. im DTB Hütterodts auf S. 1271 die Lücke zwischen den Einträgen vom 20. und 29. August 1655 – kann man hier an einen »Sommurlaub« denken? 205 DTB Hütterodt, S. 1270: »12. 13. 14. 15. [August 1655] Befehl von Cassel«, direkt darunter allerdings: »Item wirt mihr von H. Vicecantzlarn Taubern geschicket 1. Instructio pro pastoribus quomodo catechisare debeant, 2. Bedencken so an I. F. Gn. wegen revision der kyrchen- und schulordnung von H[errn]. D[octori]. Crocio aufgesetzet. Daruber ich kurtz vorher mit H. Baron von Kunewitz geredet«. Danach auf S. 1272: »12. 13. 14. 15. [September 1655] Den befehlich ausgeschrieben umb uff ärgerliche pastores zu inquiriren«. 206 Z. B. DTB Hütterodts, S. 824–826 (»21ten Maii [1649]. Wendel Sachse undt sein Sohn Hans von Schnelmanshausen contra Hansen Wagnern undt Marthen seine Tochter«); S. 1479– 1481 (23. Juni 1658). 207 DTB Hütterodt, S. 1484–1490 (Juni/Juli 1658:Wortstreit Hütterodts mit dem Konrektor der Eschweger Stadtschule, Franciscus Baum); S. 1701–1703 (8. Oktober 1659: Unzufriedenheit über Lebenswandel und Unfleiß des Eschweger Stadtschreibers Weimarus Minor ; Auseinandersetzung darüber mit den beiden Eschweger Pfarrern Johannes Hoffmeister und Johannes Kniriem; Hütterodts Eigensinn sehr gut erkennbar).

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und damit wahrscheinlich von vornherein mehr auf eine entsprechende Form und Formulierung achtete als Hütterodt, dessen Tagebuchführung aber durchaus sauber und formal gut nachvollziehbar wirkt. Bei den stichpunktartigen, aus der Perspektive eines »Insiders« formulierten Einträgen, bleibt aber Manches unverständlich. Im Gegensatz zu Stein und Neuberger enthält Hütterodts Diensttagebuch auch Elemente einer regionalen Chronik, wie folgender Eintrag zum 19. August 1655 (S. 1271) zeigt: »[…] itzt hora quinta audita kompt ein fewr auß ins küchenschreibers hauß undt ergreifft den stall, Hansen Kochs wie auch die schewren, daß alles hinweg brennet biß den abendt umb 7 Uhr«. Sonst beschränken sich die Diensttagebücher hauptsächlich auf verwaltungsrelevante Vorgänge. Das Diensttagebuch Hütterodts lässt durch seine offene Sprache,208 Einträge wie »Nachmittag in convivio splendido ad Sup[erintendentem].« am 5. Juli 1658 (S. 1482) bei einem Aufenthalt in Kassel anlässlich der Wahl und Einführung Johann Heinrich Stöckenius’ zum neuen Superintendenten oder die wiederholte Rede von den »bösen sieben« Pfarrern und anderen, »welche auf dem wege stehen u. wissen nicht an pejores an meliores – evasuri«209 sowie manches kryptisch Erscheinende (S. 1271: 19. August 1655: »Ist gelost: undt habe ich 9 empfangen« – ein Gesellschaftsspiel im Kreise der Familie am Sonntagnachmittag?) im Vergleich mit den Diensttagebüchern der anderen Superintendenten jedoch am meisten von der Persönlichkeit seines Verfassers durchblicken.210 Die Benutzung der Diensttagebücher wird am greifbarsten an Einträgen über Zitationen vor den Superintendenten auf einen bestimmten Termin, denen die vorbeschiedenen Personen gehorsam Folge leisteten oder 208 »Der Supdns. soll seiner Kyrchen wartten, ich bin nicht schuldig einen Unterthanen zu ihm zu befehlen u. ihr Bernheuter gehet oder ich will euch prügeln; habt ihr was zu suchen, so suchets bey F. Consistorio«, DTB Hütterodts, S. 991, Randbemerkung zum Eintrag vom 3. Februar 1651 über das Vorbringen des ehemaligen Züschener, jetzt zu Harmuthsachsen wirkenden Pfarrers Georg Thonius, als er »Herrn Obristen Hundelshausen verclagt wegen gewegerten Zinß«. 209 DTB Hütterodt, S. 1181 (12. Dezember 1653); siehe dazu die Erläuterung bei Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 63 Anm. 109. 210 Kurios sind die Zeichnungen, die sich im DTB Hütterodts auf S. 1289 finden (nur im Original bzw. auf einem Foto davon zu erkennen, in der Transkription kein Hinweis darauf), auf einer von dienstlichen Einträgen freien Seite zwischen den Einträgen vom 11. und 12. Dezember 1655, die von einer nicht ganz ungeschickten Hand zeugen. Zu sehen ist dort möglicherweise die Zeichnung einer Fliege oder einer Spinne im Netz, einer Kiste (?) mit der Aufschrift »Jesus Maria Josef« auf der Vorderseite in einem bekrönten Herzen und möglicherweise ein Siegelentwurf mit der Inschrift »Huttenrodt Superintendens«, die Addition mehrerer untereinander geschriebener Zahlen zum Ergebnis 4480 und die Zahlen 1132 und 600 in einem geschwungenen Wappenschild. Hütterodts jüngstes Kind, seine 1643 geborene Tochter Anna Elisabeth, war gerade 12 Jahre alt (Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 17) – stammen die Zeichnungen von ihr? Am Ende der Seite findet sich von Hütterodt eine (wieder in der Transkription seines DTBs enthaltene) Aufstellung »Dreierlei Hauffe deren so Christen genennet sein wollen«.

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ungehorsam ausblieben, wenn beides wiederum im Diensttagebuch seinen Niederschlag fand.211 Hütterodt hat neben seinem Diensttagebuch ein Visitierbuch geführt. Darin notierte er die Ergebnisse der Rechnungsabhörungen und auf den Visitationen gemachte Feststellungen und Beobachtungen, der Reihe nach geordnet zwischen 1639 und 1668.212 Zahlreiche Visitierprotokolle finden sich aber auch im Diensttagebuch Hütterodts.213 Dazu kommen von fremder Hand geschriebene Personenverzeichnisse, die Hütterodt, auf dessen vorherige Anforderung,214 offenbar auf den Visitationen übergeben und von ihm im Diensttagebuch eingeordnet worden sind, so etwa im Mai 1659 bei einer Visitation in der Klasse Lichtenau ein »Verzeignüs aller lebendigen seellen, jungk unndt alt, man unndt weib, kindter unndt gesinde, so sich in Guxhagen, Büchenwerda undt dem Kloster Breydenaw nach fleisicher umbfrage der vorsteher in den gemeinden befinden«,215 geordnet nach Haushaltungen, hinter denen jeweils die Anzahl der Kinder notiert ist, die somit Einwohnerverzeichnisse ganzer Dörfer liefern und 211 Z. B. DTB Hütterodts, S. 381, am Ende des Eintrags zum 13. Oktober 1643, in einer Auseinandersetzung um die Einhaltung eines Eheversprechens: »So ist ihm [dem beklagten Augustin, A. J.] bedenckzeitt auf acht tage gegeben […]. Nach ausgang der acht tage ist Augustin ungehorsam verblieben« und zum 7. November 1643: »Habe ich ihn abermals citirt, seine aussage zu thun: auf den 10ten Novemb.«; auf S. 382 heißt es unter dem 10. November 1643: »Augustin Martin erscheinet […]«. Eine darüber hinausgehende Benutzung und Verweisung im DTB Hütterodts fiel auf, S. 471 (13. Dezember 1644): »Hans Schreiber von Eltmanshausen suchet an, daß ihm die Zinse von Urban Mängels Capit. Legato erlassen werden möchten, weil ich sie Friderich Thielen Relictae [= Witwe, A. J.] erlassen hette: Nun ist aus dem protocollo de 9. die Jan. huius anni klar, daß ich ihr nichts erlassen habe, also ists diesem, an stadt des Rtlr. so er von 20 Tlr. gibt – einen F. [= Gulden, A. J.] zu geben, verstattet, für dis jaar, undt soll Friderich Thielen Relicta nachmals zu edirung der obligation undt Zaalung, so vieler Zinsen, alß Hans Schreiber gethan, angehalten werden«; Hütterodt verweist damit stimmig auf den letzten Eintrag auf S. 394 zum 9. Januar 1644; allem Anschein nach musste er sich aber trotzdem auf seine Erinnerung und Nachblättern verlassen, ein Registersystem scheint es nicht gegeben zu haben, auch die Seitenzählung mittig in der Kopfzeile wurde mit Bleistift erst in jüngerer Zeit hinzugefügt. 212 Das Visitierbuch Hütterodts befindet sich in KKAE Best. 1, Nr. 18. 213 Zum Beispiel über die Visitation zu Nentershausen, zusammen mit dem Metropolitan der Klasse Sontra, vom 20. bis (wahrscheinlich) 22. April 1659 (DTB Hütterodt, S. 1572–1611) mit eingeheftetetem nachträglichen Brief der Erben des verstorbenen Nentershausener Pfarrers Hattenbach vom 30. September (»7bris« nicht »Xbris« wie in der Transkription des DTB) 1659 und beiliegendem Antwortentwurf Hütterodts vom 1. Oktober 1659 wegen einer noch offenen Forderung Hattenbachs gegen den Adligen von Baumbach, die von den Erben geltend gemacht wird (S. 1584f.). 214 Bei einer Visitation in der Klasse Rotenburg, DTB Hütterodt, S. 1656 (22. Juni 1659): »lieffert H[err]. pfr. zu Rengshausen den catalogum«; wahrscheinlich noch mit Bezug auf die Visitation zu Soltz vom selben Tag begehrt Hütterodt, S. 1658: »Catalogum auditorum anher zu schicken«. Solche Einwohner- und Zuhörerverzeichnisse finden sich zu einigen Gemeinden auch in den Kopialbüchern der Superintendentur Rotenburg, siehe dazu näher in Kapitel II C 2 (»Kommunikationsstrukturen und -strategien«). 215 DTB Hütterodt, S. 1626–1631.

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soziale Zuordnungen für mehrere Hundert Menschen erkennen lassen. Einige Seiten weiter findet sich im Kontext einer in der Klasse Rotenburg vom 15.– 23. Juni 1659 durchgeführten Visitation eingeheftet ein »Catalogus puerorum scholae Rotenbergensis« mit den Nachnamen und ein »Catalogus inferioris scholae«, der auch die Vornamen der Schüler enthält.216 Hütterodts spitze Zunge, seine Entschiedenheit in Amtsangelegenheiten, wie die Rolle, die die Superintendenten im System der Landesherrschaft spielten, bringt der Eintrag in seinem Diensttagebuch vom 15. Januar 1655 gut zum Ausdruck, über einen Brief an Johann Philipp Bley, den hessischen Amtsvogt zu Treffurt, einer Ganerbschaft an der Werra, an der heutigen hessisch-thüringischen Grenze unweit Eschweges, in der Hessen-Kassel die Herrschaft gemeinschaftlich mit Kurmainz und Kursachsen ausübte217: »An Hess. Ambtman. Sonstet ist mihr am sonnabendt spatt allererst communicirt, daß die 3 Herren Treffurtische beambten contra der superintendenten [des hessen-kasselschen zu Eschwege und des kursächsischen zu Langensalza, A. J.] decret, den Fälckner [= den Einwohnern von Falken, eines Ortes in der Ganerbschaft Treffurt, A. J.] zum besten ein ander decret gemacht haben,218 welches zu keinem frieden sondern grosser

216 DTB Hütterodt, S. 1650–1655 (die Seiten 1653–1654 blieben leer, auf S. 1655 steht die Adressierung an Hütterodt). 217 Politisch gehörte die Ganerbschaft Treffurt zur Rotenburger Quart, seit diese im Jahr 1627 als hessische Nebenlinie zur Versorgung der Kinder aus der zweiten Ehe Landgraf Moritz’ mit Juliane von Nassau-Siegen begründet wurde. Hessen-Kassel behielt sich aber die Kirchenhoheit als Reservatrecht vor, sodass die Treffurter, soweit sie in irgendeiner Form Hessen unterstanden, politisch zur Linie Hessen-Rotenburg gehörten – auch der Amtmann an der Werra, mit Sitz in Eschwege, und der hessische Amtsvogt zu Treffurt waren solche der Rotenburger Linie –, in kirchlichen Angelegenheiten aber weiterhin der Regierung und dem Konsistorium in Kassel und dem hessen-kasselschen Superintendenten des Bezirks an der Fulda und Werra unterstanden. 218 Im folgenden Eintrag in seinem DTB, S. 1295 schreibt Hütterodt: »In der Falckischen sache, daß thorn[-] [= Turm], glocken[-] u. uhrenbaw auf die kyrche zu Falcken gedrungen werden wil, undt die beambte ein decret den 8ten oct[obris]. gegeben haben: Wen die Treffurtische beambten über oder an statt der superintendenten gesetzet sindt, daß man von der superintendenten bescheidt an die beambte appelliren muß, so kans wohl seyn, daß ihr vermeintes decretum vom 28ten 7bris 1655 statt finde; nachdem aber jenes nimmermehr erwiesen werden kan undt denen beambten unverantworttlich ist, sich in sachen, so sie nicht angehen, zu stecken, alß bleibe ich bey meinem vorigen decreto, nemlich daß auß der kyrchen weiter nichts alß was an der kyrchen, pfarr, schuel undt deren zugehör so weit sich die intraden erstrecken zu repariren nötig ist, auch aus der kyrchen bezahlt undt berechnet werde, undt wirdt damit das jenige was zum brawhauß einmahl angewiesen nicht cassirt. Und ist an den pfrn. undt die altaristen zu Falcken im nahmen m[eines]. gn[ädigen]. f[ürsten]. u. herren mein ernster ambtsbefehl, daß sie dem eigenthetlichen befehl der beambten durchauß nicht folgen, sondern sich unserm erst gegebenen bescheidt gemeß bezeigen. So sie aber damit nicht zufrieden sindt, so haben sie churf[ürstlich]. s[ächsische]. undt f[ürstlich]. hess[ische]. consistoria, doselbst müßen wir ihnen undt nicht fur dem

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verbitterung gelangt, dan kein beambter desen befugt ist undt wil ich ewers s[eligen]. vatters handt [= Philipp Bley, Vorgänger im Amt des hessischen Amtsvogts zu Treffurt, A. J.] in dergleichen fällen aus den actis produciren, welcher sich in solche händel nicht stecken wollen undt ist nun nötig, daß [man] die beide superintendenten abschafft undt die 3 Tr[effurter]. beambten auch zu superintenenten mache, welches, wiewohl es der profession Gudeni [= Moritz Gudenus, Mainzischer Amtsvogt zu Treffurt, zum Katholizismus konvertierter ehemaliger hessen-kasselscher Pfarrer] e legibus der papisten zuwider, ihm dennoch derwegen gar angenehm ist, daß er seinem pabst im gebrauch der beiden schwerter nachfolge undt ihr beide herren [= der hessische und kursächsische Amtsvogt, A. J.] seyt so blindt, daß ihr ihm folget, welches schon vor etlichen jaaren von hohen u. ehrlichen leuten getadelt worden; ich meine, es hette ein jeder schon so viel zu thun, daß er dieser dinge vergesse, aber ich sehe der teuffel ist zu Treffurt nun gantz ausgelassen, Gott sey es geclagt undt steure allem bösen, womitt ich alß im vertruß der angemasten dinge wil widersprochen aber ferner verantwortung vorbehalten haben«.219

4.

Das Diensttagebuch Johann Heinrich Stöckenius’ (amtierte von 1658 bis 1684)

Der Vollständigkeit halber hinzuweisen ist noch auf das Diensttagebuch, das der zweite Nachfolger Theophil Neubergers, Johann Heinrich Stöckenius, geführt hat, auch wenn dieses in der vorliegenden Arbeit nicht weiter ausgewertet wird. Nach dem Tod Neubergers am 9. Januar 1656 folgte ihm zunächst Thomas Wetzel im Amt des Kasseler Superintendenten. Am 11. April 1656 forderte das Konsistorium von Hütterodt »in copia« die Predigten an, die er bei der Wahl und bei der Ordination Wetzels gehalten hat sowie die von ihm gebrauchte »formula ordinationis«, von denen sie »aus gewißen ursachen nöthig befinden«, dass sie »beym fürstl. consistorio alhier beygelegt werde[n]«.220 Thomas Wetzel amtierte allerdings nicht lange, 1591 geboren, starb er am 3. März 1658.221 Sein Nachfolger wurde der 1606 geborene Johann Heinrich Stöckenius, der schon seit 1636 Hofdiakon in Kassel war und nach Neubergers Tod dessen Stelle als erster Hofprediger und Konsistorialrat einnahm.222 Vom 9. Juli 1658 bis in den Mai 1678 führte er ein Diensttagebuch, auf dessen Titel steht: »Protocollum So bey

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Treffurtischen ampt zur antwortt stehen«. Hütterodts Dekret (Bescheid), gegen das die Treffurter Beamten ein anderes gesetzt haben, ist von mir (A. J.) kursiv hervorgehoben. DTB Hütterodt, S. 1294. Die Angaben zu den Amtsvögten zu Treffurt (die im hessischen Sprachgebrauch der Zeit immer als »Amtmänner« bezeichnet werden) folgen der tabellarischen Übersicht bei Jendorff: Condominium, S. 558–567 mit Anmerkungen. KKAE Best. 3, Nr. 1701 [zu Beginn einliegend]. Zu Thomas Wetzel siehe Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 17, S. 9–11. Die Angaben zu Johann Heinrich Stöckenius nach der Übersicht über die Kasseler Superintendenten bei Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 25f.

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der Superintendentz zu Cassel gehalten, undt in anno [1]658 angefangen im Julio«.223 Der letzte Eintrag ist nur mit »Im Maio […]« datiert, der vorhergehende stammt vom 22. Januar 1678, diese beiden sind die einzigen zu diesem Jahr. Die Einträge sind kurz, teilweise schlecht leserlich, und wirken oft hingeworfen. Es gibt keine Blatt- oder Seitenzählung. Hauptsächlich enthält das Diensttagebuch Einträge über Examen, Predigten und Ordinationen künftiger Kirchendiener. Einblicke in die Praxis der Kirchenbuße gibt ein einliegender kleiner, teilweise gefalteter Zettel, dessen Inhalt illustriert, dass die Kirchenbuße verordnungsgemäß in der Regel erst nach erfolgter weltlicher Strafe abgeleistet werden durfte.224 Um nachvollziehen zu können, dass die weltliche Strafe schon erfolgt war, wurde über deren Ableistung eine Bescheinigung ausgestellt, woraufhin die Geistlichen berechtigt waren, die Kirchenbuße vollziehen zu lassen. Eine solche Bescheinigung findet sich hier : »Demnach Johan Henrich Kopfferschlager, beckergeselle, undt vom Wolffhagen pürtig, wegen dabevor alhiero begangener fornication sich bey burgermeister undt raht der verwirckten buse halber angegeben, undt solche zue genüge der cämmerey abgestattet. Als ist ihme, uff sein geschehenes begehren, derentwegen zu fernerer seiner notthurfft 223 StAM 318 Kassel, Nr. 1436; das Diensttagebuch ist eingebunden in eine mittelalterliche liturgische Pergament-Notenhandschrift, die dort auf dem äußeren Vorderdeckel stehende Aufschrift erinnert frappant an den Titel des Steinschen Diensttagebuchs 1622/23: »Protocollum de Anno 1658 worinn aufgezeichnet was täg[lich]. bey einem Superintendenten vorgeht«. 224 Die Landesherrschaft drängte auf ein klares Kompetenzverhältnis zwischen weltlichen und geistlichen Amtsträgern. In »Fornications- und dergleichen Fällen« sollten von denen, die über solche Verfehlungen Kenntnis erhielten, zuerst die weltlichen Beamten informiert werden, um eine lediglich milde Kirchenpönitenz, bei Umgehung der weltlichen Obrigkeit, zu vermeiden. Pfarrer und Beamte, die nach der Kirchenordnung beide »auf die fälle fleissige achtung« zu geben hatten (»Consistorial-Ausschreiben an die Metropolitanos, wie es mit Abnehmung der Kirchen-Buße in fornications- vnd dergleichen Fällen zu halten seye« vom 28. August 1644, in: HLO II, S. 85f., hier S. 85 linke Spalte), sollten den Bericht an die fürstliche Kanzlei gemeinsam unterschreiben. Jedoch sollte die Versöhnung »mit der Gemeinde Gottes« und die Wiederzulassung zum heiligen Abendmahl »durch den langen Verzug des berichts vnnd eingeholte verordnung der Bestraffung halber nicht aufgehalten werden« (paralleles »Regierungs-Ausschreiben an die Beamten«, vom gleichen Tag, in: HLO II, S. 86). Dass diese Regel schon vor diesen Ausschreiben galt, zeigt ein bemerkenswerter Fall, der bei der censura morum auf dem zu Besse stattfindenden Konvent der Pfarrer der Klasse Gudensberg am 25. August 1630 zur Sprache kam (Konventsprotokoll: LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 15v): »Von Ehr Valtin [Valentin Magirus, Pfarrer] zum Sandt kompt vor, daß er eine person zur kirchenpoenitentz zugelasenn, welche noch nit von der weltlichen obrigkeit gestraffett und etwa 6 oder 7 kinder in unpflichten [= unehelich, A. J.] erziehlett haben soll. Antwortet, die dirne habe so vleissigk darumb angehalten, auch habe er mehr nichtt alß von 3 in unpflichten erzieleten kindern gewust, uber daß habe er mitt Ehrn Greutero [Pfarrer zu Merxhausen, A. J.] und Ehrn Schmaltzen [Pfarrer zu Elben, A. J.] darauß conferiret, welche dieseß gerahten«.

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denselben haben vorzulegen, dieser schein ertheilet. Actum Caßell den 5ten Augusti 1659. Johan Steinfelt m[anu]p[ropria] p[raesente]. t[empore]. Camerarius«225

Der Titel und die hingeworfenen, nicht ausführlichen Einträge wirken, als habe Stöckenius damit eine Tradition fortsetzen wollen, wirklichen systematischen Wert scheint er dem Diensttagebuch in seiner Amtsführung aber nicht beigemessen zu haben, zumal das letzte darin mit Einträgen versehene Jahr 1678 ist und Stöckenius erst am 1. Juli 1684 starb.

B)

Wahl, Bestätigung und Amtseinführung der Superintendenten

Eine erste Regelung zur Verfahrensweise in der Frage der Nachfolge verstorbener oder aus anderen Gründen aus dem Amt geschiedener Superintendenten wurde in der Kirchendienerordnung 1537 getroffen, dort heißt es unter der Überschrift »Von wem die superintendenten zu welen und zu bestetigen seien«: »Wo der superintendenten einer töds oder anderer sachen halben abienge, so will unser gnediger fürst und herr alle pfarhern, in itzt gemeltes superintendenten zirk gehörig, fordern lassen oder den nechstgesessenen superintendenten zweien solchs zu geschehen bevelen und anhalten, daß sie, die pfarhern, aus ihnen allen drei pfarhern desselben zirks, darin der, so abgangen were, gehort hette und sie hierzu am tuglichsten achten, furschlagen und dieselbigen drei den superintendenten schriftlich oder personlich zuschicken, also daß dieselbigen superintendenten alsdann einen aus den dreien welen, und wilchen also die superintendenten welen, sollen sie furter an unsern gnedigen f. und h. schicken mit ihren gepurlichen schriften und zeugnissen, und hat also volgents unser g. f. und h. solchen zu confirmiren und deshalben bevelhsbrieve ausgehen zu lassen. Wo aber seiner f. g. aus redlichen ursachen bewegt solchen nicht zuzulassen, alsdann will seine f. g. solchs den superintendenten widerumb anzeigen, so die pfarhern des bezirks benent hetten, furzuschlagen etc. Wo sichs aber also zutruge, daß die pfarhern obgemelt solche person bei ihnen nicht finden noch furschlagen kunten, sondern in einem andern zirk suchen und anzeigen müßten, sal solche person, wo sie gemelter weise tuglich ist und angenommen wurt, von ihrem ort an den andern, dahin sie furter zu verordnen sein wurdet, commode transferirt werden«.226

225 Im Diensttagebuch Johann Heinrich Stöckenius’ einliegend zwischen fol. 11 und fol. 12 (gezählt ab dem Titelblatt, nach dem Einband). 226 Kirchendienerordnung 1537, EKO Bd. 8, S. 93.

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Die Grundzüge dieser Regelung blieben in der für den untersuchten Zeitraum im 17. Jahrhundert gültigen Kirchenordnung von 1566 erhalten. Jetzt wurden die Bestimmungen zum Wahlakt wesentlich detaillierter entfaltet. Die beiden Superintendenten sollten sich aus den auf der Wahlsynode versammelten Pfarrern einen dritten auswählen, der als Notar fungierte, ihnen gegenüber nannten nun jeder Pfarrer mit Vor-, Zunamen und gegenwärtigem Wirkungsort »in geheim einen aus dem zirk, oder auch eines andern orts«, den er zum Superintendentenamt für geeignet hielt. Daraufhin sah die Ordnung vor, »daß unser g. f. und h. aus den vorgeschlagenen zweien oder dreien personen einen superintendenten mit seiner autoritet bestetige«.227 Die beiden der vakanten Diözese am nächsten gesessenen Superintendenten sollten daraufhin nur an die später Metropolitane genannten Pfarrer in den Städten schreiben, um ihnen den Tag mitzuteilen, wann sie den vom Landgrafen zum Superintendenten Konfirmierten »in der kirchen, da er sein wonung forthin haben soll, ordinieren wöllen und derhalben sie vermanen, daß sie am selbigen ort auf bestimpten tag zu rechter zeit erscheinen«.228 Die zur Wahl wie zur Ordination eingeladenen Pfarrer und Metroplitane sollten sich jeweils schon am Abend vorher am jeweiligen Ort einfinden, um sich am folgenden Tag rechtzeitig in der Kirche versammeln zu können. Bei den Wahlen 1634 und 1638 im Bezirk Rotenburg gab es in Hessen-Kassel nur zwei Superintendenturbezirke. In Vertretung des erkrankten Kasseler Superintendenten Stein wurde zur Wahl 1634, nach der Caspar Josephi zum Superintendenten ernannt wurde, der Hofprediger Theophil Neuberger zusammen mit dem geheimen Kanzlei- und Kammerrat Justus Jungmann, als weltlichem Vertreter, entsandt;229 aus diesen beiden bestand auch 1638 zur Wahl Hütterodts die Kommission, Neuberger war inzwischen neben seinem Hofpredigeramt auch Superintendent und Justus Jungmann Kammerdirektor geworden.230 Die Wahlen des Kasseler Superintendenten Paul Stein und die zur Ernennung des 227 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 192 (linke Spalte, Punkte 7 und 9). 228 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, S. 193 (Punkt 1). 229 Siehe die »Instruction, Was unser Rath und lieber Getreuer D. Justus Jungman, neben unserm Hoffpredigern Ehrn Theophilo an itzo zue Allendorf bey dem angestellten Synodo zu verrichten haben«, Kassel 1634 Mai 19, StAM 315 a, Nr. 31 (2. Stück im Konvolut »Acta die Allendorffische Superintendenten Wahl- und bestellung betr., 1621–1757«) und den Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 343–352, hier S. 343. 230 Siehe die von Vizekanzler und Regierungsräten, im Auftrag der sich noch im Exil in Groningen aufhaltenden vormundschaftlich (für Wilhelm VI.) regierenden Amelie Elisabeth, am 31. Oktober 1638 ausgefertigte »Instruction Was […] unsers Gnedigen Fürsten undt Herren, Raht und Cammer director D. Iustus Jungmann, undt der Superintendens undt Hofprediger Ehr Theophilus Newberger bey deme anietzo zu Allendorf angesteltem Synodo zu verrichten haben«, StAM 315 a, Nr. 31 (17. Stück im Konvolut); zur Laufbahn Jungmanns Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 6, S. 417–419.

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Rotenburger Superintendenen Johannes Kalckhof führende im Oktober 1622 wurden beide von den abgeordneten Konsistorialräten Johannes Crocius und Johannes Goeddaeus geleitet.231 Der noch amtierende Marburger reformierte hessen-kasselsche Superintendent Daniel Angelocrator scheint dabei nicht einbezogen worden zu sein. Nach dem Tod des Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius wiesen Vizekanzler und Räte Landgraf Wilhelm V. darauf hin, dass es »jederzeit herkommenn, auch der kirchenordtnung gemäß, ist, daß nach verfliesung vier wochen in dem bezirck da ein superintendentens abgangenn ein synodus pflegt angestelt vndt dabey ein ander superintendentens erwehlett zu werdenn, dabey dann jederweill im nahmenn deß landtsfürsten einer oder mehr auß den räthen undt ein geistlicher daß directorium geführt«.232

Das in der Kirchenordnung von 1566 niedergelegte Wahlverfahren wurde also insbesondere hinsichtlich der von herrschaftlicher Seite zur Durchführung der Wahl Abgesandten an die der jeweiligen politischen Situation geschuldeten kirchenorganisatorischen Gegebenheiten im Land angepasst.233 Die Superintendenten wurden im Untersuchungszeitraum von allen Pfarrern ihres Bezirks gewählt, »doch also daß inn jeder clahs etzliche, so uff zutragennde nohttfälle das ambt verrichten mögen, daheimb gelaßenn werden«.234 Nachdem 231 Übersendungsschreiben ihrer Relation über die Wahl eines neuen Superintendenten in Rotenburg und Kassel durch Johannes Crocius und Johannes Goeddaeus an Landgraf Moritz, Marburg 1623 Januar 18, in: StAM 22 a 1, Nr. 57. 232 Vizekanzler und Räte an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1634 Mai 6 (Abschrift), StAM 315 a, Nr. 31 (1. Stück im Konvolut). 233 »Eine Superintendentenwahl im Jahre 1789« schildert Leonhard Johann Karl Justi. 234 So im an die Metropolitane des Bezirks Rotenburg gerichteten Ausschreiben des Marburger Konsistoriums vom 17. September 1622 zur Synode für die Wahl des Nachfolgers Georg Reinmanns am 1. Oktober 1622 in Rotenburg, StAM 315 a, Nr. 31 (5. Stück im Konvolut). In Ledderhoses 1780 erschienenem Kirchen-Staat, S. 156 heißt es zur Bestellung der Superintendenten in Allendorf: »Es pflegte in älteren Zeiten, ein Synodus sämmtlicher Prediger dieses Bezirks ausgeschrieben und eine Herrschaftliche Commission zur Eröfnung der Wahl-Stimmen abgeschickt zu werden; allein nachgehends ist dieses dahin abgeändert worden, daß jeder Metropolitan, die Stimmen der ihm untergeordneten Prediger, an das Consistorium in Cassel nebst seinem Voto verschlossen einschickt. […] Nach erhaltener Bestättigung, wird der neuerwählte, vom Superintendenten aus Cassel in Allendorf eingeführt, wobey in neueren Zeiten nur die Metropolitane dieser Diöces gegenwärtig sind, welche der Casselische Superintendent zu diesem Ende zusammen beruft«. Für Kassel, wo man dem älteren Modell auch in späterer Zeit noch enger verbunden blieb, heißt es bei Ledderhose: Kirchenstaat, S. 19f.: »Bey Erledigung der Superintendenten-Stelle in Cassel, wird seit 1735 ein Synodus von allen Metropolitanen, welche zu dieser Diöces gehören, vom Consistorio zur Wahl eines neuen Superintendenten zusammen berufen; dahergegen in älteren Zeiten sämtliche Prediger hierher convocirt wurden. An dem zur Wahl bestimmten Tage, überreichen nach geendigtem Gottesdienst in der Freyheiter-Kirche, die reformirten Teutschen Prediger in Cassel, und hierauf sämtliche Metropolitane vom Lande, nach den Jahren ihrer Bestellung, die schriftlichen Wahl-Stimmen der ihnen untergebenen Prediger,

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der Landgraf dann seinen Willen geäußert hatte, wer zum Superintendenten ernannt werden soll, wurden einige Tage später nur die Metropolitane zur Ordination, zur Einführung desselben eingeladen. Bei Hütterodt fand diese aber nicht »in der kirchen, da er sein wonung forthin haben soll« statt,235 also zu Eschwege, sondern ebenso wie die Wahl in Allendorf. Die Kirchen dort waren 1637 abgebrannt,236 weshalb die Wahl und wohl auch die Ordination im Salzwerk (»in aede salinarum«) stattfand.237 Ob Eschwege noch mehr von diesem »Kroatenjahr« gezeichnet war, als noch zu unsicher oder Allendorf für viele, die vielleicht noch in Kassel Schutz gesucht hatten, als erster größerer erreichbarer Ort im Bezirk der Superintendentur Rotenburg galt, lässt sich nicht sagen. Auch hier wurden also situationsbedingte Anpassungen vorgenommen, fand doch die Wahl des Superintendenten dieses Bezirks 1622 noch in Rotenburg statt, wohin Landgraf Moritz sogar wieder dessen Sitz verlegt hatte,238 nachdem Christian Grau die Superintendentur von Allendorf und Georg Reinmann von Eschwege aus geleitet hatten.

1.

Das Rücktrittsgesuch des Eschweger Superintendenten Georg Reinmann (1621) und die Nachfolgekontroverse um Hermann Fabronius (1623)

Im August 1621 suchte der Superintendent Georg Reinmann, der zugleich Pfarrer an der Altstädter Kirche und Metropolitan der Klasse Eschwege war, beim Landgrafen aus Altersgründen um seine Ruhesetzung nach.239 Daraufhin entspann sich ein Briefwechsel zwischen Moritz und den Marburger Konsistorialen über die Nachfolgefrage, in dem das Konsistorium dem Landgrafen

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nebst den ihrigen, einer Höchsten Orts ernannten Commißion, verschlossen. Diese werden in der Kirche eröfnet, und die vorgeschlagenen Subjecte in eine Liste gebracht; worauf nach abgestatteter Relation die Bestellung erfolgt. Der neuerwählte wird vom Superintendenten aus Allendorf, unter Assistenz der beyden ältesten Prediger des Casselischen geistlichen Stadt-Ministeriums vorgestellt«. So die Kirchenordnung von 1566, EKO Bd. 8, S. 193 (Punkt 1); es ist nicht absolut eindeutig, ob mit »kirchen« ein Ort (Stadt) gemeint ist oder ob »kirchen« hier für den Superintendenturbezirk steht. Erwähnung im Kopialbuch Allendorf, KKAE Best. 1, Nr. 20, hier auf S. 41 zu Beginn des Abschnitts »Von den supellectilien der kirchen, der pfarr, der caplaney, der schuel und der wohnheuser der schuelcollegen«. Eigenhändiger lateinischer Bericht Hütterodts über seine Wahl und Einführung im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 371f. Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 296 (»Bericht vom Superintenden Ambt«). Der Zeitpunkt lässt sich aus der Datierung des kurzen Briefes in StAM 315 a, Nr. 31 (in diesem Konvolut das 8. Stück von oben) erschließen, mit dem Landgraf Moritz sein Konsistorium um Stellungnahme bat: Kassel, 27. August 1621.

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mehrfach nachdrücklich empfahl, Georg Reinmann, der nach dem Willen Landgraf Moritz’ statt zurückzutreten einen Koadjutor im Superintendentenwie im Predigtamt erhalten sollte, den Eschweger Pfarrer Hermann Fabronius als einen solchen beizuordnen. Schließlich empfahlen die Konsistorialen, Reinmann möge sowohl von seinem Superintendenten- als auch von seinem Pfarramt in der Eschweger Altstadtgemeinde zurücktreten, zu dessen rechter Versehung er »aus mangell des gesichts« (fol. 2r) und bei plötzlicher Schwachheit in seinem Alter – er war 1540 geboren und starb 1626240 – nicht mehr in der Lage sei, sodass idealerweise Fabronius, dem dieser Bezirk als Pfarrer an der Neustädter Gemeinde in Eschwege schon gut bekannt sei, ihm in beiden Ämtern nachfolgen könne. In einem ausführlichen Kommentar auf diesem Schreiben konterte Moritz, die Empfehlung mute ihn an, als ob in der ganzen Diözese kein anderer geeigneter Kandidat als Fabronius zu finden sei, außerdem müsse die Superintendentz nicht zwangsläufig von Eschweger Pastoren verwaltet werden, auch wäre es keine »reine election« würde Fabronius den Pfarrern zur Wahl eines neuen Superintendenten quasi vorgesetzt, in einem solchen Fall »würden wihr fast bedenckens tragen, unßer confirmation darzue zuegeben, wen auch ohne das, wihr deren nicht verbunden, sondern, und da jemandts nicht unß anstendig, solte erwehlet werden, uf anderwerths election zuedringen, da unßer confirmation frey vorzuebehalten unß wohl befugt wißen«.241

Nachdem es schließlich am 1. Oktober 1622 doch zu einer Neuwahl des Superintendenten gekommen war,242 in der »die pluralitas votorum uff Fabronium 240 Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 276f. 241 Zu Kassel anwesende Konsistorialräte an die Geheimen Räte, 1621 November 3, StAM 315 a, Nr. 31 (9. Stück, mit längerem Rückvermerk Moritz’ vom 6. November 1621); das Bedenken darauf der zu Kassel »Anwesende[n] vom f. Geistlichen Consistorio zu Marpurgk« vom 7. November 1621 und Moritz’ vertröstende Antwort vom 26. November 1621 aus Fritzlar an seine Geheimen Räte, zur Zeit sei er »mit anderen und wichtigen geschaften also uberheufet, daß unß unmüglich felt dieße acten so balt zu durchleßen […] und muß dißes werck, so wohl waß die superintendentz alß anders ahnlangt einen ahnstandt haben, biß nach weinachten und also zu ende dießes jahrs, underdeßen wihr verhoffen eine stunde zeit zu haben es zu durchleßen, und unß alßden ferner daruf zu resolviren«, in: StAM 22 a 8, Nr. 282 (Eschwege). 242 Das Ausschreiben des Konsistoriums, in der ungewöhnlichen Form einer querformatigen Urkunde, datiert Marburg 1622 September 17, mit der Einladung an Metropolitane und Pfarrer, zur Wahsynode in Rotenburg am Dienstag, dem 1. Oktober 1622, findet sich in StAM 315 a, Nr. 31 (darin das 5. Stück); dort heißt es zu Beginn, dass »Georg Reinman bißher geweßener superintendens des bezircks Rotennberg, sein inspection ambtt« dem Landgrafen bereits »alters undt unvermöglichkeitt halber underthänig resignirt« habe; auf dem Stück hat, anstelle des Metropolitans Reinmann, Fabronius, wie die übrigen Metropolitane, den Empfang unterschriftlich bestätigt. Auf dem Konzept dieses Ausschreibens in StAM 315 a, Nr. 31 (10. Stück im Konvolut) findet sich der Rückvermerke: »An die Metropolitanos Rotenbergischen bezircks der Superintendenten waal uffn 1. ten octobr. 1622

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gegangen«, entschied sich Moritz tatsächlich für den älteren, erfahreneren und nach seiner Meinung in »der wahren ortodoxia [sic!]« verständigeren »Calhoffium« (= Johannes Kalckhoff/Calcovius), für den, nach seiner Untersuchung der Vota, die saniora pars gestimmt hatte. In seiner Antwort machte Landgraf Moritz Fabronius – offenbar in Würdigung der auf ihn entfallenen 65 Stimmen, gegenüber den 33 auf Kalckhoff entfallenen243 – immerhin, »dieweill wir unß bewust, Calhoffius [1566 geboren, A. J.] mit ziemblichem altter und einem fast beschwerlichen affectu dises jahr von Gott dem Almechtigen belestiget worden«, zum Adjunkten des Superintendenten, »sowohl in subsidium laboris als auch in spem successionis«.244 Im Konventsprotokoll der Klasse Eschwege heißt es zu Beginn: »Anno C[hristi]. 1622. Alß den 1.ten Octob. dieses jahrs zu Rotenberg M. Johannes Calcovius zum superintendenten u. Hermannus Fabronius pfarrer der Newstat alhier zu einem adjuncto des superintendenten erwehlet worden, hat ehegemelter Herr Fabronius uff gutachten des Herrn Superintendenten Reinmanni, welcher wegen alter u. mangel des gesichts, sein ampt resigniret, einen convent in diesem monat in der Newstadts kirche gehalten […] undt haben alle anwesende classici demselben nicht allein in der kyrchen zu seiner adjunctur gratuliret, sondern auch dem colloquio, wie auch der censur u. dem convivio in dem Newstadts pfarrhause, in der fordersten stuben beygewohnet […]«.245

Die Hoffnung auf Nachfolge sollte sich schon ein halbes Jahr später, nach dem Tod Kalckhoffs am 17. Februar 1623, realisieren;246 eingeführt wurde Fabronius als neuer Superintendent am 24. April 1623.247 Moritz’ Skepsis gegenüber Fa-

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beizuwohnen« und auf der Vorderseite am Rand links oben steht der Vermerk: »in forma patenti zu schreiben«. Das genaue Wahlergebnis, wie es der von Johannes Crocius verfassten Relation der Delegierten des Konsistoriums vom Wahlsynodus in Rotenburg an Landgraf Moritz zu entnehmen ist, in StAM 315 l, Nr. 60 (4. Stück, davor Konzept), referiert schon Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 80 im Artikel über Hermann Fabronius, auf Caspar Josephi und einen Magister Geiger waren jeweils nur eine Stimme entfallen. Eigenhändige Stellungnahme Landgraf Moritz’ aus Breitenau vom 3. Oktober 1622 – adressiert: »Denn würdigen undt hochgelarten unseren zum synodo naher Rotenbergk von unserm consistorio zue Marpurgk verordtneten rethen undt lieben getrewen« – zu dem ihm übermittelten Ergebnis der Rotenburger Superintendentenwahl, in: StAM 315a, 31 (6. Stück). »Protocollum conventuale classis Eschwegiensis Hassiae ad Vierram ad anno salutis 1622«, KKAE Best. 3, Nr. 204. Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 158. Die Inschrift von Kalckhoffs Epitaph in der Rotenburger Stiftskirche, nach der er an einer Nierenentzündung gestorben ist, ist wiedergegeben in Lucae: Das edle Kleinod, S. 41. DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 12. März 1623, Nr. 3 über ein Gespräch Steins mit Landgraf Moritz, dabei auch zur Neubesetzung der Pfarrstellen in Eschwege. Das Datum der Einführung bestätigt Lucae: Das edle Kleinod, S. 138: »Mag[ister]. Hermann Fabronius, Pfarrer in der Neustadt Eschwege, war bereits vorher, was die Superintendentur betraf, adjungiert [= beigeordnet worden]. Als nun besagtermaßen Mag. Johannes Calchovius

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bronius verwundert angesichts des vertrauten Umgangs, den beide 1613 auf einer Reise pflegten, von der Fabronius in Briefen an seine Frau berichtete248 und seiner in den Dienst des Fürsten gestellten Gelehrsamkeit, die sich u. a. in einer Beschreibung der repräsentativen Ausmalungen im Eschweger Schloss manifestierte.249 Ausschlaggebend für die Bevorzugung Kalckhoffs war möglicherweise, dass er vor dem Antritt seiner Stelle als Dekan an der Rotenburger Stiftskirche 1613 seit 1608 Hofprediger Landgraf Moritz’ in Kassel war und Kalckhoffs Sohn Heinrich, Doktor der Rechte, im Januar 1622 von Moritz zum gelehrten Rat in der landgräflichen Kanzlei in Kassel ernannt wurde,250 Kalckhoffs Person und seine Familie waren dem Landgrafen somit möglicherweise besser bekannt.251

2.

Die Wahl zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg 1634 und die nicht erfolgte landesherrliche Konfirmation Johannes Hütterodts

Als am 12. April 1634 Hermann Fabronius in Rotenburg gestorben war, musste ein Nachfolger gefunden werden. Am 20. Mai 1634 versammelten sich die Pfarrer des Superintendenturbezirks Rotenburg in Allendorf zur Wahlsynode – warum dort und nicht in Rotenburg, ob der Versammlungsort schon eine bewusste Vorentscheidung für den vom Landgrafen präferierten Kandidaten war oder während des Krieges der Weg nach Allendorf für die meisten kürzer und weniger gefährlich war, ist nicht ganz klar. Der Ablauf dieser Synode geht hervor aus der »Relation was bey deme zu Allendorff den 20. Maij anno 1634 gehaltenem synodo undt bey election eines newen superintendentis vorgangen«, die die landgräflichen Abgesandten, ein weltlicher und ein geistlicher Rat, der damalige geheime Kanzlei- und Kammerrat Justus Jungmann und der Hofprediger Theophil Neuberger, erstatteten. Die Durchsicht der Voten ergab, dass

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starb, so succedierte [= folgte nach] demselben dieser Fabronius unmittelbar. Anno 1623, den 24. April, wurde ein Convent [= Zusammenkunft] in Rotenburg gehalten von den Predigern, und er wurde in Gegenwart [der] dortigen Gemeinde in der Stiftskirche von den hochfürstl. Herren Kommissaren in seinem Amt als Superintendent confirmiert [= bestätigt]. Bei solcher Solennität [= Feierlichkeit] erfolgte zugleich desselben Vorstellung und Introduktion [= Einführung] als Dechant. Beide Ämter verwaltete er elf Jahre«; alle Erläuterungen in eckigen Klammern stammen von Hans-Günter Kittelmann, der diese in den Jahren 1700 und 1701 entstandene handschriftliche Chronik Friedrich Lucaes (Dekan des Stifts St. Elisabeth, »Oberpfarrer« der Kirche St. Jacobi und Metropolitan zu Rotenburg; zu seiner Biographie, Ebd., S. 248f.) bearbeitet hat. Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 307f. Dazu: Borggrefe / Fusenig / Kümmel: Ut pictura politeia oder Der gemalte Fürstenstaat. Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 103. Zu Johannes Kalckhoff (1566–17. Februar 1623): Strieder: Gelehrten- und SchriftstellerGeschichte, Bd. 7, S. 3f.; Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 164.

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»auff M. Johannem Hüttenrodt pfarhern zu Eschwege, welcher eine starcke classem under sich hadt, 36, uf M. Casparum Josephi pfarhern zue Allendorf 27, uf M. Sebastianum Herrnschwager pfarhern zue Vacha 23, M. Martinum Rudolphi 19, uf M. Cunradum Brunstein pfarherrn zue Witzenhausen 3 vota, und uf M. Henricum Lappium pfarhern zue Waldcappell, M. Christophorum Schimmelpfennigen pfarherrn zue Sontra und Bernhardum Matthaeum jeden ein votum gegeben worden seindt […]«.252

Landgraf Wilhelm V. antwortete darauf aus Frankfurt am Main, wo er gerade am Konvent der protestantischen Reichsstände teilnahm, am 31. Mai 1634: »Würdiger undt hochgelahrte liebe getreuen, ewer unterthenig berichtschreiben, wie es bey dem zu Allendorff gehaltenen convent abgelaufen, haben wihr wohl zu unßern händen empfangen, undt obwohl die majora auf M. Johann Hütheroden pfarrherrn zu Eschwege gehen, so halten wir doch auß denen von euch selbst angezogenen uhrsachen darvor, daß ihme M. Casparus Josephi zu Allendorf vor dießmahl vorzuziehen. Gestelt wihr den unß hiermit erklehret haben wöllen, denselben zu der superintendentschafft von Allendorf auß, undt zu der erledigten pfarrstelle zu Rotenburg M. Johannem Crollium in g[naden]. anzunehmen undt zu befördern, mit gnedigem befelch, euch alßo hiernach zu achten, undt die fernere verfügung zu thun, damit sie in Gottes nahmen einn jeder an seinem orth ublichem brauch nach introducirt, undt der gemeine gebührlich vorgestelt werde[n]«.253

Die einzige in der Relation genannte »Ursache«, auf die Wilhelm V. hier anzuspielen scheint, die gegen die Bestätigung der Wahl Hütterodts als Superintendent sprechen könnte, ist seine starke Hausmacht, dass er als Metropolitan einer relativ großen Anzahl von Pfarrern vorsteht, »eine starcke classem under sich hadt«. Allerdings haben diese und weitere Pfarrer so viel Vertrauen in seine Fähigkeiten zur Verwaltung des Superintendentenamtes gesetzt, dass sie ihn in großer Zahl gewählt haben, dies hätte auch für den Landesherrn ein ernst zu nehmendes Zeichen für die Qualitäten des Gewählten und dessen Akzeptanz und Wertschätzung unter der Pfarrerschaft sein müssen. Für Mittwoch, den 11. Juni 1634 wurden alle Metropolitane des Superintendenturbezirks nach Allendorf beordert, um der Einführung (»ordination und confirmation«) des Allendorfer Metropolitans Caspar Josephi zum neuen Su-

252 Justus Jungmann und Theophil Neuberger an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Allendorf 1634 Mai 21 (Abschrift), StAM 315 a, Nr. 31 (10. Stück im Konvolut, das Zitat darin auf fol. 3rv). Die »Instruction. Was unser rath und lieber getreuer D. Justus Jungman, neben unserm hoffpredigern Ehrn Theophilo anitzo zue Allendorf bey dem angestellten Synodo zu verrichten haben«, ausgestellt in Kassel am 19. Mai 1634, findet sich in StAM 315 a, Nr. 31 (2. Stück im Konvolut, besiegelte Reinschrift und anschließendes Konzept). 253 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Theophil Neuberger und Justus Jungmann, Frankfurt am Main 1634 Mai 31, StAM 315 a, Nr. 31 (11. Stück im Konvolut, Ausfertigung mit Streichungen und Überschreibungen).

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perintendenten beizuwohnen.254 Aus dem eigenhändigen Eintrag Caspar Josephis im Synodalbuch der Superintendentur Rotenburg über die Wahlsynode und seine Einführung kann man vermuten, dass er wusste, dass auf ihn nicht die meisten Stimmen entfallen waren, er von den Pfarrern seines Bezirks nicht zum Superintendenten gewählt, sondern »nur« vom Landesherrn dazu ernannt worden war. Er schreibt, dass »Ifg. aus F[rank]f[urt]. sub dato 31ten Maii sich in g[naden]. erkleret, daß sie aus denen beim jüngsten synodo vorgeschlagenen personen M. Casparum Josephi andern vorzuziehen achten, selbigen zum superintendenten des becircks Rotenbergk von Allendorff auß, M. Joannem Crollium aber an die erledigte pfarrstell zu Rotenbergk confirmirt hetten, mit befehl die selbige dennechsten der ordnung gemeß zu ordiniren undt vorzustellen. Zu solcher introduction undt investitur des newen Superintendenten hat f. regirung zu Caßell den 11ten Junii zu Allendorff angesetzt undt bestimbt, auch alle Metropolitanos deß Rotenbergischen becircks deswegen von newem auf bestimbten tag gehn Allendorff beschrieben, welche, neben f. Herrn Hoffpredigern den 10. eiusdem daselbst ankommen, folgenden Mittwochen den 11ten Junii (NB. eodem die quo ao. 1595 Dominus M. Georgius Reinmannus Eschwigiae superintendens ordinatus & proclamatus est) dem gottesdinst, undt der predigt, so Herr Theophilus Neuberger f. Caßelischer Hoffprediger ex Ebreorum 13, 17 vom ambt christlicher zuhörer gegen ihre seelsorger gethan u. folgendts dem gebet, undt der ordination, nach f. heßischer kyrchenordnung L. Philipsen, in der Ober Kyrche in großer volckreicher versamblung, beygewohnet, worauff die gratulationes von anweßenden geistlichen, weltlichen undt bürgerlichen personen geschehen, das mittagsmahl auf der rahtstuben, das abendtmahl aber in des newen superintendenten hauß gehalten worden«.255

Vier Jahre später, mit dem Tod Caspar Josephis am 17. September 1638, war Hütterodts Zeit gekommen. Vizekanzler und Räte informierten die Regentin Amelie Elisabeth am 20. September 1638 über das Ableben Josephis und die Notwendigkeit der Wahl eines neuen Superintendenten des Rotenburgischen Bezirks.256 Von Groningen ließ sie am 4. Oktober 1638 den Befehl ausgehen, alle nötigen Maßnahmen, gemäß der Kirchenordnung, zur Wiederbesetzung der Superintendentenstelle zu treffen.257 Die Instruktion für die landgräflichen Gesandten, den Rat und Kammerdirektor Justus Jungmann sowie den Superintendenten und Hofprediger Theophil Neuberger ist am 31. Oktober 1638 da-

254 Regierung zu Kassel an die Metropolitane des Superintendenturbezirks Rotenburg, Kassel 1634 Juni 3 (Konzept), StAM 315 a, Nr. 31 (4. Stück im Konvolut). 255 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 343– 352, hier S. 348f. 256 Vizekanzler und Räte an Amelie Elisabeth, Kassel 1638 September 20 (Konzept), StAM 315 i, Nr. 31 (16. Stück im Konvolut). 257 Amelie Elisabeth an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Groningen 1638 Oktober 4/14, StAM 315 a, Nr. 31 (15. Stück im Konvolut).

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tiert.258 Die Wahlsynode zu der bis auf die Pfarrer der Klassen Rotenburg und Vacha, denen durch Unachtsamkeit des Boten das Zitationsschreiben nicht geliefert wurde, alle Pfarrer des Superintendenturbezirks – außer den zur Verrichtung von Notfällen in der Klasse gebliebenen – anwesend waren, fand in Allendorf am 2. November 1638 statt.259 Hütterodt hielt dabei die Predigt aus 1. Petrus 5, 1 bevor Theophil Neuberger eine Rede über die Wahl eines Bischofs, die ihn zierenden Eigenschaften und seine Einführung hielt und die Anwesenden brüderlich ermahnte, ihre Stimme unter Beiseitesetzung aller unschönen Affekte abzugeben. »Nachdem ihre Stimmen im Salzwerk260 aufgeschrieben und versiegelt worden waren, wurden sie den Herren Kommissaren übergeben, die sie zusammenstellten, nummerierten, addierten und mit ihrer Rechnung am selben Tag [2. November] an die Kasseler Regierung schickten und am 4. November, vormittags in der siebenten Stunde, wurde die Antwort empfangen, sie haben diese höchst beschwerliche Ehre, im Namen des Herrn Johannes Hütterodt übertragen, der mit der Mehrheit der Stimmen und von den meisten Brüdern zu diesem Amt auserwählt worden war, und in feierlicher Einführung haben sie ihn – nachdem am selben Sonntag Martin Rudolphi, Pfarrer zu Spangenberg, aus dem neunten Kapitel des Evangeliums nach Matthäus zum Volk gesprochen hatte – unter Auflegung der Hand durch den Ehrwürdigen Herrn Kasseler Superintendenten unter Mitwirkung von Rudolph Spangenberger und von Ledderhose, dem Hersfelder Metropolitan, ordiniert, auf dass Gott sanftmütig und stark, über Erwarten und Wünschen des Ordinierten hinaus, hier wirke«.261 258 Vizekanzler und Räte an Justus Jungmann und Theophil Neuberger»Instruction was des durchleuchtigen undt hochgebornen Fürsten undt Herren Wilhelms, Landgravens zu Hessen, Gravens zu Catzenelbogen, Dietz, Ziegenhain undt Nidda etc. unsers gnedigen fürsten undt herren, raht und cammer director D. Justus Jungmann, undt der superintendens undt hofprediger Ehr Theophilus Newberger bey dene anietzo zu Allendorf angesteltem Synodo zu verrichten haben«, Kassel 1638 Oktober 31, StAM 315 a, Nr. 31 (17. Stück im Konvolut). 259 Eigenhändiger lateinischer Bericht Hütterodts über seine Wahl und Einführung im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 371f., hier S. 371: »[…]congregati Dioeceseyr Rotenburgensis Fratres Metropolitani et rurales (Rotenburgensibus et Fachensibus, qui per incuriam tabellarii citatorias non acceperant, exceptes) […]«. 260 »[…] in aede salinarum«, wahrscheinlich im Salzwerk oder einem Versammlungsraum »im Haus der Salinen«; in Allendorf »in den Soden« wurde aus salzhaltigem Quellwasser, der Sole, durch Verdampfung des Wassers in großen, seit Johannes Rhenanus im 16. Jahrhundert mit Kohle befeuerten Pfannen Salz gewonnen. Auf die landesherrlichen Einkünfte aus dem Verkauf dieses Salzes oder der Verpachtung der Salzgewinnung an sog. »Pfänner« war die Stiftung des Visitiergeldes verschrieben. 261 Eigenhändiger lateinischer Bericht Hütterodts über seine Wahl und Einführung im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 371f.: »Vota su. scripto, consigneta, in aede salinarum, amplissimis dominis commissariis tradiderunt, qui eadem collecta et numerata, addito et suo calculo dicastario cassellano, eodem die transmiserunt, et recepto die 4 Novemb., hora septima matutina, responso, molestissimum hunc honorem, Joanni Hütterodio, votis majoribus et pluribus fratrum, ad

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In seinem Diensttagebuch, das mit dem Tag seiner Amtseinführung beginnt, schildert Hütterodt den Akt wie folgt: »Am 4. Novemb. war der XXIIII Trinit. bin ich zu Allendorff in den Soden vom H. Superintendente Theophilo Neubergern, in gegenwart H. Doctoris Jungmanni F. Commissarii, auf vorgangene predigt H. Martini Rudolphi zu einem Superintendente des Bezircks Rotenbergk ordinirt worden, da dan M. Martinus Rudolphus Spangenbergensi pastor, undt H. Conrad Ledderhose, Hirsfeldensis pastor mihr sampt dem Superintendente die Hände aufgelegt haben.262

3.

Fazit: Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Landesherr und Superintendenten

Die Nachfolgekontroverse um Hermann Fabronius weist ebenso wie die 1634 nicht erfolgte landesherrliche Konfirmation Johannes Hütterodts zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg auf das besondere Vertrauensverhältnis hin, das zwischen dem Landgrafen und den Superintendenten, die seine Kirchenpolitik umsetzen sollten, bestehen musste. In dieselbe Richtung weist die große Nähe zwischen dem Landgrafen und den Kasseler Superintendenten, ihr Einfluss auf kirchenpolitische Entscheidungen und deren Vollzug sowie ihre enge seelsorgerliche Beziehung zum Landgrafen. Gerade, weil insbesondere die Kasseler Superintendenten im Verbund mit dem Predigerministerium der Stadt – besonders während der Zeit, in der kein institutionell eigenständiges Konsistorium existierte – kirchenorganisatorische und -politische Steuerungsaufgaben für die gesamte Landgrafschaft wahrnahmen, mussten sie mit dem jeweiligen Regenten besonders gut harmonieren. Ist die Motivlage der Landgrafen, die sie zu ihrer Entscheidung gegen einen von den versammelten Pfarrern erwählten Superintendenten bewog, oft nicht ganz klar, so wird wahrscheinlich gerade das Moment persönlicher Vertrautheit den Ausschlag gegeben haben.

hoc officium selecto, in nomine Domini imposuerunt, et solenni inauguratione, postquam eadem dominica ex Evang. Matt. 9. Martinus Rudolphi Pastor Spangenbergensis, ad populum dixisset, ordinarunt, imponentibus manus Rev. Domino Superintendente Cassellano, et / latere, Rudolpho Spangenbergensi, et Ledderosio Hirschfeldensi Metropolitano, Deo clementer et potenter, praeter exspectationem et desiderium ordinati hic regente« (eigene Übersetzung im Text). Es folgt noch ein Gebet, dass Gott seinen Diener durch die Kraft des heiligen Geistes stärken möge, ihn die Straße der Gebote des Herrn führe, ihn mit seinem Licht erleuchte und gnädig auf ihn herabsehe, damit sein erwähltes Organ diesem schweren Werk zur Ehre des göttlichen Namens und zur Auferbauung der Kirche vorstehen könne. 262 DTB Hütterodt (die Transkription leicht nach dem Original korrigiert).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

C)

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

1.

Die Gravamina der bei der Superintendentenwahl versammelten Pfarrerschaft als Panorama kirchenadministrativ relevanter Problemlagen

Zur Wahl eines neuen Superintendenten wurden alle Pfarrer des Bezirks in einem Ausschreiben des Marburger Konsistoriums an die Metropolitane für Anfang Oktober 1622 zu einer Wahlsynode nach Kassel gebeten, »doch also daß in [je]der claß, einer oder mehr, so uf zutragende nohtfälle in der gantzen class das ambt verrichten mögen, daheimb gelassen werden, welche gleichwohl ihr votum andern uftragen mögen«.263 Die Wahlsynode war zugleich ein Forum, auf dem die Gravamina des ganzen Bezirks vorgetragen wurden, um einer Resolution zugeführt zu werden. Johannes Goeddaeus und Johannes Crocius waren die »vom geistlichen consistorio zum synodo verordnete praesident und räte« bei der Wahl des neuen Kasseler Superintendenten im Oktober 1622.264 Im selben Monat fand auch im Bezirk Rotenburg eine Superintendentenwahl statt, nach der Johannes Kalckhoff zum neuen Amtsinhaber ernannt wurde, zu der die gleichen Gesandten abgeordnet waren.265 Diese erstatteten mit einiger Verzögerung – entstanden durch andere mit Reisen verbundene landgräfliche Aufträge an Goeddaeus – unter dem 18. Januar 1623 dem Landgrafen ihre »kurtze relation von dem, waß jünngst im octobri deß nehist abgelauffenen jahrs auff den baiden synodis zu Rotenburgk unndt Caßell vorgelauffen unndt verhanndelt worden«.266 Die Relation selbst liegt heute nicht mehr bei, wohl aber hat sich das Übersendungsschreiben erhalten, mit dem die Deputierten des Konsistoriums diese an den Landgrafen richteten, mit einem auf den 25. Januar datierten 263 So – einschließlich des Zitats – der Ablauf, wie er aus dem Konzept des Ausschreibens zur Synode für die Wahl des Nachfolgers Steins im Superintendentenamt 1634 hervorgeht, in: StAM 22 a 1, Nr. 58 (Fürstlich Hessischer Statthalter [sowie üblicherweise Vizekanzler und Räte] an alle Metropolitane und über diese an die einzelnen Pfarrer des Superintendenturbezirks Kassel, Kassel 1634 Dezember 1). 264 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 8. Oktober 1622, Nr. 1. 265 Dass auch bei der Rotenburger Superintendentenwahl Gravamina vorgebracht werden konnten, ist schon dem Bericht über die Wahl zu entnehmen, den die »gehorsame anhero zum Synodo vom Consistorio zu Marpurg verordnete Räthe« aus Rotenburg am 1. Oktober 1622 an Landgraf Moritz abgehen ließen, StAM 315 l, Nr. 60, worin es heißt: »[…], so haben wir nach verrichter wahl die anordnung gethan, daß als dan, wen sie, die anwesende, die gebrechen, so jeder in seiner claßen befindet, diesen nachmittag wirtt fürpracht haben, ein jeder […] sich wiederumb nach hauß begeben möge«. 266 Johannes Crocius und Johannes Goeddaeus übersenden Landgraf Moritz ihre Relation über die Wahl eines neuen Superintendenten in Rotenburg und Kassel, Marburg 1623 Januar 18 (mit einem umfangreichen Rückvermerk Landgraf Moritz’ zum Umgang mit den Gravamina), in: StAM 22 a 1, Nr. 57.

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umfangreichen Rückvermerk von dessen Hand zum Umgang mit den auf den Synoden vorgetragenen Beschwerden. Von der tatsächlichen Übermittlung des Berichts und der Anmerkungen des Landgrafen, wie von ihm in seinem Rückvermerk gewollt, an den von der Synode gewählten, vom Landgrafen bestätigten und am 8. Oktober in Anwesenheit der Metropolitane seines Bezirks öffentlich eingeführten neuen Kasseler Superintendenten Paul Stein erfahren wir aus dem dritten Eintrag, den er am 25. Januar 1623 in seinem Diensttagebuch machte: »Der landsecretarius Dryander stellt mihr wegen ihrer f. gn. des consistorii relationes, wegen deren bey beiden gehaltenen synodis alhir zu Cassel und zu Rotenburg vorgangener verrichtung, zu, und befehlen ihre f. gn. uber denen puncten, so die religion und lehre allein angehen, mein bedencken derselben zu eröffnen; uber denen andern aber, so zum theil politisch seyen, der räthe bedencken zu vernehmen, und darvon ihrer f. gn. in eigner person underthenig zu referiren«.

Unter dem 27. Januar 1623 vermerkt Stein im ersten Eintrag: »Den regierungsräthen hab ich des consistorii beide uberschickte relationes gehaltener synodorum, neben ihrer f. gn. befehl insinuirt. Wollen es verlesen, und mich wissen lassen, wan sie es abwarten können, daß man darvon deliberire«.

Als er am 14. Juni 1623 noch immer keine Antwort erhalten hatte, notiert Paul Stein in seinem Diensttagebuch, dass er »beneben Ehrn Thoma Wetzelio zun regirungsräthen gangen« sei und neben anderen Dingen »[…] zugleich erinnerung gethan, das die beiden relationes des consistorii wegen gehaltener synodorum alhir zu Cassel und zu Rottenberg, vorgenommen, und resolvirt werden mögen. Ist zur antwort worden: Sie wolten michs wissen lassen, wan sie anderer geschefft halber darzu gelangen könten, diese sach vorzunehmen«.

Im Gegensatz zu den Superintendentenwahlen in den Bezirken Kassel und Rotenburg im Oktober 1622 sind die Gravamina der auf der Synode zur Wahl des Superintendenten des Bezirks Rotenburg am 20. und 21. Mai 1634 in Allendorf versammelten Pfarrer und die darauf ergangenen Resolutionen der Kasseler Regierung erhalten. Zum einen haben Pfarrer und Metropolitane ihre Gravamina schriftlich bei den landgräflichen Gesandten – dem Rat und Kammerdirektor Justus Jungmann sowie, »weil Herr Steinius, Superintendenz zu Caßell, wegen leibes schwachheit nit geköntt«,267 dem damaligen Kasseler Hofprediger Theophil Neuberger – eingereicht, zum anderen kamen sämtliche Pfarrer nach dem Wahlakt am Vormittag des 20. Juni 1634 am Nachmittag erneut in der 267 So der vom Landgrafen zum Superintendenten ernannte Allendorfer Metropolitan Caspar Josephi in seinem Bericht über die Wahlsynode und seine Amtseinführung im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 343–352, hier S. 343 unten.

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Allendorfer Kirche zusammen, um »etliche gravamina« vorzunehmen.268 Die dort vorgebrachten vier Punkte betreffen – bis auf den letzten, in dem »geklagt worden, daß das huren wesen allhier sehr uberhandt nehme« – alle geistliche Fragen im engeren Sinne: 1. »Das in der catechisation und kinderlehr nit gleichförmige art im examiniren im land gebrauchet werde, deswegen die anwesende vor guth angesehen und gewünschet, daß die zue Cassel vorlengst abgefaste und censurirte form publiciret werden möchte und vor gut befunden worden sey. 2. Das in ceremonien und formulen zur taufen und s[anctam]. coenam zue administriren, auch nicht eine durchgehende gleichförmigkeidt gebraucht werde, welchem gleichfals zue remedijren, wobeyneben so bald erinnert worden. 3. Daß in den offendlichen kirchen gebeten keiner seines gefallens, wie bisher hin und wieder geschehen, etwas endern, sondern ein jeder strictH bey der von Caßell uberschickten formull bis uf andere ihrer f. g. verordnung bleiben soll«.269

Die Antworten der Kasseler Regierungsräte auf die Fragen sind im Konzept, offenbar als Notizen Neubergers, erhalten, diese werden wörtlich wiedergegeben in dem Bericht über die Wahlsynode, den der vom Landgrafen zum neuen Superintendenten des Bezirks Rotenburg ernannte Allendorfer Metropolitan Caspar Josephi in das Synodalbuch des Bezirks schrieb, so dass der Weg aus der Kanzlei zur Bekanntmachung der Resolutionen verfolgt werden kann. »Weiln aber, von diesen gravaminibus zu Allendorff nach notturfft zu reden die zeit nicht leiden wollen, mit f. regirung zuvorderst hierüber zu communiciren, man auch ohne das, wegen proclamation des künfftigen newen superintendenten baldt widerumb zusammen kommen würde, alß haben f. herren commissarii die resolution dahin verschoben, den synodum dimittiret, undt auß Caßell an Ifg. Landtgrav Wilhelm wegen vorgangenem synodi undt superintendenten wahl, gehn Franckfurt, da Ifg. sich damahlß aufhielten, geschrieben. […] Zu solcher introduction undt investitur des newen superintendenten hat f. regirung zu Caßell den 11 ten Junii zu Allendorff angesetzt undt bestimbt, auch alle Metropolitanos deß Rotenbergischen becircks deswegen von newem auf bestimbten tag gehn Allendorff beschrieben […].«270

268 »Relation Was bey deme zue Allendorff den 20. Maij 1634 gehaltenem Synodo undt bey Election eines newen Superintendentis vorgangen«, »Actum Allendorff den 21 t[en]. Maij Anno etc. 1634«, von Justus Jungmann und Theophil Neuberger, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3r ; innerhalb des Konvoluts sind die einzelnen Stücke chronologisch weitgehend ungeordnet). 269 Aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3r). 270 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 348.

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Am Vormittag des 11. Juni 1634 »(NB. eodem die quo ao. 1595 Dominus M[agister]. Georgius Reinmannus Eschwigiae Superintendens ordinatus & proclamatus est)« wurde Josephi nach einem Gottesdienst, in dem Neuberger aus Hebräer 13,17 »vom ambt christlicher zuhörer gegen ihre seelsorger« predigte, in Gegenwart der Metropolitane des Rotenburger Bezirks in der 1637 zerstörten ehemaligen »Ober Kyrche« St. Nikolai am Markt in Allendorf271 ordiniert, »worauff die gratulationes von anweßenden geistlichen, weltlichen undt bürgerlichen personen geschehen, das mittagsmahl auf der rahtstuben, das abendtmahl aber in des newen superintendenten hauß gehalten worden«. »Nach gehaltenem mittagsmahl ist f. regirung zu Caßell resolution auf die beim synodo vorgelauffene errinnerungspuncten, undt ubergebene gravamina, vom herrn hoffprediger in des superintendenten behaußung eröfnet unddt angezeigt worden […].«

Die Resolutionen auf die ersten beiden der vier »Erinnerungspuncte« lauten in der Wiedergabe im Bericht Josephis wie folgt: 1. »wegen des catechismi mit den scholiis halten Herrn Rähte dafür das er publiciret werde, doch solle der catechismus bleiben wie er bishero gewesen, undt sollen die 2 fragen von der tauff im vorigen catechismo außgelaßen, Ifg. aber zuvor davon berichtet werden. 2. Wegen der tauff soll es allenthalben gehalten werden wie zu Caßell, daß man die fragen an die gevattern undt nicht ans kindt richte. Die wortte in administratione coenae belangendt, wo man bißhero die wortte Christi auß den evangelisten gebraucht, sollen sie behalten werden, wo man aber verba Pauli gebraucht, sollen sie auch bleiben«.272

Diese beiden Punkte greifen Fragen auf, die der Kasseler Superintendent Paul Stein bereits in einem Brief vom 6. Mai 1632 an Landgraf Wilhelm V. ansprach, dieser Brief bietet den Kontext zum Verständnis der beiden Punkte. Darin teilt Stein dem Landgrafen mit, er habe am vergangenen Freitag, dem 4. Mai »mit zuziehung etlicher des ministerii alhiero [zu Kassel, A. J.], bey damahliger anwesenheit der metropolitanorum meiner anbefohlenen inspection, gleichsam eine synodalem visitationem273 angestellet, und wir unß von verschiedenen 271 Die Angaben zu St. Nikolai folgen dem Eintrag »Allendorf« im »Historischen Ortslexikon« im »Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen« (LAGIS) des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde, einsehbar unter : mit dem Stand vom 13. September 2019 (Abruf: 22. Oktober 2019). 272 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 349. 273 Die synodalische Visitation war ein Mittel, mit dem das Konsistorium seine Aufsichtsfunktion wahrnahm, siehe die entsprechenden Ausführungen in der Konsistorialordnung, EKO Bd. 9, S. 112f. (Titel »Von der Oberinspection des Consistorii und andern gewöhnlichen Visitationibus«).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

puncten, die beforderung des geistlichen bawes der kirchen betreffend christlich und brüderlich undereinander beredet«.274 In dem Brief, der mit dem Rückvermerk versehen ist, »Wegen abschaffung d. fragen, so bey d. tauffe an die täufflinge gerichtet item wegen der catechisation« finden sich im Hinblick auf die anlässlich der Wahl des Rotenburger Superintendenten angeregte Angleichung des Taufritus an den Kasseler Gebrauch folgende Ausführungen: »Wan dan bey solcher handlung gemelte metropolitani einhellig gewünschet undt begehret, daß die bey administration der h[eiligen]. tauff, bißhero uffm lande gebreuchliche, zu den taufflingen gerichtete fragen, deme hiebevor bey revision der kirchen agenden275 gesteltem bedencken undt gemachtem schluß gemeß, in etwas geendert, und es uff den schlag, wie es alhier zu Cassel gehalten wird, gerichtet, undt hierinnen eine durchgehende gleichförmigkeit im gantzen lande gehalten werden möchte; und es dan in gehaltener deliberation, von dem meisten theil der anwesenden darvor gehalten worden; ob es wohl bey itzigen zeiten fast bedencklich, durch offentliche decreta und mandata hierinnen enderung vorzunehmen; so könne doch vorangeregte Verbesserung, als welche nur in verenderung etlicher weniger Worte besteht, gar wohl mit der zeit, gleichsam unvermerckt und ohne einiges menschen ergernus eingeführet werden«.

In den im letzten Abschnitt des Zitats vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Änderungen werden auch die gewärtigten politischen Rücksichtnahmen in der für Hessen-Kassel so bewegten Zeit greifbar, die die Geistlichen schon mitbedachten. Einblick in die erzieherisch-katechetischen Anliegen Paul Steins und seine Arbeitsweise gibt der folgende Punkt zum Druck des mit analytischen Randbemerkungen versehenen hessischen Katechismus’, dessen Publizierung auch von den in Allendorf Versammelten begehrt und von der Regierung gewährt wurde, aber anscheinend nie erfolgt ist. »Alßdan auch hiebevor auff e[urer]. f. gn. h[err]n vatters, H[err]n L. Moritzenß zu Hessen, […] befehl undt anordnung, der in unsern kirchen und schulen des Nider Fürstenthums Hessen ubliche und gebreuchliche catechismus, umb bessern verstands, und damit die jugend und menniglich umb so viel mehr erbawet werden möchte, durch randfragen analysirt, mit notis erklert, und mit sprüchen der h[eiligen]. schrifft bestetigt; und darbey eine information, wie man solchen catechismum treiben, und also recht und erbawlich catechisiren soll, abgefasset, solch catechismus-werck auch im 274 Paul Stein an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1632 Mai 6, StAM 318 Kassel, Nr. 1321; der Text des Briefes stammt nicht von der Hand Paul Steins, lediglich die hier sehr zittrig wirkende Grußformel und Unterschrift. 275 Heppe: Beiträge zur Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens im 17. Jahrhundert, S. 15: »Im Jahre 1613 hatte er [Landgraf Moritz, A. J.] nemlich eine Commission niedergesetzt, welche die Kirchenordnung von 1574 sowie die älteren von 1539 und 1566 prüfen und über eine zweckmäßige Umarbeitung derselben Vorschläge machen sollte. Die Commissiion lieferte ihr Votum im Anfange des folgenden Jahres ein […]«.

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Jahr [1]621 von gewissen, darzu deputirten geist- undt weltlichen räthen, superintendenten und theologen, collegialiter revidirt und approbirt276 auch nach der hand von mihr, auff erlangten consens, und deßwegen an mich abgangenen befehl des geistlichen consistorii, den pfarhern meines becircks solcher modus catechisandi recommendirt, und bey den visitationibus und sonstet, indem ich selbsten in ihrem beisein die examina catechetica angeregter massen gehalten, und ihnen die rechte praxin gezeigt, eingeführet; deme sie die pfarhern meines becircks dan hernacher in catechisatione gefolgt, und seit der zeit darauß mercklicher nutze, durch Gottes gnade, bey der jugend geschaffen worden; und es aber beschwerlich fellet, vorgemeltes catechismus werck so offt, als es die notturfft erfordert (sonderlich, da es auch ebener massen im Rottenbergischen becirck eingeführet werden solte) abzuschreiben, zu dem auch, durch solch vielfältiges abschreiben, daß werck selbst, wegen seiner vielen verschiedenen zahlen, buchstaben, und anmerckungen, welche gar leicht im abschreiben verruckt und versetzt werden können, depravirt werden möchte; so haben die sämbtliche metropolitani ebner massen gebeten, ist auch unanimiter für rathsam und erbawlich erachtet worden, daß mehrgemeltes catechismus werck dennechsten in truck verfertigt werden möchte; zu mahl, weil solcher analysirter catechismus eben der vorige, und im geringsten nicht geendert ist, nur daß aus Lutheri catechismo zwo fragen von der h[eiligen]. tauff, wider hinein geruckt seind, daß man deßwegen von den widersachern sich keines newen streits, noch auch sonstet bei der kirchen einiger ergernus zu befahren hat.«277

Nach der Wahl des Superintendenten am 20. Mai 1634, dem Vorbringen der vier (bis auf das letzte, eine policeyordnungsrechtliche Frage betreffende) im engeren Sinne geistlichen Gravamina und der Auszählung der Stimmen, hat am folgenden Mittwoch, dem 21. Mai »der bezirck Rottenberg bey gefüegte gravamina ubergeben«, die in der Relation Jungmanns und Neubergers in 15 Punkte geordnet präsentiert werden.278 Der erste, der seine unter Punkt 14 und 15 der Relation aufgezählten Gravamina schriftlich übergeben hat – nach der Überschrift sogar schon am 20. Mai 1634 –, war der Pfarrer der Gemeinde Reichenbach in der Klasse Lichtenau, Andreas Osius. Was er anführt, wirft ein Licht auf die spezifische Problemlage dieser Gemeinde und der Pfarrer generell in dieser Zeit. 276 Heppe: Die Verfassung der evangelischen Kirche im ehemaligen Kurhessen, S. 30: »[…] im Jahre 1621 ließ Moritz mit einer Conventsordnung und einer Instruction für die Katechisation zugleich eine Presbyterialordnung aufstellen, an deren Publication er nur durch äußere Verhältnisse gehindert ward«. 277 Paul Stein an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1632 Mai 6, StAM 318 Kassel, Nr. 1321. Zum Schicksal des von Paul Stein ergänzten hessischen Katechismus’ siehe auch den Nachtrag Neubergers zum Inventar der von Stein übernommenen Superintendentur, StAM 318 Kassel, Nr. 4 (untere Hälfte der vorletzten beschriebenen Seite): »Den geschrieben Hess. Catech. mit den scholis hab ich uf f[ürstliche]r. cantzley, weil er gedruckt werden sol, H. Dec. Wetzelio selbst zugestelt am 7. Martij 1651«. 278 Aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3v).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

1. »Der kirchthurn undt das kirchengebaw seindt gantz bawfellig, undt müßen in dießem jar, wo sie nicht in einen hauffen fallen söllen, nothwendig restaurirt werden. 2. Das Pfarrhaus undt uff dem pfarrhoff stehende gebew seindt auch gantz zerbrochen, das vor dem ungewitter undt regen selbige nicht sicher können bewohnet, auch haußraht, vieh undt früchte darinnen bewahret werden. Wenn denn vor dießem der Landt Commenthur zue Marpurgk uber die pfarr Reichenbach collator gewesen, undt aber ietzunder unserm g. f. undt herr die collatur anheim gefallen, als bittet der pfarrer unterthenigk umb mittel ihne zue praesentiren, dadurch die kirchen undt pfarrgebew möchten reparirt werden, in erachtung es der kirchen an inkommen ermangeln will, dannenhero nottwendige kosten verschoßen werden möchten. 3. Weil ich auch berichtet werde, das man mein dinstgesinde zum kriegswesen nehmen wöltte, als bitte ich unterthenig meiner damit zu verschonen, dieweil ich den ackerbaw zur pfarr gehörig selbsten bestellen undt darvon meine unterhaltung haben muß, undt aber selbsten nicht zu acker fahren kan, auch solches meiner vocation zuwieder.«279

Die Pfarrei Reichenbach mit ihren Filialen Hollstein, Hopfelde und Wickersrode war bis 1634 eine Patronatspfarrei des Deutschen Ordens, Andreas Osius war – zumindest bis 1657 – der letzte Pfarrer, der noch vom Landkomtur zu Marburg einen Lehnbrief erhalten hat.280 Der Deutsche Orden hat dementsprechend auch für die Bauunterhaltung gesorgt, Holz aus seinen Wäldern zur Verfügung gestellt und Geldzuschüsse gegeben. 1634 hat allerdings Landgraf Wilhelm V. dem Deutschen Orden das Patronat über die Pfarrei entzogen, war aber nur sehr eingeschränkt bereit, auch die damit verbundenen finanziellen Pflichten zu übernehmen, weshalb sich der Pfarrer von Reichenbach ausdauernd mit den Filialen über von ihnen zu erbringende Dienste und finanzielle Beiträge zum Erhalt der zur Pfarrei, Schule und Kirche gehörenden Liegenschaften stritt. Die Filialen ersuchten zum entschiedenen Unmut der Regentin Amelie Elisabeth sogar den Landkomtur in Marburg, das Patronat über die Pfarrei Reichenbach und die zugehörigen Filialen wieder zu übernehmen, um ihren Dienst- und 279 Wahrscheinlich eigenhändige »Gravamina des Pfarrers zue Reichenbach [Andreas Osius, A. J.], uff dem zue Allendorff in denen Soden, am 20ten Maij, des 1634. Jars, wegen Eines newen Superattendenten Election, gehaltenem Synodo, denen von dem durchleuchtigen undt hochgeborenen Fürsten undt Herrn, Herrn Wilhelm, Landtgraffen zue Heßen, Fürsten zue Buchen, Graffen zue CatzenElbogen, Dietz, Ziegenhain undt Nidda, Herrn Deputirten undt Commissarien in unterthenigkeit ubergeben«, in StAM 315 a, Nr. 31. 280 Magnus Hartung, Pfarrer zu Reichenbach, an den Superintendenten Johannes Hütterodt, Reichenbach 1657 April 13, KKAE Best. 3, Nr. 107 a (darin Brief Nr. 32); den lose einliegenden, Reichenbach betreffenden Briefen in diesem Kasten lassen sich auch die übrigen Vorgänge entnehmen.

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finanziellen Beitragsverpflichtungen zu entgehen. Schon 1634 muss der bauliche Zustand der Pfarrgebäude und der Kirche nach den Gravamina Osius’ in einem bedenklichen Zustand gewesen sein, der sich durch den Patronatsentzug und die Intensivierung der Kriegsereignisse noch verschlimmerte.281 Auf das Verhältnis von Landesherrschaft und intermediären Gewalten, das an diesem Beispiel greifbar wird, und die mittendrin stehenden Pfarrer wird im Verlauf der Arbeit ausführlicher eingegangen werden. Auf die Beschwerden über die Baufälligkeit von Kirche und Pfarrgebäuden erteilte die Regierung 1634 den Bescheid, sie wolle den Schaden »besichtigen, und zur sache thun«; hinsichtlich der Bitte um Verschonung vom Kriegsdienst seines zum Ackerbau benötigten Gesindes antwortete die Regierung dem Pfarrer, er solle sein Anliegen »bey den kriegs commissariis« suchen.282 Die von Caspar Josephi eigenhändig niedergeschriebenen Gravamina, die er als Metropolitan der Klasse Allendorf einreichte, lassen an zwei Beispielen deutlich werden, dass auch fast drei Jahrzehnte nach Einführung der reformierten Verbesserungspunkte immer noch eine vehemente Adelsopposition gegen sie und damit gegen das landesherrliche ius episcopale bestand. »Gravamina in der Class Allendorff 1. Der pfarrer zu Aspach, unterm Hauß Altenstein gelegen, klagt daß er undt seine antecessores dabevor auf dem Hauß Altenstein, gegen eine gewiße besoldung, den Gottesdienst verwaltet undt geprediget, weil aber Juncker Otto Wilcke von Bischofshausen den reformationspuncten zuwider gewesen, hat er den Gottesdinst ufm hauße nicht bedienen dürffen, derowegen ihme der Juncker die besoldung endtzogen, unangesehen I. f. g. L. Moritz hochlobß[eligen]. andencken ihme befohlen dem pfarrhern seine besoldung zu geben. Bittet demnach underthenig, daß ihme die nachstendige besoldung vom Hauß Altenstein, endtrichtet, auch hinkünfftig, gegen verrichtung deß Gottesdinsts, unweigerlich verabfolget werden möge.283 2. Der pfarrer zu Albungen berichtet, daß die Dieden auf dem Haus Fürstenstein in vorjahren eine newe capel gebawt, undt dem pfarrer zu Albungen, den Gottesdinst alle sontage darauff zu verrichten, eine gewiße beßoldung verordnet haben, welches auch von L. Wilhelm hochlobl. gedechtnuß, confirmiret worden, weil aber Diede den reformationspuncten zuwider, wolle er den Gottesdinst auf dem hauße durch 281 Dazu ausführlich Junghänel: Der Entzug des Patronats des Deutschen Ordens über die Pfarrei Reichenbach (Hessisch Lichtenau) 1634 und die Folgen. 282 Von Neuberger eigenhändig notierter Bescheid der Regierung zu den unter den Punkten 14 und 15 zusammengefassten, die Pfarrei Reichenbach betreffenden Gravamina des Bezirks Rotenburg, in StAM 315 a, Nr. 31. 283 Zum Altenstein: König / Kollmann / Lange: Der Altenstein 1329–2004, S. 9f. zum Verhältnis der Familie von Bischofshausen zum Altenstein, die 1438 von Landgraf Ludwig von Hessen mit dem Schloss und den Zugehörungen belehnt wurde und dieselben 1643 aus Finanznot an die landgräfliche Regentin Amelie Elisabeth verpfändete; zur Herkunft, Bedeutung und zum Schicksal der Familie siehe auch S. 18 Anm. 3.

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ihn den Pfarrer nicht verrichten laßen, doch gebe er ihme die verordnete besoldung, habe aber etliche mahl den Gottesdinst durch einen lutherischen pfarrer auff dem hauße verrichten laßen, bittet demnach der pfarrer ihn zu befehlichen, wie er sich in disem casu verhalten solle»284«, den in dem vergleich ao. 93 austrücklich versehen, daß Albungensis pastor die capele lavieren sole.«285

Zum thematischen Komplex dieser in die Relation Jungmanns und Neubergers unter den Gravamina des Bezirks Rotenburg als Punkte 12 und 13 eingegangenen Beschwerungen gehören auch noch die folgenden: »Das die lutherische nobiles in ihren häusern durch fremdte lutherische prediger predigen laßen, auch wohl ihre underthanen darzue einladen, wie dem zu remedijren. […] 10. Der pfarherr zue Stüntzebach [= Dünzebach, A. J.] schmehet starck uf unsere religion und prediger, kombt nit, da er ad conventum gefordert wird, maßen er auch bey diesem synodo nit erschinen, im gebet da umb erhaltung götliches worts gebeten wirdt, setzet er hinzue, nach lutherischer art und weise, helt absonderliche catechisation in seinem hause, und macht große confusion. […] 11. Zue Bischhausen in Boineburgischem gericht, hadt noch kein underthan communiciret, müssen ohne zweiffel abgehalten werden«.286 7.

Der in Punkt 10 genannte Pfarrer von (Nieder-) Dünzebach ist aus der archivalischen Überlieferung als Johann Döringer (auch: Duringkman, Döringman) bekannt. Er wurde 1627 von Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt während dessen Pfandherrschaft über niederhessische Ämter auf Bitten Friedrich Hermanns von Boyneburg, genannt von Hohenstein, als Lutheraner anstelle des

284 Eigenhändig von Caspar Josephi – dem Metropolitan der Klasse Allendorf, der nach der Wahl 1634 zum Superintendenten des Bezirks Rotenburg ernannt wurde – niedergelegte Gravamina seiner Klasse, in StAM 315 a, Nr. 31. 285 So die Ergänzung Caspar Josephis zu dieser Stelle in seinem Bericht über die Wahlsynode vom 20. Mai 1634 im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 348. Bei Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 166 wird unter den Pfarreien der Klasse Allendorf zu »Albungen, wohin der Fürstenstein eingepfarrt ist«, bemerkt: »Wann der Besitzer des Fürstensteins selbst anwesend ist; so muß der Pfarrer in der im Schlosse befindlichen Capelle, welche in der v. Diedischen Lehn-Specification steht, eine Predigt halten. Vermöge des zwischen Georg und Hans von Dieden und dem Superintendenten Christian Gravius den 18. Jul. 1593 errichteten und vom Herrn Landgrafen Moritz am 7ten Oct. desselben Jahrs bestättigten Vergleichs, soll die Collatur dieser Pfarrey der gnädigsten Herrschaft und den von Diede wechselsweise zustehn. Der hiesige Prediger wird demnach einmal frey ; bey der nächsten Vacanz aber auf die von den v. Diede erhaltene Präsentation bestellt«. 286 Aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 4rv).

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reformierten Pfarrers Johann Lobetanus zu Niederdünzebach eingesetzt.287 Er wird noch 1634 bei einem Konflikt mit dem 1627 im Amt gelassenen Schulmeister Johann Klein, der nicht weiß, welchen Katechismus er unterrichten soll, den hessischen oder den lutherischen, in einem Bericht Hütterodts an den Superintendenten Caspar Josephi genannt.288 Auf die damit in den Gravamina angesprochene Problematik der Folgen der hessen-darmstädtischen Pfandherrschaft und den Umgang mit den während dieser Zeit vereinzelt eingesetzten lutherischen Pfarrern nach der Rückgabe der Pfandämter an Hessen-Kassel wird im Laufe der Arbeit ausführlicher eingegangen. In den im Bericht Josephis wiedergegebenen Resolutionen der Kasseler Regierung auf die Gravamina des Bezirks Rotenburg heißt es zum Fall des Niederdünzebacher Pfarrers, hier als Punkt 4 unter die »special gravamina der Claß Eschwege« gesetzt, es wolle die Regierung an den Junker von Boyneburg schreiben, damit der Pfarrer »die conventus besuche, vom lestern ablaße, oder soll seines dinsts endtsetzt werden«; in seiner Aufzählung der Spezialgravamina ergänzte Josephi, nicht nur stifte der Pfarrer mit seinem Verhalten »bey den zuhörern groß ergerniß«, sondern er sei außerdem »ein rechter ignorant, auch in sehr hohem alter, das er zu verrichtung des ambts fast untüchtig«.289 Das Gravamen bezüglich der lutherischen Adligen, die ortsfremde Prediger auf ihre Häuser holten und dazu die Untertanen einluden, spitzte Josephi in seiner Formulierung noch mehr zu und zeigt damit, wo das eigentliche Problem lag: »daß etliche der nobilium, so sich lutherisch nennen, nicht allein in die kyrche nicht gingen, sondern auch in ihren heusern absonderliche conventus hielten, wobey sie andere classicos pastores, auch wohl auß frembdter herschafft gebrauchen, undt ihre

287 Schreiben Boyneburgs an Georg II., Jestädt 1626 September 28, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 1 u. 5; Bitte Friedrich Hermanns von Boyneburg an den Superintendenten, Georg Herdenius, und die ganze theologische Fakultät zu Marburg um einen lutherischen Prediger für Niederdünzebach, aus Jestädt, ebenfalls vom 28. September 1626, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 2f.; Statthalter, Amtsverweser, Kanzler und Räte an Friedrich Hermann von Boyneburg, Marburg 1626 Oktober 2: Landgraf Georg könne sich in der Angelegenheit der Einsetzung lutherischer Pfarrer in den niederhessischen Pfandämtern »gewißer ursachen halben« noch nicht erklären, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 4 (Konzept); ein Schreiben Friedrich Hermanns von Boyneburg an Georg II. aus Jestädt vom 19. März 1627, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 65–67 und ein Konzept Georgs II. an Friedrich Hermann von Boyneburg aus Darmstadt vom 21. März 1627, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 68. 288 Johannes Hütterodt, Pfarrer an der Altstädter Kirche zu Eschwege und Metropolitan der Klasse, an Caspar Josephi, Superintendent des Bezirks Rotenburg, Pfarrer zu Allendorf und Metropolitan der gleichnamigen Klasse, Eschwege 1634 Juli 20, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (zweites Schreiben nach dem Umschlag »Betr. Diemerode«), mit Beilage eines Erklärungsschreibens des Schulmeisters Johann Klein an Hütterodt aus Niederdünzebach vom 15. Juli 1634. 289 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 351, 347.

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underthane darzu locken, wodurch dan den ordentlichen pastoribus gar weit in ihr ambt eingegriffen würde«.290

Zum dritten Gravamen in diesem Komplex, dass zu Bischhausen im Boyneburgischen Gericht noch keiner der Einwohner das Abendmahl nach reformiertem Ritus eingenommen habe und der Ansicht, sie würden »ohne zweiffel abgehalten werden«, ordnete die Regierung an, »soll der newe superintendens hinziehen, und mit den leuten absonderlich reden«.291 Die Reaktionen der Regierung offenbahren, dass ihr besonders durchschlagende Machtmittel nicht zur Verfügung standen oder sie es zuerst mit den ülicherweise angeforderten Berichten und Ermahnungen versuchen wollte. Noch an anderer Stelle äußerte sich beharrliche adlige Obstruktion gegen das landesherrliche Kirchenregiment, das gegen die konfessionelle Überzeugung der Adligen verstieß: »Wan geldstraf vermüge der kirchenordnung von den ergerlichen und ungehorsamen auditoribus exigirt wird, oder auch wohl deswegen von den presbyteris erinnert werden, understehen sich etzliche nobiles solches zue verhindern und zue verbieten, auch wohl etzlicher orten die senioren derohalb zue incarceriren«.292

Damit in Zusammenhang steht wohl auch der erste Beschwerdepunkt unter den »generalgravaminibus«, »[d]aß die policey[-] undt presbyterialordnung an vielen orten, und sonderlich unter den nobilibus nicht gehalten würde«.293 Bei der durch die lokalen Adligen verhinderten Erlegung der Kirchenbuße fasste die 290 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 347. 291 Von Neuberger eigenhändig notierter Bescheid der Regierung zu Punkt 11 der Gravamina des Bezirks Rotenburg, in StAM 315 a, Nr. 31. 292 Aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (Punkt 9 der Gravamina des Bezirks Rotenburg, in dem Stück das Zitat auf fol. 3v); auch diesen Punkt fasst Josephi in seinem Bericht im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg detaillierter, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 347, so schreibt er, beträfen die Spezialgravamina »Auß der Claß Eschwege« unter Nr. 3 den Punkt, »wen gelts straf, nach f. kyrchenordnung, von ergerlichen undt ungehorsamen auditoribus exigiret wirdt, auch die delinquenten deßwegen nur durch die presbyteros erinnert werden, das alßdan etliche unter den nobilibus entweder solches zu erlegen verbiethen, oder die delinquenten bedrewen, wan sie der kyrchen solche straf erlegen, sie ihnen gleichfallß so viel geben solten, geschicht auch wohl daß an etlichen ortten die seniores daruber incarceriret werden«. 293 Aus der Aufzählung der Gravamina des Rotenburgischen Bezirks in der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3v); Josephi überschrieb die Spezialgravamina der einzelnen Klassen mit der Bemerkung: »Neben vorgesetzten, von den metropolitanis subscribirten generalgravaminibus, sind etliche special gravamina auch ubergeben worden«, Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 347.

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Regierung offenbar strengere Maßregeln ins Auge, indem sie den Informanten Anonymität zusicherte: »Soll specificirt werden, wer die nobiles seyen, so solches thun, wirtt f. regierung solchs nicht offenbahren, von weme es herkomme, undt raht finden«.294 Die gleiche Beschwerde scheint auch bei der Wahl Neubergers zum Superintendenten des Bezirks Kassel im Dezember 1634 vorgetragen worden zu sein, woraufhin Landgraf Wilhelm V. – möglicherweise auch noch als späte Reaktion auf die Gravamina des Rotenburger Bezirks bei der Superintendentenwahl im Mai 1634 – am 30. Dezember dieses Jahres ein gedrucktes Ausschreiben an die Adligen (»Veste Liebe Getrewen«) ergehen ließ: »Veste Liebe Getrewen: Demnach bey jüngstem allhier gehaltenem Synodo/ der mehrertheil vnserer Pfarrer/ vnder vorbrachten ihren gravaminibus, sich vornemblich vber die zerfallene Kirchen-Discilin/ verachtung deß Gottesdiensts/ auch nichthaltung vnserer auß höchstdringender Noht auffgerichten PreßbyterialOrdnung/ beschweret/ vnd daß auff jhr erjnnern vnd nachsuchen sie wenige oder wohl gar keine Hülffe vnd Handtbietung haben könten/ Ja eins theils Vnserer Landsassen von Adel/ selbst die jenige weren/ welche daran am meisten schuldig. Vnd Vns dann deme also nachzusehen/ vor GOtt vnverantwortlich seyn wil: So ist hiermit Vnser ernster Befelch/ Will vnd Meynung/ daß jhr bey höchster Vnser Vngnade/ vnd ohnfehlbarer vnaußbleiblicher Bestraffung/ nicht allein vor euch selbst dem Gottesdienst/ mit besuchung der Predigten vnd Betstunden/ auch gebrauch der heiligen Sacramenten/ fleissig abwartet/ vnd ein Gottseliges erbares Leben führet/ vnd ewren Hintersassen vnd angehörigen/ mit gutem Exempel darinn vorgehet/ sondern auch mit vnd neben vnsern bestellten Predigern darauff sehet/ vnnd darüber mit ernst haltet/ daß Vnserer Kirchen- vnd Preßbyterial-Ordnung allenthalben nachgegangen/ der GOttesdienst vnd gute KirchenDisciplin bey den Zuhörern erhalten/ vnd zu dem ende die Verbrechere vnd Widerspenstige/ wann sie auff vorgangene Ermahnung sich nicht bequemen wollen/ vnnachlässig/ Vnserer Ordnung gemeeß/ angesehen vnnd bestraffet/ vnnd vber solchen Ordnungen mit ernst/ steiff vnd vest/ gehalten werde. Dieses/ wie es zu abwendung deß noch trieffenden Zorns GOttes vber vnsere Sünd/ vnd abwendung der wohlverdienten Straff gereicht/ Also ist es Vnser ernster Befelch/ vnd Wir verbleiben euch mit Gnaden wolgewogen. Geben in Vnser Stadt vnd Vestung Cassell den 30. Tag Decembris/ Anno 1634«.295

Die für die Kirche spürbarsten Auswirkungen hatte der Krieg vor allem durch die zäher fließenden Einkünfte der ausgepressten, ruinierten oder geflohenen

294 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 350 (Nr. 3 unter den Resolutionen »Auf die special gravamina der Claß Eschwege«). 295 Gedrucktes Ausschreiben Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel (wahrscheinlich) an die Adligen seines Landes, Kassel 1634 Dezember 30, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (letztes Stück im Konvolut).

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Bevölkerung, was sich auch in mehreren der bei der Superintendentenwahl in Allendorf vorgebrachten Gravamina niedergeschlagen hat. 1. »Daß die geistlichen beneficia und stifftungen bey diesen krigszeiten nicht in acht genommen würden, und sehr in abfall kämen. […] 5. Weill die kirchen gefälle an den meisten orten zuerück bleiben, und darüber kirchen und schuldiener ihre besoldung nicht bekommen können, daß derhalben ahn die beampten und nobiles ein general befehlch ertheilet werden möchte.«296

Die von der Regierung auf den fünften Beschwerdepunkt gegebene Resolution: »Soll ein gemein patent außgehen«,297 führte offenbar tatsächlich zu einem solchen. So heißt es in einem fast ein Jahr nach der Allendorfer Superintendentenwahl ergangenen, allem Anschein nach wie gewünscht an Beamte und Adlige (»Ehrnveste gute freunde«) haltenden gedruckten Ausschreiben der Kasseler Regierung, mit dem ein 1628 ins gesamte Land ergangenes erneuert wurde, nach der Aufforderung des ersten Teils, die Untertanen angesichts »deß noch trieffenden Zorns Gottes« nachdrücklich zu fleißigerem Besuch »der Sontags[-] Bettags- vnd Wochen-Predigten/ auch der angeordnetten täglichen Bettstunden« zu ermahnen, im zweiten Teil: »Als wir dann auch ferner/ von jetzigem Superintendenten berichtet werden/ daß nicht allein ein ansehnlicher Rest von betagten Zinsen und Gefällen/ in die Gotts- vnd Armenkästen/ Hospitalien vnd Siechenhäuser/ hin und wieder außstehen sollen/ sondern auch/ daß auf obgedacht vnser Außschreiben/ darin auch dieserthalben befehlich geschehen/ nit das wenigste erfolget sey/ und derowegen vmb anderwärtige Ernstere verordnung zu thun gebeten: Als ist in Nahmen vorhochg[edachten]. vnsers gn. F. vnd Herrn/ hiermit unser nochmaliges ernstes begehren/ daß ihr sampt den Pfarhern eweren hindergesessenen Kastenmeistern und vorstehern mit Ernst anbefehlet/ daß sie ihre liquidationes der Kästen- und Siechen-Rechnungen/ mit benennung der personen/ vnd specificirung der Summen/ was jeder nachständig/ dennechsten euch vorlegen/ darauff die debitores, in beyseyn der Vorstehere/ vor euch kommen lasset/ sie über den specificirten Außstand höret/ vnd dabey/ was dessen gestanden werde oder nicht/ verzeichnet/ Vnd wann solches also geschehen/ alßdann die specificationes, daß solche durch der debitorn gestandnüß rectificirt sey/ neben den Pfarhern unterschreibet/ vnnd darauff die Censiten und Schuldner zu gehöriger zahlung/ so viel geschehen kan/ anhaltet: Diejenige auch/ so Capitalien in die Kästen schuldig/ und darüber keine Verschreibungen vorhanden/ zu heraußgebung genugsamer Versiche-

296 Aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3v–4r) 297 Von Neuberger eigenhändig notierter Bescheid der Regierung zu Punkt 5 der Gravamina des Bezirks Rotenburg, in StAM 315 a, Nr. 31.

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rung anhaltet/ damit also Kirchen vnd Gotteshäuser/ vnd Arme/ derentwegen vngefähret seyn mögen«.298

In diesem Zusammenhang begegnet auch noch ein weiteres, immer wiederkehrendes Thema: die von den Beamten für Amtshilfe in Kastensachen verlangten, »Helfgelder« genannten Gebühren. 3. »Wan an die canzeley in kirchen[-], matrimonial[-], scortation[-] und dergleichen sachen geschrieben werde, ob die bescheide abzulösen, daß geld von den kirchen gefällen oder umb sonst abgefolget, wie auch von den beampten die hülf ohne entgeldnus verrichtet werden soll.«299

»Würdt umbsonst von der cantzley gefolget. Auch sollen die beamten umbsonst der kirchen hülff leisten, und so die beamten ja hülffgelder haben wollen, sollen sie sie von denen fordern, die die hülffsuchung verursachen«, so lautet der Bescheid der Kasseler Regierung in den Notizen Neubergers.300 Dass die Beamten insbesondere zur Eintreibung von Kastenschulden ihre Hilfe nicht umsonst gewähren wollten, war in den kommenden Jahren noch wiederholt Thema von Ausschreiben. Am 24. August 1638 veranlassten die seit langem rückständigen Einkünfte aus Zinsen und Gefällen in die Hospitals-, Gottes- und Armenkästen sowie die Not der Provisoren und Vorsteher, die bei den Beamten »vff vielfaltiges nachsuchen vnd vorhero abgeforderte vnd erlegte hülff gebür theils zu keiner würcklichen execution gelangen« und für jedes erneute Ansuchen »jederzeit vnnd also bißweilen zum dritten/ vierten vnnd mehr mahlen die Helfgelder erlegen müssen«, ein Einschreiten der Regierung: »Wann aber ein solches den rechten und der Ordnung zu wider/ […] sonderlich auch da bey diesen betrübten Zeiten die Hospitalien vnnd Armen Kasten vffs eusserste erschöpffet/ vnnd nicht verantwortlich/ daß einiger Beampter sich derogestalt mit der Armen grosser Beschwerung bereichern solle.

298 Gedrucktes Ausschreiben der Fürstlich Hessischen Regierung zu Kassel (wahrscheinlich) an Adlige und Beamte des Landes, Kassel 1635 März 19, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (vorletztes Stück im Konvolut). 299 Aus der Aufzählung der Gravamina des Rotenburgischen Bezirks in der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 3v). 300 Von Neuberger eigenhändig notierter Bescheid der Regierung zu Punkt 3 der Gravamina des Bezirks Rotenburg, in StAM 315 a, Nr. 31. Im Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 350 findet sich unter Nr. 4 der Resolutionen auf die Generalgravamina eine etwas anderer Formulierung: »In Kyrchensachen soll bescheit umbsonst von der cantzley verabfolgt werden, auch sollen die beambten der kyrchen umbsonst huelff leisten undt so die beambten je helffegeltt haben wolten, solchs von denen fordern welche die huelfsuchung verursachen. Sed contrarium in usu esse rea[lis?]«.

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Als ist anstat Hochermeltes vnsers Gn. F. vnd Herrn/ vnser ernster Befehl hiermit an alle vnd jede Jhro Fürst. Gn. Beampten/ daß sie vff gehöriges nachsuchen der Hospitalien Provisorn vnd Castenmeister so viel müglich gegen der Hospital vnnd Kasten censiten vnd Debitores wo nicht vmb sonst/ doch vmb ein billich beliebnüß zu jhrem rechten schleunig verhelffen/ vnd solche Ambtsgebür eher nicht biß nach erfolgter würcklichen execution von besagten Hospitalien Kirchen vnnd Kasten Vorstehern abnehmen sollen/ mit dero Verwarnung/ da gegen ein oder den andern/ daß er diesem vnserm befehl nicht pariret/ mit bestandt außgeführet werden solte/ daß derselbe vnserm Gn. Fürsten vnd Herrn mit wilkührlicher Straffe heimgefallen vnd nicht verschonet seyn solle«.301

In einem Ausschreiben Theophil Neubergers vom 20. August 1639 an die Metropolitane seines Bezirks heißt es gleich zu Beginn, vermutlich bezogen auf das eben angeführte Schreiben von Vizekanzler und Räten: »Würdige, wohlgelarte, günstige vnd gute freunde, hiebey habt ihr zu empfangen, erstlich einen befehl f[ürstliche]r. regirung an die beamten wegen der hülff in kirchen und kastensachen: welchen befehlch ihr verwarlich auffheben, und nicht eher, als denn es die noth erfordert, und dasjenige, darunder der befehlich gehet, vorfelt, produciren und gebrauchen sollet«.302

Das Problem bestand aber fort. Noch drei Jahre nach Neubergers Tod ließ Landgraf Wilhelm VI. am 22. Januar 1659 auf Anregung Johann Heinrich Stöckenius’, des zweiten Nachfolgers Neubergers im Amt des Kasseler Superintendenten, erneut ein Patent ergehen. Es seien »ohnahngesehen voriger superintendenten fleisiger undt ernsten ahnreg- undt erinnerungen, sie die vorstehere dennoch zu richtiger liquidation der nachgeführten starcken recessen keinesweges zu bringen gewesen«. Daher befahl er »allen undt jedem unsern hohen undt niederbeampten, sampt bürgermeistern undt rathn in denen stätten, wie auch unseren mit gerichtbarkeit versehenen adelichen landtsaßen crafft dieses unsers offenen patents […], […] alle undt jeden under ihrer ampts bottmäßigundt gerichtbarkeit geseßenen kirchen-, kasten-, hospitals-, siechen-, undt armen vorstehern bey einer nahmhafften straff« zur rechtzeitigen und fristgemäßen Verfertigung und Vorlegung ihrer nachständigen Rechnungen anzuhalten sowie auch zur »richtige[n] liquidation aller receßen«, fälligen, nicht 301 Gedrucktes Ausschreiben des Vizekanzlers und der Räte Landgraf Wilhelms VI. von Hessen-Kassel an alle Beamten im Land, Kassel 1638 August 24, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 92 und 239; dieses Ausschreiben findet sich auch in StAM 315 i, Paket 5 (im untersten Bündel, oben auf). 302 Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel 1639 August 20, LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg Nr. 121 (darin das 4. Stück mehrerer an einer Heftlasche [im Konvolut 8. Stück von hinten] zusammengebundener Schriftstücke; nur Ort, Datum und Unterschrift von Neubergers Hand); das eigenhändige Konzept Neubergers für dieses Ausschreiben findet sich in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 103r–104v.

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gelieferten Einnahmen, da der Superintendent »dan sonder unserer handtbiethung solch hochnöthige werck seines orths schwerlich zu erhaben getrauete, undt zue besorgen wehre, dafern es länger in sothaner ohnrichtigkeit beruhen undt verbleiben solte, das kirchen-, schulen-, undt hospitalswesen zu gäntzlicher ruin undt abgang kommen möchte«. Gleichfalls wolle er den Adressaten hiermit gnädig und ernstlich befohlen haben, »das soofft unndt dickmahl sie in kirchen, schulen, hospitalien, siechen- undt armen heüser ahngehenden sachen belangt werden, es sey zu administrirung der justitz oder umb hülff zu eintreibung deroselben receßen, richtigmachung der liquidationen, schulden, intraden undt gefälle, wie das nahmen haben mag, sie denen kirchen[-], kasten[-], hospital- siechen- undt armen vorstehern undt dero abgeferttigten, die hirunter benöthigte rechts- undt amptshülff gleich in unsern eigenen sachen ohne einig endtgeldt, beliebnüs oder amptsgebür, (von gerichtlichen obligationen undt wehrschafften aber jegen ein billichmäßig undt leidtliches beliebnüs) schleunig undt unverzüglich erweißen undt wiederfahren laßen sollen«.303

Ein weiterer im Mai 1634 anlässlich der Versammlung zur Wahl eines neuen Superintendenten des Bezirks Rotenburg von den Metropolitanen vorgebrachter Beschwerdepunkt zeigt an einem anderen Komplex, wie eng die Geistlichen in die Finanz- und Herrschaftsstruktur der Landgrafschaft eingebettet waren. So wird im achten durch den Kammerdirektor Jungmann und den damaligen Hofpredigers Neuberger in ihrer Relation von der Wahlsynode aufgenommenen Gravamen darauf hingewiesen, »[d]aß im ampt Treffurdt in der müntze eine unordnung vorgehe, und das kopstück vor 7 groschen erlegt werde, dardurch die kirchen gefälle geschmälert werden, wird begehrt derohalben an den amptman zue Treffurdt befelch zu ertheilen«.304

Der Bescheid der Regierung, »Weil es dreyherrisch, können wir der müntz halber alda nichts ordnen«, mit der Randbemerkung »Bitten nachmahls umb ein schreiben an die 3 beampten«, weist auf die besondere Situation zu Treffurt hin und zeigt überdies, dass Neuberger die Notizen mit der Resolution der Regierung, aus denen dieses Zitat stammt, bei der Einführung des neuen Superintendenten 303 Geschriebenes Patent Landgraf Wilhelms VI. von Hessen-Kassel an alle seine hohen und niederen Beamten, Bürgermeister und Rat in den Städten wie auch die mit Gerichtsbarkeit ausgestatteten adeligen Landsassen, Kassel 1659 Januar 22, StAM 315 l, Nr. 17 (mit einem gut erkennbarem papiergedeckten Wachssiegel des Landgrafen); der Konsistorialrat, Superintendent und Hofprediger Stöckenius bat den Landgrafen, dass »wihr dem armuth zum besten sothane nachtrückliche verordnung hierunter (weniger nicht, als damit gedachten vorstehern bey denen beampten undt obrigkeitten die amptshülff in justitz-, schuldt- undt andern armen sachen sonder endtrichtung einiger ampts gebür verstattet werde) ergehen zue laßen gnedigst geruhen wolten«. 304 Der achte Beschwerdepunkt aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 4r).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Caspar Josephi am 11. Juni 1634 in Allendorf offenbar ablas und Wünsche der versammelten Metropolitane am Rand vermerkte, bevor dieses Blatt zu den diese Superintendentenwahl betreffenden Akten der Regierung ging. Treffurt war eine Ganerbschafft, die das reformierte Hessen-Kassel zusammen mit dem lutherischen Kursachsen und dem römisch-katholischen Kurmainz regierte; außerdem gab es zu Schnellmannshausen, einem – neben Langula, Falken und der Vogtei Dorla sowie, je nach Sichtweise, Großburschla – zur Ganerbschaft gehörenden Ort, noch Einflussrechte Sachsen-Eisenachs. Dass es in einer solchen Konstellation, wenn die Ganerben vor Ort noch dazu durch eifrige Amtsvögte vertreten wurden und die jeweiligen Regierungen im Verbund mit den verantwortlichen Geistlichen – für Hessen-Kassel dem reformierten Superintendenten des Bezirks Rotenburg, für Kursachsen dem lutherischen Superintendenten zu Langensalza – eine entschiedene Geltendmachung ihrer Rechte betrieben, zu konfessionellen und herrschaftlichen Spannungen kam, war absehbar.305 Das Gravamen macht in diesem Rahmen erneut die Angewiesenheit der Kirche auf finanzielle Einkünfte deutlich, für die auch ein geordnetes Münzwesen Voraussetzung war.306 Wenn in Hessen-Kassel in den Kirchenrechnungen hauptsächlich der Gulden zu (in der Regel) 26 Albus auftaucht und daneben das Kopfstück und der Reichstaler als Münzsorten existierten, kommt in Treffurt nach sächsischem Münzsystem der Groschen hinzu.307 Das Verhältnis von Kopfstück und Groschen stand offenbar in Treffurt in einem schlechteren Verhältnis als das Kopfstück umgerechnet zu den im hessen-kasselschen Kernland gültigen kleineren Münzsorten, was Beschwerden über die dadurch bedingte Minderung der »kirchen gefälle« hervorrief. Ein letzter Punkt beleuchtet eine Bevölkerungsgruppe, die den evangelischen Geistlichen in missionarischer Absicht ganz besonders am Herzen lag: die Juden. Über sie heißt es an vierter Stelle der in der Relation Jungmanns und Neubergers aufgezeichneten Gravamina des Bezirks Rotenburg: »Daß die Juden zue unsern kirchen zue gehen angehalten werden mögen, und unsern sabbath heyligen müsenn.«308 305 Siehe hierzu: Jendorff: Condominium, S. 285–497. Ein großer Teil der hessen-kasselschen Überlieferung zu den geistlichen Angelegenheiten in der Ganerbschaft Treffurt liegt in KKAE Best. 4 Treffurt; Best. 4 Langula; Best. 4 Großburschla; Best. 3, Nr. 107 a (ein Bündel Briefe betreffend Schnellmannshausen 1656–57; ein Bündel Briefe betreffend Falken 1654– 55). 306 Dies bestätigt auch eine im Copialbuch der Superintendenz Kassel, StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 60r, enthaltene Aufstellung über den »Valor der Reichsthaler« zwischen 1606 und 1622, angefangen dass ein Reichstaler im Jahr 1606 der gewöhnlichen Festlegung von 32 Albus entsprach, stieg sein Wert über mehrere Stufen, bis er im Laufe des Jahres 1622 das 25fache seines ursprünglichen Wertes erreicht hatte. 307 Siehe: Berwinkel: Münzpolizei in geteilter Landesherrschaft, insbes. S. 73 mit Anm. 37. 308 Der vierte Beschwerdepunkt aus der Relation Jungmanns und Neubergers von der Allendorfer Superintendentenwahl, StAM 315 a, Nr. 31 (in dem Stück das Zitat auf fol. 4r).

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Caspar Josephi wird in seinem Bericht von der Wahlsynode noch konkreter, bei ihm heißt es, dass die Metropolitane unter anderem klagten, »weil die jueden an unßerm christlichen sabbaht allerley parthirung undt wucher unter den leuten treiben, ob demnach die juedenordnung nicht zu ernewern, die jueden unsern christlichen gottesdinst zu besuchen, undt den sontag, so wohl als die christen zu feiren bey ernster straf angehalten werden möchten«.309

Der von Neuberger notierte Bescheid der fürstlichen Regierung lautete: »Soll mit I. f. g. deswegen geredet werden der juden halber«.310 Just in diesem Jahr, 1634, allem Anschein nach allerdings schon vor der Allendorfer Wahlsynode, wurde den Juden – wie schon unter Landgraf Philipp dem Großmütigen – von Wilhelm V. befohlen, christliche Predigten zu besuchen, wogegen sich die Judenschaft an die Marburger Juristenfakultät wandte, die zu dem Schluss kam, dass man die Juden zum Besuch dieser Predigten nicht zwingen könne.311 Landgraf Moritz hatte sich in seiner »Resolutio principis« noch einem ihm von den Geistlichen angetragenen scharfen Vorgehen gegen die Juden in Kassel mit der einschränkenden Formulierung verweigert: »Denn ihnen wohl wissend, das ich kein judenhäger bin, ausser dem das ich sie im lande dulde«, die er auf einem »auf gutachten des ministerii dahir« eingereichten Gesuch seines damaligen Hofpredigers Paul Stein vom 9. März 1622 als Mitteilung an seine Geheimen Räte notierte.312 Unter der Witwe von Moritz’ Sohn Wilhelm V., der Regentin Amelie Elisabeth, wie auch unter deren Sohn, Landgraf Wilhelm VI., wurden die missionarischen Bemühungen in Hessen-Kassel intensiviert, indem 1646 eine letztlich nicht publizierte Judenordnung fertiggestellt, zwischen 1647 und 1652 Judenpredigten gehalten und dazu ein eigener Katechismus ausgearbeitet wurden;313 als ein wichtiger Beförderer dieses Bekehrungsversuchs und entschie309 Bericht Caspar Josephis im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 346 (Nr. 5 unter den Generalgravamina). 310 Von Neuberger eigenhändig notierter Bescheid der Regierung zu Punkt 4 der Gravamina des Bezirks Rotenburg, in StAM 315 a, Nr. 31. 311 Cohn: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hessen-Kassel, S. 71. 312 Der Hofprediger Paul Stein an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Kassel 1622 März 9, StAM 315 a, Nr. 602 (Rectoseite des 3. Stückes im Konvolut). Daraus zitiert Cohn: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hessen-Kassel, S. 66f. Anm. 5, wo er statt »Judenhäger« irrtümlich liest, Moritz sei »kein Judenjäger«. Im Kirchenkreisarchiv Eschwege befindet sich unter der Signatur Best. 3, Nr. 1873 eine überlieferungsgeschichtlich interessante Abschrift dieses Stücks; das separat an 29. Stelle dieses Konvoluts einliegende Stück gelangte allem Anschein nach in den Zusammenhang dieser Überlieferung als Beilage zu einem eigenhändigen Schreiben Paul Steins an Caspar Josephi, Kassel 1622 Juni 19, das in diesem Konvolut an dritter Stelle von vorn einliegt. 313 Cohn: Beiträge zur Geschichte der Juden in Hessen-Kassel, S. 71–75; Friedrich: Zwischen Abwehr und Bekehrung, S. 164–169; Brunner : Theophilus Neuberger, S. 573–579; zur beabsichtigten Judenordnung siehe die Hinweise in HLO II, S. 126.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

dener, theologisch motivierter Gegner der Juden gab sich der Eschweger Superintendent Johannes Hütterodt zu erkennen.314 Die Betrachtung der auf der Synode zur Wahl des Superintendenten des Bezirks Rotenburg am 20. und 21. Mai 1634 in Allendorf vorgebrachten Gravamina offenbart diese als ein Panorama kirchenverwaltenden Handelns der damaligen Zeit, das Einblick in zahlreiche Problemlagen und das gegenseitige Aufeinander-Angewiesensein von kirchlicher und weltlicher Sphäre gibt. Dieses Panorama soll im Verlauf der Arbeit detaillierter entfaltet werden.

2.

Kommunikationsstrukturen und -strategien, die dafür genutzten Formen kirchlichen Verwaltungsschrifttums sowie individueller Arbeitsorganisation und der Wert der »Repositur«

Informationen und die zu ihrer Gewinnung, Übermittlung und Verarbeitung eingesetzten Methoden stellen die Basis aller sachlich angemessenen Verwaltungsarbeit dar.315 Im Hinblick auf die Probleme und Regelungsbedürfnisse standen die unterschiedlichen Verwaltungsebenen im Austausch miteinander, sodass im Prozess der Herrschaftsvermittlung von einem ständigen Geben und Nehmen gesprochen werden kann. Zentrales Organ an der Spitze der Kirchenverwaltung war das Konsistorium, das 1611 – nach dem Erlass der Konsistorialordnung im Vorjahr – seine Arbeit aufnahm.316 1624 wurde es aufgrund der territorialen Verschiebungen von Marburg nach Kassel verlegt, wo dessen Zuständigkeiten 1627 der Regierungskanzlei angegliedert wurden,317 bevor es 1657 erneut als eigenständige Kasseler Behörde begründet wurde.318 Die Richtschnur der Kirchenpolitik gab der Landgraf vor. Bevor dieser Bereich nach dem Vorbild anderer Territorien und den Konzepten führender Kirchenverfassungsrechtler einer eigenen Be314 Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 73f.; Ders.: Vergebliche Bekehrungsversuche; die organisatorische Überlieferung dazu findet sich in KKAE Best. 3, Nr. 1873 (im hinteren Teil, in einem Umschlag mit der Aufschrift »Acta, betreffend Judenpredigten. 1651.«), dazu näher Junghänel: Das Zusammenleben von Juden und Christen, die Missionspredigten von 1647 bis 1652 und die zeitweilige Vertreibung der Juden aus Rotenburg 1650. 315 Siehe hierzu die Beiträge in: Brendecke / Friedrich / Friedrich (Hgg.): Information in der Frühen Neuzeit. 316 Menk: Absolutistisches Wollen, S. 215 mit Anm. 242. 317 Auch wenn das Konsistorium 1627 in Kassel mit der Regierung verbunden wurde (zum Jahr siehe die Notiz im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 269 [Rückseite; die Paginierung wurde nicht konsequent durchgeführt]), so dauerte die Bezeichnung fort, da mit der Wahrnehmung der geistlichen Geschäfte offenbar weiterhin besondere Personen betraut waren. 318 Geänderte Konsistorialordnung vom 12. Juli 1657, in: HLO II, S. 445–461.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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hörde anvertraut worden war, war mit der Wahrnehmung der sich aus der Kirchenhoheit des Landgrafen ergebenden Aufgaben die Regierung betraut. Regierung bzw. Konsistorium und Landgraf tauschten sich über die Leitlinien der Arbeit und zu klärende Fragen aus. Während Berichte über Regelungsbedürfnisse und den Stand der Implementation von Vorgaben von den der Vollzugsarbeit in den Gemeinden näherstehenden Ebenen – vor allem den Superintendenten – an Regierung oder Konsistorium kommuniziert wurden, gingen andere Anfragen, etwa in Ehesachen, auch direkt von den Untertanen ein. 1668 wurden die Zuständigkeiten des Konsistoriums erneut der Regierung, nun dezentral in den einzelnen Provinzen übertragen.319 Zumeist an der Abgrenzung der der weltlichen Verwaltung dienenden Ämter der Landgrafschaft orientiert, waren die Pfarreien zu Klassen zusammengefasst, denen ein Metropolitan, mit Sitz in der Stadt, in der das Amt seinen Verwaltungssitz hatte, vorstand, der bei die ganze Klasse betreffenden Angelegenheiten oder Bitten um Ermittlungen in einer zu seiner Klasse gehörenden Pfarrei der erste Ansprechpartner des Superintendenten war. Die Gemeindeglieder, zugleich Untertanen, waren Ausgangspunkt und Regelungsobjekt allen kirchenverwaltenden Handelns. Der Superintendent stand als vermittelndes Glied zwischen der Gemeinde und der Landesherrschaft. Post vom Superintendenten: Geistliche Verteilmechanismen

Ein bevorzugtes Mittel der landes- oder superintendenturweiten Kommunikation waren Ausschreiben. Auf Anordnung des Landesherrn bzw. seiner Regierung ließen die Superintendenten Bekanntmachungen von Gebeten, Feiertagen o. ä. – meist mit eigenem Begleitschreiben – oder Ermahnungen zur Dispziplin, aus selbst empfundener Notwendigkeit, an die Pfarrerschaft ihres Bezirks ergehen, in der Regel vermittelt über die Metropolitane, die den Empfang auf dem Begleitschreiben mit Ort, Datum und Uhrzeit bestätigten und das Schreiben an den nächsten in der Reihe weiterleiteten, bis es als Beleg für die überall erfolgte Kenntnisnahme wieder beim Superintendenten ankam.320 »Es soll ein jeder Metropolitanus hierauf sein hand und nahmen, das er dieß schreiben entpfangen und gelesen, zeichnen oder sonsten den botten ein recepisse zurück geben, damit man dieses orts, das es allenthalben gelieffert, gewiß sein könne.«321 319 Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 45; Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 68 Anm. 17. 320 Ein ähnliches System zur Verteilung seiner Zirkularschreiben verwendete Jacob Jovius, Superintendent im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, Zech: Reformation als Herausforderung, S. 53. 321 Der Kasseler Superintendent Paul Stein am 2. Februar 1627 bei der Übersendung eines Konsistorialschreibens an die Metropolitane seines Bezirks, in dem sie zur Standhaftigkeit gegenüber den von Hessen-Darmstadt in den Pfandgebieten vorgenommenen religiösen

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Auf die gleiche Weise verbreiteten die Metropolitane die Mitteilung an die Pfarrer ihrer Klasse.322 Entwürfe oder unterschriebene Rückläufe in der Überlieferung der Superintendenten323 oder Metropolitane und bei letzteren geführte Protokollbücher mit Abschriften der vom Superintendenten empfangenen Ausschreiben,324 legen Zeugnis ab über die Entstehungsumstände der Schreiben Änderungen ermahnt werden, StAM 340 v. Dörnberg, Nr. 1594 (an vorletzter Stelle im Konvolut). Am Ende eines Ausschreibens Theophil Neubergers aus Kassel vom 12. Februar 1647 heißt es: »Ein jeder soll hirauff verzeichnen, wann er diß schreiben bekommen, und der letzte soll es wohl verwahrt wieder einschicken«, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 69f., hier fol. 70r mit den Unterschriften (beginnend auf fol. 69v) der Pfarrer von Bovenden, Grebenstein, Hofgeismar, Trendelburg und Gottsbüren, wobei letzterer vermerkt: »Gottsbeüer den 6. t. Mart. empfangen undt wegen Königsmarks völcker marche an der Weser, nicht ehe können forttschicken, als den 9. tag eiusdem frühe morgents«, was ein Schlaglicht auf den Einfluss der Kriegsereignisse auf die Kommunikationswege wirft; keine Unterschrift findet sich von den Pfarrern zu Wolfhagen und Zierenberg, an die das Schreiben ebenfalls adressiert war. Dasselbe Schreiben schickte Neuberger »Samtlichen Pfarrern Amts Caßel uf der Ahne« (Klasse Ahna), deren Metropolitan er war (Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 47, § 13), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 140f., auf fol. 141v finden sich die Kenntnisnahmevermerke der Pfarrer von Wolfsanger, Hohenkirchen, Obervelmar, Heckershausen, Weimar, Dörnberg, Ehlen (es fehlt: Simmershausen). 322 Siehe LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg, Nr. 121 (erstes Stück im Konvolut): Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel 1650 Juni 18, zum Umgang mit vagierenden Bettlern, im Postscriptum verbunden mit der Bitte um ein Verzeichnis der Pfarrerswitwen jeder Klasse zur Erleichterung der Zuteilung der Prädikantenwitwensteuer, das der Gudensberger Metropolitan als Rundschreiben an einen Teil der Pfarrer seiner Klasse schickte (Grifte, Besse, Metze, Niedenstein, Merxhausen, Sand, Balhorn, Elben und Elberberg [»Elbendorf«]), die alle hinter dem vorgeschriebenen Ortsnamen ihre Kenntnisnahme mit Tag und Stunde vermerkten und es an den nächsten in der Reihe weiterleiteten, sodass es am Ende wieder beim Metropolitan ankam. Die Klasse Gudensberg war für solche Fälle allem Anschein nach eingeteilt in zwei »cursus epistolarum«, zumindest enthält das Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22) auf fol. 1v eine Aufstellung der »Sedes pastorales divisae juxta ordininem cursus epistolarum«. Die hier adressierte Gruppe stellt demnach die zweite Abteilung dar, zur ersten gehörten die Orte: Gudensberg, Obervorschütz, Obermöllrich, Geismar, Heimarshausen, Lohne, Kirchberg und Wehren. 323 In StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 119f. findet sich z. B. von Neubergers Hand der Entwurf zu seinem bereits erwähnten Ausschreiben vom 12. Februar 1647 (»Ausschreiben wegen achterley puncten«, so der Rückvermerk auf fol. 120v). Neuberger schickte das Schreiben vom 12. Februar zum einen an von Kassel aus im nördlichen Teil der Landgrafschaft gesessene Pfarrer und Metropolitane (fol. 69f.), zum anderen an die Pfarrer seiner eigenen Kasseler Klasse »auf der Ahna« (fol. 140v). In diesem »Copialbuch« finden sich noch weitere Entwürfe und zurückgelaufene Ausschreiben mit den Kenntnisnahmevermerken der Empfänger, ein herausragendes Beispiel ist der Herrschaftsübergang von Landgraf Moritz auf seinen Sohn Wilhelm V., den der Kasseler Superintendent Paul Stein zwei Tage später den Pfarrern seines Bezirks per Ausschreiben an die Metropolitane vom 19. März 1627 zusammen mit dem Formular eines Gebets mitteilte (»Copialbuch«, fol. 188– 193). 324 So in dem als Kopialbuch dienenden Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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und ihre Verbreitungswege. Im Postscriptum zu einem Ausschreiben des Konsistoriums an die Superintendenten vom 1. Juni 1652 heißt es: »Demnach man auß unterschiedlichen vorkommenden fällen spuret, daß viele pfarrer die bißhero außgelaßene befelche undt außschreiben wenig beobachtet undt keine extracte, vielweniger copias, umb sich jederzeit darnach haben zu achten, darvon behalten, alß habt ihr es dahin zu richten, daß ein jeder pfarrer seyn gewis copialbuch oder ein solch kyrchenbuch habe, darin er die außschreiben undt befelche, wo nicht gahr abcopiret, doch die summam undt inhalt deroselben umbstendig verzeichne undt vor augen habe, damit nicht nöthig seye einerley befelch so offt außzufertigen«.325

Was das Anliegen dieser Forderung war, wie man sich das Funktionieren dieser Einrichtung vorstellte und wie die Verbreitung solcher Kommunikate abgewickelt wurde, macht an einem konkreten Fall ein kurzes Begleitschreiben Neubergers zur Übersendung einer erneuerten Feiertagsordnung an die Metropolitane vom 5. Mai 1649 noch anschaulicher : »Hiebey werden exemplaria der new ufgelegten feyertagsordnung326 für ewre ganze claß ubersendet, davon in jedere hauptkirche eins gehört. Und sollen die pfarrer solche ordnung zuvorderst selbst fleissig halten, und das volk auch selbige zu halten, vermahnen, die exemplaria auch wol und besser, alß bißher, ufheben und verwahren, sich darin uf alle fälle haben zu ersehen, und sie jährlich uf Trinit. abzulesen. Es sollen billich alle u. jede pfarrer bey ihrer kirchen ein copialbüchlen haben, darin sie alle außschreiben vnd befehl, wo nit gantz von wort zu wort, doch das, so eigentlich befohlen ist, abcopijren. Dan ich in der that auß dem vielfeltigen anlauffen der leüte spüre, daß viel solche befehl nur obenhin lesen, und dan auß der acht lassen, nemlich in denen dingen, die nit nur einen actum betreffen, wie die befehl von fast- und bettagen, 325 LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 392 (1. Stück im Konvolut); ohne Adresse (Abschrift?), aber sicher an den Superintendenten des Bezirks Allendorf (auf der ersten Seite findet sich oben links der Vermerk: »restituatur Superintendenti«), zu dieser Zeit Johannes Hütterodt. Der eigentliche Anlass des Schreibens war, dass das Konsistorium festgestellt hatte, dass »so wohl ufm lande undt dörffern alß in den städten jezuweilen junge studenten, so im studio theologico kaum einen anfang gemacht, ohne vorhergehende prüfung undt vom superintendenten erlangte concession, von den pfarrern vffgestellet vndt offentlich zum predigen zugelaßen worden«. Da aber solches der Konsistorialordnung und vorhergehenden Befehlen zuwider, wie auch dem heiligen Predigtamt schimpflich sei, begehrten Präsident, Assessores und Räte des Konsistoriums vom Superintendenten, »daß ihr bey denen ewer inspection anbefohlenen Metropolitanis undt durch dieselbe bey den fratribus classicis die ohnfehlbare undt ernste verordnung thuet, damit bey vermeydung gewisser straffe hinfuro kein student, er seye wer er wolle, auch von pfarrers söhnen offentlich uff eine cantzel zu predigen zugelaßen werde, es seye dan, daß ihr ihn uff sein ansuchen zuforderst privatim gehört midt ihme conferiret undt ihme einen schein undt potestatem sich offentlich hören zu laßen gegeben habt, worauff er sich hernacher, wan er begehret wirdt, publice zu exerciren macht haben solle«. 326 Hierbei handelt es sich um das gedruckte Ausschreiben der landgräflichen Regentin Amelie Elisabeth mit Spezifizierungen zur Heiligung der Bet-, Fest- und Feiertage, auch des Sonntags, vom 28. April 1649, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 91.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

sondern die befehl von rechnungen und deren liquidationen, von ehesachen, hurensachen, und dergleichen. Sol demnach jeder metropolitanus eine copiam der ausschreiben alsoballt behalten, und die ausschreiben fortschicken, von seiner copia aber sollen alle fratres seiner claß darnach eine abschrifft vor sich machen und behalten, sich darnach jedezeit haben zu richten«.327

Ähnliche Befehle zur Aufbewahrung finden sich auch am Ende anderer Mitteilungen. Unter einem Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger vom 20. August 1639 zu verschiedenen Punkten, dem offenbar mehrere Exemplare eines Befehls der Regierung an die weltlichen Beamten zur Amtshilfe in Kirchenkastenangelegenheiten sowie einer Ordnung zur Kirchenstuhlvergabe und zur Erhebung von Kasualiengebühren beilagen, findet sich der Hinweis: »Es soll jeder metropolitanus copiam dieses schreibens behalten, in conventibus die besagte puncten desto besser in acht zunehmen. Von der uberschickten ausschreiben soll ein jeder metropolitanus zwei exemplar nehmen, deren eines er bei sich behalten, das ander den fratribus zu ihrer nachrichtung communicire. Nachdem auch ein metropolitanus diß gelesen und abcopirt, soll er dieß schreiben mit den übrigen exemplarien wohl versigelt dem folgenden metropolitano fortschicken, das es nicht in andere hende, wie leichtlich geschehen kann, komme«.328

Aufgrund des zum Teil brisanten Inhalts, der offenbarte, dass Pfarrer oft den Idealen ihres Berufs nicht gerecht wurden, sah sich der Superintendent veranlasst, die Pfarrer und Metropolitane zu besonderer Vorsicht und Sorgfalt beim Weiterschicken des Übermittelten anzuhalten. So heißt es am Ende eines Schreibens vom 27. Februar 1640, in dem Neuberger das Verhalten der Pfarrer bei der Forderung von Kasualiengebühren tadelte, ausdrücklich: »Diß alles sollen die Metroplitani mündlich ihren fratribus mit gelegenheit, wan sie sie antreffen, andeüten, und soll diß schreiben verschlossen nur den Metropolitanis, und zu letzt mihr wieder in einem versiegelten umbschlag zugeschickt werden, damit nit

327 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel »in eil« 1649 Mai 5 (Konzept), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 169. 328 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger (Ort, Datum, Unterschrift eigenhändig) an die Metropolitane und über sie an die Pfarrer seines Bezirks, Kassel 1639 August 20, LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg Nr. 121 (darin das 4. Stück mehrerer an einer Heftlasche [im Konvolut 8. Stück von hinten] zusammengebundener Schriftstücke. Ebenso im Ausschreiben Neubergers vom 26. Februar 1649 dem »copeylich« ein »Cantzley- und Consistorialbefehl« in Kirchendisziplinsachen beigefügt war, dass vor der Kirchenpoenitenz die weltliche Strafe abgelegt müsse: »Es soll ein jeder Metropolitanus copiam bey sich behalten, unnd selbige seinen fratribus communiciren etc. damit ein jeder bey sich haben, und sich darnach richten möge«.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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durch eines, oder des andern grobheit dem gantzen Ministerio, wan diess in andere hände käme, unglimpf und verachtung zuwachse«.329

Für den Transport der Briefe wurden zumeist Boten genutzt. Aufschlussreich für die Kosten, die dafür anfielen, sind die Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben von Visitiergeld (Visitierrechnungen) durch die Superintendenten, die – so zumindest die von Paul Stein geführten – sogar die einzelnen Anlässe auflisten, in denen Ausschreiben oder andere briefliche Mitteilungen transportiert werden mussten, sodass sie geeignet sind, das Gesamtbild bei der Rekonstruktion einzelner Vorgänge anschaulich zu ergänzen.330 Auf Seiten der Gemeinden sind es die Kirchen- oder Kastenrechnungen, die Ausgaben für den Botenlohn und den Anlass dafür auflisten und zum Teil sogar über die Person Auskunft geben, die die Botschaft überbracht hat (Abb. 8 und 9).331 329 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger an die Metropolitane zu Gudensberg, Felsberg, Borken, Homberg, Ziegenhain, Treysa und Neukirchen, Kassel, 1640 Februar 27: Staatsarchiv Marburg, Bestand 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 74r–75v. 330 StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621 bis 1738 [Magazin III K (Reihe) 5 (Stange 4)]. So enthält z. B. die von Paul Stein erstellte Visitierrechnung für das Jahr 1623 auf fol. 5rv unter der Überschrift »Ausgabe Bottenlohn« mehrere Punkte zum Konflikt mit der Adelsfamilie von Meisenbug um die kirchlichen Herrschaftsrechte in dem mit Waldeck strittigen Städtchen Züschen, zur Ermittlung ob Freudenthal eine Filiale der Pfarrei Borken sei und gibt weitere Ausgaben für den Transport von Briefen an: zur Einführung des Kaplans zu Niederurff und der Visitation in der Klasse Borken, für den Transport zweier Patente des Konsistoriums an die Metropolitane und weitere Pfarrer der Superintendentur Kassel, »die hospitall- und casten- pfar- und andern dergleichen geistliche guter belangent, wie dieselbe gewahret werden sollen« sowie für ein Schreiben, »wie es […] mitt der copulation frembter auslendischer soldaten, und deren bei sich habender dirnen gehalten werden sollte« und legt Rechnung ab über »1 fl. 20 alb. einem botten zu lohn und wartegeld gegeben, hatt in Johan Schleuters ehesach ein schreiben nacher Marpurg ans consistorium bracht«. Zur Unterstützung noch im Amt stehender Kirchendiener mit geringer Besoldung verschrieb Landgraf Philipp den Superintendenten 1540 die Einkünfte aus dem Kloster Spieskappel. Das aus dem Verkauf der Frucht resultierende Geld sollten sie an die bedürftigen Pfarrer im Land verteilen (Urkundliche Quellen II, S. 340 [Nr. 418]). 1542 tauschte Philipp die auf 1000 Gulden veranschlagten Einkünfte des Klosters Spieskappel, das er zur Unterhaltung der Festung Ziegenhain brauchte, »gegen eine Rente aus dem Salzwerk Allendorf«, die halb zu Ostern halb am 13. Dezember (Luciae) fallen sollte (Urkundliche Quellen II, S. 372 [Nr. 442]; die Ausfertigung dieses Verschreibungswechsels als Pergamenturkunde mit der eigenhändigen Unterschrift Landgraf Philipps liegt in StAM 315 l, Nr. 12). Daraus bestritten die Superintendenten auch die für die Visitationen anfallenden Kosten. Die Rechnungen über das Visitiergeld sind sowohl für die Superintendentur Kassel wie auch für Rotenburg (KKAE Best. 1, Nr. 33 [Visitierrechnungen 1622–1633, Superintendenten Reinmann und Fabronius]; KKAE Best. 2, Nr. 26 [Visitierrechnungen 1634–1665, Superintendenten Josephi und Hüttterodt]) in großer Vollständigkeit erhalten. 331 So vor allem ersichtlich aus der Kirchenrechnung von Reichensachsen für das Jahr 1651, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111 (»Rechnüng der angeordneten Kastenmeister zu Reichensachsen, Engelhardt Schmiedt undt Caspar Wagener uber Einnahme unndt Außgabe der Kirchen, de Anno 1651.«). Auf der vorletzten und letzten Seite heißt es dort unter der Überschrift: »Aüßgabe Zehrüng undt Bottenlohn« u. a. (vorletzte Seite): »3 alb[us]

Abb 8: KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111 Abb. 9: KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109 (Kirchenrechnung 1651) (Kirchenrechnung 1655) Die Aufstellungen zu »Außgabe Zehrung undt Botten Lohnn« bzw. »Außgabe Gemein« demonstrieren anschaulich, welchen Informationswert Kirchenrechnungen auch für die Kommunikations- und Herrschaftsgeschichte bieten (vgl. Anm. 328).

224 Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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»Kopialbücher« als Instrumente der Wissenssicherung

Auskunft über die Pfarr- und Schulverhältnisse, den Zustand der Kirchengebäude und das Inventar, einschließlich des Buchbesitzes, die Anzahl und Besoldung der Kirchen- und Schuldiener, die Patronatsverhältnisse332, Einnahmen, Rechte und weitere Punkte geben die zum größten Teil während der Amtszeit 6 h[e]ll[e]r Marta, Grieta Hennigkß schwester geben, welche zu Germeroda gewesen«, »2 alb[us]. Einem man von Eschwege geben, welcher schreiben bracht vom H. Superintendenten an unsern pfahrrern den 28. Augus.«, »3 alb[us]. 6 h[e]ll[e]r. Der post geben welche ein schreiben vom Consistorio zu Cassell unserm pfarrern bracht, welcheß an H. Caspar Möllern gehalten, wegen unsers schuldtheißen welcher zu Cassel den 3. t[en] oct[o]b. hat erscheinen sollen«, »4 alb[us]. zwey botten geben, welche schreiben bracht haben, vom H. Superintendenten, wegen der fürstlichen leiche zu Cassell« (Tod der Regentin Amelie Elisabeth am 8. August 1651, Buckreus: Der Körper einer Regentin, S. 31), (letzte Seite) »2 alb[us]. Botten Lohn einer magdt geben, welche ein schreiben bracht wegen eineß convents den 30. t[en] Novemb.«, »2 alb[us]. Botten Lohn einer frawen von Eschwege geben, welche schreiben bracht vom H. Superintendenten wegen der specification der pfar besoldung.«, »2 alb[us]. Einem Jungen geben welcher die kirchen censiten in die pfar gefordert«; kürzere Angaben finden finden sich in der Kirchenrechnung von Reichensachsen zum Jahr 1655 unter der Überschrift »Außgab Zehrung undt bottenlohn« (gleiche Signatur). Ausführlich sind ebenfalls die Angaben zum Botenlohn in der Kirchenrechnung von Jestädt zum Jahr 1655 auf der vorletzten beschriebenen Seite unter »Ausgabe Gemein«, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109; dort finden sich Einträge zum Botenlohn in Angelegenheiten betreffend u. a. den Tod des mit einem halben Jahr verstorbenen Sohnes Landgraf Friedrichs von HessenEschwege, den Tod des letzteren selbst und die daraufhin erfolgte Huldigung gegenüber den Kommissaren der beiden noch übrigen Regenten der Rotenburger Quart, den Söhnen aus der zweiten Ehe Landgraf Moritz’ von Hessen-Kassel, Hermann von Hessen-Rotenburg und Ernst von Hessen-Rheinfels (zum Komplex um den Tod Landgraf Friedrichs von HessenEschwege und seines Sohnes, siehe Löwenstein: Ein Drittel vom Viertel – Hessen-Eschwege in der Quart, S. 114–117). In der Kirchenrechnung von Grandenborn aus dem Jahr 1659 findet sich auf der vorvorletzten Seite unter der Überschrift »Ausgabe Bottenlohn« ein kurzer Eintrag über 2 Albus, die man einem Boten »wegen eines ausschreiben nach Breitau des Convents halben« gegeben hat (Breitau gehörte zur Klasse Sontra, Grandenborn jedoch zur Klasse Eschwege) sowie ein pauschaler Verweis auf weitere Anlässe, die »noch zu undterschiedtlichen mahlen« die Ausgabe von 6 Albus an Botenlohn rechtfertigten, KKAE Best. 4 Grandenborn, Nr. 4. 332 Über die Kirchenhoheit nach der Auffassung Hütterodts geben seine eigenhändigen Ausführungen im Kopialbuch Eschwege klar Auskunft: »Die kyrchen zu Eschwege haben vor alters zur erbpatronin gehabt, die abtissin auf dem adlichen nonnenkloster des berges Cyriaci, alß welche sich in denen schrifften, so vor dem brande bey der kyrchen gefunden worden, in anno 1522, 23, 26, 27 also genennet hat. Heute zu tage sindt patroni der kyrchen die durchleuchtige hochgeborne fürsten undt herren, Herren Herman, Herr Friedrich, Herr Ernst, allerseits gebrüdre, Landtgraven zu Hessen etc. unsre gnädige fursten undt herren, alß welchen dieser ortt in der F. Quarta in anno 1627 zugetheilet undt assignirt worden. Episcopus aber ist, nicht der Ertzbischoff zu Mentz, wie es von alters gewesen, sondern der durchleuchtige hochgeborne fürst und Herr, Herr Wilhelm Landtgrav zu Hessen etc. unser gnädiger regirender landes furst undt herr, alß welchem ex pactis et providentia majorum die superiorität in allem vorbehalten undt biß dahero exercirt worden« (Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, hier S. 4; ediert und mit Erläuterungen zu Personen und Sachen versehen von Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, hier S. 17f.).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Hütterodts entstandenen und von ihm beförderten, in der Regel nach Klassen zu sogenannten »Kopialbüchern« zusammengefassten Verzeichnisse333 mit Angaben zu den einzelnen Pfarreien samt ihrer Filialen, wodurch Hütterodt die Erinnerung an bestehende Rechte bewahren und den momentanen Zustand der Gemeinden nach der schwierigen Periode des Dreißigjährigen Krieges erfassen wollte.334 Hütterodt selbst lieferte im Kopialbuch von Eschwege eine Begründung für seine darin eigenhändig gemachten Aufzeichnungen; dieselbe Ratio dürfte ihn dazu bewogen haben, von den Pfarrern seiner Superintendentur ebenfalls die Anfertigung solcher Verzeichnisse zu verlangen. Da bei dem durch kaiserliche kroatische Truppen gelegten Brand Eschweges nach Ostern 1637335 »nicht allein bey der kyrchen undt der statt, wie auch allen anderen bürgern, alle rechnung, inventaria, obligationes, stifftungen undt nachricht verbrandt worden, sondern auch neben der zerstreweten bürgerschafft so bald beide prediger […] todts verfahren, allein aber M. Johannes Hutterodt der Altenstadt pfarrer bey dem leben blieben undt biß dahero, unangesehen er in demselben jaar des [Eschweger] brandes [1637] zu Cassel im Junio biß auf den todt gelegen, bey dem leben erhalten worden, so hat derselbige für eine hohe notturfft befunden, von allen solchen sachen, welche alhier zu Eschwege zu Gottes ehren, kyrchen u. schuelen zum besten undt der armen wohlfahrt gestifftet sindt, seine wissenschafft zu papier zu bringen undt den nachkommen zum besten zu hinderlassen, auch sonderlich denen, welche nach der zeitt von diesem unglück, wie der blinde von der farbe, urtheilen möchten zu begegnen.«336

Die bildliche Schilderung, die gebrauchten Wendungen und die Begründung für seine Niederschrift, verraten, dass Hütterodt einen Sinn für Geschichte und die Bewahrung der Erinnerung hatte, nicht nur aus ökonomischer Vernunft, um den Besitzstand der Kirche mit Land, Darlehenszinsen und Abgaben zu wahren, aus dessen Einkünften die Kirche ihre Aufgaben finanzierte, sondern auch darüber hinaus. So hatte eine von Hütterodt fortgesetzte und zum Teil von ihm mit 333 Dass die Ordnung und Zusammenfassung der Verzeichnisse nach Pfarreien einer Klasse schon auf Hütterodt zurückgeht, zeigt seine eigenhändige Bemerkung auf der ersten Seite eines Inventars der Kirche zu Schwebda vom 19. August 1634 im Kopialbuch der Klasse Eschwege (KKAE Best. 1, Nr. 23): »In dieses Buch gehört: Lüderdach, Röhrta, Datteroda, Grebendorff, Au, Fridt, Schwebda«. 334 Zu diesem Problem an einem Beispiel aus dem hier behandelten geographischen Raum mit Bezug auf Hütterodt, Diehl: Erinnerung und Erinnerungsverlust in der ländlichen Gesellschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg. 335 In den Aufzeichnungen des Lohgerbermeisters Cyriakus Kompenhans wird der 20. April 1637 als Tag dieses Ereignisses genannt, siehe den Abdruck bei König: Gedenke daran Eschwege…, S. 11. Genauer betrachtet und zurechtgerückt werden die Berichte über das Ereignis bei Fritsche / Wiegand: Eschwege 1637. Die Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg, S. 37. 336 Kopialbuch von Eschwege, StA ESW St. Schr. Fach 1, Nr. 25, S. 2f.; ediert bei Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 17.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Marginalien versehene Abschrift »Handlung mit den Widderteuffern in der [zur Ganerbschaft Treffurt gehörenden, A. J.] Vögtey Niderndorla durch Chursächsische undt F. Hess. Räthe. Anno 1564 Dienstag nach Nativitatis Mariae« schon zu seiner Zeit nur noch historischen Wert.337 Beachtung verdient, zu welcher Zeit Hütterodt sein Amt übernahm. 1637 ist als »Kroatenjahr« in die hessische Geschichte eingegangen, Orte und Kirchen wurden niedergebrannt, mit ihnen gingen Rechnungen und Verzeichnisse in Flammen auf. Die Ordnung und Organisation der Kirche und ihres Rechts funktionierte aber offensichtlich weiter und trug in ihrem eigenen, vor allem ökonomischen Interesse zur Bewahrung vor Erinnerungsverlust bei, indem die Neuverfassung verbrannter Kirchenrechnungen und die Befragung über Abgabenpflichten veranlasst wurde, wie schon der zweite, einen Tag nach seinem Amtsantritt verfasste Eintrag im Diensttagebuch Hütterodts zeigt: »Am 5. Nov. [1638] habe ich dem Allendorffischen collatorn, welcher daß alle ihre rechnungen verbrandt wehren, geclagt, eine neue rechnung über einnahm undt außgabe, gelt, frucht, wachs, federvieh etc. zu verfertigen, die debitores für die obrigkeit citiren, ihre bekändtnis von capitalien undt zinsen wohl protocolliren, undt folgendts mihr zu rectificiren undt censuriren überlieffern solle,« anbefohlen.

In der Kirchenrechnung der Gemeinde Jestädt für das Jahr 1655 haben sich unter den Eintragungen zu den allgemeinen Ausgaben Hinweise auf die Anfertigung eines Verzeichnisses erhalten. So wurden aufgewendet, zwei Albus »Bottenlohn, wegen der inventarien der kirchen, pfarr- undt schuel gueter, zinsen undt gerechtigkeiten« sowie 13 Albus »von selbigen inventarien dreymahl zu schreiben, ein exemplar naher Cassel, eins der adelichen obrigkeit [denen von BoyneburgHohenstein, A. J.], undt eins bey die pfarr« (Abb. 9 auf S. 224).338 Außer dem Kopialbuch der Klasse Rotenburg339 und dem der Klasse Sontra340, die von zwei rötlichen Pappdeckeln mit offenem Buchrücken mehr oder weniger 337 KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 3 (das Stück liegt als letztes in der Mappe, der Umschlag trägt von jüngerer Hand die Aufschrift »Wiedertäuffer in der Vogtey Niederdorla 1564«); im Text zitiert der Rückvermerk von Hütterodts Hand; die Abschrift des Vernehmungsprotokolls stammt wahrscheinlich größtenteils von dem Treffurter Pfarrer Theodor Sommer jr., nur am Ende der vorletzten und auf der letzten Seite ist die Abschrift von der Hand Hütterodts fortgesetzt. Am Ende notiert er : »Dieser Hans Dohna ist lange zeitt zu Treffurt auf dem alten schloß gefangen gehalten, endlich aber nach Oberndorla geführet undt verbrandt worden, wie Herr Theodoricus Sommer itziger hessischer pfarrer zu Treffurt am 5ten Febr. 1656 geschrieben hat. Concordare haec omnia cum originali testor Johannes Hutterodt pastor Eschwegiensis et vicinarum ecclesiarum superintendens m[anu]p[ropria]«. 338 Kirchenrechnung von Jestädt zum Jahr 1655 auf der vorletzten beschriebenen Seite unter »Ausgabe Gemein« der dritte und vierte Punkt von oben, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109. Eines der Exemplare des Jestädter Inventars konnte bis jetzt aber noch nicht gefunden werden. 339 StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 2. 340 KKAE Best. 1, Nr. 21.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

zusammengehalten werden, auf deren Vorderdeckel ein kunstvolles großes Scherenschnittetikett mit dem Namen der Klasse angebracht ist, sind alle anderen Kopialbücher in feste, mit schwarzem Papier bezogene dickere Pappdeckel eingebunden, mit einem auf dem Vorderdeckel angebrachten charakteristischen, im Vergleich zu Rotenburg und Sontra einfacheren und kleineren Scherenschnittetikett mit geschwungenen Rändern, das die einzelnen Pfarrorte aufführt, deren Verzeichnisse in dem Kopialbuch enthalten sind; zumindest die Einbände in der letzteren Form scheinen in ihrer bemerkenswerten Einheitlichkeit in der zweiten Hälfte des 19. oder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angebracht worden zu sein. Die Kopialbücher sind über das Kirchenkreisarchiv Eschwege (6 Exemplare),341 das Stadtarchiv Eschwege (3 Exemplare)342 und das 341 KKAE Best. 1, Nr. 19 (Klasse Lichtenau): Pfarreien Lichtenau, Walburg, Velmeden, Laudenbach, Reichenbach, Quentel, Retterode; KKAE Best. 1, Nr. 20: nur Kirche Allendorf an der Werra (das Kopialbuch mit den Inventaren der Pfarreien der Klasse Allendorf befindet sich in StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 1), besonders bemerkenswert sind hier die umfangreichen und genauen Verzeichnisse des Bücherbesitzes sowie das ebenfalls enthaltene Protokoll der Klassenkonvente zwischen 1660 und 1691 (S. 131–175, ab S. 144 unpaginiert) mit Nennung der Konventsorte seit 1643, zusammen mit den Namen der die Predigt haltenden Klassenbrüder und der von ihnen behandelten Stellen aus der Bibel oder der Augsburgischen Konfession; KKAE Best. 1, Nr. 21 (Klasse Sontra); KKAE Best. 1, Nr. 22 (Klasse Melsungen): Pfarreien Melsungen (1652 und 1664), Breitenau, Malsfeld, Wollrode, Dagobertshausen, Grebenau; KKAE Best. 1, Nr. 23 (Klasse Eschwege; das Kopialbuch stammt nach dem runden grünen von jüngerer Hand beschrifteten Signaturschild auf dem Buchrücken eindeutig aus dem Stadtarchiv Eschwege, wo es unter der Signatur »St[ahl]. Schr[rank]. I, Nr. 27« zu finden war): Pfarreien Röhrda, Renda, Lüderbach, Datterode, Grebendorf, Frieda, Schwebda, Aue, das Kopialbuch beginnt mit einem Blatt mit dem offensichtlichen Rückvermerk von fremder Hand: »Verzeichnis der Stifftung in der Stadt Eschwege Ao 1618«, unter dem Hütterodt notiert hat: »gefunden am 15 ten April anno 1645 unter M. Georg Reinmans s[eligen]. gewesenen pfarrers zu Grebendorff, brieffen«, dem folgen mehrere von Hütterodt eigenhändig beschriebene Blätter unter der Überschrift »Actum Eschwege am 3 ten Julij Anno 1663. Schenckenstifftung«, auf der Versoseite des zweiten zugehörigen Blattes heißt es als Überschrift unter Punkt 2 von Hütterodts Hand »Verzeichniß deren restanten worüber annoch obligationen vorhanden, undt nicht verlohren gehalten werden«, womit er ein weiteres Mal den Grund für die Anlage solcher Verzeichnisse nennt, die folgenden Blätter sind stark durch Mäusefras beschädigt (möglicherweise gehören diese Blätter von Hütterodts Hand mit Angaben zu den Eschweger milden Stiftungen zu dem Bericht Hütterodts im Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, wo die auf S. 4 dazu angekündigten Ausführungen fehlen), zu einer anderen Pfarrei: unter die jetzt angefertigte »Copia« des noch von dem Allendorfer Superintendenten Christian Grau im 16. Jahrhundert angeordneten »Erb undt stamm registers alles einkommens der pfarrn kirchen zu Rhörta […]«, notierte Hütterodt eigenhändig »Wan die faulen gesellen die successores hette[n] alwege die possessores fortgeschrieben undt das werck completirt, so wehre es gutt, aber nun ists ein tönendt ertz undt klingende schellen. Eschweg am 24 ten Julij Ao 1668«; KKAE Best. 1, Nr. 24 (Klasse Witzenhausen): Pfarreien Witzenhausen, Oberrieden, Hundelshausen, Ermschwerd, Ziegenhagen, Kleinvach, Kleinalmerode, Gertenbach, Berge, Eichenberg, Unterrieden, Dudenrode, Sattenhausen, Etzenborn.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Staatsarchiv Marburg (2 Exemplare)343 verstreut, im Landeskirchlichen Archiv Kassel findet sich darüber hinaus ein einzelnes »Inventarium uber die Kirch, Pfarr, und Hospital zu Sontra auffgericht und ubergeben in ao 1642«, das unter dem Titel einen eigenhändigen Präsentatvermerk Hütterodts trägt: »praes. Eschwege am 18 ten Janu: Ao 1643«.344 Wie einschneidend die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges für das kirchliche Leben waren, lässt sich neben vielen ähnlichen Darstellungen im Kopialbuch der Pfarrei Allendorf lesen: »Anno 1637 den 27. ten Aprilis, ist die schöne wohlerbawete stadt Allendorff an der Werra von den Croaten und kayserlichen kriegsvölckern under dem obristen Beyott und Geleen, vorsetzlich mit fewer angesteckt und von grund aus weggebrandt und gantz in die asche gelegt worden, in diesem brand sind auch gantzlich geblieben und in steinhauffen verkehret worden beyde schöne erbawte kyrchen, sambt einer köstlichen bibliotheca, davon nichts ubrig geblieben. Es sint auch durch diesen schrecklichen brandschaden in asche gelegt beyde schöne wohlerbawete kirchthürme, sambt denen darauf hangenden uberaus köstlichen glocken«.345

342 StA ESW, ohne Signatur (Klasse Spangenberg): Spangenberg, Elbersdorf, Bischofferode, Schemmern, Mäckelsdorf, Pfieffe, Konnefeld, Herlefeld, Landefeld, Heinebach, Neumorschen, Altmorschen, Mörshausen; StA ESW, ohne Signatur (Klasse Eschwege): Pfarreien Wanfried, Großburschla, Altenburschla, Heldra, Rambach, Weißenborn. Die Auflistung der enthaltenen Orte folgt, in ihrer heutigen Schreibweise, deren Reihung auf den Etiketten der Vorderdeckel der Kopialbücher, wo sowohl Mutterkirchen als auch deren Filialen aufgeführt werden, letztere allerdings nicht vollständig. StA ESW Fach 1, Nr. 25: Kopialbuch der Kirche zu Eschwege, zu Beginn auf S. 1–25 der eigenhändige (unvollständige) Bericht Hütterodts über Kirchen, Schulen, Hospital und Siechenhaus zu Eschwege (ediert und mit Erläuterungen zu Personen und Sachen versehen von Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 16f.), der aber nur die ersten beiden Punkte tatsächlich enthält und nach den Angaben zu »Des Rectoris [der Schule] competentz, sindt diese stücke« abbricht mit der Überschrift »Supellex ins Rectoris behausung«, Angaben von Hütterodts Hand zu den milden Stiftungen in Eschwege, ebenso wie ein dazwischenliegendes von fremder Hand stammendes Blatt über »Einnahm Geldt Erbzinse von Bürgern In Eschwege«, welches hierher gehören könnte und das auch Einträge zu Hütterodt und seinen Verwandten enthält, finden sich zu Beginn des Kopialbuchs der Klasse Eschwege in KKAE Best. 1, Nr. 23. 343 StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 1 [Akzessions-Nr.: 1939/48] (Klassen Eschwege und Allendorf): Pfarreien Albungen, Niederhone, Niddawitzausen, Germerode, Abterode, Frankershausen, Orferode, Dudenrode, Hitzelrode; StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 2 [Akzessions-Nr.: 1941/23] (Klasse Rotenburg): Pfarreien Rotenburg, Iba, Obersuhl, Mecklar, Braach, Seifertshausen, Solz, Ronshausen. 344 LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 20. 345 Kopialbuch Allendorf, KKAE Best. 1, Nr. 20, hier auf S. 41 der Beginn des Abschnitts »Von den supellectilien der kirchen, der pfarr, der caplaney, der schuel und der wohnheuser der schuelcollegen«; fehlender Seiten in der Paginierung nach, ist das Kopialbuch seiner ursprünglichen Anlage nach heute unvollständig.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Einige der Verzeichnisse erwähnen explizit, dass sie »auf Befehl« des Superintendenten Hütterodt entstanden sind, so zum Beispiel das der Pfarrei Reichenbach in der Klasse Lichtenau, dessen Titel lautet: »Verzeichnüss der Kirchen zue Reichenbach samptt denn filialn Wickersrodt, Hupfelda unndt Holsteinn, wie auch dess Pfarrers unndt Kirchendienersgefellen auff entpfangenen befelch dess Wohl Ehrwürdigen undt Hochgelahrten Ehrn: M. Johann Hütterots F. H. Superintendenten dess bezircks Rotenbergk unndt Pfarrers zue Eschwege verfertigett durch M. Magnum Hartungk Pfarrenn zue Reichenbach Anno Christi 1652.«346

Die frühesten Bestandteile der Kopialbücher stammen aus dem Jahr 1634,347 die spätesten aus dem Jahr 1683348, wobei der Schwerpunkt in den 1650er Jahren liegt und bis 1668349 reicht. Begonnen hat die Anlage von Verzeichnissen über die

346 KKAE Best. 1, Nr. 19 (Klasse Lichtenau). 347 KKAE Best. 1, Nr. 23 (Kopialbuch Klasse Eschwege): darin »Verzaichnus was die kirche zu Schwebda an erb- undt widerkeufflichen zinsen, an gelt undt frucht, jährlichen einkommens, item, an lenderey, wiesen, huet, und anderen gerechtigkeiten zue geniesen undt zue gebrauchen hat, auffgerichtet den 19 ten Augusti Ao 1634«; KKAE Best. 1, Nr. 21 (Kopialbuch Klasse Sontra): »Verzeichnis alles einkommens, güter so auch ausgaben der kirchen zu Sontra. Uberreicht in anno 1635«, »Verzeichnis aller Einkommen des Hospitals zu Sontra, wie auch desen ausgaben. Uberreicht in anno 1635«, »Verzeichnis allen einkommens der Sontrischen pfarr. Verfertiget im Jahr 1635« (im Jahr der Zerstörung durch kaiserliche kroatische Soldaten); das Kopialbuch enthält weitere Verzeichnisse zu Sontra aus dem Jahr 1652 (u. a. eine vollständige Gotteskastenrechnung); ein Inventar über Kirche, Pfarrei, Schule und Hospital zu Sontra hat sich erhalten im LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 20. 348 Der mit Unterschriften versehene und »Allendorf den 18. t[en]. Augusti 1683« datierte Beleg über die Richtigkeit und Ablieferung der aufgelisteten Bücher im Kopialbuch von Allendorf, KKAE Best. 1, Nr. 20 auf S. 78 ist eine Ausnahme, die zeigt, dass zumindest das Kopialbuch der Pfarrei Allendorf auch noch unter Hütterodts Nachfolger, Hieronymus Wetzel, Zuwachs erhielt, der 1676 seine Aufgabe als reformierter Inspektor von Schmalkalden abgab und Metropolitan von Allendorf wurde, wohin er auch zog. 349 Siehe z. B. den »Catalogus derer vernunfttigen seelen, so anitzo in der Gemeinde Rhörta sich befinden, aufgezeichnet bey gehaltener visitation den 22 ten Januarij Anno 1668«, geordnet nach »Ehemänner«, »Eheweiber«, »Söhne«, »Töchter«, »Knechte«, »Mägde«, »Im Wittiben Stande«, eigenhändig von Hütterodt geschrieben wie auch das anschließende

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Pfarreien unter dem Superintendenten und Allendorfer Metropolitan Caspar Josephi, seine Initiative setzte Hütterodt energisch fort. In seinen eigenen Aufzeichnungen für Eschwege geht Hütterodt auf die Vorarbeiten dazu ein und legt das ihn leitende Gliederungsschema dar : »Gar ein grosses hat in diesem theil geholffen, daß das ministerium in anno 1632 alle kasten-, hospitals- undt siechenhauses sache aufgesuchet, die obligationes besichtiget undt deren inhalt in ein eigenes copial eingetragen, welche auch dann durch Gottes segen unversehret geblieben undt in allem gutte nachricht geben können. Was aber alle geistliche sachen bey der stadt Eschwege anlangdt, bestehen dieselbigen in vier unterschiedenen stücken, als nemlich: 1. was die kyrchen undt deren zugehör belangdt, 2. was die schuelen betrifft, 3. wie es umb das hospital stehet, 4. undt umb das siechen hauß. Dabey dan auch zugleich andrer milden stifftung zu gedencken.«350

Als Bestandteil der Kopialbücher finden sich oft vollständige Kirchenrechnungen. Die Pfarreien legten auf Anforderung – wahrscheinlich um die Bestandserfassung zu aktualisieren – zum Teil Verzeichnisse zu denselben Gegenständen im Abstand mehrerer Jahre vor.351 Von einigen wenigen Pfarreien, darunter Jestädt und Reichensachsen aus der Klasse Eschwege, finden sich in den einschlägigen Kopialbüchern (Klasse Eschwege: KKAE Best. 1, Nr. 23; StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 1) keine Verzeichnisse, jedoch muss Jestädt, ausweislich seiner Kirchenrechnung zum Jahr 1655, (wie oben dargelegt) ein Inventar angefertigt haben; möglicherweise finden sich solche noch in den Pfarrarchiven vor Ort. Auffällig ist der in den Kopialbüchern des Superintendenturbezirks Rotenburg aufgeführte, zum Teil – so in Eschwege352 und Allendorf353 – bemerkenswert Bestands- und Einkünfteverzeichnis der Pfarrei Rhörda im Kopialbuch der Klasse Eschwege, KKAE Best. 1, Nr. 23. 350 Hütterodt im Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, hier S. 3f.; ediert und mit Erläuterungen zu Personen und Sachen versehen von Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 17. 351 Im im Staatsarchiv Marburg liegenden Kopialbuch der Klasse Eschwege (StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 1) findet sich ein »Verzeichnus und Nachrichtung was es mit der Kirchen und Pfarr Franckershausen, wie auch deren filialen für eine gelegen- unndt Beschaffenheit habe, durch mich Bartholomaeum Lautteman Itziger Zeit Pfarrern daselbst uff befehlch des wohlEhrwürdigen unnd Hochgelahrten Herren Superintendenten zue Eschwege verfertigt Anno 1641«, das vorhergehende Verzeichnis dieser Pfarrei aus dem Jahre 1636 wurde auf Befehl des Superintendenten zu Allendorf (Caspar Josephi) angefertigt, es folgt ein weiteres zu derselben Pfarrei aus dem Jahr 1650 und eine Kirchenrechnung aus dem Jahr 1644. 352 Ein im Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, eingebundenes kleineres Heft mit dem Umschlagtitel »Catalogus librorum Ecclesiae Eschuecensis. [von anderer Hand:] scriptus Anno 1659«.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

umfangreiche Buchbestand der Kirchen sowie das teilweise Vorliegen genauer Einwohnerverzeichnisse (für Röhrda und Lüderbach)354 oder Zuhörerverzeichnisse der Predigten (»Catalogus auditorum«)355. Erst jüngst sind auch für den Bereich der Superintendentur Kassel ähnliche, 1635 auf Betreiben Theophil Neubergers entstandene, allerdings nur tabellarische, vom Metropolitan der jeweiligen Klasse zusammengestellte und nach Kassel übersandte Verzeichnisse zu den Pfarreien und ihren Filialen, mit Nennung der Pfarrer, Opfermänner und Schulmeister sowie der jeweiligen Kollatoren aufgetaucht.356 Schon der Abschied einer zu Ziegenhain vom 8.–12. November 1622 gehaltenen Mittelpunktvisitation gibt einen Hinweis darauf, dass Verzeichnisse in derselben Form wie aus der Superintendentur Rotenburg bekannt, auch von den Pfarreien der Superintendentur Kassel gefordert wurden. Unter den »Capita generalia« in Punkt »XI. Von inventariis deren zu kirchen, casten und pfarren gehörigen beweglichen und unbeweglichen güttern« heißt es in diesem Visitationsabschied: »Damit der kirchen, casten und pfarren bewegliche und unbewegliche güter umb so viel ehe und besser gewahret, und von denselben nichts entkommen noch entwendet werden möge, so ist den sämbtlichen fratribus classicis anbefohlen worden, alle und jede der kirchen, casten und pfarren so wohl erb- und eigenthümliche, als auch zinsund zehendbare gütter, oder wie dieselbe sonsten immer nahmen haben mögen, neben den nahmen der jetzigen inhaber, und wo ein jedes stück gelegen, richtig aufzuzeichnen; wie dan auch die zun kirchen und pfarren gehörige mobilia, als kelche, tücher, hausrath, bücher und dergleichen, in ein richtig inventarium zu bringen, und 353 KKAE Best. 1, Nr. 20 (Kopialbuch der Kirche Allendorf). 354 Das »Verzeichniß der Innwohner und Dienstbothen des Dorfes Lüderbach, Anno 1668« (im Kopialbuch der Klasse Eschwege, KKAE Best. 1, Nr. 23; darin auch der 1668 bei einer Visitation von Hütterodt angelegte »Catalogus derer vernunfttigen seelen, so anitzo in der Gemeinde Rhörta sich befinden«) listet übersichtlich in tabellarischer Form 36 Häuser mit den Namen der Eltern, Söhne, Töchter, Knechte und Mägde auf. Zum »Adelichen Hauße« unter Nr. 36 gehörten zu dieser Zeit: »1. J[unke]r. Johan Wilhelm von Capella. 2. J[unke]r. Reinhart Ludwig von Capella. 3. J[unke]r. Christian Sittich von Capella. 4. J[unke]r. Hanß Henrich von Capella« mit insgesamt neun Bedienten vor Ort. 355 Im Kopialbuch der Klasse Rotenburg an der Fulda, StAM 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 2. 356 StAM 318 Kassel, Nr. 1722, als Umschlag dient ein Doppelblatt in insularer Minuskel (2. Hälfte, 8. Jahrhundert; Kloster Fulda?) mit dem Daniel-Kommentar des Hieronymus; die gesammelten Klassenverzeichnisse kamen bei seit 2015 stattfindenen Neuverzeichnungsarbeiten aus StAM 315 a, Nr. 325 zu Tage; darunter liegt auch ein »Catalogus der Diener am Wort Gottes des Becircks Rotenbergk. Im anfang Anno 1640« von der Hand Johannes Hütterodts; als vorletztes Stück ist ein Blatt eingeheftet, auf dem Theophil Neuberger die jährliche Besoldung der Pfarrei Willershausen in der Klasse Eschwege notiert hat; das letzte Blatt bietet von unbekannter Hand eine »Designatio der pfarren, pfarrherrn, und opfermannern, wie auch der H[errn] Collatorn, der Kirchen In der Herrschafft Bleße«; zu Beginn hat Theophil Neuberger versucht, die Angaben auf einem Blatt zu systematisieren.

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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solche verzeichnusse und inventaria den järlichen castenrechnungen anzuhengen, auch jederzeit, was järlich an mobilien new erkaufft und erzeuget wird, solchen inventariis richtig einzuverleiben«.357

Verzeichnisse über die Besoldung (Kompetenz, Bestallung) der Pfarrer eines Superintendenturbezirks gab es aber schon vorher,358 ebenso wurden regelmäßig Verzeichnisse über die Namen der Pfarrer und Schulmeister an den jeweiligen Orten angefertigt und darüber, wem die Kollatur (das Recht zur Vergabe der Pfarr- und Schulstellen) dort zustand.359 Hugo Brunner beschreibt in seinem 357 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain vom 12. November 1622, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 3v. 358 So findet sich in StAM 22 a 8, Nr. 236 (Kassel) ein unvollständiges, offenbar verworfenes »Vertzeichnüs aller in die inspection einnes Superinntendenten tzu Cassel gehorieger pfarrenn bestellunng oder Jharbesoldung«, für die Pfarreien in der Stadt Kassel (Freiheit, Altstadt, Neustadt Pfarreien und Kaplaneien) und im Amt Kassel (Wolfsanger mit Ihringshausen, Sandershausen mit Heiligenrode, Ober- und Niederkaufungen) und der Anfang (eine Seite) für die Pfarreien des Amtes Homberg an der Efze (Wabern mit Zennern, Wernswig mit Sondheim). Das Verzeichnis führt für die Stadt Kassel die Einkünfte und Zugehörungen an Geld, Korn, Hafer, Garten, Acker, Wiesen auf, für das Amt Kassel an Geld, Frucht, Land, Wiesen, Garten, Federvieh, Eiern, Mohn (? – »Monn«), Holz. In Anlage und Erscheinungsbild weist es große Ähnlichkeiten zum »Ökonomischen Staat« Landgraf Wilhelms IV. auf, zumindest dürfte es in dieselbe Zeit gehören (2. Hälfte 16. Jahrhundert, um 1585?), möglicherweise hängt seine Entstehung mit dem »Ökonomischen Staat« zusammen oder hat sich ihn zum Vorbild genommen, außerdem befindet sich auf der ersten Seite oben rechts genau eine solche Nummerierung (hier : »65.«) wie auf der abgebildeten Seite in Zimmermann (Bearb.): Der Ökonomische Staat, Bd. 2, Tafel nach S. XX. Siehe auch die zahlreichen Kompetenz-/Einkünfteverzeichnisse aus dem Bereich der Superintendentur Kassel, gegliedert nach Ämtern, in StAM 315 l (unter A. Kirchensachen, I. Bezirk Kassel) für das 16. (StAM 315 l, Nr. 320: Kompetenzen der Pfarreien im Amt Kassel für die Jahre 1536ff.) und 17. Jahrhundert (hauptsächlich für das Jahr 1611: StAM 315 l, Nr. 321 bis Nr. 329, Nr. 329 a: Kompetenzen Klasse Neukirchen 1658). 359 Siehe in StAM 22 a 8, Nr. 153 (Kassel) das »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden«, geordnet nach Städten, Ämtern und Herrschaftseinheiten (Grafschaft Ziegenhain, Herrschaft Plesse). Siehe auch in StAM 22 a 8, Nr. 191 (Kassel) das »Verzeichnus, in was fur classes die pfarren, so in die superintendentz des bezircks Cassel gehören, abgetheilett sindt« sowie das »Verzeichniß von wem die pfarren in der Graffschaft Ziegenhain zu lehn gehen«, in StAM 22 a 8, Nr. 192. Die drei Verzeichnisse stammen aus der Zeit, als die Grafschaft Ziegenhain mit Erlaubnis des Landgrafen Moritz vom Superintendenten gerade in drei Klassen (Treysa, Ziegenhain, Neukirchen) aufgeteilt worden war und die Aufteilung des Amtes Kassel in die Klassen Ahna, Bauna und Neustadt bevorstand sowie in der ganzen Superintendentur die Abhaltung von Klassenkonventen selbstverständlich werden sollte, vielleicht in Zusammenhang mit den Vorarbeiten zur Konsistorialordnung von 1610; überschickt wurden sie höchstwahrscheinlich mit einem Schreiben des Kasseler Superintendenten Johann Strack an Landgraf Moritz, Kassel 1608 Dezember 30 (praes.: Marburg 1609 Januar 1), StAM 22 a 1, Nr. 265. Pfarrerverzeichnisse zu verschiedenen Jahren finden sich auch im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 372–379 und 389: »Catalogus der pfarren so in M. Joan Hütterodts Superintendenten inspection introduciret«

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Aufsatz über den Kasseler Superintendenten Neuberger anschaulich den Nutzen solcher Verzeichnisse: »Als erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit auf dem Gebiete oberhirtlicher Aufsicht und Geltendmachung solchen Einflusses mochte Neuberger mit Recht eine genaue Bekanntschaft mit den Lebensverhältnissen und dem Wesen und Charakter seiner Diözesanpfarrer erscheinen. Wie bereits in 1635 hat er deshalb 20 Jahre später noch einmal sich genaue Verzeichnisse aller Kirchen- und Schuldiener durch die Klassenvorstände einsenden lassen. Diese mussten enthalten: eines jedweden Namen und Alter; wie lange derselbe im Ministerio oder Schuldienst und wie lange in seinem gegenwärtigen Amt. Dann auch nähere Mitteilung über des beteffenden Geistesgaben, Erudition, Leben und Wandel und endlich, welcher etwa unter ihnen weitere Promotion begehre und deren wohl würdig sei«.360

Kontinuität über Jahrhunderte bei der Besetzung der Pfarrstellen im Hochstift Hersfeld

Außerordentlich bemerkenswert ist darüber hinaus das Verzeichnis »Pfarlehn und geistliche Beneficia betreffendt«,361 das über weite Strecken in gestochen der Reihe nach von 1638 bis 1656 (1642–1656 eigenhändig durch die Pfarrer [S. 375–379], S. 376f.: auch Opfermäner/Schulmeister 1642–1645), übersichtlicher nach Klassen geordnet im »Catalogus pastorum Dioeceseos Rotenbergensis Ao. 1638 5. Novembris«, S. 385– 388, danach im Katalog vom 13. Januar 1660, S. 380–384 und mit Stand 1. Februar 1670, S. 390–393, S. 394 Ergänzung vom 6. Januar 1672 sowie in Hütterodts Diensttagebuch, z. B. mit Stand vom November 1657, eingelegt vor Beginn der Eintragungen zum Jahr 1657, S. 1378–1380 (weitere Fundstellen bei Arnold: Kirchenordnung, S. 64 Anm. 120). In dem Synodalbuch sind ebenfalls Pfarrer-/Introduktionsverzeichnisse der Superintendenten Fabronius und Josephi (von letzterem S. 363–366 mit 29 Einträgen, ab Nr. 24 wahrscheinlich von der Hand Hütterodts: »Catalogus der Pfarrherrn im becirck Rotenberck, welche unter M. Casparo Josephi Inspection angenohmen undt bestetigt worden«) zu finden wie auch Verzeichnisse und eigenhändige Verpflichtungsreverse der Pfarrer aus dem 16. Jahrhundert. Hinzuweisen ist auch noch auf die Konzeptmaterialien bzw. die Abschrift (»Extract«) des Katalogs mit den Namen der Pfarrer und Inhaber des jeweiligen Präsentationsrechts im ganzen Bezirk Rotenburg, den Hütterodt auf Ersuchen des Kasseler Konsistoriums vom 27. Juni 1651 anfertigte, KKAE Best. 3, Nr. 1809. 360 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 568f. Er verweist dabei (S. 569 Anm. 1) auf das betreffende Ausschreiben Neubergers vom 31. Mai 1655 (»Caßell den letzten Maij 1655«) mit der Anforderung der Verzeichnisse, das sich heute abschriftlich im Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 132f. (»Bericht von Beschaffenheit der Kirchen[-] und Schuldiener einzuschicken«) findet. Brunner ergänzt: »Die Berichte, die noch im Konsistorialarchiv in Kassel vorhanden, sind eine bis jetzt unausgenutzte treffliche Quelle für die Kenntnis der damaligen kirchlichen Zustände in Hessen, der Kultur- und Familiengeschichte und manches anderen«. 361 Verzeichnis »Pfarlehn und geistliche Beneficia betreffendt«, KKAE Best. 1, Nr. 32; nach dem Titelblatt beginnen die Urkunden-Eintragungen auf einem mit fol. 6 bezeichneten Blatt und ziehen sich bis fol. 9v (von dem 2/3 leer geblieben sind), nach dem die Blattnummerierung mit fol. 26 fortsetzt (ohne dass – möglicherweise ein Indiz für eine spätere (Neu-)Bindung – ein Fehlen der Blätter davor erkennbar wäre), nach fol. 42 ist die Foliierung unterbrochen

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scharfer, zum Teil kaligraphisch ausgeschmückter Schrift Abschriften der Einsetzungsurkunden oder Reverse/Verpflichtungssscheine von Pröpsten, Scholastern,362 Pfarrern, Kaplänen und Äbten oder Äbtissinnen363 enthält, die zwischen 1453364 und 1627 in Hersfelder Tochterklöstern oder in Kirchen ihren Dienst angetreten haben, deren Besetzung dem Kloster Hersfeld zustand, oder denen kirchliche Beneficien (Altarlehen) verliehen wurden. Die Urkunden der Äbte des Klosters Hersfeld, die die Rechte und Pflichten des jeweiligen Pfarrers auflisten, sind zum Teil dem Revers des Pfarrers inseriert, der ihren Inhalt mit seiner Beglaubigung anerkannte,365 meist aber stehen sie für sich, manchmal verweisen sie auf ein zusätzliches Chirograph366. Mit der Übernahme der Ad-

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(die letzte eingetragene Urkunde auf fol. 42v stammt aus dem Jahr 1576, auf fol. 43rv wird mit dem Jahr 1605 fortgefahren, die anschließenden Blätter 44–45 blieben leer), setzt erst wieder richtig fortgezählt mit fol. 57 ein und reicht bis fol. 70, das selbst leer blieb; nach fol. 70 folgt ein zweiter unfoliierter Teil mit einem Register, in dem alle erwähnten Pfarrorte alphabetisch aufgeführt werden, darunter die Namen der eingeführten Pfarrer und das Jahr des von ihnen ausgestellten Reverses, die Angaben zum 17. Jahrhundert sind teilweise mit einem Verweis auf das jeweilige Blatt des Urkunden-Teiles versehen, was dafür spricht, dass die Foliierung desselben nachträglich im 17. Jahrhundert angebracht wurde, die Angaben zum 16. Jahrhundert wurden von einer aus dieser Zeit stammenden Hand geschrieben. Zum Beispeil KKAE Best. 1, Nr. 32, fol. 7v : »Scholastriae Gothensis permutatio« vom 24. November 1496. Zum Beispiel KKAE Best. 1, Nr. 32, fol. 8rv : Übertragung der Herrschaft auf die neu gewählte Äbtissin des Klosters Cornberg, Anna von Colmitz, am 19. August 1500; Ebenda: Herrschaftsübertragungen zweier neuer Äbte des Klosters Burgbreitungen, im Jahr 1500 Hermann Specht und im Jahr 1503 Erasmus Kopplerman. Die erste Eintragung in dem Verzeichnis bezieht sich auf den Tausch einer Altarvikarie zu Gotha (»Confirmatio Transpositionis Decanatus in Gotha«): »Datum Petri & Pauli etc. Anno M. CCCC. LXXXVIIII [= 29. Juni 1489], Datum & Actum in aula abbatiali nostra in monasterio nostro Hersfeldensi«. Nach einer weiteren Bestätigung in der Gothaer Sache folgt auf fol. 6v der Eintrag einer Urkunde über die »Praesentatio Friderici Rithmans ad Praeposituram Arnstatensem« vom 2. September 1593 (»Datum in monasterio nostro Hersfeldensi Anno Domini Millesimo quadringentesimo nonagesimo tertio, ipso die Antonii.«). Auf fol. 6v unten heißt es »Sequuntur praesentationes ex copionali abbatis Volperti«, woran sich bis fol. 9v die Namen der Orte (etwa das Kloster Johannesberg bei Hersfeld, Kloster Kreuzberg [heute: Philippsthal], Göllingen, Gotha, Kloster Cornberg, Kloster Memleben) und der dorthin zwischen 1494 und 1503 durch Abt Volpert gesetzten Pröpste und anderer Amtsträger anschließen (ergänzt bis 1505 auf fol. 31r–35r, worauf ohne gesonderte Überschrift die Einträge unter Abt Craft folgen). Der sich lückenlos an fol. 9 anschließende, mit der Blattnummerierung 26 beginnende Teil, überschrieben »Praesentationes ex copionali abbatis Ludovici Vitzthumbs«, umfasst bis fol. 28r (worauf die Einträge unter Abt Wilhelm folgen) die ältesten hier versammelten Urkundenabschriften von 1453 bis 1480. So z. B. als frühes Beispiel aus dem Jahr 1558 der Revers des Vitus Knorr mit der darin inserierten Bestallungsurkunde als Pfarrer von Kerspenhausen durch Abt Michael, KKAE Best. 1, Nr. 32, fol. 37r. Z. B. auf fol. 42v in der Investitururkunde Abts Ludwig für Hermann Schrott über die Pfarrei Merzhausen vom 15. Oktober 1576: »In fidem praemißorum sigillum nostrum abbatiale hisce appendimus, ac proprio chirographo confirmamus«.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

ministration des Stifts durch die Söhne des Landgrafen Moritz des Gelehrten von Hessen-Kassel – zunächst durch Otto und nach dessen unerwartetem Tod 1617 durch den späteren Wilhelm V. –367 treten diese als Aussteller der größtenteil lateinischen, vereinzelt deutschen Urkunden auf. Allem Anschein nach ist dieses Kopialbuch tatsächlich noch im Kloster Hersfeld entstanden, zum Teil verweisen die Überschriften der einzelnen Reverse darauf, dass sich das Original unter einer bestimmten Blattangabe »im buch mitt bretern« oder in einem »Rote Bappen buch« befinde.368 Die Kontinuität vom 15. bis ins 17. Jahrhundert, über verschiedene Äbte, Administratoren und grundlegende Herrschaftswechsel hinweg, beeindruckt.369 1558 wird erstmals ein hessischer Superintendent als 367 Zu dem 1594 geborenen Otto, der 1604 von Joachim, dem letzten Abt des Klosters, und dem Kapitel zum Koadjutor und Nachfolger in der Administration des Stifts bestimmt wurde, die er 1606 antrat, Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 324–333; zu Wilhelm, der 1612 »mit Einwilligung des Dechants und Capitels zu Hersfeld zum Coadjutor und Nachfolger Otto’s gewählt« wurde, Ebd., S. 335f. Die erste von Otto ausgetellte Investitururkunde vom 9. November 1609 (»millesimo sexcentesimo nono, non Novembr.«) ist inseriert dem Revers des Christoph Reinmann über die Pfarrei Braach (»presentationem ac investituram super parochia in Praga Hassorum prope Rodenbergam«). Wilhelms erste Urkunde als postulierter Administrator des Stifts Hersfeld vom 30. November 1618 (»millesimo sexcentesimo decimo octavo, pridie calendarum decembrium«) ist dem Revers des Pfarrers Berthold Megbach über die Pfarrei Kerspenhausen inseriert. 368 KKAE Best. 1, Nr. 32: »Thaboldshausen [heute: Dagobertshausen, A. J.] und Hilgershausen. Christian Winter, im buch mitt bretern f. 66. Original reverß« (1568 Januar 22 [»altera post Fabiani ac Sebastiani Martyrum«]), fol. 40rv ; »Mertzhausen Matthiaß Hutter, im brettern buch. f. 67. a.« (1569 Februar 11), fol. 40v–41r; »Mertzhausen, Herman Schrott, Rote Bappen buch f. 134« (1576 Oktober 15), fol. 42v–43r; im Text der Urkundeneinträge zu den Pfarrbesetzungen in Merzhausen (Landkreis Schwalm-Eder) steht stellenweise »Merxhausen«. 369 In KKAE Best. 3, Nr. 1873 finden sich mehrere Briefe, die auf Personen Bezug nehmen, die sich auch im Registerteil dieses Pfarrlehenverzeichnisses (KKAE Best. 1, Nr. 32) finden. Im Registereintrag zum Ort Hilmes heißt es: »Conradt Fischer wirdt belehnet mit dießer pfahr laut revers de anno 1596. Henrich Losch laut revers de anno 1597. Martinus Honig laut revers de anno 1597. Georgius Korngiebel laut revers de anno 1598«. Am 3. August 1596 richtete »Joachim bestettigter Abt« des Klosters Hersfeld einen Brief an Georgius Reinmann, zu dieser Zeit erster Pfarrer an der Neustädter Kirche in Eschwege und Superintendent des Bezirks Rotenburg, um ihm mitzuteilen: »[…] unns hat unßer gewesener pfarher zum Hilmes Er Curtt Fischer wegen seines hohen alters und unvermugenheit wilkurlich resignirt, dießelbe pfarr alßo von ihme aufftzunemen, und anderwerts zu bestellen darneben gebettenn. Darauff dan, als wir solches also an ihme gespuret, in die resignation gewilligt, und jegenwertigen M. Henricum Löschenn vom Hilmes bürtig, welchen wir zimblich darzue qualificirt befunden, die pfar anderwerts mit ihme zu versehen vocirt. Haben ihn demnach an euch abfertigen wollen, ihn ferner zu examiniren und nach befindung seiner habilitet eintzufuren, welchs ihr alßo ins werck zu richten wißen werdet« (KKAE Best. 3, Nr. 1873 [21. Stück im Konvolut]). Aus dem Schreiben lässt sich anschaulich das Verhältnis von Hersfelder Abt und Rotenburger Superintendent erkennen, der Abt schickte dem hessischen Superintendenten als Vertreter des das ius episcopale beanspruchenden Landgrafen einen zur Besetzung einer Hersfelder Patronatspfarrei vorgesehenen Kandidaten (Präsentation), mit der Bitte um Examination und Einführung. Im Anschluss an dieses Schreiben in KKAE Best. 3, Nr. 1873 liegt ein Schreiben

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Interessent in einer Urkunde benannt, dem dadurch die Pfarrbesetzung zu Heimboldshausen kundgemacht werden sollte;370 1557 war Christian Grau Superintendent des Bezirks Rotenburg geworden, er, der auch ein eigenes Visitierbuch der Klasse Hersfeld anlegte,371 begann wahrscheinlich verstärkt auf die Wahrung Kasseler Interessen in kirchlichen Besetzungsangelegenheiten in dem hochstiftischen Gebiet der »seit unvordenklichen Zeiten unter Hessischem Erbschutz«372 stehenden Abtei Hersfeld zu achten. Als die Herrschaft über das Stift Hersfeld in den Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges zunehmend unsicher wurde, wechselte offenbar das Kopialbuch »Pfarlehn und geistliche Beneficia betreffendt« nach dem Eintrag der am spätesten datierten, dem abgekürzten Revers des Daniel Betz über die Pfarrei Merzhausen inserierten Übertragungsurkunde vom 7. November 1627, aus Hersfeld in die Repositur der zuständigen Superintendentur Rotenburg, der nun die Aufgabe der Dokumentation und Kontinuitätswahrung zukam.

Der Anlass bestimmt die Form: aufgabenbezogene Strukturierung der Schriftlichkeit

Ein Zeichen für das Streben nach Systematik und Aktualität wie auch für die individuelle Kreativität in der Schriftführung sind die auf die Erteilung von der Kasseler Regierung an den Superintendenten Hermann Fabronius vom 14. Juni 1633, in dem sie ihr Einverständnis erklärt mit dessen Vorschlag betreffend »Georg Korngiebelß gewesenen pfarrers zu Hilmerß translation ins Stifft Fulda« und zur Vereinigung der bisher selbstständigen Pfarrei Hilmes als Filiale mit der Pfarrei Ausbach. Am 14. Mai 1636 stellte Georg Korngiebel gegenüber dem Superintendenten Caspar Josephi eine Versicherung (»Literae reversales« im Rückvermerk) aus, dass er sich künftig auf seiner neuen Stelle als Adjunkt zu Schenklengsfeld »sonderlich des ubrigen trunckes unndt besuchung der gemeine schencken enthaltten, ein meßiges, erbares und eingezogenes leben führen, auch mein weib, kinder und gesinde darzu haltten, und mich also erzeigen wolle, wie es einem frommen gottseligen lehrer und prediger des heiligen evangelij zustehet und gebüret« (KKAE Best. 3, Nr. 1873 [35. Stück im Konvolut]). Von den hier genannten Pfarrern zu Hilmes, des alten Conrad Fischer, Henrich Loschs, (Martin Honigs) und Georg Korngiebels, finden sich jedoch nur die Namen im Registerteil, Abschriften ihrer ausgestellten Reverse sind im Urkundenteil des Pfarrlehenverzeichnisses (KKAE Best. 1, Nr. 32) in diesem Fall nicht vorhanden. 370 Besetzung der Pfarrei Heimboldshausen mit Johannes Haberinus, Urkunde des Abts Michael vom 1. Mai 1558, KKAE Best. 1, Nr. 32, fol. 37r (unterer Eintrag). 371 Eintragungen über die Visitationen in Stadt und Amt Hersfeld: KKAE Best. 1, Nr. 2. 372 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 757: »Die seit unvordenklichen Zeiten unter Hessischem Erbschutz gestandene, schon unter L[andgraf]. Philipp reformirte, von dessen Nachfolgern vertragsmäßig verwaltete Abtei Hersfeld […]«. Im Gefolge der Ereignisse der Vitalisnacht vom 28. April 1378 hatte sich schon die Stadt Hersfeld in den Schutz Hessens begeben, 1432 unterstellte sich auch die Abtei hessischem Erbschutz, als Folge der Niederschlagung der Bauernunruhen durch hessische Truppen 1525 kam schließlich die Hälfte der Stadt Hersfeld 1550 vertraglich in hessischen Besitz, zu all dem Vigelius: Denkwürdigkeiten von Hersfeld, S. 36–39, 43, 60f.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Kommissionen zur Ermittlung in einer bestimmten Sache hin entstandenen Berichte mit beiliegenden Übersichten, die in tabellarischer Form die Antworten von Zeugen auf ihnen gestellte Fragen zusammenfassen. Ein eindrückliches Beispiel hierfür bietet die 1646 von dem Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt aufgestellte Übersicht zur Vernehmung von Zeugen in einer Injuriensache zwischen dem Pfarrer von Waldkappel, Johannes Becker, und dem Bürgermeister des Orts, Henrich Lappius, in der die Kasseler Regierung Hütterodt sowie den beiden Gerichtsherren des Orts, Reinhard von Boyneburg genannt von Hohenstein und Hermann von Hundelshausen, Kommission auftrug, das heißt, sie mit stellvertretenden Ermittlungen beauftragte, um auf deren Grundlage weitere Entscheidungen treffen zu können.373 Hütterodt, dem noch der Landvogt zu Spangenberg adjungiert wurde,374 hatte offensichtlich die Leitung dieser Kommission inne, ihm kam die Aufgabe zu, einen gemeinsamen Termin zu finden375 und die Ergebnisse an die Regierung zu kommunizieren. Als die Kommissare am 29. April 1646 in Waldkappel ankamen, erfuhren sie, »daß Henrich Lappe interrogatoria gestellet undt eingegeben, item nomina civium als testium verzeichnet, wie ingleichen, daß der pfarrer dergleichen catalogum testium ubergeben«. Als am folgenden Tag alle im Pfarrhaus (in des »pfarrers eigenen wohnhause«) zusammengekommen waren, »sindt die interrogatoria Henrich Lappens reordirt, undt was zu dieser sache undienlich undt der beiden supplicationibus der partheyen ungemeeß ist, abgeschnitten worden, dagegen aus beyden supplicationibus andre interrogatoria verfasset worden«.376 373 Fürstlich Hessische Regierung an Johannes Hütterodt, Kassel 1646 März 23 (praes. 1646 April 1), KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20; der Rückvermerk Hütterodts über der Adresse lautet: »JJ[unker]. Reinhardt von Boyneb. undt Herman von Hundelshausen haben commission neben mihr undt dem H. Rentmr. zue Liechtenaw [dieser wird nur in Hütterodts Rückvermerk sowie in seinem nachfolgend zitierten Einladungsschreiben erwähnt, nicht im Brieftext der Regierung, A. J.], zu inquiriren in der sach des pfarrers, contra Henrich Lappen injuriertem zu Walt Cappel«. Zu einer ähnlichen Affäre ist es schon 1640 gekommen, die Aufzeichnungen darüber finden sich im DTB Hütterodts, S. 177–203, 205f. (6., 11., 12. Dezember 1640, 7., 12., 17., 18., 19., 23. Januar 1641); der Untersuchungssauftrag, den »Vicecantzlar, auch andere zum Consistorio verordnete Geist- undt weltliche Räthe« Hütterodt am 18. November 1640 (praes. 6. Dezember) erteilten, findet sich ebenso in KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20. 374 Hessische Regierung an Johannes Hütterodt, Kassel 1646 April 9 (Abschrift), KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20. 375 Reinhard von Boyneburg genannt von Hohenstein und Johannes Hütterodt an den Landvogt zu Spangenberg Asmus von Baumbach, Hermann von Hundelshausen zu Harmuthsachsen und den Rentmeister zu Lichtenau Christian Buschmann, Eschwege 1646 April 14 (einseitiges Konzept von der Hand Hütterodts), KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20. 376 Einseitiges Konzept (wahrscheinlich eines Begleitschreibens zur Übersendung des Berichts und der Beilagen an die Regierung) von der Hand Hütterodts, in dem das Prozedere und die abgehörten Zeugen ihrer Reihenfolge nach genannt werden, überschrieben: »In sachen der injurien Henrich Lappens contra Joan Beckern«, undatiert (möglicherweise zusammen mit

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Daraufhin hätten sie »sechzehn personen, womit beide theile wohl befriedigt gewesen, laut beykommender L. C. gezeichneter inquisition, aidlich abgehöret, undt hetten weiter fortgefahren, wo wir nicht durch einfall der keyserischen zerstrewet undt an unserm vorhaben gehindert worden wehren«.377 Diese überschickte Inquisition der Zeugen, aus deren Antworten der Hergang des Vorfalls rekonstruiert wurde, ist jenes in seiner kreativ-tabellarischen Übersichtlichkeit so beeindruckende mehrseitige Werk, in dem oben der Name des jeweiligen Zeugen steht und in der Mitte oder am linken Rand die Nummer der auf einem separaten Blatt aufgeführten fünfzig Fragen. Neben der bloßen Anwesenheit in der Kirche an den in Rede stehenden Sonntagen Laetare und Judica lauteten die die Vorwürfe aufgreifenden Fragen: »Ob er [der Pfarrer, A. J.] die bürgermeister beschuldiget, sie liessen am diener gelde spinnen, dreschen undt arbeiten?« (Nr. 3), »Oder ob er eines allein gedacht?« (Nr. 4), »Ob der pfarrer gesagt, die diener bekähmen ihren lohn an der zehntägigen contribution oder von der abwesenden feltgüttern?« (Nr. 5) und »Ob pfarrer gesagt, es ginge ihme, wie dem Mercurio, welchem der baur die helffte der frucht verlassen und nach ausgang des jaars die schalen gegeben?« (Nr. 6).378 Unter dem Namen der einem anderen, auf »Eschwege am 25 ten Julij Anno 1646« datierten zusammenfassenden Schreiben an die Regierung entstanden), KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20. 377 Einseitiges Berichtschreiben Hütterodts an die Regierung (Vizekanzler und Räte) in Kassel, Eschwege 1646 Juli 25 (Konzept), KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20; die Kriegsereignisse veranlassten Hütterodt am 4. Mai 1646 (DTB Hütterodts, S. 588) zu der Vorsichtsmaßnahme: »Alß sich die kayserische partheyen angegeben, ist alles was zur repositur gehöret in ein faß gepacket undt auf Cassel geschiffet worden«. Am 17. Juli 1646 (DTB, S. 591) »Kompt H. Becker, mit des Rentmrs. bericht undt zeugensage, mit begehren, daß ich sie mit meinem protocoll conferiren undt ad confirmandum an die andere commisiarios einschicken wolle, undt producirt darneben ein schreiben, darin die regirung befohlen, die sache nicht hengen zu lassen. / Weil nun mein protocoll zu Cassel undt Henrich Lappens supplication, umb mehr Zeugen abzuhören, so wil ich solche umbher schicken, undt die acta von Cassel herbringen lassen.«. Im DTB Hütterodts (S. 591) heißt es dann zum 25. Juli 1646: »Sindt die Capelische acta ankommen, conferirt undt an J[unker]. Reinhardt [von Boyneburg] gesendet, welcher sie wider anher undt von dannen an J[unker]. Herman [von Hundelshausen] am 30ten huius überschicket worden«. 378 Es ist des Pfarrers »intention nicht gewesen, zu klagen, daß er keine besoldung bekehme, sondern daß er mit mehrer beschwerung [anderer Leute, A. J.] bezaalt würde«. Als der Pfarrer seine am Sonntag Laetare (8. März 1646) geäußerten Vorwürfe am folgenden Sonntag Judica (15. März 1646) von der Kanzel wiederholte und auf die Uneinigkeit unter den Bürgermeistern hinweis, kam es zur Eskalation: »Alß nun Henrich Lappe solche wortte gehöret, ist er aufgestanden, mit füssen getrampelt undt auß seinem stuel gangen, auf die erde gespützet, nach der weiber banck zugegangen undt sein gesicht nach der cantzel gewendet undt den pfarrern mit diesen wortten angeredet, du predigst nicht Gottes wortt, du stehest undt predigst wie ein schelm undt dieb, undt solche wortt hat er etlich mal widerholet. Hierüber sindt alle anwesende sehr bestürtzet undt betrübt worden«. Die Zitate stammen aus einem anscheinend unvollständigen und undatierten Konzept des Berichts zu den Erkenntnissen über den Hergang des Vorfalls (KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20), beginnend mit den Worten: »Die sehr ärgerliche sache zwischen Herren Joan Beckern

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Person wurde ihre Antwort auf die jeweilige Frage vermerkt, in der Regel mit den abgekürzten Angaben »affirmat«, »negat« oder »nescit«, stellenweise auch mit einer ausführlicheren Erläuterung. Nicht nur der Krieg machte Hütterodt seine Arbeit beschwerlich, er hätte seine Zeit wohl überhaupt lieber mit anderen Dingen als mit diesen ärgerlichen Zankhändeln verbracht, wie er es – zusammen mit Reinhard von Boyneburg – mit für ihn seltener Zurückhaltung im Einladungsschreiben an seine Mitkommissare formulierte: sie fühlten sich schuldig, dem Begehren ihrer »Herren Committenten« zu folgen, »wie wohl es nun sehr verdriesliche sachen sindt, wovon ein jeglicher gerne bleiben undt des seinen abwartten wolte«.379 Inhalt und Wichtigkeit der Repositur

Im Synodalbuch der Superintendentur Rotenburg, das hauptsächlich Auskunft gibt über Anlass, Gegenstand und Anwesenheit der Pfarrer auf den (Wahl-) Synoden der Superintendentur im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit samt ihrer Unterschriften sowie Angabe der Zensurierten, über Namen und Berufung der Pfarrer und Schulmeister und Notizen enthält zu den Implikationen von Herrschaftswechseln und Veränderungen in der kirchlichen Organisationsstruktur,380 findet sich auf einer Seite auch ein Überblick über den Inhalt der Repositur des Rotenburger Superintendenten, geschrieben von Hermann Fabronius (amtierte von 1623 bis 1634), deren einzelne Teile sich bis heute erhaltenen Stücken zuordnen lassen.

pfarrern undt B[ürgermeister]. Henrich Lappen, zu Walt Cappel, ist bey dero am 30 ten April undt 1 ten huius [d. h. Mai 1646, als das Schreiben verfasst wurde?, A. J.], gehaltenen inquisition, folgender massen befunden worden«. 379 Reinhard von Boyneburg genannt von Hohenstein und Johannes Hütterodt an den Landvogt zu Spangenberg, Asmus von Baumbach, Hermann von Hundelshausen zu Harmuthsachsen und den Rentmeister zu Lichtenau, Christian Buschmann, (einseitiges Konzept von der Hand Hütterodts), Eschwege 1646 April 14, KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 20. 380 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg (1569—1634), StA ESW St. Schr. I, Nr. 28 (siehe Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 48 Anm. 10, S. 58 Anm. 80). Das Synodalbuch, gerade angesichts des Jahres seiner Anlage, stellt wahrscheinlich eine Reaktion dar auf die Forderung der Kirchenordnung von 1566: »Es soll jede kirche ein sonderlich buch haben, darin man fleißig ufzeichnen soll aller prediger namen, zunamen, aus welchem land sie seien, ihr vatterland, wo sie studirt haben, von welchem superintendenten, wo und in welchem jar sie ordiniret, darzu auch, ob sie seien in ein ander kirch transferirt oder von ihrem ampt gesetzt, oder bis ans ende ihres lebens, wie viel jar sie im predigampt also gewesen seien […]. Weiter, an welchen orten superintendenten wonen, sehen wir für nützlich an, daß die acta oder ordination eines itzlichen superintendenten in dasselbige buch durch der prediger einen derselbigen kirchen fleißig geschrieben werde« (EKO Bd. 8, S. 198f.).

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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»CATALOGUS LIBRORUM Superintendentiae Synodalbuch, dis, in folio. 2. Regal register der pfarrbesoldungen in folio.381 3. New summarisch register etc. der pfarr und casten güter in fol.382 1. Revidiret pfarr und collaturen register in folio.383 381 »Regalregister der collaturen und besoldungen des bezirgs Rotenbergk in Hessen, wie dieselbigen vorzeiten angeschlagen undt was sie zu geldt auffs geringest ertragen können. Es hatt sich aber unter desen etwa vermehret, undt ist obgedachter pfarrbesoldung in anno Christi 1624 befunden, ein new verzeychnis verfasset worden«, geordnet nach Klassen an der Werra und an der Fulda (auf der Rückseite des Titelblattes wird die »Ordnung der [zwölf] claßen in diesem Regalregister« mit Angabe der Seitenzahlen aufgeführt), erster paginierter Bestandteil (S. 1–15) des in der folgenden Anmerkung beschriebenen Bandes, KKAE Best. 1, Nr. 34. An dieses Kollaturregister schließt sich ein »Extract deren örter da es streitig ist / undt der superintendens, zu erhaltung der Fürsten zu Hessen gerechtigkeit, sich wol vorzusehen hatt« an (S. 16–18), dem folgt eine Seite (S. 19) überschrieben mit »Verzeychnis was die Fürsten zu Heßen zur Pfarrbesoldung steuren«, auf der generell über die Verwendung des Visitiergelds Auskunft gegeben wird. 382 »New summarisch Register undt verzeuchnis der Pfarr- undt Castengüter, der Superintentz Rotenbergk wie dieselbigen im Jahr Christi 1624 von den Metropolitanis undt Pfarrern uberschickt, undt ihnen theils zu besoldung, theils zur kyrchen noturft angewendet werden« (Titelblatt), KKAE Best. 1, Nr. 34. Diesem Titelblatt, in kleinerem Format als der Rest des Bandes, ist ein ebenfalls kleinerer Zettel vorgebunden, der in einem Rahmen, dem entlang er offenbar aus einem größeren Blatt ausgeschnittener wurde, in der Handschrift Fabronius’ die Worte enthält: »Dis buch gehört der superintentz des Bezirgks Rotenbergk. Ist vermutlich, es sey im Jahr Christi 1569 verfaßet, dan im Synodalbuch befindt sich, daß gemelten Jahrs ein Synodus gehalten, da beneben andern puncten befohlen, die pfarrer solten verzeychniße ihrer einkommen auf künftigen synodum zu Caßel einliffern. / Ein viertel korn ist in diesem register auf zwen fl. angeschlagen. Vide pröbstei Abtenroda etc. im schluß«. Dieses ältere Verzeichnis – gegliedert nach Ämtern mit Spalten pro Pfarrei/ Kaplanei/Filiale/Ort für Einkünfte an Geld, Frucht, Land, Wiesen, Garten, Federvieh, Eier, Wachs, Holz und die Summe aus allem – befindet sich auf den Blättern 20 bis 75 (alle übrigen – wahrscheinlich von der Hand Fabronius’ stammenden – Bestandteile des Bandes sind paginiert). Dem Ganzen hat Fabronius eine gewissenhaft erstellte, sehr übersichtliche Tabelle vorangesetzt, in der er für jeden alphabetisch aufgelisteten Ort seiner Superintendentur (»Parochiae vel loci nomen«) angibt, zu welcher Klasse er gehört (»classis«), auf welchen Seiten/Blättern (»fol.«) sich weitere Informationen zu ihm finden, ob – wenn es an dem jeweiligen Ort eine Kirche gibt – es sich dabei um eine »mater vel filia vel vicariatus« oder ein Dorf (»villa«) ohne eigene Kirche handelt, bei einer Filiale, einem Vikariat oder einem Dorf nennt er in einer eigenen Spalte den Namen der kurierenden Mutterkirche (»Matris«), in den letzten beiden Spalten steht, wer die »Collatura« und wer das »Jus Episcopale« innehat; auf der Rückseite dieser Übersicht befindet sich für den Gesamtband ein Inhaltsverzeichnis mit Seitenangabe von der Hand Caspar Josephis. Nach dem älteren Einkünfteverzeichnis folgt auf S. 78–111 als Bestandteil der Aktualisierung im »New summarisch Register« das Verzeichnis der Pfarrgüter und -besoldungen, dem sich auf S. 112–145 das Verzeichnis der Kastengüter anschließt. Auf S. 146f. wird in sieben »Fundamenten« beschrieben, worin die »Freyheit der kyrchen- und pfarrgüter« von allgemeinen Lasten und die damit verbundenen besonderen Rechte der Kirche und Pflichten der Pächter (»lehnman«, »meyer«) bestehen. S. 148–152 bringt die »Copia des f[ürstlichen]. befehls

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Zwelf visitir bücher in quarta.384 Kyrchenordnung L[andgraf]. Philipsen.

in quarta

L[andgraf]. Philipsen zu Hessen im jahr Christi 1564 [18. Juni] wie es mit den kyrchen undt pfarrgütern sölle gehalten werden. Undt ist das original bey den kyrchen zu Eschwege«, unterschrieben vom Kanzler Reinhard Scheffer (Original nicht aufgefunden). S. 153f. enthält eine »Regel undt gebrauch der kyrchen gebew undt pfarr heüser«, wie sich Mutterkirche und Filiale die Bauunterhaltung teilen sollen. Nach S. 155 schließt sich ein mehrseitiger »Extract [der Collaturen, A. J.] aller pfarren undt undt filialen becircks Rotenbergk« an, den (nach Handschriftenvergleich) Caspar Josephi, entsprechend seinem Rückvermerk, aus den Visitierbüchern gezogen hat. 383 Dieses revidierte Kollaturenverzeichnis befindet sich sauber geschrieben in StAM 315 l, Nr. 77 a (Teilwiedergabe bei Arnold: Kirche in der Region Werra-Meißner, S. 186–189 [Anlage 6]). Im Bericht dazu auf der vorletzten Seite heißt es unter b): »In diesem collaturen verzeichnus seindt demnach die pfarren abgetheilet, nicht wie die örter unter der weltlichen beampten bottmeßigkeit begriffen, sonder wie sie im kyrchen recht zu Cassell undt in die convente zu ihrer metropoli oder heuptstadt geordnet seindt«, nach Klassen an der Werra und Klassen an der Fulda. Auf dieser vorletzten Seite wird unter Punkt a) eine Erläuterung der Begriffe Pfarrei, Kaplanei, Filiale, Vikariat und Kapelle gegeben. Auf der letzten Seite heißt es zusammenfassend: »Summa aller pfarren undt capellaneien des bezirgks Rotenbergk, wie sie jetzunder im jahr Christi 1624 verwaldet werden, ohne gerechnet die filiale, vicariate, capellen, undt eingepfarrete örter, seindt 141 pfarren undt capellaneien. Aber miteingezehlet jetzt erwehnete filiale, vicariate, capellen, undt eingepfarrete örter, seindt 434 kyrchen undt örter. Ohne die nahe gelegenere mühlen undt höfe, so zu den städten undt dörfern gerechnet werden. Sambt vermeldung ihrer städte, clahsen unndt collaturen«. Eine gekürzte und leicht umformulierte Abschrift davon (in der Handschrift Caspar Josephis) findet sich als »Extract aller pfarren und filialen becircks Rotenbergk« in KKAE Best. 1, Nr. 34 (nach S. 155). (Rückvermerk: »Extract der Collaturen auß den Visitirbücher«). Darauf folgend, ganz am Ende dieses in den beiden vorangegangenen Anmerkungen schon vorgestellten Gesamtbandes, liegt die Abschrift eines Schreibens derer von Boyneburg an das Konsistorium zu Marburg (Reichensachsen 1623 Dezember 26 [»am tage S. Stephani deß ablauffenden 1623. Jaars«]), in dem sie angesichts der kriegsbedingten Abwesenheit von Familienmitgliedern um Verlängerung der schon abgelaufenen Präsentationsfrist für einen neuen Pfarrer zu Reichensachsen bitten, Kandidaten seien ausgewählt und hätten zum Teil schon ihre Probepredigt abgelegt, weshalb das Konsistorium davon absehen soll, ihnen einfach einen Kandidaten vorzusetzen, während der Vakanz könne die Stelle weiter durch den Pfarrer zu Oetmannshausen vertreten werden. 384 Heute existieren im Kirchenkreisarchiv Eschwege noch zehn Visitierbücher für folgende Städte und Ämter (kirchliche Klassen): Allendorf (KKAE Best. 1, Nr. 1; »a) An der Werra die IV. Claß«, 1570–1636), Hersfeld (KKAE Best. 1, Nr. 2; »b) An der Fulda die I. Claß«, 1571– 1635), Lichtenau (KKAE Best. 1, Nr. 3; »b) An der Fulda die VI. Claß«, 1569–1636), Melsungen (KKAE Best. 1, Nr. 4; »b) An der Fulda die V. Claß«, 1570–1633), Rotenburg (KKAE Best. 1, Nr. 5; »b) An der Fulda die II. Claß«, 1570–1635), Sontra (KKAE Best. 1, Nr. 6; »b) An der Fulda die III. Claß«, 1570–1639), Spangenberg (KKAE Best. 1, Nr. 7; »b) An der Fulda die IV. Claß«, 1569–1636), Waldkappel (KKAE Best. 1, Nr. 8; »b) An der Fulda die VII. Claß«, 1619–1639), Witzenhausen (KKAE Best. 1, Nr. 9; »a) An der Werra die V. Claß«, 1570–1633), Vacha (KKAE Best. 1, Nr. 10; »a) An der Werra die II. Claß«, 1570–1633). Es fehlen die Visitierbücher der I. (Eschwege) und III. Klasse (Schmalkalden) an der Werra. In die unter dem Superintendenten Christian Grau 1569 begonnenen und bis in die Zeit Hütterodts 1639 reichenden Visitierbücher haben die Ergebnisse der Rechnungsabhörungen auf den Visitationen Eingang gefunden, Verträge, Erörterungen und anderes Bemerkenswerte; die Beschriftung der Titelblätter stammt von Hermann Fabronius. In der ersten »Rechnung

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

Consistorial ordnung. Schulordnung in 4. Presbyterial ordnung

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in 4. in 4.

Copey register des visitir geldes. de anno 1623. in 4.385 Register der exulanten steur. in 8 [octavo].386 uber Einnahm undt Ausgabe des F. Heßischen visitir undt genaden geldes aus den Soden zu Allendorff, vom Jahr Christi 1623, der Superintentz Rotenbergk. Hermanni Fabronij« (KKAE Best. 1, Nr. 33) findet sich unter »Gemeine Ausgabe undt sonderlicher verrichtungen zu zehrung, kutschenflickung, buchbender undt bottenlohn, papier undt anderer ambts erforderungen« als »Buchbinderlohn« die Ausgabe von »1 fl. dem buchbinder zu Eschweg Hans Bangen die zwelff visitir bücher auf ein newes zu binden undt mit papir zu vermehren« (d. h. mehr Blätter einzubinden). Die Visitierbücher sind in mittelalterliche liturgische Pergamenthandschriften – möglicherweise aus dem Kloster Hersfeld stammend – eingebunden, die vielleicht bei dieser Bindung 1623 angebracht worden sind; die Einbände werden genau bestimmt in: Wiedemann / Wischhöfer : Einbandfragmente in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck, S. 24–34, zur möglichen Herkunft S. 13. 385 »Copeyregister ubers genadengeldt aus den Soden zu Allendorf, vom Jahr Christi 1623 etc. Der Superintentz Rotenbergk« (Visitierrechnungen bis 1633, aus der Amtszeit des Superintendenten Hermann Fabronius), KKAE Best. 1, Nr. 33. Am Anfang befindet sich die »Copia der visitir rechnung M. Georgii Reimanni S[uperintendenten]. seligen ubers genaden geldt de ao. 1622. von [seinem Sohn] M. Georgio Reinmanno pfarrern zu Grebendorf ao. 1631. gehen Rotenbergk geschickt«. Die Visitierrechnungen unter den Superintendenten Josephi und Hütterodt finden sich in KKAE Best. 2, Nr. 26. 386 Ihres Amtes entsetzte reformierte Pfarrrer und Schulmeister aus dem von Hessen-Darmstadt wieder lutheranisierten Oberfürstentum Marburg, aus Schmalkalden, aus der Niedergrafschaft Katzenelnbogen um St. Goar, aus der Kurpfalz oder aus Böhmen erhielten, solange sie keine neue Stelle bekommen konnten, eine finanzielle Unterstützung aus den Visitiergeldern, durch eine Adjunktion oder aus Einkünften – größtenteils in Naturalien – die die Pfarrer, wenn sie dazu gedrängt wurden, gerade noch zur Versorgung ihrer amtsentsetzten Kollegen entbehren konnten; diese letztere Versorgungsmöglichkeit wurde explizit als »Exulantensteuer« bezeichnet. In der Visitierrechnung für das Jahr 1625 im Bezirk Rotenburg unter dem Superintendenten Hermann Fabronius (KKAE Best. 1, Nr. 33) heißt es unter der an die Pfarrer ausgezahlten Summe von 122 Gulden: »1. Es ist aber den dienenten pfarrern dis jahr mehr nicht gegeben, dieweil f. befehl geschehen, es solle mit dem gnaden geldt innen gehalten, und das uberige etc. ins künfftig uf die zu Marpurg entsetzte pfarrer gewendet werden, wie folgentes jahr geschehen und berichtet wird. 2. [eine Ursache für die Zuwendung des Gnaden-/Visitiergelds im Einzelfall sei angegeben,] dieweil in diesem jahr die stewr der exules angehet, gleichwol etlichen dienenten [d. h. regulär im Amt befindlichen Geistlichen, A. J.] habe gegeben werden müssen, daher dan allezeit bey die jenigen, denen uber gemeinen mangel ein sonderliche notturfft vorgestanden, derselbige in specie benennet worden«. In StAM 318 Kassel, Nr. 1443 findet sich ein »Verzeichnuß, waß die Pfarrer im Landt den Exulanten uff beschehene underhandlung deß Consistorii zu Cassel zu contribuiren bewilligt«, mit Ergänzungen von der Hand Paul Steins (dasselbe als Heft in StAM 22 a 8, Nr. 12). Ebenso befindet sich in StAM 318 Kassel, Nr. 1455 ein Blatt mit der Überschrift von der Hand Paul Steins: »Auß dem becirck Rottenberg sollen stewre bekommen 20 personen, als nemlich […]« (durchgestriche Überschrift: »Catalogus der exulanten so im jahr 1629 1630 aus dem bezirgk Rotenbergk steur bekommen haben sollen«). Dort liegt außerdem ein an Paul Stein adressiertes Blatt Hermann Fabronius’, das eine Aufstellung nach Abgabefähigkeit der einzelnen Klassen der Superintendentur Ro-

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Alte concepta der pfarrbesoldungen, casten rechnungen. Allerlei schreiben in der repositura etc.«387

Offensichtlich war man bemüht, den Schriftverkehr gebündelt nach Orten oder Sachen abzulegen, sodass er im Bedarfsfall schnell wieder aufgefunden werden konnte. Die Superintendenten galten der Regierung und dem Konsistorium als Experten für ihren Zuständigkeitsbereich, von ihnen wurde erwartet, dass sie über Entwicklungen und Verschiebungen in den Rechts- und Besitzverhältnissen in ihrem Bezirk, auch über längere Zeiträume hinweg, Auskunft geben konnten, was den Wert der Existenz und des geordneten Zustands einer Repo-

tenburg enthält, unter der Überschrift »Zu der exulanten steur bezirgks Rotenbergk soll geben: […]«. Die beiden Superintendenturen Kassel und Rotenburg gaben zudem Visitiergeld zur Unterstützung von Exulanten im jeweils anderen Bezirk. Genau das von Fabronius im »Catalogus Librorum Superintendentiae« angesprochene »Register der exulanten steur« konnte nicht aufgefunden werden, es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Angaben daraus in das Gesamt-»Verzeichnuß, waß die Pfarrer im Landt den Exulanten […] zu contribuiren bewilligt« (StAM 318 Kassel, Nr. 1443; 22 a 8, Nr. 12) Eingang gefunden haben. 387 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg (1569–1634), StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, hier S. 301. In der ersten Visitierrechnung Fabronius’ für das Jahr 1623 (in KKAE Best. 1, Nr. 33) finden sich bei der »Gemeine[n] Ausgabe« unter »Buchbinderlohn« vermerkt »14 albus dem buchbinder zu Rotenbergk Hans Langeus, das Synodalbuch desgleichen [wie die Visitierbücher, mit Papierblättern] zu vermehren«. Den gleichen Überblick über den Inhalt der Repositur und die zu einem gemeinsamen Band vereinigten Verzeichnisse mit einigen ergänzenden Anmerkungen gibt das »Inventarium der Superintentz Bücher, welche ich Hermannus Fabronium. S[uperintendent]. im Jahr Christi 1623 bey derselbigen gefunden undt hinbey verordnet« am Ende der Visitierrechnung für 1623: »Synodalbuch, darein die synodi undt pfarrer seit anno Christi 1569 geschrieben. in fol. Zwölff visitir bücher, darein die receße der castenrechnungen etc. geschrieben. in 4 [= in quarto]. Alls Regal register der pfarrbesoldungen. in fol. New summarisch register der pfarr undt casten güter etc. hab ich ao. 1624 darbey verordnet. 2 [= in folio]. Revidirt pfarr undt collaturen register ich in ao. 1622 hirbey gebracht. 2 [= in folio] [das aufgefundene, oben angesprochene Exemplar weist 1624 als Entstehungsjahr aus, erst im Oktober 1622 wurde Fabronius Adjunkt des gerade zum Superintendenten ernannten Johannes Kalckhoff, A. J.]. Copey Register der rechnungen ubers visitir geldt, in in [!] Ao. 1628. darbey gezeuget etc. in 4 [= in quarto]«. Bemerkenswert sind die Ortswechsel an den jeweiligen Sitz des Superintendenten, die sowohl das aus dem 16. Jahrhundert stammende »Regalregister der collaturen und besoldungen des bezirgs Rotenbergk« wie auch das Synodalbuch mitgemacht und überstanden haben: angelegt in Allendorf an der Werra, nach Rotenburg an der Fulda gezogen, von dort nach Eschwege, zurück nach Allendorf und wieder nach Eschwege, wo sie bis heute liegen; in Rotenburg traf Fabronius die älteren Werke an, als er 1623 die Nachfolge des Superintendenten Johannes Kalckhoff, der dort bereits Stiftsdekan gewesen war, übernahm. Für die Repositur der Superintendentur Kassel siehe das »Verzeichnuß was sich in der Superintendentz Cassel zu antritt meines Amts gefunden. Anno etc. 1634 im Decembri«, das Theophil Neuberger hat anfertigen lassen, zu finden vor dem Beginn der Eintragungen im Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1632/33, StAM StAM 315 a, Nr. 21 (1. Teil).

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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situr, die der Nachvollziehbarkeit und Kontinuität von Entscheidungen dienen sollte, für die tägliche Arbeit verdeutlicht.388 Als Johannes Hütterodt am 9., 10. und 11. Februar 1643 nach Kassel reiste, um verschiedene Dinge »[u]ff f[ürstlichem]. consistorio« zu erörtern, schreibt er, dass er zuvor »von der Repositur gelanget etliche Visitirbücher, It[em]. das Regalbuch undt acta Synodalia«.389 Am Ende seines der Visitierrechnung 1623 angehängten »Inventarium der Superintentz Bücher« notiert Hermann Fabronius: »Briefe, seindt sonderlich seit Ao. 1623 colligiret, undt alles in der Repositur beigelegt«. Die Anmerkung, die offenbar nachträglich, anscheinend bei einer Verlagerung der zur Superintendentur gehörenden Bestände, darunter gesetzt wurde, gibt nicht nur Einblick in die Aufbewahrungsmodalitäten, sondern zeigt auch, dass die Repositur offensichtlich nicht immer so geordnet war, wie man es sich gewünscht hat: »In der Repositur so ein klein refir von 2 gefachen mit bretter, undt weil es des fuhrlohns nit wehrt, zu Rotenberg gelassen, lagen allerlei briefe durcheinander, so mir zugestelt, ist aber ein großer mangell darunter etc.«.390 388 Den Wert, der der Repositur beigemessen wurde, betont, unter Verweis auf Hütterodt und sein Diensttagebuch, auch Friedrich: Die Geburt des Archivs, S. 64f. mit Anm. 75 und 77. 389 DTB Hütterodt, S. 330 (gegenüber der veröffentlichten Transkription nach den Digitalisaten vom Original verbessert: »Regelbuch« in »Regalbuch«; im Original steht »acta Sydonalia«, hier zur besseren Lesbarkeit gleich gemäß dem Gemeinten verbessert). Statt der auf dem Einband nachträglich tatsächlich so betitelten »Acta synodalia 1568–1607« – die sorgfältige Abschriften der Abschiede der hessischen Generalsynoden enthalten, wahrscheinlich angefertigt für den Allendorfer Superintendenten Christian Grau (KKAE Best. 1, Nr. 31) – hat Hütterodt wahrscheinlich das Synodalbuch mit nach Kassel genommen. 390 Visitierrechnung 1623, KKAE Best. 1, Nr. 33. Zur Übergabe der Repositur der Superintendentur an Hütterodt heißt es in seinem Diensttagebuch auf S. 3 und 4 für die Zeit vom 19. bis 26. November 1638: »Am 19ten Novemb. alß ich mich mit meines antecessoris H. Josephi sohns vormündern umb liefferung der superintendentz repositur vergliechen, bin ich naher Cassel gezogen, undt am 26. Novemb. im mittag widerumb heimkommen. Doselbst verrichtet, wie folgt […] 8. Ist wegen liefferung der repositur gehandelt, da dan uff meine an f[ürstliche]. deputirte kyrchenrähte [getane] supplication, zu commissaren verordnet worden, H. Conrad Cellarius Gerichtsschreiber undt H. Joan Petrus Corvinus pfarrer zu Schwebda, welche der inventation und liefferung am 22. Novemb. in gegenwart der Josephischen vormünder beygewohnet undt unterschrieben haben«. Die durch Hütterodt getätigte »Gemein Außgabe« am Ende der Visitierrechnung für 1638 – dem Jahr, in dem sein Amtsvorgänger Caspar Josephi starb – vermerkt 8 Albus, gegeben »[e]inem botten so das Synodal- undt etzliche Visitirbücher von Caßell nach Eschwege getragen«, 4 Gulden 12 Albus 6 Heller als Zehrungskosten vom 19. bis 26. November, »alß die repositur zu Caßell geliffert worden« und 10 Albus 6 Heller »Fuhrlohn von etzlichen büchern undt acten« (KKAE Best. 2, Nr. 26: Visitierrechnungen der Superintendenten Josephi und Hütterodt). Auf dieselbe Weise hatte sich Josephi bemüht, die zu Rotenburg liegende Repositur seines Amtsvorgängers Fabronius an seinen Amtssitz nach Allendorf zu transportieren. In der Visitierrechnung für 1634 lesen wir unter »2. Weitere außgabe itzigen superintendenten, gemeine zehrung, verehrung, bottenlohn, papier undt schreibe gelt undt andere visitirsachen« (2. und 3. Eintrag), es seien 2 Gulden 6 Albus »[i]n 14 tagen vom 9. biß

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

Der Wert, den man der Repositur beimaß, wird auch an den Maßnahmen deutlich, die man zu ihrem Schutz ergriff und zu deren Durchführung die Überstürzung der Kriegsereignisse zum Teil keine Zeit mehr ließ. In seinem eigenhändigen Bericht im Kopialbuch der Kirche Eschwege schreibt Hütterodt: »Dan da möchte jemandt furwerfen u. sagen, da ein solcher krieg furhanden gewesen, so solte man solche sachen, woran so viel gelegen gewesen, an veste undt wohlverwahrete ortter geschicket und auß der gefahr gebracht haben, derselbige soll wissen, daß dieses schon von anno 1634 biß 1636 geschehen undt des gotteskastens sachen naher Cassel verspundet in einer tonne in H. M. Johann Maij behausung gebracht gewesen undt man aber derselben umb nachricht zu haben nicht entbehren können, sondern nach dem Götzeschen undt Banireschen durchzuge in anno 1636, solche anhero bringen müßen. Alß nun das unglück gegen den stillen freytag [1637] so plötzlich uber den halß kommen, daß ein jeglicher das seine im stich lassen undt sein leben davon bringen mögen, so hat man ja auch dieses, alß welches in der kyrchen, welche doch dabevor von freunden u. feinden verschonet geblieben war, verschlossen war, hinder sich lassen müßen. Immittels hat unser lieber Gott nach seinem weisen rath auch hierin zu der stadt bestes gewachet undt noch etwas erhalten, […] daß man von tag zu tage widrumb bawen undt dem zerfallenen werck widrumb aufhelffen müßen, wiewohl solches ohne schwere mühe undt zeitverlust nicht zugegangen, welches dan daher, daß die grosse anzahl der bürgerschafft geschwechet, hinweg gezogen, der orht ungebawet blieben undt nur wenige sich daselbst aufgehalten, leichtlich zu ermessen sein wirt.«391 auf den 22 ten Julii draufgangen, alß ich mir die Fabronische superintendentzsachen zu Rotenbergk livern laßen« und »16 alb. [v]on Fabronischen Superintendentzsachen von Rotenbergk gehn Allendorff führen zu laßen«; noch im gleichen Jahr 1634 findet sich unter »Mehr gemeine Ausgabe itzigen Superintendenten« der Posten »16 alb. von den Fabronischen superintendentzsachen, wegen annahender kriegsgefahr, undt besorglich verheerung, von Allendorff gehn Caßell in sicherheit zu uberbringen, 16. 8[octo]bris«; 1635 wandte Josephi 1 Gulden 6 Albus auf, »von den sambtlichen superintendentzsachen von Caßell wider nach Allendorff zu uberbringen, am 4. octobr[is]« (2. Eintrag unter »Mehr gemeine Außgabe anno 35«). 1636 bewahrte Josephi die Repositur vor den Kriegsereignissen, indem er 2 Gulden 12 Albus verausgabte, »[v]on den sambtlichen superintendentzsachen, wegen des Götzischen einfallß abermahl von Allendorff gehn Caßell in sicherheit zu bringen, undt huetegeldt davon, weil sie, in hofnung der beßerung, 8 tage auf dem waßer im schiff eingeladen gestanden, im Augusto« (erster Eintrag auf der zweiten Seite der Rubrik »Gemeine Ausgabe«). Aus Kassel holte Hütterodt die Repositur 1638 nach Eschwege. 391 Eigenhändiger Bericht Hütterodts im Kopialbuch von Eschwege, StA ESW Fach 1, Nr. 25, S. 3; ediert und mit Erläuterungen zu Personen und Sachen versehen von Kollmann: Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse, S. 17. Einige Rechnungen und Manuale blieben durch die Umsicht derer, die sie angefertigt hatten oder in deren Verwahrung sie sich befanden, u. a. versteckt und bewacht in einem Keller in Allendorf, erhalten. Aber auch später musste die Repositur noch mehrmals evakuiert werden, worüber die Visitierrechnungen Hütterodts (KKAE Best. 2, Nr. 26) Zeugnis ablegen. So finden wir am Ende der Visitierrechnung für 1640 unter »Außgabe in Gemein« die Posten: 7 Albus »[v]on einem faß, darin die repositur gefaßet, von Eschweg auf Münden, wegen ankunfft der Schweden, zu fuerlohn gegeben, Schabacken von Wanfriedt« und 12 Albus »[v]on demselbigen faß von

Aufgabenspektrum und Kommunikationsstrategien

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Hat schon Fabronius in der Ordnung der Bestände sichtbar seine Spuren hinterlassen,392 so ist ein erheblicher Teil der Überlieferung in der im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern relativ langen Amtszeit Hütterodts entstanden, dem es offenbar gelang, einen vernünftigen Umgang mit den Verwaltungsanforderungen zu finden, die Masse des Schriftverkehrs zu bewältigen und sachlich nachvollziehbar aufzubewahren. Als die Kasseler Regierung 1663 Hütterodt aufforderte, »wegen Treffurt, so viel der prediger undt schueldiener bestellung anlangt undt wie weit das f[ürstliche]. haus Hessen in dergleichen undt andren ecclesiasticis [mit Kursachsen, A. J.] concurrire, zu berichten«, erachtete sich Hütterodt »schuldig, unterthenige folge zu leisten undt unerachtet voriger Superintendenten Gravii, Reinmanni, Fabronii undt Josephi acta gar gering seindt, bey meiner zeit mit in die 26 jaar vorgefallenen casibus alles zu ersetzen«.393 Münden auf Caßel« und 1641 werden unter derselben Rubrik Ausgaben vermerkt, um »[d]ie acta der repositur [wieder] nach Eschwege zu führen«. 1642 finden sich unter der »Außgabe Botenlohn« 14 Albus vermerkt, um »die zwo visitir laden in den walt zu führen alß den 1 ten May die kayserischen eingefallen«. 1647 findet sich auf der vorletzten beschriebenen Seite unter »Außgabe zu unkosten in undt außer den visitationibus« der bemerkenswerte Posten von 6 Gulden und 24 Albus, »[d]em juden von Wanfriedt Liebman Deutschen von der visitirkutsche nach Caßel zu fahren wegen annahung der kayserischen armee den 19. octobr.«, 6 Albus »[d]emselben für stricke vom seiler empfangen« und 7 Albus »[e]in faß midt visitirsachen zu spunden undt ans waßer zu bringen«. Und schließlich werden auf der letzten beschriebenen Seite der Visitierrechnung von 1647 unter »Gemeine Außgabe« 9 Gulden verbucht, »[v]on der Rotenbergischen superintendentz repositur, in neun jaaren beym hoffsattler Conrad Raaspach zu herbergen, dan der superintendens von dem losament in fünff jaaren jaarlich 10 thaler, undt in 4 jaaren jaarlich 7 thaler zinß geben müßen, ob er schon solches nicht gebraucht«, womit klar ist, wo die Repositur in den Jahren 1638–1647 temporär Zuflucht gefunden hat. Zum Umgang mit der »Repositur« finden sich auch zahlreiche Einträge im durchsuchbaren PDF-Dokument des Diensttagebuchs Hütterodts. 392 So ist jedes der 10 Visitierbücher in KKAE Best. 1, Nr. 1–10 von seiner Hand mit einem Titelblatt und einer einseitigen Übersicht über die zur jeweiligen Klasse gehörenden Pfarreien versehen, wem das ius episcopale mit der Inspektion darüber gebührte und wem die Kollatur zustand; kennzeichnend ist auch der von ihm auf den Titelblättern angebrachte Besitzvermerk: »Diß buch gehört der Superintentz des bezirgks Rotenbergk« (hier zitiert nach dem Visitierbuch der Klasse Lichtenau, KKAE Best. 1, Nr. 3). 393 Konzept des Begleitschreibens Hütterodts zur Übersendung seines Berichts über die Kirchenverhältnisse in der Ganerbschaft Treffurt an Präsident, Kanzler, Vizekanzler und Räte zu Kassel, Eschwege 1663 November 30, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 1 (in der Mappe das 3. Stück von oben, das Konzept des Berichts selbst liegt unmittelbar davor, dessen Ausfertigung befindet sich in StAM 4 f Treffurt, Nr. 101); angefragt hatte die Regierung bei Hütterodt, nach den Angaben in seinem Bericht, mit einem am 23. Oktober datierten Schreiben, das ihm am 4. November 1663 zuging. Die Mühe seiner Amtstätigkeit und die Sorgfalt, die er für die Anfertigung dieses Berichts aufwandte, spiegeln die Worte wider, mit denen Hütterodt im Konzept seines Begleitschreibens fortfährt: Nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges seien auf sächsischer und Maintzischer Seite »viel newe unruhige köpfe aufkommen […] undt wirt einem Superintendenten alhier seyn ambt sawr genug undt hat doch so viel nicht davon daß er das papier bezahlen kann, doch habe ich gleichwohl so viel gethan alß einer so bestallung daruff hette, nicht thun können undt

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Beim Nachvollzug seiner eigenen Amtstätigkeit dürften Hütterodt zudem seine regelmäßig vorgenommenen Einträge bemerkenswerter Zusammenhänge in seinem Diensttagebuch unterstützt haben. Wie sehr er sich des Wertes auch der menschlichen Quellen seines herrschaftsrelevanten Wissens394 bewusst war, zeigt seine Reaktion auf Angriffe gegen den Treffurter Pfarrer Theodor Sommer junior, der 1625 seinem 1579 eingeführten Vater nachgefolgt war.395 Der von Hessen-Kassel als Pfarrer zu Treffurt präsentierte Sommer wurde 1653 beschuldigt, er habe beim Empfang eines Briefes des sächsischen und hessischen Superintendenten diese injuriert, wessen aber weder Sommer selbst noch die drei Treffurter Bürgermeister, die dabei anwesend gewesen sein sollen, geständig waren.396 Für Hütterodt war klar, dass der sächsische Amtsvogt Johann Paul Kröschel den kursächsischen Superintendenten zu Langensalza gegen den Treffurter Pfarrer aufzuhetzen versuche, denn »dem sächsischen ambtman thut von hertzen wehe, daß Sommerus mit mihr so sehr communiciret undt vertrawlich alles entdecket, daher er auch jetzo ein gros fewr ufgeblasen undt Sommerum beschuldiget«.397 Sein Schreiben an die Regierung, mit dem er ihr

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uberschicke deswegen eingelegten bericht, mit dem erbieten, wofern Ewre Gn. undt Herligkeiten weiter scrupulen hetten, davon ich wissenschafft hette, daß ich allweg zu erhaltung des F. Haußes Hessen gerechtigkeit gehöret, mein mögliches es berichten w[erde]., wie ich allwege gethan auch nachmals ungespartes fleisses beobachten wolle«. In der hier beispielhaft herangezogenen Angelegenheit geht es um die Kenntnis der HessenKassel in der dreiherrischen Ganerbschaft Treffurt (zusammen mit Kursachsen und Mainz) zustehenden Rechte, über die Hütterodt einen verlässlichen Informanten brauchte. Worum es dem Kirchenmann Hütterodt dabei ging, verdeutlichen die Anliegen, die er die Regierung bat, auf dem nächsten Treffen der Condomini vorzubringen: »Für allen dingen ist bey vorstehendem ganerbentag dahin zu sehen, daß die abscheide von ao. 1593 u. 1596 derogestalt revidirt undt completirt werden, daß kein superintendens ohne den andern in kyrchensachen etwas thuen oder handeln, sondern alles zugleich von beyden ausgerichtet werden solle. Item daß ein schluß gemacht werde, wie es mit den conventen gehalten werden solle, den newlich am 26. ten Janu. alle pastores auß der ganerbschafft alhier im convent erschienen sindt, hat zu Langensaltza [dem Sitz des zuständigen kursächsischen Superintendenten, A. J.] durch des sächsischen ambtmans anhetzen schäle augen gegeben«, Johannes Hütterodt an Kanzler und Regierungsräte zu Kassel, Eschwege 1653 April 22, StAM 4 f Treffurt, Nr. 99 (Anschreiben). Zum Amtsantritt des Theodor Sommer senior siehe unter Punkt 2 in Hütterodts Bericht zu den Kirchenangelegenheiten in der Ganerbschaft Treffurt vom 30. November 1663, StAM 4 f Treffurt, Nr. 101 (Ausfertigung; Konzept in KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 1 [in der Mappe das 2. Stück von oben]); zum Kontext der Amtsübernahme von Theodor Sommer jr., Jendorff: Condominium, S. 368f. Zum Hintergrund des Vorgangs siehe das Schreiben von Theodor Sommer jr. an Johannes Hütterodt und den kursächsischen Superintendenten und Pfarrer zu Langensalza Johann Michael Degenius, Treffurt August 1653 (ohne Tagesdatum), KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 1 (in der Mappe das 9. Stück von oben). Johannes Hütterodt an Kanzler und Regierungsräte zu Kassel, Eschwege 1653 April 22, StAM 4 f Treffurt, Nr. 99 (eigenhändiges Postscriptum). Hütterodt bezeichnet die Vertreter der Ganerben vor Ort zumeist als »Amtmänner«, obwohl nach der schon zeitgenössischen

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seine Erkenntnisse in dieser Angelegenheit übermittelte, schloss Hütterodt daher mit der Bemerkung, es »kann H. Theodoricus Sommerus alß ein gar alter man von allen sachen gute nachricht geben, drumb man ihn billich zu schützen hat«.398

3.

Visitationen und Visitationsberichte: Ordnungssicherung und Informationsbeschaffung

Visitationen waren die eigentliche Aufgabe der auch als »Visitatoren« bezeichneten Superintendenten399 und sollen daher hier gesondert betrachtet werden. In der Kirchendienerordnung von 1531 heißt es dazu: »Es soll ein ider superintendent jedes jars alle seine pfarren einmal iglich in sonderhait im flekken, da die gelegen ist, visitiren und daselbst die lere und leben des pfarherns und der diener, desgleichen auch das wesen der pfarkinder, wie sie dem wort gottes und das zu horen geneigt, auch wie ihr leben sei, treulich von dienern und der gemeine, so viel muglich, erforschen und, was nicht trefflich ist, dasselb alspald mit gute nach gelegenhaid bessern oder corrigieren«.400

Fast in derselben Form werden die Aufgaben des Superintendenten auch noch im letzten Kapitel der von den vier landgräflichen Gebrüdern zu Hessen am 20. Juli 1573 bestätigten Agende oder Kirchenordnung umrissen: »Ein jeder superintendens sol vermöge seines berufs alle in seinem bezirk gehörige kirchen aufs allerfleißigst und treulichst zum wenigsten im jahr einmal visitiren und Terminologie und Hierarchie von Amtsvögten gesprochen werden muss, so die konsequente Begriffsverwendung bei Jendorff: Condominium. 398 Johannes Hütterodt an Kanzler und Regierungsräte zu Kassel, Eschwege 1653 April 22, StAM 4 f Treffurt, Nr. 99 (Anschreiben zur Übersendung mehrerer Beilagen, letzter Satz vor der Schlussformel, nur Dientstfertigkeitsformel und Unterschrift eigenhändig). 399 In der Kirchendienerordnung von 1531 (»Ordenung, welcher massen hinfuro die pfarrer vnd ihre helfer, diakon vnnd alle kirchen diener verordenet, gehanthabet, vnd im fhall, so ir einer oder meher vntuglich, lessig ader vngeschickt befunden wurde, abgesatzt werden sall«, EKO Bd. 8, S. 71–74) werden die in ihrem durch die Nennung der zugehörigen Ämter umrissenen Bezirk installierten Superintendenten ausdrücklich auch als »visitator[en]« bezeichnet (Abschnitte 4 und 5, S. 72f.). In der nachfolgenden Kirchendienerordnung von 1537 (»Ordenung wilcher masse hinfur die Visitatores, Pfarher, vnnd yre helffer Diacon, vnd alle Kirchendiener verordnet gehandthabt, vnd im fal, so yrer einer ader mehr vntuglich, lessig ader vngeschickt befunden, abgesatzt werden sollen«, EKO Bd. 8, S. 92–100) kommt die Bezeichnung »Visitator« schon im Titel vor (und im Abschnitt 15 auf S. 100). 400 Kirchendienerordnung 1531, EKO Bd. 8, S. 72. In der Kirchendienerordnung von 1537 wird das zeitliche Intervall der Visitationen erweitert, dort heißt es im Abschnitt 4 »Was der superintendenten ampt und bevelh sein, und daß sie solchs mit vleiß ausrichten sollen«: »Es sal ein ider superintendent alle und ein ide pfarre seines zirks, an dem ort sie gelegen, aufs wenigst in zweien jaren einmal visitiren« (EKO Bd. 8, S. 93), wonach eine ausführlichere Spezifizierung der genauen Aufgaben folgt.

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solche visitation, die dann in stedten am füglichsten verrichtet werden kann, folgender gestalt anstellen […]«.401

Bis auf die Präzisierung, dass »Kirchen in Städten« gemeint sind, findet sich diese Einleitung wörtlich wiederholt ebenfalls im letzten, 19. Kapitel der Kirchenordnung vom 12. Juli 1657 (»Was die Superintendenten in ihren ordentlichen Visitationen vorzunehmen und verrichten sollen«).402 Nach den zitierten Worten wird der Superintendent als erstes aufgefordert, in Gegenwart und mit Zutun der fürstlichen Amtleute und Befehlhaber sowie der Bürgermeister und Etlicher des Rats, die Kasten-, Hospitals- und Siechenhausrechnungen der Stadt abzuhören und Fehlbeträge von den Vorstehern der jeweiligen Institutionen einzufordern. »Er sol auch sich fleissig erkundigen, ob etwa Irrung, Mangel und Gebrechen vorhanden, und was sich deren befindet, mit Hülff und zuthun der Obrigkeit des Orts hinlegen und zurecht bringen. Und vornehmlich darauff sehen, daß den Kirchen nichts entwendet oder entzogen, sondern da etwas vereussert were, daß dasselbige wiederumb herbey bracht und erstattet werde.«403

In Fällen, in denen der Superintendent nicht für Richtigkeit sorgen könne, solle er die Kastenmeister und Hospitalsvorsteher ans Konsistorium »oder im fall der noth«404 an den Landgrafen selbst verweisen. »Zum andern sollen auch alle Pfarrer sampt den Greben und Kastenmeistern im Ampt und den Dörffern, in die Stadt gefordert und gleicher gestalt, wie jetzt vermeldet die Kasten-Rechnung von ihnen angehört, die Kesten eingefordert, die Irrung, Gebrechen und Mängel geschlichtet, hingelegt und erstattet werden.«405

Hier wird erkennbar, in welchem Verhältnis die Regel der jährlichen Visitation der Kirchenordnung von 1657 zu der der ein Jahr zuvor fertiggestellten Reformationsordnung steht, nach der »ein jeder Superintendens in seinem Zirck alle und jede, so wol dem Adel und andern, als uns [dem Landesherrn, A. J.] zustendige Pfarren, keine außgenommen, zum wenigsten in dreyen Jahren einmal

401 »Agenda Das ist: Kirchenordnung wie es im Fürstenthumb Hessen mit verkündigung Göttliches worts, reichung der heiligen Sacramenten vnd andern Christlichen handlungen vnd Ceremonien gehalten werden soll«, EKO Bd. 8, S. 408–464, hier S. 461. 402 »Agenda Das ist: Kirchen-Ordnung, Wie es im Fürstenthumb Hessen mit Verkündigung Göttlichen Worts, Reichung der heiligen Sacramenten und andern Christlichen Handlungen und Ceremonien gehalten werden soll« vom 12. Juli 1657, in: HLO II, S. 461–554, hier S. 531–541. 403 HLO II, S. 531. 404 HLO II, S. 531. 405 HLO II, S. 531.

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visitiren« soll406 – jährlich sollten sogenannte Mittelpunktvisitationen stattfinden, bei denen die Pfarrer einer Klasse an den Sitz des Metropolitans oder in eine andere ihnen nahegelegene Stadt gerufen werden, während alle drei Jahre der Superintendent jede Pfarrgemeinde einmal vor Ort visitieren sollte. Darauf folgen Fragenkataloge an und über Amtsträger : Prediger, Älteste (Presbyter), Beamte, Ratsmitglieder, Patronatsherren, Schuldeputierte des Rats (Scholarchen), Rektoren und Praezeptoren der Stadtschulen, deutsche Schulmeister und Schulmeisterinnen, Beamte und »Burgermeister in den Städten oder Greben und Vorstehere auf den Dörffern«, Hospital- und Kastenmeister sowie zu Sachgegenständen: unter den Ordnungsbuchstaben »M. Von Allmosen auch Hospitalien und Kasten-Sachen« und »N. Von der Kirchen Bibliotheca«.407 Diese Fragenkataloge der Kirchenordnung von 1657 sind gegenüber denen der Kirchenordnung von 1573 wesentlich umgestaltet und erweitert. Bis auf die Befragung zu den Gegenständen Schule und Kirchendiener (Opfermänner), die Ordungspunkte D bis I, finden sich alle übrigen Fragen samt Überschriften (Ordnungspunkte A-C und K-N der Kirchenordnung von 1657) schon wörtlich in Listen, die von der Hand Paul Steins mit Rückvermerken versehen wurden, also schon zu seiner Amtszeit (Paul Stein starb im November 1634) existierten und bei der Erarbeitung der Ordnung von 1657 allem Anschein nach als Vorlage dienten.408 Es findet sich zu diesen Fragen über die Reinheit der Lehre, Kirchendisziplin, Schule und Einkünfte sogar ein eigenhändiger Entwurf Paul Steins, ganz in der Art der »Fragstücke« der Kirchenordung von 1657.409 Diese Fragenkataloge dienten als Orientierung, über welche Gegenstände Erkundigungen eingezogen werden sollten und wurden sicherlich nicht einfach »abgespult«;410 die situationsbezogene Schwerpunktsetzung weisen auch die 406 § 11 des Kapitels 3: »Von Annehmung und Beurlaubung der Prediger« der »ReformationsOrdnung in Kirchen- und Policey-Sachen« (»Ordnung und Reformation, […] Wie es in unsern Fürstenthumben, Graff- und Herrschafften, nicht allein im Kirchen-Regiment von unsern Visitatoren und Predigern, mit der Lehr, ihrem Leben und Wandel, Visitation der Pfarrer, Annehm- und Beurlaubung derselben, übung des Catechismi bey den Conventen und dergleichen, Sondern auch sonsten in andern zu […] Erhaltung guter Policey dienlichen Stücken […] gehalten werden sol«), HLO II, S. 409. 407 Zitiert nach dem Inhaltsverzeichnis der Kirchenordnung von 1657, HLO II, S. 464. 408 StAM 22 a 1, Nr. 42 unter dem Schriftwechsel und den Materialien zur Reform der hessischen Kirchen- und Schulordnung 1655–1657. Die Benutzung dieser korrigierten Reinschrift des Fragenkatalogs für die Erarbeitung des 19. Kapitels der Kirchenordnung von 1657 wird bestätigt durch das ebenda zwischen den Fragestücken einliegende Schreiben vom 19. März 1656 der mit der Erarbeitung befassten, zu Kassel tagenden Synode, die zu erinnern fand, dass »in allen revidirten Ordnungen, wo der Superintendenten und Prediger gedacht wird auch die Inspectores, Decani und Metropolitani mitt eingerücket werden möchten«. 409 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin nach dem 5. Rechnungs- und Visitationsprotokoll]. 410 So auch Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 68 zur Visitationspraxis Hütterodts.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

erhaltenen Visitationsprotokolle aus.411 Ob die Vorschrift der Konsistorialordnung, dass die Superintendenten »ihre bey den Visitationibus […], so dann den abgehörten Casten-, Hospital- und dergleichen Rechnungen verpflogene handlung und verrichtung neben überschickung eines unterschriebenen Exemplars einer jeden abgehörten Rechnung dem Consistorio in schrifften zuerkennen geben« sollten,412 wirklich bei jeder Visitation befolgt wurde, ist fraglich. Bei Paul Stein gibt es Anzeichen dafür, da sowohl Konzepte als auch Reinschriften von Berichten über von ihm durchgeführte Visitationen wie die darauf ergangenen Bescheide des Konsistoriums vorhanden sind, bei Johannes Hütterodt erscheint dies eher unwahrscheinlich, da sich bisher keine Reinschriften von Visitationsprotokollen gefunden haben. Über das Stattfinden von Visitationen und die mit ihrer Durchführung in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges verbundenen besonderen Beschwerungen legen neben den Diensttagebüchern auch die in den Visitierrechnungen dokumentierten Ausgabeposten Zeugnis ab. a)

Themen und Durchführung der Visitationen

aa)

Bauunterhaltung und Mittelbeschaffung, Bekenntnisordnung, Sittenzucht und Kirchenorganisation – Paul Steins erste Stationen: Ziegenhain, Treysa und Neukirchen Paul Steins erste Visitationsreise führte ihn, nach mehrfacher Ankündigung,413 vom 8.–12. November 1622 nach Ziegenhain und vom 13.–19. November ins

411 Paul Steins Insistieren auf der Einsetzung von Scholarchen als Deputierte des Rats für Schulangelegenheiten bei seiner Mittelpunktvisitation zu Ziegenhain im November 1622 (Konzept des Visitationsabschieds vom 12. November 1622, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 10v [unter den »Capita specialia« zur Stadt Ziegenhain, »II. Vom Schulwesen«, dort der zweite Punkt]) könnte ein Hinweis auf die Orientierung am Fragengerüst sein, das – wahrscheinlich von ihm konzipiert – in die Kirchenordnung von 1657 einging, denn dort sind diese als Ansprechpartner vorgesehen (Kirchenordnung von 1657, HLO II, S. 537, 538 [Buchstaben D und F]). 412 Konsistorialordnung von 1610, EKO Bd. 9, S. 113 (rechte Spalte, vor unterem Absatz). 413 So heißt es im DTB Paul Steins schon zum 9. Oktober 1622 unter Nr. 1: »Conrad Geissel pfarher zu Gensingen im Ambt Felsperg, gibt sich an, und vermeldet, er sey noch nicht eingeführt und der Gemeine praesentirt, bittet das es dennechsten geschehen möge. Ist ihm darauf zur antwort gegeben worden, ich sey ohne das willens, den anfang meiner visitation in der Graffschafft Zigenhain dennechsten zu machen; wolte ich ihn alsdan zugleich auch einführen, und ihm den tag vorher zeitlich zu wissen machen«. Zum 23. Oktober 1622, Nr. 2 heißt es: »Hab ich an die pfarhern undt beambten, auch b[ürgermeister]. und rath zu Ziegenhain, Treisa und Newkirch geschrieben, und ihnen notificirt, das auf den 7. Novembris ich zu Ziegenhain ankommen, und folgends in der Graffschafft die kirchenvisitation verrichten wolle; ihnen auch befohlen, inmittelst praeparatoria darzu zu machen, die gravamina zu papir zu bringen, und die rechnung verfertigen zu lassen«; Nr. 3: »Desgleichen hab ich an den pfarhern zu Felsperg und Gensingen geschrieben, das ich den 6. No-

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benachbarte Treysa sowie abschließend nach Neukirchen. In seinem Diensttagebuch vermerkt er dazu unter dem 6. November 1622 Folgendes: »Bin ich naher Gensingen [heute: Gensungen, ein Stadtteil der Gemeinde Felsberg im Schwalm-Eder-Kreis, A. J.] verreiset, und den 7. Novembris daselbst Conradum Geisselium zum pfarher eingeführet, auch das junge volck im catechismo examinirt, und den pfarhern mit seines antecessoris s[eligen]. wittibe verglichen, wie dan solche vergleichung vom metropolitano zu Felsperg, und denen andern anwesenden fratribus classicis, weil ich zu eilen gehabt, auf meinen befehl zu papier bracht, und mihr ad ratificandum uberschickt werden soll. Desselben tags bin ich von Gensingen naher Ziegenhain, und folgends von dar naher Treisa und Newkirch zur visitation verreiset; auch in solcher visitation vom 7. bis auf den 25. Novembris zubracht, wie dan solche verrichtungen bey gemelten visitationibus in denen darbey gehaltenen protocollis und visitationsabschieden zu sehen«.

Das Konzept von der Hand Paul Steins über die Abschiede der Mittelpunktvisitationen in der Festung Ziegenhain und in Treysa hat sich erhalten,414 das über die Visitation zu Neukirchen ließ sich noch nicht auffinden. Vom Visitationsabschied zu Ziegenhain existiert eine Abschrift des Konzepts mit zahlreichen Korrekturen sowie eine unvollständige, erneut verworfene Reinschrift, in die diese Korrekturen eingearbeitet sind.415 Da es seine erste Visitation war, gab sich Paul Stein bei der Erstellung des Abschieds anscheinend besonders viel Mühe und formulierte eine Einleitung, die sich in späteren Visitationsberichten in dieser Form nicht findet: »Zu wißen als dem allerhöchsten Gott zu ehren, undt zu auferbawung undt wohlfahrt seiner lieben kirchen als hie auf erden, am 8. Novembris, undt folgende tage darauf dieses jetzt lauffenden 1622. jahrs, in der vestung Zigenhain von dem superintendenten des bezircks Cassell, eine kirchen visitation angestelt undt gehalten worden, das man zu abhelffung deren daselbst undt bey andern in solche clas gehörigen kirchen befundenen auch theils von pfarh., [bürgermeister und rath, auch] seniorn undt vorstehern der gemeinten selbst angezeigten undt furbrachten mengell sich folgenden abschieds verglichen habe«.416

Der Ziegenhainer Visitationsabschied ist unterteilt in »Capita generalia, so ins gemein alle undt jede kirchen dieser clas betreffen« und »Capita specialia, welche gewisse kirchen undt gemeinten dieser class betreffen«. vembris gegen abent zu Gensingen ankommen, und folgenden morgen den pfarhern daselbst einführen wolle«. 414 StAM 315 a, Nr. 22 (vorletztes Stück). 415 StAM 315 a, Nr. 19 (Akte im Kasten ganz oben). 416 Reinschrift des Abschieds der zu Ziegenhain vom 8.–12. November 1622 gehaltenen Visitation, StAM 315 a, Nr. 19 (Akte im Kasten ganz oben); die Ergänzung in eckigen Klammern ist dem stark korrigierten Konzept von der Hand Paul Steins in StAM 315 a, Nr. 22 entnommen.

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Im Anschluss an die Reinschrift des Ziegenhainer Visitationsabschieds liegt der Bescheid des Konsistoriums aus Marburg vom 5. Juli 1623 auf die Vorschläge Paul Steins, wie den festgestellten Missständen abgeholfen werden könne, mit der abschriftlichen Beilage einer früheren Stellungnahme des Konsistoriums an Landgraf Moritz vom 16. März 1622, mit der übereinstimmend es die Veräußerung von Kastengütern zur Instandsetzung von Kirchengebäuden ablehnt.417 Diese Stellungnahme schloss sich den Worten der Konsistorialordnung an, die dem Superintendenten bei der Aufsicht über das ökonomische Fundament der Kirche auferlegte: »Insonderheit aber soll auch darauff achtung gegeben werden, daß den Kirchen und Casten nichts entzogen, verdauscht, verwechselt oder verkaufft werde, Ob man gleich mit dem kauffschilling dem eusserlichen ansehen und der jährlichen pension nach einen bessern, wiewol gemeiniglich unbestendigen und unsichern Nutzen schaffen möchte«.418

Die Konsistorialen hofften, dass wenn »die intrades nach dero cammerordtnung eingenommen undt gegeben« würden und die Pachtzinsen durch die Vergabe der Kastengüter an den Meistbietenden erhöht würden, »es werde den angedeuten gebrechen dadurch ettlichermaßen geholffen« werden. In ihrer Stellungnahme an den Landgrafen, an den der vorhergehende Kasseler Superintendent (Nicolaus Eckhardi) sowie der Erbmarschall zu Hessen, der zugleich Obrist der Festung Ziegenhain war, mit einem ähnlichen Ansinnen herangetreten waren, wie jetzt Paul Stein an sie, ließen die Konsistorialen allerdings eine Ausnahme vom Verbot der Veräußerung von Kastengütern zu: »[…] es wehre dann, daß ettwa Efg. gnädig verstatten wollten, ein oder ander abgelegen stuck, so der kirchen am wänigsten schädtlich, zu reparirung der gebaw sonderlich der caplaney undt deß weiberlazareths zu versetzen oder zuverkauffen, damitt dieselbe nichtt gar darniderfallen möchten«.419

417 Das Konsistorium an Paul Stein, Marburg 1623 Juli 5, StAM 315 a, Nr. 19; als Präsentationsdatum gibt Paul Stein auf der Adressseite des Schreibens den 19. Juli 1623 an, unter diesem Datum (2. Tageseintrag) vermerkt er auch in seinem Diensttagebuch: »Wird des consistorii schreiben eingelieffert, darinnen sie wegen des Ziegenhainischen visitationsabschieds antworten«. Die Konsistorialen bestätigten Paul Stein zu Beginn ihres Schreibens, sie hätten sein »den 27. ten Decembris verlittenes 1622. ten jars an uns gethanes schreiben sambt dem abschiedt dero zu Ziegenhain im Novembri zuvor gehaltener kirchen visitation den 4. ten Januarij dieses jars endpfangen verlesen, hetten euch gern demnechsten druff geandwortett, so seind wir aber, wie euch selbst bewust bißher nie in pleno beisammen gewesen«. 418 Konsistorialordnung von 1610, EKO Bd. 9, S. 114. 419 Das Konsistorium an Landgraf Moritz, 1622 März 16 (Abschrift), Beilage zum Bescheid auf den Ziegenhainer Visitationsabschied vom 5. Juli 1623, StAM 315 a, Nr. 19.

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Paul Stein hatte in derselben Weise in seinem Visitationsbericht festgestellt, dass die Kaplanei mit der Wohnung des Kaplans »dermassen verwüstet und verfallen sey, das er sich schwehrlich drinnen aufhalten könne; desgleichen auch die schule sehr bawfellig ist, also, das es dem schulmeister, wan starcke regen seind, in seine stube und auf seinen tisch regnet, wie dan auch das regen wasser, wie der superintendens selbst gesehen, in das schulhaus auf den ährn fleusset. So ist bey dieser visitation verabschiedet worden, das man das nothwendigste ohnseumlich repariren, und, wie mit der zeit von jahren zu jahren eines nach dem andern erbawet werden möge, auf mittel und wege gedencken solle, zu welchem ende dan der weitabgelegenen castengüter etliche [….] verkaufft werden könten […]«.420

Einige Seiten weiter wird der Vorschlag, wie die Einkünfte des Kirchenkastens zur Vermehrung der Besoldung von Kaplan und Schulmeister sowie zur Reparierung der Gebäude erhöht werden könnten, erneut aufgegriffen, »wan nemlich die castengüter, darvon bis daher ein geringer zinß dem casten entrichtet worden und sich die inhaber solcher güter wegen vorhabender ersteigerung der zinße sehr beschwehren, erblich verkaufft würden, doch also, das der zinß, welcher bis dahero darvon dem casten järlich gegeben worden, auf solchen gütern stehen bliebe, dem casten alle jahr entrichtet würde«.421

Paul Stein wusste, dass »das consistorium zu Marpurg in nechstsverflossenem jahr dieses nicht vor rathsam befunden«, da das erhaltene Kaufgeld, wenn es wiederum »auf pension ausgelehnet würde«, zumal durch die damals in Umlauf befindlichen geringwertigen Münzen, bald wieder verloren sein könnte. »Nachdem aber doch gleichwol darvor gehalten worden, das es nunmehr, da man wiederumb gut schwehr gelt hat, etwan zu erhalten sein möchte, sonderlich, weil der caste, ob schon die güter erblich verkaufft werden sollten, nichsto weniger der zinse, welche er bis dahero von solchen gütern gehabt, jederzeit versichert bliebe, und also von solchen gütern, da man schon mit der zeit umb das kauffgelt kommen solte, eben so viel järlich zugewarten hette, als er bis dahero darvon bekommen. So ist dieser vorschlag vom superintendenten nachmals ad reservandum angenommen worden […].«422

Die Folgen des Festungscharakters von Ziegenhain schlugen sich nicht nur in der Bitte des Opfermanns nieder, »mit einquartirung der soldaten« künftig

420 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain vom 12. November 1622, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 11r (Punkt »III. Vom Kirch- Caplaney und Schulgebew«). 421 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 12r (Oberpunkt »VI. Von ligenden Castengütern«, Unterpunkt 2 (durchstrichener Punkt 13)). 422 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 12rv (Oberpunkt »VI. Von ligenden Castengütern«, Unterpunkt 2 (durchstrichener Punkt 13)).

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

verschont zu bleiben,423 sondern auch in durch die Militärpräsenz bedingten Zerstörungen an der Kirche: »Dieweil durch ausflammung der grossen stücke [= Kanonen, A. J.], so vor der kirchen geschehen, alle kirchenfenster gantz zersprungen und zerbrochen, und es aber dem casten unmuglich ist, dieselbe, weil sie ein grosses kosten werden, widerumb machen zu lassen, so hat der superintendens auf sich genommen, mit dem cammermeister zu Cassel deshalben zu reden, und sich zu bemühen, ob es zu erhalten stehe, das entweder aus Ihrer f[ürstlichen]. gn[aden]. renten alhie, oder aber aus dem kriegsverlag, newe kirchenfenster widerumb zugerichtet und eingesetzet werden mögen«.424

Daraufhin schrieb Paul Stein am 9. Februar 1623 tatsächlich an den Kriegskommissar Friedrich von Weiters,425 »zu denen durch ausflammung der groben geschütz zu Ziegenhain zersprungenen kirchenfenstern aus dem kriegsverlag 50 fl. durch die obereinnehmer der landrettungsstewr zu Dreisa den castenvorstehern zu Zigenhain geben und entrichten zu lassen«; am 14. Februar konnte er dem Pfarrer zu Ziegenhain mitteilen, dass die 50 Gulden bewilligt seien, die die Kastenvorsteher von den Obereinnehmern fordern könnten.426 Auch kirchliche Fragen im engeren Sinne, die aber nichtsdestoweniger politisch waren, standen im Fokus von Steins Visitationsinteresse. So legte die Erkundigung, ob überall die Verbesserungspunkte eingeführt seien, stellenweise noch immer Widerspruch frei, wie bei der Mittelpunktvisitation der Klasse Ziegenhain die Befragung des Pfarrers von Willingshausen ergab: »Der pfarher des orts hat angezeigt, wie das er under seinen pfarrkindern zween refractarios habe, Theias Schlaun, einen zimmerman, sambt seinem sohn, welche sich der communion enthalten, wie dan auch der sohn, so uber zwantzig jahr alt, noch nicht confirmirt sey, und wenden sie vor, sie seyen damit, das man beym abentmal gemein brot brauche und dasselbe breche, nicht zufrieden. Ist dem pfarher anbefohlen worden, uber vorige gethane erinnerungen, nachmals zum öfftern, so wohl vor sich allein als auch hernach mit zuziehung und in beysein der seniorn mit ihnen beiden freuntlich zu reden, und sie eines bessern zu informiren, ob sie vielleicht mit der zeit zu gewinnen sein mögen«.427

Die von der Kirche vermittelten hohen moralischen Ansprüche, insbesondere in Eheangelegenheiten, führten mitunter zu Entscheidungen, die heute als menschlich kalt erscheinen, so auf den Bericht des Pfarrers von Wasenberg: 423 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 13r (durchstrichener Punkt 16). 424 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 12r (durchstrichener Punkt 11). 425 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 9. Februar 1623, Nr. 1. 426 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 14. Februar 1623, Nr. 2. 427 Zitiert nach dem stellenweise ausführlicheren und klareren Konzept von der Hand Paul Steins des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 4r.

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»Nachdem auch der pfarher daselbst angezeigt, wie das seine dienstmagt in vergangenem sommer, als sie ins Weheholtz, holtz zu lesen, ausgeschickt worden, von etlichen soldaten ihrer, der magt, vor den seniorn (welche solches auch vorm superintendenten bezeuget) zu verschiedenen mahlen gethanen aussage nach, geschwecht und geschwengert worden […]. Als ist hirauff dem pfarher befohlen worden, die von soldaten genothzüchtigte und geschwängerte magt, welche er noch in seinem dienst, umb allerhandt bösen verdacht und nachrede zu verhüten, dennechsten abzuschaffen, wie dan auch die beambten daran sein wollen, das das ubrige leichtfertige gesinde daselbst ehisten abgeschafft, und der gemeinde angezeigt werde, ins künfftige derogleichen leichtfertige dirnen nicht in ihren dienst anzunehmen, sondern sich nach redlichen dienstbotten umbzusehen und zu bewerben«.428

Die »dirnen« unter dem »ubrige[n] leichtfertige[n] gesinde«, welche »sich in ihre gemeine naher Wasenberg einschleiffen«, hätten »uneheliche kinder zur Newstadt und andern Maintzischen orten gehabt«, weshalb sie aus ihrem Dienst entlassen werden sollten, da ihre Beschäftigung »der gemeine zur ärgernus und dem jungen volck daselbst zur verfuhrung gereiche«.429 Auch zu Loshausen wurde Klage geführt über das Einschleichen »gotloser, aberglaubischer, pabstischer leute […], welche sich unehelicher weise zusammen parn, an päbstischen orten copulirn lassen, und hernach wider zu ihnen naher Loßhausen kommen und sich daselbst, nicht ohne groß ärgernus der gemein, niederthun«.430 Zu Loshausen beteiligte sich, nach dem Bericht des Pfarrers, an diesem Auslaufen in benachbarte katholische Orte sogar die lokale Adelsfamilie derer zu Loshausen, die »mit ihren kindern und gesinde der päbstischen religion zugethan, und derowegen die kirchversamlungen daselbst verlassen«. Daraufhin ist von Paul Stein dem Pfarrer »wie dan auch dem metropolitano, als welcher mit den junckern wohl bekandt, befohlen worden, zum öfftern gutte gelegenheit zu suchen, mit gemelten vom Adel deswegen bescheidentlich zu reden, und die päbstische grewel und irrthumen, damit sie behafftet, aus Gottes wort zu widerlegen, und hergegen grundt unserer reformirten religion zu zeigen und zu weisen, ob etwan der allmechtige Gott Gnade verleihen wollte, das sie mit der zeit von den päbstischen irrthumen ab- und zu erkenntnus der warheit geführt und gebracht werden möchten«.431

428 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 5v (unter den »Capita specialia« die Ausführungen zu »Wasenberg«). 429 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 5v. 430 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 3v (»Loßhausen«, erster Ort unter den »Capita specialia«). 431 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 4r (Fortsetzung zu Loshausen unter dem nachgetragenen Punkt »XII. Von urkunden aller und jeder ausgabe«, vor »Willingshausen«).

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Auch in kirchenorganisatorischer Hinsicht wurde Paul Stein tätig. So bot diese Visitation – wie am Ende des ersten Kapitels bereits angesprochen – Anlass für neue Anregungen zur Abhaltung der Klassenkonvente.432 Ein Punkt, der den Einsatz Paul Steins für die Verankerung der reformierten Lehre deutlich macht, ist sein Anstoß zur Verbreitung des von ihm zur Erleichterung des Verständnisses für die Unterrichtung der Jugend annotierten hessischen Katechismus’: »Demnach auch mechtig viel dran gelegen ist, das die liebe jugend im catechismo und den vornembsten haubstücken der christlichen religion wohl underrichtet, und nicht allein dieselbige auswendig zu lernen angehalten, sondern auch vornemlich zu deren rechtem wahrem verstand angeführet werde; welches dan besser und fuglicher nicht geschehen kann, als wen die fragen und antworten unsers gewöhnlichen catechismi (welcher dan billich behalten, auch ausser dem kein ander catechismus in den kirchen dieser classe gelehret noch getrieben werden soll) durch gewisse randfragen analysirt, die darinnen vorfallende schwehre wörter und arten zu reden, kürtzlich und deutlich erklärt, auch zuweilen die fragen, jedoch das jederzeit einerley verstandt bleibe, in etwas verendert, und die jugend gewehnet werde, auff solche fragen aus dem text des catechismi fuglich zu antworten, inmassen vom superintendenten solches bey dem in der vestung Ziegenhain angesteltem und gehaltenem examine catechetico gleichsam ein formular gezeigt und gegeben worden. So ist mit den fratribus classicis dahin abgeredet, von ihnen auch zugesagt und versprochen worden, allem dem, wie vorstehet, nach muglichkeit nachzukommen, und die examina catechetica solcher gestalt zu verrichten, das der rechte wahre verstand des catechismi der jugend wohl eingebildet werde, damit sie hernach auch die predigten mit desto grösserm nutzen und erbawung anhören mögen. Und nachdem die fratres classici bey dem superintendenten angehalten, ihnen pro sui informatione, wie in solchen catechisationibus zu verfahren, die hiebevor begrieffene instruction, und was darzu gehört, zu communiciren, so ist ihnen darauff vertröstung geschehen, es wolle der superintendens hiruber weniger nicht als auch uber vorigen puncten, der conventsordnung halber, des consistorii zu Marpurg bedencken einholen, und ihnen alsdan verhoffentlich eine gewürige antwort disfals widerfahren lassen«.433

In seinem Bescheid vom 5. Juli 1623 antwortete das Konsistorium auf beide Punkte: »Verhallten euch nunmehr nichtt, daß ir die im 2. und 3. titull gemeldtte ordtnung classicorum conventuum, wie auch die verfaste instruction catechisandi, weil dieselbe vieler obliegenden geschäftt und verhinderungen halber von unserm gn. f. und herrn 432 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 1rv (Punkt »II. Von conventibus classicis«); bis auf die Vorläufigkeit (»interims weise«) des dort angesprochenen, den Pfarrern zu übermittelnden »begrieff[s]« der leges conventualium weitgehend übereinstimmend mit der Reinschrift in StAM 315 a, Nr. 19. 433 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 1v–2r (Punkt »III. Vom examine catechetico der jugend«); die Reinschrift in StAM 315 a, Nr. 19 stimmt hier nahezu vollständig mit dem Konzept überein.

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noch nichtt publicirt, interimsweise den pastoribus zu ihrer nachrichtung woll communiciren mögett«.434

Bei seiner Visitation in der Klasse Ziegenhain wurde Paul Stein noch auf ein anderes Problem hingewiesen, das nach dem Verständnis der landesherrlichen und geistlichen Obrigkeit herrschaftsrelevante Bedeutung hatte. Die Adelsfamilie der Schwertzell zu Willingshausen maßte sich, nach Aussage des Pfarrers, seit »uber viertzig oder funfftzig jahr« an, »das sie, wan ihre, der junckern, diener pflegen ihre rechnungen abzulegen, ebener massen den pfarhern und die castenmeister vor sich zur rechnung citiren, auch die castenregister durchsehen, calculiren, und underschreiben, und nachmals dieselbe dem superintendenten, die rechnung ebener massen abzuhören und zu underschreiben, durch den pfarhern und die Castenmeister auff erfordern, vorlegen lassen; gestalt dan bey dieser visitation eine rechnung, so schon albereits von eins theils der Schwertzelischen vormündern underschrieben gewesen, dem superintendenten abzuhören vorgelegt worden«.435

Hinzukam, dass »die Schwertzel an der pfarr Willingshausen gantz keine gerechtigkeit haben, sondern das ius patronatus dem Stifft Hersfeldt, das ius episcopale aber unserm gn. landsfürsten und herrn zustehet«.436 Nach dem Exempel der Schwertzell zu Willingshausen fingen auch die Schetzel zu Merzhausen437 »vor etlichen wenigen jahren« an, »die castenrechnungen daselbst, gleichwol hernach allererst, wen sie vom superintendenten schon abgehört gewesen, zu underschreiben«.438 Das Konsistorium erteilte auf den Bericht Paul Steins darüber »im namen unsers gn. fürsten undt herrn« den Bescheid: »Weill ihnen den junckern oder respective deren vormündern baides ortts die collaturn der pfaren nichtt zuständig, das ius episcopale aber beides orts unstreitig bei hochgedachtem unserm gn. f. und herrn, das ir ihnen solches nichtt gestattet, sondern 434 Bescheid des Konsistoriums zu Marburg vom 5. Juli 1623 auf den Visitationsabschied zu Ziegenhain (Ausfertigung), StAM 315 a, Nr. 19. Zu dem Bemühen Paul Steins, diesen mit »randfragen analysirt[en]« Katechismus 1632 aufgrund der Nachfrage der Metropolitane drucken zu lassen, siehe schon oben in Kapitel II C 1 (»Die Gravamina […]«). 435 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 4v (unter den »Capita specialia« die Angaben zum Ort »Willingshausen«). 436 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 4r ; in der verworfenen Reinschrift in StAM 315 a, Nr. 19 heißt es, dass über die Pfarrei Willingshausen »das ius patronatus weniger nicht, als das ius episcopale unserm gn. fürsten und landherrn zustehet«. Die Abschriften der Pfarrreverse im Verzeichnis »Pfarlehn und geistliche Beneficia betreffendt«, KKAE Best. 1, Nr. 32 (hier fol. 40v–41r und 42v–43r), weisen aus, dass das Besetzungsrecht zumindest über die Willingshausen benachbarte Pfarrei Merzhausen 1569 und 1576 dem Stift Hersfeld zustand. 437 Zu den Konfliktlinien dort, siehe v. Friedeburg: Landgemeinde, adlige Herrschaft und frühmoderner Staat in Hessen-Kassel nach dem Dreißigjährigen Krieg: Merzhausen 1646– 1672. 438 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 5r.

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deßwegen an sie schreibet, undt sie von solchem beginnen abmanet, gestallt dadurch e. [gemeint: ihrer] f. gn. in das ius episcopale, alß deme solche abhörung der castenrechnung anhängig, gegriffen werde, in dem den nobilibus, so sonst das ius conferendi haben, mehr nichtt gestattet werde, alß solchen rechnungen selbst oder durch ihre diener beizuwohnen […]«.439

Hatten die Adligen also das Patronatsrecht über die jeweilige Kirche, war ihnen oder ihren Vertretern die Anwesenheit bei der Abhörung der Kirchenrechnungen durch den Superintendenten wie auch deren Mitsubskription gestattet, anderenfalls wurde ihr Handeln als Herrschaftsanmaßung aufgefasst. Die Adligen selbst aber sahen dies aus nachvollziehbaren Gründen anders. So heißt es im Diensttagebuch Paul Steins unter dem 20. April 1623: »Seind der Jägermeister Schetzel von Mertzhausen, und einer von Weitershausen440 bey mir gewesen; und hab ich mit ihnen wegen deren bey Ziegenhainischer letztgehaltener Kirchenvisitation vorgefallener und verabschiedeter puncten, so die Mertzhausische kirchen und casten betreffen, geredet. Haben sich in allem wohl erklärt, sonderlich, das sie mit underschreibung der castenrechnung bey ihnen, ganz keinen eintrag begehren zu thun wider dem Stifft Hersfeld der collatur halber, noch u. gn. f. und herrn an ihrer f. gn. habenden iuri episcopali, sondern dahin sey es allein angesehen, damit die receß alle jahr richtig von den leuten gebracht, und dem casten zum besten widerum angelegt werden mögen«.441

Auch die vom 20. bis 24. November 1622 abgehaltene Visitation zu Neukirchen, deren Protokoll bisher nicht aufgefunden werden konnte, hat im Diensttagebuch Paul Steins Spuren hinterlassen. Denn die Adelsfamilie von Dörnberg, deren Patronat mehrere Kirchen in der Klasse Neukirchen unterstanden, hatte offenbar auch die Praxis, die Kirchenrechnungen zu prüfen und zu unterschreiben, bevor dies der Superintendent tat. Anders als die Schwertzell zu Willingshausen oder die Schetzel zu Merzhausen hatten sie dafür aber eine Begründung, die auch ein bezeichnendes Licht auf die Visitationspraxis der Superintendenten wirft. »Die von Dörnberg, Ludwig und sein bruder,« erschienen bei Paul Stein in Kassel am 23. April 1623 und erklärten: »Es sey ihre meinung nie gewesen, auch noch nicht, durch solche abhörung der rechnungen Ihrer F. Gn. oder deren superintendenten vorzugreiffen, sondern, weil die rechnungen vom superintendenten nicht alle jahr, sondern zuweilen kaum in 3 oder 4 jahren abgehört würden, so hetten sie und ihre vorfahren es also gehalten und herbracht, das sie alle jahr die castenrechnungen abgehört, damit die recesse jederzeit eingebracht, und nicht etwa under den leuten nachstendig bleiben möchten; wollten 439 Bescheid des Konsistoriums zu Marburg vom 5. Juli 1623 auf den Visitationsabschied zu Ziegenhain (Ausfertigung), StAM 315 a, Nr. 19. 440 Die von Weitershausen waren eine der adligen Familien, die »grund- und gerichtsherrliche Rechte in Merzhausen besaßen«, v. Friedeburg: Landgemeinde, S. 155, 159. 441 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 20. April 1623, Nr. 4.

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auch mit alten registern bescheinen, das es jederzeit also gehalten worden, das ihre vorfahren die rechnung erst abgehört, und hernach durch den superintendenten bey den visitationibus revidiren und ebenmessig subscribiren lassen«.442

Stein, dem es als Superintendent »obliege und gebühre, ihrer f. gn. gerechtigkeit in geistlichen sachen zu wahren«, sei, als er von dieser Praxis gehört habe und »bey der visitation zu Newkirch newlicher zeit erwehnet worden, das die vorige superintendenten ebener massen sich hirinnen beschwehrt befunden«, nichts anderes übrig geblieben als dagegen zu protestieren sowie sich dahin zu erklären, das Konsistorium zu informieren »und von dannen bescheids und verordnung zu erwarten«.443 Stein merkte offenbar, dass die von Dörnberg hier nicht in böser Abicht handelten, war aber trotzdem auf den Bescheid des Konsistoriums angewiesen. Die auf den Visitationen behandelten Untersuchungsgegenstände machen das weite Spektrum kirchlicher Aufgaben und deren integrative Wirkung deutlich. Entscheidendes Gewicht kam der Behandlung ökonomischer Fragen in allen Spielarten zu. Ins Auge fällt die sowohl in finanziellen wie in disziplinatorischen Angelegenheiten immer wieder gesuchte Hilfe der weltlichen Beamten und die Unterstützung der Gerichte. Bezüglich der Vorkommnisse in der Gemeinde Loshausen, wo neben dem Unterschlüpfen »pabstischer leute« »auch Curt Fischers zween töchter tag und nacht ein uberaus bübisch leben führen«, »so ist deswegen mit dem Herrn Obristen und beambten geredet worden, welche sich dahin erklärt, nicht allein obgedachte auslendische personen, so in die gemeinde Loßhausen eingeschlichen, nachdem sie ihrem exceß halber gebührliche straff ausgestanden, des orts gäntzlich zu verweisen und abzuschaffen, sondern auch Greben und Vorstehern daselbst, das sie solches verschweigen, und bey den rugegerichten nicht angezeigt, der gebühr anzusehen«.444

Zu Ziegenhain wurde die weltliche Obrigkeit explizit um Mithilfe bei der Herstellung der Kirchendisziplin gebeten, so heißt es im ersten Punkt der »Capita specialia« zu diesem Ort: »Der pfarher daselbst, Ehr Johan Hanstein, hat geklagt, das die kirchendisciplin sehr darnieder liege, die predigten offt und vielmals verseumet, und allerhandt arbeit under den sonn- und bettagspredigten vorgenommen und verrichtet werde. Ist demnach mit den beambten, bürgermeistern und rath, wie dan auch mit den seniorn hiraus geredet worden, das ein jeder an seinem ort uber der kirchendisciplin halten, die seniorn neben den predigern, die fahrlessige und ubertretter erstlich bescheidentlicher und freuntlicher weise zur gebühr vermahnen, und, da solche ihre vermahnungen nichts bey 442 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 23. April 1623 (letzter Abschnitt auf der Versoseite). 443 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 23. April 1623 (Versoseite oben). 444 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 3v (Loshausen, erster Ortseintrag unter den »Capita specialia«).

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ihnen verfangen würden, sie hernach der oberkeit anzeigen sollen, damit dieselbe, nach inhalt der reformationordnung, mit ihnen zu verfahren habe, und also mit der zeit alle unordnung abgestellt, hergegen aber die kirchendisciplin widerumb angerichtet werden möge«.445

Schließlich wird ein auch in späteren Jahren immer wieder virulent werdendes Problem angesprochen, nämlich, dass die Beamten, wenn sie von den Kastenmeistern bei der Eintreibung rückständiger Zinsen um »Amtshilfe« gebeten werden, diese nicht umsonst gewähren wollten. Hier kommt noch eine spezielle Konstellation hinzu, Bewohner Treysas, die dem Ziegenhainer Kasten zur Zahlung von Darlehenszinsen verpflichtet waren, transferierten die Darlehenssumme, zu der diese Zinsen gehörten, ohne Wissen der Kastenverantwortlichen, auf andere Bewohner, sodass die Kastenmeister nun nicht mehr wussten, von wem sie die Zinsen fordern sollten: »Item, das die bürger zu Treisa, welche in den Ziegenhainischen casten schuldig seyen, ihre haubtsummen, ohne vorwissen des pfarhers und castenmeisters, einer auf den andern transferiren, und die alte verschreibungen zurück lassen; dahero der castenmeister von Ziegenhain, wen[n] er zu Treisa die castengefelle einmahne offtmals nicht wisse, wen er wegen der zinse ansprechen solle, sondern von einem zum andern gewiesen werde; wie dan auch in heraustreibung der Ziegenhainischen castenzinse, da man der Treisischen oberkeit hülffe gegen einen oder den andern bedürffe, jedes mahls helff- und gebotts geldt vom castenmeister entrichtet werden müsse, welches aber nicht in rechnung einbracht werden könne. So hat der superintendens auf sich genommen, wegen dieser oberzehlter gravaminum mit der oberkeit zu Treisa, bey vorhabender visitation des orts, zu reden, und die sach dahin zu richten, damit dem Ziegenhainischen casten, ohn einig entgeltnus, oder doch zum wenigsten auf der seumigen und nicht des castens unkosten worzu er befugt ist, verholffen werde«.446

Aufschlussreich ist auch, welche Vorkehrungen Paul Stein zur Sicherstellung der Umsetzung der von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen traf. So heißt es am Schluss des Ziegenhainer Visitationsabschieds: »Damit nun alle obgesetzte bey jetziger visitation verabschiedete puncten dennechsten zu werck gerichtet, der superintendens auch, und folgends das consistorium zu Marpurg, solcher expedition halber gewisse gründliche nachrichtung erlangen, und, da sichs in einem oder dem andern stossen würde, desen bey zeiten, auf fernere notturfftige verordnung bedacht zu sein, verstendigt werden mögen, so soll der metropolitanus nicht allein, was ihm in diesem visitations abschiedt committirt worden, 445 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 10r (»Capita specialia« zu Ziegenhain, erster Unterpunkt des Kapitels »I. Von besuchung der predigten und kinderlehr auch anrichtung und handhabung der kirchendisciplin«). 446 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 13r (unter den »Capita specialia« zu Ziegenhain, Kapitel »IIX. Von etlichen Castengebrechen, welche zu Treisa zu expediren seind«).

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dennechsten zu werck, sondern auch das von andern so viel einen jeden dieser abschied betrifft, solches ebenmessig geschehe, gebührliche erinnerung und anregung thun, auch zu ausgang nechsts künftigen monats Martii des instehenden 1623. jahrs, wie diesem abschied gelebt worden, an den superintendenten in schrifften umbstendlich und grüntlich berichten. Immittelst verhofft der superintendens ebener gestalt das jenige, so er, vermöge dieses abschieds auch uber einem und anderm puncten von denen orten und enden, dahin ein jedes gehörig ist, resolution zu erlangen, deren er dan auch den metropolitanum, und wem es sonsten nötig sein wird, zur nachrichtung, verstendigen will, sich allerseits darnach haben zu achten«.447

Es ist also eine gegenseitige Verpflichtung, die hier eingegangen wird. Nicht nur der Metropolitan von Ziegenhain verpflichtet sich, auf die Umsetzung der verabschiedeten Punkte hinzuwirken und darüber im März des nächsten Jahres Bericht zu erstatten, sondern auch der Superintendent, der dies – wie bei seinem erfolgreichen Bemühen um einen Zuschuss zur Reparatur der durch das eigene Militär in der Festung Ziegenhain zerstörten Kirchenfenster gesehen – auch ernst nahm. Über die Fertigstellung und schließliche Versendung des Visitationsabschieds lesen wir in Paul Steins Diensttagebuch unter dem 27. Dezember 1622: »1. Hab ich an den pfarher zu Ziegenhain geschrieben, und ihm den visitationsabschied ad subscribendum uberschickt, auch befohlen, denselben abzucopiiren, und den fratribus classicis, so viel der jeden betrifft, zu communiciren. 2. Hab ich dem consistorio den Ziegenhainischen visitationsabschied zugeschickt […].«448

Dass auch der Pfarrer und Metropolitan von Ziegenhain, Johann Hanstein, seiner Verpflichtung nachkam, beweist der Eintrag zum 2. März 1623 im Diensttagebuch Paul Steins, wo es heißt: »Pfarher zu Ziegenhain schickt relation ein, was er in denen bey letzter visitation verabschiedeten und ihm ad expediendum aufgetragenen puncten verrichtet habe; desgleichen referirt er vom conventu classico«.449 An die Mittelpunktvisitation zu Ziegenhain schlossen sich vom 13.–19. November die zu Treysa und vom 20.–24. November die zu Neukirchen an, bevor Paul Stein am 25. November 1622 wieder zurück in Kassel war.

447 Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 13v (unter den »Capita specialia« zu Ziegenhain, Caput IX). 448 DTB Paul Stein, Eintrag zum 27. Dezember 1622, Nr. 1 und 2. Das Absendedatum stimmt überein mit der Empfangsbestätigung im Bescheid des Konsistoriums vom 5. Juli 1623 (StAM 315 a, Nr. 19): »Wir haben ewer den 27. ten Decembris verlittenes 1622. ten jars an uns gethanes schreiben sambt dem abschiedt dero zu Ziegenhain im Novembri zuvor gehaltener kirchen visitation […] endpfangen […]«. 449 DTB Paul Stein, Eintrag zum 2. März 1623, Nr. 1.

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bb)

Einsetzung und Disziplinierung von Pfarrern, die rechte Versehung der Schule, die andauernde konfessionelle Devianz weltlicher Führungsschichten, heimische Rechnungskontrolle und der angemessene Unterhalt des Pfarrers von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim (Klasse Borken) Das nächste erhaltene Protokoll einer Visitation Paul Steins ist das in einer sauberen Abschrift von seiner Hand vorliegende der Klasse Borken.450 Zum 26. April 1623 heißt es in Steins Diensttagebuch: »Bin ich naher Borcken verreiset, daselbst den pfarher Ehrn Gerhard Stirn wie dan auch zu Grossen Englis Henricum Hentzelium, und zu Nidern Urff Samuelem Cancrinum zum Caplan einzuführen, und zu visitiren. Was daselbst verrichtet, ist aus dem bey solcher visitation gehaltenen protocoll zu sehen, vom 26. April bis auf den 2. Maji«.

Am 26. April kam Stein im Hauptort an und visitierte vom 27. April bis 2. Mai. Am ersten Tag führte er den noch bis 1668 amtierenden Borkener Pfarrer und Metropolitan Gerhard Stirn in sein Amt ein, der eine regelrechte Dynastie begründete, denn 1668 folgte ihm sein Sohn Johann Justus und 1699 dessen bis 1738 wirkender Sohn Jakob.451 Wie sich schon aus dem Eintrag im Diensttagebuch ergibt, war die Einführung Gerhard Stirns nicht die einzige, die Paul Stein während dieser Visitation vornahm. In das Protokoll dieser Visitation zu Borken wurden von Paul Stein auch die Abschlüsse – Einnahmen, Ausgaben, Rückstände (»Receß«) – der jährlichen Kastenrechnungen der einzelnen Orte der Klasse aufgenommen. Weiterhin liegt ein »Extract etlicher bei neulicher Visitation zu Gudensberg vorgefallener Punkten, daraus mit f[ürstlicher]. Regierung alhier zu Kassel kommuniziert werden muss«, als Konzept von der Hand Paul Steins vor.452 Steins Diensttagebuch berichtet zum 11. Juli 1623: »Bin ich naher Gudensberg zur visitation verreist, und daselbst bis auff den 17. Julii zubracht. Die verrichtung ist aus dem protocoll und beygefügten schrifften und acten zu ersehen«.

In dem erhaltenen »Extract« von der Hand Paul Steins werden Unrichtigkeiten und Beschwerden aus Gudensberg, Züschen, Riede mit Merxhausen, Martinhagen (»Merdenhagen«) und Obervorschütz aufgeführt. Über diese vorgefallenen Punkte erwartete Paul Stein nach seinem Rückvermerk die Verordnung der fürstlichen Regierung, der dieser »Extract« am 26. Juli 1623 insinuiert worden sei.453 450 Visitationsabschied zu Borken, StAM 315 a, Nr. 22 (liegt nach dem Konzept des Visitationsabschieds zu Ziegenhain). 451 Zu ihnen: Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 362–368 (Nr. 10–12 der »Pfarrer und Metropolitane in Borken seit der Reformationszeit«). 452 StAM 315 a, Nr. 22. 453 Die Reinschrift (nicht von der Hand Paul Steins) liegt in StAM 22 a 1, Nr. 149.

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Nach diesen klärungsbedürftigen Punkten der Visitation zu Gudensberg liegt das Protokoll einer Visitation in den nördlich von Kassel gelegenen Klassen Hofgeismar, Gebenstein, Trendelburg, Gottsbüren (Amt Zapfenburg), Zierenberg und Wolfhagen.454 Die Notizen, die sich Paul Stein dazu gemacht hat, tragen einen starken Konzeptcharakter, weisen keine Überschrift und auch keine klare Datierung auf. Der Zusammenhang der Aufbewahrung mit anderen Visitationsprotokollen des Zeitraums 1622/23 sowie Angaben im Diensttagebuch Paul Steins scheinen eine Entstehung ebenfalls zu dieser Zeit nahezulegen.455 Allerdings lassen Bemerkungen wie »NB. Mit dem superintendenten zu reden, das er dem castenmeister zu Westuffeln etwas zulegen wolle«456 vermuten, dass Paul Stein hier noch im Auftrag seines Vorgängers Nicolaus Eckhardi visitiert hat, denn zum einen spricht Stein normalerweise nicht in dieser Form in der dritten Person von sich selbst und zum anderen werden hier Rechnungen hauptsächlich aus den Jahren 1613 bis 1616, aber auch aus Jahren davor, zurückreichend bis 1605, abgehört. Am linken Rand neben den einzelnen bei der Visitation aufgefallenen Punkten hat Paul Stein mit einem Namen oder der Formel »B[ürgermeister]. und Rath« zur schnelleren Übersicht kurz notiert, auf wen sich der jeweilige Punkt bezieht oder wen er um Abhilfe ansprechen will. Die zahlreichen, in kurzen Punkten zusammengefassten Missstände ermöglichen einen seltenen 454 StAM 315 a, Nr. 22. 455 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 19. Oktober 1622, Nr. 2: »Pfarher zum Zierenberg Ehr M. Henricus Kleinschmidt berichtet, ihr castenschreiber, Johan Lotz, habe seinen castenschreibersdienst resigniert […]. Bittet, dennechsten hinzukommen, und die rechnung abzuhören. Hirauf hab ich geantwortet: Alsbalt ich in der Graffschafft Ziegenhain visitirt, wolte ich hin naher Zierenberg kommen. Immittelst solten sie die rechnung fertig machen, auch die gravamina in statt und ambt zu papir bringen«. Auch am 29. Oktober 1622, Nr. 4 wird der um Erlassung ansuchende Kastenmeister zu Meimbressen vertröstet: »Ist auf die nechste visitation naher Zierenberg verwiesen worden«. Unter dem 8. Februar 1623, Nr. 4 schreibt Paul Stein: »Denen von Calenberg hab ich abschrifft des consistorii schreibens wegen abhörung der Wettesingischen castenrechnung zugeschickt, auch notificirt, das ich dennechsten in stat und ambt Zierenberg visitiren, und die rechnung abhören wolle; derowegen sie bey den castenmeistern die versehung zu thun, damit die rechnungen mitler weil verfertigt werden mögen. Wie sie dan auch die gravamina, da sie deren haben, zu papier bringen lassen solten, damit zu meiner ankunfft man denselbigen ihre abhelffliche mas geben könne« und auch unter dem 12. März 1623, Nr. 2 ist zu lesen: »[…] hab ich an Henrich von Calenberg den eltern geschrieben, […] und begehrt […] die versehung zu thun, damit die Wettesingische castenrechnungen verfertiget, und bey vorstehender Zierenbergischer visitation, auf mein ferner erfordern, mihr, dieselbe abzuhören, vorgelegt werden mögen«. Unter dem 2. April 1623, Nr. 2 heißt es dann: »Bin ich nach Hombressen verreiset, daselbst M. Wernicke zum pfarher einzuführen; von dannen auch naher [Hof-]Geismar zur visitation zu reisen« und zum 3. und 4. April 1623 schreibt Paul Stein: »Bin ich zu [Hof-]Geismar gewesen und daselbst angefangen die nachstendigen casten-, hospital- und siechenrechnungen abzuhören, wie in dem daselbst gehaltenen protocoll zu sehen«. 456 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 6r.

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farbenreichen Einblick in das Leben der jeweiligen Gemeinde und ihrer Bewohner, wobei auch Fälle von Aberglauben, Quacksalberei und ungeklärte Todesfälle zutage treten. Besonders auffällig wurde hierbei Elias Vietor, Pfarrer zu Ehringen in der Klasse Wolfhagen, über den, neben dem Tod seines Knechtes durch einen Pferdetritt bei einem gemeinsamen Ritt aus der Grafschaft Waldeck457 sowie der, auf Betreiben seiner Frau erfolgten, Ratsuche bei einem Hellseher, geklagt wird, er habe sich bei der letzten Visitation mit dem Bürgermeister geschlagen, im Krieg mit Karten gespielt sowie mit einem anderen Dorfbewohner ein Wettrennen zu Pferd »über Feld« um ein Fass Bier veranstaltet, bei dem der andere »vom pferde gefallen auf einen arm, das er denselben 14 tage lang am halse habe tragen müssen«.458 Der Rektor der Wolfhagener Stadtschule, Johannes Kohlius, klagt darüber, dass »eine nebenschul gehalten [werde], darinnen lateinisch und teutsch gelehrt wirdt, dannenhero in disciplina grosse confusion entstehe; so pflegen auch solche schüler nit mit zur kirch zu gehen und das gesenge mit zu halten«459 ; sein Kollege Nicolaus Hauptreiff schließt sich an »und berichtet darbeneben, das die discipuli, so in der nebenschul seyen, ihm und seinem collegae ganz keine ehr antun«460. Neben Klagen über die geringe Besoldung, unregelmäßige Entrichtung des Schulgeldes der Schüler, »welches seyen järlich 4 alb[us]. und 20 eyer«, sowie darüber, dass die Bürger »ihre kinder sehr unfleissig zur schule« schickten und etliche darunter seien, »welche nicht wohl leiden können, wen ihre kinder in der schul gezüchtigt werden«, hielt der Rektor auch »für nötig, das ein tertius ihnen adjungirt würde, der mit den inferioribus, so das buchstabiren und lesen lernen«, arbeite und dass zu dem bestehenden wenigstens noch ein weiteres 457 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 6r (Punkt 5 zu Wolfhagen). 458 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 9r (Punkt 1 unter den »N[ota] B[ene]«, das Geständnis des Pfarrers links daneben), auf diesem Blatt auch die zuvor genannten Anschuldigungen. 459 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 8r (ganz unten auf dem Blatt, erster Beschwerdepunkt des Rektors). 460 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 8v (erster der beiden Beschwerdepunkte des Nicolaus Hauptreiff). Alle, die in irgendeiner Weise Schule halten wollten, mussten vorher die Erlaubnis des Superintendenten einholen. So heißt es beispielsweise im DTB Theophil Neubergers im zweiten Eintrag zum 28. Februar 1635: »Eodem Ist Anna Launers, Johan Jost Launers gewesenen schulmeisters zu Helsa wittib erlaubt neheschul zu halten«; zum 2. September 1635: »Den 2. Sept. ist Leysa in Conrad Schlossers hauß wohnend zu schulfraw in der Brüdergemein verordnet worden«; zum 20. August 1636 findet sich ebenda der Eintrag: »Den 20. Aug. Ist Anna Herwigs mägdleinschul zu halten uf einen versuch erlaubt worden« und zum 8. September 1636: »Den 8. Sept. Ist Joh. Vaupelio uf sein bitt zugelassen, das er rechenschul alhie [zu Kassel] halte mit den frembden kindern deren leüte so von Homburg sein u. sich alhie ufhalten, aber keine hirige kinder sol er annemen, damit den ordinariis praeceptoribus nichts abgehe«.

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»auditorium« komme.461 Unter den allgemeinen Angaben zu Wolfhagen notiert Stein jedoch unter Punkt 16 zufrieden: »Catechismus Heidelbergensis werde gelehrt in der schulen, bey den superioribus«, aber unter Punkt 17 auch, dass die »tentamina« nicht gehalten würden, »examina aber alle halbe jahr einmahl«.462 Eine Angabe, die durch ihre Rede in der dritten Person deutlich darauf hinweist, dass diese Visitation nicht von Paul Stein als Superintendent durchgeführt worden sein kann, ist die: »Superintendens komme bey der visitation in die schule nicht, conferire mit den pastoribus wenig, stelle kein examen catecheticum under dem jungen volck an«,463 womit zugleich gezeigt wird, wie viel Aufmerksamkeit von den Superintendenten bei ihren Visitationen für Schulangelegenheiten erwartet wurde. Neben dem üblicherweise umfangreichen Klärungsbedarf in Kastenangelegenheiten, wurde bei dieser Visitation auch festgestellt, dass in der Klasse Wolfhagen die »conventus classici […] nicht gehalten« werden464 und »[d]ie Kinder […] allzu jung zur confirmation« kommen465, der Pfarrer von Altenhasungen und Nothfelden wurde dafür kritisiert, er habe »kein pfarrbuch, darinn er die namen der getaufften kinder aufzeichne«, auch würden die Senioren nicht ordnungsgemäß herangezogen, so seien sie »nicht allezeit bey den vermahnungen« und »[w]an der communicanten viele sindt, nehme er einen seiner seniorn, der reiche den kelch«; da auch die Älteren ihren Wissensstand in Fragen der christlichen Religion erweitern sollten, damit sie umso mehr Gewinn aus den Predigten zögen, findet sich im Visitationsprotokoll auch die auf den ersten Blick merkwürde Angabe: »Die alten leut kommen nicht zur kinderlehr«.466 Weiterhin bemerkenswert ist, dass gerade der landgräfliche Amtmann zu Wolfhagen sich noch immer den Verbesserungspunkten zu widersetzen schien. So heißt es im Visitationsprotokoll zu Wolfhagen unter Punkt 7 neben der Randbemerkung »Amtmann«: »Beamten besuchen den gottesdienst unfleißig propter discordiam; Rentmeister communicire; Amtmann habe seit der zeit er allhir gewohnet, nicht communicirt; besuche die bettage unfleißig, unangesehen er zum öftern vermahnt worden; so stelle er auch des sonntags hasenjagden an«,467 weiter unter Punkt 12: »Gottslästern sey leider sehr gemein, und gehe hirin der Ambtmann den zuhörern mit bösem exempel vor«.468 461 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 8v (Beschwerdepunkte des Rektors). 462 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 7r. 463 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 7r (Punkt 18 der allgemeinen Angaben zu Wolfhagen). 464 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 6r (Punkt 4 zu Wolfhagen). 465 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 6r (Punkt 2 zu Wolfhagen). 466 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 7v (Punkte 4, 1, 2 und 10 zu Altenhasungen und Nothfelden). 467 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 6r.

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»Henrich Göbicke diaconus zu Wolfhagen« ergänzt bei seinen Angaben unter Punkt 2: »Der Amtmann kommt unfleißig zur kirch, und nimmer zum abendmahl; sein hausfrau communicirt in der Grafschaft Waldeck«, und unter Punkt 4: »Amtmann sei ein verächter Gottes und flucher und gottslästerer«.469 Selbst unter der administrativen Führungsschicht der Landgrafschaft gab es also zehn Jahre nach Einführung der Verbesserungspunkte noch Vorbehalte gegen die reformierte Lehre und Geistlichkeit. Unter dem 13. Januar 1623 heißt es im Diensttagebuch Paul Steins: »Hab ich angefangen im Ambt Cassel die castenrechnungen abzuhören, laut darüber gehaltenen protocolls«, die Abhörung wurde, wie anhand des Diensttagebuchs nachvollzogen werden kann, in den folgenden Tagen »continuirt«. Das Protokoll darüber ist zumindest für die zum Amt und zur Klasse Kassel Neustadt gehörenden Pfarreien erhalten. Ohne genanntes Tagesdatum beginnt es mit der Erwähnung der Abhörung der Rechnungen der Jahre 1619, 20, 21, 22 von Niederkaufungen, woran sich »Eodem die nach mittag« die Abhörung derselben aus der Mutterkirche Oberkaufungen anschloss. Ebenso am Nachmittag dieses Tages gaben die Bewohner von Heiligenrode »ihre gravamina ein wider den pfarhern und opfferman« und wurden die Rechnungen von Helsa und Eschenstruth abgehört. »[A]m 22. Januarii nach mittag« »[s]eind die rechnungen von Heilgenroda und Sandershausen […] abgehört worden«. Am 29. Januar schloss sich die Abhörung der Rechnungen der Gemeinde Crumbach mit der Filiale Vollmarshausen an. Mit den Kastenbeschwerden zu Vollmarshausen und Crumbach musste sich Stein, laut der Einträge im Protokoll, auch noch am 31. Januar und 19. März 1623 abgeben.470 Anders als die Kirchenrechnungen der zu den übrigen Klassen des Superintendenturbezirks Kassel gehörenden Gemeinden, wurden die Rechnungen der drei Kasseler Ämter und Klassen Ahna, Bauna und Neustadt »nicht bey den Metropolitanen; sondern in der Wohnung des Superintendenten, in Gegenwart des Oberschultheißen und Rentherey-Beamten […] abgehört«.471 Im Anschluss an dieses Rechnungsprotokoll liegend findet sich ein weiteres Protokoll mit Angaben zu Gemeinden aus der Klasse Kassel Neustadt und zur Gemeinde Niederzwehren aus der Klasse Bauna vom 14. und 15. September 1629 mit dem Einleitungsparagraphen: »Seind die Casten468 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 7r. 469 Visitationsprotokoll Nordhessen, StAM 315 a, Nr. 22, fol. 9r. 470 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin vorletztes Protokoll; das letzte Stück in der Mappe – eine unvollständige Verteidigung Paul Steins gegenüber Vorwürfen eines (oberpfälzischen?) Superintendenten namens Horn (möglicherweise der Vater des hier kurz Porträtierten: v. Schmitz-Aurbach: Horn, Georg), u. a. in Sachen der Kirchenbibliothek zu St. Goar, ohne Datum, aufgrund der historischen Ereignisse möglicherweise noch vor der Übernahme des Superintendentenamtes durch Paul Stein – bleibt, da es kein genuines Visitationsprotokoll ist, bei der Zählung außen vor]. 471 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 46.

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rechnungen im ambt abgehört und dieselbe befunden worden, wie absonderlich in einem eignen protocoll zu sehen. Bey dieser abhörung der rechnungen ist ferner abgehandelt und verrichtet worden, wie folget […]«.472 Wenige Tage später schrieb Paul Stein die Visitation in den nordhessischen Orten Hofgeismar, Grebenstein, Immenhausen, Trendelburg, Helmarshausen und Gottsbüren aus. In seinem Diensttagebuch findet sich dazu unter dem 19. September 1629 (fol. 46r) folgender Eintrag: »Pfarrherr, beamten, bürgermeister und rath zu Geißmar, Grebenstein, Immenhausen, Drendelburg, Helmerßhausen und Gottsbeuren ist notificirt, daß ich dennechsten nach Micha[lis die visitation der örter vornehmen und die casten-, hospital- und siechenrechnungen abhören wolle, derowegen sie die vorsteher [der Einrichtungen, A. J.] anhalten sollen, daß sie underdesen nicht allein die rechnungen verfertigen, sondern auch mit einem jeden, darmit sie deßwegen zu thun, richtig abrechnen und die gravamina schrifftlich einliefern. Und sollen die metropolitani eß auf den dorffen auch also anordnen.«

Der Eintrag, der weitgehend dem ausgefertigten Brief entsprechen dürfte, lässt im Verbund mit dem bis hierher dargestellten Prozedere bei Visitationen deren Ablauf sehr anschaulich werden, indem daraus insbesondere die vielfältigen Vorbereitungen erhellen, deren eine Visitation bedurfte. Vom 28. Juni bis zum 3. Juli 1624, in einer Zeit also, aus der kein Diensttagebuch erhalten ist, führte Paul Stein sein Weg nach Borken, wo mit der Abhörung der Kirchenrechnungen der Klasse ein »anfang gemacht« werden sollte. Das »Protocollum gehalten bey abhörung der castenrechnungen ambts Borcken und im Löwensteinschen Grundt anno 1624«, so der Rückvermerk, nennt, bis auf eine Anmerkung zu auftragswidrig vom Metropolitan noch nicht konfirmierten Senioren zu Kerspenhausen, nur Zahlen über »Innahm«, »Ausgab« und »Receß« der Kirchenrechnungen der einzelnen Gemeinden aus den Jahren 1621 bis 1623, wobei die Stadt Borken selbst ausgelassen wird.473 Angaben auch zu anderen Themen enthält das »Protocollum gehalten zu Arnspach ambts Borcken bey abhörung der casten- und hospitalrechnungen in statt und ambt von Jahren [1]623, [1]624, [1]625. Abgehört am [2.] 3. 4. und 6. Octobris 1626«. Dass sich Paul Stein diesmal nicht am Sitz des Metropolitans aufhielt, hatte wohl damit zu tun, dass an einigen Orten der Klasse die Pest grassierte, wegen der sich der Pfarrer von Jesberg entschuldigte.474

472 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [letztes Protokoll]. 473 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [zweites Protokoll]. 474 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [drittes Protokoll].

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Bei der Visitation, die Paul Stein vom 14. bis 17. Juni 1628 in der Klasse Borken abhielt, sind Visitationsprotokoll475 und Protokoll der abgehörten Rechnungen476 getrennt. Bemerkenswert ist insbesondere die Untersuchung über das Verhalten des Pfarrers der Kirche zu Zimmersrode mit den Filialen Gilsa und Dorheim,477 Hermann Bruchmann, bei dem Stein gleich am ersten Tag visitierte.478 Die zu Gilsa versammelten Kastenmeister der Gemeinden wussten seines Predigt- und der Handhabung seines Strafamts halber nichts an Bruchmann zu tadeln. »Wegen seines lebens thun sie diesen bericht, das er als ein mensch seine gebrechen an sich habe, sonderlich den trunck liebe, denselben aber nicht wohl vertragen könne, auch etwas mercklich sey, wenn er getruncken. Jedoch, wenn man ihn mit frieden lasse, so lasse er andere auch passiren.« Die Gemeinde zu Zimmersrode allerdings sah das ganz anders; vor ihr soll der Pfarrer gesagt haben: »Er wolte, das der teuffel die kirch sambt den bauren hinweg geholet hette«, weshalb die Gemeinde »etliche gravamina schrifftlich« eingab. Als Stein am folgenden 15. Juni nach Zimmersrode kam, wurden die Klagen erörtert, »als in einem absonderlichen protocollo, und ad marginem der gravaminum zu sehen«. Letztere Schriftstücke haben sich nicht gefunden, allerdings lässt sich aus der Überlieferung der Folgejahre ersehen, dass der Streit wohl seinen Ursprung in der Klage Bruchmanns über eine zu geringe Besoldung hatte, die sich sowohl gegen die Gemeinde zu Zimmersrode wie – so dem Vi475 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [drittletztes Protokoll]: »PROTOCOLLUM gehalten Bey der visitation und abhörung der Hospital und Castenrechnungen in Statt und Ambt Borcken von Jahren 1626. 1627. Am 14. 15. 16. 17. Junii 1628« (Rückvermerk von der Hand Paul Steins). 476 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [viertes Protokoll]. 477 Ob Zimmersrode oder Gilsa die Mutterkirche ist, scheint zu diesem Zeitpunkt noch nicht so klar gewesen zu sein, sonst hätte Stein seine Visitation der Pfarrei (im Protokoll unter der Überschrift »Zimmersroda, Dorheim, Gilsa«) wahrscheinlich nicht in Gilsa begonnen, wo er zu hören bekam: »Der filialn seyen zwey, darzu weit voneinander gelegen, das er [der Pfarrer, A. J.] nicht eben an allen orten zu früer tagezeit predigen könne; jedoch bitten die von Dorheimb, das er etwas früer zu ihnen kommen möge«, StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [drittletztes Protokoll, fol. 1v]. Wenn Stein in Gilsa diese Auskunft erhielt, konnte mit der anderen Filiale nur Zimmersrode gemeint sein. Die Kirche zu Dorheim wurde 1771 vom Fürstlichen Oberappellationsgericht zum Vikariat von Zimmersrode erklärt, anders als zu Zimmersrode und Gilsa, wo das Patronatsrecht denen von Gilsa zusteht, hatten das Patronatsrecht über die Kirche zu Dorheim die von Baumbach zu Ropperhausen inne (Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 95f.). 478 Zur Geschichte dieser Pfarrei siehe Gräf / Sturm (Bearb. u. Hgg.): Das »renovirte« Kirchenbuch von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim aus dem Jahre 1663. Auf S. 30 wird auch Hermann Bruchmann im Konflikt mit einem »Zimmersrödener Kirchenältesten« erwähnt; in der Edition selbst findet sich auf S. 45 eine kurze Vorstellung Bruchmanns, der 1611 Pfarrer von Zimmersrode und 1635 Pfarrer von Zwesten wurde (siehe auch die Angaben bei Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 231 im Artikel zu Bruchmanns Schwiegervater und Vorgänger in beiden Pfarrämtern, Gerlach Micinus), auf S. 70f. und 86f. finden sich weitere Ausführungen über die Auseinandersetzung mit dem Kirchenältesten.

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sitationsprotokoll zu entnehmen – gegen den Patronatsherrn, Hans Ludwig von und zu Gilsa, richtete.479 Die in einer Abschrift erhaltenen, an den Superintendenten gerichteten, auf den 30. November 1629 datierten »Gravamina des pfarrhers zu Zimmersroth contra die gemeinde daselbst«, so der Rückvermerk, hat Paul Stein in einem mit abgeschriebenen Dorsalreskript vom 1. November 1629 in Borken mit den Worten beschieden: »Dieweil diessen geclagten posten u. eingebrachten gravaminibus [des] pfarrer[s] daselbst nothwendig abgeholffen, undt die pfarr Zimmersroda bey ihrer ohne das sehr geringen competentz ungeschmelert erhalten werden muß, als wirdt der wohledtle, strenge, veste undt manhaffte, Juncker Hanß Caspar von u. zu Gilsa, alß eltister des stambs, dem pfarherrn hierinnen die hulffliche handt zu bieten, u. die inwohner zu Zimmersroda der billigkeit zu bescheiden, u. sie dahin anzuweisen wissen, damit der pfarrher zu dem jenigen, darzu er befugt, ohne fernern aufhalt gelangen u. die ohne das geringe pfarr bey ihrem inkommen ongeschmelert erhalten werden möge«.480

Der angesprochene Älteste des Adelsgeschlechts derer von und zu Gilsa unterzeichnete am 5. November 1630 tatsächlich einen »Abschiedt [in sechs Punkten] zue Zimmersroda wegen untterschiedtlicher gravaminum, so wegen nicht endtrichtung pfarr gebühr außgewürcket werden müssen«,481 der am 27. Januar 1631 von der Kasseler Regierung, nach Anhörung des Pfarrers und der Gemeinde Zimmersrode, bestätigt wurde, wobei die Regierung Hans von und zu Gilsa ermahnte, dem Pfarrer behilflich zu sein, zu dessen von seinen Vorfahren 479 Das Visitationsprotokoll gibt überdies an, »[z]u Gilsa solle der juncker deswegen klage führen«, »[d]as der pfarher an statt Gottes worts lauter personalia tractiren, schelt- und lästerworte ausgiessen solte«, wovon den Kastenmeistern zu Zimmersrode bei ihrer Befragung nichts bewust war, StAM StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [drittletztes Protokoll, dort fol. 1v]. 480 In seinen vom 30. November 1629 datierenden »Gravamina […]«, StAM 318 Kassel, Nr. 1060 (darin das 33. Stück von oben), nimmt Hermann Bruchmann ausdrücklich Bezug auf die Visitation des Vorjahres, indem er anführt, die entzogene Kompetenz sei seinem Amtsvorgänger 30 wie ihm selbst 17 Jahre lang gewährt worden, wobei es der Superintendent, »alß selbige[r] zu Zimmersroda gewesen, vermöge der angetzogenen competentz in gegenwarth domini metropolitani M[agister]. Stirnij, meines soceri Ehrn Gerlaci Micini undt des damahligen schultheißen hierselbsten Peter Mullers, gelassen zu werden, befohlen«. Nichtsdestotrotz würden seine Pfarrverwandten zu Zimmersrode weiter versuchen, »ohnerachtet unsäglich laborum, so ich an diessem gantz muheseeligen ortte habe, daß liebe brodt undt alimentation balt gantz undt gar wiederrechtlichen de facto gleichsamb abzustricken«. Es seien »einem jeglichen pfarrer des ortts 4 thaler wegen der kinderlehr, wochen- undt bettagspredigten, zu verrichten erb- und ewiglich verordnet«, die Zimmersröder allerdings »wollen auß dem clahren, hellen undt deuttlichen wortt thaler, ihres gefallens gulden ertzwingen, undt jahrs 16 alb[us]. entziehen, das sie nun 2 jahr lang eigener gewalt gethan, wie am tage«. 481 Besiegelte und von Hans Caspar von und zu Gilsa eigenhändig unterschriebene Ausfertigung, StAM 318 Kassel, Nr. 1060 (darin das 31. Stück von oben), im Text ist der Rückvermerk zitiert.

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zum Unterhalt des Seelsorgers auf die Gemeinde verschriebenen Pension von 40 Gulden jährlich zu gelangen, worüber die Gemeinde »dem pfarherrn eine gnugsame undt mit gehörigen clausulis versehene gultverschreibung thun undt zustellen« und bei Pfarrei und Amt hinterlegen sollte.482 cc)

Lose Sitten und geordnete Amtsführung im Krieg: Eine Ermahnung an den Metropolitan zu Gudensberg und das konsequente Verhalten Paul Steins gegenüber den Verfehlungen des künftigen Pfarrers von Obermöllrich Kehren wir noch einmal in das Amt und die mit diesem parallele Klasse Gudensberg zurück: erhalten sind im Konzept das Protokoll der Visitationen vom 14. und 15. August 1623 sowie vom 25. November 1624, die vor allem die Ergebnisse der Abhörung der Kastenrechnungen von 1619 bis 1623 für die beiden Orte Elben und Niedenstein festhalten,483 das Protokoll der vom 16.–24. Juni 1624 durchgeführten Visitation,484 eines Protokolls mit Einträgen vom 10.–14. und vom 17.–18. Juni 1628,485 ergänzt in einem »Nebenverzeichnis«, fast ausschließlich zu Kastenangelegenheiten, mit Einträgen vom 10.–12. Juni, 14. August und vom 11. September 1628 (an diesem Tag wurden die Rechnungen nicht vor Ort, sondern nach Kassel gebracht abgehört) sowie vom 25. November bis 3. Dezember 1629.486 In diesen Visitationsprotokollen finden sich schon Anzeichen kriegsbedingter Einschränkungen im Bereich der organisatorischen Zuständigkeit der Kirche: unregelmäßigerer Schulbesuch, freimütigere Verstöße gegen die Kirchendisziplin, Probleme im Umgang mit unterschiedlichen Münzsorten und deren Wertverfall. Bemerkenswert dabei ist, wie es trotz der Belastungen durch den Krieg überhaupt gelang, kirchliches Leben und die Funktion kirchlicher Strukturen aufrechtzuerhalten und »Disziplin« zu wahren. Dies zeigt auch die Zurechtweisung des Gudensberger Metropolitans Martin Happel,487 die sich im Diensttagebuch Paul Steins unter dem dritten Eintrag zum 16. Juni 1631 findet: 482 Fürstlich Hessische Regierung an Hans Caspar von und zu Gilsa, Kassel 1631 Januar 27 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 1060 (darin das 32. Stück von oben), Rückvermerk: »Copia F. Cantzley Bescheydts wegen der pfarr competentz zue Zimmersroth […]«. 483 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin das erste Protokoll]. 484 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [fünftes Protokoll von unten]. 485 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [viertes Protokoll von unten]. 486 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [fünftes Protokoll von oben]. 487 Die Selbstvorstellung dieser interessanten Gestalt zu Beginn des unter ihm angefangenen Konventsprotokolls der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22) in seiner typischen, schon in frühen Jahren sehr zittrigen Handschrift, auf fol. 1v lautet: »Anno Christi 1626 bin ich M. Martinus Happelius, nach dem ich 8 jar zu Gottsbeuwren, undt ins 19 jar zum Kirchain im Ministerio undt predigampt gewesen, undt 2 jar im Exilio, vom unserm G. F. undt Hern Moritz L. zu Hessen, undt ihrer F. G. Consistorio nach Gudensberg zu einem pfarhern berupfen worden. geschehen den 3 junii. Den 22 julii bin ich auf dem Consistorio zu Cassel nach Gudensberg zu einem pfarhern verordtnet undt be-

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»M[agister]. Martinus Happelius, pfarher zu Gudensberg, sistiert sich [vorgefordert laut DTB am 13. Juni 1631, A. J.], deme vorgehalten worden 1. warumb die predigten zu Gudensberg auff den pfingstmontag vor und nach mittag underlassen worden. 2. Man komme in erfahrung, das er ohnlangst 2 par eheleute von soldaten, ohne gnugsame zeugnusse copulirt habe; welches der ordnung zuwieder. Darauff er sich erklert: Ad 1. Die predigten seyen underlassen worden, auf gutachten der beambten und bürgermeisters, weil die leute wegen entstandenen geschreyes des Tillischen volckes ankunfft, desselben tags fruer zeit sich fast alle aus der statt darvon gemacht, und die wenige uberbliebene manspersonen die wacht vor und in der statt hetten halten müssen. Sonstet sey er bereit gewesen, vor mittag seine predigt abzulegen, wie er dan auch dem opfferman befohlen gehabt, in die kirch zu leuten. Ad 2. Die officirer von dem bey ihnen gelegenen volcke unsers gn. f. und herrn, Landgraff Wilhelms, hetten ihm befohlen, die copulation zu verrichten. Nach gepflogener deliberation ist geschlossen, das gemelter pfarher, weil er in vorgedachten copulationibus der ordnung zuwieder gehandelt, und seine eingewendete entschuldigung nicht gnugsam, entweder in die sacristey gehen und darinn gehorsam halten, oder aber zu underhaltung der armen exulanten 10 fl. an geld oder frucht zustewren solle. Und hat er das letzte erwehlet, und will Domino Streithovio zu Wetter 4 mutt korn Marpurgisch maß, und Domino Piscatori 2 viertel korn Casselisches maß innerhalb 14 tagen lieffern. Es ist auch bey dieser gelegenheit mit ihm geredet, und er erinnert worden 1. fleissig auff seine predigten, und sonstet zu studiren, darmit er in conventibus classicis, als ein metropolitanus, das praesidium desto besser führen könne. 2. Die ausschreiben wegen vorfallender kirchensachen, auch die kirchenordnung selbst, in gebührlicher obacht zu halten, und daran zu sein, das dergleichen von andern seinen fratribus classicis geschehe. […]«.

Aus dem engeren Visitationsgeschehen herausgegriffen sei hier aber eine Episode, die den Charakter Paul Steins und dessen Entschiedenheit bei Konflikten mit den ihm untergebenen Geistlichen aufzeigt. Am 9. Mai 1628 überschickte Conrad Seuring, Pfarrer des zur Klasse Gudensberg gehörenden, nahe Fritzlar gelegenen Dorfes Obermöllrich die verspäteten Kastenrechnungen seines Pfarrortes und der zugehörigen Filiale Cappel an Paul Stein. In seinem Begleitschreiben bemerkte er : »Ob mir wohl durch andere vorkommen, es solle mein filius als mein zugeordneter mit pfarher zu Cappel gewesen undt bey dem hern superattendenten etlicher sachen halber (Gott erbarm eß) mich verklagt undt einen ungenedigen superintendenten gemacht haben, will ich doch dißmahl davon weiter nichts schreiben undt dem Hern Superintendenten verdrießlich sein, sondern seiner personlichen zukunfft naher Gutensberg frölich erwarten, guter hoffnung, eß wirdt der Herr Superintendens mir auch ein ohr stettiget worden. Den 17 Septemb. bin ich zu Gudensberg von Hern Paulo Steinio damahligen Superintendenten zu Cassell, zu einem pfarhern aufgeführet worden. Got gebe mir seinen Geist undt genadt, daß ich ihm mein gelihenes pfundt mit wucher wieder geben moege«. 1658 folgte dem stark schwerhörigen oder gar ertaubten Happel sein Schwiegersohn Conrad Jo(h)renius im Amt des Metropolitans (siehe dessen Eintrag auf fol. 3v des Konventsprotokolls). Martin Happel wurde im Alter von 95 Jahren 1664 in der Kirche zu Gudensberg begraben, siehe: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 122.

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vorbehalten haben, undt alsdan nach befindung der sachen recht zu urtheillen wissen.«488

Dieser Wunsch wurde erfüllt. Am 13. Juni 1628 kam Paul Stein während seiner Visitation in der Klasse Gudensberg nach Obermöllrich. Im Konzept des Visitationsprotokolls schreibt er über seine dortigen Verrichtungen: »Seind Ehr Conrad Seuring und sein sohn Christian ihrer zusammen habenden irrungen halber gegen einander gehört, und nachdem sich befunden, das vermöge des vor ohngefehr einem jahr durch underhandlung des pfarhers zu Nidern Melrich, Johannis Sartorii, und des pfarhers zu Geismar, Johan Knabenschuchs, zwischen ihnen getroffenen vergleichung der sohn dem vatter zur ungebühr, wegen theilung der pfarrbesoldung de anno 1627 zugesetzt, woran dan auch daran, das er dem vatter durch die seniores das predigen verbieten lassen, zuviel und ungerecht gethan, ist ihm solches von mihr scharff verwiesen, und under andern angezeigt worden, das er noch kein pfarher, sondern allein seines vatters adjunctus sey ; und möchte er sich also verhalten, es würde nach seines vatters resignation oder tödtlichem abgang, ein ander daselbsthin zum pfarhern verordnet. Worauff er aus sonderlichem hitzigem zorn seinen dienst resignirt und zur stuben hinaus gangen, das also der ubrigen posten halber zwischen ihnen keine fernere handlung hat vorgenommen werden können. Bin also noch des Abents furter gereiset. Actum am 14 Junii. Hab ich an den pfarhern zu Nidern Melrich Ehrn Johannem Sartorium, von Wabern aus, geschrieben, wofern der alte Ehr Conrad Seuring das ambt zu Obern Melrich und Cappel nicht versehen könte noch wolte, die versehung zu thun, das es durch die benachtbarte, bis auf fernere verordnung, verrichtet werde. Eodem die lieffert Christian Seuring ein schreiben vom metropolitano und schultheissen, zu Gudensberg, mihr zu Borcken ein, darinnen sie berichten, das durch ihre underhandlung vatter und Sohn verglichen seyen. Bitten auch, das dem Sohn verstattet werden möge, sein ambt wieder zu verrichten. Ist ihm abgeschlagen, und es bey geschehener verordnung gelassen worden.«489

Am 14. Juni war Paul Stein nach Borken gereist, wo er bis zum 17. Juni 1628 visitierte und die Rechnungen abhörte; unter anderem restituierte er dabei am 15. Juni den auf Betreiben derer von Löwenstein durch Hessen-Darmstadt entsetzten reformierten Diakon Samuel Cancrinus zu Niederurff, der nun vorübergehend neben dem lutherischen Pfarrer Henrich Mogk amtierte.490 Als er 488 Das Schreiben liegt in: StAM 318 Kassel, Nr. 412. Conrad Seurings Sohn Christian war ihm seit 18. April 1621 als Adjunkt und Mitpfarrer beigegeben, als er als solcher in der zu Obermöllrich gehörenden Fraumünsterkirche eingeführt wurde, Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 335 (Eintrag zu »Seuring […], Konrad«). 489 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin das vierte Protokoll von unten]. 490 Das Konzept des Protokolls dieser Visitation: StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [drittletztes Protokoll]; das Protokoll speziell der Rechnungsabhörung auf dieser Visitation der Klasse Borken befindet sich in StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [viertes Protokoll von oben], mit einem

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»in der zurückkehr« am 17. Juni, »wieder auff Obern Melrich zukommen, hat der alte Ehr Conrad Seuring gebetten, sein alter und seine merita anzusehen, und umb seinet willen, seinen sohn Christian zu restituiren. Ist ihm vertröstung der restitution geschehen; jedoch müste der sohn erst castigirt, und zu rechter rew geführet werden.«491 Schon 1627 scheint es in Gegenwart des Superintendenten zum Austrag des Konflikts zwischen Vater und Sohn Seuring gekommen zu sein, für dessen Beilegung sich dieselben Personen einsetzten wie, nach dem Visitationsprotokoll, ein Jahr später. So lautet der eigenhändige Rückvermerk eines Schreibens vom 14. Juni 1627, das Paul Stein am selben Tag in Borken empfangen hat: »Pfarher und Schultheiß zu Gudensberg berichten, das Ehr Conrad Seuring mit seinem Sohn Christiano vertragen sey«. Dabei hatte Christian Seuring versprochen, die zwischen ihm und seinem Vater vor einem Jahr »getroffene vergleichung der competentz und predig ampts halben, in allen seinen crefften und würden beruhen und verbleiben zu lassen«.492 Umso bestürzter war Christian Seuring schon 1627, insbesondere angesichts der bevorstehenden Niederkunft seiner Frau, über ein an den Pfarrer zu Niedermöllrich, Johannes Sartorius, gerichtetes Schreiben des Superintendenten, Seurings »suspension undt predigten halber«, das die Vermittler erst nach dem getroffenen Vergleich erreichte, weshalb er sie beim Superintendenten »umb verzeihung vor ihne zu bitten, angelangt hatt, welches wir den seinet wegen dinstl. hirmit gethan haben wollen, nochmals bittendt E[in]. Ehr[barer (Superintendent)]. ihren gefasten eyfer gegen ihne fahren laßen undt, damit seine pfarkinder und catholische nachbarn nit frolocken, in andere wege, da sie [der Superintendent, A. J.] glücklich wieder anhero kommen, verweißen wollen«.493

Dass die Verärgerung Paul Steins und die gegen Christian Seuring praktizierte Konsequenz ein Ende fanden, als er der Meinung war, Seuring sei nun genug gezüchtigt und zur Einsicht gekommen, zeigt ein Brief Christian Seurings vom Nachtrag vom 28. Juli 1628 aus (Bad) Wildungen, wo Paul Stein zur Kur weilte: »Demnach die castenrechnungen zu Obern- und Nidern Urff, auch Rommershausen bey neulichster visitation ambts Borcken, und einführung Ehrn Cancrini nicht verfertigt gewesen, so sind pfarher und castenmeister daselbst heut dato alhir zu Wildungen, da ich ohne das mich beym saurbrunnen aufgehalten, auff erfordern erschienen, und Ihre rechnungen abgelegt, welche befunden worden, wie folget […]«. 491 StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin das vierte Protokoll von unten]. 492 Brief von Ebert Faber (Schultheiß zu Gudensberg) und Martin Happel (Pfarrer und Metropolitan zu Gudensberg) an Paul Stein, den Superintendenten des Bezirks Kassel, der sich beim Empfang des Briefes offbar gerade zur Visitation in Borken aufhielt, Obermöllrich 1627 Juni 14, in: StAM 318 Kassel, Nr. 412. 493 Dieses Postscriptum zum Schreiben vom 14. Juni 1627 (in: StAM 318 Kassel, Nr. 412) ist neben dem Gudensberger Schultheiß, Ebert (Eberhard) Faber, und dem Metropolitan der Klasse, Martin Happel, unterzeichnet von Christian Seurings Vater Conrad und dem Pfarrer zu Niedermöllrich, Johannes Sartorius.

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2. Mai 1630, der von Steins Hand den Rückvermerk trägt, »Christian Seuring, pfarher zu Obern Melrich klagt, das die munche, so ihn diffamirt, nachdem sie der hafften erlassen, ihn und die seinen je mehr und mehr schelten«.494 Christian trat also die Nachfolge seines 1548 geborenen Vaters Conrad an,495 der am 23. November 1629 in der Fraumünsterkirche begraben wurde.496 494 Christian Seuring, Pfarrer zu Obermöllrich, an Paul Stein, Obermöllrich 1630 März 2, in: StAM 318 Kassel, Nr. 412; der Brief wurde nach dem Datum des Präsentatvermerks noch am selben Tag von Paul Stein, also wahrscheinlich wieder auf einer Visitation, empfangen. 495 Christian Seuring wurde 1636 Pfarrer von Gensungen in der Klasse Felsberg (siehe DTB Neubergers, Eintrag zum 26. Januar 1636), zuvor amtierte er zwischen 1630 und 1636 als hessischer Feldprediger, zu ihm Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 577f. (Nr. 8 unter den Pfarrern zu Gensungen seit der Reformation), der ihn von 1628 an (bis 1630) als Pfarrer zu Obermöllrich kennt. Auch danach scheint er aber noch dort wohnen geblieben zu sein, denn am Ende des dritten Eintrags zum 16. Juni 1631 im Diensttagebuch Paul Steins, in dem es um Amtsverfehlungen des Gudensberger Metropolitans Martin Happel geht, heißt es über eine Auftragserteilung an ihn: »Ich hab ihm auch committirt 1. den gewesenen pfarher zu Obern Melrich, Ehr Christian Seuringen, zu vermahnen, das er und sein weib sich zur kirch halten, auch friedsam mit ihren nachbarn leben, und mit ihrem leben und zancksüchtigkeit kein ferner ärgernuß anrichten«. Christian Seuring war vorläufig von seinem Amt suspendiert worden; im Entwurf eines von Landgraf Wilhelm V. begehrten Berichts darüber schreibt Paul Stein: »[…] so viel gemelten Seuringen anlanget, das er, ob soltte er einer weibsperson unzucht angemuthet, und andere leichtfertigkeiten getrieben haben, beschuldiget, auch darauff etliche zeugen eidtlich abgehöret, und so viel befunden worden, das er wegen starcken verdachts bis zu ausführung seiner unschuldt, darzu ihme eine monattsfrist bestimpt, seines pfarampts zu suspendiren sey, inmaßen ihm dann die suspensio angekündigt, undt dem metropolitano zu Gudensberg, inmittelst durch die vicinos pastores bis uff fernere verordnung das ampt daselbst versehen zu laßen, anbefohlen worden. Und helt gestaltten sachen, und allen umbständen nach, das ministerium darvor, er bringe zu seiner entschuldigung ferner vor, was er wolle, das er des ärgernuß und großer verbitterung halber zwischen ihme undt der gemeinde, des ortts lenger nicht zu dulden sey« (DTB 1630/31, Eintrag zum 19. März 1630). Der entsprechende Beschluss, der zur Suspendierung Seurings führte, wurde vom Kasseler Predigerministerium schon am 9. März 1630 getroffen (DTB Paul Steins zu diesem Datum, Punkt 3.3): »Hab ich das ministerium bey mihr gehabt, da dan […] 3. wegen Christian Seurings, des pfarhers zu Obern Melrich sach ist geredet, und verabschiedet worden, bey f. cantzley zu begehren, das die jungen eidlich abgehort werden mögen. Würden sie dan eben das deponiren, was sie schon ausgesagt, das der pfarher 2 v[iertel]. korn denen beiden männern, so ihn in der huren hauß funden, zu geben verheissen; auch Junghennen fraw drauff bestehen, daß er ihren in die stube begehrt, und nach der brust gegrieffen, so hielte man darvor, er sey auf ein zeitlang, und biß er die sach und seine fernere unschuld ausgeführt, zu suspendiren, wie dan auch sonstet ins gemein die pastores severiori disciplina zu co[rceren seyen. Herr Theophilus Newberger, hoffprediger, und Herr Thomas Wetzelius, pfarrherr zun Brüdern, seind zu f. cantzley geschickt, von obigen puncten f. regierung zu referiren, und der audientz in Seurings sachen beyzuwohnen.« Die Verhandlung vor der fürstlichen Kanzlei fand am 10. März 1630 statt; Seurings eigene Aussage findet sich ausführlich im DTB Paul Steins im vierten Eintrag zum 22. Februar 1630 protokolliert. »[D]ie mensche, so ihn diffamirt« scheint zwischenzeitlich sogar in Haft genommen worden zu sein, denn im Eintrag zum 2. März 1630, Nr. 3 vermerkt Paul Stein in seinem Diensttagebuch, Christian Seuring klage in einem Schreiben, dass »die mensche […], nachdem sie der

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Bei Obermöllrich sei auch noch auf ein anderes Thema hingewiesen. Schon bei seiner Visitation in der Klasse Gudensberg vom 16. bis 24. Juni 1624 wurde Paul Stein mit dem Problem der zur Pfarrei Obermöllrich gehörenden, nahe bei Fritzlar gelegenen Fraumünsterkirche konfrontiert, die als evangelischer Vorposten gegen die katholische Mainzer Exklave galt, allerdings lag sie außerhalb des Dorfes, weshalb sich zum 16. Juni 1624 folgender Eintrag im Visitationsprotokoll findet: »Die von Obern Melrich beschwehren sich, die predigten in Fraw Münster zu besuchen; wollen lieber, das die predigten zu Obern Melrich gehalten würden, und etwan des Jahrs 3 oder 4 mal auff die hohe fest zu Fraw Münster gepredigt würdt; sonderlich, weil die bürger von Fritzlar nicht mehr dahin zur predigt gehen dürffen. Undt sagt der pfarher, weil die von Obern Melrich ihr begrebnus zu Fraw Münster haben, könte gleichwol durch die leichpredigten u[nseres]. gn[ädigen]. f[ürsten]. und herrn gerechtigkeit erhalten werden.«497 hafften erlassen, je mehr und mehr auf ihn und die seinen schelte und schmehe«. Allerdings scheint er in den von ihm versorgten Gemeinde nicht bei allen unbeliebt gewesen zu sein, wie sich dem dritten Eintrag zum 24. März 1630 im DTB Paul Steins entnehmen lässt, als Abgesandte aus Obermöllrich und Cappel für ihn interzedierten: »Etliche von den beiden gemeinden Obern Melrich und Cappel abgefertigte, lieffern mihr ein vom notario, Daniel Avemannen, verfertigtes instrument ein, darinnen er bezeugt, das gemelte abgefertigte vor ihme und denen zu solchem actui erforderten zeugen vor sich und die beide gemeinen an eids statt ausgesagt, das ihr pfarher, Christian Seuring, sich jederzeit in seinem ambt, auch leben und wandel unverweislich verhalten, und sie ihn gern, bevor einem andern, länger zu ihrem pfarhern behalten wolten. Und baten sie, die abgefertigten, darbeneben, das ihme pfarhern verstattet werden möchte, das vorstehende osterfest bey ihnen das ambt mit predigen und ausspendung der heiligen sacramenten zu verrichten. Ihnen ist das uberreichte instrument wieder zugestellet, auch jenen von Obern Melrich darbey vermeldet worden, das diß zeugnuß sich gahr nicht mit denen hiebevor bey der visitation uber den pfarhern vorbrachten klagen reime. So stünde auch die sach zu ausführung des pfarhers unschuldt, darzu ihm eine gewisse zeit benennet; und könte man, ehe und bevor er seine unschuld ausführe, nicht darzu gelangen, ihn die cantzel beschreiten zu lassen«. Unter den Einträgen zum Jahr 1630 lesen wir schließlich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg: »Den 7. Julij ist Ehr Franciscus Engelhardt nachdem Ehr Christian Seuringk Pfarrherr zu Obern Melrich seines diensts erlassen, daselbsthin zu einem Pfarrherrn auf undt eingeführett wordenn« (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 14v); Franciscus Engelhardt war der Schwiegersohn des Kasseler Pfarrers Lucas Majus jun., der für ihn interzediert hatte, siehe das im DTB Paul Steins 1630/31 einliegende, nicht eigenhändige Konzept eines Schreibens von »Paulus Steinius suo & collegarum suorum nomine« an Landgraf Wilhelm V. vom 19. März 1630. 496 Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 335 gibt im Eintrag zu Conrad Seuring kein Todesdatum an; sein Begräbnisdatum aber findet sich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, auf fol. 13r: »Ehr Conrad Seuring s[elig]. ist den 23. Novembris [1629] nacher Fraw Munster christlich zur erden bestattett worden«. 497 Konzept des Protokolls der Visitation in der Klasse Gudensberg vom 16.–24. Juni 1624, StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [fünftes Protokoll von unten]. Der hier gemachte Vorschlag entspricht ziemlich genau der Regelung, die Conrad Wilhelm Ledderhose in seinem Kirchen-Staat, S. 66–69 für Obermöllrich anführt, die damit wahrscheinlich in dieser Visitation ihren Ursprung hat.

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Die Fraumünsterkirche war und blieb ein Zankapfel zwischen Hessen-Kassel und dem Kurfürsten von Mainz als Stadtherr von Fritzlar, sodass ihr Status und baulicher Zustand die territorialen und konfessionellen Herrschaftsrechte des Landgrafen berührte.498 dd)

Ein Blick auf die Visitationsüberlieferung im Bezirk der Superintendentur Rotenburg Für den Bereich der Superintendentur Rotenburg gibt es nur wenige Visitationsprotokolle in der Form, wie wir sie aus dem Bereich der Superintendentur Kassel kennen.499 Schon unter dem Superintendenten und Allendorfer Metropolitan Christian Grau um 1570 wurden gebundene Visitierbücher für die einzelnen Klassen angelegt und zum Teil bis 1639, in die Anfangsjahre der Amtszeit des Superintendenten Hütterodt, geführt. Dieser allerdings brach sie ab und begann, ein eigenes Visitierbuch aus losen Blättern zu führen, die, so scheint es, von Zeit zu Zeit zusammengebunden wurden und heute einen dicken Stapel bilden. In dieses trug er, neben den auch im Diensttagebuch enthaltenen Visitationsberichten,500 bemerkenswerte Vorkommnisse und Erkenntnisse auf seinen Visitationen sowie die Ergebnisse der Rechnungsabhörungen ein, der 498 Dies zeigt auch die weitere diesbezügliche Überlieferung aus dem 16. und 17. Jahrhundert in StAM 318 Kassel, Nr. 401 (zur Fraumünsterkirche) sowie StAM 318 Kassel, Nr. 399 (zur Auseinandersetzung der Gemeinde Obermöllrich mit den Einwohnern der Filialgemeinde Cappel – einem Dorf, das die von Meisenbug von Hessen zu Lehen trugen – über die Instandsetzung des Obermöllricher Pfarrhauses). 499 Erhalten hat sich im Kirchenkreisarchiv Eschwege Best. 3, Nr. 1701 (als 2. Stück im Konvolut) das Protokoll einer Visitation, die Hütterodt vom 2.–9. März 1663 in der Klasse Witzenhausen abhielt, und im LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf Nr. 392 das Protokoll einer Visitation in der Klasse Rotenburg vom 5.–23. Juni 1664 (Jahr erschlossen u. a. aus den übereinstimmenden Tagesdaten der im Visitierbuch Hütterodts vermerkten Visitation). Im Kontext des letzteren steht der mit beiliegenden Äußerungen des Rotenburger Stiftspredigers und Dekans Nicolaus Majus, des Diakons Johannes Crollius und des Stadtrats versehene Schriftwechsel zwischen Hütterodt und dem Konsistorium aus dem Juni 1664, in StAM 22 a 3, Nr. 1098 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. die Dienstverrichtungen der Pfarrer zu Rotenburg u. Beschwerden über einige derselben. 1664.«). 500 Z. B. über die Visitation zu »Willershausen« (= Widdershausen, heute zur Gemeinde Heringen an der Werra gehörig) und zu Vacha, über welchen Ort Hütterodt schreibt: »Zu Vacha: ist alles im Verderben, muß beym F. Consistorio gesucht werden«; außerdem vermerkt er die abergläubische Praktik: »Zu Vacha ein radt vom berge herab gestürzet, nennens ein hagel rat, ein hagelfewr« (S. 1509); greifbar wird nun auch ein weiteres Problem: »Vacha ist fast halb lutherisch« (S. 1508); Visitation zu Widdershausen am 2. November 1658 (S. 1506f.), Visitation zu Vacha als Mittelpunktvisitation mit umfangreicher Rechnungsabhörung wahrscheinlich bis zum 15. November 1658 (S. 1508–1518). Es ist eindeutig, auch an seiner unordentlicheren Schrift erkennbar, dass Hütterodt in diesem Fall die Eintragungen am Visitationsort vornahm. Hat er die Blätter danach ins falsche Buch gelegt, ins Diensttagebuch, statt ins Visitierbuch?

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Kontrolle der jährlich anzufertigenden Kastenrechnungen, die von ihm, soweit sie sachlich und rechnerisch richtig waren, – manchmal mit Vorbehalten – vor den Unterschriften der Ortsobrigkeit unterschrieben wurden.501 Das Visitierbuch umfasst den Zeitraum von 1639 bis zum 10. Juli 1668 mit Nachträgen über die Baukosten an Kirche und Pfarrhaus zu Röhrda, wo Hütterodt am 22. Juni 1668 »in loco« visitiert hatte.502 Dass Hütterodt seine Visitationsberichte tatsächlich regelmäßig, wie von der Konsistorialordnung gefordert,503 in Reinschrift ans Konsistorium bzw. die Regierung schickte, erscheint eher unwahrscheinlich. Über besondere Auffälligkeiten, die nach einem Eingreifen von höherer Stelle verlangten, erstattete er aber durchaus gesondert Bericht, wie am Konzept eines – zugleich Hütterodts partielle Ohnmacht aufzeigenden – in seinem Diensttagebuch einliegenden Briefes aus Eschwege vom 29. Oktober 1658 zu sehen ist, in dem er dem Konsistorium »den itzigen zustandt der kyrchen zu Nesselröden undt der zugehörigen filialen zu eröffnen« für seine Schuldigkeit hielt, die, seit »Justus Walther Bornman vor ungefehr acht wochen von dar ab- undt auf die ihm assignirte pfarr Niddewitzhausen gezogen«, mit Predigen unversorgt stünde;504 Bornmann sei 501 Gut erkennbar z. B. an den Unterschriften unter der Kastenrechnung der Gemeinde Reichensachsen für das Jahr 1651: »Abgelegt zu Reichensachsen am 5ten Aug. Anno 1656. Johannes Hütterodt, Johan Valentin Wolff, Heinrich Philip von Boyneburg«, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111, und der Kastenrechnung von Jestädt vom Jahr 1655: »Abgehört zu Jestett am 16ten Aprilis Anno 1657. Johannes Hütterodt, Reinhardt von Boyneburgk, genandt von Hoenstein m[anu]p[ro]p[ria]., Johannes Cnirim pfar. Eschew. mpp.«, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109. 502 KKAE Best. 1, Nr. 18. Das von Hütterodt selbst paginierte Visitierbuch umfasst 1724 Seiten; siehe dazu auch: Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 68. Auch von Hütterodts Nachfolger im Superintendentenamt, Hieronymus Wetzel, ist ein Visitierbuch erhalten, KKAE Best. 1, Nr. 11: »Visitirprotocoll angefangen von Hieronymo Wetzelio SS. Theol. D. [= Sanctissimae Theologiae Doctor] undt Fürstl. Heßischem Superintendenten des Rotenbergischen Bezircks am Werra- undt Fuldastrom, im Jahr Christi 1673 mens. Febr.«; der erste Eintrag darin stammt vom 10. Februar 1673, als Wetzel von Schmalkalden, wo er als reformierter Inspektor tätig war, zur Kirchenvisitation nach Vacha aufbrach; der letzte Eintrag wurde bei der Abhörung der Gotteskasten- und Hospitalrechnung zu Sontra am 27. März 1694 vorgenommen; einen Monat später, am 24. April 1694 starb Hieronymus Wetzel in Rotenburg (Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 158f.). 503 EKO Bd. 9, S. 13 rechte Spalte. 504 Zu Bornmanns Berufung nach Nesselröden 1655, seinem Wechsel nach Niddawitzhausen und der darauf folgenden Neubesetzung in Nesselröden siehe StAM 22 a 3, Nr. 1037 (Umschlagaufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. Betr. den Pfarrer zu Nesselrode Conrad Zeulch so in eine schwere melancholie verfallen u. Präsentation Justus Walter Bornmanns an seine Stelle. 1655«, Hütterodt war es in seinem Schreiben vom 27. August 1655 ans Konsistorium vor allem »leid undt bange, da der ortt [Nesselröden] auf der grentzen zu Sachsen gelegen undt kein pfr alß nur der zu Ulffen Stephanus Winter verhanden ist, sintemal zu Willershausen undt zu Rendaw auch kein pfr verhanden, […] darzu sindt die Treuschen Buttlarischen bawren so böß, gottloß undt verkehrt, daß sie nach keinem pfarrern zu gehen oder sich umb ihn zu bemühen pflegen, ja welches das geringste

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zu Nesselröden vor allem durch die offenbar am Luthertum festhaltende lokale Adelsfamilie Treusch von Buttlar sehr geringschätzig behandelt worden. »Bey itzt gehaltener visitation in Sontra«, zu dessen Klasse Nesselröden gehörte, hätten aber »auch die anwesende senioren und kastenmeister ihme Bornmanno wegen seines verhaltens guttes zeugniß gegeben undt auf mein zusprechen, freywillig gestanden, daß er niemals die Lutheraner mit nahmen genennet, und die ostien, nicht in der predigt, sondern in der kinderlehr den schaum vom brott geheissen […]. […] / Auf kunfftigen montag werde ich zur visitation undt investitur des pfrs. zu Willers[= Widders-] hausen verreisen undt [in Bezug auf die Rechnungslegung, A. J.] nicht viel bessere dinge erfahren, dan man schon auf mich gespannet, doch was mir begegnen wirdt, soll nicht verschwiegen bleiben. / Ich fur mein person kann nicht weitter alß nach inhalt f[ürstlicher]. ordnung all mein thun auszurichten, undt worinnen ich keine folge habe, bey meinen hochgeehrten herren anzuzeigen, in dienstlichem vertrawen, sie werden mein undt der pfrn. ambt g[nädi]g. schützen undt der kyrchen wolfahrt aufs beste beforderen helffen, womit ewere herligkeiten in Gottes schutz von mir befohlen werden«.505

b)

Die Rechnungen über das Visitiergeld als Spiegel der Visitationspraxis

Für noch im Amt stehende Kirchendiener verschrieb Landgraf Philipp den Superintendenten 1540 die Einkünfte aus dem Kloster Spieskappel. Das aus dem Verkauf der Frucht resultierende Geld sollten sie an die bedürftigen Pfarrer im Land verteilen.506 1542 tauschte Philipp die auf 1000 Gulden veranschlagten Einkünfte des Klosters Spieskappel, das er zur Unterhaltung der Festung Ziegenhain brauchte, »gegen eine Rente aus dem Salzwerk Allendorf«, die halb zu Ostern halb zu Luciae (am 13. Dezember) fallen sollte.507 Daraus bestritten die nichts, auch in dem Willershausen nach keinem schuelmeister trachten […]«), StAM 22 a 3, Nr. 1030: »Akten des Kasseler Konsistoriums. Betr. Präsentation des bisher. Pfarrers zu Nesselröde Justus Walter Bornmanns durch Ldgr. Ernst zur Pfarrei Niddawitzhausen. 1658« sowie StAM 22 a 3, Nr. 1038: »Betr. die Pfarrbestellung zu Nesselröden de anno 1658. Akten des Kasseler Konsistoriums. Präsentation des Lic. Johann Wiegand Gruber durch die Treusch v. Buttlar für die durch Versetzung J. W. Bornemans erledigte Pfarrei Nesselröden. 1658«. 505 DTB Hütterodt, S. S. 1504f.; zum gesamten Hintergrund dieses Vorgangs: Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 125f. 506 Urkundliche Quellen II, S. 340 (Nr. 418). 507 Urkundliche Quellen II, S. 372 (Nr. 442); die Ausfertigung dieses Verschreibungswechsels als Pergamenturkunde mit der eigenhändigen Unterschrift Landgraf Philipps liegt in StAM 315 l, Nr. 12. Dass die Stiftung des Visitiergelds für Gesamt-Hessen erfolgte, spiegelt noch ein Eintrag Johannes Hütterodts in seinem Diensttagebuch, S. 809 über eine Besprechung im Kasseler Konsistorium am 27. April 1649 Punkt h): »Ist – vom visitirgelde geredet, welches 1000 fl. sindt järlich aus den Soden undt kommen 300 fl. in Casselischen becirck, 300 fl. in Rotenb. becirck, 80 fl. in die graves[chaft]. Ziegenhayn, 200 fl. zu Alfeldt, 120 fl. zu Darmbstadt«. Also noch nach dem Dreißigjährigen Krieg, als die hessischen Linien längst

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Superintendenten auch die für die Visitationen anfallenden Kosten. Die Rechnungen über die Einnahme und Ausgabe des Visitiergelds (Visitierrechnungen) sind sowohl für die Superintendentur Kassel508 wie auch für Rotenburg509 in großer Vollständigkeit erhalten. In der Superintendentur Rotenburg wurden die für diese bestimmten 300 Gulden an Visitiergeld ab 1646 vom Rentmeister in den Soden, einem Teil des heutigen Bad Sooden-Allendorf, quartalsweise, zu vier Terminen im Jahr, ausgezahlt, zu Ostern, Johannis (24. Juni), Michaelis (29. September) und Weihnachten. In Kassel standen dem Superintendenten noch 80 Gulden mehr zur Verfügung, für die Grafschaft Ziegenhain. 40 Gulden aus den Visitiergeldern waren als Besoldung jedes Superintendenten vorgesehen, für Ziegenhain kamen noch 15 Gulden dazu; 20 Gulden waren in Rotenburg fest für die Visitation der 12 Klassen eingeplant; 1 12 Gulden (1 Gulden, 13 Albus) waren jährlich für Papier und Schreibgeld vorgesehen, 1 12 Gulden verlangte der Rentmeister als Auszahlungsgebühr für die Visitiergelder. Der Rotenburger Superintendent Hermann Fabronius kam angesichts der Unsicherheit der Wege mit dem für die Auszahlung verantwortlichen Rentmeister in den Soden überein, dass die Gelder direkt von letzterem an die bedürftigen Pfarrer gegen von Fabronius ausgestellte Anweisungszettel ausgezahlt werden sollten. Zu dessen Unwillen erhielten einige Pfarrer sogar direkt vom Konsistorium in Kassel Anweisungen für eine Zusteuer aus den Visitiergeldern des Bezirks, allerdings fehlte dem Konsistorium der Überblick über die Kassenlage, sodass die Ausgaben die Einnahmen in solchen Fällen bei Rechnungsschluss übertrafen.510 In den Hochphasen des Dreißigauseinandergetreten und viele ehemalige Samt-Einrichtungen separiert worden waren, bezogen die Superintendenten in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (mit Sitz in Darmstadt und Gießen) weiterhin Unterstützung aus der ihrem Gebiet ursprünglich zugedachten Stiftung. 508 StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621 bis 1738 (Magazin III K [Reihe] 5 [Stange 4]). 509 KKAE Best. 1, Nr. 33 (Visitierrechnungen 1622–1633, Superintendenten Reinmann und Fabronius); KKAE Best. 2, Nr. 26 (Visitierrechnungen 1634–1665, Superintendenten Josephi und Hüttterodt). 510 In den Visitierrechnungen Fabronius’ (KKAE Best. 1, Nr. 33) heißt es bei der »Einnahm Visitir- undt Genadengeldt auß den Soden zue Allendorff vom Jahr Christi 1626 Bezirgks Rottenbergk« unter den beiden Terminen Ostern und Luciae: »Ich habe aber dieß geldt, ohne waß zue meiner besoldung unndt ambts verrichtung gehorig, nicht zue meinen handten bekommen, sondern es ist in den Soden stehen blieben, da es die pfarrer auf f[ürstlichen]. consistorii oder superintendenten anweisung selbst geholet, undt seindt mir darnach die quittungen zuegestellet wordtenn« (nicht eigenhändig); unter den Einnahmen des Visitiergelds für 1627 notierte Fabronius dann wieder selbst: »Ist auch alles geldt in den Soden stehen blieben, dahin die pfarrer gewiesen, es selbst abzuholen, was ihnen verordnet«. Am Ende der Visitierrechnung für 1627 begründet Fabronius in einem »Epilogus der Ausgaben« die über den verordneten 300 Gulden liegende Mehrausgabe von 28 Gulden und 20 Hellern: »Kömbt daher dieweill der Saltzgrebe Krugk 28 fl. mehr ausgeben, alß es den pfarrern getragen, da die anweisung mehren theils vom consistorio aus Cassel, dem su-

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jährigen Krieges in der Region, vor allem während der Amtszeit Hütterodts,511 ging offenbar die Salzproduktion zurück und hergebrachte Vertriebswege brachen zusammen, sodass die Einkünfte aus dem Verkauf ins Stocken gerieten und bei den davon abhängigen, von den Superintendenten zu fordernden Visitiergeldern erhebliche Rückstände aufwuchsen. Neben den Aufzeichnungen über aus dem Visitiergeld bestrittene Zuwendungen an bedürftige Pfarrer (daher auch die Bezeichnung »Gnadengeld«)512 perintendenten unwissent geschehen. […]«; in der Visitierrechnung für das folgende Jahr 1628 findet sich dann unter »Receß« vermerkt: »28 fl. 20 alb. So in diesem jahr abzukürtzen undt den pfarrern, so vorigen jahrs zu viel bekommen, abgehet« und unter »Einnahm«: »Summa aller Einnahm – 300 fl. Hieran sindt 28 fl. mitt quittung des saltzgreben vorigen jahrs vom rentmeist. belegt undt abegekurtzet. 20 alb. hatt der superintendens an der gemeinen ausgabe mehr außgelegt von dem seinen, seindt ihm wieder worden«. Unter den Einnahmen der Visitiergelder für 1630 steht: »Es haben aber die pfarrer auch solches in Soden auf des superintenden anweisung abgeholet«, ebenso für 1632: »Es habens aber die pfarrer selbsten in Soden auf des superintenden anweisungszettel so viel ihnen gebuhret, abgeholett«. 511 In der Visitierrechnung für 1652 (KKAE Best. 2, Nr. 26) gibt Hütterodt einen Rückstand (»Recess von anno 1651«) von 178 Gulden 11 Albus und 2 Hellern an, in der Visitierrechnung für 1651 waren es noch »172 fl. 21 alb. 5 hell. Receß vom vorigen Jahre, welcher annoch in [den] Soden stehet« (anders drückt die Visitierrechnung für 1650 in der Schlussabrechnung diesen Sachverhalt aus: »Gegen der einnahm vergliechen ist mehr eingenommen alß ausgegeben, so annoch in Soden stehet [172 fl. 21 alb. 5 hell.]«); Hütterodt führt allerdings nie auf, wie viel in jedem Jahr tatsächlich gezahlt wurde, sondern rechnet immer mit den vollen jährlichen 300 Gulden, selbst wenn real offensichtlich weniger vom Rentmeister in den Soden ausgezahlt wurde. Im Konzept eines Schreibens, das Hütterodt am 28. Februar 1652 aus Eschwege an das Kasseler Konsistorium richtete (KKAE Best. 3, Nr. 1873, im Umschlag »Judenpredigten« das 12. Stück) spezifiziert er, wie die 1652 rückständige Summe an Visitiergeld zustandegekommen ist, indem er die Möglichkeit auslotet, einen Teil davon zur Besoldung der Judenprediger zu verwenden: »[…] undt nachdem hierzu der vorschlag geschehen, daß der receß der visitirgelder zu dem ende angewendet werden solle, so lasse ich Ewre Herrligkeiten wissen, daß ich annoch laut abrechnung mit dem rentmeister in den Soden 198 fl. 10 alb. 6 hll. [ein]schließlich anno 1643 rückstendig zu fordern habe, welche der rentmeister auch noch nicht berechnet, viel weniger (außgenommen 20 fl. so anno 1647 den 3ten Janu. uff special befehlich gegeben worden) bezahlt hat, daß dennoch 178 fl. 10 alb. 6 hll. restiren. Ob nun schon etliche pfarrern in disem ubrigen receß noch an die 30 fl. zu fordern haben, so könte man doch zu diesem behuff noch – ein ziemlichs anwenden, wen nur f[ürstlicher]. befehlich an die salzbeambten erfolgete, daß der rest richtig gemacht würde. Woferns nun dahin gemeinet ist, denen predigern , hier [zu Eschwege, A. J.] u. zu Rotenbergk, ihr salarium sampt der zehrung in etwas davon zu contentiren, so erwarte ich gemessenen befehlch«. 512 Unter den zahlreichen armen, ausgeplünderten, verbrannten und verheerten, in den Visitierrechnungen des Bezirks Rotenburg nach Klassen geordneten, Pfarrern, denen mit einer Zusteuer geholfen wurde, zeigt in der Visitierrechnung Caspar Josephis für 1635 (KKAE Best. 2, Nr. 26) ein Eintrag aus der Klasse Eschwege exemplarisch die Grausamkeit des Krieges: »5 fl. Joanni Lobetano pf[arrer]. zur Awe, welchen die Croaten ubern gottesdinst gefangen, sich mit 50 reichsthalern zu rantzioniren gezwungen undt gleichwohl darauf 3 finger an der handt tyrannischer weise abgehaubet«. In der Visitierrechnung Hermann Fabronius’ für 1633 (KKAE Best. 1, Nr. 33) finden wir unter den Visitiergeld-

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geben die Rechnungen Aufschluss über die praktischen Herausforderungen, mit denen die Superintendenten vor und bei der Durchführung ihrer Visitationen unter den Bedingungen des Dreißigjährigen Krieges zu kämpfen hatten. Dies zeigen zum Beispiel die Verwendungsnachweise die der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger 1636 über die Ausgabe des Visitiergelds auf einer Reise nach Gudensberg und Fritzlar ablegte: »Auff den weg mit zur zehrung weil unter wegens nichts zu bekommenn Als ich wiederumb nach haus verreißet [von Gudensberg?], hab ich weill die kayserische, so umb her in Waldeckischen Dörffern lagen, sehr streiffeten, zur convoi mit gehabt 6 musquetirer und zwey reutter biß nach Wildungen, denen ich uff ihr fordern ein trenck geld geben mußen, alß 8 alb. den musquetirern, 7 alb. den reutternn, 5 alb. einem andern reutter so mich von Wildungen nach Fritzlar convoiret. 1 fl. 16 alb. zu Fritzlar, dahinn ich, wegenn kirchenn geschäfftenn in selbiger reise ziehenn müßen, hab ich sampt den pferdten, diener vnndt Kutschen knecht verzehrt, l[aut]. q[uittung]. Unndt weill Capitain Sperlinng der gefahr halbenn mir zween musquetirer biß uber die Bauna mit gegeben unndt der burgermeister, weill meine pferdte der hitze halben sehr matt wahren, zwey pferdt vor gespannet damit ich selbigen tag Caßell noch erreichen undt den nacht lagers uncosten sparen möchte, habe ich dem knecht unndt den musquetirern zusahmen 8 alb. gegeben«.513

Noch regelmäßigere und detailliertere Einblicke in die Visitationspraxis und den Zusammenhang von Kirchenverwaltung und Landesherrschaft liefern die Viempfängern in der Klasse Eschwege die Einträge: »10 fl. dem pfarrer zu Hona Oswaltt Ludulff, dieweil ihm sein frucht in der scheuren undt auf dem felde von den Altringischen verderbet« und »8 fl. dem pfarrer zu Langula Christiano Schwingen, dieweil ihm die Tillischen seinen manttel genommen«. Zur Verdeutlichung der Not der Pfarrer sei noch ein anderes illustratives Beispiel angeführt: Hermann Magirus, Pfarrer zu Obermöllrich, richtete unter dem 17. Juli 1643 an den Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger ein Gesuch, in dem er anführte, »[…] sintemahl ja ein arbeiter seines verdienten lohns undt ein verleger seiner gethanen auslage wiederumb wehrt ist, so weiß auch eine ganze gemeinde zu Kirchberg, das ich ihrer kirchen nach dem vermögen, das mir Gott gegeben, mit trew undt fleiß gedienet, undt darbey groß unglück durch raub undt brandt, muhe, sorge undt angst bey dem bawwesen außgestanden, auch entlich von der canzell aus der kirche dom[inica]. 1. adv. durch den Crobaten in die pfarrschewren gejagt, daselbst ergriffen, nach dem stattberge geführt, undt dadurch meiner gesundtheit beraubet, undt zu einem gebrechlichen menschen worden bin« (StAM 318 Kassel, Nr. 412). 513 StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621 bis 1738 [Magazin III K (Reihe) 5 (Stange 4)], hier die Rechnung für das Jahr 1636: »Rechnung uber innahm und ausgabe visitirgeldt so vonn unnserm gnedigenn fürstenn unndt herrenn zur visitation unndt steur der armen praedicantenn, so geringe besoldung habenn, verordtnet ist. Vom jahr 1636. Ausgetheilet unndt berechnett durch Theophilum Neubergerum superintendenten zu Caßell den 22 t[en] Junij 1640« [= Datum der Rechnungsabhörung durch Dr. Justus Jungmann, Johannes Pein, Caspar Weigand], darin fol. 4r. Die Geldangaben in tabellarischer Aufstellung zu den jeweiligen Punkten wurden hier in den Fließtext eingebettet, Kommas zur besseren Übersicht ergänzt.

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sitierrechnungen des Bezirks Rotenburg, insbesondere die des Superintendenten Hermann Fabronius. Eine große, immer wiederkehrende praktische Schwierigkeit war die Beschaffung und Reparatur der Visitierkutsche. Anhand der sich durch die Zeiten ziehenden Aufzeichnungen dazu lässt sich auch nachvollziehen, welche Gewerke an Bau und Reparatur der Kutsche beteiligt waren, welches Material benutzt wurde, wieviel die einzelnen Arbeiten kosteten, wie lange sie dauerten und wo die jeweiligen Handwerker herkamen.514 Unter »Inventarium Gereths« vermerkt Fabronius 1623 in seiner Visitierrechnung: »Eine visitir kutsche hat mein antecessor undt collega M. Joan. Calchovius s[elig]. aus der kirch casten des bezirgks zulage hinbey gezeuget, ist aber in diesem jahr bey ankunfft undt durchzug des bayerischen krieges volck genommen worden, undt hab ich sie nie gebraucht, sonder vor mich ein eigne von Eschwege mitgebracht, welche mir von den Bayerischen auch genommen, undt hab ich demnach ein ander vor mich aus meinem eigenen vermögen gezeuget«.515

Die Visitierkutsche, die der Rotenburger Superintendent Kalckhoff mithilfe einer Zusteuer der Kirchen des Bezirks anfertigen ließ, hat Fabronius dem Adligen Adam Trott zu Lispenhausen, wie weithin üblich, auf dessen Bitte ausgeliehen, sodass er seine Frau damit nach Buchenau transportieren lassen konnte. Sie wurde dort im November 1623 von bayerischen Soldaten ausgeplündert und ihr alles, einschließlich der entliehenen Visitierkutsche, genommen. Adam Trott zu Lispenhausen habe aber, so Fabronius in einem Bericht, versprochen, eine neue Visitierkutsche zu beschaffen, was aber unter den momentanen Bedingungen – Krieg und Einquartierungen –, so räumt Fabronius ein, schwierig sei.516 Erst aus dem Nachlass des verstorbenen Adam Trott zu Lispenhausen konnten schließlich, aufgrund des beständigen Insistierens der nachfolgenden Superintendenten,517 die versprochenen 40 Reichstaler zuguns514 Zu Abhandekommen, Schadensersatz, Reparatur und Neubau der Visitierkutsche findet sich neben den Visitierrechnungen eine umfangreiche Überlieferung in KKAE Best. 3, Nr. 107 mit Briefen, Konzepten, Handwerkerrechnungen, Kostenvoranschlägen und Kalkulationen sowie Belegen über eine 1646 aus den einzelnen Pfarreien der Superintendentur Rotenburg zum Neubau einer Visitierkutsche erfolgte Zusteuer. 515 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1623 (vorletzte beschriebene Seite). 516 So Fabronius in einem eigenhändigen undatierten Bericht auf einem Blatt, das sich in KKAE Best. 3, Nr. 107 im oberen Päckchen zusammengeschnürter Briefe findet und inhaltlich übereinstimmend auch in anderen Berichten unter dieser Signatur zu lesen sowie aus den Angaben in den Visitierrechnungen zu erschließen ist. 517 So durch den Superintendenten Caspar Josephi, vermerkt auf der ersten Seite der »Gemeine[n] Außgabe« in der Visitierrechnung für 1635: »14 alb. Einem botten mit schreiben an J[unker]. Adam Trotten zu Lispenhausen, daß er die in anno 23 endtlehnete undt verlohrne visitirkutsche restituiren, oder gebürliche satisfaction dafür thun mueste, weil man eine andere newe visitirkutsche zeugen müßen« und 1636 unter »Mehr gemeine Außgabe becircks Rotenbergk halber«: am 30. Oktober wurden gegeben, »14 alb. Einem botten mit schreiben an pfarrherrn zu Iba, daß er bey Juncker Adam Trotten anhalten wolle,

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ten einer neuen Visitierkutsche erlöst werden,518 die Johannes Hütterodt in zwei Raten in den Visitierrechnungen für 1642 und 1643 als Einnahme verbuchte.519 Schließlich werden 1626 keine Aufwendungen zur »Kutschen Flickunge« angegeben, »dieweil mir meine kutsche, so mein eigen, vom Schonbergischen regiments quartiermeister im durchzug deß Tyllischen kriegßheers in monats Majo, da ich uber daß 2 [einquartierte, A. J.] rittmeister hab halten müßen, genommen, undt ich seit deme ein ander auß meinen kosten hab zeugen müßenn«.520 Als sich Fabronius 1627 in Eschwege aufhielt, kümmerte er sich darum: »1 fl. 6 alb. zu Eschwege in der herbrige undt wiederkehr, daselbst mich umb tuch undt eisen zu meiner newen kutschen, auf meinen kosten erzeuget, da die für die verlohrne visitirkutsche versprochene 30 Reichsthaler nunmehr nach verfloßenem Michaelistag, seiner verheißung nach, mir zu liffern. Hat sich Trotte erkleret, weil ers itzo wegen erlittenen brandtschadenß zu Eisenach nicht köntte, wolte er doch kunfftigen Michaelis anno 37 gewißlich willen schaffen«. 518 In KKAE Best. 3, Nr. 107 im Papierumschlag mit der Aufschrift »Superintendentur Allendorf. Acta betr. die Visitier Kutsche« findet sich als unterstes Stück die Abschrift eines Schreibens der Kasseler Regierung an die Beamten zu Rotenburg bezüglich dessen, »[w]as an uns der superintendens zu Eschwege Ehr M. Johann Hütterod, wegen der von Adam Trotten seel. vor die von ihm verlohrne visitir kutsche, versprochener 40 reichsthaler clagend gelangen laßen, darneben gesucht und gebetten, das etc. Nachdem wir nun nicht davor halten, daß jemand sich vor ermelltes Trottens seel. erben angeben wird, gleichwol aber gedachte 40 thaler alß richtige schulden bezahlt sein müßen: Alß wollen an statt [unsers gnädigen Fürsten und Herrn, A. J.] etc. [an euch] begehrt, und respectivH befohlen haben, clagenden superintendenten auß sein Trottens seel. verlaßenen bereittesten gütern, alß vieh, frucht und andern, den nechsten mehrerwehnter 40 thaler halben zu contentiren«. In der Visitierrechnung Hütterodts für 1641 sind unter »Außgabe Bottenlohn« 14 Albus berechnet für »Bottenlohn so von F. Regierung ein Commission schreiben an die Beampte zu Rotenburgk umb Execution wegen der 40 Rthlr an J[unker]. Adam Trotten verlaßenschafft zu thuen getragen«. 519 KKAE Best. 2, Nr. 26 (Visitierrechnungen 1634–1665). 1642 heißt es unter »Einnahm F[ürstlichen]. Visitir- undt Gnadengeldts des Rotenburgischen Becircks«: »24 fl. 6 alb. – an 20 taller kopst. jeden taller zu 4 12 kopst., welche der pfarrer zu Iba Herr Joan Rennerus wegen J[unker]. Adam Trotten schulden auf rechnung erleget, [darunter Hütterodt eigenhändig:] belangt die verlohrne visitir kutsche«, und unter der Einnahme für 1643 (Hütterodt eigenhändig): »24 fl. 6 alb. an 20 tallern kopfstück, welche der stadtschreiber Joannes Laub zu Rotenburg, wegen der Trottischen schuldt, für die verlohrne visitirkutsche erlegt hat«. Als die Erben Hermann Fabronius’ dessen eigene Kutsche, die er zu Visitierzwecken nutzte, nicht herausgeben wollten, »hatt der itzige superintendens mit raht undt beliebung Herrn Superintendenten Steinii sel[igen]. (welcher in anno 34 in ansehung, daß ein superintendens eines wagenß nicht entrahten kan, er aber denselbigen auff seinen kosten undt gefahr zu halten nicht schuldig ist, dergleichen gethan) eine newe ambts undt visitirkutsche, welche stets beim ambt pleiben soll, erzeuget undt alhier berechnet, kostet solche laut beyligenden zettelß Summa Visitirk. 63 fl. 2 alb[us].« (Visitierrechnung des Superintendenten Caspar Josephi zum Jahr 1634, KKAE Best. 2, Nr. 26); an dieser Visitierkutsche, mit der Josephi am 20. Mai 1636 »bey Rotenbergk wegen unbekanten weges in die Fulda« gefallen war (Visitierrechnung 1636, erste Seite der »Gemeine[n] Ausgabe«), wurde in den Folgejahren, ausweislich der Visitierrechnungen, immer wieder repariert. 520 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1626 (vorletzte beschriebene Seite).

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mir die vorige genommen, zu bemühen, damit ich in ambt sachen fortkommen mochte«.521 Das Amt des Superintendenten nahm in dieser Zeit also auch das Privatvermögen der Amtsträger in Anspruch. Darüber klagte schon der von 1569 bis 1600 als Kasseler Superintendent wirkende Bartholomaeus Meier in einem Brief, den er »unserer gemeinen sachen halber das futter uff die pferde belangend« am 17. Juni 1588 an seinen Allendorfer Kollegen Christian Grau schrieb; darüber habe er schon mit dem Kammermeister, der ihn vertröstet habe, sein Anliegen bei Gelegenheit dem Landgrafen vorzutragen, und dem Sekretär Krug gesprochen, der angegeben habe, ihm sei vom Kammermeister noch nicht einmal die Supplikation zugestellt worden, jedoch, wie er versprochen habe, »sonst allen moglichen vleis bei der sachen thun« wolle, sodass Meier resigniert bekennen musste, »was dorus werden will, weis ich nicht« und fortfuhr : »Ich bin zwar vast [= sehr] betretten, unnd ligt mir nicht wenig an, das ich nur mehr das armut das mir saur werden, unnd ich beinahends an meinem munde ersparet haben soll uff das ampt wenden, darvon ich doch weiter nichts dan grosse mühe unnd arbeit unnd grossen undanck habe«.522 Außerdem hatte sich Bartholomäus Meier schon 1585 bei Landgraf Wilhelm IV. darüber beschwert, dass man nicht wie vereinbart zwei Pferde für ihn bereithalte, wenn er dienstlich verreisen müsse.523 Die schwierigen Arbeitsumstände werden auch aus einem Eintrag in der Rotenburger Visitierrechnung für 1624 deutlich, wo es unter der Überschrift »Plünderung« heißt: »4 fl. seint mir von dreien bayerischen soldaten im waldt bei Rockensüs als ich von Allendorff zurück kommen,524 uber das aber noch der beutel mit geldt (mir nicht 521 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1627 (auf der zweiten Seite unter der Überschrift »Gemeine Ausgabe undt sonderlicher verrichtungen, zu Zehrung, Kutschenflickung, buchbinder undt Bottenlohn, Papir undt ander Ambts erforderungen«). 522 Bartholomaeus Meier an Christian Grau, Kassel 1588 Juni 17, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (gegen Ende des Konvoluts, direkt vor dem Umschlag mit der Aufschrift »Acta, betreffend Judenpredigten. 1651«); Meiers eigentliches Anliegen verdeutlicht der sich anschließende Satz, nach dem er seine theologischen Ansichten unter Bezugnahme auf den von ihm geschätzten, in Bremen wirkenden Reformierten Christoph Pezel sowie die von ihm verworfenen »paradoxa« des die hessischen Geistlichen in der Lehre von der Person Christi spaltenden Marburger Professors Ägidius Hunnius auf Latein weiterführt: »Es betrubet mich aber noch und mehr unnd höher das ich sehen unnd spüren muß, das mein grosser angewendeter vleis zu erhaltung reiner gesunder leer so gar kein stadt finden mag unnd von denen so da solten alle beforderung darzu thun, gar wenig in acht genommem wirt«. 523 Bartholomaeus Meier an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, Kassel 1585 Oktober 11, StAM 22 a 8, Nr. 228 (Kassel). 524 Unter dem Punkt »Zehrung« wird in der Visitierrechnung für 1624 (KKAE Best. 1, Nr. 33, fünftletzte Seite) vermerkt: »1 fl. 10 alb. unter wegen verthan, alß ich aus noturft undt gefahr der Bayerischen einquartirung das genadengeldt zu Allendorf denen dahin beschriebenen pfarrern daselbst geliffert, an pfingsten«.

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bewust, wieviel darinnen), item 5 ehlen Eschwegisch, 1 14 ehlen Lundisch tuch, einen mantel, schue, undt dem fuhrman ein pferdt etc., die 4 fl. aber seint in der lade, so sie aufgeschlagen, in 2 dauten [?] gewesen, genommen worden«.525

Auch aus einem Eintrag, der sich unter der Überschrift »Verehrung« in der Visitierrechnung für 1625 findet, erhellt wie sehr die Umstände des Dreißigjährigen Krieges die Visitationsarbeit des Rotenburger Superintendenten erschwerten: »6 fl. Einem geleits reuter Burgkhardten aus dem landt zue Wurtenbergk, cornet pforten diener, der Horchischen compagnie, Schönbergischen regiements, das er wegen vorigen jahrs geschehener meiner plunderung mich, gleich darauf im Novemb. gen Langensaltza zum communicationstag, mit den Chursachsischen zu halten,526 und kunfftig hinbey uf zwey jahr der Bayerischen einlagerung in Hessen, bey meinen amptsgeschefften confoiiret, dieweil ich sonst nicht sicher habe fort kommen können, wie menniglichen gar wol bewust, verehret und zu lohn geben«.527

1626 lesen wir unter derselben Rubrik: »4 fl. Siebentzig musketirern auß dem ausschuß zue Witzenhaußen, so auff f[ürstlichen]. befehl den schultheißen undt mich confoyren müßen, bey der Braunschweigischen streitigkeytt uber der pf[arr]. Berga,528 unßern daselbst verdrungenen pfarrern wieder ein zuefuhren, zue einem trunck bier verehren müßenn«.529

Und gleich im Anschluss steht: »2 fl. 2 alb. Dreyen soldaten heßischen ausschußes zue Waltt Capp[el]. undt zweyen Seyffertshaußenn wie auch dem botten, so mitt gangen, mich sambt wagen undt pferdten zue confoyren, dieweil nicht allein daß Herbesdörffsche regiment den Lichtenawer strich her nach der Fulda gezogen, sondern auch sonsten viel ab undt zue reitenß, inmaßen dan eben der zeytt sex bayerische reutter von den Braunschweigischen, nicht weitt von mir unter Ruckroda von den pferdten geschoßen, deren funff sobalt todt bliebenn«530.

Aus den Einträgen wird auch deutlich, die Superintendenten reisten nicht allein, sondern hatten Begleiter bei sich, mindestens einen Fuhrmann, in gefährlichen 525 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1624 (vorletzte beschriebene Seite). 526 Dazu vermerkt schon die Visitierrechnung für das Jahr 1624 (KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1624 (viertletzte beschriebene Seite): »1 fl. 2 alb. zu Altengottern in Thuringen alß ich zu dem communications tag zu Langensaltza, da sich die chursaxische undt hessische beambten undt superintenden wegen Trefurt, betreffent die pfarrbestellung contra Mentz vereiniget, undt hatt der hessische amptman den kosten zu Langensalza entrichtet, im Novemb.«. 527 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1625 (vorletzte beschriebene Seite). 528 Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Dorf Berka, heute ein Ortsteil der Gemeinde Katlenburg-Lindau im südlichen Niedersachsen. 529 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1626 (drittletzte beschriebene Seite). 530 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung zum Jahr 1626 (drittletzte beschriebene Seite).

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Zeiten wurden sie sogar eskortiert. Auch in einer Visitierrechnung des Superintendenten Hütterodt für das Jahr 1658 werden seine Reisegefährten greifbar, so verausgabte er in Helsa, wenige Kilometer südöstlich von Kassel, 21 Albus »über nacht mit 2 pf[erden]., einem jungen u. dem knechte, an stallmiete, haffer undt mahlzeit«.531 Nicht ganz klar ist, wer die Pferde stellte und bezahlte, wann Hütterodt ritt und wann er mit dem Wagen fuhr, und ob es im Laufe der Zeit dabei Änderungen gab. Ist einerseits offensichtlich, dass Hütterodt selbst ein Pferd besessen und unterhalten haben muss,532 aus einem Eintrag wie am Ende der Visitierrechnung zum Jahr 1646: »15 fl. haben F. Herren Cammer Director undt Rähte dem superintendenten zugesteuret alß ihme in visitatione zu Witzenhausen sein pferdt schadhafft worden undt ein anders, so er deswegen gekaufft, gestorben«533, so spricht aus einer Äußerung wie in seiner »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt und Vogtey Langula« (nach 1661), dass die Visitierten die Pferde, den sogenannten Vorspann, für die Kutsche stellen mussten: »[…] sindt diese schuldig beide superintendenten [den hessischen und den kursächsischen, A. J.] 531 KKAE Best. 2, Nr. 26 (Visitierrechnung 1658, darin der dritte Eintrag auf der viertletzten beschriebenen Seite unter der Rubrik »Ausgabe Fuhrlohn außer denen visitationibus u. zehrung in u. außer denen visitat[ionibus].«). Das ganze Spektrum der Transportprobleme wird sichtbar, als Johannes Hütterodt am 6. Dezember 1640 von der Kasseler Regierung mit einer Kommission beauftragt wird, zur Ermittlung in gegen Johann Becker, den Pfarrer von Waldkappel, erhobenen Vorwürfen. »Darauf habe ich den folgenden Montag durch ein schreiben den beiden partheyen meine commission angemeldet undt begehret, daß sie fuhre verschaffen oder dieselbe von hierauß bezahlen solten, damit ich den 11. huius dahin kommen undt zur inquisition schreiten möge. Worauf der pfarrer sich willig, – b[ürgermeister]. undt rath aber widersetzlich erzeigt undt sich zu solchen unkosten nicht schuldig erachtet, sondern dem pfarrern allein solche aufzudringen, gemeinet haben. Des ungeachtet, begebe ich mich den 11. huius frue mit 2 pferden auf den weg dahin zu ziehen, komme aber jenseit Bischhausen unter die quartiermeister der Weimarischen truppen, welche mich gekant und in schutz genommen, deren gesindtlein aber meinen knecht angetastet undt außziehen wollen, wo es nicht durch ihre herren wehre verwehret worden. Nachdem nun ich widrumb in Bischhausen reiten, der trouppen ankunfft erwartten undt immittels mich allerhandt ungelegenheit befahren müßen, alß habe ich ihre gn[aden]. den Graven von Wittgenstein umb schutz angeruffen, undt bin von desen ob[rist]. wachtmeister widrumb anher convoyret worden« (DTB Hütterodt, S. 177); zur Visitationspraxis Hütterodts siehe den übersichtlichen Abschnitt bei Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 67f. 532 Die Kirchendienerordnung von 1531, EKO Bd. 8, S. 73 (Punkt 5), legt dazu klar fest: »Es soll ein visitator nicht mehr dan zwei pferde, es were dan, daß er so gebrechlich were, daß er zu wagen mit muste faren, haben, so soll er auch zwei oder drei pferde vor dem wagen haben und daruber nicht«. 533 KKAE Best. 2, Nr. 26 (Visitierrechnung 1646, auf der letzten beschriebenen Seite). In der Visitierrechnung für 1644 (KKAE Best. 2, Nr. 26) führt Hütterodt in der Rubrik »Außgabe zehrung undt unkosten in den visitationibus wie auch fuerlohn außer denselben« an, 7 Albus zu Lichtenau »zum beschlag« des Pferdes und 9 Albus »zur artzney des krancken pferdes«.

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von ihren örttern mit ihren pferden abzulangen undt nach Treffurt undt von dannen wider nach hauß zu führen«.534 In Ledderhoses 1780 erschienenem Kirchen-Staat heißt es sogar : »Die Reisekosten des Superintendenten werden nicht von der Classe, in welcher die Kirchen-Visitation gehalten wird, allein bestritten; sondern es wird demselben, wann er auf das Land geht, der erforderliche Vorspann aus dem nächst angränzenden Amte bis in das daran stoßende, welches er in der Durchreise berührt, und von da weiter bis an den bestimmten Ort gegeben«.535

Es lässt sich also bei entsprechender Quellenlage im Einzelfall sagen, wie Hütterodt das Transportproblem löste, eine allgemeine Regel, wann er ritt, wann er die Kutsche benutzte und woher er in welchem Zeitabschnitt die Pferde nahm, lässt sich aber bis jetzt nicht ableiten. Ein Kuriosum sei hier noch bemerkt. Im November 1657 kehrte Hütterodt von einer Visitation zu Witzenhausen zurück: »Am 19ten heimgefahren undt den Hut sampt der Flohr verlohren, 2 Tlr. die Flohr u. 2 12 Tlr. der Hutt«,536 so vermerkt er es in seinem Diensttagebuch und lässt uns damit einen kurzen Blick auf seine äußere Gestalt und kleinen Eitelkeiten erhaschen. c)

Die Kooperation der Superintendenten in Rotenburg und Kassel – Der Fall Lüderbach

Die Notwendigkeit der Absprache des Superintendenten des Bezirks Rotenburg mit der Kasseler Regierung bzw. dem Konsistorium bezüglich der Pfarrbesetzung in der Ganerbschaft Treffurt sowie im mit den Herzögen von Braunschweig strittigen Dorf Berka ist schon angeklungen. Die Unsicherheit in den Herrschaftsverhältnissen der Zeit wird auch aus den Visitierrechnungen des Bezirks Rotenburg deutlich, die sich zwischen 1626 und 1629 auf die Darmstädtische Pfandherrschaft über hessen-kasselsche Orte beziehen: die Forderung Fabro534 »Kyrchen Historia […]« (Konzept), fol. 3r, KKAE Best. 4 Großburschla, Nr. 2. Siehe dazu auch den Hinweis bei Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 68 mit Anm. 158, auf den Eintrag zum 25. September 1649 im DTB Hütterodts, S. 856, wo unter den Anliegen des Wilhelm Christoph Diede zu Wellingerode (heute ein Hof in der Gemarkung Mitterode der Gemeinde Sontra) aufgezählt wird, »4. begehret er visitation in loco –, ist ihm auch bejahet, wofern die leute pferde anher schaffen«. 535 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 45f. Tatsächlich enthält das Findbuch zum Bestand »Superintendentur Allendorf« im Landeskirchlichen Archiv Kassel und im Kirchenkreisarchiv Eschwege für das 18. Jahrhundert Akten mit dem Verzeichnungstitel »Kirchenvisitationen, Vorspanndienste und Visitiergelder, 1707–1857«, KKAE Best. 3, Nr. 113; »Stellung des Vorspanns bei Fuhren zu Kirchenvisitationen, 1748–1870«, KKAE Best. 3, Nr. 106; »Verweigerung des Vorspanns bei Kirchenvisitationen im Gericht Bilstein, 1786ff.«, KKAE Best. 4 Abterode, Nr. 19. 536 DTB Hütterodt, S. 1438 (20. November 1657: »20. redux H Witzenhausana visitatione«) .

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nius’ zu Gesprächen darüber nach Kassel, die Einnahme der Huldigung durch Darmstadt, so 1626 für Rotenburg erwähnt, sowie die Zusteuer für in diesem Kontext entsetzte Pfarrer. Für reformierte Geistliche, die im Zuge der Marburger Sukzession oder der Besetzung Schmalkaldens durch Hessen-Darmstadt vertrieben wurden, war zudem die Exulantensteuer bestimmt, die von beiden Superintendenturen gemeinsam finanziert wurde, wofür, laut Visitierrechnung, auf Befehl des Konsistoriums 1625 die Verteilung des Gnadengelds an die bedürftigen regulären Pfarrer eingeschränkt wurde, damit die so freiwerdenden Mittel in die Exulantensteuer fließen konnten. Ein markanter Fall, der das Verhältnis und die Zusammenarbeit beider Superintendenten untereinander wie mit der Kasseler Regierung beleuchtet, ist das Bemühen um die Einschränkung des Herzogtums Sachsen-Eisenach in der Ausübung seines Patronatsrechts über die an der Grenze zu thüringisch-sächsischem Territorium liegende, zur Klasse Eschwege gehörende Pfarrei Lüderbach. Im Diensttagebuch des Kasseler Superintendenen Paul Stein findet sich im dritten Eintrag zum 28. März 1628, etwa zwei Monate nach Inkrafttreten der im Hessischen Hauptakkord niedergelegten Einigung mit Hessen-Darmstadt zur Ausräumung der niederhessischen Pfandämter, folgender Eintrag: »Cantzlar schickt etliche schreiben ein, so von den beambten zu Homberg wegen bestellung der prediger daselbst, und vom Landvogt zu Eschwege wegen der pfarr Lauderbach [= Lüderbach] an die regirung zu Marpurg, und von deroselben an Landgraff Georgens [von Hessen-Darmstadt] f. gn. abgangen; lest auch darbey anmelden, ich solte morgends tags zu ihm schicken, wolte er mich wissen lassen, was in einem und dem andern resolviert sey«.

Unter dem 29. März 1628, Nr. 5 heißt es: »[Der Kanzler, Reinhard Scheffer,] begehrt wegen bestellung der pfarr Lauderbach mein bedencken. Dieweil aber aus denen uberschickten schreiben ich keine vollkommene nachrichtung, wie es anjetzo mit der interimsverwaltung selbiger pfarr, gehalten werde, haben können, auch sonstet bey der hiesigen superintendentz disfals, wem das ius episcopale oder auch die collatur daselbst zustehe, nichts vorhanden, so hab ich communication deren documentorum, so etwan bei f. cantzley deswegen vorhanden, zuvorderst begehret, mich daraus haben zu informiren«.

Schließlich ist unter dem 30. März 1628, Nr. 3 zu lesen: »Nach Verlesung deren mihr von f. cantzley communicirten schreiben, die pfarr Lauderbach betreffend, hab ich dem Herrn Cantzlar mein bedencken anmelden lassen, das man nachmals bey f. cantzley fleissig nachzusuchen hette, ob sich der vom superintendenten Fabronio angezogene vertrag zwischen Sachsen und Hessen finden wolle, darnach man sich in der wiederantwort an Hertzog Johann Ernst zu Sachsen zu richten hette. Auf den Fall aber kein solcher vertrag vorhanden, hette man sich in der wiederantwort darauff, das Lauderbach unstreitig auf hessischem grund und boden

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gelegen, und das ius episcopale an der pfarr daselbst, als welches dem iuri territorii anhengig, Hessen zusteht, zu günden, und derowegen zu begehren, weil man Sachsen das ius praesentandi gern gestehe, das sie innerhalb gewohnlicher zeit einen qualificirten anhero praesentiren wolten. Und hette man hernacher, da man zuvorderst mit Sachsen der sachen einig, darvon zu deliberiren, ob es der ceremonien halber bei jetzigen zeiten in gegenwertigem stande daselbst zu lassen, oder wie es sonstet fuglich anzugreiffen sey«.

Der Streit um die Wiederbesetzung der Pfarrei Lüderbach zog sich offenbar noch längere Zeit hin. So wird in der Visitierrechnung des Rotenburger Superintendenten Fabronius für das Jahr 1628 unter den Zehrungskosten aufgeführt: »1 fl. 10 alb. im Julio unterwegen, alß ich die pfarr Lüderbach, so mitt Eisenach streitig, propestioniret [?], die Treusche pfar[rer] dahin beschrieben, undt fürtters zu Wanfriedt visitiret habe«.537 Lange Zeit gehörte Lüderbach als Teil des Amtes Brandenfels, einem ungeteilten hessisch-thüringischen Lehen, der Adelsfamilie Treusch von Buttlar,538 die ihren Besitz an Lüderbach um 1620 an die Familie des hessen-kasselschen Kanzlers Reinhard Scheffer verkaufte. Die Tochter seines Bruders Heinrich Ludwig Scheffer, des Obervorstehers der Hessischen Hohen Hospitäler, heiratete Johann Wilhelm von Capella; im Besitz dieser Familie blieb der Ort bis zu ihrem Aussterben 1779.539 Das ius episcopale lag aber, so vermerkt es Fabronius schon 1624 im Kollaturregister des Bezirks Rotenburg, bei Hessen-Kassel, nur die Kollatur, das Patronat, hatten die Herzöge von Sachsen(-Eisenach) inne, die dem Kasseler Konsistorium nicht nur einen ihnen genehmen – lutherischen – Pfarrer präsentieren durften,540 sondern diesen auch aus den Einkünften des Stifts Eisenach besoldeten.541 537 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung für das Jahr 1628. 538 Diehl: Adelsherrschaft im Werraraum, S. 315. Siehe hierzu Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 206f., der aus dem 1540 zwischen Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, Herzog Johann Ernst von Sachsen und dem Landgrafen Philipp von Hessen geschlossenen Vertrag zur gemeinsamen Lehenshoheit über das Amt Brandenfels zitiert. 539 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 209. Zur Transferierung von Lüderbach durch Georg Oswald Treusch von Buttlar an die Brüder Reinhard und Heinrich Ludwig von Scheffer siehe die von Landgraf Moritz am 8. Januar 1619 ausfertigte Urkunde in StAM Urk. 56, Nr. 2089 (Abschrift) mit dem Regest: »Moritz, Landgraf von Hessen, genehmigt, dass Georg Oswald Treusch von Buttlar zur Zahlung seiner Schulden seinen Rittersitz in Lüderbach […] im Gericht Brandenfels, Lehen des Klosters Hersfeld und des fürstlichen Hauses Sachsen, mit allem Zubehör und allen Rechten an die Brüder Reinhard und Heinrich Ludwig Scheffer, Kanzler bzw. Obervorsteher der Hohen Hospitäler, verkauft. Die Käufer empfangen das Gut vom Administrator [dem späteren Wilhelm V. von Hessen-Kassel, A. J.] als Lehen«. Dieses Regest sowie ein Digitalisat der Urkunde findet sich unter der angegebenen Signatur im Archivinformationssystem Hessen online. 540 KKAE Best. 1, Nr. 34. 541 Im »Inventarium undt Verzeichniß der Pfarr besoldung zue Läuderbach«, wahrscheinlich – wie ein Teil der übrigen Inventare der Kirche und Pfarrei Lüderbach, die sich im Kopialbuch der Klasse Eschwege finden (KKAE Best. 1, Nr. 23) – 1661 von dem Pfarrer

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Für den August 1628 dokumentiert die Visitierrechnung Ausgaben an Zehrung des Superintendenten Fabronius »auff der reise nach undt zu Cassel, als ich wegen schreiben des Hertzogks zu Sachsen Eisenach, betreffent die pfarr Lüderbach, auf f. cantzeley umb bericht gefragt worden« und auch in der Rubrik Botenlohn werden »17 alb. 6 hlr.« aufgeführt, die Jacob Seipel aus Rotenburg erhielt, »wegen streitigkeitt der pfarr Lüderbach schreiben auf f. cantzley zu Cassel zu tragen« und auch Bartel Müller erhielt den gleichen Betrag, »deswegen schreiben nach Eisenach zu tragen«. Die Dramatik der Situation offenbart der nächste Eintrag: »10 alb. einem botten [von] Dattenroda, so mihr schreiben bracht, wie die Creutzburgische beambten [aus Sachsen-Eisenach, A. J.] sich der pfarr Lüderbach mechtigen wöllen«.542 Dass offenbar der Tod eines Lüderbacher Pfarrers den Anlass für die Auseinandersetzungen mit Sachsen-Eisenach gab, wird aus einem Eintrag ersichtlich, den wir unter der Rubrik Botenlohn in der Visitierrechnung von 1629 finden: »3 alb. 6 hlr. einem botten von Hona f[ür]. schreiben wegen der wittwen Durandi s[eligen]. zu Lüderbach dem superintendenten von Cassel [Paul Stein, A. J.] nach Allendorff zu bringen«.543 Die Witwe des Durandus, der aller Wahrscheinlichkeit nach Pfarrer zu Lüderbach war, sonst würde sich der Eintrag kaum in der Visitierrechnung finden, suchte mit dem Schreiben wahrscheinlich um die Witwensteuer oder das Gnadenquartal an. Einen Nachfolger dieses Durandus können wir aus dem Kopialbuch der Klasse Eschwege fassen, in dem sich ein Inventar der Kirche und Pfarrei Lüderbach aus dem Jahr 1635 erhalten hat, wo sich Georg Becker/Pistorius als von Sachsen vozierter Pfarrer vorstellt.544 Das Verfahren, das zur Bestellung eines Lüderbacher Pfarrers führte, wird greifbar, wenn wir einen Eintrag aus dem Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten und Konsistorialrats Theophil Neuberger vom 27. Juli 1647 betrachten: »Den 27. Julij ist Philip. Reichart, ein Lutheraner, so von Eisenach anhero praesentirt gen Lauterbach [= Lüderbach], im predigen gehört, darin er feine gaben hat. Im examine aber etwas schwechlich bestanden«. Dieser Philipp Reichardt beschreibt seinen eigenen Werdegang in einem am 1. Juli 1661 eingereichten »Inventarium der Pfarr Läuderbach«, das sich im Kopialbuch der Klasse Eschwege findet, gleich unter dem ersten Punkt folgendermaßen: »Collatur dieser pfarr belangend, rühret solche vom fürstlichen hause Sachsen her, maßen dann auch ich Philippus Richardus jetziger pfarrer allhiero, von selbigem voPhilipp Reichardt aufgestellt, ist der einzige größere Posten unter dem ersten Punkt der Besoldung an »Geldt«: »40 fl. Cammerwehrung, werden jährlich auß Fürstl. Sächß. Stiffts Collectur Eisenach zur addition entrichtet«. 542 Alles in KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung für das Jahr 1628. 543 KKAE Best. 1, Nr. 33, Rechnung für das Jahr 1629 (unterster Eintrag auf der drittletzten beschriebenen Seite). 544 Kopialbuch Klasse Eschwege, KKAE Best. 1, Nr. 23.

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ciret, dem fürstl. consistorio zu Caßel praesentiret, daselbsten nach abgelegter probpredigt, examiniret, ordiniret undt nachmals von dem Herrn Superintendenten zu Eschwege confirmiret und eingeführet worden. Habe erstlich in meinem patria zu Creüzburgk, hernach in das 4. jahr zu Eisenach, förders zu Jehna undt endlich zu Erffurt studiret, bin numehro fast 14 jahr im predigambt gewesen, meines alters 43 jahr«.545

Dass Philipp Reichardt »von dem Herrn Superintendenten zu Eschwege confirmiret und eingeführt worden« ist, bestätigt ein Blick in das Diensttagebuch Johannes Hütterodts, wo es unter dem 30. Juni 1647 heißt: »Ist von f[ürstlichem]. consistorio befehlich einkommen Philips Richardt zu Leuderbach einzuführen, derohalben ich ihme die probpredigt zu thun, ufferlegt undt sol die gemeine den consenß einschicken«.546 Die Zusammenschau der Einträge aus den Visitierrechnungen des Rotenburger Superintendenten Fabronius, der im Diensttagebuch und den Visitierrechnungen seines zweiten Nachfolgers Hütterodt befindlichen Lüderbach-Bezüge,547 der Einträge in den Diensttagebüchern des Kasseler Superintendenten Paul Stein und seines Nachfolgers Neuberger wie auch die Selbstbeschreibung 545 Kopialbuch Klasse Eschwege, KKAE Best. 1, Nr. 23. 546 DTB Hütterodt, S. 663. 547 Die Einträge zu Lüderbach im Diensttagebuch Johannes Hütterodts sind im der Transkription beigegebenen Ortsregister zusammengestellt. Am 24. April 1641 (S. 225) ist dort z. B. zu lesen: »An den pfarrern zu Lüderbach geschrieben, daß er sich künfftig enthalten solle, communion auf den juncker hoeffen zu halten, weil es nicht seines ambts undt dem vertrage zu wider ist«. Am 9. September 1644 (S. 453 in Fortsetzung von S. 452) ließ Hütterodt dem Junker Carl Christoph von Herda, der zu Röhrda einen Teil des Gerichts von Kurpfalz zu Lehen trug, übermitteln: »[…] ich hette ihm zwar in politicis nichts zu gebieten, nachdem er aber communion in seinem hause durch den Luderbachischen pf[arrer]n. halten lassen undt solches meinem Herren u. Landts F[ürsten]. praejudicirt, solte er solche dinge einstellen, oder ich müste ihn anderswo verklagen« (siehe dazu auch Diehl: Adelsherrschaft im Werraraum, S. 316). Aufschlussreich sind auch die Einträge, die auf den Versuch der Sachsen-Eisenacher eingehen, ohne vorhergehende Präsentation einen Kandidaten vor der Gemeinde zu Lüderbach eine Probepredigt ablegen zu lassen, insbesondere vom 21. September 1645 (S. 545f.), der den Inhalt eines Berichts ans Konsistorium wiedergibt. Von dem lutherischen Pfarrer zu Lüderbach wurde die Einhaltung der hessischen Kirchenordnung und die Enthaltung von aller konfessionellen Polemik gefordert, so heißt es im Eintrag über die Einführung eins neuen Pfarrers zu Lüderbach unter dem 24. Januar 1641 (S. 207): »Introduxi pastorem Luderbacensem qui promisit, se s[ecundu]m. agenda nostra hassiaca cultum et sacra peracturum, conventui visitationesque aditurum, / calumniis in nostros et religionem nostram se abstracturum, pie, pacificH, cum parochialibus et vicinis victurium esse«. In den Visitierrechnungen aus der Amtszeit Hütterodts (KKAE Best. 2, Nr. 26) finden sich Einträge zu Lüderbach z. B. für das Jahr 1641 wo unter »Außgabe Zehrung undt reisekosten, bey Visitationen undt introductionen« 14 Albus berechnet werden, »alß auf absonderliche commission der pfarrer zu Luderbach con[tra]. der Sachsen Eysenächischen intention in der eyl introducirt – Dominica 1. Epiph.« sowie für 1645 unter den Ausgaben für Botenlohn und im vorletzten Eintrag der »Außgabe Zehrung undt Unkosten«.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

des Lüderbacher Pfarrstelleninhabers zeigen, welche herrschaftsrelevante Bedeutung dem Präsentationsrecht eines fremden, noch dazu anderskonfessionellen Reichsstandes für eine Pfarrstelle auf hessen-kasselschem Territorium beigemessen wurde, wie das Zusammenspiel geistlicher und weltlicher Amtsträger in Kassel, Rotenburg und Eschwege in dieser Angelegenheit funktionierte und welche Koordinierungsmaßnahmen diesbezüglich auf höchster Regierungsebene getroffen wurden. Wahrscheinlich um die Auswirkungen dieser Anomalie möglichst gering zu halten, wurde der Kirche Lüderbach ihre Filiale Breitzbach genommen und der benachbarten Kirche Willershausen zugeschlagen; so heißt es in dem am 10. Dezember 1635 eingegebenen Inventar der Kirche Lüderbach: »Ist die kirchen zu Luderbach ein mutter, darein gehoret das filial Breitzbach, ist aber darvon genommen undt naher Willer[s]hausen geschlagen«.548 Zudem waren die Adligen der Region, die sich der Mauritianischen Religionsreform noch immer mehr oder weniger verdeckt widersetzten, offenbar froh, einen lutherischen Geistlichen in ihrer Nähe zu haben und nutzten die Situation entsprechend aus, indem sie ihn auf ihre Häuser zum Abendmahl bestellten. Durch die Präsenz des lutherischen, von Sachsen-Eisenach präsentierten Pfarrers wurde der Herrschaftsanspruch des Kasseler Landgrafen also in mehrfacher Hinsicht herausgefordert.

d)

Das Verhältnis von Kirchenvisitation und Landesvisitation

Noch auf eine andere Verbindung sei hingewiesen. Am Beispiel der Superintendentur Rotenburg zur Zeit Hütterodts lässt sich deutlich das Verhältnis von Kirchenvisitation und Landesvisitation und vor allem die Mitwirkung des Superintendenten bei der Durchführung letzterer sowie deren Konfliktpotenzial in herrschaftlich geteilten Gebieten aufzeigen.549 Am 7. März 1667 schrieben die Fürstlich Hessischen »zur allgemeinen Landtvisitation verordnete[n] Commissare« an Hütterodt, sie würden aufgrund der ihnen erteilten Kommission »so wohl euch alß samptlichen pfar548 Kopialbuch Klasse Eschwege, KKAE Best. 1, Nr. 23. Breitzbach wie Willershausen gehören heute politisch zur Gemeinde Herleshausen. Zur Abtrennung der Filiale Breitzbach von der Mutterkirche Lüderbach siehe auch: Hochhuth: Statistik, S. 317 (zur Kirche Willershausen). 549 Am Beispiel Bayerns, Näther : Die Normativität des Praktischen. Landesherrliche Visitationen im frühneuzeitlichen Bayern (dabei zu den Wurzeln in der kirchlichen Visitationspraxis sowie zur begrifflichen Abgrenzung, S. 61f.). Zum Verfahren in Hessen-Kassel, Brochhagen: Die landesherrliche Visitation in Grebenstein 1668. Eine Fallstudie zur Herrschaftsvermittlung durch Visitationsverfahren in der Landgrafschaft Hessen-Kassel (mit Edition der »Fragenkataloge der landgräflichen Visitation 1666–1668« zum geistlichen und weltlichen Regiment, S. 107–111), sowie Murk: Herrschaftsvermittlung am »Werrastrom«. Die Landesvisitationen von 1667 und 1746 im Amt Ludwigstein, in Witzenhausen und den adligen Gerichtsbezirken.

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rern, praeceptoren, schul- undt kastenmeistern der Stadt undt Claß Eschwege, nechstkünfftigen montag wirdt seyn der 11 te huius zu Eschwege morgens umb 9 uhr einen gewißen vorhalt zu thun haben«, wozu sich alle Angesprochenen einfinden sollten. Daraufhin ließ Hütterodt das Schreiben unter den Pfarrern zu Datterode, Röhrda, Grandenborn, Netra, Lüderbach und Willershausen mit Renda zirkulieren, von denen alle außer dem Lüderbacher darauf ihre Kenntnisnahme mit Unterschrift bestätigten und das Schreiben an Hütterodt zurückgehen ließen.550 Was an diesem 11. März 1667 zu Eschwege geschah, ob den Pfarrern, Schul- und Kastenmeistern möglicherweise nur die Kataloge mit den Fragen übergeben wurden, auf die sie ihre Antwort schriftlich ausarbeiten und dem Superintendenten zuschicken sollten, ist nicht ganz klar.551 Denn Hütterodt forderte in einem weiteren Schreiben erneut auf: »Negstkünftigen freytag den 22. t. Martij sollen sämptliche pfarrer, schul- und castenmeistere, welche in hiesige class gehören, sowohl in Statt und Ampt Eschwege, Gericht Apterod und Vogtey Germerod als bey den Adelichen vor den HH[erren]. Landvisitatorn alhier zu Eschwege erscheinen«.552

Diese Einladung ging in zwei auf den 19. März 1667 datierten getrennten Schreiben an die Pfarrer der schon genannten Orte, außerdem diesmal an die zu Reichensachsen, Oetmannshausen, und Bischhausen553 sowie an die Pfarrer zu (Nieder-) Dünzebach, Schwebda, Grebendorf, Jestädt, Niederhone, Niddawitzhausen, Germerode, Abterode, Orferode, Datterode, Albungen sowie die Kastenmeister und den Schulmeister zu Frankershausen,554 die darauf alle unterschrieben und das Schreiben an Hütterodt zurücksandten. 550 Alle in Zusammenhang mit der Landesvisitation 1667 in der Superintendentur Rotenburg zitierten Schriftstücke stammen aus KKAE Best. 3, Nr. 1701, dort aus dem Umschlag mit dem Titel »betr. Fragestücke in der Niederhessischen Quart bei der allgemeinen Landvisitation von Superint. Hütterodt 1667«, das hier zitierte befindet sich darin an 6. Stelle. Die übergebenen Ausfertigungen der schriftlichen Antworten, die mit den Konzepten in KKAE Best. 3, Nr. 1701 weitgehend übereinstimmen, wie auch die Notizen über eine mündliche Aussage Hütterodts finden sich in StAM 17 I, Nr. 780 (Landesvisitation in Stadt und Amt Eschwege), darunter, neben denen Hütterodts, Äußerungen von Laurentius Rübekam, Pfarrer an der Eschweger Neustadtkirche (13. März 1667), Johannes Kniriem (Cnyrimius), Diakon ebenda und »Subconrector« der Stadtschule (13. März 1667), Conrad Geilfuß, Diakon an der Eschweger Altstadtkirche, und Johann Conrad Geilfuß, Pfarrer zu Datterode (14. März 1667). 551 Auf einem schmalen Blatt mit den Antworten auf die geistlichen Fragen, das wahrscheinlich aus Reichensachsen stammt (KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 10. Stück), findet sich die Überschrift: »Uf hochverordtneter Herren Fürstlicher Landt-Commissarien insinuirten Fragstücken vom 11. ten Martij wirt geantworttet«. 552 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 7. Stück; am Ende dieser Zeilen vermerkt Hütterodt eigenhändig: »Sint erschienen am gestrigen Tage«; möglicherweise war der kleine Zettel zu Hütterodts eigener Erinnerung bestimmt. 553 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 8. Stück. 554 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 9. Stück.

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Bei der Landesvisitation gab es einen Katalog mit Fragen zum weltlichen und einen mit Fragen zum geistlichen Regiment. Dass einem der Rundschreiben an die Pfarrer schon der Katalog mit den Fragen beilag, erhellt aus einer Bemerkung, die sich am Ende einer Abschrift des weltlichen Fragenkatalogs findet, dort heißt es: »Hierauf wird ein pflichtmeßiger bericht erfordert und sollen beneben demselben diese fragstück umb sich selbiger ahn andern ortten ebenmeßig haben zu gebrauchen, gleichfals wieder zurück geliefffert werden«.555 Aus dem Katalog der das weltliche Regiment betreffenden Fragen beantwortete Hütterodt nur die, die eine geistliche Implikation hatten oder sonst sein Amt berührten,556 wie die folgenden Antworten zeigen. »Ad 1. ius territoriale zu wahren, ist nicht unsers amtes, vom iure episcopali aber undt desen hoheit-, herrlig- undt gerechtigkeit kann ich, nach meinem verstande, anders nicht sagen, alß daß solche wohl gewahret werden, doch sindt etliche edelleute welche das hinleuten bey den verstorbenen wider verbott manuteniren,557 undt stehet gleichfals zu bedencken, ob nicht die communion etlicher unserer lutherischen zu-

555 Dabei handelt es sich um eine dreiseitige Abschrift der 16 Fragen zu weltlichen Angelegenheiten, an deren Ende die Antworten auf die letzten fünf (Nr. 20–24) der Fragen des geistlichen Katalogs, offenbar nachträglich zügig hingeworfen, am linken Rand notiert sind, auf der rechten Seite davon befindet sich, mit ruhigerer Hand im Duktus der Abschrift des Fragenkatalogs, auf den sie sich wohl bezieht, die zitierte Anweisung zur Rücksendung. Die am Rand notierte Antwort auf die 23. Frage, die sich nach Simonie erkundigt, verrät, dass die Abschrift aus einem Boyneburgischen Dorf stammen muss: »Der Pfarrer und Schuldiener haben pro praesentatione so denen von Adel von Boyneburg zustehet nicht daß geringste gegeben«, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 15. Stück. Möglicherweise steht dieses Doppelblatt in Verbindung mit der Antwort auf die geistlichen Fragen, die sich auf einem schmalen Blatt in KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag als 10. Stück, findet, denn die Beantwortung der 16. Frage, die Rechnungen würden »hier im Boyneburgischen Gericht zu Reichensachßen abgehöret, dabey die Patronen der Kirchen [anwesend] sein«, ordnet das Stück demselben Herrschaftskreis zu, dazu passt auch, dass die darauf beantworteten Fragen nur bis Nr. 19 reichen, sodass die am Ende des vorher zitierten Stücks am Rand notierten Antworten auf die Fragen 20 bis 24 dessen Fortsetzung sein könnten. 556 Hütterodts ausgefertigte »Antwortt auf die Fragestück in der Nider Hessischen Quarta bey der Allgemein Ladtvisitation den 11 ten Martij Anno 1667 communicirt« datiert vom 15. März 1667 (StAM 17 I, Nr. 780). 557 Das »Hinläuten« war ein Ehrenrecht, das insbesondere Adlige – nach Rang abgestuft, teilweise über mehrere Tage für eine gewisse Zeit – in lutherischen und römisch-katholischen Gebieten in Anspruch nahmen, das ursprünglich die Hörer und Untertanen zum Gebet für die Seele des Verstorbenen ermahnen sollte, siehe Hoffmann: Versuch einer Darstellung des in den sächsischen Herzogthümern geltenden Kirchenrechts, S. 161–164 dort Anm. 1; v. Hanstein: Urkundliche Geschichte, S. 362; Adler : Et is Chottes Wille west. In reformierten Gebieten wurde der Brauch von den Geistlichen als Aberglaube abgelehnt, konnte sich aber offensichtlich lange behaupten.

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hörer so alhieren im schloß bey dem lutherischen pfarrer zu communiciren angefangen dermaleins praejudiciren wolte.«558

Hütterodt antwortete unter Nennung von Namen auch auf die vierte Frage: »Ob einer oder ander pfarrer oder schueldiener in einem bösen ruff oder geschrey unthaten halber sey, wer derselbige sey undt welcher laster oder unthaten er beschuldigt werde«.559 Sowohl in seiner Antwort auf die neunte Frage, »Ob undt durch wen, item durch was für mittel dem gemeinen nutzen übel vorgestanden undt schaden zugefüget werde«560 wie in seiner Antwort auf die 13. Frage, »In allen stätten undt ämptern sollen sie sich erkundigen, was für juden darinnen wohnen, wie lang sie da gewesen, undt wer ihnen dasselbe verlaubt undt ob sie schutzbrieffe vorzulegen haben, auch [wie] starck eine jedweder haushaltung seye, item was undt wie viel silbergeldt sie alle jaar geben undt ob dasselbig auch järlich richtig abgestattet werde«,561 schimpfte Hütterodt auf die Juden; in seinem ersten Konzept, in dem allein sich die Antwort auf die 13. Frage findet, hat er allerdings die allzu starken Vorwürfe wieder gestrichen, seine Grundhaltung gegenüber dieser Gruppe lässt sich aber wohl doch daraus erkennen: »[Ad 13.] Hier wirdt zu Eschwege, Wanfriedt, Abterode undt Witzenhausen gefehrliche klage furkommen, dan sich die Juden dermassen vermehren daß ihrer mehr alß der Christen gefunden werden, undt nehren sich ohne handtarbeit, mit ligen, triegen,

558 »Antwortt auf die Fragestücke in der Niderhessischen Quarta bey der Allgemeinen Landtvisitation den 11 ten octob. Anno 1667 communicirt«, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 2. Stück. Es handelt sich hierbei um die zweite Fassung eines von Hütterodt eigenhändig niedergeschriebenen und weiter mit Korrekturen, vor allem Streichungen, bearbeiteten Konzepts. Eine erste Fassung findet sich in KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 16. Stück. Beide Konzept-Fassungen sind aber unvollständig, die erste Fassung reicht bis zur Beantwortung der 16. Frage (so weit, wie Hütterodts Hand in der nachfolgend zitierten Abschrift der Fragstücke), die zweite bis zur Beantwortung der 10. Frage. 559 Aus der eigenhändigen Abschrift Hütterodts der 22 weltlichen »Fragstück der man sich in der Niderhessischen Quarta zu gebrauchen«, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück; ab der 17. Frage von einer anderen Hand fortgesetzt. 560 Hütterodts Antwort darauf in seinem ersten Konzept (KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 16. Stück, wo die Antwort auf diesen Punkt durchgestrichen ist) war : »[Ad 9.] Hier finden sich mancherley mittel wodurch der gemeinde schaden zugefüget wirt, Nemlich daß die Juden sich in allerley händel stecken, böse undt unnützliche waaren verkauffen undt die leute betruegen. Darnach die mannigfeltige processen undt hadersachen, welche nicht summarisch geschlichtet, sondern lange verzögert werden. Sonderlich schadet der gemeinde der proceß mit Abteroda wegen des bierbrawens unt desen abfuhr nach Abteroda, Jestet undt Reichensachsen. Nicht weniger schadet der gross bettel frembder leute«; in seinem zweiten Antwortkonzept (KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück) ist der Punkt umformuliert, aber inhaltlich identisch. 561 Weltliche Fragestücke in der Abschrift Hütterodts, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück.

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

wucher undt ubersatz, welches sich alhier von 1623 angefangen undt noch continuirt.«562

Gefragt wurde als zehnter Punkt auch: »Ob auch sägensprecher undt christallenseher vorhanden, bey welchen die leut sich so wohl in, alß ausserhalb lands raths erholen, auch wer und wo?«,563 worauf Hütterodt in seinem zweiten Antwortkonzept schrieb: »Ad 10. Offentlich wirt dagegen scharff gepredigt undt zugefahrn, daher sich niemandt lesset finden, es wil aber von einer zu Niderhona, Scheffer Else genant, item einem man von Bischhausen, so nur mit wurtzeln umbgehet, undt sonst von einem von Wattenbach eusserlich gesagt [werden], doch ohne nahmen«.564

Hütterodts Antwort auf die elfte Frage, »Ob auch ohngebührliche wucherliche wegsel im lande vorgehen, sonderlich aber kleiner müntze halber undt wer sich deren misbrauche«,565 macht die immer noch ökonomisch schwierigen Verhältnisse, insbesondere auf dem Land, deutlich: »An diesem durch krig undt brandt verderbten ortt ist mihr unwissent ob auch ein so vermöglicher man sey, welcher einen wechsel machen könne. Sonst ist eine große menge leichte pfennige im lande, deren abschaffung hochnötig zu treiben«.566 Wie sehr Kirchen- und weltliche Herrschaft miteinander verknüpft waren, zeigt die zwölfte Frage, in der die Landesobrigkeit wissen wollte, »[o]b auch allenthalben im lande die ausgelassene fürstliche sabbats undt andere ordnungen observirt und derselben nachgegangen oder die darwider handelen gehörig gestrafft undt die straffen den ordnungen gemeeß applicirt werden undt wer die seyen die darwider handelen«,567 worauf Hütterodt antwortete: »[Ad 12.] Die sabbats ordnung wirt in den kyrchen uf bestimpte zeit trewlich gelesen undt zu halten vorgestellet, man kan auch anders nicht sagen, alß daß sich die zuhörer meistentheils dieser ordnung gemeeß einstellen undt verhalten. Nachdem aber Dieter Soler alhier undterschiedliche jaare gewesen undt die beambten höchlich bedrewet hat, daß sie die sabbatsbussen für Herrn Landtgrav Ernst [von Hessen-Rotenburg-Rheinfels] F[ürstliche]. D[urchleuchtig]keit einbringen sollen, so ist in der f[ürstlichen]. 562 Aus dem ersten Konzept Hütterodts mit Antworten auf die weltlichen Fragestücke, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 16. Stück; in dieser Antwort auf die 13. Frage sind die Worte ab »dan sich« durchgestrichen. 563 Weltliche Fragestücke in der Abschrift Hütterodts, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück. 564 Aus Hütterodts zweitem Antwortkonzept auf die weltlichen Fragestücke, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 2. Stück. 565 Weltliche Fragestücke in der Abschrift Hütterodts, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück. 566 Aus Hütterodts zweitem Antwortkonzept auf die weltlichen Fragestücke, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 2. Stück. 567 Weltliche Fragestücke in der Abschrift Hütterodts, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 3. Stück.

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quarta von denen straffen wenig denen kyrchen zukommen, außgenommen bey etlichen Germerödischen klosterdörffern, undt hat sich der Oberschultheiß Johan Peter Stückradt auf mein zusprechen erbotten, daß die kyrchen, wen einige übertrettung angezeigt werden, auch von den straffen participiren solten«.568

Wie sehr Kirche und Welt miteinander verknüpft waren, zeigen auch die das geistliche Regiment betreffenden Fragen und Antworten. Neben den aus Reichensachsen stammenden Antworten,569 liegen zu den geistlichen Fragen zwei Antwortkonzepte von Hütterodts Hand vor, ein erstes, mehr kursorisches, das die Überschrift trägt »Antwortt auf die Fragestück so wegen des geistlichen Regiments am 11 ten Martij Anno 1667 bey der Allgemeinen Landtvisitation alhir zu Eschwege vorgetragen worden«,570 und ein zweites, ausführlicheres;571 darin gibt er Einblick sowohl in den kirchlichen Zustand der gesamten Superintendentur wie auch speziell der Kirche und Klasse Eschwege, der er als Metropolitan und Pfarrer an der Altstädter Kirche vorstand. Auch wenn die Formulierung der Überschriften »Anttwortt auf die Fragestück […] bey der Allgemeinen Landtvisitation alhir zu Eschwege vorgetragen« bzw. »[…] zu Eschwege, communicirt« doppeldeutig ist, kann am 11. März nur die Übergabe der Fragenkataloge durch die Landvisitatoren und eine mündliche Erörterung stattgefunden haben; die Ausfertigungen der schriftlichen Antworten der Pfarrer datieren einige Tage später, die Hütterodts auf die Fragen zum geistlichen Regiment vom 14. März 1667.572 An einigen Punkten soll die Spezifik und Relevanz des Blickes auf das geistliche Regiment anhand des ausführlicheren zweiten Antwortkonzepts Hütterodts vorgestellt werden. So erhellt aus der Antwort Hütterodts auf die dritte Frage, »Ob die prediger fleißig studiren, ihr ampt ernstl. pflegen mit lehren, vermahnen u. straffen u. ob sie solches auch aus gottlichem eyfer thun oder einiege privat affecten darbey spüren laßen, item die sacramenta trewlich reichen, die krancken besuchen, die in reformations ordenung cap. 5573 ahn568 Hütterodts Antwort auf die weltlichen Fragestücke in seinem ersten Konzept, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 16. Stück; ab der 12. Frage finden sich keine Antworten mehr in seinem überarbeiteten zweiten Antwortkonzept. 569 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 10. Stück. 570 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 4. Stück. 571 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück, dieses trägt die Überschrift: »Antwortt auf die Fragestück, so viel das geistliche Regiment anlangt, bey vorwesender Landtvisitation am 11 ten Martij Anno 1667, zu Eschwege, communicirt«. 572 StAM 17 I, Nr. 780. 573 Das fünfte Kapitel der Reformationsordnung in Kirchen- und Policeysachen aus dem Jahr 1656 handelt »Von der christlichen Hauß-Besuchung« mit den drei Abschnitten »Zu welcher Zeit und wie die zu halten?«, »Was dabey zu vermelden?« und »Wann mehr als ein Prediger an dem Ort ist, wie es einzurichten?« (zitiert nach dem Inhaltsverzeichnis). Die Hausbesuchung sollte als Seelsorgegespräch mit Hausvater und -mutter »sonderlich zu

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befohlne christl. haußbesuchungen fleißig treiben«,574 die Verwendung der im Laufe der Arbeit bereits erwähnten Ortseinwohnerverzeichnisse. Die Frage zur geordneten Amtsführung konnte Hütterodt vollständig bejahen, jedoch »die haußbesuchung ist solcher gestalt wie hier geschriben nicht gethan, aber nach besehung des catalogi auditorum ein extract derer, so das jaar über wegen hadersachen nicht communicirt gefertigt und dieselbe vorgefordert undt zur besserung ermahnet worden«.575 Die Zuhörerverzeichnisse waren also Mittel zur Durchführung der Seelsorge sowie zur Überwachung der Kirchen- und Abendmahlsdisziplin.576 Selbst theologische Streitigkeiten innerhalb des Calvinismus über den Umfang der göttlichen Vorherbestimmung fanden zu dieser Zeit in Hessen ihren Widerhall. Auf die zweite Frage, ob unter den Pfarrern und Lehrern »einigkeit sey, oder ob undt waß für ärgernüß u. anders vorlauffe«,577 antwortete Hütterodt, nachdem er »allenthalben einigkeit«578 festgestellt hatte: »Zu Allendorff ist einige dissonantia, doch ohne ärgerniß, ex controversiis Arminianorum entstanden undt bey der visitation anno [16]66 im Septemb. componirt worden«.579

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Winterszeit, wann die Leute sonst nicht so gar geschäfftig seyn, doch mit vorhergehender Angebung und Zeitbenahmung« durchgeführt werden (HLO II, S. 402–433, hier S. 411). Katalog der 24 das geistliche Regiment betreffenden Fragen, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück. Siehe hierzu die Darlegung in der Kirchenordnung von 1657, HLO II, S. 532 (Kapitel 19, Fragestücke A, Nr. 5): die Superintendenten sollten auf ihren Visitationen den Prediger danach fragen, »Ob er ein Verzeichnüß aller seiner Zuhörer habe, jung und alt, und darbey den Unterscheid ihrer Wissenschafft in göttlichen dingen, verhaltens, und welche sich bey dem Tisch des Herren einstellen oder nicht« vermerken; zu Anlage und Zweck der Zuhörerverzeichnisse siehe auch die Reformationsordung in Kirchen- und Policeysachen von 1656, HLO II, S. 425 (Kapitel 13 [Konventsordnung], § 1, Buchst. l) und 431 (Kapitel 13, § 5, Buchst. f). Geistlicher Fragenkatalog, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. »[…] ausgenommen zu Melsungen, welche beide zum consistorio gelanget« (KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück). Hier, in Hütterodts zweitem Antwortkonzept auf die geistlichen Fragen, führt er dies in seiner neunten Antwort noch weiter aus, diese Antwort ist allerdings durchgestrichen, verwiesen wird am Rand auf die Antwort zur vierten der weltlichen Fragen, wo sich die Passage fast wortgleich findet (KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 2. Stück): »Im Rotenbergischen becirck finden sich etliche ärgerliche pfarrer, deren theils mit ihren adversariis schon am f[ürstlichen]. consistorio hengen, alß Jost Schuetze, pfarrer zu Thurnhospach, Johann Balthasar Wenderoth, diaconus zu Melsungen, so suspendirt, Henrich Schweiß zu Cruspis undt Johannes Röder, pfarrer zu Roonshaußen, theils sint von f[ürstlicher]. regierung schon corrigirt, alß Gerhard Gribler pfarrer zu Mertshausen [= Mörshausen], theils alß simplicisten, alß Johann Georg Persrath, pfarrer zu Pfieffe, undt Herr Werner Müller, pfarrer zu Maltzfeldt, beide lectores sindt zum trewlichsten in visitatione zur besserung ermahnet worden«. KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück (2. Antwortkonzept Hütterodts auf die geistlichen Fragen); die Antwort ist hier durchgestrichen.

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In der Regierungszeit Landgraf Wilhelms VI. von Hessen-Kassel und nun unter der Regentschaft seiner Witwe Hedwig Sophie hatte sich das Verhältnis zwischen Lutheranern und Reformierten in der Landgrafschaft wesentlich entspannt. Trotzdem griff Hütterodt in seiner Antwort auf die zwölfte der Fragen zum geistlichen Regiment, »Wie sich die zuhohrer gegen ihre lehrer verhalten?«,580 die Problematik erneut auf, indem er über Eschwege schrieb: »Die zuhörer undt zeitten sindt ungleich, vor alters wahren alhier nur 5 Lutheraner, deren noch 2 am leben sint, bey dem kriege undt brandt der statt sint deren über 50 undt ohne unser wissen zum bürgerrrecht aufgenommen undt können wir nicht wissen, ob oder wo sie communiciren; die ander bürgerschafft ist arm, sehr erschöpft undt ringen mit der noht, daß sie zu den wercktagspredigten nicht völlig erscheinen«.581

Wie trotz der Beschwernisse der Zeit versucht wurde, die Struktur und Ordnung kirchlichen Lebens aufrechtzuerhalten, zeigt Hütterodts Antwort auf die elfte Frage, »Ob auch die conventus classici gehalten werden undt wie oft des jahrs«582 : »Aff[irmatur]. auch in wehrendem kriege undt nach publicirter convents ordnung, sint die conventus classici järlich 2 mahl, auch auf den dörffern, gehalten undt localiter visitiret worden. Aber die itzigen pfarrer zu Treffurt, Falcken undt Schnellmanshausen [»welche itzo mentzische undt sächsische praesentati sindt«]583 erscheinen nicht«.584

Auf die 14. Frage zur Durchführung der Visitationen antwortete Hütterodt: »Die visitationen werden nach f[ürstlicher]. kirchenordnung alle zwey oder zum höchsten dreyen jaaren undt zwar von mihr dem superintendenten selbst gehalten […]«.585 Auf die 15. Frage, »Ob kirchen, schul undt kasten rechnung 580 Geistlicher Fragenkatalog, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. 581 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück. In der Ausfertigung (der das 4. Stück im Landesvisitationsumschlag am nächsten kommt) vom 14. März 1667 in StAM 17 I, Nr. 780 lautet der erste Teil von Hütterodts Antwort auf diesen Punkt: »Die zuhörer sint in der religion, am vermögen, gehorsam undt folge gar ungleich; vor alters undt anfang der reformation haben wir 5 lutherische männer gehabt, davon noch 2 am leben, aber bey wehrendem kriege undt bey itziger hoffhaltung haben sich wol 50 Lutherische eingefunden; die meinsten zuhörer sindt mit krieg undt brant verderbet undt ringen mit der noht, daß sie auf die wercktage wenig zur kyrchen kommen; viele zancken gar gerne undt gibt deswegen viel simultates […]«. 582 Geistlicher Fragenkatalog, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. 583 So die Ergänzung Hütterodts in seinem ersten Antwortkonzept auf die geistlichen Fragen: KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 4. Stück. 584 Aus Hütterodts zweitem Antwortkonzept auf die geistlichen Fragen: KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück. 585 Zweites Antwortkonzept Hütterodts, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück.

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jährlich geschehen u. ob auch derselben gefälle, auch der klingelbeutel dreulich gewardt werden?«586 antwortete Hütterodt: »Rechnung über die gottshäuser werden alle 2 jare, doch zum wenigsten in 3 jaren, nur die unkosten zu versparen, gehalten, undt weil derselben gefälle durch den krieg undt brandt verderbet, deswegen ein gross zurück bleibet undt die obligationes fast aller ortter verbrandt sindt«.587

Die Antworten auf die 14. und 15. Frage aus Reichensachsen, die sich eng an die Formulierung der Fragen anlehnen, stimmen mit den Angaben Hütterodts weitgehend überein: die Kirchenvisitationen würden vom Superintendenten alle drei Jahre gehalten, die Rechnungsabhörungen geschähen sogar jährlich an einem – worauf die 16. Frage zielte – zentralen Ort, für das Gericht Boyneburg in Reichensachsen.588 Damit waren auch die Vorgaben der relevanten Ordnungen, der Kirchenordnung von 1657 und der Reformationsordnung von 1656, erfüllt, indem jährlich, bei Gelegenheit der Rechnungsabhörung, eine Mittelpunktvisitation und alle drei Jahre, eventuell verbunden mit einem Klassenkonvent, eine Ortsvisitation stattfand. In Bedrängnis brachte Hütterodt die 17. Frage: »Ob auch bey solcher visitation u. abhorung der rechnunge oder auch bey auffführung der predieger übermeßiege unkosten uffgelaufen u. woher solche speisen genommen werden, auch wie es dißfals von alters u. bißher herkommen«.589

Hütterodt wurde offensichtlich von den Gemeinden vorgeworfen, er esse und trinke anlässlich der Einführung von Pfarrern an den jeweiligen Orten übermäßig, bringe Gäste mit und vergrößere so die von den Gemeinden zu bezahlenden Kosten.590 Was Hütterodt zu seiner Exkulpation von diesem Vorwurf 586 Geistlicher Fragenkatalog, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. 587 Zweites Antwortkonzept Hütterodts auf die geistlichen Fragen, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück. 588 Antworten auf die geistlichen Fragen aus dem Gericht Boyneburg, wahrscheinlich aus Reichensachsen, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 10. Stück. 589 Geistlicher Fragenkatalog, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück. 590 In der Kirchendienerordnung von 1531, EKO Bd. 8, S. 73 (Punkt 5), hatte man das Problem schon weise vorausgesehen und dazu Folgendes statuiert: »Item der visitator soll mit seinem diener sich selbst verlegen und die zerung, so viel muglich, fliehen; und wilcher pfarher oder diener bei ihme zu schaffen hat, der soll sich auch selbst verzeren. Darzu soll einem jeden 40 gulden des jars verordenet werden an einem beneficio oder sonst auf einem kloster oder geistlichen gefelle, davon soll er rechnung tun im synodo; und was ubrig ist, soll der visitacion zu gut komen. Will aber mangeln, soll mit der verlegung nochgevolgt werden […]; dann gewiß ist das, daß die zerung uf essezeddel in den amten vier mahel so viel stehen wirdet als diese, so sich der visitator selbst verlegt, dan da wirdet ein großer zuschlag, kumt dieser und jener, numt sich gescheft ane, der will dan mit zeren […]«.

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vortrug, lässt interessante Einblicke in sein Wesen, seinen Sprachgebrauch und seine Amtspraxis zu. Hütterodt notierte in einem elfseitigen Gedächtnisprotokoll die »sachen, so bey der am 22 ten Martij anno 1667 zu Eschweg vorgangener Landtvisitation vorgangen«, dabei ging er zunächst auf das Gespräch ein, das er am Vormittag mit dem Vizekanzler Dauber geführt hatte.591 Zu dem Gespräch führt Hütterodt im sechsten Punkt aus: »Erzehlt er grosse clagen uber die einführungs kosten undt daß sich die gemeinden deswegen so hoch beschwerten undt wehr nicht zu verantworten, etc. Wüste wohl daß ich daran unschuldig wehre undt kein geselle hett, wehre mir auch nicht damit gedienet. Erzehle daruff was fur unkosten zu Ermeswärt undt Gerdenbach, item zu Rieda aufgangen wehre, den daselbst 160 kopf[stück]. drauff gegeben, item 50 tall. zu Franckershausen, 10 tll. zu Awe, 17 tll. uf 2 aufführung zu Schwebda, item zu Wichmanshausen 24 taller, andersten 36, oder 40; undt wolte gern wissen, wer doch daran schuldt hette, den so wüste ja daß mihrs nicht möglich wehre zu verösen oder zu verzehren. Ich antworttet: daß ich allwege den gebrauch gehalten undt an die metropolitanos allwege geschrieben hette, daß man nicht allein in visitationibus allen uberfluß an speiß, tranck, gästen undt unkosten abstelle, sondern auch wegen der einführung allen unkost undt verthuisch wesen abstellen solle, damit wir nicht einen bösen namen uberkehmen, würde mihr auch nimandt nachsagen, daß ich einen gefallen daran gehabt hett, den ichs den pfarrern, den dorffsvormündern item gantzer gemeinen an allen ortten verwisen undt gewarnet, undt wehre mihr an allen ortt geantworttet sie müsens bezahln«.592

Was Hütterodt vorgeworfen wurde und welche Vorwürfe er zurückgab, geht auch hervor aus dem Konzept der »Fragstück am 31 ten Martij uf Rotenbergk geschickt«, die er, damit seine »unschuld gegen die verleumbder gerettet werde«, unter demselben Datum 1667 an die zur Landesvisitation verordneten Kommissare sandte.593 Dieselben und noch weitere, insgesamt 21 Fragen finden sich auch auf den letzten beiden, aus der Reihe geratenen Seiten im Erinnerungsprotokoll Hütterodts an das Gespräch mit dem Kasseler Vizekanzler Johann Heinrich Dauber, das quasi als Überschrift mit den Worten fortsetzt: »Sie müsens bezahln: worauff ich nachfolgende Fragstück übersendet zu meiner ex-

591 Ein Blatt mit Notizen, möglicherweise von Dauber selbst, über die zur Sprache gebrachten Irritationen und die Antworten, die Hütterodt darauf gab, findet sich in StAM 17 I, Nr. 780; das Blatt, auf dem acht Punkte behandelt werden, ist überschrieben »Actum Eschwege den 22. Mart. 1667 / Mit Herrn Superintendenten Hüterod zu reden«. 592 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 12. Stück, dort unter dem 6. Punkt. 593 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 11. Stück.

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culpation zu examiniren bey denen so daruber klagen«.594 Darin fragt Hütterodt unter anderem: »4. Ob der superintendens viel mahl bey der malzeitt zu sagen pflege, Nun wolte ich, wens möglich wehre, wünschen, daß [ich] itzt ein vogel wehre undt zu meiner haushaltung, mein brott zu suchen, fliegen möchte«. Außerdem, so kann man aus den Fragen herauslesen, warnte Hütterodt schon bei der Ankündigung der Einführung eines neuen Pfarrers »fur weitleufftiger zehrung undt misbrauch der gabe gottes« und fragt, »ob sich deswegen einige schrifften finden« (Frage 3), darüber hinaus drohte er regelmäßig, »solchen misbrauch undt ubermaß nicht passiren zu lassen«. Halte er sich an einem Ort zur Einführung eines Pfarrers auf, nehme er dabei zugleich Klassen- und Visitationsangelegenheiten vor (Fragen 11 und 12). Weitere suggestive Fragen, mit denen sich Hütterodt von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu reinigen versuchte, waren: 8. 9. 10.

13.

14.

17. 20.

»Ob der superintendens selbst einige gäste mitbringe undt dadurch die unkosten ergrössere. Ob auch der eingeführt pfarrer selbst seine anverwandte darzu einlade undt ihnen den zutritt verstatte. Ob auch mehr gäste alß beide beystehende pfarrer, patroni oder beambten zur malzeitt gezogen werden. […] Ob ohnen den tisch worüber der pfarrer, patroni undt beambten sitzen nicht anderswo ein oder zwen besondere tische, von schultzen, vormündern, seniorn undt kastenmeistern, so den meinsten wein trincken, angerichtet werden. Ob dieselben nach des superintendenten abzuge sich zusammensetzen undt die uberlauffte verzehren oder ob der pfarrer solches fur sich behalte. […] Ob auch der superintendens mit denen pfarrern so eingeführet werden, unter der decken liege, undt heimlich ein stück geldt zum vorauß nehme. Ob in diese zehrung andere fuhrlohn auf hausrath, einholung des pfarrers undt nohtige sachen, wie auch bottenlohn eingerechnet werden.«595

Aus den Sätzen wird deutlich, zu welcher Feststimmung die Einführung eines neuen Pfarrers im dörflichen Leben Anlass gab und wie Hütterodt versuchte, die Auswüchse einzudämmen und den Aufwand in vernünftigen, ökonomisch vertretbaren Bahnen zu halten. Dass Hütterodt, der allem Anschein nach auch kein Kostverächter war, aus seinem Verhalten Vorwürfe gestrickt wurden und 594 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 12. Stück; die beiden letzten Seiten des Dokuments, aus denen hier zitiert wird, gehören darin an die Stelle des zweiten Blattes. Die zitierten Worte werden in den Kontext gerückt durch die 7. Frage: »Wen der superintendens die ubermaß gestrafft, ob nicht die gemeine zur antwortt gegeben, wir müssens ja bezahln«. 595 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 13. Stück.

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die Art, wie er diese konterte, zeigt, dass er auch Missgönner hatte. Offensichtlich aber genoss er, da der Vizekanzler den Vorwürfen von vornherein keinen Glauben schenkte, bei der Kasseler Regierung ein hohes Vertrauen. Der Umstand, dass er aus der Gegend, in der er wirkte, stammte und dort persönlich verwurzelt war, sich aber geschickt einigen Wohlstand aufgebaut hatte, rief anscheinend auch Neider auf den Plan. Noch deutlicher als bei der Affäre um die Zehrungskosten wird dies aus dem zweiten, auch bei der Landesvisitation zur Sprache kommenden Vorwurf, Hütterodt zöge aus dem Privileg des akzisefreien Bierbrauens596 durch die Einrichtung eines gelegentlichen Ausschanks in seinem mit der Braugerechtigkeit versehenen eigenen Haus, nicht im Pfarrhaus, ungerechtfertigte Vorteile. In seinen Notizen über das Gespräch mit dem hessen-kasselschen Vizekanzler Dauber gibt Hütterodt dazu an, habe er Bier übrig »dan laß ich ein zeichen ausstecken undt hette sich noch niemals einiger mensch daran geärgert, diejenige aber, welche vermeinten auß misgunst ich thäte zu wohl undt gedachten mich umb das brott [zu] bringen, dieweil sie unß den braw nicht ablauffen konten, wie sie doch unterschiedlich gesuchet, sucheten dieses per eum crites, den auch mehrmal mihr mein bierverkauff durch aufthun des biers im stattkeller verstopfet

596 Dass Hütterodt, Pfarrer an der Eschweger Altstadtkirche, und der Pfarrer an der Neustädter Kirche zu Eschwege eine bestimmte Menge Bier pro Jahr als Teil ihrer Besoldung akzisefrei brauen durften, ergibt sich aus den Stellungnahmen, die Hütterodt und das Konsistorium 1659 abgaben, als die Fürstlich Rotenburgische Kanzlei Landgraf Ernsts von Hessen-Rotenburg-Rheinfels ihnen durch Amtmann, Rentmeister und Schultheiß zu Eschwege dieses Frei- oder Kurgebräu entziehen wollte, als Strafe dafür, dass sie sich weigerten unter Eid eine von ihnen getätigte Zeugenaussage zu bekräftigen. Im Konzept eines Schreibens, datiert Eschwege, 15. September 1659, das Hütterodt mit der Überschrift »Concept zum mundtlichen Vortrag« versehen hat, ist die Rede von »unsere[n] biß daher von undencklichen jahren von Seiner F[ürstlichen]. Gn[aden]. Herren Vatter, Herren Großvatter undt Herren Uhrgroßvatter hochlöblichen andenckens zur competentz verordnete undt in rechtfertigunge mit etlichen hiesigen bürgern auf D[urchleuchtiger]. Regierung uns zuerkante gebraw, wovon wir unseren freyen tischtrunck vermöge alter stifftung bis hieher gehabt haben«, StAM 22 a 3, Nr. 885 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. die Beschwerde des Superintendenten Joh. Hütterodt u. Pfarrers Joh. Cnirim zu Eschwege über die Rotenburg. Regierung, dass sie ihnen wegen Nichtbefolgung e. Vorladung ihr freies Gebräu entzogen habe. 1659«, darin das erste Schreiben, das in dem Brief Hütterodts und des Neustädter Pfarrers Kniriem – so die Schreibweise im Personenregister zum DTB Hütterodts – an das Konsistorium zu Kassel vom 17. September 1659 einliegt); zu dem Sachverhalt siehe auch StAM 22 a 3, Nr. 785 (Umschlagaufschrift: »Attentata in puncto Jurisdictionis Civilis H. Lgr. Ernsts gegen das Ministerium Ecclesiasticum in der Statt Eschwege / Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. Vorladung des Superintendenten Joh. Hütterodt u. Pfarrers Joh. Cnirim zu Eschwege durch die Rotenburgischen beamten zur Abgabe ihres Zeugnisses in einem Brauprozesse unter Verletzung der hessenkassel. Reservatrechte. 1659. 1660«).

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worden wehre undt gingen damit umb daß mihr das brawrecht gar abgeschnitten werden möchte«.597

So wurden bei der Landesvisitation auch die Superintendenten in ihrem Leben und ihrer Amtsführung überprüft. Die Beispiele zur kirchlichen Visitationspraxis wie zur Einbeziehung der Superintendenten in die Landesvisitationen, als Visitierte und administrative Unterstützer, heben die Bedeutung der Superintendenten als Bindeglied zwischen Landesherrschaft, Pfarrerschaft und Untertanen wie auch in der Verteidigung landesherrlicher Rechte gegenüber den Unterminierungsversuchen anderer Fürsten hervor. Die geistliche Zuständigkeit umfasste zahlreiche Lebensund Herrschaftsbereiche, sodass den Superintendenten als Vermittlern in alle Richtungen eine Schaltstellenfunktion im System frühneuzeitlicher Landesherrschaft zukam. Mit ihrer Arbeit, die die landesherrlichen Vorgaben in der jeweiligen Situation mit Leben erfüllte, trugen sie auf gemeindlicher Ebene zur Entschärfung von Konflikten bei, wirkten versöhnend und integrierend, und stärkten durch ihre Ableitung von Spannungen die Kohärenz und den Zusammenhalt der unterschiedlichen sozialen Einheiten.

4.

Seelsorgliche Erwägungen und geistliche Schriftstellerei

Abschließend sei ein Schlaglicht auf einen Punkt geworfen, der die Superintendenten in einer – gemessen an ihrer bisher präsentierten Verwaltungsaufsicht – ungewohnten Rolle zeigt. Alle in dieser Arbeit behandelten Superintendenten hatten zugleich ein Predigtamt inne – sei es als Gemeindepfarrer, Hofprediger oder Dekan des Kasseler Martinsstifts. Schon in dieser Funktion mussten sie sich natürlich als Seelsorger beweisen, selbst wenn man sie in der Regel, der Ehre wegen, bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben gleichfalls mit ihrer höheren Amtsbezeichnung angesprochen hat. Aber auch in ihrem Aufsichtsamt wurden von ihnen gelegentlich seelsorgerliche Erwägungen verlangt, die einen tieferen Blick auf ihr geistliches Amtsverständnis zulassen. Mit welchen Themen sie dabei konfrontiert waren und wie sie sich dazu verhielten, zeigen exemplarisch die folgenden Fälle. Im Diensttagebuch Paul Steins findet sich zum 28. Oktober 1622 unter Punkt 4 folgender Eintrag: Henricus Fulhunius, Pfarrer zu Hofgeismar, begehrt Rat »in einem casu, Anna Bunting betreffend, welche die z[eit ihres] lebens ruch- und gottlos gewesen, die predigten und 597 KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 12. Stück, dort vor dem 8. Punkt.

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sacramenta verachtet, vom ministerio schmehlich geredet, auch andere fromme leute in gros hertzleid gebracht habe; dieselbe sey anjetzo schwach und begehre von dem diener göttliches worts besucht zu werden, auch das abentmal zu gebrauchen. Begehrt der pfarher, was hirinnen zu thun sey ; und da sie mit todt abgehen solte, ob sie mit christlichen ceremonien zur erden zu bestatten sey. Hirauff ist pfarhern geantwortet worden […] Ad II. Die krancke person solten sie, die ministri, besuchen, ihr erstlich ihre begangene schwehre sunte zu gemuth fuhren, und sie zu wahrer rew und leid deroselben vermahnen; und da sie ihr lasse ihre begangene sunde leid sein, auch zusage thät, da ihr Gott widerumb aufhelffe, das gegebene scandalum publicum publicH vor der gemein zu bekennen, und Gott und der kirch abzubitten, solten sie dieses öffentlich der kirch und gemein anzeigen, und sie, vor diese arme sunderin zu Gott zu bitten, vermahnen; dieselbe auch nachmals widerumb aus dem evangelio trösten, und ihr, auf ihr begehren, zur stärckung ihres glaubens das heilige abentmal reichen, sie auch, da sie todts verfuhre, mit christlichen ceremonien zur erden bestatten, und in der leichenpredigt ihre buße und bekehrung wie dan auch ihren vorsatz und gethane zusag, der öffenlichen kirchen poenitentz halben, da ihr gott wider aufgeholffen hette, der gemeinde anzeigen. Da sie aber ihre offenbahre sunde nicht bekennen, noch, offentliche kirchenbus zu thun, sich erklären wolte, solten zwar die predicanten mit der communion einhalten, nichstoweniger aber sie zum öfftern besuchen, und sie zur bus und bekehrung vermahnen, und was fur ein grosser verlust ihr drauff stehe, wan sie in ihren sunden absterben werde, gnugsam berichten, ob der liebe Gott ihr noch vor ihrem ende ein busfertig hertz geben und verleihen möchte. Da aber dieses alles nichts bey ihr verfangen, und sie in unbusfertigkeit absterben würde, solten sie dieselbe nicht mit christlichen ceremonien begraben lassen, sondern diesfals nach f[ürstlicher]. kirchenordnung sich richten«.

Hierin werden die seelsorgerlichen Leitlinien Paul Steins fassbar, die in den meisten übrigen Einträgen seines Diensttagebuchs, in denen es um Finanz-, Herrschafts- oder sonstige Kirchenordnungsangelegenheiten geht, verborgen bleiben. Dieses seelsorgerliche Einfühlungsvermögen wird Paul Stein auch die Nähe zu Landgraf Moritz dem Gelehrten ermöglicht haben. Der Eintrag zeigt darüber hinaus, dass es auch zur damaligen Zeit ein gewisses »Renegatentum« gab, das sich der Omnipräsenz der Kirche in der damaligen Welt entzogen hat. Fälle von Kirchenbuße bei vorehelicher Kindeszeugung oder anderen Übertretungen ethischer Normen, durch die man die kirchliche Gemeinde als geärgert empfand, finden sich in der Überlieferung genügend. Jedoch wird nur selten die seelsorgerliche Motivation, die hinter der Buße steht, so klar benannt wie hier. Nicht alltäglich ist auch das Anliegen, das der Rotenburger Superintendent Hermann Fabronius an Paul Stein gelangen ließ, das in dessen Diensttagebuch im zweiten Eintrag zum 10. Mai 1623 seinen Niederschlag fand: »Herr Fabronius Superintendens zu Rottenberg begehrt mein des Superintendenten und ministerii bedencken, weil zu Barchfeldt [in der Herrschaft Schmalkalden, A. J.] ein megtlein sey von ohngefehr 16 oder 17 jahren, welches taub und stumm gebohren,

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Die Superintendenten und ihre Diensttagebücher

und des nachtmals sehnlich begehre, auch mit geberden, das es das abentmal vor ein hohes werck halte, dadurch Gott geehrt und der menschen seeligkeit befordert werde, bezeige; ob es zuzulassen sey«. »Ist Fabronius wegen des stummen und tauben mägtleins zu Barchfeldt beantwortet worden, das dasselbe zur communion zugelassen werden könne.«598

Zeugnis geistlichen Wirkens der Superintendenten sind natürlich vor allem die Predigten, von denen insbesondere die Leichenpredigten zahlreich auf uns gekommen sind.599 Als herausragend in kerygmatischer Hinsicht ist vor allem das Werk Theophil Neubergers zu nennen, dessen Predigtsammlungen, Gebets- und Erbauungsbücher, auch dessen dogmatische Darlegungen sowie die Ausschreiben an die Pfarrer seines Bezirks schon pietistische Züge tragen. Auch Paul Steins Auseinandersetzung mit Balthasar Mentzer d. Ä. über die Relevanz der Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten war mit Steins Überzeugung, »das beyderseits Evangelische im Grund der Seeligkeit einig/ und ohnerachtet deren zwischen ihnen noch schwebenden Streitigkeiten und Irrungen/ einander gar wol mit gutem Gewissen für Brüder in Christo erkennen können/ auch billich darfür erkennen und halten sollen«, letztlich von einer geistlichen Motivation getragen.600 Bei dem großen Raum, den herrschaftliche, ökonomische und personalstrategische Fragen im Wirken der Superintendenten einnahmen, sollte man nicht vergessen, dass diese Punkte nur den Rahmen bildeten für den geistlichen Kernauftrag der Kirche, die Verkündigung des Wortes Gottes und die rechte Spendung der Sakramente. Dass diese kirchliche Kernaufgabe allzu oft gegenüber den organisatorischen Fragen zeitlich zurücktrat, empfanden schon die Protagonisten dieser Arbeit als schmerzlich.601

598 DTB Paul Stein, Eintrag zum 13. Mai 1623, Nr. 1. 599 Siehe exemplarisch: Johannes Hütterodt: Glaubens Veste/ Erbawet aus 2. Tim. I, 12. Bey der Ansehenlichen vnd Volckreichen Leichbestattung Des […] Herrn Henrich Keudeln zu Schwebda/ des Jüngern/ […] Welcher […] den 27. Tag Junij [1661] zu Gräbendorff bey der Stadt Eschwege/ mit Adelichen vnd Christlichen Ceremonien begraben worden. Zu Trost der Trawrigen vnd Vnterricht der Einfältigen/ Auff inständiges Begehren zum Druck verfertiget Durch JOHANNEM Hütterodt/ Pfarrern der Altenstadt zu Eschwege vnd Superintendenten der Kirchen an der Werra vnd Fulda. Gedruckt zu Mühlhausen bey Joh. Hütern/ im 1662. Jahr. 600 So schon im Titel von Stein: Evangelischer Kirchen Brüderschafft. 601 Siehe beispielhaft das oben im Abschnitt zur Biographie Neubergers (Kapitel II A 2 a) zitierte Schreiben, das er als Beilage zu einer Mitteilung vom 15. Juni 1643 an die Metropolitane verschickte und das sich in dieser Zuordnung abschriftlich findet im Konventsprotokoll der Klasse Gundensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 36–37 (»Copia einer beilage betreffent die zeit den H. Superintendenten anzusprechen«).

Kapitel III: Der geistliche Apparat vor Ort

A)

Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner

1.

Herkunft und Berufung, Eignung und konfessionelle Unbedenklichkeit

Ein Pfarrer musste intellektuell, menschlich und konfessionell für seine Aufgabe geeignet sein. Er musste lesen und schreiben können und brauchte zudem eine feste Stimme, um den Kirchenraum auszufüllen, er sollte Lateinisch und auch ein wenig Griechisch beherrschen. Das Dorfschulwesen war in Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert gut ausgebaut und grundsätzlich erschwinglich, so dass alle Eltern, die guten Willens waren, ihren Kindern eine Elementarbildung ermöglichen konnten, auch war das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer solchen Bildung schon weit vorgedrungen, wie das Bemühen der Dorfbewohner um geeignete Lehrer zeigt,1 die meistens zugleich die Stelle als Opfermann beklei-

1 Siehe: Arnold: Die Anfänge der Dorfschulen und des Elementarunterrichts in der Region Eschwege im 17. Jahrhundert. Zu einer Ausnahme, im DTB Hütterodts S. 41 (5. März 1639): »Am 5. Martii clagt die gemeine zu Eltmanshausen, weil ihr opferman Hans Schreiber nicht könne lesen, schreiben oder schuelhalten, ihre kinder aber verseumet würden, undt müste derentwegen der pfarrer singen, undt schuelhalten, welches ihm in die jaar unmöglich fallen wolte, daß derentwegen der Hans Schreiber abgesetzet undt Georg Scheffer […] angesetztet werde. […]«. Daraufhin (S. 43): »Am 14. Martii erscheinet Hans Schreiber, gestehet daß er nicht lesen, schreiben oder singen könne, er sey aber dazu nicht, sondern zum opferman [S. 74 (23. Juli 1639): »zum glöckner«] angenommen, undt gehöre solches in des Nautshäusischen [gemeint: von Niddawitzhausen, A. J.] schuelmeisters ambt, alß welcher derentwegen von Eltmans- undt Weidenhausen zusteur hette, daß er mit dem pfarrern gehen u. singen müssete. Bittet, weil er 16 jaar den dienst versehen, undt im kriege wegen raub u. brandt grossen schaden erlitten, daß er dabey unverdrungen gelaßen werden möge, in hoffnung dermalleins seiner söhne einen dahin zu bringen. Berichtet, daß der, so ihm nach dem dienst stehet, eben so wenig könne, als er undt werde seiner cläger keiner kommen. Ist ihm seine untüchtigkeit zum dienst gezeiget undt angedeutet worden, wan ichs verbessern könne, so müste ichs ambtshalber thun; weil aber seine vercläger nicht zugegen wehren, solte er, biß zu fernerer verhör, in seinem stande verbleiben«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

deten.2 Konnte man in den Dorfschulen Grundlagen in deutsch Lesen und Schreiben sowie Rechnen erlernen,3 boten die Stadtschulen mit mehreren Lehrern und Klassen darüber hinaus auch noch Latein und mitunter Griechsisch an.4 In Städten wie Dörfern spielte die religiöse Erziehung durch die Lehre des 2 Wie erneut das Beispiel Eltmannshausen – neben Weidenhausen eine Filiale der Pfarrei Niddawitzhausen bei Eschwege – zeigt, hatten die Filialgemeinden zwar in der Regel einen Opfermann, dem aber nur begrenzt gestattet war zu unterrichten, worüber Hütterodt die Eltmannshäuser am 28. November 1660 (DTB, S. 1688) ausdrücklich belehrte: »1. […] wisseten sie daß sie keinen schuelmr. sondern einen opferman zum leuten hetten, denn ich auch uf ihr anhalten weiter nichts alß die sechsjerige undt drunder zu informiren zugelassen, die anderen aber so drüber nach Niddawitzhausen zu schicken gebotten. 2. wissete mich nicht zu erinneren, daß sie jemals einen besonderen schuelmr. gehabt hetten, so von vorigen superintendenten darzu bestellet worden wehren, undt wen sie sich der schuelen zu Niddawitzhausen entziehen solten, konte sich derselbe ohne die schuel nicht erhalten. […]«. 3 Dass die Dorfschulen einen an praktischen Bedürfnissen orientierten Elementarunterricht boten, zeigt anschaulich der Bescheid Hütterodts, den er auf der Rückseite der von der Gemeinde Rambach eingegeben Beschwerdeschrift gegen ihren Schulmeister Jacob Roth vom 26. November 1660 notierte, in der sie um seine Absetzung und die Einsetzung eines neuen baten (DTB Hütterodt, S. 1686f.): »Klagen dabey 1. daß er die schuele vielmal verseume, 2. seinem ackerbaw nachgehe, 3. keinen gesang lehre 4. oder brieff lesen lerne. Ihm Jacob Rothe ist solches verwiesen undt anbefohlen, von itzt an biß zu ostern die schuel fleissig zu halten undt nichts zu verseumen undt soll keine besoldung mehr [= zusätzlich, A. J.] haben, sondern bey dem alten bleiben. Ein jeglich kindt jung oder magdlein von 6 biß zu 12 jaaren soll im winter in die schuel gezwungen seyn undt wochentlich 6 hll. geben, nach ostern soll der schuelmr. der schuelen abwartten uff alle kinder so es begehren, doch soll niemandt darzu gezwungen seyn, undt stehet zu jedes willen, was er alsdan geben wolle, daher der schuelmr. mehr seiner schuel alß des ackerwercks abwartten muß. Wofern nun der Schuelmr. hier wider thun wirdt, wie pfr. undt gemeinde drauff acht zu geben haben, so soll er so bald des dienstes verlustig seyn« (S. 1687); Hütterodts Urteil über den Schulmeister Jacob Roth, anlässlich eines Streits desselben mit dem Pfarrer, findet sich auf S. 1569 (7. Juli 1659): »Ist ein schlimmer Hundt undt hat viel Flöh«. 4 Die Weite des Lehrprogramms z. B. an der Stadtschule in Allendorf klingt im Eintrag Hütterodts in seinem DTB, S. 1548 (26. Februar 1659) an: mehrere Allendorfer Schüler, Kinder in der Stadt z. T. prominenter Eltern, »klagen daß der rector [Nicolaus Pflock, A. J.] – daß er unfleissig in die schuele komme, daß die lectiones in einer wochen nur einmal recitirt worden, nur ein exercitium domesticum in 2 oder wochen einmal corrigirt, die logicam gantz nicht explicirt, die music verbotten, so sie in seinem abwesen undt da sie ohne institution gewesen, getrieben, undt daß sie von Michael[is] an biß hieher nicht einmal gesungen, daher sie nun in der wochen vorm newen jaar auß der schuel geblieben; item daß er ihnen ihre griechische exercitien u. domestico bücher so sie vier wochen vor ihm ausbleiben, ihm übergeben, annoch bey sich behalte. […] Ist der 4te Martii zur verhör angesetzet«. Siehe auch die Unterschulordnung vom 7. Juli 1656 (HLO II, S. 320–336), eine Ordnung zur Revision der Schulordnung Landgraf Moritz’ von 1618 (Auszug: EKO Bd. 9, S. 136–138; vollständig deutsch: HLO I, S. 593–601; handschriftlich lateinisch mit Ergänzungen von der Hand Paul Steins und Stundentafeln für die einzelnen Klassenstufen: im Karton StAM 22 a 6 [darin zu Beginn einliegend in blauer Mappe mit der Aufschrift: »Actenstücke welche sich in der Superintendentur Repositur Cassel vorgefunden haben, die hiesige Stadt Schule und die Praeceptoren Bestellung betr.«]), die unter maßgeblicher Mitwirkung des Eschweger Superintendenten Hütterodt entstanden ist (dazu: Heppe: Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens im 17. Jahrhundert, S. 32–45).

Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner

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Katechismus eine große Rolle, außerdem wurde der Lehrer mit den Schülern zum Gesang in der Kirche herangezogen, wodurch die Schüler grundlegende musikalische Fähigkeiten erwarben. Gymnasien wie in Kassel und Hersfeld oder das Marburger Pädagogium dienten der zielgerichteten Vorbereitung auf den Besuch der Universität.5 Konnten die Schulmeister-Kandidaten für die Dorfschulen einigermaßen passabel deutsch lesen und schreiben sowie rechnen und singen, galten sie für die Position als geeignet. Die Lehrer an den Stadtschulen hatten in der Regel einen mehrjährigen erfolgreichen Aufenthalt an Universitäten vorzuweisen, zumeist mit theologischer Ausrichtung, oft waren solche Stellen das Einstiegsamt für spätere Pfarrer. Alle hier behandelten Superintendenten hatten zudem einen Magistergrad und Publikationen vorzuweisen, war doch auch ein Pfarramt eine öffentlichkeitswirksame Aufgabe, für die man über eine intellektuelle und moralische Autorität verfügen musste.6 Schließlich wurde auch von einem einfachen Pfarrer erwartet, dass er, schon in seinem eigenen Interesse, seine Kirchengüter zusammenhalten und die Kastenmeister bei der Niederschrift der Kirchenrechnungen unterstützen und diese überprüfen konnte. Verwaltungsaufgaben dieser Art waren erst recht das täglich Brot eines Superintendenten,7 der folglich über anwendungsbereites Wissen in den öko5 Siehe die Hinweise bei Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 210 sowie Hafner : Ein Beitrag zur Geschichte des Hersfelder Gymnasiums, das, so Kollmann: Johannes Hütterodt, S. 19, der Eschweger Superintendent vermutlich besuchte. 6 Schlaglichtartig erhellen die Anforderungen, die an einen Geistlichen gestellt wurden aus dem, was Paul Stein Gregor Schönfeld vorhielt, einem Theologiestudenten, der sich um das Schönfeldsche Stipendium bewarb: »Gregorius Schönfeld, studiosus, und jetziger zeit pedell der newen schul alhir, sucht an umb das Schönfeldische beneficium, mit vorzeigung eines schrifftlichen consens Gregorii Schönfelds bürgers zu Zahna in Meissen, desen söhnen sonstet der erste genoß gemelten beneficii, vermöge der stifftung gebührt. Ist vertröstet worden, es solte auff morgenden tag mit dem ministerio aus der sach geredet werden, alsdan er sich gegen 8 uhr vormittag einstellen, und bescheids erwarten könne« (DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 15. Juni 1631, Nr. 1); der Eintrag verweist auf die sächsische Herkunft des als Konfessionsflüchtling nach Kassel gekommenen, von 1600 bis 1608 dort als Superintendenten wirkenden Gregor Schönfeld, auf den die Stiftung dieses Stipendiums wahrscheinlich zurückgeht. Im zweiten Eintrag zum folgenden Tag, dem 16. Juni 1631, heißt es weiter im Diensttagebuch Paul Steins: »Mit dem ministerio ist wegen ansuchung Gregorii Schonfeldii, das Schonfeldisch beneficium betreffend, geredet, und nachdem er zugesagt und angelobt, vermöge der fundation graecam & hebraicam linguam zu studiren, auch sonstet seine studia also fortzusetzen, das er der kirch gottes verhoffentlich nützlich hirnechst werde vorstehen können, so ist ihm vertröstung geschehen, bey u. gn. f. und Herrn Landgraff Wilhelmen die sach dahin zu befordern, das ihme gemelts beneficium gefolget, oder an statt deren 60 Reichsthaler, der tisch bey den capellknaben gegeben werde; dieweil auch in seinem bishero geführten leben und wandel etwas mangel verspüret worden, so ist er ad pietatem & modestiam, sonderlich auch in kleidung sich, wie einem studioso theologiae wohl anstehet, und nicht auff alamodisch zu verhalten, vermahnet worden. Welche vermahnung er zu danck angenommen, und sich darnach aller gebühr zu verhalten, versprochen«. 7 Zur sozialen Herkunft und Bildung der Superintendenten und Metropolitane in der Landgrafschaft Hessen-Kassel, Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 99–128, 178–191.

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Der geistliche Apparat vor Ort

nomischen Grundlagen praktischer Kirchenverwaltung verfügen musste. Dass insbesondere die moralische Vorbildrolle der Pfarrer oft Schwierigkeiten bereitete, werden die folgenden Beispiele zeigen.8 Besondere Voraussetzungen für die Übernahme eines Pfarramts in HessenKassel ergaben sich aus der Einführung der »Verbesserungspunkte«. Auf Provinzialsynoden und einer Generalsynode wurde 1607 die Zustimmung der Pfarrer eingeholt, einige, die sich dazu nicht verstehen konnten, wurden in diesem Kontext oder auch schon zuvor (Marburg) ihrer Ämter entsetzt. Es wurde für Pfarrer9 wie Schulmeister10 üblich, sogenannte Bestallungsreverse zu unterschreiben, in denen sie sich verpflichteten, die darin niedergelegten 8 Die Hindernisse auf dem Weg zur Pfarrstelle beleuchtet, aus lutherischer Sicht, unter Auswertung der zeitgenössischen Literatur, umfassend Weber: Luthers bleiche Erben, S. 25–46 (Kapitel 2: »Vocatio und Eigeninteresse: Die Wege in die Pfarrstelle«). 9 Für die Pfarrer : der allem Anschein nach als Muster dienende »Reverß Johan Bodensteins, Adjuncti des Pfarhers zu Rockensüß, Ambts Sontra. Vom 5 Junii 1633« (Rückvermerk von der Hand des Kasseler Superintendenten Paul Stein) in 23 Punkten, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 180r–183v (»Fürstlicher Hessischer Kirchendiener bestallung«), das Verpflichtungsformular wurde von dem unterzeichneten Johann Bodenstein offenbar eigenhändig abgeschrieben. Neben diesem Formular für einen Pfarrer aus dem Bezirk Rotenburg findet sich im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 313f. außerdem eine »Formula confessionis ordinandorum circi Rotenburgici« von der Hand des Superintendenten Hermann Fabronius, die erstmals im November 1627 unterschrieben wurde von dem nach Niederhone berufenen Pfarrer Oswald Ludolph, der letzte Eintrag erfolgte auf S. 316 anlässlich der Examination des als Pfarrer für die Gemeinde Hönebach vorgesehenen Bernhard Crugius’ am 8. April 1633 an Fabronius’ Sitz als gleichziger Stiftsdekan in Rotenburg. 10 Für die Schulmeister : Revers (»Fürstliche Heßische Schuldiener bestallung«) des Hofgeismarer Schulmeisters Christoph Fernau vom 23. November 1647 in 17 Punkten, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 184r–187v. Im DTB Hütterodts, S. 147 heißt es zum 21. Mai 1640: »Curt Wagner von Barchfeldt [bei Schmalkalden, A. J.] bürtig begehret schueldiener zu Renda zu werden, hat von Barchfeldt kein Zeugnis, ist sonst im lesen, singen u. schreiben zu dem ort qualificirt, weil er aber Lutherischer confession ist, alß habe ich ihn uff ein halb jaar angenommen, mit dem beding, daß er innerhalb vier wochen ein zeugnis bringen undt sonst unseren reformirten catechismum in kyrchen undt schulen treiben u. lehren wolle, welches er auch mit handtgegebener trew versprochen«. Eine Bekenntnis- und Verpflichtungsformel der Schulmeister in den Städten für den Bereich der Superintendentur Rotenburg (»Formula confessionis et obligationis praeceptorum oppidanorum circi Rotenbergensis«) findet sich im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 357, die Formel wurde auf S. 358 erstmals am 19. Oktober 1635 unterschrieben von »Georgius Wolfardt«, Schulmeister zu Vacha; auf S. 359 findet sich eine eigene Formel für Schulmeister und Opfermänner auf den Dörfern (»Formula confessionis & sponsionis aedituorum & praeceptorum paganorum in circulo Rotenbergensi«), die früheste Datierung stammt vom 30. September 1634 von »Valtenn Hardtmann Schulmeister zu Neßellreden [= Nesselröden]«, jedoch gehen die Jahresdatierungen der Unterschriften auf S. 360 so durcheinander, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die (ebenso wie für die Stadtschulmeister) von der Hand Caspar Josephis (Superintendent 1634–1638) stammende und für die nachfolgenden Unterschriften bereits vornummerierte Formel erst nachträglich unterschrieben wurde.

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Amtspflichten, Bekenntnisgrundlagen und Weisungsketten zu beachten. Auf einigen Pfarrstellen im Bezirk der Superintendentur Rotenburg, vor allem in Lüderbach an der hessisch-thüringischen Grenze, wo Sachsen-Eisenach das Präsentationsrecht zustand, und in der Ganerbschaft Treffurt, wo Hessen-Kassel, Kurzmainz und Kursachsen gemeinsam die Regierung ausübten, wurden jedoch Lutheraner geduldet. Im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg hat sich der Bestallungsrevers des Treffurter Schulmeisters Henricus Trabert erhalten, der 1642 als Pfarrer der zur Ganerbschaft Treffurt gehörenden Gemeinde Schnellmannshausen eingesetzt wurde: »Ich Henricus Trabert, gewesener schuldiener zu Treffurt, hirmit öffentlich bekenne, Nachdem ich heut dato den 29. Decembris durch den Ehrwürdigen unndt Hochgelahrten Herrn Superintendenten unnd andere beschriebene pastores in S. Catharina Kirchen zu Eschwege an der Werra, öffentlich nach vorgehendem examine, zum heiligen predigampt nacher Schnellmanshausen, ordiniret, daß ich die reine göttliche lehre, wie dieselbige in den schriften der heiligen propheten unndt apostel begrieffen, unnd in der Augspurgischen Confession derselben Apologia unndt approbatis symbolis erkleret, meinen zuhörern vortragen, unndt alßo bey dem genere doctrinae, so bey lebzeiten unßers alten gn. fürsten unndt herrn lobseligen gedächnus biß auff dieße zeit getrieben, unnd durch abschiede unndt der synodorum generalium et specialium jedesmalßs confirmiret unndt volgendts approbiret, treuw bleiben, unnd denen zuwieder nichts lehren, auch alles waß mein ampt erfordert durch Gottes gnade fleißig verrichten, unndt meine lehre mit gutem wandel unndt exempel ziehren wolle. Deßen zu urkundt unndt steiffer fester haltung habe ich die obligation mit eigener handt geschrieben unndt unterschrieben Anno 1642 den 30. Decembr.«.11

Neben Henricus Trabert aus Haina (wahrscheinlich bei Gotha) in Thüringen selbst ist dieser Verpflichtungsschein unterschrieben von Johannes Hütterodt als Superintendent und Pfarrer zu Eschwege und von Johannes Kniriem (Cnirimius),12 damals Diakon, zweiter Pfarrer an der Neustädter Kirche zu Eschwege. Dort wo Hütterodt Lutheraner, die ihm präsentiert wurden, akzeptieren musste, wie zu Lüderbach, kam es ihm darauf an, dass diese wenigstens die Punkte nicht praktizierten, die bei den Reformierten besonderen Anstoß erregten.13 11 Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 377. 12 Die deutsche Namensschreibweise folgt dem Personenregister zum Diensttagebuch Hütterodts. 13 DTB Hütterodts, S. 545f. (21. September 1645): Entwurf eines Berichtschreibens Hütterodts an das Kasseler Konistorium (siehe DTB, S. 544 [20. September 1645]) über den Versuch des sachsen-eisenachischen Amtsschössers aus Creuzburg ohne Absprache mit ihm in der Gemeinde Lüderbach von einem mitgebrachten »studiosus« namens Rose, »welcher wohl anderthalb jaar des ambtschossers kinder praeceptor undt sonst noch kein pfarrer gewesen« (DTB, S. 536 [3. September 1645]), eine Probepredigt halten zu lassen; »Recht stachlicht ist

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Der geistliche Apparat vor Ort

Wurde eine Pfarrstelle vakant, musste dies dem Superintendenten mitgeteilt werden, dieser kümmerte sich dann darum, dass die Stelle vorübergehend von den benachbarten Pfarrern versehen wurde. Oft hatte sich beim Superintendenten schon ein Interessent für die Nachfolge angegeben, außerdem verzeichnete er geeignete und für ein Pfarramt bestimmte Kandidaten in einem »Catalogus expectantium«.14 Mit der Mitteilung über die Vakanz ließ der Superintendent daher oft schon einen Vorschlag zur Neubesetzung der Pfarrei an das Konsistorium gelangen. Dieses nahm daraufhin – handelte es sich um einen ihr suchen daß Rose bey seiner confession undt alten kyrchenordnung gelassen werden solle, undt weil darin eben die exceße worüber ich Michaelem [Hamerschmidt] expastorem [von Lüderbach, siehe DTB, S. 628, 7. Januar 1647, A. J.] straffen müssen, nemlich, der exorcismus [Austreibung des unreinen Geistes vor der Taufe, A. J.], der ubiquitistische Flaccianismus, sächsische catechismus undt beicht, gesang institutionis coenae, undt dergleichen päbstische hoefferbe, begrieffen, so wil nöhtig seyn, den Eysenachischen darüber zu widersprechen undt nicht allein ein besseres zu remonstriren, sondern auch wen Rose praesentirt wirdt, ihme die alte kyrchenordnung undt uhralte Augspurgische Confession zuerst vorzulegen, damit er sie lese undt sich erkläre, ob er solche mit guttem gewissen ohne verletzung seiner confession halten könne« (DTB, S. 546). Siehe auch die inhaltlich gleichen Bemerkungen bei einem Bewerber um die Pfarrei Berge (heute Ortsteil der Gemeinde Neu-Eichenberg im Norden des Werra-Meißner Kreises), mit deren Patronatsrecht die von Bischoffshausen schon im 15. Jahrhundert von den Herzögen von Braunschweig belehnt wurden: »Kompt Herr Praesentatus Joannes Gebhardi zur pfarr Berge: Ihm werden die synodal abscheide, verbesserungspuncten, kyrchenordnung vor[ge]legt, zu lesen u. sich zu erklären, auch ein revers stilisirt welchen er unterschreiben soll. Darauff verwirfft er ubiquitatem, exorcismum, culturam imaginum, approbirt restitutionem decalogi, fractionem panis, undt usum panis, wendet aber fur die f. consistorialräthe hetten ihm verheißen, solte bey den lutherischen ceremonien gelassen werden, wegen der oblaten. Hierauff ist ihm abschrifft der abscheide undt reverse gegeben, sich zu bedencken«, DTB Hütterodts, S. 528 (zweiter Eintrag zum 29. Juli 1645), nachdem Hütterodt am 3. August 1645 (DTB, S. 530) »den revers welchen Joan Gebhard der new praesentirte uff Bergen geben sollen, uff Cassel geschickt undt von f. regirung begehret, ob die Lutherische ceremonien zu Bergen gelassen, oder die verbesserungspuncten eingeführet werden sollen« und nachdem am 6. August 1645 (DTB, S. 531) Hans Heimart von Bischoffshausen die Investitur begehrte und am 18. August (DTB, S. 534) das »consenß schreiben« einschickte, heißt es unter dem 28. August 1645 (DTB, S. 535): »Ist Joan Gebhard uff vorgepflogene vielfeltige handelung zu Bergen für einen pfarrern introducirt worden«, zu diesem Beispiel siehe auch Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 50 sowie Ebert / Diehl / Rogman: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 104f., zu den Patronatsverhältnissen in Berge Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 201 (dort »Bischhausen« als andere, im Wechsel auch bei Hütterodt auftauchende, vielleicht ältere Schreibweise des Namens der Adelsfamilie, hier korrigiert nach der aktuellen Schreibweise, vgl. den Punkt »Kirche und Religion« im Eintrag zu »Berge, Werra-MeißnerKreis« im Historischen Ortslexikon online in LAGIS [Stand: 24. Juni 2019]). 14 Siehe schon den Hinweis darauf bei Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 345. Ein solcher »Catalogus expectantium« findet sich im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 332–334 (»Catalogus expectantium et eorum qui operam ecclesiis aut scholis Fabronio [ergänzt: »& Josepho«] inspectore eidem obtulerunt et promoti sunt. Ab anno Christi 1623.«); ähnliche Funktionen erfüllte wohl das mit »Promovendi« überschriebene fragmentarische Verzeichnis auf der hinteren Umschlaginnenseite des Diensttagebuchs Neubergers.

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Bewerber, der bisher noch kein Pfarramt bekleidet hatte – die Examination desselben vor, die aus einer Überprüfung biblischer und philologischer Kenntnisse und einer Probepredigt vor einer Kommission bestand. War das Examen bestanden, wurde der Superintendent beauftragt, den Bewerber der jeweiligen Gemeinde zuzuschicken, um dort und gegebenenfalls in den zugehörigen Filialen ebenfalls eine Probepredigt abzulegen, anschließend sollten sich die Gemeinden darüber erklären, ob sie mit Lehre und Leben des Bewerbers einverstanden waren. Die Mitteilung darüber ließ der Superintendent wiederum ans Konsistorium gelangen, das den Bewerber, im Falle der Zustimmung, als Pfarrer ordinierte15 und zum Pfarrer in der jeweiligen Gemeinde konfirmierte, woraufhin ein Schreiben darüber an die Gemeinde erging und ein weiteres an den Superintendenten mit der Aufforderung zur Einführung.16 Daraufhin konnte der neu berufene Pfarrer seinen Dienst in der Gemeinde antreten; bei nächster sich bietender Gelegenheit wurde er der Gemeinde durch den Superintendenten formell als ihr neuer Pfarrer vorgestellt, als solcher eingeführt. Die Gemeinde hatte seine Umzugskosten und die Kosten seiner Einführung zu tragen, die allem Anschein nach zum Anlass für eine Art Gemeindefest genommen wurde.

15 Ein »Concept Testimonij ordinationis«, ein Formular für ein Ordinationszeugnis, geschrieben von der Hand Neubergers, findet sich in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 233; der Name des Ordinierten ist darin immer mit »N. N.« chiffriert, das Datum lautet aber konkret »Cassel den 11. Decem. Anno 1635«, so dass ein an diesem Tag ausgestelltes Ordinationszeugnis als Vorbild gedient haben dürfte; nach Neubergers DTB wurde an diesem Tag Friedrich (»Fridericus«) Matthaeus ordiniert, der am 7. Dezember »im Predigen ex Apoc. 6. v. 15 etc. gehört, und auch gebürlich examinirt worden / me, praesente Dn. Wetzelio et Soldano«. 16 Die Regelungen darüber finden sich in der Konsistorialordnung von 1610 (EKO Bd. 9, S. 99– 121) im Kapitel »Von Bestellung der Ministerien und Pfarrdienste« mit den Unterkapiteln »Von der Examination der Prädicanten«, »Von der Ordination und Confirmation der Kirchendiener«, »Von der Introduction und Aufführung des Pfarrherrs« (S. 106–111), und in leicht überarbeiteter Form in der Konsistorialordnung von 1657 (HLO II, S. 445–461, Kapitel 9–12 (S. 451–454)). Nach dieser letzteren konnte die Ordination »in und vor der Christlichen Gemein« nicht mehr nur allein »von einem Theologo Consistoriali, der zugleich im Predigampt ist« vorgenommen werden, sondern, neben anderen vom Konsistorium damit Beauftragen, auch »von dem Superintendenten zu Cassel« (HLO II, S. 543). Diese Praxis wurde schon vorher, seit der Auflösung des Konsistoriums als eigenständiger Behörde, rege geübt, wie insbesondere das Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger belegt, der aber in seiner Selbst- und Fremdbezeichnung zugleich als Konsistorialrat – wahrscheinlich in einem als Annex der Regierung für Kirchenangelegenheiten gebildeten Gremium – wirkte. Im DTB Hütterodts finden sich daher zahlreiche Verweise nach Kassel, so schrieb er z. B. am 30. Dezember 1630 (S. 100) wegen verschiedener Punkte »An den Metropolitanum zu Spangenberg […] 3. – praesentatos, Diaconum, et Reutterum, den 8. Jan. naher Cassel zur probpredigt zu bescheiden. It[em]. – an H. Superintendens Theophilum geschrieben, was von den beiden praesentatis mein judicium sey«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Sprachfehler im Pfarramt

Teilweise erfolgten Probepredigt vor der Gemeinde und Examination mit darauffolgender Ordination auch genau andersherum als bisher beschrieben. So 1629, als der vertriebene Schulrektor von Schmalkalden17 zum Pfarrgehilfen, Pfarradjunkt, von Ehrsten und Meimbressen, nordwestlich von Kassel, berufen wurde. Im Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1629 (fol. 37r) heißt es dazu unter dem 24. Juli: »M[agister]. Martinus Brechtius, gewesener Rector zu Schmalkalden, ist mit einem schreiben an die gemeinde zu Meimpreßen abgefertigt worden, daß sie ihn im predigen hören und dann sich gegen mich ercleren sollen. Dem Juncker ists auch notificirt, daß er M. Brechtium hören und sich neben der gemeinde schriftlich erclären wolle«.

Am 9. August erklärte sich der Junker zu Meimbressen, Rab Moritz Wolff von Gudenberg, »wegen M. Brechtii, daß er ihn im predigen nit wohl vernehmen könne, sonst sei er mit seiner person, leben und wandel zufrieden. Bittet nochmal vor M[agister]. Kurtzcurt«.18 Am 10. August schloss sich die Gemeinde dieser Erklärung an.19 Beide Erklärungen wurden am 13. August 1629 der Regierung übermittelt, mit der Bitte, »einen oder mehr ihres mittelß, so eß ihnen beliebte, zur morgenden predigt, so M. Brecht halten soll, zu verordnen. Welcheß ihrer erclerung nach geschehen soll«.20 Zum darauffolgenden 14. August heißt es daraufhin in Steins Diensttagebuch (fol. 39r): »M. Brechtius hat in beysein des Herrn Vice Cantzlarß, meiner, Herrn Newbergerß, Ehrn Johan Daniel Starcken und M. Joh. Maji seine predigt verrichtet und tractirt ex Hos. 2 v. 14 ad 19. Ist demnach examinirt worden, und soll nechstkunfftigen montag ordinirt und zur adjunction naher Meimpressen confirmirt werden«.

Brecht ist, laut Steins Diensttagebuch (fol. 39v), tatsächlich am Montag, dem 17. August 1629 »ordinirt und zur adjunction naher Meimpreßen confirmirt und deßhalben mit schreiben an den juncker, M[agister]. Dendegen [= den eigentlichen Pfarrer] und die gemeinde abgefertigt worden«. Allerdings scheinen die Klagen über die zu leise Stimme Martin Brechts beim Predigen, worauf schon der Gerichtsjunker in seiner Erklärung hingewiesen hatte, zugenommen zu haben, sodass sich der neue Superintendent Theophil Neuberger, der 1629 noch als Hofprediger bei der Probepredigt und dem Examen Brechts – der inzwischen nicht mehr als Adjunkt, sondern als Pfarrer 17 Zur »Versorgung des exulierenden Rectors zu Schmalkalden M. Martinus Brechtius durch die Geistlichkeit in Grebenstein und Umgebung« (Umschlagaufschrift) siehe die Überlieferung vom 7. und 8. Februar 1628 in StAM 22 a 3, Nr. 23. 18 DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 9. August (fol. 38v). 19 DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 10. August, Nr. 2 (fol. 38v). 20 DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 13. August, Nr. 2 (fol. 39r).

Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner

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Ehrsten und Meimbressen versah21 – selbst anwesend war, dazu entschloss, ihn sich 1641 noch einmal anzuhören: »NB. Den 26. Martij hat M. Brechtius Pf. zu Ersten alhie in der Stifftskirche offentlich, uf befehl, weil uber ihn, daß er gar unvernehmlich predige, geklagt worden, gepredigt, wobey der von Scholey, der H. Vice Cantzlar u. Herr Scheffer gewesen. Hat sich befunden, und haben die H. Räthe selbst bezeuget, daß sie, ob sie schon gerad ihm H regione gesessen, ihn nit verstehen können, u. daß er mit keiner erbawung dergestalt predige, deßwegen geschlossen worden, ihn mit gelegenheit zu transferiren. Ist ihm auch selbst solches uf der Cantzley angezeigt, u. gerathen worden, sich zum schulwesen zu begeben«.22

Nicht nur für Martin Brecht stellte das Erfordernis einer klaren Aussprache und lauten Stimme im Pfarramt eine Herausforderung dar. So kam am 9. Dezember 1622 der Landsecretarius Dryander zu Paul Stein und überbrachte ihm von Landgraf Moritz unter anderem die Aufforderung, »[Paul Andreas Peter] Kindius zu befehlen, daß er das vitium in pronunicando, welches der ganze hoff an ihm notire, abstelle, oder werde schlechter beforderung zu gewarten haben«.23 Auf Ersuchen der Regierung hielt Paul Lappius, Pfarrer von Harmuthsachsen aus dem Rotenburger Bezirk des Superintendenten Fabronius, am Samstag, dem 20. Februar 1630 nach der Betstunde »in beysein etlicher des ministerii«24 eine Predigt in der Freiheiter Kirche in Kassel: »Lappius hat ein predigt gethan ex psal. 133. Ist auch mit ihm nach gehaltener predigt conferirt, und ist er in der collation sehr schlecht befunden worden. Dahero das ministerium darvor helt, weil er sonderlich propter vitium pronunciationis nicht verstanden werden kan, und also aus seinen predigten keine erbawung zu hoffen ist, er sey des pfarrdiensts zu erlassen, und etwan an eine schul, seiner qualification nach, zu befordern. Welches f. regierung vermeldet werden soll. Und ist Lappius dimittirt«.25

21 Siehe den Brief Paul Steins an Landgraf Wilhelm V., Kassel 1632 November 27, StAM 40 a Rubr. 24, Nr. 125 (fast am Ende des Konvoluts). 22 DTB Neubergers, Eintrag zum 26. März 1641. Brecht blieb aber Pfarrer in Ehrsten, und der Filiale Meimbressen, wahrscheinlich bis zu seinem Tod ca. 1660, Desel: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Hofgeismar, S. 91f. 23 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 9. Dezember 1622, Nr. 1. Paul Andreas Peter Kind ist, als Paul Stein im Oktober 1622 zum Superintendenten berufen wurde, dessen Nachfolger als Hofprediger in Kassel geworden (siehe zu ihm: Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 7, S. 70–78, hier S. 73). 24 Aus dem Eintrag zum 19. Februar 1630, Nr. 6 im DTB Paul Steins über das ihm übermittelte Ersuchen der Regierung. 25 DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 20. Februar 1630, Nr. 3. Schon unter dem 6. November 1629, Nr. 6 findet sich im DTB Paul Steins ein Hinweis auf eine Probepredigt Paul Lappius’: »D[oktor]. Andrecht, Herr Fabronius, Superintendens zu Rottenberg und ich haben Ehrn Paul Lappium predigen gehört ex Ep[istola]. ad Eph[esios]. 5. cap. v. 15. 16. und ihn nicht wohl vernehmen können«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Am darauffolgenden Montag, dem 22. Februar 1630, suchte Lappius um eine Neubewertung seines Falles an, woraus die weitreichenden, mit einer Amtsentsetzung verbundenen Konsequenzen deutlich werden, woraufhin ihm gestattet wurde, am Mittwoch, dem 24. Februar 1630 noch eine Predigt in der kleineren Hospitalskirche in Kassel abzulegen.26 Das Lappius daraufhin ausgestellte Zeugnis lautete viel besser : »Paulus Lappius hat im hospital zu S. Elisabethen alhier eine predigt getan ex Johann. 3. v. 16. 17. 18. Und referiren meine collegen, Herr Johan Daniel Starck und Herr Johan Friedrich Wilner, das er nicht allein die res ipsas sehr wohl und schrifftmessig tractirt, sondern auch das vicium pronunciationis zimlicher massen abgelegt, das gutte hoffnung sey, er sich mit der zeit desen ganz abgewehnen möchte. Und ist darvor gehalten worden, man hette ihn in der woche nach ostern nochmals zu hören, ob er sich in der pronunciation under desen vollents bessern werde, und ihm als dan endlichen bescheid, nach befindung zu ertheilen. Herrn Wetzelium hab ich zu f. cantzley geschickt, und räthen dieses referiren lassen; welche, wie Herr Wetzel berichtet, ihnen solches belieben lassen; und ist darbey erwehnet worden, ich könte an den superintendenten Fabronium schreiben, da immittelst oder dennechsten ein ortlein ledig würde, ihn daselbsthin zu befordern. Dieses ist Lappio angemeldet, und ihm befohlen worden, den nechsten donnerstag nach ostern sich wieder alhir einzustellen, und den freitag hernach eine predigt an dem Ort, so ihm als dan benennet werden solte, zu thun. Auch ist er nachmals trewlich erinnert und vermahnet worden, sich des vicii in pronunciatione abzugewehnen«.27

Was bei der erneuten Probepredigt am Freitag nach Ostern, dem 2. April 1630, herausgekommen ist, wissen wir nicht, da Paul Steins Diensttagebuch nach dem 1. April 1630 direkt zum 1. November springt. Allerdings waren alle Beteiligten schon 1629 übereingekommen, dass der Züschener Pfarrer Georg Thonius, über den das unbewiesene Gerücht ging, er habe seine Magd geschwängert, nach Harmuthsachsen und Lappius auf die freigewordene Pfarrei Grebenau wechseln sollte.28 Thonius ist tatsächlich nach Harmuthsachsen gekommen,29 ob Lappius nach Grebenau wechselte, ist nicht ganz klar. 26 Eintrag über die Eingabe Paul Lappius’ und die daraufhin getroffenen Absprachen im DTB Paul Steins zum 22. Februar 1630, Nr. 2. 27 DTB Paul Steins, Eintrag zum 24. Februar 1630, Nr. 1. 28 Siehe DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 23. November 1629 (fol. 56r am Rand), sowie das Schreiben von Statthalter, Kanzler und Räten an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1629 November 18 (praes. Friedewald 1629 November 20), StAM 22 a 8, Paket 12 (Harmuthsachsen). Dazu näher in Kapitel V (»Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung«) im Unterkapitel A zu Züschen beim Punkt »Hessische Eigenmächtigkeiten und die Langzeitwirkung von Gewalt« zur Transferierung Georg Thonius’. 29 Im von der Hand Fabronius’ stammenden »Catalogus der Pfarrer des bezirgks Rotenbergk im Jahr Christi 1632« im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg (StA ESW St[ahl]. Schr[ank]. I, Nr. 28) wird »Georg Thon« auf S. 342 unter den Pfarrern der Klasse

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Auch in der Amtszeit Theophil Neubergers als Superintendent des Bezirks Kassel gab es ähnliche Fälle, so als er nach Examen und Probepredigt am 27. April 1637 den Pfarramtskandidaten Henricus Kangießer nicht nur zu »fleissigerem studiren« aufforderte, sondern ihm auch mit auf den Weg gab, »das er die praecipitatio linguae corrigire«.30 Am 22. August 1646 notierte Theophil Neuberger in sein Diensttagebuch: »Ist Paulus Gudenus, so umb die pfarr Niederzweren angehalten, im predigen gehört ex Rom. 5. 19. Darauf examinirt, und ermahnt worden, die monotoniam im predigen ihm abzugewehnen, auch in locis communib[us]. s[ancti]. theol[ogiae]. fleissig zu studiren«. Sprachliche Monotonie und mangelnder Studieneifer waren aber nicht die einzigen Probleme, mitunter stellten sich auch institutionelle Schwierigkeiten. So fährt Neuberger im anschließenden Eintrag zum 31. August 1646 zu Gudenus fort: »Ist er publicH ordinirt worden / me, astante Dn. Wetzelio, et Dn. Matthaeo. NB. Dieser Gudenus hatte ein praesentation von dem Herrn Obervorstehern wegen des [adligen, A. J.] Stiffts Kauffungen erlangt u. einbracht. Ist aber nit angenommen, sondern dem Herrn Obervorstehern schrifftlich remonstrirt worden, daß nit sie, sondern Ifg. wegen des Stiffts Kauffungen das ius collaturae hette. Massen die schrifftliche sachen uff f[ürstlicher]. cantzley verwahrt behalten sei. Gleichwol ist Gudeno die pfarr gegeben, nit umb jener praesentation willen, sondern allein Herrn Lic[entiaten]. Combachio31, dessen eydam [= Schwiegersohn, A. J.] er ist, zu gefallen«.

Damit fanden auch andere als streng rechtliche Erwägungen Eingang in die Entscheidung über Pfarrstellenbesetzungen. Verwandtschaftliche Rücksichtnahmen waren sogar explizit in der Kirchenordnung vorgesehen.32 Waldkappel (der 7. Klasse an der Fulda) als »pf[arrer]. zu Hermutsaxen« aufgeführt. Er unterschrieb auch schon die wahrscheinlich ebenso von Fabronius anscheinend 1627 komponierte »Formula confessionis ordinandorum circi Rotenbergici« im Synodalbuch auf S. 315 mit den Worten: »Ego Georgius Thonius ita riti orthodoxus ex corde subscribo antea pastor Zuschenseum jam pastor ordinatus et introductus Hermuthsachsensium«. 30 DTB Neubergers, Eintrag zum 27. April 1637, dort steht »praecipitantio«, hier korrigiert. 31 Johannes Combach war seit 1629 ordentlicher Professor der Theologie und Philosophie an der Univesität Kassel, zuvor, bis zu ihrer Suspension 1624, an der Universität Marburg, und zwischen 1639 und 1643 Rektor des Gymnasiums in Bremen sowie von 1625–1634 Pfarrer und Metropolitan in Felsberg, siehe: Gundlach: Catalgous Professorum, Nr. 690 (S. 389); Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 2, S. 244–262. 32 So heißt es in der Konsistorialordnung von 1610 im Abschnitt »Von Bestellung der Ministerien und Pfarrdienste Und Erstlichen von der Praesentation«: »Es sollen aber in dieser Election und Wahl alzeit die Landkinder und Stipendiarii Majores den frembden Und die geschickteste und tüglichste den andern vorgezogen und in dem auff keine Gunst, Freundschafft oder Verwandtnus noch einigen andern privat respect gesehen werden. Jedoch, wann zween oder mehr Competitores von gleicher oder je genugsamer qualification zugleich verhanden wehren, soll der jenig, dessen Vatter sich umb die Kirche und gemeinen Nutz wohl verdient gemacht, vor den andern hierunter bedacht werden, auff daß die Kinder ihrer Eltern getrewer Dienste und wolverhaltens geniessen, Die Eltern auch in hoffnung

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Der geistliche Apparat vor Ort

Das Verhältnis der Gemeinden zu ihren Pfarrern und Opfermännern

Selten waren die Fälle, in denen eine Gemeinde einen ihnen zur Probepredigt zugesandten Kandidaten ablehnte, wie 1642 in Jesberg. Nach Jesberg in der Klasse Borken musste durch den Tod der Amtsinhaber seit 1635 schon der dritte Pfarrer gesetzt werden.33 Trotzdem erlaubte sich die Gemeinde, Ignatius Lotz, dem vom Patronatsherrn Ludwig von Linsingen schon vor längerer Zeit die Präsentation zugesagt wurde, ihre Zustimmung zu verweigern: »Gemeinde zu Jesperg bittet, ihrer mit dem praesentirten Ignatio Lotz zu verschonen, u. Joh. Schnabelium zum Pfarrer ihnen zu verordnen«, zumal ihr Patronatsherr dem Superintendenten beide Bewerber zur Auswahl gestellt habe.34 Lotz’ vorige Gemeinde, Hesserode, wo er entsetzt worden sei, habe vor ihm gewarnt und auch er selbst »bekennet, daß er schon bey dem consistorio schwartz wehre« – »eine solche person«, bitten die Jesberger, möge man ihnen nicht aufdringen. Johann Schnabel hingegen, verfüge nicht nur über ein gutes Zeugnis, sondern habe auf ihr Bitten auch eine Predigt gehalten, aus der sie viel Trost empfangen hätten.35 Aber auch Schnabel, der bislang als Pfarrer in dem zur Klasse Eschwege gehörenden Dorf Netra tätig war und tatsächlich nach Jesberg zog, blieb ihnen, da er 1646 auf die zur Klasse Bauna gehörende Pfarrei Hoof im Amt Kassel wechselte, nicht lange erhalten.36 Die Gemeinden hatten bei Pfarrbesetzungen immer ein Mitspracherecht. In der Regel hatten sie nichts einzuwenden, oft kannten sie den Kandidaten aber

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solcher recompensen und ergetzlichkeit für ihre Kinder zu desto freudiger und unverdrossener arbeit und nutzlicher diensterzeigung gereitzt werden möchten« (EKO Bd. 9, S. 107). Der zum Pfarrer in Jesberg designierte ehemalige Treysaer Schulmeister Hermann Wallmeister wurde, wie 1634 schon sein Vorgänger Georg Milis (auch: Müller, so Bach: Geschichtliche Nachrichten, S. 118), 1635 von Soldaten ermordet. Noch im gleichen Jahr folgte ihm als Pfarrer von Jesberg der bisherige Diakon von Niederurff, Samuel Andreas Cancrinus (alle Informationen aus dem Präsentationsschreiben für Cancrinus: Ludwig von Linsingen an Theophil Neuberger, Marburg 1635 September 10, StAM 318 Kassel, Nr. 1053). Aber auch er starb schon im darauffolgenden Jahr 1636. Sein Nachfolger, Valentin Suinhard (Todesnachricht Cancrinus’ und Präsentation Suinhards: Ludwig von Linsingen an Theophil Neuberger, Marburg 1636 März [ohne Tagesdatum, praes. in Kassel am 19. März 1636], StAM 318 Kassel, Nr. 1053), blieb den Jesbergern bis 1641 erhalten, als er nach Dillich wechselte (Präsentationsschreiben für Suinhard: Hans Wilhelm und Johann Adrian von Dalwig an Theophil Neuberger, Dillich 1641 September 25, StAM 318 Kassel, Nr. 1053). Georg Müller (Grebe und Kirchensenior), Curt Stungst, Hans Buley sen., Henrich Bierman im Namen der Gemeinde Jesberg und der zugehörigen Filialen, an den Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger, Jesberg (»Jesburg«) 1642 Januar 2, StAM 318 Kassel, Nr. 1053, hier zitiert der Rückvermerk von der Hand Neubergers. Ebenda. Das Präsentationsschreiben für Schnabel: Ludwig von Linsingen an das Konsistorium Kassel, Marburg 1642 Januar 21, 318 Kassel, Nr. 1053. Zu seinem Wechsel nach Hoof: Bach: Geschichtliche Nachrichten von dem Gerichte und der Pfarrei Jesberg, S. 122; zur Pfarrei Jesberg auch: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 96f.

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kaum, und räumten daher nach seiner Probepredigt bei ihnen zum Teil ein, mit seinen Gaben im Predigen zufrieden zu sein, sich aber von seinem Leben und Wandel kein Bild machen zu können.37 Die Superintendenten und übrigen Entscheidungsträger nahmen durchaus Rücksicht auf die Wünsche und Unzulänglichkeiten der Gemeinden, so, wenn Kirchendiener, die sich eines schweren Vergehens in ihrem Lebenswandel schuldig gemacht hatten, zwar sanktioniert, aber auf Bitten ihrer Gemeinden trotzdem in ihrem Amt belassen wurden, festzumachen an »Daniel Colman, Schulm[eister]. uf der Fuldabrücken«, einem südöstlich an Kassel angrenzenden Ort, von dem Theophil Neuberger unter dem 26. Mai 1646 in seinem Diensttagebuch notiert, er sei »seines diensts entsetzt wegen vieler excessen, wozu endlich eine schändliche action kommen, so er mit Elsebeth Sandmans angefangen. NB. Uf der gantzen gemein intercession ist er, aber nur zum versuch, wieder angenommen, aber zuvor eine gantze wochen incarcerirt u. hat einen revers von sich gegeben«.

Vergehen, die nicht mit der Absetzung endeten, wurden üblicherweise mit Einsperren in die Sakristei bestraft. Dafür finden sich in den Diensttagebüchern Paul Steins und Theophil Neubergers zahlreiche Beispiele.38 aa) Der Fall des Opfermanns Adam Leuchter Es gab aber auch den umgekehrten Fall, dass Pfarrer oder Schulmeister auf Bitten ihrer Gemeinde ihres Amtes entsetzt wurden. Ein besonders markantes Beispiel hierfür ist das des Opfermanns und Schulmeisters Adam Leuchter. Aktenkundig wurde er zum ersten Mal am 20. Oktober 1622 im Diensttagebuch Paul Steins; der zweite Eintrag zu diesem Tag vermeldet, Johannes Hain aus Waldau habe vom Pfarrer zu Remsfeld im Amt Homberg erfahren, »das ihr opfferman daselbst keine schule halte, und die kinder daruber verseumet wer37 DTB Paul Steins 1628, Eintrag zum 15. April 1628, Nr. 9: »Ehr David Crato lieffert der beiden gemeinden zu Boventen und Angerstein erklerung ein, das sie mit ihme, was seine lehr anlange, zufrieden, von seinem leben und wandel aber, weil er ihnen unbekandt, nicht wüsten«. 38 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 8. Oktober 1622, Nr. 1: Pfarrer von Ehringen, wegen Trauung eines Soldaten ohne Ledigkeitszeugnisse und ohne vorangegangene Proklamation, Bestätigung im Eintrag zum 14. Oktober 1622, Nr. 4; Eintrag zum 8. März 1623, Nr. 2: Hans Schingewolff, Opfermann zu Eiterhain (= Eiterhagen), wegen übler Nachrede, erlassen laut Eintrag zum 10. März 1623, Nr. 2. DTB Neubergers, Eintrag zum 7. Januar 1640, ist der Schulmeister zu Vollmarshausen »weil der hendel viel weren […] in die sacristey gesetzt, auch betrawet worden, da er dennechsten stencerey anfangen würde, des diensts loß zu sein«; weiterhin der erste (undatierte) Eintrag zum Jahr 1645 bei einer Visitation zu Eiterhain (= Eiterhagen) als Reaktion auf Beschwerden über die Amtsführung des Pfarrers und seine Neigung zum Trunk: »Der pfarrer ist in die sacristey gesteckt, u. hat darauf besserung zugesagt«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

den; deswegen die gemein ubel mit ihm zufrieden, und ihn removirt haben wolten; so bittet er, ihn daselbsthin zu befordern«, worauf er von Paul Stein, der von den Vorfällen offensichtlich bis jetzt keine Kenntnis hatte, zur Antwort erhielt, wenn »sich solche klagen also befinden« und zur Absetzung des Opfer mannes führten, solle er »seiner qualification nach, in acht genommen werden«. Die Klage der Gemeinde Remsfeld folgte tatsächlich, am 24. Oktober 1622 hielt sie Paul Stein im ersten Eintrag in seinem Diensttagebuch fest. Über den Opfermann Adam Leuchter heißt es dort: »Und ob er wohl dem vorigen superintend. s[elig]. besserung zugesagt, bleibe er doch einen weg, wie den andern unfleissig; sey darzu trotzig und fluche eine gantze gemeine. Bitten, ihn zu removiren, und einen andern dahin zu verordnen«. Noch am selben Tag schickte Paul Stein dem Remsfelder Pfarrer die Klage der Gemeinde zu und forderte seinen Bericht.39 Nachdem Paul Stein von seiner Visitationsreise in die Klassen Felsberg, Ziegenhain, Treysa und Neukirchen zurückgekommen war, hatte er mit Adam Leuchter offenbar die Geduld verloren, denn unter dem zweiten Eintrag zum 28. November 1622 notierte er in seinem Diensttagebuch: »Hab ich naher Remsfeldt geschrieben, den opfferman daselbst zu cassiren, ihnen auch Johan Hainen von Waldaw zugeschickt, ihn im singen zu hören, und sich, ob sie ihn vor einen opferman haben wollen, zu erklären«. Am 3. Dezember kam es zu einer Wendung in der Sache: »Pfarher von Remsfelt schreibt wegen des opffermans, das er sich beschwehrt der abkündigung seines dienstes, weil er mit seinen unerzogenen kindern nirgend hin wisse jetzo im winter, auch der klage nicht gestendig sey. Sonsten seyen die gemeinden, im fall der vorige opfferman weichen müsse, mit Johan Hainen wohl zufrieden«.

Am 3. Dezember begab sich auch Adam Leuchter selbst zu Paul Stein, um eine Supplikation zu übergeben, »darinnen er 1. vorgibt, die im nahmen der gemeine mihr zugeschickte klage sey, ohne der gemeine vorwissen, verfast und abgangen, auf eines seiner misgünstigen getrieb«, und zweitens, die geklagten Punkte leugnet. »Hirauff ist pfarhern und caplan zu Homberg commission aufgetragen worden, sich disfals zu erkundigen, und anhero umbstendlich und ohnparteiisch zu berichten.«40 Als Pfarrer und Kaplan zu Homberg am 18. Dezember ihren Bericht einlieferten, interzedierten am gleichen Tag die Homberger Beamten für den Opfermann Adam Leuchter,41 woraufhin Paul Stein am Folgetag den Pfarrer zu Remsfeld schrifftlich bat,

39 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 24. Oktober 1622, Nr. 3. 40 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 3. Dezember 1622, Nr. 2. 41 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 18. Dezember 1622, Nr. 1 und 2.

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»die gemeinde dahin zu disponiren, das sie mit dem opfferman sich zum wenigsten noch diesen winter gedulden, in ansehung er mit seinen kleinen unerzogenen kindern nirgends hin wisse; ihme auch, weil er sich erbeut schule zu halten, ihre kinder schicken; und solle er, pfarher, da die gemeine sich desen verweisen würde, bey nechster vorfallender bottschafft solches berichten«.42

Die Gemeinde Remsfeld mit den zugehörigen Filialen ließ aber in ihrem Vorbringen gegen Adam Leuchter nicht locker. Am 31. Dezember 1622 ging bei Paul Stein ein von ihnen erwirkter fürstlicher Befehl ein, gegen den Opfermann »von ambts wegen gebührlichen ernst zu gebrauchen. Darauf ich naher Remsfelt geschrieben an den pfarhern, Adam Leuchtern zu vermelden, das er die schlüssel zur kirch von sich gebe, und des diensts müssig gehe, wie ich dan auch wegen Johan Hainß, das sie ihn zum opfferman annehmen sollen, befehl an ihn den pfarhern abgehen lassen«.43

Danach taucht Adam Leuchter erst wieder am 10. April 1623 im Diensttagebuch Paul Steins auf, im zweiten Eintrag zu diesem Tag erfahren wir, dass Adam Leuchter »um den opfferdienst zu Holtzhausen im Ambt Homberg« ansucht, woraufhin Paul Stein an den Homberger Kaplan schrieb, der diese Filiale bediente, »sich zu erkleren, ob er und die gemeine mit ihm zufrieden seyen«. Dort allerdings hatte man sich schon für einen anderen Bewerber entschieden – ohne Wissen des Superintendenten, der ihnen verwies, »das sie sich anmassen wollen, under den competitoribus die prob und examen anzustellen, welches dem superintendenten gebühre«. Der Ausgewählte wurde aber, da er »qualificirt erfunden«, trotzdem zum Opfermann bestätigt.44 Entscheidend für den weiteren Verlauf der Angelegenheit um Adam Leuchter wurde, dass er sich um den Opferdienst zu Sipperhausen in der Klasse Homberg bewarb, woraufhin Paul Stein am 19. September 1623 an den Pfarrer Hermann Pflüger und die Gemeinde schrieb, »ihn im singen zu hören, und sich, ob sie mit seiner person und gaben zufrieden seyen, glaubwürdig gegen mich zu erkleren«.45 Offensichtlich wurde Adam Leuchter als Opfermann zu Sipperhausen angenommen, denn Jahre später führt sein Verhalten dort zu erneuten Problemen. Am 13. April 1629 reichte Curt Martin von Sipperhausen »im nahmen derer zu Sipperhausen, Dickerßhausen und Marxhausen [= Mörshausen]« seine erste Supplikation gegen den Schulmeister und Opfermann Leuchter ein, den Paul Stein daraufhin aufforderte, sich darüber zu erklären.46 Dieser Aufforderung kam Adam Leuchter erst am 7. Juli 1629 nach, indem er die Vorwürfe 42 43 44 45 46

DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 19. Dezember 1622, Nr. 2. DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 31. Dezember 1622, Nr. 2. DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 20. April 1623, Nr. 1. DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 19. September 1623. DTB Paul Steins, Eintrag zum 13. April 1629, Nr. 2 (fol. 24v).

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Der geistliche Apparat vor Ort

leugnete und ganz auf den Zuträger schob, der »ein narr und leichfertiger gesell sey«.47 Danach hören wir in den Diensttagebüchern Paul Steins lange Zeit nichts mehr darüber, bis die Situation mit einer unter dem 8. März 1630 vermerkten Eingabe seiner Ehefrau zu eskalieren beginnt: »Adam Leuchters, des schulmeisters und opffermanns zu Sipperhausen, Ambts Homberg, fraw klagt uber ihren man, das er, seinen hiebevor zu verschiedenen mahlen gethanen zusagungen zuwieder, sie nach, wie vor, ubel tractire, und schlage, auch ihr gezeug, so sie in der kirch gehabt, auf die gasse gesetzt, und sie von sich gejagt habe«.48

Daraufhin schrieb Paul Stein an den neuen Sipperhausener Pfarrer, den Sohn des vorigen, Johann Pflüger, »das er und die seniorn hirvon ihre wissenschafft und darbeneben, ob er [Leuchter] auch bishero schule gehalten und wie die gemeinen mit ihme zufrieden seyen, anhero berichten« sollten, darüber hinaus beschied er Adam Leuchter für den 17. März 1630 nach Kassel.49 Den Bericht des Pfarrers über Adam Leuchters Leben und Wandel liefert am 17. März seine Frau ein, während er selbst »ungehorsam« ausbleibt.50 Am selben Tag reichte aber erneut Curt Martin eine Klage über den Opfermann ein.51 Das Bild, das Paul Stein so gewann, führte zu derselben Maßnahme, die Adam Leuchter schon an seiner alten Wirkungsstätte in Remsfeld ereilt hatte, seiner Suspension vom Dienst, die Stein in einem Schreiben vom 17. März 1630 dem Pfarrer zur Übermittlung auftrug, mit der Bestellung, Leuchter möge am nächsten Mittwoch vor ihm, Stein, erscheinen, »umb zu vernehmen, was ich ihm seiner remotion halber ferner vorzuhalten habe«.52 Diesmal erschien Leuchter sogar schon am 23. März, einen Tag vor dem Termin: »Adam Leuchter, opfferman zu Sipperhausen, gibt sich an, und bittet mit weinenden augen, ihn mit seinen armen kindern, nicht vom dienst zu verstossen. Klagt auch uber sein hauskreutz wegen seines weibs. Ist ihm angemeldet, weil der morgende tag ihme zur verhör angesetzt, sich alsdan wieder anzugeben. Solle er gehört werden«.53

Am folgenden 24. März 1630 erreichte Paul Stein ein Interzessionsschreiben Hermann Leuchters für seinen Vetter Adam, »das in ansehung seiner kleinen unerzogenen armen kinder er beym dienst gelassen werden möge«. Adam Leuchter selbst musste er aber wieder wegschicken, da nicht nur »seine hausfraw 47 48 49 50 51 52 53

DTB Paul Steins, Eintrag zum 7. Juli 1629, Nr. 1 (fol. 34v). DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 8. März 1630, Nr. 1. DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 8. März 1630, Nr. 1. DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 17. März 1630, Nr. 2. DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 17. März 1630, Nr. 3. DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 17. März 1630, Nr. 4. DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 23. März 1630, Nr. 4.

Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner

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aussen blieben«, sondern »der begehrte bericht wegen der gemeine auch nicht eingeschickt« worden war. »Als ist ihme befohlen, heut uber acht tage, den 31. huius sich wieder alhiro zu sistiren, und seine hausfraw, auch angeregten bericht mit sich zu bringen«.54 Was am 29. März 1630 die Gemeinde Sipperhausen »durch ihrer nachbarn einen anzeigen« ließ, macht deutlich, dass es in diesem Konflikt mehr als eine Front gab und dass Adam Leuchter auch Beschützer hatte. So ließ die Gemeinde ausrichten, »das sie gern wegen ihres opffermans Adam Leuchter anhero schrifftlich berichten wolten, so durfften sie es wegen der oberkeit zu Homberg nicht thun, welche bey dem opfferman hielte; inmassen sie dan einen Curt Martin genant, der uber ihn bey mihr geklagt, in den thurm setzen lassen, und ihm, da er der hafften erlassen, fünff fl. [Gulden] straff, wie dan auch noch andern fünff nachtbarn, welche die warheit wieder den opfferman berichtet, an fünff fl. straff abgefordert. Sonstet liessen sie durch ihn, den abgefertigten, muntlich anzeigen, das der opfferman keine schule halte, stets in den wirtshäusern liege, und sich mit den leuten schelte und schlage. So lebte er auch mit seinem eheweib in beharrlicher uneinigkeit und gebe der gemeine groß ärgernuß. Wolten derentwegen gebetten haben, ihn abzuschaffen, und sie mit einem andern opfferman und schulmeistern zu versehen. Idem befragt, ob ihr opfferman auch des dienstes, seit der zeit er suspendirt worden, sich enthalten; sagt, nein, er hette jederzeit biß noch sein ambt mit leuten, singen und dergleichen verrichtet; wüste auch niemand in den gemeinden darum, das er seines ambts suspendirt sey«.55

Dem Abgesandten entgegnete Paul Stein darauf, er »wolte zu angesetztem tag der gemeine schrifftlichen berichts gewertig sein, und würden sie daran die beambten zu Homberg nicht hindern«. Außerdem, so Paul Stein, habe er »an den pfarhern geschrieben, und ihm scharff verwiesen, das er nach vorgangener suspension des opffermans ihn nichstoweniger das ambt habe lassen verrichten«, auch er solle daher »zu angesetztem tage neben dem opfferman alhiro erscheinen und vernehmen […], was ihme derentwegen vorgehalten werden solle«.56 Hier begegnet Paul Stein auf den ersten Blick nicht verständlichen Widerständen der lokalen landesherrlichen Obrigkeit. Offensichtlich hatte es der Opfermann Adam Leuchter verstanden, sich während seiner Zeit in Sipperhausen einflussreiche Freunde zu machen, die ihn nun, trotz seiner offensichtlichen Verfehlungen, schützten. Solche lokalen Netzwerke waren für den von Kassel aus Anweisungen erteilenden Superintendenten nicht leicht zu durchdringen, zumal sich in diesem Fall offenbar sogar der Pfarrer des Ortes hatte einschüchtern lassen. 54 DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 24. März 1630, Nr. 2. 55 DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 29. März 1630, Nr. 1. 56 DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 29. März 1630, Nr. 2.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Wie vereinbart erschien Adam Leuchter am 31. März 1630 vor dem Superintendenten und überreichte ihm zwei Schreiben. Im ersten Schreiben entschuldigt er sich für den versäumten Termin am 17. März, der mit spanischem Wachs versiegelte Umschlag des Pfarrers, der ein Schreiben von ihm und die Zitation nach Kassel enthielt, sei »von seiner hausfrawen aber eröffnet, und zurück gehalten worden«.57 Als zweites überreichte Leuchter dem Superintendenten »[e]in schreiben des pfarhers Johan Pflugers, darinnen er berichtet, das die gemeinen seinen vorigen bericht, den er anhero wegen des opffermans gethan, hetten hören verlesen, und denselben durchaus approbirten, auch uber die darinnen befindtlichen klagpuncten, ferners nichts zu klagen hetten. Intercedirt darauf fur den opfferman, das er auf hoffnung der besserung zum wenigsten biß auf nächstskünfftigen Michaelis bey seinem dienst geduldet werden möge«.58

Darauf wurden Leuchter, nach einer Anhörung, im Beisein der Kasseler Pfarrer Thomas Wetzel und Johann Daniel Starck »seine vielfaltige excesse scharff verwiesen, auch die remotion angekündigt«. Als er aber auch hier wieder »mit weinenden augen geklagt, das er mit seinen unerzogenen kindern nirgend hin wisse, auch besserung zugesagt und zum wenigsten ihn biß auff nechstskunfftigen Michaelis [29. September 1630] beym dienst zu lassen, instendig gebetten, so hat man sich endlich dahin resolvirt, das er versuchs weise, ob er sich bessern wolte, biß auff nechstskunfftigen Johannes Baptistae tag [24. Juni 1630] geduldet, und alsdan nach befindung fernere verordnung seinetwegen geschehen solle«.59

Im Diensttagebuch zu den Jahren 1630/31 findet sich nur noch ein Eintrag zu Adam Leuchter : Curt Martin ließ offenbar nicht locker und reichte am 1. April 1630 erneut »eine klage ein in seinem und etlicher einwohner daselbst nahmen«. Dass Leuchter sich wesentlich gebessert hätte, ist nicht anzunehmen. Denn im vierten Eintrag zum 19. Januar 1633 taucht Leuchter im Diensttagebuch Paul Steins wieder mit einer wenig rühmlichen Erwähnung auf, immerhin war er trotz aller Vorkommnisse bis dahin im Amt. Als ein Homberger Einwohner um einen Dienst als Opfermann ansuchte, schrieb Paul Stein an den Homberger Metropolitan Bartholomäus Arcularius, »wegen des opffermans zu Sipperhausen, Adam Leuchters, ergerlichen lebens erkundigung einzuziehen, und mich davon zu berichten«.60 Solche langwierigen und notorischen Fälle waren selten. Sie zeigen aber die ganze Problematik der geistlichen Herrschaftsdurchsetzung aus der Kasseler Zentrale, die Einbindung der Geistlichen in lokale Netzwerke, deren Behar57 58 59 60

DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 31. März 1630, Nr. 1 (darin Unterpunkt 1). DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 31. März 1630, Nr. 1 (darin Unterpunkt 2). DTB Paul Steins 1630/30, Eintrag zum 31. März 1630, Nr. 1. DTB Paul Steins 1632/33, Eintrag zum 19. Januar 1633, Nr. 4 (unter »Eodem [die]«).

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rungsvermögen und das mitunter schwierige Kooperationsverhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit. bb) Die Praxis der Stellenbesetzung – Wunsch und Wirklichkeit Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse der Gemeinden und die schwierigen Umstände der Zeit nahm Paul Stein auch in anderem Zusammenhang, wie ein Eintrag in seinem Diensttagebuch zum 11. April 1628 zeigt: »B[ürgermeister]. und Rath zu Immenhausen schicken ein schreiben ein, darinnen sie sich entschuldigen, weil ihre brieffe hin und her verstecket, können sie auff ein eil die begehrte documenta, das ius praesentandi an der schulen daselbst damit zu bescheinigen, nicht einschicken. Bitten darneben, weil sie jederzeit solch ius gehabt, den newlich praesentirten Georg Soistman zu confirmiren«.61

So lautete die Antwort auf die Aufforderung Paul Steins an die Immenhausener Stadtobrigkeit, »zuvorderst, das ihnen das ius praesentandi zustehe, mit gnugsamen documentis zu bescheinen und selbige mihr in originali vorzeigen zu lassen. Alsdan ihrer praesentation statt gegeben, und darauff geschehen solte, was gestalten sachen nach sich gebühren wolle«. Stein forderte zugleich auch den Immenhausener Pfarrer, Philipp Nolthenius, auf, »umb bericht, sonderlich, ob nicht das [geistliche] ministerium zugleich mit zu conferiren hab«,62 bemühte sich aber auch selbst um Aufklärung: »Beym f. consistorio hab ich aufsuchen lassen, wie es hiebevor mit der praesentation der schulen zu Immenhausen gehalten worden, und befunden, als anno [1]617. Justus Hentzenkius von dar naher He[i]sebeck zum pfarhern verordnet, das zwahr der rath damals M. Molitorem schulmeistern zum Kirchhain dem consistorio vorgeschlagen (aber nicht praesentirt), und gebetten, daß er ihnen zu einem schulmeister confirmirt werden möchte. Es hat aber damals das consistorium, dieses vorschlags unerachtet, M. Crönerum, auf sein ansuchen, daselbsthin zum schulmeister verordnet, und an den pfarhern und rath geschrieben, ihn einzuführen; und ist in solchem schreiben ihrer praesentation gantz nicht gedacht worden. Dieses hab ich deme von ihnen praesentirten Georg Soistman angezeigt, und ihm vermeldet, da er zum schuldienst zu Immenhausen gelangen wolte, solte er es durch eine supplication bei mihr suchen, und nach befundener qualification der beforderung gewertig sein«.63 61 DTB Paul Steins, Eintrag zum 11. April 1628, Nr. 4. 62 DTB Paul Steins, Eintrag zum 1. April 1628, Nr. 4, dort wird »Georg Soistman« als »studiosus Caldensis« bezeichnet, also aus Calden bei Kassel stammend. Der Pfarrer antwortete, gemäß dem Eintrag zum 5. April 1628, Nr. 1 im DTB Paul Steins: »Pfarher zu Immenhausen, Philippus Nolthenius, berichtet in schrifften, das er bey der pfarr daselbst wegen des iuris praesentandi in der schulen, keine nachrichtung befinde. Das praesentationschreiben Georg Soistmans habe er nicht mit underschrieben und gesiegelt, weil solches an ihn nicht begehrt worden«. 63 DTB Paul Steins, Eintrag zum 12. April 1628, Nr. 5.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Daraufhin schickte »Bürgermeister Quand zu Immenhausen […] ein intecessionschreiben ein für Georg Soistman, das er zum schuldienst naher Immenhausen befördert werden möge«,64 worauf es im dritten Eintrag zum 17. April 1628 im Diensttagebuch Paul Steins heißt: »Georg Soistman ist in gehaltenem examine zimlich qualificirt befunden, und auf gewisse maß, daß er sich in seinen studiis fleissiger, sonderlich in grammaticis, uben solle, zum schulmeister naher Immenhausen confirmirt, ihme auch an den pfarhern, bürgermeister und rath der introduction halber befehl mitgetheilet worden«.

Hatte also ein politisches Gemeinwesen, wie eine Stadt, Schwierigkeiten ihr Präsentationsrecht für Pfarr- und Schulstellen nachzuweisen oder waren die Patronatsverhältnisse unklar, fanden die Superintendenten weniger reglementierte Wege und empfahlen sie. So auch 1629 in Wolfhagen. Am 28. Oktober dieses Jahres teilte der Kaplan dieses Ortes dem Kasseler Superintendenten Paul Stein den Tod des Pfarrers Johannes Vietor mit.65 Noch am selben Tag »Mittag um 1 Uhr« brach Paul Stein, nach dem Eintrag in seinem Diensttagebuch, zur Visitation nach Grebenstein, Zierenberg, Immenhausen und Breuna auf, wo er »die rechnungen der casten, hospitalien und siechen häuser abgehöret«. Während er sich in Immenhausen aufhielt überreichten ihm die Wolfhagener Kirchen- und Schuldiener ein Präsentationsschreiben der Stadt zur Regelung der Nachfolge des verstorbenen Pfarrers: »M. Vulckman, Caplan zu Wolffhagen, und M. Kuchenbecker, Rector der Schul daselbst, uberlieffern zu Immenhausen den 1 ten hujus [= des Monats November] praesentationem der Statt Wolffhagen, darinnen Burgemeister und Rath zum Pfarrambt praesentiren M. Joannem Vulckmannum, Caplan, M. Kuchenbecker zur Caplaney, Kuchenbeckers Collegam zum Rectorat an der schule, und an dieses stelle Eckbrecht Vietorem, Breunensem, und, da eß der abschluge, Cunradum Jorenium, Balhornensem. R[esolvi]: Seind beide naher Caßel bescheiden, daselbst resolution zu erwarten«.66

Die Entscheidung darüber, wie die Pfarrei Wolfhagen zu bestellen sei, sollte aber, nachdem am 6. November auch noch der Kasseler Hospitalspfarrer mit einem »rescriptum principis« sein Interesse an der Kaplansstelle zu Wolfhagen bekundet hatte, gemäß dem Dafürhalten der Geheimen Räte, dem Landgrafen selbst vorbehalten bleiben.67 Am 16. November hat 64 DTB Paul Steins, Eintrag zum 16. April 1628, Nr. 8. 65 DTB Paul Steins, Eintrag zum 28. Oktober 1629, Nr. 1 (fol. 51v). 66 DTB Paul Steins, Eintrag zum 6. November 1629, Nr. 2 (fol. 52r). Paul Stein war am 4. November 1629 »alhir wider von der vorgesetzten visitation spät angelangt«, schrieb diesen und andere Einträge also im Nachgang dazu und nahm sein Diensttagebuch allem Anschein nach nicht mit auf Reisen. 67 DTB Paul Steins, Eintrag zum 6. November 1629, Nr. 6 (fol. 52v oben).

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»M. Johannes Volckman, Caplan zu Wolffhagen, […] auff der Freyheit alhir eine predigt gehalten ex psal. 87. Nach mittag ist mit ihme aus der predigt conferirt, undt sind dardurch seine progressus explorirt worden. Demnach ist ihme angedeutet worden, daß dennechsten Ihrer F. Gn. darvon referirt, und nach entpfangener resolution fernere verordnung ergehen soll«.68

Vorbehalte gegen die menschlichen oder fachlichen Qualitäten der Präsentierten waren aber nicht das Problem. Vielmehr informierte Paul Stein Bürgermeister, Ratsherren und die ganze Gemeinde zu Wolfhagen am 6. Dezember 1629 darüber, dass ihnen gar nicht das Präsentationsrecht zustehe: »Dieweil sich nun bey der superintendentz alhir und sonstet klare nachrichtung befindet, das das ius praesentandi so wohl an der pfarr, als caplaney Wolffhagen, nicht euch, sondern vorhochgedachtem unserm gnedigen F. und Herrn, Landgraff Wilhelmen zu Hessen zustendig; so hab angeregtes praesentationschreiben ich euch hirmit wieder zurück fertigen wollen, werdet ihr euch ins künfftige angeregten iuris praesentandi unangemasset lassen. Ob man auch wol befugt gewesen wehre, zu mehrer verwahrung Ihrer F. Gn. rechtens, den von euch zur pfarr praesentirten Vulckmannum zu verwerffen, und mit einer andern tüchtigen person das erledigte pfarrambt zu ersetzen; dieweil aber doch die von euch angezogene ursachen, umb welcher willen ihr seiner zum pfarherrn begehrt, erheblich, er auch in gehaltener probpredigt und examine darzu gnugsam qualificirt befunden, so habe Ihre F. Gn. in die gesuchte succession, und das er, M. Vulckmann an des verstorbenen pfarherrn, Ehrn Vietoris s[eligen]. stelle verordnet werden solle, gnedig verwilligt […]«.69

Mit Schreiben vom 11. Dezember 1629 wurde Johannes Volckmann, der bisherige Kaplan, zum Pfarrer und damit Metropolitan der Klasse Wolfhagen »confirmirt und bestettigt«.70 In seinem nachfolgenden Schreiben vom 18. Dezember 1629 machte Paul Stein die Vertreter der Stadt darauf aufmerksam, dass sie auch ihre vorigen Pfarrer und Kapläne »nicht per modum praesentandi, sondern per modum intercessionis« erhalten hätten.71

68 DTB Paul Steins, Eintrag zum 18. November 1629 (fol. 54v). Am 15. November (im DTB Eintrag Nr. 3 [fol. 53v]) war Volckmann zu dieser Probepredigt aufgefordert worden. 69 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 6 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675 (darin in einem Umschlag, betitelt: »385. Etliche Praesentations Schreiben Burger Meister und Rath zu Wolfhagen auf die 2te Predigers stelle, wie auch wegen der Schule betreffendt«, das erste Stück). 70 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 11 (Konzept, auf demselben Blatt wie das Schreiben vom 6. Dezember), StAM 318 Kassel, Nr. 1675; auch erwähnt in einer Notiz vom selben Tag (11. Dezember 1629, Nr. 2 (fol. 59r)) im DTB Paul Steins. Über Volckmann (Volkmann) siehe Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 21. 71 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675 (das vierte Stück in dem Umschlag »385. Etliche Praesentations Schreiben«).

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Umso interessanter ist unter diesen Umständen die Personalie zur Besetzung der Wolfhagener Kaplansstelle. Hierfür wurde der Vorschlag, den Schulrektor Magister Kuchenbecker auf diese Stelle zu setzen, nicht akzeptiert, sondern – wohl auf Steins Empfehlung – vom Landgrafen dazu Johannes Pforr ausersehen, der offenbar in den vergangenen zehn Jahren als eine Art Privatsekretär Paul Steins gewirkt hatte.72 Stein hatte die Gemeinde in seinem Schreiben vom 6. Dezember 1629 aufgefordert, »das ihr den von Ihrer F. Gn. mit der caplaney bey euch begnadigten Johannem Pforrium im predigen höret, und euch darauff in schrifften gegen mich glaubwürdig erkleret, ob und wie ihr mit seiner person und gaben zufrieden, mit fernerer verordnung mich darnach haben zu achten«.73 Mit einem offenbar als bewährt erkannten Einwand versuchten die Einwohner Wolfhagens ihren Unmut über die Ignorierung ihres Besetzungsvorschlags aber doch kundzutun: Sie warfen Pforr vor, er predige zu leise. Um alle möglichen Angriffspunkte auszuräumen, nahm Stein den Einwand ernst und ordnete eine zusätzliche Probepredigt in Kassel an. »Sonstet den von hochgedachtem unserm gn. fürsten und herrn mit der caplaney bey euch begnadigten Johannem Pforrium betreffend, weil ihr in gehaltener seiner probpredigt an desen person und gaben keinen mangel befunden, nur das, die von der cantzel weit gesessen euerm bericht nach ihn nicht so gahr wohl hetten vernehmen 72 Siehe dazu auch die Charakterisierung Johannes Pforrs durch Theophil Neuberger als »des vorigen Herrn Superintendenten [Paul Stein] sel. diener und schreiber« unter dem oben in Kapitel II A 1 b (zum Diensttagebuch Paul Steins) angesprochenen, von Johannes Pforr nach Steins Tod auf Befehl der Regierung angefertigten Inventar der Superintendentur-Repositur (StAM 318 Kassel, Nr. 4). Zu Johannes Pforr siehe auch den Eintrag in Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 35; Pforr wurde 1637 Pfarrer in Hohenkirchen, das zur Klasse Ahna gehörte, starb aber noch im selben Jahr in Kassel an der Pest. Zu ergänzen ist: Pforr war bis März 1622 Schulmeister in Waldkappel, am 2. März 1622 erhielt der Superintendent Georg Reinmann vom Konsistorium den Befehl, die Gemeinde Quentel aufzufordern, sich zu erklären, wie sie mit der Person und dem Predigen des Pfarrstellenbewerbers Johannes Pforr zufrieden sei und ihn zusammen mit der Erklärung zurück ans Konsistorium nach Marburg zu schicken, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 495 (im Umschlag mit der Aufschrift »Superintendentur Allendorf Acta betrifft Bestellung und Einführung der Pfarrer und deren Verhalten resp. Suspension etc. 1608 und ferner / Repositur : Classe Lichtenau, Gefach Quentel«, darin das 4. Schreiben). Allerdings ging Pforr schon nach der Plünderung Quentels 1626 wieder von dort weg, wie aus einem für Pforrs Charakter sehr aufschlussreichen Brief an Statthalter, Kanzler und Räte hervorgeht, Lichtenau 1630 Dezember 13, der vom Superintendenten Fabronius mit erbosten Randbemerkungen ob der Ansprüche und Vorwürfe Pforrs versehen wurde, Ebd. (in dem Umschlag das 6. Schreiben). Schon 1628 vermittelte Fabronius einen Vergleich zwischen Pforr und seinem Nachfolger in Quentel, Johannes Geiselius, »des 4. theils des pfar zins halber, so M. Pforr noch fordern thut«, an dem der Lichtenauer Metropolitan Caspar Rudolph Weisbrot gescheitert war, da »Ehr Johan Geiselius [von der Einigung] wider zurück gedreten« sei, Ebd. (in dem Umschlag das 5. Schreiben: Weisbrot an Fabronius, Lichtenau 1628 März 25). 73 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 6 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675.

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können; so habe ich ihn uber vorige zum offtern dieses orts gehaltene predigten, vorgestriges mitwochens in der Freiheiter kirch alhiro in zimblicher starcker versamlung nachmals eine predigt thun lassen, und hat das ministerium sich an verschiedene orter, und sonderlich an die ende der kirche der ursach halber vertheilet, umb zu vernehmen, ob man ihn allenthalben in gemelter kirch verstehen könne; da sich dan an seiner sprache und stimme, laut des ministerii einhelligen zeugnuß, kein mangel, sondern so viel befunden, das seine stimme in gedachter Freiheiter kirch dieses orts starck gnug sey ; derowegen auch kein zweiffel, er werde bey euch zum Wolffhagen, sonderlich, da er der kirchen gelegenheit recht innen, und die gemeinde seiner rede und stimme gewehnet wird, starck gnug reden, das uber ihn mit fugen sich disfals niemand werde zu beschwehren haben.«74

Nachdem er auch im Examen als qualifiziert befunden worden war, wurde er »heut dato«, am 18. Dezember 1629, dem Tag der Konzeption dieses Briefes, »zum ministerio ordinirt, und auf vorhochgedachten unsers gn. fürsten und herrn, als unzweifflichem collatori und episcopo der caplaney bey euch, gnedigen befehl zum caplan naher Wolffhagen confirmirt und bestettigt«.75 Der Schulrektor Kuchenbecker, der auch persönlich um die Diakonatsstelle nachsuchte,76 wurde auf die nächste für eine Stellenverbesserung sich bietende Gelegenheit vertröstet, »darmit er gleichwol auch seiner langwürigen schularbeit, und ewer intercession würcklichen genoß empfinden möge«.77 Wenn man liest, mit welchen Worten Paul Stein der Gemeinde Wolfhagen seinen Assistenten Johann Pforr als Diakon empfahl, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er ihn mit dieser Stelle unbedingt versorgt wissen wollte. Pforr habe »sich in das zehende jahr nicht so sehr in meinen und der meinigen eigenen privat sachen, als in publicis negociis ecclesiarum & scholarum Hassiacarum unverdrossen gebrauchen lassen, und [sei] die zeit hero manchem armen exulanten bedient [= behilflich] gewesen; dahero er weniger nicht als andere, die etwan an schulen gedienet, dermaleins befordert zu werden meritiret«.78

74 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675. 75 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675. 76 DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 19. November 1929, Nr. 1 (fol. 54v). 77 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 6 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675. 78 Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 18 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Pforr übernahm 1630 als Pfarrer auch das mit dem Diakonat zu Wolfhagen verbundene Vikariat Bründersen,79 wozu ihn »Sämtliche von der Malsburg, Hermanns Linien« präsentierten.80 Fast alle, die in Kirche oder Welt auf einer Position waren, von der aus sie hofften, Einfluss nehmen zu können oder höheren Orts auf offene Ohren zu stoßen, machten davon Gebrauch und waren darauf bedacht, ihre »Familiaren« zu versorgen. Trotzdem war Paul Stein, der das Ganze der Kirche des Landes und seines Zuständigkeitsbezirkes sowie die Ruhe darin und die weitgehende Akzeptanz seiner Entscheidungen vor Augen haben musste, um einen Ausgleich seiner eigenen und der Interessen der Gemeinde bemüht, weder konnte und sollte sich der nicht zum Kaplan beförderte Wolfhagener Schulrektor Kuchenbecker zurückgesetzt,81 noch die Gemeinde mit Johannes Pforr schlecht versorgt fühlen. c)

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Aufgrund ihrer einflussreichen Rolle, versuchten die Pfarrer, sich die Superintendenten mit kleinen Geschenken gewogen zu machen und gewogen zu halten. So schrieb der bisherige Diakon zu Niederurff, Samuel Andreas Cancrinus, als er dem Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger den Konsens der Gemeinde Jesberg überschickte, dass sie gegen ihn als Pfarrer nach seiner aufforderungsgemäß dort gehaltenen Probepredigt nichts einzuwenden hätte, ihn vielmehr – »damitt ich ihnen mitt predigen dienen könte, weill die pest zu Jespurg, Breunchenhain [heute: Brünchenhain, A. J.] undt Schlierbach [herrsche] undt alle tag zu begraben« wäre – gleich dort behalten wollten, an das Ende seines Briefes: »E[inem]. wollE[hrwürdigen]. wollte ich woll eine verehrung hierin gelegt haben, besorgte mich aber es möchte der botte irgendt es behalten u. furwenden es were ihm

79 Zur Versehung des Vikariats Bründersen durch den Inhaber der zweiten Predigerstelle, des Diakonats, zu Wolfhagen siehe Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 127 (Bründersen) sowie Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 17. 80 DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 4. Januar 1630, Nr. 2. Am 13. Januar 1630 (Eintrag Nr. 3 im DTB zu diesem Tag) forderte Paul Stein Greben, Vorsteher und Gemeinde zu Bründersen auf, Johannes Pforr »im predigen zu hören, und sich in schrifften glaubwurdig, ob und wie sie mit seiner person zufrieden, jegen mich zu erkleren, mit fernerer verordnung mich darnach haben zu achten«, die daraufhin am 8. Februar 1630 (Eintrag Nr. 1 im DTB) erklärten, »das sie mit Johanne Pforrio wohl zufrieden, und ihn fur einen pfarrhern gern haben wollen«. 81 Am 14. Februar 1630 (Eintrag Nr. 1 im DTB) hat Paul Stein dem Wolfhagener Schulrektor Magister Johannes Kuchenbecker durch Pforr »nachmals vertröstung thun lassen, das seiner, so balt nur etwas ledig werde, damit ihme gedienet sey, gedacht werden solle«.

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auf der strassen genommen worden, so balt ich nur ein pfartag kan abkommen, will ich mich selbsten hin machen undtt E. wollE. zustellen«.82

Der Superintendent möge ihm nachsehen, dass er diesmal nicht selbst nach Kassel gereist sei, um ihm das Schreiben zu überbringen und dort eine Probepredigt abzulegen, und ihm »ferner zu der pfarr beförderlich sein, solches wirdtt Gott der Allmechtige unvergolten nichtt lassen«. Neuberger notierte den Empfang dieses Briefes unter dem 25. September 1635 in seinem Diensttagebuch mit den Worten: »Den 25. Sept. hat M. Sam. Andr. Cancrinus der gemeinde zu Jesperg consens eingeschickt, daß sie zufrieden seyen ihn zum pfarrer zu haben. Ist ihm darauf die pfarr anbefohlen, aber angedeutet worden, daß er demnechsten alhir zur confirmation erscheine«.

Allem Anschein nach hat Neuberger in dieser Notsituation von einer Probepredigt in Kassel abgesehen, zumal Cancrinus ja schon vorher als Diakon zu Niederurff im Predigtamt tätig war. Nur steckte sich Cancrinus offenbar selbst mit der Pest an, sodass er schon im folgenden Jahr 1636 starb und seinen Einsatz vor Ort mit dem Leben bezahlte.83 Noch offensichtlichere Versuche, sich sein Wohlwollen zu erkaufen, ließ sich der Eschweger Superintendent Johannes Hütterodt gefallen. So bittet der Lichtenauer Metropolitan Caspar Rudolph Weisbrot am 16. Dezember 1645 Hütterodt in einem Brief, in dem er ihm zugleich den Abschluss der Kollekte zur Beisteuer der Klassenbrüder für die neue Visitierkutsche mitteilt und die Nennung eines Termins zur sicheren Übersendung begehrt, er möge ihm angesichts der Belastungen durch den Krieg und die Teuerung in seinem »hohen 70jehrigen alter auß dem gnadengelt in Soden beispringen«. Nachdruck zu verleihen versuchte er seiner Bitte mit den Geschenken, die er ankündigte oder schon seinem Sohn Daniel als Überbringer des Briefes mitgegeben hatte: »Ob ich wohl gern E[inem]. wohlEhrwürd[igen]. und h[och]g[elahrten]. g[ünstigen]. einen kalbsbraten schicken wollen, so hab ich doch denselbigen dißmahl nicht haben können, schicke derselbigen eine metze nuß, underthenig bittende, dißmahl vorlieb zunehmen, biß ich einen guten kalbsbraten nur haben kann.«84

Der Formulierung nach zu urteilen ist es nicht das erste Mal, dass Weisbrot Hütterodt Geschenke übersandte und er musste sich ziemlich sicher sein, dass 82 Samuel Andreas Cancrinus an Theophil Neuberger, Niederurff 1635 September 24, StAM 318 Kassel, Nr. 1053. 83 Zu Cancrinus’ Biographie näher unten in Kapitel V C 2 b. 84 Caspar Rudolph Weisbrot, Pfarrer und Metropolitan zu Lichtenau, an Johannes Hütterodt, Lichtenau 1645 Dezember 16, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 554 (im Umschlag das 10. Schreiben).

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sie angenommen würden. Sollte Hütterodt den »guten kalbsbraten« für gewöhnlich ohne Entgelt angenommen haben und den Geber dafür tatsächlich bei gnadenhalber aus fürstlicher Stiftung zu vergebenden Zuwendungen wie dem Visitiergeld bevorzugt oder sonst außerordentlich befördert haben, dürfte dies auch nach den Maßstäben der damaligen Zeit keiner unvoreingenommenen, unkäuflichen Amsführung entsprechen. Dass dies für Hütterodt aber offenbar normal war, zeigen zwei weitere Briefe. So ist aus dem ersten Satz, den der Nachfolger Weisbrots als Pfarrer und Metropolitan zu Lichtenau, Friedrich Lang (Fridericus Langius), am 9. April 1666 an Hütterodt richtete das Verhältnis von Gabe und erwarteter Gegengabe noch deutlicher auszumachen: »Ew[rer]. wohlE[hrwürdigen]. undt hochg[elahrten]. g[ünstigen]. uberschicke ich hiermit einen capaun zur küche, weil ich dießmahls anders nicht haben können, mit dienstfreundtlicher bitte, mihr mit den 6 fl. visitir geldern behülfflich zu sein«.85 Und auch Christoph Ellenberger, von dessen Einsetzung als Schulrektor und Diakon zu Lichtenau im Schreiben Langs die Rede ist, ließ sich selbst in seinem unter dem 15. November 1668 abgesandten Schreiben, in dem er Hütterodt klagte, sich vor Ort als pflichtvergessen verleumdet und hintergangen zu fühlen, nicht lumpen, indem er sich Hütterodts Wohlwollen durch den Hinweis zu sichern versuchte: »Zeiger dieses hatt einen welschen hahn bey sich, bitte solchen zum besten uffzunehmen«.86 Zu derselben Zeit dankt der Pfarrer zu Frankershausen, Johann Wilhelm Wagner, »bey dießen schweren geld klemmenden zeiten« Hütterodt für seine gute Beförderung bei der Auszahlung der ihm gewährten sechs Gulden Visitiergeld, indem er bei der Abholung durch seinen Knecht im Begleitschreiben bittet, Hütterodt möge die Kosten für ein halbes Viertel Wein für sich einbehalten.87 Einem weiteren Brief, in dem Johann Wilhelm Wagner bei Hütterodt für Johannes Felmede, den Sohn des jüngst verstorbenen Schulmeisters interzediert, diesem möge die Nachfolge auf der Stelle seines Vaters gegönnt werden, und außerdem, angesichts der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage, seiner eigenen Schwachheit wegen um Erlaubnis bittet, einige Predigten durch Vertreter übernehmen zu lassen, setzt Wagner die Bemerkung nach: »Schicke ein klein fäßlein brühen, bitte Ew. Hochwohlehrw. wolle mich damit nicht verschmähen. 85 Fridericus Langius, Pfarrer und Metropolitan zu Lichtenau an Johannes Hütterodt, Lichtenau 1666 April 9, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 554 (im Umschlag das insgesamt 25. Schreiben, einliegend im Schreiben des Konsistoriums an Hütterodt, Kassel 1666 April 6, über das Examen und die Einsetzung Christoph Ellenbergers als Schulrektor und Diakon zu Lichtenau). 86 Christoph Ellenberger, Diakon und Schulrektor zu Lichtenau, an Johannes Hütterodt, Lichtenau 1668 November 15, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 554 (im Umschlag das 26. Schreiben). 87 Johann Wilhelm Wagner, Pfarrer zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1664 Juli 1, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 3. Stück).

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Er ist schon ziemlich alt undt vor 3 wochen gebrauwet«.88 Dass dies nicht die erste Sendung dieser Art war, erhellt aus einem Brief, den Wagner schon einen Monat vorher geschrieben hat; den Abschnitt, in dem er um Nachsicht bittet, dass er im Moment aus gesundheitlichen Gründen weniger Predigten verrichten könne, als ihm eigentlich gebührten, beginnt er mit den Worten: »Wan Ew. Ehrwürde der brühen wohl geschmecket, soll ihm hertzlich gern daß fäßlein wider gefüllet werden, welches er mit einem wort entbieten kan«.89 Einerseits waren die Superintendenten bemüht, den Gemeinden gegenüber möglichst unparteiisch aufzutreten. Wenn es aber um die Personalpolitik ging, kamen sie um persönliche Rücksichten, auch in eigenen Angelegenheiten, nicht herum und ließen sich besondere Zuwendungen gefallen. Auch dies zeigt ihre Einbettung in ihr lokales und regionales Lebensumfeld und die Machtstellung, die ihnen von den Bittstellern zugemessen wurde.90 Die Kirche war zudem, wie die zahlreichen an die Superintendenten herangetragenen Besetzungsangelegenheiten und Supplikationen um Beförderung zeigen, durch die Herrschaftsnähe und weitgehende materielle Absicherung ihrer Amtsträger, ein attraktiver »Mobilitätskanal«91, was sich auf die Loyalität der Geistlichen gegenüber Landgrafen und Superintendenten förderlich ausgewirkt haben dürfte.

2.

Diener mehrerer Herren: Oboedienzkonflikte und ihre Auswirkungen im kirchenorganisatorischen Alltag

Die Adligen bildeten in vielerlei Hinsicht den Widerpart der Superintendenten. Nicht umsonst gibt es im Diensttagebuch Hütterodts einen »Catalogus derer vom Adel, mit welchen ein Superintendens des Rotenbergischen Becircks zu thun hat«.92 Auch von Paul Stein gibt es eine solche Übersicht. Im vierten Eintrag zum 6. März 1629 heißt es in seinem Diensttagebuch: »Der Herr Cantzlar begehrt ein Verzeichnuß deren von Adel im Nider Fürstenthumb, so annoch Lu-

88 Johann Wilhelm Wagner an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1666 Dezember 15, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 9. Schreiben, einliegend im 7. von vorn zu der Schulmeisterstellenbesetzungsangelegenheit). 89 Johann Wilhelm Wagner an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1666 November 5, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 10. Schreiben, einliegend im 7. von vorn). 90 Siehe die Auswertung der zeitgenössischen Literatur zu diesem Thema bei Weber: Luthers bleiche Erben, S. 40–46 (Kapitel 2.5: »Korruptive Wege: Simonie, Verwandtschaft und Freundschaft«). 91 Reinhard: Kirche als Mobilitätskanal, S. 348–351 zu den reformatorischen Kirchen. 92 DTB Hütterodts, S. 876.

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therisch und Pfarren zu conferiren haben« (fol. 15v), woraufhin er »[d]as Verzeichnuß deren von Adel, so Ich weiß« am 7. März zur Kanzlei schickte.93 Außerdem bestand eine lange Tradition, dass Adlige die von ihnen zu konferierenden Patronatspfarrstellen94 als ein Lehen ansahen,95 das sie vergaben und über dessen Gebrauch sie vom Inhaber einen Revers zurückerhielten. Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger missbilligte diese Praxis allerdings in der bisherigen Form, da die Pfarrdienste und Pfarreien kein Lehen seien und auch nicht den Pfarrern zum Besitz übertragen. Die Patronatsherren oder Kollatoren hätten »eigentlich das ius vocandi, daß sie einen pfarrer beruffen, nominiren, praesentiren, welcher, so er vom episcopo [– dem Landesherrn, A. J. –] tüchtig erkent würd, und auch der gemeinde annemlich ist, bestettigt würd«.96 Asmus von Baumbach, der hier als Patronatsherr der zur Klasse Borken gehörenden Pfarrei Nassenerfurth den Anlass für die Auseinandersetzung gab,97 war hessen-darmstädtischer Geheimer Rat und Obrist, weshalb Neuberger in seinen Verhaltensanweisungen an den Pfarrer vom 15. Juni 1638 zur Untermauerung seiner Ansicht den als polemischen Seitenhieb gegen den konfessionellen und territorialen Gegner zu verstehenden Satz schrieb: »davon der H. Obriste sich auch auß den consiliis theologicis Dedekenni,98 eines lutherischen theologi, kan 93 DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 7. März, Nr. 1 (fol. 15v). Das »Verzeichnuß deren Lutherischen von Adell deß Nider Fürstenthumbß Heßen, so Pfarren zu conferiren haben, So viel mir deren bewust seind« liegt in StAM 22 a 1, Nr. 225; es ist in die Nennung der Adligen »Im becirck Caßel« und »Im becirck Rottenburg« unterteilt und endet mit dem Hinweis: »Wer etwa sonsten mehr auß der Ritterschafft Pfarren im Nider Fürstenthumb zu conferiren, könte im Dorffbuch bey F. Cantzley nachgesucht werden«. 94 Eine Übersicht über Geschichte und Gegenwart des Patronats liefert Arnold: Das Kirchenpatronat. 95 Siehe dazu den instruktiven Überblick bei Volkmar: Niederadlige Kirchenherrschaft, insbes. S. 623. 96 Theophil Neuberger, Superintendent des Bezirks Kassel, an Johannes Kuhn, Pfarrer zu Nassenerfurth [heute Stadtteil von Borken im nordhessischen Landkreis Schwalm-Eder], Kassel 1638 Juni 15 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1437. 97 Siehe das Präsentationsschreiben des Asmus von Baumbach (»der Eltter«) zur Besetzung der Pfarrei Nassenerfurth mit Johann Kuhn, der bisher als Adjunkt seines verstorbenen Schwiegervaters Peter Krug in dem in der Pfarrversehung verbundenen Trockenerfurth gewirkt hat, adressiert: »Denen ehrwürdigen hochgelarten zue dem geistlichen f[ü]r[stlich]. h[essischen]. consistorio zue Cassell verordneten Herrn Superintendenten und andern Räthen etc. Meinen hochgeehrten herrn und gueten freunden«, Gießen 1638 April 28, StAM 318 Kassel, Nr. 1080. Zur Adjunktion in Trockenerfurth und prospektiven Pfarramtssukzession des Johann Kuhn siehe das Schreiben des Kasseler Superintendenten Paul Stein an Greben, Vorsteher und ganze Gemeinde zu Trockenerfurth im Amt Borken, Kassel 1634 Februar 26, ebenfalls in StAM 318 Kassel, Nr. 1080. 98 Gemeint: Georg Dedeken (1574–1628), der als Pfarrer zuletzt seit 1606 an der Hamburger St. Katharinenkirche wirkte, siehe: Bertheau: Dedeken, Georg. Sein wirkmächtigstes Werk sind die drei Bände und ein Ergänzungsband der erstmals 1623 erschienenen Gutachtenund Entscheidungssammlung »Thesauri Consiliorum et Decisionum […]«.

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belehren lassen, wie auch auß Theod[ori]. Reinkings Tractatu de regim[ine]. polit[itico] et eccl[esiastico]«,99 zumal die aus dem Jahr 1572 stammende Kirchenordnung mit der entscheidenden Passage100 in Niederhessen dieselbe sei wie im zu dieser Zeit Darmstädtisch regierten Oberfürstentum. Indes scheint es sich hauptsächlich um rechtsterminologische Differenzen gehandelt zu haben, denn einen Schein, in dem der Pfarrer versichert, Asmus von Baumbach »und keinen andern für den collatorem dieser pfarre, und patronum zu erkennen, zu ehren und zu halten«,101 gesteht Neuberger dem beharrlichen Adligen102 zu und unterbreitet Johann Kuhn, dem designierten Pfarrer zu Nassenerfurth, in seinem Schreiben dafür sogar einen Formulierungsvorschlag, während er auf die Rückseite der von diesem überschickten »Copia Lehen reverses deß Pfarrers zu Nassen Erfurth« aus dem Jahr 1638 schrieb, »würd nit gebilligt«103. Die Reformationsordnung von 1572 sah noch ein anderes damit verbundenes Problem, das der Simonie, des Kaufs geistlicher Ämter : »Nachdem auch etzliche collatores (wie uns glaublichen anlangt) bisweilen mit denjenigen, so sie zu pfarren praesentiren, umb ein besonder liebnus oder leihgeld pacisciren, auch zu zeiten an den pfargütern und gefellen etzlich stück (so sie ein reservat nennen) vor sich ausdingen und behalten, solchs aber nicht unbillich vor ein unzimbliche und in recht verbotene, auch dem heiligen ministerio verkleinerliche simoni und mercanzei zu halten, so wöllen wir dasselbig hiermit genzlichen abgeschafft und so wol den collatoren bei verlust ihrer collaturen als den praesentirten pfarherrn bei entsetzung desselbigen ihres pfardiensts geboten, auferlegt und befohlen haben, daß sie desfals untereinander kein pact noch geding machen, viel weniger von den praesentationen oder auch den pfargütern etzwas, es sei wenig oder viel, nehmen oder geben, sondern sich dessen bei vermeidung obgesetzter straf genzlich enthalten«.104

Auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass Simonie in Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert noch eine Rolle spielte, so wird der Paragraph doch wörtlich in der Reformationsordnung in Kirchen- und Policey-Sachen von 1656 wieder99 Gemeint wahrscheinlich: Theodor Reinkingk [1590–1664]: Tractatus de regimine seculari et ecclesiastico, v. a. S. 532 (Liber III. De Regimine Ecclesiastico. Classis I. Caput 7. De Visitatione Ministrorum Ecclesiae). 100 Neuberger verweist auf den Abschnitt »Von annehmung und beurlaubung der predicanten« der Reformationsordnung von 1572, EKO Bd. 8, S. 396–398. 101 Theophil Neuberger an Johannes Kuhn, Pfarrer zu Nassenerfurth, Kassel 1638 Juni 15 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1437. 102 Siehe das erneute Schreiben des Asmus von Baumbach an Theophil Neuberger, Gießen 1638 Juni 20 (oder 29?), StAM 318 Kassel, Nr. 1080, mit dem von Baumbach eine »beglaubte abschrifft meines vorigten pfarrers M. Petri Krugij von sich gegebener recognition« überschickte; diese, datiert auf den 29. November 1611, liegt heute in StAM 318 Kassel, Nr. 1437. 103 StAM 318 Kassel, Nr. 1437. 104 Reformationsordnung 1572, EKO Bd. 8, S. 397 (rechte Spalte).

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holt,105 und auch die das geistliche Regiment betreffenden Fragen zur Landesvisitation von 1667 sprechen das Thema noch an,106 in beiden Fällen scheint es aber mehr historische Reminiszenz als noch tatsächlich virulentes Problem gewesen zu sein.107 Aus Neubergers Ausführungen zur Frage eines Lehenreverses erhellt auch seine Kenntnis der kirchenverfassungsrechtlichen Literatur der Zeit. In einem von ihm stammenden Gutachtenentwurf, die »in adelichen dörfern Hessens […] von etlichen nobilibus den superintendenten streitig gemachte inspection und visitation betreffend«,108 führt er als mögliches Gegenargument zur Position der dem Landesherrn zustehenden weltlichen und geistlichen Oberherrschaft korrekt mit Buch, Titel, Kapitel und Randziffer den »Tractatus de Jurisdictione« des Greifswalder Staatsrechtslehrers Matthias Stephani an (»Matth. Steph. lib. 3. de Jurisd. p. 1. c. 14. n. 93«),109 dessen Bruder Joachim den Augsburger Religionsfrieden auf die griffige Formel »cuius regio, eius religio« brachte.110 So existierten nichtreligiöse, säkulare Hospitäler und milde Stiftungen, die ohne die Autorität des Bischofs errichtet und den Armen gewidmet worden seien, diese unterstünden der Sorge der Patrone und nicht der Bischöfe. Alle Obrigkeiten, auch die Gerichts- und Patronatsherren, müssten aber in weltlichen und geistlichen Dingen, »in politicis« wie »in ecclesiasticis«, einen Oberherren anerkennen, der in evangelischen Territorien eben der Landesherr sei, der das Aufsichtsrecht über beide Bereiche in sich vereine, zumal in Hessen der Erzbischof von Mainz dem Landgrafen die geistliche Jurisdiktion ausdrücklich 105 Reformationsordnung in Kirchen- und Policey-Sachen 1656, HLO II, S. 408 (Kapitel 3 [»Von Annehmung und Beurlaubung der Prediger«], § 8 mit der Überschrift: »Alle Simoney und Mercantzey ist verbotten.«). 106 Katalog der 24 das geistliche Regiment betreffenden Fragen, KKAE Best. 3, Nr. 1701 (im Landesvisitationsumschlag das 14. Stück), dort die 23. Frage: »Ob u. was die pfarrer u. schuldiener pro praesentatione geben müßen, u. weme, ob sie auch sonst zu ihrem ampt zu gelangen eins u. anderes geben müßen, auch weme u. wie viele«. 107 Siehe aber die in der Anmerkung zu Kapitel 3, § 8 der Reformationsordnung in Kirchenund Policey-Sachen 1656, HLO II, S. 408 angeführten aktualisierenden Edikte, das Konsistorialausschreiben und die Verordnung zum crimen Simoniae aus den Jahren 1711 und 1726 und die ausführlichen Titelangaben in Anm. 3 c), f), g), h) zur Reformationsordnung von 1572 in HLO I, S. 367. 108 »Inspection und Visitation der Kirchen in adelichen Dörfern Hessens. Gutachten, die von etlichen Nobilibus den Superintendenten streitig gemachte Inspection und Visitation betreffend.« (Umschlagaufschrift), Entwurf von der Hand Theophil Neubergers, undatiert (nach 1635, da der Prager Frieden erwähnt wird), StAM 22 a 1, Nr. 380. 109 Matthias Stephani: Tractatus de Jurisdictione, S. 134 (im ersten Teil des dritten Buches, in Kapitel 14 bei Randnummer 93): »Sunt enim & hospitalia non religiosa sive secularia, quae sine Episcopi authoritate exstructa, & pauperibus destinata sunt: & haec ad patronorum curam pertinent […] & non ad Episcopum […]«. Zum Patronatsrecht im Kontext der Pfarrerberufung, Weber : Luthers bleiche Erben, S. 31–33. 110 Zu dieser Formel und zu den Brüdern Stephani: von Friedeburg: Widerstandsrecht und Landespatriotismus, S. 269 mit Anm. 4; Heckel: Staat und Kirche, S. 79f., 228.

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überlassen habe. So argumentiert, kurz zusammengefasst, Neuberger. Er spricht dabei ein Schreiben derer von Schenck zu Schweinsberg an, die, »als H. Landtgrave Ludwigs zu Darmbstadt f. g. das gantze Oberfürstentum einbekommen, […] mit dem superintendenten zu Marpurg in gleichen Mißverstandt geraten«, indem sie ihre Pfarreien, unter Verweis auf ein Gutachten der Juristenfakultät Rostock,111 nicht von ihm visitieren lassen wollten. Ein solches Schreiben der Schencken aus dem Februar 1625 findet sich abschriftlich im höchstwahrscheinlich von Neuberger angelegten »Copialbuch« der Superintendentur Kassel,112 und gibt uns damit quasi einen Einblick in sein Büro. Johann Kuhn erhielt die Pfarrstelle zu Nassenerfurth, konnte sich aber anscheinend verbessern, indem er 1641 in das zur Klasse Homberg gehörende Wabern wechselte. Damit stellte sich ein neues Problem, denn offensichtlich war es »bey dissen beschwärlichen krigsleufften« nicht leicht, einen geeigneten Kandidaten für die Nachfolge in Nassenerfurth zu finden, zumal »es dan auch unmöglichen, daß wegen der grund verderbnus selbigen orts itziger zeit ein pfarrer des lebens uffenthalt haben könte«.113 Die Reformationsordnung von 1572 sah vor, »im fall der collator hierinnen fahrlessig sein und aufs lengste in zweien monaten nach beschener erledigung der pfar kein qualificirte person praesentiren würde, so soll der superintendens desselbigen zirks ohn alle mittel die pfar, damit sie lenger nicht ledig stehe und die leut verseumbt werden, zu bestellen macht haben«.114 Schließlich konnte am 19. September 1642 Adam Georg von Baumbach dem Konsistorium Georg Dolaeus präsentieren, einen Theologiestudenten, der bei ihm und seinem Bruder Wolf Henrich als Kollatoren 111 Von diesem Gutachten der Rostocker Juristenfakultät schreibt Neuberger in seiner Äußerung über die »Inspection und Visitation der Kirchen in adelichen Dörfern Hessens« (StAM 22 a 1, Nr. 380): »Und erinnere ich mich, daß fast vor 30 jaren uf der von Dalwig zu Lichtenfels begeren, die Juristen Facultet zu Rostock ein ansehnlich consilium gestellet, und darinnen deduciret hat, daß die iura episcopalia, ut vocant, cuilibet magistratui ordinario, etiam inferiori, zustuenden«. Wenn mit dem anschließend angeführten Schreiben derer von Schenck zu Schweinsberg, die sich – ohne sie zu nennen – auf die Rostocker Juristen stützten, tatsächlich jenes von 1625 gemeint ist, würde die erinnerte Angabe über den Entstehungszeitpunkt des Consiliums »fast vor 30 jaren« Neubergers Stellungnahme über die »Inspection« ganz an das Ende seiner Lebens- und Amtszeit datieren. 112 Sämtliche Schencken zu Schweinsberg an Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, Schweinsberg 1625 Februar (Tagesdatum offengelassen), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 234f. Am unteren Rand von fol. 235v hat Neuberger eigenhändig notiert: »wegen kirchen u. kastensachen«, kannte also die sonst nicht von seiner Hand stammende Abschrift dieses Schreibens der Schencken. 113 Adam Georg von Baumbach, auch im Namen seines Bruders Wolf Henrich, an Theophil Neuberger, Gießen 1641 August 27, StAM 318 Kassel, Nr. 1080, mit dem Rückvermerk von Neubergers Hand: »Adam Georg von Baumbach wegen bestellung der pfarr Nassen Erfurt, u. das Ehr Joh. Kuhn ad tempus dieselbe furter versehen möge«. 114 Reformationsordnung 1572, EKO Bd. 8, S. 397 (Abschnitt: »Von annehmung und beurlaubung der predicanten«).

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»umb die belehnung unndt praesentation der pfar zu Nassen Erffurth sampt deren zubehörung, altem herkommen gemeß, […] nachgesucht« habe. Das problematische Wort »Belehnung« scheint hier, solange die Patrone keinen klassischen Lehenrevers forderten, nicht gestört zu haben und zeigt einmal mehr, wie üblich dieser Sprachgebrauch in dem Zusammenhang auch in nachreformatorischer Zeit war. Wenn die Herren Konsistorialräte Dolaeus »genugsamb qualificiret befinden werden«, bitten die Patronatsherren, ihn zu dem Pfarrdienst zu bestätigen.115 Im Diensttagebuch Neubergers lesen wir, dass am 29. April 1642 neben einem anderen »Georg Dolaeus im predigen gehört u. examinirt, jener zimblich wol, dieser [Dolaeus] aber etwas schlecht bestanden«; am 28. November 1642 wurde er trotzdem »publice ordinirt, u. zum pfarrer zu Nassen Erfurt confirmirt«. Am 9. März 1643 berichtete die Gemeinde Trockenerfurth dem Kasseler Superintendenten Neuberger auf dessen Aufforderung über ihren Eindruck von Georg Dolaeus, den sie am Neujahrstag in ihrer Kirche gehört hätten. An seiner Lehre und Gaben verspürten sie keinen Mangel, allerdings sei ihnen der Borkener Pfarrer und Metropolitan Gerhard Stirn »zum ordentlichen pfarrer anbefohlen worden«, mit dem sie in jeder Hinsicht »deromaßen wohlzufrieden, daß wens sein köntte, wir so lang er unß vorstehen kan, undt wil, keines andern begehren«.116 Dass die Einwohner von Trockenerfurth überhaupt separat um ihre Meinung gefragt wurden, liegt wohl daran, dass Trockenerfurth ehemals eine selbstständige Pfarrei war, die noch immer unter dem eigenen Patronat derer von Urff stand, aber als Vikariat durch den Pfarrer von Nassenerfurth mitversehen wurde.117 Die Gemeinde Trockenerfurth spricht in ihrem Schreiben an Neuberger noch von der Präsentation Dolaeus’ durch die »Urffischen vormunder«. Beide Geschlechter einigten sich 1661 auf den Übergang des Patronats über Trockenerfurth an die von Baumbach, womit Adam Georg an beiden Orten im eigenen Namen einen gemeinsamen Pfarrer präsentieren konnte.118

115 Adam Georg von Baumbach schreibt »Denen ehrwürdigen hochgelarten herrn zu dem geistlichen fürstl. consistorio zu Cassel verordtneten Herrn Superintendenten undt andern Räthen, meinen hochgeehrten herren undt guten freunden«, Gießen 1642 September 19, StAM 318 Kassel, Nr. 1080. 116 Senioren, Kirchenvorsteher und ganze Gemeinde zu Trockenerfurth an Theophil Neuberger, Trockenerfurth 1643 März 9, StAM 318 Kassel, Nr. 1080. 117 Siehe hierzu genauer: Bach: Kirchenstatistik, S. 89; Hochhuth: Statistik, S. 84. Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 94 bezeichnet zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Werks, 1780, Trockenerfurth und Haarhausen (»Hahrhausen«) als Filialen von Nassenerfurth. 118 Adam Georg von Baumbach an Johann Heinrich Stöckenius, Superintendent und Konsistorialrat zu Kassel, Nassenerfurth 1661 Juli 14, StAM 318 Kassel, Nr. 1080, mit der Präsentation eines Pfarrers namens Johann Gunst.

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Patronat und Kirchenbaulast: Die Auseinandersetzungen um die Pfarrbesetzung und den Pfarrhausbau in der Deutschordenspfarrei Felsberg Das Verhältnis von Geistlichkeit und lokaler Nobilität in der »Adelslandschaft an der Werra«119 ist schon in mehreren Arbeiten instruktiv beleuchtet worden.120 Hier soll der Blick auf einen besonderen Akteur auf diesem Feld gelenkt werden, den Deutschen Orden. Auch er war eine Größe, die der Landesherr so weit wie möglich zurückzudrängen versuchte, ohne sie ganz ausschalten zu können. Dies lässt sich am Beispiel der Deutschordenspfarrei Felsberg zeigen. Neben Reichenbach (bei Hessisch Lichtenau)121 war Felsberg eine der frühesten Niederlassungen des Deutschen Ordens in Hessen.122 Formal behielt der Orden seine Stellung hier bis 1809,123 allerdings schränkte man die Ausübung seines Patronatsrechts nach der Reformation, als kein Ordenspriester mehr die Pfarrversehung wahrnahm, praktisch ein. So schreibt Ledderhose in seinem »Kirchen-Staat«: »Dieses Patronat-Recht erstrecket sich nicht auf die Würde eines Metropolitans, um welche, da sie von freyer Vergebung des Landesherrn abhänget, besonders nachgesuchet werden muß«.124 Spürbar wurde der Konflikt daher gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als sich die besondere Stellung einzelner 119 So die Begriffsprägung von Heide Wunder in ihrem Aufsatz »Adelige Gutswirtschaft in Schwebda«, S. 261. 120 Allen voran: Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten (mit geographischen Zuordnungen sowie tabellarischen Übersichten und statistischen Auswertungen); auch Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit; siehe weiter die Beiträge in Ebert / Rogmann / Wiedersich / Wunder (Hgg.): Schwebda – ein Adelsdorf im 17. und 18. Jahrhundert, sowie Diehl: Adelsherrschaft im Werraraum. Das Gericht Boyneburg im Prozess der Grundlegung frühmoderner Staatlichkeit. 121 Dazu: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 174f. 122 »Am 28. Mai 1247 verlieh Herzog Heinrich von Brabant als Vormund seines Sohnes Heinrich, des spätern ersten Landgrafen von Hessen, das Patronat der Kirche zu Felsberg dem Deutschen Orden, eine Verfügung, die von des Herzogs Witwe Sophie am 25. März 1248 bestätigt wurde. Der Orden gründete hier eine Komthurei, die bis zur Auflösung desselben in den Staaten des Rheinbunds im Jahre 1809 bestanden […] hat« (Grotefend: Zur Geschichte von Burg und Stadt Felsberg, S. 157; siehe auch: Bach: Kirchenstatistik, S. 100). 123 Zum Ende der Patronatsherrschft des Deutschen Ordens über die Pfarrei Felsberg merkt Wilhelm Grotefend im dritten Teil seines 1891 erschienenen Beitrages »Zur Geschichte von Burg und Stadt Felsberg«, S. 184 an: »Während Kurfürst Wilhelm I. nach seiner Rückkehr aus der Verbannung viele Maßnahmen der fremden Regierung nicht anerkannte, ließ er sich doch die Folgen einer Anordnung Napoleon’s, welche auch Felsberger Verhältnisse betraf, recht gern gefallen, ich meine die Auflösung des Deutschen Ritterordens, welche der Kaiser am 24. April 1809 für die Rheinbundstaaten ausgesprochen hatte. Dadurch fielen dem Königreich Westfalen und hernach dem Kurfürstenthum Hessen erhebliche Güter und Rechte zu. Unter Anderem ging das Patronat über die Stadtkirche zu Felsberg mit der dortigen Ordenskomthurei, dem jetzigen Pfarrhause, und ihren Ländereien für immer in staatliche Hände über«. 124 Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 79.

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städtischer Pfarreien herauszubilden begann.125 Landgraf Wilhelm IV. lehnte den vom damaligen Statthalter der Ballei Hessen mit Schreiben vom 17. Juli 1591 präsentierten126 Jonas Tonsor ab, weil er, nach dem Urteil des Superintendenten Bartholomäus Meier, »in der new erdachten ubiquetetschen lere ertzogen« sei,127 mit 28 Jahren128 noch zu »geringen alters, daß er auch selbst in die schul zu füren, auch mit allerhant schwermereyen behafftet sein, unnd singulares opiniones haben soll. Welche gesellen wir aber in unsern landen biß dahero nit geduldet, auch fürters dieselben bey uns einschleiffen zu lassen gar nicht gestatten können«,129 zumal an einem so exponierten Ort, »so uns zum nechsten an unser hoffhaltung und der offenen strassen gelegen«, sodass es Wilhelm IV. »ungelegen, das er uns deren ende vor der thür sitzen und seinen irwahn und unreine lehre den unsern einbilden solte«.130 Bartholomäus Meier schlug dem Landkomtur der Deutschordensballei Hessen, zwischen 1591 und 1593 richtiger Statthalter, Wilhelm von Oeynhausen,131 daher vor, Wigand Pfaff, Pfarrer zu 125 Schon 1551 gelangte Martin Bischoff, genannt Breit (die beiden Namen finden sich auch andersherum), zum Felsberger Pfarramt ohne vorherige Präsentation des Landkomturs, »auch hernacher in anno etc. 1580 alß er verstorben, ohnerachtet der Landtcommenthur Alhardt von Herden M[agister]. Casparum Sturmium an seine statt praesentiret, dannoch unser Herr Vatter [Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, A. J.] christmilder gedechtnus, solche praesentation hindangesetzt, M. Davidt Bramerum vorgeschlagen, denselben auch dahin gnedig setzen undt einführen laßen, welches er der Landtcommenthur damalß nicht wiederfochten«, Landgraf Moritz von Hessen-Kassel an Friedrich von Hörde, Landkomtur des Deutschen Ordens zu Marburg, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (in diesem Umschlag zu Felsberg das 21. Stück, das Zitat darin auf fol. 3v); der OriginalBriefwechsel zu Bramer findet sich am Ende von StAM 22 a 8, Nr. 295; zu den beiden Pfarrern Bischoff und Bramer, Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 515f. 126 Wilhelm von Oeynhausen an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, Marburg 1591 Juli 17, StAM 22 a 8, Nr. 302 (in diesem Umschlag mit der Aufschrift: »T[eutonici]. O[rdinis]. Praesentation auf die Pfarrey Felsberg« das 5. Stück); erneute Präsentation Jonas Tonsors mit Schreiben vom 20. August 1591 (Ebd., Nr. 6). 127 Bartholomaeus Meier an den Landkomtur Wilhelm von Oeynhausen, Kassel 1591 Oktober 6 (Abschrift für den Landgrafen; undatiertes Übersendungsschreiben dazu unter den an 4. Stelle ineinanderliegenden Schreiben das zweite), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 3). 128 Wilhelm von Oeynhausen an Landgraf Wilhelm IV., Marburg 1591 August 30, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 7). 129 Landgraf Wilhelm IV. an den Landkomtur Wilhelm von Oeynhausen, Neukirchen 1591 August 25 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 2 (Felsberg, darin Nr. 2). 130 Landgraf Wilhelm IV. an den Landkomtur Wilhelm von Oeynhausen, (ohne Ort, Kassel?) 1591 September 22 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 1). 131 Nach der Übersicht der »Komthure von Marburg oder Landkomthure von Hessen«, in: Voigt: Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens in seinen zwölf Balleien in Deutschland, Bd. 1, S. 662f., hier S. 663 war von Oeynhausen nach dem Tod seines Vorgängers Georg von Hörde seit 1591 zunächst Statthalter der Ballei Hessen, bevor er ihm von 1593–1609 im Amt des Landkomturs folgte. Allerdings kritisiert Niederquell: Im Kampf um die Reichsunmittelbarkeit. Die Geschichte der Deutschordensballei Hessen vornehmlich im 16. Jahr-

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Waldkappel, zu präsentieren.132 Auch wenn Wilhelm von Oeynhausen weder die Vorwürfe gegen Jonas Tonsor nachvollziehen konnte, noch, warum die ersatzweise von ihm Präsentierten133 nicht berücksichtigt wurden, musste er sich der Berufung Wigand Pfaffs,134 des bisherigen Inhabers der Waldkappeler Pfarrerstelle, deren Besetzung früher ebenfalls dem Deutschen Orden zugestanden habe,135 fügen.136 Interessant für die hessische Sichtweise und den weiteren Umgang mit dem Patronat des Deutschen Ordens über die Pfarrei Felsberg ist die Schilderung des

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hundert, in einer Anmerkung zu seiner »Beilage Die Landkomture der Ballei Hessen bzw. die Komture von Marburg seit etwa 1500« auf S. 231 die Aufstellung Voigts als »[e]ine recht unzuverlässige Liste« und präsentiert stattdessen an diesem Punkt eine fortlaufende Amtsfolge ohne Statthalter-Intervall. Allerdings hat Voigt ausweislich der Urkundenüberlieferung im Staatsarchiv Marburg an diesem Punkt Recht, siehe StAM Urk. 37, Nr. 4047 vom 31. Mai 1591 n. St. (»Erzherzog Maximilian, Deutschmeister, konfirmiert den Komtur zu Griffstädt, Wilhelm v. Oinhausen, zum Statthalter der Ballei Marburg.«) und StAM Urk. 37, Nr. 4063 vom 7. Dezember 1593 n. St. (»Erzherzog Maximilian, Deutschmeister, ernennt Wilhelm v. Oinhausen zum Landkomthur der Ballei Hessen.«), Onlinedigitalisate der Urkunden mit zitiertem Kurzregest im hessischen Archivinformationssystem Arcinsys. In der hessen-kasselschen Überlieferung wird von Oeynhausen allerdings, ungeachtet dieser Übergangszeit, stets als Landkomtur angesprochen. Bartholomaeus Meier an den Landkomtur Wilhelm von Oeynhausen, Kassel 1591 Oktober 6 (Abschrift), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 3). Wilhelm von Oeynhausen an Landgraf Wilhelm IV., Marburg 1591 Oktober 7, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, unter den an 4. Stelle ineinanderliegenden Schreiben das letzte, vierte). Die Ablehung der ersatzweise Präsentierten, des Kaplans zu Melsungen oder des Schulmeisters zu Felsberg, findet sich im Schreiben Landgraf Wilhelms IV. an Wilhelm von Oeynhausen, Kassel 1591 November 17 (Abschrift), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 18); hierin gab Landgraf Wilhelm IV. auch zu bedenken: »[…] weill wir selbstet (wie auch andere fürstliche persohnen) je bißweilen zu Felßbergk unsern nachtlager hetten, auch daselbstet die predigten gottliches wortts höreten, das ihr dan ein gottsfürchtigen gelertten man unsern superintendenten benenn wollet, damit nicht allein die pfar wiederumb besteltt werden, sondern mitt wilchem man auch für den leuten bestehen und keinen schimbff einlegen mochte«. Zu ihm: Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 516f. Wilhelm von Oeynhausen an den Kasseler Superintendenten Bartholomaeus Meier, Marburg 1591 Oktober 8, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, Ausfertigung darin Nr. 16, Abschrift Nr. 8). »[…] Ingleichen ist in anno etc. 1591 nach ermeltes Brameri todt uff g[nädigen]. befelch unsers Herrn Vatters, der letzt verstorbene pfarherr M[agister]. Wigandus Paffius, des damahligen Landtcommenthurs, Wilhelm von Oinhaußen, praesentation undt contradiction ungeachtet, naher Velßbergk versetzt, undt durch den gewesenen Superintendenten alhiro, weylandt Bartholomaeus Meyern der gemeinde daselbst vor einen prediger verkündiget undt furgestelt worden, welches auch endtlich ermelter Landtcommenthur der von Oinhaußen nicht verhindern mögen, sondern willig gestattet, ihnen Paffium auch mit der pfar belehnet, undt gehörigen revers daruber von ihme uff undt angenommen«, Landgraf Moritz an den Landkkomtur Friedrich von Hörde, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 21, das Zitat dort fol. 3v–4r).

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Vorgangs durch Bartholomäus Meier. Der Landkomtur/Statthalter Wilhelm von Oeynhausen habe »einen jungen Magistrum Ionam Tonsorem von Treisa stipendiarum maiorem so aber sein maiorat noch nicht impliret uff die pfar Velsperg zu einem zukunfftigen pfarhern praesentiret. Wan aber derselbige ein ser junge unansehnliche person unnd der Hunischen lere [= der Lehre des Marburger Theologieprofessors Ägidius Hunnius folgend, A. J.] von der ubiquitet zugethan, wie ich aus mit im gehabten unterreden vermerckett, hab ich im den bescheidt gegeben, mir wollt nicht geburen on E. f. g. vorwissen in dießer sachen etwas furzunemen. So wer auch bis anhero dieser gebrauch gehalten worden, das eine tuchtige qualificirte person von E. f. g. mit zeitlichem radt unnd bedencken hertzu deputirt und verordnet worden, welche dan hernach dem Landt Commenthur von wegen des ordens zu belehnen zugeschicktt worden were, in massen sich dan nicht thun lassen wollt das E. f. g. alls dem landsfursten in bestellung einer solchen pfar vom collator sollt furgegrieffen werden. Dießen proceß dardurch dem Teutschen Orden nichts an seiner habenden gerechtigkeit benommen wurde, kundte man dißmalls auch hallten«.137

Im Falle der Vakanz der Felsberger Pfarrstelle sollte also dem Komtur der Ballei Hessen vom Kasseler Landgrafen eine geeignete Person vorgeschlagen werden, die er dann präsentieren konnte, womit sein Präsentationsrecht nur noch als leere Hülle fortbestand. Als Wigand Pfaff 1617 starb, musste sich der neue Landkomtur Friedrich von Hörde138 mit der Nichtberücksichtigung des von ihm präsentierten Johann Strack, »jetzigen pfarherrn zu Eilenhausen undt Werßhausen«,139 noch stärker vor den Kopf gestoßen fühlen. Denn Strack, der als Stipendiat der Stadt Wesel in Marburg, wo er am 15. Juni 1615 auch ordiniert worden war, sowie in Herborn 137 Begleitbrief Bartholomaeus Meiers, mit dem er das Präsentationsschreiben des Deutschen Ordens für Tonsor an Landgraf Wilhelm IV. übersandte, Kassel 1591 Juli 26, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, unter den an 4. Stelle ineinanderliegenden Schreiben das dritte). 138 Am 20. Februar 1617 n. St. konfirmierte der Deutschmeister Erzherzog Maximilian von Österreich nach dem Tod Wilhelm von Oeynhausens den bisherigen Statthalter Friedrich von Hörde zum Landkomtur der Deutschordens-Ballei Hessen, StAM Urk. 37, Nr. 4296; bereits am 12. Mai 1613 n. St. war Friedrich von Hörde zum Coadjutor der Ballei Hessen ernannt worden, StAM Urk. 37, Nr. 4272. 139 Präsentationsschreiben Friedrich von Hördes für Johann Strack, gerichtet an Präsident, Assessoren und Räte des geistlichen Konsistoriums zu Marburg, [Marburg] 1617 Dezember 16, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 9), das der Landkomtur, nachdem die Konsistorialräte dessen Annahme verweigert hatten, direkt an den Landgrafen nach Kassel schickte (so die Darstellung im Schreiben des Landkomturs an Beamte, Bürgermeister, Rat und ganz Gemeinde zu Felsberg vom 17. Januar 1618, StAM 22 a 8, Nr. 302 [Felsberg, darin Nr. 11]). Die Ortsnamen beziehen sich wahrscheinlich auf das ostwestfälische Eilshausen, heute ein Ortsteil der Gemeinde Hiddenhausen im Kreis Herford, sowie auf Wehrshausen bei Marburg; in dem angeführten Schreiben an die Gemeinde Felsberg spricht der Landkomtur von Strack nur als »jetzo pfarhers zu Eilenhausen«. Ob und wie Johann Strack mit dem gleichnamigen Kasseler Superintendenten verwandt war, bleibt unklar.

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studiert hatte, war den Konsistorialen bekannt, konnte Empfehlungen hessenkasselscher Theologen vorweisen und galt als guter Prediger.140 Allerdings hatte Moritz, nachdem er vom Tod Pfaffs erfahren hatte, seinen Konsistorialräten schnellstmöglich aufgetragen, den Pfarrer aus dem benachbarten Gensungen, Johannes Junius, nach Felsberg zu setzen, um einer Präsentation durch den Landkomtur des Deutschen Ordens unbedingt zuvorzukommen.141 Als Johann Strack das Präsentationsschreiben des Landkomturs dem Konsistorium in Marburg persönlich übergeben wollte, hätten die Konsistorialräte die Annahme desselben verweigert,142 damit man, wie sie selbst einräumten, »I. f. g. befelch nicht zu wieder thete«.143 Friedrich von Hörde, der die Ablehung des von ihm gemachten Vorschlags nicht nachvollziehen konnte, sich vielmehr absichtlich 140 Landkomtur Friedrich von Hörde an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Marburg 1617 Dezember 18, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 19). Die biographischen Angaben zum Studium stammen aus dem beiliegenden Empfehlungsschreiben des Marburger Theologieprofessors Gregor Schönfeld für Johann Strack, Marburg 1615 Juni 15 (Abschrift), adressiert an den Obristleutnant Johann Melchior von Schwalbach, der sich auf Bitten Graf Johanns VI. (des Älteren) von Nassau-Dillenburg nach einem Feldprediger für dessen Sohn Wilhelm umsehen sollte; die Kompanie Reiter, die dieser führen sollte, wurde aber schon bald wieder abgedankt, wie aus dem Zeugnis Graf Johanns, Siegen 1615 August 9 (Abschrift), über das Wohlverhalten Stracks hervorgeht; die Ordination habe »heut morgen« stattgefunden; ebenda liegt abschriftlich auch Stracks Zeugnis, ausgestellt ebenfalls am 15. Juni 1615, unterschrieben von den Theologieprofessoren der Universität Marburg (Gregor Schönfeld, Caspar Sturm, Johannes Molther, Raphael Eglinus). Außerdem führt Friedrich von Hörde in einem Schreiben an Beamte, Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Felsberg vom 17. Januar 1618 an, Strack habe »alhier bey der gantzen stadt Marpurgk, da er offt undt vielmahls auch in der pfarrkirchen geprediget und die heilige sacramenten administriret, ein gutes zeügnüs, also daß ich selbst ihnen seiner mir hochgerüemten und hernacher ahn ihme befundenen herlichen gabe zu predigen halben anhero zum predig ampt beruffen, uber anderthalb jahr bey mir im teütschen hause ahm tisch und losament gehabt habe, und weiß, daß er gnugsam und qualificiret ist, undt auch euch [den Felsbergern, A. J.] nicht mißfallen soll«, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 11). 141 »Auff den zugestelten extract des Hern Teutschen Maisters an unsern gn. fürsten undt herrn, Hern Moritzen Landtgraven zue Heßen etc. sub dato Newstadt den 25. t[en]. Aprilis Anno etc. 1618. abgangenen schreibens, daß ius patronatus undt collatur der pfar Velsperg betreffendt, berichtet das consistorium folgender gestaltt«, undatiert, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 24 [= letztes Stück im Umschlag]); am Ende dieser Schilderung aus der Sicht des Konsistoriums findet sich abschriftlich das Schreiben Landgraf Moritz’ aus Kassel vom 13. Dezember 1617, mit dem er das Konsistorium zur Besetzung der Felsberger Pfarrstelle mit Johannes Junius angewiesen hat, »damitt unß nicht etwan von dem Landt Commenthurn zue Marpurgk der collatur halben, daran wir ihme doch nits gestehen, vorgebiegt werden möge«. 142 Landkomtur Friedrich von Hörde an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Marburg 1617 Dezember 18, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 19) sowie Derselbe (Landkomtur) an Beamte, Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Felsberg, Marburg 1618 Januar 17, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 11). 143 Bericht des Konsistoriums an Landgraf Moritz, nach dem 25. April 1618, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 24, dort fol. 1v), mit Rekapitulation des Zeitablaufs und der »ordinari audientz« vom 17. Dezember 1617.

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hintergangen fühlte, drohte sogar mit der Unterrichtung des Deutschmeisters Erzherzog Maximilian von Österreich,144 vermochte den Landgrafen damit aber wenig zu beeindrucken.145 Trotz dass Landgraf Moritz gegen Johann Strack hinsichtlich seiner Eignung wahrscheinlich nichts einzuwenden hatte – »dan ob wohl, da von euch bey zeiten et re adhuc integra, M. Joannes Strackius vorgeschlagen worden wehre, deßen persohn wihr unß vielleicht genedig hetten belieben laßen, undt zue einem pfarherrn naher Velspergk uff undt annehmen mögen« –, blieb er bei seiner einmal getroffenen Besetzungsentscheidung.146 Landgraf Moritz versuchte zwar, unter Verweis auf die Abläufe bei früheren Felsberger Pfarrbesetzungen, zurück bis 1551, sein Verhalten zu rechtfertigen, machte aber insgesamt keinen Hehl daraus, dass er dem Deutschen Orden das Patronatsrecht über Felsberg in der herkömmlichen Form nicht zugestand147 und erwartete daher, der Landkomtur möge sich »in die sach bequemen, undt mit deme von unß, ehe wihr von einiger ewerer praesentation gewust, naher Velspergk verordtneten pfarherrn, wie bey derselben pfar herbracht, ohne fernere sperrung der belehnung undt reverses halber, euch vergleichen«.148

144 Zu ihm Noflatscher : Glaube, Reich und Dynastie. Maximilian der Deutschmeister (1558– 1618). 145 Der Deutschmeister kommt erstmals ins Spiel in dem Bericht, den Junius über seine auf Regierungsbefehl aus Kassel sowie mit Rat des Konsistoriums am 17. Januar 1618 erfolgte persönliche Vorstellung beim Landkomtur in Marburg (siehe Junius’ Supplikation an denselben, Marburg 1618 Januar 16 [Abschrift], im Umschlag die Nr. 10) an Kanzler und Räte zu Kassel erstattete, Gensungen 1618 Januar 19, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 22); dann ausdrücklich durch den Landkomtur selbst in seinem Schreiben an Beamte, Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Felsberg, Marburg 1618 Januar 17, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 11). Die gelassene Reaktion Landgraf Moritz’ findet sich in seinem Schreiben an den Landkomtur Friedrich von Hörde, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 21, hier fol. 1v–2r). 146 Landgraf Moritz an Friedrich von Hörde, Landkomtur des Deutschen Ordens, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 21), das Zitat fol. 4v. 147 »Wihr laßen zwahr ewer recht, so ihr oder ewer orden an besagter pfarr zue Velspergk herbracht haben möget, an seinen ortt gestellet sein, daß wihr unß aber an unserer daselbst habender ohnleugbahren geistlichen jurisdiction undt iure episcopali vorgreiffen laßen, undt euch ewers gefallens die bestellung deroselben pfarr gestatten, auch nachsehen solten, daß eben derjenige, so euch undt nicht uns gefellig undt annehmlich, dahin zum pfarherrn gesetzt undt bestettiget werde, ein solches, gleichwie es unsere löbliche voreltern, insonderheitt aber unser Herr Vatter christseliger gedechtnus, im geringsten nicht nachgegeben, also werden wihr es auch bey unß so liederlich nicht kommen, noch von euch ufftringen laßen […]«, Landgraf Moritz an Friedrich von Hörde, Landkomtur des Deutschen Ordens, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 21), das Zitat fol. 2rv. 148 Landgraf Moritz an Friedrich von Hörde, Landkomtur des Deutschen Ordens, Kassel 1618 Februar 9 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 21), das Zitat fol. 4rv.

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In diesem Zusammenhang wies Friedrich von Hörde auf den räumlichen Zusammenhang von Pfarr- und Ordensgebäuden hin, der die rechtliche Verbindung augenfällig werden lasse; es sei landkundig, »daß nicht allein die collatur oder ius patronatus obberurter pfarr meinem orden zustendig, sondern es auch mit derselben die besondere gelegenheitt hatt, daß sie meines ordens commenthurey daselbsten incorporiret, inmaßen die pfarrgebew in deroselben rinckmauren unnd bezirck augenscheinlich gelegen unnd begriffen«.149

Weiterhin gab der Landkomtur Beamten, Bürgermeistern, Rat und ganzer Gemeinde zu Felsberg in dieser Auseinandersetzung zu bedenken: »Wofern ihr aber je lieber den andern pfarherrn Johannem Junium haben und behalten wollet, so werdet ihr ihme auch von dem eweren eine competentz und wohnung ohne meines und meines ordens zuthun zu vermachen wißen«.150 In diesem Zusammenhang steht wohl auch die Mitteilung Junius’, »das des Landtcommenturs verwalter zu Fritzlar von mir copiam regiester der Felsberger pfargefelle begehret«. Der Registrator der fürstlichen Kanzlei sollte von den Räten die Auskunft einholen, »ob ich ich ihm [dem Verwalter, A. J.] dieselbige folgen laßen sölle, damit es mir hinkünftig nicht zum nachteil gereichen möchte«, wovon er ihn durch den Briefüberbringer wieder avisieren lassen solle. Wie zu erwarten, findet sich auf dem am 9. Februar 1618 in Kassel präsentierten Schreiben der Bescheid: »Räthe sollen ihme, dem verwalter, die begerte copiam ganz und gar nit folgen lassen«.151 Es hat also den Anschein, als gingen die Kasseler Verantwortlichen auch hier davon aus, der Deutsche Orden solle, trotz dass er de facto keinen Einfluss mehr auf die Pfarrbesetzung hatte, weiterhin aus seinen Einkünften für die Besoldung des Pfarrers und die Bauunterhaltung der Pfarrgebäude aufkommen. Offenbar ging diese Rechnung aber nicht ganz auf, denn 1646 schrieb der Felsberger Pfarrer Johannes Catharinus,152 der sich veranlasst sah, von seinem eigenen Geld die notdürftigsten Reparaturen durchzuführen und nun um einen Zuschuss bat, an den Kasseler Superintendenten Neuberger, er würde sonst genötigt, wider seinen Willen »umb translation […] anzuhaltten«, »wie ich dann lenger also in schwein unnd kuhn stellen mein leben zuzubringen, mein gesundtheit zu verderben, unnd mein nahrungs mittel in die schantz zue schlagen, 149 Landkomtur Friedrich von Hörde an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Marburg 1617 Dezember 18, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 19). 150 Landkomtur Friedrich von Hörde an Fürstlich Hessische Beamte, Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Felsberg, Marburg 1618 Januar 17, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 11); dies ist die Antwort auf das Schreiben derselben an den Landomtur, Felsberg 1618 Januar 14 (Abschrift), StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 23). 151 Johannes Junius, Pfarrer zu Felsberg, an Christoph Müller, Registrator der fürstlichen Kanzlei zu Kassel, StAM 22 a 8, Nr. 302 (Felsberg, darin Nr. 12). 152 Zu ihm: Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 520f.

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endlich müde gemachet werde, sonderlich wann ich keinen trost deßfals an meinen pfarrkindern, unnd dan auch der compthurey, davon dieße pfarr dependiret unnd ich deßhalben von meinen eingepfarrten auch dahin gewießen werde, haben kann, unnd also nit weiß bey meinem predigk ampt, wie andere pfarrer im lande, zu weme ich mich im fall der not zu halten […]«.153

Schon 1644 hatte sich Catharinus in dieser Angelegenheit an das Kasseler Konsistorium gewandt, wobei sein Hinweis auf das Vorgeben der wenig hilfsbereiten Gemeinde – »dann gleichwol zuvor das teutsche hauß, welches sie immer praetendiren und starck urgiren, so lang eß die collatur gehabtt ihnen jederzeitt ohne beschwerung die pfarr gebawet«154 – stark an die Vorgänge in Reichenbach erinnert. Die Gefälle des Deutschen Ordens, die Catharinus gern zum Bauen verwendet hätte – »dann so ich auf der bürgerschafft bawen wartten soltte, wirdt sich dieselbe, ihrem verlautten nach, nimmermehr darzu verstehen und alles öde und wüst wie es ist pleiben« –,155 waren aber, wie Catharinus von seinem Amtsvorgänger und Schwiegervater, dem Professor an der Hohen Schule Kassel, Johannes Combach,156 erfuhr, »den beneficiariis zuegeordtnet«, also von Landgraf Wilhelm, wahrscheinlich dem Fünften, »uff eine gewiße anzahl studierender jugent gn[ädig]. verordtnet«,157 und könnten »nicht anders wohin verwendet werden«.158 Stattdessen wiesen die Konsistorialen den Stiftsverwalter des hessisch besetzten Fritzlar an, dass er Catharinus ein Quantum aus den noch bei ihm lagernden Zehntfrüchten »zu dem vorhabenden bawe zusteuern soll«, welche Catharinus »den nechsten bey ihme gegen gehörige quittung abzulangen und zu geldt zu machen« wissen werde.159 Noch 1659 aber supplizierten die Pflegeeltern der von Johannes Catharinus bei seinem Tod 1648 vater- und kurz darauf mutterlos hinterlassenen Kinder,160 zweier Söhne und zweier Töchter, für 153 Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, an Theophil Neuberger, Superintendent zu Kassel, Felsberg 1646 März 27, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 34f., hier fol. 34v). 154 Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, an das Konsistorium zu Kassel, Felsberg 1644 Juli 12, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 17f., hier fol. 17r). 155 Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, an das Konsistorium zu Kassel, Felsberg 1644 Juli 12, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 17f., hier fol. 17v). 156 Zu ihm: Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 518f. 157 Konsistorium an Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, Kassel 1646 Mai 1 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 36). 158 Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, an Theophil Neuberger, Superintendent zu Kassel, Felsberg 1646 März 27, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 34f., hier fol. 34r). 159 Konsistorium an Johannes Catharinus, Pfarrer zu Felsberg, Kassel 1646 Mai 1 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 36). Das Konzept der Auszahlungsanordnung des Konsistoriums an den Fritzlarer Stiftsverwalter vom 1. Mai 1646 findet sich ebenda auf fol. 37 mit dem Rückvermerk »Ahn Peter Deinharden Stifts verwaltern zu Frizlar dem Pfarr zu Felsbergk zun Pfarrgebewen daselbsten ezliche Zehendt Früchte gegen quittung liefern und abfolgen zu lassen«. 160 Nach Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 520 starb Catharinus »›kurz vor Pfingsten‹ 1648«; aufgrund weiterer Hinweise daher mit der Angabe des To-

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deren weitere Ausbildung und Erziehung um die Restitution von 66 Talern, 28 Albus und 10 Hellern, die Catharinus, laut der Baurechnung, »in annis 1646 et 47 bey bewilligter erbawung einer pfarr schewer, hauslein und stalls daselbst […] ausgeschossen unnd erlegt«.161 Allerdings wurde der Erfolg der Reparaturen durch die letzten Ereignisse des Krieges, der das »an der Straße von Kassel nach Frankfurt« gelegene Felsberg ohnehin ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen hatte,162 wieder zunichtegemacht, sodass Catharinus’ Amtsnachfolger Ernst Neuberger, der Sohn des Kasseler Superintendenten, der von 1649–1677 Pfarrer in Felsberg war,163 1656 dem Konsistorium in einem Schreiben zum wiederholten Male mitteilte, »daß das pfarhauß alhier sehr bawfellig ist, das ich solches ohne gefahr leibs und lebens fast nit mehr bewohnen kann, dann von dem regen und starcken winde die ziegeln abgeworffen, auch in ao. [1]647 die kehlhöltzer und bawe auß dem tache außgehawen und das hauß also verwüstet worden, das man, wie bekandt, sich elendlich, weil auch die balcken und fosten meisten theils abgefaulet, behelffen muß, wann dann die gefahr von tag zu tag je größer wird, das ich auch mich besorgen muß, der wind werffe das tach gar erhunder, welches mir schäden gnug zufügen dörffte. Alß habe zu E[urer] E[dlen] w[ohl]E[hrwürdigen] G[roßachtbaren] h[och]g[elehrten] g[roß]g[ünstigen] die unterthenige zuflucht hiemit nehmen wollen, mit demütiger bitte, mir g[nädi]g. zu erscheinen, damit ich auß solcher lebens gefahr möge errettet werden«.164

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desjahres »1649« unzutreffend Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 2, S. 246 (im Artikel über Johannes Combach). In der Supplik der Pflegeeltern der hinterbliebenen Waisen an das Konsistorium vom 30. Mai 1659 heißt es, »daß beruhrter pfarrer [Catharinus] unnd zugleich seine hausfraw fruezeittig nach einander abgestorben unnd gar geringe mittel, massen der feind unterschiedene mahl alles abgeraubet gehabt, […] hinderlassen […]« (StAM 22 a 8, Nr. 301 [Felsberg, fol. 86f., hier fol. 86r]), was, zusammen mit weiteren Angaben, die Vermutung nahelegt, dass beide der Zermürbung durch die andauernden Belastungen des Krieges erlegen sind. »Mauritius Buchius pfarrer zu Hesselroda sampt den andern ahngewohnten freundschafft unnd verpflegern Ehrn Joh. Catharini S[eligen]. hinderlassenen pupillen« an das Konsistorium zu Kassel, Hesserode 1659 Mai 30, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 86f.). Siehe Grotefend: Zur Geschichte von Burg und Stadt Felsberg, S. 169f. Zur Berufung Neubergers als Pfarrer nach Felsberg siehe die auf Erfordern der Regentin Amelie Elisabeth abgegebene Stellungnahme des Vizekanzlers und der übrigen Konsistorialräte, Kassel 1648 Mai 19 (StAM 17 I, Nr. 4713), in der sie den »jüngst mit thodt abgangene[n] pfarherr[n] zue Felßbergk, Ehr[n] Johann Catharinus«, der auch »noch sehr jungk zue solcher pfar promoviret worden«, im kritischen Vergleich mit dem als Nachfolger ins Auge gefassten Ernst Neuberger anführen, der zwar ein Muster an Tugend und Studieneifer, im Predigen geübt sei und im Kontakt mit seinem Vater sicherlich viel erfahren habe, für die Stelle als Metroplitan in Felsberg, die eine Persönlichkeit mit Autorität über die seiner Aufsicht unterstehenden Pfarrer erfordere, doch noch sehr jung sei; nach Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 521 wurde Ernst Neuberger in »Güstrow/Mecklenburg nach 1623« geboren. Ernst Neuberger, Pfarrer zu Felsberg, an das Konsistorium zu Kassel, Felsberg 1656 Juni 20, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 55f.).

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Der geistliche Apparat vor Ort

Es dauerte aber noch ein Jahr, bis die Bemühungen um eine Reparatur wirklich Fahrt aufnahmen. Nun besann man sich auf den Deutschen Orden; dieser hatte seine Güter und Gefälle zu Felsberg 1649 an den hessischen Obristen und Kommandanten zu Marburg Johann Georg Stauff verpfändet.165 An ihn wandte sich das Konsistorium am 7. März 1657 zunächst mit einer Schilderung des Sachverhalts: »Wir laßen euch hiermit ohnverhalten, was gestalt der Teutsche Orden zu Marpurg, das pfarhauß und die schule zu Felsperg in baw und beßerung zu erhalten jederzeit gehalten gewesen, und deßen biß uff diese stunde in keiner abrede ist. Nachdem nun bey jüngster kriegs unruhe, feindlicher einquartirung und durchzüge alhier im lande, das pfarhauß zu Felsperg, welches der vorige pfarrer daselbst, Ehr Johannes Catharinus, kurzt vor solchen feindlichen einfall in etwas von seinen eigenen und biß noch vom Teutschen Orden ihm und nunmehr seinen erben nicht gut gethanen, mitteln, repariren und verbeßeren laßen, dermaßen ruiniret und weil es seidher ganz nicht verbeßert, itzo so bawfellig worden, das es ohne leib und lebens gefahr der einwohnenden lenger nicht bewohnet werden kan, sondern deßen einfall fast stündlich zu beforchten […]. Ob wir nun wol umb verbeßerung solches pfarhaußes nöhtige bawkosten zu verordnen, bei dem Landcommenthurn zu Marpurg verschiedentliche schrifftliche erinnerung gethan, so ist doch daruff biß dahero […] nichts würckliches, davon solch pfarhaus hette gebeßert […] werden können, erfolget«.166

Stauff, der momentane Inhaber der Güter des Deutschen Ordens, solle daher »die zu solcher verbeßerung nöhtige unkosten, gegen gnugsahmer euch deswegen zu thunder quitung und schadloßhaltung« vorschießen, dafür könne er »besagte Teutschen Ordens güter und gefelle so lange in gebrauch und niesung behalten […], biß euch die vorzuschießende bawkostens gelder, zusambt denen davon gebührenden zinßen volkömlich vergnüget«.167 Schon in dieser Formu165 Siehe die Urkunde über die wiederkäufliche Verpfändung auf zunächst zwölf Jahre aller Einkünfte, Nutzungen und Rechte der beiden Ordens-Kastnereien zu Fritzlar und Felsberg gegen bare Erlegung von 6000 Reichstalern zur Begleichung des der Deutschordensballei Hessen vom Deutschmeister auferlegten Anteils an den den Reichskreisen in der Reichsmatrikel infolge des Friedenschlusses zugeteilten Zahlungen, ausgestellt zu Marburg 1649 Februar 2 (Lichtmess), in StAM Urk. 37, Nr. 4412 (online); ausdrücklich erwähnt werden die Aufwendungen für Baukosten an den verfallenen Ordensgebäuden, deren Notwendigkeit dem Orden vorher angezeigt werden soll, deren Erstattung bei der Wiederablösung dem Pfandgläubiger aber zugesagt wird. Zu den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Deutschen Ordens in Hessen nach dem Dreißigjährigen Krieg, Schaal: Leichenzug und Nachlass des Landkomturs Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau, S. 34: »Im Westfälischen Frieden wurde dem Deutschmeister als Fränkischem Kreisstand die Zahlung von Schwedischen Satisfaktionsgeldern auferlegt, zu deren Aufbringung auch die Ballei Marburg herangezogen und dadurch in hohe Schulden gestürzt wurde […]«. 166 Konsistorium zu Kassel an den Obristen Hans Georg Stauff »itzo zu Hanaw«, Kassel 1657 März 7 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 57f., hier fol. 57rv). 167 Konsistorium zu Kassel an den Obristen Hans (Johann) Georg Stauff »itzo zu Hanaw«, Kassel 1657 März 7 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 57f., hier fol. 58r). Der

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lierung klingt ein Vorschlag an, den Stauff selbst kurz darauf in einem Schreiben vom 5. April 1657 unterbreitet haben muss, vielleicht könne der Landkomtur zu Marburg dahin bewegt werden, »daß er seines collaturrechts beneben denjenigen güttern, so absonderlich zur pfarr Felsperg gehörig, sich begebe«. Am 29. Mai begehrten die Konsistorialräte deswegen von dem Felsberger Pfarrer Auskunft, da ihnen, »was eigentlich vor gütter bey ged[achter]. pfarr [dem Teutschen Orden zukommen]168 gefunden werden undt ob solche so wohl jetzo als hinkünftig die bawcosten abtragen können, zu wißen vonnöthen«.169 Einige Monate später, am 28. August 1657, verlor das Konsistorium aber offenbar die Geduld, denn bis jetzt hatten sie vom Landkomtur und dem Inhaber der Felsberger Ordensgüter »nichts mehr dan allein gute vertröstung, welche keinen effect noch zur zeit erreichet, von ihnen bekommen«. Daher schrieben sie an den Verwalter, der sich um die Felsberger Güter des Obristen Hans Georg Stauff kümmerte, dass er den Landkomtur nochmals über die Lage informiere, denn Hessen-Kassel sah sich nun berechtigt, »in die gefälle zu greifen undt ged[ach]t[es]. pfarrhauß daraus repariren zu laßen«; dem Verwalter befahlen sie, »von den gefällen w[eiter?] niemandt etwas biß uf des Landtcompturs erklährung undt unßere verordtnung verabfolgen« zu lassen.170 Nachdem wieder einige Monate vergangen waren, wurden endlich wenigstens die Bauvorbereitungen ergriffen. Ende März 1658 erstattete der Pfarrer Ernst Neuberger dem Konsistorium darüber Bericht, dass am 7. November 1657 »der Trappaneyschreiber171 von Marpurg beneben einem Zimmermeister sich bey mir ahngegeben, andeutend er were von Ihrer Hochwürden dem H[errn]. Landcommenther zu Marpurg befehlcht, beneben dem Zimmermeister das bawfellige hauß, wie mann vorgebe, zu besichtigen undt in augenschein zu nehmen«. »Nachdem sie nun alles gesehen, undt selbsten die notturfft zu sein, daß dem hauß geholffen werde u. zwar mit ehisten, befunden, hat mich der Trappaney-

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Obrist Hans Georg Stauff versandte am 20. April 1657 aus Frankfurt (am Main) eine Empfangsbestätigung ans Konsistorium (Ebd., fol. 59f.). Ergänzung am Rand, daher die nicht ganz passgenaue grammatische Konstruktion. Konsistorium an Ernst Neuberger, Pfarrer zu Felsberg, Kassel 1657 Mai 29 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 61); darin wird auf das Schreiben Stauffs vom 5. April 1657 aus Frankfurt verwiesen. Siehe auch das Konzeptschreiben des Konsistoriums mit dem gleichen Anliegen an den Obristen Hans Georg Stauff »zu Hanaw«, Kassel 1657 Juni 5 (Ebd., fol. 62). Konsistorium an den Stauffischen Verwalter zu Felsberg, Kassel 1657 August 28 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 69). Der »Trapierer« (so Zedler, Bd. 45, Sp. 7) oder »Trappier« (so Grimm, Bd. 21, Sp. 1271) verwaltete nach der französischen Herkunft des Wortes »drap« für »Tuch« ursprünglich die Gewänder (draperie) der Ordensbrüder. »Heut zu Tage verstehet man durch Trappirer denjenigen, so bey den Comthureyen der Deutschen Ritter die Haußhaltung besorget, damit in Küche und Keller alle Nothdurfft vorhanden sey« (Zedler, Bd. 45, Sp. 7). Hier ist mit dem »Trappaneyschreiber« ein Bediensteter des Trappierers gemeint.

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schreiber vertröstet, daß H. Landcommenther werde gern und willig zur reparirung des haußes verhelffen laßen«. Bis Ende März 1658 hatte Neuberger aber noch nichts gehört, sodass er das Konsistorium erneut bat, sich seiner anzunehmen.172 Die Konsistorialräte kamen seiner Bitte nach, indem sie am 30. April 1658 erneut an den Landkomtur schrieben, die von ihm zum Pfarrhausbau unlängst angewiesenen Leihegelder, Pachtzinsen, könnten im Moment kaum eingebracht werden, da die Leute deren entweder nicht geständig seien »oder da sie deßen gleich überführt werden solten«, so »kündlichen unvermögens« wären, dass man von ihnen trotzdem nichts erlangen könnte, »immittelß die gefahr wegen einfallung des haußes teglich zunimt, womit es auch nunmehr so weit kommen, das sich das gantz hauß gesetzet, und die thüren und fenster nicht mehr zugemachet und verschloßen werden können, dahero den auch veruhrsacht worden, daß ihm pfarrern bey seiner jüngsten anwesenheit alhier [zu Kassel] von den dieben an etlich 10 Rhtr. wehrt entfremdet und gestohlen worden«.173

Der Landkomtur Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau,174 der in dem Schreiben von den Konsistorialen ersucht wurde, »gewiße verordnung« zu tun, »damit solch pfarhauß ohne fernern auffenthalt gebawet« werden könne,175 antwortete darauf am 13. Mai 1658, dass »in anno etc. 1648 aus meines ordens mitteln und intraden dreysig stämme holtz zu ausbeßerung dießes pfarhaußes herbey gebracht, aber nachgehendts von dem bawmeister uff den fürstlichen Mittelhoff, jegen versprochene wiedererstattung geführet undt daselbsten verbauwet worden«;176 trotz Ersuchen an den Landgrafen, »daß solch gehöltz von Ihro Fr. Gn. wieder ersetzet werden möchte«, habe er darauf bislang noch keine 172 Ernst Neuberger, Pfarrer zu Felsberg, an das Konsistorium zu Kassel, Felsberg 1658 März 22, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 71f.). 173 Konsistorium an den Landkomtur des Deutschen Ordens zu Marburg, Kassel 1658 April 30 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 80f., hier fol. 80r). 174 Zu ihm siehe die Beiträge in Katharina Schaal (Hg.): Leben und Sterben eines Deutschordensritters in Marburg. Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau 1614–1667; insbesondere Dies.: Leichenzug und Nachlass des Landkomturs Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau, S. 34f., wonach derselbe am 25. Juli 1654 in Marburg seinen Eid als bestätigter Landkomtur leistete; die Konfirmationsurkunde des Deutschmeisters datiert vom 22. Mai 1654 n. St. (StAM Urk. 37, Nr. 4426), Nordecks vorangehende Bestellung zum Koadjutor und für den Fall des Todes des Landkomturs zum Statthalter der Ballei Hessen erfolgte am 12. Juni 1652 n. St. (StAM Urk. 37, Nr. 4421). 175 Konsistorium an den Landkomtur des Deutschen Ordens zu Marburg, Kassel 1658 April 30 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 80f., hier fol. 80rv). 176 Der »Mittelhof« ist ein bei Gensungen, nahe Felsberg, gelegener Meierhof der ehemaligen Karthause Eppenberg, der in den 1650er Jahren mit der Errichtung eines Herrenhauses in einen landgräflichen Sommersitz umgewandelt wurde, siehe die Einführung zu den Digitalisaten der architektonischen Handzeichnungen des Mittelhofs von Landgraf Moritz dem Gelehrten: (Abruf: 22. Oktober 2019).

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Antwort erhalten, »ohnerachtet ich den pfarherr ahn gehörigen orthen darumb ahnzuhalten, verschiedtlich erinnern laßen«. Nach dem Gutachten des Zimmermeisters, der das Pfarrhaus zusammen mit dem Trappaneischreiber besichtigt habe, sollten dreißig Stämme Holz zur Verbesserung genügen, weshalb Pfarrer und Konsistorialräte nochmals beim Landgrafen um Erstattung des Holzes nachsuchen sollten.177 Das Angebot des Landkomturs: »Will ich alßdan, uff den fall mit den sonst ferner vorgeschlagenen mitteln kein rath zu schaffen, dahin bedacht seyn, daß mit dem handtwercks lohn anderwerts verholffen werde […]«,178 griffen die Konsistorialräte am 3. September 1658, als es darum ging, »daß zu verfertigung solches hauses die ubrige und nothwendige mittell herbey geschafft würden«, auf. Nachdem »daß von Ihrer Fürstl. Durchl. zum bawfälligen pfarrhauß daselbst gn[ädig]st. verordnete bawholtz gestellet undt durch die dienstleuthe bereits herbey geführet worden«, möge der Landkomtur »vor annahendem winter die erforderte unkosten nacher Felspergk besagtem pfarrern […] ehistes« zuschicken.179 Ob sich der Landkomtur diese direkte Aufforderung zur Kostenübernahme gefallen ließ, lässt sich aus der hier endenden Überlieferung nicht weiter rekonstruieren. Bemerkenswert ist schon allein seine Bereitschaft, sich an der Reparatur eines Pfarrhauses zu beteiligen, über dessen Bewohner er kein Mitspracherecht mehr hatte. Vielleicht war die fortgesetzte Kostentragung dem engen räumlichen Verbund von Pfarrhaus und Komtureigebäuden in Felsberg geschuldet, schließlich behielt der Deutsche Orden formal sein Patronatsrecht über die Stadtkirche sowie die Inhaberschaft seiner Felsberger Güter bis zur Auflösung des Ordens in den Rheinbundstaaten durch Napoleon 1809. Erkennbar ist das klare Bestreben auf landgräflicher Seite, die Rechte intermediärer Gewalten, wie hier des Deutschen Ordens, zur Mitsprache bei Pfarrbesetzungen und der Weisungsbefugnis gegenüber den Pfarrern zurückzudrängen. Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, wenn die landgräflichen Autoritäten trotzdem materielle Beiträge zum Unterhalt von Kirchen, Pfarrern, Pfarr- und Schulgebäuden von den sonst in ihren Rechten beschnittenen Patronatsherren forderten, da aber die Einsetzung von Pfarrern formell als ein Ausfluss des landesherrlichen ius episcopale angesehen wurde und Einfluss darauf hatte, wem sie – und ihnen folgend ihre Gemeinde – sich in ihrer Oboedienz verpflichtet fühlten, ließ man sich – solange sichergestellt war, dass der Landgraf in Besetzungs- und Konfessionsangelegenheiten das letzte 177 Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau, Landkomtur der Deutschordensballei Hessen, an das Konsistorium zu Kassel, Marburg 1658 Mai 13, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 82f.). 178 Der Landkomtur Adolph Eitel von Nordeck zur Rabenau an das Konsistorium zu Kassel, Marburg 1658 Mai 13, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 82f.). 179 Das Konsistorium an den Landkomtur in Marburg, Kassel 1658 September 3, StAM 22 a 8, Nr. 301 (Felsberg, fol. 84f.).

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Wort behielt – materiell durch die Patronatsherren gern freihalten, vorausgesetzt, diesen lag an ihrem formellen Recht so viel, dass sie mitspielten.

3.

Ihre lokale Eingebundenheit und die Vorbildrolle der Geistlichen; »Salz der Erde« und »Licht der Welt« – Die Ausschreiben des Superintendenten Neuberger

Die Pfarrer waren Teil der lokalen Gesellschaft und nahmen teil an ihrem Sozialleben. Gleichzeitig erforderte ihr Beruf, dass sie ihren Zuhörern als »Wächter« gegenübertraten,180 sie vor Verfehlungen warnten und nach Übertretungen die Sünder wieder mit Gott und der Gemeinde versöhnten. Allerdings war die Gefahr groß, dass sich die Pfarrer in eine zu enge Gemeinschaft mit ihren Gemeindegliedern, unter denen sie lebten, einließen, für sie etwa »politisch« tätig wurden oder menschlichen Versuchungen erlagen. Auch der Krieg begünstigte, dass die Menschen lernten zu improvisieren und enger zusammenrückten in gegenseitiger Not. So war in dieser Zeit das gemeinsame Verstecken von Dokumenten und Wertsachen vor dem Feind gängig und konnte bei Verrat für den Unstandhaften zu sozialen Konsequenzen führen. Dies zeigt die Rechtfertigung des Pfarrers von Martinhagen (»Merdenhagen«) bei Kassel, Daniel Hencelius, gegenüber den Vorwürfen Paul Zwitters, Einwohner des benachbarten Dorfes Breitenbach, der Pfarrer hätte ihn – weil er in einer Bedrohungssituation das Versteck in der Kirche preisgegeben und damit den Pfarrer und die übrigen Nachbarn um das Ihre gebracht habe – vom Abendmahl abgewiesen und seine Eheschließung verzögert.181 »Als er [der Pfarrer, A. J.] und andere nachbarn in anno [1]626 wegen der Baierischen weichen müßen, hab er alles das seine zurück gelassen, und dasselbe eins theils auf die 180 So die ausdrückliche Begriffsverwendung im Schreiben des Kasseler Hof- und Stadtpredigerministeriums vom 1. Februar 1629 an Landgraf Wilhelm V. (StAM 22 a 1, Nr. 106), betreffend die zügige Restitution der durch Hessen-Darmstadt abgesetzten reformierten Pfarrer, hier in der von moderner Hand mit blauem Buntstift aufgeschriebenen Foliierung fol. 50rv (verworfene Reinschrift): »Ob nun wohl in diese sach wir unß unerfordert einzulaßen nicht unbillig bedencken tragen solten, so haben wir jedoch, nach reiffer berathschlagung, bey unß in unsern gewissen anderß nicht befinden können, alß daß unß, die wir vom Allerhöchsten, wiewohl unwürdig, zu wächtern über seine kirch, theilß auch zu E. F. Gn. seelsorgern gesetzt undt verordnet seind, ambts halben gebühren wolle, in dieser nicht so sehr politischen (darinnen wir unß einzumengen niemalß gemeinet gewesen, undt noch nicht sind) alß geistlichen, die ehre deß Allerhöchsten Gottes, undt erhalt- undt fortpflantzung der wahren religion, undt reinen Gottes dienst betreffenden sach, vorgemelter unschuldig von ihren diensten verdrungener armer pfarrherrn unß anzunehmen, undt deren restitution bey E. F. Gn. underthänig, so viel an unß ist, intercedendo befordern zu helffen«. 181 Die Vorwürfe im DTB Paul Steins 1628, Eintrag zum 22. März 1628, Nr. 3.

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kirch an einen heimlichen ort gebracht, da auch die nachbarn das ihre darbey gehabt, welchen ort Paul Zwitter zugekleibet. Solch gezeug sey in die 5 wochen verborgen geblieben, ohnerachtet die Baierische sonstet die ganze kirch durchsucht, und den Kelch und andere geflöhete sachen weggeraubet. Unterdessen seyen der opfferman zu Merdenhagen, Johan Baltseher, und Paul Zwitter im dorf blieben, und naher Breidenbach kommen, da sie etliche reuter angetroffen, welche den opferman angegriffen, ihm gedrowet, er solte sagen, wo die bawren ihre pferdt und andere sachen hinbracht, oder sie wolten ihn hencken, er aber nichts gestehen wollen; hab einer aus den reutern gesagt: laß den alten gehen, wir wollen jenen, Paul Zwittern meinend, angreiffen; hab er Zwitter alsbalt auff blosse drowworte angefangen, Ach schont mihr das leben, ich weiß noch ein heimlich loch, das will ich euch weisen, und hab nicht geachtet, das ihn der opffermann mit einem knie angestossen. Darauff ihn die reuter sambt dem opfferman mitgenommen, und er, Zwitter, das loch eröffnet, das die Baierische das gezeug ihm, pfarhern, und andern seinen nachbarn genommen.«182

Als die dem Pfarrer daraufhin von Zwitters Mutter und ihrem Schwiegersohn versprochenen acht Reichstaler ausblieben, habe der Pfarrer Zwitters Güter durch den Schultheißen mit Arrest belegen lassen. Aber »[v]on der communion hab er ihn nicht abgewiesen, sondern ihn allein vermahnet, sich mit den nachbarn, welche er hart beleidiget, auszusühnen, sey auch von ihm desmahls zugelassen worden […]«, dabei habe ihm Zwitter erneut acht Reichstaler für einen neuen Mantel versprochen. Schon zuvor habe ihm Zwitters Mutter eine Metze Weizen in sein Haus geschickt, weil er ihr in ihrer Krankheit das Abendmahl zu Hause gereicht habe. »Die copulation hab er defferirt, weil er ihm die versprochene zustewer zum mantel nicht gegeben, auch seinen catechismum nicht gekönnet«. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Geschichte eines vor einem Jahr ungetauft verstorbenen Kindes wieder ausgegraben. Der Superintendent Paul Stein, vor dem Paul Zwitter und der Pfarrer Hencelius nacheinander vorsprachen, erteilte den Bescheid, den Arrest aufzuheben und Zwitter »das seine folgen [zu] lassen«, bezüglich des versprochenen Geldes solle sich der Pfarrer an Zwitters Mutter und ihren Schwiegersohn wenden. Bezüglich des ungetauft verstorbenen Kindes würde weiterermittelt. Die Episode macht deutlich, wie eng kirchliches und weltliches Leben in der Dorfgemeinschaft verbunden waren und welche Machtmittel jeder Seite zu Gebote standen. Die als Ausschluss verstandene Vermahnung zur Aussöhnung mit den Nachbarn vor dem Genuss der Kommunion konnte aufgrund der Öffentlichkeit des Abendmahlsempfangs stigmatisierende Wirkung in der dörflichen Gemeinschaft haben. Den Konnex zwischen der Verzögerung in der Eheschließung Zwitters und den Vorkommnissen um das verratene Versteck konnte der Pfarrer aber, trotz des Verweises auf Zwitters mangelnde Beherrschung des 182 DTB Paul Steins 1628, Eintrag zum 26. März 1628, Nr. 2.

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Katechismus, nicht überzeugend kaschieren. Den Einwohnern hingegen stand ihr Wissen als Waffe zur Verfügung, schließlich hätte der Vorgang des ungetauft verstorbenen Kindes dem Superintendenten ewig verborgen bleiben können. Andere Fälle von Verfehlungen der Pfarrer lassen an Eindeutigkeit in der Schilderung des Vorgefallenen nichts zu wünschen übrig, so der Vorwurf der Unzucht gegen den Pfarrer von Verna in der Klasse Homberg, Hermann Nobis183 : »Pfarrherr zu Homberg, Bartholomaeus Arcularius, berichtet wegen 1. des pfarrherrs zu Verna scortation: daß ihn nämlich ein junger gesell von 27 jahren ohngefehr, alß er 2 stier gehütet, den 4. Junij in ihrer feldmarckt, bober dem Külbach, an den eichenbeumen hergehendt gesehen habe, zu welchem sich Elisabeth, Hansen Schörgers hinderlassene tochter, so vor diesem an die beyerische soldaten sich gesellet, jetzt aber bey ihrer mutter zu Verna sich aufhelt, verfüget, u. sie beide miteinander inß korn gangen, darauf er ihnen nachgeschlichen, u. uf einem mittelkamm, zwischen Hansen Bürchen, undt Benn Wigants acker unzucht treibent gesehen habe«.184

Während wir hier nichts weiter über die Konsequenzen erfahren, ist für den Umgang der kirchlichen Obrigkeit mit Fällen dieser Art außerordentlich erhellend, was wir aus einem Eintrag im Diensttagebuch Theophil Neubergers erfahren: »Den 21. Decembris [1635] ist Johann Haaß Pf. zu Böddiger samt seinem vatter erschienen uf befehl, wie auch die seniores daselbst, und dan der schulmeister samt seiner frawen, sachen halber wie folget: Es hat die schulmeisterin alß sie einsmahls gen Niedervorschütz zur kirchweihe gehen [wollen] umbgewendet, und alß sie ungewarnet wehr heimkommen, ihre haußthür zugeschlossen funden, dieselbe aufgemacht, und alß sie die stiege hinauf mit ihrer tochter gangen, hört sie ein getrippel in der stube, u. bald läufft die magd auß der stube uf den obersten boden, u. setzt sich ins erbisstroh, die fraw eilt ihr nach u. findet sie im stroh sitzen, daß sie vornen gantz offen uf der brust war, u. sich zuschnüret; als die magd sie ersehen, kratzt sie den kopf u. rufft, Ach Hergott, ach Hergott. Bald gehet die fraw hinunder in die stube, da findet sie den 183 Der in dem hier zitierten Eintrag fehlende Name des Pfarrers zu Verna, Hermann Nobis, findet sich im DTB Paul Steins 1630/31 in den Einträgen zum 22. März 1630, Nr. 4, wo er über Injurien des Pfarrers zu Borken, Gerhard Stirn, klagt, und im zweiten Eintrag zum 16. Dezember 1630, betreffend den Ort des Kirchgangs der nach Verna eingepfarrten Bewohner der Weidenmühle. 184 DTB Paul Steins 1630/31, S. 135, zweiter Eintrag zum 22. Juni 1631, Punkt 1; der zweite Punkt im Bericht des Homberger Metropolitans Arcularius betrifft einen ähnlichen Fall aus demselben Ort, allerdings diesmal nicht unter Beteiligung eines Geistlichen: »2. Martin Kochß haußfraw zu Verna sagt, daß sie Thebes Truschen Witwen, welche sie in ihrem wonhause gesucht, mit ihr ins feld zu nemen, kraut zu setzen, mit Curt Drüschern, einem ehmann daselbst, in ihrer stuben, hinderm ofen stehent, und unzucht treibent funden habe, will auch solches auf erfordern vor der obrigkeit gestendig sein«.

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pfarrer, Johann Haaßin, hinder dem ofen (u. sagt die schulmeisterin, er hette die hosen in händen gehabt, u. zugebunden, welches der pfarrer leügnet). Aus dem allen ist ein groß geschrey worden, hat auch der müller im dorfe sein kind nit wollen von demselben pfarrer tauffen lassen etc., worüber ich den müller selbst gehört. Nun sein seniores, die schulmeisterin u. der pfarrer der länge nach hierüber gehört. Die schulmeisterin sagt auß wie obstehet. Die seniores zeugen auch, daß die mensche nichts gestünde, daß ihr der pfarrer unzucht zugemuthet hette. Summa, die seniores haben es nur vom gemeinen geschrey gehabt. Der pfarrer leügnet anfangs alles, nur sagt er, sey er ins schulhauß gangen, dem schulmeister etwas zu befehlen etc. Endlich aber, und nachdem er und die schulmeisterin confrontirt, leügnete er nichts, alß daß er die hosen sollte in händen gehabt und zugebunden haben. Uf vielfeltig zuspruch nun hat er endlich gestanden, er habe gesündigt, daß er hette die menschin oben an der brust etwas begriffen, mehrers aber nichts getan, welches er eydlich betewren könne etc. Die sach, weil sie ärgerlich, ist collegialiter von mihr mit Herrn Wetzeln, Herrn Matthaeo, und Herrn Soldan deliberirt, u. Johan Haaß ad tempus suspendirt ab officio.«185

Unter dem 11. Januar 1636 heißt es schließlich im Diensttagebuch Theophil Neubergers: »Den 11. Jan. ist wegen Johan Haaßen Pf. zu Böddiger vom gesamten ministerio deliberirt und geschlossen worden, wenn ein monat seiner suspension auß sei, daß er beneben scharffem filtz soll restituirt werden. Ist restituirt uf geschehenen ernsten verweiß, u. sein zusag der besserung den 18. Jan. 1636.«

Solche delikaten Geschichten, die die Einbindung des Pfarrers in sein soziales Umfeld sowie seine Selbstdiskreditierung als moralische Autorität zeigen, noch dazu in so ausführlicher Form geschildert, sind selten, sonst hätte das Ansehen des frühneuzeitlichen Pfarrerstandes noch mehr gelitten, als es durch die weit verbreitete Trunksucht ohnehin schon der Fall war.186 Die verhältnismäßig milde Bestrafung und Belassung in seiner bisherigen Pfarrei nach vorübergehender Suspendierung verwundert. In anderen Fällen, in denen ein Pfarrer gegen »Dienstvorschriften« verstieß (Trauung ohne genügendes Zeugnis der Ehelosigkeit) oder ein Opfermann Verbalinjurien ausgoss, Kirchendiener also nicht

185 DTB Neubergers, Eintrag zum 21. Dezember 1635; unter dem letzten Satz finden sich durchgestrichen noch die Worte: »So er dann ein weil suspendirt ist, solle er anderstwohin transferirt werden, welches ihm aber nit angesagt«. 186 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 557f., 561; von Friedeburg: Landgemeinde, S. 161 mit Fn. 38; sowie u. a. die Einträge im DTB Paul Steins 1622/23, zum 16. Oktober 1622, Nr. 3 und zum 28. Januar 1623, Nr. 1.

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Der geistliche Apparat vor Ort

nur ihre eigene moralische Integrität beschädigten, ließ man sie für bis zu zwei Tage in die Sakristei sperren.187 In den ländlichen Regionen Niederhessens repräsentierte der Pfarrer vor Ort die landesherrliche Obrigkeit und stand somit in einem gespannten Verhältnis zu seiner Gemeinde, deren Lebensweise er einerseits teilte, der er aber gleichzeitig als Amtsträger mit entsprechend vorbildlichem Wandel reglementierend gegenübertreten sollte.188 Durch die komplexe Einbindung der Geistlichen in mehrere Beziehungsnetze kann man eine direkte Umsetzung herrschaftlicher Normen von der Zentrale bis auf die lokale Ebene nicht erwarten, sondern muss eher von »Herrschaft als sozialer Praxis«189 sprechen, die je nach den situativen, persönlichen und örtlichen Gegebenheiten implementiert wurde.190 Verfehlungen der Pfarrer selbst versuchte man dabei oftmals unter Ausschluss der weltlichen Obrigkeit zu regeln, um das Ansehen des Standes durch öffentliche Auseinandersetzungen nicht noch mehr sinken zu lassen. Die heikle Lage in die dies die Superintendenten brachte, zeigen deutlich die Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger. So appelierte er in einem großen Ausschreiben vom 7. März 1643 an die Pfarrer seines Bezirks, sich dem Charakter ihres Amtes als »Salz der Erde« und »Licht der Welt« (Matth. 5,13–17) würdig zu verhalten,191 und forderte in einem Postscriptum auf: »Es wollen die metropolitani auch fleissig ihr amt darin in acht nehmen, das sie jederzeit, sonderlich aber in conventibus forschen, wo etwas von ärgernissen sich anspinnen wolle, damit demselben bey zeit begegnet, und das ministerium nit so gar zu jedermans spott werde. Und sollen die metropolitani es auch zeitlich berichten, ihnen, wo nötig, die hand zu bieten«.192

187 DTB Paul Steins, Einträge zum 8. Oktober 1622, Nr. 1, zum 12. Oktober 1622, Nr. 4 sowie zum 14. Oktober 1622, Nr. 4 (zu einem Pfarrer); 8. März 1623, Nr. 1 (Opfermann) – 10. März 1623, Nr. 2 (Opfermann begnadigt). 188 von Friedeburg: Landgemeinde, S. 158; siehe auch die Auswertung der zeitgenössischen pastoralen Ratgeberliteratur bei Weber: Luthers bleiche Erben, S. 71–102 (Kapitel 4: »Vergebliche Mühen: Der Kampf gegen Unzucht, Tanz und Eigennutz«), insbes. S. 75–79 (Kapitel 4.2: »Das Ringen um die ›Keuschheit des Priesters‹«). 189 Lüdtke: Einleitung: Herrschaft als soziale Praxis. 190 Zu diesem Begriffsverständnis von »Implementation«: Landwehr : »Normdurchsetzung«, S. 153, 155. 191 Eigenhändiges Konzept Neubergers in StAM 22 a 6, Nr. 5 (Copialbuch), fol. 98–101 (Rückvermerk fol. 101v : »Ausschreiben wegen ärgerlichen lebens etlicher Pfarrer«); Abschrift von anderer Hand mit eigenhändigen Verbesserungen Neubergers Ebd., fol. 247– 250; die von den Pfarrern empfangene Version findet sich abschriftlich im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 29r–S. 35 (Wechsel zwischen Foliierung und Paginierung); nach dieser Abschrift bringt Brunner : Theophilus Neuberger, S. 553–558 längere Auszüge. 192 StAM 22 a 6, Nr. 5 (Copialbuch), fol. 101v.

Pfarrer, Metropolitane, Schulmeister und Opfermänner

359

Dieser Appell führte aber offenbar nicht bei allen zu der erhofften Wirkung, sodass Neuberger sich gezwungen sah, seine Pfarrer am 2. August 1655 daran zu erinnern: »wie gerne ich ewer mit so offtmaligen vermahnungen und meiner selbst mit schreiben verschonen wolte, so erforderts doch die notturfft, damit anzuhalten, angesehen, daß auch die klagen uber viel pfarrer nicht nachlaßen, zu großem schimpff des ministerij, ungeachtet nach und nach einer und ander von mir, ja auch vom consistorio, vorgenommen und nach befindung gestrafft worden. Ihnen ist guten theils noch im gedechtnis, was vor ein trewhertzig vermahnungsschreiben ich anno 1643 den 7. Martij ausgefertiget, wofür auch etliche pfarrer und metropolitani, so einen guten eyffer bei sich gehabt, gedanckt haben und ist in conventibus verlesen worden, were gut, daß man damit continuiret hette. Nun wird immer fort schimpfflich geklagt, das viel pfarrer (die fromme und unschuldige gehets nicht an) wo sie nur gelegenheit haben konnen, bey ehrensachen, auch wohl in krügen und wirtsheusern sich nicht fur Gott forchten, noch fur den menschen schämen, sich wohl berauschen und vollzutrincken, dahero dann ergerliche poßen und narrentheidung, gezänck, ja schlägerei und unordentlich wesen, ja auch etwa unzucht erfolget, deswegen wir jederweil bei dem consistorio zu thun haben, scheinet, das solche leute selbst nicht glauben noch achten, was sie andern predigen, oder ja predigen sollen, und habens nur selbst ihren spott […]«.193

Man merkt den deutlichen Worten die Erregung an, aus der heraus Neuberger dies schrieb. Ein besonderes Anliegen war ihm, als Autor von Gebetbüchern, auch die regelmäßige Zwiesprache mit Gott im andächtigen, nüchternen Gebet, zu der er seine Amtsbrüder im Ausschreiben von 1643 ermahnte, sowie die anordnungsgemäße Abhaltung der Betstunden, Bettagspredigten und der Kinderlehre, die er 1655 mit Nachdruck einforderte. Außerdem taucht bei Neuberger ein weiterer Topos immer wieder auf, der des »politicus«, von dem sich die Geistlichen unterscheiden sollten, worauf er in seinem Ausschreiben von 1643 einging: »Bey gesellschafften wolle doch ein jeder sich wahren, und ufs eüsserst, als müglich, mit reden und geberden an sich halten, angesehen, daß der wenigste theil vor gut helt u. wol ufnimt und deütet, was die geistliche thun. Quot oculi et aures, tot observatores, worunter viel sein die mehr lincks als rechts sehen u. hören, und wir haben alß breitere füsse dan andere. Was auch etliche pfarrer vor einen ruhm halten, und sich gut düncken, wan man von ihnen sagt, sie seyen so zimliche politici dabey, das ist der politicorum lauterer spott, und halten selbst nit viel davon, massen auch ich es von einem pfarrer nit gern höre. Sich freündlich, bescheidentlich, und auch gebürender massen frölich bey ehrlich[en] leüten zu erzeigen wissen, ist fein. Aber das wort, ein politicus sein, hat was anders uf sich, und ich habe schon zimlich exempel erlebt, da es ubel außgeschlagen. Am aller schönsten u. löblichsten ist, wan ein geistliche person sich 193 Abschriftlich beim Empfänger überliefert im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 133–136, hier S. 133f.

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Der geistliche Apparat vor Ort

auch in worten, geberden u. wercken geistlich erzeiget und das erbauet mehr, alß wan man halb leinen und halb wöllen, halb geistlich, u. halb politisch ist«.194

Das Wort »politicus« wird hier in einen ungewöhnlichen Zusammenhang gestellt. Hugo Brunner weist darauf hin, dass »[u]nter einem ›Politicus‹ […] die Zeit einen Rechtsgelehrten« verstanden habe.195 Die negative Konnotation, die Neuberger diesem Wort gab, und die Aufforderung zur Abgrenzung ist allerdings klar erkennbar. Worauf Neuberger wohl anspielt, wird auch deutlich, wenn wir in einer Darstellung zur Dorfgemeinde im nördlichen Hessen lesen: »Der Pfarrer erfüllt neben seiner rein kirchlichen Tätigkeit auch Aufgaben als Repräsentant der Dorfgemeinde nach außen. Bei einer Anwaltsbestellung [1638] unterzeichnen für die Gemeinden Frommershausen, Dörnberg, Wolfsanger und Ihringshausen im Gericht Hasungen jeweils die örtlichen Pfarrer, während die übrigen Dorfgemeinden des Gerichts durch ihre Greben und Vorsteher vertreten werden. Bei Rechtshandlungen der Gemeinde tritt er des öfteren als Siegler auf«.196 Zu einer klaren Trennung der beiden Sphären forderte Neuberger auch in seinem Begleitschreiben auf, mit dem er an die Pfarrer und Metropolitane 1649 erneut die Regierungsverordnungen vom 28. August 1644 übersandte, vor der Kirchenpoenitenz und eventuellen Trauung nach »Hurenfällen« zuerst die weltliche Strafe und die entsprechende Bescheinigung darüber abzuwarten.197 Von den Pfarrern würde nicht erwartet, als Ankläger, Fiskal, zu agieren und die Fälle selbst der weltlichen Obrigkeit anzuzeigen, »alß welche die greben und vorstehere anzuzeigen schuldig, die beampten auch offt selbst dieselbe eher und beßer wißen, alß die pfarrer […]. Da aber die weltliche saumig wären oder durch die finger sehen, hetten sie gebührender maaßen darein zu reden, oder es ahn mich zu berichten«.198 So waren Nähe und Distanz, Kooperation und Konflikt 194 Ausschreiben Neubergers vom 7. März 1643, StAM 22 a 6, Nr. 5 (Copialbuch), fol. 99v. 195 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 556 Anm. 1, er ergänzt: »Im Jahre 1649 (Ausschr. vom 24. Aug.) hat Neuberger den Pastoren das ›Schreibenstellen in politicis‹, d. h. die Anfertigung von Kaufverträgen, Währschaften, Testamenten u. dergl., geradezu untersagt. ›Wie wir im Ministerio nicht gern sehen, dass Politici uns Eingriff thun, dass es also uns auch nicht gebühre, in ihre Sache uns zu mischen.‹ (Gudensberger Pfarreiarchiv) Vielleicht hat die bittere Not manchen Pfarrer zu dem Nebenerwerb getrieben; allein seine Stellung musste, zumal wenn die Schriftsätze falsch waren, darunter leiden«. Das von Brunner angezogene Ausschreiben vom 24. August 1649 ließ sich in der heute im Landeskirchlichen Archiv Kassel befindlichen Überlieferung des Gudensberger Pfarreiarchivs leider nicht auffinden. 196 Reyer : Die Dorfgemeinde im nördlichen Hessen, S. 21. 197 HLO II, S. 85f. (Nr. CCXIX und CCXX). 198 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger an die Metropolitane und Pfarrer seines Bezirks, Kassel 1649 Februar 26, StAM 22 a 6, Nr. 5 (Copialbuch), fol. 110, 113 (nicht eigenhändige, von Neuberger nur eigenhändig unterschriebene, an die Metropolitane von Gudensberg, Felsberg, Borken, Homberg, Ziegenhain, Treysa, Neukirch adressierte und mit seinem Verschlusssiegel versehene Ausfertigung), am Ende des Schreibens, auf fol. 110v,

Die Gemeinde als politische und kirchliche Organisationseinheit

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zwischen Pfarrern und Gemeinde, zwischen Geistlichen und Beamten ein Prozess stetiger Aushandlung.

B)

Die Gemeinde als politische und kirchliche Organisationseinheit

1.

Der Aufbau der politischen und kirchlichen Gemeinde in Stadt und Dorf – Identitäten und Inkompatibilitäten

»Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde«199 ist die Formel, die in Nordhessen für den politischen Körper einer Stadt steht und wiederholt als Absender oder Adressat in Briefen auftaucht. Diese Dreigliedrigkeit prägt auch die Verfassungsstruktur des Dorfes (»Grebe, Vorsteher und ganze Gemeinde«).200 In den meisten nordhessischen Dörfern stand als Vertreter der Herrschaft und gleichzeitig maßgeblicher Repräsentant der Gemeinde an deren Spitze ein Grebe, der sich ethymologisch von comes – Graf herleitet.201 Bei seiner Auswahl hatte die Gemeinde in der Regel ein Mitspracherecht, indem sie der Herrschaft eine Anzahl infrage kommender Dorfbewohner vorschlagen konnte, aus denen die landesherrlichen Beamten oder die adlige Ortsobrigkeit einen auswählten.202 Um die Gewohnheiten, Rechts- und sonstige Verhältnisse zu kennen, sollte der Grebe aus dem Dorf, das er repräsentierte, stammen und war meist ein Angehöriger der bäuerlichen Oberschicht, oft bewirtschaftete er sogar die größte Ackerfläche im Dorf, sodass er einen angemessenen Versammlungsraum für die Gemeindeversammlung zur Verfügung stellen konnte, über die nötige ökonomische Unabhängigkeit und zeitliche Flexibilität zur Wahrnehmung seiner

199

200

201 202

mit der Aufforderung versehen: »NB. Es soll ein jeder metropolitanus aller hiermit uberschickten sachen copiam bey sich behalten, unnd selbige seinen fratribus communiciren, damitt ein jeder bey sich haben, und sich darnach richten möge«. An sie adressiert etwa Paul Stein seine Schreiben in der oben (Kapitel III A 1 b bb) entfalteten Pfarrbesetzungsangelegenheit zu Wolfhagen, z. B. Paul Stein an Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde zu Wolfhagen, Kassel 1629 Dezember 6 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 1675; in Amtsstädten, wie Felsberg, werden – wie oben bei der Schilderung der Auseinandersetzungen um die Pfarrbesetzung und den Pfarrhausbau in der Deutschordenspfarrei Felsberg zu sehen – mitunter noch die landesherrlichen Beamten (Amtsschultheiß und Rentmeister) vorangestellt. Gleichfalls im Kontext der oben angesprochenen Pfarr- und Diakonatsbesetzung zu Wolfhagen wandte sich Paul Stein am 13. Januar 1630 (Eintrag Nr. 3 im DTB zu diesem Tag) an Greben, Vorsteher und Gemeinde des vom Wolfhagener Diakon versehenen Vikariats Bründersen, mit der Aufforderung, sich darüber zu erklären, wie sie mit Johannes Pforr, den sie im Predigen hören sollten, zufrieden wären. Reyer : Dorfgemeinde, S. 38–40. Zur Besetzung des Grebenamtes Reyer : Dorfgemeinde, S. 52.

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Amtsaufgaben sowie die dazu nötige Autorität verfügte.203 Ihm oblagen zum größten Teil Aufsichtspflichten sowie im Konfliktfall die Vermittlung zwischen Dorfbewohnern und Herrschaftsträgern, außerdem war er für die Einsammlung bestimmter Abgaben, von denen er mitunter einen Teil als Aufwandsentschädigung behalten durfte, sowie die Bagatellgerichtsbarkeit mit der Verhängung von Bußen zuständig.204 Seit dem 17. Jahrhundert wurden die Greben und übrigen dörflichen Amtsträger von der Landesherrschaft als unterste Beamtenebene aufgefasst und in landesherrlichen Ordnungen als solche erwähnt.205 Wie für die vereinzelt auftauchenden, anstelle des Greben stehenden Dorfschultheißen206 und die nachgeordneten Schöffen, deren Amtsbezeichnung noch auf ihre ursprünglich gerichtliche Funktion hinweist, gehörte die Mitwirkung bei der Rechtsprechung ursprünglich auch zu den Aufgaben des Greben. Diesem herrschaftlichen Organ waren kollegiale Dorforgane beigeordnet, in Nordhessen vor allem ein Gremium von Dorfvorstehern oder -vormündern, die jährlich wechselten.207 Im 17. Jahrhundert taucht vor allem noch im Südosten der Landgrafschaft Hessen-Kassel, an der Grenze zu thüringisch-sächsischem Gebiet, und in den zur Ganerbschaft Treffurt gehörenden Orten das Amt des Heimbürgen auf, dessen Amtsbezeichnung als »Beschützer der Siedlung« gedeutet wird.208 Vereinzelt steht der Heimbürge anstelle des Greben, meist ist er, auch als Kollegialorgan, diesem nachgeordnet und für die Einsammlung der verschiedenen herrschaftlichen Abgaben sowie vor allem die Anfertigung der Gemeinderechnung zuständig.209 In den von ihrer Größe her überschaubaren nordhessischen Dörfern spielte aber auch die Versammlung der gesamten Gemeinde, das heißt ihrer männlichen Haushaltsvorstände, eine Rolle, die unter der Glocke zur Verkündung von Ordnungen, zur Wahl neuer Ämter, zur Beratung von und Abstimmung über Gesamtangelegenheiten zusammengerufen wurde.210 Daneben unterhielten die Dörfer, gemeinschaftlich besoldet, in der Regel einen oder mehrere Hirten, die das Vieh aller hüteten, manchmal auch 203 Reyer : Dorfgemeinde, S. 51f. 204 Zu den Aufgaben des Dorfvorstehers, insbesondere des Greben, ausführlich Reyer : Dorfgemeinde, S. 55–69, zu den ihm dafür gewährten Vorrechten und der Besoldung Ebd., S. 70–74. 205 »Zum Wesen des Dorfvorsteheramtes«, auch im Hinblick auf dessen zunehmende landesund sonstige herrschaftliche Indienstnahme, instruktiv Reyer : Dorfgemeinde, S. 74–80, für die mittleren Dorforgane S. 88–90. 206 Zum Dorfschultheißen Reyer : Dorfgemeinde, S. 42–45. 207 Zu den Dorfvorstehern bzw. -vormündern Reyer : Dorfgemeinde, S. 82–84; zur Wahl der mittleren Dorforgane (Kollegialorgane) Ebd., S. 88f. 208 Reyer : Dorfgemeinde, S. 46 unter Verweis auf Wiemann: Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, S. 5. 209 Zu den Funktionen u. a. der Heimbürgen als mittlere Dorforgane Reyer: Dorfgemeinde, S. 81–88. 210 Zur Gemeindeversammlung Reyer: Dorfgemeinde, S. 23–37.

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einen eigenen Förster und einen Dorfknecht oder Feldhüter zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zum Schutz der gemeinsamen Flur.211 Dass der Pfarrer im Gefüge des Dorfes mehr als nur eine geistliche Rolle spielte, wurde schon angedeutet. Seit der Reformation war er regulär in das System der Landesherrschaft eingebunden und nahm im Rahmen der Kirchenordnung policeyliche Aufgaben wahr. In einer ähnlichen Doppelfunktion stand auch der Opfermann (Küster), dem auf den Dörfern meist zugleich das Amt des Schulmeisters oblag, wofür er von der Gemeinde besoldet wurde, oft aber so, dass die Superintendenten dafür sorgen mussten, dass er tatsächlich davon leben konnte. Als Opfermann war er für das Läuten sowie das Öffnen und Schließen der Kirche zuständig, den Gesang im Gottesdienst übernahm er in seiner Funktion als Schulmeister, wozu die Schüler mit herangezogen wurden. Die Schule war damit nicht nur ein Ort elementarer Bildung, sondern auch konfessioneller Prägung und unterstand daher der kirchlichen Aufsicht des Pfarrers und des Superintendenten. Die Kastenmeister schließlich waren für die Erhebung und den geordneten Umgang mit den kirchlichen Einkünften verantwortlich und mussten jährlich über Einnahmen und Ausgaben Rechnung ablegen. Für ein an den kirchlichen Normen orientiertes sittliches Wohlverhalten der Gemeindeglieder sollten, quasi als Augen und Ohren des Pfarrers, die Kirchenältesten, Senioren oder Presbyter sorgen, die, selbst moralisch unbeanstandet, unter der Gemeinde lebend und damit nah an deren Gliedern, Übertreter christlich ermahnten und im Zusammenwirken mit dem Pfarrer sanktionierten. Aber auch sie waren in Beziehungsnetze eingebunden und wollten daher nicht immer alles sehen und wissen. Überdies war die Sitzordnung in der Kirche ein Abbild der sozialen Verhältnisse in Stadt und Dorf, je weiter vorn, umso angesehener, sodass Auseinandersetzungen um die Inhaberschaft der »Kirchenstühle« auch als soziale Rangkonflikte gedeutet werden können.212

Schultheiß und Kirchensenior – Die Absetzung des Frankershausener Schultheißen als Kirchensenior durch den Ortspfarrer 1657 In diesem Modell des Aufbaus der politischen und kirchlichen Gemeinde kam es gewollt wie ungewollt zu Zuständigkeiten, die beide Sphären übergriffen. Dies wird deutlich an der 1657 erfolgten eigenmächtigen Absetzung des Dörnbergischen Schultheißen zu Frankershausen, Claus Rehbein, als Kirchensenior durch den Frankershausener Pfarrer Bartholomäus Lautemann, der bis dahin jahrzehntelang die Wahrnehmung beider, eigentlich unvereinbarer, Ämter in Per211 Zu diesen unteren Dorforganen Reyer : Dorfgemeinde, S. 90–95. 212 Siehe dazu, mit Verweis auf weitere Literatur, Bracht: Die Kirchensitzordnung als Spiegelbild der dörflichen Gesellschaft? Schwebda 1650–1750.

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sonalunion geduldet hatte.213 Der Pfarrer rechtfertigte die ihm nicht zustehende Absetzung, mit der er die Kompetenzen seines Amtes überschritten hatte, gegenüber dem Superintendenten Hütterodt damit, dass Rehbein das ungebührliche Verhalten der Gäste in seiner Bierschänke »umb seines privat nutzens verheelet« und sich seines Seniorenamtes auch durch das Reißen derber Zoten und das Singen unzüchtiger, unchristlicher Lieder auf Hochzeiten und Kindtaufen unwürdig erwiesen habe, daher könne er ihn, auch wenn er seine Gebrechen so lange zugedeckt habe, nun nicht mehr im Seniorenamt dulden, weshalb er den Superintendenten bitte, er wolle seine »auß eiffer zu christlicher zucht herrürende geringe irthume entschuldigen, und meine eingebrachte uhrsachen vor erhebliche erkennen«.214 Den Frankershausener Kirchensenioren Christoph Brill und Jacob Hoffesommer, die – unter Entschuldigung ihres dritten Kollegen Henrich Sachse »wegen leibes schwacheit« – am 21. Mai 1657 bei Hütterodt in Eschwege erschienen, um »wegen des von dem H[errn]. Pfrn. Lautemanno entsetzten Schultzen Clauß Rehbein, nachricht undt zeugniß zu geben«, hielt Hütterodt genau die Formulierungen aus dem Brief Lautemanns vor, wovon sie sich allerdings klar distanzierten.215 Hütterodt fragte sie schließlich »16. Ob die beide Senioren den Schultzen würdig achten das Senior Ampt ferner zu bedienen? Affirmant: der Schultze sey ein ehrlicher man u. ernsthafftig, müsse bißweilen das maul aufthun, welches H. Bartheln verdrösse. 17. Ob sie die remotion des Schultzen gutt heissen? Negant: Sie wolten in ihrem ampt des Schultzen nicht missen undt was H. Barthol itzt diesem gethan, desen hetten sie sich allesampt zu besorgen. 18. Ob sie vermeinen, daß dan H. Pfr. einige uhrsach zur remotion gehabt habe? Sagen, Nein, er hette keine uhrsach gehabt, geben dem weibe die schuld. 19. Gefragt: wie die sache zu machen, daß beide bey ehren erhalten werden, sagen, sie bätten, daß der Schultze beym ampt bleiben undt Hillebrandt Wetzel [der vom Pfarrer verkündete neue Kirchensenior, A. J.] exspectanz haben solle. Er, der Schultze, müste doch von newem aufgekundiget werden.

213 Dass es sich um den Dörnbergischen Schultheiß handelte, geht eindeutig hervor aus einem lateinischen Schreiben Hütterodts an den Frankershausener Pfarrer, wahrscheinlich von Anfang Juli 1657 (Konzept), als die von Lautemann verursachte Krise schon einige Monate schwelte, mit dem Hütterodt, um die Wogen endlich zu glätten, Lautemann auf den 7. Juli zu einem Termin nach Eschwege zitierte und eine »restitutionem in integrum« verlangte, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 48. Stück). Siehe auch den kurzen Hinweis auf die Dorfstruktur in Frankershausen bei Reyer : Dorfgemeinde, S. 83 unten. 214 Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, an den Superintendenten Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 April 22, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 51. Stück). 215 DTB Hütterodts, S. 1414–1416 (21. Mai 1657).

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Ist den senioren befohlen ihres ampts abzuwartten u. H. Bartholn zu sagen, er möchte seiner gutten gelegenheit nach ehist zu mihr anherkommen«.216

Anscheinend erschien Rehbeins Senioratskollegen die Doppelfunktion von Senior und Schultheiß sogar nützlich, um ihren Ermahnungen mehr Gewicht zu verleihen. Bis zu seiner Absetzung hatte der Schultheiß 21 Jahre als Kirchensenior amtiert, weshalb Hütterodt das Verhalten des Pfarrers eher als Ausdruck persönlicher Auseinandersetzungen deutete und dem Pfarrer daher in einem Schreiben vom 18. April 1657 schwere Vorwürfe machte: »Würdiger und wohlgelarter Herr Pfarrer, eingelegtes zeiget euch was ewer Schultze denen beambten wegen ewers procedere mit ihm, geklagt. Nun erinnere ich mich wol daß kein Schultz oder Bürgermeister Senior sein könne nach inhalt der presbyterialordnung, da er aber 14 jahr Schultze, und 21 jar Senior gewesen, und ihr solches gern nachgesehen habt, so kan ich nichts anders schließen, alß daß ihr solches auß einem eiffer gegen ihn gethan, das vorige aber auß heucheley nachgegeben habt, zu dem ist nicht in ewer macht, einigen Seniorn an oder abzusetzen und habt ihr auch hierin wiederumb die ordnung gebrochen, zum dritten ists ergerlich daß ihr solches ohne wißen der andern Seniorn gethan und pro 4. offentlich von der cantzel angezeigt, welches euch alles schwer werden wirt zuveranttwortten; stehet ohne das auch noch dahin, wie ihr die sache mit dem Junckerman so ihr zum Kastenmeister angenommen verantworten konnet oder wollet. Ist derowegen mein befehl, daß ihr den Schultzen in seinem Senior ampt unverdrungen und den von euch erwehlten vom presbyterio lasset und, neben zurücksendung der einlage, ewer verantwortung in acht tagen anhero schicket, mit dem vorbehalt, daß wo ihrs nicht verantwortet, euch die straff nicht geschenckt sein soll. […]«.217

Hütterodt scheint gegenüber Pfarrer Lautemann zunächst, aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Presbyterialordnung, die vorsah »In Anzahl der Eltisten muß man auff einer jeden Stadt, Fleckens, Dorffes und Gemeine gelegenheit sehen, unnd nach dem dieselbige groß oder klein, auch viel oder wenig Eltisten wehlen: doch also, daß alwege etzliche auß dem Raht oder Gericht jedes Ortes, (Schultheiß und Regierende Bürgermeister außgeschlossen) die andern auß der Gemeine, unnd wo möglich, nach den Quartiren hinzu gezogen werden«,218

die Absetzung des Schultheißen als Kirchensenior angeordnet zu haben, die er nun, nach tieferem Einblick in die Verhältnisse, überdacht hat. 216 DTB Hütterodts, S. 1416. 217 Johannes Hütterodt an Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, Eschwege 1657 April 18 (an Hütterodt auf dessen Bitte zurückgesandte Abschrift von der Hand Lautemanns), KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin Stück Nr. 50). 218 »Presbyterial- oder Eltisten-Ordnung« vom 7. April 1630, Titel II: Von der Eltisten Wahl, was für Personen, wie viel derselben, wann, von wem, und wie sie sollen erwehlet, confirmiret, und proclamiret werden«, § 3 (erster Teil), HLO II, S. 45–52, hier S. 47.

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Einer der Kritikpunkte, die Lautemann gegen den Schultheißen Rehbein, der ihm »in vielen stücken zuwieder gelebt« habe, vorbrachte, war, er halte seine Amtsverkündigungen sonntags nach der Predigt vor der Kirche ab, »also auch solche dinge, daß etliche nachpar mit worten zusammen kommen […], welchs mich und viel in der gemeine verdrossen, ich auch von etlich angeregt bin worden, solches nicht zu dulden, sondern mochte auffm anger solches vornehmen. Ob ich schon mit fleiß daran gehaben, und bey der obrigkeit geklagt, ihm auch eingeboten, ein solches nicht mehr zu uben, wan er aber 14 tage solches unterlassen, fehret er gleichwohl fort, fragt nach niemand, weil er schultz ist«.219

Auf die Vorwürfe des Pfarrers entgegnet Rehbein zunächst, auch zu Orferode, Frankenhain, Abterode und an anderen Orten wären die Schultheißen Senioren – würde dies in der Filiale Frankenhain geändert, würde er sein Seniorat in Frankershausen selbstverständlich auch niederlegen. Zu dem Verkünden vor der Kirche führt er an, er habe auf Anordnung seiner Oberen so gehandelt, außerdem sei dies langes Herkommen, weil die Gemeinde sonst nicht so geschlossen zusammenzubringen wäre, verkündet worden seien überdies nicht seine, sondern »der fürstl. herrschafft sachen«.220 Für Rehbeins Verbleib im Amt des Kirchenseniors setzten sich sogar andere ein, denn das Vorgehen Lautemanns, den Kirchensenior am Sonntag nach der Predigt für abgesetzt zu erklären,221 musste dieser als ehrenrührig auffassen,222 auch Rehbein selbst verwies darauf, dass er sich dadurch in seiner Ehre und seinem Ansehen im jahrelang der Gemeinde unbeanstandet geleisteten Dienst verletzt fühle. Die Worte, mit denen Lautemann seinen Brief an Hütterodt vom 27. Mai 1657, in dem er die inkriminierten Verfehlungen Rehbeins aufzählte, abschloss, lassen erahnen, dass es 219 Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Mai 27, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 52. Stück mit dem Rückvermerk Hütterodts: »Uhrsachen, warumb H. Barthol den Schulzen zu Franckershausen des Senioren Ampts entsetzet / ps. 27 ter Maij 1657.«). 220 Claus Rehbein (»Rehebein«), Schultheiß zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Juli 1, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 58. Stück). 221 In ihrem Verhör vor Hütterodt am 21. Mai 1657 antworteten die beiden Frankershausener Kirchensenioren Christoph Brill und Jacob Hoffesommer auf die Frage »1. Ob sie gehört, daß H. Pfr. Laut[emann]. den Schultzen seines Seniors Ampt entsetzet? A[ffirmant]. 2. Mit was wortten es geschehen? Also: der Schulz Claus Rehbein ist ein Wirt undt Senior, hat also 3 ämpter, ich wil ihm eines abnehmen, nemlich das Seniorampt. 3. Ob er einen anderen so balt eingesetzet? Aff[irmant]: undt will Hillebrandt Wetzel an seine statt setzen. 4. Ob er solches mit ihrem rath u. vorwissen gethan? N[egant]. 5. Ob er den Schultzen jemals wegen eines oder anderen gebrechen errinnert? N[egant]. 6. Ob Claus Rhebein als ein Wirt viel laster umb seines privat nutzens verheelet? N[egant]. Sagen Nein: unzüchtige leute dulde er nit. Wan aber uneinigkeit entstehe zwischen ehrlichen gästen, so scheide er gebührlich; sie wissen von keinen lastern, vielweniger daß er solches verschweigen solte umb seines privat nutzens«. 222 Ph[ilipp]. Schreiber an Hütterodt (? – »Hochgeehrter Herr Vetter), ohne Ort (Eschwege?) und Datum, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 59. Stück).

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– wie Hütterodt vermutete – tieferliegende Befindlichkeiten gab, als die vorgeschützten rechtlichen und tatsächlichen Notwendigkeiten: »Konte deren dinge mehr, wan es nötig, vorbringen, sonderliche solche sache, die nicht zu schreiben, welches ich seinethalben mit stilschweigen wil ubergehen, begehre keine weitleufftigkeit, wie er vornimpt, will derowegen E[inen]. w[ohl]E[hrwürdigen]. h[och]g[elahrten]. dinstfreuntlich gebehten haben, mich in meinem alter in ruhe zu lassen u. die gemeine Huetzerod, Franckenhain, Wolffterod, auch viel, nicht alle, auß hiesiger gemeine fragen, wie ich mich in 31 jahren und dan er sich verhalten, wirt der außschlag sich balt finden«.223

Schon 1643 sollte der Pfarrer Lautemann, der traditionell von solchen Gemeindeabgaben befreit war, zum Hirtenlohn herangezogen werden, was durch eine Interzession Hütterodts verhindert werden konnte,224 wobei Pfarrer und Schultheiß in ihren Stellungnahmen die Rolle des letzteren unterschiedlich darstellten. Außerdem kritsierte Lautemann, Rehbein hätte ihm an seinem Feld im Engenthal unberechtigt eine Egge breit Land abgeackert und die Erträge behalten, schließlich sei es Lautemann aber gelungen, das Stück wieder zurückzugewinnen, woraufhin die Abgrenzung beider Äcker durch Steine vom Amtsschulthießen auf sein Betreiben genehmigt worden sei. Außerdem führt Lautemann nun das unziemliche Verhalten Rehbeins an, als es 1646 um die Gültigkeit eines Eheversprechens gegenüber Rehbeins Tochter Elisabeth ging.225 Der Vorgang zeigt deutlich, wie in der engen und verflochtenen Lebenswelt des Dorfes persönliche Konflikte auf die Ausübung des Amtes durchschlagen konnten und mit dessen Mitteln ausgetragen wurden, vor allem wenn die Kontrahenten zwei anscheinend so beherrschende Charaktere waren, die sich seit Jahrzehnten den Platz teilen mussten – was sich in dieser Zeit angehäuft hatte, hat sich im Handeln des Pfarrers nun offenbar entladen. Hütterodt blieb in dieser Angelegenheit erstaunlich unparteiisch, empfing Schriftsätze von beiden Seiten und leitete sie zur Stellungnahme an die jeweils andere weiter. Hütterodt, der mit dem Frankershausener Pfarrer Lautemann seit Jahren zusammenarbeitete, machte die Angelegenheit selbst ratlos: »Ich weiß warlich nicht was ich auß ewerm und ewers eydams Johan Christian Wagners sachen deuten soll«, 223 Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Mai 27, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 52. Stück). 224 Johannes Hütterodt an Claus Rehbein, Dorfschultheiß zu Frankershausen, Eschwege 1643 November 16, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 54. Stück, vom Frankershausener Pfarrer Lautemann 1657 als Beweis an Hütterodt zurückgeschickt). 225 Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Mai 27 (Ort und Datum wie 52. Stück, vertrauliche ergänzende Klageartikel), KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 53. Stück) sowie die zum Beweis zurückgeschickte Kommissionserteilung (56. Stück) Hütterodts an Lautemann zur Konsensermittlung des Vaters des angegebenen Eheversprechers zur Vorbereitung eines bei Hütterodt für den 5. November 1646 angesetzten Verhörtermins.

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Der geistliche Apparat vor Ort

denn auch Lautemanns Schwiegersohn und späterer Nachfolger hatte in anderem Zusammenhang unlauter gehandelt.226 Hütterodts Diensttagebuch verrät schließlich wie die Sache ausging. Am Dienstag, dem 8. September 1657 kam er nach Frankershausen: »Ist die sache mit Claus Rhebein zu Franckershausen doselbst hingelegt, erstlich der senior undt der pfr. versöhnet, er der senior widrumb ins presbyterium restituirt undt hernachmals in bättstunde angezeigt worden, daß der H. Pfr. den schultzen / presbyterio suspendirt hette, die uhrsachen wehren aber nun hingelegt undt der schulz widrumb in seinen ehrenstandt gesetzet. Habe ermahnet 1. die gemeine zu schuldigem respect gegen pfrn. undt senioren, 2. daß sie ihre kinder f[ürters] zur schuele schicken undt singen lernen lassen sollen, 3. daß sie wan man geleutet, so bald in die kyrchen kommen, 4. undt ihren catechismum lernen solten. Der ander welchen H. Barthol zum seniore erwehlet, Hillebrandt Wetzel, sol in der wahl bleiben undt alsdan, wan eine stette leddig wirt, confirmirt werden.227 Der Schulmeister ist wegen des unfleisses gestrafft undt zu grösserem fleiß ermahnt worden«.228

226 Johannes Hütterodt an Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, Eschwege 1657 April 18, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 50. Stück). 227 Claus Rehbein war neben Henrich Sachse, Christoph Brill (»Christoffel Bryl«) und Jacob Hoffesommer noch 1666 als Kirchensenior aktiv, wie ein Brief dieser vier zeigt, Frankershausen 1666 Dezember 12, in dem sie, an Johannes Hütterodt gerichtet, Johannes Felmede, dem Sohn ihres bisherigen Schulmeisters und Opfermanns (»Kirchendieners«), auf dessen Begehren ein Zeugnis seines Wohlverhaltens ausstellen und zugleich darum bitten, Johannes Felmede, wenn er der geistlichen Obrigkeit gefällig »undt zu dießem dienste gnugsam befunden würde«, aufgrund seiner Eignung, die er bei der Vertretung seines Vaters während dessen langer Krankheit unter Beweis gestellt habe (siehe das Schreiben des Pfarrers Johann Wilhelm Wagner an Hütterodt, Frankershausen 1666 April 2, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 [darin insgesamt das 17. Stück]), wie der Verdienste seines Vaters, mit dem sie während dessen 35-jähriger Amtszeit wohl zufrieden gewesen seien, zu dem erledigten Schul- und Kirchendienst (Singen, Lesen, Kinder lehren) zu befördern, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 7. Stück). 228 DTB Hütterodts, S. 1430 (8. September 1657). Bemerkenswert ist, womit sich Hütterodt in dieser Zeit noch beschäftigte, neben Kirchenangelegenheiten aus dem ganzen Bezirk stand auch die Vorbereitung und Durchführung des Begräbnisses Landgraf Friedrichs von Hessen-Eschwege an, der schon 1655, als er seinen Schwiegervater, den König von Schweden, bei seinem Angriff auf Polen unterstützte, vor der Stadt Kosten nahe Posen ums Leben gekommen und nun in seine Residenzstadt überführt worden war, wo er in der Gruft der Marktkirche seine letzte Ruhe fand (Löwenstein: Ein Drittel vom Viertel, S. 118; Collmann: Des Landgrafen Friedrich von Hessen Todesritt, S. 103f.), daher musste die Kirche für die Begräbnisfeierlichkeiten vorbereitet werden, worüber Hütterodt am 5. Juni 1657 mit Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg sprach (DTB Hütterodts, S. 1420 [5. Juni 1657]) und am 24. September die Leichenpredigt hielt, womit er sich zudem »ungnad verdienet, welches sehr gutt undt dienlich ist, daß wir nit andere götter neben Gott haben« (DTB Hütterodts, S. 1431 [24. September 1657]).

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Indem Hütterodt alles beim Alten ließ, nahm er die ihn zur Besonnenheit mahnenden Stimmen, dass Lautemann mit seinem Verhalten gegenüber Rehbein »sein muthgen an ihme kuhlen« wollte,229 ernst, zumal auch – der sicherlich nicht unbescholtene – Rehbein selbst die »haubt uhrsach« für die auf diese Weise ausgetragene Auseinandersetzung in Lautemanns »privat vindicta« gegen ihn sah.230 Interessant ist, dass die beiden Senioren am 21. Mai 1657 in ihrer Antwort auf Hütterodts achte Frage noch eine andere Perspektive eröffneten: »8. Ob Claus Rehbein dem H. Pfr. zu wider gelebt ? Nesciunt: es wehre dan sache daß H. Pfr. den handel mit dem erwehleten Kastenmeister Simon Rehbein meinete […]«.231 Gegen den Rat des Schultheißen und ihres Senioratskollegen Henrich Sachse habe der Pfarrer Simon Rehbein, wahrscheinlich ein Verwandter des Schultheißen, »von der cantzel für einen kastenmeister ausgeruffen«. Ihrer Aussage nach scheint schon der andere Kastenmeister – es amtierten immer mehrere – ein »Junkermann«, das heißt ein Hintersasse derer von Dörnberg, gewesen zu sein, die im Dorf mit ungefähr oder etwas über 50 Untertanen mehr Leute als der Landgraf (»Herrenleute«) hatten, dem aber das Patronat über die Kirche zustand.232 Daraufhin »hetten die 3 Senioren Claus Rhebein, Jacob Hoffesommer u. Henrich Sachse« dem Pfarrer »in seinem hause freundlich zugesprochen undt solche ungeschickte händel zu gemüht geführet, daß sichs nicht geziemen wolte noch einen junckerman zum kastenmeister anzunehmen, den es wehre wider das herkommen, undt hat dabey der schultze gesagt: er könte es von amptswegen nicht verschweigen, drauff habe H. Barthol gesagt: Haltet ihr ihn für einen junckern man, so ist er mein herrenman. Die uhrsach worumb die senioren mit Simon Rhebein zum kastenmeister zu haben nicht zufrieden wehren,

229 Ph[ilipp]. Schreiber an Hütterodt (? – »Hochgeehrter Herr Vetter), ohne Ort (Eschwege?) und Datum, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 59. Stück). 230 Claus Rehbein (»Rehebein«), Schultheiß zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Juli 1, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 58. Stück). 231 DTB Hütterodts, S. 1414 (21. Mai 1657). 232 Diese Anzahl der Dörnbergischen Hintersassen nennt der Frankershausener Pfarrer Lautemann in einem Brief an Hütterodt, in dem er seine Bestellung Simon Rehbeins zum Kastenmeister verteidigt, Frankershausen 1657 Januar 7, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 60. Stück), neben denen von Dörnberg und dem Landgrafen hatte der »Juncker Meisenbug« im Dorf noch zwei Meier, der sich aber »nichts anmasset«: »Den Castenmeistern Simon Rehbein (wie eingangs erwehnet) belangende, hab ich nicht zu dem ende erwehlet, daß an I. F. G. oder Döringischem brauch – welche sich mit den Fürsten von Hessen wegen etlicher gerechtigkeit in streit eingelassen, und nunmehr erörtert, weil der Juncker Leute ohn gefehr oder wohl mehr 50 und also mehr sindt dan der Herren Leute (daß sich der Juncker Meisenbug mit seinen 2 meyern nichts anmasset) – hierdurch möchte etwas benommen sein, gestalt dan beruhrter Rehbein wegen seines mahlgangs so wohl in f. hess. schutz und jurisdiction alß andere mit nachparn alhier begrieffen […]«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

wehre sein armuht, den so er solte von den kyrchengelder etwas einnehmen, könte er nicht caviren«.233

Lautemann verteidigte die Einsetzung damit, dass auch Simon Rehbein, wie alle anderen Nachbarn, dem Schutz, Gebot und der Jurisdiktion der Fürsten von Hessen unterstehe und alle nachbarlichen Lasten zu Kirche, Pfarrei und Schule mittrage, und gibt zu Bedenken, dass »wen ich ihn degradiren, u. einen andern an seine stelle proclamiren solte, seinen erwachsenen söhnen u. kindern ein grosser schimpff, spot u. ungelegenheit von etlichen beygefuget werde«, dieses Begehren schreibt er seinen Missgönnern zu. »Sonst dießes auch zu beobachten, wan Simon Rebein in einem oder anderm citiret werden sol, geschichts durch den Herrn Amptschultheißen u. kompt nicht seinem Juncker zu, den derselbe sitzt still u. erwartet seiner zinßen, daß ich ihn deßwegen vor einen Herrnman gehalten habe, habe auch darbei auch nie gedanken gehapt u. noch, weil sie in eine kirche, welche unserm g. f. u. h. zustehet gehoren, muß einer sowohl alß der ander derselben dienen«.234

In den Ausführungen Lautemanns klingen die im Dorf »konkurrierenden Obrigkeiten«235 und die zum Teil unklaren Oboedienzen an. Dass Lautemann den Hinweis der Senioren auf die Armut des von ihm präferierten Kastenmeisters nicht ernst nahm, hat – angesichts der oberflächlichen Begründung, mit der er an ihm festhält – vermutlich ebenfalls tieferliegende Ursachen im vielfältigen Beziehungsgeflecht des Dorfes, in dem die Spannungen beim Ausbau der frühneuzeitlichen Landesherrschaft greifbar werden.

233 DTB Hütterodts, S. 1415 (21. Mai 1657). Die Kastenmeister sollten so vermögend sein, dass sie Kaution leisten und Verluste, in Form über die Einnahmen hinausgehender von ihnen getätigter Ausgaben oder nicht eingemahnter Zinsen, ausgleichen konnten, starben sie im Amt, mussten sich auch ihre Erben den Ansprüchen stellen; siehe Punkt 7 der Kastenordnung von 1533 (EKO Bd. 8, S. 80): »Es sollen auch die kastenmeistere nicht abgesetzt werden, sie haben dan zuvor alle schuld ingemahnet, gnugsame rechnung getan, und, wo sie seumig in der inmahnung würden sein und versterben, so soll mans von ihren gütern wiedernehmen und dem kasten zustellen«. 234 Bartholomaeus Lautemann, Pfarrer zu Frankershausen, an Johannes Hütterodt, Frankershausen 1657 Januar 7, KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (darin das 60. Stück). 235 Der Begriff nach Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten. Kirchliche Amtsträger und adlige Herren zwischen Kooperation und Konflikt.

Die Gemeinde als politische und kirchliche Organisationseinheit

2.

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Hospitäler, Siechen- und Sondersiechenhäuser – Die Oberaufsicht der Superintendenten und ihre Vertretung durch die Ortspfarrer

Ein im Diensttagebuch Theophil Neubergers vor dem 1. Februar 1636 einliegender, nicht von seiner eigenen Hand stammender Zettel weist auf ein weiteres Aufgabenfeld der Superintendenten hin. Er trägt folgende Überschriften: »Nachfolgende personen sindt mit consens des Hern Superintendenten seligen [Paul Stein, A. J.] undt in wehrender meiner ambtsverwaltung im [Hof-] hospitall zu Sanct Elisabethen [zu Kassel] an hospitalspersonen zusamen copuliret undt in ein losament zusammen gestossen worden: […]. Dise nachgesetzte personen aber, alß sie sich ausser dem hospital an andere verehelicht, sindt sie auß dem hospitall geschafft worden: […]«.

Pfarrer und Superintendenten führten auch die Aufsicht über die Ordnung der örtlichen Hospitäler und Siechenhäuser sowie über die Disziplin ihrer Insassen und empfingen Supplikationen um Aufnahme.236 Verstöße gegen die Ordnung im Hospital wurden von ihnen geahndet.237 Heiratete ein Hospitalsgenosse nach 236 Siehe z. B.: DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 11. Oktober 1622, Nr. 2; DTB Paul Steins 1629, 21. August, Nr. 4: »M. Moritz Gudenus, pfarher zu Apteroda schickt ein schreiben ein, darinnen er wegen seines vatters Christoff Guden anhelt, das er vermöge erlangten f. befehls in das hospital S. Elisabeth alhir aufgenommen werden möge«. Zum Hofhospital St. Elisabeth zu Kassel und zur Aufsicht der Superintendenten darüber siehe die umfangreiche Überlieferung in StAM 318 Kassel, Nr. 1523, 1525, 1528, 1529, 1530, 1531, 1532 (vorher StAM 315 i, Paket 22); welch kuriose Aufgaben die Hospitalsaufsicht für die Superintendenten bereithielt, offenbart ein Eintrag im DTB Paul Steins vom 4. Dezember 1622, Nr. 2, die Spitalsbrüder und -schwestern supplizierten, dass zu viel junges Volk im Hospital sei (»weil etliche spitalsleute ihre kinder und grosse mägte zu sich in spital nehmen«), das den Alten keine Chance lasse an den Ofen zu kommen, um sich zu wärmen; dem Gesuch wurde stattgegeben und dem Spitalschreiber (auch: »Oeconomo«) befohlen, »das das junge volck ausm spital abgeschafft werde«. Eine bezirksübergreifende Kooperation wird aus dem Eintrag im DTB Paul Steins zum 27. November 1622, Nr. 1 deutlich: »Weil ich des pfarrhern zum Lippoldsberg schreiben, darinnen er berichtet, das im sondersiechenhaus daselbst eine stelle ledig sey, empfangen, hab ich darauf an Ehrn Fabronium geschrieben, das Hanß Küche von Dattenroda, daselbsthin aufgenommen werden könne«. Siehe auch die Interzession des Boyneburg-Hohensteinischen Schultheißen zu Walkappel, Caspar Mollerus, an den Superintendenten Caspar Josephi vom 31. Januar 1637, KKAE Best. 4 Waldkappel, Nr. 19, für Catharina Feige, die gern ins Hospital Allendorf aufgenommen werden möchte. 237 So Unzucht und Diebstahl, siehe den Fall des Christoffel Köhler, verwiesener Insasse des Hospitals Melsungen, der unter dem 1. Oktober 1659, seine Unschuld beteuernd, an den Superintendenten Hütterodt supplizierte, dass er in seiner Possession und Hospitalsgenossenschaft »ruhig verbleiben möge«: LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 677 (darin Stück Nr. 61, mit ausführlichem Rückvermerk Hütterodts); siehe dazu den Eintrag im DTB Hütterodts, S. 1701 zum 7. Oktober 1659: »Christof Köler zu Melsungen Hospitaliter wirt von Daniel Brückman fornication beschuldiget: muß beweisen«. Siehe

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Der geistliche Apparat vor Ort

außerhalb, musste er das Hospital verlassen, wie Paul Stein einem Supplikanten klarmachte, der darum bat, dass er seine Frau zu sich holen dürfe.238 Dies geschah vermutlich vor allem, um die ökonomischen Möglichkeiten der Hospitäler nicht überzustrapazieren, die vor allem für Alte und Kranke gedacht waren, und aus umgewidmeten geistlichen Gefällen gespeist wurden, woher auch die Aufsicht der Superintendenten rührte; außerdem sollten die Verhältnisse kontrollierbar bleiben und die Hospitäler nicht zu allgemeinen Asylen werden. Für Siechenleute waren die Regeln noch strenger : Verheiratete Siechenleute wurden nicht geduldet, mussten das Siechenhaus verlassen und wurden sogar des Landes verwiesen. Dies geschah auch aus Sorge um das gemeine Beste, damit etwa durch die potenziellen Kinder aus einer solchen Verbindung, nach den Vorstellungen der Zeit, nicht das ganze Land voller Aussätziger würde.239 In dem zu Beginn dieses Abschnitts angeführten Zitat werden unter der ersten Überschrift neun Paare aufgeführt, die Männer mit Namen, die Frauen mit der Berufsbezeichnung ihres verstorbenen Ehegatten oder einem Spitznamen; unter der nachfolgenden Überschrift werden zwei Männer genannt. Die Unterscheidung zwischen Siechenhäusern und Hospitälern wird begrifflich nicht immer ganz klar vollzogen; für die Siechenhausinsassen findet sich daher auch die Bezeichnung Sondersiechen. Den Hospitalsinsassen war aber im Unterschied zu auch den Eintrag vom selben Tag auf derselben Seite im DTB Hütterodts: »Siechenman vor Nentershausen wil leprosam desertam freyen: abgeschlagen«. 238 DTB Paul Steins 1630/31, zweiter Eintrag zum 8. Dezember 1630: »Wilhelm Brüger im hospital alhier suppliciret, daß nachdem er ausser dem hospital gefreyet, er solche person möge zu sich ins hospital nehmen, ist folgende antwordt ertheilet: Dieweil es dem herkommen undt ordnung zuwieder, daß hospitals personen sich an andere, so ausser dem hospital seindt, befreyen, undt dieselbe zu sich in den hospital nehmen, so lasse ich es bey meinem bescheid, welchen ich supplicanten schon vorlengst durch Christoff Guden anmelden lassen, u. daß ich darinnen nicht einwilligen könne, nachmalß bewenden. Könte aber supplicant bey unserm gn. fürsten u. h[errn]. Landgraff Wilhelm zu Hessen, dispensation, u. daß ihme angeregter sein heurath bewilligt würde, erlangen, mag ich ihme solches vor meine person von hertzen gerne gönnen«. 239 Siehe zum Beispiel das von Paul Stein eigenhändig im Namen des Kasseler Predigerministeriums verfasste Konzept in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 172rv, 179rv : »Bedencken [für Statthalter, Kanzler und Räte] wegen der Siechenleut im lande, Ob Ihnen, sich mit einander zu verheurathen, gestattet werden solle«, Kassel 1628 Februar 9, zu einem Fall zweier schon miteinander verlobter Siechenleute des Hospitals Felsberg, mit der Empfehlung der Verweisung aus dem Hospital und des Landes. Die dieses Bedenken auslösende Anfrage des Felsberger Pfarrers fasste Paul Stein in seinem Diensttagebuch unter dem dritten Eintrag zum 7. Februar 1628 wie folgt zusammen: »Der pfarrher zu Felßbergk, Dn. Combachius, schreibt wegen eineß leprosi, so mit einer leprosa copuliret sein will, undt begehrt deßwegen verordnung. Ist der f. regierung zugeschickt worden, welche darüber der theologen und des ministerii alhir ihren bedencken [korrigiert aus: »bericht«] erfordern«; unter dem 8. Februar 1628, Nr. 3 findet sich ein Vermerk zur Abfassung und Übermittlung dieses Bedenkens an die Regierung mit Verweis auf das Konzept (siehe die Abbildung dieser Seite, Abb. 1, oben in Kapitel II A 1 b).

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den Siechenleuten die Eheschließung, mit Zustimmung des Superintendenten, offenbar erlaubt. Am 28. Februar 1634 ersuchte der Kasseler Superintendent Paul Stein »alle und jede Beambten im Becirck Cassel und Grafschafft Ziegenhain« im Auftrag der Siechenmeister um Amtshilfe bei der Abstellung »grobe[r] excesse« unter den Siechenleuten: »Demnach sich befunden, das under denen sondersiechen, so sich under meiner endsbenenten inspection ufhalten, allerhand gebrechen und mängele, auch grobe excesse vorfallen; dahero ich verursacht worden, deßwegen bey ihrer im vergangenen herbst gehaltenen zusammenkunfft uf dem siechenhoff alhir inquiriren zu laßen, darbey die meistere der gesellschafft angezeigt, das solche unordnung daher komme, weil under ihnen etliche widerspenstige und halsstarrige sich deren von den alten fürsten zu Hessen, hochlöblichen andenckens, gegebenen gesetzen und ordnungen nicht gemeß verhalten, und viel weniger sich, da sie gesündigt und straffwürdig erkennet würden, der straff submittiren wolten; darauf sie, die meistere, auch angehalten und gebeten, ihnen eine vorschrifft an fürstliche herrn beambten zu ertheilen, das von denselbigen, da sich der gebrechen und excesse under ihrer gesellschafft ins künfftig zutragen würden, uf ihre anzeig, die verbrechere verhört, und, nach befindung, zu billichmeßiger straff gezogen werden möchten; und dan diß ihr suchen vor billich erachtet worden, als ist darauf an alle und jede beambten im becirck Cassel und Graffschafft Ziegenhain, so von obgemelten meistern hirmit ersucht werden, von ambts wegen mein begehren, vor mich freundlich gesinnend, sie wollen ihnen die hülffliche hand bieten, und diejenigen, so den ordnungen zuwider leben, nach befindung, zu gebührlicher straff ziehen, damit also dem unordentlichem wesen gesteurt, und hergegen zucht und erbarkeit gepflantzt und erhalten werden möge«.240

Die Pfarrern und Superintendenten zukommende Aufsicht über die Hospitalsangelegenheiten macht den weiten Bereich deutlich, über den sich kirchliches Verwaltungshandeln erstreckte. Die dabei greifende enge Verzahnung von Religion und Politik wird fassbar in dem 1638 zur Regelung der Hospitalsangelegenheiten in der mittelhessischen Stadt Treysa zwischen Stadtobrigkeit und Pfarrer getroffenen Vergleich: »Waß sonstet den hospitall unndt deßen inspection anlanget, ist den partheiyen dießer bescheidt gegeben worden, weill unsers g[nädigen]. fürsten unndt hern kirchenordtnung hierin richtig, unndt dem pfarhern jedes orts nach dem superintendenten die inspection uber die kasten undt hospitalien attribuiret, so muß es billich hierbey sein verbleibens haben, unndt der pfarherr, sonderlich auch, als ein metropolitanus die inspection unndt direction uber die hospitalien haben, wan nuhn hospitall sachen 240 Paul Stein »an alle und jede Beambten im Becirck Cassel und Grafschafft Ziegenhain«, Kassel 1634 Februar 28, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 195, 200 (Text nicht, aber Unterschrift eigenhändig von Paul Stein, mit gut erkennbarem Wachsabdruck seines Petschaft), ohne Versendeadresse, auf fol. 200v findet sich von der Hand Theophil Neubergers der Rückvermkerk: »Wegen der Sondersiechen excessen etc.«.

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vorfielen, solten die b[ek]l[ag]te (bürgermeister undt raht) den pfarhern nicht pro authoritate ufs rahthauß fordern, sondern sich mitt ihme eines orts undt zeit, wan man von solchen sachen reden wolle vergleichen, unndt alsdann neben dem schultheißen an vergliechenem ort unndt zeit zusammen kommen, worbey es dan ratione votorum also gehalten werden solle, daß der pfarherr als director die vota colligiren, der schultheiße ein votum, bürgermeister unndt raht ein votum, unndt nicht ein jeglicher rahtsherr ein eygen votum haben solle, da denn der Pfarherr mitt seinem voto den schluß zu machen, welcher dann nomine superintendentis ein votum, unndt nomine proprio auch eines führen, unndt also die sache per majora decidiret werden solte, der bürgermeister mag sich mitt den rahtsherren in solchen fällen eines voti vergleichen, unndt soll ein solch des gantzen rahts votum pro uno decisivo vel conclusivo gehalten werden, würden die vota aber gleich seyn, also daß schultheiß, bürgermeister unndt raht uff eine meinung 2 vota hetten, der pfarherr aber mitt seinen zweiyen votis von ihnen discrepiret, so soll die sache ans consistorium gebracht, unndt daselbst die decision eingeholet werden. Der administration aber hatt sich der pfarherr nicht – sondern die darauff bestelte dienern anzunehmen, doch salv. inspectione pro metropolitano etc.«241

Der Pfarrer konnte also mit seinen zwei Voten, die er in seinem und im Namen des Superintendenten führte, zwischen sich und den politischen Gremien – Schultheiß als Vertreter des Fürsten, Bürgermeister und Rat als Vertreter der Stadt – ein Patt herstellen, das durch die Entscheidung der obersten geistlichen Aufsichtsbehörde der Landgrafschaft, des Konsistoriums, aufgelöst werden musste. Schon allein dieser Ausschnitt zeigt die bedeutende Rolle die die Geistlichen in Angelegenheiten spielten, an denen auch die Städte ein vitales Interesse hatten. Da den Geistlichen über alle aus altkirchlichem Vermögen gespeisten Einrichtungen die Finanzaufsicht zukam,242 konnte es leicht zu Spannungen mit anderen Herrschaftsträgern kommen. Eine Abschrift des vollständigen Kanzleibescheids lässt uns noch tiefer in den Anlass für diese Regelung blicken: »Zu wißen, alß sich zwüschen Ehrn M[agister]. Johan Schoppachen pfarrern zu Treißa, an einß, sodan B[ürgermeister]. und Rath daselbsten, Beklagten, andern theilß, wegen angezogener übermeßiger contribution wie auch inspection undt administration deß hospitalß güter zu besagtem Treißa, mißverstände erhalten, daß uf beschehenen vor241 »Extract Cantzley Bescheidts zwischen M. Johan Schoppachen Pfarhern zu Treyßa unndt Bürgermeister unndt Raht daselbst de dato Caßell den 4 Junij 1638«, StAM 318 Kassel, Nr. 1107 (Umschlagaufschrift: »Nro 135 // Cop: Cantzley Extract Bescheids d: d: Cassell den 4ten Jan: 1638 das Hospital zu Treyssa betrefend.«). Siehe auch die gleichlautende Regelung für das Hospital Gudensberg, in: StAM 318 Kassel, Nr. 406 (ohne Datum, aber adressiert an den Gudensberger Metropolitan Martin Happel, der von 1626–1658 amtierte, von dessen zittriger Hand wenigstens ein Teil des Rückvermerks stammt, zu ihm: Hütteroth: Die althessischen Pfarrer, S. 122). 242 Insbesondere für die städtischen Hospitäler, die im Zuge der reformatorischen Umverteilung altkirchlichen Zwecken dienener Gelder der fürstlicher Herrschaft unterstellt wurden: Sohm: Territorium und Reformation, S. 96–103.

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bescheidt diese partheiyen, den 1. 2. und 4 ten Junij dieses 1638. jahrs uf furstlicher cantzley alhier jegen einander notturfftig gehöret, undt in endtstehung der güte ambts wegen verabschiedet worden, wie hernach volget«.243

Der Vergleich zur Regelung der Treysaer Hospitalsangelegenheiten fand auch im Diensttagebuch Theophil Neubergers seinen Niederschlag, der seine Anregungen zu dessen Aushandlung beigesteuert haben dürfte. In seinem Diensttagebucheintrag zum 4. Juni 1638 verweist Neuberger darauf, dass die entscheidenden Punkte schon zuvor von Paul Stein konzipiert worden seien: »Den 4. Junij ist der hospitals streit zwischen dem pfarrer und burgermeistern zu Treysa uf fr. cantzley erörtert, und geschlossen, es soll bleiben bey den puncten, so hierbevor vom Superint. Steinio ufgesetzt, und unterschrieben. Und soll der pfarrer die inspection u. directorium behalten. Wan auch etwas per vota zu handlen, hat der pfarrer gleichfals das directorium und die umbfrag, und hat 2 vota, des superintendenten u. seins, darnach votirt der schultheiß, und endlich der burgermeister, aber der hat nur ein eintzig votum, suo et suorum collegarum nomine, mit denen er sich vorher bereden, und eines voti vergleichen mag. Der stattschreiber mag das protocoll halten, aber kein votum geben. Die ubrige puncten, so vorgelauffen, sein zu meiner visitation verschoben«.244

Bei dieser Verfahrensweise fühlten sich Bürgermeister und Rat in manchen Fällen übergangen.245 Wenn sich Superintendent, Pfarrer und Schultheiß auf eine 243 Abschrift des vollständigen Kanzleibescheids, in StAM 318 Kassel, Nr. 1101 (Umschlagaufschrift: »Nro 128. Abschied wegen der Gravaminum in Hospitalssachen zu Treyßa 1630 betrefend«). 244 DTB Neubergers, Eintrag zum 4. Juni 1638. 245 Dies zeigt auch die von Bürgermeister, Rat und Zwölfern der Stadt Treysa 1639 gegen den in Sachen ihres Hospitals erlassenen Bescheid angestrengte und von der Regentin Amelie Elisabeth zugelassene Appelation, StAM 17 e, Nr. Treysa 20: »Gravamina Appellationis Bürgermeisters, Rath undt Zwölffer der Stadt Treisa unschuldig Beklagter undt Befugter Appelanten Contra Ehrn M[agister]. Johan Schoppachen Pfarhern daselbsten unbefugten Clegern undt Rechtschuldigen Appelaten« (Rückvermerk), präsentiert am Exilsitz der Regentin Amelie Elisabeth im westfälischen Dorsten am 7. (alten)/17. (neuen Kalenders) Mai 1639; das Konzept mit der Annahme der Appellation und dem Auftrag der Regentin an ihre Regierungsräte in Kassel zur Revision der Sache durch am vorigen Bescheid Unbeteiligte und dem Vorbehalt der Entscheidung durch sie selbst, datiert aus Dorsten vom 10./ 20. Mai 1639. Schon im ersten Punkt der artikulierten Klage der Stadt heißt es: »1. Wahr sein, daß der hospitall zue Treisa gemeiner stadt eygenthümblich zuestendig, undt seine fundation von bürgern habe«, und weiter, »9. wahr auch, daß eine gantze bürgerschafft in ansehung deßen bey dißem langwirigen kriegs- undt contributionsweßen den hospitall freygehaltten undt alle last uff sich genommen, 10. da doch wahr, daß sonsten wedder stümpf weder stiell mehr vorhanden sein würde«; schließlich »23. da doch die direction, convocation bey bürgermeister undt rath jederzeit geweßen, wie wahr undt articuliret, 24. undt der pfarher nimals mehr, wie gleicher gleicher gestalt articuliret, als ein votum gehabt, 25. der Her Superintendens oder ein pfarher in seinem nahmen niemahls keines, ein schultheis zue Treisa auch nimals keines praetendiret undt zue haben begehret, ist wahr«; nicht einmal an den jüngsten, von ihm selbst approbierten Abschied halte sich der Pfarrer,

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Position geeinigt hatten, hätte die Einbeziehung der städtischen Autoritäten ohnehin nichts mehr am Ergebnis geändert, sodass der Superintendent ihnen dieses nur noch als »Befehl« mitteilte. Allerdings mussten Bürgermeister und Rat die Entscheidung vor der Bürgerschaft ihrer Stadt vertreten und sich um deren Akzeptanz bemühen. Dies konnte schwierig sein, wenn die getroffene Entscheidung mit gewachsenen Anspruchshaltungen und Wertvorstellungen im städtischen Sozialgefüge kollidierte. Der sonst untadelig lebenden Catharina, der Witwe des Hans Steinbach, der der Stadt lange treu gedient hatte, sollte – nach der Argumentation der Gudensberger Stadtobrigkeit, die sie im Namen der Bürgerschaft ins Feld führte – der ihr von Superintendent, Pfarrer und Schultheiß zugesprochene Platz im Hospital Gudensberg verweigert werden, weil sie durch mangelnde Zucht in der Erziehung ihrer Tochter dazu beigetragen habe, dass diese sich mit bayerischen Soldaten eingelassen und ein Kind zur Welt gebracht hat, dem sich Catharina angenommen habe. Außerdem sei die Versorgungslage im Hospital sehr schlecht und darin zur Zeit kein Platz frei.246 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger ordnete die Sache am 6. April 1637 in seiner Antwort an Bürgermeister und Rat zu Gudensberg ganz anders ein: »[…] daß ich nit sehe, wie ihr im geringsten zu klagen ursach habt, ob solte euch ewre hergebrachte gerechtigkeit und uf euch devolvirtes votum […] abgeschnitten werden: Angesehen, ihr selbst schreibt und bezeuget, daß in solchen fällen jederzeit der superintendens das erste, der pfarrer das andere, der schultheiß das dritte, und der burgermeister das vierdte und letzte votum gehabt. Nun hab ich auf gedachter wittib supplication und eingenommenen bericht, derselben mein erstes votum gegeben, und nachdem ich des pfarrers, alß des andern, und des schultheißen alß des dritten voti versichert gewesen, auch daher mir nicht einbilden können, daß der burgermeister die majora deren, so vor ihm hergehen, wiederachten, und ohne gnugsame ursache umbzustoßen begehren würde: Alß hab ich angedeuttet, daß mehr gemelde wittib, doch mit zuthun des burgermeisters, dahero er gar nicht, geklagtermaßen, außgeschlossen worden, inß hospital aufgenommen werden möchte. Und da ja der burgermeister gnugsame ursach hette, darumb er die drey, ihm vorgehende, vota umbzustoßen vermeinte, hette er dieselbe, ohne sothane ungereumbte weitaussehende klage, mit mehrerm glimpf, andeuten können, würde auch von unß allerseits in obacht gerne genommen, und der sachen anderwerts gerahten worden sein. Unbefugt ist demnach auch die klage uber den pfarrer, alß ob er allein des hospitals sich bemächtigen wolle, worauß ein zimblicher wiederwille gegen den pfarrern gnugsam erscheinet. Unbefugt ist auch die klage uber die wittib selbst, alß wehre sie des hospitals unfehig, […] nur allein, daß sie eine böße ungerahtene tochter auferzogen, an deren ubelthaten sie, welches noch nicht erwiesen, schuld haben und dieselben endtgelten soll, da ihr doch wißet, wan kinder so weit erwachsen sein, und sonderlich inß soldaten indem er etwa keinen Wert darauf lege, auch den Schultheiß in das Hospital betreffende Entscheidungen einzubeziehen (Punkte 27, 28). 246 Bürgermeister und Rat zu Gudensberg an den Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger, Gudensberg 1637 März 27, StAM 318 Kassel, Nr. 417 (letztes Stück im Konvolut).

Die Gemeinde als politische und kirchliche Organisationseinheit

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weßen gerahten daß sie sich gar nicht ziehen laßen, welches jetzo viell ehrliche vornehme leutte mit hertz leyd erfahren müßen. Auch habe ich eben deßwegen mit dem pfarrer geredt, und so viel bericht eingenommen, daß ich noch nicht gnugsame ursach finde, darumb unßere vota umbgestoßen werden möchten. […] Und alldieweill keine andere ursachen beygebracht werden können, laße ichs, dieser person halben, bey den ertheilten votis bewenden, und ist nichts ungereumbtes, wie ihr schreibet, die wittib, damit sie nicht auf ofener gaße bleiben müsse, bey eine andere inß losament zu thun, biß eine stelle ledig werde, dergleichen alhie [zu Kassel, A. J.] und anderswo in hospitalen viell geschiehet. […] Wie ihr nun ewres theils, ohne ursach, uber abschneidung ewrer gerechtigkeit geklaget: Also beschwere ich mich billich im gegentheil, daß ihr, ewrer eigenen gestandnuß nach, in newlichem rugegericht zwoen personen inß hospital sie aufzunehmen, versprochen, auch ein solches, wie ewre wortt lautten, ihnen zu halten gemeinet seyd, da doch mir, der ich das erste votum haben soll, nicht das geringste davon zu wißen gethan worden. Und ist demnach im namen unsers gnedigen landes fürsten und herrn, und von ampts wegen mein begehren an euch, daß ihr die ordnungen selbst unverbüchlich haltet […].«247

Zum Schluss versicherte Neuberger Bürgermeister und Rat, dass, »wan dieße sache, und sonderlich ewer gethanes schreiben für Ifg. kommen solte, dieselbe, alß deren ius episcopale hirunter versiret, ein gar geringes wolgefallen daran haben würde«. So wirkte sich das herrschaftliche Ordnungsgefüge, dessen Einhaltung immer ein Stück weit Auslegungssache war, auch als soziales Korrektiv gegenüber der Befangenheit der städtischen Beteiligten aus. Die unmittelbare Administration der Hospitäler kam zwar Hospitalverwaltern zu, aber auch diese unterstanden der Aufsicht des örtlichen Pfarrers bzw. Metropolitans. Eine der wichtigsten Aufgaben der ihr Amt alleine oder gemeinschaftlich ausübenden Hospitalverwalter, -vorsteher oder -provisoren, denen mitunter, speziell für die Rechnungen, noch ein Hospitalschreiber beigegeben war, bildete die Aufsicht über den Hospitalkasten, die Rechnungslegung über Ausgaben und Einnahmen aus Darlehen und Pachtzinsen der zum Hospital gehörenden liegenden Güter, weshalb der Provisor auch materielle Sicherheit leisten können musste, was die Superintendenten überwachten. In dieser Weise kümmerte sich 1637 Theophil Neuberger um das Hospital Homberg an der Efze: »Den 18. Aug. ist der Burgerm. von Homburg, Henrich Wagehalß, alhie erschienen, und hat mit sich bracht Daniel Stoltzebach, so zu provisore des hospitals daselbst vorgeschlagen, vermög eingeschickten schreibens, und ist er uf vorhergehende gnugsame ermahnung, und nachdem er mit handtrew an eyds statt angelobet, zu provisore interims weise verordnet und bestettigt worden, doch mit folgenden conditionibus, weil er nit mehr alß vor 100 fl. oder thaler bürgschafft leisten kan, daß 247 Theophil Neuberger an Bürgermeister und Rat zu Gudensberg, Kassel 1637 April 6 (Konzept), StAM 318 Kassel, Nr. 417, einliegend im gerade angeführten Schreiben von Bürgermeister und Rat.

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Der geistliche Apparat vor Ort

jemand auß dem rath zur ufsicht ihme zugeordnet werde, und daß alle quartal die stumpfrechnung von jemand von dem ministerio, beamten und rath durchsehen, gehört, und unterschrieben werde.«248

Die Gewährleistung einer guten Wirtschaftsführung der Hospitäler und Siechenhäuser, die ihren Unterhalt aus ursprünglich kirchlich gewidmeten Einkünften bezogen, war eine der Hauptaufgaben der Superintendenten,249 die damit entscheidenden Einfluss auf die Bewahrung einer nachhaltigen örtlichen Sozialfürsorge ausübten.

248 DTB Neubergers, erster Eintrag zum 18. August 1637. 249 Siehe die detaillierten Resolutionen, die der Kasseler Superintendent Paul Stein auf zwei Visitationen zu den Hospitals- und Kastengravamina in Treysa getroffen hat, am 20. Oktober 1628 (»Demnach bey abhörung der Hospital- und Castenrechnungen zu Dreiß allerhand unrichtigkeiten undt gebrechen sich befunden, alß hat man, denselben zu remediiren, sich folgender puncten, so kunfftig von den hospitalß- und Castenvorstehern in acht genommen werden sollen, vergliechen«, die Hand, die die 21 Punkte des Haupttextes geschrieben hat, lässt sich Johannes Pforr zuweisen, was zeigt, dass Paul Stein auf seinen Visitationen von einem Assistenten begleitet wurde, Randbemerkungen und Ergänzungen stammen von der Hand Paul Steins, der – wie der Pfarrer Johannes Schoppach und die Stadtobrigkeit – eigenhändig unterschrieben und das Dokument mit dem Rückvermerk versehen hat: »Puncten so bey abhörung der hospitalrechnung zu Dreiß Ziegenhain am 20. Octobr. 1628 verabschiedet worden. Abschrifft dieses concepts ist zur nachrichtung zu Dreiß hinderlassen worden.«) und am 28. Oktober 1630 (»Gravamina des Hospithals zu Treißa«, Abschrift samt der Marginalresolutionen Paul Steins, am Ende liegt ein Blatt mit der Aufstellung »Was der hospithals schreiber itzo vor besoldung […]« und »Zue dißer obspecificirten besoldung seindt itzigem hospithals schreiber Jeremia Freyen zuegelegt worden […]«; »Nachfolgende posten werden dem Casten nicht gestanden undt haben doch den Castendiener zur ausgab nicht wollen passiren; wan aber gedachter Castendiener dardurch in schaden gerathen müßen, als begert man erklärung vom H[errn]. Superintendenten wie die diener schadeloß deswegen mögen gehalden werden«, Abschrift samt der Marginalresolutionen Paul Steins; »Demnach so wohl bey vorigen visitationibus und abhörung der hospital- undt castenrechnungen als auch an ietzo bey gehaltener rechnung zu Dreiß allerhandt unrichtigkeiten undt gebrechen sich befunden, als hatt man denselben zu remedieren folgende puncten, so hiebevor schon albereits verabschiedet worden, anhero repetiret, theils auch anderer mehr vorfallender gebrechen halber sich folgendermassen verglichen, und sollen künfftig die hospital- undt casten vorstehere diesen abschiedt in acht nehmen, und sich darnach in ihren verwaltungen richten«, 20 Punkte mit Konzeptcharakter, nicht von der Hand Paul Steins, aber von ihm in diesem zitierten Titel eigenhändig verbessert), StAM 318 Kassel, Nr. 1101 (Umschlag mit der Aufschrift: »Nro 128. Abschied / wegen der Gravaminum in Hospitalssachen zu Treyßa 1630 betrefend«).

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen

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C)

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen – die Kirche als regionaler Wirtschaftsfaktor und die Finanzierung ihrer Aufgaben

1.

Allgemeine Prinzipien der kirchlichen Vermögensverwaltung und ihre Anwendung: Die Ordnung des kirchlichen Finanzwesens vor Ort, Rechnungskontrolle als landeshoheitliche Aufgabe und die Erfassung und Sicherung der kirchlichen Einkünfte

Im zweiten Eintrag zum 17. Februar 1623 erwähnt Paul Stein in seinem Diensttagebuch: »Hab ich an alle und jede metropolitanos dieses Casselischen bezircks und der Graffschafft Ziegenhain geschrieben […] wegen der pfarr-, kirch-, casten-, hospital- und anderer dergleichen geistlichen güter ; ihnen auch die puncten des consistorii zugefertigt«. Damit kommunizierte Paul Stein den Metropolitanen zwei inhaltsgleiche Schreiben, die »Praesident, Assesores und Räthe des geistlichen Consistorii zue Marpurg« am 18. Januar 1623 zum einen an die Superintendenten, Pfarrer, Ober- und Unterbeamten, zum anderen an die Kastenmeister, Vorsteher der Hospitalien und Gotteshäuser sowie die ganzen Gemeinden haben ausgehen lassen, in denen sie diese dazu anhielten, das Kirchengut in allergrößte Acht zu nehmen. Sie warnten davor, »welcher gestalt ahn kirchen-, pfarr-, casten-, hospital- und dergleichen geistlichen gütern, hin und wieder die malstein und merkzeichen ahn acker und wiesen etc. verruckett, auch mit fahren, leimen, abfuren und graben, und sonsten die guetter selbst verschmälert, und allerhandt praktiken woll von den inhabern selbst vorgenommen werden, die zu mercklicher abbruch solcher guetter und der kirchen eigenthumb und zinsen gereichen«. Weiter fordern sie: »desgleichen habet ihr samstet und sonders auch darauf mitt vleis zu sehen, das uber kirchen-, casten-, pfarr- oder dergleichen laihen, jederzeitt schrifftliche reversen, uber die pfandtgelter aber jedesmahl gebuerliche verschreibung under euer der beampten handt und siegell ufgerichtett und bei die kirchen, casten, pfarr und hospitallen verwahrlichen hingehalten werde«. In seinem Begleitschreiben vom 17. Februar 1623 übermittelte Stein den Metropolitanen zusätzlich den »Befehl« des Konsistoriums: »das das eine patent, welches ahn die casten vorsteher und gemeinden heltt, alle jahr offentlich von der cantzellen, wan man ohne das die reformation ordnung250 abzulesen pfleget, den gemeinden vorgehalten und alle wohl inculcirt werden solten«.251 250 Reformationsordnung 1572, in: EKO Bd. 8, S. 394–407. 251 Eine Abschrift der beiden Konsistorialausschreiben und des Begleitschreibens Steins findet sich in: StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1590; die Zitate außerhalb des Begleitschreibens folgen der Fassung an die Superintendenten, Pfarrer, Ober- und Unterbeamten. Eine wei-

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Der geistliche Apparat vor Ort

Diese Ausschnitte zeigen, welche Rolle die Wahrung und sinnvolle Pflege des Kirchengutes in der Verwaltung der Kirche spielte. Angesichts ihres Umfangs und der immer wiederkehrenden Hinweise auf Rechnungsabhörungen, Bestellung von Kastenmeistern, Streitigkeiten um Güter und Zinse, aber auch Austeilung von »Visitiergeld« an bedürftige Pfarrer, Zuweisung von Kanonikaten aus dem Stift Rotenburg für Altersschwache und Dienstuntaugliche, Gewährung der Witwensteuer252 kommt der Erhaltung des Kirchengutes und der Kontrolle der Rechnungslegung allein schon quantitativ eine herausragende Bedeutung unter den Amtsverrichtungen der Superintendenten zu. Die Kirche des Landes musste aber erst einmal zu ihrem Vermögen kommen. Wo dies möglich war, wurde der Bestand der mittelalterlichen Pfarreien auch nach der Reformation übernommen, das »Kleine Kirchengut«253 aus Bruderschaften, Messstiftungen etc., aber auch Altargerät wurde entweder umgewidmet oder veräußert, um den Zwecken der reformatorischen Kirche zu dienen. Bisher von Klöstern und Stiften mitkurierte Kirchen wurden zu eigenständigen Pfarreien erhoben, die mit Teilen des bisherigen Kloster- und Stiftsguts dotiert wurden.254 Ein Hauptanliegen Landgraf Philipps war die Dienstbarmachung altkirchlicher Vermögen und Einkünfte zum Unterhalt für Arme und zur finanziellen Absicherung der Umgestaltung des Kirchenwesens. Zu diesem Zweck wurden in den dem geistlichen Auftrag dienenden und aus kirchlichen Mitteln tere, allerdings sehr nachlässige Abschrift der beiden Konsistorialausschreiben findet sich in StAM 315 l, Nr. 17; eine Abschrift nur des Konsistorialausschreibens an die Kastenmeister, Vorsteher der Hospitäler und anderer geistlicher Einrichtungen sowie die jeweilige ganze Gemeinde findet sich in KKAE Best. 3, Nr. 1877, eine Ausfertigung desselben mit dem papiergedeckten Wachssiegel des Marburger Konsistoriums liegt in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 168. 252 Die landesherrlichen Stiftungen und genehmigten Sammlungen zur Versorgung der Geistlichen werden an anderer Stelle dieser Arbeit näher erwähnt, dazu zählen die Stiftung der »Visitiergelder« 1540/42 und ihre Austeilung durch die Superintendenten (S. 280–283), die Stiftung der Rotenburger Kanonikate für »alte und abgelebte« Pfarrer 1575 (S. 175f., zahlreiche Einträge zum Stichwort »Canonicat« in den Diensttagebüchern) und der Prädikantenwitwensteuer 1583 sowie ihre Vergabe (S. 130–133), das Beneficium zur Unterstützung bedürftiger Kirchen- und Schuldiener aus den Einkünften des Stifts Fritzlar 1634 (S. 630f. mit Anmerkungen 473 und 474) und die außerordentliche Sammlung und Spende für die nach Kassel geflohenen Pfarrer und Schuldiener 1640 (S. 180–182 Anm. 197); einen Überblick über die ersten drei genannten Institute gibt auch Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 716–718. 253 Zur Säkularisierung und Verwendung des »kleinen Kirchengutes« siehe Stöhr : Die Verwendung des »Kleinen« Kirchengutes; zur begrifflichen Definition, der sich auch Ulrich Stöhr (Ebd., S. 1 Anm. 1) anschließt, Krüger : Finanzstaat Hessen, S. 67: »Vordringliche Aufgabe war nach Einführung der neuen Lehre die wirtschaftliche Absicherung der Seelsorge und der Armenfürsorge auf lokaler Ebene. Schon seit alters verfügten die einzelnen Pfarrkirchen hierfür über eigene Einkünfte aus Liegenschaften, Häusern und Stiftungen – einer Vielzahl unterschiedlicher Vermögenswerte, die man treffend, im Unterschied zu den großen Güterkomplexen der Klöster, als das kleine Kirchengut bezeichnen kann«. 254 Heppe: Kirchengeschichte I, S. 211.

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen

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gespeisten Einrichtungen wie Kirchengemeinden, Hospitälern und Siechenhäusern, »Kästen«, Gottes-, Hospital-, Almosenkästen, angelegt und Regelungen über deren Verwaltung und Beaufsichtigung getroffen.255 Die evangelische Kirchenverwaltung knüpfte hier an Vorläufer seit dem späten Mittelalter an.256 Die ergangenen Ordnungen setzten unterschiedliche Schwerpunkte. In der Ordnung zur Einrichtung der Kästen 1530 heißt es: »[…] in denselben kasten sollen gefallen alle zinse der bruderschaften, der kalander, der spende odir ander almusen, was der gestift wern bei den kirchen, priestern, reten odir gemeinen, auch der spital zinse und was zum baue der kirchen gehort hat«. Der Pfarrer »soll allezeit oberster kastenmeister sein«, dem »zwen, drei odir vier kastenmeister, dornach die christliche gemein grois ist« beigeordnet werden sollen, »welcher einer das zinsregister haben und alle zinse inmanen und eigentlich uffschreiben sall, was er inmant odir sonst innimpt«. »[…] aus demselben kasten sall man versorgen die prediger und vorstender der cristlichen gemein im wort gots und alle arme, kranke und gebrechliche leut, so an einem itzlichen ort sein, darzu sall man auch die kirchen aus solchem kasten in redlichen baue halten.« Innerhalb von acht Tagen nach Michaelis (29. September) sollte die Rechnung über Einnahme und Ausgabe von einem der Kastenmeister, der schreiben und lesen konnte, erfolgen, »in gegenwertigkait des pfarners, rentmeisters odir schultheisen, des burgermeisters odir heimbergen an einem itzlichen ort und zweier frommer ratsman odir bursman, welche der burgermeister odir heimberge dorzu mit sich nimpt«; das Ergebnis, wofür die Kastenmeister ein »drankgelt« 255 »Wye sich die kastenmeister halten sollen in irem ampt« (1530), in: EKO Bd. 8, S. 68–70; »Ordtnung der Gottes- vndt Almosen-Casten« (1533), in: EKO Bd. 8, S. 80f.; »Ordenung wie mans mit den pfar vnd castengüter allenthalben halten soll« (1564), in: EKO Bd. 8, S. 176f. Zu den nach den Ordnungen angefertigten Kirchenrechnungen, die uns heute »Anschauungsunterricht in kirchlicher Verwaltungspraxis« geben, siehe die Arbeiten von Heinz Vonjahr : Das Kastenregister von Hoof 1576 bis 1619. Kirchliche Vermögensverwaltung auf dem Lande um 1600. Ein Beitrag zur Kirchen- und Ortsgeschichte, das Zitat S. 31; Ders.: 13 Metzen Andacht. Aus den Kastenregistern von Elmshagen 1576 bis 1617. Ein Beitrag zur Kirchen- und Ortsgeschichte; Ders.: Auf Heller und Pfennig. Aus den Kastenregistern von Breitenbach 1576 bis 1619. Ein Beitrag zur Ortsgeschichte; Ders.: Bienenwachs und Schlagsal. Kirchliches Rechnungswesen im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Ortsgeschichte von Elgershausen; interessante Einblicke gibt auch Heide Wunder : Die Kirche im Dorf. Kirchenrechnungen als Quelle für die Geschichte der ländlichen Gesellschaft im Herzogtum Preußen. Zu den reformatorischen Entwicklungen in Hessen überhaupt und hier speziell zur Einführung und Dotierung der Kästen ist grundlegend die Darstellung von Walter Sohm: Territorium und Reformation, S. 56–67 (»6. Die Entwicklung der Kastenordnung 1527–1530«). 256 Reitemeier: Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters: Politik, Wirtschaft und Verwaltung; Arend: Zwischen Bischof und Gemeinde. Pfarrbenefizien im Bistum Konstanz vor der Reformation; Hildbrand: Herrschaft, Schrift und Gedächtnis. Das Kloster Allerheiligen und sein Umgang mit Wissen in Wirtschaft, Recht und Archiv (11.–16. Jahrhundert).

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Der geistliche Apparat vor Ort

erhielten, sollten sie schließlich »unter eins rentmeisters odir schultheisen sigill verschlossen und unverzuglich in acht tagen gein Marpurgk in die kanzlei schicken«. Schon diese Vorschrift macht die Verflechtung von kirchlicher und politischer Gemeinde und die Wichtigkeit der Aufgaben des Kastens für letztere wie auch den Anspruch des Landesherrn, die Oberaufsicht über die ökonomischen Angelegenheiten der Kirche zu führen, sehr deutlich. Entsprechend wurde bestimmt, dass »auch u[nser]. g[nädiger]. f[ürst]. und h[err]. je uber drei odir vier jar seiner f[ürstlichen]. g[naden]. rete, einen geistlichen und einen werntlichen, schicken in alle stette im furstentumb zu Hessen, zu visitiren und zu verhoren die rechenunge der kasten, so mitler zeit gescheen sein, und alle ander gebrechen, so in der christlichen gemein befunden werden, und dieselben nach dem wort gots endern und rechtfertigen lassen […]«.257 Wenn auch mit Änderungen im Detail bildete diese Regelung das Gerüst über Jahrhunderte, die Finanzaufsicht stellte eine der umfangreichsten Aufgaben kirchenleitenden Handelns dar. Problembezogen konkretisiert wurden diese Bestimmungen in der »Ordnung der Gottes- vndt Almosen-Casten« von 1533, wo es in Punkt 1 heißt: »Soll man kein geld aus den kasten nehmen und in den gemeinen nutz258 wenden, auch nicht zu verbauen, steur, schatzung oder heerzüge, des alles die kasten gefreiet sein sollen«. In allen drei Ordnungen werden die Amtleute, Rentmeister und Schultheißen, ermahnt, den Kastenmeistern unentgeltlich zu helfen, »zu der bezalunge der zinse und ander inkommens des kastens« zu gelangen,259 notfalls durch Pfändungen. Es wurde angeordnet, »drei schloß an einen jeden kasten igliches orts zu henken, ein schlüssel den amptknechten, den andern dem pfarrer, den dritten den kastenmeistern«.260 Zur Wahrung der Ansprüche der Kirche bei auf Pension ausgeliehenen Geldern und verpachteten Grundstücken spielte die ordentliche Buchführung und Aufbewahrung der relevanten Dokumente eine entscheidende Rolle, um eine Entfremdung von Kirchengut zu vermeiden und bei Todesfällen zu wissen, wer die Nachfolge in der Schuld angetreten hat sowie das Kirchengut und damit die Einkünfte als Ganze zu bewahren, Erbteilungen zu vermeiden. Auf die entsprechende Registerführung und die Notwendigkeit der Absteinung zur 257 Kastenordnung 1530, in: EKO Bd. 8, S. 68–70. Siehe daher zur Finanzaufsicht auch das Kapitel II C 3 (»Visitationen und Visitationsberichte«). 258 Zu diesem Begriff, der durch eine gleichnamige Schrift Johannes Eisermanns/Ferrarius’, des ersten Rektors der 1527 gegründeten Marburger Universität, zu weiterer Verbreitung gelangte, und seiner inhaltlichen Füllung von Friedeburg: Der »Gemeine Nutz« als affirmative Kategorie. Der Aufbau frühmoderner Verwaltung in Hessen durch Landgraf Philipp den Großmütign und seinen Sohn Wilhelm IV.; Schorn-Schütte: »Den eygen nutz hindan setzen und der Gemeyn wolfart suchen.« Überlegungen zum Wandel politischer Normen im 16./17. Jahrhundert. 259 Die Formulierung aus der Kastenordnung 1530, in: EKO Bd. 8, hier S. 68 (Punkt 5). 260 Kastenordnung 1533, in: EKO Bd. 8, S. 80f., hier S. 81 (Punkt 18).

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen

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Kenntlichmachung der Kirchengüter wies mit Nachdruck die »Ordenung wie mans mit den pfar vnd castengüter allenthalben halten soll« von 1564 hin, »damit also die pfarrer und kasten jedesmals nicht allein ihrer güter, sondern auch des zinses, bei wem sie den zu erfordern und des lehngeld gewiß sein mügen«. Die Ermittlung in Zweifelsfällen, »daruber kein brieflicher schein vorhanden«, das heißt, wenn die Inhaber die Kirchengüter als ihr Eigen ansahen und sich im Erbfalle weigerten, sie, wie üblich, erneut als »Lehen« – von der Kirche des Ortes gegen Zins geliehenes Gut – zu empfangen, wurde den Superintendenten übertragen, die in ihrem Bezirk »sich des herkommens und aller gelegenheit eigentlich zu erkunden« hätten und dem Landesherrn oder seinem Statthalter und den Räten »darvon zu berichten und also mit rat und wissen hierinnen zu handeln und vorzunehmen, was recht und billig ist«.261 Leitlinie hierbei war, »daß den Kirchen und Casten nichts entzogen, verdauscht, verwechselt oder verkaufft werde, Ob man gleich mit dem kauffschilling dem eusserlichen ansehen und der jährlichen pension nach einen bessern, wiewol gemeiniglich unbestendigen und unsichern Nutzen schaffen möchte«.262

Die Superintendenten hatten sich aber nicht nur mit der detaillierten Überprüfung kirchlicher Rechnungen aller Art zu beschäftigen, sondern auch mit ganz praktischem Substanzerhalt, wenn Kirchenland für die Lehmgewinnung zum Brennen von Ziegeln benutzt werden sollte: »Hartman von Löwenstein, f[ürstlicher]. cantzleyrath, zeigt an, er habe zu Oberurff lassen eine ziegelhütten bawen, und seyen daselbst etliche heiligenörter, in welchen der thon, so man zu ziegeln brauche, vorhanden. Bittet, ihme solche äcker gegen andere äcker, so noch besser sein solten, zu vertauschen; undt könte man auf solche stücke alsden eben den zinß schlagen, der jetzo auf den heiligenstücken stehe. Die äcker, so er darfür geben wolle, seyen keine lehn-, sondern erbäcker und liegen dem dorffe nahe«.263

Nicht nur Paul Stein hatte 1622 damit zu kämpfen, sondern auch Johannes Hütterodt 1649, als die Stadtobrigkeit sowie der Amtmann im »pfarrhoff vorm 261 Kastenordnung 1564, in: EKO Bd. 8, S. 176f. 262 Konsistorialordnung, in: EKO Bd. 9, S. 114 (rechte Spalte). 263 DTB Paul Steins 1622/23, Eintrag zum 3. November 1622. Hartmann von Löwenstein scheint hier sein Glück bei dem bislang unwissenden Paul Stein versucht zu haben, der aber vom Pfarrer zu Niederurff, Matthaeus Textor, den er dazu am 19. Dezember 1622 (DTB, Eintrag Nr. 3) aufgefordert hatte, am 25. Januar 1623 (DTB, Eintrag Nr. 2) Auskunft erhielt »wegen der heilgengüter, so Hartman von Löwenstein vermeine durch einen dausch an sich zu bringen, das nemlich diese sach schon vorlengst vorgewesen, aber vom consistorio nicht habe verstattet werden wollen, weil sie itzige inhaber solcher heilgenstück drinnen beschwehrt. Soll darauf mit Hartman von Löwenstein geredet, und er mit seinem suchen abgewiesen werden«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Boyneburger thor« zu Eschwege nach Lehm graben ließen, was Hütterodt in dieser Form nicht zulassen wollte, damit, gemäß eines Konsistorialbefehls, »wen ein dritter pfarrer kommen solte, solcher des landes [sich] auch zu erfrewen hette«.264 Zu Konflikten kam es des Öfteren mit lokalen Adligen, die, auch wenn ihnen nicht das Patronat über die Kirche des Orts zustand, beanspruchten, die Kastenrechnungen entweder ganz allein abzuhören und zu unterschreiben oder dies vor oder nach dem Superintendenten zu tun. Solche Fälle wurden von Superintendent und Konsistorium stets als Eingriff in das dem Landesherrn zustehende ius episcopale gewertet.265 Dass das Vorgehehen der Adligen aber durchaus praktische Gründe haben konnte, verdeutlicht die Argumentation derer von Dörnberg: »Es sey ihre meinung nie gewesen, auch noch nicht, durch solche abhörung der rechnungen Ihrer F. Gn. oder deren superintendenten vorzugreiffen, sondern, weil die rechnungen vom superintendenten nicht alle jahr, sondern zuweilen kaum in 3 oder 4 jahren abgehört würden, so hetten sie und ihre vorfahren es also gehalten und herbracht, das sie alle jahr die castenrechnungen abgehört, damit die recesse jederzeit eingebracht, und nicht etwan under den leuten nachstendig bleiben möchten […]«.266

264 DTB Hütterodts, S. 809f., hier S. 810 (29. April 1649), siehe auch S. 811, 814 (Punkt 3), 818. Der Bericht, den Hütterodt in der Angelegenheit des »pfarrhoff[s] vorm Boyneburger thor« am 1. Mai 1649 (DTB, S. 811) ans Konsistorium schickte (»F. Herren Vicecantzlarn undt zu den Kyrchensachen deputirten Geist- undt weltlichen Räthen«), befindet sich in StAM 22 a 8, 281 (Eschwege) (Blatt 15), mit dem für Hütterodt als Geistlichen interessanten Zustellhinweis: »Den antwortt ins posthaus einzugeben, so kan ich sie uffn Sontag empfangen«; der in Hütterodts Schreiben einliegende Antwortentwurf, Kassel 1649 Mai 18 (Blatt 16), ist direkt an den hessen-rotenburgischen Amtmann zu Eschwege, Johann Jacob Wasserhuen, gerichtet, mit der Aufforderung, sich – bis zum vollzogenen Tausch mit einem anderen Stück Land – der Zerwühlung des der Obstgewinnung dienenden Pfarrgartens durch das Graben nach Lehm zu enthalten. Vor sechs Jahren hatte Hütterodt mit dem Stadtrat ein Abkommen geschlossen, das den Lehmabbau in einer Hälfte des Pfarrhofes mit anschließender Wiederherstellung des Landes gegen zwischenzeitliche Einräumung eines anderen Grundstückes erlaubte; um mit der anderen Hälfte genauso zu verfahren, mangelte es Stadt und Amtmann aber offensichtlich an Geduld. Um vor der Genehmigung aus Kassel Eingriffe zu verhindern, von denen sich die Obrigkeiten und andere Interessenten nur schwer abhalten ließen – woraus man »augenscheinlich spüret, was solche leute gegen Gott für ein gewissen undt gegen mich undt alle treuhertzige ermahnung, bitten undt flehen, für resprect tragen«, sei Hütterodt veranlasst worden, »am vergangenen sontag vormittag, einen in dergleichen fällen vom Marpurgischen consistorio anno 1623 am 8 ten Janu. ausgelassenen befelch von der cantzel zu verlesen undt dabey zu erinnern, daß man sich des leimengrabens im pfarrhoff enthalten solle«, womit die Verbindung zu dem Fall hergestellt wird, mit dem Paul Stein konfrontiert war. 265 Siehe hierzu die detaillierteren Ausführungen im Visitationskapitel, Kapitel II C 3 b aa. 266 DTB Paul Stein 1622/23, Eintrag zum 23. April 1623 (von Dörnberg) sowie zum 20. April 1623, Nr. 4 (Unterschreibung der Kastenrechung durch die Schetzel zu Merzhausen).

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Paul Stein teilte den Metropolitanen seines Bezirks in einem Ausschreiben vom 10. April 1628 mit, dass er entschlossen sei, »sonderlich an denen orten, welche Landgraff Georgens [von Hessen-Darmstadt] F. Gn. nur zeitlang innen gehabt, den nechsten die visitation vorzunehmen, und die nachstendige hospital- und castenrechnungen abzuhören«. »Alß ist mein befehl an euch, damit die sachen desto schleuniger befördert, undt ich mich draußen mit schwehrem unkosten nicht lang auffzuhalten haben möge, daß ihr die vorfallende gebrechen in kirchen-, schul-, hospital-, casten- undt dergleichen in die geistliche inspection gehörigen sachen, […] richtig zu papir setzet, undt durch ewre fratres classicos zu papir bringen undt euch zustellen laßet, undt innerhalb vierzehen tagen mir dieselbe neben den nachstendigen undt letzt abgehörten underschriebenen rechnungen zuschicket, damit ich mich darinnen zuforderst alhir ersehen, die rechnungen probiren, undt alßdenn hernach zu meiner ankunfft desto schleuniger darmit durchkommen möge.«267

Nicht nur solche Einträge in den Ausschreiben und Diensttagebüchern der Superintendenten geben Einblick in die Praxis der kirchlichen Vermögensverwaltung und verraten die Mühe bei der Kontrolle und Rechtssicherung durch den Superintendenten, sondern auch die Rechnungen selbst, die trotz der Verluste im Dreißigjährigen Krieg auch für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts noch überliefert sind.268 Um die Verluste auszugleichen, entstanden insbesondere auf Anregung des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt Kircheninventare und Verzeichnisse der Einkünfte (Kompetenz) der Pfarreien. Besonderen Einblick in die Kontrollpraxis der Superintendenten geben auch die um 1570 angelegten Visitierbücher, die im Kirchenkreisarchiv Eschwege überliefert sind.269

267 Postscriptum zur Überschickung der Formel für das gemeine Kirchengebet anlässlich der Prag-Reise Landgraf Wilhelms V., in: StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 59rv ; siehe dazu auch: DTB Paul Steins 1628, Eintrag zum 13. April 1628, Nr. 1 sowie Eintrag zum 16. April 1628, Nr. 11 ad 4. 268 Siehe die Aufzählung der Orte mit »Verbrandte[n] Kyrchenrechnung[en]« im DTB Hütterots, S. 73 (15. Juli 1639). Erhalten geblieben ist z. B. die »Rechnung des Gottes Castens zu Eschwege 1630«, als deren Umschlag ein gut lesbares hebräisch beschriebenes Pergamentblatt dient, sowie die »Rechnung Der Kirchen zue Eschwege De Anno 1639 / Berechnet Durch mich Weinmarum Minorem Kirchen Schreibern daselbst, Anfanglich den 1. Januarij unndt Schließlich den letzten Decembris 1639« (»Abgelegt zu Eschwge am 11 ten Martii Anno 1641. reservatis reservandis. M. Johannes Hütterodt. Sup. et pa[stor]., Johannes Cnirimius Diaconus, Hennrich Eckernmann [?], Hieronymus Schreiber, Andreas Bemelingk, Velentin Heineman«), aus dem sich anschließenden »Register uber Innahm unndt Außgab Fedderviehe Desgleichen Eyer undt Leinsaat« lässt sich u. a. ersehen, wie viele Gänse und Hähne die Pfarrer der Alt- (Hütterodt) und Neustadt, der Diakon der Altstadt (Philipp Heuckerodt) und der Kirchenschreiber einnahmen, alles in KKAE Best. 2, Nr. 1. 269 Siehe hierzu den Abschnitt im Kapitel II C 2 und 3 a dd.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Im Abschied seiner ersten Visitation, die Paul Stein vom 8. bis 12. November 1622 als Mittelpunktvisitation zu Ziegenhain abhielt, legte er im ersten Teil, den »Capita generalia, so ins gemein alle undt jede kirchen dieser clas betreffen«, einige allgemeine Prinzipien der Kastenökonomie nieder, die im Laufe der Zeit nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben, woraus vor allem Punkt 9 hervorzuheben ist. »IX. Von verschreibungen uber ausgeliehene capitalia der casten, undt deren underpfanden Die casten haben mehrentheils uber ausgeliehene capitalia nur privatam scripturam, etwan von den pfarhern oder opffermänner verfertigt; bey etlichen finden sich auch wohl uber eins theils capitalia gantz keine verschreibungen; so seind die casten auch an vielen orten mit den underpfanden, als sonderlich mit häusern, welche durch brandt leichtlich in die asche gelegt werden können, nicht zum besten verwahret undt versichert. Damit nun dem casten solches nicht etwan mit der zeit zu nachtheil und schaden gereiche, so ist es dahin verabschiedet worden, das uber alle undt jede ausgeliehene capitalia gnugsame gewisse underpfande den kirchen undt casten eingesetzt, die verschreibungen auch under der oberkeit handt undt siegel ausgefertigt und es darinnen auch zugleich der müntz halber also versehen werden solle, damit die capitalia, als welche mehrentheils alt, undt ahn guttem geldt dabevor ausgelehnet worden, auch in den verschreibungen zu guttem geldt dero newlicher zeitt widerholeten undt publicirten fürstlichen müntzordnung270 gemäß gesetzt, und davon ins künfftige die pensiones jederzeit an guttem geldt, gedachtem müntzedict gemäs, eingenommen undt berechnet werden. Und haben der capitain und schultheiß, wie dan auch die fürstliche beambten, bürgermeister und rath dieses orts sich günstig dahin erklärt, weil die capitalia, welche die casten auszulehnen pflegen, offtmals sehr geringe seind, die verschreibungen, sonderlich uber geringe capitalia, ohn einig entgeltnus umbsonst zu verfertigen, damit also niemand, welcher von den kirchen und casten geldt aufnimbt, durch die unkosten abgehalten werde, dem casten solche verschreibungen, welche under der oberkeit handt undt siegel gestellt seyen, einzulegen.«271

270 Münzedikt vom 30. April 1622 (»Renovirte Müntz-Ordnung, darnach sich Unsere von Gotes Gnaden, Moritzen Landgraven zu Hessen, Graven zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain und Nidda, etc. Landsasse, Underthane, und männiglichen richten und verhalten sollen«), in: HLO I, S. 613–616 (Nr. CLXIX) mit Festlegung des Wertes von Münzen verschiedener Herkunft in hessischen Albus (S. 615); »Ausschreiben von Vice–Cantzlar und Räthen mit communication des Müntz-Edicts und der Tax-Ordnung, in welchem 1) beyde zu publiciren und darüber zu halten befohlen. 2) Die Verwechselung der guten gegen die schlechten Müntz-Sorten weiter verbotten und 3) gegen das Verschliessen derer Krahme und Laden das nöthige verfüget worden« vom 27. August 1622, in: HLO I, S. 658f. (Nr. CLXXI); »Verordnung, Gegen die 1.) schlechte Müntz-Sorten 2.) Ausführung der Metallen ausser Landes und 3.) Verweigerung der Heßischen Müntze« vom 18. März 1623, in: HLO I, S. 659f. (Nr. CLXXII). 271 Konzept von der Hand Paul Steins des Abschieds der zu Ziegenhain vom 8.–12. November 1622 gehaltenen Visitation, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 2v–3r ; gegenüber der anscheinend

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Die Darlehensverschreibungen, die neben der Darlehenssumme und den dafür regelmäßig zu entrichtenden Zinsen (Pensionen) auch die den Kästen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit begebenen Sicherheiten aufführten, sollten also öffentlich beglaubigt werden, und zwar – um niemanden von einer solchen Beglaubigung abzuhalten – von den Autoritäten umsonst, und als Sicherheiten sollten möglichst solche Sachen gewählt werden, die nicht untergehen konnten. Um die Kästen vor Verlust infolge des Wertverfalls des Geldes durch die Münzverschlechterung zu bewahren, sollten die Verschreibungen vorsehen, dass sowohl die Darlehenszinsen wie die Ablösung des Darlehens, also die Rückzahlung des ausgeliehenen Kapitals, nur in Münzsorten erfolgen dürften, die denen zum Zeitpunkt der Ausgabe real wertgleich sind. Geschäfte dieser Art, die dem modernen Bankgeschäft nahekommen, sicherten den Unterhalt der Kirchen. Dass derartige Überlegungen nicht jedem sofort zugänglich waren, dass ihre Umsetzung Mühe kostete und ihre Notwendigkeit den Ausführenden nicht leicht zu vermitteln war und immer wieder kontrolliert werden musste, erscheint nachvollziehbar. Im Substanzerhalt des kirchlichen Vermögens lag eine der verwaltungspraktischen Hauptaufgaben der Superintendenten, die dafür auch ökonomisches Geschick, Beharrlichkeit und einen vorausschauenden Blick mitbringen mussten und die Auseinandersetzung mit anderen Herrschaftsträgern nicht scheuen durften. Ganz im Sinne der Forderungen, die bereits Paul Stein 1622 aufgestellt hatte, existiert für Eschwege ein eigenes »Copial Buch aller obligationen uber den Gottes Kasten allhier zu Eschwege«, in das notariell beglaubigte Abschriften zwischen 1638 und 1674 ausgestellter Schuldbriefe eingetragen wurden,272 das auffälligerweise genau im Jahr der Amtsübernahme des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt beginnt. Um möglichst stetige Einkünfte für die Kästen zu generieren, war das Ziel, abgelegte Capitalia oder dem Kasten heimgefallene Lehen so schnell wie möglich wieder gegen Zinsen auszugeben. Im Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg findet sich abschriftlich ein »Abschied wie es mit Hospitalsachen und Kastenrechnung gehalten werden soll de dato Caßell den 26 ten Augusti 1645« des Superintendenten Theophil Neuberger, in elf Punkten, die höchstwahrscheinlich auf aktuelle Erfahrungen bei Visitationen zurückgehen. In Punkt 4 kommt Neuberger, einschließlich einer Skizze, auf die Gestalt zu sprechen, in der uns die Kastenrechnungen in aller Regel entgegentreten:

wieder verworfenen, unvollständigen Reinschrift in StAM 315 a, Nr. 19 (Akte im Kasten ganz oben) scheint das Konzept Sprache und Intention Paul Steins treffender wiederzugeben. 272 KKAE Best. 1, Nr. 25.

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Der geistliche Apparat vor Ort

»4. Es sollen auf allen blättern vor den zeilen etliche linien gezogen, und die ziefer oder zahlen der gulden oder thaler, albus und heller darzwischen gesetzet und underschieden werden. 5. Die latera [hier : Seitenränder, A. J.] und posten, sollen auf allen blättern und seiten gleichförmig, und in einer rechnung wie in der andern gesetzet, so aber etwas in einem latere ab oder zu gieng, sol es unden im latere verzeichnet werden warumb solches geschehen, und woher es komme«.273

Die meisten Rechnungen folgen diesem Muster. Sie sind eingeteilt in verschiedene Rubriken: Einnahme an Geld aus Pachtzinsen (»Erbzinsen«, »ständige Zinsen«), Darlehenszinsen (»Pensionen«, »wiederkäufliche« [= ablösbare], »unständige Zinsen«), Kollekteneinnahmen, oder an Naturalien (Vieh und Früchte) und ihr eventueller Verkaufserlös, Wachs oder Wachsgeld, Einnahmen aus Stiftungen sowie aus den Strafgeldern der »Sabbatsverächter« (Abb. 10); Ausgabe an Almosen, Botenlohn (Abb. 8 und 9 auf S. 224), Kirchendienerbesoldung, Abendmahlsbrot und -wein, Baukosten, Zehrungskosten bei besonderen Anlässen, allgemeine Verwaltungskosten, v. a. Papier für die Rechnungen. Am Rand jeder Seite – links oder rechts – befinden sich drei Spalten für die Geldrechnungsgrößen (Gulden/Taler, Albus und Heller), manchmal auch für die Fruchtmaße bei Getreide (Malter, Metze, Schock) oder für Gewicht beim Wachs (Pfund [libra], Viertel). Am Ende jeder Seite wird die Summe über die dort aufgestellten Einzelbeträge gezogen, der eventuell aus dem Vorjahr übernommene Rückstand (»Recess«) wird gleich auf der ersten, der vorderen Umschlaginnenseite der Rechnung genannt und auf der letzten Seite wird Bilanz über Einnahme und Ausgabe gezogen, um wie viel das eine das andere übertrifft. Häufig – insbesondere bei Hütterodt – lässt sich beobachten, dass die Superintendenten die Rechnungen sehr gründlich durchsahen und nicht alle Ausgaben passieren ließen, wenn z. B. laut Konsistorialverordnung274 die Umzäunung der Pfarrgärten unentgeltlich von den Untertanen selbst errichtet werden musste und nicht aus dem Kasten bezahlt werden durfte (Abb. 11);275 für 273 »Abschied wie es mit Hospitalsachen und Kastenrechnung gehalten werden soll de dato Caßell den 26 ten Augusti 1645« im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 53–55, hier S. 54. 274 »Fürstliche Consistorial-Verordnung Wie es mit Reparation der Kirchen- und Pfarr-Gebäude, auch Pfarr-Gartten, Zäune und Bestreitung derer darzu erforderlichen Kosten aus den Kasten und von den Unterthanen solle gehalten werden« vom 18. Februar 1653, HLO II, S. 168f. 275 Bedingte Unterschriften mit Vorbehalten solcher Art finden sich z. B. in der Kirchenrechnung von Reichensachsen für das Jahr 1655, hauptsächlich wegen fehlender Quittungen und Verwendungsnachweise, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111; in der Rechnung des Gotteskastens zu Grandenborn 1659, KKAE Best. 4 Grandenborn, Nr. 4: »Ohne die 9 albus 6 heller erbzinß, welche mangeln undt die gemeinde von anno 56. 57. 58. 59 zu zaalen schuldig ist; worüber der adelichen obrigkeit hulff implorirt wirdt. Abgehört zu Reichensachsen am 2ten Junij Anno 1660«; in der »Rechnung uber einnahm und außgabe der zinsen zur

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Abb. 10: KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109 (Seite aus der Kirchenrechnung für das Jahr 1655). »Einnahme für Gehöltz auß dem Mattenberg – 0 Straffe von Ergerlichen Sabbats verächter 1 Gulden Henrich Schabacker welche den 5. [Sonntag] post 1 Gulden Christoff Schmid Trinitatis auf S[ankt]. Gehülfens berge geweßen, undt alhier den Gottes dienst verseumet. 10 Albus Hans Bosolt welcher selbigen tags vor der Predigt naher Grebendorf gelauffen. Summa – 2. fl [Gulden] – 10. alb [Albus] N[ota]B[ene] Diese Straffe ist von der Adelichen Obrigkeit alhier zum Schuelbaw angewiesen worden.«

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Der geistliche Apparat vor Ort

Abb. 11: Letzte Seite der Kirchenrechnung der Gemeinde Reichensachsen für das Jahr 1655 (KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111). Von Hütterodts Hand stammt der Schluss ab »Abgehört zu […]« (4. Zeile von unten) mit der Ortsangabe, der Datierung und seiner Unterschrift sowie die Einfügung am Rand; ob auch der Haupttext von ihm oder nur nach seinem Diktat geschrieben wurde, erscheint mir nicht ganz sicher. »Alß die Rechnungen der Kirchen zue Reichen- / sachsen von Annos 1645 biß 55 abgehöret wor- / den, undt befunden, daß viel sachen ver- / bawet, worüber keine Quittung furhanden: des- / gleichen, daß fur weiden, holtz undt wiede an die zaune, wieder die ordnung gelt gegeben: / Item daß die Stifftungen mehrentheilß stecken blieben, undt nur in den letzten Jahren ausge- /spendet worden: wie auch, daß viel dielen gekaufft undt nicht gezeigt, wohin sie ver- / wendet worden, undt dan endtlich, daß der / pfarrer Ludolphus seine extraordinari [Rand: zulage empfangen, welche doch nicht gantz berechnet worden,] zue- / geschweigen, daß noch zur zeit keine richti- / ge Liquidatio der Recessen vorhanden, So sindt diesse Rechnungen mit dem vorbehalt, daß solche posten besser beschienen undt / zur richtigkeit gebracht werden sollen, hier- / mit confirmiret, Reichensachsen am 5ten / Aug: A[nn]o 1656. Abgehört zu Reichsachsen am 5ten Aug. 1656. Johannes Hütterodth Johann Valentin Wolff F[ürstlich]. Hess: Amptßvoigt zu Bischhausen Heinrich Philip von Boyneburg«

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die Abhörung der Rechnung erhielt der Superintendent, offenbar pro Abhörungstermin, der mehrere Jahrgänge umfassen konnte, »13 alb. dem Herrn Superintendenten von dieser Rechnung abzuhören« (so 1655 für Reichensachsen unter der Rubrik »Außgab Dienerbesoldung«, für die Abhörung der Rechnungen 1645–1655). Gründlich gelesen geben die Kastenrechnungen faszinierende Einblicke in die dörfliche Gesellschaft.276 Dass sich die an den jeweiligen Orten dafür Zuständigen mit der Verfertigung der Rechnungen nicht leicht taten, geht eindrücklich aus einem Ausschreiben hervor, dass Theophil Neuberger am 13. Dezember 1648 an die Metropolitane seines Superintendenturbezirks richtete: »Ich habe nachmahlen in underschiedlichen visitationen, nicht ohne grossen verdruß, erfahren müssen, daß meine so vielfältige ernste vermahnungen, wegen verfertigung der rechnungen, von theyls hospitals- undt kastenmeistern, durchaus nicht seint in acht genommen worden, woran theyls pfarrer nicht wenig schuldt haben, alß die nicht der gebühr, ihrer gethanen pflicht nach, darauf treiben, oder auch die geschriebene rechnung durchsehen undt collationiren helffen. Ja, es sparen ihrer viele die verfertigung ihrer rechnungen, biß ich zur abhörung komme, undt wenden darnach für, die zeit sey ihnen zue kurtz gewesen, gleich alß ob sie nicht wüsten, daß sie alle jahr zue ausgang desselben, die jahrsrechnung, all die weyl noch alles ihnen in gedächtniß ist, wie auch die liquidationes, undt stumpfrechnungen, befohlner maassen verfertigen, mit fleiß collationiren, undt einschicken sollen. Undt hab ich mit grossem unwillen vernehmen müssen, daß etliche pfarrer, denen ichs auch verwiesen, sich dieser sachen gar nichts annehmen wollen, under dem nichtigen vorwandt, daß sie sich auf rechkirchen, schulen, und spende zu Frida Anno 1659 gehalten durch Zacharias Gebaur, Hanß Witzl, Kastenmeister, Jacob Scheffer, Melchior Reüssunt, Spendemeister«, KKAE Best. 4 Frieda, Nr. 1, merkt Hütterodt auf fol. 4r an: »Einnahm allmosen auf sontag, hochzeit undt kindtauffen: Soll unfehlbar hinkunfftig berechnet werden. / Einnahm von newgelösten ständen / Einnahm von busfelligen ärgerlichen sonn- undt feyertags verbrechern«, am Ende notiert er : »Wan nun in diesem jaare die 10 fl. Obelij spende so im receß von 3 jaaren stecken verbawet werden, sollen sie alsdan alhir zur ausgabe undt bey der bawrechnung zur einnahm gesetzet werden. Abgehört zu Eschwege am 16ten Julij Anno 1660«. Zur 1615 von Johannes Obelius vor seinem Tod errichteten Stiftung von 600 fl., von denen auf Frieda, Grebendorf und Schwebda je 200 fl. entfielen, aus deren Zinsen die Armen jedes Dorfes eine jährliche Spende erhalten sollten, KKAE Best. 4 Schwebda, Nr. 14, mit der PergamentAusfertigung des Notarsinstruments über die Errichtung der Stiftung; zur »Volnziehung des Oblischen Testaments« siehe auch den Eintrag im DTB Hütterodts zum 31. Januar 1640 (S. 120). 276 Als Beispiel dient hier, neben der »Rechnung Den angeordneten Kastenmeister Lampert Schaden undt Lorentz Stucken zu Reichen Sachsen uber Einnahm undt Außgab der Kirchen de Anno 1655« (abgehört und unterschrieben von Hütterodt, einem weiteren für den Ort zuständigen Vertreter des Landesherrn [dem Fürstlich Hessischen Amtsvogt zu Bischhausen, Johann Valentin Wolff] und einem Vertreter der adligen Ortsobrigkeit [Heinrich Philipp von Boyneburg] am 5. August 1656), KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111 (Abb. 11), die Rechnung über »Einnahme undt Außgabe der Kirchen zu Jestet de Anno 1655. Berechnet durch Henrich Nakeln« (abgehört und unterschrieben am 16. April 1657), KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109 (Abb. 9 und 10).

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Der geistliche Apparat vor Ort

nungen nicht verstünden, welches in warheit einem pfarrer undt gelehrten gar schimpflich ist, sonderlich, was die geringen dorffrechnungen anlanget, welche doch ein bawr verstehen möchte. Überschicke demnach hiermit abermahl undt zum überfluß, den general abschied der rechnungen halben, mit nachmahligem befehl, daß ein jeder pfarrer copiam desselben ihme behalte, undt auch denen hospital-, siechen- undt kastenvorstehern communiciren solle, darmit sie sich allerseits darnach zue richten wissen, undt keine außflucht suchen mögen. Darnach sich ein jeder zue achten, undt fur straff zue hüten wissen wirdt«.277

Da den Kastenbeauftragten die Einhaltung der landesherrlichen Vorgaben zur Finanzverwaltung und Rechnungsführung oft so schwer fiel, blieb Vieles undokumentiert und öffnete damit Missbrauch und Unordnung die Tür. Etwa sollten sich die Kastenmeister für alle geleisteten Zahlungen Quittungen geben lassen, was aber nicht geschah, sodass sich der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger eine andere Möglichkeit einfallen ließ: »1. Demnach biß dahero es allenthalben, aus alter gewonheit meisten theils, sonderlich in geringen posten, an quittungen gemangelt, wird hirmit befohlen, weil nicht jederman schreiben und quittung von sich geben kan, daß sonderlich hospital und sichen vorsteher ihnen [= sich] vier quartal manualia jedes jahr machen, und nach der ordnung des haupt registers alles darin verzeichnen, was eingenommen und außgegeben wird, und soll zu außgang jedes quartals jemand vom ministerio, der pfarrer selbst, oder, so er nicht könnte, sein collegen, wo mehr als ein prediger ist, wie auch burgermeister und jemand vom rath visitiren, das manual durchsehen, die leute, ob es sich also verhalte wie aufgeschrieben, hören, und nach befindung underschreiben, damit solche underschrifft an statt aller quittungen seie. Die Castenvorsteher aber sollen nichts außgeben, noch berechnen, es sei dann mit einem zettul vom pfarrer beschienen, und da viel posten, wie in bawsachen zu geschehen pflegt zusammen kommen, da es schwerlich fallen wolte, alle und jede und zu mahl geringe posten besonders quittiren zu laßen, sollen sie zusammen geschrieben und ins gemein vom pfarrer quittiret werden.

277 Hier zitiert nach einer Abschrift in StAM 318 Kassel, Nr. 1387 (das Ausschreiben findet sich auch im »Copialbuch« in StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 95f., von Neuberger eigenhändig unterschrieben und adressiert, aber ohne Unterschriften, die die Kenntnisnahme der Metropolitane bestätigen würden, der Text hingegen stammt nicht von Neubergers Hand; die hier zitierte Abschrift scheint mir an einigen Stellen dem von Neuberger wahrscheinlich konzipierten Text des Ausschreibens näher zu stehen), der eine »Copia des abschieds undt information, wie es mit hospital-, siechen- undt kastenrechnungen im bezirck Cassel soll gehalten werden undt wie solcher abschiedt hernach, den 12. Decemb. anno 1651. vom Herrn Superintendenten, durch den Druck publiciret worden« in 17 Punkten beiliegt, dahinter verbirgt sich wahrscheinlich jener im Ausschreiben erwähnte »general abschied der rechnungen halben«.

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2. Zum andern soll hinfurter kein einiger nachlaß oder abgang zu register gesetzet oder passiret werden ohn vorgezeigten schrifftlichen befehlich«.278

Über die Anpassung von Normen der Kastenordnung, die Pfarrer und Kastenherren zur Mildtätigkeit mahnte,279 gibt ein anderes Schreiben Neubergers an die Metropolitane vom 18. Juni 1650 Auskunft.280 Darin hielt er sie an, in den Sommermonaten umherziehenden offensichtlich falschen Bettlern kein Almosen aus dem Kirchenkasten zu geben, »sie praetendiren auch was sie wollen«. Es gäbe nämlich solche, die sich von den mildtätigen Pfarrern Zettel ausstellen ließen, mit denen sie andere, »weil sie kein testimonium sonst haben, undt ihre sach unrichtig ist, reitzen ihnen auch dergleichen zu steuren«. Einem, der mit dieser Masche auch bei ihm vorstellig geworden sei, habe er die Zettel weggenommen, um sie bei der nächsten Rechnungsabhörung mit den einbehaltenen Abschriften in den Kirchenkästen zu vergleichen. Diejenigen, die mit der Einmahnung der Kastenzinsen und der Rechnungsstellung zunächst die meiste Mühe und den geringsten Lohn hatten, die Kastenmeister, nahmen ihre Heranziehung zu Hilfsdiensten bei den Wolfs- und anderen Jagden – entgegen der ihnen von früheren Regenten gewährten Befreiung – 1652 zum Anlass, bei Landgraf Wilhelm VI. um Erneuerung dieses Privilegs zu bitten und klagten dabei zugleich ihr Leid: »E. F. G. geben wir in aller unterthänigkeit zu erkennen, welcher gestalt wir noch wie vormalß mit nicht geringer müh die wenige einkommens der gottescasten unserer orten nicht nur einsamlen, auch manchmahl ein gantzes jahr, ehe wir bey einem hie dem andern dort die albus und heller zusammen bringen, darnach lauffen, sondern auch mit offtmahliger versäumung unserer eygnen arbeit, alles an kirchen, pfarr- und opferhäusern bauen und beßern laßen müßen, und dargegen im geringsten keinen entgelt noch ergetzlichkeit, sondern vielmehr schaden und nachtheil zu gewarten haben. In betracht es gar offt geschicht, daß, wan etliche von unß verstorben, die hinderlaßene ihrige, das jenige was hin und wieder zerstreuet stehen blieben und durch viel lauffen und angewendete müh nichts einbracht werden können, mit ihrem höchsten schaden dem gotteskasten bezahlen müßen. […] Also bitten E. F. G. wir in aller unterthänigk. dieselbe geruhen gn., mehrgedachte unß von dero hertzvielgeliebten in Gott nuhmehr seelig ruhenden Herrn Vattern und 278 »Abschied wie es mit Hospitalsachen und Kastenrechnung gehalten werden soll de dato Caßell den 26ten Augusti 1645« im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Best. Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 53–55, hier S. 53f. 279 In der Kastenordnung von 1530, Artikel 12, 17, 18: EKO Bd. 8, S. 69. Siehe dazu auch: Ebert: Hausarme und »ausländische« Bettler in Schwebda. Formen und Funktionen dörflicher Armenunterstützung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 280 Theophil Neuberger an die Metropolitane des Superintendenturbezirks Kassel (hier das zum Gudensberger Metropolitan zurückgelaufene Exemplar, das er unter einem Teil der Pfarrer seiner Klasse zirkulieren ließ, mit ihren Kenntnisnahmeunterschriften), Kassel 1650 Juni 18, LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg, Nr. 121 (erstes Stück im Konvolut), daraus die folgenden Zitate.

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Der geistliche Apparat vor Ort

hertzliebsten Frau Muttern, auß sonderbaren gnaden mitgetheilte und bestättigte freyheit g[nädig]. zu confirmiren, und uns hinfüro so wohl der wolfsjacht als anderer jachtdienste auß gnaden zu befreyen, damit wir also gegen unsere bekante müh uns ins künfftige auch etwas zu erfreuen haben mögen«.281

Zwar erhielt jeder Kastenmeister 14 Albus für seine Mühe und weitere 14 Albus Mahngebühr, außerdem wurden mitunter noch Andere eingespannt, die die Zensiten »wegen ihrer zinse in die pfarr« forderten, wofür 1655 ein Knabe zu Reichensachsen 1 Albus erhielt, das Schreiben der Rechnung wurde zusätzlich mit 13 Albus vergolten,282 insgesamt erscheint dies der damit verbundenen Mühe und der Folgen, die diese Tätigkeit selbst für die Erben der Kastenmeister haben konnte, kaum angemessen, sodass man dieses Amt – trotz aller Defizite in seiner ordnungsgemäßen Führung und der Überwindung, die die Erstellung der Rechnungen offenbar oft kostete – auch als opferbereiten Dienst an der Gemeinschaft verstehen kann.

281 »Sämptl. Kastenmeister deß Ampts Caßell vor der Neustatt bitten, daß sie dem herkommen nach von allerley Jagtdiensten undt sonderlich den Wolffsjagten befreyet bleiben möchten« (Rückvermerk), präsentiert 1652 Februar 25, StAM 315 l, Nr. 17. Der abschriftlich beiliegende, in seiner Wortwahl für die kulturgeschichtliche Motivation der Wolfsjagden eindrückliche Bescheid Landgraf Wilhelms VI. vom 26. Februar 1652, dessen Übereinstimmung mit dem in der Superintendentur aufbewahrten Original Theophil Neuberger darauf beglaubigte, lautet: »Wir wollen die supplicanten umb angedeütteter uhrsachen willen eben mäßig gleich unßere vorfahren von den gemeinen jagten auß gnaden hiermitt befreyet haben, der wolffsjagten aber, als welche zu gemeinem besten unndt sonderlich erhaltung ihres viehes angestelt, mögen sie sich underm praetext einer vermeinten freyheit nicht gäntzlichen entziehen, sondern werden ihre geschäffte der gestalt einzurichten wißen damit sie auch zu außrott- unndt vertilgung der schädtlichen thiere unndt wölffe unverhindert mitt arbeiten helffen mögen, solten aber ihre ambtsverrichtungen unvermeidtlich uff der tage einen fallen, an welchem etwa ein wolffsjagen zu halten, können wir uff selbigen den supplicanten die gesuchte verschonung gönnen, wornach sie, wie auch unßere forst- unndt andere beampte sich zu richten, unndt dem bisß zu anderweitehm anstalt gemäß zu leben, wißen werden«. Zuvor hatte die Regentin Amelie Elisabeth Kastenmeister und Opfermänner von den Wolfs- und anderen Jagddiensten vollständig befreit, Kassel 1643 September 29 (von Neuberger vidimierte Abschrift, laut einem Vermerk des Pfarrers von Obervorschütz, Johannes Zentgreve, am 13. Juli 1682 dem Superintendenten Stöckenius bei der Rechnungsabhörung zu Gudensberg gezeigt, der auf die Befreiung der Kastenmeister in Form eines gedruckten Patents durch Landgraf Carl verwiesen habe), StAM 315 l, Nr. 17, auch in LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg, Nr. 121 (4. Stück im Konvolut, ohne Vermerk Zentgreves). 282 Nach der Kirchenrechnung für Reichensachsen 1655, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111; die Ausgaben für die Kastenmeister, die Mahngebühr und die Verfertigung der Rechnung finden sich unter der Rubrik »Außgab Dienerbesoldung«, das Zitat über den Knaben unter »Außgab Zehrung undt Botten Lohn«.

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Stadt und Superintendent im Streit um den Lehenschreiber zu Lichtenau

In der Regel waren die Kastenmeister aber nicht die Ärmsten ihres Ortes, da sie für ihre Tätigkeit Kaution leisten mussten; wurde darauf bei Antritt ihres Amtes nicht geachtet und kam es zu Streitigkeiten über ihre Amtsführung, konnte dies zu Konflikten mit der Stadtobrigkeit führen wie 1641 in (Hessisch) Lichtenau. Dort gab es ein Lehen, das Johannislehen genannt, das Landgraf Philipp – nach dem Tod seines auf Lebenszeit damit belehnten Vizekanzlers Valentin Breul 1547 – »dem Gotteskasten alhiero zu behueff undt unterhaltung armer geschickter knaben […] zum studio in gn[aden]. verordnet«. Die Gefälle dieses Lehens hätten »in erhebung etzlicher zinsen von gewißen feltguetern bestanden«, die aber nicht immer hätten »in bauwlichem wesen erhalten werden« können, weshalb Landgraf Philipp »mitt unserern vorfahren in anno [1]559 uff eine gewiße ständige sum geldes zu obigem behueff […] handeln, undt unß bisßhero mitt obberuertten lehnguettern (so doch jeder zeitt dem Gotteskasten verblieben) zu gesampter handt undt midt zuziehung des hiesigen pfarrern, wer der jeder zeitt gewesen, gewähren laßen«. Es wurde also eine Pauschalsumme festgesetzt, die aus den Einkünften (Pachtzinsen) der zum Lehen gehörenden Güter eingebracht werden sollte. Dabei hätten es Bürgermeister und Rat, wie sie schreiben, gern gelassen, allerdings würden sie »durch absonderung, undt eygenthetige eingriffe vor wohlgedachten H. Superintend. undt Pfarrern dieses orts hierein mercklich verhindert, indem sie uber die inspection, sich der direction uber obige guettere undt gefälle allein anmaßen, unbegueterte lehnschreibere, ohne einige caution darüber bestellen, undt wan es hernacher zum schaden gehet, als dan ihro persohn frey herauß ziehen, undt den verlust uff unß treiben, allermaßen sich an deme ohne caution gewesenen lehnschreibern, Jacob Thomasen seel. erwiesen, welcher alleine an stipendiaten gelder eine starcke sum undt uber 300 fl. erhaben, undt nicht endtrichtet, die nuhnmehr bey unß undt hiesiger bürgerschafft […] gesucht, undt durch scharffe executions bevelche außgetrieben werden, unangesehen, gantz kein mittel daran man sich bey itzt erwehntes lehnschreibers erben erholen könnte […]«.283

Dasselbe erlebten sie nun bei dem aktuellen Lehenschreiber Johann Henrich Radau. »So haben Burgermeister undt Rath sampt dem Pfarrh. itzigen Lehnschreiber ahngenommen, mit dem vorbehalt, daß er gnugsahme caution undt burgeschafft, jegen die einnahme, geben sollte, welche burgeschafft, ob schon vielfältigk bey ihme Lehnschreibern darumb angehalten worden, hatt doch keine burgeschafft von ihme erfolgen 283 Bürgermeister und Rat zu Lichtenau an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Lichtenau 1641 November 23 (wahrscheinlich Abschrift), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 7. Stück) mit ironischen Randbemerkungen Hütterodts, an den die Kasseler Räte das Schreiben gelangen ließen.

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Der geistliche Apparat vor Ort

wollen, dieweill aber der Lehnschreiber Jacob Thomas seelig, gleichergestalt hette burgeschafft leisten sollen, auch uber vielfeltiges erinnern, keine burgeschafft eingelegt worden, under deßen aber Er Jacob Thomas die stipendiatengelder so vollkömlich berechnet alß wan sie geliffert wehren, dardurch große uhnrichtigkeit entstehet, besorgt man sich, daß es mit itzigem Lehnschreiber auch also ergehn möchte, dem selben nuhn in der zeit zu begegnen, bitten Burgemäister undt Rath, daß der Lehnschreiber seines einnehmens so lange entsetzet, biß er gnugsame burgeschafft und caution geleistet.«284

Radau war der Schwiegersohn des Lichtenauer Pfarrers und Metropolitans Caspar Rudolph Weisbrot, der 1636 beim damaligen Superintendenten Caspar Josephi für seinen Eidam interzediert hatte, ihm die Lehenschreiberstelle zu übertragen, wobei er bemerkte, dass »brieffzeiger mein eidam Johan Radau dem herkommens nach dieses orts wegen solches vacirenden lehn schreibers dinsts gegen gnungsame caution beim pfarhern, beampten, auch burgermeister und raht consens und bewilligung gesuchet, auch dieselbige samptlichen ihren einmundigen consens, doch uff E[ines]. Ehrw[ürdigen]. und h[och]g[elahrten]. [= des Superintendenten, A. J.] consens, ratification und confirmation, beilegend [zu] sehen, gegeben«,285 was im Widerspruch zu den späteren Äußerungen von Bürgermeister und Rat steht. Unter der Bestellung »sub cautione«286 verstanden die Stadtväter offenbar deren bare Leistung, während Hütterodt auch die Stellung von Bürgen akzeptierte.287 Bürgermeister und Rat warfen dem Su284 Punkt 3 aus den »Gravamina der Stadt Leuchttenaw. Burgermäister undt Rath, Bitten underthenig, dießes großg[ünstig]. anzusehen undt billichmeßigen bescheidt zu ertheilen«, wahrscheinlich Beilage zum Schreiben vom 23. November 1641 an Vizekanzler und Räte, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 9. Stück). 285 Caspar Rudoph Weisbrot, Pfarrer zu Lichtenau, an den Superintendenten Caspar Josephi, Lichtenau 1636 Juni 9, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 552 (darin das 2. Stück). 286 Das Zitat aus dem Brief von Bürgermeister und Rat zu Lichtenau an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Lichtenau 1641 November 23 (wahrscheinlich Abschrift), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 7. Stück). 287 Anscheinend wollte und konnte der Lehenschreiber aber nur mittels Bürgschaft Kaution leisten, wie aus einem Eintrag im DTB Hütterodts auf S. 87 hervorgeht: während er vom 7. bis 11. Oktober 1639 Visitation zu Reichensachsen hielt, »bringt mihr der Lehnschreiber zur Leuchtenaw von f[ürstlicher]. regierung ein schreiben, von erlassung des recesses des hospitahls daselbst, bericht zuthun; berichtet darbey, daß er seine caution habe leisten undt seinen schwehervatter den pfarrer doselbst undt den H. Renttmeister zu bürgen furgeschlagen, b[ürgermeister]. undt raht aber wolten, er solte fur ständige undt unständige zinse cavieren, welches, weil es ihm beschweerlich wehre, er bedencken trüge zu thun undt wolte lieber seinen dienst verlassen. / B[escheid]. Soll innerhalb 8 tagen ferner clage wegen leistung der bürgeschafft schrifftlich fürbringen, undt immittels zu bezahlung der diener wegen gelt u. früchten ahnweisung thun«. In Hütterodts Resolution vom 30. Januar 1640 auf die vom Stadtschreiber zu Lichtenau überbrachten »etliche puncten, so wider den pfarrern undt lehnschreiber daselbst gelauffen« (DTB, S. 116–119), führte er auf S. 117 aus: »4. des lehnschreibers caution anlangendt: Ist er schuldig zwey namhaffte bürgen zu stellen, undt

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen

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perintendenten und Pfarrer vor, sie würden nur auf »ihre competentz, die auch hiesigem pfarh. theils aus diesem lehn gefällt, […] sehen« und sie als Stadt seien »von mehr wohlerwehntem Superint. offterregten vermeinten, undt wegen unvermögens gantz incapablen lehnschreibers halber belegt, und derselbe unß ohne caution gleichsamb uffgenöttigtt werden wollen« und beanspruchten selbst »die bestellung undt abschaffung eines lehnschreibers herbracht« zu haben, während sie »eyfer undt zancksucht, die wir leyder mehr dan zuviel undt guett ist, bey denen, so solches an diesem ortt verhueten undt straffen wollten, verspuren«, weshalb sie »mehrerwehnten pfarrers eydamben Hanß Heinrich Radawen, welcher gleicher gestalt, wie sein vorfahr, albereits viel stipendiaten gelder erhaben, aber nicht bezahlet, sondern uffwachsen laßen, undt dem lehn schulden gemacht, nicht darbey dulden können«. »[…] weil niemals ein lehnschreiber ohne caution, auch ohne hiesigen burgermeisters und rahts wißen, sondern vielmehr bloß undt allein midt zuziehung des pfarherrn dieser gestalt zu cavieren, daß er ehrlich handeln, allen möglichen fleiß anwenden, innahm undt außgabe berechnen, den receß, so er ermahnet, richtig undt so balt bezahlen, daß ander theil – glaubwürdig liquidiren wolle. Undt weil der lehnschreiber umb erlassung gebätten, ihm aber solches bey diesem statu nicht zu gestatten, so sol er seines ambts, biß zu fernerer visitation, abwartten«. Da das Verstreichen der von Radau angekündigten, bekannt gewordenen Resignation ihm 1642 in einer Auseinandersetzung mit dem Amtsschultheißen zum Vorwurf gemacht wurde, verlangte Radau von Hütterodt, der sich sicherlich noch daran erinnern werde, »das ich vor zweyen jahren, undt zue underschiedenen mahlen ab begehrtt, E[uer]. E[hrbarer]. aber mich nicht ehe dimittiren wöllen, ich hette dan meine gebuerliche rechnungen abgelegt«, eine Bescheinigung darüber, »das ich mit gewaldt abbegehrt, undt lenger zue dienen nicht willens gewesen«, um zu demonstrieren, »das meine resignation ernst gewesen«, Radau an Hütterodt, Lichtenau 1642 Februar 11, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 552 (darin das 3. Stück). Auch der Pfarrer Caspar Rudolph Weisbrot kam am 19. Oktober 1641 in einem Brief an Hütterodt auf das Kautionsthema zurück, der Stadtschreiber hätte ihm angezeigt, »Es hetten burgermeister und rath sich dahin erklert, were auch der burgerschafft ihr meinung, daß sie meinem eidam durchauß keine fernere einnahme des lehns und weniger die frucht zu verkauffen, oder ihmand etwas zue geben gestatten wolten, es were dan daß er ihnen ein andere caution gebe«, entgegen der Anordnung des Superintendenten wolle die Stadtobrigkeit die Frucht / den Fruchterlös selbst einnehmen und »lieffern da sie hin gehöret«; »wan aber ihre verachtung und halsstarrigkeit ihe lenger ihe groser, und darauß zue sehen, daß sie nach ihrem gefallen mit allen gefellen, lehns, castens und spithalß handeln wöllen und weder pfarhern noch schulmeistern etwas zue geben gedencken, sondern unser gespottet und gelacht wort, da wir unsern saueren verdienten liedlohn fordern, und mit den unsern hunger und kummer, ja das gröste armuth leiden müßen, weil nichts will gegeben werden, auch deswegen gestern montag nach gehaltener bethstund der schulmeister außdrüglich gegen mich gesagt, wenn es nicht anders alhir werden sollte, sondern noch hohn und spott von den leuthen hören müste, seinen dinst E[inem]. Wohlehrw. und h[och]g[elahrten]. [= dem Superintendenten, A. J.] bei der visitation zu resigniren, auch ich der pfarher selber bei solchem unwesen, da die geringe pfar competenzen verbleiben sollen, mich nicht dieses orts, da auch die meuse alle frucht verzehret […], lenger ufzuhalten gedencke«, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 6. Stück).

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dieselbige angenommen, undt wieder abgeschafft worden, alß können wir unß dero herbrachten bestellung, sonderlich unseres undt gemeiner bürgerschafft hierunter versirenden undt obliegenden schadens undt gefahr halber, es wehre dan sach, daß man unß obigen verbindung, wegen der stipendiatengelder benehmen wolte, nicht begeben; so viel die inspection anlangt, selbige bezeucht sich bloß undt allein, uff die rechnungen, darbei man sicht, daß alles richtig inbracht, undt nichts unterschlagen oder in abgangk bracht wirdt, undt laßen wir dieselbe gern den jenigen, den sie gebueret.«288

Die Stipendiatengelder wurden im Namen des Landgrafen von der Stadt gefordert, diese waren aber auf die Lehengüter verschrieben und von diesen waren die Zinsen nicht einzubringen; wenn man also die von der Stadt geforderten Stipendiatengelder vom Johannislehen löste, könnten sich die Stadtväter auch ihres vehement geforderten Mitspracherechts bei der Lehensverwaltung begeben. Der Auseinandersetzung zugrunde lagen wohl unterschiedliche Auffassungen über die Verwaltung des Lehens, während der Lehenschreiber im Einklang mit den Vorstellungen des Superintendenten weiter auf der Extraktion der Zinsen beharrte, erschien den Stadtoberen im Interesse einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Güter und Erleichterung für die Zinsleute, die durch den Krieg ohnehin schon ausgepresst und ruiniert genug waren, ein anderes Mittel probater : »Zum Virten, so seindt viel der lehn gueter uf welchen schwehrer zinns stehet, die öede undt wueste werden, ist auch niemandt der die güeter ahnnehmen will, uhrsach, dieweill der H. Pfarrh. nuhn etzliche jahr hero wieder alt recht undt herkommens die lehn guetter mit leyhe geldt beschwehrt, da doch viel mehr dahin zu sehen wehre, daß der zins ein zeitlang von den guetern theilß erlaßen unndt bey leuthe gebracht würde, wofern aber solche ernewerung deß leyhe gelldeß uf den gueter hafften, undt nicht wieder in alten standt gebracht werden sollte, bleiben nicht allein die gueter öede undt wüest liegen, sondern die andern leuthe so noch lehn gueter im brauch haben, werden sie gleichfalß wuest- undt öede liegen laßen, wordurch dan daß lehn in großen schaden undt abgangk kommen kan«.289

Der Dreißigjährige Krieg mit seinen ruinösen Effekten für die Bevölkerung brachte also auch traditionelle Formen des Wirtschaftens durcheinander, woran sich – im Einklag mit den vitalen Interessen der Städte und Dörfer – anzupassen den kirchlichen Verantwortlichen offenbar schwer viel. Die Stadtoberen verlangten daher, den alten Gebrauch wiederherzustellen, »[d]ieweill vor dießer zeit gebreuchlich geweßen, daß die hospitals-, lehn- undt castenrechnungen, jedes 288 Bürgermeister und Rat zu Lichtenau an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Lichtenau 1641 November 23 (wahrscheinlich Abschrift), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 7. Stück); die Hervorhebung von mir A. J. 289 Punkt 4 aus den »Gravamina der Stadt Leuchttenaw«, wahrscheinlich Beilage zu einem Schreiben von Bürgermeister und Rat vom 23. November 1641 an Vizekanzler und Räte zu Kassel, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 9. Stück).

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mahl undt ehe der rechnungstag geweßen, burgermeister undt rath uberliffert undt vorgezeigt werden, damit wan in solchen ein oder andere gebrechen vorfiehlen, bey der visitation ahngezeigt werden könnte«.290 Aufgrund des Systems machte man einerseits den Lehenschreiber für nicht erfolgte Zinslieferungen mit seinem Privatvermögen haftbar, auf der anderen Seite verweigerte man ihm die Hilfe bei der Eintreibung der Zinsen, weshalb Hütterodt 1640, aufgrund einer Beschwerde des Lehenschreibers, den Schultheißen, unter Verweis auf die entsprechenden fürstlichen Patente, zur Mithilfe bei der Zinseintreibung durch gebührenfreie Zitationen der Schuldner aufforderte.291 1638 hatte der Superintendent Caspar Josephi mit größerer Weitsichtsicht und Sensibilität auf einen Bericht der Lichtenauer Beamten über die Bedrückung der Witwe des Hans Wagner reagiert, die bettelarm sei und von der man die aufgewachsenen Kastenzinsen unter keinen Umständen herausbringen könne; da aber auch die Einziehung der zur Sicherheit dem Hospital-, Lehen- und Gotteskasten ver290 Punkt 5 aus den »Gravamina der Stadt Leuchttenaw«, wahrscheinlich Beilage zu einem Schreiben von Bürgermeister und Rat vom 23. November 1641 an Vizekanzler und Räte zu Kassel, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 9. Stück). 291 Beschwerde über die fehlende Mitwirkungsbereitschaft des Schultheißen bei der Zinseintreibung, weshalb der Lehenschreiber wenig Hoffnung hatte, »die mir zugetheilte stipendiaten gelder, so ich den letzten Martij naher Cassell lieffern soll [einzubringen], noch auch uf solchen fall meine liquidation in richtigen standt [zu bringen], will geschweigen, das solche vom schultheisen wirdt confirmiret werden«, sodass er Hütterodt bat, er möge ihm »mit guettem raht beyspringen, damit mir hiernechst nichts inpudiret, oder durch mich soll etwas verabseumet werden, oder aber da es sein kann, wolle mich dieser schweren last undt bürden entnehmen, dan solcher gestaldt ein armer geselle zue dienen befellet mir sehr schwerlich«: Johann Henrich Radau, Lehenschreiber zu Lichtenau, an Johannes Hütterodt »als ober inspector der alhier liegenden geistlichen lehenguetter«, der sich erinnern werde, »was dieselbige uf ahnbringen burgemeisters undt rahts nachsuchen wiederumb rescribiret, das ich meine liquidation in ein andere form undt mit besserem bestandt die nachstendige censiten vor die herrn beambten nicht allein forderen soll, undt was noch an intradden vor sich schuldigk, richtige abrechnunge haltten, undt als dan von f[ürstlichen]. herrn beambten confirmiret werden soll, welche liquidation undt confirmation innerhalb vier wochen ins werck gerichtet, damit dieses fals keine fernere klagten vorkommen möchtten«, Lichtenau 1640 März 14 (am selben Tag bei Hütterodt präsentiert), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 5. Stück), woraufhin Hütterodt eine entsprechende Ermahnung an den Amtsschultheißen zu Lichtenau konzipierte, mit dem Rückvermerk: »Am 14 ten Martii an Schultheissen zu Lichtenaw« (ebenda das 8. Stück); siehe den Eintrag im DTB Hütterodts darüber, S. 132 (14. März 1640): »Klagt der Lehnschreiber von der Leuchtenaw, daß ihm vom Schultheißen keine Hülffe geschehe – zur liquidation der Stipendiaten gelder. B[escheid]. Schreiben ist an Schultheißen gethan, undt erinnerung geschehen die Hülffe zu thun«. Mit der von ihm genannten vierwöchigen Frist bezieht sich Radau wahrscheinlich auf den Bescheid, den Hütterodt Bürgermeister und Rat auf ihre bei ihm eingereichten Punkte »wider den pfarrern undt lehnschreiber« erteilte (DTB, S. 116–119), wo es auf S. 117 heißt: »5. die liquidation des lehnschreibers wirt fur unrichtig undt unvolkommen gehalten, undt weil über die specificirte restanten die debitores gehöret undt die schuldt nicht allerdings geständig gewesen, ist dem lehnschreiber copia ertheilet, undt befohlen, innerhalb monatsfrist – richtiger zu liquidieren«.

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pfändeten Feldgüter nicht infrage käme, da sie mit hohen Kriegskontributionen belastet seien, im Moment wüst lägen und sich ohnehin keine anderen Pächter fänden, baten die Lichtenauer Beamten den Superintendenten, er möge ihnen einen »ersprieslichen gueten rath communiciren, undt dahin ihne verhelfen, das bevorab hospital-, lehn- undt gottescasten contentiret, ihro der wittiben auch aus den schulden geholfen werde, im übrigen ihrer [= des Superintendenten, A. J.] ansehnlichen discretion undt hohen verstandt nach guete anleitung geben, weßen wir uns in solchen undt dergleichen fällen in beschäidt theilen zu verhalten haben«.292 Aus dem anschließenden Schreiben von Pfarrer, Bürgermeister und Rat zu Lichtenau in dieser Angelegenheit geht hervor, wie der Bescheid Josephis aussah: »Derowegen wir uns des Herrn Superintendenten guten vorschlag gar wohl gefallen lassen, das es besser sei, eher mans an den versessenen zinßen fahren und fallen zu lassen, alß das man die verschriebene underpfand in bezahlung ahn nehme«.293 Josephi verzichtete aufgrund der Situation also vorübergehend auf die Zinszahlung, während Hütterodt, zumindest generell, an deren Eintreibung festhielt.294 Allerdings berührt der Umgang mit außstehenden Kastenforderungen hauptsächlich den kirchlichen Verantwortungsbereich,295 292 Fürstlich hessische Beamte zu Lichtenau an den Superintendenten Caspar Josephi, Lichtenau 1638 Juli 18, LKA Kassel, Best. Superintendentur Kassel, Nr. 504 (darin das 1. Stück). 293 Pfarrer, Bürgermeister und Rat zu Lichtenau, Lichtenau 1638 Juli 11, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 2. Stück). 294 Hütterodts frühe, durchaus vernünftig erscheinende Beschäftigung mit den Finanzangelegenheiten zu Lichtenau geht hervor aus Notizen über seine dort am 10. und 11. Juli 1639 auf einer Visitation getroffenen Anordnungen, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 504 (darin das 3. Stück). Es könnte sein, dass sich Hütterodt dieser Aufzeichnungen für seine ausführliche Resolution auf die vom Stadtschreiber zu Lichtenau überbrachten »etliche puncten, so wider den pfarrern undt lehnschreiber daselbst gelauffen« (DTB, S. 116–119) bediente, in denen er tiefere Schichten der Auseinandersetzung freilegt, indem er u. a. in Punkt 10 (S. 119) Beamten, Bürgermeister und Rat zu Lichtenau jeden Eingriff in das vom Pfarrer ordnungsgemäß wahrgenommene Strafamt untersagt und sie ermahnt, sie selbst sollten zu dessen Gebrauch durch Streitigkeit und Zechen keinen Anlass geben, abschließend macht er deutlich, in Punkt »11. Was sonst lehn-, kyrchen- u. hospitalssachen anlangt, hat der pfarrer grössere undt schwerere pflichten, alß die burgmr. geleistet, derentwegen ihm die inspection, verantworttung undt direction gebühret, wovon ihn niemandts abzusöndern hat, damit es nicht das ansehen gewesen, gleichwie der pfarrer weder hospitals- noch kastenregister in henden hat, alß wolle man den lehnschreiber seinen eydam vom dienst bringen, daß er ja gantz nichts vom lehn erfahren solle«. 295 Siehe hierzu den Denkzettel in 5 Punkten von Dr. Justus Jungmann (undatiert), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 170, wie die Kirchen und Hospitäler ihre rückständigen Grundzinsen oder den Zinsnachstand ihres ausgeliehenen Kapitals respektive die dafür als Sicherheit gegebenen Güter bzw. – wenn diese abgebrannt oder nicht zu gebrauchen sind, der Schuldner aber auf andere Weise solvent – entsprechenden Ersatz erlangen können. Punkt 2 zur Forderungskollission zwischen Gotteskasten und Hospital nach der Regel: prior tempore, potior iure. »Wofern aber sie beide gleich sein und keiner kein prioritet und priorem hypothecam habete, mus die forderung von den gutern nach proportion genommen werden.«

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während das Lichtenauer Lehen zwar kirchlich kontrolliert wird, aber daraus Forderungen, wie die Stipendiatengelder, bezahlt werden, die die Stadt schuldet, die sich daher um ihr Mitspracherecht gebracht fühlte. Hütterodt, den Bürgermeister und Rat, offenbar schon bevor sie nach Kassel schrieben, mit ihren Vorwürfen konfrontiert hatten, konnte diese natürlich nicht auf sich sitzen lassen und drohte, er werde Mittel »genug finden, dem concipisten die feder zu beschneiden undt sonst dem anderen, so lästerlich von mihr geredet, das maul zu stopfen«, denn »in solchen sachen, da die f[ürstliche]. kyrchen-, consistorial- undt visitirordnung, neben den synodalabschieden ziel undt maaß geben, die lebendige praxis ewer und aller andren kyrchen im gantzen becirck Rotenburg, ein anders außweiset«, »zu besserem nachdencken« verwies er auf seinen schon zuvor erteilten Bescheid, »damit ihr in anordnung des lehnschreibers, die electionem oder praesentationem, so ich dem pfarrern undt den regirenden burgermeistern gern gönne, / confirmatione [von der Bestätigung, A. J.], so, wegen unseres gn[ädigen]. landesfürsten alß fundatoris, mihr allein gebühret, unterscheiden, wie auch die intraden jegliches in seiner specie, nemlich den fruchtzinß in früchten, den geltzinß mit gelde oder geldeswärt zahlen lassen und mihr künfftig so ungeraumbte dinge nicht beymaßen« sollet.296 Damit waren die Fronten geklärt und aus Sicht des Superintendenten die Ordnung wiederhergestellt, die aber hier vor der Wirklichkeit des Krieges zum Teil kapitulieren musste.

3.

Die Aufsicht der Superintendenten über die ad pios usus errichteten Stiftungen

Den Superintendenten oblag außerdem die Aufsicht über alle ad pios usus errichteten Stiftungen. Besonders greifbar wird diese Funktion bei solchen Stiftungen, die Studienzwecken gewidmet waren.297 1625 errichtete der Pfarrer zu 296 Johannes Hütterodt an Bürgermeister und Rat zu Lichtenau, Eschwege 1641 Oktober 8 (Konzept), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 552 (darin das 4. Stück), mit dem Rückvermerk Hütterodts: »Lichtenauer wollen dem H. Superintendenti LehnSchreibers bestellung disputiren«. 297 Siehe dazu den Eintrag im DTB Theophil Neubergers vom 6. Februar 1635: »Eodem [die] ist uf fr. canzley geschlossen wegen des Colmannischen beneficij, das Philips Colers zu Harle sohn es haben soll 5 jahr, nemlich biß zu ende des jahr 1638. / 1. Es soll alzeit der elteste im geschlecht einen praesentiren, wenn das stipendium ledig ist, u. der superintendens confirmiren. / 2. u. solches soll innerhalb 2 monaten geschehen, oder hat alsdann der superintendens macht, selbst einen auß dem geschlecht zu wehlen, u. zu confirmiren, der tüchtig ist. / 3. Wer das stipendium bekomt, soll einen revers von sich geben, damit der superintendens wisse, wann die zeit auß ist, u. das geschlecht zur praesentation eines andern anmahnen könne. / 4. Wie lang es einer haben soll, stehet beim collatore und superintendenten, nach alter, nottdurfft und wohlverhalten des der es geniessen soll.«

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Der geistliche Apparat vor Ort

Elben und Elberberg in der Klasse Gudensberg, Martin Cronauge (»Cronaugius«, Cronau/Gronau), nachdem seine Frau und bald darauf sein neugeborener Sohn gestorben waren, aus Dankbarkeit für die ihm geschenkte Möglichkeit des Studierens, aus seinem und dem an ihn zurückgefallenen Vermögen seiner verstorbenen Schwester testamentarisch eine Stiftung, aus deren – durch die Zinsen (Pension) aus dem als Darlehen ausgeliehenen Kapital generierten – Einkünften »so einer alhie zu Elben oder Elberbergk undt insonders unter meiner freundtschafft [= Verwandtschaft, A. J.] lust, sein kindt zue schulen zu ziehen hatt, soll solchs darvon gekleidet undt alimentiret werden«. Ebenfalls in Punkt 6 seiner Testamentsbestimmungen legte er fest, dass darüber »pastor undt castenmeister wie dan auch der Herr Superintendens sonderlich auffsicht haben sollen« und, nach Abschluss aller Berechnungen, die Stiftungssumme »dem Ephoro Academiae Hassiae oder Superintendenti nominiret werden« soll; der Cronaugische Stipendiarius solle »wie andere stipendiaten des Fürstenthumbs Hessen unter dem Ephoro« der Hessischen Stipendiatenanstalt »sein, essen undt wohnen, undt sonst gehalten werden, undt was nicht uff den disch lauffen [d. h. zum unmittelbaren Lebensunterhalt benötigt, A. J.] wirdt, vom pfarherrn dieses orts zu bücher dem studioso dargereicht werden, doch das sie darvon jährliche rechnung thun dem Ephoro oder dem Herrn Superintendenten«. Nachdem auch die Tochter Cronauges gestorben und seine Schwiegermutter (»altmutter«), die sich durch das Testament zurückgesetzt fühlte, schließlich durch ein Gutachten der Marburger Juristenfakultät298 und einen Spruch der Kasseler Kanzlei zur Aufgabe ihres Widerstandes gezwungen wurde, stand dem Inkrafttreten der Bestimmungen des Testaments nichts mehr im Wege. So konnten am 20. Juli 1633 der Kasseler Superintendent Paul Stein, schon mit zittriger Hand, der Elbener Pfarrer Johannes Schmaltz, Henrich Bröschen, Buttlarischer, und Silas Wicker, Boyneburgischer Diener, in Elben eigenhändig folgenden Abschied unterschreiben: »Am 18, 19 undt 20 ten Julij anno 1633 ist dieße rechnunge wegen vorgemelten legati zu Elben von unß endtsbenenten abgehörtt undt richtig befunden, auch darbey verabschiedet worden, das die noch mangelende assecurationes uber außstehende gelder dennegsten von den debitoren under der obrigkeit handt undt sigill ingefordert undt ahn einen verwarlichen ortt beygelegt, auch ein richtig inventarium, so wohl uber gemeltte verschreibungen alß auch uber die auß dießem legato herrürende bibliotheca undt zur pfar gehörigem haußrath verferttiget, undt neben dem pfarhern von den

298 Siehe dazu das Schreiben des Buttlarischen Verwalters Johann Hauderbach an den Kasseler Superintendenten Paul Stein, Elben 1625 November 29, mit dem abschriftlich beiliegenden Responsum des Dekans und anderer Doktoren der Juristenfakultät der Universität Marburg vom 16. November 1625, von Paul Stein mit dem Rückvermerk versehen »Butlarischer verwalter auffm Elbenberg wegen M. Cronaugij disposition«, in: StAM 315 l, Nr. 44.

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beyden verwalthern underschrieben, zum superintendens nacher Caßel ingeschickt, undt daßelbst umb nachrichtung willen verwarlich behaltten werden solle«.

Cronauge hatte außerdem das von seinem Vater zu Elben erbaute Haus, der dort 44 Jahre als Pfarrer gedient hatte, dem Dorf als neues Pfarrhaus geschenkt (Punkt 1) und auch seine Bücher der Kirche vermacht (Punkt 3), die »ein jeder nachkommender pfarrer gebrauchen, doch also sollen sie klein undt groß in einen catalogum gebracht, undt so offt der Ehrwürdige Herr Superintendens einen [neuen Pfarrer, A. J.] einführen wirdt, sollen sie ihm zugezehlet, undt nach seinem abziehen oder todt wieder gefordert« werden, die »schulbücher darunter« sollten jedoch die zu dem genannten Stipendium Auserwählten gebrauchen.299 Dass das Stipendium tatsächlich vergeben wurde, beweisen Konzepte des Kasseler Superintendenten Neuberger mit der Aufforderung zur Rechnungslegung an ehemalige Stipendiaten, von denselben bei Antritt des fünfjährigen Stipendiums ausgestellte Reverse über das von ihnen erwartete Wohlverhalten und ein Gesuch von Oswald Bartholomaeus Thomae aus dem Jahr 1686, seinem Sohn das Stipendium zu gewähren.300 299 Alle Zitate und Angaben zum Cronaugischen Beneficium, einschließlich der Abschrift des Testaments Martin Cronauges (gest. 10. August 1625) vom 1. August 1625 und des Abschieds bei der Rechnungsabhörung 1633, sind entnommen aus: »Inventarium aller gutter welche der wurdige auch wollgelarte Ehr M[agister]. M[artin]. Cronaugius p[iae]. m[emoriae]. gewesener pfarrer zu Elben innengehabt undt vermog seiner disposition ad pios usus legiret«, StAM 315 l, Nr. 43. 300 Siehe die Überlieferung in StAM 315 l, Nr. 44. Darunter befindet sich auch das Konzept eines Schreibens Neubergers an den Elbener Pfarrer Bartholomaeus Thomae, Kassel 1645 August 21, mit der Aufforderung, »das dermahleins vermög des anno 1633 den 20 Julij aufgerichteten abschiedts, weil solches biß dahero, wegen stetter unruhe, undt allerhand anderer hindernüß nicht hat geschehen können, die sache in richtigkeit gebracht, undt fürter desto besser in acht genommen werde«. Einer der Träger des Cronaugischen Stipendiums war übrigens der gleichnamige Sohn des damaligen Hofdiakons und späteren Kasseler Superintendenten Johann Heinrich Stöckenius, dessen Revers, ausgestellt in Kassel am 14. Februar 1649, ebenfalls hier erhalten ist. Unter dem 12. März 1645 informierte der Elbener Pfarrer Bartholomaeus Thomae den Kasseler Superintendenten Neuberger, auf dessen Begehren, über das Cronaugische Stipendium, in: StAM 318 Kassel, Nr. 1121. Nach dem Tod des bisherigen Stipendiaten, des ältesten Sohnes des ehemaligen Elbener, jetzt zu Balhorn wirkenden Pfarrers Bartholomaeus Thomae, suchten die Dorfschaften Elben und Elberberg mit einem dem Superintendenten am 15. März 1660 präsentierten Schreiben an, ob – da bei ihnen »anjetzo kein kind begriffen, so zum studiren erzogen worden, und dieses beneficii geniessen könne, dieses beneficium aber ad pios usus fundiret worden« – sie die für die restlichen zwei Jahre der fünfjährigen Laufzeit des Stipendiums vorgesehen jährlich 50 Reichstaler zur Sanierung ihrer baufälligen Kirche und des Pfarrhauses, so »ebenmessig ferner ausgebauet werden mus«, verwenden dürften, »unsere beide ahn der grentze [zur kurmainzischen Exklave Naumburg, A. J.] gelegnne dorffschafften aber durch den krieg so ruiniret und erschöffet worden, das uns nach jetziger zeiten gelegenheit ohn möglichen auf unsern mitteln die kirche und pfarrhauß repariren zu lassen«, StAM 315 l, Nr. 44 (Abschrift).

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Der geistliche Apparat vor Ort

Auch in Gesuchen um das ebenfalls Studienzwecken – bevorzugt von Hofgeismarer Stadtkindern – gewidmete Stollenbeckersche Stipendium wandten sich die Supplikanten an Neuberger, dessen »als der Stollenbeckerischen christlich undt rühmlich wohlgemeinten fundation wohlverordtneter oberinspectoren consens darzu vermoge deroselbigen pillig erfordert wirt«.301 Mit Martin Cronauge taucht im Diensttagebuch Paul Steins 1622/23 wenigstens einer der Stifter auf, als er noch lebte und 1623 als Nachfolger seines Vaters gerade die Pfarrei Elben übernahm – zu diesem Zeitpunkt ahnte Paul Stein noch nicht, wie das Legat dieses Mannes ihn und seine Amtsnachfolger durch die Zeiten begleiten würde.302

4.

Supplikationen um Schuldenerlass und Zinsermäßigung und der Umgang der Superintendenten damit

Regelmäßig waren die Superintendenten mit Supplikationen um Schuldenerlass und Zinsermäßigungen konfrontiert. So gab im Jahr 1643 Dietmar (»Didmar«) Seibert von Kirchbauna, »armer verderbter Müller daselbst«, dem Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger

301 Bürgermeister und Rat zu Hofgeismar präsentieren am 6. Dezember 1642 Henrich Flashar, den Sohn des Bürgermeisters, zum Stollenbeckerischen Stipendium, StAM 318 Kassel, Nr. 1703. 302 Die Einträge im Diensttagebuch Paul Steins aus dem Jahr 1623 zu Martin Cronauge sind folgende: 22. April, Nr. 1; 12. Juli; 20. Juli; 21. Juli, Nr. 1; 27. Juli, Nr. 2; 29. Juli; 13. August; 14. August (Amtseinführung in Elben); 20. September, Nr. 1.1 (Witwensteuer an Martin Cronauges Mutter, die Frau des langjährigen Elbener Pfarrers Conrad Cronauge, Martins Vater). Im Diensttagebuch Paul Steins 1630/31 wird unter dem 15. Juni 1631, Nr. 1 noch ein anderes Stipendium genannt: »Gregorius Schönfeld, studiosus, und jetziger zeit pedell der newen schul alhir, sucht an umb das Schönfeldische beneficium, mit vorzeigung eines schrifftlichen consens Gregorii Schönfelds bürgers zu Zahna in Meissen, desen söhnen sonstet der erste genoß gemelten beneficii, vermöge der stifftung, gebührt. Ist vertröstet worden, es solte auff morgenden tag mit dem ministerio aus der sach geredet werden, alsdan er sich gegen 8 uhr vormittag einstellen, und bescheids erwarten könne«; siehe auch den Eintrag über die Stipendiengewährung vom 16. Juni 1633, Nr. 2 sowie zur Mitteilung darüber an den Landgrafen vom 16. Juni 1633, Nr. 3. Unter dem 5. November 1635 ist, laut dem Eintrag im Diensttagebuch Neubergers, ein »Gregorius Schönfeld gehört u. examinirt worden, uf die Pfarr Wasenberg«, am darauffolgenden 13. November ordiniert und am 14. November zum Pfarrer in Wasenberg konfirmiert, bei dem es sich um jenen handeln dürfte, der 1631 bei Paul Stein um das Schönfeldische Stipendium ansuchte. Der Pfarrer zu Wasenberg ist nach der genealogischen Tafel bei Strieder : Gelehrten- und SchriftstellerGeschichte, Bd. 13, vor S. 171 der Enkel eines Bruders des gleichnamigen gewesenen Kasseler Superintendenten Gregor Schönfeld, der aus Zahna im Kurfürstentum Sachsen stammte.

Gotteskasten, Einkünfte, Stiftungen, Obligationen

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»zu vernehmen, daß ich in dem g[ottes]. casten zu Kirchpaun wegen meiner geringen mühlen daselbst, zwey virtell korn, item 24 thall. capital so uf meinem garten stehen, viel zu hoch wieder f. ordnung jhärlichen verzinsen und also abstatten muß. Wen ich den in jüngsten verflossenen 1640 und 1641 bösen jharen, obbemelte zinsen, beits fruchtzinsen von der mülen, und schwere gelt zinse von den 24 thall. capital bin schultig blieben, und solches, weill in anno 1640 die frucht vom feinde genommen, die mühle zerschlagen worden, in anno 1641 daß getreide von den meusen verderbet worden, daß die mühle auch dasselbige jhar meistentheils leher und müsig gestanden. Bit demnach unterthenigst E[uer]. WohlEhrw[ürdiger]. h[och]gel[ahrter]. geruhen meinen armen zustand undt verderben großg[ünstig]. zu erkennen, undt den erwehnten frucht[-] und geltzins de annis 1640 und 41 zu erlasen. Will, nechst Got, hinfüro richtigkeit halten. Darbeneben bitte ich unterthenigst daß mir doch der zu schwere zinß wegen der 24 thall. capital gemindert und nach f. ordnung mochte gesetzt werden«.303

Die Supplikation, die keinen Niederschlag in Neubergers Diensttagebuch gefunden hat, illustriert, wie bedrückend die Lage für die Bevölkerung war, trotzdem wurde die formale Ordnung aufrechterhalten, das Finanz- und sonstige Verwaltungssystem der Kirche lief weiter, ökonomische Verpflichtungen blieben bestehen und auch die hierarchische Ordnung wurde gewahrt. Dass die Kirche in einer Zeit des kriegsbedingten Chaos’ ein Stabilitätsanker der Landesherrschaft und eine verlässliche Kommunikationsbasis blieb, davon legen die Diensttagebücher und die sie begleitende Überlieferung vielfältig Zeugnis ab. Neuberger vermerkt auf der Rückseite der Supplikation des Müllers eigenhändig am 13. März 1643 zunächst: »Der Pfarrer [von Kirchbauna] soll, beneben wiedersendung dieses, dennechsten schrifftlich hievon berichten«, und darauf am 16. März 1643: »Supplicanten soll hiemit eines jahrs zinß erlassen sein, auch soll hinfort die zinse von den 24 thlrn nach fürstlicher ordnung gesetzt, und berechnet werden«. Ein fürstliches Ausschreiben vom 31. Mai 1640 hatte festgelegt, dass Geld- oder Fruchtzinsen die Höhe von fünf Prozent des ausgeliehenen Kapitals nicht übersteigen dürfen.304 Im März 1643 hatte das Viertel Korn, das heißt Roggen, einen Wert von 3 Reichstalern.305 Für die ausgeliehenen 24 Reichstaler musste der Müller zu Kirchbauna mit 2 Vierteln Korn, die einem

303 StAM 318 Kassel, Nr. 1383; Rückvermerk des Stückes: »Ditmar Seibert, Müller zu Kirchbaun helt an umb nachlaß«; die Supplikation selbst ist undatiert, eine zeitliche Einordnung lässt sich nur aus der Datierung der auf dem Stück vermerkten, in Kassel ergangenen Bescheide Neubergers gewinnen. 304 »Fürstliches Ausschreiben daß bey Geldt- und Frucht-Schulden nicht sechs [wie noch in dem Ausschreiben vom 1. Juli 1637, HLO II, S. 72f., bestimmt] sondern nur fünfe vom Hundert, auch weniger jährlich als Zinsse vor Gericht paßiren sollen« vom 31. Mai 1640, HLO II, S. 81f. 305 »Verzeichniß der verschiedenen Preiße, so die Früche in den Jahren 1598. bis 1655. einschließlich gegolten, und wornach zu Cassel denen Bäckern das Brodt zu backen gesetzet worden«, HLO II, S. 235–237, hier S. 237.

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Der geistliche Apparat vor Ort

Wert von 6 Reichstalern entsprachen, 25 Prozent des Kapitals, also fünfmal so viel an Zinsen zahlen wie erlaubt. Neuberger zeigte mit dem Schuldennachlass und der Zinsminderung Verständnis für die Situation des Müllers, dem er – so weit er es mit den Bedürfnissen des Gotteskastens vereinbaren konnte – der fürstlichen Ordnung gemäß entgegenkam; aufgegeben wurden die berechtigten Ansprüche aber auch in einer so herausfordernden Zeit wie dieser nicht, das Ziel war eine, wenn auch vereinzelt hart erscheinende, für alle Beteiligten annehmbare Lösung, die den Schuldnern noch genug Luft zum Atmen ließ, um den jeweiligen Verpflichtungen nachzukommen. »Dieweil des supplicirens umb nachlaß gar zu viel würd, und ohne zweifel auch daher komt, das die leüte nit zu rechter zeit von jahren zu jahren fein mit rechtem ernst gemahnt, und durch obrigkeitliche hülff etwas nach und nach zu zahlen getrieben worden, das es ihnen nit so schwer worden, und so hoch ufgewachsen were, welches die kasten vorsteher zu verantworten haben; und aber nun nit sein kan, weil die jahre nit alle gleich böß geweßen, das alle zinß gar erlassen werden; alß sollen supplicanten an dem nachstand etwas nach und nach zahlen, damit man im werck sehe, das sie den gotteskasten nit gar umb solchen zinß bringen wollen; alß dan mögen sie umb etwaß nachlaß anhalten, sol ihnen, so viel verantwortlich, wilfahrt werden und hat solches der pfarrer auch andern, so umb nachlaß anhalten wollen, anzudeuten. Die uhrsach aber dieses bescheids ist, daß ich so offt dißfals bin betrogen worden, indem vielen ist ziemlich nachlaß geschehen, so versprochen, den rest trewlich zu bezahlen, haben aber solches nit gethan, sondern den zinß wieder hoch ufwachsen laßen, und hernach abermahl ahngehalten, und also gar nichts zu zahlen begehret.«306 306 Neuberger an einen einzelnen Pfarrer und danach als Muster aufbewahrt (?), Kassel 1646 Dezember 15 (Konzept), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 171. In einem einzeln abgeschriebenen »Post Scriptum« »Datum ut in literis 8. Aprilis 1640«, Ebd., fol. 115v, wahrscheinlich ehemals Teil eines an Pfarrer und Metroplitane des Bezirks Kassel gerichteten Ausschreibens, nannte Neuberger als Bedingung für eine Gewährung von Zinsnachlass noch eine genaue Aufstellung des Rückstands sowie das Beibringen eines Teilzahlungsnachweises und Berichts des Pfarrers: »Demnach ich auch von den censiten ohne unterlaß molestiren undt umb nachlaß ersucht werde, da ich dan mit rescripten umb bericht undt anhörung vielfaltigen klagens viel zeit, da ich nötig zu thun hette, zubringen muß, alß sollen die pfarrer jedes orts, den censiten verkündigen, daß diß ins gemein der schluß sey, sonderlich weil ich spüre, wan manchem etwas nachgelaßen würde, daß sie doch ihrer verheissung unerachten, am ubrigen undt waß folgendts erscheinet, gar nichts entrichten, sondern es immer hin wieder uff hoffnung ferners künfftigen nachlasses suchen lassen: daß ein jeder censit an seinem nachstant etwas richtig machen, undt zum wenigsten die helffte, beneben dem, daß in gegenwart erschienen und fällig ist, bezahlen, desen schrifftlich zeügnüß, wie auch sonst gehörigen bericht, wie viel, woher, von wie viel jahren undt wie viel von jedem jahre er schuldig seye, auch wie er sich in zahlung vorhin undt sonst verhalten, vom pfarrern einbringen, undt alß dan was vom übrigen erlassen werden möge oder nicht, erwarten solle, damit nicht nötig sey, allemahl ein eigen rescript, umb solchen bericht aufzusetzen, wer diß nicht in acht nimpt, soll hinfort mit seiner supplication, schlechter diengs abgewiesen werden«. Die Frage kam bereits 1638 auf; als sich Hütterodt

Alltagsgeschäft

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Auf diese Weise versuchten die Superintendenten eine Balance zu finden, zwischen der die Finanzierung der kirchlichen Aufgaben ermöglichenden Rolle der Kirche als regionaler Wirtschaftsfaktor307 und dem sich aus ihrem geistlichen Auftrag ergebenden humanen Anspruch. So waren Gott und Kirche in der frühneuzeitlichen Landgrafschaft Hessen-Kassel nicht nur ein’ feste Burg, sondern darüber hinaus auch eine feste Bank, die unter der Aufsicht von Kastenmeistern, Pfarrern und Superintendenten, auch in schwierigen Zeiten und mit Auseinandersetzungen über die am besten geeigneten Mittel, den dörflichkleinstädtischen Wirtschaftskreislauf am Leben erhielt, indem sie zum gegenseitigen Nutzen das benötigte Kapital und Land zur Verfügung stellte, um aus den Zinsen ihre eigenen Aufgaben finanzieren zu können.

D)

Alltagsgeschäft: Der Umgang der kirchlichen Institutionen mit den Herausforderungen ihrer Zeit

1.

Die Aufrechterhaltung der Eheordnung Die Soldaten und die Frauen: Heiratserlaubnis für Fremde und Erlaubnis zur Wiederheirat für Frauen umgekommener, entlaufener oder nachrichtenlos im Krieg verschollener Männer

Im Diensttagebuch Theophil Neubergers findet sich ein Zettel, der auf ein typisches eherechtliches Problem der Zeit des Dreißigjährigen Krieges hinweist: »Den 9. Octobris 1639 ist H. Rittmeister Ellenberger erschienen, hat seinen trompetter Balthasar Langen von Ulmitz [= Olmütz, A. J.] auß Mehren mitbracht, und ihm zeügniß gegeben, daß er 4 jahr bey ihm gedient, sich wol gehalten, und [sich] nunmehr mit seiner des rittmeisters basen Anna Hochhuts von Witzenhausen ehelich eingelassen. Weil er nun ex patria kein zeügniß haben konte, hat er uf vielfaltige, genugsame verwarnung vor dem meyneid, mit leiblichem eyd bestettigt, daß er der ehe halber mit keiner einigen weibsperson, ausser obgedachter seiner vertrawten, im geringsten verbunden sey etc. Praesente praeter me Domino Decano, M. Wetzelio«.308

Fälle dieser Art zeigen die ganze Problematik und den daraus resultierenden Regelungsbedarf. Die Geistlichen mussten sich unter den chaotischen Bedinvom 19. bis 26. November zu Gesprächen in Kassel aufhielt, habe er dort unter anderem »Mit. H. Superintendenten Theophilo deliberirt wegen erlassung der zinsen, bey verbrandten undt wüst liegenden güttern da ich dan erfahren, daß f. regierung ein gewisses decretum hierin verfertigen und publiciren wolle, wohin man sich zugedülden« (DTB Hütterodt, S. 3, Punkt 1 der Verrichtungen zu Kassel). 307 Siehe hierzu auch: Bünz: Kredit bei den Heiligen. Die Dorfkirche als Geldinstitut in Spätmittelalter und Frühneuzeit. 308 Im DTB Neubergers, einliegend vor Beginn der Einträge zum November 1635. Am Ende des Zitats folgen durch einen dicken Tintenstrich unleserlich gemachte Angaben.

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Der geistliche Apparat vor Ort

gungen des Dreißigjährigen Krieges Gewissheit verschaffen, dass der die Ehe begehrende fremde Soldat nicht schon andernorts verheiratet war. Wie virulent dieses Problem und die damit verbundene Inanspruchnahme der Geistlichen war und wie lästig es ihnen werden konnte, offenbaren zahlreiche Beispiele in den Diensttagebüchern.309 Ein weiterer Zettel im Diensttagebuch Neubergers, einliegend in der Doppelseite mit dem Eintrag zum 21. Dezember 1635 zeigt, wie die Problematik für Frauen lag: »Den 16. Febr. [1636?] ist Catharina, Christoph Hundelstharen wittib, erschienen und hat umb erlaubniß sich anderwerts zu verheiraten gebeten. Daß ihr man tod sey hat Christians Köberich inwohner zu Aldendorf mit handtrew an eydsstatt bestettigt, alß der ihn tod gesehen, und zur erden bestatten helffen«.310 309 Siehe im DTB Neubergers den ersten Eintrag zum 6. Februar 1635: »Den 6. Febr. ist erschienen Christian Stifeler von Dreßden auß Sachsen, stückjuncker bey hiriger arm8e, hat sich verlobt mit Steinbachs tochter, hirigen Stattschreibers, Johan Fischers haußfrawen schwester tochter, und weil der breütigam ordinantz bekommen folgenden tags zu räisen, sie aber beyderseits noch zur zeit kein zeügniß bekommen können wegen gefahr, alß hat er mit leiblichem eyd, sie aber mit handtrew an eydsstatt behauptet, daß sie beyde ledig u. mit keiner andern person verhafftet seyen. Ist ihnen also die copulation verstattet«. Vor dem Beginn der Eintragungen zum Jahr 1645 liegt im DTB Neubergers ein Zettel ein: »Johann Wapler, Meürer geßell, von Geyer, auß Meissen, Wolff Waplers, geweßenen bergmans hinderlaßener sohn, undt Catharina, Hanß Wecken, soldat wittib. Dieser hat geschworen, daß er noch ledig sey, praesente Dn. Wetzelio. 30. Julij 1644. Sie hat gnugsam zeugniß, daß ihr voriger man tod sei«. In dieselbe Richtung zielt wahrscheinlich auch der vor dem Beginn des Jahres 1641 im DTB Neubergers einliegende Zettel mit den dürren Worten: »Henrich Peubach von Herborn gewester Leütenant und General Major Pfulen, Catharina Ballaw, Peter Ballawen zu Razenburg eheliche tochter. 21. Maij 1641«. Zur gleichen Problematik auch im DTB Paul Steins 1630/31, der Eintrag zum 11. Juni 1631, Nr. 2: »Ist ein Tillischer soldat von Hoff auß Voigtlanden habe eines bürgers tochter von Wolfhagen etliche tage bey sich gehabt, darnach wieder von sich gelassen, sey aber nichts darauf erfolget; nuhn habe selbige bürgers tochter sich mit einem andern Tillischen soldaten eim Babsteiner copuliren lassen. Weil nuhn vorgedachter soldat von Hof gefreyet undt sich copuliren zu lassen gesinnet, ist die frage, weil er weit naher haus undt nicht wohl dahin kommen kan, undt sonst einen guten lehrbrif, weil er ein barbier, auch ein gut zeügnis seines verhaltens von der obrigkeit der stadt Hoff, ob er zu copuliren sey, weil er kein zeügniß, daß er zu hause copulirt sey. Ist folgentß rescript ertheilet: So lang diser soldat zu Wolfhagen sich nicht heüßlich niederthut, kan der pfarrher seiner mit der kirchenbuß verschonen«. 310 Ein ähnlicher Fall, in dem der Klägerin, nachdem ihr Mann vor 11 Jahren »von ihr gezogen undt könne sie nicht wissen ob er noch lebe oder todt sey«, die Ehescheidung und Wiederheirat, nach schon erfolgter Schwängerung und deswegen bereits ausgestandener weltlicher Strafe und Bereitschaft zur Kirchenbuße, vom Kasseler Predigerministerium auf von der Regierung begehrten Bericht erlaubt wurde, findet sich im DTB Paul Steins 1630/31, im ersten Eintrag zum 18. Juni 1631. Siehe auch den ebenda unter dem 18. Januar 1630, Nr. 2 berichteten Fall: »Anna Brede, Hanß Henrich Müllers zu Wolffsanger verlassene ehefraw, lest vorbringen, wie das ihr man vor ohngefehr 6 jahren von ihr in den krieg gezogen, und seit der zeit ihro nichts zuentbotten. Weil ihre gelegenheit nun nicht sey, länger allein zu sitzen, und sie glaubwürdig berichtet wird, das ihr man todt sey, auch

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Ging es also um Frauen, die nicht wussten, was mit ihren in den Krieg gezogenen Männern geschehen ist, mussten Zeugen gefunden werden, die deren Tod bestätigen konnten, wollten die Frauen neu heiraten. Konnten sie aus eigener Erfahrung Angaben zum Tod ihrer Männer machen, mussten sie dies eidesstattlich versichern und so bald wie möglich ein schriftliches Zeugnis nachreichen, wie ein Fall vom 11. Dezember 1635 zeigt: »Eod[em]. d[ie]. ist Margretha von Immenhausen samt ihrem vatter Hanß Brücken vorm ministerio erschienen, sagend ihr voriger eheman so ein burger daselbst gewesen, sey vor 3 jahren unterm kriegsvolck bey Kitzingen gestorben u. weil jetz ein anderer bürger ihr begere, bat sie umb permission. Hat uf genugsame warnung vor dem meyneyd, mit handtrew an eydsstatt bestettigt, daß selbiger ihr man tod sey, sie ihn selbst gepflogen, zur erden bestatten lassen, u. daß sie sonst mit niemand der ehe halben zu thun habe. Ist ihr darauf permissio geschehen, praesentibus M. Wetzelio et Soldano. Hat zugesagt, so bald sie zur compagny darunter ihr voriger man gedient kommen könne, gnugsames zeügniß zu bringen«.311

Ehefälle solcher Art nahmen zwischen 1623 und 1647 die Superintendenten und das Kasseler geistliche Ministerium stark in Anspruch. Als das Problem mit den Soldaten zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges immer dringlicher erschien, wurde 1623 zur Beschleunigung des Verfahrens, um solche Anfragen, statt vor dem Konsistorium in Marburg, auf niedrigerer Ebene lösen zu können, dem Kasseler Superintendenten Paul Stein vom Konsistorium im Namen und mit Wissen Landgraf Moritz’ befohlen, er möge allen seiner Inspektion unterstehenden Pfarrern gegenüber anordnen, die unbekannten Heiratswilligen, die kein Zeugnis ihrer Ehelosigkeit beibringen könnten, vor ihn, den Superintendenten, zu verweisen, der ihnen, nach Betrachtung ihrer Person und ihres Lebens, mit Zuziehung des Kasseler Predigerministeriums, gestatten werde, mit einem Eid zu bekräftigen, dass sie noch ledig seien.312 Caspar Köller von Hovegeißmar, soldat alhiro, umb seinen todt gutte wissenschafft habe, so bittet sie, ihn darüber eidlich abzuhören, und nach befindung ihro zu verstatten, das sie sich ihrer gelegenheit nach anderwerts verehelichen möge. Dem vorgestelten zeugen ist angemeldet worden, ubermorgen mitwochen vor mittag nach der predigt sich einzustellen; solle er mit dem eid belegt, und darauf abgehört werden«; so geschah es auch, wie der Eintrag zum 20. Januar 1630, Nr. 1 ausweist, Caspar Köhler schilderte, dass Henrich Müller zu Lübeck an der Pest gestorben sei, wo er auch begraben liege. 311 DTB Neubergers, dritter Eintrag zum 11. Dezember 1635. 312 DTB Paul Steins 1622/23, Einträge zum 7. Dezember 1622, Nr. 3 (Fall als möglicher Auslöser der Überlegungen); 28. Dezember 1622, Nr. 2 (Befehl des Konsistoriums wegen Soldatenkopulationen mit den Geheimen Räten zu sprechen und dem Landgrafen deren Bedenken vorzutragen); 30. Januar 1623, Nr. 1 u. 2 (Vorschlag des Geheimen Rats Dr. Bischof, Soldaten, die kein Zeugnis ihrer Ledigkeit beibringen könnten, sollen »leiblichen Eid« schwören; Landsecretarius Dryander soll dieses dem Landgrafen übermitteln; neben Nr. 1: »NB. Eyd von den Soldaten zu nehmen, in ehesachen, wo kein Zeugniß vorhanden, Sihe in folgendem blat.«); 31. Januar 1623, Nr. 7 u. 8 (Nr. 7: Einverständnis des Landgrafen: »Der Secretarius Dryander zeigt mihr an, das ihre f. gn. zufrieden, das die soldaten, so sich

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Der geistliche Apparat vor Ort

Die Einträge im Diensttagebuch des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt legen nahe, dass für den Bezirk der Superintendentur Rotenburg dasselbe Verfahren galt. So findet sich unter dem 11. November 1639 (S. 94) folgender Eintrag: »Erscheinet Margreta Mentze, Hansen Mentzen fr[au]. von Bischhausen undt berichtet, daß vor acht jahren, alß der König v. Schweden in Halberstadt gelegen undt die Keyserischen sie angegriffen, sey ihr man vor Halberstadt kommen, ein soldat habe in der vorstadt ein huhn nehmen wollen, sey aber – geschossen, ihr man habe ihn erretten wollen undt sey darüber auch erschossen. Alß sie nun naher Wolffenbüttel sich retiriren wollen, haben ihr die reutter nachgeritten undt gesagt, ihr man sey todt, darauf habe sie zween mußquetierer geschickt, ihn begraben zu lassen, welche ihr auch seine pasporten gebracht. Hat sich auf mein [= Hütterodts] zusprechen erbotten, einen leiblichen eydt zu schweren, daß sie anders nicht von den reuttern undt musquetierern gehöret habe, alß daß ihr man todt sey, undt daß sie hernach nicht das geringste von ihm in den acht jaaren gehöret habe. – Hierauf ist verstattet, daß der pfarrer mit der copulation fortfahren soll«.

Nach einer glaubhaften Schilderung der Todesumstände, die die Frau bereit war eidlich zu bekräftigen, wurde ihr auch von Hütterdt die Wiederverheiratung gestattet. Am 21. Januar 1640 antwortete Hütterodt dem Pfarrer zu Sontra in einem anderen Fall auf seine Frage, »ob er den reutter mit B[ürgermeister?]. Rohrbachs tochter ohne zeugnis proclamirn undt copuliren solle«, »daß er sich bey allen undt jeden da er logirt, erkundigen und nachfragen solle, ob er auch gewiß leddig seye«, außerdem soll er zwei andere Reiter Bürgschaft leisten lassen, »daß der soldat innerhalb monatsfrist das zeugnis von seinem rittmeister bringen wolle«.313 Hier kam auf den Pfarrer also eine große Arbeit zu. Aus Hütterodts Diensttagebuch erfahren wir einige Fälle, in denen diese Sicherungsmechanismen nicht ausgereicht haben und sich im Nachinein herausstellte, dass Soldaten mehrfach verheiratet waren, wofür sie in ihrem militärischen Umfeld zum Teil die für Bigamie in der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. vorgesehene Todesstrafe erlitten.314 copuliren lassen wollen mit ihren dirnen, und keine zeugnisse, das sie noch frey seyen, vorlegen können, zum eid vor eines jeden orts superintendenten verstattet werden sollen; und befihlt solches dem consistorio zu wissen zu thun.«). Die neue Regelung leitete Paul Stein tatsächlich, wie im Befehl des Konsistoriums vom 7. Feburar 1623 (StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 227, 230 [Abschrift]) gefordert, am 17. Februar 1623 (DTB-Eintrag Nr. 2 zu diesem Tag) an die Metropolitane und über diese an die Pfarrer seines Bezirks weiter : »Hab ich an alle und jede metropolitanos dieses Casselischen bezircks und der Graffschafft Ziegenhain geschrieben wegen der soldaten copulation mit ihren bey sich habenden weibspersonen, wie es damit, auff den fall sie keine zeugnus, das sie noch ledig und frey, haben könten, zu halten sey«. 313 DTB Hütterodts, S. 112 (21. Januar 1640). 314 Fälle nachträglich aufgedeckter Bigamie im DTB Hütterodts: S. 525f. (15. Juli 1645), S. 635 (1. Februar 1647). Siehe auch die eindrückliche Schilderung des Soldatenlebens und -todes

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All das war natürlich ein großer Aufwand und eine Belastung, von der Neuberger sich gern befreit gesehen hätte. Als er zu diesem Zweck 1647 an die Regentin Amelie Elisabeth supplizierte, die Erledigung der für ihn, insbesondere wegen der mit ihnen verbundenen Eidabforderung, nicht zu den geistlichen Kernaufgaben gehörenden Ehefälle der Soldaten sollte von »jemand anders, und rechts erfahrnen, der auch eine mehrere u. weltliche authoritet hette« vorgenommen werden, hatte er damit Erfolg, indem die Regentin die Wahrnehmung dieser Aufgabe ihren »gesambtenn sowohll geistl. alß weldtlichenn consistorial räthenn« übertrug.315 Am 12. Februar 1647 ließ Neuberger die Metropolitane seines Bezirks in einem Ausschreiben unter anderem wissen: »Es erfordert es, vors vierte, die nohtturfft, nachmahl zu erinnern, das ein jeder in den ehesachen sich wohl vorsehe, nicht allein, was die verbottene gradus [zu naher Verwandtschaft, A. J.] anlanget, sondern auch, wan eine oder andere persohn frembt wehre, unndt nicht gnugsamb zeichnüs, das sie ledig unndt los sey vorzeigen könte. Unndt soll niemandt proclamirt vielweniger copulirt werden, er habe sich dan vorher zue rechter zeit legitimiret. Es sollen aber die jenige, so kein gnugsamb zeichnüs haben, oder nicht föllig beweisen können, das ihre vorige ehegatten gewiß todt, unndt sie anderwerts nicht verpflichtet seyen, anhero, nicht an mich, sondern rect. ans fr. consistorium gewiesen werden. Dan was des unnachlässigen anlauffs in diesen sachen, sonderlich von den soldaten, gantz uberdrussig bin, undt es deswegen mit g[nädiger]. bewilligung der herrschafft, von mir abgeleinet«.316 im Todeszeugnis für Georg Scheffer, der seiner ihm zu (Nieder-) Dünzebach angetrauten Frau aber offenbar treu blieb, auf S. 578f. (15.–16. März 1646), mit Erwähnung der Eroberung Magdeburgs und der Schlacht bei Lützen. 315 Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 191–200, S. 197 Anm. 198 die Nachweise der Belastung mit solchen Fällen aus dem Diensttagebuch Neubergers sowie zur Verfahrensänderung S. 197f.; das Konzept der Supplikation Neubergers an die Regentin Amelie Elisabeth, Kassel 1647 Januar 4 (ursprünglich, aber geändert: 1646 Dezember 21), liegt im »Copialbuch« in StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 228f.; die Resolution der Regentin vom 21. Januar 1647 findet sich ebenda auf fol. 229 (wahrscheinlich Abschrift); auf dem Schreiben, mit dem das Marburger Konsistorium nach der Zustimmung des Landgrafen dem Kasseler Superintendenten Paul Stein am 7. Februar 1623 den Befehl zur Anstellung entsprechender Nachforschungen und zur Abnahme des Ledigkeitseides »in extremum casum« erteilte, im »Copialbuch«, StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 227, 230 (Abschrift, Original von Neuberger mit seiner Supplikation an die Regentin geschickt), hat Neuberger auf der Rückseite (fol. 230v) notiert: »Schreiben des Fr. Consistorij zu Marpurg an Herrn Paulum Steinium s[eligen]. Superint. zu Cassel wegen copulation der Soldaten. / Ist uf mein anhalten wieder cassirt anno 1647. Sollen sich alle uf dem Consistorio angeben«. 316 Neuberger an die Metropolitane zu Wolfhagen, Grebenstein, Zierenberg, Geismar, Trendelburg, Gottsbüren und Bovenden (mit Kenntnisnahmeunterschriften), Kassel 1647 Februar 12, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 69f., hier fol. 69v–70r (nur Neubergers Unterschrift, nicht Text, eigenhändig); dieses Ausschreiben ging am selben Tag auch »Samtlichen Pfarrern Amts Caßel uff der Ahne« zu, deren Metropolitan Neuberger als Dekan des Kasseler Martinsstifts war, Ebd., fol. 140f. (nur Unterschrift und Nachbemerkung eigenhändig) mit den Kenntnisnahmeunterschriften der Pfarrer von Wolfsanger, Hohenkirchen, Obervelmar, Heckershausen, Weimar, Dörnberg und Ehlen, es fehlt: Sim-

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Der geistliche Apparat vor Ort

Bis dahin aber entfalten die Diensttagebücher ein reichhaltiges Panorama auch dieser zeitbedingten Herausforderung.317

2.

»Abergläubische, aus dem Papsttum noch herrührende« Bräuche und adlige Trauerriten

Im September 1664 kamen die Brüder Raab und David von Eschwege zur Au zu Hütterodt und stellten ihn zur Rede, weil er das »Hinläuten« für ihren verstorbenen Bruder Urban verboten hatte. Hütterodt sah darin ein Relikt des Papstmershausen; siehe auch den Entwurf dieses Ausschreibens von Neubergers Hand, Ebd., fol. 119f., mit dem Rückvermerk: »Ausschreiben von achterley puncten«. Am 28. April 1646 hatte Neuberger in einem Ausschreiben, ebenso an die Metropolitane und Pfarrer seines Bezirks gerichtet, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 93 (Konzept), noch geschrieben: »Würdige, wohlgelehrte, günstige gute freunde, geliebte brüder in Christo. Es sein mihr eine zeit hero unterschiedliche exempel vorkommen, das pfarrer, solche verlobte persoenen, deren ein oder ander theil, so frembd geweßen, nit genugsam zeugnuß gehabt, proclamirt, auch darauf sie entweder uf gerathwol zusammen gegeben, oder mihr, wan res nit mehr integra gewesen, zugeschickt, geschwinde auß dem stegreiff befehl der copulation halben zu geben, undt also ihren fehler zu ratificiren. Will demnach hiemit alle undt jede metropolitanos, pfarrer, undt diaconos ermahnet, undt von amts wegen ihnen ernstlich befohlen haben, die kirchenordnung fleissiger zu leßen, undt in acht zu nemen, sonderlich aber demjenigen, was nit allein der copulation, sondern auch der proclamation halben, die frembde sonderlich betreffend, darin befohlen ist, unfehlbar nachzukommen. Solte einem oder dem andern etwas darüber begegenen, würd ers niemand anders, als ihme selbst zu imputiren haben. Die jenige aber, so dißfals der ordnung nachkommen, sein hiemit nicht gemeinet. […] Im ubrigen, undt weil man in grosser hofnung eines friedenschlusses stehet, werden die herrn fratres ermahnet, fleissig mit dem gebeth undt aufmunterung zur buße anzuhalten, ob Gott ein gewünschtes ende verleihen wolte«. Siehe auch die im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, S. 47f., überlieferte »Copia eines befehlchs wegen copulirung dero soldaten«, den Neuberger aus Zierenberg am 20. Januar 1645 an die Pfarrer und Metropolitane seines Bezirks richtete: »Sonderlich aber die soldaten betreffent, soll nicht allein obiges alles, sondern auch dieß in acht genommen werden, das die pfarrherren keinen copuliren, er habe dan von seinem obristen oder hohen officirer schrifftlich consens und zeugnis seines verhaltens«. 317 Neben den Soldaten und ihren Frauen gab es natürlich noch zahlreiche andere eherechtliche Konstellationen, mit denen die Superintendenten regelmäßig konfrontiert waren; hingewiesen sei hier nur noch auf die von Hütterodt in seinem DTB angefertigten Skizzen zu Anfragen über die Erlaubtheit von Eheschließungen miteinander verwandter Personen, u. a. auf S. 12 (11. Dezember 1638), S. 18 (2. Januar 1639), S. 27 (30. Januar 1639), S. 29 (1. Februar 1639), S. 273 (9. März 1642). Die normativen Grundlagen über die Verwandtschaftsgrade, unter denen die Eheschließung verboten ist, finden sich in der Reformationsordnung von 1572, EKO Bd. 8, S. 404–406 (Kapitel 10: »Von denen in ehesachen verbotenen und zugelassenen gradibus der blutverwandtnus und schwägerschaft«) und in darstellerisch überarbeiteter Form in der Reformationsordnung von 1656, HLO II, S. 420– 423 (Kapitel 11), die dort aufgezählten fünfzig Verbote werden schematisch auf S. 433 veranschaulicht, mit den Erläuterungen dazu auf S. 432 (Punkte 5 und 6). Siehe im Übrigen die umfassende Darstellung bei Sibeth: Eherecht und Staatsbildung.

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tums und einen abergläubischen Brauch.318 Das »Hinläuten« war ein Ehrenrecht, das insbesondere Adlige – nach Rang abgestuft, teilweise über mehrere Tage für eine gewisse Zeit – in lutherischen und römisch-katholischen Gebieten in Anspruch nahmen, das ursprünglich die Hörer und Untertanen zum Gebet für die Seele des Verstorbenen ermahnen sollte.319 Die Mutter des Verstorbenen, die Witwe Dorothea von Eschwege, verteidigte ihr Begehren in einem gegen Hütterodt gerichteten Beschwerdebrief ans Konsistorium damit, dass »dießes jederzeit an diesen undt andern orten breuchlich, auch kein aberglauben, sondern den verstorbenen nur zu ehren geschiehet«.320 In seinem abschließenden Bericht führt Hütterodt aus, »daß das hinleuten zur Aw mehr nicht alß zwey mal, nemlich auf den tag alß der Juncker gestorben, in abwesen des schuelmeisters, von desen weibe, undt dan den folgenden tag alß man mittag geleutet undt die kyrchen offengestanden, durch der Wittiben [= Dorothea von Eschwege, A. J.] diener undt etliche bauren geschehen sey, aber auf mein verbott gäntzlich eingestellet undt auf eingeholeten rath Reinhardts von Boyneburgk, kein mahl mehr begehret worden«.321

Erlaubt war das Hinläuten aber unmittelbar bei der Bestattung »u. sonsten nicht […] in dem dorff da der von Eschwege begraben werden soll«, wie das Konsistorium Hütterodt in der Antwort auf sein erstes Schreiben wissen ließ.322 318 Johannes Hütterodt, Superintendent des Bezirks Rotenburg, an das Konsistorium zu Kassel, Eschwege 1664 September 27, StAM 22 a 3, Nr. 757 (Umschlagaufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. das Begräbnis Urbans v. Eschwege und die dabei wegen des Hinläutens u. des Trauergesangs entstandenen Irrung mit dem Superintendenten zu Eschwege«); Hütterodt mahnte mit den Verfügungen »Cito. Cito Cito. CitissimH« zu besonderer Eile beim Brieftransport, offenbar um der angekündigten Klage derer von Eschwege zur Au gegen ihn beim Konsistorium zuvorzukommen; das nachfolgend zitierte Schreiben der Dorothea von Eschwege (Abschrift) ans Konsistorium (präsentiert am 30. September 1664) ist tatsächlich am gleichen Tag datiert wie das Schreiben Hütterodts, das, laut Präsentatvermerk, einen Tag früher beim Konsistorium einging und damit dessen Sichtweise prägen und vorschnelle Rückfragen vermeiden konnte. 319 Siehe dazu Hoffmann: Versuch einer Darstellung des in den sächsischen Herzogthümern geltenden Kirchenrechts, S. 161–164 dort Anm. 1; v. Hanstein: Urkundliche Geschichte, S. 362; Adler: Et is Chottes Wille west. 320 Dorothea von Eschwege an das Konsistorium zu Kassel, (ohne Ort, Aue?) 1664 September 27 (Abschrift), StAM 22 a 3, Nr. 757, unter Mitschickung einer einliegenden eigenhändigen Protestation Johannes Hütterodts, in Form eines gefalteten Zettels, an Junker Franz Trott zu N., Eschwege 1664 Juni 11, dagegen, »daß der Juncker des opfermans frawen beredet, dem verstorbenen von Eschwege gestern abergleubisch hinzuleuten und heut widerumb der personen eigenthätig hinleuten lassen, dagegen protestire ich hiemit, die ordnung Ihrer F. Durchleuchtigkeit unserer gnedigsten fürstin undt frawen alß vormünderin undt regentin außtrücklich vorbehalten, dannehero sich der juncker solcher eingriffe in kyrchen sachen enthalten wolle«. 321 Superintendent Hütterodt an das Konsistorium zu Kassel, Eschwege 1664 Oktober 5, StAM 22 a 3, Nr. 757. 322 Das Konsistorium an Hütterodt, Kassel 1664 September 30 (Konzept), StAM 22 a 3, Nr. 757.

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Was Hütterodt offenbar als noch schlimmer erachtete, ihm war zu Ohren gekommen, dass die von Eschwege für den Gesang auf der Begräbnisfeier die Schüler aus der lutherischen »Lumpenschule zu Treffurt« kommen lassen wollten. Alles persönliche Bemühen, die Adelsfamilie von diesem Vorhaben abzubringen, scheiterte an deren Uneinsichtigkeit und auch der Amtsschultßeiß zu Wanfried war nicht bereit, sich von Hütterodt einspannen zu lassen, um die Schüler bei ihrem eventuellen Durchzug aufzuhalten.323 Also musste das Konsistorium ein von Hütterodt gefordertes Machtwort sprechen: »Nuhn kombt uns nicht wenig befrömbt vor, daß ihr zu obahngedeuteter ewers verstorbenen sohns leichbestattung die auch sonst ohnweit gelegene ohnstreitig hessische stätte und orter vorbey zu gehen, und lieber aus der streitigen Gan[h]erschafft Treffurth die schüler zubestellen, euch unterfangen mögen. Nachdem aber diesem fürstenthumb Hessen an schülern mitt denen eine leiche zu begleiten, gahr kein mangel, u. dahero das man aus gemeinschafftlichen orten dieselbe beruffe, gahr nicht nötig, solches auch zu I. F. D[u]r[chlaucht]. unserer gnedigsten fürstin [= der vormundschaftlichen Regentin Hedwig Sophie, A. J.] dieses zum höchsten prejuditz gereichet, als wollen wir bei 100 Goldfl. ohnnachlesiger straff euch solche beruff- oder beschreibung der schüler von Treffurth zu ewres sohns leichbestattung hiermit inhibiret und sondern an statt hochstermelter Ifd. unserer gnedigsten fürstin und frawen an euch begehret haben, von keinem andren als alleinigen ohnstreitigen heßischen orten, Eschwege oder Wanfried oder wo ihr sonst wollet, die schüler, deren auch so viel ihr nur begehret von dem Superintendenten zu Eschwege an welchen wir deswegen albereit gewisse verordnung ergehen lassen gefolget werden sollen, bestellen zu lassen oder wiedrigen falß aber gewertig seid das berürte 100 Goldfl. ohne einiges zurücksehen von euch eingebracht werden sollen.«324

Gleichzeitig forderte das Konsistorium den Schultheißen zu Wanfried in einem Schreiben auf, »wan etwan die Treffurtische schüler benebenst ein oder mehr praeceptoren Wanfried vorbei zu der leichbegengnuß zu gehen sich unterstehen solten, das ihr sie die praeceptoren sowohl als die schüler mit verwarnung der ihnen hieraus entstehender ungelegenheit wieder zurück und nacher hauße zu gehen anweiset, solten sie aber dennoch auff ihrem vorhaben verharren und nach der leichbegängnuß zu gehen nicht abgehalten werden wollen, hettet ihr ein oder zwei von den praeceptoribus mit euch

323 Johannes Hütterodt, Superintendent des Bezirks Rotenburg, an das Konsistorium zu Kassel, Eschwege 1664 September 27, StAM 22 a 3, Nr. 757; Hütterodt spricht in seinem Schreiben vom »Oberschultze von Wanfridt«, es spricht viel dafür, dass er damit den landgräflichen Schultheißen des Amtes Wanfried im Gegensatz zum Schultheißen als gemeindliches Vorsteheramt meint. 324 Das Konsistorium an Dorothea von Eschwege, Kassel 1664 September 30 (Konzept), StAM 22 a 3, Nr. 757; da nicht ganz klar ist, ob die Durchstreichung der beiden Worte im Konzept ein Versehen war, sind sie hier in dieser Form stehengeblieben.

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nacher Wanfried zu nehmen, und daselbst bis zu anderweitiger verordnung verwahrlich zu enthalten […]«325.

Hütterodts Handeln hieß das Konsistorium jedoch ausdrücklich sowohl gegenüber der adligen Witwe von Eschwege als auch in einem Brief an Hütterodt selbst gut: »Nachdem nun sowol das hinleuten alß ein aberglaubischer und auß dem pabsthumb annoch herrürender gebrauch schon vor etlichen jahren abgeschafft, die schüler auch von einem lutherischen gemeinschafftlichen orte her zur begrebnuß und leichbestattung kommen zu laßen, gar böser consequentz und unverantwortlich, so habt ihr wol gethan, daß in beiden stücken ihr der wittiben und deren söhnen vorhaben nit nachgesehen, sondern denselben contradiciret habt […]«.326

Letztlich ging alles gut, die von Eschwege zur Au hielten sich an die mit Drohungen verbundenen Anordnungen aus Kassel und Eschwege. Entgegen der Befürchtung des Konsistoriums hatte die Adelsfamilie nicht versucht, einen auswärtigen Lutheraner für die Haltung der Leichenpredigt zu gewinnen, sondern Andreas Geilfuß, der ordentliche Pfarrer des Ortes Aue, heute ein Stadtteil von Wanfried, sei »gar zeitlich, ex Esai. 57. i. die leichpredigt zu halten, bestellet worden«. Neben zwei Pfarrerkollegen Hütterodts aus Eschwege seien auch die Pfarrer von Wanfried und Schwebda »sampt noch zween Lutheranern ausser lande« auf dem Begräbnis gewesen. Der Schulmeister von Wanfried habe mit seinen Schülern, nachdem David von Eschwege, der Bruder des Verstorbenen, vorher darum bei Hütterodt angesucht hätte, »den Gesang verrichtet, undt hat sich der Treffurtische zwar eingestellet, aber so still undt eyngezogen gehalten, daß meine collegen desen nicht gewahr worden sint«. Auch eine Befürchtung Hütterodts in Bezug auf die Parentation, die Danksagung durch die oder im Auftrag der Angehörigen am Schluss des Leichenbegängnisses,327 bewahrheitete sich nicht, »es möchte der auslendischen lutherischen pfarrern einer (wie dan die junckern auf den Eichsfeldischen grentzen solche prediger in ihren häusern haben) darzu bestellet worden seyn, auf welchen fall ich an die Wittbe von Eschweg eine protestation schrifft abgefasset undt derselben zu ubergeben bestelllet hatte, dieweil aber ein junger Treusch von Buttlar, auf Harttman von Berlipsch zu Seebachs direction, gar kurz parentirt undt sich aller anzügligkeit auf die religion entschlagen hatte, so ist mihr meine schrifft wider zugestellet«.328 325 Das Konsistorium an den (Amts-)Schultheiß zu Wanfried, Theobald Meisterlin, Kassel 1664 September 30, StAM 22 a 3, Nr. 757. 326 Das Konsistorium an Hütterodt, Kassel 1664 September 30 (Konzept), StAM 22 a 3, Nr. 757. 327 Moore: Patterned Lives, S. 283–293; Eybl: Leichenrede, Sp. 145–151. 328 Superintendent Hütterodt an das Konsistorium zu Kassel, Eschwege 1664 Oktober 5, StAM 22 a 3, Nr. 757.

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Die adligen Trauernden wussten, dass sie unter verschärfter Beobachtung standen und wollten sich offenbar keine Schwierigkeiten einhandeln. Der Vorgang zeigt auch, dass die vom Landesherrn bestellten reformierten Geistlichen die Adligen ihrer Region relativ gut unter Kontrolle hatten. Was sich auf deren Häusern abspielte, konnten sie zwar nicht im Einzelnen nachvollziehen, sie bemühten sich aber zu verhindern, dass sie ihr lutherisches Bekenntnis in die Öffentlichkeit trugen. Eine andere Problematik in diesem Zusammenhang war das Verlangen der Adligen nach Bestattung in der Kirche. Trotz des unterschiedlichen Bekenntnisses der in den Kirchen predigenden Pfarrer und der meisten Adligen, vor allem in der Werragegend, hielten letztere bemerkenswerterweise an dem von ihnen als hergebracht erachteten Begräbnis in der Kirche fest,329 dem aus Hütterodts Sicht aber ganz pragmatische Gründe entgegenstanden. Am 6. September 1667 forderte das Kasseler Konsistorium Hütterodt zur Stellungnahme auf, Hans Wilhelm von Boyneburg hatte sich darüber beschwert, dass Hütterodt ihm fünf Gulden für die Bestattung seines jüngst verstorbenen Sohnes in der Kirche zu Röhrda abgefordert hatte. Die Kirche stand unter landgräflich hessenrotenburgischem Patronat und gebührte »keinem vom adell«, wie Hütterodt in seinem Antwortschreiben vom 7. Dezember 1667 klarstellte, »undt hat sich auch keiner vom adell, er sey Boyneburgisch, Heerdisch oder Eschwegisch jemals eintrag zu thun unterfangen«.330

329 Die gleiche Auseinandersetzung führte Hütterodt schon 1639 mit denen von Keudel zu Schwebda, einem Dorf, dessen Kirche landgräflichem Patronat unterstand, als Junker Curt Bernhard von Keudel seine verstorbene Ehefrau in der Kirche zu Schwebda begraben lassen wollte und Hütterodt nur gegen die Entrichtung von zehn Reichstalern in den Kirchenkasten bereit war, dies zu erlauben, DTB Hütterodts, S. 26–28 (30. und 31. Januar sowie 1. Februar 1639), am 30. Januar 1639 (S. 27) erinnerte Hütterodt den bei ihm im Namen Sämtlicher Keudel zu Schwebda vorsprechenden Henrich Keudel, »wie ungereumbt es wehre, im todte in die kyrchen wollen begraben werden, wen man wohl zehn oder mehr jaare im leben nicht hinein kommen wehre«; dabei erwähnte Hütterodt auch, »undt weil an anderen ortern da die juncker kein ius vocandi hetten, gebreuchlich wehre, daß 16 rtl. pro loco sepulturae in die kyrchen gegeben würden, wie solches auch zu Röhrta geschehen, so müste solches itzt auch geschehen; wofern sie sich solches wagerten so möchte ich wohl leiden, daß wir einen richter sucheten«. Auch in einem Gespräch zwischen Hütterodt und dem Junker Hartmann Keudel, möglicherweise (nicht ganz klar erkennbar) unter Zuziehung des Pfarrers Johannes Crollius, am 5. September 1660 (DTB Hütterodt, S. 1756f.) war die »Kyrchensepultur« zu Schwebda Thema, die die von Keudel als erblich betrachteten. 330 Das Konzept des Schreibens des Konsistoriums an Hütterodt, Kassel 1667 September 6, sowie die Abschrift der umfangreichen Antwort Hütterodts, Eschwege 1667 Dezember 7, befinden sich in StAM 22 a 3, Nr. 758 (Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. die dem Hans Wilh. v. Boyneburg für d[as]. Begräbnis seines Sohnes in der Kirche zu Röhrda abverlangten 5 fl. und Abweisung d[es]. Anspruches auf freies Begräbnis in dieser Kirche zu deren Patronen er nicht zählte. 1667«).

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»Wiewohl ich nun denen von adel, so patroni sindt, undt die kirche gebauet oder sonst unstreitig die sepultur einig undt allein hergebracht haben, keine sepultur gelder abfordere noch abfordern laße, so habe ich in dießem fall dießem junkern, der kein patronus ist, nicht nachsehen können, dan er auch vor wenig zeiten eine alte base in die kirche begraben laßen, undt zehnn gulden sepultur geldt verheißen, laut seiner obligation undt was mag er sagen von dießer begräbnuß, dan er weder bruder noch schwester daselbst begraben findet, sondern allein ein kindt anno 1656, welches der damalige pfarrer für mir verholen.331 Undt was hatt dan die kirche davon für nutzen?, daß wegen der begräbnuß an einem so engen ortt die mauren zerschüttert undt grundtloß gemacht werden, daß keine thür noch fenster fest zu machen, undt dahero die anwesende von der gemeine am 16 t[en]. 8[Octo]bris deswegen neben dem pfarrer alhier austrücklich bekandt, Hanß Wilhelm von Boyneburgk gehörete ex linea paterna nach Bischhaußen undt weren sie die Röhrtische nicht schuldig, ihme einige begräbnuß zu halten, undt da Gott für sey, wan die kirche umbfallen oder verderbt werden soll, wer ihme dan das begräbnuß erbauen solte«.

Auch die »monumenta«, die Epitaphien in der Kirche, gäben Hans Wilhelm von Boyneburg, der »dieß sein undt seiner vorfahren begräbnuß nennet«, nicht Recht, »hetten wir annoch die alten register der kirchen, so würde sichs viel beßer finden«. Dies gelte auch für die »andern von Adell«. So habe etwa Carl Christoph von Herda, der zweite Gerichtsherr, »auß kriegsgefahr in seiner schwachheit sich von Röhrta nacher Lauchenden [= Lauchröden in Thüringen, A. J.] zum begräbnuß führen laßen«. Die Ursache für die Unklarheiten in Röhrda, »da weder in kirchen- oder pfarrsachen, noch in disciplina ecclesiastica richtigkeit zu machen«, sah Hütterodt darin, »weill so mancherley regenten seindt, was einer gebeut, der ander wieder verbeut, undt dan die gemeine eine sonderliche herrschafft praetendirt«, weswegen auf Hütterodts Ansuchen schon vor sieben Jahren das Konsistorium dem Amtsvogt von Bischhausen Kommission erteilt habe, ihm »in visitatione behulflich zu sein«. Die Gerichtsherrschaft zu Röhrda stand zu gleichen Teilen denen von Boyneburg-Hohenstein und denen von Herda zu, letztere trugen diese von Kurpfalz zu Lehen. Das Patronat ausgenommen, hatten an Adligen insgesamt »siebentzehnn an dem ort sonst etwas zu praetendiren«, so hatte Landgraf Ernst von Hessen-RotenburgRheinfels »auch wegen der Eschwegischen und Germerodischen closter männer 331 Hütterodt war auf die Berichterstattung durch die Pfarrer vor Ort angewiesen, ebenso wie das Konsistorium auf die Berichterstattung durch die Superintendenten. So erwähnt er an anderer Stelle seines Schreibens an das Konsistorium: »Was aber den posten wegen der begräbnuß in der kirche zu Rohrta anlangt, thue ich des pfarrers H[errn]. Johann Sperlings beygefügten bericht, welcher des Junckern catalogo entjegen gesetzt wirdt, hiermit einschicken undt so lang als ich die inspection verwaltet undt sepulturen sindt angezeigt, habe ich die forderung der kirchen zum besten gethan undt erhalten, so mihr aber nichts angezeigt, habe ichs nicht rathen können, sondern muß uber der pfarrer unfleiß klagen«.

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Der geistliche Apparat vor Ort

undt dan etlicher andern herrn männer, ingleichem wegen der pfarrmänner, so dem pfarrer zinsen dienen, und lehnen, seine jurisdiction«, allerdings hatte, laut Hütterodt, Hans Wilhelm von Boyneburg, der nun das Begräbnis seines Sohnes in der Kirche forderte, »nicht trigesimam partem an Rohrta, sondern nur 2 männer«. Wer, fragte Hütterodt vor diesem Hintergrund, »will doch die Gemeinde Rhörta zwingen, einigen vom adell ein erbbegräbnuß zu bawen? Woher wils die kirche nehmen?, welche in toto nicht mehr als jährlich 19 fl. zinße hat undt darzu der meinste theill deren unstendig ist, wo wollen endtlich so viel vom adell wegen engen raumes (da die kirche nur 62 schuh lang undt 20 schuh breit ist) hingelegt werden?, es sey dan, daß einer nach dem andern wieder ausgegraben werde, wie dan bey dießem begräbnuß auch geschehen. Wer will dan alle mahl die stände undt bäncke wieder bauen, wan sie bey solchen sepulturen aufgebrochen werden, undt die kirche so uneben gemacht wirdt, daß keiner drinne gehen oder stehen kan, wie ich selbst erfahren undt die gantze gemeinde sich hefftig beschweret«.

Hütterodt bewies hier seinen praktischen Sinn, die Probleme, die ihm in persönlicher Anschauung in seiner täglichen Arbeit begegneten, schlugen sich in seiner grundsätzlichen Argumentation nieder. So gelangte er zu der als Bitte ans Konsistorium vorgetragenen Schlussfolgerung: »Weill ich nun ambts undt gewißens halben dem von Boyneburgk kein erbbegräbnuß in solcher kirche gestatten kan, auch nicht so liederlich zu achten ist, daß eine kirche einem vom adell frey undt umbsonst zu solcher verwüstung offen stehen nach seinem gefallen, wovon doch die kirche nichts zu gewartten hatt, da ich doch exempell weiß, daß der landtsfürst selbst für solche sepultur den kirchen stifftunge gemacht hat. Als ist meine unterthänige bitte, Ew[re]. Herrl[igkeiten]. wollen solch goldtstücke, so doch keine 5. fl. werth ist, der kirchen zum besten zuerkennen undt den Juncker mit solchem suchen abweißen undt anbefehlen, daß er dergleichen verwüstung zu machen, sich nicht mehr unterfange«.

Damit war die Linie klar. Vielleicht weist auch die Tatsache, dass Hütterodts Schreiben in der Empfängerüberlieferung beim Konsistorium nur noch abschriftlich erhalten ist, darauf hin, dass Hütterodt mit seinen Äußerungen den Verantwortlichen so sehr die Augen öffnete, dass sie sein Schreiben weiterverbreiteten. Kirchenpatrone, die zum Bauunterhalt beitrugen, durften also sich und ihre Angehörigen ohne Gebühren in der Kirche begraben lassen. Gestattete man anderen Adligen überhaupt ein Begräbnis in der Kirche, wurde ihnen eine Gebühr zugunsten des Kirchenkastens abgefordert. In jedem Fall sollte darauf geachtet werden, bei Begräbnissen in der Kirche mit den baulichen Strukturen so schonend wie möglich umzugehen, um die Kirchengebäude, die primär als Versammlungsraum der Gemeinde dienen sollten, nicht dadurch dem Ruin preiszugeben. Hütterodt hat mit diesen weitsichtigen Erwägungen sicherlich seinen Teil zum Erhalt nordhessischer Kirchengebäude beigetragen.

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3.

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Beispiele für unterschiedliche Umgangsweisen mit magischen Praktiken und darauf gerichteten Vorwürfen »Pfarher zu Crumbach, Johannes Saurius, ist ernstlich vermahnet worden 1. des medicirens, als darauff er keinen verstand hab, müssig zu gehen, oder zuvorderst sich collegio medicorum zum examine zu sistiren, und von denselben erlaubnuß zu erlangen. 2. die soldaten, so alhir gewisser ursachen halber nicht copulirt werden können, nicht zur copulation zuzulassen, ohne zeugnuß. 3. wegen des christallsehens, und das er einer menschin von Böddiger die geburt abgetrieben haben solle (welches der pfarher daselbst, Ehr Hase, mihr referirt) ist er zur rede gesetzt. Gestehet deren keines. 4. Ist ihm befohlen worden, die castenrechnungen zu verfertigen, und ehisten tags einzuschicken.«332

In diesem Eintrag aus dem Diensttagebuch Paul Steins kommen mehrere Probleme gleichzeitig zur Sprache, darunter war der Pfarrer des zur Klasse KasselNeustadt gehörenden Dorfes Crumbach auch hellseherischer Praktiken, des Kristallsehens, verdächtig. In den Diensttagebüchern und Visitationsberichten gibt es zahlreiche Belege für den Glauben an magische Praktiken. Entscheidend ist der Umgang der leitenden Geistlichen mit dem Phänomen und den Beschuldigten. Wiederum gleich mehrere Probleme und der Umgang mit ihnen werden im Eintrag greifbar, den Theophil Neuberger 1636 in seinem Diensttagebuch niederlegte: »Den 21. Martij ist Thebes Schneider samt seiner frawen von Harle, u. der pfarrer daselbst Phil. Colerus für mihr erschienen, weil sie sich zusammen gescholten. Sein deßwegen gestrafft, u. darauf gütlich vertragen. Der Pfarrer, so das weib eine zauberin gescholten, hat einen revers gegeben, daß er nichts anders als ehr u. guts von ihr wisse. Ist ernstlich vermahnt worden, friedlicher mit seinen zuhörern zu leben, weil er der laster händel viel hat. Thebes Schneider u. seine fraw sein gleichfals zu nachbarlicher friedfertigkeit angewiesen. Der man, Thebes Schneider, ist des segensprechens bezüchtigt worden, so er auch gestanden, daß ers hiebevor gebraucht, hab es aber lang unterlassen. Soll bey der visitation inquirirt, und alsdan gethan werden, was recht ist«.

Die Erklärung des Pfarrers, die Zaubereivorwürfe künftig zu unterlassen, wurde offenbar als dringend notwendig empfunden, um mögliche Weiterungen zu vermeiden; der Pfarrer wusste allem Anschein nach, womit er treffen konnte, wollte einen Vorwurf, der so schwerwiegende Konsequenzen haben konnte, dann aber doch nicht aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang kam wohl auch die Vergangenheit des Thebes Schneider zur Sprache, der zugeben musste, 332 DTB Paul Steins, Eintrag zum 15. April 1628, Nr. 4. Als bemerkenswert wird dieser Fall auch von Sibeth: Eherecht und Staatsbildung, S. 197 Anm. 199 erwähnt.

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ein Segensprecher gewesen zu sein.333 Diese Einblicke lassen erahnen, wie weit verbreitet Phänomene dieser Art und der Glauben daran waren und wie schwer entsprechende Vorwürfe wogen. Aufschlussreich für einen ähnlich rationalen Umgang mit Vorwüfen dieser Art ist eine Serie von Einträgen aus dem Februar 1630 im Diensttagebuch Paul Steins. Das Predigerministerium zu Grebenstein berichtete dem Superintendenten am 9. Februar 1630 (Eintrag Nr. 2) von einem etwa zehnjärigen Mädchen, das ausgesagt habe, es solle bei seiner Base das Zaubern lernen. »Begehren bericht, wie sie es anfangen sollen, darmit das mägtlein darvon wieder abgebracht werden möge, auch ob sie die fraw zum gebrauch des abentmals zulassen sollen«. Der Eintrag belegt, dass das Thema damals virulent war, sonst wäre das Mädchen vermutlich nie auf solche Ideen gekommen – offenbar nicht in dem Bewusstsein, welcher Gefahr es damit sich und seine Base aussetzte. Die Reaktion der Grebensteiner Prediger, zu versuchen, das Mädchen von seiner Vorstellung wieder abzubringen, zeigt deren Gefahrbewusstsein und Gespür für die Verhältnisse. Paul Stein wollte über die Sache mit seinen Kasseler Predigerkollegen und der fürstlichen Regierung sprechen, bevor er den Grebensteinern Bescheid erteilte. Anscheinend hatte die Angelegenheit in Grebenstein schon Kreise gezogen, denn die Regierung überschickte Paul Stein am 19. Februar 1630 (DTB, Eintrag Nr. 7) den vom Grebensteiner Rentmeister empfangenen Bericht über die von ihm eingezogene Erkundigung, »das mägtlein, so zaubern kan, und ihrer lehrmeisterin, Haalper [?], Hanß Rösings burgers daselbst hausfraw, betreffend«. Im vierten Eintrag zum 20. Februar 1630 notierte Paul Stein in sein Diensttagebuch: »Wegen der hexensach zu Grebenstein habe ich mit dem ministerio geredet, und ist darvor gehalten worden 1. Es sey dem ministerio daselbst zu befehlen, das sie fleiß anwenden, das mägtlein wieder zurecht zu bringen, und es in der christlichen religion gruntlich zu underrichten. 2. Die fraw, welche das mägtlein das hexen gelehrt haben soll, sey / communione zu suspendiren«.

Die fürstliche Regierung, an die Stein diese Vorschläge weiterleiten ließ, erklärte sich mit ihnen einverstanden und veranlasste die Übermittlung an das Predigerministerium zu Grebenstein.334 Die Zurückhaltung und das umsichtige Handeln, die alle Beteiligten hier übten, zeigen, dass sie sich der Dramatik und möglichen Konsequenzen des Vorgangs wie der Ungesichertheit der Bezichtungen bewusst waren. Das Bemühen, das Mädchen durch intensive Belehrung 333 Zur »weißen« Magie, einschließlich Kristallsehen und Segensprechen, ihren Praktiken und ihrer populären Wertschätzung, siehe Labouvie / Neugebauer-Wölk: Magie. 334 DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 22. Februar 1630, Nr. 3.

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und geistliche Unterweisung von seinen Vorwürfen abzubringen, zeugt von einer Haltung, die man statt auf dem Höhepunkt der »großen Hexenverfolgungen in Deutschland um 1630« bisher eher am »Ende des 17. Jh.s« verortet hat. Vielleicht weist auch der zweite Punkt – der vorläufige Ausschluss der Base vom Abendmahl – auf eine Einsicht, zu der die spätere Historiographie gelangte, dass nämlich die Selbst- und Fremdbezichtigungen der »Kinderhexen« »als Sprachrohr für verdeckte familiäre und dörfliche Konflikte« fungierten, womit sie aber »auf ihre Weise das System des Teufelsglaubens« befestigten.335 Die skeptische Haltung gegenüber Hexenglaube und magischen Praktiken, die allem Anschein nach Paul Stein zusammen mit den Kasseler und Grebensteiner Predigern auszeichnete, war aber nicht allen Geistlichen eigen. Vielmehr gab es Vertreter ihres Standes, die im Verdacht standen, entweder – wie zu Beginn dieses Abschnitts gesehen – selbst Magie, in Form von Kristallsehen, zu betreiben oder die die Dienste solcher Praktiker in Anspruch nahmen. So berichtet der Rentmeister Christoph Ungefug über Elias Vietor, den Pfarrer zu Ehringen in der Klasse Wolfhagen, dass dieser »den seiffensieder vom Sande habe zu sich erfordert, von ihm zu vernehmen, weil sein, des pfarrherrn, vorige hausfraw etlich gelt bey sich ligend gehabt, welchs sich nach ihrem absterben nit befunden, wohin solch gelt möchte kommen sein; desgleichen, als dem pfarherrn nach der zeit sein viehe aufstutzig worden, habe er ebenermaßen gedachten seiffensieder zu sich fordern lassen.« »Pfarrherr hats anfangs geleugnet, und den seifenkoch gar nicht kennen wollen. Nachmals hat er gestanden, sein jetzige frau hab ihn nacher Eringen erfordern lassen, von ihm zu vernehmen, wohin das gelt versteckt sey ; wie dann seiner frawen schwester auch einen getrank von ihm bekommen für krank viehe.«336

335 Die Zitate stammen aus dem Artikel von Bähr : Kinderhexe, Sp. 558f. In der Reformationsordnung in Kirchen- und Policeysachen von 1656 (Kapitel 6: »Von Cristallensehern, Warsagern, Abergläubigen und Zygeunern«, § 1) war dann ausdrücklich bestimmt, »Leut […], die […] mit Crystallensehen, Wahrsagen, Segen und andern dergleichen Aberglaubischen Dingen umbgehen, […] sollen unsere Superintendenten und Prediger«, wenn sie »dessen gewisse Nachrichtung haben, zum Tisch des Herrn nicht zu lassen, sondern mit vermahnen, lehren und unterrichten von solchen sündtlichen verbottenen dingen treulich abmahnen« (HLO II, S. 411); in der 1630 noch maßgeblichen Reformationsordnung von 1572 in Kapitel 5 »Von cristallensehern, warsagern und abergleubigen« fand sich diese ausdrückliche Regelung noch nicht (EKO Bd. 8, S. 399). 336 Von der Hand Paul Steins stammendes Protokoll einer Visitation in den nördlich von Kassel gelegenen Klassen Hofgeismar, Gebenstein, Trendelburg, Gottsbüren (Amt Zapfenburg), Zierenberg und Wolfhagen, StAM 315 a, Nr. 22, hier fol. 9r (Punkt 1 unter den »N[ota] B[ene]«, das Geständnis des Pfarrers links daneben); das Protokoll stammt wahrscheinlich noch aus der Zeit vor Paul Steins Antritt des Superintendentenamtes, in Vertretung seines Vorgängers Nicolaus Eckhardi, nach den Daten der auf dieser Visitation abgehörten Rechnungen zu datieren ab 1616, näher dazu oben in Kapitel II C 3 b bb (»Visitationen und Visitationsberichte«).

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Der geistliche Apparat vor Ort

Wie sehr Hexerei und Zauberei, die Vorwürfe und der tief verankerte Glaube daran auch soziale Phänomene, Mittel des »Konfliktaustrag[s] in Gemeinschaften« waren, wie sehr sie der Ableitung und Zuschreibung sonst unerklärlicher Spannungen und menschlicher Vorbehalte dienten sowie der Bewältigung »von sozialen Ängsten und Unsicherheit, bes. in Zeiten raschen gesellschaftlichen Wandels«,337 zeigt ein Fall, den Theophil Neuberger unter dem 13. März 1644 in seinem Diensttagebuch notierte: »Den 13. Martij ist der Grebe zu Gensingen Caspar Wiederold erschienen samt Christoph Schwartzkopf, von Einbeck bürtig, einem hawer, wegen einer beschuldigung, als ob die pfarrerin zu Gensingen wegen butter, des greben fraw hexerey beschuldigt hette, und das daher, weil die butter, iteratk dixit, die butter wolt ick nit eten. Die fraw holt ick nit ticht. Da hat der zeuge gesagt, ich hab gehört, daß die butter ufm wasser zu grunde gehe, die von unrichtigen leuten gemacht sey. Da haben deß pfarrers leute geschwind wasser geholt, und selbst von des greben butter genommen und sie ufs wasser gethan, die butter hab aber geschwommen u. nit wollen zu grund gehen, ob sie schon mit fingern druf gestossen, daß sie zu grund gehen solte«.

Die Vermutung, dass es hier um den Austrag sozialer Spannungen zwischen dem Greben und dem Pfarrer bzw. beider Ehefrauen ging, wofür ein Mittel der Kanalisierung gesucht wurde, liegt sehr nahe. Als wichtiges Lebensmittel spielte Butter und deren Herstellung in diesem Zusammenhang in der dörflich-kleinstädtischen agrarisch geprägten Lebensweise immer wieder eine Rolle;338 so auch 1657 in Eschwege, als zwei erkrankte Mädchen ihr Leiden auf den Genuss von Butter zurückführten, die sie von einem anderen, kurz zuvor verstorbenen Mädchen erhalten hätten, woraufhin dessen Mutter, Catharina Rudeloff, verheiratete Hochapfel, und Großmutter, Martha, geborene Kerste, unter Beteiligung der Eschweger Geistlichen der Hexerei angeklagt und schließlich verbrannt wurden.339 Beispiele für »Hexerei und Zauberei als Thema im Diensttagebuch des Superintendenten Johannes Hütterodt (1599–1672)« führt Martin Arnold an, der zu dem Ergebnis kommt, dass in diesen Fällen »Hütterodt eher zurückhaltend und maßvoll« reagierte,340 nach demselben Muster wie seine Kasseler Kollegen Paul Stein und Theophil Neuberger. Dass die Beschuldigungen gegen Catharina Rudeloff und Martha Kerste letztlich zu deren Tod führten, hatte wohl auch eher soziale Ursachen, Missgunst und gefühlte Benachteiligungen, aber auch ein insbesondere Martha – als Tochter einer allem Anschein 337 Die Zitate aus Krampl: Hexe, 3. Die Hexe als offenes Deutungsmuster, Sp. 427f. 338 Eckstein: Butter. 339 Arnold: Zauberei und Hexerei. Theologische, kirchliche und rechtliche Hintergründe des Eschweger Hexenprozesses von 1657, S. 35; ausführlich zu den Geschehnissen Vaupel: »Sie wollen die Hexen brennen«. Hexenprozesse 1657 in Eschwege. 340 Arnold: Zauberei und Hexerei, S. 32–34.

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nach als Fremde durch Heirat in die Stadt gekommenen Frau (Anna Knieriem, verheiratete Kerste, »die alte Hospächerin«), die als Witwe ein auffallend ungebundenes Leben geführt haben soll – schon seit langem anhängender Ruf.341 »Vielleicht spielte es auch noch eine Rolle, dass Martha Kerste als Kind mit ihren Eltern schon im Jahr 1605 zu den wenigen Eschweger Außenseitern gehört hatte, die das Abendmahl nach reformiertem Ritus empfangen hatten.«342 Arnold kommt zu dem Ergebnis: »Superintendent Hütterodt war zwar kein fanatischer Hexenverfolger, aber ohne seine Mitwirkung wäre der Hexenprozess wohl nicht in Gang gekommen«. Auch zeige sich im Ablauf des Verfahrens die organisierte Zusammenarbeit von weltlichem und geistlichem Regiment. Die Quellen ließen »nicht erkennen, dass die Eschweger Pfarrer in irgendeiner Phase des Prozesses etwas vorgebracht haben, was die beiden beschuldigten Frauen hätte entlasten können. Ihre Seelsorge zielte vielmehr darauf, sie zum Eingeständnis ihrer Schuld, zur ›Buße‹ und zur Aufrechterhaltung ihres Geständnisses zu bewegen«.343 Ob Hütterodt mit seiner Haltung, in der er nicht versuchte, den Hexenprozess und das Todesurteil abzuwenden, im Vergleich mit seinen Kasseler Kollegen Paul Stein und Theophil Neuberger, von denen ähnliche Verwicklungen nicht bekannt sind, eine Sonderrolle einnahm, oder ob Hütterodt, der aus Eschwege stammte und dem daher die Gerüchte um die Familien Rudeloff und Kerste sicherlich bekannt waren, durch sein soziales Umfeld zum »Mitmachen« getrieben wurde,344 lässt sich nicht genau sagen, der Grad seiner Überzeugung bleibt also unklar. Es sieht aber an diesem Beispiel so aus, als ob er sich durchaus bereitwillig in den Dienst als »seelsorgerlicher Begleiter« für die zum Tode Verurteilten nehmen ließ, den Weg für den Prozess ebnete, indem er die Eltern der betroffenen Mädchen, die zunächst zu ihm gekommenen waren, ans Rathaus weiterverwies345 und eben nicht, wie Paul Stein zusammen mit dem Kasseler und Grebensteiner Predigerministerium im Fall der »Kinderhexe«, dafür sorgte, die Angelegenheit möglichst klein zu halten – möglicherweise war es dafür aber auch schon zu spät oder war ihm von Amts wegen unmöglich.346 341 Vaupel: Hexenprozesse, S. 195f. 342 Arnold: Zauberei und Hexerei, S. 36 mit Anm. 48 auf S. 41, dort Verweis auf den »›Catalogus derer so ab anno 1605 zu Eschwege ritu fractionis communiciret haben‹ (StAMR, Bestand 4 i Nr. 157 S. 2–3)«; siehe auch Vaupel: Hexenprozesse, S. 22, 195. 343 Arnold: Zauberei und Hexerei, S. 39. 344 Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 60 vermutet: »Dabei dürfte es eine Rolle gespielt haben, dass im Unterschied zu anderen Fällen, wo der Zaubereivorwurf offensichtlich dazu benutzt wurde, anderen Menschen eins ›auszuwischen‹, hier die rätselhafte Erkrankung ›unschuldiger‹ Kinder im Hintergrund stand«. 345 Arnold: Zauberei und Hexerei, S. 34 mit Anm. 35. 346 Die Reformationsordnung in Kirchen- und Policeysachen von 1656 bestimmte in Kapitel 6, § 2 darüber, »Wie die Beamten und andere Obrigkeiten« sich »gegen die Crystallenseher und Wahrsager etc. zu verhalten haben?«: »Und sollen auch unsere Beampten und andere Obrigkeiten eines jeden Orts selbst forschen, und nach den Cristallensehern und Weissa-

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Der geistliche Apparat vor Ort

Ingesamt lässt sich aber ein eher rationaler und deeskalierender Umgang mit Zauberei- und Hexereivorwürfen bei den leitenden Geistlichen beobachten, die merkten, dass solche Vorwürfe in den meisten Fällen als Vehikel zum Austrag sozialer Konflikte benutzt wurden.347 Je enger aber ihre eigene gesellschaftlichpersönliche Verbundenheit mit den Fällen in der engen dörflich-kleinstädtischen Lebenswelt war, je weniger offensichtlich die zum Teil unbewusste, generationenübergreifende Vorbehalte reflektierende soziale Motivation und je unerklärlicher den Menschen der Zeit die mit den Vorwürfen in Verbindung gebrachten Phänomene waren, umso geringer schien die Deeskalationsbereitschaft der Geistlichen gewesen zu sein. Wie tief verankert in Eschwege die Vorbehalte waren, zeigt sich daran, dass noch sieben Jahre später die Eschweger Pfarrer Johannes Knierim (Neustadt), Johannes Hütterodt und Conrad Geilfuß dem Konsistorium mit der Niederlegung ihrer Ämter drohten, sollte Maria, die im Zuge des Prozesses 1657 ebenfalls unter Hexereiverdacht verhaftete, aber freigesprochene Schwester der hingerichteten Catharina Rudeloff, ihrem Wunsch gemäß wieder zum Abendmahl zugelassen werden, weil »die Frau gar sehr bei ihnen des abscheulichen Lasters verdächtig und deßwegen die Gemeinde bei ihnen sehr geärgert würde, so man sie daselbst zum heiligen Abendmahl würde admittiren«. Letztlich mussten sich aber Hütterodt als erster Pfarrer der Altstadtgemeinde und sein Diakon Geilfuß der Anordnung des Konsistoriums auf Wiederzulassung Maria Rudeloffs zum Abendmahl – wogegen sie »nichts Erhebliches« einzuwenden gehabt hätten – fügen, worin der Wert einer externen Institution erkennbar wird,348 die außerhalb der engeren sozialen Lebensumwelt der Beteiligten stand und einen ungetrübteren Blick auf die Verhältnisse werfen konnte.

gern greiffen, die zu hafften bringen, und es uns [dem Landgrafen, A. J.] zu erkennen geben, darmit sie ihre gebührende Straff, die ihnen nach gelegenheit und befindung an Leib und Leben ohne alle Barmhertzigkeit wiederfahren sol, empfangen mögen« (HLO II, S. 411). 347 Diese Deutung wird bestätigt durch die Darlegungen von Rita Voltmer : Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, insbes. S. 19. 348 Siehe die Anführungen aus dem Konsistorialprotokoll vom 15. April 1664 bei Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 600f. (in der Fußnote zu Anm. 10); dazu auch Arnold: Zauberei und Hexerei, S. 38; Ders.: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 47f. in Anm. 4; zum Verhör der Maria Rudeloff, verheiratete Hochapfel, im Zuge des Prozesses 1657 und ihren persönlichen Umständen Vaupel: Hexenprozesse, S. 143–149.

Kapitel IV: Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle zwischen Landesherr, Pfarrerschaft und Bevölkerung

A)

Die Kanzel als Sprachrohr

1.

Die Kanzelverkündung der Abdankung Landgraf Moritz’ und des Regierungsantritts seines Sohnes Wilhelm V. (1627)

Am 3. Mai 1632 führte der Kasseler Superintendent Paul Stein in seiner Leichenpredigt auf Landgraf Moritz aus, gemäß dem biblischen Beispiel der Herrschaftsübergabe König Davids an seinen Sohn Salomo: »hat auch unser seligst verstorbener lieber Landsfürst und Herr/ ihren Landen und Leuten zum besten/ die ins fünff und dreyssigste Jahr getragene Regierungs-last/ noch bey ihren lebzeiten/ von sich abgelegt. Dann nachdem Ihre F. G. in den letzten Jahren ihrer beschwerlichen Regierung/ bey denen unerhörten Kriegspressuren und trangsalen/ durch ihr vielfaltiges bitten und flehen/ auch müglichst accomodation, nichts außgerichtet/ sondern Sie und ihre Land und Leute unter der unerträglichen last erligen bleiben müssen/ und uber das Ihro/ gantz unverdient/ so hart zugesetzt worden/ daß man Sie und ihre Fürstliche lini nicht allein umb Land und Leute/ sondern auch leib und leben/ durch allerhand ungütliche beymessungen und aufflagen/ zubringen understanden; So haben Ihre F. G. lieber die biß ins fünff und dreyssigste Jahr löblich geführte Regierung verlassen/ als das heulen/ winseln und wehklagen ihrer zu grund verderbten Underthanen/ länger mit hertzenleid/ weil sie ihnen keine rettung schaffen können/ anhören/ und in der angedröweten gefahr sitzen bleiben wollen/ und haben darauf den 17. Mart. Anno 1627. Ihrem ältern Herrn Sohn/ dem Durchleuchtigen und Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn Wilhelmen/ […] Unserm jetzo regierenden gnädigen Fürsten und Herrn/ die Regierung/ zusampt Land und Leuten/ abdicirt, cedirt, und abgetretten/ und die ubrige Jahr ihres lebens im privat leben zubracht […]«.1

So rückte der dem Verstorbenen nahestehende Paul Stein die Geschehnisse in ein wohlwollendes Licht, die zur Abdankung Landgraf Moritz’ des Gelehrten 1 »Die ander [= zweite] Klag- vnd Trawrpredigt Pauli Steinii, Superintendenten zu Cassel«, in: Monumentum Sepulcrale, S. 50–96, hier S. 77–78.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

und zur Herrschaftsübergabe an seinen Sohn Wilhelm V. von Hessen-Kassel führten. In der Folge der Ereignisse selbst kommunizierte Paul Stein diesen Herrschaftsübergang am 19. März 1627 in einem von ihm konzipierten Rundschreiben an die Metropolitane seines Bezirks mit der Aufforderung zur Weiterleitung an die Pfarrer ihrer jeweiligen Klasse; dem Schreiben legte er bei, ein »Formular wie in den Kirchen des Nider Fürstenthumbs Hessen, und zugehöriger Graff- und Herrschafften, des am 17. Martii 1627. Jahrs zu Cassel vorgangenen Abdicationsactus gedacht, undt nach der Predigt den Gemeinden vorgetragen werden soll« sowie eine Anweisung zur Anpassung der Herrscherfürbitte.2 Das von Stein verfasste Formular zur Kanzelverkündigung und die angepasste Herrscherfürbitte wurden vom Konsistorium, zusammen mit einem eigenen Begleitschreiben, an Hermann Fabronius, den Superintendenten des Bezirks Rotenburg, geschickt, zur Verteilung an die dortigen Metropolitane und Pfarrer.3 In der Ausfertigung sauber geschrieben ist nur das Anschreiben an die Metropolitane, das die eigenhändige Unterschrift Paul Steins trägt; das Blatt mit dem Formular zur Kanzelverkündigung, der angepassten Herrscherfürbitte und den Unterschriften der Metropolitane trägt hingegen starken Konzeptcharakter und stammt nicht von der Hand Paul Steins, wurde aber von ihm durch Streichungen, Überschreibungen und Ergänzungen am Rand korrigiert, ebenso wie die Adresse, an deren Rand Paul Stein »Borcken« ergänzte und als Rückvermerk, um die schnelle Zuordnung des zurückgelaufenen und nach Abschluss des Vorgangs zu den Akten gelegten Ausschreibens zu erleichtern, darüber schrieb: »Ihrer F. Gn. Landgraff Wilhelms angetrettene F. Regierung bet[reffend].«.4 Für die Kanzelverkündigung und die Anpassung der Herrscherfürbitte liegen im »Copialbuch« auch die Entwürfe von der Hand Paul Steins.5 Die Überschriften »Unvorgreifflich Formular, wie etwan auffm morgenden tag des heutigen vor2 Das an Paul Stein mit den Kenntnisnahmeunterschriften der Metropolitane zurückgelaufene Ausschreiben mit dem Formular zur Kanzelverkündigung und der angepassten Herrscherfürbitte befindet sich, zusammen mit den Konzepten, in StAM 22 a 6, Nr. 5 im sogenannten »Copialbuch« auf fol. 188–193; unterschrieben ist es auf fol. 189v von: »Martinus Happelius pastor Gudensberg Legit 20 die Martii Hora 12. / Joh. Combachius [Pfarrer zu Felsberg] accep[it]. 20. d. Martij h: 3. / Bartholomaeus Arcularius [Pfarrer zu Homberg an der Efze] vidit 21 Martii hora. 8. / Philippus Straccius [Pfarrer zu Neukirchen] accepit prid. viridium hora 4 pomerid. / Johann. Hanstein [Pfarrer zu Ziegenhain] 22. Martij vidit. / Johannes Rauschenberg [Pfarrer zu Treysa] – s[ub]s[cri]p[sit]. / Gerh. Stirn. p. Borcken 23 Martij«, die Nennung der Pfarrorte in eckigen Klammern wurde von mir (A. J.) ergänzt. 3 Übersendungsschreiben des Konsistoriums zu Kassel an Hermann Fabronius, Superintendent und Dekan zu Rotenburg, Kassel 1627 März 19 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 174rv. 4 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 188 (Anschreiben), fol. 189 (Kanzelverkündigung fol. 189rv, Herrscherfürbitte fol. 189v, Unterschriften der Metropolitane fol. 189v), fol. 193v (Adresse). 5 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 190.

Die Kanzel als Sprachrohr

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gangnen Abdicationsactus gedacht, und nach der predigt den Gemeinden vorgetragen werden könne«6 und »Im gebet könte [Ausfertigung: »soll«] folgende verenderung mit wenigen geschehen«, die so (nachträglich korrigiert) schon im Konzept stehen und versehentlich in die Ausfertigung übernommen worden sind, wo sie von Paul Stein noch weiter verbessert wurden, zeigen, dass die Stücke noch am Tag der Abdankung, dem 17. März 1627, konzipiert wurden und so schnell wie möglich ins Land verschickt werden sollten. Die Formulierung »Unvorgreifflich Formular« deutet überdies darauf hin, dass Paul Stein seine Entwürfe der Regierung des neuen Landgrafen zur Abstimmung vorlegte, was durch die Anfangszeilen des unvollendet gebliebenen Entwurfs des Begleitschreibens an die Metropolitane bestätigt wird: »Demnach u. gn. f. und herr, Herr Wilhelm, Landgraff zu Hessen, etc. postulirter Administrator des Stifts Hersfeld, wie den Herrn Collegae wohl wissend, durch Ihrer f. gn. Hirsfeldischen Cantzlar [Heinrich Lersner, A. J.] uns wegen des morgenden und künftigen gebets ihre gedanken anzeigen, und darneben, wie wir es«7 verrichten sollen, hat mitteilen lassen – so ließe sich der hier abbrechende Satz sinngemäß fortsetzen. Am 20. März 1627, einen Tag nach der Absendung der Mitteilung an die Metropolitane, hielt Paul Stein in der Kasseler Stiftskirche St. Martin eine »Glückwünschungs- und Huldigungspredigt/ Bey antrettung Fürstlicher Regierung […] Herrn Wilhelmen/ Landgraffen zu Hessen/ […] als I. F. Gn. die Bürgerhuldigung in der Statt und Vestung Cassel eingenommen«.8 Der Superintendent und Hofprediger Paul Stein war also als Kommunikator und geistlicher Mittler auf mehreren Ebenen intensiv in das Gelingen des Kasseler Herrschaftsübergangs eingebunden. Die Aktivitäten Paul Steins verdeutlichen exemplarisch die Schaltstellenfunktion des Kasseler Superintendenten auch gegenüber dem Superintendenten des Bezirks Rotenburg und veranschaulichen außerdem die Rolle der Kanzel als Medium politischer Kommunikation. Die sich aus der Nutzung dieses Instruments und der reformierten Pfarrer als Sprachrohr ergebenden Irritationen und Spannungen im Verhältnis zur lutherischen Linie Hessen-Darmstadt, als diese 6 In der Ausfertigung, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 189r steht: »Formular wie in den Kirchen des Nider Fürstenthumbs Hessen, und [am Rand: zugehöriger Graff- und Herrschafften, des am 17. Martii 1627. Jahrs zu Cassel] Unvorgreifflich Formular, wie etwan auff morgenden Tag deß heutigen vorgangenen Abdicationsactus gedacht, undt nach der Predigt den Gemeinden vorgetragen werden könne soll«. 7 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 191v. 8 »Glückwünschungs- und Huldigungspredigt/ Bey antrettung Fürstlicher Regierung […] Herrn Wilhelmen/ Landgraffen zu Hessen/ […] Am 20. Martij deß 1627. Jahrs/ als I. F. Gn. die Bürgerhuldigung in der Statt und Vestung Cassel eingenommen/ Gehalten in der StifftsKirch daselbst/ Und nunmehr auff sonderbaren Befelch Hochgedachter Ihrer F. Gn. In offenen Truck verfertiget/ Durch PAULUM STEINIUM, Superintendenten und Pfarrern gemeldter Kirch.«, letzter Teil des »Monumentum Sepulcrale« für Landgraf Moritz den Gelehrten, S. 383–418.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

gerade eine größere Zahl niederhessischer Ämter in Pfandbesitz hatte und dort auch Anspruch auf die Kirchenherrschaft erhob, werden im Folgenden noch Gegenstand der Untersuchung sein.9

2.

Geistliche Kommunikation im Kontext des Dreißigjährigen Krieges

a)

Anlassbezogene Gebete und Gottesdienste Gebet für das Gelingen der Reise des Landgrafen an den Kaiserhof nach Prag (April 1628); Wie der Leipziger Konvent den »gemeinden in ihr christlich gebet anzubefehlen« (Februar 1631); Wie »bey itziegen leufften im offentlichen kirchengebet, zu vorderst keiserlicher majestät, undt dan auch anderer christlicher potentaten gedacht werden solle« (August 1631); Dankgottesdienst für den schwedischen Sieg bei Breitenfeld (September 1631)

Zusammen mit anderen Angelegenheiten übermittelte Paul Stein den Metropolitanen seines Bezirks am 10. April 1628 ein »Formular Wie unserß Gn. F. undt Herrn reise an den keyserlichen Hoff in daß Gemeine gebett mit einzuschliessen sey«,10 schließlich verreise er »dem gantzen lande zum besten […]; dahero eß billich ist, den lieben Gott umb glücklichen success Ihrer F. Gn. vorhabenden reise undt verrichtung inniglichen undt von hertzen anzuruffen undt zu bitten«.11 Im April und Mai 1628 unternahm Wilhelm V. eine Reise an den Kaiserhof nach Prag, von wo er im Juni über München nach Kassel zurückkehrte.12 Das 9 Siehe Kapitel V C 1 (»Die Huldigung der Pfarrer […]«). 10 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 56rv. 11 Ausschreiben Paul Steins an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel 1628 April 10, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 57f. mit den Unterschriften der Metropolitane zur Empfangsbestätigung auf diesem zurückgelaufenen Exemplar. Die Beziehung zwischen dieser zurückgelaufenen Ausfertigung und Steins in seinem Diensttagebuch dokumentierter geordneter Amtsführung stellt der darin zu findende Eintrag vom 19. April 1628, Nr. 3 her : »Der botte, so mit dem ausschreiben, wegen Landgraff Wilhelms f. gn. reise, und andern puncten halber, naher Gudensberg, Felsberg, Homberg, Borcken, und in die Graffschafft Ziegenhain abgefertigt gewesen, lieffert solch ausschreiben neben der metropolitanorum urkunden, das sie es empfangen, und demselben gehorsamlich nachsetzen wollen, wiederumb ein«. Über die Konzipierung dieses Schreibens geben die Einträge vom 9. April 1628, Nr. 4 und 5 Auskunft, Nr. 4 lautet: »Ich hab ein formulam, welcher gestalt ihrer f. gn. reise im gebet gedacht werden könne, begrieffen, und f. regierung ad revidendum zugeschickt, auch nachdem ich solche von der regierung wiederbekommen, dem ministerio selbige zugeschickt«. 12 Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 189–194; die Initiative zu der Reise an den Kaiserhof geht auf eine Empfehlung der Stände des Niederfürstentums zurück, die sich vom 19.–23. Juli 1627 zu einem Landtag in Kassel versammelt hatten (Ebd., S. 178f. mit

Die Kanzel als Sprachrohr

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Hauptanliegen seiner Reise war, eine »Erleichterung der kaiserlichen und liguistischen Einquartierung« in seinem Land zu erreichen, darüber hinaus die Bestätigung des Primogeniturrechts in der Kasseler Linie13 sowie der Erhalt des Stifts Hersfeld über das er seit 1617 die Administration ausübte,14 das aber der »Papst einem unmündigen Sohne des Kaisers« übertragen hatte, außerdem strebte er eine Besprechung der Regelungen über die Rotenburger Quart15 an und hoffte auf Schutz gegen die Gläubiger der enormen Schuldenlast des Landes.16 In Bezug auf sein Hauptanliegen erreichte Wilhelm weder in Prag noch in München etwas Verbindliches, er musste sogar erfahren, dass während seines Prag-Aufenthalts Hersfeld durch den Erzbischof von Mainz für Leopold Wilhelm, den fünfzehnjährigen Sohn des Kaisers, in Besitz genommen wurde.17 Auch die Versöhnung der Protestanten im Reich ließ man sich in HessenKassel ein Gebetsanliegen sein, indem Paul Stein 1631 ein »Formular, wie die Leipzigische zusammenkunft undt handlung anfangs den gemeinden in ihr christlich gebet anzubefehlen« ins Land ausgehen ließ. Den Metropolitanen teilte er mit: »Demnach uf den annahenden 6. tag dieses monats Februarij eine zusammenkunfft der evangelischen protestirenden chur-, fürsten undt ständen des reichs naher Leiptzig, zu dem endt bestimbt undt außgeschrieben worden, daselbst in friedlibendem vertrawen sich miteinander zu unterreden, undt zu berathschlagen, wie der lang gewüntschte, edle, werthe, allgemeine friede in unserm gelibten vatterlandt teutscher nation, wiederumb gepflantzet, undt das alte rechtschaffene, teutsche, sichere vertrawen angerichtet, sonderlich aber auch das heilige undt allein seeligmachende wordt Gotteß, undt der reine gottesdienst in unsern landen erhalten, undt die biß anhero zum hochsten betrangte, undt betrübte evangelische kirchen wiederumb in rühigen wolstandt gesetzet werden mögen, zu welchem convent auch der durchleuchtige, hochgeborne fürst undt herr, Herr Wilhelm Landtgraf zu Hessen, Graf zu Catzenellnbogen, Dietz, Ziegenhain undt Nidda etc. unser gnediger landsfürst undt herr abgereiset; undt es die hohe notturfft erfordert, auch an sich selbst billich undt recht ist, daß wir an unserm

13

14 15

16 17

Anm. 226). Über die Geschehnisse auf dieser Reise sind wir durch das Tagebuch unterrichtet, das Wilhelm V. darüber führte, in: StAM 4 e, Nr. 585. Das »Statutum Juris Primogeniturae in der Fürstl. Heßen-Caßelischen Linie« vom 8. Juni 1628 (neuen Stils), in: Lünig: Das Teutsche Reichs-Archiv [Bd. 9], S. 846–848 (Nr. XXX) wurde dem Landgrafen nach seiner Abreise noch nachgeschickt (Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 54). Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 159. Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 193 mit Anm. 296: »Fest steht, daß Ldgr. Hermann bald darauf die Administration der Quart erhielt, S. 198: »Im Frühjahr 1629 endlich wurde den jüngeren Brüdern Wilhelms […] [die Rotenburger Quart] eingeräumt […]«. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 49f., die Zitate alle S. 50. Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 54, 68f.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

orth inmittelst uns diese so hochwichtige sach in unserm gebet zum fleisigsten undt trewlichsten anbefohlen sein lassen«.18

Bemerkenswert ist der nationale Ton der hier angestimmt wird, die greifbare Friedenssehnsucht und die Hoffnungen auf Vereinigung unter den Protestanten, die mit diesem Treffen verbunden waren. Der selbstherrliche Kurs des Kaisers, wie er sich im Restitutionsedikt von 1629 ausdrückte, führte zu einer Annäherung der sonst so verfeindeten innerprotestantischen Lager von Lutheranern und Reformierten, die erkannt hatten, dass sie gegen einen »gemeinsamen katholischen Feind« nur erfolgreich sein können, wenn sie ihre Differenzen beilegen.19 Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. lud auf das beständige Drängen des brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm alle protestantischen Stände des Reiches zu einem im Februar 1631 beginnenden und bis zum 12. April dauernden Konvent nach Leipzig ein.20 Am 10. Februar hielt der für seinen Eifer und seine ablehnende Haltung gegenüber den Reformierten bekannte kursächsische Oberhofprediger Matthias Ho[ von Ho[negg in der Thomaskirche die Eröffnungspredigt,21 seine auf die Einheit der Protestanten im Kampf gegen die drohende Vernichtung gerichteten Ausführungen über den 83. Psalm ermutigten die Wilhelm V. von Hessen-Kassel und Georg Wilhelm von Brandenburg begleitenden reformierten Theologen – Theophil Neuberger, den damaligen Hofprediger Wilhelms V. und späteren Superintendenten des Bezirks Kassel,22 sowie Johann Crocius, angesehenen und produktiven Professor der Theologie und Gründungsrektor der 1633 eröffneten Hohen Schule Kassel, die aber schon 1629 als Ersatz für den Verlust Marburgs

18 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 202. Da sich nur das Formular findet ohne ein datiertes Ausschreiben und sich auch im Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22) unter dem Jahr 1631 kein Eintrag dazu findet, ist nicht völlig sicher, ob das Formular verschickt wurde. 19 Nischan: Reformed Irenicism and the Leipzig Colloquy, S. 16: »the German Protestants at least were beginning to cooperate against their common Catholic foe«. 20 Nischan: Reformed Irenicism, S. 17; Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 106–109. 21 Das bei Nischan: Reformed Irenicism, S. 18 falsch angegebene Datum der Eröffnungspredigt ergibt sich korrekt aus deren Titel: »Der drey vnd achtzigste Psalm/ Bey dem von Churfürstlicher Durchleuchtigkeit zu Sachsen/ etc. etc. etc. außgeschriebenen Convent der Evangelischen vnd protestirenden Chur-Fürsten vnd Stände/ In der Kirchen zu S. Thomas/ in Leipzig/ Den 10. Februarij, Anno 1631 […]«, im Anhang, auf den letzten vier Seiten des Predigtdrucks, findet sich ein »Vorzeichnis Der Churfürsten/ Fürsten/ Graffen / Herrn vnd Städte/ so auff den außgeschriebenen Convent der Evangelischen Stände in Leipzig Anno 1631. einkommen«; analysiert und in den Kontext des »Leipziger Kolloquiums« eingeordnet wird die Predigt bei Kaufmann: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede, S. 40–46, zum Leipziger Konvent der evangelischen Stände und zur Position Ho[s S. 34–39. 22 Zu seinen theologischen Ansichten: Brunner: Theophilus Neuberger, S. 387–389.

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ihren Lehrbetrieb aufgenommen hatte,23 ebenso wie den Brandenburgischen Hofprediger Johann Bergius24 – Ho[ ein Gespräch zwischen den anwesenden Vertretern beider protestantischer Konfessionen vorzuschlagen. Nachdem auch der sächsische Kurfürst diesem Vorhaben unter der Bedingung zugestimmt hatte, dass es ein privates, nicht verbindliches und dem lutherischen Glauben unnachteiliges Kolloquium sei, kamen schließlich am 3. März 1631 die drei reformierten Theologen aus Hessen-Kassel und Brandenburg mit den drei kursächsischen Lutheranern Matthias Ho[ von Ho[negg, dem Leipziger Superintendenten Polykarp Leyser d. J. und dem Leipziger Theologieprofessor Heinrich Höpfner zusammen.25 In den bis zum 23. März dauernden Verhandlungen gingen sie jeden Artikel der ungeänderten Confessio Augustana durch; unterschiedliche Meinungen ergaben sich bei Artikel 3 »Von dem Sohne Gottes« über die Frage der »communicatio idiomatum«, der Übertragung der göttlichen Eigenschaften an die menschliche Natur Jesu,26 bei Artikel 10 über das Abendmahl kamen die Reformierten den Lutheranern sehr weit entgegen, am Ende legten beide Seiten ihre jeweilige Auffassung zur »ewigen Gnadenwahl« dar.27 Das entscheidende Ergebnis dieses als »Leipziger Kolloquium« bekannten Gesprächs ist, dass es überhaupt zustande kam und die Theologen der beiden evangelischen Konfessionen damit ihren Beitrag zur innerprotestantischen Aussöhnung der Fürsten leisteten, die sich militärisch im Verteidigungsbündnis »Leipziger Bund« zusammenschlossen.28 Unter diesen Umständen war es – um es sich mit keiner Seite zu verderben – ein Problem, wie »bey itziegen leufften im offentlichen kirchengebet, zu vorderst keiserlicher majestät, undt dan auch anderer christlicher potentaten gedacht werden solle«. Darüber stimmte sich Paul Stein im August 1631 intensiv mit dem Geheimen Rat Dr. Hermann Wolff und über ihn mit dem Landgrafen ab, am 29. August versandte er die Formel »An alle und jede Pfarhern ambts Cassel vor der Newen Stadt«: 23 Zu Crocius und seinem Beitrag zum »Leipziger Kolloquium«: Claus: Johannes Crocius, S. 60–62; zur Geschichte der ersten Kasseler Universität, die von 1633–1653 bestand: Auerbach: Eine löbliche Hochschule, S. 44 (zum Lehrbeginn), 45 (zur Eröffnung und zum Rektorat Crocius’). 24 Zu ihm ausführlich Nischan: John Bergius: Irenicism and the Beginning of Official Religious Toleration in Brandenburg-Prussia. 25 Nischan: Reformed Irenicism, S. 18–20; die Ämter der lutherischen Teilnehmer finden sich zu Beginn des in der übernächsten Anmerkung zitierten Protokolls. 26 Siehe dazu: Steiger : Die communicatio idiomatum als Achse und Motor der Theologie Luthers. 27 Das Protokoll zum Leipziger Religionsgespräch findet sich in: Böckel (Hg.): Bekenntnisschriften, S. 441/443–456; siehe auch: Nischan: Reformed Irenicism, S. 20–25 (S. 24 zum Enddatum des Kolloquiums); Maurer : Bekenntnisstand, S. 57f.; sehr wertend Vilmar : Confessionsstand, S. 226–232. 28 Nischan: Reformed Irenicism, S. 17, 25–26.

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»Formul, wie in dem offendtlichen kirchengebet bey itzigen leufften zu vorderst der Römischen Keys. Majest. undt dan auch anderer Christlichen Potentaten zu gedencken. Der § darinnen der weltlichen oberkeit im kirchengebet gedacht wirdt, soll folgender massen abgefasset werden: Wollest auch den standt der weltlichen oberkeit segnen, undt der römischen kais. mayst. ein friedfertiges, dem evangelio undt dessen bekennern wohl zugethanes undt gewogenes hertz, auch sonstet allen andern christlichen königen, chur-, fürsten undt ständen des reichs deine göttliche gnade verleihen, bevorab aber denen, welche sich des gemeinen evangelischen wesens hertzlich annehmen, undt desen beforderung trewlich suchen, von oben herab hülff undt beystandt leisten, damit ihr christliches wohlgemeintes vorhaben zu vorderst zu deines allerheiligsten nahmens ehr, undt dan auch zu erhalt- undt fortpflanzung der warheit deines alleinseligmachenden evangelii, wie ingleichen zu wiederbringung des lieben, wehrten edlen friedens, in unserm geliebten vatterlandt teutscher nation, gereichen möge. Insonderheit aber wollestu auch unsern lieben landsfürsten etc. wie es ferners im gebet folget«.29

Der Bedarf intensiver Abstimmung war möglicherweise auch dadurch bedingt, dass Wilhelm V. gegenüber Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt Paul Stein vorgeworfen hatte, das Ausschreiben vom 19. März 1627 mit der Kanzelverkündigung und dem Gebet anlässlich der Abdankung Landgraf Moritz’30 ohne sein, Wilhelms, Wissen verschickt zu haben.31 Diese Kanzelverkündigung hatte zwischen den beiden hessischen Linien für heftige Spannungen gesorgt, da Georg II. glaubte, auf diese Weise solle suggeriert werden, er sei gar nicht mehr im Besitz der ihm im Rahmen der Exekution des Reichshofratsurteils von 1626 angewiesenen niederhessischen Pfandämter.32 Die Weiterungen, die sich daraus ergeben hatten, gemahnten Landgraf Wilhelm, ob der politischen Konsequenzen eines Gebets, zur Vorsicht. Dass die Formulierung von Gebeten und die Abhaltung von Dankgottesdiensten auch ein politisches Statement war – hinsichtlich der Auswahl des Ereignisses und der Art des Gedenkens – zeigt auch das Ausschreiben eines 29 StAM 318 Kassel, Nr. 117. 30 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 188–193 (mit Entwürfen und Empfangsbestätigungen der Metropolitane auf dem zurückgelaufenen Ausschreiben). 31 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Hersfeld 1627 April 12, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 235, 237 (Ausfertigung), hier fol. 235r. Damit antwortete Wilhelm V. auf das Schreiben, das Georg II. aus Torgau am 4. April 1627 an ihn gerichtet hatte (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 96f. [Konzept]), in dem er sein Befremden über die missverstandene Kanzelverkündigung ausdrückte; schon darin heißt es – das »ius superioritatis« über »die in unserm besitz stehende ämbter« behauptend –, aber wohl mehr rhetorisch gemeint, zu der Kanzelverkündigung: »Also können und wollen [wir] nicht glauben, daß solch attentat mit E. f. g. vorbewust beschehen, oder daß sie dergleichen befohlen […]« (Ebd., fol. 96v). 32 Näher in Kapitel V C 1, hier S. 570–578.

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Dankgottesdienstes anlässlich des schwedischen Sieges bei Breitenfeld im September 1631: »Wie es auff dem bevohrstehenden dancksagungstag, nemlich auff nechstkünfftigen Sontag, den 18., oder Mitwochen, den 21. gehalten werden solle«. Dem Ausschreiben lag ein »Formular, wie Gott dem Herrn vor den ohnlengst erhaltenen sieg der Evangelischen zu dancken« sei, bei.33 Auf diese Weise wurde die Bevölkerung über die Ereignisse auf dem Schlachtfeld wie über die politischen Optionen und Positionierungen Hessen-Kassels informiert und zugleich versucht, Gott und potentielle Bündnispartner freundlich zu stimmen. b)

Die Ansetzung außerordentlicher Fast-, Buß- und Bettage

Eine Besonderheit war die immer wiederkehrende Ausschreibung landesweiter Fast-, Buß- und Bettage, um Gott versöhnlich zu stimmen und für die Sünden, als deren Strafe Gott so großes Unheil über das Land gebracht hat, Abbitte zu leisten. Sie wurden auf besonderen Wunsch der Landesherrschaft, zum Teil sehr kurzfristig, angeordnet und von den Superintendenten ins Land ausgeschrieben. Regelmäßig fanden einmal im Monat ordentliche allgemeine Bettage statt, wofür die Agende von 1574 bestimmte, dass dazu »alle vier wochen die ganze gemeine in stedten und dörfen des mittwochens oder freitags zusammenkompt«.34 »Darnach seind besondere bettage, so außerhalb jetzt gemelter ordenung, wann etwa ein sonderliche gemeine not oder anligens vorhanden, entweder in gemein durchs ganze land, oder aber an einem besondern ort angestellet werden. Diese sollen nicht jederzeit, auch nit von einem jeden pfarherrn nach seinem gutdünken, sondern allein, wann ein gemeine straf und ungemach, als pestilenz, krieg, teurung etc. vorhanden, auf befelch der superintendenten, die sich diesfals mit ihrer christlichen obrigkeit zu besprechen und zu vergleichen haben, angesetzt und fürgenommen werden.«35

Wie groß der Druck und die zeitliche Belastung waren, die schon aus den ordentlichen, während des Krieges vermehrten Bettagen resultierten, zeigt das Ausschreiben Paul Steins vom 10. April 1628, mit dem er auch das Gebet zum Gelingen der Prag-Reise Landgraf Wilhelms V. an die Metropolitane schickte: »Dieweil auch, einkommenem bericht nach, seit der zeit die wochentliche bettage angeordnet gewesen, an vielen orten die monatliche ordinari bettage underlassen, oder doch von den zuhörern nicht mit gebuhrlichem fleiß undt eiffer besucht worden; 33 StAM 318 Kassel, Nr. 114; Konzept, Rückvermerk: »Anstellung einer dankpredigt und danksagung für die am 7. 7[Septem]bris erlangte schwedische victorien vor Leipzig betreffend, auff den 18. oder 21. 7bris 1631. zu halten«. 34 Agende 1574, EKO Bd. 8, S. 417f., das Zitat S. 418 linke Spalte ganz oben. 35 Agende 1574, EKO Bd. 8, S. 418.

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welcher unordnung undt unfließ billich, bevorab bey itzo noch wehrenden undt fast täglich zunehmenden schwehren straffen deß allerhöchsten Gottes, so viel immer muglich, begegnet, undt menniglich zu fleißiger, eifferiger besuchung deß Gotteßdiensts, sonderlich aber der betpredigten angehalten sein will; so habt ihr neben fortsetzung der wochentlichen, solche monatliche bettage, wo sie in abgang kommen, wider anzurichten, undt dieselbe jederzeit in den mutterkirchen auff den mitwochen in oder zu nechsts nach dem newen liecht, auff den filialn aber den donnerstag hernach, zu halten, undt den anfang schirstkünfftigen mitwochen, den 23. dieses, zu machen, undt also hinfurterß monatlich zu continuiren, auch neben den seniorn fleißige auffsicht zu haben, damit solche bettage von männiglich fleissig besucht, undt von den fahrlessigen die in der fürstlichen kirchen- undt reformation ordnung gesetzte straf einbracht werde«.36

Einige Pfarrer von Kirchen, an denen bisher nach der alten Ordnung mittwochs oder freitags der monatliche Bettag gehalten wurde, fragten daraufhin beim Superintendenten nach, ob sie ihre diesbezügliche Routine ändern müssten – sie mussten.37 Der Dreißigjährige Krieg in Hessen brachte genügend Erscheinungen mit sich, die als »gemeine straf und ungemach« (so die oben zitierte Formulierung in der Agende von 1574) verstanden werden konnten und damit die Abhaltung besonderer Bettage rechtfertigten. So ordnete Landgraf Wilhelm V. am 10. Dezember 1635 einen allgemeinen Fast-, Buß- und Bettag für Mittwoch, den 16. Dezember 1635 in einem Schreiben an den Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger an. Schon am 11. Dezember 1635 ließ Neuberger den Landgrafen wissen: 36 Paul Stein an die Metropolitane zu Gudensberg, Felsberg, Homberg, Neukirchen, Ziegenhain, Treysa und Borken, datiert Kassel 1628 April 10, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 57–58, hier fol. 57rv (zwischen dem 14. und 17. April datierte Kenntnisnahmeunterschriften der Metropolitane bzw. in Borken »absente Metropolitano« in Vertretung, fol. 58v); siehe auch die diesbezüglichen Einträge im Diensttagebuch Paul Steins zum 8. April 1628, Nr. 4 und zum 9. April 1628, Nr. 1 (im letzten, siebenten Punkt dieses Eintrags heißt es: »Dieses alles solle von mihr dem superintendenten Fabronio zu wissen gethan werden, darmit es derselbe in seiner inspection auch bestellen könne«; zur Absendung des Schreibens an Fabronius: Eintrag zum 12. April 1628, Nr. 6) und Nr. 5. Das in dem Ausschreiben angekündigte »befehlschreiben« (fol. 57v) an die weltlichen Beamten (Amtleute), Bürgermeister und Räte in den Städten zur Durchsetzung des Besuchs der Bettagspredigten und zur Arbeitsruhe während derselben, ließen Statthalter, Kanzler und Räte als gedrucktes Mandat gleichfalls am 10. April 1628 ergehen, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 156 (abgedruckt in: HLO II, S. 26f.; am Ende der Ausfertigung des Ausschreibens im »Copialbuch«, fol. 58r heißt es: »NB. Weil oben angeregte patenta von F. Regierung alhir anitzo wegen vielfaltiger gescheffte nicht haben außgefertigt werden können, sollen sie dennechsten nachgeschickt werden«). 37 So, verzeichnet im Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1628, der Pfarrer von Trendelburg am 21. April, Nr. 1; der Pfarrer von Ziegenhain, Johannes Hanstein, auch im Auftrag der Pfarrer seiner Klasse, am 21. Mai, Nr. 4; der Pfarrer von Berge am 23. Mai, Nr. 4, in Bezug auf seine Filialen.

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»E. f. g. gnedigem befehl, so mihr gestern gegen abend zukommen, zu unterthäniger folge hab ich diese nacht die außschreiben wegen des fast- und bettags, wie auch den modum, wie er zu halten, abgefast, verhoffe, es soll aller orts im gantzen lande zu recht kommen. Copiam deß begriffs schicke ich hiebey […]. Gott wolle uns gnädig erhören, auch E. f. g. samt den hochgeliebten ihrigen gesündheit, glückliche regierung, und alle leibs und seelen wolfahrt verleihen«.38

Die Abhaltung des hier für den 16. Dezember 1635 anberaumten außerordentlichen Fast-, Buß- und Bettags findet sich, neben zahlreichen weiteren, erwähnt im Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg – die Kommunikationskette hat also funktioniert.39 Wie ernst die Landgrafen die Abhaltung der besonderen Bettage nahmen, wie viel Wert sie ihnen beimaßen und wie sehr sie offensichtlich davon ausgingen, das je mehr und je längeres Beten möglichst vieler Menschen nach der in der Kirchenordnung festgelegten Form helfe, zeigt der Briefwechsel zwischen der Regentin Amelie Elisabeth, die sich gerade in Dorsten, in den von Hessen-Kassel besetzten westfälischen Gebieten40 aufhielt, und den in Kassel die Stellung haltenden Vizekanzlern und Räten aus dem Mai und Juni 1639. Es war der vom Rat Nicolaus Sixtinus überbrachte Wunsch der Landgräfin, der außerordentliche Buß-, Fast-, und Bettag möge an drei aufeinanderfolgenden Tagen sowohl im hessen-kasselschen Kernland als auch in den besetzten »westphalischen undt andern […] quartieren« gehalten werden. Sie musste aber letztlich einsehen, dass auf dem hessischen Land in dieser Zeit nicht genügend Pfarrer zur Verfügung standen, sodass man den wenigen nicht zumuten konnte, an drei Tagen sechs Predigten zu halten, wie ihr die Räte schrieben;41 sowohl in Dorsten »alß in andern hiesigen Stiffts [Münster, A. J.] guarnisonen« in Westfalen mangele es, »wie wir [Amelie Elisabeth, A. J.] berichtet werden, nicht allein ahn der heßischen kirchenordnung: sondern auch der beicht, absolution unndt collecten [-Gebeten], wie dieselbe zue Caßell unndt im landte droben bräuchlich, […], eß seye dan sach, daß ihnen [den Pfarrern in den von Hessen-Kassel besetzten Gebieten Westfalens, A. J.] noch vor dem obbesagten fast- undt bethtag solche desiderirte gebethe von Caßell auß zugeschicket werden, wie wir dan darfür halten, daß immittels wohl geschehen könne, […] im wiedrigen fall die gedachte hiesige praedicanten in mangell alßdan uf andere 38 StAM 22 a 1, Nr. 359 (zu Beginn einliegend). 39 Konventsprotokoll und Kopialbuch der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 19v (12. März 1635), 20r (der von Neuberger ausgeschriebene am 16. Dezember 1635). 40 Siehe dazu Tacke: Das Eindringen Hessen-Kassels in die Westfälischen Stifter, insbes. S. 181– 184. 41 Vizekanzler und Räte (erschlossen) an die vormundschaftliche Regentin Amelie Elisabeth, Kassel 1639 Mai 28 (Konzept), StAM 22 a 1, Nr. 183 (Umschlagaufschrift: »Einige Rescripta uber privat Angelegenheiten der Geistl. in Heßen«), das Blatt trägt den Rückvermerk: »Die bueß-, fast- undt behttage so den 19. undt 20. t. Juni sollen gehalten werden betr.«.

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bequeme formuln bedacht sein müsten, dahero ihr dan die nothurfft dießfals bey zeitten werdet in acht zu nehmen wißen«.42

Die Räte schrieben zurück, sie hätten von den Geistlichen die in in der hessischen Kirche gebräuchlichen Formulare im Druck oder abschriftlich erhalten, die sie der Regentin unverzüglich zustellen würden, damit sie eventuell weiterverteilt werden könnten.43 Der außerordentliche Bettag wurde am Ende an zwei statt, wie von der Regentin ursprünglich geplant, drei Tagen abgehalten, am 19. und 20. Juni 1639. Die intensive Kommunikation in dieser Angelegenheiten zwischen der Fürstin und dem Kasseler Regierungsapparat sowie beider Einsatz für einen überall gleichmäßigen Vollzug macht nochmals die tiefe Überzeugung insbesondere Amelie Elisabeths von der Wirksamkeit solcher Gebetsinterventionen deutlich, zu deren Organisation keine Mühen gescheut wurden und bei deren Umsetzung die Regentin eher an die realen Gegebenheiten vor Ort erinnert und zu Realismus ermahnt werden musste. Nicht nur Amelie Elisabeth legte großen Wert auf eine gelebte Frömmigkeit und christliche Ethik sowie ein gläubiges Vertrauen auf die Einsicht und Hilfe Gottes, sondern auch ihr 1637 verstorbener Mann, Landgraf Wilhelm V., der unter dem 8. September 1631 ein gedrucktes Ausschreiben veröffentlichte, dass »vff nechstkünfftigen Mittwochen den 14. Tag hujus [September 1631] abermals ein allgemeiner Fast: Buß: unnd Bettag durch Unser gantzes Fürstenthumb in Städten Flecken und Dörffern gehalten: und derselbe nechstvorhergehenden Sontag jedes Orts von der Cantzel abgekündiget werden solle«. Dass an seine »Liebe[n] Getrewe[n]«, also wohl in erster Linie die Amtleute, gerichtete Schreiben, versah Wilhelm V. mit folgenden Publikations- und Sanktionsbestimmungen: »[…] Damit nun ein jeder dessen Wissenschaft haben: und sich mit einem bußfertigen leben/ auch in enthaltung ubermässigen fressens vnd Sauffens vnd anderer Vppigkeit dazu vmb so viel mehr geschickt seyn/ vnd sich gehörig Praepariren möge/ So ist vnser gnediger Befelch/ daß du dasselbe auch in allen orten deines anbefohlenen Ampts so bald vnter der Glocken offentlich ankündigen vnnd die Leute darbey erinnerst, daß sie diesem abermaligen angestellten Buß: Fast: vnd Bettage in grösserer menge/ vnd nicht so kaltsinnig (wie an vielen orten bey dem letzten verspüret worden) beywohnen/ vnnd denselben niemands/ ausserhalb wer kranckheit/ Alters oder Jugendt halber dasselbe nicht zu thun vermag/ versäume/ darbeneben auch dahin sehest, daß vnter wärendem Gottesdienst niemand vff der Gassen an Arbeit oder sonsten/ es seye Soldaten oder wer 42 Amelie Elisabeth an Vizekanzler, Geheime und Regierungsräte zu Kassel, Dorsten 1639 Juni 4. (alten)/14. (neuen Stils), StAM 22 a 1, Nr. 183, das Schreiben trägt über der Adresse den Rückvermerk: »Unßere genedige Fürstin und Fraw wegen bevorstehender Bueß- Fast- und Behttage wie auch wegen bestellung der Forstdienste zu Ehlen undt Ritta«. 43 Vizekanzler und Räte (erschlossen) an Amelie Elisabeth, Kassel 1639 Juni 9, StAM 22 a 1, Nr. 183.

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es wolle/ ohne die/ so die Gassen zu Visitiren verordnet werden/ sich betretten lassen/ oder der Straff gewärtig seyen«.44

Auch Jahrmärkte sollten danach nur noch werktags stattfinden, nicht an Sonnund Feiertagen, »so alleine zum Gottesdienst verordnet«.45 Am 13. Juni 1631 ließ der Kasseler Superintendent Paul Stein »An die sämbtliche pfarrherrnn ambts Cassel vor der Newstadt« ein Ausschreiben ausgehen, dass auf Befehl Landgraf Wilhelms V., so wie »den 2. junij jüngsthin am extraordinari buß-, fast- undt bettage«, »hinfüro das gebet, vor undt nach den predigten, so wohl sontags, als in der wochen, wie in gleichen in den täglichen betstunden46 allezeit kniend von 44 Gedrucktes Ausscheiben Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel an seine »Liebe[n] Getrewe[n]«, Kassel 1631 September 8, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 89, dieser Druck ist von unklarer Hand durch Streichungen und Überschreibungen korrigiert. 45 Ebenda. Die gedruckte Ordnung über die Abhaltung der Jahrmärkte, auf die in dem Ausschreiben als beiliegend verwiesen wird, ist gleichfalls überliefert in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 158–163: »Ordnung VNser von Gottes Genaden Wilhelms/ Landgraven zu Hessen/ Graven zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ etc. // Wie es hinfüro mit den Jahrmärckten vnd Kirmessen in Vnserm Fürstenthumb geholten werden soll. // Gedruckt zu Cassel durch Johann Wessel Fürstl. Buchdr. im Jahr Christi 1631.«, »Geben vnd geschehen zu Cassel den 25. tag Julij [1631]« (fol. 161v = S. 8 der Ordnung; abgedruckt ist die Ordnung in HLO II, S. 60–62); dieses Exemplar trägt auf fol. 163v den handschriftlichen Vermerk: »Dieß Exemplar soll den Pfarhern zuegestellet werden«. Auch Amelie Elisabeth erließ unter dem 28. April 1649 ein gedrucktes Ausschreiben, »allen vnd jeden hohen vnd niedern Beambten/ Obrigkeiten sambt Bürgermeister vnd Rath in den Städten« zur Kenntnis, in Wiederholung von bereits 1639 und 1642 ergangenen Anordnungen, über die unbedingte Heiligung und Arbeitsruhe »an denen zu Gottes Ehren geordneten Beth- Fest vnd Feyertagen/ sonderlich aber den Sontagen« ergehen, mit detaillierten Sanktionsdrohungen, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 91 (fol. 90 enthält einen Abdruck der Ordnung, auf dem von der Hand Neubergers detaillierte sprachliche und satztechnische Korrekturen angebracht wurden, die in der nachfolgenden Fassung berücksichtigt sind), ein zweites Exemplar des Ausschreibens befindet sich in StAM 315 i, Paket 5 (im untersten Bündel als zweites Stück oben auf liegend), die Verordnung von 1649 ist abgedruckt in HLO II, S. 142– 144; in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 169 findet sich das Konzept des Begleitschreibens vom 5. Mai 1649, mit dem der Kasseler Superintendent Neuberger Exemplare dieser neu aufgelegten Feiertagsordnung an die Metropolitane übersandte. 46 Am 8. November 1628 ließ das Kasseler Predigerministerium einen Vorschlag zur Abhaltung täglicher Betstunden an die fürstliche Regierung gelangen, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 197f. (eine Ausfertigung), fol. 203f. (weitere Ausfertigung). Das Schreiben beginnt: »Demnach auff befehl deß durchleuchtigen, hochgebornen fürsten undt herrn, Herrn Wilhelmen, Landgraffen zu Hessen, Graffen zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhayn undt Nidda etc. unsers gn. fürsten undt herrn, Ihrer F. Gn. wohl verordnete vice statthalter undt räthe mir, dem superintendenten zu verstehen gegeben, welcher gestalt Ihre F. Gn. auff hiebevor beschehene unterthenige erinnerung deß ministerii alhir gewisse tägliche bettstunden bey noch wehrendem betrübtem zustandt dieser lande, anstellen zu laßen gnedig entschloßen; auch darneben befohlen, daß das ministerium sich des modi halber miteinander vergleichen, undt ein gewiß formular eines gebets, desen man sich durchgehendß in allen kirchen dieser lande zu gebrauchen, abfaßen solte; alß hat darauff das ministerium diese sach in gebührliche deliberation gezogen, undt helt unvorgreifflich darfür, daß eß mit stellung angeregter bettstunden folgender maßen gehalten werden könte«. Darauf folgen acht Punkte,

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den zuhörern geschehen solle«, denn »solche eüsserliche ceremoni nicht allein zu bezeügung wahrer demut gegen Gott, sondern auch zu erweckung hertzlicher andacht im gottesdienst, sehr nützlich undt bequem«. Allerdings sollte »hierdurch niemandt uber seines leibeß vermögen oder zustandt genötigt« werden, »alte, unvermögliche, gebrechliche, schwerfellige, oder auch schwangere weibspersonen, denen das knien beschwerlich fallen wolte«, sollten »sich niedersetzen, ihre haubter niederschlagen, und darmit ihre demut undt andacht bezeugen«.47 Wilhelm V., dem vorschwebte, dass »die christliche liebe diß gantze werck moderiren« möge, ließ sich wie Amelie Elisabeth von hohen geistlichen Idealen leiten, die oftmals nur schwer vereinbar waren mit der Realität dieser Zeit, in den Superintendenten jedoch fanden sie Gleichgesinnte, die ihre Anliegen und Überzeugungen teilten und weitertrugen. So verfasste das Kasseler Predigerministeriumschon 1628 ein Bedenken in acht Punkten »wegen anstellung der täglichen Betstunden«, nachdem der Landgraf, übermittelt vom Superintendenten Paul Stein, auf ihre Anregung »gewiße tägliche Bettstunden bey noch wehrendem betrubtem zustandt dieser Lande, anstellen zu laßen gnedig entschloßen, auch darneben befohlen, daß das Ministerium deß modi halber sich miteinander vergleichen, undt ein gewiß Formular eines Gebets, desen man sich durchgehendß in allen Kirchen dieser Lande zu gebrauchen, abfaßen solte«. Die Betstunden sollten »alle tage in der wochen (ausser dem sonntag, da man ohne das vor- undt nachmittag den offentlichen Gotteßdienst verrichtet, undt daß abgefaste gebet nach der predigt gesprochen werden kann, und ausser dem sonnabend an denen orten, da man die vermahnung zur communion zu halten undt die communicanten zu verhören hat) in allen kirchen dieser statt, wie dan auch sonstet allenthalben im lande zugleich in einer stunde, nemlich umb zwölff uhr zu mittag, angestellet werden.«

die Betstunde sollte um 12 Uhr mittags beginnen und täglich außer sonntags, da ohnehin vormittags und nachmittags Gottesdienst gehalten wird »undt das abgefaste gebett nach der Predigt gesprochen werden kann« sowie sonnabends, an den Orten, wo die Kommunikanten vermahnt und verhört werden, stattfinden (Punkt 1); dabei sollte eine Psalmerklärung und -gesang, in Städten nach den Psalmen auch zur Situation passende Propheten vorgetragen werden (Punkte 3 und 4); das zu diesem Zweck abgefasste Gebet wird gedruckt, sodass es aufs Land verschickt werden kann (Punkt 5); der fleißige Besuch der Betstunden soll auch mithilfe der weltlichen Obrigkeit durchgesetzt werden (Punkt 8). Dass die täglichen Betstunden tatsächlich gehalten wurden, beweist deren Nennung im »Regierungs-Ausschreiben daß die Beamten 1) die Unterthanen zu fleißiger Besuchung der Sonn- und Bättags-Predigten anhalten, sodann 2) denen Pfarrern und Schuldienern zu ihrer Besoldung verhelffen sollen« vom 9. November 1638, in: HLO II, S. 77f. 47 Paul Stein »An Die sämbtliche Pfarrherrnn Ambts Cassel vor der Newstadt«; Kassel 1631 Juni 13, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 206 (zurückgelaufene Ausfertigung mit Kenntnisnahmeunterschriften der Pfarrer auf der Adressseite fol. 206v).

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Eine Viertelstunde vorher »undt in puncto horae duodecimae noch einmal« solle »ein Zeichen mit der Glocken gegeben« werden, »dardurch die Gemeine zusammen beruffen werden könte«. »In der Kirch wehre der anfang des Gotteßdiensts mit dem Gesang: Erhalt unß Herr bey deinem Wort etc. zu machen; undt darauff nach gelegenheit der zeit ein kurtzer Psalm, etwan auff den Montag der 1. 43. 125. […] undt Freytags der 124. undt 130. zu singen; darbey dieses in acht zu nehmen, daß abwechsels weise Lobwassers undt Lutheri oder anderer Gottseeliger männer versiones, undt zwar auffm Lande unter vorgenanten diejenige gesänge undt Psalmen zu gebrauchen, so der Gemeinen bekannt, daß sie dieselbe mitsingen könten.«48

Insbesondere der letzte Passus dürfte als Zugeständnis zur Förderung der Andacht in einem konfessionell immer noch aufgewühlten Territorium zu verstehen sein.49 »Damit nun diese bettstunden von männiglich desto fleißiger besucht werden mögen, will vonnöthen sein, daß dieselbige nicht allein von den cantzeln den gemeinden gebuhrlicher masen intimirt, undt sie zu deren fleißiger besuchung ernstlich vermahnet, sondern auch von der weltlichen oberkeit daruber zum fleißigsten undt steiffsten gehalten, undt diejenige, so dieselbe muthwillig verseumen oder verachten, zu gebuhrlicher straff gezogen werden.«50

48 Einleitung, Punkt 1, 2 und 3 aus dem »Bedencken des Ministerii wegen anstellung der täglichen Betstunden« (Rückvermerk von der Hand des Kasseler Superintendenten Paul Stein), StAM 318 Kassel, Nr. 1712 (darin das erste einliegende Stück); der Text stammt höchstwahrscheinlich von der Hand des Johannes Pforr, Paul Steins Diener und Schreiber. 49 »Weil Luther nur sieben Psalmlieder gedichtet hatte, und aus lust zu der lieblichen sprach übersetzte der Königsberger Lutheraner und Juraprofessor Ambrosius Lobwasser (1515– 1580) den von Cl8ment Marot und Theodor Beza versifizierten und von Claude Goudimel vertonten französischen Genfer Liedpsalter 1565 und veröffentlichte ihn 1573 in Leipzig […].« Durch seine Einführung in reformierten Territorien und ein konfessionell geschärftes Textverständnis »haftete ihm ein calvinistisches Image an, das die lutherische Opposition sogleich auf den Plan rief« (Mager: Die zweite Reformation in den Plessedörfern und die dabei in Kraft gesetzten Gesangbücher, S. 230, die kursive Hervorhebung ist aus dieser Vorlage übernommen). Landgraf Moritz entschied sich »[m]it Vorbedacht und überwiegend aus kirchenpolitischen Gründen […] zunächst im Rahmen der zweiten Reformation für den die Einheit der reformierten Kirchen fördernden Lobwasserpsalter, den er, mit 25 eigenen neuen Melodien versehen, 1607 als vierstimmiges Chorbuch für seine hessischen Gemeinden herausgab«. Elemente darin klingen allerdings schon an »das zwischen den Konfessionen vermittelnde Programm des allgemeinen Hessischen Gesangbuchs von 1612 an, dem der Lobwasser später meist beigebunden wurde«, das »dem gesamtreformatorischen Liedgut Rechnung« trug (Mager, S. 232). 50 Punkt 8 aus dem »Bedencken des Ministerii wegen anstellung der täglichen Betstunden«, StAM 318 Kassel, Nr. 1712. Die Nachbemerkung lautet: »Dieses hat daß Ministerium ohnvorgreifflich bedacht, undt ist daruber F. Regierung fernere erclerung undt anstellung gewertig. Signatum Caßel am 8ten Novembris anno 1628. Sämbtliche deß Ministerii alhiro«.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

An diesem letzten Punkt des Bedenkens zeigt sich wieder einmal die Angewiesenheit der Geistlichen auf die weltlichen Machtmittel zur Aufrechterhaltung der Regelmäßigkeit und Durchsetzung der Allgemeinverbindlichkeit religiöser Vollzüge, deren Notwendigkeit offenbar nicht alle gleich hoch einschätzten. Der Superintendent des Bezirks Rotenburg erhielt die Schreiben zur Abhaltung eines außerordentlichen Bettages in aller Regel vom Kasseler Superintendenten.51 Die Bettage stießen aber auf kein ungeteilt positives Echo, wie der Allendorfer Pfarrer und Superintendent des Bezirks Rotenburg, Caspar Josephi, 1636 bei einer Visitation in Rotenburg erfuhr. Ein gewisser Reuter, dessen Vater der Kirche zu Hersfeld ein Legat hinterlassen hatte, schrieb Josephi am 15. Mai 1636, dass am Vortag der Oberschultheiß Johann Lorenz Stückradt zu ihm gekommen sei »und angezeigt, wie der Herr [Superintendent] in jetziger seiner anwesenheit zu Rotenberg zu ihme [dem Oberschultheißen] in sein losament gangen, und angezeigt, daß er glaubwurdig bericht seie, daß ich von dem durch unnsern allerseitß g[nädigen]. landtßfürsten und herrn etc. mit sonderbarem eiffer wohlangesteltem bettage schimpfflich geredt, und diese wort gefhurt haben solte, die Calvinisten wollen einmahl den kayser wider dot beten«.52

In der damaligen Situation, als das Stift Hersfeld offiziell Leopold Wilhelm, dem jüngsten Sohn Kaiser Ferdinands II., eingeräumt war,53 musste sich der Superintendent im Interesse des Landes und zur Bewahrung der Würde und des Ernstes der Bettage veranlasst sehen, eine solche Rede »an gehorige orte zu berichten«. Der Verdächtigte rechtfertigte sich aber damit, dass es sein »gebrauch nit ist, solcher gestalt zu reden«, weshalb er den Superintendenten bitte, ihn nicht unverhört zu verurteilen und ihm den Verleumder zu nennen, »soll er geliebtß Got meiner unschuld zu der that erfahren«.54

51 Siehe z. B. im DTB Hütterodts, S. 556 (4. November 1645): »Schreiben vom Superintendenten zu Cassel wegen des Fasttags den 19ten Novemb. zu halten«. 52 Reuter (?) an Caspar Josephi, Superintendent des Bezirks Rotenburg, Rotenburg 1636 Mai 15, im Konvolut KKAE Best. 3, Nr. 1874. 53 Vigelius: Denkwürdigkeiten von Hersfeld, S. 87–89 (im Kapitel »IV. Hersfeld im 17. und 18. Jahrhundert« der Abschnitt »1. Der dreißigjährige Krieg. Besitznahme Hersfelds im Namen des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich. Der Westfälische Frieden. Hersfeld wird als Fürstentum mit Hessen-Cassel vereinigt«); Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 489. In dem zitierten Brief heißt es auf fol. 1v : »[…] dieweil aber inzwischen der Apt zu Fulda in namen des Kaiserß Sohn, das Stifft Hirsfelt apprehendirt […]«, Reuter (?) an Caspar Josephi, Rotenburg 1636 Mai 15, im Konvolut KKAE Best. 3, Nr. 1874. 54 Reuter (?) an Caspar Josephi, Rotenburg 1636 Mai 15, im Konvolut KKAE Best. 3, Nr. 1874.

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Bergwerk versus Betstunde: Ausnahmen von der Kirchgangspflicht zugunsten wirtschaftlicher Erwägungen Nachsicht bei der strengen Befolgung der Bettage konnten allenfalls wirtschaftliche Erwägungen gebieten. Im Juni 1636 visitierte der Superintendent Caspar Josephi in der Klasse Lichtenau. Im Visitierbuch dieser Klasse notierte er als dritten Punkt zur Pfarrei Hausen: »3. Weil die bergleute weder in tegliche noch monatliche bettstunde gehen, soll mit Herrn Berckvorstehern u. beambten zu Allendorff geredet werden, daß sie zum wenigsten die monatliche betstunde, so deß morgens frueh for tage gehalten werden, besuchen mußen«. Daneben: »Ist geschehen undt von Herrn Cammerdirector D[octor]. Jungm[ann]. befohlen, daß es geschehen soll.«55

Dasselbe Problem stellte sich zu Rommerode, wohin er wahrscheinlich noch am gleichen 23. Juni 1636 kam. Auch dort notiert er als dritten Punkt unter der Übernahme des Rechnungsabschlusses der Kirchenrechnung für das Jahr 1635: »Auch sollen die bergleute zur besuchung der monatlichen bettstunde, in gleichen andern nachbarn, mit den ihrigen zu christlicher seumung des sabbahts undt besuchung der kinderlehr bey geldbuß angehalten werden«.56 1651 wurde das Problem erneut virulent. Nun antwortete das Konsistorium, das zu derselben Lösung kommt wie Caspar Josephi schon 1636 – Besuch nur des monatlichen Bettags am Mittwochfrüh vor Tagesanbruch, nicht der wöchentlichen Bettage –, dem Superintendenten Hütterodt zu Eschwege, unter Entfaltung des ganzen Problemzusammenhangs: »Die sämbtliche bergleuthe am Meißner berichten, daß von ihren pfarrern, under deren kirchen sie gehören, ihnen angesagt worden, daß sie alle mittwochen die predigten besuchen solten, mit bitt, weill sie dardurch unßerm gn. fürsten undt herrn die 55 Visitierbuch der Klasse Lichtenau (»Stadt undt Ampt / In dem Bezirgk Rotenbergk. b) An der Fulda die VI. Claß«), KKAE Best. 1, Nr. 3 (Einträge im hinteren Teil des in eine mittelalterliche liturgische Pergamenthandschrift mit erkennbaren Neumen eingebundenen Buches [Abbildung in Wiedemann / Wischhöfer : Einbandfragmente, S. 30], ohne Blatt- oder Seitenzählung). Die Visitation zu Lichtenau fand am 24. Juni 1636 statt, die Aufzeichnungen dazu beginnen auf einer neuen Rectoseite, die vorhergehende Versoseite ist leer gelassen; zu Beginn steht die Überschrift »Anno 1636 am 24 ten Junii visitiret zu // Lichtenaw. M[agister]. Caspar Josephi« und beginnt dann mit den Einträgen zur Rechnungsabhörung in der »Statt«, einige Seiten weiter beginnen auf einer Versoseite die Einträge zur »Claß Lichtenaw« mit »Ludenbach« (= Laudenbach), denen sich auf der folgenden Rectoseite die Einträge zu »Haußen« anschließen (mit dem hier zu den Bergleuten zitierten Punkt 3 der Notizen); drei Seiten weiter auf einer Versoseite, unter dem »Appendix Felmeden« (= Velmeden), beginnen die Eintragungen zu »Romrodt« [= Rommerode], die auf der sich anschließenden Rectoseite fortgesetzt werden, ganz unten auf dieser Seite wird, wiederum unter Punkt 3, die Schwierigkeit des Besuchs der monatlichen Bettage durch die Bergleute erneut aufgegriffen. 56 Visitierbuch der Klasse Lichtenau, KKAE Best. 1, Nr. 3 (Notizen über die Visitation und Rechnungsabhörung der Kirche zu Romrod am 23. Juni 1636).

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

schichte verseumen musten, ihres verhaltens halber ihnen gehörigen befelch zukommen zu laßen. Nun ist ihnen angedeutet worden, weill die arbeit in den bergwercken sich nicht wohl aufschieben läßet undt dardurch das saltzwerck gehindert werden möchte, daß wan sie neben den sontagen die monatliche bettage besuchten undt alßdan die predigten fleißig anhöreten, sie die andere mittwochen ihrer arbeit wohl abwartten könten, mitler zeit aber die mittwochen ihr weib undt kinder zur kirchen gehen laßen solten. Undt ist demnach unßer begehr hiermit ahn euch [den Superintendenten, A. J.], daß ihr denen pfarrern, worunter ermelte bergleuthe geseßen, solches ebenfalß zu wißen machet, damit sie sich darnach zu achten undt die bergleuthe ihre arbeit uf die mittwochen, da eben keine monatliche bettage einfallen, gleich uf andere tage ohnverhindert verrichten laßen«.57

Die von den Bergleuten am Meißner, dem »König der hessischen Berge«, abgebaute Braunkohle wurde zur Befeuerung der Siedepfannen des landgräflichen Salzwerks in Allendorf benötigt um so aus der konzentrierten Sole durch Verdampfung des Wassers schneller das kostbare Salz zu gewinnen – eine Erfindung, die maßgeblich auf den Soodener Pfarrer Johannes Rhenanus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückgeht, der gleichzeitig als Salzgrebe amtierte.58 An der durch die von den Bergleuten geförderte Kohle erleichterten Salzgewinnung hingen bedeutende landesherrliche Einkünfte und letztlich auch das für die Superintendenten und Pfarrer bestimmte Visitiergeld. Daher fand man eine pragmatische Lösung, die von den Bergleuten, neben ihrer Sonntagspflicht, nur den Besuch des monatlichen Bettags erwartete und sie von den wöchentlichen Betstunden befreite. Wirtschaftliche und theologische Erwägungen mussten hier zu einem Ausgleich finden. Der Konflikt zeigt, dass für die Bevölkerung der tägliche Nahrungserwerb wichtiger war als die von der Landesherschaft und Pfarrerschaft verbreitete Überzeugung von der Notwendigkeit und Wichtigkeit intensiven Gebets und Kirchgangs. Die Regelmäßigkeit und Verankerung des geistlichen Lebens im Alltag der Menschen konnte nicht ohne einen gewissen Zwang aufrechterhalten werden, ohne den die Kirchen leerer geblieben wären.

57 Präsident, Assessoren und Räte des Konsistoriums an Johannes Hütterodt, Superintendent des Bezirks Rotenburg in Eschwege, Kassel 1651 Oktober 18 (praes.: 1651 Oktober 23), KKAE Best. 4 Frankershausen, Nr. 34 (das gefaltete Doppelblatt relativ weit hinten im Konvolut); Hütterodt notierte als Rückvermerk über der Adresse: »Bergleute am Meisner auf die Mittwochen nicht zur predigt zu gehen«. 58 Zur Schwierigkeit der Vereinbarkeit beider Ämter und Rhenanus’ Inschutznahme durch den Landgrafen gegenüber den Vorwürfen des Allendorfer Superintendenten Christian Grau im Jahr 1564, siehe StAM 22 a 8, Nr. 759; zur Braunkohle- und Salzgewinnung, auch kurz zu Rhenanus: Träger / Marzela: Der Braunkohle-Bergbau am Meißner, S. 11–25.

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B)

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Diese Überschrift könnte über mehreren Abschnitten dieser Arbeit stehen. Die hier angeführten Beispiele verdeutlichen aber funktional, wie Auskunftsersuchen vom Superintendenten ausgingen und sich Informationskanäle bei ihm bündelten und dies in einem sehr weit verstandenen Spektrum geistlicher Angelegenheiten, das den Beitrag kirchlicher Amtsträger zur Landesverwaltung deutlich hervortreten lässt. Natürlich mussten die Superintendenten, um den Ordnungsanspruch des Landgrafen zu untermauern und sich ein eigenes Bild von den Verhältnissen zu verschaffen, auf den Visitationsreisen in ihrem Bezirk auch persönliche Präsenz vor Ort zeigen. Wir wissen davon aber nur, wenn ihre Reiseaktivität schriftlichen Niederschlag gefunden hat. Wie oben zum Diensttagebuch Theophil Neubergers ausgeführt, drängt sich gerade bei ihm der Eindruck auf, dass er den Aufwand zur Führung eines Diensttagebuchs höher als dessen Nutzen einstufte, weshalb er sie im Laufe der Jahre immer weiter vernachlässigte. Ohne die Entwicklung anachronistisch als Bürokratisierung beschreiben zu wollen, zeigt die erhaltene schriftliche Überlieferung doch, in welchem Maße bei den Superintendenten herrschaftsrelevante Informationen zusammenliefen und von ihnen bewusst, häufig sogar auf Anordnung der Regierung, die sich ihr kommunikatives Netzwerk zunutze machte, gesammelt wurden. Dies illustrieren auch die folgenden beiden Beispiele.

1.

Die Umwidmung der Marburger Stipendiatengelder auf die neu zu errichtende Hohe Schule Kassel und das Auskunftsersuchen des Superintendenten an die Präsentationsstädte (1628) »Die zu anrichtung der newen schul verordnete commissarii schicken ein schreiben ein, 1. wegen der ordinari stipendien und stipendiaten, so vor diesem zu Marpurg underhalten worden, erkundigung einzuziehen, ob und wie viel stipendiaten anjetzo bey den stätten, wie sie heissen und wie sich dieselbe anjetzo aufhalten, wie alt sie seyen, ob und wie lang sie auff der hohen schule gewesen, was vor lectiones sie gehöret, und wo sie sich nach vorgangener verenderung aufgehalten, oder da an einem und dem andern ort keine stipendiaten bishero gewesen, so hiebevor naher Marpurg praesentirt wehren, ob sie dan auf ferner andeuten etliche vorzuschlagen und anhero zu schicken gefast seyen; 2. wegen denen stipendien, so vor gewisse geschlechter verordnet, erkundigung einzuziehen, wie viel deren seyen, in was fur geschlechter sie gehören, wie wo und worzu auf wie lang derselbe anjetzo geniesse, wem die aufsicht befohlen; auch die fundationes oder abschrifften darvon zu bekommen, und ihnen den commissariis darvon bericht zukommen zu lassen; jedoch solte den geschlechtern dises ohne nachtheil seyn.«59

59 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 25. Mai, Nr. 1.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

»An die metropolitanos, beambten, bürgermeister und rathsmanne in den stätten meiner inspection hab ich ein schreiben verfasset und abgehen lassen, der stipendien und stipendiaten halber noch vorm sontag trinitatis ihren umbstendigen bericht anhero zu thun.«60

Dieses Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Paul Stein an die Städte Gudensberg, Niedenstein, Felsberg, Borken, Homberg, Treysa, Ziegenhain und Neukirchen vom 27. Mai 1628, das hier aus seinem Diensttagebuch zum Jahr 1628 referiert wurde, ist mit den Empfangsbestätigungen der Pfarrer und Metropolitane auf der Adressseite im »Copialbuch« der Kasseler Superintendenz erhalten.61 Es wirft ein Licht auf die kommunikative Rolle des Superintendenten und die Involvierung der Kirche im Bereich der Hochschule. Nachdem ganz Oberhessen mit Marburg nach dem Urteil des Reichshofrats 1623 in die Hände Hessen-Darmstadts gefallen war, war Hessen-Kassel seiner reformierten Landesuniversität beraubt und die reformierten Professoren erhielten 1624, bis auf die beiden Juristen Johannes Goeddaeus und Hermann Vultejus, ihren Abschied.62 Landgraf Wilhelm V. suchte daher nach einer neuen höheren Ausbildungsstätte für seine Landeskinder und leitete 1628 die Gründung der Hohen Schule Kassel ein. Dorthin sollten, so versprach es HessenDarmstadt, das seine Universität nun – wie schon bei der Gründung der Gießener Hochschule zugesagt – in das lutherisch gewordene Marburg verlegte, die Gießener Universitätsprivilegien übertragen werden, falls eine eigene Privilegierung scheitere.63 Auch wenn die Kasseler Hohe Schule Zeit ihrer Existenz ohne kaiserliches Privileg blieb, so bestand sie zwischen 1633 und 1653 doch als reformierte Ausbildungseinrichtung für den wissenschaftlichen Nachwuchs Hessen-Kassels.64 Schon bei Gründung der Universität Marburg war Philipp der Großmütige bestrebt, aus den überschüssigen Einkünften der Gotteskästen des Landes eine Stipendiatenanstalt zu gründen, die seit 1529 besteht.65 Den Städten, deren 60 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 27. Mai, Nr. 5. 61 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 62f. 62 Auerbach: Eine löbliche Hochschule, S. 40f., 44 (»von Darmstadt tolerierten Marburger Professors, Johannes Goddaeus«); zu Vultejus, Strieder: Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte, Bd. 16, S. 351–364, hier S. 354. 63 Felschow / Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck, S. 45. 64 Hierzu: Auerbach: Eine löbliche Hochschule. 65 Die Stipendiatenordnung vom 11. März 1529 (»Datum Donnerstags nach dem Sontag Letare, Anno etc. neunundzwenzig.«), in: EKO Bd. 8, S. 66f.; siehe auch die nachfolgenden Ordnungen: »Wie es nun hinfürter mit den Stipendijs vnd Stipendiaten, so hin vnd wider auß Schlossen, Stetten, Flecken, Clöstern, vnd Dörfern vnserer Fürstenthumb, Graueschafften vnd lande in vnserer Vniversitet Marpurg hiebeuor verordnet sein, gehalten werden soll« vom 18. Mai 1539 (»Geben und geschehen zu Marpurg am Sontag Exaudi, Anno Domini funfzehenhundert, dreißig neüne.«), in: EKO Bd. 8, S. 143f.; »Ordenung durch den durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten vnd herrn, herrn Philipsen, Landtgrauen zu Hessen,

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Beiträge damals für die Finanzierung genutzt wurden kommt auch noch heute die Pflicht zum Unterhalt der Anstalt und das Recht zur Präsentation von Stipendiaten zu. Da dem Superintendenten über die Verwendung der aus altkirchlichem Vermögen stammenden und im weiteren Sinne kirchlich zweckgebundener Gelder die Aufsicht zustand,66 wandte sich Paul Stein in dieser Angelegenheit an die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden niederhessischen Präsentationsstädte. Der Superintendent des Bezirks Rotenburg wird auf dieselbe Weise die Städte seines Zuständigkeitsbereichs angeschrieben haben.67 So sind die Superintendenten wiederholt mit Problemen bei der Eintreibung der Stipendiatengelder oder der Rechnungslegung darüber befasst68 und es finden sich sogar Quittungen der Stipendiaten über ihr erhaltenes Beneficium.69 Seit

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Grauen zu Catzenelnpogen etc. bedacht am dinstag noch Jnuocauit, Anno etc. 1542. Wie es mit den Stipendiaten so ghen Marpurg zum studio gesandt, gehalten werden soll« vom 28. Februar 1542, in: EKO Bd. 8, S. 145–147, sowie zur Einordnung Heinemeyer : Pro studiosis pauperibus. Die Anfänge des reformatorischen Stipendiatenwesens in Hessen; Zimmermann: Das hessische Stipendiatenwesen im Zeitalter der Gründung der Universität Marburg (1527–1560), mit einer Übersicht über die Stipendien der einzelnen Städte des Niederfürstentums Hessen auf S. 120. Sohm: Territorium und Reformation, S. 102, 108; Zimmermann: Das hessische Stipendiatenwesen, S. 73–91. KKAE Best. 3, Nr. 1877 [4. Stück]: »Stipendiatenwesen. Vom Rotenbergischen Superintendenten werden etlicher stätte und pfarrer antwort und bericht die stipendiaten und dazu geordnete gelder eingeschickt, am 21. Jun. Anno [1]628« (Titel), von Rotenburg, Sontra, Wanfried, Lichtenau, Melsungen, Allendorf, einschließlich der dortigen privaten Stiftungen. Der auf diesem Schreiben von Hütterodt angebrachte Rückvermerk lautet: »stipendia et beneficia circuli Rotenbergensis. Anno 1655. 13 d[ies]. Maij / Rev[erendissimo]. D[omino]. D[octoris]. Crocio, Casselis in revisione Agendorum exhibita«. Bis auf den Rückvermerk ist das Stück nicht von Hütterodt geschrieben, es gibt aber darüber Auskunft, was die einzelen Städte auf eine wahrscheinlich zu Paul Stein ebenmäßige Anfrage des Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius 1628 geantwortet haben. Dieses Stück legte Hütterodt 1655 dem führenden hessen-kasselschen Theologen Johannes Crocius bei der gemeinsamen Revision der Kirchenagende vor, Crocius war maßgeblich mit der Wiederaufrichtung der Universität Marburg 1653 betraut. DTB Hütterodts, S. 573 auf der »Casselische[n] Reise« am 16. Februar 1646: »Eodem die – H. Combachium [Johannes Combach, Theologieprofessor und Vizeephorus der Stipendiaten an der Kasseler Hochschule, siehe: Auerbach: Eine löbliche Hochschule, S. 45, 43 mit Anm. 73], so schreiben an mich geschickt, wegen des stipendiatengeldes besprochen und gebätten, daß er Balthasaro Sengero eine anweisung geben wolle, item daß wir bey der helffte der stipendiatengelder eine zeittlang gelassen werden möchten«. Siehe die Quittungen Eschweger Stipendiaten über ihr empfangenes Beneficium und die von Hütterodt bestätigten, durch den Kastenschreiber vorgenommenen Zahlungen an den Stipendiatenkasten, einliegend in der Eschweger Kirchenrechnung für 1636, in: KKAE Best. 2, Nr. 1. Einer dieser Quittungszettel lautet: »[Anweisung des Kasseler Stipendiatenkastens:] Zehenn guldenn wolle die Statt Eschwege ihrem Stipendiario Christoph Flemming jegen seine mitsubscription außvolgen laaßen. Caßell am 11 ten 7[Septem]bris [1]636. [Unterschrift unleserlich] [Quittierung des Stipendiaten:] Diese zehenn gulden habe ich von Weinmaro Minore entpfangen, urkundt meiner subscription. Den 10 ten octobris anno 36.

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dem Ende der Universität Marburg als gesamthessische Einrichtung durch die Gründung der Universität Gießen wurden auch die – einst in ganz Hessen für die Samtuniversität gestifteten – Einkünfte geteilt; der Hessische Hauptakkord schrieb schließlich explizit fest, dass jedem Landgrafen bzw. jeder Universität von den Stipendiatengeldern nur noch die zur Verfügung standen, die aus Städten ihres Territoriums stammten.70 Vor diesem Hintergrund ist das Schreiben Paul Steins zu verstehen: »Demnach […] Herr Wilhelm, Landgraff zu Hessen, […] in gnaden entschlossen, dem allerhöchsten Gott zu ehren, undt Ihrer F. Gn. landen zum besten, eine hohe schule dieses orts anzurichten, auch vor dero abreisen [an den Kaiserhof nach Prag, A. J.] gewisse comissarios zu anrichtung gemelter schule verordnet, welche zu ihrer vorhabenden deliberatiion undt anstellung der stipendien halber, so auß dem Nider Fürstenthumb Hessen undt darzu gehörigen graff- und herrschafften hiebevor naher Marpurg gestifftet, inßkunfftige aber, krafft getroffener vergleichung, anhero gelieffert werden sollen, umbstendige nachrichtung vonnöthen haben; derowegen sie an mich begehret, in meinem becirck mich eigentlich angeregter stipendien halber, undt waß eß darmit anitzo vor eine beschaffenheit habe, zu erkundigen, undt sie darvon zu berichten. Alß ist ambts wegen an euch mein begehren, fur meine person freuntlich gesinnend, daß ihr […] anhero berichtet, wie viel auß ewer statt järlich naher Marpurg in den stipendiaten casten hat pflegen gelieffert zu werden, undt wie viel stipendiarii darvon underhalten worden, auch, ob ihr nach vorgangener verenderung, zu Marpurg oder anderßwo, stipendiarios von solchen stipendiis underhalten, wer dieselbe stipendiarii, weß alterß undt geschickligkeit sie seyen, auch wie lange sie auff der hohen schulen gewesen, undt waß fur lectiones sie gehöret, oder da deren keine vorhanden, so dero im Jahr 1560 außgelassenen stipendiatenordnung71 gemeß praesentirt undt angenommen wehren, ob ihr dan gefast seit, auff ferner zuschreiben andere anhero zum examine zu schicken, wie ihr dan auch mit fleiß daran sein werdet, daß die nachstendige stipendiatengelder in die verflossene jahre, vermöge f. regierung befehlß, dem oeconomo den nechsten anhero geliefert, immittelß aber, wie hoch sich solcher nachstand belauffe, eigentlich neben obgemelten posten innerhalb obbenanter zeit

Christophell Flemingk. [Anmerkung Hütterodts:] Hats dem oeconomo geliffert am 25. 9[Novem]bris 1636«. 70 Zur Handhabung in den Anfängen der Universität Gießen: Felschow / Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck, S. 21f.; danach die Regelung im Hessischen Hauptakkord von 1627, »Haubtvertrag […]«, S. 68f. (Punkt 25: gleichmäßige Teilung der Gefälle und Güter der Universität Marburg, unter Berücksichtigung ihrer örtlichen Belegenheit, unter beide hessische Linien; Punkt 27: Teilung der Stipendiatengelder nach der territorialen Zugehörigkeit der Städte und Flecken, aus denen sie fallen). 71 »Ordenung Unser Philipsen von Gots gnaden Landtgrauen zu Hessen […] Wie wir wöllen, Das es hinfürter in vnserer Vniversitet zu Marpurg mit den Geystlichen Lehen vnnd Stipendien, Auch mit Praesentation, Vnderhaltung vnd Jnstitution der Stipendiaten gehalten werden soll« (gegeben zu Marburg am 15. Februar 1560), in: EKO Bd. 8, S. 166–175.

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berichtet werde. […] Hiran geschiehet hochgedachter ihrer f. gn. gnedigem willen ein genugen, undt wird dardurch das gemeine beste gefördert«.72

Daran wird deutlich, dass die Superintendenten, insbesondere jener in Kassel, eine kommunikative Schaltstellenfunktion zwischen Regierung und Land in allen Angelegenheiten einnahmen, die in irgendeiner Weise einen kirchlichen Bezug hatten, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Ihr Aufgabenbereich vermittelte somit den Zugang zu dem weiter ausdifferenzierten System der Landesherrschaft.

2.

Angst geht um – Die Auswirkungen des Restitutionsedikts auf lokaler Ebene

Am 6. März (n. St.) 1629 versuchte Kaiser Ferdinand II. aus den militärischen Erfolgen seiner Truppen praktischen Gewinn für das Verhältnis der beiden anerkannten Konfessionen im Reich zu schlagen, indem er aus seiner Machtvollkommenheit das »Restitutionsedikt« erließ, worin er drei Punkte dekretierte: die nach dem Passauer Vertrag vom 2. August 1552 von protestantischen Landesherren eingezogenen und »zu milten Gaben/ oder sonst ihrem Gefallen nach«73 verwendeten nicht reichsunmittelbaren geistlichen Güter (Klöster, Stifte, Hospitäler etc.) seien ihren altkirchlichen Besitzern zu restituieren, die Bestätigung des Geistlichen Vorbehalts (reservatum ecclesiasticum), dass Erzbischöfe, Bischöfe, Prälaten im Falle ihres Übertritts zur Augsburgischen Konfession diese Ämter und die damit verbundenen Benefizien niederlegen müssen und solche Ämter auch kein Anhänger der Augsburgischen Konfession übernehmen könne, da die Protestanten sonst versuchen würden, »dadurch den ganzen Catholischen Geistlichen Stand/ neben der Religion endlichen so viel an ihnen ist/ auffzuheben«,74 schließlich wies er das den Protestanten, wie diese angaben, in der sogenannten »Declaratio Ferdinandea« informell zugestandene Recht zurück, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Augsburger Religionsfriedens unter altkirchlichen geistlichen Landesherren gesessene Untertanen Augsburgischer Konfession ihren hergebrachten Glauben unbeschwert ausüben könnten, und bestätigte stattdessen das mit Ablösungszahlungen verbundene 72 Paul Stein an »Pfarrhern, Beambten, Burgemeistern undt Rathßmannen, zu Gudenßberg, Niedenstein, Felßberg, Borcken, Homberg, Dreisa, Ziegenhain undt Newkirchen, sambt undt sonderß«, Kassel 1628 Mai 27, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 62f. (Text nicht von der Hand Paul Steins, aber Unterschrift). 73 »Kaysers Ferdinandi II & III. Religions Edict den 6. Mertz 1629. publicirt/ Wien«, in: Lundorp: Acta Publica Bd. 3, S. 1–8 (Nr. 1), hier S. 3 (linke Spalte). 74 Lundorp: Acta Publica Bd. 3, S. 7 (rechte Spalte), das Wort »Stand« hier korrigiert aus »Stund«.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

»ius emigrandi«75 für gegenüber dem Landesherrn konfessionsverschiedene Untertanen.76 Außerdem schaffte das »Restitutionsedikt« noch in einem weiteren Punkt Klarheit, indem es nämlich – in einem Einschub in die Vollzugsbestimmungen mit der Ankündigung der Abordnung kaiserlicher Kommissare – die Calvinisten, die sich nun nicht mehr unter dem Deckmantel der Confessio Augustana, festgelegt auf die Kaiser Karl V. übergebene Form, verstecken konnten, als unter »andere widrige Lehren vnnd Secten« fallend, aus dem Religionsfrieden ausschloss.77 Dieses »Restitutionsedikt« mit seiner einseitig autoritativen Auslegung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 sollte zum Testfall für das Machtverhältnis von Kaiser und um ihre »Libertät« fürchtender Reichsstände werden. Praktische Auswirkungen hatte vor allem der erste Punkt, der zu Restitutionsforderungen altgläubiger Ordensangehöriger für ihre mittlerweile anderweitig genutzten ehemaligen Niederlassungen in protestantischen Ländern führte,78 für deren Berechtigung die Frage entscheidend war, ob die zurückgeforderten Güter vor oder nach dem Passauer Vertrag säkularisiert worden waren.79

75 Lundorp: Acta Publica Bd. 3, S. 6f. (rechte Spalte). 76 Zusammengefasst sind die drei Punkte bei Lundorp: Acta Publica Bd. 3, S. 7; auszugsweise ist das »Restitutionsedikt« mit historischer Einleitung auch abgedruckt in: Roeck: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 4, S. 267–276. 77 Lundorp: Acta Publica Bd. 3, S. 8 (linke Sp.); zum »Calvinistenverbot«, Frisch: Restitutionsedikt, S. 53–61. 78 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 63–67, 69–73, zu Klosterrückforderungen auf Hessen-Kasselschem Gebiet sowie im noch von Hessen-Darmstadt besetzten Schmalkalden insbes. S. 69f. 79 Zu den dafür nötigen Archivrecherchen, die beide Hessen in dieser Situation zur Zusammenarbeit zwangen, mit Hinweis auf die entsprechenden Quellen kurz Friedrich: Die Geburt des Archivs, S. 212; siehe auch die Anfrage Hessen-Darmstadts und die daraufhin in Kassel 1629 entfalteten Aktivitäten in StAM 22 a 1, Nr. 279. Ausweislich der undatierten Abschrift eines Dankbriefes in StAM 22 a 1, Nr. 266 hatte sich Hessen-Kassel auch in der nachfolgend erwähnten Sache der in das Hospital Hofgeismar eingedrungenen Mönche ratsuchend an Hessen-Darmstadt gewandt; von rechtlichen Gegenmaßnahmen sehe Hessen-Kassel beim jetzigen Zustand seines Fürstentums ab, greife aber den Rat auf, sein »habendes recht vor dißmahl E[urer]. [dreier] LLL[ieb]d[en]. gutachten zufolge, allein protestando & reservando zu verwahren, einer bessern zeitt und gelegenheitt erwartendt«; Anlass zu umfangreichen Darlegungen über die konfessionelle Kontinuität in Hessen-Kassel seit der Einführung der Reformation unter Philipp dem Großmütigen 1526 gab der besorgte Rat HessenDarmstadts zur Annahme der ungeänderten Augsburgischen Konfession, »weil bestendige nachrichtung vorhanden sey, daß ahm käis. hoff starck daruf gegangen werde, alß ob wir kein standt der Augs. Confession, und dahero im religion frieden nicht begriffen wehren« (siehe Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 71–73); in der linken oberen Ecke auf der ersten Seite dieser Abschrift ist zu lesen: »Haec Anno 1631 mense Martij Lipsia descripsi«, auf dem »Leipziger Kolloquium«, dem als Diskussionsgrundlage die – von reformierten wie lutherischen Theologen anerkannte – unveränderte Confessio Augustana diente, wurden vor allem die Gemeinsamkeiten beider evangelischer Richtungen herausgearbeitet.

Kommunikationsdrehscheibe Schreibtisch

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Illustrativ für die damit verbundenen Ängste der Bevölkerung sind die Einträge im Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Paul Stein für das Jahr 1629. So heißt es schon unter dem 5. Mai: »Pfarrher zu Spiß Cappel berichtet, daß etliche mönche daselbst gewesen, und die kirch zu öffnen begehret, welcheß er aber ihnen abgeschlagen, darauff sie mit drewung, daß sie bald starck gnug kommen wolten, hinweg gangen wehren, und begehrt derowegen instruction, 1. wie er sich, wenn solcher gesellschafft mehr kämen und ein gleicheß begehrten, verhalten solte? 2. ob er auch rebus sic stantibus den acker bawen und außstellen solle. Ist alßbald zur f[ürstlichen]. cantzley alhir geschickt worden. Actum am 6ten Maji Fürstliche regierung helt darfür, es solle der pfarrher zu Spiß Cappel 1. den lauffenden mönchen die kirch nicht öffnen laßen, mit vorwenden eß deß orts nicht herkommens, 2. seinen ackerbaw aber solle er nach wie vor außstellen, und nicht zweiffeln, auff unverhofften fall er wohl geschützt werden solte.«80

Unter dem 15. August vermerkt Paul Stein ein Schreiben der Pfarrer, des geistlichen Ministeriums der nordhessischen Stadt Hofgeismar, »eß gehe die rucht, ob wolten etliche mönche den hospital daselbst, so ein Franciscaner closter geweßen, eingereumbt haben, derowegen auch etliche hospitalßgenoßen albereits außziehen wollen etc. […]«.81

Unter dem 19. August heißt es dazu erneut: »Ministerium zu Geißmar berichtet, daß gestern abermal zwen Franciscaner münche daselbst den hospital besehen und sich demnach beym rentmeister und burgermeistern angegeben, mit vorwenden, ob wehren sie von dem commissario, vermöge keys. edicts, das kloster wider zu begehren abgeordnet, begehrten derowegen zu wisen, ob die herrn desen gewalt oder nicht? Worauff ihnen geantwortet worden, daß derowegen ihrer f. gn. verordnung erwartet werden müße; seyen also abgangen, mit vorgeben sich naher Cassel deßhalben zu verfügen. Schicken zugleich Landgr. Philipßen hochl[öblichen]. gedechtnuß, ordnung, darin zu sehen, daß das closter schon [1]535. zum hospital gegeben worden sey«.82

Der Superintendent hatte in dieser Angelegenheit nicht das letzte Wort, sondern leitete die Fragen zur Entscheidung an die Regierung weiter. Für die Geistlichen 80 DTB Paul Stein, Einträge zum 5. und 6. Mai 1629, fol. 28v ; die heutige Schreibweise des Ortsnamens ist »Spieskappel«. 81 DTB Paul Stein, Eintrag zum 15. August 1629, Nr. 2, fol. 39v. 82 DTB Paul Stein, Eintrag zum 19. August 1629, Nr. 4, fol. 40v ; die Ortsangabe »Geißmar« bezieht sich hier ganz eindeutig nicht auf den heutigen Stadtteil von Fritzlar (Geismar), sondern auf die nordhessische Stadt Hofgeismar, was sich unter anderem aus der Nennung des Pfarrers »M[agister]. Fulhun« ergibt (Desel: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Hofgeismar, S. 356f.).

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war er aber in Streitfragen um kirchlichen Zwecken dienenden Besitz der erste Ansprechpartner und Mittlerstelle zu den weltlichen Oberbehörden.83

C)

Die beratende Tätigkeit des Kasseler Predigerministeriums in geistlich-politischen Angelegenheiten

In Kassel liefen alle Fäden in geistlichen Angelegenheiten zusammen, wie die Diensttagebücher der Kasseler Superintendenten erkennen lassen. Seit das Konsistorium 1627 als eigenständige Behörde aufgelöst und die Entscheidung in geistlichen Angelegenheiten der Regierung übertragen wurde, fungierte das Kasseler Predigerministerium als Beratungsorgan des Landgrafen, dem der Kasseler Superintendent vorsaß. In den Diensttagebüchern Paul Steins finden sich auch Protokolle der Beschlussfassung des Predigerministeriums. Die dort protokollierten Beschlüsse verzichten aber auf die Nennung der einzelnen Votanten, sodass die Überlieferung separater Protokolle mit der Nennung des jeweiligen Predigers und seiner Meinung – wie in der Beratung zum Für und Wider der Wiedereinführung der lutherischen Kirchenordnung in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein – besondere Einblicke in den Entscheidungsfindungsprozess dieses Gremiums verspricht. Die hier vorgestellten Fälle machen überdies die politische Brisanz der Fragen deutlich, mit denen die Prediger gutachtlich betraut wurden, zeigen, dass ihre Meinung gefragt war, aber auch, wo sie selbst die Grenzen der Wirksamkeit ihres Amtes sahen, und offenbaren damit, welch bedeutenden Einfluss die in diesem Gremium versammelten Geistlichen auf die Geschicke des Landes und die Ausrichtung der landgräflichen Politik ausüben konnten.84 83 Siehe auch die weitergehende diesbezügliche Überlieferung in StAM 4 i, Nr. 204, darin sind die an Stein gerichteten Originalschreiben betreffend Spieskappel und Hofgeismar erhalten, auf der Grundlage dieses Aktenfaszikels hat Wilhelm Dersch: Das Restitutionsedikt in Hessen, über die Vorgänge geschrieben, S. 197 (zu Spieskappel), 202–209 (zu Hofgeismar). 84 Dies kommt auch in einem Gutachten des Predigerministeriums über drei Vorschläge zur Formulierung des Religionspunkts im Prager Frieden, dem Hessen-Kassel bislang ferngeblieben war, angesichts eines möglichen Beitritts, zum Ausdruck, datiert Kassel 1640 November 12 (StAM 17 I, Nr. 5393, vermutlich Abschrift), das unterschrieben ist von Theophil Neuberger, Thomas Wetzel, Bernhard Matthaeus, Justus Soldan, Johann Hartmann Crajus, Johann Heinrich Stöckenius, Johann Friedrich Wilner und Georg Bernhardi, mit beiliegenden »Unvorgreiffliche[n] vorschläge[n] wie der punctus religionis etwa zu faßen sein möchte«. Als entscheidender Maßstab, für dessen Gewährleistung sie dankbar sein könnten, erschien ihnen, »daß vor unsere kirchen undt nachkommen das publicum exercitium religionis auf itzigem reichstag erhalten, undt solches von kays. mayt. und den andern reichs stenden confirmiret werde«. Die weiteren Inhalte des Prager Friedens und dessen politische Dimensionen waren ihnen unbekannt, weshalb sie sich nicht dazu äußerten. Auch bei einer klaren Antwort auf die ihnen eigentlich gestellte Frage zeigten sie sich zurückhaltend: »[…]

Die beratende Tätigkeit des Kasseler Predigerministeriums

1.

Stellungnahmen zum Schicksal der Reformierten im Reich

a)

Das Bedenken zur Bedrängnis der Reformierten in der Grafschaft Nassau-Siegen (1628)

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»Fürstliche regierung schickt ein schreiben ein, so Graff Ludwig Henrich zu Nassaw Catzenelnbogen, an unsern gn. f. und herrn Landgraff Wilhelmen gethan, darinnen Ihre gn. zu verstehen geben, welcher gestalt denen armen underthanen under Graff Johann von Nassaw des eltern gebiet, der religion halber hart zugesetzt, ihnen auch das beneficium emigrandi abgestrickt, und deswegen kaiserliche mandata schon ausgewürckt seyen. Bittet, weil es eine gemeine sach sei, gutten rath, und wie etwan der besorglichen exclusion der Reformierten aus dem religionsfrieden füglich bey zeiten vorkommen werden möge. Und begehrt f[ürstliche]. regierung uber solchem schreiben des ministerii bedenken. Ist dem ministerio zugeschickt, darmit es einer nach dem andern lesen, und auff morgenden tag sein bedenken drüber im conventu ministerii eröffnen könne.«85

Johann VIII., der Jüngere, von Nassau-Siegen, hatte Ende 1613 seinem Vater Johann VII., dem Mittleren, von Nassau-Siegen seinen Übertritt zum Katholizismus mitgeteilt.86 Mit dem Tod seines erstgeborenen Sohnes 1617 wäre nach der 1607 testamentarisch festgelegten Primogeniturregelung in der kleinen Grafschaft sein zum katholischen Glauben konvertierter Sohn zum Zuge gekommen. Um einen Übergang der Grafschaft zum Katholizismus zu verhindern, verlangte Johann VII. – der Schwiegervater Moritz’ des Gelehrten von HessenKassel – seinem Sohn eine Versicherung ab, nichts an der bisherigen Religion zu ändern, ebenso wie er seine Untertanen verpflichtete, »zur Regierung in Siegen nur denjenigen zuzulassen, der ihnen eidlich den Fortbestand der bisherigen

stehen auch etwas an, ob uns die worte: Gleich allen andern in solchem friede begriffenen churfursten undt ständen der Augspurgischen Confession etc. mehr vorträglich als gefehrlich sein, weill der also genanten Catholischen, so auch im friede begriffen sein sollen, nicht gedacht wirdt, undt dan allerdings zue befahren, daß denen also genanten andern Augspurgischen Confessions verwandten zue seiner zeit gleich so viel als uns, undt uns so viell als ihnen gestattet werden möchte«, sodass sie empfahlen, »daß man andere unserer religion zuegethane fursten undt stende nicht ausschließe, sondern nach aller mügligkeit furter sich bearbeite undt darauf tringe, daß dieselbige sampt uns des freyen offenen religions exercitii genießen möchten«. Die Verhandlungsposition Hessen-Kassels auf dem Regensburger Reichstag von 1640/41, bei deren Formulierung die Geistlichen hier helfen sollten, wird näher beleuchtet bei Bierther: Der Regensburger Reichstag, S. 18, 135–145, 208–211. Die Kasseler Prediger hatten sich schon einmal mit dem Prager Frieden zu beschäftigen, Brunner : Theophilus Neuberger, S. 549f. berichtet darüber; die dort genannten »Protokolle von Neubergers Hand« (S. 550 Anm. 1) aus dieser dramatischeren Situation 1635 finden sich in StAM 318 Kassel, Nr. 1720. 85 DTB Paul Steins, Eintrag zum 14. Mai 1628, Nr. 2. 86 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 26.

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Religion zugesichert habe«.87 1621 beunruhigten Johann VII. seine Ahnungen aber so sehr, dass er sich doch zu einer Dreiteilung seines Landes unter seinem ältesten Sohn, dessen Bruder und den Kindern aus seiner zweiten Ehe durchrang.88 Die schlimmsten Befürchtungen des Vaters sollten sich aber dennoch erfüllen, denn noch vor dessen Tod 1623 erklärte Kaiser Ferdinand II. das letzte Testament Johanns VII. von 1621 für nichtig und die ursprünglich getroffene Primogeniturregelung aus dem Jahr 1607 für wirksam,89 woraufhin es Johann VIII. gelang, die Regierung in Siegen zu übernehmen.90 Dieser fühlte sich je länger desto weniger an seine ohnehin obsolet gewordene Zusage, die Religion unverändert zu lassen, gebunden, ebnete 1626 mit einem Religionsedikt den Weg zur Konversion der Bevölkerung,91 woraus bald ein Gebot wurde, und errichtete in Siegen sogar ein Jesuitenkolleg,92 zu dessen besserer Finanzierung er es auf die Einkünfte aus dem säkularisierten Kirchengut in der Grafschaft Nassau-Diez abgesehen hatte, die zur Unterhaltung der calvinistischen nassauischen Hohen Schule Herborn dienten, was überdies einen Konflikt der übrigen Nassauer Grafen mit Kurtrier heraufbeschwor, das ein Erstarken der Jesuiten in seiner Nachbarschaft zu verhindern suchte, indem es eigene alte Ansprüche auf die geistlichen Güter geltend machte.93 Da seine katholische Reform zur Abwanderung von Handwerkern vor allem ins benachbarte Nassau-Dillenburg führte, wodurch die Wirtschaft seiner Grafschaft geschwächt zu werden drohte,94 erwirkte Johann VIII. ein kaiserliches Verbot der Auswanderung aufgrund einer Religionsänderung von einer reichsrechtlich nicht anerkannten zu einer anerkannten Religion und verlangte von seinen benachbarten Vettern, die Auslieferung der »ausgewichenen« Personen, mit der Begründung, dass der in den Nassauer Grafschaften etablierte Calvinismus reichsrechtlich nicht erlaubt sei. »Zu Anfang April 1628 hatte Graf Ludwig Heinrich von Dillenburg durch die Räte Johanns des Jüngeren zu Siegen ein kaiserliches Mandat erhalten, welches den Unterthanen Johanns, die nicht mit ihrem Landesherrn zum Katholizismus übertreten wollten, verbot, nach sochen Herrschaften auszuwandern, wo eine nicht im Religionsfrieden aner-

87 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 34; siehe auch: Schmidt: Glaube – Herrschaft – Disziplin, S. 223. 88 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 42f. 89 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 45f. 90 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 60–65. 91 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 76–80. 92 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 87–92. 93 Menk: Restitutionen vor dem Restitutionsedikt, S. 113f. 94 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 131.

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kannte Religion geübt werde.«95 Johann VI., der Ältere, von Nassau-Dillenburg hatte sein Land Ende der 1570er Jahre zum Calvinismus geführt.96 Mit dem kaiserlichen Mandat stand daher nicht nur das Schicksal der Siegener Untertanen in der Teilgrafschaft seines Enkels zur Diskussion, sondern das Schicksal der Reformierten in Nassau und im Reich insgesamt. Ein weiterer Enkel Johanns VI., Ludwig Heinrich von Nassau-Dillenburg, bzw. – wie im Eingangszitat – Nassau-Katzenelnbogen,97 fühlte sich daher zur Klärung der Lage und Verhütung weitreichender Konsequenzen aufgefordert, zumal am Horizont schon das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. von 1629 drohte, mit der Forderung nach Rückgabe aller nach dem Passauer Vertrag von 1552 säkularisierten geistlichen Güter. Das ist die Situation, in der die Kasseler Regierung das Ersuchen um Rat Ludwig Heinrichs von Nassau-Dillenburg erreichte, zu dem sie das Bedenken des Predigerministeriums anforderte. »Das ministerium hat den anfang gemacht, Graff Ludwigs Henrichen zu Nassaw Catzenelnbogen schreiben wegen deren aus Siegen entwichenen emigranten zu verlesen, und zu bedencken. Ist verabschiedet, das ich daruber meine gedanken zu papir bringen, und dem ministerio hernach in pleno communiciren solle, damit ein jeder seine meinung darbey eröffnen, und was nötig, erinnern könne.«98 »Hab ich ein bedencken wegen der Nassawischen sach, die Siegenische der Päbstischen religion halber ausgewiesene underthanen betreffend, abgefasset.«99 »Das abgefaste bedencken in der Nassawischen sach ist dem ministerio zugeschickt, und nachdem sie es approbirt, zu f[ürstlicher]. canztley eingelieffert worden.«100

So lauten die Einträge zum 15., 18. und 19. Mai 1628 im Diensttagebuch Paul Steins. Das Bedenken des Kassseler Predigerministeriums hat sich abschriftlich in der Empfängerüberlieferung ebenso erhalten wie das des Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel, der sich zum Zeitpunkt der Anfrage gerade am Kaiserhof

95 Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 11; zum kaiserlichen Mandat vom 21. Februar 1628 auch Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 128f., Abdruck des Mandats ebd., S. 233f. (Beilage Nr. 12). 96 Menk: Restitutionen vor dem Restitutionsedikt, S. 109; ausführlich: Wolf: Zur Einführung des reformierten Bekenntnisses in Nassau-Dillenburg. 97 Zur Verwendung dieses Titels siehe Becker : Beiträge zur Geschichte Graf Wilhelms des Reichen von Nassau Dillenburg (1487–1559), S. 152–159 (Abschnitt »Der Name ›Katzenelnbogen‹ in der Titulatur der Grafen von Nassau-Dillenburg«). 98 DTB Paul Steins, Eintrag zum 15. Mai 168, Nr. 5. 99 DTB Paul Steins, Eintrag zum 18. Mai 1628, Nr. 1. 100 DTB Paul Steins, Eintrag zum 19. Mai 1628, Nr. 5. Am folgenden Tag, unter dem 20. Mai 1628, Nr. 7, heißt es noch einmal: »Des ministerii bedencken in der Nassawischen sach ist zu f. cantzley eingeschickt worden«.

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in Prag aufhielt,101 wo zwei Monate zuvor auch Johann VIII. von Nassau-Siegen weilte und jenes Mandat auswirkte.102 Deswegen heißt es im Diensttagebuch Paul Steins unter dem 5. Juni 1628 im vierten Eintrag: »Fürstliche regierung schickt mihr auff mein begehren, D. Crocii bedencken zu in der Nassawischen sach, die ausgewichene Siegensche underthanen betreffend, und was die räthe Graff Henrich Ludwigen zu Nassaw zur verantwort gegeben, das Ihre gn. sich biß zu wiederkunfft unsers gn. f. und herrn Landgraff Wilhelms gedulden wolte, inmittelst aber zur nachrichtung die bedencken des ministerii und D. Crocii verlesen, auch anhero, was etwan andere der reformierten religion zugethane in dieser sach von ihme ersuchte Chur- u. Fürsten, Graffen und Herrn für bedencken ihme zukommen lassen, zu fernerm reiffern und befordersamen nachsinnen und nachdencken anhero communiciren wolle. Diese acta hab ich nach verlesung wieder zu f. cantzley eingegeben.«

Am folgenden Tag ließ sogar die alte Landgräfin, die Ehefrau des im Vorjahr resignierten Moritz’ des Gelehrten, bei Paul Stein nach den Nassauischen Akten fragen. Der Herborner Rechtsprofessor Philipp Heinrich Hoen vertrat nämlich sowohl Ludwig Heinrich von Nassau-Dillenburg und Johann Ludwig von Nassau-Hadamar gegen Johann VIII. von Nassau-Siegen wie er bei der Errichtung der Rotenburger Quart die Interessen Landgräfin Julianes und ihrer Kinder in Wien vertreten sollte,103 vielleicht interessierte sich Juliane daher für diese Angelegenheit, sodass sie ihren Diener schickte: »Herr Grobius begehrt wegen unser gn. fürstin und frawen Fraw Julianen Landgräffin zu Hessen, communication der Nassawischen acten, die ausgewiesene aus Siegen betreffend. Ist ihm vermeldet, das selbige bey f. cantzley alhir daselbsthin ich sie gestriges tags nach deren verlesung wieder eingelieffert, und nicht in meiner gewalt und verwahrung seyen. D. Crocii bedencken könte er bei ihm ohne zweiffel bekommen; des ministerii bedencken sey Ihrer f. gn. schon albereits durch den Herrn Hoffprediger vor zweyen tagen zugeschickt.«104

Wilhelms Stellungnahme, die schon vom 13. Mai 1628 datiert, also noch bevor der Gutachtenauftrag an die Kasseler Prediger erteilt war, beginnt mit den Worten: 101 Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, S. 190: Wilhelm V. brach mit seinen Begleitern (»Bernhard von Dalwigk, dem von Haxthausen, Nikolaus Sixtinus, Ludwig Combach und anscheinend auch mit Schimmelpfennig«) am 10. (alten)/20. April (neuen Stils) 1628 in Kassel auf und erreichte, mit Zwischenstation in Leipzig, am 21. April/1. Mai 1628 Prag, wo er den ganzen Mai über blieb, Anfang Juni (alten Stils) brach er von Prag auf (S. 193), reiste über München und von dort »über Ingolstadt und Darmstadt nach Hause. Am 27. Juni/7. Juli traf er wieder in Kassel ein« (S. 194). 102 Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 128. 103 Menk: Restitutionen vor dem Restitutionsedikt, S. 115 Anm. 49. 104 DTB Paul Stein, Eintrag zum 6. Juni 1628, Nr. 4.

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»Den ahm Kaiserlich. Hof von Herrn Graven Johannen zu Nassau ausgewirkten Kais. Befelch beneben den Gravelich Nassau-Dillenbergischen und zwei der Siegenischen Räthe Schreiben hab ich empfangen, verlesen und befinde besagten Befelch hochgefehrlich, auch also gethan, wenn er zu gerichtlicher Kraft und Würklichkeit auch fernerer Erkanntnus gerathen sollte, daß hierdurch der hochbeteuerte Religionsfrieden merklich zerlöchert« werde.105

Außerdem gestehe man damit Nicht-Evangelischen das Recht zu, darüber zu urteilen, was der Augsburgischen Konfession gemäß sei und was nicht. »Zwei Punkte sind bei dem Kaiserlichen Befehl zu berücksichtigen: 1) ›wie solch unseliger Ahnfang zeitlich und ehe es zu weiterer Gefahr gelangen möchte, vermittelt und abgewendet werden sollte‹, sodann 2) ›wessen gegen dergleichen ausziehende und anlangende Underthanen man sich zu erinnern haben möge‹.«106

Das Gutachten Wilhelms und das der Kasseler Prediger vom 19. Mai 1628107 gehen inhaltlich in die gleiche Richtung. Die Glaubensflüchtlinge wie die aufnehmenden Herrschaften sollten sich auf den Religionsfrieden berufen und ihre Übereinstimmung mit der Augsburgischen Konfession erklären; wenn man diese in einer Entschuldigungsschrift an den Kaiser erwähne, so solle man darin aber »niemals schreiben, d i e a[nno]. 1530 u b e r g e b e n, ›sondern also: d i e i m J a h r 1530 u b e r g e b e n u n d h e r n a c h z u o f t e r n v o n C h u rF ü r s t e n u n d S t ä n d e n w i e d e r h o l e t i s t. Weil ja in Lehre und Ceremonien etwas anders als bei den Sächsischen u. a. es gehalten wird, so möchte wohl angehengt werden, man wollte nimmermehr sich versehen, da sie so viel Jahr bei ruhigem Besitz des Religion Friedes vom Oberhaupt und allen Ständen gelassen worden, daß ohnerachtet zwischen ihnen und andern der Augsp. Confession Zugethanen im Hauptarticul von Rechtfertigung des Sünders vor Gott und anderen, dorüber die Trennung vor hundet Jahren entstanden, unverneinlich gründliche Einigkeit sei, sie nunmehr wegen etlicher weniger Spän und Streitigkeiten oder ungleicher Ceremonien aus Gemeinschaft der Augsp. Confession und dem Religion Frieden gesetzt werden sollten […]‹«.108

Schließlich seien die Anhänger des Papstes ebenso wie die »andern der Augsp. Confession Verwandten« unter sich selbst auch in vielen Punkten uneins. Mit der 105 Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 21–24, hier S. 21 (2. Stück im Urkunden-Teil; Mischung aus Zitaten und Referat); alle Stücke im Urkunden-Teil stammen aus der abschriftlich erhaltenen Empfängerüberlieferung im Staatsarchiv Wiesbaden, siehe S. 4. 106 Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 22. 107 Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 24f. (3. Stück im Urkunden-Teil). 108 Gutachten Wilhelms V. von Hessen-Kassel vom 13. Mai 1628, in: Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 24 (die Sperrung folgt dieser Vorlage).

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Formulierung »die im Jahr 1530 ubergeben und hernach zu oftern von ChurFürsten und Ständen wiederholet ist« konnten sich die Reformierten statt auf die »ungeänderte«, dem Kaiser 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg übergebene, immer noch auf die Confessio Augustana Variata von 1540 zurückziehen. »Wenn aber auch schon, was nie bewiesen ist, die Reformierten aus dem Religionsfrieden auszuschließen sind, so sind sie doch nicht aus dem Christentum zu verstoßen, und daher ist ihnen der Auszug zu ihren Glaubensverwandten nicht zu verweigern«.109 In jedem Fall würde aber »doch den Ausgewanderten der Landfrieden nicht aufgesagt, auch erklärt Kaiser Karl in der Vorrede zu seiner peinlichen Halsgerichtsordnung, daß keiner mit Gewalt zur Religion gezwungen werden solle«.110 Dem Einwand Ludwig Heinrichs von Nassau-Dillenburg, dass es sowohl gewissenshalber unverantwortlich als auch aufgrund des dadurch gesetzten Präjudizes politisch unklug sei, die Glaubensflüchtlinge abzuweisen, zurückzuschicken oder weiterziehen zu lassen, schloss sich Wilhelm V. an.111 In der Vergangenheit wären auch katholische Reichsstände, wenn ihre Untertanen aus Glaubensgründen in reformierte Territorien auswanderten, nicht auf die Idee gekommen, diese zurückzufordern.112 Wilhelm V. führt in seinem Gutachten zahlreiche konfessionspolitisch entscheidende Reichstage und Religionsgespräche an, durch die er die Sache der Reformierten gedeckt sieht. Wie ernst er diese Angelegenheit nahm und welch hohe politische Bedeutung er ihr für die weitere ruhige Existenz der Reformierten im Reich beimaß, weshalb er dazu riet, den Widerpart nicht weiter zu provozieren, sondern zurückhaltend vorzugehen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen und damit die Sache nur zu verschlimmern, zeigt die folgende weitsichtige Formulierung: »Nachdem aber der Kaiserl. Befelch sowohl die ausziehende Christen als annehmende Herrschaften berühret, ob dann wohl diese verfolgte Mitchristen in einer so heiligen auch kraft der Reichs-Abschiede vor Menschen gerechten Sachen weder Rath, noch in allem hülflos mit gutem Gewissen gelassen werden mögen, jedoch weil an Erhaltung dero Herrschaften weltlichen und vermöge des Passauischen Vertrags doran hangenden Kirchen-Regiments allen Underthanen ingemein ahm nechsten würklich, sodann andern selbigen Glaubens verwandten Ständen der Nachfolge halben herzlich gelegen, so siehet mich weder nötig noch nützlich ahn, daß gegen höchstged[achte]. Kais. Mt. wohlermeltte Herrschaften der ausziehenden Siegenischen Christen Sache volliglich zu vertreten vor diesmal auf sich allein nehmen sollten, vielmehr möchte der Sachen itziger Gelegenheit und des Reichs Zustand gemeßer sein, wann zum Ahnfang die Herrschaften und ausgezogene Underthanen ihre Unschult absonderlich einführeten 109 Ebd., S. 23. 110 Ebd., S. 23. 111 Ebd., S. 22. Zur Position Ludwig Heinrichs von Nassau-Dillenburg, siehe: Specht: Johann VIII. von Nassau-Siegen, S. 146. 112 Gutachten Wilhelms V. von Hessen-Kassel vom 13. Mai 1628, in: Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 23.

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und bis zu ordentlicher Entscheidung dieser ohne Fug erhobener Klagen bei den so viel Jahr ruhig hergebrachten Besitz des Religions-Friedens und Nießung dorin begriffenen Gutthaten allerg[nädig]st. sich zu lassen und zu schutzen bitten theten, und könnten die Herrschaften sothane allbereits eingezogene arme Leute underdessen under ihnen wohl wohnen lassen, dann sie auszuweisen oder auch in ihrem Betrübnus zu schrecken, were gegen Gott unverantwortlich«.113

Es gibt ein weiteres umfangreiches »Kasselisches Bedenken«, das in den Nassauischen Grafschaften zirkulierte und anscheinend als Argumentenschatz zur Vorbereitung auf erwartete Exekutionen des Restitutionsedikts von 1629 gedacht war, um sich als Reformierte dagegen zu wappnen. Dieses beginnt mit den Worten: »Wan ein Kayl. Commissarius bei einem oder andern Stand der Evangelischen Reformirten Religion ankommen und aus dem Grund, daß man des Orts im Religionsfrieden nit begriffen seie, kraft Kayl. ins Reich ausgel[a]senen Befelchs die Clöster ein zu ziehen, oder auch wohl gar unsere christliche Religionsübung, wie sie itzo Gottlob in Schwang gehet, nieder zu legen sich anmaßen sollten, so können und mögen die Stände meines wenigen unvorgreiflichen Vermessens zu vorderst in gemein sich dahin vernehmen lassen […]«.114

Darin reklamieren die Reformierten in derselben Weise unter Berufung auf ihr Bekenntnis zur Augsburgischen Konfession den Schutz des Augsburger Religionsfriedens wie in dem Gutachen Wilhelms V. aus dem Jahr 1628. Die Kasseler Prediger argumentierten in die gleiche Richtung, sie empfahlen Ludwig Heinrich von Nassau-Dillenburg, er möge die zu ihm geflohenen Einwohner Nassau-Siegens ein beglaubigtes Bekenntnis auf die Augsburgische Konfession vor Notar und Zeugen tun lassen und die Mitteilung darüber nach Siegen schicken, würden die Glaubensflüchtlinge als der Augsburgischen Konfession verwandt angesehen, ohne dass man ihnen das Gegenteil nachweisen könne, so seien sie geschützt.115 Wie Wilhelm V. meinen sie, Ludwig Heinrich von Nassau-Dillenburg sei nicht zuzumuten, »vor sich allein einer so hohen wichtigen und schweren Sach am Kaiserlichen Hof sich zu undernehmen […], durfte auch, da S. Gn. sich dessen allein underwünden, hierdurch den sämptlichen unser Confession zugethanen Chur-Fursten und Ständen, da etwan ein widriges decretum oder Mandatum, wie zu besorgen, daraus erfolgen sollte, 113 Ebd., S. 22. 114 »Kasselisches Bedenken, durch Sekretär Daum 27. April [1629] von Dillenburg nach Hadamar übersandt; Kopie«, in: Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 54–56 (21. Stück im Urkunden-Teil), darin heißt es statt veröffentlichten, ausgelassenen »Befelchs«, »ausgelesenen«. 115 »Gutachten des [Prediger-] Ministeriums zu Hessen-Kassel. Kassel 19. Mai 1628 (Kopie)« , in: Pagenstecher : Zur Geschichte der Gegenreformation in Nassau-Hadamar, S. 24f. (3. Stück im Urkunden-Teil; Mischung aus Zitaten und Referat).

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

ein merkliches praejudicium verursacht werden. […] So mögen alle unserer Konfession zugethanen Stände communicieren, um dann an künftigen Reichstagen, oder wo sonst darüber beraten wird, gefaßt zu sein«.116

Ferner empfahl das Gutachten des Kasseler Predigerministeriums die Zusammenarbeit mit den Lutheranern zu suchen, die auch in deren eigenem Interesse läge, denn: »Die bevorstehende Ausschließung der Unsern werde ihnen selbst zu merklichem Nachteil gereichen«. Dieses Anliegen lässt bis in die Diktion hinein die Formulierung des Gutachtens durch Paul Stein erkennen, der sich erhoffte, dass dieser Anlass Vorschub leiste »zu deren samptlichen Evangelischen Ständen näheren Zusammentretung […]. Ob dann auch wohl bishero zum öftern beiderseits Evangelischen Vereinigung und brüderliche Concordi vergeblich von unser Seiten gesucht worden […]«, »[…] so stünde es jedoch nachmals dahin, ob zugleich neben ob erwehntem Anpringen bei den genannten Lutherischen Chur-Fürsten und Ständen des Reichs umb Beförderung angeregter oft erwünschten brüderlichen Concordi und daß sie zu solchem Werk gewiß friedliebende Theologis, sonderlich aber auch bescheidene und in theologischen Sachen erfahrne politicos (als ohn welcher Gegenwart und Direction aus der Theologorum Conferenz nichts fruchtbarliches zu gewarten) Werbung geschehen sollte, und würde alsdann die Erklärung geben, was etwan ferner in dieser Sach vorzunehmen sein möchte.«117

Paul Steins mit der Selbstkritik des Theologen verbundene Hoffnung sollte sich 1631 im Leipziger Konvent lutherischer und reformierter Fürsten und ihrer Theologen erfüllen. Seine eigene Bereitschaft dazu ist schon hier erkennbar, auch wenn die Kasseler Geistlichen in Leipzig schließlich durch Johannes Crocius und Theophil Neuberger vertreten wurden. Die Einträge aus dem Diensttagebuch Paul Steins sind ein wichtiger Mosaikstein, der persönliche Zuordnungen und interne Verfahrensabläufe bei der Entstehung bedeutender konfessionspolitischer Stellungnahmen Hessen-Kassels erkennen lässt und die Rolle der Kasseler Geistlichen im Herrschaftsgefüge bei Abstimmungsprozessen mit der Regierung beleuchtet. Die Geistlichen gaben wichtige Impulse aus ihrer theologischen Sicht und wägten die Überschneidungen mit dem Bereich der Politik wohl ab, waren aber gegenüber der Regierung klar nachgeordnet.

116 Ebd., S. 24f. 117 Ebd., S. 25.

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b)

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Das Bedenken zur beabsichtigten Wiedereinführung der lutherischen Kirchenordnung in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein (1629) »Franciscus Priester, ecclesiarum in comitatu Seinensi inspector lest gestern schreiben einlieffern und bittet suo et fratrum suorum nomine deß Ministerii rath und bedencken alhir, was in vorstehender besorglichen verenderung in religione zu thun sein möge etc. Heut ist das Ministerium beysammen gewesen, hat auß der sachen angefangen zu reden, und, weil eß etwas nachdenckens erfordert, ist der botte mit einer vorantwort abgefertigt worden.«118 »Daß Ministerium ist abermalß beysammen gewesen undt hat nachmalß wegen des schreibens auß der Graffschafft seine underredung gepflogen.«119 »Ehr Franciscus Priester, Inspector Ecclesiarum Seynensis comitatus ist beantwortet worden.«120

So lauten die Einträge zum 11., 13. und 22. Februar 1629 im Diensttagebuch Paul Steins. In den protestantischen Ländern des Reiches ging die Angst um. Am 6. März 1629 wurde das Restitutionsedikt publiziert, das schon seine Schatten vorauswarf. Manche reformierten Territorien hofften, vom Kaiser und seiner Armee milder behandelt zu werden, wenn sie sich öffentlich zum Luthertum bekannten, da das Luthertum nicht nur reichsrechtlich anerkannt war, sondern allgemein als dem römisch-katholischen Bekenntnis näher als der Calvinismus stehend wahrgenommen wurde, um dem Kaiser wie auch katholischen Nachbarn – bei Sayn den begehrlich blickenden Kurköln und Kurtrier – auf diese Weise weniger Angriffsfläche zu bieten. Grundsätzlich machten die Heere aber keinen Unterschied, ob ein Land lutherisch oder reformiert war, konfessionell wurden von katholischer Seite beide als Feinde betrachtet.121 Am 11. und 12. Februar 1629 beriet also das Kasseler Predigerministerium über die ihm vom Inspektor der Grafschaft Wittgenstein und Sayn gestellte Frage, »ob sie sich in den ceremonien mit den Darmstadischen kirchen conformiren, und ihre alte kirchenordnung,122 deren sie ein exemplar anhero geschickt, wieder einführen solten«.123 Hessen-Darmstadt machte seinen Einfluss 118 119 120 121

DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 11. Februar, Nr. 2. DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 13. Februar, Nr. 2. DTB Paul Steins 1629, Eintrag zum 22. Februar. Menk: Langer Weg und halber Erfolg: die »Zweite Reformation« in Sayn. Betrachtungen zu Dynamik und Gefährdung des Kalvinismus im Zeitalter des Konfessionalismus, S. 245. 122 Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die am 1. August 1555 von Wilhelm dem Älteren von Sayn-Wittgenstein erlassene Kirchenordnung, die am 4. November 1555 von der Pfarrerschaft der Grafschaft unterschrieben wurde, ediert in EKO Bd. 22, S. 79–93. 123 Das Protokoll befand sich in StAM 315 i, Paket 11 [im zweiten Umschlag von oben]; nach der Auflösung dieses Bestandes im Jahr 2018 (siehe: [Abruf: 29. März 2020]) ist es leider verschollen (siehe Punkt 5 der Vorbemerkung am Beginn dieser Arbeit). Es beginnt mit den Worten: »Actum am 11. Febr. 1629. Demnach der Inspector der Graffschafft Witgenstein und Sein, Johannes Franciscus Priester, in seinem und seiner Mitbrüder nahmen, ein schreiben an das Ministerium alhir abgehen lassen, und desen bedencken begehrt, ob sie sich in den ceremonien mit den Darmstadischen kirchen conformiren, und Ihre alte kirchenordnung, deren sie ein exemplar anhero geschickt, wieder einfuhren solten. So ist aus dieser sach geredet und darvor gehalten worden, den botten mit einer vorantwort abzufertigen, und der sach nachzudencken, auch die anhero geschickte kirchenordnung zu verlesen, und alsdan eines collegialschlusses sich zu vergleichen«. 124 Menk: Langer Weg und halber Erfolg: die »Zweite Reformation« in Sayn, S. 246.

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Indifferente Zeremonien, ohne Beispiele anzuführen, könnten hingegen angenommen werden. »Die prediger können keine rationes einführen, ihren zuhörern mutationem ceremoniarum zu profundiren, oder auch selbe zu entschuldigen. Die zuhörer könten ja wohl mit den Lutherischen communiciren, pro via confessione«. Wetzel spielt im letzten Satz offenbar auf das mit den Lutheranern äußerlich geteilte gemeinsame Bekenntnis zur Confessio Augustana an; ob der Abendmahlsgenuss durch die Reformierten, aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses, dann jedoch ein rein geistlicher bleiben sollte, wird nicht ganz klar. Zum zweiten Punkt meint Wetzel: »Die kirchenordnung könne, wegen deren darinnen befindlichen irrthumen nicht wieder eingeführt werden«. Auf eine dem Duktus und dem Anliegen Paul Steins gemäße Frage: »Ob dadurch die bruderschafft mit den Lutherischen könne eingeführt werden. R[espondit]. Helts nicht darfür. Dan die Lutherischen würden mit den ceremonien allein nicht zufrieden sein, sondern auch auff die lehre dringen«.

Bernhard Matthaeus »[c]onformirt sich mit den vorigen votis«, ebenso Johann Daniel Starck, der außerdem zu Bedenken gibt, dass durch eine Änderung der Kirchenordnung und Zeremonien »die gutten leute von ihren gefasten gedancken abgemahnet« und »den schwachen […] im glauben anstoß gegeben« würde, »von den adversariis dahero ursach genommen würde, unsere religon zu lästern«. Lucas Majus schließt sich dieser Meinung an. »Kan in seinem gewissen nicht befinden, wie man in diesen sachen, Gottes ehre betreffend, laviren, und sich den adversariis accommodiren könne, würde auch daraus, weil das fundament nicht gut, nichts guts zu hoffen sein. So würde auch dadurch andern reformirten kirchen praejudicirt. Helt darvor, es hetten die leute des ministerii verschonen sollen, mit solchen fragen.«

Auch Johannes Majus »Conformirt sich mit vorigen votis; helt darfür, es müsse ein jeder hirinnen sein conscientiam in acht nehmen; auch habe man sich zu befahren, da man in einem sich ihnen conformire, man würde im ubrigen, solche ceremonien, wie in den Meissnischen kirchen breuchlich, auch annehmen müssen«.

Schließlich erklärt sich auch der Superintendent Paul Stein »mit seinen collegen durchaus einig«. Er erinnert daran, dass das Bedenken des Ministeriums vorher dem Landgrafen übergeben werden müsse, der es »denen praedicanten in der graffschafft Sein« kommuniziere, außerdem könne »ihnen auch an die hand gegeben werden […], hiruber anderer reformirten kirchen iudicia einzuholen und unß dieselbe zu communiciren«.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

Auch solche an das Ministerium gerichteten Bitten um Rat werden mit dem darauf ergangenen Bedenken selbstverständlich dem Landgrafen zugeleitet und von diesem expediert. Das Urteil des Kasseler Predigerministeriums mag absehbar gewesen sein, trotzdem legt es in dieser persönlichen Zuweisbarkeit die Bekenntnistreue der Prediger selbst in Situationen äußerer Bedrängnis und ihre geringere (Neuberger) oder größere (Wetzel) Neigung zu Kompromissen offen. Letztlich können sie aber alle, in den Worten Lucas Majus’, in ihrem »gewissen nicht befinden, wie man in diesen sachen, Gottes ehre betreffend, laviren, und sich den adversariis accommodiren könne«.

2.

Die Stellungnahme zu den Gravamina der hessischen Ritterschaft von 1640 bezüglich der Forderung nach Zulassung lutherischer Hausgottesdienste und der Abschaffung als übermäßig empfundener Kasualiengebühren

Die Vehemenz mit der der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger den Calvinismus im Land verteidigte, zeigt der Streit mit den lutherischen Adligen der Landgrafschaft, die auf ihren Häusern das Religionsausübungsrecht in ihrer Konfession forderten. Dieses war ihnen schon im Nebenabschied über Religionsfragen zum Hessischen Hauptakkord vom 24. September 1627 gewährt worden.125 Da die Landgräfin Amelie Elisabeth die Beziehungen zu HessenDarmstadt aber gern auf eine vorteilhaftere Grundlage stellen wollte, erklärte sie diesen Vertrag, der einstmals zu einer gewissen Beruhigung im Verhältnis der beiden Linien, aber auch zu massiven territorialen Einbußen Hessen-Kassels geführt hatte, formal 1644, unter dem Vorwand der fehlenden Unterschrift Landgraf Moritz’, für nichtig und suchte eine Lösung zu ihren Gunsten durch Erfolge auf dem Schlachtfeld zu forcieren.126 In den am 24. April 1640 auf dem Landkommunikationstag übergebenen Gravamina der lutherischen Ritterschaft heißt es: »Undt nachdem etlichen von adell ihr frey exercitium religionis nicht verstattet, sondern nach ihrer religion auff ihren heusern zu communiciren undt ihre Kinder teuffen

125 Schon in dem Bericht über eine Beratung mit dem Predigerministerium am 9. März 1630, ob auf Ansuchen Christoffs und Georg Leos von Löwenstein »ihrem hausprediger die confirmation der kinder zugelassen sein solte«, ließ der damalige Superintendent Paul Stein in den negativen Bescheid die Bemerkung einfließen: »Dieweil es aber doch vermuthlich mit dem hausprediger nicht lang wehren dörffte […]«, DTB Paul Stein 1630/31, Eintrag zum 9. März 1630, Nr. 3.2. 126 Beck: Der Hessische Bruderzwist, S. 12.

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zu laßen, verhindert werden wollen, so bittet man, eß hierinnen beim herkommen und die gewissen, wie auch daß exercitium religionis freizulaßen.«127

Die Mitglieder des Kasseler Predigerministeriums (Theophil Neuberger, Thomas Wetzel, Bernhard Matthaeus, Justus Soldan, Johann Friedrich Wilner) unter Vorsitz des Superintendenten Neuberger antworteten darauf: »Der ritterschaft gravamen, das lutherische exercitium religionis betreffent, lest mans bey dem klarn abscheidt zwischen beyden f[ü]r[stlichen]. heüsern aufgericht bewenden,128 man weis auch nichts von dißfals berührtem herkommen ohne unterscheid. So werden ihre gewissen auch, ob man ihnen schon das exercitium uf ihren häusern nit gestattet, keines weges beschwert, sintemal sie anders wohin zum exercitio ziehen mögen.«129

Das weitere Insistieren der landsässigen Adligen auf diesen Punkt gab den Kasseler Predigern Gelegenheit zu einer erneuten Stellungnahme: »Von dem punct der freylassung des exercitii publici lutherischer religion, uff der edelleüt häuser, durch ausländische lutherische predicanten ist der vom ministerio allhie, zu dieser sach beruffenen collegen einmütige meinung, daß es den edelleüten keines weges zu gestatten. Uhrsachen achten wier unnöhtig, weitläufftig auszuführen.«130 127 Blatt überschrieben mit »Extract auß dem bei jüngst den 24. Aprilis [1640] alhier [in Kassel] gehaltenem Landttage von Praelaten, Ritter- undt Landtschafft ubergebenen algemeinen gravaminibus«, dort der erste Punkt unter der zweiten Überschrift »Extract auß denen von der Ritterschafft ubergebenen gravaminibus«, in: StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 124rv. 128 Nebenvertrag zum Hessischen Hauptakkord, »Abschied wie es zu Schmalkalden, Dreiss Ziegenhain, und under denen Lutherischen von der Ritterschafft der Religion halber gehalten werden solle«, so der Rückvermerk Paul Steins auf seinem wahrscheinlichen Handexemplar, in StAM 318 Kassel, Nr. 1441, danach erfolgen die Zitate; die Ausfertigung für Hessen-Kassel liegt in StAM Urk. 5, Nr. 94; stellenweise verderbter Druck in: Gründliche Erzehlung, Beilage 206 (S. 509–510). 129 »Uf die uberschickte gravamina ist deren vom Ministerio resolution diese«, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 125rv, hier : fol. 125r, Punkt II. Siehe dazu auch die Hinweise in der Edition des Landtagsabschieds: Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1605–1647, S. 365–372 (Nr. 88: Hessen-kasselischer Landkommunikationstag zu Kassel 24. April bis 1. Mai 1640), insbes. die Anmerkungen 657 (S. 371) und 659 (S. 372). Das am Ende der Anm. 659 genannte Datum 15. Mai 1641 für die Stellungnahme der geistlichen Räte ist nach dem hier vorliegenden Exemplar auf 1640 zu korrigieren. Die Querelen mit der Ritterschaft werden anhand dieser Überlieferung auch schon behandelt bei: Brunner : Theophilus Neuberger, S. 563–566. 130 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 126rv, 131rv, hier : fol. 126r vom 18. Februar 1641. Das Protokoll hierzu mit Angabe der Namen, welcher Prediger welches Argument beisteuerte, Ebd., fol. 128; gesonderter Entwurf Neubergers (»Ad replicam nobilium mea sententium«) fol. 127. Die Argumentente fanden für die Replik Landgräfin Amelie Elisabeths vom 1. März 1641 auf die erneuerten Forderungen der Ritterschaft Verwendung, nach: Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1605–1647, S. 372 Anm. 659 am Ende.

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Als erster unter den Punkten, die dann doch angeführt werden, wird genannt: »Weil es laufft wieder der herrschafft iurisdictionem episcopalem, undt hoheit, deren die ausländische lutherische ministri nitt parieren, noch ihrer inspection sich unterwerffen«.131 Außerdem würden lutherische Reichsstände auch keine reformierten Prediger in ihren Territorien zulassen. Neuberger und seine Kollegen verfochten damit energisch das Religionsbestimmungsrecht ihres Landesherrn über alle seine Untertanen gemäß dem Augsburger Religionsfrieden. Wären sie davon abgewichen, hätten sie ihre eigene Existenzberechtigung in der Landgrafschaft Hessen-Kassel in Frage gestellt, da durch anderskonfessionelle, ihrer Meinung nach irrige Prediger im Land »verachtung unsers ministerii beym gemeinen mann ahn den orten da solche edelleüt wohnen« gestiftet würde (Punkt 4). Sehr aufschlussreich zu dieser Haltung ist ein undatiertes Schreiben Neubergers, wahrscheinlich aus der Regierungszeit Wilhelms V., das er während der Abwesenheit des Landesherrn an die Kasseler Statthalter, Kanzler und Räte richtete. Neuberger, als dem »alhie das kirchenwesen anbefohlen«, zeigt sich befremdet, »daß einer auß anderer herrschafft, ohne rechtmässigen beruf, in unsers gnedigen fürsten und herrn lande, und zwar in deren residentz-statt, darzu einer, der unser wahren religion zuwieder sey, das offentliche exercitium seiner religion verwalte«. Neuberger erklärt sich in dem Schreiben nicht einverstanden mit der Erlaubnis der Statthalter und der Anordnung des »General Major und Graf von Eberstein«,132 den lutherischen Pfarrer von Spiekershausen,133 der zudem schon zuvor wiederholt grob gegen des Kasseler Landgrafen Hoheit und Gerechtigkeit verstoßen habe, in die Residenzstadt kommen zu lassen, um gefangenen lutherischen Soldaten, die »durch fleissige underrichtung des regiment-pfarrers so weit bracht, daß sie in sich gangen, die warheit zu bekennen und zu communiciren willens gewesen«, vor ihrer Verurteilung seelsorgerlichen Beistand zu leisten. Neuberger gibt zu bedenken, ob die Statthalter ihre Kompetenzen zur Handhabung des ius episcopale des Landgrafen nicht zu weit auslegten – »sintemahl ich nicht glauben könte, daß unser gnediger fürst und herr das ius episcopale dieses orts I[hren]. G[naden]. [= den Statt131 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 126rv, 131rv, hier : fol. 126r. 132 Bei dieser Titulatur ist es nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei »General Major und Graf von Eberstein« nicht um den Ende Juli 1640 anstelle Peter Melanders zum Generalleutnant der hessischen Armee ernannten Grafen Kaspar von Eberstein handelt (wie Brunner : Theophilus Neuberger, S. 567 mit Anm. 1 annimmt, im Verweis auf Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 589; zu ihm siehe auch v. Poten: Eberstein, Kaspar Graf von), sondern um dessen Verwandten Graf Ernst Albrecht von Eberstein, der im fraglichen Zeitraum ebenfalls in Diensten Hessen-Kassels stand (zu ihm: Henner : Eberstein, Ernst Albrecht von). 133 Spiekershausen, Gemeinde Staufenberg, Landkreis Göttingen; gegenüber von Ihringhausen auf der anderen Fuldaseite.

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haltern, A. J.] so weit ubergeben habe«. Ein in der Residenzstadt öffentlich auf dem Marktplatz auftretender lutherischer Pfarrer, der dort »seine sacra administrire, welches nicht zu geringem despect der hohen obrigkeit gereiche,« und in anderen Residenzstädten wie Dresden oder Darmstadt, ja bei Anwesenheit des Landesherrn vermutlich auch in Kassel nicht geduldet würde, gebe den Feinden ihrer wahren Religion nur Anlass zum Spott. »Sintemahl es ein andere gelegenheit im felde, alß alhier in der residentz statt hette.« Hier zeigen sich Ansätze religiös begründeter Vorbehalte Neubergers gegen eine Entscheidung im Namen des Fürsten. Den ihm hingegen von den Räten – die nicht glauben könnten, dass man die Soldaten »in einer stunde hette calvinisch machen können« – gemachten Vorwurf des Gewissenszwangs wies Neuberger entschieden zurück; ihm gehe es nur um den Schutz des Kirchenwesens des Landes gegen diejenigen, »so unserer göttlichen waren religion feind und zuwieder seind«, wofür er sich – sogar unter Verweis auf Luthers, auf den Pfarrer von Spiekershausen gemünzte Rede von den »Winkelpredigern« – Unterstützung erbat.134 Noch ein anderes Thema spielte in den Diskussionen des Kasseler Predigerministeriums 1640 und 1641 eine Rolle: die den Geistlichen zugestandenen Kasualiengebühren, an anderer Stelle bekannt unter dem Namen Akzidentien oder Stolgebühren, hier »praesentz« genannt. Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger hatte unter dem 9. August 1639 ein gedrucktes Ausschreiben verfasst, das er mit einem Begleitschreiben vom 20. August an die Metropolitane seines Bezirks zur Weiterleitung an die Pfarrer sandte. Darin kommunizierte er zum einen eine geänderte Regelung zur Neuvergabe ledig gewordener Kirchenstände, damit die Plätze nicht unbesetzt blieben, während regelmäßige, vor allem ärmere Kirchgänger, die sich die Ablösesumme der unberechtigterweise als quasi erblich angesehenen Plätze nicht leisten können, stehen müssten, und zum anderen eine neue Kasualiengebührenordnung, über die Zahlung eines vergleichsweise geringen Entgelts an die Pfarrer zur Vornahme besonderer Handlungen wie Taufe, Ankündigung der Eheschließung (Proklamation), Trauung, Konfirmation der Kinder und Leichenpredigten, die die Pfarrkinder »eine zeithero/ wiewol die arme Pfarrer jhres Solds nit haben fähig werden können/ […] auß lauterem Trotz vnnd Eigensinigkeit/ nicht haben entrichten wollen/ […]: Als ist vom Fürstl. Consistorio verordnet/ vnd wird hiemit ernstlich befohlen/ das von 134 Theophil Neuberger an die fürstlich hessischen Statthalter, Kanzler und Räte, undatiert (durch die Anführung »von unserm gnedigen Fürsten und Herrn« stammender Aussagen, rührt das Schreiben wahrscheinlich noch aus der Regierungszeit Landgraf Wilhelms V., also vor seinem Tod 1637) (Abschrift), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 116f. (Rückvermerk: »Copia Schreibens an die Räthe wegen des Grafen von Eberstein«); siehe auch die Nacherzählung dieses Vorgangs bei Brunner : Theophilus Neuberger, S. 567f.

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jedem Kinde zu tauffen/ zum alerwenigsten, zumahl weil keine Kindtauffsmahlzeiten deren ein Pfarrer hiebevor genossen/ gehalten werden sollen/ ein Kopstück/ von dreyfacher Proclamation gleichfals zum wenigsten ein Kopffstück: von der Copulation ein Hun/ oder dafür ein Kopffstück: vnd was sonst vber das an etlichen orten bräuchlich: von confirmation eines Kindes zum wenigsten ein halb steige Eyer/ oder derselben werth: vnd von einer Leichpredigt zwey/ zum wenigsten aber/ vnd von gar armen ein Kopffstück/ dem Pfarrer zuvor/ vnd ehe er das Ampt verrichtet/ gegeben/ oder doch genugsamer Wille davor gemacht werden soll. Dabey dann ein jeder Pfarrer selbst der discretion sein wird/ daß er mit gar blutarmen Leuten mitleyden habe/ vnd Barmhertzigkeit jhnen erzeige. Da aber jemand/ der es geben kan/ wieder verhoffen/ sintemahl in andern Landen vnd Fürstenthumben bey diesen zeiten weit ein mehrers geordnet/ solche geringe Gebür zu entrichten sich weigerte/ soll der Pfarrer solches so bald bey den Beampten/ oder wer an Obrigkeit statt ist/ suchen: Vnnd da dieselbe die Amptshülffe versagten/ oder doch Vmbschweiff machten/ an Fürstl. Regierung/ als welche hierin die Hand dem Ministerio mit ernst zu bieten versprochen/ es gebürlich gelangen lassen«.135

Neuberger hatte die Erlaubnis zur Ausschreibung dieser Themen von der Kanzlei erhalten und brachte daher unter dem Konzept folgende Notiz an: »No. diß letztere, wegen der gebüren ist am 9. Aug. 1639 uf fr. cantzley gebilliget, u. daß ich es ausschreiben soll, für gut angesehen, und uf den nothfall hülff zu thun, zugesagt worden. Das vorige wegen der stüle ist bey meines antecessoris [Paul Stein, A. J.] sel[igen]. zeiten verordnet und ietz in beysein samptlichen ministerii ernew[ert]«.136

Das erste für Neuberger unerwartete Problem war, dass einige Pfarrer die Gebührenordnung zum Anlass nahmen, um Armen, die vor der Vornahme der erbetenen Handlung nicht die geforderte Gebühr entrichten konnten, die Kasualien zu verweigern. Dass dies ein Verständnis der Regelung war, das sowohl 135 Gedrucktes Ausschreiben des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel 1639 August 9, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 72, das er mit einem Begleitschreiben vom 20. August 1639, Ebd., fol. 103f. (Konzept), verschickte; das gedruckte Ausschreiben, das in der unteren Hälfte mittig einen Riss mit Textverlust aufweist, wurde hier nach dem von Neubergers Hand stammenden Konzept desselben ergänzt, Ebd., fol. 71 u. 73. Das durchgestrichene »gar« ist ein Druckfehler, möglicherweise hat der Setzer hier das im Konzept übergeschriebene »den« falsch gelesen, auf diesen Druckfehler weist Neuberger in seinem Klagebrief an die Metropolitane hin, in dem er sich über die missbräuchliche Forderung von Kasualiengebühren durch die Pfarrer beschwert, (Kassel) 1640 Februar 27, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 74f. In HLO II, S. 400–402 findet sich eine angepasste, aber in Inhalt und Aufbau dem Ausschreiben Neubergers von 1639 immer noch ähnliche, vom Kasseler Konsistorium veröffentlichte »Kirchen-Stul-Ordnung Vom 22ten Decembr. 1656. Ordnung, Wie es A) in Ansehung der Kirchen-Stüle, oder Stände zu halten und B) was an Gebühren für Tauffen, Proclamiren, Copuliren, Confirmiren der Kinder und Leichen-Predigten zum wenigsten entrichtet werden solle«. 136 Konzept des Ausschreibens an die Metropolitane wegen der Kirchenstände und Kasualiengebühren vom 20. August 1639, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 73r.

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gegen deren Geist wie gegen deren Buchstaben verstieß, machte Neuberger den Metropolitanen in einem bemerkenswerten Ausschreiben vom 27. Februar 1640 deutlich, dessen Inhalt die Metropolitane ihren Pfarrern nur mündlich mitteilen und das Schreiben nach ihrer Kenntnisnahme gut verschlossen wieder an Neuberger zurückschicken sollten, um zu verhindern, dass durch dessen Öffentlichwerden der Pfarrerstand noch mehr in Misskredit gebracht würde: »Würdige, wolgelehrte, günstige und gute freunde, geliebte brüder in Christo, ihr wißet, daß auß wolmeynender getrewer fürsorg vor die arme pfarrer am 9 ten Aug. anno 1639 uf bewilligung des consistorij, von mihr ein ausschreiben geschehen, daß etwaß gewisses für die extraordinarios labores, als für tauffen, proclamiren, etc. gegeben werden solte. Nun kommen unterschiedliche klagen nacheinander, daß grosse inconvenientien darauff erfolgen, und will verlauten, daß etliche pfarrer alzu rigidH mit den leuten umbgehen, u. ihr amt zu verrichten denjenigen, so ihnen nit völlige praesentz so bald liefern, allerdings versagen, da doch keines wegs solches im ausschreiben stehet, sondern befohlen ist, an gehörigen orten es zu klagen, nit aber daß amt zu unterlaßen. Wollet demnach ewre fratres classicos zur discretion, die ich im neben ausschreiben dazumahl auch mit leiß befohlen,137 anmahnen, sonderlich von denen ihr erfahret, daß sie so ungeschliffen mit den leuten umbgehen. Und weil ich spüre, daß etliche so grob und indiscret sein, und wolgemeynte verordnung der gestalt mißbrauchen, würd es mich, der ich sonst tag und nacht darauf gedacht, und mich, nicht ohne wiederwertigkeit, bißher bemühet hab, den armen pfarrern hülff zu erweisen, verursachen, an mich zu halten. Dann ihr wißet alle, das ich vor meine person nichts davon habe, derowegen mihr nit nötig, anderer grobheit zu entgelten. […] Arme leute, die kein gelt haben, können dem pfarrer etwa sonst eine arbeit, oder dienst thun, worumb sie mit den leuten mit gutem willen zu handeln, aber auch zu weillen etwaß 137 Wahrscheinlich ist damit das Begleitschreiben vom 20. August 1639 gemeint, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 103f. (Konzept), mit dem Neuberger das gedruckte Ausschreiben vom 9. August 1639 an die Metropolitane übersandte. Dass dieses Begleitschreiben, in dem Neuberger noch andere Punkte ansprach, tatsächlich bei den Metropolitanen ankam, beweist das überlieferte Exemplar des ausgefertigten Schreibens, in LKA Kassel, Pfarrarchiv Gudensberg, Nr. 121 (das 4. Stück mehrerer an einer Heftlasche [im Konvolut 8. Stück von hinten] zusammengebundener Schriftstücke). Zur »discretion« bei der Anwendung der Kasualiengebührenordnung heißt es dort: »Darnach habt ihr eine im consistorio beliebde ordnung wegen der kirchenstuhl, auch der tauffe, confirmation, proclamation, copulation und leichgebühr : darnach ihr euch gleichfals achten, und nach und nach, wo es nicht schon in ubung ist, zu werck zu richten, mit guter bescheidenheit euch befleißigen werdet«. Sehr aufschlussreich ist der zur Vertraulichkeit mahnende Vermerk zur Verteilung der mitgeschickten Ordnungen und dieses Begleitschreibens am Ende des überlieferten ausgefertigen Exemplars (im Konzept steht nur eine Zusammenfassung dessen in zwei Sätzen): »Es soll jeder metropolitanus copiam dieses schreibens behalten, in conventibus die besagte puncten desto besser in acht zu nehmen. Von der uberschickten ausschreiben soll ein jeder metropolitanus zwei exemplar nehmen, deren eines er bei sich behalten, das ander den fratribus zu ihrer nachrichtung communicire. Nachdem auch ein metropolitanus diß gelesen und abcopirt, soll er dieß schreiben mit den übrigen exemplarien wohl versigelt dem folgenden metropolitano fortschicken, das es nicht in andere hende, wie leichtlich geschehen kann, komme«.

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umb Gottes willen den allerärmsten zu thun schuldig sein. Diß alles sollen die metropolitani mündlich ihren fratribus mit gelegenheit, wann sie sie antreffen, andeuten, und soll diß schreiben verschlossen nur den metropolitanis, und zu letzt mihr wieder in einem versiegelten umbschlag zugeschickt werden, damit nit durch eines, oder des andern grobheit dem gantzen ministerio, wan dieß in andere hände käme, unglimpf und verachtung zuwachse. Versehe mich solches zu euch, und thu euch göttlichem schutz hiemit trew empfehlen. […] Jetz, in dem ich schließe, werde ich berichtet, daß etliche das kopfstück, so vor ein kindtauff verordnet, doppel fordern, eins vom vatter, und eins vom Gevatter, welches nit sein soll, sondern stehet in der ordnung ein kopfst. dabey es bleibet, es gebe es der vatter, oder gevatter. Es were denn sach, daß deren einer ohngefordert, auß lauterem gutem willen ein mehrers gebe.«138

Damit war das Thema für Neuberger aber noch nicht erledigt. Denn Prälaten, Ritter und Landschaft139 machten die in ihren Augen übermäßigen Kasualiengebühren zum Thema ihres Landtages. In den am 24. April 1640 übergebenen Gravamina heißt es diesbezüglich: »Sey den pfarrern jedeß ortß obrigkeit unbegrüßet befohlen, oder newerlich verstattet worden, von kindern zu teuffen, zu begraben, undt zu copulirn ein gerechtes undt gewißes gelt von jedes orts unterthanen zu fordern undt zu nehmen, undt zwar vorher undt ehe sie es verdienet, weil nun solches dem armen manne, sonderlich jetziger zeit, da manchmal wol in einem dorff nicht ein kopfstück zu bekomen, gantz beschwerlich vorfelt, auch die ritterschafft alß obrigkeit an einem undt anderm ort darinnen nicht bewillige, so wirt gebeten, solche gebott undt permission zu cassiren undt hiernegst wan in dergleichen fällen etwas anzuordnen von nöten sein solle, zuvor mit der interessirenden obrigkeit darauß zu communiciren, undt sich deßwegen zu vergleichen«.140

138 Der Kasseler Superintendent Theophil Neuberger an die Metropolitane seines Bezirks, (Kassel) 1640 Februar 27, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 74f., mit den Kenntnisnahmeunterschriften der Metropolitane auf fol. 75v (Gudensberg, Felsberg, Borken, Homberg, Ziegenhain, Treysa, Neukirchen, es fehlen die der nördlich von Kassel gelegenen Klassen); das Konzept zu diesem Schreiben: Ebd., fol. 64. 139 »Prälaten und Ritterschaft« bildeten die eine, die »Landschaft«, d. h. die Städte, die andere Kurie. »Im Einzelnen gehörten zur Gruppe der ›Prälaten‹ der Deutschordenskomtur zu Marburg oder sein Stellvertreter, die vom Senat entsandten Deputierten der Universität Marburg bzw. der kurzzeitig in Gießen und Kassel bestehenden Universitäten, die Obervorsteher des ritterschaftlichen Stifts Kaufungen und Wetter und der Obervorsteher der Hospitäler Haina, Merxhausen, Gronau und Hofheim«, Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1605–1647, S. 2 Anm. 3. 140 Blatt überschrieben mit »Extract auß dem bei jüngst den 24. Aprilis [1640] alhier [in Kassel] gehaltenem Landttage von Praelaten, Ritter- undt Landtschafft ubergebenen algemeinen gravaminibus«, dort der zweite Punkt unter der nachfolgenden Überschrift »Extract auß denen von der Ritterschafft ubergebenen gravaminibus«, in: StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 124v.

Die beratende Tätigkeit des Kasseler Predigerministeriums

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Theophil Neuberger, Thomas Wetzel, Bernhard Matthaeus, Justus Soldan, und Johann Friedrich Wilner antworteten darauf in ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 1640 unmissverständlich: »Beym dritten gravamine der ritterschafft, da man sich ehe himmelfallens, als eines solchen vortrags gegen die arme eußerst nothleydende pfarrer, und darzu bey offentlichem landtag, uber einer so gar geringen verordneten praesentz, von leutten, die viel mehr darzu helffen und darüber halten solten, versehen hette, fallen unterschiedliche posten zu bedencken«, worauf eine Darlegung in vier ausführlichen Punkten folgt.141 Die Ritterschaft erweckt den Eindruck, dass es ihr nicht eigentlich um die geringen Kasualiengebühren geht, diese seien im Darmstädtischen Oberhessen sogar höher,142 sondern dass sie nach Mitteln suchten, um die reformierten Geistlichen zu diskreditieren; das von Neuberger unterschriebene gedruckte Ausschreiben in Kirchenstuhl- und Kasualiengebührenangelegenheiten vom 9. August 1639 und dessen teils missbräuchliche Anwendung durch die Pfarrer vor Ort, gab ihnen dazu Gelegenheit. Dass Kasseler Predigerministerium entlarvte aber das Verhalten der Adligen, indem es erkannte, dass es ihnen nicht um die Schonung ihrer Untertanen, sondern um die Durchsetzung ihrer eigenen konfessionellen Interessen ging, denn eigentlich konnte man von den Adligen erwarten, dass sie eher dafür sorgten, dass die Pfarrer ihrer Orte ein angemessenes Auskommen haben, als dass sie ihnen zustehende angemessene Einkünfte vorenthielten. So gelangte das Predigerministerium zu der Aussage: »Man dürfte aber fast in die gedancken auß diesen und etlichen andern attentatis etlicher edelleut gerathen, das sie nit allein collatores, sondern auch coepiscopi gern sein wolten, welches unsers erachtens Ifg. nit zu rathen, das sie es in einigem puncten eingehen«.143 Sehr eindrücklich ist der hier nachvollziehbare Ablauf von der Beratung bis zum fertigen Gutachten. Auf die am 24. April 1640 anlässlich des Landtages eingereichten allgemeinen Gravamina von Prälaten, Ritter- und Landschaft mit der Beschwerde über den Wucher der Juden sowie die Gravamina speziell der 141 »Uf die uberschickte gravamina ist deren vom Ministerio resolution diese«, Kassel 1640 Mai 15, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 125rv, hier : fol. 125r, Punkt III Einleitungsparagraph. 142 Darauf wies im Protokoll »der vom Ministerio allhie, zu dieser sach beruffenen collegen« – so die Formulierung im Eingangsparagraphen der Reinschrift, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 126r – vom 18. Februar 1641 in der Diskussion zum Punkt »II. Von der praesentz« der »Herr Decanus« des Kasseler Martinsstifts, Thomas Wetzel, hin: »NB. Im Oberfürstenthumb ists geordnet von der tauf 12 fl. [Gulden]« (Ebd., fol. 128), der mehr Wert war als ein Kopfstück; in der Reinschrift fand sich diese Aussage in der Formulierung unter Punkt 6 zu »II. Von der Pfarrerbesoldung« wieder : »Ist im Oberfürstenthum noch ein mehrers bräuchlich« (Ebd., fol. 131r). 143 Resolution des Kasseler Predigerministeriums (Theophil Neuberger, Thomas Wetzel, Bernhard Matthaeus, Justus Soldan, Johann Friedrich Wilner) auf die Gravamina, Kassel 1640 Mai 15, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 125, hier Anfang von fol. 125v.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

Ritterschaft mit den Beschwerden über das den Adligen auf ihren Häusern verweigerte lutherische Religionsexerzitium und über die Forderung der Kasualiengebühren – von diesen Gravamina findet sich im »Copialbuch« der Superintendentur Kassel der zitierte Extrakt –,144 nahmen die Kasseler Prediger Theophil Neuberger, Thomas Wetzel, Bernhard Matthaeus, Justus Soldan und Johann Friedrich Wilner (Diakon an der Brüderkirche) am 15. Mai 1640 zu allen drei Punkten Stellung, besonders ausführlich zu der Frage der Kasualiengebühren.145 Da die Ritterschaft aber offensichtlich nicht locker ließ, setzten sich die »vom Ministerio allhie, zu dieser sach beruffenen Collegen« am 18. Februar 1641 erneut zusammen. Von dieser Zusammenkunft existiert ein von Theophil Neuberger geschriebenes Protokoll, das die Beiträge des Dekans des Kasseler Martinsstifts, Thomas Wetzel, und der Metropolitane der Kasseler Klassen Bauna und Neustadt – des ersten Pfarrers an der Altstädter Brüderkirche, Bernhard Matthaeus, und des ersten Pfarrers an der Unterneustädter Kirche, Justus Soldan – zu den beiden Punkten »I. De exercitio relig[ionis]. Lutherana« und »II. Von der praesentz« namentlich aufführt,146 ergänzt durch eine eigene Argumentensammlung des Superintendenten, Hofpredigers und, als »mittdecanus« am Martinsstift, Metropolitans der Klasse Ahna, Theophil Neuberger, von diesem Tag, in demselben Konzeptstil, »Ad replicam nobilium mea sententia«, in größeren Teilen auf Lateinisch.147 Die Argumentesammlung Neubergers gab die Gliederung für die Reinschrift des Gutachtens vor, in der die Überlegungen aller vier Prediger zu diesem Thema zusammengeführt wurden,148 die dann schließlich für die Replik der Regentin Amelie Elisabeth vom 1. März 1641 auf die erneuerten Forderungen der Ritterschaft Verwendung fanden.149 Die Kasseler Prediger argumentierten geschickt und gründlich, die Frage des lutherischen Religionsexercitiums der Adligen war aber eine, die nicht mehr in den Bahnen rationaler Argumentation zu bewältigen war. Argumente reformierter Geistlicher, waren sie auch noch so ausgereift, besaßen in diesem

144 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 124 und 133 (auf fol. 133v nur der Rückvermerk: »Etliche Landtagsgravamina in Niederhessen und Antwort darauf etc.«). 145 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 125 (vom 15. Mai 1640). 146 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, (hier als Seitenzählung) das Blatt S. 129/128. 147 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, (hier als Seitenzählung) das Blatt S. 130/127. 148 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 126 und 131 (vom 18. Februar 1641), daraus fol. 126r das Zitat, der »vom Ministerio allhie, zu dieser sach beruffenen Collegen«, die ihre »einmütige meinung« äußerten, »I. Von dem punct der freylassung des exercitii publici lutherischer religion uff der edelleut haüser, durch außländische lutherische predicanten«, »daß es den edelleüten keines weges zu gestatten« und zu »II. Von der Pfarrer belohnung« (fol. 126v). 149 Nach: Hollenberg: Hessische Landtagsabschiede 1605–1647, S. 372 Anm. 659 am Ende.

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Konflikt für die Gegenseite keinerlei Überzeugungskraft mehr, der Konflikt ließ sich nur durch einen politischen Kompromiss lösen. Die politische und im Gefolge dessen die rechtliche Lage änderte sich schon wenige Jahre später. Landgraf Wilhelm VI., der 1650 von seiner Mutter, die bis dahin für ihn die Regentschaft geführt hatte, die Herrschaft allein übernahm, verfolgte gegenüber den lutherischen Adligen seines Landes eine viel kompromissbereitere Linie. Schon im Westfälischen Frieden von 1648 fiel der bisher von Hessen-Darmstadt okkupierte vierte Teil Oberhessens einschließlich der Stadt Marburg an Hessen-Kassel zurück, allerdings unter der Bestimmung, dass dort die lutherische Religion gewahrt bleibe. Gleichzeitig kam die lutherische Grafschaft Schaumburg mit der Universität Rinteln an Hessen-Kassel.150 Von nun an mussten zwei protestantische Konfessionen in einem Territorium nebeneinander existieren. Nun konnte man auch dem landsässigen Adel lutherische Gottesdienste auf seinen Häusern nicht mehr verweigern. Am 2. Oktober 1655 schloss Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel einen Vergleich mit der Ritterschaft seines Territoriums,151 der unter anderem vorsah: »Zum dritten haben Ihre F. G. denen in Ihren Landen gesessenen der Lutherischen Confession zugethanen von Adel uf ihr unterthäniges Nachsuchen gnedig nachgegeben, daß sie vor sich, ihre Eheweiber und Kinder in casu necessitatis die Communion uff ihren Häußern durch einen lutherischen Prediger, doch ohne weitere Zuziehung einiger anderer, wie die auch Nahmen haben, celebriren laßen mögen.«152

In den nicht per Vertrag lutherischen Gebieten wurden also die Adligen teilweise von der Religionshoheit des Landgrafen eximiert, während der Anspruch für alle übrigen Untertanen aufrechterhalten blieb. Dass vor diesem Hintergrund nach Angriffspunkten gegen den lutherischen Adel gesucht wurde, beweist ein Informationsschreiben, in dem der Reichensächser Pfarrer Johannes Bornmann am 26. November 1660 dem Superintendenten Hütterodt mitteilt, ihm sei berichtet worden, dass der lutherische Pfarrer von Lüderbach, Philipp Reichardt, »nechst abgewichenen monathlichen bettag, den 24 ten Octobris alhir in Juncker Curt Leopold [von Boyneburgs] behausung, unter wehrenter verrichtung unseres gottesdienstes, eine predigt gehalten, undt hernach dem Junckern neben seinen hausgenossen daß heilige abentmahl gereichet« habe; da er nicht wisse, ob der Lüderbacher Pfarrer dazu vorher den Konsens des Superintendenten eingeholt habe, hätte er es für seine Pflicht erachtet, ihm solches mitzuteilen. Wie 150 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 581. 151 Zur Einordnung dieses Vergleichs in die hessische Verfassungsentwicklung, siehe Neu: Die Erschaffung der landständischen Verfassung, S. 180–184. 152 Vergleich Landgraf Wilhelms VI. mit der Ritterschaft vom 2. Oktober 1655, in: Hollenberg: Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1649–1798, S. 56–66 (Nr. 12), hier: S. 62 (Hervorhebung A. J.).

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zu erwarten, hatte Reichardt davon vorher Hütterodt oder dem Reichensächser Pfarrer nichts gesagt. Hütterodt, der die Bedingungen, an die das den lutherischen Adligen in ihrer Religionsausübung gemachte Zugeständnis geknüpft war, kannte, ließ den Vorgang – um sich selbst nicht in den Verdacht zu bringen, etwas zurückzuhalten, denn »gleich wie es mit allen sachen gehet, lex data, fraus inventa, so ist auch zu besorgen, daß hierunter viel ungereumbte händel practiciret undt zu verhinderung unserer religion vorgenommen werden möchten« – am 28. November 1660, unter Beilage von Bornmanns Brief, ans Konsistorium gelangen, wo seine Mitteilung am 7. Dezember einging, nachdem sie bei Hütterodt, offenbar in Erwartung weiterer Nachricht aus Reichensachsen, eine Weile liegengeblieben war. Mit Hütterodts Schreiben gelangte ein Brief des Lüderbacher Pfarrers Philipp Reichardt ans Konsistorium, den dieser am 6. Dezember 1660 an seinen Reichensächser Kollegen geschrieben hatte, den Hütterodt zuvor aufgefordert hatte, weitere Erkundigungen einzuziehen. Reichardt berichtet darin, er sei »von Juncker Curt Leopolden von Boyneburgk etc. bittlichen ersucht undt angesprochen worden, weilen seine adeliche haußfraw immerdar mit flüßen undt hauptbeschwerung beladen, daß sie nicht wol reisen könte, zumahlen bey so kaltem eingefallenen wetter, ich doch ihnen in ihrem adelichen hause das h[eilige]. abendmahl reichen wolte, welches ich ihme dann nicht wol abschlagen können, weil solches nichts newes […]. Hoffe derowegen nicht, daß es der Herr Vetter [= der Pfarrer von Reichensachsen, A. J.] in ungutem auffnehmen wirdt. Ich habe keine predigt, sondern nur einen kurzen sermon oder vermahnung gethan, und darauff coenam administriret, ist auch niemand auß der gemeine (ohne die Eschwegische Meyerin, alß ein frembdling) darzu kommen. Bitte ganz dienstfr[eundlich]. der H[err]. Vetter wolle michs nicht verdencken, daß ich ihm damahls nicht selbst zugesprochen, denn ich ganz nicht an der zeit gehabt […]. Daferne ja der H. Vetter einiges mißfallen ob solcher meiner verrichtung tragen wolte, soll es ins künfftige, ohne seinen consens nicht mehr geschehen«.

In seinem Bericht auf die Aufforderung des Konsistoriums vom 7. Dezember 1660, sich zu erkundigen, »ob ermelter Curdt Leopoldt von Boyneburgk sich extra casum necessitatis das heylige abendtmahl durch einen lutherischen prediger vor sich, sein weib und kinder habe reichen laßen, oder ob außer denselben jemandt frembdts oder von seinem hausgesinde darbey gewesen«,153 antwortete Hütterodt am 19. Dezember 1660, dass der Reichensächser Pfarrer »Bornmannus gestehet, es sey zwar die adeliche fraw mit vielen flüßen undt haubtbeschwerungen beladen, ob sie aber damals unpäßlich gewesen, könne er nicht erfahren, sey aber gewiß, daß des Eschwegischen meyers weib, so aus dem Henneber153 Siehe den Vermerk darüber im DTB Hütterodts, S. 1690 (15. Dezember 1660): »F. Consistorium will bericht haben, ob Curt Leopold von Boyneburgk ex casum necessitatis communion in seinem hause halten lassen, oder ob er auch andere darzu genommen. Ist an Bornmannum umb bericht geschrieben«.

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gischen ist, wie auch des Junckers gesinde mit communiciret habe, dan das andere gesinde so unserer confession zugethan, sey in der bettagspredigt gewesen. Ich kan alhier keinen casum necessitatis erkennen und bleibe bey meinem vorigen«.154

Ob daraus Konsequenzen für Curt Leopold von Boyneburg folgten ist nicht ersichtlich; möglicherweise ließ man die Sache, ob des nicht eindeutigen Sachverhalts, auf sich beruhen. Aber die reformierten Pfarrer waren wachsam und wollten ihren konfessionellen Widersachern – mit denen sie im Kleinen, wie der Kontakt zwischen dem Reichensächser und dem Lüderbacher Pfarrer zeigt, durchaus zusammenarbeiten konnten – über das bereits Gewährte hinaus nichts einräumen und reagierten daher alarmiert, wo sie Übertretungen witterten. Offenbar empfanden sie die Zugeständnisse an die lutherischen Adligen als Stachel im Fleisch, den sie nicht zum Geschwür ausarten lassen wollten. Auf Dauer konnten sie aber eine Diversifizierung im konfessionellen Gefüge der Landgrafschaft nicht verhindern. Der Eschweger Superintendent Johannes Hütterodt war aus seinem Zuständigkeitsbereich an der Werra schon gewöhnt, dass er das lutherische exercitium religionis in territorial umstrittenen Gebieten155 oder in Gemeinden mit nicht landsässigen Patronatsherren156 zwar missbilligen, nicht aber unterbinden 154 Der ganze Vorgang mit allen angeführten Schriftstücken, die, bis auf das Konzept des Schreibens des Konsistoriums an Hütterodt vom 7. Dezember 1660, als Ausfertigung beim Empfänger, dem Kasseler Konsistorium, vorliegen, befindet sich in StAM 22 a 3, Nr. 905 (Umschlag mit der Aufschrift: »betr. Inquisition gegen Curt Leopold v. Boineburg welcher extra casum necessitatis sich auff seinem Hauß zu Reichensachsen durch einen Lutherischen Prediger das Abendmahl reichen laßen 1660«). 155 So etwa in Großburschla, das zwar Hessen-Kassel für sich allein beanspruchte, das aber formal zur Ganerbschaft Treffurt mit den beiden weiteren Condomini Kurmainz und Kursachsen gehörte, weshalb sich die Annahme verbreitete, in Großburschla werde das Abendmahl nach lutherischem Ritus mit Hostien, in den eindeutig auf Hessen-Kasselschem Gebiet liegenden Filialen Altenburschla und Heldra aber nach reformiertem Ritus mit Brotbrechung gefeiert, siehe den Bericht des Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt über die Verhältnisse in der Ganerbschaft Treffurt an das Konsistorium in Kassel: »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt und Vogtey Langula« (um 1661), in: KKAE, Best. 4 Großburschla, Nr. 2, fol. 10r (eigene Zählung); hingegen die andere Darstellung im Schreiben von Georg Spillner, Pfarrer zu Großburschla, an das Konsistorium zu Kassel, Großburschla 1676 Januar 16, StAM 22 a 3, Nr. 849 (im Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. Betr. Irrung zwischen der Gemeinde Grosenburslar mit Heldra u. Georg Spilner Pfarrer daselbsten de a(nn)o 1675. 1676.«, darin das drittletzte Schreiben, fol. 2r): »Daher auch die Pfarr bey vielen verdechtig gemachet worden, in dem etliche ungewissenhafte leute ausgesprenget haben, als wenn zu GrossenBurschel die Ostien, zu Heldra aber und zu AltenBurschel das gebrochene Brodt administriret würde, da doch an allen dreyen Orten zu Heldra und zu Alten Burschel so wol, als zu Grossen Burschel die Ostien bey dem H. Abendmal, wie von uhralten zeiten her gebreuchlich gewesen, gebraucht worden«. 156 So in dem Dorf Lüderbach, über dessen Kirche dem Herzogtum Sachsen-Eisenach das Patronatsrecht zustand; siehe dazu die Einträge im DTB Hütterodts, S. 207 (24. Januar

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

konnte. Ihm fiel es daher wahrscheinlich leichter sich an die neue Linie des Landesherrn zu gewöhnen als seinem Kasseler Kollegen Neuberger, der sich eher widerstrebend zeigte, sich dieser neuen konfessionellen Offenheit zu fügen und möglicherweise auch darüber Anfang 1656 starb.157 Die Entwicklung in HessenKassel zeigt auch das langsame Auseinandertreten von kirchlicher und politischer Gemeinde. In den per Vertrag lutherischen Gebieten konnte es an einem Ort nun eine lutherische und eine reformierte Bekenntnisgemeinde geben, solange zu letzterer niemand gezwungen wurde. Das reformierte Bekenntnis entwickelte sich dabei zunehmend zu einer Loyalitätsreligion gegenüber dem Landesherrn.158

D)

Recht und Ordnung

1.

Die Entstehung und Verbreitung der Presbyterialordung von 1630 und der Widerstand des Adels gegen diese »Neuerung«

Sowohl an der Entstehung wie an der Verbreitung der Presbyterialordnung vom 7. April 1630159 war der Kasseler Superintendent Paul Stein maßgeblich beteiligt, darüber geben die Einträge in seinem Diensttagebuch der Jahre 1630/31 wie auch andere Dokumente, insbesondere aus dem Archiv der Familie derer von Dörnberg, die die Adelsopposition gegen die Umsetzung der Presbyterialordnung anstieß, Auskunft. Der Prozess der Ausarbeitung der Presbyterialordnung, ihre Quellen und die Abstimmungswege lassen sich anhand der Aufzeichnungen Paul Steins detailliert nachvollziehen. Zum 22. März 1630 notiert er als sechsten Eintrag in seinem Diensttagebuch: »Herr Theophilus Newberger, hoffprediger, berichtet, das unser gn. f. und herr sich wegen anrichtung des presbyterii erkleret und auff morgenden nach mittag umb 1 uhr die sach auff f. cantzley vorgenommen werden soll. Hab ich vermeldet, was deswegen 1641), S. 225 (24. April 1641), S. 409 (3. März 1644), S. 433 (27. Mai 1644), S. 453 (9. September 1644), S. 526 (23. Juli 1645), S. 531 (10. August 1645), S. 534 (17. August 1645), S. 536 (3. September 1645). 157 Brunner : Theophilus Neuberger, S. 580–583. Zur Position des Landgrafen Wilhelm VI. und Hütterodts bei der Konzeption der Kirchenordnung und Agende von 1657 (HLO II, S. 461– 554), siehe Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 600f. Anm. 10. 158 Dazu: Mayes: Kommunale Konfessionalisierung im ländlichen Oberhessen während der Regierung des Landgrafen Karl 1677–1730. 159 »Presbyterial- oder Eltisten-Ordnung Vom 7ten April 1630. Vnser, von Gottes gnaden, Wilhelms, Landgraven zu Hessen […] Welchergestalt, zu abschaffung eingerissener Ergernüß, vnd Pflantzung wahrer Gottseligkeit, im Eltisten Raht nach Christi Befelch verfahren, vnd was darin verrichtet werden soll«, HLO II, S. 45–52.

Recht und Ordnung

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hiebevor vorgegangen, und wie das eine presbyterialordnung abgefast, und in anno [1]621 auff Landgraff Moritzens f. gn. befehl von etlichen darzu deputirten geist- und weltlichen räthen, im rath abgelesen, censurirt und biß auff ihrer f. gn. gnedige approbation vollzogen sey.160 Diese presbyterialordnung hab ich neben andern dero zeit vorgelauffenen actis, ihme, dem hoffpredigern, zur nachrichtung zugeschickt, sich darinnen haben zu ersehen, und f. herrn räthen darvon zu referiren«.

Neben dem, was Johannes Crocius in seiner »Oratio historica de vita et obitu […] Dn. Mauritii«161 kurz über die Bemühungen Landgraf Moritz’, schon 1621 eine formale Presbyterialordnung zustande zu bringen, ausführt, haben wir hier mit der Notiz des damaligen Hofpredigers Paul Stein eine weitere, bestätigende Quelle darüber aus der Feder eines unmittelbar daran Beteiligten. Konnte Moritz – den Umständen der Zeit geschuldet –, so Crocius, nicht erreichen, was er wollte, so gebühre das Lob seinem Sohn Wilhelm V., der die Anfänge seines Vaters zur Vollendung geführt habe. Begleiten wir Paul Stein weiter auf dem Weg dahin. Am Tag nach dieser ersten Notiz, im dritten Eintrag zum 23. März 1630, berichtet er, was der damalige Hofprediger Theophil Neuberger ihm von seinen Verrichtungen in Sachen Presbyterialordnung bei der fürstlichen Regierung referiert: »Ehr Theophilus Newberger referirt, wie das er mit f. regierung wegen anrichtung des presbyterii geredet, und ihnen die churpfältzische presbyterialordnung vorgelesen, auch darbey, worinnen die hessische ordnung von der pfältzischen discrepire, vermeldet habe. Und hetten die räthe es vor rathsam befunden, das das ministerium undereinander wegen solcher discrepantien sich eins gewissen vergleiche, und darauff summam rei kurtz abfasse, und noch etwan vor dem [Oster-] fest eingehandigt werde«.

Hiermit wird die kurpfälzische Presbyterialordnung ins Spiel gebracht, an der sich, wie zu zeigen ist, die hessische bis in die Formulierungen hinein orientierte. Dabei erinnerte sich Paul Stein an einen anderen Anlass, die Einrichtung des Konsistoriums 1610/11, als die Kurpfalz schon einmal als Vorbild in Fragen der Kirchenorganisation diente: »Dieweil u. gn. f. und herr Landgraff Wilhelm zu Hessen. und f. regierung ihnen belieben lassen, dennechsten ein presbyterium dieses orts anzurichten, auch zu dem ende befohlen, das das ministerium daruber deliberiren solte; hab ich an den secretarium Johan Conrad Cellarium begehrt, die hiebevor in anno [1]611 bey anrichtung des Marpurgischen consistorii von Heidelberg anhero communicirte acten, als deren wir zu solcher deliberation vonnöthen haben würden, aufzusuchen, und dem ministerio zuzuschicken. Darauff hat gemelter secretarius diese acten mihr eingelieffert«.162 160 Heppe: Die Verfassung der evangelischen Kirche, S. 30. 161 Johannes Crocius: »Oratio historica de vita et obitu […] D[omi]n[i] Mauritii«, in: Mausolei Mauritiani pars altera, S. 3–54, hier S. 18f. 162 DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 25. März 1630, Nr. 2.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

Daraufhin lesen wir unter demselben Tagesdatum, zum 25. März 1630, im Diensttagebuch Paul Steins: »Ist mit dem ministerio wegen anrichtung des presbyterii geredt, und ist die churpfältzische presbyterialordnung abgelesen, und von denen puncten, darinnen sie von der hessischen discrepiret, deliberirt und geschlossen worden, wie folget. […]«, worauf Anmerkungen zu einzelnen Titeln und Paragraphen vorgenommen werden.163 Am Ende dieser protokollierten Deliberation des Kasseler Predigerministeriums heißt es: »Ist dem superintendenten committirt, angeregte posten der pfältzischen presbyterialordnung einzurucken, und sie alsdan, jedoch ohne den titul, das es die pfältzische ordnung sey, mundiren zu lassen. Under desen sollen die ministri jeder kirch auff gewisse tuchtige personen, so aus ihrer gemein vorgeschlagen werden können, bedacht sein, und selbige morgenden tags dem superintendenten benennen, damit das ganze verzeichnuß deren, so vorgeschlagen werden, zugleich mit der ordnung ihrer f. gn. underthenig eingehändiget werden möge«, woraufhin Paul Stein am folgenden Tag, dem 26. März 1630, als ersten Eintrag in seinem Diensttagebuch vermerkte: »Die pfältzische presbyterialordnung ist von mihr, dem superintendenten, revidirt, und dasjenige, so gestrigs tags darbey erinnert worden, hinein geruckt, und nachmals ad mundandum ubergeben worden. So ist auch ein verzeichnuß deren personen, so von hoff, f. cantzley, der schul, rath, und aus allen gemeinen zum presbyterio vorgeschlagen, verfertigt, und neben der presbyterialordnung dem hoffpredigern, Ehrn Theophilo, zugeschickt worden, ihrer f. gn. dieselbe underthenig einhandigen zu lassen«.

Die Verkündung der neuen Ordnung erfolgte an Steins Wirkungsort als Dekan in der Kasseler Stiftskirche St. Martin. Als zusammenfassenden Publikations163 Die kurpfälzische Presbyterialordnung findet sich in EKO Bd. 14 (Kurpfalz), S. 448–450 (Nr. 50: »Officium presbyterorum [für Rheinpfalz und die vordere Grafschaft Sponheim von 1571]«), und S. 593–603 (Nr. 100: »Presbyteri- oder altistenordnung, wie es damit in churfurstlicher Pfaltz gehalten werden soll [wohl von 1601]«, nach der Einleitung des Bearbeiters, J. F. Gerhard Goeters, auf S. 87 bisher nur handschriftlich bekannt, muss aber »nach ihrem eigenen Zeugnis gedruckt vorgelegen haben«); an dieser letztgenannten Ordnung hat sich das Kasseler Predigerministerium orientiert, die in dem Protokolleintrag im Diensttagebuch gemachten Anmerkungen folgen ihr in Titel und Abschnitt genau, z. B. heißt es unter dem ersten beratenen Punkt: »Ad. Tit. 2. Ob die Seniores perpetui seyn, oder die helffte alle jahr erlassen werden sollen. Ad § 1. Man lest sich die pfältzische ordnung gefallen, da einer oder ander dimittirt zu werden begehrt, das doch zum wenigsten die helffte järlich behalten werden solle«. Bis auf die in der publizierten Fassung tatsächlich erscheinenden Änderungswünsche der Kasseler Prediger – außer : »Ad Tit. 4. […] § 4. Soll sub finem eingerückt werden: Da aber einer oder der ander sunder gantz desperat wehre, solle das presbyterium mit vorbewust und bewilligung der hohen oberkeit zur excommunication schreiten.« –, die sich im DTB Paul Steins protokolliert finden, entspricht die hessische Presbyterialordnung der kurpfälzischen in weiten Teilen im Wortlaut (diese Feststellung schon bei Münch: Zucht und Ordnung, S. 128 Anm. 44)! Außerdem wurde die 1609 in der kurpfälzischen Kanzlei angefertigte Abschrift dieser Ordnung, die den EKO als Druckvorlage diente, »zur Einrichtung ref. Kirchenwesens in der Grafschaft Hanau-Münzenberg dorthin überstellt« (EKO Bd. 14 [Kurpfalz], S. 593 Anm. 1).

Recht und Ordnung

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befehl schrieb der Kanzler Henrich Lersner an das Ende der Presbyterialordnung von 1630 den Vermerk: »Diese Christliche Verfassung ist auff […] Herrn Wilhelms Landgravens zu Hessen […] sonderbaren gnedigen Befelch, heute Mittwochens den Siebenden Tag Aprilis vorgedachten Jahrs, alhiero zu Cassel in der Freyheiter Kirchen, nach allgemeiner derhalb sonderlich angestellter Bettags Predigt, in Ihrer Fürstl. Gn. selbst persönlichen Gegenwart, und sehr volckreicher versamblung, der Gemeine von der Cantzel offentlich abgelesen, und publicirt worden«.164

Die Residenzstadt Kassel, die dortigen Kirchen und Pfarrer nahmen bei der Erarbeitung und Inkraftsetzung der Presbyterialordnung eine Sonderrolle ein. So liefert die von Paul Stein berichtete Anfertigung eines Verzeichnisses »deren personen, so von hoff, f. cantzley, der schul, rath, und aus allen gemeinen zum presbyterio vorgeschlagen«, einen Beleg für die Umsetzung des dritten und vierten Paragraphen im zweiten Titel der Presbyterialordnung, neben der »Anzahl der Eltisten«, nach Gelegenheit jeder Stadt und Gemeinde, wird dort für Kassel verordnet: »§. 3. […] In vnserer Haupt vnnd ResidentzStadt aber sollen vber das zum wenigsten zween von vnserm Fürstlichen Hoff, zween von vnserer Cantzeley, wie dann auch etliche von den Professoribus zu Seniorn angenommen vnd bestelt werden. »§. 4. Diese EltistenWahl sol jetzo zum Anfang bey Anstellung der Presbyterien, in Vnser ResidentzStadt vom Ministerio beschehen, welche vns die erwehlte Persohnen Benahmen sollen, darauff Wir die gnädige Verordnung thun wollen, daß von Vnser Regierung sie auff vorgangene Erinnerunge jhres Ampts, zu Senioren confirmirt und bestettiget, auch folgends von den Cantzeln den Gemeinden recommendirt vnnd anbefohlen werden. Auffm Lande aber sol anfangs die Wahl von den Pfarrherrn jedes Orts, mit zuthuung der Greben vnnd Vorsteherrn, auch auff zuvor eingeholten rath der Metropolitanorum: die confirmation aber in vnserm Nahmen von vnsern Beampten geschehen. Ins künfftige aber, nach dem die Presbyteria angerichtet, sol die Wahl vnd confirmation der Senioren beym gantz Presbyterio stehen, jedoch daß diejenigen, so von Vnserm Fürstl. Hoff vnnd Cantzeley in vnser HauptStadt dem Presbyterio als mit ältesten beywohnen, an vnser Stadt vnsern gnedigen consens vnnd Bewilligung darbey erklären: Auffm Lande aber, wann Seniores zu bestettigen seynd, sollen jederzeit vnsere Beampten zum Presbyterio erfordert werden, welche dann auch hiermit befehlicht seyn sollen, auff Erforderung solchem Actui confirmationis beyzuwohnen«.165

164 Presbyterialordnung 1630, HLO II, S. 51. 165 Presbyterialordnung 1630, HLO II, S. 47 (Titel II. »Von der Eltisten Wahl, was für Personen, wie viel derselben, wann, von wem, vnd wie sie sollen erwehlet, confirmiret, vnd proclamiret werden«, Teile der Paragraphen 3 und 4).

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

Vielleicht war die Anordnung und Anwendung der neuen Regeln in der Stadt Kassel zunächst als Probephase gedacht, denn erst am 17. November 1630 notiert Paul Stein im zweiten Eintrag zu diesem Tag in seinem Diensttagebuch: »Seindt die pfarrherr aus dem gantzen ambt Cassel hier gewesen, undt ist die presbyterialordnung angeordnet«. Datiert erst unter dem 1. Oktober 1630 hatte Paul Stein einen Befehl vom Landgrafen zur Verteilung von 250 Exemplaren der Presbyterialordnung in seinem Superintendenturbezirk erhalten; dabei fällt auf, dass Paul Stein auf der Adressseite neben dem Rückvermerk »Presbyterium anzuordnen« als Präsentatdatum dieses Schreibens sogar erst den 1. November 1630 vermerkte: »Würdiger undt hochgelarter lieber getrewer, demnach wir auß gewißen undt wohlbedächtigen uhrsachen sonderlich aber zu abwehrung der hin undt wieder eingerißener grober laster in unßerm fürstenthumb jedes orts in stätten undt dörffer ein presbyterium ahnzuordtnen bewogen worden, zu dem ende auch eine gewiße ordtnung abfaßen undt durch den truck publiciren laßen, als thun wir euch vonn solcher presbyterialordtnung 250 exemplaria uberschicken undt ist darauf unßer befelch in gnaden, daß ihr in allen stätten undt amptern ewerer ahnbefohlenen superintendentz mit zuziehung jedes orts beampten nach inhalt angedeuteter ordtnung solch presbyterium anordtnet undt mit vleiß dahin sehet, daß der ordtnung allenthalben gelebt undt mit vleiß nachgangen werde«.166

Abschriftlich hat sich, wenn auch ohne Adresse, aber durch den Eintrag im Diensttagebuch klar zuordenbar, im »Copialbuch« der Suprintendentur Kassel das Ausschreiben erhalten, mit dem Paul Stein die Pfarrer des ganzen Amtes Kassel auf den 17. November 1630 zu sich bestellte. Das Schreiben vom 6. November 1630 enthält überdies eine Zahlangabe, für wie viele Haushalte ein Senior in der Regel zuständig sein sollte. Nachdem der Landgraf »zu abwehrung der hin undt wieder eingerissenen groben laster« in seinem Fürstentum »jedes orts in städten undt dörffer[n] ein presbyterium anzuordnen bewogen worden« und dazu eine Ordnung habe »abfaßen, und durch den truck publiciren laßen«, schreibt Stein an die Pfarrer, dass »es nunmehr an dem sein will, daß den nechsten zu ahnstellung der presbyterien auffm lande geschritten werde. Alß ist im nahmen vor hochgedachter I. f. gn. mein ernster befehl, [dass ihr] gewisse personen, nach eines jeden orts gröse, also daß ein jeder senior 15 oder aufs höchste 20 haußgesessene in seiner aufsicht habe, hierzu vorschlagt, welche ihrer gottseeligkeit halber bevor andern ein gut zeugnüß haben, neben solchen personen auch künfftigen mitwochen, wirt sein der 17. dieses nachmittag umb

166 Landgraf Wilhelm V. an Paul Stein, Superintendent des Bezirks Kassel, Kassel 1630 Oktober 1, StAM 318 Kassel, Nr. 1322.

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1 Uhr alhier vor mihr undt den beampten erscheint, sollen die seniores alß dan confirmiret, undt die presbyterial ordnung euch zugestellet werden«.167

Schon lange vorher waren aber in Hessen Presbyter/Senioren/Älteste bekannt, dafür hatte der Straßburger Reformator Martin Bucer in der maßgeblich von ihm beeinflussten »Ziegenhainer Zuchtordnung« von 1539 gesorgt.168 Mit der Institutionalisierung von Presbyterien als Beteiligungsinstrument erfahrener Gemeindeglieder an der Aufsicht über die Gemeinde und als Mittel zur gegenseitigen Sozialkontrolle, um Lehre und Leben in eine stärkere Übereinstimmung zu bringen, ging Bucer auf eine Forderung der Wiedertäufer ein und nahm ihnen damit zugleich den Wind aus den Segeln, sodass sie keinen Grund mehr zur Absonderung hatten und in die regulären Gemeinden zurückkehren konnten. Beibehalten wurde dieses Element der Beteiligung der Gläubigen an der Kirchenaufsicht auch in der ein Jahr vor dem Tod Landgraf Philipps des Großmütigen ergangenen Kirchenordnung von 1566.169 In der Agende von 1574 finden die Senioren im Abschnitt über die Kirchenbuße Erwähnung,170 ohne dass nochmals gesondert auf deren Einsetzung eingegangen wird. Im Laufe der Zeit hatte sich die Bestätigung der von der Gemeinde erwählten Senioren durch den Superintendenten herausgebildet, so finden sich in den erhaltenen Diensttagebüchern Paul Steins für die Jahre 1622/23, 1628 und 1629 zahlreiche Einträge darüber.171 Mit der Presbyterialordnung von 1630 wurde diesen Mitarbeitern am 167 Paul Stein an die Pfarrer des Amtes Kassel (Adressaten neben dem Briefinhalt erschlossen aus Eintrag im DTB 1630/31 zum 17. November 1630), Kassel 1630 November 6 (Abschrift), StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 118v. 168 »Ordennung der Christlichen Kirchenn zucht, Für die Kirchen im Fürstenthumb Hessen«, EKO Bd. 8, S. 101–112, hier S. 102–104; zu den Kontinuitäten und Diskontinuitäten der hessen-kasselschen Presbyterialverfassung seitdem, Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, S. 47–51 (§ 14). Hans Schneider macht darauf aufmerksam, dass schon die nicht in Kraft gesetzte Homberger Kirchenordnung (Reformatio Ecclesiarum Hassiae) von 1526 »an mehreren Stellen von seniores spricht (Abschn. 54, 72, 73, 111, 115; EKO 8/1, S. 51, 54, 58)« (Schneider : Formierung, S. 92 Anm. 113), die dort aber in das System einer stärker von der Obrigkeit unabhängigen Gemeinde eingeordnet sind. 169 Kirchenordnung 1566, EKO Bd. 8, hier S. 207–209 (Abschnitt »Wie man die eltesten zur verwaltung der kirchen erwelen und ordiniren sol«). 170 »Agenda Das ist: Kirchenordnung wie es im Fürstenthumb Hessen mit verkündigung Göttliches worts, reichung der heiligen Sacramenten vnd andern Christlichen handlungen vnd Ceremonien gehalten werden soll«, EKO Bd. 8, hier S. 457–461 (Abschnitt »Forma der offentlichen poenitenz und absolution einer person, welche mit ihrem unordentlichen leben ein ganze christliche gemeine verergert hat«). 171 Unter anderem DTB 1622/23, Eintrag zum 2. November 1622, Nr. 1: »Pfarher von Weimar, Ehr Paul Weishaubt, zeigt an, er hab einen Seniorn, Herman Engelhard, erwehlt. Bittet, das er möge seines Amtbs erinnert, und zum Seniorn confirmirt werden. Soll auf den Montag bei mir hinnen sein«, und zum 21. Dezember 1622: »Hab ich zween Seniorn naher Weimar confirmirt und bestettigt, Herman Engelharden und Henrich Schauben; Ihnen auch schreiben an den Greben daselbst Bastian Schauben mitgegeben, ihnen die hulffliche handt, da vonnöthen, zu bieten«; DTB 1628, Eintrag zum 2. März, Nr. 1: »M. Georg Wernecke,

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

geistlichen Bau in Hessen erstmals eine gesonderte Ordnung gewidmet. Waren die Presbyterien im Land einmal errichtet, sollte jährlich nach Weihnachten durch das Presbyterium selbst die Neuwahl seiner Mitglieder erfolgen, die – nach den oben zitierten Passagen aus § 4 des zweiten Titels der Presbyterialordnung – auf Erfordern in Gegenwart der weltlichen Beamten des Landesgrafen bestätigt werden sollten, was aber tatsächlich durch die Metropolitane geschah.172 Wahlverfahren und Aufgaben der Ältesten wurden durch die neue Ordnung viel detaillierter geregelt als dies vorher der Fall war und ihre Tätigkeit ausdrücklich von der weltlichen Obrigkeit abgegrenzt. Die Anzahl der Ältesten war nicht festgelegt, sie sollte sich nach der Größe und den Erfordernissen jedes Ortes und jeder Gemeinde richten, der Sinn der Ordnung erforderte aber mindestens zwei, die so ausgewählt werden sollten, »daß alwege etzliche auß dem Raht oder Gericht jedes Ortes, (Schultheiß vnd Regierende Bürgermeister pfarher zu Hombressen berichtet, das ihm ein senior daselbst mangele. Schlegt dazu vor Diethard Schopfen, welcher dan auch von mir zu solchem ambt bestettigt worden«; DTB 1629, Eintrag zum 19. November, Nr. 2 (fol. 54v): »Pfarrher zu Holtzhausen, Ehr Crispinus, schlägt zu seniorn vor, Borgen Dauden und Johann Beckern naher Holtzhausen, und Ludwig Diederichen naher Wilhelmßhausen. Seind darzu confirmirt und bestettigt worden«. Die Diensttagebücher liefern überdies zahlreiche Belege für die Tätigkeit der Senioren, wenn schwerwiegende Fälle nach mehreren unfruchtbaren Ermahnungen (Verfahrensweise unter Einhaltung der sogenannten »gradus admonitionum« nach Matth. 18, 15–18) an den Superintendenten gelangten, der die Uneinsichtigen daraufhin oft vorlud. Die größte Fallgruppe sind strittige Eheversprechen und Unzuchtsfälle mit verweigerter Kirchenbuße, aber auch Verstöße gegen das Gebot der Feiertagsheiligung, wie der folgende Fall aus Steins Diensttagebuch zum Jahr 1628: »Pfarher zu Groß Allmerode, Henrich Schlichting, berichtet schrifftlich, das Frantz Seitz, einwohner und becker daselbst, deme ohnlangst publicirtem verbott zuwider, under der predigt des sontags backe. Und ob er und die senioren ihn wohl deswegen zur rede gesetzt, und die in der kirchenordnung benampte straffe von ihm gefordert, hette er sich doch gantz hallstarrig erklärt, er wüste ihnen nichts zu willen; könnte zu hauß eben so wohl Gottes wort lesen, als wan er es in der kirch hörete. Bittet der pfarher, solche verachtung zu bestraffen. Ist auff nechstskünfftigen mitwochen vor mir zu erscheinen, anhero citirt, und deswegen an den Greben zu Groß Allmerode geschrieben worden« (Eintrag zum 17. Mai 1628, Nr. 7). Über die Rechtfertigung des Bäckers heißt es daraufhin im ersten Eintrag zum 21. Mai 1628: »Frantz Seitz von Groß Allmerode erscheint, und ist ihm, das er den sabbath entheiligt, auch dem gehorsam des pfarhers und seniorn sich nicht untergeben wollen, ernstlich verwiesen worden. Thut darauff seine entschuldigung, das er den sonnabendmorgen gesewert gehabt und backen wollen, wehre aber daran durch herrndienst verhindert worden. Sagt zu, inskünfftige des sontags sich des backens zu enthalten, auch dem pfarhern und seniorn gebührenden respekt und gehorsam zu erweisen«. Einträge dieser Art geben auch wertvolle Einblicke in das örtliche Sozialleben. 172 So heißt es im Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1630/31 zum 11. Juni 1631: »Der Pfarrherr zu Wolffhagen begehrt bericht wie [er] sich verhalten soll in folgenden 4 puncten: 1. Weil die von Malßburg die Senioren nicht allein selbst erwehlet, sondern ohn erfordern des Metropolitani confirmiren wollen. Ist folgents rescript ertheilet: Der Metropolitanus soll an die von der Malßburg schreiben, daß ihme die confirmation deren von ihnen vorgeschlagenen Senioren zu verrichten anbefohlen sey. Da sie sich nuhn desen verwegern, hat ers anhero zu berichten, undt sich fernern bescheits zu erholen«.

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außgeschlossen) die andern auß der Gemeine, vnnd wo möglich, nach den Quartiren hinzu gezogen werden«,173 den Vorsitz des Gremiums führte der jeweilige Pfarrer, gab es mehrere Pfarrer, so wechselte das Präsidium quartalsweise unter ihnen.174 Die detaillierten Regelungen waren mit ein Grund für die Opposition der Adligen gegen die neue Ordnung, außerdem beschwerten sie sich darüber dass sie diese erst von den Pfarrern oder Metropolitanen bekommen hätten, ohne dass sie ihnen direkt zugeschickt worden wäre, wie dies bisher bei neuen (Kirchen-) Ordnungen üblich gewesen sei. So sah sich die Fürstlich Hessische Regierung zu Kassel am 22. Dezember 1630 veranlasst, an den Superintendenten Paul Stein zu schreiben: »Nuhn kompt uns für, nach dem bey anordnung disses werks, sonderlich aber bey election und confirmation der seniorum die vom adell im land, bevorab ahn denen orten, da sie die civil und criminal jurisdiction herbracht, der gebuhr nicht ersucht und requirirt worden, daß sie dahero ihre hindersassen zue vorhabender bestellung außfolgen, und hierzu bestetigen zu lassen, bedenckens tragen sollen. Wan dan hochgedachter unser gnediger furst und herr durch diesse wohlgemeinte christlöbliche ordnung dem adell ahn ihrer herbrachten mittelbahren obrigkeit einigen eintrag zu thun nicht gemeinet, und billich daß jedes orts obrigkeit zu volnstreckung disses wohlgemeinten wercks mit zugezogen werde, so habt ihr die unfehlbare versehung zu thun, damit ir solcher in gedachter ordnung vorgeschriebener anstellung in ewrem becirck gesessene vom adell, da sie die jurisdiction herbracht, hierin geburlich ersucht und requirirt, und also erwehnte ordnung in ihren richtigen stand gebracht werden möge […]«.175

Bei den Gebrüdern Ludwig und Burkhard (»Burckhardt«) von Dörnberg sorgte, »[w]aß f. regirung zue Cassell, wegen der neue ausgangenen undt publicirten presbyteriall ordtung, undt confirmation der seniorn, an den Hern Superintendenten Steinium, undt derselbige fürterß an die metropolitanos« geschrieben 173 Presbyterialordnung 1630, HLO II, S. 47 (Titel II, § 3). 174 Presbyterialordnung 1630, HLO II, S. 48 (im Titel IV. »Wann, vnd wie offt die Eltisten zusammen kommen, vnd was alsdann jhre verrichtungen seyn sollen«, § 2). 175 Fürstlich Hessische Regierung an Paul Stein, Superintendent des Bezirks Kassel, Kassel 1630 Dezember 22 (Abschrift), StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606. Paul Stein leitete dieses Begehren mit einem Begleitschreiben vom 24. Dezember 1630 an die Metropolitane seines Bezirks weiter, Ebd. (Abschrift), wobei er mit Blick auf das Schreiben der Regierung bat: »Werdet derowegen ahn ewrem ort, solchem befehl gemes mit denen in ewer class gesessenen vom adell, euch eines gewissen tages zu vergleichen, und diejenige personen, welche sie aus ihren underthanen zu seniorn furschlagen, in unsers gn. landtsfursten und herrn Landgraff Wilhelmen zu Hessen etc. als episcopi nahmen in ihrer deren vom adell oder ihres gevolmächtigten gegenwarte, zu confirmiren und bestetigen wissen, wie ihr den hiermit befehlicht seyn sollet, den nechsten wie es mit anordnung der presbyterien, so wol in denen adelichen dorffschaftten, als auch sonsten ahn denen andern orten ewer class abgelaufen sey, zur nachrichtung umbständig ahnhero zu berichten«.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

hat,176 für Unruhe, sodass sie den Obristen Asmus von Baumbach, als einflussreiches Mitglied der hessischen Ritterschaft, um Rat fragten: »Ob nuhn wol darfur gehalten werden möchte alß ob dieß vornehmen undt confirmatio der seniorn, dem iuri episcopali anhängig, undt unß daher zue keinem nachtheil gereiche, jedoch aber weil eß wieder herkommen, solche seniorn auch albereitß hievoriger f[ürstlich]. hessischer kirchenordtnung nach bey unseren kirchenn undt gemeinen angeordtnett undt bestettiget, undt man sich ferner anerbietig machen kann, daß die publicirte ordnung in gebuhrlicher obacht gehalten werden solle, so hatt man unserß erachtenß nicht ohnzeittigeß bedenckens zue tragen, ob also blöslich zue dieser neuerung, die ohne daß gemeiniglich etwaß mehrerß, alß anfangß scheinet, uf sich tragen, zue verstehen, haben derwegen nicht underlassen wollen, deß vettern meinung hieruber« zu vernehmen.177

Die von Dörnberg erwogen, ob deswegen – sollten die Metropolitane die Adligen in dieser Angelegenheit weiter bedrängen – die gesamte Ritterschaft oder jeder Adlige einzeln ein Schreiben an die Kasseler Regierung richten sollte, um darzulegen, dass bei ihnen schon Senioren angeordnet seien, die auch über ihr Amt nach der alten Kirchenordnung belehrt würden, weshalb sie eine weitere Verordnung, die zudem zwangsläufig mit Unkosten verbunden sei, für unnötig hielten. Falls Asmus von Baumbach ein Gesamtschreiben befürworte, solle er solches selbst aufsetzen, sie zweifelten nicht, dass andere Mitglieder der Ritterschaft in derselben Lage solches mitunterschreiben würden. In seiner Antwort vom 16. Januar 1631 sprach sich von Baumbach dagegen aus, solche Neuerungen unwidersprochen hinzunehmen, da daraus »leichtlich praeiudicia« erwachsen könnten, weshalb er riet, sollten die Metropolitane keine Ruhe geben und auf dem Befehl der fürstlichen Regierung bestehen, hielte er das angedachte Samptschreiben für überlegenswert, »mitt einführung allerhandt motiven, undt sonderlich mitt trewer warnung vor neuerlichenn kirchen ordtnung, so albereit alzu viell geschadet«.178 Eine Stunde nachdem Asmus von Baumbach dieses Schreiben abgeschickt hatte, schickte er ein zweites hinterher, da er seitdem »der sachen ettwas weitter nachgedacht und befunden, weil von denselben besser zu reden als zu schreiben ist, das dan eine mundliche form darzu erfordert werden

176 Die Gebrüder von Dörnberg geben an, »solches ist unß von dem Hern Pfahrhern zue Neuekirchen Philippo Strackio, durch unsern pfahrhern zue Lingelbach communiciret worden«. Die Schreiben der Regierung an Paul Stein und Paul Steins an die Metropolitane liegen diesem Schreiben derer von Dörnberg an Asmus von Baumbach als Abschriften bei. 177 Ludwig und Burkhard von Dörnberg (»Doringenbergk«) an den Obristen Asmus von Baumbach den Älteren in Nassenerfurt, Hausen 1631 Januar 14 (adressiertes zurückbehaltenes Exemplar einer doppelten Ausfertigung?), StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606. 178 Asmus von Baumbach an Ludwig und Burkhard von Dörnberg, Nassenerfurt 1631 Januar 16, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606.

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wollte«, wofür er, seiner »itzigen leibs unpaslicheitt« wegen, bat, zu ihm zu kommen.179 Auch der hessische Erbmarschall Volprecht Riedesel zu Eisenbach, an den die von Dörnberg offenbar ein ähnliches Schreiben geschickt hatten wie an Asmus von Baumbach, war der Meinung, dass »dieses procedere dem herkommen gantz zuewiedter leufft, in deme ich befindte, daß alß die vier herrn undt gebruedere fursten undt landtgrafen zue Heßen nuhnmehr in Gott ruhendte, die noch im landte gebreuchliche kirchenordtnung sich verglichen, jederm adelichen geschlecht im landte, welches sein bottmeeßigkeit gehabt, ein exemplar derselben zugeschickt, auch forters mit andern neuwen ordtnungen also gehalten wordten: So bin ich desto mehr mit ihnen gantz einig, daß man anderst nicht wohl können werdte, alß ingesampt dieser newerung sich zu beschweren, undt es bey dem herkommen zue laßen, der gebuer zu bitten, undt sich darnebendt uff solchen fall, zue aller beförderung ahnerbietig zue machen«.

Riedesel legte seiner Antwort vom 19. Januar 1631 einen Entwurf für ein Schreiben bei, das die Pfarrer der adeligen Gerichte ihrem jeweiligen Metropolitan schicken sollten, der sie drängte, auf die Umsetzung der neuen Presbyterialordnung durch die Adligen hinzuwirken. Würden diesem Vorgehen alle übrigen Adligen zustimmen, verband Riedesel damit die Hoffnung, es würde »uf solche anttwordt […] enttweder Illustrissimus vermuhtlichen selbst schreiben oder durch die rhät schreiben laßen«, worauf die Ritterschaft »einer gesampten, der sachen undt herkommen gemeßen anttwortt sich mitteinandter vergleichen« könnte.180 Die Gebrüder von Dörnberg hatten sich in dieser Form auch noch an ihre Standesgenossen Christoph Wilhelm Diede zum Fürstenstein181 und Philipp Ludwig von Wallenstein182 gewandt, von denen sie Antworten erhielten. Inhaltlich handelte es sich bei der Presbyterialordnung um keine wirkliche Neuerung, das erkannten auch die Adligen, ihre Kritik richtete sich primär gegen das Verfahren ihrer Publikation, dass ihnen die Ordnung bisher nicht direkt 179 Asmus von Baumbach an Ludwig von Dörnberg, Nassenerfurt 1631 Januar 16, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606 (letztes Schreiben in diesem Konvolut). 180 Volprecht Riedesel zu Eisenbach an Ludwig und Burkhard von Dörnberg zum Herzberg, Ludwigseck 1631 Januar 19 (praes.: Hausen 1631 Januar 23), StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606. 181 (Christoph Wilhelm?) Diede zum Fürstenstein an Ludwig von Dörnberg auf Herzberg, Hainich (?) 1631 Januar 14, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606. Bei dem Schreiber des Briefes, der nur mit »Ch. D. zFürstenstein« unterschrieb, handelt es sich wahrscheinlich um den kaiserlichen Rat und Vater des hessen-darmstädtischen Reichstagsgesandten und Burggrafen von Friedberg Hans Eitel Diede zum Fürstenstein, der erwähnt wird bei: v. Lehsten: Die hessischen Reichstagsgesandten im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 2, S. 243–255, hier S. 252. 182 Philipp Ludwig von Wallenstein an Burkhard von Dörnberg, Neuenstein 1631 Januar 22, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

zugeschickt wurde, sondern sie erst über ihre Pfarrer davon erfuhren. So formulierte es auch Christoph Wilhelm Diede zum Fürstenstein, er habe bisher von der Presbyterialordnung »weitter nichts vernommen, als das der metropolitanus anhero kommen wolle und der anordnung beywohnen wolle, daruf ich geantwortet, ich wolte wie bißhero herkommens die seniores, gleich andern meines gleichen getahn, anordnen, wolte aber der Herr Metropolitanus hernach bey der publication der presbitorial ordnung sein, könte ich ihme gönnen, dabey er es bleiben zue lassen sich vernehmen lassen. Da nuhn mein gevatter vermeinet das hierdurch etwas zue weit gangen und andern ein eingang gemacht wurde, wolle er michs in guttem vertrauen berichten […]«.183

Die Adligen scheinen tatsächlich interveniert zu haben, denn unter dem 13. Mai 1631 erhielten Ludwig und Burkhard von Dörnberg ganz in ihrem Sinne ein gedrucktes Ausschreiben der Fürstlich Hessischen Regierung zu Kassel, mit dem ihnen ein gedrucktes Exemplar der Presbyterialordnung zugestellt wurde, »im Nahmen hochermelts vnsers gned. Fürsten vnd Herrens begehrend/ vor vns freundlich gesinnend/ das jhr dahin sehet/ daß dieselbe auch in ewern Dorffschafften eingeführet: vnnd der gebühr darüber gehalten/ auch den Pfarherren zu deren einführung vnnd gehörigen Observantz die Hand deßfals gebotten werde«.184 So fand das Beharren der Adligen auf ihren hergebrachten Rechten letztlich beim Landgrafen Gehör, der ihr Begehren offenbar als nicht unberechtigt ansah und sich mit der individuellen Zusendung der Presbyterialordnung an die Adligen seines Landes deren notwendige Kooperation bei ihrem Vollzug sicherte.

2.

Die Entstehung landesherrlicher Ordnungen im Spannungsfeld zwischen Zwang zur Seligkeit und Realismus

Die Mitwirkung Hütterodts und Neubergers († 1656) an der Erarbeitung der Unterschulordnung sowie der Reformationsordnung in Kirchen- und Policeysachen von 1656 und der Agende von 1657, die am 15. Januar 1657 zu der Beschwerde des Kasseler Predigerministeriums über Hütterodt führte, »daß der superintendens von Eschwege der direction in allem sich anmaßet« und ihnen 183 (Christoph Wilhelm?) Diede zum Fürstenstein an Ludwig von Dörnberg auf Herzberg, Hainich (?) 1631 Januar 14, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606. 184 Das handschriftlich »Den Ehrnvesten unßern guten freunden Sämptlichen vonn Doringenbergk« adressierte gedruckte Begleitschreiben zur Übersendung der Presbyterialordnung liegt als oberstes Stück ein im Konvolut StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1606 (Aufschrift auf beiliegendem Zettel: »Collatursachen und außschreiben wegen der presbyterial ordnung«); dieses »Regierungs-Ausschreiben Mit welchem die Presbyterial- oder AeltestenOrdnung in das Land ergangen« findet sich auch in HLO II, S. 60.

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ungefragt fremde Bräuche aufdränge – gründlich untersucht von Heinrich Heppe –,185 hat bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit Erwähnung gefunden. Dazu dokumentieren eigenhändige Korrekturen in (Probe-) Drucken neuer oder erneuerter Policeyordnungen mit geistlichem Inhalt die intensive Einbindung des Kasseler Superintendenten Neuberger in das Verfahren der Normgebung und -verkündung.186 Auch die oben thematisierte kollegiale Erarbeitung der Presbyterialordnung von 1630 ist ein anschauliches Beispiel für die Einbeziehung der Superintendenten und hier des ganzen Predigerministeriums in den Prozess der Verordnungsgebung. Im Folgenden soll die vermutlich unter Mitwirkung von Theophil Neuberger entworfene, im Namen der Regentin Amelie Elisabeth unter dem 20. Juli 1642 publizierte Feiertagsordnung thematisiert werden, die hohen ethischen Maßstäben zur Durchsetzung verhelfen sollte. Die ursprüngliche Idee, zur Sicherstellung der Arbeitsruhe, an Sonn- und Feiertagen Stadttore und Zugbrücken – vor allem in der Residenzfestung Kassel, aber auch an anderen Orten – den ganzen Tag geschlossen zu halten, kollidierte als impraktikabel mit der Realität der Erfordernisse des wirtschaftlichen Alltags, insbesondere der ärmeren Bevölkerungsschichten. Darauf wiesen mehrere überlegt argumentierende Stellungnahmen hin. Anschließend soll Neubergers politisch-theologische Zeitdiagnose, in der er in einer Stellungnahme zum Entwurf einer umfassenden »Newen Ordnung« die mangelnde Normakzeptanz der »Unterobrigkeit« für das Vollzugsdefizit landesherrlicher Ordnungen verantwortlich machte, in Beziehung gesetzt werden zu staatstheoretischen Entwürfen der Zeit und zu den ethischen Empfehlungen für ein christliches Leben, die er selbst in seinem Buch »Zungenzaum« formulierte.

185 Heppe: Die Einführung der Verbeßerungspunkte in Hessen von 1604–1610 und die Entstehung der hessischen Kirchenordnung von 1657 als Beitrag zur Geschichte der deutschreformierten Kirche urkundlich dargestellt; das Zitat stammt aus dem dritten Dokument im Anhang: »Beschwerdeschrift des geistlichen Ministeriums zu Kassel, die Ausarbeitung und Veröffentlichung der neuen Kirchenordnung betreffend«, S. 226–240, hier S. 227. 186 Siehe das bereits angesprochenen Ausschreiben Neubergers selbst vom 9. August 1639, das er mit Erlaubnis der Regierung an die Metropolitane seines Bezirks verschickte, zur Neuregelung der Vergabe ledig gewordener Kirchenstände und zur Forderung von Kasualiengebühren durch die Pfarrer, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 72. Korrekturen von Neubergers Hand finden sich auf dem ersten Druck des Ausschreibens der Regentin Amelie Elisabeth vom 28. April 1649 über die unbedingte Heiligung und Arbeitsruhe »an denen zu Gottes Ehren geordneten Beth- Fest vnd Feyertagen/ sonderlich aber den Sontagen«, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 90, die Korrekturen von der Hand Neubergers wurden in dem folgenden Druck auf fol. 91 berücksichtigt.

486 a)

Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

Der diskursive Entstehungsprozess der Feiertagsordnung vom 20. Juli 1642

Das fürstliche Ausschreiben Amelie Elisabeths »Wider die Entheiligung der BätFest- und Feyertage«187 vom 20. Juli 1642 liegt in einem stark korrigierten handschriftlichen Entwurf vor, ebenso wie das Übersendungsschreiben an die Pfarrer, das sie, neben jährlicher Verlesung von der Kanzel in ihren Gemeinden, zu nachdrücklicher Befolgung und dahingehender Aufsicht über die mit der Exekution bei Übertretungen beauftragten Beamten, Bürgermeister und Rat ermahnte.188 Von wem diese beiden Konzepte stammen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, eine Stellungnahme der Geheimen und Regierungsräte an die Regentin Amelie Elisabeth spricht von einer »abgefasten Sabbathsordnung der Theologischen Facultet alhier«.189 In diesem Ausschreiben liegt eine wesentliche Überarbeitung und Erweiterung der Feiertagsordnung aus dem Jahr 1639190 vor, auf deren mangelnde Befolgung der Text von 1642 Bezug nimmt. Die Aufforderung zu strikter Arbeitsruhe sowie zur Enthaltung von Gastmählern und unnützem Zeitvertreib an »Son- vnd Festage[n], es seye vor oder nachmittag, wie auch auff die ordentliche Monatliche Bettage Vormittag«, verbunden mit nachhaltigen Sanktionsdrohungen, fand ihren Höhepunkt in folgender Anordnung: »Vnd damit diese vnsere Verordnung vmb so viel da steiffer gehalten werden möge, So ist vnser ernster befelch hiermit, daß in allen Stätten dieses NiederFürstenthumbs 187 So die Überschrift in HLO II, S. 84f. 188 StAM 22 a 1, Nr. 359, im Umschlag mit der Aufschrift »Concept einer newen Sabbaths Ordnung wie auch an die Pfarrherren deshalb ergangenen Schreibens 1642« das erste Stück mit dem Rückvermerk: »Concept der von u[nserer]. g[nädigen]. Fürstin und Frawen von newem wieder außgelaßener Sabbaths Ordnung« sowie das zweite Stück in diesem Umschlag. An vierter Stelle liegt die saubere Reinschrift des Ordnungsentwurfs (ohne das Übersendungsschreiben an die Pfarrer), von der Konzepthand mit zwei Einfügungen am Rand versehen, diese Reinschrift trägt den Rückvermerk: »Nach dießem Concept ist die Ordnung getruckt worden«. Oberflächlich betrachtet, weisen die Rohkonzepte im Schriftduktus Ähnlichkeiten mit der Handschrift Theophil Neubergers auf, allerdings lassen sich auch charakteristische Unterschiede ausmachen, so vor allem die Schreibweise des kleinen »w«. 189 Elfseitiges, halbbrüchiges Schreiben, datiert nur auf »1642«, »Ahn unsere gnedige Fürstin und Fraw«, StAM 22 a 1, Nr. 359, im Kontext der auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das achte Stück, darin auf der letzten Seite oben; verfasst wurde es offenbar, wie die beiden im Anschluss liegenden, untereinander textidentischen Schreiben von den Geheimen und Regierungsräten zu Kassel, die aus diesem halbbrüchig geschriebenen den Einleitungsabschnitt übernahmen. 190 HLO II, S. 78 (»Verordnung Gegen die Entheiligung derer Sonn- Fest- und Bät-Tage. Von 21ten Junii 1639«). Siehe zur gleichen Thematik auch das »Regierungs-Ausschreiben daß die Beamten 1) die Unterthanen zu fleißiger Besuchung der Sonn- und Bättags-Predigten anhalten, sodann 2) denen Pfarrern und Schuldienern zu ihrer Besoldung vorzüglich verhelffen sollen. Vom 9ten November 1638«, in: HLO II, S. 77f.

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Hessen, die Thore an solchen Gott zu ehren angeordneten tagen von frü morgens biß vmb 10. vhr zugehalten, alsdann vmb das viehe an die weide zu lassen geöffnet, In der Residentzvestung aber auch zu zeit der Vesperpredigt: die Zugbrücken wieder auffgezogen, vnd biß nach geendigtem Gottesdienst neben den Homeyen191 zugehalten, vnnd niemand zu Roß oder Fueß mit Gutschen oder Wagen in solcher zeit ohne anmeldung vnnd außtrücklichen befelch ein oder außgelassen« werden soll.192

Im Anschluss an den Rohentwurf dieses »Fürstlichen Ausschreibens« liegt ein mehrseitiger, sauber geschriebener Ordnungsentwurf, der umfassend alle mit diesem Vorhaben verbundenen Gegenstände im Detail behandelt und den Rückvermerk trägt: »Project einer Sonn- Fest- u. Bettags Ordnung«. Ursprünglich muss eine vollständige Zuhaltung der Stadttore an Sonn-, Betund Feiertagen vorgesehen gewesen sein. Dagegen wandten sich aber schon am 22. April 1642 die Kasseler Stadtobrigkeit sowie Gilden und Zünfte. Auf eine an sie unter dem 18. April ergangene Bitte der landgräflichen Regierung um Stellungnahme hin, hätten sich Schultheiß, Bürgermeister und Rat »wegen der eingerißenen schädlichen prophanir- undt entheiligung der sonn- und feiertage« mit »der gemeindt zusampt gilden undt zünfften alhiero […] zusammen gesetzt, undt das werck, sonderlich aber wie etwa die leute dieses orts, zu schuldiger und desto eifferiger heiligung der sonn- undt feiertage auffgemuntert und angetrieben werden, undt also gleichwoll ohne versperrung der thore, der gewünschte zweck zu erlangen sein möge, unser wenigkeit undt einfalt nach mit einander uberlegt«.193

Wessen Gemeinde, Gilden und Zünfte »sich hierauff vernehmenn laßen«, sei aus der Beilage zu ersehen. Statt einer »versperrung der thore biß nach gehaltener vesperpredigt«, die sich »nicht wol practiciren laßen« werde, plädierten alle – »damit gleichwoll der erwünschte scopus soviel müglich, erlangt, undt das ungebürliche reiten, fahren, auß- undt eintragen, auf die sonn- unndt feiertage eingestellet undt abgeschafft werden möge« – für eine scharfe Aufsicht und Bestrafung der Übertreter gemäß der Agende von 1574 und der letzten Sonnund Feiertagsordnung von 1639.194 191 Unter »Homeie« oder »Homeide« ist wohl ein vorgelagertes Verteidigungsbauwerk einer Stadtbefestigung zu verstehen, insbesondere zum Schutz von Brücken, worauf noch der Name »Homeyenbrücke« in Brandenburg an der Havel hinweist, Grasow: Brandenburg die tausendjährige Stadt, S. 46; nach Scheller : Bücherkunde der Sassisch-Niederdeutschen Sprache, S. 37 wurde damit auch ein Wachthaus oder Wachtturm bezeichnet. 192 HLO II, S. 84f. 193 Beamte, Bürgermeister und Rat zu Kassel (der Rückvermerk präzisiert: »Schultheiß, Bürgermeister und Rhat alhier«) an Kanzler und Räte, Kassel 1642 April 22, StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der darin auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das elfte). 194 Ebenda.

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In sechs Punkten legt die Beilage die durch die lange Versperrung der Tore befürchteten Beschwerungen dar. So befürchtete man, dass diese Tage zum Diebstahl der Feld- und Gartenfrüchte vor der Stadt ausgenützt würden, was die Bevölkerung zwinge, selbst Wache zu halten, wodurch erst recht der Gottesdienst versäumt würde. Notleidenden und Bedürftigen würde die Hilfe in der Stadt versperrt. Die meisten Leute wären durch die ihnen abgepresste Kontribution für die Soldaten so arm, dass sie keine Mittel und auch kein Gesinde hätten, das benötigte Viehfutter am Vortag hereinzuholen, sodass diese Regelung ihre Existenzgrundlage gefährde. Außerdem entgingen dem Landesherrn bedeutende Einnahmen an Zoll und Wegegeld, wenn die durch Kassel passierenden Handelsleute ihre Route änderten, weil sie »die thore versperret wissen«, »undt wirdt also der stab in vielen commercien mit der zeit vonn hier ab, ahn andere benachbarte örter verrücket«. Auch feindliche Soldaten hätten sich schon verlauten lassen, »sie wollen bey dießer versperrung der thore vor der stadt thun, langen, undt hohlenn, was ihnen geliebet«, während keiner der Bedrängten aus dem Umland in der Stadt Rettung finden könne. Wünschten sie sich auch von Herzen eine rechte Heiligung der Sonn-, Bet- und Feiertage, so könne das Vieh doch nicht auf die Weide verzichten. In ihren Augen sei die Weidung, Fütterung und Tränkung des Viehes auch keine Entheiligung dieser Tage, »sonndern wann demselben das futter abgeschnitten, der ochse vielmehr dadurch in den brunnen gesturtzet, alß darauß gelanget wurde, welches dann der christlichen liebe zue wieder lauffen wolte«. »Wollen derowegen unterdienstliches fleises gebetten haben, weiln iedermänniglichen die versperrung der Thore, auff die Son- undt Feyrtage sehr schwehr fallen will […], daß vermöge herkommens, unndt zue verhüttung anderer auß so langer versperrung der Thore erwachsenden inconvenientien das Viehe morgens nach der Haupt Predigt hinnauß getrieben, unndt alß dann die Thore, biß an den Abendt unversperret pleiben mögen, damit iederman seiner hohen notturfft nach herein, unndt hinauß kommen könne«.195

Vor allem die Theologen übten anscheinend Druck aus zur Überarbeitung der Feiertagsordnung von 1639, denn am 1. Juli 1642 schrieb an den jetzt am Gymnasium in Bremen lehrenden Johannes Combach, ehemaligen Professor an der Hohen Schule Kassel und Metropolitan zu Felsberg, die Kasseler Regierung, dass: »kurtz verrückter zeitt etzliche auß hiesigen theologis abermalß von newem moviret und vorgeben, daß durch vorige anstellung der sabbath oder sontag neben denen festund monatlichen bettagen nicht gnungsam gefeyret, und daß die stad thore, umb die 195 Gemeinde, Gilden und Zünfte an Beamte, Bürgermeister und Rat zu Kassel, 1642 April 22, StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der darin auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das zwölfte).

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leute in die kirche und zue anhörung göttliches worts zue zwingen, von morgen ahn biß nach geendigter vesper zuegehalten werden müßen«.

Daher seien sie von der Regentin Amelie Elisabeth aufgefordert worden, »daß wihr mit zueziehung der geheimbten und consistorial räthe auch etzlicher auß hiesigem ministerio unß nochmals zuesammen setzen, und mit fleiß uberlegen solten, wie etwa die Son- Fest- und monatliche Bettage Gottes wort und ordtnung gemeeß, christlich zue feyren seyen, damit man den leuten nicht etwa ohne einzige noth ein schwer joch ufbürden, und gleichwohl Gottes geboth mit schuldiger feyrung deß sabbaths ein gnügen leisten möge«.

Von Combach erwarteten die Regierungsräte aufgrund seiner Mitwirkung an der Feiertagsordnung von 1639: »Ihr wollet unß den nechsten ewere gedancken, und was ihr dießfals in Gottes wort vermeinet gegründet zu sein, oder nicht, cum rationibus dubitandi & decidendi, so viel sich kurtzlich thun laßen will, unbeschwert mit nechster post schrifftlich eröffnen, wie weit nemblich wihr christen ahn die feyer- und heyligung des sabbaths oder sontags gebunden, ob die leute mit politischer gewalt in die kirche und zum Gottesdienst zue zwingen, auch zue dem ende die thore nothwendig zuezuelaßen, und wie es auf solchen fall in den dörffern und flecken, da keine thore vorhanden, die leute sich auch sonderlich in den filialen mit einer einzigen fruepredigt den ganzen tag uber behelffen mußen, deßgleichen mit obged[achter]. verkauffung, brodts, wecke, gewürtz und anderer essenspeise, welche ein jeglicher haußvatter nicht eben alzeit in seinem hauße haben kann, und andern puncten etwa zuehalten sein möchte«.196

Am 11. Juli 1642 schickte die Regierung noch ein Gutachten hinterher, das der Regentin »hierin zue erfordertem bedencken abgeben werden könte«, mit der Bitte, »daßelbe ohnbeschwert zue verlesen, und ob ihrs also oder noch ein oder anders hierin ab- oder zuezuethun rathsamb befindet, unß daruber ewere gedancken noch ferner dennechsten zue eröffnen«.197 In einem halbbrüchigen Entwurf dieses »uffsatzes« versuchen die Regierungs- und Geheimen Räte, eine praktikable Lösung zu finden, die die existenziellen Bedürfnisse der Menschen für ihr Leben, »zur notturfft und weiter nicht«, berücksichtigt und schon weitgehend der dann umgesetzten Fassung entspricht. Dabei stellen sie nicht nur fest, dass die angedachte durchgehende Verschließung der Tore bis nach der Vesperpredigt »ahn keinem einigen ort unter den Evangelischen, sonderlich bey denen, welche unßerer wahren seligmachenden religion gantz eifferig zugethan, 196 Fürstlich Hessische Regierung an den Licentiaten Johann Combach »Rectorem und Theologiae Professorem ietzo zue Brehmen«, Kassel 1642 Juli 1 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der darin auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das sechste). 197 Fürstlich Hessische Regierung an Johann Combach zu Bremen, Kassel 1642 Juli 11 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der darin auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das siebente).

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niemals practiciret worden«, sondern nehmen auch ausdrücklich die Bedenken der Kasseler Gilden und Zünfte auf und ergänzen diese um eigene Erkenntnisse, indem sie zu dem ökonomischen Argument der dem Landgrafen entgehenden Zolleinnahmen ausführen: »Gestalt dan von dem Schultheißen zue Allendorff albereidt dieser bericht einkommen, daß die frembde fuhrleute, welche von Franckfurth undt Nürnberg selbige strasse bißher stetigs gebraucht, sich ahn dieß thor sperren nit binden lassen wollen, sondern zum hochsten dagegen protestieren mit ahndeuten, wan man sie dardurch ferner in zeit undt costen verleitung fuhren werde, daß sie dan nothwendig eine andere strasse suchen muesten, wohrdurch dan u. g. f. undt h. ohne einige tringende noth der zoll dießen wie auch anderer örter ziemlich geschmälert werden dürffte«.198

Die Räte kamen zu dem einhelligen Schluss, »daß zwar der sontag und die hohen festage billich der gebühr und christlich zu feyren, daß aber dieser zweck durch zuhaltung der thore bis nach der vesper erreichet […], solches haben wir aus vielen erheblichen ursachen und motiven nicht finden können, gestalt uns dan auch etzliche aus dem ministerio hierin beygepflichtet«.199 An dieser Stelle sei ein Blick auf die speziellen Umstände auf dem Land geworfen. Der Eschweger Superintendent Johannes Hütterodt war dort praktisch mit dem Problem der Feiertagsheiligung konfrontiert. In den an ihn herangetragenen Auseinandersetzungen ging es um die unterschiedliche Notwendigkeit Melk- und Ackervieh sonntags auf die Weide zu führen. Während Ackervieh entweder im Stall bleiben oder eine kürzere Weidezeit verkraften konnte, sah sich Hütterodt gezwungen, das Austreiben des Melkviehs am Feiertagmorgen in Begleitung eines Hirten zu erlauben. Allerdings machte er auf den Missbrauch aufmerksam, dass unter dem Vorwand des Hütens das junge Volk aus dem Dorf zöge und dadurch »niemals in einige kyrche zur bättstunde oder kinderlehr erscheinet«.200 198 Halbbrüchiges langes Schreiben, datiert nur auf »1642«, »Ahn unsere gnedige Fürstin und Fraw«, StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen das achte), das höchstwahrscheinlich den Entwurf zu jenem an Combach geschicken Gutachten darstellt, zu dem das nachfolgende, doppelt vorhandene Schreiben der Geheimen und Regierungsräte aus dem Juli 1642, das die Formulierung des Anfangsteils wörtlich übernommen hat, sprachlich und inhaltlich der an die Regentin abgegangenen Ausfertigung entsprechen dürfte, zumal das zweite sogar den ausdrücklichen Rückvermerk trägt: »Copia desen ahn Ifg. vergrieffenen ohngefehrlichen bedenckens betr. die vorwesende Sabbaths Ordtnung alhier«. 199 Geheime und Regierungsräte an die Regentin Amelie Elisabeth, Juli 1642, StAM 22 a 1, Nr. 359, das erste zweier gleichlautender Schreiben, im Kontext der auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen das neunte (in weiterer Schrift), dem das zehnte (enger geschriebene) folgt. 200 Siehe den Bericht von Metropolitan und Beamten zu (Hessisch) Lichtenau an Johannes Hütterodt über eine ihnen vom Konsistorium aufgetragene Kommission zur Ortsbegehung infolge einer Supplikation der Gemeinde Walburg, ihr Vieh aufgrund des weiten Weges bis

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Auch der um Rat gefragte, Hessen-Kassel immer noch verbundene, nun in Bremen lehrende Professor Johann Combach mahnte zur Zurückhaltung, denn »vermöge christlich freyheit diese scherffe ins newe testament nicht gehörig«, »daher man wohl in acht zue nehmen, daß man das judische joch, darvon unß Christus erlößet, nicht abermalß in zwang und noth verkehre, wie dan gewißlich geschehen würde […]«. Die Einhaltung des Sabbat sei kein Selbstzweck und auch kein heiliges Werk an sich, vielmehr diene der Sabbat den Menschen »zur ergetzlichkeit«, daher »kan man ein meßiges spatziren meines erachtens nit verbieten […], alß welches mehr zur erquickung alß zur arbeit angesehen«. Statt auf die zeremonielle Dimension des Sabbats solle man mehr auf dessen moralische Dimension sehen, »wie daß volck durch lehrer und prediger dahin disponiret werde, daß es freywillig und so viel muglich ohne sonderlichen zwang durch lust und liebe zum Gottesdienst angehalten werde, inmaßen dan die Caßelische gemeindte eine wohl erbawete gemeindte ist, die sich fleißig zum gehoer gottlichen worts helt«, weshalb zu befürchten stehe, dass durch Zwang mehr zerstört als erbaut würde, »weil die gemeine regul bey den theologis beliebt, daß durch die lehr viel mehr, alß durch zwang zue erhalten, und die religion nicht will gezwungen sein, sondern durch Gottes wort eingebredigt werden«. Daher plädiert Combach für die Beibehaltung der relativ milden Vorschläge in dem beiliegenden Entwurf eines Schreibens an Amelie Elisabeth, das die Öffnung der Tore zwischen dem Ende der Vormittags- und dem Beginn der Vesperpredigt und dann wieder danach vorsieht, worin seiner Meinung nach »daß mittel recht und wohl getroffen seye«.201 So kamen auch die Räte zu dem Schluss: »Damit man aber gleichwohl zu rechter christlicher feyrung dero son- und anderer ahngeordneter festage mit einem nachtruck gelangen möge, so ist vohr guth ahngesehen worden, daß ahn alle und jede beampten, bürgermeister und räthe, so wohl hier

zur Weide morgens vor dem Gottesdienst austreiben zu dürfen, Lichtenau 1662 April 16, LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 554 (darin das 19. Stück von oben im Konvolut); Konzept der Stellungnahme Hütterodts dazu ans Konsistorium, Eschwege 1662 April 17, Ebd. (20. Stück im Konvolut, daraus das Zitat im Text). Siehe ebenfalls die Aufforderung des Konsistoriums an Hütterodt zu der gleichen Bitte der Gemeinde Reichenbach und ihrer Filialen Stellung zu nehmen, Kassel 1662 Juni 13, KKAE Best. 3, Nr. 107a (Brief Nr. 43), von Hütterodt mit dem Rückvermerk versehen: »Reichenbach cum filialibus will das Melcke Vieh auf den Sontag vor der predigt an der Weide haben«, sowie der Antwortentwurf Hütterodts vom 23. Juni 1662, Ebd. (Brief Nr. 44), in der er sich trotz des Verstoßes gegen den klaren Buchstaben der Feiertagsordnung den vielen dazu ergangenen Präjudizien »nolens volens« fügt und mit resignierendem Unterton feststellt, dass ihm künftig »bey den visitationibus eigentlich nachzufragen, unnötig sein wolle«. 201 Johann Combach an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Bremen 1642 August 6 (praes.: Kassel 1642 August 10) (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 359.

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als auffm lande wie auch die adelichen landsaßen ein ausschreiben abgelaßen, und ihnen darin ernstlich ahnbefohlen werden könte«.202

Auffällig ist, dass schon wenige Jahre später nicht einmal mehr die kirchenleitenden Amtsträger zur der Feiertagsordnung von 1642 standen. So distanzierte sich der Kasseler Superintendent Neuberger in seiner Stellungnahme vom Januar 1644 zu einer neuen Ordnung, die im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts stehen wird, klar von ihr und übte sogar Selbstkritik, indem er einräumte, von den Ereignissen im Laufe der Zeit belehrt worden zu sein: »§ Von entheiligung der fest und feyertag. Der befehl ist an sich gut, wiewol kein mittel weiter gezeigt würd, wie er zu vollziehen oder zu manuteniren, vielleicht darumb, weil sich diese ordnung uf vorige de anno 1642 beziehet. Nachdem aber, wie Ifg. wissen, in selbiger ordnung zimblich bedenckliche ding sein, so ietz eilfertigkeit halben nit können proponirt werden, und der eventus uns auch etwas weiter gelehrt, wolte ich rathen, daß selbiger ordnung vom 20. Julij 1642 allerdings nit gedacht, vielweniger dieselbe mit so starcken worten erwiddert, sondern nur schlecht gesetzt würde: Nach dem auch biß daher unterschiedene ernstliche verordnung und befehl wegen heiligung der sonn-, fest- und bettage außgangen, denselben aber nit der gebür nachgesetzt worden, alß setzen, ordnen, und gebieten wir abermahl etc. Und am schluß. Alles bey vermeidung deren in dißfals hiebevor außgelassenen ordnungen etc. Were auch anzuhengen, daß edelleüt, amtleüte, unnd andere unterobrigkeit selbst Gott ehren, ihm dienen, und den gantzen sabbath heiligen, nit aber die erste verbrecher seyen, und ärgerniß geben«.203

Auch wenn sich im zeitlichen Umfeld keine Verordnung nachweisen lässt, die umfassend die von Neuberger in seiner Stellungnahme zu der projektierten »Newen Ordnung« angesprochenen Punkte enthält, zeigt die einzeln 1649 publizierte überarbeitete Fassung der Feiertagsordnung,204 dass man weder andere Mittel gefunden hat noch die Entscheidung über die Heiligung der besonderen Tage jedem selbst überlassen konnte, sondern erneut eine Wiederholung dieser Vorschrift als notwendig erachtete, um sie ins Gedächtnis und zu allgemeiner Beachtung zu bringen. Die Darstellung des Verfahrens der Erarbeitung der Feiertagsordnung von 1642 hat deutlich gemacht, dass die Beteiligung von betroffenen Körperschaften und Gruppen sowie erfahrenen Einzelpersonen (Experten) an der Gesetzgebung durch Anhörungen und Stellungnahmen nicht erst eine Erfindung der jüngsten 202 Geheime und Regierungsräte an die Regentin Amelie Elisabeth, Juli 1642, StAM 22 a 1, Nr. 359 (im Kontext der auf die neue Feiertagsordnung bezüglichen Schreiben das neunte). 203 Neubergers Bedenken zu einer »Newen Ordnung«, Januar 1644, StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 212–214, hier fol. 213r (Hervorhebung im Original). 204 Zeitgenössischer Druck der Feiertagsordnung der Regentin Amelie Elisabeth vom 28. April 1649 in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 91; Textabdruck in HLO II, S. 142–144.

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Vergangenheit ist, sondern schon in der Frühen Neuzeit praktiziert wurde. Der ursprüngliche rigide Entwurf der Feiertagsordnung konnte so praxistauglich überarbeitet werden und erhielt damit ein Antlitz, das den Erfordernissen menschlichen Lebens in der damaligen Zeit deutlich mehr Rechnung trug. b)

Neubergers Bedenken zu einer umfassenden »Newen Ordnung« und sein Entwurf einer neuen Fluchordnung im Spiegel seines Buches »Zungenzaum«. Zwischen Kooperation und Konflikt: Die Zusammenarbeit zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit

In enger geistiger Verbindung mit der Feiertagsordnung von 1642 steht die in der Handschrift eindeutig dem Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger zuordenbare Stellungnahme aus dem Januar 1644 zu einer umfassenden »newen ordnung«.205 Schon 1642 wurden in dem Übersendungsschreiben zur Feiertagsordnung die Pfarrer aufgefordert, besondere Obacht auf die weltlichen Amtsträger zu geben, ob diese ihrer Pflicht zur Bestrafung der Übertreter, nachdem sie davon erfahren hatten, nachkamen und wenn nicht, solches der Regierung anzuzeigen, »damit derwegen gegen die Beampten sampt Burgermeister vnnd Raht jhrer Fahrläessigkeit halben ernstes einsehen geschehen möge«.206 Seinem Unmut über das unkooperative Verhalten der Beamten, in deren eigener Normdevianz er die Ursache für das strukturelle Vollzugsdefizit landesherrlicher Ordnungen sah, machte Neuberger nun in den einleitenden Bemerkungen zu seiner Stellungnahme von 1644 Luft: »Wolte Gott, das alle, die im unterobrigkeitstand hin und wieder sein, dergestalt, wie die schöne wort im eingang dieser newen ordnung lauten, beschaffen were[n], daß ein jeder sein gewissen, so er gegen Gott haben soll, und sein eyd und pflichte, so er der herrschafft gethan, wol in acht neme, nit aber selbst solche ordnung hassete, und bräche, manchmahl nur den armen pfarrern zum elenden trotz, damit sie sich als obrigkeit herfür thun, die ihre privatauthoritet wieder Gott sehen zu lassen, ihnen für eine grosse ehr und reputation achten. Wo das nit were, sondern Gottes forcht in den herzen der unterobrigkeit regierte, würde es so vieler wiederholung der ordnungen keins wegs bedörffen. Es were aber der sache zu helffen, wan doch einmahl auß den wortdräwungen des verlusts der dienste und der straffe etwas würckliches würde. Dan wo das nit geschicht, würd die herschafft mit ihren ordnungen zu spott, und die arme machtlose kirchendiener, wan sie uf die ordnung dringen, laden nur feindschafft, scheltwort, hinderwertige verleümbdung bey den politicis, ja drawung der schläge uf sich, und müssen ihr amt mit seüfftzen und gefahr thun«.207 205 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 212–214 (Konzept), der Rückvermerk auf fol. 214v lautet: »Bedencken wegen einer Newen ordnung / Im Januario 1644«. 206 HLO II, S. 85. 207 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 212; zitiert und eingeordnet auch bei Brunner : Theophilus Neuberger, S. 573.

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Neuberger hat an verschiedenen Stellen gezeigt, dass ihm die politiktheoretische Diskussion seit der Zeit der Reformation bekannt war. In der Regel bezog er sich aber auf die Namen lutherischer Denker wie Reinkingk eher in polemischer Absicht, um insbesondere Adlige, die ihn in seinem im Namen des Landesherrn ausgeübten Amt zu behindern suchten, mit den Waffen aus ihrem eigenen konfessionellen Lager zu schlagen, indem er darauf hinwies, dass, was sie kritisierten, auf lutherischer Seite nicht anders gehandhabt würde. Die lutherische Politiktheorie war für ihn eher ein Arsenal an Argumenten, deren er sich in Hinblick auf seine praktische Arbeit bediente, ohne ein eigenes Theoriegebäude errichten oder verteidigen zu wollen, maßgeblich waren für Neuberger in seiner täglichen Arbeit die landesherrlichen Ordnungen, deren Auslegung und Anwendung. Der Begriff der »Unterobrigkeit« stammt aus der Diskussion der 1520er und 30er Jahre um das Recht der Notwehr der Reichsstände gegen das Reichsoberhaupt, den Kaiser (magistratus superior), in der den »Unterobrigkeiten«, Fürsten und Reichsstädten (magistratus inferiores), auf der Grundlage ihres Gewissens vor Gott, ein Recht zur Verteidigung ihrer Glaubensüberzeugungen gegen einen sie bedrängenden, aus ihrer Sicht unchristlich gewordenen Kaiser eingeräumt wurde, der seine Legitimität schließlich ihrer Wahl verdankte.208 Diesen Begriff nahm Neuberger auf, füllte ihn aber ganz anders. In Punkt 3 seiner Anmerkungen zum ersten, gegen das Gotteslästern gerichteten Paragraphen der neuen Ordnung spezifizierte er, dass »die vornemste im landt theils die gröste flücher sein« und daher ausdrücklich benannt werden müssten, »als da sein Edelleüt, Amtleüte, Obrigkeiten in stätten, Landknechte, Jäger, Förster und dergleichen«. Der Begriff der »Unterobrigkeit« wird von Neuberger also mehr in einem verwaltungstechnischen Sinne gebraucht, nicht mehr auf die Reichsstände bezogen, sondern auf die, die delegierte Gewalt im Auftrag der Landesherrschaft ausüben, deren Gesetze vollziehen sollen, quasi im Sinne einer Exekutive. Das Problem der mangelnden Normeffizienz empfanden schon die verantwortlichen Zeitgenossen als Problem, nur war Religion noch lange keine weitgehend private Angelegenheit, sondern die Landesherren fassten sie als Teil ihrer Sorge für das allgemeine Wohl ihrer Untertanen auf. Daher konnten Geistliche wie Neuberger, deren Beruf die Sorge um das Seelenheil der Menschen war, die Interessenkonflikte der in lokale Netzwerke eingebundenen Amtsträger zwischen Privat- und landesherrlicher Autorität, unter denen die gewissenhafte Umsetzung der Kirchen- und Policeyordnungen litt, verzweifeln lassen.

208 Siehe hierzu v. a. Schorn-Schütte: Beanspruchte Freiheit: die politica christiana, S. 341, 343f.; Dies.: Kommunikation über Herrschaft: Obrigkeitskritik im 16. Jahrhundert, S. 92f., 95f.

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Die weiteren Inhalte der Ordnung, zu denen Neuberger seine Verbesserungsvorschläge unterbreitet, liefern ein Panorama der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Neben dem ersten Paragraphen »Vom gotteslästern« lauten die weiteren, »Von Christallen sehern«, »Von entheiligung der Fest und feyertag«, mit einer kritischen und sehr reservierten Haltung gegenüber der Feiertagsordnung von 1642 und ihrer Inkorporierung in die neue Ordnung, »Von Eheverlöbniß, Weinkauffen, hochzeiten etc.«, mit außführlichen Angaben zu Art und Menge der aufzutragenden Speißen und wann es sich gebühre, das Fest zu verlassen, sowie »Von ubermessiger Kleidung«, durch die die Standesunterschiede nicht verwischt oder Unmut über zu viel Pomp auf Kosten der armen Leute hervorgerufen werden sollte. Neubergers Detailkritik lässt sich keiner in dieser Zeit publizierten Gesamtordnung zuweisen, die von ihm angesprochenen Punkte scheinen aber in mehreren Einzelordnungen umgesetzt worden zu sein.209 Ein besonderes Anliegen war Neuberger die Prävention gotteslästerlichen Redens mit dem Aufzeigen dessen, was alles darunter verstanden werden könne, in einem 1652 in Kassel erschienenen Werk, das als ein Beispiel für seine Schriften zur Frömmigkeit und praktizierten christlichen Ethik stehen kann: »Zungen-Zaum. Das ist Trewhertzige Warnung vor etlichen zu diesen bösen Zeiten vberhandnemenden Zungen-Lastern/ als 1. Vor Verleumbdung/ afterreden/ oder böser Nachrede vnd Lügen: Aus Ehrn Joh. Taffini herrlichen Buch von Buß vnd Besserung des Lebens gezogen/ vnd etwas erläutert: 2. Von Fluchen/ schweren/ verfluchen oder bösen Wünschen/ vff begehren hiebey gefügt durch Theophilum Neubergern«.

Detailliert erörtert Neuberger darin, ergänzt um Gebete, verschiedene Kategorien gotteslästerlicher Rede. Daher rühren seine gewissenshaften und persönlich anteilnehmenden Bemerkungen zu dem entsprechenden Paragraphen in der projektierten neuen Ordnung:

209 So, neben der schon mehrfach erwähnten Feiertagsordnung vom 28. April 1649 (StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 91; HLO II, S. 142–144), in »Vnser Von Gottes Gnaden Amelien Elisabethen/ Landgräffin zu Hessen/ […] Wittiben/ Vormünderin vnd Regentin/ [etc.] Ernewerte Ordnung Wie es hinfüro in Vnsers vielgeliebten Sohns Herrn Wilhelms deß Sechsten/ Landgraffens zu Hessen […] Fürstenthumb vnd Landen/ bey den Eheverlöbnussen/ Weinkauffen/ Hochzeiten/ Kindtauffen vnnd Gastereyen in dem einen vnd andern gehalten werden soll« vom 24. März 1648, zeitgenössischer Druck in StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 134–139 (am unteren Rand des Titelblatts hat Neuberger notiert: »NB. Diese ordnung hat meinen Sohn ungefehr umb ein 600 thlr bracht. Gott verlohne es. C. 3. Aug. 1648.«, zu dieser Bemerkung, deren Ereignisbezug unklar bleibt, Brunner : Theophilus Neuberger, S. 586), Textabdruck in HLO II, S. 137–140.

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Der Kasseler Superintendent als kommunikative Schaltstelle

»Beym ersten § Vom gottslästern etc. erinnere ich 1. Nachdem sehr wol gethan, daß etliche gattungen der flüche, weil gemeine leute u. soldaten sonst es nit für fluchen halten, specifirt worden, daß doch auch etliche gattungen der leichtfertigen, und doch sehr hohen schwür nahmhafft gemacht würden, dafür man sich hüten soll, als bey Gott, welches ein eydschwur an sich selbst ist, item bey seiner seelen, item Gott straffe mich etc., item bey teüffel holen, welches schrecklich von Christen zu hören ist etc. 2. Das doch auch etwas von straffen gegen solche laster specificirt werde, und etliche ernste exempel bald anfangs hin und her folgeten. Dan so man scharf straffet, darf man wenig straffen. Sonderlich wer hoch vonnöten, das beneben der weltlichen straffe, auch die jenige kirchenstraff, so in der Kirchen- oder Reformationsordnung, von den alten weisen herren pag. 16. b. gar vernünfftig gesetzt, aber gar in abgang kommen ist,210 wieder in acht genommen, und dieser ordnung einverleibt würde. 3. Und weil die vornemsten im landt theils die gröste flücher sein, als müste notwendig derselben gedacht, und mit durchdringenden worten ihnen eingebunden werden, sich dergleichen zu enthalten, als da sein edelleüt, amtleüte, obrigkeiten in stätten, landknechte, jäger, förster, und dergleichen etc. Dan die verderben theils doch wieder den gantzen handel, und straffen auch deßwegen niemanden. 4. Es müste eine gute belohnung denen, so solch laster anzeigen, uf des verbrechers uncosten, verordnet: die es aber verschweigen, da sie es doch wol wüsten, gestrafft werden. Ich wolte, daß des fluchens u. gottslästerns und desselben straffen wegen die offentliche reichs abschiede aufgeschlagen u. in acht genommen würden, nit allein ins gemein, sondern auch die kriegs leüte betreffend.«211

Die Ausführungen enthalten nicht nur erneute Kritik an der mangelnden Vorbildrolle der weltlichen Amtsträger, sondern lassen auch einen Blick auf Neubergers Persönlichkeit zu. Neuberger denkt zudem strategisch, indem er überlegt, wie man durch eine effiziente Sanktionsbewehrung vor einer Übertretung der Ordnung möglichst abschrecken kann. Ganz diesen Vorstellungen entspricht das undatierte »Concept einer Newen Fluchordtnung«, das nicht von der Hand Neubergers stammt, aber seine Vorschläge aufzugreifen scheint, mit abgestuften Sanktionen von Geld- bis zu Turmstrafe bei Wasser und Brot für die Unverbesserlichen, einschließlich der Strafandrohung gegen pflichtvergessene landgräfliche Beamte, Stadt- und Dorf-

210 Reformationsordnung 1572, EKO Bd. 8, S. 401f. (Abschnitt: »Von gottslestern und vollsaufen«), hier S. 402: Wenn ein von Pfarrern, Senioren und Kirchenvorstehern von seinem der Gemeinde ärgerlichen und Gottes Zorn provozierenden Leben Abgemahnter davon »nicht abstehn noch zur besserung sich begeben würde, daß er zum heiligen nachtmal des Herrn, auch gevatterschaften und andern christlichen caeremonien und werken nicht gelassen, darzu […] nicht christlich noch wie andere bußfertige fromme christen zur erden bestattet werden solte«. 211 StAM 22 a 6, Nr. 5 »Copialbuch«, fol. 212v.

Recht und Ordnung

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obrigkeiten.212 Die Ordnung richtet sich gegen »das mutwillige Gotslestern, fluchen, leichtfertiges schweren und mißbrauch götlichen nahmens, wie auch das übermeßige sauffen und vollerey«, Laster, mit denen Gottes Wort verachtet, seine guten Gaben verschwendet und dadurch dem Land noch stärkere Strafen zugezogen würden, weshalb die Regentin Amelie Elisabeth »ernstlich befohlen, dahin bedacht zu sein, wie solchen lastern so viel müglich vorgebawet, und die fernere Gottesstrafen verhütet werden möge«. Da sich aber kein Hinweis auf eine Publikation dieser Fluchordnung findet, fügte man sich vielleicht der Einsicht, dass manche im menschlichen Miteinander virulent werdende Laster ordnungspolitischen Maßnahmen nur sehr beschränkt zugänglich sind. Sowohl der diskursive Entstehungsprozess der Feiertagsordnung vom 20. Juli 1642 wie auch Neubergers Ausführungen zu der projektierten neuen Ordnung zeigen, wie sehr der Alltag der Bevölkerung von Vorschriften mit kirchlicher Implikation geprägt war, sodass die Geistlichen über ihre Mitwirkungsmöglichkeit daran, die sie offensichtlich sehr ernst nahmen, einen intensiven Einfluss auf das Leben der Untertanen ausübten.

212 StAM 22 a 1, Nr. 253, zitiert ist der Rückvermerk.

Kapitel V: Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

A)

Der Konflikt um die Zugehörigkeit von Ort und Kirche Züschen zwischen der Grafschaft Waldeck und der Landgrafschaft Hessen-Kassel1

Am 10. Oktober 1622 notierte der Kasseler Superintendent Paul Stein in sein Diensttagebuch: »Der pfarher von Züschen, Hermannus Gerhardi, zeigt an, es seien gestrigs tags um ein uhr zu Züschen drei personen, ein kaiserlicher curier, der notarius von der Landaw2, und ein beyreuter [= Beireiter], welchen der notarius als einen zeugen zu sich genommen, ankommen, und ihn gehorsam zu sich unter das thor erfordert; als er sich aber zu ihnen daselbsthin zu kommen verweigert, seyen sie zu ihm ins pfarrhaus kommen, und hab der curier ihm funf keiserliche schreiben vorgezeigt, deren drei getruckt, und ohne siegel, zwey aber geschrieben und gesiegelt gewesen, deren inhalt die waldeckische sach betroffen, und haben die geschriebene dahin gangen, das ihre f[ürstliche]. gn[aden]. Landgraf Moritz das kriegsvolk aus der Graffschafft abführen, und den schaden erstatten solle, sub poena summi; die gedruckte patenten aber seyen dieses inhalts, es sollte u[nser]. gn[ädiger]. f[ürst]. und herr demjenigen, so ihrer f. gn. in dem kaiserlichen befehlschreiben anbefohlen, nachkommen, oder deren darinnen angedröweten straff gewertig sein. Darbey hetten sie ihme angezeigt, sie hätten von kaiserlicher majestät befehl, ihm pfarrherrn zu befehlen, sich seines diensts gäntzlich zu enthalten, bey höchster ungnad des kaisers. Und ob er wohl dagegen eingewendet, 1 Dieses Teilkapitel ist die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Aufsatzes, der bereits in Gbll Waldeck 101 (2013), S. 33–67 erschienen ist. Die Bearbeitung dieses Themas hatte sich bereits Hofsommer : Verbesserungspunke, S. 171 Anm. 1 vorgenommen. Züschen ist heute ein Stadtteil von Fritzlar im Nordwesten des hessischen Landkreises Schwalm-Eder an der Grenze zu den Landkreisen Waldeck-Frankenberg und Kassel. Die Karte (auf dem hinteren Vorsatz) von Willem Janszoon und Joan Blaeu, Theatrum Orbis Terrarum Sive Atlas Novus, Bd. 1, erschienen in Amsterdam 1645, darin nach S. 42, zeigt deutlich die Lage Züschens genau auf der Grenze zwischen der Landgrafschaft Hessen(-Kassel) und der Grafschaft Waldeck. 2 Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um den Notar Cunradt Gerhardts, der im Folgenden noch auftauchen wird und dessen Tätigkeit auch bei Schäfer : Waldeckische Notariats-Signete, S. 115 (Nr. 43) erwähnt wird.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

die kaiserliche schreiben giengen seine person nicht an, hetten sie ihm doch zur antwort gegeben, die kaiserliche befehlschreiben giengen ins gemein dahin, was Landgraff Moritz in die Graffschafft Waldeck eingeführt und angeordnet habe, solte abgeschafft werden. Derentwegen er pfarrher zugleich mit darinnen begrieffen wehre, und also auf kaiserlicher majestät befehl sich daselbsten abschaffen müste. Der notarius habe auch ihn pfarhern fleissig befragt, wan, von wem, und in wesen beysein er daselbsthin zum pfarher eingeführet worden; ihm auch angezeigt, es wäre auffm haus Waldeck eine condiction gestellt, solcher seiner einführung halber, das dieselbe für nichtig gehalten werden sollte, welche condiction er notarius auch hirmit repetirt haben wolte. Weil diese Sach von wichtiger importantz, hab ich mit dem pfarhern zu dem von Schollenus3 mich verfügt, und ihm diese Sach angezeigt; welcher, nach mittag umb zwey uhr in D. Bischoffs4 haus zu erscheinen, uns vorbescheiden.« »Eodem die nach mittag seind ich und der pfarher zu Züschen in D. Bischoffs behausung vorm geheimen rath erschienen, hat der pfarher, wie obstehet, den geheimen räthen referirt; ist ihm der bescheid worden, er solte seinen dienst nach, wie vor, abwarten, und sich daran nichts verhindern, noch abschrecken lassen. Unser gn[ädiger]. f[ürst]. und herr, desen f[ürstliche]. gn[aden]. ihn dahin zum pfarhern verordnet, würde ihn wohl schützen. Er solte auch die an die kirch zu Züschen angeschlagene patente abcopiiren, und ehisten tags neben seinem schriftlichen bericht anhero schicken.«5

Die Genese des Konflikts

Landgraf Moritz von Hessen-Kassel stützte seine im Eingangszitat angeklungene Besetzung der Grafschaft Waldeck im November 1621 auf den Status der Grafen als hessische Lehensleute.6 1431 hatte Otto III., der Vertreter der (Älteren) Landauer Linie des Grafenhauses, seinen Landesteil dem Landgrafen von Hessen zu Lehen aufgetragen7, 1438 folgte aus finanzieller Not die (Neuere) Wal-

3 Wahrscheinlich gemeint: Philipp von Scholley, der in verschiedenen vertraulichen Positionen tätig war, u. a. von 1636–1657 als Obervorsteher der Hohen Hospitäler, und den die Dülfersche Beamtenkartei im Staatsarchiv Marburg auch als Geheimen Rat nachweist. 4 Bei der Durchsicht der Unterlagen des Geheimen Rats Johann Bischof in StAM 5, Nr. 14965, 14966, 14967 konnte kein Niederschlag dieses Vorgangs gefunden werden. 5 DTB Paul Stein 1622/23, Einträge zum 10. Oktober 1622, Nr. 1 und 3. Einfügungen am Rand wurden stillschweigend in den Text übernommen, Streichungen weggelassen. 6 Zu den Geschehnissen und den staatsrechtlichen Argumentationen beider Seiten siehe den grundlegenden Aufsatz von Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Westfälischen Frieden. Territorialstaatliches Verhalten im Spannungsfeld von Lehnrecht und Superiorität, hier insbes. S. 113–115. 7 Siehe: Hoffmeister : Historisch-genealogisches Handbuch über alle Grafen und Fürsten von Waldeck und Pyrmont seit 1228, S. 13 (Nr. VII). Die Urkunde vom 8. Oktober 1431, mit der Otto III. sein Land als Erbmannlehen von Hessen empfing, befindet sich in: StAM Urk. 85, Nr. 491; der Lehensrevers vom selben Tag in: StAM Urk. 14, Nr. 975.

Der Konflikt um die Zugehörigkeit von Ort und Kirche Züschen

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decker Linie unter Graf Heinrich VII. und seinem Sohn Wolrad (I.) nach.8 Allerdings ließen sich die Waldecker Grafen trotz des Lehensverhältnisses nicht zu hessischen Landsassen herabstufen, sondern beharrten – mit Unterstützung des Kaisers – auf ihrer Eigenständigkeit.9 Dazu gehörte auch die territoriale Integrität ihrer Grafschaft. 1438 wurde Johann Meisenbug, »Ritter und Marschalck zu Heßen«, »mit dem schloß in Züschen, burgk und statt, mit allen geistlichen und weltlichen rechten undt lehen, und allen andern zugehörungen« erblich belehnt, solche Belehnung sei danach bis auf die jetzige Generation mehrfach erneuert worden, »wie dan auch uber diß, das schloß, burgk und statt Züschen, mit allen ihren pertingentien, immediatH, im waldeckischen districtu undt territorio gelegen«.10 Nun waren die Meisenbuge nicht nur waldeckische Lehensleute, sondern der größere Teil ihres Lehnsbesitzes lag in der Landgrafschaft Hessen (-Kassel).11 Erklärten sie sich in anderen Konfliktlagen, wie etwa um Rechte im ebenfalls zwischen Hessen-Kassel und Waldeck umstrittenen Dorf Böhne, stets als hessische Lehensleute,12 so bezeichneten sie sich hinsichtlich ihrer Rechte am »Flecken Züschen« als »waldeckische Landtsaßen«13. Damit aber noch nicht genug. In einem offenen Notarsinstrument vom 4. August 1622 weisen die Meisenbuge bezüglich der Kirche in Züschen darauf hin, dass »sie Meysenbühge, daß ius praesentandi, dechant undt capitul zu Fritzlar, daß ius conferendi von undencklichen jahren hergepracht hetten«.14 Die Meisenbuge durften dem Stift Fritzlar also einen 8 Die Urkunde, mit der Heinrich und Wolrad ihren Waldecker Landesteil der Landgrafschaft Hessen zu Lehen auftrugen, befindet sich in: StAM Urk. 14, Nr. 948 (1438 August 30); ihnen wurde daraufhin ihr Herrschaftsgebiet mit allen Zugehörungen als hessisches Lehen ausgegeben: StAM Urk. 85, Nr. 495 (1438 Oktober 21); der Lehensrevers vom selben Tag findet sich in: StAM Urk. 14, Nr. 947. 9 Siehe dazu insbesondere Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 76–80. 10 »Copia Schreibens der Sämptlichen Meisenbuge an den Superintendenten zu Cassel wegen ihrer vermeinten Kirch- und Schullgerechtigkeit zu Züschen« (Rückvermerk von der Hand Paul Steins, der das Original wohl an das Konsistorium weitgeleitet hat), Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Paul Stein, 1622 Dezember 28, StAM 318 Kassel, Nr. 398 [= Bestand Superintendentur Kassel, Klasse Gudensberg] (darin das zweite Stück im Umschlag mit der Aufschrift »Schreiben an die Herren v. Meisebug zu Züschen betrefendt die Geistlichkeit daselbst, und Peinligkeit im Dorffe Cappell […]«, fol. 1r); zwei weitere Abschriften befinden sich in StAM 115/07, Nr. Züschen 18. Zur Belehnung der Meisenbuge mit Züschen siehe Bockshammer : Ältere Territorialgeschichte der Grafschaft Waldeck, S. 258 (im § 27 Burg und Stadt Züschen). 11 Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 1–42, hier: S. 8f.; Eisentraut: Die Herrn von Meysenbug. 12 Korte: Affolderner Schöffensprüche für Böhne, S. 119; Menk: Recht und Raum in einem waldeckischen Reichskammergerichtsprozeß, S. 25. 13 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Vizekanzler und Räte zu Kassel, 1625 November 8, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 134–137, hier: fol. 134v. 14 »Instrumentum protestationis der Semptlichen Meysenbuge zu Züschen wider den von Heßen obtrudirten Calvinischen Pfarrheren« (Rückvermerk), Instrument des Notars Jo-

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Pfarrer für die Kirche Züschen vorschlagen, präsentieren, das diesem – wenn es mit dem Kandidaten einverstanden war – dann die Pfarrei übertrug, konferierte. Dazu kommt, dass die Kirche zu Züschen aus Sicht Hessen-Kassels als Filiale der Mutterkirche zu Heimarshausen galt, eines Dorfes, das die Meisenbuge von Hessen zu Lehen trugen. An den Kasseler Superintendenten Paul Stein schrieben sie 1623 zur Klärung der Verhältnisse: »Daß nun hochgemelter unser gn[ädiger]. fürst undt herr [Landgraf Moritz zu HessenKassel, A. J.], alß episcopus und landtsfürst die collatur undt pfarrbestellung zu Heimerßhaußen herbrachtt, auch unstreittig hatt, disputiren oder streiten wir nichtt, dann wir auch mitt der pfarr oder geistlichen lehen von i[hrer]. f[ürstlichen]. gn[aden]. nichtt, wie zue Züschen von unsern gnädigen Herrn Graven zu Walldeck belehnt sein, maßen unß also auch daselbst keines iuris praesentandi vel q[uasi]. undt daheren erlangten besitzes ahn; […] dann Heimerßhausen ein dorff, Züschen eine stadt, Heimerßhaußen jetziger zeitt im Fürstenthumb Heßen, die stadt Züschen aber notoriH in der Graffschafft Walldeck gelegen, von i[hrer]. f[ürstlichen]. gn[aden]. wir die Meisenbuge die dorffschafft Heimerßhaußen, aber die stadt Züschen undt geistliche lehen wie gemeldt von unsern gnedigen herren den Graven zu Walldeck, wir recognosciren, und haben daselbst die geist- undt welttliche jurisdiction über menschen gedencken undt verwehrte zeitt rechttens, unmolestiret undt ohnbetrübtt besitzlich exerciret undt herprachtt […]«.15

Die Meisenbuge beanspruchten in Züschen, der Filiale auf waldeckischem Territorium, aus eigenem Recht einen Pfarrer zu berufen, während sie in der Mutterkirche Heimarshausen auf hessischem Territorium kein Mitspracherecht hannes Weinrich, Ausfertigung auf Pergament, 1622 August 4, StAM 115/07, Nr. Züschen 4, hier – der leichteren Benutzbarkeit halber – nach einer in StAM 115/07, Nr. Züschen 18 liegenden Abschrift zitiert, darin fol. 2r. Die waldeckische Überlieferung in dieser Sache war ursprünglich in StAM 115/07, Paket 53 (Züschen) zusammengefasst, bis das Gesamtkonvolut in 18 Verzeichnungseinheiten aufgeteilt wurde; bei der Neuordnung nach Ausstellern/Absendern [»(Vor-) Provenienzen«] (etwa den beiden Grafen Wolrad IV. und Christian von Waldeck sowie ihren Dienern) oder durch Zusammenstellung fasst aller, aus ihrem jeweiligen Kontext gerissenen Abschriften zu einer neuen Verzeichnungseinheit, wurde die gewachsene Überlieferung zerstört; es ist zwar nicht damit zu rechnen, dass dabei einzelne der weder foliierten noch paginierten Dokumente abhanden gekommen sind, jedoch konnten bei Stichproben nicht alle dort gefunden werden, wo man sie nach den Verzeichnungstiteln, Provenienz- und Laufzeitangaben vermuten würde, weshalb die Signaturangaben mit Vorsicht zu behandeln sind. Zu Johannes Weinrich siehe Schäfer : Notariats-Signete, S. 110 (Nr. 38) sowie Steinmetz: Die Waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Gbll Waldeck 47 (1955), S. 69f. (Nr. 50). Dieses Instrument mit dem typischen Signet Weinrichs stellt einen früheren Beleg für seine Tätigkeit als der bei Schäfer angeführte aus dem Jahr 1630 dar (dazu kommt das in Anm. 45 genannte Instrument vom 17. Juli 1622). 15 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an das Fürstlich Hessische Konsistorium zu Marburg, 1623 Februar 21 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (darin das 7. Stück im Umschlag mit der Aufschrift »Die Bestellung der praeceptor[um]., Schul- und Opffermänner in der Stadt und Amt Gudensberg betreffend […]«, fol. 2v–3r).

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bei der Pfarrbesetzung hatten – eine Situation, die Konflikte heraufbeschwören musste.16 So schrieben die Kasseler Konsistorialräte an Landgraf Moritz, es werde »darfür gehalten, daß das filial Züschen der mutterkirchen Heimershaußen (so e[urer]. f[ürstlichen]. g[naden]., die collatur betreffendt, unstreitig zustehet) pillich folgen solle«.17 Offenbar schloss Hessen-Kassel aber nicht aus, die Kirche Heimarshausen von Züschen zu trennen. Johannes Hanstein, Meisenbugischer Verwalter zu Züschen, berichtete nämlich am 30. September 1625 zuversichtlich, »das der superintendens von Caßell Steinius vorn rathaus zu Züschen sich verlauten laßen, wans je nitt sein solte, das sie einen priester nach Züschen setzen solten, so wolten sie Heimershausen davon nemen, […] undt laß mich fast beduncken, wan die wolgebornen unsere gnedige landtherrn [i. e. die Grafen zu Waldeck, A. J.] einen ernst brauchen, sie [i. e. der Landgraf von Hessen-Kassel und seine Diener, A. J.] werden kleinmutig werden und die pfahr abtretten«.18 In ihrem Protestationsinstrument vom 4. August 162219 wie in ihrem Schreiben an Paul Stein vom 28. Dezember 162220 führen die von Meisenbug die bisherigen Pfarrer zu Züschen und die Umstände ihrer Berufung auf.21 1509 sei Johann Döhner »alhir zu Züschen ein pfarrherr und vom capitul zu Fritzlar derozeit belehnet geweßen«. Dieser sei 1530 durch Caspar Steinwardt abgelöst worden, »welcher ein munch zu Hasungen gewesen, undt alß der catholischen meinung gefallen, zum pfarrherrn alhir angenommen worden«, wo er bis 1555 amtiert habe.22 Danach sei »Curdt Holtzhausen von Hombergk anhero kommen, 16 Das tatsächliche Filiationsverhältnis zu dieser Zeit ist unklar. Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 10f. schreibt: »[…] Muttergemeinde ist Züschen erst 1587 geworden, denn in diesem Jahre wurde das alte, heute noch stehende Pfarrhaus errichtet […]«, davor scheint – wie Hessen zu seinen Gunsten noch in den 1620er Jahren anführt – Heimarshausen die Mutterkirche Züschens gewesen zu sein (siehe aber : Classen: Die kirchliche Organisation Althessens, S. 190f.), während sich spätestens nach 1660, als die Auseinandersetzungen der Meisenbuge mit Hessen und Waldeck weitgehend zur Ruhe kamen (Langenbeck, S. 22), die umgekehrte Auffassung durchsetzte. 17 Anwesende Konsistorialräte an Landgraf Moritz, Kassel 1625 September 23, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 8–10 (Konzept: fol. 13f.), hier: fol. 8v, mit Dorsalreskript Caspar Weigandts (Sababurg, 1625 September 27), fol. 9r, auf Befehl des Landgrafen: »Man mus sich von diesen trotzigen gesellen [i. e. den Meisenbugen, A. J.] sobaldt nicht abschrecken noch die f[ürstliche]. geistliche jurisdiction daselbst derogestaldt abschreiben laßen, sondern wirdt sich das consistorium mit zuthuung undt beihaltung unser regierung gebürlich zu manuteniren wissen«. 18 Johannes Hanstein an Johann Leo Meisenbug, Gräflich Waldeckischen Stallmeister zu Arolsen, Züschen 1625 September 30, StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 19 StAM 115/07, Nr. Züschen 4 (wie Anm. 14). 20 StAM 318 Kassel, Nr. 398 (wie Anm. 10). 21 Pfarrerübersicht auch bei Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 34–40. 22 Die Jahreszahlen folgen Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 34. Die Zitate zu den bisherigen Pfarrern nach der Abschrift des Protestationsinstruments der Meisenbuge vom 4. August 1622 in StAM 115/07, Nr. Züschen 18 (wie Anm. 14).

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aber nurendt zwey Jahr verblieben, darnach die Pfar Lohna erlangt, und daselbsten verstorben«. »Hernacher ist Martin Buchholtz in anno 1557 anhero von den Meisenbugen angesetzt«, aber 156923 »wegen seines ärgerlichen geführtten lebens, hinwieder von denselben Meisenbugen abgeschafft worden, welcher nach dem Sandte kommen, und daselbsten todts verblichen«. Martin Buchholtz war ihnen von dem Kasseler Superintendenten Caspar Lanius, genannt Kaufunger, empfohlen worden.24 Nach der Aufstellung bei Langenbeck, dem noch andere Quellen vorlagen, wurden alle bisher genannten Pfarrer von den Meisenbugen den Stiftsherren zu Fritzlar präsentiert und von diesen angenommen. Dies änderte sich mit Adam Pistorius, bisher Pfarrer in Altwildungen, welcher »ist von den Meisenbugen […] anhero vociret, zu Fritzlar praesentiret, aber in verweigerung dechants undt capituls, darumb das er der Augspurgischen confession bekandt gewesen, gleichwol alhier eingeführt worden, welcher nachgehendts, in anno 1585 alhier in Gott verstorben«25 Damit beginnt der stärkere Einfluss Hessens auf die Pfarrbestellung zu Züschen. Allerdings weisen die Meisenbuge darauf hin, dass gerade jener Pistorius gemäß seiner Herkunft nicht die Klassenkonvente der Hessen-Kasselschen Pfarrer besucht hätte, sondern »sich zu den waldeckischen anniversariis synodis undt extraordinariis conventibus zeitt seines ambtts gehaltten; die waldeckische kirchenordtnung observiret«.26 Nachdem Adam Pistorius 1585 gestorben war, wandten sich die Brüder Johann, der den Landgrafen von Hessen-Kassel als Landvogt an der Werra mit Sitz in Eschwege diente, und Leo Meisenbug am 27. September in einem Schreiben an den Kasseler Superintendenten Bartholomäus Meyer.27 Sie befänden sich mit dem Stift Fritzlar vor dem Hessischen Hofgericht zu Marburg in einem Streit um die Pfarrkompetenz – insbesondere den Hertingshäuser Zehnten –, »unnd ob wir woll den thumbhern die collatur solcher pfar gestendigk, so ist uns doch bißhero bedencklichen gewesenn, ihnen einen pfarhern jegen Züschen zu verordnen, nachzugeben«. »Nachdem ir aber wegen unsers g. f. und herrn die 23 Nach Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 34. 24 Nach Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 34f. 25 Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 35 präzisiert, Pistorius sei »auf Befehl des Superintendenten zu Cassel Bartholomäus Meyer durch Johannes Regenbogen im Namen der Meysenbugs zu Züschen am 3. Oktober 1569 eingeführt« worden. Die Meisenbuge geben in ihren Äußerungen (Anm. 19 und 20) als Jahr der Einführung Pistorius’ ungenau 1570 an. Die Zitate zu den Pfarrern bis hierher folgten der Abschrift des Schreibens der Meisenbuge an Paul Stein vom 28. Dezember 1622, in: StAM 318 Kassel, Nr. 398 (wie Anm. 10), fol. 1v. 26 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an das Fürstlich Hessische Konsistorium zu Marburg, 1623 Februar 21 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (wie Anm. 15), fol. 4r. 27 »Johann und Leo Meisenbuge gebrüdere zu Züschen sambtt der unmündigen vormündere« an Bartholomäus Meyer, Superintendent des Bezirks Kassel, Eschwege 1585 September 27, StAM 22 a 6 (in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen« unter dem bekannten »Copialbuch« mit Ausschreiben der Superintendenten Paul Stein und Theophil Neuberger).

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inspection dieser pfar, auch die fürstliche kirchenordnung formb und maß hierin gibtt, so haben wir nichtt underlaßen wollen, ewern radtt hierin zugebrauchen.« Sie schlagen vor, ihm ein oder zwei Personen, die bereits bei ihnen nachgesucht hätten, zur Examination zuzuschicken und wenn diese »vor genugsahm erkandt« würden, solche den Stiftsherren zur Investitur zu überschicken, »sonsten tragen wir die vorsorge sie mochtten uns einen verordnen, der uns und unsern armen leutten nichtt annehmlichen«. Sie entschieden sich letztlich für »Jost Sprenger von Almen, aus dem stifft Köln, alß er von catholischen vertrieben gewesen«, dieser sei »von dem landvoigten selbsten, in beisein Schimmelpfennings undt Reinman28 beiden damaligen pfarhern zu Eschwege examiniret, hernacher decano undt capitulo zu Fritzlar praesentiret und in dero verweigerung, propter religionis diversitatem, von denselbigen Meisenbügen zu einem pfarhern alhier, ohne einige contradiction eingeführet worden undt bis in annum 1597 in welchem er gestorben das göttliche wordt, nach inhalt der Augspurgischen confession alhier geprediget«.29 Damit war die Verbindung nach Hessen noch enger geknüpft. In einem ihrer gegen den späteren hessischen Anspruch auf eigenmächtige Besetzung der Pfarrei gewandten Schriftsätze geben die Meisenbuge als Grund für ihre Wendung nach Hessen in einem Zusatz in Klammern an, dass ihre Vorfahren zu dieser Zeit »mitt unsern gnedigen herren den graffen zu Walldecken, zu rechttfertigung undt schweere mißverstände gerathen wahren«.30 Das Zusteuern auf den Höhepunkt des Konflikts und dessen konfessioneller Hintergrund

Auch der Nachfolger, Johann Gnetzinger, wurde »wegen der religion« und des am Hofgericht schwebenden Streites um den zur Pfarrbesoldung gezogenen Hertingshäuser Zehnten von Dekan und Kapitel des Stifts Fritzlar nicht akzeptiert, weshalb er dem Kasseler Superintendenten zur Examination und Konfirmation zugeschickt,31 und nachdem er von diesem »für gnugsamb und 28 Hierbei handelt es sich um den späteren Superintendenten des Bezirks Allendorf, Georg Reinmann, der von 1595–1622 als solcher amtierte. 29 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Paul Stein, 1622 Dezember 28 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 398 (wie Anm. 10), fol. 1v–2r. Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 35 (Nr. 6) gibt den Familiennamen Jost Sprengers, wahrscheinlich falsch als »Pranger« an. 30 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an das Fürstlich Hessische Konsistorium zu Marburg, 1623 Februar 21 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (wie Anm. 15), fol. 3r. 31 In ihrem Schreiben vom 21. Februar 1623 an das hessische Konsistorium (StAM 318 Kassel, Nr. 400 (wie Anm. 15), fol. 3r) sprechen die Meisenbuge sogar davon, als die Stiftskapitulare zu Fritzlar ihrem Kandidaten »dissentiiret, haben unsere vorfahren seel. […] denselbigen alßdan hochgemelttem unserm gn. fürsten undt herren praesentiret«. Nach dieser Formulierung gewährten sie dem Landgrafen von Hessen-Kassel und seinem Superintendenten

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düchtig erkandt«, »von den Meisenbugen zum predigt ampt verstattet worden« sei.32 Jener Johann Gnetzinger trat in einen engen Austausch mit den kirchlichen Autoritäten der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Züschen wurde zunehmend wie eine genuin hessische Pfarrei behandelt, es galt die hessische Kirchenordnung und Gnetzinger predigte über die Verbesserungspunkte, wenn diese auch unter ihm nicht eingeführt wurden.33 Die »Verbessserungspunkte« waren es auch, die Gnetzinger in Konflikt mit seinen Patronatsherren und zu einer immer stärkeren Anlehnung an Hessen-Kassel brachten. »Anno 1607 bey damahls gehaltenem Casselischen synodo, befindet sich folgende relation, Es hat die Gudenspergische class ad 2. et 3. punctum, de integritate decalogi et fractione panis, sich ercläret,34 die under den juncker gesessen wolten gern nachfolgen, fractio panis sey eine nothwendige ceremonia, dürfens aber für ihren nobilibus nicht thun, undt hat beneben andern Gudenspergischen pfarrern underschrieben, Johannes Gnetzingerus ecclesiae Zuschensis pastor.«35

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nicht nur die Examination ihres Kandidaten, sondern übertrugen ihm quasi das jus conferendi des Stifts Fritzlar, dessen Entscheidung sie nicht mehr akzeptieren wollten. Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Paul Stein, 1622 Dezember 28 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 398 (wie Anm. 10), fol. 2r. Nach dem Gutachten (näher dazu in Anm. 35) in StAM 22 a 8, Nr. 133 (Böhne), fol. 5v hat der Kasseler Superintendent Bartholomäus Meyer in einem Schreiben an die Meisenbuge und den Rat zu Züschen nach der Examinierung Magister Johann Gnetzingers begehrt, »in nahmen unserß gn. f. undt herrn ihn für ein pfarrer aufzunehmen«. Die geplante persönliche Einführung durch Meyer sei aber, »vieleicht seiner unvermögligkeit halben«, unterblieben. In den mir vorliegenden Quellen, die kurz nach dem Tod Gnetzingers 1622 entstanden sind und einem bei Anm. 40 näher besprochenen eigenhändigen Brief an den Kasseler Superintendenten Johann Strack vom 15. September 1608, lautet sein Name eindeutig »Gnetzinger« bzw. »Gnätzinger«. Die Varianten die Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 35 (Nr. 7) anbietet: Gontzinger, Crutzinger, Johann Curth Zinger scheiden damit aus. So richtig: Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 139; anders: Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 15, 35 (Nr. 7). In dem Gutachten (der Regierung Kassel) in StAM 22 a 8, Nr. 133 (Böhne), fol. 2v wird aus einem Schreiben Gnetzingers referiert, »das Hessen von anfang der reformation sich der pfarr zu Züschen angemasset […], sie hetten auch je undt allwege die hessische kirchenordnung alda, undt sey bey menschen gedencken, wie noch jederzeit, nach den predigten für die fürsten zu Hessen gebetten«. Gewöhnlich werden drei 1605 durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel eingeführte religiöse »Verbesserungspunkte« gezählt: 1. Lehre von der Person Christi nur »in concreto«, d. h. Ablehung des lutherischen Dogmas von der Ubiquität auch der menschlichen Person Christi und damit seiner leiblichen Gegenwart in den Abendmahlselementen, 2. Zählung der zehn Gebote gemäß der Bibel, abweichend von den lutherischen Katechismen Separierung des Bilderverbotes als zweites Gebot, 3. Feier des Abendmahls gemäß der Einsetzung mit gebrochenem Brot anstatt mit Hostien, siehe: Hofsommer: Verbesserungspunkte, S. 8. StAM 22 a 8, Nr. 133 (Böhne) [= Bestand Kirchensachen, Regierung Cassel (nach Orten)]: »Jus Episcoplae und Pfarrbestellung zu Böhne und Züschen betreffend. Dieser bericht ist mihr dem Superintendenten von D. Johan Bischoffen F. hessischem Geheimbten Rath communicirt worden; welchen ich auch dem Consistorio zu Marpurg communicirt habe« (Rückvermerk von der Hand Paul Steins), undatiert, darin fol. 5v–6r. Das umfangreiche Gutachten muss zu Lebzeiten Johann Gnetzingers, »itzigen Pfarhern« (fol. 5v), entstanden

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Die Meisenbuge beanspruchten nicht nur, dass ein ihnen genehmer Pfarrer, vom Stift Fritzlar oder dem Landgrafen von Hessen auf ihre Präsentation hin nach Züschen gesetzt wird, sondern erklärten, ihre Vorfahren hätten »einen schullmeister gleichfals beruffen, angenommen, undt in sein ambtt eingesetzett, undt alß magistratus die uffsichtt undt inspection gehabtt«.36 Gnetzinger beklagt sich 1608 in einem Schreiben an den Kasseler Superintendenten Johann Strack, dass, wenn er »die verbesserungspuncten angezogen und mit gotlicher schrift dargethan« hätte, der seit dreißig Jahren in Züschen amtierende Schulmeister zusammen mit dem Paedagogus der Kinder Wilhelm Meisenbugs »solches calumniiret und vor calvinisch ausgerissen«. Aus Opposition gegen die Verbesserungspunkte versuche Wilhelm Meisenbug daher den vom Superintendenten zugeschickten neuen Schulmeister – den Pfarrer, Bürgermeister und Rat willens wären anzunehmen – zu verhindern »und meinet, er wolte mir widder einen calumniatorem an die seiten bringen, qui destruat quod ego extruo«, der zerstört, was ich aufbaue. Dazu belebte Wilhelm Meisenbug seine Beziehungen zu den Grafen von Waldeck neu und ließ verlauten »Graf Christian von Waldeck werde des nechsten tags ein schulmeister bei uns anordtnen lassen und die schul bestellen«. Gnetzinger berichte dies, damit »ihrer f[ürstlichen]. g[naden]. [Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, A. J.] an ihrer habenden gerechtigkeit dadurch kein eintrag geschehe […], sintemal es nicht mit dem geringsten buchstabben zu beschirmen oder dociret werden kann, das jemals ein Graf von Waldeck sich kirchen und schulen bei uns angenommen habe«.37 In einem Schreiben vom 10. Juni 1608 an den Superintendenten zu Kassel über die Situation in Züschen legte der Metropolitan der Klasse Gudensberg, zu der die Pfarrei Züschen gehörte, dar, dass »die collatur daselbst dem decano Fritzlariensi, die confirmation aber und das examen unserm gnedigen fürsten und hern und ihrer f. g. superintendenten einig und ohn alles widersprechen zustendig. Immaßen der pfarher allwege den conventum zu Gutenspergk und Caßell besuchet und noch visitirt, auch von den superattendenten seine antecessores confirmirt worden«.38 Aus der Verlegenheitslösung der Meisenbuge den Züschener Pfarrer durch den Kasseler Superintendenten examinieren und besein, 1608 ist das letzte darin genannte Jahr ; an Paul Stein wurde es wahrscheinlich im Gefolge der im Eingangszitat angeführten Umstände übermittelt, an deren Deliberation, wie dort zu sehen, der Geheime Rat Dr. Johann Bischof beteiligt war. 36 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an das Fürstlich Hessische Konsistorium zu Marburg, 1623 Februar 21 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (wie Anm. 15), fol. 2r. 37 Johann Gnetzinger an Johann Strack, Züschen 1608 September 15, StAM 22 a 6 (in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen« unter dem bekannten »Copialbuch«). 38 Andreas Scribonius, Pfarrer und Metropolitan zu Gudensberg, an Johann Strack, Superintendent des Bezirks Kassel, Gudensberg 1608 Juni 10, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« einzeln einliegend in einem Umschlag mit der Aufschrift »Jus Episcopale zu Züschen, A[mts]. Gudensberg. Attentata von Waldeck. 1608«).

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stätigen zu lassen, leiteten der Landgraf und seine Diener nun einen Anspruch ab, den die lutherischen Junker in Zeiten religiöser Differenz mit dem reformierten Landgrafen von Hessen-Kassel nicht unwidersprochen hinnehmen wollten. Hans Meisenbug habe sogar eine Kommission bei den Grafen zu Waldeck erwirkt »und ist darauff Johannes Dorbecker Waldeckischer superintendens mit anderen politicis zu Züschen angelangt und ein scharffe vordechtige inquisition uber Johan Gnetzigern pfarhern daselbsten gehaltten«,39 die Hans Meisenbug in schwere Erklärungsnöte vor der fürstlichen Kanzlei zu Kassel brachte, bei der die Grafen von Waldeck sich nicht scheuten für ihre Lehensleute zu interzedieren.40 Der konfessionelle Dissens wurde aber auch sehr handfest ausgetragen, so berichtet Gnetzinger, ihm sei »aller unfug und bosheit am viehe, an frucht und in garten« geschehen und bittet wegen des Zustands von Kirche und Schule um eine Visitation.41 Am 25. Oktober 1608 habe sich der Superintendent Johann Strack auf Befehl der fürstlich hessischen Regierung nach Züschen begeben, wo er dem Meisenbugischen Schultheiß sowie dem Bürgermeister der Stadt, die nach wiederholter Zitation im Pfarrhaus erschienen seien, die hessische Sicht der Dinge dargelegt und sie ermahnt habe, dass »sie wohl zusehen solten, das sie zwischen Hessen undt Waldeck kein unnötigen zangk veursachten«. Sie hätten sich »mit des pfarrers lehr und leben wohl zufrieden« erklärt und wünschten, dass dessen Streit mit Hans Meisenbug beigelegt würde.42 »Es ist aber dargegen auch bekandt, daß die Meisebuge quo ad ecclesiasticam rem nemlich in religionssachen selbst zweyig, etzliche sich unser confession

39 Andreas Scribonius an Johann Strack, Gudensberg 1608 Juni 10, StAM 22 a 6 (wie eben). 40 Gutachten, in: StAM 22 a 8, Nr. 133 (Böhne), fol. 6r–7r (wie Anm. 35). 41 Johann Gnetzinger an Johann Strack, Züschen 1608 September 15, StAM 22 a 6 (wie Anm. 37). 42 Gutachten, in: StAM 22 a 8, Nr. 133 (Böhne), fol. 7rv (wie Anm. 35). Ein Reflex auf diese Vorgänge findet sich in dem von Johann Strack vor 1610 angefertigten »Verzeychnuß in die Inspection des Superattendenten zu Cassel gehöriger Pfarren, von wem sie zu Lehen gehen, und welche zusamen von einem jeden Pfarherren curiret und versehen werden« (StAM 22 a 8, Nr. 153 [Kassel], fol. 9r) bei der Aufzählung der zur Klasse Gudensberg gehörigen Pfarreien, woraus der Standpunkt Hessen-Kassels noch einmal deutlich wird: »17. Heymershausen, Collator ist unser G. F. und H., dessen filial ist Züschen, so jederzeit von unsers G. F. und H. superattendenten ist bestellet worden, und seind allezeit die pfarherren zu Züschen zu Cassel examiniret, und von den superattendenten eingeführet und investiret, wie gnugsam zu bescheinen, itzo aber wollen die Meysebuge es naher Waldeck wenden, damit sie nicht die verbesserungs puncten dörfen annehmen, der pfarherr ist Johannes Gnetzinger, ein gelerter man, so sich allzeit zu dem conventu classico zu Gutenßpergk gehalten, und auch noch, und weil ich uf befehlch f. räthe neulichen zu Züschen visitiret, hatt der wolgeborne Graff, mein G. H., Graf Christian, ein herbe schreiben an mich gethan, darinnen er gegen solche visitation protestiret, und will Züschen ihme allein zuschreiben, davon ich die Herren Räthe schrifftlich und mündlich berichtet hab«.

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stellen undt annehmen, die andere aber des widrigen sein […]«.43 So machten Wilhelm und Hans Meisenbug dem Pfarrer das Leben schwer, »der meinung sie wolten mich müdt machen das ich selbst resigniren und die pfar ubergeben solte, wilches aber Johan Meysenbug dem eltern als orthodoxae religionis patrono und defensori hertzlich leid thut, aber wegen seiner andern vettern nichts zur sachen thun darf«.44

Die Introduktion des Pfarrers Hermann Gerhard durch Hessen-Kassel 1622

Um seinen Ansprüchen auf die Pfarrei Züschen Geltung zu verschaffen, wartete Hessen-Kassel nach dem Tod Johann Gnetzingers nicht erst auf die Präsentation durch die Meisenbuge, deren mangelndes Einverständnis mit der Kasseler Religionspolitik mittlerweile bekannt war und lange Diskussionen befürchten ließ, sondern setzte selbst einen Pfarrer in Züschen ein. Am 4. August 1622 wurde Hermann Gerhard von Balhorn »bei dießen turbulenten, betrübten undt gefehrlichem zustande, da i[hre]. f[ürstliche]. g[naden]. schon die gantze graffschafft Waldecken gleichsamb mit gewalt eingenommen, landt undt leute aufs eusserste verderbet«45 durch den Kasseler Superintendenten Nicolaus Eckhardi in Begleitung der Pfarrer von Gudensberg und Obermöllrich sowie der fürstlichen Beamten, des Rentmeisters und des Schultheißen des Amtes Gudensberg, als Pfarrer zu Züschen eingeführt.46 Die Meisenbuge hatten sich darauf gefasst gemacht und den Notar Johannes Weinrich zu sich gefordert, der über die Geschehnisse ein Protestationsinstrument verfasste. Darin heißt es, nach beendeter Predigt habe »mehrgedachtter superintendens, dem pfarrhern vorgeleßen, wie er sich in seinem amptt verhaltten, undt daß er die heßische verbe43 Dorsalreskript Landgraf Moritz’ von Hessen-Kassel, Sababurg, 1625 November 19, auf dem Schreiben von Vizekanzler und Räten an ihn, Kassel 1625 November 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 145–146, hier : fol. 146rv. 44 Johann Gnetzinger an Johann Strack, Züschen 1608 September 15, StAM 22 a 6 (wie Anm. 37). 45 Offenes Protestationsinstrument durch den kaiserlichen Notar Johannes Weinrich mit seinem typischen Notariatssignet, auf Erfordern der Gräflich Waldeckischen anwesenden »räthe uff dem Schloß Waldeck in der cantzley am fördersten tisch sitzendt«, »uff befehlich undt in namen ihrer g[räflichen]. g[naden].«, 1622 Juli 17, StAM 115/07, Nr. Züschen 3, das Zitat: fol. 2r. 46 Schon mit Schreiben vom 4. Juni 1622 habe das Konsistorium zu Marburg an Bürgermeister, Rat, Vorsteher und ganze Gemeinden der Stadt Züschen und der Dorfschaft Heimarshausen begehrt, Hermann Gerhard im Predigen zu hören und wie derselbe ihnen an Person und Gaben gefalle, zu berichten, was aber unterblieben sei. Stattdessen hätten die Meisenbuge »vor aller newrung, uns, bey unsern alten erlangtten herbrachten rechtten undt continuirten juribus vocandi et praesentandi, gnediglichen zulaßen, untterthenig hohes fleißes gepetten« (Protestationsinstrument, 1622 August 4, StAM 115/07, Nr. Züschen 4 (wie Anm. 14), hier zitiert nach der Abschrift in StAM 115/07, Nr. Züschen 18, darin fol. 5r).

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ßerungs puncten daselbst einführen undt der gemeine ainbilden söltte«.47 Nach verrichteter Einführung trugen die Meisenbuge dem Superintendenten auf der Burg alle ihre Einwände gegen das als Anmaßung empfundene Verhalten Hessens vor. Bemerkenswert ist, was »[d]arauff obgedachtter superintendens ihnen Meysenbugen zur antwortt geben: er wöltte viel lieber gesehn haben, daß diese vorgenommene introducirung des pfarrherrn wehre verplieben, hette auch deßhalb allen müglichen fleiß angewendett, i. f. g. aber hetten von ihrem gefasten proposito nicht abweichen wollen […]; er superintendens hette nicht gewüst, daß die jungkherrn hirin berechtiget wehren, biß solange deren underschiedtliche abgangene schreiben er gesehen undt gelesen hette, wöltte gepehten haben, ihnen vor entschuldigett zu haltten«48 – ein Superintendent, der sich gegenüber einer opponierenden Adelsfamilie von der Entscheidung seines Fürsten distanziert und sich für deren Umsetzung entschuldigt. Wie rechtlich fragwürdig der Anspruch des Landgrafen auf die Pfarrbesetzung und das dazu konstruierte Filiationsverhältnis war, zeigt die treffende Feststellung der Meisenbuge »wan Heimershaußen die mutter sein soltte, so müste auch der pfarrherr der gemeine zue Heimershausen erstlich vorgestellet, undt daselbsten introduciret worden sein«.49 Außerdem hätte der Pfarrer zu Züschen vom Landgrafen keinerlei Besoldung, den Unterhalt verschafften ihm vielmehr die Meisenbuge, die wegen des dazu herangezogenen Zehnten zu Hertingshausen sogar in einen Rechtsstreit mit dem Stift Fritzlar vor dem Hofgericht zu Marburg verwickelt seien.50 Auch unter Hermann Gerhard blieb das Verhältnis zwischen Pfarrer und Schulmeister gespannt. Schon am 22. Oktober 1622 berichtet Hermann Gerhard an Stein über die Reaktionen darauf, dass er »die verbesserungs puncten auff anordnung des consistorii eingefuhret, den hessischen catechismum an beiden orten [Züschen und Heimarshausen, A. J.] fleisig getriben«.51 Auf dieses Schreiben, das Stein unter dem 28. Oktober in seinem Diensttagebuch mit den Worten exzerpiert: »Der pfarher zu Züschen, ehr Hermannus Gerhardus klagt schriftlich uber den schulmeister daselbst, daß er die eingeführte verbesserungspuncten lästere, auch die bürgerschafft widerwillig mache«,52 zitierte er den Schulmeister auf den 31. Oktober nach Kassel. Schon der vorige Superintendent, Nicolaus Eckhardi, hätte dies getan, nur hat der Schulmeister »wegen 47 Instrument des Notars Johannes Weinrich, Ausfertigung auf Pergament, 1622 August 4, in: StAM 115/07, Nr. Züschen 4 (wie Anm. 14), hier – der leichteren Benutzbarkeit halber – nach einer in StAM 115/07, Nr. Züschen 18 liegenden Abschrift zitiert, darin fol. 2r. 48 Ebd., fol. 3rv. 49 Ebd., fol. 4r. 50 Ebd., fol. 3v. 51 Hermann Gerhard an Paul Stein, Züschen 1622 Oktober 22, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 52 DTB Paul Stein 1622/23, hier der Eintrag zum 28. Oktober 1622, Nr. 3.

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halstarrigkeitt nicht erscheinen wollen«.53 Jetzt verhielt es sich nicht anders. Trotz wiederholter Zitationen ließen die Meisenbuge ihren Schulmeister nicht nach Kassel folgen, sondern versuchten sich persönlich und in Schriften zu rechtfertigen, »darinnen sie vermeinen, des schulmeisters zu Züschen ausbleiben zu entschuldigen« sowie »ihre vermeinte pfarr- und schulgerechtigkeit daselbst zu behaubten«.54 »Dieweill nun der Schulmeister zugleich auch unser gericht[-] und stadtschreiber mitt ist, so gestehen wir gar nichtt, daß jemals ein superintendens, einige jurisdiction, wie berurtt worden, ahn dem schulmeister alhier exerciret«.55 Wie Gerhard in einem späteren Schreiben erläutert, brächten »diese beneben dinste die meiste besoldung, der schuldienst aber sehr wenigk«.56 In ihrem Schreiben vom 22. Januar 1623 argumentieren die Meisenbuge allerdings in einer verhängnisvollen Weise: »Do wir niemaln gemeinet gewesen, auch noch nicht seinn, daß jus episcopale [des Landgrafen von Hessen-Kassel, A. J.] dieses ortts zu bestreitten, wißen woll ein solches unß nicht geziemen will, darumb wir es andern und höhern zu verfechten heimbgeben. Allein ist bißhero unser bitten und suchen gewesen, auch noch, daß wir bey dem jure vocandi et praesentandi pastorem alhier zu Züschen gelaßen werden mögen«.57 Aus dem ius episcopale leitete Landgraf Moritz umfassende kirchliche Hoheits- und Aufsichtsrechte des Landesherrn ab, weshalb er sich unter Berufung darauf auch den Eingriff in adlige Patronatsrechte erlaubte. Am 20. Februar 1623 berichtet Hermann Gerhard an Paul Stein, »das nun mehr der halstarrige schulmeister Hanstein abgeschafft von den Meisenbugen unnt eines burgers sohn, Adam Huck genandt, angesetzt«.58 Diesen Akt, in dem sich der Anspruch der Meisenbuge »einen schulmeister ohn des superintendenten oder des consistorii zuthun an- und abzusetzen« manifestierte, fassten die hessischen Autoritäten als 53 Hermann Gerhard an Paul Stein, Züschen 1622 Oktber 22, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 54 DTB Paul Stein 1622/23, hier der Eintrag zum 24. Januar 1623, Nr. 1. 55 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Paul Stein, 1623 Januar 22, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 56 Hermann Gerhard an Paul Stein, Niedenstein 1625 Juni 20, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 57 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Paul Stein, 1623 Januar 22, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 58 Hermann Gerhard an Paul Stein, Züschen 1623 Februar 20, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). Gerhard ging darin davon aus, dass »es nun mehr, Got lob, zu einem gutten ende kommen ist«. Auch die Meisenbuge selbst erklärten in einem Schreiben an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1623 März 27 (Abschrift, in: StAM 115/07, Nr. Züschen 18), so gehandelt zu haben, weil »mitt dem vorigen schulmeister, der newlich hergesetzter praedicant, sich nicht vertragen können«. »Damitt aber der gotteßdienst mit singen in der kirchen, auch die jugendt in der schull, nicht verseumett würde, haben wir einen andern, mitt dem der pfarher unsers erachtens, zufrieden sein kan, kirch und schull zuversehen, annhemen sollen […].«

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Verletzung des von den Meisenbugen selbst dem Landgrafen von Hessen-Kassel an der Pfarrei Züschen zugestandenen ius episcopale auf, da »das schulwesen vom kirchwesen dependire«,59 weshalb Vizekanzler und Räte auf Befehl des Landgrafen an sie begehrten »den von ihnenn ihres eigenen willens unndt gefallens intrudirten schulmeister dennechsten wieder abzueschaffenn«.60 Allerdings scheint es hier am Ende eine gütliche Lösung gegeben zu haben, denn, wie Stein unter dem 14. Juni 1623 in seinem Diensttagebuch notiert, hielten die Regierungsräte »darfür, weil der pfarher mit dem von den Meisenbugen angesetzten schulmeister zufrieden sey, es könte ihm von mihr dem superintendenten oder consistorio im nahmen ihrer f[ürstlichen]. gn[aden]. die schulverwaltung anbefohlen werden«.61 Ein anderer Punkt, dessen Berechtigung die hessischen Autoritäten in Frage stellten, war die von den Meisenbugen unter Berufung auf die Belehnung durch die Grafen von Waldeck beanspruchte geistliche Jurisdiktion zu Züschen, da »die graven selbst, der zeit, alß ihr [die Meisenbuge, A. J.] mit Züschen belehnet sein sollet, unndt wollet die geistliche jurisdiction unndt daß jus episcopale nicht gehabtt«. Als weltlicher Stand seien die Grafen von Wadeck »des juris episcopalis, unndt der geistlichen jurisdiction, alß welche der zeit, bey den bischoven unnd andern geistlichen ständen und praelaten eintzig, unndt allein gehafftet« unfähig gewesen. »Unndt ob gleich nach der handt durch den religionsfrieden ein anderß eingeführet unndt daß jus episcopale und waß demselben ferners anhenget, auch den weldtlichen communiciret worden, so redet doch derselbe vonn den ständen undt ungemittelten des reichs«, wozu die Grafen zu Waldeck nicht zählten.62 Folglich hätten sie ein Recht, über das sie selbst nicht verfügten, auch nicht an die Meisenbuge übertragen können. Auch die Meisenbuge halte man für »kein standt des reichs, euch auch deß orts zu Züschen kein sonderbar patronat gestanden wirdt«. Vielmehr seien sie »f[ürstlich]. hessische Landtsaßen« und »s[eine]. f[ürstliche]. g[naden]. des orts zu Züschen dominus territorialis, und der landtsfürst«, daher gebühre es den Meisenbugen nicht, 59 DTB Paul Stein 1622/23, hier der Eintrag zum 7. Dezember 1622, Nr. 4 über den mündlichen Bericht des Johann Meisenbug, der dabei zudem gedachte, dass »sie, die von Meisenbug, auch herbracht haben, die castenrechnungen allein, ohne den superintendenten, abzuhören; wie dann niemals kein superintendens einige rechnungen abgehört oder unterschrieben habe«. 60 Vizekanzler und Räte an die Beamten zu Gudensberg, die ein entsprechendes Schreiben an die Meisenbuge überbringen sollten, Kassel 1623 März 17 (»Copia« des Übersendungsschreibens an die Beamten), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (darin das erste Stück im Umschlag mit der Aufschrift »Die Bestellung der praeceptor[um]., Schul- und Opffermänner in der Stadt und Amt Gudensberg betreffend […]«). 61 DTB Paul Stein 1622/23, hier der Eintrag zum 14. Juni 1623. 62 Diese hessische Ansicht allerdings war höchst umstritten, siehe Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 67, 78, 114f.

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»s[einer]. f[ürstlichen]. g[naden]. undt dem jure episcopali unndt waß demselben ferners anhengt, alß der introduction, confirmation, visitation undt dergleichen einigen eintrag zu thun, unndt s[einer]. f[ürstlichen]. g[naden]. darin vorzugreiffen«. Nun ist es also so weit, dass der Landgraf von HessenKassel Züschen ganz seiner Landeshoheit unterstellen will. »So ist man doch der landtsobrigkeit zu Züschen euch [den Meisenbugen, A. J.] eben so wenig, alß den herrn graven zue Waldeck selbst gestendig.«63 In einer solchen Angelegenheit zeigte Hessen-Kassel schon einmal seine Muskeln. Hermann Gerhard hatte sich beschwert, dass die Meisenbuge die Kirchenregister ohne sein Beisein »in deß verstorbenen pfarrers hauß inventiren laßen« und bis jetzt trotz Ermahung durch die beiden Bürgermeister noch nicht wieder herausgegeben hätten. Paul Stein soll daher – so die Aufforderung des Konsistoriums – bei der Regierung nachsuchen, den Beamten zu Gudensberg (Rentmeister und Schultheiß), als weltlichem Vollstreckungsarm, zu befehlen dafür zu sorgen, dass die Meisenbuge »die register unndt waß der pfarr mehr abgenommen sein möchtt, beglaubt wider heraus geben und dem pfarrern in ihrem beisein zustellen«.64 Mit dieser Forderung seien die Beamten am 25. Februar 1623 nach Züschen gekommen »undt bey dem vermeinten pfarhern eingezogen« mit dem Kanzleibefehl, nicht eher zu weichen, die Meisenbuge »hetten den zufoderst alle kirchen register, documenta undt anders so zur pfahr gehörigk, nichts darvon ausgeschieden, ihnen zugestellet«. Nachdem die Meisenbuge dem Schultheißen des Amts Gudensberg ihre Argumentation vorgetragen hatten, seien die Beamten »vor diesmal unverrichter sachen wieder abgezogen«.65 Alles Obstruktionsverhalten der Meisenbuge zeitigte aber keinen Erfolg. Nach einem Besuch in Züschen berichtete der waldeckische Landschultheiß Johann Rebenstock am 23. Oktober 1622 an Graf Wolrad IV., »das der ihnen auff undt ein getrungener newer priester nicht allein nichtt wieder abgeschafft, 63 Alle Zitate zu dieser Frage aus dem Brief von Vizekanzler und Räten an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, Kassel, 1623 April 26 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 400 (darin das 9. Stück im Umschlag mit der Aufschrift »Die Bestellung der praeceptor[um]., Schul- und Opffermänner in der Stadt und Amt Gudensberg betreffend […]«). 64 Konsistorium zu Marburg an Paul Stein, 1623 Januar 4, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«); siehe auch das Schreiben von Vizekanzler und Räten zu Kassel an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, 1623 Januar 15, StAM 115/07, Nr. Züschen 3. 65 Wilhelm Meisenbug an Graf Wolrad IV. zu Waldeck, Züschen 1623 Februar 27, in: StAM 115/ 07, Nr. Züschen 6; siehe auch den Brief Sämtlicher Meisenbuge zu Züschen an die Grafen zu Waldeck, 1623 März 28, mit der Bitte um Schutz und Vertretung (Ebd.); rechtlichen Schutz, sollte ihnen mit Gewalt zugesetzt werden, hatte Graf Wolrad IV. den Meisenbugen schon mit Schreiben aus Arolsen, 1623 Februar 26 (verworfene Reinschrift und Konzept) zugesagt (Ebd.); siehe auch den Brief an Kanzler Zacharias Vi[tor vom selben Tag, worin er schreibt, es werde bezüglich der Abforderung der Kirchenregister »mit der gewaltt gedrohet« (StAM 115/07, Nr. Züschen 3).

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sondern demnach der kayserlicher currirer alhier gewesen, sei er so baltt nach Cassell gelauffen, undt sich vieleichtt daselbsten rahtts erhohlett, undt sey seitthero viell freymuehttiger undt trötziger gewesen, dan zuvor«, zudem gehe das Gerücht, dass zur »beschirmunge dieses priesters hessisch kriegsvolck hieher gelegtt werden soeltte«.66 War die Gewalt bisher nur Drohung, so sollten die Einwohner die Entschlossenheit des Landgrafen von Hessen-Kassel bald handfester zu spüren bekommen.

Die Introduktion des Pfarrers Georg Thonius durch Hessen-Kassel 1625

Am 11. September 1625 teilte Wilhelm Meisenbug Graf Christian zu Waldeck mit, »das diese vergangene wochen, unser aufgetrungener pfarherr zue Züschen an der pest verstorben«. »Nun hatte ich mich zwar versehen, es würde ein consistorium, wie auch der superintendens Steinius zue Cassel mitt der ungebürlichen bestellung so geschwinde nicht procediret haben, so sindt sie doch zugefaren undt einen andern predicanten mitt schreiben naher Züschen geschickt, mitt befelch die kirche zu eröfnen, ihnen predigen laßen, und dann die underthane hinwider berichten, wie er ihnen anstünde, solte als dann ferner anordnung darinnen beschehen.« Ihre Diener hätten aber, »mit vorwenden«, dass keiner der Meisenbuge anwesend sei, ohne ihr Wissen nicht die Kirche öffnen wollen. Dies habe Wilhelm Meisenbug berichten wollen, »sintemal meine Vettere und ich zue gering, uns der gewalt, so gewiß vorgehen wirdt, zu widersetzen«.67 Am 7. September 1625 hatte Georg Thonius beim Konsistorium wegen der auf seiner bisherigen Pfarrei Sand erlittenen großen Kriegsbeschwerden um eine Translation nach Züschen angesucht.68 Mit der daraufhin ergangenen Aufforderung an die Gemeinde Heimarshausen und ihre Filiale Züschen ihn im Predigen zu hören,69 begab er sich zuerst am 10. September nach Züschen, wo er darauf vertröstet wurde, ihm werde am Sonntag, 18. September die Kirche geöffnet werden. Nachdem er auch dann hatte unverrichteter Dinge wieder ab66 Johann Rebenstock an Graf Wolrad IV. zu Waldeck, Züschen 1622 Oktober 23, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. Der Brief ergänzt sehr schön aus einer anderen Perspektive, was wir schon aus dem eingangs zitierten Eintrag im Diensttagebuch Paul Steins vom 10. Oktober 1622 wissen. 67 Wilhelm Meisenbug an Graf Christian zu Waldeck, Altenburg 1625 September 11, StAM 115/ 07, Nr. Züschen 7. 68 Georg Thonius an Präsident und Assessoren des fürstlich hessischen Konsistoriums, Kassel 1625 September 7, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 5f. 69 Konsistorialräte an Superintendent Paul Stein, Kassel 1625 September 8 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 7rv und das daraufhin ergangene, nicht überlieferte Schreiben Steins an Thonius, das im in der folgenden Anmerkung angeführten Brief Thonius’ an Stein erwähnt wird.

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ziehen müssen,70 sei er, wie das Konistorium am 23. September 1625 an Landgraf Moritz berichtete, »naher Heimerhaußen gangen, unnd seine probpredigt abgelegt, unnd sobalt ein leich bestattet, damit dan die gemeine seinem bericht nach, woll zufrieden geweßen sein soll«.71 Den Willen des Landgrafen notierte das Konsistorium auf dem ihnen mit dem Reskript desselben wieder zugestellten Schreiben mit den Worten: »Unser g[nädiger]. f[ürst]. u[nd]. h[err]. befiehlet die geistliche jurisdiction zu Züschen mit zuziehung der regirung zu erhalten«. Damit war die kompromisslose Haltung, die die kommenden Wochen prägen sollte, vorgegeben. Mochten die Meisenbuge auch gegen das Verhalten HessenKassels protestieren,72 es half nichts. Da der Superintendent erfahren hatte, »waß gestalt die h[erren]. graven zu Waldeck unserm g[nädigen]. f[ürsten]. u[nd]. h[errn]. an der pfarr Züschen eintrag zu thun, und einen ubiquitisten [= Lutheraner, A. J.] daselbst einzuführen gemeinet«, war man der Ansicht, »daß das consistorium den graven vorkommen und Thonium durch ihn h[errn]. superint[endens]. mit zuziehung der beambten ohn fernern zurücksehen uffuhren müsse«.73 Diesen Befehl erteilte das Konsistorium am 26. September 1625 im Namen Landgraf Moritz’ an den Superintendenten und die Beamten.74 Die Beamten zu Gudensberg sollten, da Stein davon ausging, dass »es ohne streit schwehrlich abgehen wird«,75 ihm dabei »gnugsahme assistentz« leisten; falls die Meisenbuge oder andere die Kirche sperrten, »solltet ihr die Kirch zu Züschen, durch die bei euch habende werkleuthe eröfnen«.76 Am 28. September 1625 ging – dem Bericht Paul Steins 70 Georg Thonius an Paul Stein, Sand 1625 September 19, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 11. Am 11. September 1625 sei Thonius »nach der Altenburg zu juncker Wilhelmo Meysenbug gangen seine meinung selbst zu vernehmen, welcher mihr glück zum pfardinst gewünscht«, sein Vetter Johann allerdings, den er eine Woche später »im felde uff einem pferde sitzend gefunden«, hätte ihm »zwar den dinst gar gerne gegönt«, habe aber auf den Eingriff Hessen-Kassels in die hergebrachten Rechte der Meisenbuge verwiesen. 71 Anwesende Konsistorialräte an Landgraf Moritz, Kassel 1625 September 23, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 8–10, hier : fol. 8r. 72 Sämtliche Meisenbuge an Paul Stein, ohne Ort 1625 September 21, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 12, 15, mit dem Angebot (fol. 12v): »So wöllen wir dahin bedacht sein, das dem negsten eine qualificirte person, dem herkommen nach, ahn gehörendem ortt praesentiret, und nachgehendtts, E[inem]. Ehrw[ürdigen]. zum examine uberschickett werden sölle«. 73 Johann Conrad Cellarius, Konsistorialsekretär, an Justus Jungmann, Konsistorialpräsident, Kassel 1625 September 26, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 17; siehe auch: Superintendent Paul Stein an Konsistorium, Kassel 1625 September 26, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 18–19. 74 Konsistorium an Paul Stein und Beamte zu Gudensberg, Kassel 1625 September 26 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 21–22. 75 Paul Stein an Konsistorium, Kassel 1625 September 26, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 18–19, hier : fol. 18v. 76 Konsistorium an Paul Stein und Beamte zu Gudensberg, Kassel 1625 September 26 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 21–22, fol. 22r.

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nach – die Einführung zu Züschen, wohin Stein die Gemeinde Heimarshausen hatte kommen lassen, abgesehen davon, dass sich der Meisenbugische Schultheiß von dem Akt absentierte, ohne besondere Vorkommnisse vor sich.77 Ein Problem stellte sich aber auch hier wieder. Am 20. Juni 1625 hatte noch Hermann Gerhard Paul Stein darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Meisenbuge »umb ostern Jacob Hoffmeister« eigenmächtig als Schulmeister angenommen hätten, »welchen sie vor sich also bestellet, das wen er naher Cassel gefordert würdt, nicht erscheinen solte, sonder solches zuvohr ihnen den Meisenbugen anzeigen; wan er aber solches nicht zu thun gedächte solde er wiederumb gehen, welchen wegk er kommen wehre«.78 Vor der Predigt habe Stein daher dem Schulmeister untersagt, »bey aufführung des newen pfarhers sich der direction des gesänges und anderer zu eines schulmeisters ambt gehöriger verrichtungen« zu unternehmen und ihn nach dem Gottesdienst »seines schuldienstes gantz entsetzt, ihm die Schlüssel zur Kirch abgenommen, und sie dem newen pfarhern, selbige bis auf fernere verordnung in seiner verwahrung zubehalten, zugestellet«.79 Zwar hatte Stein, wie er in seinem Schreiben an das Konsistorium vom 29. September 1625 mitteilte, Nicolaus Nigrinus aus Heidelberg, gewesenen Schulmeister zu Langenstein, nach Züschen zu kommen beschieden, was diesem jedoch aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen wäre. Am 1. Oktober wurde Nigrinus aber doch zum Schulmeister zu Heimarshausen und Züschen eingesetzt,80 resignierte die Stelle jedoch schon wieder kurze Zeit später, am 12. Oktober, gegenüber dem Konsistorium. Neben gesundheitlichen und ökonomischen Gründen gab er an, dass der Schuldienst »sehr streittig, unnd der burgermeister die schlüßel zur schul nicht von sich geben will, noch darff ohne 77 Bericht Paul Steins an das Konsistorium, Kassel 1625 September 29, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 24–25. Die »Visitierrechnung« Paul Steins für das Jahr 1625 (StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder 1621–1738) weist unter den Rubriken »Ausgabe bei visitationibus und auf reisen« sowie »Bottenlohn« den Einsatz Paul Steins für die Durchsetzung des Anspruchs Hessen-Kassels auf die Pfarrbestellung zu Züschen nach. So dokumentiert auf fol. 4r der erste Punkt unter »Ausgabe Bottenlohn«, dass Stein »16 alb[us]. einem botten gegeben, hatt eilents schreiben naher Lohna, Geismar und Böhna getragen, das die pfarhern daselbsten, zu Züschen, nach absterben Ehrnn Gerhardi, das ampt versehen solten, damitt unsers gn[ädigen]. f[ürsten]. und herrn gerechtigkeit gewahret werde«. Das sogenannte »Visitiergeld«, mit dem die Superintendenten bedürftige Pfarrer unterstützten, aber auch die Ausgaben für die Visitationen bestritten, geht auf eine Stiftung Landgraf Philipps des Großmütigen aus dem Jahr 1540, die 1542 angepasst wurde, zurück, siehe: Franz (Hg.): Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte, Bd. 2, S. 340 (Nr. 418), S. 372 (Nr. 442). 78 Hermann Gerhard an Paul Stein, Niedenstein 1625 Juni 20, StAM 22 a 6 (unter dem »Copialbuch« in einem Umschlag mit der Aufschrift »Züschen«). 79 Paul Stein an das Konsistorium, Kassel 1625 September 29, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 24–25, hier : fol. 24v, 25r. 80 Anwesende Konsistorialräte an Landgraf Moritz, Kassel 1625 Oktober 5, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 29–30 (Konzept: fol. 26, 27, 43), hier: fol. 29v.

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vorwißen ihrer junckern«. Auf sein Dimissionsgesuch wurde er beschieden, »biß auf fernere gelegenheit zu erhaltung unsers g[nädigen]. f[ürsten]. u[nd]. h[errn]. rechtens sich zu gedulden«.81 Georg Thonius bat bald: »Eines schulmeysters und opfermans kan man im geringsten nicht lenger entrahten, den es ist niemand der die uhre stelt und leudet, oder dem die kirchenschlüssel zu vertrauen wehren«.82 Mehrfach interzedierten die Beamten zu Gudensberg beim Konsistorium sowie bei Vizekanzler und Räten für ihn, er bitte »underthenig, da kein ander vorhanden, er Hoffmeister ad tempus darzu de novo, doch unvorgreifflich, wegen handbietung, möchte angesetzt werden«.83 Am 11. November 1625 berichten sie schließlich, dass sie, nachdem der Landknecht gestern den Befehl dazu mitgebracht habe, heute früh wiederum nach Züschen gezogen seien und nach gehaltener Predigt den Schulmeister Jacob Hoffmeister hätten ankündigen und öffentlich vorstellen lassen.84 Die Versuche Waldecks einen eigenen Pfarrer nach Züschen zu setzen, muten gegenüber dem entschiedenen Durchgreifen Hessen-Kassels eher tragisch an. Zwar war Johann Wolff aus Naumburg, bisher Konrektor der Schule zu Mengeringhausen, den die Grafen als Pfarrer für Züschen ausersehen hatten, am Sonntag, dem 25. September 1625 der erste, der dort seine »Probepredigt« abhalten konnte85 – nachdem Thonius zweimal die Kirche versperrt geblieben war –, er beschleunigte damit aber nur das Vorgehen Hessen-Kassels, das drei Tage später Georg Thonius zu Züschen in sein Amt einführte.

81 Nicolaus Nigrinus Heidelbergensis an das Konsistorium, ohne Ort (Kassel?) 1625 Oktober 12, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 31, 37, die Zitate: fol. 31r und 37v. 82 Georg Thonius an Superintendent Paul Stein, Sand 1625 September 29, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 23, 28, hier : fol. 23v. 83 Johann Bischoff und Eberhard Faber (Rentmeister und Schultheiß, Beamte zu Gudensberg) an das Konsistorium, Gudensberg 1625 Oktober 19, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 49– 50, hier : fol. 50r. Weitere Interzessionen: Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte, Balhorn 1625 Oktober 26, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 75, 76, 79, hier : fol. 76r ; Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 4, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 101–102, hier : fol. 101v. 84 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 11, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 129, 133, hier: fol. 129r. 85 Abordnungsschreiben an Johann Wolff, dass er »vorstehenden sontagk in der stadt Züschen, das gewöhnliche evangelium erkläre, undt ahnstatt einer probpredigt, vor der gemeine sich hören lasse«, Kanzlei zu Waldeck im Auftrag Graf Christians und Graf Wolrads IV. an Johann Wolff, 1625 September 23 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 7, mit Vermerk über die Geschehnisse; siehe auch den Bericht Johann Wolffs an Johann Sigismund Pappus, gräflich waldeckischen Rat und Registrator zu Arolsen, Mengeringhausen 1625 September 26, StAM 115/07, Nr. Züschen 8.

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Als der waldeckische Superintendent Jeremias Nicolai und der Amtmann des Amtes Waldeck, Leonhard Herrenklau,86 am Michaelistag, dem 29. September 1625 Johann Wolff zu Züschen einführen wollten,87 mussten sie feststellen, dass »mann hat zu lange geharret, der hessische superint. ist uns pridie mit seiner calvinischen ordination zuvor kommen«88. Daran, ihr Vorhaben nichtsdestoweniger umzusetzen, hinderte sie, dass sich der Kirchenschlüssel nicht finden ließ. »Und ward berichtet, der cüster werd mit ausgerißen dem newen pfarrherr nach.«89 Johann Wolff wurde auf Vorschlag Graf Christians zu Waldeck90 von den Meisenbugen den Grafen präsentiert. Graf Wolrad IV. teilte seinem Bruder Christian am 23. September mit, Johann Wolff sei »mit intercession Georg, Philip und Johan Leo Meisenbug,91 ahn ihren vettern Wilhelm Meisenbug abgefertigt«, damit Wilhelm zusammen mit seinen Vettern ihn zum Pfarrer nominiere und bis zum kommenden Sonntag predigen lasse. Letzteres sollte Christian dem Johann Wolff schriflich befehlen.92 Am 22. September 1625 schrieb Wilhelm Meisenbug von der Altenburg an Graf Christian, zwar sei, seitdem das Stiftskapitel zu Fritzlar die Bestätigung eines evangelischen Präsentatus verweigere, der von den Meisenbugen vozierte Pfarrer »naher Caßell dem superintendenti ad examinandum zugeschickett, welcher ihnen befragtt, und wie er denselben befunden, eine uhrkundtt mitt zurück gegeben«. »[E]inen prediger aufgeführet« hätte er aber niemals, »dan was allein negsthin, für zwey 86 Der »Amptman zu Waldeck« (so die Amtsbezeichnung im Brief Georg Thonius’ an Paul Stein, 1625 September 29, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 23, 28, hier : fol. 23r) »Leonhartt Herrenklaw« (die zusätzliche Angabe des Namens findet sich in den nachträglichen Vermerken auf dem Schreiben Jeremias Nicolais an Johann Sigismund Pappus, 1625 September 28, in: StAM 115/07, Nr. Züschen 8), wird als »Herrenclau, Leonhard, seit Juli 1627–33 Amtmann zu Landau und Wetterburg« erwähnt in: Steinmetz: Die Waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Gbll Waldeck 45 (1953), S. 108 (Nr. 35); mit Ergänzung in Gbll Waldeck 49 (1957), S. 77. Hiermit korrigiere ich meine Aussage in Gbll Waldeck 101 (2013), S. 52 Anm. 89. 87 »Copia der volmacht uf Hieremiam Nicolai wegen insetzung Joh. Wulff nacher Züschen zum Pfarrer«, »Christian und Wolradt gebrüdern, Graven unnd Herrn zu Waldeck, als des ortts ohnmittelbarer Landherr« an Jeremias Nicolai, waldeckischer Superintendent und Pfarrer zu Mengeringhausen, Waldeck 1625 September 28 (Abschrift), StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 88 Jeremias Nicolai an Johann Sigismund Pappus, Mengeringhausen 1625 September 30, StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 89 Ebenda; Georg Thonius präzisiert in seinem Brief an Paul Stein, Sand 1625 September 29, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 23, 28, hier : fol. 23r, dass Junker (Wilhelm) Meisenbug »den schlüssel zum dritten mahle, bey dem klöcknern (welchen der abgeschaffte schulmeyster, Hoffmeysterus zu leuten gedingt) gesucht [geschickt?], aber nicht funden«. 90 Christian Graf zu Waldeck an Wilhelm Meisenbug zu Züschen, Waldeck 1625 September 15 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 91 Abschrift der Interzession: Georg, Philipp, Johann Leo Meisenbug an Wilhelm Meisenbug, Arolsen 1625 September 21, StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 92 Graf Wolrad IV. an Graf Christian, Arolsen 1625 September 23, StAM 115/07, Nr. Züschen 7.

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jahren geschehen, und itzo (leider) zu befahren stehett«.93 Am selben Tag schrieb Wilhelm an seine Vettern, ihr Schreiben habe er »von Johan Wolfenn euerm vorgeschlagenen neuem pfarherren wol eingelifertt entpfangen«,94 die Pfarrbestellung werde aber, »sintemal das consistorium zue Cassel albereits ohne unser der Meisenbuge vorwißen, einem anderen zue Züschen zue predigen befolen«, »ohne sonderbaren streit undt ungelegenheit so balt nicht geschehen können«. »Da nun unsere gnedige herren die grafenn von Waldecken ohne nachtheil undt schaden der Meisenbuge die geistliche inspection wieder an sich bringen konten, were mir, sonderlich wegen der religion, nichts liebers zu vernemen«,95 so gab er es auch Graf Christian zu verstehen. Dieser hatte ihm nämlich geschrieben, dass den Grafen als der Landesobrigkeit gemäß des Religionsfriedens die Konfirmation und Einsetzung der Prediger zustehe. »Ihr werdet unß forderlich zu handthab euer gerechtigkeitt eine qualificirte undt mit andern kirchen dieser graffschafft übereinstimmende annehmliche person nennen und darstellen, seint wir erpietig des examinis undt der bestetigung halben das jenig ferner zu volnziehen, was unserß amptß ist.«96 Auch wenn Hessen-Kassel mit der Einführung seines Pfarrers schneller war, gab Waldeck nicht auf. Als nächsten Termin für die Einführung Johann Wolffs avisierten die Grafen und deren Räte Sonntag, den 16. Oktober 1625, Wolff sollte sich dazu schon am Vortag in Begleitung des Superintendenten Nicolai und des Landrichters und Notars zu Landau Conrad Gerhard nach Züschen begeben.97 Gerhard weigerte sich allerdings nach Züschen zu gehen, weil »die gantze statt von der pest inficiiret, undt kein hauß darin die pest nit gewesen, oder noch ist vorhanden sein soll, undt ich leider alßo beschaffen, das ich mich sehr darfür endtsetze«.98 Auch der Superintendent Jeremias Nicolai diffikultierte sich, unter anderem, da er seine kranken Pfarrkinder nicht so lange alleine lassen könne.99 Außerdem sei es 93 Wilhelm Meisenbug an Christian Graf zu Waldeck, Altenburg 1625 September 22, StAM 115/ 07, Nr. Züschen 7. 94 Vgl. das Schreiben Johann Wolffs an Johann Sigismund Pappus, Praesentatum 1625 September 23, StAM 115/07, Nr. Züschen 8: »Jüngst abgewichenen mittwochen [22. September 1625] hab ich auff Alttenburg junckhern Wilhellm Meisenbug mittgetheiltte vorschrifft uberanttworttett«. 95 Wilhelm Meisenbug an Georg, Philipp und Johann Leo Meisenbug, Altenburg 1625 September 22, StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 96 Christian Graf zu Waldeck an Wilhelm Meisenbug zu Züschen, Waldeck, 1625 September 15, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 97 Wolrad IV. Graf zu Waldeck an Jeremias Nicolai, 1625 Oktober 14 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 98 Conrad Gerhard an Gräfin (Elisabeth), Landau 1625 Oktober 14, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. Elisabeth war die Gemahlin Graf Christians zu Waldeck, zu ihr : Menk: Gräfin Elisabeth und die Beziehungen des Bildungsreformers Wolfgang Ratke-Ratichius zu Waldeck, insbes. S. 55–57. 99 Jeremias Nicolai an Graf Christian, Korbach 1625 Oktober 12, StAM 115/07, Nr. Züschen 7.

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ratsam, dass Wolff vor Antritt seines Dienstes ordentlich examiniert und ordiniert würde. Am 17. und 18. Oktober würde er ohnehin zu Korbach Examen und Ordination abhalten, woran Wolff teilnehmen könnte.100 Der Landschultheiß Johannes Rebenstock aus Wildungen kam schon am 15. Oktober nach Züschen, um die ursprünglich für den folgenden Tag angesetzte Einführung des waldeckischen Pfarrers vorzubereiten, das hieß vor allem, sich um den Kirchenschlüssel zu kümmern. An Kanzler und Räte zu Waldeck schrieb er, es hätte »so baltt ich heude morgen hieher kommen der verwaltter herr Hanstein101 mihr den schlüssel zur kirchen eingehandigtt, so er durch sonderliche practicen zu seinen handen bekommen«. Diese »sonderliche practicen« brachten Rebenstock gleich in Konflikt mit Georg Thonius, dem hessischen Pfarrer, der einer »leich zum grabe leutten lassen wöllen« und dazu in die Kirche musste.102 Hanstein hatte die Schlüssel einem Vertrauten Thonius’ abgenommen, dem er sie gegeben hatte, um die Uhr aufzuziehen. Als dieser den Schlüssel habe zurückbringen wollen, »uberfaln ihn der verwalter, ein verhurter geselle, […] und der junkern ihr schulteyß zu Züschen«.103 Nachdem Thonius »den genanten verwaltern beym schulteyssen von Wildungen und burgemeistern von Züschen« gefunden und »des schlüssels hefftig« begehrt, habe ihm Rebenstock vorgehalten »die kirche gehore seinen herren von Waldeck, mihr, noch dem fürsten von Hessen gehore der schlüssel nicht«. Als beide mündlich ihre Protestation gegen das Verhalten des jeweils anderen vorgetragen hatten, habe Thonius »mit einem instrumento« die Kirchentür geöffnet, selbst geläutet und den Toten bestattet. »[D]as schloß da sie den schlüssel uber haben«, habe er »also verplöckt, das sie nicht uffschliessen können. Wollen sie in die kirche müssen sie gewalt brauchen«. »[Z]u halb 3 uhren«, als er nach Sand gegangen 100 Jeremias Nicolai an Johann Sigismud Pappus, Mengeringhausen 1625 Oktober 14, StAM 115/07, Nr. Züschen 8. Der Befehl Graf Wolrads an Jeremias Nicolai zur Examination Johann Wolffs ist schon auf den 28. September 1625 datiert (verworfene Reinschrift?), in: Ebenda. 101 Der Meisenbugische Verwalter Johann Hanstein ist wahrscheinlich mit dem wegen der ständigen Zitationen durch den Kasseler Superintendenten 1623 von den Meisenbugen eigenständig abgesetzten Schulmeister identisch. Hanstein hatte sich schon am 7. Oktober 1625 gegenüber den Gräflich Waldeckischen Räten zu Arolsen erboten, wenn er einen Tag vorher von der Ankunft der gräflichen Abgesandten zur Einführung des neuen Pfarrers avisiert würde, den Schlüssel zur Kirche herbeizuschaffen (StAM 115/07, Nr. Züschen 7). 102 Johannes Rebenstock an Gräflich Waldeckischen Kanzler und Räte, Züschen 1625 Oktober 15, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 103 Georg Thonius an Paul Stein, Sand 1625 Oktober 15, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 32f. Weniger dramatisch schildert den Vorgang Johannes Rebenstock in seiner längeren Relation über die Ereignisse des 15., 16. und 17. Oktober 1625, StAM 115/07, Nr. Züschen 7: Hanstein habe ihm in Junker Wilhelm Meisenbugs Hof angezeigt, »das er dießen morgen in der kirchen zu schaffen gehabt, den schlüßell in des bürgers hauß, so ihn in verwahrung hette, gehohlett und solchen noch bey sich habe«.

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sei, »weil ich zu Züschen keine dinte den bericht zu schreiben haben konte«, wären die angekündigten waldeckischen Kommissare noch nicht da gewesen.104 Damit war Hessen alarmiert. Wollte Waldeck seinen Pfarrer einführen, musste es, »weyln periculum in mora«,105 schnell handeln.106 Statt dem Superintendenten Jeremias Nicolai wurde daher zur Einführung Johann Wolffs am 17. Oktober 1625, neben dem Landschultheißen Rebenstock, der Visitator und Pfarrer zu Waldeck Jost Honigmeyer107 abgeordnet.108 Bevor sie in die Kirche gingen, hätten sie »den reichs adtler und ein gedruckt keyßerlich patent und salvaguardiam,109 so u[nser]. g[nädiger]. herr uns mittgeben ahn die kirchthür affigiret«.110 »Under den keyserlichen adtler aber ist ufs bredt mit großen buchstaben geschrieben geweßen WALDECK«.111 Natürlich protestierte Georg Thonius gegen das Vorhaben der Einführung eines waldeckischen Pfarrers, schließich sei ihm schon diese Kirche und Gemeinde durch seinen Fürsten anbefohlen. Wolff sollte offensichtlich auch nur für die Gemeinde Züschen, nicht für Heimarshausen zum Pfarrer angeordnet werden. Am meisten ärgerte sich Thonius über die offenbar vorgegangene Heuchelei, während er den Einwohnern zu Züschen ehrlich als Pfarrer dienen wollte, hätten sie allezeit auf einen anderen gesonnen, »wie offt ich auch gesagt, daß sie meine bücher und ein bett dahin führen solten, haben sie nicht gewolt […], derwegen, muß dieser betruck alle zeit vorhanden gewesen sein«.112 Die Einführung des waldeckischen Pfarrers und die erkennbare Kollaboration des Meisenbugischen Verwalters Hanstein sowie des Schultheißen Philipp 104 Die letzten Zitate alle aus: Georg Thonius an Paul Stein, Sand 1625 Oktober 15, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), hier: fol. 32r–33r. 105 Kanzlei (Graf Wolrads IV.) zu Arolsen an Johann Wolff, 1625 Oktober 17 (durchstrichenes Konzept, auf der Adressseite (fol. 1v) des nachfolgend zitierten verworfenen Schreibens), StAM 115/07, Nr. Züschen 8. 106 Graf Christian an Graf Wolrad, Waldeck 1625 Oktober 16 (verworfene Reinschrift), auf der Rectoseite des vorher Zitierten. 107 Auch: Honigmenger, Meliturgius. 108 Vollmachterteilung Graf Christians für sich und seinen Bruder, Waldeck 1625 Oktober 16 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 109 Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um die von Ferdinand II. zu Frankfurt am Main am 16. September 1619 (neuen Stils) für die Grafen Christian und »Walrath« zu Waldeck gegebene gedruckte Salvaguardia (StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 96), auch wenn Georg Thonius in seinem Bericht an Paul Stein (Sand 1625 Oktober 18, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 44f., hier : fol. 44r) das Datum 7. September 1619 nennt. 110 Johannes Rebenstock an Kanzler und Räte (Graf Christians) zu Waldeck, Relation über die Ereignisse des 15., 16. und 17. Oktober 1625, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 111 Johann Bischoff (Rentmeister) und Eberhard Faber (Schultheiß), Beamte zu Gudensberg, an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 23, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 62–64, hier: fol. 63r. 112 Georg Thonius an Paul Stein, Sand 1625 Oktober 18, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 44f., hier : fol. 45r.

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und des Bürgermeisters Hans Schröder mit Waldeck bildeten den Anlass für die nun folgenden hessischen Gewaltmaßregeln. So begaben sich am Morgen des 19. Oktober 1625 auf Aufforderung des Konsistoriums113 der Schultheiß Johann Bischoff sowie der Rentmeister Eberhard (Ebert) Faber »neben dem landknecht undt ezlichen Hadamarschen inwohnern« nach Züschen. Den waldeckischen Pfarrer, Johann Wolff, dem sie die Kirchenschlüssel abnehmen wollten, hätten sie nicht angetroffen. Daher »haben wir die geringste kirchenthür, derer dan sechs sindt, mit einer axt, doch unbescheidiget auffgemacht, unserm pfarrhern seiner gelegenheit nach uffgelassen«. Auf dem Rathaus hätten sie der Bürgerschaft sowie Bürgermeister und Rat bei einer Strafe von 50 Goldgulden »die beywohnung« des waldeckischen Pfarrers sowie diesen zu hören oder seinen Hausrat zu holen, verboten – dem die Angesprochenen aber ohne Vorwissen ihrer Junker, der Meisenbuge, nicht zustimmen zu dürfen vorgaben. Im Gegensatz zu Züschen sperrten sich die Einwohner zu Heimarshausen, wohin die Beamten danach gegangen seien »in nichts, sindt mit dem unserigen wol zufrieden«.114 Nachdem die Beamten abgezogen waren, verrammelten Wolff und Hanstein unerschrocken die offengelassene Züschener Kirchentür, so dass der hessische Pfarrer Georg Thonius die Beamten wiederum um Hilfe bitten musste.115 Die Beamten zu Gudensberg hatten schon angekündigt am folgenden Freitag, dem 21. Oktober, anlässlich des wöchentlichen Bettages in Züschen, wiederzukommen. Diesmal trafen sie den waldeckischen Pfarrer an. Mit ungefähr sechzig Musketieren und brennenden Lunten hätten sie zunächst vor den auf Befehl der Grafen von Waldeck verschlossenen Stadttoren gestanden, bis sie ein kleines offenes Pförtlein entdeckt hätten. Johann Wolff fanden sie gerade am Esstisch und darauf liegend auch den Kirchenschlüssel, den er schnell an sich genommen und erst nach Drohen der Musketiere übergeben habe. In der Predigt des hessischen Pfarrers Georg Thonius seien nur wenige Zuhörer gewesen. Den Bürgern hätten die Beamten bei 100 Goldgulden Strafe verboten, den waldeckischen Prediger zu hören und ihnen anbefohlen, die Predigten Thonius’ zu besuchen.116 113 Konsistorium an Beamte zu Gudensberg, Kassel 1628 Oktober 18 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 46f. 114 Johann Bischoff und Eberhard Faber an das Konsistorium zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 19, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 49f. Siehe auch den Bericht Johannes Hansteins an die Gräflich Waldeckischen Räte, Züschen 1625 Oktober 19, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 115 Johannes Hanstein an die Gräflich Waldeckischen Räte, Züschen 1625 Oktober 20, StAM 115/07, Nr. Züschen 7; Georg Thonius an Rentmeister und Schultheiß zu Gudensberg, Züschen 1625 Oktober 20, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 59. 116 Johannes Hanstein an die Gräflich Waldeckischen Räte, Züschen 1625 Oktober 21, StAM 115/07, Nr. Züschen 7; Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 21, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 53–56, 57.

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Zwei Tage später, am Sonntag, dem 23. Oktober 1625 – »so lang etwa der streit wehren möchte jedesmals wan daselbst pflegt geprediget zu werden« – begaben sich die Beamten mit dem »Ausschuß« der umliegenden Dörfer, »mitt musquetten, brennenden luntten, langen spißen, undtt feurrohren«117 auf Anordnung des Konsistoriums wieder nach Züschen, diesmal hauptsächlich um die kaiserliche Salvaguardia von der Kirchentür abzunehmen und an deren Stelle die Protestation des Landgrafen118 anzuschlagen sowie die Wappen Landgraf Moritz’119 an die beiden Tore.120 Den Bürgern drohten sie, wenn sie »nit woltten zur kirchen gehenn, woltten sie dreyhundert soldaten einlegenn, undt sie auszehrenn«.121 Durch einen ihrer »mitgenommenen hintersaßen« von Haddamar, der mit dem Boten, »wilcher vorgestriges tags des waldeckischen vermeinten dahin gesetzten pfarhers und des burgemeisters schreiben nacher Waldeck getragen« bekannt war, hätten sie erfahren, dass dieser »so viel zu Waldeck vernommen undt verstanden habe, daß sie mit gewalt nichts tentiren, sondern des rechtens sich gebrauchen wolten«. Die Beamten selbst hielten dies für durchaus glaubhaft, »dieweil die hern graven und menniglich des orts gewust, daß wir ahn heute

117 »Memorial desen so heßische beamptten von Gudenßberg sonttag den 23 ten octob[ris]. a[nn]i 1625 zu Züschen vollnzogen.«, Punkt 1, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 118 Landgraf Moritz von Hessen-Kassel an »ihrer f[ürstlichen]. g[naden]. landtsassen, unnd lehnleüten, den sämtlichen Meisenbugen, sodann ihrer f[ürstlichen]. g[naden]. mittelbahren unterthanen schultheiß, burgermeister, rhat unndt ganzer gemeindte zu Züschen«, Kassel 1625 Oktober 23, StAM 115/07, Nr. Züschen 7; Konzept, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 65–68. 119 Ebenso wie die Hessen-Kasselsche Protestation wurden auch die seltenen kolorierten Wappen Landgraf Moritz’ am 7. November 1625 von waldeckischen Bedienten abgerissen (Georg Thonius an die Beamten zu Gudensberg, Züschen 1625 November 7, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 117; Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 7, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 116, 118; Eberhard Faber und Johannes Horn an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1625 November 8, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 125–127) und befinden sich bis heute mit den Spuren der eiligen Handlung in StAM 115/07, Nr. Züschen 7. Andererseits befindet sich in der hessischen Überlieferung ein abgerissenes gedrucktes kaiserliches Mandat für die Grafen Christian und Wolrad zu Waldeck gegen Landgraf Moritz und seinen Sohn Wilhelm V. von Hessen-Kassel vom 20. September 1622 mit handschriftlichem Beglaubigungsvermerk des Notars Conrad Gerhard, das, wie die Gudensberger Beamten am 8. November berichteten »unter andern an der kirchenthüre gehangen«, in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 126. 120 Konsistorium zu Kassel an die Beamten zu Gudensberg, 1625 Oktober 22 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 61. 121 Notarsinstrument Conrad Gerhards, auf Befehl der Grafen zu Waldeck, Landau 1625 Oktober 31, StAM 115/07, Nr. Züschen 7, in diesem Stück fol. 6r (Bericht über die Geschehnisse am 23. Oktober 1625); siehe auch: »Memorial desen so heßische beamptten von Gudenßberg sonttag den 23 ten octob. a[nn]i 1625 zu Züschen vollnzogen.«, Punkt 10, StAM 115/07, Nr. Züschen 7.

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etwaß stercker widerkommen würden, und niemandt erschiene«.122 Damit hatte Hessen-Kassel freie Hand für den dritten und schärfsten Streich. Thonius war schon jetzt froh, hatte sich doch die Gemeinde endlich bereiterklärt, seine Sachen von Sand nach Züschen zu transportieren: »bey ein hund horet ein knoppell, compelle intrare«.123 Graf Christians Kanzlei zu Waldeck schickte schon am 22. Oktober 1625 ein Schreiben an ihren Pfarrer Johann Wolff zu Züschen, sich »durch menschliche gewalt nicht abschrecken« zu lassen,124 ebenso wie an Johannes Hanstein, es solle sich niemand schrecken lassen, »weiln mann ahn der gegenseit gern fühlen wölte, ob der zahn loß sei oder nicht«.125 Auch an »burgermeister, raht und gantze burgerschafft zu Zuschen« richtete Graf Christian ein schreiben, mit der Aufforderung, die Tore am 26. Oktober nicht zu öffnen und dem hessischen Pfarrer keine »dienstbarkeit zu seinem unterschleiff und einführung seines geschlepß« zu leisten, bei 200 Goldgulden Strafe.126 Christian vertraute darauf, »eß werde die kay. maytt. die gnedigst ertheilte undt affigirte salvaguardiam, wie dann auch bei poen der acht außgelassenes mandatum de non amplius offendendo zu handthaben wissen«.127 Am Freitag, dem 28. Oktober 1625 kamen die Beamten von Gudensberg – einem Bericht zufolge – mit 200 Musketieren an. Als sie entgegen dem Versprechen des Bürgermeisters die Stadttore verschlossen vorfanden, wären sie mit Bäumen gegen die Pforte angelaufen, hätten dann aber das »kleine pforttlein mit äxten ufgehauwen und mitt gewaldt die Stadt Züschen eröffnett, den waldeckischen pfarhern gesucht und gesagt, sie wolttten denselben in stücken

122 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 23, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 62–64, hier : fol. 63v. 123 Georg Thonius an die Beamten zu Gudensberg, Sand 1625 Oktober 26, in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 76a, hier: fol. 76a recto: Zu einem Hund gehört ein Knüppel, (um ihn) hereinzutreiben (con-/compelle intrare, nach Vulgata Lukas 14,23: nötige (sie) hereinzukommen). 124 Kanzlei (Graf Christians) zu Waldeck an Johann Wolff, 1625 Oktober 22 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 125 Kanzlei (Graf Christians) zu Waldeck an Johann Hanstein, 1625 Oktober 22, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 113, hier : fol. 113r. Die Ausfertigung dieses Briefes gelangte während der Gefangenschaft Hansteins in hessische Hände und befindet sich daher heute in der hessischen Überlieferung, während die waldeckische Überlieferung StAM 115/07, Nr. Züschen 7 das Konzept enthält. 126 Die Zitate aus dem Schreiben Graf Christians zu Waldeck an die Stadt Züschen, 1625 Oktober 25 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 7; siehe auch: »Copia des bevehls hern graffens Christian gethan ahn die Statt Züschen«, Waldeck 1625 Oktober 25 (Abschrift), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 82. 127 Kanzlei (Graf Christians) zu Waldeck an Johann Hanstein, 1625 Oktober 20, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 112, hier: fol. 112r.

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hawen«.128 Da sie den Meisenbugischen Verwalter Johann Hanstein für den Schuldigen hielten, der auch die Stadtschlüssel in Händen haben sollte, begaben sie sich auf das Meisenbugische Schloss, wohin sich aus Furcht auch der Bürgermeister, und – wie von Graf Christians Räten empfohlen129 – der Pfarrer geflüchtet haben sollten. Als sie in den Schlosskomplex eingedrungen waren, habe Johann Hanstein gebeten, von Gewalt abzusehen. Sie hatten aber gehört, »daß Hahnstein demjenigen ein kopstück verehren wollen, wilcher ihme den schlüßell zur kirchen von ehrn Thonio wiederumb bekehme, derowegen wihr veruhrsacht, ihn alß den rechten meuthmacher beim kopf zu nehmen« außerdem seien ihm »alle der hern graven zu Waldeck secreta, sintemahl er in ihrem pfardienst geweßen, auch ein außkundiger Lutheraner ist, wohl bewust«.130 Daher nahmen sie Hanstein gefangen mit nach Gudensberg. Schon am 27. Oktober 1625 hatten Vizekanzler und Räte zu Kassel in einem Schreiben an die Meisenbuge eine solche Reaktion angekündigt: »Alß haben ihr f. g. unß in gnaden befholen, euch solchen exceß also zu erkennen zu geben, das ihr es fühlen, und waß ihr jegen ewern landtsfürsten ungeschicktt vorgenommen, ein weill daran zu gedencken habenn mögett«.131 Obwohl die Beamten sogar verschlossene Kästen im Meisenbugischen Haus durchsucht hätten, gelang dem Bürgermeister Hans Schröder, wie auch dem waldeckischen Pfarrer Johann Wolff die Flucht. »Weill sie dan des burgermeisters nit mechtig werden mögen, hetten sie dessen sohnn Nicklauß gesuchtt undt mitnehmen wollen.«132 Dieser 128 Konzept eines Notarsinstruments durch Johannes Weinrich im Auftrag Graf Christians zu Waldeck über die Geschehnisse am 21., 23. und 28. Oktober 1625, »Actum am 7ten Novembris anno 1625« auf dem Rathaus zu Züschen auf Bericht von Bürgermeister, Schultheiß und mehrerer Ratsverwandter, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. Die Zahlen der mitgebrachten Bewaffneten variieren in den verschiedenen Berichten zu jedem Überfall. Eine andere Zahl für den hier angesprochenen nennt das »Verzeichnuß desen, so hessischen beamptten von Gudenßberg freitags den 28 ten octob. a[nn]i etc. [1]625 mitt mehr als 100 gewapnetten zu Züschen vollnzogen«, Ebenda. 129 Kanzlei (Graf Christians) zu Waldeck an Johann Hanstein und Johann Wolff, Waldeck 1625 Oktober 20 (Konzepte), StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 130 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 28, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 90–92. 131 Vizekanzler und Räte zu Kassel an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, 1625 Oktober 27 (Abschrift), StAM 115/07, Nr. Züschen 7; weitere Abschrift in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 86–88, hier: fol. 87r. 132 Siehe hierzu das ausführliche Notariatsinstrument Conrad Gerhards mit seinem typischen gestempelten Signet, angefertigt auf Befehl der Grafen Christian und Wolrad in der Gräflich Waldeckischen Kanzlei zu Landau, 1625 Oktober 31, StAM 115/07, Nr. Züschen 7, darin insbes. fol. 3v, 6v–7v, das Zitat: fol. 7v. Zu Conrad Gerhard siehe Schäfer : Notariats-Signete, S. 115 (Nr. 43), die dort genannte Namensform »Cunradt Gerhardts«, die der Verwendung durch ihn selbst entspricht, wurde nach der in den Quellen häufigsten und auch heute gebräuchlichsten Form korrigiert; zu ihm auch Steinmetz: Die Waldeckischen Beamten vom Mittelalter bis zur Zeit der Befreiungskriege, in: Gbll Waldeck 45 (1953), S. 104 (Nr. 31); mit Ergänzung in Gbll Waldeck 49 (1957), S. 76.

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kam aber am Nachmittag des 31. Oktober ebenfalls zu Landau an und berichtete, dass am Vortag, der Schultheiß von Gudensberg mit dem Ausschuss, den bewaffneten Männern der Umgebungsdörfer, erneut da gewesen wäre, »zu vernehmen, ob die vonn Züschen den hessischen bevehlichen gehorsahmet hetten«, insbesondere Thonius’ »suppellectilem«, seinen Hausrat, von Sand nach Züschen schafften und seine Predigten besuchten. Dabei hätten sie auch Hans Bornstengel, einen Zimmermann, »gefenglich mit hinweg genommen, darum das er Hansen N. von Caßel Schreiner, so kein bürger in Züschen sey, habe ein verräther geheißen, dahero, daß er beim einfall den Heßischen angezeigt, daß der burgemeister und walldekischer pfarrer Johan Wolffius in Juncker Wilhelms haus weren«133 Hans Bornstengel, dem man seine Berufung auf Trunkenheit abnahm, kam relativ schnell wieder frei,134 Hanstein jedoch ließ man eine Weile »schmoren«, wahrscheinlich um an ihm ein Exempel zu statuieren. Trotz, dass er glaubhaft versichern konnte, nicht der allein Schuldige, sondern den Befehlen Wilhelm Meisenbugs gefolgt zu sein, erteilten Vizekanzler und Räte erst am 21. November den Bescheid an die Beamten zu Gudensberg, Hanstein, der sich als unvermögend erwiesen hatte und daher auch keine Geldstrafe leisten konnte, »jegen leistung junctorischer caution und einen scharfen urphedt«135 seiner Haft, in der ihn auch seine Frau nicht besuchte,136 wohl aber andere für ihn interzedierten,137 zu erlassen.138 133 Protokoll der Aussage Nicolaus Schröders, des Bürgermeistersohnes, das in den Kontext der Aussagen für das Notariatsinstrument Conrad Gerhards zu gehören scheint, »Actum Arolßen 31. Octobris [1]625«, StAM 115/07, Nr. Züschen 7; zur Festnahme des Zimmermanns genauer : Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 Oktober 31, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 98, 106, dort (fol. 98v) zu Thonius’ sup(p)ellectiles. 134 Vizekanzler und Räte zu Kassel an Beamte zu Gudensberg, 1625 November 8 (Konzept), in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 119–121, 123, hier : fol. 120v. 135 Vizekanzler und Räte zu Kassel an die Beamten zu Gudensberg, 1625 November 21 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 147, damit den Vorschlag der Beamten zu Gudensberg in ihrem Schreiben vom gleichen Tag aufgreifend. 136 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 21, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 148f., 152, hier: fol. 149rv. 137 Johannes Hanstein junior, Schuldiener zu Wildungen, wandte sich am 2. November 1625 an Graf Christian zu Waldeck mit der Bitte, dass er sich für die Freilassung seines Vaters einsetzen möge, StAM 115/07, Nr. Züschen 7: »[E]s hatt sich auch ein bürger und eine wittfraw zu Gudenspergk erbotten, caution und burgschaft für ihnen zu leisten, daß er doch des bösen gefengnis möchte erledigett und in eine stube gesetzett werden.« Die Beamten vermerken in ihrem nachfolgend angeführten Schreiben vom 17. November, dass sie seinetwegen »thäglich […] angelaufen« würden. 138 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 140, 144, 141 (fol. 141: einliegender Zettel Hansteins, aus dem – in den Worten Landgraf Moritz’ – »der rechte anfenger dieses straftats nemlich Wilhelm Meisebug gnugsam entdeckt«, Dorsalreskript Landgraf Moritz’, Sababurg 1625 November 19, auf dem Schreiben von Vizekanzler und

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Machtdemonstrationen, Denkanstöße und die Reaktion der Betroffenen

Am 8. November 1625 schrieben Vizekanzler und Räte zu Kassel an Landgraf Moritz, sie hätten den Beamten zu Gudensberg anbefohlen, der Bürgerschaft zu Züschen mitzuteilen, »da von den Waldeckischen« – oder anderen – »dergleichen gewaldtübungen« – wie die Abnehmung der hessischen Wappen am Vortag – »mehr vorgenohmen werden solten« und die Bürger sich nicht der Täter bemächtigten und sie den Beamten auslieferten,139 müssten sie damit rechnen, dass dann »s[eine]. f[ürstliche]. g[naden]. nicht voruber konten, eine starcke guarnison dahin zuelegen, welche sie mit herberg, speisung und anderm nothurfft alsdan versehen müsten«.140 Diente diese Aussage wahrscheinlich nur dem Aufbau einer Drohkulisse gegenüber den Züschener Einwohnern, so traten die Räte doch auch sonst mit ähnlich unsensiblen Ansinnen an die Beamten heran: »Da ihr auch des schultheißen Rebenstocks undt seiner mithelfer euch zu Züschen oder sonsten in i[hrer]. f[ürstlichen]. g[naden]. landt bemechtigen könnet, sollet ihr daran keinen vleis sparen undt da ihr einen oder den andern bekommet, den oder dieselb so balt anhero lieffern«.141 Oder die Beamten fragten von selbst an, da sie erfahren hätten, dass »der aber die protestation und wappen abgerißen, soll Weinreich zu Wildungen der notaris geweßen sein«,142 »ob wihr etwa den notarium Weinreichen, wilcher oft alhiero im ampt zu thun, uf begebenden fall beim Kopf nehmen sollen«.143 Mit einem solchen Vorgehen leistete Hessen-Kassel keine Überzeugungsarbeit, sondern schaffte ein Klima der Angst. Hatten die lokalen Amtsträger, wie Bürgermeister und Meisenbugischer Schultheiß zu Züschen, auch immer noch den Mut sich der landgräflichen Politik zu widersetzen,144 war die einfache Bevölkerung doch sehr eingeschüchtert. So wollte keiner den waldeckischen Bedienten bei der eiligen Ab-

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Räten an ihn, Kassel 1625 November 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 145f., hier : fol. 146v). Vizekanzler und Räte zu Kassel an Landgraf Moritz, Kassel 1625 November 8, mit Dorsalreskript Moritz’, Sababurg 1625 November 9, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 124, 128, hier : fol. 124r. Zu den kolorierten Wappen Landgraf Moritz’ siehe Anm. 119. Vizekanzler und Räte zu Kassel an die Beamten zu Gudensberg, 1625 November 8 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 119–121, 123, hier: fol. 120r. Ebenda, fol. 121v. Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 11, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen) fol. 129, 133, hier: fol. 129r. Johann Bischoff und Eberhard Faber, an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 7, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 116, 118, hier: fol. 116v. Bei der Abnehmung der hessischen Wappen am 7. November 1625 hätten dem Notar Weinrich von Wildungen und dem waldeckischen Rentschreiber Mühlenpfort »der Meisenbugen schultheis alhiero […] die hand neben dem burgermeister weidlich gebotten«, während die zur Mithilfe aufgeforderten Bürger solches abgelehnt hätten, Eberhard Faber und Johannes Horn (Landknecht?) an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1625 November 8, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 125–127, hier : fol. 125r.

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nahme der hessischen Wappen irgendwelche Handreichungen leisten, vielmehr hätte sich ein Maurer mit der Bemerkung geweigert, »dan der fürst von Hessen hette lange klawen«.145 Auch die Drohung, die Einwohner in die Kirche zu tragen, wöllten sie nicht von allein die Predigten des hessischen Pfarrers besuchen, scheint Wirkung gezeigt zu haben.146 Auf der herrschaftlichen Ebene hatte Hessen-Kassel viel stärker mit der Widersetzlichkeit intermediärer Gewalten zu kämpfen. So verwahren sich Sämtliche von Meisenbug zu Züschen unter dem 8. November 1625147 gegen ein Schreiben von Vizekanzler und Räten vom 27. Oktober 1625,148 in dem sie ihnen das Verhalten ihres Verwalters Johann Hanstein sowie ihres Schultheißen vorwarfen und ihnen kollusives Zusammenwirken mit den Grafen von Waldeck unterstellten, die Meisenbuge protestieren gegen die Verwüstungen in Haus und Garten Wilhelm Meisenbugs zu Züschen am 28. Oktober 1625 und geben an, sie hätten »reichs undt crayß steuren von selbigem ort, allß waldeckische landtsaßen weitt über hundert jahr den graffen von Waldeck entrichtet«, »vermög underschiedener reversaln«, sowohl der Landgrafen zu Hessen wie auch »sonderlich von der ritterschafft der grafschafft Waldeck bey der huldigung ertheiltt«, wären sie »bey solchem unsern rechten unperturbirt gelaßen worden«. Die Meisenbuge bleiben bei ihrer bekannten Argumentation, sie protestieren nochmals dagegen, »daß unß der itzige pfarher […] ohne unsere vocation und praesentation gleichsamb otrudirt, undt allso ahn unsern wohlhergebrachten rechten eintragk geschehen will«, fügen aber hinzu, dass sie »nicht zweiffeln, wan E[in]. Str[enger]. E[dler]. undt h[ochgelahrter]. in der f[ürstlichen]. cantzley registratur oder bey allen verstorbenen superintendenten undt deren hinderlaßenen brief undt siegell ufsuchen laßen, sie werden clar undt richtig befinden, daß wir unß dießfalß nichts unfugsamber weiß ahnmaßen«.149 Die Beamten zu Gudensberg kamen – dazu durch den Vizekanzler aufgefordert – nicht um eine Stellungnahme zu dem Schreiben der Meisenbuge umhin. Der Vizekanzler erwartete von den Beamten insbesondere, »daß ihr 145 Ebenda. 146 Protokoll der Aussage Nicolaus Schröders, »Actum Arolßen 31. Octobris [1]625«, StAM 115/07, Nr. Züschen 7, Aussage zu den Vorgängen am 28. Oktober 1625: »Musten in die kirche gehen, ließens sich verlauten wöltens sonst drein tragen«; Protestationsinstrument des Notars Conrad Gerhard, Landau, 1625 Oktober 31, StAM 115/07, Nr. Züschen 7, darin fol. 8r die Aussage Nicolaus Schröders zu den Vorgängen am 30. Oktober 1625: es wären von den Hessischen »die leutt in die kirch gezwungen worden«. 147 Sämtliche von Meisenbug zu Züschen an Vizekanzler und Räte zu Kassel, 1625 November 8, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 134–137. 148 Vizekanzler und Räte zu Kassel an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, 1625 Oktober 27 (Abschrift), StAM 115/07, Nr. Züschen 7; weitere Abschrift in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 86–88. 149 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Vizekanzler und Räte zu Kassel, 1625 November 8, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 134–137, die Zitate: fol. 134v und 135r.

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[euch] […] auch der steuer halben undt wohin dieselb gegeben werden in der geheimb erkundiget undt solche erkundigung einschicket«.150 Es scheint, als hätte dieser Punkt das sonst so selbstsicher auftretende Hessen-Kassel nervös gemacht, obwohl er in fast gleicher Formulierung schon in dem notariellen Protestationsinstrument der Grafen von Waldeck gegen die Hessen-Kasselsche Pfarrbestellung zu Züschen vom 17. Juli 1622 auftaucht, es lägen »ampt, burgk und stadt Züschen mit aller ihrer zugehör […] in ungezweifelichem district undt territorio der graffschafft Waldeck, nach kundtlichen schneidezeichen151, nach außweisung alter undt newer schnadebrieffen152 und urkunden, von dem fürstenthumb Hessen abgezircket« und wären Ihren Gräflichen Gnaden »sampt aller landtsobrigkeit, hoheit undt jurisdiction zugehörig, inmaßen ihre g[räfliche]. g[naden]. darin reichs- undt landtsteur, folge, appellation, geistliche jurisdiction undt ander darvon dependirenden gerechtigkeiten jederzeit gehapt«.153 Auf das Anbringen der Meisenbuge berichteten die Beamten zu Gudensberg am 21. November 1625 Folgendes: »Waß sonsten die steuer und wehme selbige jeder zeit gegeben worden, betreffen thutt, seindt solche ieder zeit nach Waldeck verrichtet worden, in unsern de annis [15]55 und [15]79 habenden stadt und ambts salbüchern finden wihr mehr nicht alß 6 l[i]b[ra]. geschoß[-geld, A. J.], und von etlichen wenigen in unserer Hadamarischen feldtmarck gelegenen rodtackern rodde frucht und roddegelt so sie ahnhero liffern müßen, weiter steht bey Züschen nichts. Werden aber sonsten berichtet, daß die Züßischen nie keine steuren, außer der zwölffjahrigen, wilche die hern graven von ihrem gantzen lande der schulden wegen erhaben, gegeben, daß geschoß daselbst betreffent, haben die junckern die helffte, mit der ubrigen helfte bezahlt die stadt ihre diener.«154 Die fiskalische Verbindung Züschens mit Waldeck geht hieraus klar hervor, der Anspruch Hessen-Kassels, Züschen liege auf seinem Territorium, wird damit immer schwerer aufrechtzuerhalten. Am 17. November 1625 referierten Vizekanzler und Räte dem Landgrafen ihr Schreiben an die Meisenbuge vom 27. Oktober 1625 sowie deren Antwort vom 8. November 1625 und was sie bisher darauf veranlasst hätten. Es sei ihrer »undt 150 Vizekanzler zu Kassel an Beamte zu Gudensberg, 1625 November 17 (Konzept), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 142. 151 Statt, wie in der Vorlage zu lesen, »Schneidezeichen« müsste es »Scheidezeichen« heißen. 152 Ein »Schnadebrief« ist das Protokoll einer Grenzbegehung (»Schnat, Schnad m., f., auch Schnade; insb. im Westfälischen: (Flur-) Grenze, Grenzzeichen«), siehe: Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 12 (2013), Sp. 961f. 153 Offenes Protestationsinstrument durch den kaiserlichen Notar Johannes Weinrich, auf Erfordern der Gräflich Waldeckischen Räte im Auftrag der Grafen von Waldeck, Waldeck 1622 Juli 17, StAM 115/07, Nr. Züschen 3, das Zitat: darin fol. 3r. 154 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 21, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 148f., 152, hier : fol. 149r ; ein versehentlich geschriebenes doppeltes »und« (»rodde frucht und und roddegelt«) wurde getilgt.

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des consistorii meinung diese, […] man solle sie nochmals bey solchem jure praesentandi bleibenn laßen« damit sie sich weiterhin mit dem Stift Fritzlar vor dem Hofgericht um die Pfarrgefälle zu Züschen stritten, die das Stift »des ihnen abgenommenen juris conferendi wegen« einziehen wolle, »damit sie umb so viel damehr solche rechtfertigung auszuführen bewogen werden möchten, dan da man ihnen an der pfar nichts gestehenn solte, so ist leicht zu gedencken, das sie auch der pfar gefälle halber sich wenig bekümmern werden, […] dan wan e[urer]. f[ürstlichen]. g[naden]. das jus conferendi seu confirmandi als dem ordinari bliebe, so ginge dardurch derselben nicht allein nichts ab, sondern es müsten als dan auch die gravenn so niemals hieran nichts gehabt noch einigen actum anzueziehenn haben, auch schweigen«.155 Damit griffen die Räte genau die Argumentation auf, die die Meisenbuge seit Beginn der Auseinandersetzung vertraten. Landgraf Moritz schrieb auf die Rückseite der Relation von Vizekanzler und Räten vom 17. November folgendes Reskript: »Nach verlesunge dieses konnen wir die rethe zwar nicht verdencken, daß sie uf der von Meisebuge instrewen bei den beampten zu Gudensperg erkundigung einnehmen wollen. Es ist aber solche erkundigung nicht gnug, sondern es will in cantzleyen, reposituren, registraturen, archiven undt dergleichen uhrkunden nachgesucht sein, wie sich die sache im grundt befinde, dan in dem pergament salbuch, so uns unser gnediger undt geliebter herr vatter hochlöblichen gedechtnus als ein generaldirectorium unser regierung hinderlaßen stehet austrücklich, daß das stedtlein Züschen mit manschafft, steur, folge undt allem in den bezirck unsers ampts Gudensperg gehörig, auch die pfarbestellung daß ist episcopalius dem landtsfürsten zugehörig seie, undt ob sie schon der collatur halben ein jus patronatus haben möchten, konnen sie daßelbige weiter nicht als uf die bloße praesentation, keines weges aber uf die reception, confirmation oder einzig geistlich regimendt extendiren;156 haben sie nun das jus collaturae ruhig, so weis man woll, daß wir nie keinen, der uns pro episcopo helt sein habendt underrecht disputirt, oder mit gewaldt an uns gezogen haben, dabei lest man es nachmals«.157

155 Vizekanzler und Räte zu Kassel an Landgraf Moritz, 1625 November 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 145f., hier: fol. 145rv. 156 Zimmermann (Bearb.): Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., S. 82. Im »Dorfbuch des Niederfürstentums Hessen« wird im Amt »Gudenspergk« »Zuschen« unter »Dero vom adel dorfer« aufgeführt, alle 80 »Hausgeseß« stehen denen »vom adel«, den Meisenbug, zu, die auch als »Collator« angegeben werden. Zu »Heinershausen« stehen den Meisenbug alle 32 »Hausgeseß« zu, bei der Collatur wird angegeben, das »Heinershausen« als »fil[ia].« zu Züschen gehöre, womit die Argumentation der von Meisenbug Bestätigung findet (hiermit korrigiere ich meine Anführung in Gbll Waldeck 101 (2013), S. 65 Anm. 157, wo ich die Angabe zum Filiationsverhältnis in der Quelle versehentlich genau andersherum verstanden habe). 157 Dorsalreskript Landgraf Moritz’, Sababurg 1625 November 19, auf dem Schreiben von Vizekanzler und Räten an ihn, Kassel 1625 November 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 145f., hier : fol. 146r.

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Es scheint, als habe die Standhaftigkeit der Meisenbuge zu Unsicherheit und Zweifeln auf der Seite Hessen-Kassels geführt, dass der umfassende eigene Anspruch, auf den man sein Handeln gründete, möglicherweise doch nicht so wohlfundiert war, wie man immer vorgab, oder wenigstens einer Präzisierung bedurfte. Schon solche Zweifel zuzulassen und daraufhin die Grundlagen des eigenen Anspruchs zu überprüfen, ist im hier geschilderten Kontext bemerkenswert und gewährt überdies Einblick in die Regierungsarbeit und das Herrschaftsverständnis Landgraf Moritz’. Waren sich Vizekanzler und Räte am 17. November 1625 noch unsicher, »ob man sich nun ferner mit ihnen [den Meisenbugen, A. J.] in schrifftwechselung einnlaßen soll«, so erinnerte am 30. November 1625 einer der in Kassel verbliebenen Räte den Vizekanzler daran, dass er bei seiner Abreise auf die Zapfenburg begehrt hätte, »da der beambten bericht vonn Gudensperg in der Zuschischen sachen einkommen wehre, das dan die Meisenbuge wider beantwortet, unndt ihnen zum wenigsten contradiciret werden müste«. Nun wollten die in Kassel verbliebenen Räte aber die Rückkunft ihrer Kollegen abwarten und über die ausführliche Resolution ihres Fürsten »zuforderst in gesambt zu rath gehen«, damit »durch ubereilen wir weder zu viel noch zu wenig thun«.158 Auch die Grafen von Waldeck waren keineswegs kampfesmüde. Ihrem Pfarrer allerdings scheint die ständige Bedrohung in Züschen zu viel geworden zu sein, er habe, wie die Beamten zu Gudensberg Vizekanzler und Räten mitteilten, »dienst zu Bringhausen von h. graffen bekommen, liegt an der Ödder [= Eder, A. J.]«.159 Graf Christian unterhielt sehr gute Beziehungen zum Kaiser, in den Adressen wird er als »Rom[ischer]. Kays[erlicher]. May[estä]t Rath undt Cammerherr«160 angesprochen. Unter dem Datum Wien, 17. März 1626 ging auf Bericht der Grafen Christian und Wolrad ein Mandat Kaiser Ferdinands II. aus, das exakt auf die Situation zu Züschen zugeschnitten war.161 Landgraf Moritz, Superintendent Paul Stein, die Beamten zu Gudensberg, wie auch Georg Thonius werden darin namentlich erwähnt, auch die durch den Superintendenten Ni158 Anwesende Räte zu Kassel an Vizekanzler und Räte jetzt zur Zapfenburg, 1625 November 30, in: StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 150f., hier : fol. 150r und 150v. 159 Johann Bischoff und Eberhard Faber an Vizekanzler und Räte zu Kassel, Gudensberg 1625 November 11, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 129, 133, hier : fol. 129v. 160 Sämtliche Meisenbuge zu Züschen an Christian Graf zu Waldeck, 1629 Mai 2, StAM 115/07, Nr. Züschen 7. 161 Kaiser Ferdinand II., Mandat an Moritz Landgraf zu Hessen-Kassel und seine namentlich genannten Diener, Wien, 1626 März 17 (neuer Stil) (durch den Notar Conrad Gerhard beglaubigte Abschrift), in: StAM 115/07, Nr. Züschen 9: »Daß dieße copey dem rechtten wahren originall, so uff papir von 7 blettern geschrieben, undt mitt einer schwartzen undt golden seiden schnur durchzogen, auch uffgedrucktten kayßerlichen secret, gleichlautte, undt von wortt zu wortt ubereinstimme, solches bezeuge ich Cunradt Gerhardß kayß. notarius undt pro tempore graff. wald. landtr[ichter]. zur Landaw, mit dießer meiner eigen handt und schrifft«.

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colaus Eckhardi zu Züschen verordnete »calvinische verbeßerungspuncten« und die »mediantibus armis« erfolgte Einführung Georg Thonius’, eines »in den praetendirten verbeßerungspuncten vermeinten reformirten pfarern«, sowie die Überfälle durch die Beamten zu Gudensberg am 19., 21., 23. und 28. Oktober. Landgraf Moritz wird bei Strafe von dreißig Mark lötigen Goldes geboten, er solle die durch seine bisherige Missachtung der kaiserlichen Salvaguardia und Mandate »verursachten costen und schäden, allerdings wieder gutmachen, restituiren und wieder abstatten« und die Grafen künftig »wieder den buchstaben des religionsfriedens unnd reichsabschieden, nicht beschwären oder nöttigen«, außerdem wird binnen zwei Monaten nach Empfang dieses Mandats die Anzeige der Vollziehung am kaiserlichen Hof erwartet. Bemerkenswert ist der Abschnitt, der explizit auf die als irrige Opinion bezeichnete »verleugnung der wesentlichen gegenwart des leibs und bluts christi, unter den gestalten brots und weins, und darauf erfolgende abschaffung aller christlichen kirchen ceremonien, oblaten und bilder« eingeht. Das maßgeschneiderte Mandat sollte Landgraf Moritz offenbar Angst machen, ihm zeigen, dass er unter Beobachtung stand und dass man mit seinem offenen Bekenntnis zu einer reichsrechtlich nicht anerkannten Form des Protestantismus, dem Calvinismus – einer der Augsburgischen Konfession widrigen Sekte, wie es in dem Mandat heißt –, eine Handhabe gegen ihn hatte. Am 15. August 1626 ließen die Grafen durch Johannes Heine, einen Notar von Warburg, dem hessischen Pfarrer Georg Thonius zu Züschen ein »mandatum von k[aiserlicher]. m[aiestät]. zu Wien sub dato den 15 ten Aprilis« insinuieren. Thonius lehnte aber die Annahme ab und verwies den Notar an den, »der mich alhiro gesetzt«, woraufhin der Notar das Mandat am nächsten Tag an die Rathaustür genagelt habe.162 Am 16. August wurde derselbe auf der Kanzlei zu Kassel vorstellig, um »kayserliche proceß zue insinuiren«, »mandatum undt citation welches die pfar Züschen betrifft«; in Kassel fiel Johannes Heine durch sein für einen Notar ungewöhnliches Verhalten auf, war aber auf Erkundigung als Notar bekannt.163 Nun meldeten sich auch Dechant und Kapitel des Stifts Fritzlar. Während ihrer »dero peste halben gemachter generall absentz« wäre ihnen der Tod Hermann Gerhards und die Neubesetzung der Pfarrei durch den hessischen Superintendenten mit Georg Thonius, der »wieder dieße unsere herbrachte praesentation undt investitur […] de facto intrudiret und eingeführet« worden sei, bis jetzt entgangen. Gegen diesen Akt wollten sie ihre Protestation vom 162 Georg Thonius an Superintendent Paul Stein, Züschen 1626 August 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 166. 163 Vizekanzler und Räte an Landgraf Moritz, Kassel 1626 August 17, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 165, 167, die Zitate: fol. 165r und 165v.

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14. August 1622 erneuern und wider diese Intrusion kontradizieren, protestieren und darum bitten, ihr »collatur- und investiturrecht« in Acht zu nehmen.164 Hessische Eigenmächtigkeiten und die Langzeitwirkung von Gewalt

Am 7. Juni 1629 informierten die Meisenbuge die Kasseler Regierung darüber, dass Dechant und Kapitel zu Fritzlar sie gewarnt hätten, »daß wir mit der praesentation eines Augspurgischen confessions verwandten pfarhers eilen wolten, den da solches nicht so baldt geschehen solte, unndt sie vermutlichen wegen deß verzugs einen andern unndt vieleicht wiederwerttigen befehlich von churf[ürstlichen]. g[naden]. zue Maintz bekommen möchten, müsten sie demselben gebührlichen nachsetzen, unndt unnß einen catholischen praedicanten introduciren«.165 Der Anlass dafür war, dass über Georg Thonius das Gerücht ging, er hätte seine Magd geschwängert,166 weshalb die Meisenbuge 164 Mit Schreiben vom 15. März 1626 (neuen Stils) übersenden Dechant und Kapitel des Stifts Fritzlar ihre Protestation an Wilhelm und Johann Meisenbug sowie Georg Thonius, StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 158, 163. Das eigentliche von Johannes Hoffmann, kaiserlichem Notar und »itziger zeit stifts syndicus zue Fritzlar«, mit seinem Signet versehene Protestationsinstrument stammt vom 13. März 1626 (neuen Stils), StAM 22 a 8, Nr. 849 (Züschen), fol. 159–162, die Zitate: fol. 159v, 160r. 165 Sämtliche Meisenbuge an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1629 Juni 7, StAM 17 d, Nr. von Meysenbug 71 [erstes Stück]. 166 Im Diensttagebuch Paul Steins wird die Sache erstmals unter dem 30. April 1629 (3. Tageseintrag, fol. 28r) erwähnt: »Ehr Georg Thonius, pfarrher zu Züschen, ist auf erfordern zu Kir[ch]berg erschienen und der rucht halber bespracht worden. Empfindets schmertzlich und entschuldigt sich hoch etc.«. Beim Namen genannt wird das Gerücht im Diensttagebuch Paul Steins unter dem 21. Januar 1630 (1. Tageseintrag): »Nachdem Ehr Georgius Thonius pfarrer zu Züschen in rucht haft worden, als hette er seine magdt geschwengert, darüber die von Meyßebuch zweyer zeugen (so doch nicht aydtlich abgehöret worden) aussage eingeschicket, als ist er von deswegen vorgefordert, und hiruber sein bericht eingenommen worden, wie folget: Er sagt, das er solcher Anklage durchaus nicht geständig, sondern gantz u. gar unschuldig sey u. beschwerte sich zum hochsten uber die vermeinte zeugen, darumb das sie ihme der religion halben zuwider und nicht aydtlich sindt abgehoret worden, will auch deswegen dennegsten wider solche zeugen die nottdurfft an gehörigen orten suchen undt seine unschuldt retten. Dieweiln aber zu besorgen, so er des orts lenger wieder der von Meisenbuch willen verpleiben solle, das das Stifft Fritzlar, welches hiebevor allbereits Ehrn Christoff Steinhaußen zu solcher pfarr praesentiret, zufahren und de facto einen papisten dahin setzen möchte, als hat er sich propter honum publicum dahin gutwillig erkleret, das er die pfarr resigniren und dem Steinhaußen überlaßen wolle, doch derogestalt, wofern er seine unschuldt werde genugsam ausgeführet haben, das er dan den negsten zu einer andern gelegenheit befordert werde«. Die Angelegenheit kam auch schon auf dem Konvent der Klasse Gudensberg am 7. Mai 1629 zur Sprache, auf dem Paul Stein anwesend war, im Konventsprotokoll heißt es dazu: »Ehrn Georgio Thonio pfarrherrn zu Züschen, weil er eusserlich seiner magd schwängerung wegen beruchtiget worden, wie solches etliche fratres ex communi fam. et rumore, aber doch ohne grundt, hirvon gehöret, ist vom H. Superint. solches ruchtes sich durch ordentliche mittel zu benehmen und vor der obrigkeit des ortts sich zu exculpiren auferlegt und ahnbevohlen wordenn«.

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Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel baten, »sie wolten unnß, dieweil summum periculum in mora, mit der pfarrbestallung gewehren laßen, unndt dießen jetzigen pfarhern Georgium Thonium, sonderlich dieweil wir ihnen seines bößen geruchts halben, ohne daß nicht wohl dulden konnen, avociren, unndt nach derselben gefallen anderwerts befordern«.167 Thonius, der sein Amt in Züschen nicht mehr sinnvoll ausüben konnte, bat daher, ohne dass der gegen ihn erhobene Vorwurf bewiesen werden konnte, selbst um seine Versetzung, er wechselte auf die freigewordene Pfarrstelle in Harmuthsachsen, im Bereich der Superintendentur Rotenburg.168 An seine Stelle in Züschen wurde Christoff Steinhaus gesetzt,169 den Meisenbugen wurde dazu von Kassel angezeigt, sie sollten »Ehrn Steinhaußen dem capitul zu Fritzlar denominiren […], welche auf nechstgeschehene unterbawung deß Herrn Cantzlarß alhir ihn zu fernerer confirmation anhero praesentiren werden«.170 Christoff Steinhaus war von seiner vorigen Wirkungsstätte in Böhne, an die er nach einer ersten Entsetzung zurückgekehrt war,171 von den Grafen zu Waldeck 167 Sämtliche Meisenbuge an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1629 Juni 7, StAM 17 d, Nr. von Meysenbug 71 [erstes Stück]. 168 Das Diensttagebuch Paul Steins vermerkt erstmals unter dem 7. Juni 1629 (1. Tageseintrag, fol. 32r), dass Georg Thonius um Translation bat, damals suchte er um die Pfarrei Wehren an. Unter dem 23. November 1629 notiert Paul Stein (DTB, fol. 56r am Rand): »F[ürstliche]. regierung schickt consensum principis ein, daß Lappius naher Grabenaw [= Grebenau] und Thonius von Züschen naher Ermuthsachsen [= Harmuthsachsen] transferirt werde, mit begehren, daß ich morgen zur cantzeley kommen solle«. Über das Schicksal Georg Thonius’ an seinen weiteren Pfarrstellen zu Harmuthsachsen und seit September 1655 in Altenmorschen (DTB Hütterodt, S. 1261 , 1273) geben zahlreiche Einträge im Diensttagebuch Johannes Hütterodts Auskunft, die sich über das zugehörige Personenregister leicht finden lassen. 169 DTB Paul Stein, 12. Juni 1629, Nr. 1 (fol. 33r): »Sambtliche Meisenbuge zu Zuschen seind avisirt, daß, obwohl auf Herrn Georg Thonium, ihren pfarrer, noch zur zeit nichts erwiesen, warumb er zu degradiren, jedoch, weil er daselbst wegen der starcken rucht wenig bawen möge, die translatio mit M[agister]. Steinhausen vorgenommen werden solle […]«. Statthalter, Kanzler und Räte an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1629 November 18 (praes. Friedewald 1629 November 20), StAM 22 a 8, Nr. 396 (Harmuthsachsen): Christoph Steinhaus, (von den Grafen von Waldeck) entsetzter Pfarrer zu Böhne, sei mit Konsens der Meisenbuge zum Pfarrer nach Züschen verordnet worden; der bisherige Pfarrer zu Züschen, Georg Thonius (»Donig«), den die Meisenbuge eines Ärgernisses beschuldigen, dies aber nicht beweisen können, soll auf Gutachten beider Superintendenten (zu Kassel und zu Rotenburg) auf die Pfarrei Harmuthsachsen gesetzt werden, da er sich auf der ihm von Caspar Hund zugesagten Pfarrei Grebenau mit seinen vielen Kindern nicht unterhalten könne, »unnd gleichwohll gute gaben im predigen habenn solle«. Paul Lappius, bisheriger Pfarrer zu Harmuthsachsen, über den die von Hundelshausen seiner undeutlichen Aussprache und geringen Gaben sowie deswegen klagen, weil er ihnen vom Konsistorium zu Marburg gegen ihren Willen aufgedrungen worden sei, soll dafür nach Grebenau gesetzt werden. 170 DTB Paul Stein, 12. Juni 1629, Nr. 1 (fol. 33r), letzter Teil. 171 Zur Vorgeschichte siehe StAM 115/07, Nr. Böhne 9.

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gewaltsam vertrieben worden, auf ähnliche Weise, wie die Einsetzung Thonius’ in Züschen vor sich gegangen war. Nach der ersten Absetzung und einer auf Anraten der Kasseler Regierung ausgeschlagenen Pfarrstelle in der Grafschaft Lippe,172 wurde Steinhaus, nach dem im Diensttagebuch Paul Steins unter dem 31. März 1628 referierten Bericht des Schultheißen zu Gudensberg, Eberhard Faber,173 durch ihn »zwahr auff Landgraff Georgens f[ürstlicher]. gn[naden]. befehl […] wiederumb naher Böhne eingesetzt; es hätten aber die Graffen von Waldeck, nach seinem abzug, ihn den pfarhern Steinhausen, mit etlichen musquetirern langen, und gefänglich auffs Hauß Waldeck führen lassen«.174 »M. Steinhausen pfarher zu Böhne referirt, wie das die Graffen ihme, nachdem sie ihn von Böhne gefenglich auffs Hauß Waldeck führen lassen, dermassen zugesetzt, das er einen leiblichen eid habe schweren müssen, die pfarr Böhne nimmermehr zu bedienen. Dergleichen hätten auch die einwohner daselbst man für man schwehren müssen, ihn oder eintzegen andern pfarhern, so von Hessen daselbsthin eingeführet würde, nicht zu hören. Ist ihm befohlen worden, den gantzen verlauff, wie sie mit ihm umbgangen, zu papir zu setzen, und einzulieffern.«175

Auch wenn die kaiserliche Konfirmation des Hessischen Hauptakkords, der unter anderem die Rückgabe der hessen-darmstädtischen Pfandämter auf hessen-kasselschem Gebiet vorsah, schon am 22. Januar alten bzw. 1. Februar neuen Stils 1628 erfolgte, zog sich die tatsächliche Umsetzung noch ein Stück hin. Nach einem Eintrag im Diensttagebuch Paul Steins, war die Übergabe der Pfandämter auf den 26. März 1628 festgesetzt,176 die Huldigung der Untertanen des Amts Gudensberg an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel erfolgte am 5. April und die der Pfarrer am 30. Mai 1628.177 Dass der Schultheiß von Gudensberg sich noch im März 1628 von Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt die versuchte

172 DTB Paul Stein, 16. Januar 1628: »Christoff Steinhause, entsetzter pfarrherr zu Böhne berichtet, das er vom superintendenten der Graffschafft Lippe auff recommendation Graff Christians zu Waldeck, vocation bekommen zu einem pfarrdienst. Suchet rath, ob er dahin folgen solle. Ist fürstlicher regierung zugeschickt worden, welche ihm gesagt, sich zu gedulden, dan er dennechsten wieder eingesetzt werden solle«. 173 Unter dem 27. März 1628 (3. Eintrag) ist im DTB Paul Steins davon die Rede, dass die Einsetzung durch den Amtmann zu Homberg an der Efze vorgenommen werden solle: »M[agister]. Steinhausen entsetzter pfarher zu Böhna gibt sich an, und begehrt wegen seiner restitution nachrichtung. Ist an den cantzlar und räthe verwiesen worden, welche berichtet, das dem ambtmann zu Homberg, ihn zu restituiren und wieder einzusetzen, schon befehl heut zugeschickt sey. Derowegen er sich wieder naher hauß machen, und bey der hand sein solle, wan der ambtman ankomme, das er ihn wieder einsetzen könne«. 174 DTB Paul Stein, 31. März 1628, Nr. 4. 175 DTB Paul Stein, 2. April 1628, Nr. 4. 176 DTB Paul Stein, 14. März 1628, Nr. 2. 177 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 11v.

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Restitution Christoff Steinhaus’ in Böhne befehlen ließ,178 zeigt, dass der Pfandherr die Frist bis zur Rückgabe der Ämter vollständig ausnutzte. Am 16. April 1628 klagte Steinhaus, »das er das seine wegen der fürsten zu Hessen gerechtigkeit alle zusetzen müssen, und er grossen mangel und armut leide«, seiner Bitte um »anderwertige beforderung«179 konnte mit der Übernahme der Pfarrei Züschen endlich entsprochen werden. Die Vorgänge um die Pfarrei Böhne erhellen eindrücklich die Kooperation und gemeinsamen Interessen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt auch während der Darmstädtischen Pfandherrschaft über hessen-kasselsche Ämter : die Kasseler Beamten wurden in ihren Positionen belassen und führten nun Darmstädtische Befehle aus, die Zähmung des waldeckischen Strebens nach Eigenständigkeit war auch ein Anliegen Hessen-Darmstadts.180 Die Abstimmung einer gemeinsamen Strategie in der waldeckischen Sache, die tatsächlichen Rechtsverhältnisse, die dabei zum tragen kommenden konfessionellen Gesichtspunkte, die hohe hierarchische Ebene, auf der diese Fragen verhandelt wurden und die Rolle der Kirche bei der Aufrechterhaltung territorialer Ansprüche werden deutlich aus dem Briefwechsel des hessen-darmstädtischen Vizekanzlers Dietrich Reinkingk mit dem hessen-kasselschen Kanzler Heinrich Lersner sowie der Stellungnahme des Kasseler Predigerministeriums dazu, wie sie im Diensttagebuch Paul Steins unter dem 30. April und 1. Mai 1628 referiert werden: »Der Herr Cantzlar D[oktor]. Lerßner schickt mihr des Vice Cantzlars zu Marpurg D[oktor]. Reinkings181 schreiben ein wegen der pfarr Böhne, darinnen er andeutet, das Landgraff Georgens f[ürstliche]. gn[aden]. diesen unvorgreifflichen vorschlag gethan, weil die Graven zu Waldeck sonderlich dieses hoch anzögen, daß der wieder eingesetzte pfarher einer im Römischen Reich unzulessigen religion zugethan sey, ob es nicht ein 178 DTB Paul Stein, 31. März 1628, Nr. 4. 179 DTB Paul Stein, 16. April 1628, Nr. 1. 180 Zu der interessegeleiteten erzwungenen Kooperation in der waldeckischen Angelegenheit im Angesicht des im Restitutionsedikt sichtbar gewordenen kaiserlichen Machtstrebens, Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 150f. Hessen-Kassel und HessenDarmstadt hatten sich darauf geeinigt, dass beim Tod eines Grafen die Grafschaft Waldeck »von demjenigen Regierenden Fürsten zu Hessen/ welcher der Eltiste von Jahren seines alters sey« auch im Namen der anderern Linie wieder verliehen werden sollte (so schon »Haubtvertrag […]«, S. 71 [Punkt 32]) und wenn die Grafschaft Waldeck auf irgendeine Weise dauerhaft an das Haus Hessen zurückfiele, »beyde linien Cassel vnd Darmbstadt/ zu zweyen gleichen theilen/ vnerachtet in einer lini mehr capita, als in der andern wehren/ oder eine lini mehr oder weniger/ vmb die Graffschafft gethan hette/ succediren sollen« (alle Zitate aus: Gründliche Erzehlung, Beilage 261 (S. 577): »Abschied von künftiger Succession in der Graffschafft Waldeck«, Marburg, 14. Dezember 1627); siehe dazu auch: Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 38f. mit Anm. 45, S. 73f. Anm. 90 sowie Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 165f. 181 Dietrich (Theodor) Reinkingk ist vor allem als juristischer und staatstheoretischer Schriftsteller bekannt, hier wird er in seiner Tätigkeit als praktischer Verwaltungsmann für Hessen-Darmstadt greifbar ; zu ihm: Link: Dietrich Reinkingk.

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weg wehre, das Landgraff Wilhelms f[ürstliche]. gn[aden]. einen der im Oberfürsthentumb und Graffschafft Waldeck üblichen religion, daselbsthin verordnen liesse. Und begehrt der Herr Cantzlar, hieruber mein bedencken morgenden tags zur cantzley einzuschicken.«182 »Uber vorgedachtem schreiben D[oktor]. Reinkingks hab ich etlicher des ministerii, als Herrn Wetzelii, Herrn Matthaei, und Herrn Starckii meinung vernommen, welche sich mit mihr folgenden bedenckens vergliechen: Dieweil Böhne ohnstreitig auf waldeckischem grund und boden gelegen, und also die herrn graffen, ob sie schon etwan in possessorio succumbiren, dennoch, da sie die sach in petitorio suchen würden, obsiegen möchten; zudem auch die von D[oktor]. Reinkingk angezogene consideration billich in obacht zu nehmen, und den graffen, am kaiserlichen hoff der religion halber unß ferner anzubringen, bey jetzigem gefährlichen zustand unser kirchen, ursach und anlaß zu geben hochbedenklich; das es entweder in jetzigem stand der pfarr Böhne gelassen, oder aber, weil solches dem f[ürstlichen]. hauß Hessen nach- den waldeckischen graffen aber vortheil bringen möchte, Landgraff Georgens f[ürstlicher]. gn[aden]. vorschlag nach, einer der genanten lutherischen religion zugetaner daselbsthin verordnet werde. Darzu dan M[agister]. Johannes Spangenbergius, Ziegenhainensis, exul austriacus, welcher zu Dreisa an statt der jetzigen lutherischen prediger daselbst etliche mahl gepredigt, auch zu Marpurg umb beforderung sich beworben haben soll, nicht undienlich sein, und verhoffentlich mehr, als andere, sich gebührender moderation befleissigen, und des hiesigen superintendenten inspection, wie den auch zu den conventibus classicis zu Gudensberg, dem herkommen gemeß, sich accomodiren und undergeben würde. Und ist dis bedencken schrifftlich zu f[ürstlicher]. cantzley eingeschickt worden.«183

Indem Hessen-Kassel die Pfarrei Züschen mit dem aus Böhne vertriebenen Christoff Steinhaus besetzte, missachtete es den Wunsch der Meisenbuge, sie »mit der pfarrbestallung gewehren [zu] laßen«.184 Die Meisenbuge hätten dem 182 DTB Paul Stein, 30. April 1628, Nr. 6. 183 DTB Paul Stein, 1. Mai 1628. In StAM 4 a, Nr. 46/21 [7. Stück von hinten im Konvolut] befindet sich ein Brief Reinkingks an den hessen-kasselschen Kanzler Lersner vom 15. Mai 1628 (darauf weist auch Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 144 Anm. 138 im Kontext der Reise Landgraf Wilhelms V. an den Kaiserhof nach Prag 1628 hin), der wahrscheinlich die Antwort darstellt auf das Schreiben, das ihm nach der bei Paul Stein geschilderten Deliberation »in nahmen Herren Stathalter, Cantzlar und Rhäte zue Caßell […] die pfarrhändell zue Böhna betreffent ohnlengst zue kommen«. Darin teilt Reinkingk mit, Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt würde die Eingrenzung des fürstlichen Hauses Hessen, der sich die Grafen von Waldeck diesergestalt unterfingen, »gar ungern sehen«, weshalb seine fürstliche Gnaden »ahn ihrem ort nichtß unterlaßen wolten, waß zu erhaltung und manutenentz deßen herbrachter gerechtigkeiten ersprießlich«, sie hätten »allein […] in etwas bedenckens vorgeschlagener maßen ahm kayßerlichen hoff diese sache anzuebringen, in tragender beysorge, eß möchte ihre f[ürstliche]. g[naden]. [= Wilhelm V. von Hessen-Kassel] von den gravenn bey dießer occasion gar ungleich angetragen und vorunglimpfet werden«. 184 Sämtliche Meisenbug an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Züschen 1629 Juni 7, StAM 17 d, Nr. von Meysenbug 71 [erstes Stück].

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Stift Fritzlar aller Wahrscheinlichkeit nach einen Lutheraner präsentiert und zur Examination nach Kassel geschickt, womit der Konflikt mit Waldeck entschärft worden wäre, stattdessen beharrte Hessen-Kassel auf seinen konfessionellen Prämissen und nutzte die Stelle zur Versorgung eines von einem ähnlich problematischen Ort vertriebenen Pfarrers. Seine Ansprüche auf Böhne, sowohl territorial wie im Hinblick auf die Pfarrversehung, musste das Haus Hessen aber aufgeben. Im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg ist in einer Auflistung der zur Klasse gehörenden Orte »Böhne« durchgestrichen und mit der Bemerkung versehen: »excidit« – ausgeschieden.185 Böhne scheint in der Folge fest in waldeckischer Hand gewesen zu sein und Hessen-Kassel allen wirklichen Einfluss verloren zu haben. So bat Justinian Nellius, waldeckischer Pfarrer zu Böhne, am 2. November 1635 Graf Christian zu Waldeck um die Übertragung der besser dotierten Pfarrstelle Bergheim,186 falls der dortige Pfarrer, wie vom Grafen angedacht, nach Züschen wechseln sollte.187 Schon am 16. April 1628 hatte Christoff Steinhaus geklagt, dass ihm »von den Waldeckischen die auff seine costen ausgestelte und eingewalte winterfrucht, so bishero zu Böhna ungedroschen gelegen, ausgetroschen und dem neuen pfarhern gegeben wurde«, um deren erstattung er bitte.188 Vom Kasseler Vizekanzler erhielt er aber den Bescheid, »er solte die restitution der frucht bey der waldeckischen cantzley suchen; da ihme dan nicht geholffen würde, solte er es alhir bey der regierung suchen«.189 Dass sich die Amtseinführung Christoff Steinhaus’ länger hinzog, war politischen Rücksichtnahmen geschuldet. Dem Hofprediger Theophil Neuberger und dem Pfarrer an der Altstädter Gemeinde, Thomas Wetzel, sei, als sie 185 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 1r (»Sedes pastorales in hac dioecesi«). 186 Bergheim ist wie Böhne heute ein Stadtteil von Edertal im hessischen Landkreis WaldeckFrankenberg. 187 Justinian Nellius an Graf Christian zu Waldeck, Böhne 1635 November 2, StAM 115/07, Nr. Züschen 14 (der vor der Neuverzeichnung des Paketes 53 [Züschen] darin aufgefundene Brief lag nach der Neuverzeichnung bei einer Überprüfung am 24. April 2020 nicht hier, wo man ihn nach der Beschreibung dieser Verzeichnungseinheit in der Archivdatenbank vermuten würde). Nellius war nicht der unmittelbare Nachfolger Steinhaus’, wie Einträge im Diensttagebuch Paul Steins über ihm gemachte Mitteilungen zum Tod des an Steinhaus’ Stelle in Böhne eingesetzten Pfarrers zeigen: DTB Paul Stein 1629, 14. August, Nr. 2 [fol. 39r]; 15. August, Nr. 1 [fol. 39v]; 18. August, Nr. 1 [fol. 40r]. Aus Nellius’ Schreiben wird deutlich, dass er zur Wahrung der Ansprüche der Grafen von Waldeck in der Herrschaft Düdinghausen Ähnliches auszustehen hatte wie Steinhaus für die Landgrafen von Hessen in Böhne. Nellius gibt zu Bedenken, »wie grosse und starcke persecution, auch offt mit lebens gefahr in unchristlichen gefengnissen zu Medbach und Arnßberg, [ich] wegen e[urer]. hochgr[äflichen]. gn[aden]. in der Herschaft Dudinghausen habenden gerechtigkeiten zu erhalten, ausgestanden«. 188 DTB Paul Stein, 16. April 1628, Nr. 1. 189 DTB Paul Stein, 16. April 1628, Nr. 12.

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»f[ürstlichen] rähten referirt, was in Thonii sach verhandlet, und wesen er sich endlich erkleret«, »zu gemüth geführet worden, weil anjetzo in der waldeckischen sach zu Göttingen ein tag gehalten werde,190 ob es auch etwan die handlung daselbst beschwerlicher machen würde, da man bey wehrendem tag zu Züschen, da die Grafen von Waldeck sich der pfarrgerechtigkeit anmassen, einen newen pfarhern einführen würde […], wolten sie zuvorderst mit dem Herrn Statthalter und Cantzlar aus der sach reden, und mich alsdan wieder wissen lassen, was ihr bedencken und meinung darbey sey«.191

Nachdem die Räte »die vorhabende introduction des newen pfarhers naher Züschen betreffend […] mit dem herrn Statthalter und Cantzlar aus der sach« geredet hatten,192 ließen sie am 22. Januar 1630 Paul Stein melden, »wegen der waldeckischen handlung zu Göttingen, biß die sach daselbst vom statthalter bey den Waldeckischen unterbawet sei« mit der Introduktion einzuhalten.193 Schließlich fand die Einführung Christoff Steinhaus’ in seiner neuen Gemeinde Züschen am 12. Februar 1630 statt. Im Auftrag Paul Steins nahm sie der Gudensberger Metropolitan Martin Happel vor,194 der in seinem erhaltenen Schreiben an Stein hervorhebt, wie freundlich sich Johann Leo und Wilhelm Meisenbug gegen ihn erzeigt hätten, wie Johann Leo mit der bei der Einführung vorgesehenen ehrenvollen Erwähnung Georg Thonius’ zufrieden gewesen sei und Wilhelm bei der Mahlzeit »Hern Steinhausen zweimahl auf glück und heil zugetruncken« habe.195 Probepredigt, Examination und Konfirmation Christoff 190 Zu den letztlich erfolglosen Verhandlungen Hessen-Kassels mit Waldeck in Göttingen im Januar 1630, Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 153–156. 191 DTB Paul Stein, 21. Januar 1630, Nr. 4. 192 DTB Paul Stein, 21. Januar 1630, Nr. 4. 193 DTB Paul Stein, 22. Januar 1630, Nr. 5. 194 DTB Paul Stein, 5. Februar 1630, Nr. 1: »Hab ich an den metropolitanum zu Gudensberg, Ehrn Martinum Happelium geschrieben, nachdem der pfarher zu Züschen Ehr Georg Thonius sein pfarrambt propter honum publicum der kirch des orts, alhir vorm ministerio resignirt, ihm auch vertröstung geschehen, das er dennechsten naher Hermuthsachsen, vermöge unsers gn[ädigen]. f[ürsten]. und herrn befehls, transferirt werden solle; und nunmehr, der vom thumbcapitul zu Fritzlar praesentirte, und alhir im examine gnugsam qualificirt befundene Christoff Steinhausen, daselbst und zu Helmarshausen vor einen pfarhern einzuführen, als solte er, an meiner statt, die einführung ehisten tags verrichten; mihr auch von seiner verrichtung relation zuschicken«. 195 Martin Happel an Paul Stein, ohne Ort (Gudensberg?) 1630 Februar 12, StAM 318 Kassel, Nr. 412; man kann davon ausgehen, dass Happel diesen »in eill« verfassten Brief noch am Tag der Einführung geschrieben hat. Im DTB Paul Steins wird der kurze Brief unter dem 13. Februar 1630, Nr. 1 mit der Bemerkung zusammengefasst: »Ehr Martinus Happelius, pfarher und metropolitanus zu Gudensberg, schickt seinen bericht ein, das er Ehrn Christoff Steinhausen naher Züschen vor einen pfarhern eingeführt, und das es bey der einführung wohl zugangen, und keine contradiction von niemandem beschehen«. Im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22) findet sich dazu auf fol. 14r folgender Vermerk: »Anno 1630. Den 10. Februarij hat Ehr Georg Thonius,

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Steinhaus’ fanden schon 1629 in Kassel statt,196 nachdem die Meisenbuge eine Präsentation eingereicht hatten, mit der Hessen-Kassel zufrieden war.197 Während Steinhaus’ Amtszeit in Züschen kam es zu einem weiteren kirchlichen Konflikt zwischen den von Meisenbug und Hessen-Kassel. Wie die Adelsfamilie von Schachten an ihrem Ort,198 versuchten auch die von Meisenbug den der Ordnung nach zu Züschen stattfindenden Konvent der Pfarrer der pfarrherr zu Zuschenn, welcher ob bonum [gemeint: honum, A. J.] publicum ecclesiae deß ortß seinen dienst, nicht einiger uberfuhrter mißhandlung halben, resigniret, seine valetpredigt gethan. Und ist alsobaltt auf bevelch deß herrn superintendenten vom metropolitano zu Gudensperg und pfarrherrn zu Lohna, Ehr Christof Steinhauß, gewesener undt unschuldig vertriebener pfarrher von Böhna, daselbsthin zum pfarrherrn auf und eingeführet wordenn; Ehr Thonius aber dennechsten auf u[nseres]. gn. f. und herrn bevelch nacher Hermuthsachsen trasferiret wordenn«. 196 DTB Paul Stein, 6. November 1629, Nr. 1 (fol. 53r): »Demnach M. Steinhausen den 2 ten dieses monats zum Zierenberg anderwertige praesentation von den Meisenbugen auff die pfarr Züschen mir eingehandigt, ist ihme anbefohlen worden, alß heut eine predigt zu Caßel zu halten, welches er auch in praesentz etlicher vom hiesigen Ministerio verrichtet, und hat tractirt auß dem 55. psal. vers. 23«; DTB Paul Stein, 10. November 1629, Nr. 2 (fol. 53r): »M. Christoff Steinhausen ist zum pfarrhern naher Züschen confirmirt und bestettigt, undt demnach an die Sämbtliche Meisenbuge verschrieben worden«. 197 Unter dem 17. September 1629, Nr. 1 (fol. 46r) heißt es im DTB Paul Steins: Junker Johann Meisenbug zu Züschen schickt »des capitelß zu Fritzlar M. Steinhausen halber schreiben ein, darinnen die Fritzlarischen sich der confirmation anmaßen und den Meisebugen das jus praesentandi zuschreiben wollen und bittet der Juncker, daß ich ehisten M. Steinhausen einführen wolle«; unter dem 24. Oktober 1629, Nr. 1 (fol. 50v) schreibt Stein: »M. Christoff Steinhausen uberlieffert von den Meisenbugen praesentation auff die pfarr Züschen. Ist auff die Cantzeley geschickt worden etc.«; unter dem 27. Oktober 1629, Nr. 1 (fol. 51v) notiert er : »In der Meisenbugischen sach helt f[ürstliche]. regierung bedencklich, auff sothane ungewöhnliche praesentation der Meisenbuge M. Christoff Steinhausen zu einem pfarrher naher Züschen zu confirmiren und introduciren, welches ihnen, den Meisebugen, notificirt, mit dem erbieten, da sie M. Steinhausen dem newlich mit Juncker Johann genommen abschied gemeß und wie ihr altvatter, gewesener ambtman s[elig]. zu Eschwege, anno [1]585 den damahligen pfarrhern praesentiret, praesentiren würden, er alßdenn der gebühr confirmirt und introducirt werden soll«. Die Meisenbuge scheinen ein positives Verhältnis zu Steinhaus gehabt zu haben, den sie schon aus seiner Zeit in Böhne kannten, wo sie ebenfalls über das Präsentationsrecht verfügten (siehe die Aufforderung dieses wahrzunehmen nach dem Tod des dortigen von Waldeck eingesetzten Pfarrers im DTB Paul Steins, 18. August 1629, Nr. 1[fol. 40r]), wie der Eintrag im DTB Paul Steins zum 17. September 1629, Nr. 1 zeigt: »Juncker Johann Meisenbug zu Züschen berichtet, 1. daß sein vetter Arnold Christian Meisenbug verstorben und vor seinem ende begehrt, daß M. Steinhausen ihme die leichtpredigt thun wolle, welches aber Herr Georg [Thonius] verweigere«, Johann Meisenbug bitte daher, Thonius selbiges anzubefehlen, »zumal weil nunmehr dennechsten Ehr Steinhausen zu ihrem pfarhern investirt werden soll«. Die fürstliche Kanzlei, an die Stein das Anliegen gelangen ließ, hielt dafür, dass man den Meisenbugen hierin »gratificiren könne«. »Darauff ist Herr Georg zu Züschen erinnert, daß M. Steinhausen die begehrte leichtpredigt doch ihme ohne nachtheil und praejuditz verrichten laßen solle; desen der Juncker auch avisirt […]«. 198 Siehe im Diensttagebuch Theophil Neubergers das »Concept schreibens an Junckern von Schachten wegen der Conventen zu Schachten« vom 29. Oktober 1635.

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Klasse Gudensberg zu verhindern, hatten damit aber keinen Erfolg. Unter der Überschrift »NB. Conventus classicus zu Züschenn« berichtet das Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg darüber Folgendes: »Als sich die Meisenbuge zu Züschenn, da der convent der ordnung nach daselbst gehalten werden sollenn, etwaß darinnen wegern wollenn, ist solcheß vom Herrn Metropolitano ahn den Herrn Superintendenten [Paul Stein, A. J.] berichtet wordenn, welcher darauf widerantwortlichen geschriebenn, daß er mit f. regirung darauß communiciret, und dieweil einhelliglich darfur gehalten werde, eß haben die Meisenbuge keine gnugsame ursachenn, sich deß convents halber, daß derselbe zu Züschenn der ordnung nach gehaltenn werde, zu beschwerenn; sintemal eß unläugbar, daß jederzeit ein pfarrherr zu Züschenn die conventus classicos in der Gudenspergischen class besuchet, und dahero billich, daß angeregter conventus weniger nicht zu Züschenn, alß an andern ortten gemelter class gehaltenn werde. Alß habe mann in Gotteß namen dennechsten mit gemeltem conventu classico zu Züschen forttzufahrenn, und werden die Meisenbuge wegen der Herrn Graven zu Waldeck nichtß bestendigeß dargegen einwenden können, alß welche sich noch guter masen zu erinnern wissen, daß Ihren Gr[äflichen]. Gn[naden]. von seiten Hessen daß ius episcopale ahn der pfarr Züschenn niemalß gestandenn wordenn. Gestalt dann auch die Meisenbuge selbst bei annehmung ihreß jetzigen pfarrherrß, Ehrn Steinhausen, hochgemelte die Herrn Graven zu Waldeck Gn. Gn. vorbey gangen, undt eß dahin gerichtet, daß sich daß Stifft zu Fritzlar (ahn desen statt nunmehr unser gn. fürst undt herr L[andgraf]. Wilhelm zu Hessen, alß rechtmäsiger innhaber der statt Fritzlar getretten) der bestellung ahngenommenn; daher nicht vermuthet werde, weil Ihro Gn. Gn. dero zeit dieseß habenn geschehen lassenn, daß sie sich jetzo deß convents halber gegen die Meisenbuge solten zu ungnaden bewegen lassen. Welcheß schreiben den Meisenbugen also vorgezeigt und darauf der conventus daselbsten mit ihrer bewilligung gehaltenn wordenn, nemlich den 30. April. anno 1634, wie in selbigenn actis retrk vers. pagin.199 zu sehenn.200

Im Oktober 1635 starb der Züschener Pfarrer Christoff Steinhaus und es stellte sich erneut die Nachfolgefrage. Die Waldecker Grafen handelten nun schnell. Graf Christian schickte seinen Landschultheiß Johann Rebenstock an die zu Riede versammelten Wilhelm und Johann Leo Meisenbug, damit sie einen der Augsburgischen Konfession verwandten Pfarrer präsentierten. Laut Rebenstocks Protokoll hätten sich die beiden ganz im Sinne des Graf Christian zustehenden »bischofflichen amptts« bedankt, »das I[hre] f[ürstliche] gg[naden]. soelche landesvätterliche vorsorge für sie und ihre liebe posteritet hetten wie sie wiederumb midt einem qualificirten und der Augspurgischen confession zugethanen prediger und seelsorger versehen werden muechtten 199 Im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22) findet sich auf fol. 18v eine kurze Erwähnung dieses Konvents zu Züschen. 200 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22), fol. 19v– 20r.

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etc. undt weillen sie midt ihren interessirenten vettern mehrentheils soelcher religion selbsten verwandt, auch sich midt mundt undt hertzen hierzu bekenneten, so wolten sie auch I[hrer] f[ürstlichen] gg[naden]. als ihrem lieben landt undt lehnherren in ihrem g[nädigen]. wohlmeinenden christlichen begehren desto williger pariren und ahn handt gehen etc. dero gewissen zu versichtt und hoffnunge, ihre abwesendte vettern, ahn welche sie diese hochahngelegene nohttwendige sach stündtlichen gelangen lassen wöltten, wuerden soelches auch nicht difficultiren, sondern per majora vota midt Ihnen einigk sein etc. […]«.201

Besonders dringlich war die Wiederbesetzung der Pfarrei Züschen, wie die Meisenbuge einräumten, »sindtemahl bey itziger zu Zueschen grassirender pestilentzi[schen] seuch, in verrichtunge des gottesdiensts grosser mangell wehre«.202 Allerdings gestaltete sich die Besetzung der Pfarrei Züschen nicht so einfach wie gedacht. Schon Rebenstock führte in seinem Protokoll vom 29. Oktober 1635 bei der Rekapitulation seines Auftrags gegenüber Graf Christian zur Begründung des Rechts für die »landtsvätterliche vorsorge« zur Versehung der »kirche undt gemeynheit« zu Züschen »midt einem christlichen seelsorger undt prediger so der Auspurgischen confession zugethan wehre« an, »gestalttsamb Ifgg. [Graf Christian zu Waldeck, A. J.] sich solcher pfarbestellunge halber, midt Ifg. Landtgraff Wilhelmen zu Hessen uff gewisse mass vereinbahret undt verglichen etc.«.203 Diese Anspielung bezieht sich auf eine vertragliche Einigung Waldecks mit Hessen aus dem Jahr 1632, die in erweiterter Form 1635 erneuert wurde. Die entscheidende Stelle in § 7 des Vertrags von 1635 lautet: »Zum siebenden will Herrn Landtgrav Wilhelms fürstl. G. sich des rechtenn so sie an bestellung der pfarr zue Böyna undt Züschen bißhero gehabt undt hergebracht, allerdings begeben, undt mit solcher pfarr bestellungen die Herrn Graven als landtsherrn, undt solcher pfarren patronos die Meysebüge, unverhinderlich gewehren laßen, undt davon hant abthun, doch daß so viel die pfarr Züschen anlangt, der jetzo allda wesende prediger, nicht allein, so lang ihme alda zue pleiben gefelligk gelaßen, sondern wan auch solche stelle vaciren solte, undt die Meysebüge einen der reformirten religion zuegethanen prediger den herrn graven praesentiren würden, derselbe unweigerlich 201 Johann Rebenstock an Graf Christian zu Waldeck, »Actum & Signatum Waldeck den 29 ten Octobris anno Christi 1635«, StAM 115/07, Nr. Züschen 14 (in dem Stück fol. 1v–2r). In einem kurzen Schreiben (Konzept) vom 29. Oktober 1635 wandte sich aus Waldeck Graf Christian an seinen Bruder Graf Wolrad IV. in Arolsen und teilte ihm die Entsendung seines Landschultheißen Johann Rebenstock in dieser Angelegenheit mit »undt bitt d[eine]. lieb[den]. fr[eundlich]. sie wollen Drosten George Meisenbug solches gleichmeßiger intention zu underbawen sich fr[eundlich]. gefallen laßen«, StAM 115/07, Nr. Züschen 14. 202 Protokoll Johann Rebenstocks, 1635 Oktober 29, StAM 115/07, Nr. Züschen 14 (in dem Stück fol. 2r). Auch der Pfarrer Steinhaus soll der Pest in Züschen zum Opfer gefallen sein, Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 24. 203 Protokoll Johann Rebenstocks, 1635 Oktober 29, StAM 115/07, Nr. Züschen 14 (in dem Stück fol. fol. 1r).

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confirmiret undt bestetiget werden, doch aber die in der Graveschafft Waldeck angestelte synodos, visitationes undt conventus classicos (gleichwohl nuhr quoad disciplinam ecclesiasticam, non quoad doctrinam, dan er derhalben allein einem superintendenten zu Caßel red und antwort zu geben schuldig) besuchen auch vor die herrn graven als landtherrn auf der cantzell bitten soll«.204

Bis auf die eingeklammerte Passage, die sich nur als Einschub von anderer Hand am Rand stehend findet, war dieser Text auch schon im Vertrag von 1632 enthalten. Unterschrieben und gesiegelt ist der Vertrag von 1632, neben den Unterhändlern, durch Wilhelm V. von Hessen-Kassel am 15. Mai 1632 und durch Christian von Waldeck und Pyrmont am 1. Juni 1632, es fehlen Unterschrift und Siegel des als mitvertragschließende Partei genannten Georg II. von HessenDarmstadt.205 Der Vertrag von 1635 ist nur von denen unterschrieben, die ihn ausgehandelt haben, auf Seiten Hessen-Kassels durch den Statthalter Hermann von der Malsburg, den Geheimen Rat Philipp von Scholley, den Vizestatthalter Johann Bernhard von Dalwigk206 und den Vizekanzler Helfrich Deinhard, auf Seiten Waldecks durch den Kanzler Zacharias Vietor, Georg Heise207 und den Sekretär Christoph Waldeck. Da der Vertrag von 1632 also nicht von allen Vertragsparteien ratifiziert wurde und der Vertrag von 1635 nur in der von den Kasseler und waldecker Deputierten verhandelten, von den Landesherren aber noch nicht unterschriebenen Form vorlag, gab es zwar ausgehandelte Verträge, die aber rechtlich noch nicht bindend waren.208 204 Hessische Ausfertigung des Vertrages zwischen den Grafen von Waldeck und dem Landgrafen von Hessen-Kassel, 1635 April 11, StAM Urk. 5, Nr. 1754; in der waldeckischen Ausfertigung (StAM Urk. 85, Nr. 10932) fehlt die eingeklammerte Passage. 205 Hessische Ausfertigung des Vertrages zwischen den Grafen von Waldeck und den Landgrafen von Hessen, 1632 Mai 15/1632 Juni 1, StAM Urk. 5, Nr. 1753; waldeckische Ausfertigung (nur von den Unterhändlern unterschrieben und gesiegelt): StAM Urk. 85, Nr. 10899; die Unterhändler waren: Hermann von der Malsburg (Statthalter zu Kassel), Helfrich Deinhard (Doktor der Rechte und Vizekanzler zu Kassel), Dieterich Heuchelin (Leutnant, Gräflich waldeckischer Rat und Sekretär), Christoph Waldeck (Sekretär). Zur langen Weigerung Hessen-Darmstadts den Vertrag aufgrund der darin preisgegebenen Hoheitsrechte zu ratifizieren, Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 171–173, 176f., sowie zur 1648 letztendlich erfolgten Ratifikation S. 185. 206 Dass Johann Bernhard von Dalwigk zu dieser Zeit, neben seiner Mitgliedschaft im Geheimen Rat, das Amt des Vizestatthalters zu Kassel bekleidete, erhellt aus der Dülferschen Beamtenkartei, die im Staatsarchiv Marburg eingesehen werden kann; siehe auch die 1647 in der Wiederholung des Vertrags von 1635 einleitend angegebenen Funktionsbezeichnungen der Beteiligten: StAM Urk. 5, Nr. 1755. 207 Zu Georg Heise führt Steinmetz: Die Waldeckischen Beamten, in: Gbll Waldeck 45 (1953), S. 104–106 (Nr. 32), hier S. 104 aus, dieser sei »1632–43 Stadtkommissar zu Korbach und Hofgerichtsassessor [gewesen]. Er hielt aber immer noch enge Verbindung zur Wildunger Kanzlei«. 208 In der Form, die der Vertrag zwischen Hessen-Kassel und Waldeck 1635 gefunden hatte (nun mit dem eingeklammerten Zusatz, der bisher nur am Rand stand, direkt im Text), wurde er am 3. April 1647 wiederholt (StAM Urk. 5, Nr. 1755) und erhielt am 14. April 1648

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Vor diesem Hintergrund werden die Bedenken verständlich, die Johann Leo Meisenbug am 5. November 1635 in einem Schreiben zusammen mit seinem Bruder Wilhelm an Kanzler und Räte zu Waldeck äußert, die ihnen auf ihre Bitte der Einfachheit halber, »dieweill sie nichtt wuesten, woher etwa bey itzigem sorgklichen zustandt ein gutter duechttiger man zu bekommen«,209 Justus Pistorius, den Pfarrer zu Bergheim, zur Präsentation vorgeschlagen haben: »Ob wir nun woll mitt derselben vorschlage, sonderlich Ehrn Justo Pistorio Pfarhern zue Berckheim, vor unsere person wol zufrieden weren, so tragen wir doch die vorsorge, es möchte uns, sonderlich mir Johann Leon, dieweil ich im Fürstenthumb Heßenn geseßenn, undt ettliche vermeinen Landgraf Wilhelms fürstliche g[naden]. dieses nicht nachgeben, sondern vorschüzen würden, der vertragk were zwar abgeredt, aber von beiden principalenn, noch nicht bekreftigett, zue ungnaden gereichenn, undt das wir uns dieser sachen allein unterfangen, undt den andern Meisenbugen vorgegrifen, ungleich vorgerückt worden […]«.210

Noch am 1. November 1635 hatten sich Kanzler und Räte zu Waldeck in ihrem Schreiben, mit dem sie den Meisenbugen Justus Pistorius als Pfarrer zu Züschen vorschlugen, im Hinblick auf die Akzeptanz eines Lutheraners durch HessenKassel angesichts der Filialverbindung Züschens mit Heimarshausen zuversichtlich geäußert: »Wegen Haimershausen wöltten wir nicht meinen daß es bey I. F. G. [Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel] würde difficultet geberen, weil in neulicher guttlicher conferentz im Hessischen Hauptakkord auch die Unterschrift Landgraf Georgs II. von HessenDarmstadt (StAM Urk. 5, Nr. 148), außerdem wurde er in Art. XV, § 14 IPO = § 59 IPM inkorporiert: »Sicut etiam transactio inter defunctum dominum Wilhelmum Hassiae landgravium et dominos Christianum et Wolradum comites Waldecciae die undecima Aprilis anno millesimo sexcentesimo tricesimo quinto [1635] facta et a domino Georgio Hassiae landgravio die decima quarta Aprilis anno millesimo sexcentesimo quadragesimo octavo [1648] ratificata non minus vigore huius pacificationis perpetuum et plenissimum robur obtinebit omnesque Hassiae principes pariter ac comites Waldecciae obligabit«; hierzu: Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 185f. Erneut ratifiziert wurde der Vertrag vom 3. April 1647 durch Wilhelm VI. von Hessen-Kassel sowie alle Waldecker Grafen, angeführt von Georg Friedrich von Waldeck, in zwei Urkunden, vom 9. Februar 1659 (StAM Urk. 85, Nr. 10900, von den Grafen Georg Friedrich und Christian Ludwig von Waldeck erst am 12. März 1683 ratifiziert; hessische Überlieferung: StAM Urk. 5, Nr. 1756) und vom 27. Februar 1659 (StAM Urk. 85, Nr. 10901), siehe Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 77 mit Anm. (g). 209 Protokoll Johann Rebenstocks, 1635 Oktober 29, StAM 115/07, Nr. Züschen 14 (in dem Stück fol. 2r). 210 Wilhelm und Johann Leo Meisenbug an Kanzler und Räte Graf Christians zu Waldeck, Riede 1635 November 5, StAM 115/07, Nr. Züschen 14. Am 8. November 1635 schrieb Justus Pistorius von Bergheim aus an den »Hern Canzelar zu Waldecke« über einen Besuch zu Züschen oder Riede: »Ich bin selbst da gewesen aber die nobiles nicht funden; seint uff der jacht gewesen, und deßwegen noch zur zeit nicht weiß, wesen sie gesinnet sein«, StAM 115/ 07, Nr. Züschen 14.

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die fürstlliche bevollmechtigte sich selbst erkleret, daß an der Werre211 und sonst, unterschiedlicher von adeln ihre pfarrherren Augspurgischer confession geduldet und zugelassen würden. So achteten wir auch ohn noht, das Stifft Fritzlar herzuzuziehen, weil anno 1555 durch den religionfriedt alle solche geistliche jura suspendiret undt verjähret sein, wofern nicht je und alwege seithero, bey begebenden fällen es in frischer observantz anderß gehalten worden«.212

Auf ihre Bedenken hinsichtlich der Ratifikation des Vertrags zwischen Hessen und Waldeck teilten Kanzler und Räte Graf Christians Sämtlichen Meisenbugen am 7. November 1635 mit, »daß zwischen dem […] Hern Wilhelm Landtgraven zu Hessen & c. […] an einem undt den hoch- undt wohlgebornen unsern gnedigen Graven undt Hern andern theilß etliche vergleichungß puncten zu papir bracht, von Ihr[er] F[ürstlichen]. G[naden]. unterschrieben undt versigeltt, und dahrin unter anderm § zum siebenden etc. recessiret: daß I. F. G. mit der pfarrbestellung zu Züschen die Hern Graven als landhern, undt euch die Meisenbuge alß solcher pfarren patronos unverhinderlich gewehren lassen, und davon handt abthun wölte in dato am 15. Maij 1632 und 10. Aprilis 1635«.213

Damit erinnerten sie die Meisenbuge auch nochmals daran, »einer qualificirten annehmlichen person sich zu vergleichen«.214 Diese Erinnerung wiederholten sie am 11. Dezember 1635: »Weil nun bey diesen sterbensleufftten unverantwortlich ist, die gemeine ohne beständigen seelsorger zu lassen, Alß haben wir auff gnedigen befelch wohlmeinendt sie desen erinnern wöllen, damit sie den termin, und zeit, so die rechte den patronis zu praesentiren zugelassen haben, wo nicht bey gegenwertiger noht kürtzen, doch zum wenigsten in gebürender obacht haben, und eine qualificirte annehmbliche person unserm gnedigen herrn alß Landherrn nominiren und darstellen: Solchs

211 Der Fluss Werra, die Adligen der von ihm durchflossenen Landschaft im Osten der Landgrafschaft Hessen-Kassel im Bereich der Superintendentur Rotenburg hatten zum Teil lutherische Hausprediger. 212 Kanzler und Räte Graf Christians zu Waldeck an Wilhelm und Johann Leo Meisenbug, Waldeck 1635 November 1 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 14. Zum bisherigen Umgang mit dem ius conferendi des Stifts Fritzlar hatten Wilhelm und Johann Leo Meisenbug am 5. November 1635 aus Riede an Kanzler und Räte Graf Christians zu Waldeck geschrieben (StAM 115/07, Nr. Züschen 14): »Mitt dem Decano zu Fritzlar hatt es die gelegenheit, das wenn die pfahr Zueschen vacirte, mehrentheils ihme ein ander praesentiret worden, wann ers aber, wegen des strittigen zehends, so ein pfarherr zue seiner competens einnhett, nicht conferiren, sondern zufoderst denselben restituiret haben wollen, so hett man gleichwoll fortgefaren undt einen pfarhern introduciret, ob mans nun vor dismal, dieweil die geistliche zu Fritzlar noch nicht restituiret, will bleiben laßenn, stellen wir dahin […]«. 213 Kanzler und Räte zu Waldeck an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, Waldeck 1635 November 7 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 14. 214 Ebenda.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

gereicht zu conservation ihres aignen interesse, […] in erwartung nachrichtlicher antwort […]«.215

Während sich die Antwort der Meisenbugischen Vettern immer länger hinzog und Wilhelm Meisenbug selbst »bey die 6 wochen still zu bette ligen müßen« und ohne fremde Hilfe, seinem eigenen Bericht nach, nicht fortkommen konnte, teilte er am 4. Januar 1636 Graf Christian zu Waldeck mit, wie Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel »einen pfarrer nach Züschen ongeachtet entworffenen vertragks einfüren will«, so der ungläubige Rückvermerk der Waldecker. Er habe »M. Johannem Kuchenbecker pfarhern zum Wolfhagen zue Züschen introduciren undt der gemeine daselbsten vor ihren seelsorgern vorstellenn laßen, welcher auch vorhabens künftigen sonnabendt sich genzlichen darhin zu begeben«, was Wilhelm Meisenbug zu der Annahme führte, »I. F. G. werden mit dem getrofenen vertragk noch nicht zufrieden sein wollen«.216 Noch am 8. Januar 1636, dem Tag, als ihn dieses Avise erreichte, setzte Graf Christian in seinem und seines Bruders Wolrad IV. Namen217 ein Schreiben an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel auf: »Wihr werden berichtet, ob solte E. F. Gn. verordnet haben, das ein neuwer Pfarherr nach Züschen von dero superintendenten eingeführet werden solte. Wan aber solches in vorstehenden vergleichungs reces anders verabschiedet, in dem E. F. G. unter dero Sigul unndt unterschrifft von solcher Pfarr gentzlich handt abzuthun gnedig versprochen, Wihr auch unsers theils die abgefaste puncten bishero ruhig gehalten […] So haben wihr dies erinnern undt verbitten wollen, dero zuversicht, unndt hoffnung es werde E. F. G. umb dieser streitigen undt am kayß. hoff vorlengst zum bescheidt 215 Kanzler und Räte zu Waldeck an Sämtliche Meisenbuge zu Züschen, Waldeck 1635 Dezember 11 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 14. Wilhelm Meisenbug gab dem Überbringer dieses Schreibens eine Empfangsbestätigung (Recepisse) mit, in der er Kanzler und Räte darauf hinweist, »dieweil mich nun solches nicht allein concerniren thut, so solls den andern uberschickt, undt wo muglichen dem nechsten beantwortet werden« (Riede 1635 Dezember 14, StAM 115/07, Nr. Züschen 14). 216 Wilhelm Meisenbug an Graf Christian zu Waldeck, Riede 1636 Januar 4 (praes.: Waldeck 1636 Januar 8), StAM 115/07, Nr. Züschen 14. Im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22) findet sich dazu auf fol. 19v folgender Eintrag: »Den 24. 8[Octo]bris [1635] diem suum obiit M. Christoph. Steinhausen pastor Zuschanus, in cuius locum M. Joannes Kuchenbecker Wolfhagensis ludimoderator successit; introductus per Metropolitanum Gudensbergensem 13. Novembris«. Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 17 gibt an, vor der Einführung durch den Kasseler Superintendenten hätten die Meisenbuge Kuchenbecker dem Stift Fritzlar präsentiert, damit widerspricht er aber seiner eigenen Angabe auf S. 36, wo er schreibt, Kuchenbecker »wurde durch den Landgraf Wilhelm mit Übergehung der Meysenbugs in beschleunigtem Verfahren nach Züschen gesetzt, weil er ein Eingreifen der Grafen zu Waldeck fürchtete«. 217 Christian schickte seinem Bruder Wolrad unter dem 8. Januar 1636 aus Waldeck die Ausfertigung des Schreibens an Wilhelm V. von Hessen-Kassel, damit, wenn er es gutheiße, er es mitunterschreibe und wieder zurücksende, das Konzept des Begleitschreibens hat sich erhalten, StAM 115/07, Nr. Züschen 14.

Der Konflikt um die Zugehörigkeit von Ort und Kirche Züschen

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gesetzten pfarrsachen218 die soweit geführte gutliche handlung hierdurch thattlich aufzuheben undt umbzuestoßen keines weges gemeint sein, sondern den Pfarherrn zurück fordern, uns damit gewehren, undt selbige besetzen zu laßen […]«.219

Wilhelm V., dem sie das Schreiben mit einem Expressboten liefern ließen und von dem sie noch durch selbigen »gnediger andtwort, worzue wihr uns verlaßen sollen, erwertig« waren, antwortete den Grafen von Waldeck mit Schreiben vom 11. Januar 1636 von der Sababurg, dass er gerade »mit andern hochwichtigen geschäfften uberheufft, ohne daß auch weder den vergleichungß recess, noch iemandten von unnßern räthen undt dienern, deme solcher bekandt ist, bey unß hieraußen undt bey der hanndt haben. Alß können wir zur beantwortung ewerß schreiben so baldt nicht gelangen, wir wollen aber zu unnßerer hinkunfft nacher Cassell den besagten recess uffsuchen, unß darauß gehöriger massen referiren, undt euch alßdan der sachen beschaffenheit nach hinwider nothürfftige Antwortt zukommen lassen […]«.220

Angesichts der Situation, in der sich Hessen-Kassel durch das Kriegsgeschehen gerade befand, ist es verständlich, dass Wilhelm V. anderes zu tun hatte, als sich um einen scheinbar so unbedeutenden Ort wie Züschen zu kümmern. Sein Kasseler Superintendent Theophil Neuberger sowie Kanzler und Räte scheinen der Züschener Pfarrbesetzungsangelegenheit jedoch eine größere Relevanz beigemessen zu haben. Um dem Schaffen von Tatsachen durch Hessen-Kassel zuvorzukommen, schrieb Graf Christian zu Waldeck am Samstag, dem 9. Januar 1636 einen Eilbrief nach Züschen, da er (aus dem oben angeführten Brief Wilhelm Meisenbugs vom 4. Januar 1636) vernommen habe, »ob solthe der durchleuchtig hochgeborn fürst undt herr, Herr Wilhelm Landgraf zu Hessen etc. oder I. F. G. superintendens undt beampten entschlossen sein, morgen 218 Die waldecker Grafen hatten vor dem Reichshofrat auf Ersatz für die ihnen durch die hessen-kasselsche Besetzung der Grafschaft 1621/22 entstandenen Schäden geklagt. Am 10. Dezember 1630 (neuen Stils) erging das Urteil in dieser Sache, das Hessen-Kassel dazu verpflichtete an Graf Christian 21.366 Reichstaler und an Graf Wolrad IV. 42.478 Reichstaler zu zahlen sowie 30.634 Reichstaler für weitere entstandene Schäden (Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 160f.). Allerdings fehlten Kaiser Ferdinand II. im Moment die Möglichkeiten zur Exekution des Urteils (Menk: Ebd., S. 166). Um billiger und nachhaltiger zu einem Ausgleich mit Waldeck zu gelangen, führte Hessen-Kassel jene »gutliche handlung«. 219 Graf Christian und Graf Wolrad IV. von Waldeck an Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Waldeck 1636 Januar 8 (Konzept sowie saubere Abschrift der Ausfertigung), StAM 115/07, Nr. Züschen 14; die Grafen waren zuversichtlich, dass, da es hinsichtlich ungeklärter Punkte »nuhn vornemblich auf den Gogreven [einer waldeckischen Adelsfamilie, A. J.] undt richtigkeit des graintzugs bestehet, darzue ebenfals schiedtliche mittel sich werden finden laßen«. 220 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an die Grafen Christian und Wolrad IV. zu Waldeck, Sababurg 1636 Januar 11 (Abschrift der an Wolrad IV. überbrachten Ausfertigung: »Copia von Arolsen her gesendet. 14. Jan. 1636«), StAM 115/07, Nr. Züschen 14.

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sontags einen pfarrhern nach Züschen zu senden undt zu installiren. Wenn wir nun solch gerechtigkeit, wie euch gnungsamb bewust, I. F. G. niemals gestanden, auch in dem entworffnen und von I. F. G. selbst unterschriebnen undt versigeltten Vertrag clärlich versehen, daß dieselb von diser pfarr handabzuthun, undt uns alß landherrn damit gewehren zulassen fürstlich versprochen, desen wir heut I. F. G. ungesaumpt mit einem expressen erinnerth undt nicht davor haltten daß dieselb den gantzen accord umb diser pfarrbestellung werden zerschlagen lassen: So ist unser gnediger will und ernster befelch, daß ihr den kirchenschlüssell zu euch nehmen, undt die Kirch oder Pfarr nicht öffnen, sondern dem ankommenden prediger und anderen auff disen unsern befelch und bedrauung in güte sagen lassett, mit der predig undt seinem einzug einzuhalten, biß die antwort von I. F. G. einkomme, denn wir keines wegs ihn aldhar zu dulden gemeint sein, welchß wir unß zu euch vermög euer pflichtt, undt huldt, damit ihr des orts halber unß zugethan seitt, und bey verlust euerß interesse also festiglich versehen«.221

Die bereits zitierte Antwort Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel vom 11. Januar 1636, die wenigstens abgewartet werden sollte, fiel denkbar unbestimmt und dilatierend aus. In dieser Angelegenheit ließ Landgraf Wilhelm seinen Beamten offenbar freie Hand. Das Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger vermerkt unter dem 14. Januar 1636: »Eod[em]. d[ie]. hab ich Ehrn Joh. Kuchenbecker zum pfarer zu Züschen confirmirt«, aus der Visitiergeldrechnung für das Jahr 1636 erhellt Neubergers Präsens vor Ort, wahrscheinlich zur Einführung Kuchenbeckers vor der Gemeinde, indem er »Zu Züschenn vor ein new huffeisenn« 3 Albus ausgegeben hat.222 Der aus Wolfhagen stammende und dort lange als Schulrektor, zuletzt aber als hessischer Feldprediger tätige Johann Kuchenbecker223 begründete eine Dynastie von Pfarrern zu Züschen. Unmittelbar auf ihn folgte in einem Intermezzo von 1650–1661 Johannes Günst als Pfarrer, den die Meisenbuge dem Stift Fritzlar präsentierten und vom Kasseler Superintendenten Neuberger examinieren ließen, eingeführt wurde er in dessen Auftrag von zwei hessen-kasselschen Pfarrern.224 In dem 1647 verbindlich gewordenen Vertrag zwischen Hessen und Waldeck gaben die Grafen einen Teil 221 Graf Christian zu Waldeck an die Meisenbuge zu Züschen, Waldeck 1636 Januar 9 (Konzept), StAM 115/07, Nr. Züschen 14. Vom gleichen Tag stammt das Konzept eines Schreibens Graf Christians an den sich zur Zeit in Riede aufhaltenden Wilhelm Meisenbug, mit der Bitte, zu entschuldigen, dass er das eigentliche Schreiben der gebotenen Eile wegen nicht an Sämtliche Meisenbuge, sondern nur an Wilhelm »sampt undt sonders richten lassen, undt versehen unß demnach gnedig, ihr als der eltest des stambß und nahmenß werdet in euerm gewissen solchs in acht nehmen, und selbst euer interesse undt recht conserviren helffen«. 222 StAM 315 r Rechnungen der Visitiergelder, hier die Rechnung für das Jahr 1636, fol. 3v. 223 Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 35f.; Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Wolfhagen, S. 64. 224 Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 36.

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ihrer kirchlichen Hoheitsrechte auf, indem sie zusagten, einen ihnen von den Meisenbugen für Züschen präsentierten reformierten Pfarrer zu akzeptieren.225 Allerdings war dieser Vertrag »selbstverständlich abgeschlossen, ohne daß man es für nötig befunden hatte, die Meysenbug zu fragen, aber diese hielten sich für selbstherrlich genug, solche zwischen den Häusern Hessen und Waldeck geschlossene Vergleiche übersehen zu dürfen, und da sie den Pfarrer von Züschen dem Landgrafen nicht präsentieren konnten, ihn aber auch dem Grafen von Waldeck nicht präsentieren wollten, so präsentierten sie, auf ein altes Recht fußend, […] den Pfarrer Günst dem Stift Fritzlar und ließen […] [ihn] dann von dem hessischen Superintendenten zuerst in Heimarshausen und dann in Züschen einführen«.226

Dass die Meisenbuge entgegen der vertraglichen Regelung zwischen HessenKassel und Waldeck ihren reformierten Kandidaten nicht den Grafen von Waldeck präsentierten, forderte diese zur Verteidigung ihrer Rechte heraus. Nachdem Georg Friedrich von Waldeck227 sogar mit militärischer Gewalt gegen Züschen und die Meisenbuge vorgegangen war, sahen diese sich schließlich 1660 zu einem Vergleich mit Waldeck gezwungen, in dem sie den zwischen Waldeck und Hessen-Kassel geschlossenen Vertrag versprachen zu respektieren und gemäß des ius episcopale der Grafen über Züschen künftige Bewerber um das Pfarramt ihnen zu präsentieren.228 Dass die Meisenbuge entgegen ihrer bisherigen eigenen Haltung keine Lutheraner präsentierten, sondern reformierte Pfarrer, liegt wohl an dem sonst absehbaren Widerspruch der Landgrafen von Hessen-Kassel aufgrund der mit Züschen verbundenen Filiale Heimarshausen auf ihrem Gebiet. Johannes Günst, den die Meisenbuge 1660 noch in entsprechender Weise Waldeck präsentierten, starb schon im Jahr darauf. Ihm folgte von 1661–1688 der Sohn Johann Kuchenbeckers, Johann Christoph Kuchenbecker, nach dem von 1689–1699 wiederum dessen Sohn, Johann Helfrich Kuchenbecker, die Pfarrei Züschen verwaltete.229 Die Unwilligkeit Hessen-Kassels, eigenem Bekunden zuwider, hier 1635/36 seine Position zu räumen, die tatsächliche oder vorgetäuschte Unkenntnis der ausführenden Beamten über den aktuellen Verhandlungsstand im Konflikt mit Waldeck, weckte bei Wilhelm Meisenbug unangenehme Erinnerungen, die er in einem Brief an den gräflich waldeckischen Rat Daniel Prahter ungeschminkt formulierte, weshalb er sich weigerte, der Aufforderung Graf Christians zu 225 226 227 228

Menk: Die Beziehungen zwischen Hessen und Waldeck, S. 167. Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 17. Zu ihm: Menk: Georg Friedrich von Waldeck (1620–1692). Eine biographische Skizze. Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 17–22, 36. Der Vertrag, unterschrieben und besiegelt von Georg Friedrich und Josias zu Waldeck sowie von Hans, Georg Philipp und Henrich Leo Meisenbug, Arolsen 1660 Februar 7, findet sich in StAM Urk. 85, Nr. 11361. 229 Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 36.

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Waldeck, dem hessischen Pfarrer die Kirche zu versperren, nachzukommen, denn, »ob ich nun woll vor meine person demselben underthenigk nachsetzen wöllen, so ist mir doch noch wißendt, wie mirs das ander mall gangen, da ich mich auch unterfangen, undt den schlüßel in verwarung nemen laßen, das daher die beampten zue Gutensburgk in mein haus gefallen, kisten undt kasten erofnett, undt alle meine brife durchsuchett, auch entlichen meinen diener mitt naher Gutensburgk gefürett undt in ein boß gefengnus gelegt, undt da ich vorhanden gewesen, mir nicht weniger schimpf begegnet worden, daher ich dann bedenckens getragen I. G. befelch nach[zu]setzen, undt bitt deswegen fleisigk, bey unsern g. herren ihr mich zum besten entschuldigen woltet, undt werden sonsten I. G. bedacht sein, wie sie ihr recht in acht zu nemen häten […]«.230

Wilhelm Meisenbug liefert mit seiner Erinnerung an die Geschehnisse von 1625 bei der gewaltsamen Einführung Georg Thonius’ als Pfarrer zu Züschen einen eindrücklichen Beleg für die langanhaltende einschüchternde Wirkung, die Gewalt als Mittel politischer Kommunikation haben konnte. Hessen-Kassel hat somit in der Nachwirkung der Ereignisse von 1625 sein Ziel als Frucht des gewaltsamen Beharrens auf seinem angemaßten Anspruch erreicht, sodass der anfängliche Zwang und die Angst der Meisenbuge vor Interventionen für spätere »Freiwilligkeit« sorgten und die Landgrafen bzw. Kurfürsten durch ihre Superintendenten bis ins 19. Jahrhundert231 die Aufsicht über die Lehre eines zu Züschen wirkenden reformierten Pfarrers führen konnten. 230 Wilhelm Meisenbug an Daniel Prahter, Riede 1636 Januar 23, StAM 115/07, Nr. Züschen 14. 231 Im Jahr 1825 wurde »das Filial Heimarshausen von Züschen getrennt und als Vicariat zu Lohne gelegt […], weil der Kurfürst von Hessen nicht wollte, daß ein unter einem nichthessischen Konsistorium stehender Geistlicher in Hessen Pfarrer wäre« (Langenbeck: Aus Züschens Vergangenheit, S. 27). Damit hatte sich auch die Notwendigkeit der Einführung des Züschener Pfarrers durch den Kasseler Superintendenten erledigt. Das Schreiben des Kasseler Konsistoriums, das diesen Sachverhalt in Übereinstimmung mit dem waldeckischen Konsistorium in Arolsen feststellte, liest sich entlarvend für die konfessionspolitischen Strategien vergangener Jahrhunderte. Der Kasseler Generalsuperintendent [Justus Philipp] Rommel formulierte darin im Namen der übrigen Mitglieder des Konsistoriums am 25. Juli 1826: »Das Prinzip oder die Maxime, nach welcher man gern einen Prediger bei einer reformierten Gemeinde in einem der lutherischen Konfession zugetanen Auslande einführen ließ, dürfte wohl in unsern Tagen nicht mehr als geltend erscheinen, und würde allerdings der mit recht so sehr gewünschten Union beider Confessionen hinderlich sein« (zitiert nach Ebd., S. 28). Auf Initiative Waldecks und finanziell von ihm unterhalten, wurde 1722 in Züschen eine lutherische Kirche mit Schul- und Pfarrhaus eingeweiht, an der seit 1725 auch ein lutherischer Pfarrer wirkte (Ebd., S. 22, 39). Wenn es auch zur realen Vereinigung der beiden Gemeinden erst 1869 kam, so »erklärten die Reformierten und Lutheraner zu Züschen«, »[a]ls im Jahre 1819 die Vereinigung der reformierten und lutherischen Kirchengemeinschaften i[m] Fürstentum Waldeck vorgenommen werden sollte«, zu der es 1821 kam, »daß bezüglich der Lehre kein Unterschied zwischen ihnen bestände« (Ebd., S. 29f.).

Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

B)

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Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

Haben wir schon mehrfach die Verknüpfung von kirchlichem und weltlichem Regiment festgestellt, so wird dies noch deutlicher bei den Landesvisitationen in den zur Ganerbschaft Treffurt gehörigen Orten, wobei die Superintendenten als Wahrer der Herrschaftsansprüche ihres Fürsten unter Berufung auf dessen ius episcopale auftraten, so erkennbar 1656/57 am Fall der General Kirchen- und Schulvisitation des Herzogtums Sachsen-Eisenach im Obergericht Schnellmannshausen. »Schnellmanshausen. Ist auch ein dorff in die ganerbschafft gehörig undt ist das kyrchspiel mit allen episcopal sachen dem chur s[ächsischen]. undt f[ürstlich]. hess. superintendenten zur visitation unterworffen, undt mussen communicato consilio verrichtet werden. Das dorff aber ist ins ober[-] undt undergericht getheilet undt stehet ein hoher runder stein an der kyrchen, welcher beide theile scheidet: das obergericht ist under Sachsen Eysenachischer jurisdiction in civil[ibus], das untergericht aber in civili iurisdictione denen dreyen herren ganerben Meintz, Sachsen u. Hessen unterworffen, was aber praesentation undt visitation anlangt, ist solche Sachsen u. Hessen allein zuständig.«

So hat es Hütterodt in seiner um 1661 auf Bitten des Kasseler Konsistoriums angefertigten handschriftlichen »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt undt Vogtey Langula« beschrieben.232 Die Ganerbschaft Treffurt ist ein dreiherriges Herrschaftsgebiet im unmittelbaren hessisch-thüringischen Grenzraum an der Werra, unweit von Eisenach. Wie das Treffurter Wappen noch heute erkennen lässt, stehen das Rad für den Ganerben Kurmainz, die gekreuzten Schwerter für das Kurfürstentum Sachsen und der steigende Löwe für Hessen. Die drei Ganerben wurden vor Ort durch Amtsvögte repräsentiert, denen Amtmänner in Heiligenstadt im Eichsfeld für Kurmainz, in Langensalza für Kursachsen und der Landvogt an der Werra mit Sitz in Eschwege für Hessen übergeordnet waren. In geistlichen Angelegenheiten hielt sich Kurmainz in der protestantischen Ganerbschaft Treffurt zurück und ließ die beiden reformatorisch gesonnenen Ganerben agieren, die durch ihre Superintendenten in Langensalza für Kursachsen und – im Untersuchungszeitraum – Eschwege für Hessen-Kassel vertreten wurden. 1588 erwarb Hessen den coburgischen Anteil und hatte damit in Treffurt und Schnellmannshausen – wie es Hütterodt in seinem Diensttagebuch unter dem 25. Januar 1653 ausdrückte – »in allem die Helffte«.233 232 KKAE Best. 4 Großburschla, Nr. 2, in dem Dokument fol. 12r. 233 DTB Hütterodt, S. 1124.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Am 8. Juli 1656 stellte sich bei Hütterodt der von Sachsen als neuer Pfarrer für Schnellmannshausen präsentierte und vom kursächsischen Superintendenten zu Langensalza bereits ordinierte und auf die Pfarrei konfirmierte bisherige Treffurter Schulmeister Johann Michael Guttheil vor,234 mit der Bitte, dass auch er ihn »pro ordinario pastore erkennen, wegen des F[ürstlichen]. Hauses Hessen in schutz nehmen undt alle gunst erweisen wolle«. Dabei erinnerte ihn Hütterodt daran, »daß er in allen sachen, worüber bey seiner pfarr, kyrchen u. schulen instructiones, decreta, mandate, visitationes etc. einzuholen undt zu erlangen, von beiden superintendenten zugleich, undt nicht vom churs[ächsischen]. allein, dependiren solle«.235 Diese Mahnung sollte schon bald relevant werden. Am 3. November 1656 lassen die im Rahmen der Sachsen-Eisenachischen Generallandesvisitation zur Kirchen- und Schulvisitation verordneten Kommissare von Ifta aus einen Befehl an die Einwohner des Obergerichts Schnellmannshausen ergehen, sich am folgenden Tag in der Kirche von Ifta »sambt Weib und Kindern« einzufinden.236 Der alarmierte Schnellmannshäuser Pfarrer wirkte daher beim kursächsischen Amtsvogt zu Treffurt einen Befehl aus, den er den Einwohnern des Obergerichts am Morgen des 4. November durch seinen Schulmeister »unterm Glockenschlage« verlesen ließ. Darin wurde im Namen des Kurfürsten zu Sachsen gegen die Neuerung protestiert; die Einwohner des

234 Guttheil selbst schreibt seinen Namen stets »Gutheil«. Hier wird aber die durch das Personenregister zum Diensttagebuch Hütterodts eingeführte Schreibweise beibehalten. 235 Aus dem Konzept des Berichts Hütterodts über die Ereignisse an das Konsistorium, Eschwege 1656 Juli 14, KKAE Best. 4–2 Treffurt, Nr. 6 (Schnellmannshausen), das zusammengefaltete Konzept trägt die Aufschrift »Bericht an das F. Consistorium wegen Traberti todt undt anderwertige pfarrbestellung zu Schnelmanshausen Anno 1656 14 ter Julij«. Am 6. Juni 1656 war der 1645 von Hessen präsentierte und von Hütterodt selbst vor Ort eingeführte Schnellmannshäuser Pfarrer Henrich Trabert gestorben. Siehe auch den Eintrag zum 8. Juli 1656 in Hütterodts Diensttagebuch, S. 1327, wo sich auch die Ermahnung findet, dass Guttheil »nichts absonderlich auf des ChurF[ürstlichen]. Superintendenten befehle, sondern auf meinen zugleich achtung gebe«. Am 14. Juli 1656 ging bei Hütterodt schon ein auf den 11. Juli datiertes Schreiben des Konsistoriums ein, dass ihn zum Bericht in der Schnellmannshäuser Pfarrangelegenheit aufforderte, da den Konsistorialräten das Gerücht zu Ohren gekommen war, die Pfarrei sei schon wiederbesetzt, ohne dass sie selbst davon Kenntnis hatten (erstes Stück in dem Umschlag mit der angeführten Signatur ; dieses Schreiben und die Einlagen tragen deutliche Spuren von Mäusefraß). 236 Alle im Folgenden in dieser Angelegenheit angeführten Zitationen, Protestationen und Briefe befinden sich in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, darin das dickere der beiden zusammengeschnürten Briefbündel, die hier angeführte Zitation vom 3. November 1656 (unterschrieben durch die »F. Sächß. zur Generalkirchen u. Schulen Visitation verordnete Commissarij«, dem Eisenacher Pfarrer und Superintendenten Caspar Rebhan sowie Elias Henrich Aveman) liegt als Abschrift, zusammen mit einer nachfolgenden Zitation und weiteren Protestation, im untersten, 18. Stück dieses Briefbündels.

Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

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Obergerichts seien an die Pfarrei Schnellmannshausen gebunden und »SachßenWeimar im Dorff Schnellmanshaußen weder Episcopus noch Collator«.237 Pfarrer, Einwohner des Obergerichts und kursächsischer Amtsvogt hatten geglaubt, dass sich das Ansinnen Sachsen-Eisenachs mit der nicht befolgten 1. Zitation erledigt hätte. Auf das Ausbleiben hin wurde aber dem Schultheißen und der ganzen Gemeinde des Obergerichts Schnellmannshausen durch ein Schreiben des Amtsschössers Breithaubt zu Creuzburg vom 11. Dezember scharf befohlen, am 15. Dezember 1656 vor dem fürstlichen Konsistorium zu Eisenach zu erscheinen, »wegen instehender general landsvisitation des Fürstenthumbs Eißnach vorhaltung u. bescheides zugewarten«.238 Dieses neuerliche »attentatum« löste hektische Aktivitäten aus. Am 13. Dezember wandte sich der Schnellmannshäuser Pfarrer Guttheil erstmals in dieser Angelegenheit an Hütterodt.239 Dieser riet ihm, die beiden Amtsvögte, den hessischen und sächsischen zu Treffurt darüber zu unterrichten, die den Obergerichtern untersagen sollten, der Zitation nach Eisenach Folge zu leisten, »dan solches ein gantz newes undt ungewöhnliches, den Erbverträgen zuwieder lauffendes undt beyden Chur. undt F[ürsten]. praejudicirliches werck ist, doch gleichwohl zu ihrer entschuldigung ein paar man abfertigen undt ansagen daß man an seyten Chur. und F[ürstlichen]. Hauses Sachsen undt Hessen solches nicht nachgeben wolle noch könne«.240 Der Schultheiß und ein anderer Abgeordneter sowie vier weitere Einwohner, die ohne »Wißen und Willen« des Pfarrers, »aus Zaghafftigkeit« mitgelaufen sind, reichten in Eisenach die vom kursächsischen und hessischen Amtsvogt ausgefertigte Protestation ein, über die – wie sie später berichteten – lange beraten worden sei. Beim Konsistorium habe man die Einwohner des Obergerichts durch Befragen, Drohen und »examiniren aus dem Catechismo« eingeschüchtert.241

237 Die Zitate stammen aus der ersten Protestation, ausgefertigt zu Treffurt am 3. November 1656 von dem Schnellmannshäuser Pfarrer Guttheil und dem sächsischen Amtsvogt Johann Paul Kröschel, als abschriftliche Beilage zu einem Bericht Guttheils an Hütterodt vom 17. Dezember 1656, in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, im dickeren Briefbündel das 15. Stück. 238 Zweite Zitation durch den Amtsschösser zu Creuzburg, J. Breithaubt, an den Schultheißen und die ganze Gemeinde des Obergerichts Schnellmannshausen, am 15. Dezember 1656 auf der Kanzlei beim fürstlichen Konsistorium zu Eisenach zu erscheinen, Creuzburg 1656 Dezember 11 (Abschrift), in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, im 18., dem untersten Stück des Briefbündels. 239 Guttheil an Hütterodt, Schnellmannshausen 1656 Dezember 13, in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 13. Stück im Briefbündel; das Schreiben hat Hütterodt nach dem Präsentatvermerk noch am 13. Dezember erhalten. 240 Hütterodt an Guttheil, Eschwege 1656 Dezember 13 »am 5 Uhr Abendts« (Abschrift), KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 10. Stück im Briefbündel. 241 Bericht des Pfarrers Guttheil an Hütterodt, Schnellmannshausen 1656 Dezember 17, in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 15. Stück im Briefbündel.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Auch der kursächsische Superintendent sowie der Oberhauptmann zu Langensalza haben unter dem Datum des 14. Dezember dagegen protestiert,242 »daß durch sothanes ansinnen, Churfürstlicher Durchlauchtigkeit zu Sachsen etc. wie auch ihrer Fürstlichen Gnaden, dem Herrn Landtgrafen zu Hessen, unsern gnedigsten undt gnedigen herren, (denen alleine die geistliche jurisdiction undt inspection, nebens dem iure patronatus, undt was demselben anhengig, vermöge derer anno 1593 undt 1596 verfaßeten verträge undt abschiede, im Ambt Treffurt zustendig, solches auch in viridi observantia gehabt undt noch) merklicher eintrag geschihet«.243

In einem anerkennenden Brief des kursächsischen Oberhauptmanns zu Langensalza, Augustus von Hanau, an den kursächsischen Amtsvogt Johann Paul Kröschel zu Treffurt, in dem er ihn für sein schnelles und richtiges Handeln lobt, das er »behöriger orthen zue rühmen wießen werde« , ist ausdrücklich von dem seinem »gnedigsten Churfürsten undt herrn in kirchen undt schüelen zue Schnelmanshaußen unstreittig zuestehenden iuri episcopali« die Rede.244 Am 27. Dezember 1656 protestieren der Eschweger Superintendent Hütterodt und der hessische Amtsvogt zu Treffurt, Cyriakus Fulda,245 gegen die Zitation der Einwohner des Obergerichts Schnellmannshausen auf den 15. Dezember nach Eisenach und verlangten sogar, »daß nicht allein die wenige männer, welche auff solche scharffe citation aus kleinmütigkeit sich eingestellet, zu gebührender bestraffung gezogen, sondern auch gegen solchen eintrag unserem allerseits Gn. Fürsten undt Herren gebührende remedia iuris vorbehalten« werden sollen, mit der Begründung, dass »solches beginnen gantz neuerlich undt unerhört, auch denen in anno 1593 undt 1596 verfaßeten abscheiden undt verträgen, krafft deren nicht alleine das jus patronatus, sondern auch die geistliche jurisdiction undt inspection des orts, Churf. Durchl. zu

242 Abschriften dieser Protestation finden sich in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, als Beilage zum nachfolgend zitierten Schreiben des hessischen Amtsvogts Cyriakus Fulda im 17. und im untersten 18. Stück des Briefbündels. 243 Bericht des kursächsischen Superintendenten zu Langensalza, Johann Michael Degenius, an den Eschweger Superintendenten Johannes Hütterodt vom 18. Januar 1657, KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 5. Stück im Briefbündel. 244 Augustus von Hanau, kursäschsischer Oberhauptmann zu Langensalza, an Johann Paul Kröschel, kursächsischer Amtsvogt zu Treffurt, Schloss Dryburg in Langensalza 1656 Dezember 14 (Abschrift), Beilage zu einem Schreiben des hessen-kasselschen Amtsvogts zu Treffurt, Cyriakus Fulda, an Hütterodt, Treffurt 1656 Dezember 16, in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 17. Stück im Briefbündel. 245 Territorial gehörte die Ganerbschaft Treffurt zur Rotenburger Quart (Hessen-Rotenburg), deren Beamter der Amtsvogt zu Treffurt daher war; die Kirchenherrschaft in der Quart hatten sich aber die Landgrafen von Hessen-Kassel gegenüber ihrer Nebenlinie vorbehalten.

Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

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Sachsen, wie auch Ihrer F. Gn. zue Heßen, unseren Gnädigsten undt Gnädigen Herren alleine zustehet«.246

Insbesondere Hessen legte Wert darauf, seine ihm an der Kirche zu Schnellmannshausen zustehenden Rechte nicht allein aus dem Patronatsrecht abzuleiten, sondern aus seiner Landeshoheit als Mitganerbe und damit, gemäß dem Augsburger Religionsfrieden, Episkopalrechten. Schließlich sei noch der letzte in dieser Weise dokumentierte Akt erwähnt: die Reprotestation des Creuzburger Amtsschössers Breithaubt vom 28. Dezember 1656 an die kurfürstlich sächsischen und fürstlich hessischen Beamten zu Treffurt. In ihrer Protestation vom 14. Dezember 1656 hatten der kursächsische und hessische Amtsvogt ausdrücklich hinzugefügt: »Waß sie [die Einwohner des Obergerichts Schnellmannshausen, A. J.] aber sonstet in andern dingen ihrer gne. herrschaft undt deren bedienten vohr unterthen. gehorsamb zue leisten verbundten, bleibt hiermidt, einen wegk wie den andern, ohnbestritten«. Der Sachsen-Eisenachische Amtsschösser unterstellte ihnen nun, seines Fürsten »anererbteß recht, über seine erbgehuldigte unterthanen gleichsam zu schwechen«, schließlich hätten »die H[erren]. Beampten, weder in politicis oder ecclesiasticis den Obergerichtern daß geringste zu befehlen«. Neben anderen der »hohen Landeßf. Obrigkeit« anhängenden Rechten, sei »auch dießem F. Hauße, daß jus episcopale uff bemelten ihren unterthanen, einen weg alß den andern unstreitbar undt also unangefohchten geblieben«, wofür er zwei Jahre anführt, in denen die Obergerichter ohne Widerspruch »uff daß f[ürstliche]. Hauß Creützburgk erschienen« seien.247 Eine separate Protestation des Amtsschössers erging unter dem gleichen Datum des 28. Dezember 1656 an den Pfarrer zu Schnellmannshausen, in der diesem insbesondere verwiesen wurde, künftig Versöhnungen unter den Einwohnern ohne vorherige Anrufung der weltlichen Obrigkeit vorzunehmen.248

246 Johannes Hütterodt, Superintendent zu Eschwege, und Cyriakus Fulda, hessischer Amtsvogt, im Namen Landgraf Wilhelms VI., (wahrscheinlich) an die Regierung zu Eisenach, Eschwege 1656 Dezember 27 (Abschrift), in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 11. Stück im Briefbündel. 247 J. Breithaubt, sachsen-eisenachischer Amtsschösser zu Creuzburg, an den kursächsischen und den hessischen Amtsvogt zu Treffurt, Creuzburg 1656 Dezember 28 (Abschrift von der Hand Hütterodts), in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 9. Stück im Briefbündel. 248 J. Breithaupt, sachsen-eisenachischer Amtsschösser zu Creuzburg, an Johann Michael Guttheil, Pfarrer zu Schnellmannshausen, Creuzburg 1656 Dezember 28 (Abschrift von der Hand Hütterodts), in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 8. Stück im Briefbündel; bezeichnend ist, dass der Amtsschösser offenbar den Namen des Schnellmannshäuser Pfarrers nicht kennt und den Brief daher adressiert: »Dem Ehrwürdigen undt Wohlgelahrten herren N. N. wohlbestelten Pfarrherren zu Schnellmanshausen, meinem insonders günstigen Herrn undt Freundt«.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Auch diese Reprotestation konnte nicht unwidersprochen bleiben, wozu Hütterodt seinen kursächsischen Amtskollegen am 15. Januar 1657 aufforderte, womit die ausführliche Dokumentation in diesem Fall endet.249 Waren Kursachsen und Hessen-Kassel in ihrer Oppositon gegen die sachseneisenachische General Kirchen- und Schulvisitation im Obergericht Schnellmannshausen vereint, so sah dies zehn Jahre später in einer Auseinandersetzung über das Recht zur einseitigen Zitierung bei der oben thematisierten hessenkasselschen Landesvisitation,250 in die auch die Geistlichen der Ganerbschaft Treffurt einbezogen werden sollten, ganz anders aus. Im März 1667 wurden von Hütterodt im Auftrag der Visitationskommissare auch die Pfarrer, Schul- und Kastenmeister aus der Ganerbschaft, »so wohl in statt als ampt Treffurt«, vorgefordert, sie sollten »Freytag den 15. Martij mittags praecisH umb 12 Uhr uffm Rathaus zu Treffurt ohnfehlbar erscheinen«,251 dies betraf neben Treffurt selbst die Orte Falken und Schnellmannshausen. Mit dieser Zitation sorgte Hütterodt allerings erwartbar für Irritationen. Tobias Bleyel, Pfarrer zu Tennstedt »und Ihrer Churf. Durchl. zu Sachßen über die unter die Superintenduren L[angen]. Saltza, Weißen See, und Sangerhaußen behörichten Kirch[-] und Schulsachen, hochverordnete[r] Inspector«,252 rühmte sich, wie der hessische Amtsvogt Adam von Jossa zu berichten wusste, er habe Hütterodt in seiner Protestationsschrift vom 21. März 1667 »harte pillen gegeben«.253 Darin schrieb Bleyel in Bezug auf die von Hütterodt an die Pfarrer, Schul- und Kastenmeister der Ganerbschaft ergangene Vorladung: »Wie ich nun deßen versichert bin, daß ihme sein eigen herze saget, daß weder vor sich selbsten noch auch auff ergehenden einseittigen befehl, solche und dergleichen vermeinte ambtsbefehlige außzulaßen im allerwenigsten ihme zukomme, wie den auch 249 Johannes Hütterodt an den kursächsischen Superintendenten zu Langensalza, Johann Michael Degenius, den er als seinen »Herr[n] Collega« anspricht, Eschwege 1657 Januar 15 (Abschrift von der Hand Hütterodts), in KKAE Best. 3, Nr. 107 a, das 4. Stück im Briefbündel, das Hütterodt mit der Aufschrift versehen hat »Copia schreibens an den Chur S[ächsischen]. Superint., ob er für sich oder mit mihr zusammen der reprotestation widersprechen wolle«. 250 Siehe Kapitel II C 3 d. 251 So lautet ein Zettel, der im zweiten Antwortkonzept Hütterodts auf die das geistliche Regiment betreffenden Fragstücke einliegt, KKAE Best. 3, Nr. 1701, im Landesvisitationsumschlag das 5. Stück; der Zettel trägt von Hütterodts Hand den Präsentatvermerk: »ps. 14 ter Martij 1667«. 252 So die Funktionsbezeichnung in der Adresse eines deutlich späteren Briefes des Falkener Pfarrers Michael Moller in einer Eheangelegenheit an den kursächsischen (Kirchen-) Inspektor zu Tennstedt, zu dieser Zeit Christian Andreas Bieber, und den hessen-kasselschen Superintendenten Conrad Hein in Allendorf, vom 5. Juni 1696, KKAE Best. 4/1 Treffurt, Nr. 2 (Falken). 253 Adam von Jossa an Johannes Hütterodt, Treffurt 1667 April 3, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2.

Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

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daß offenbahr, daß dergleichen einseittiger weise vorgenommene landtvisitation, besonders was die geistlichen betrifft, niemahls von einigem anherren gedachter gemeinschafftlicher anerbschafft angestellet worden«.

Der kursächsische Inspektor sah sich daher veranlasst, dem »vermeinten Amtsbefehlich« Hütterodts im Namen seines Kurfürsten »ambts unnd tragender unterthenigster gehohrsambster pflicht unnd schuldigkeitt nach, bester maßen [zu] wiedersprechen, denselben, ahls an sich selbsten null und nichtig [zu] verwerffen und höchstermeldeter Ihrer Churfürstl. Durchl. habende oberjura episcopalia, sowohl in genere ahls in specie, dawieder, wie auch wieder die gestriges tages ergangene wiederhohlung deßelben und was auff jenen, der eigenwillige pfarrer zu Falcken, Johann Pfeffer, sich mag haben gelüsten laßen, kräfftigklichst reservirt und vorbehalten [zu] haben.«

Weiterhin begehrte der Tennstedter Bleyel von Hütterodt, dass »meiner und angeregter geistligkeitt, ins künfftige, mitt solchen und dergleichen unverantworttlichen und weitt aussehenden vor- und eingriffen endlich er verschonen und was schlechten respects er dabei habe, bedencken wolle«, um ihm anschließend mitzuteilen, »daß gemeldeter geistligkeiten mündt- und schrifftlich auffgeleget ist, daß ohne ausdrücklichen churfürstl. sächß. gnädigsten befehlich, deßen sie sich allezeitt vorherig aus zu erhohlen, solchen und dergleichen vermeinten ambtsbefehligung, darinnen begriffenen attentatis und was denen selben anhangen möchte, itzo und ins künfftige, sie im geringsten nicht pariren, sondern die anbringer deroselben jedes mahl anhehro, zu behöriger resolution und antwort, weisen sollen«.254

Die Formulierungen Bleyels lassen sich als Hütterodt gegenüber bewusst ehrenrührig verstehen. Offenbar um die Auseinandersetzung über diesen Punkt nicht weiter eskalieren zu lassen, erlegte sich Hütterodt in seiner Entgegnung einige Zurückhaltung auf; es existiert sowohl ein ausführliches Konzept Hütterodts, datiert auf den 26. März 1667, als auch eine halbbrüchig geschriebene klarere Überarbeitung desselben, mit von Hütterodt eigenhändig angebrachten Korrekturen und eingefügten Wörtern, vom 28. März 1667, in der Hütterodt weniger direkt argumentierte.255 Hütterodt stellte zunächst und entscheidend klar, dass es bei der beabsichtigten Visitation nicht um eine Kirchen-, sondern

254 M[agister]. Tobias Bleyel, kursächsischer (Kirchen- und Schul-) Inspektor und Pfarrer zu Tennstedt, an Johannes Hütterodt, Tennstedt 1667 März 21, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. 255 Beide Entstehungsstufen, zuerst das halbbrüchige überarbeitete Konzept, dann der eigenhändige erste Entwurf Hütterodts im Konvolut KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2; der Adressat wird in beiden Stücken nicht ausdrücklich genannt, lässt sich aber sicher erschließen.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

um eine Landesvisitation gehe, die zu deren, die sich ihr nun verweigerten, »eigenen besten vorgenommen« werden sollte.256 Denn es zeuge »das ausschreiben mit mehrerm, daß hierin nichts heimliches noch denen abschieden wiedriges- noch der religion abbrüchliches vorgegangen, sondern alles auf eine blose erkundigung, wie es mit ein und andern dingen beschehen, ohne etwas einseitig in rebus istis communibus zu disponiren oder zu verordnen, angesehen«.257

In seinem ersten Konzept schrieb Hütterodt noch, dass es angesichts »des pfarrers zu Treffurt vielfaltige[r] undt notorische[r] machination undt der beden Mentzischer undt sachsischer ambtleute biß daher gespürte[r] widersetzligkeit« darum gehe, »daß dem f[ürstlichen]. haus Hessen auch seine daselbst hergebrachte iura u. wol besessenen regalia manutenirt, inviolirt bewahrt undt ohne praejuditz erhalten werden, […] besonders aber daß auch die iura superioritatis an denen an der ganerbschafft an H[errn]. Landgrav Ernst zu Hessen [-Rotenburg-Rheinfels, A. J.] f[ürstlicher]. durchleuchtigkeit zugetheilter pertinentien absonderlich richtig erhalten werden«.258

Daher wunderte sich Hütterodt darüber, dass Bleyel den von Kurmainz präsentierten Treffurter Pfarrer Johann Georg Pfefferkorn und dessen Schnellmannshausener Kollegen, den von Kursachsen präsentierten Johann Michael Guttheil, die mit ihren Schul- und Kastenmeistern zu dem von Hütterodt benannten Termin nicht erschienen waren, in ihrem Ungehorsam sogar noch bestärke, während Bleyel den Gehorsam des von Kurmainz präsentierten Falkener Pfarrers Johannes Pfeffer, der der Vorladung Hütterodts gefolgt war, verurteile. Der hessische Amtsvogt Adam von Jossa schrieb sogar, die Pfarrer von Treffurt und Schnellmannshausen, »wo sie konten, durfften sie Herrn Pfeffern zu Falcken gern mit augen töden«.259 256 So die Formulierung in Hütterodts eigenhändigem ersten Konzept der Antwort an den kursächsischen Inspektor Bleyel zu Tennstedt, Eschwege 1667 März 26, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. 257 Reinkonzept des Schreibens Hütterodts an den kursächsischen Inspektor Bleyel zu Tennstedt, 1667 März 28, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. In seinem eigenhändigen Konzept vom 26. März 1667 sprach Hütterodt davon, es gehe »nur allein [um] die eusserliche conversation undt conservation der zue gottesdienst gehorigen personen undt gütter«. 258 Aus Hütterodts eigenhändigem ersten Konzept der Antwort an den kursächsischen Inspektor Bleyel zu Tennstedt, Eschwege 1667 März 26, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2; die Worte »daselbst hergebrachte wol besessenen regalia manutenirt« stehen am Rand der ersten beiden zitierten Textzeilen und sollen an die Stelle des vor »jura« platzierten Einfügungszeichens gesetzt werden, mit dem Verb »manutenirt« passen dem Sinn nach aber nicht alle Worte an diese Stelle, weshalb, von mir mit einem »u.« verbunden, der Rest nach dieser Stelle eingefügt wurde, dies ist nicht die einzige Unsauberkeit in diesem Stück, was dessen Konzeptcharakter deutlich macht; die Lesung der Worte »regalia« und »inviolirt«, letzteres ersetzt übergeschrieben ein durchgestrichenes »wohl«, ist nicht ganz sicher. 259 Adam von Jossa, hessischer Amtsvogt zu Treffurt, an Johannes Hütterodt, Treffurt 1667 April 3, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2.

Die Ganerbschaft Treffurt und das umstrittene Recht zur Landesvisitation

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Weiterhin protestierte Hütterodt im Namen seiner Fürstin, der vormundschaftlichen Regentin Hedwig Sophie, dagegen, »daß der Herr Inspector die oberjura episcopalia [Kursachsen] allein zueignen und das fürstl. haus Heßen von den wolhergebrachten und bis daher beseßenen iuribus co[piscopalibus vermeintlich ausschließen will«.260 Dass Hessen-Kassel in der Ganerbschaft Treffurt zweifellos das Recht der Mitherrschaft in geistlichen Angelegenheiten zustand, woran auch die Gültigkeit der kursächsischen Kirchenordnung in dem Condominat nichts änderte, legte Hütterodt in seiner »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt und Vogtey Langula« dar : »Was das ius episcopale anlangt, so muß in allen diesen ortten die chur sachsische kirchenordnung nach lutherischer confession behalten undt getrieben werden, worinnen auch das f[ürstliche]. haus Hessen nichts zu enderen vorgenommen, doch bleibt das ius episcopale beiden Chur undt Fürsten Sachsen u. Hessen zusammen undt wirt Chur Mentz u. desen ambtman hirin nichts gestanden. Krafft diesem iure episcopalis verwalten beide superintendenten zugleich alle visitationes undt decidiren alle casus matrimoniales […] undt andren casibus conscientiae, undt wiewohl Chur Sachsen das erste votum hat undt von den pfarrern oder partheyen ersucht werden muß, dennoch hat der f[ürstlich]. hess. superintendens diese macht, wen er pro diverso voto erhebliche gründe hat, daß er dem chur s[ächsischen]. superintendenti andere remonstrationes thun oder durch beide chur s[ächsische]. undt hess. ambtmänner thun lesset undt billichmessigers votum treibet, oder müssen beide superintendenten auf der partium litigantium kosten in Treffurt zusammenkommen, wie zu unterschiedlichen mahlen geschehen. […] Wan ein pfarrer an die Sachsische citirt wirt undt der ander hessische superintendens nicht consentirt, so ist er nicht schuldig zu erscheinen, gestalt ich dem itzigen pfarrern zu Treffurt in Leipzig zum examine zu erscheinen verbotten, alß er dahin auf das consistorium zum offtern erfordert worden«.261

Auch dem durch den kursächsischen Inspektor den Pfarrern, Kasten- und Schulmeistern der Ganerbschaft erteilten Verbot, jetzt und künftig Befehlen Hessens ohne die Erlaubnis Kursachsens zu folgen, wollte Hütterodt »wiedersprochen, und nicht allein das dißeits wolhergebrachte ius co[piscopale austrücklich dargegen gesetzet, sondern auch gegen die obgedachte personen, welche alle dem fürstl. haus Heßen mit huldigungs pflichten zugethan, gebürliche und rechtliche andung vorbehalten haben, mit nachmahliger dieser expressen contradic-

260 Reinkonzept des Schreibens Hütterodts an den kursächsischen Inspektor Bleyel zu Tennstedt, 1667 März 28, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. 261 »Kyrchen Historia der Ganerbschafft Treffurt und Vogtey Langula«, KKAE Best. 4 Großburschla, Nr. 2 (Konzept), hier fol. 3r und 4r ; entstanden auf Bitten des Kasseler Konsistoriums im oder nach dem letzten erwähnten Jahr 1661.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

tion, daß ich hierin nichts wieder beßer wißen undt gewißen, noch mit einiger geschwindigkeit gethan habe«.262

Ist die Einbeziehung der Treffurter Geistlichen in die hessen-kasselsche Landesvisitation allem Anschein nach gescheitert, so kam der hessische Amtsvogt Adam von Jossa doch zu dem Schluss, dass weder der kursächsische Inspektor Bleyel »noch ein ander daß ius coepiscopale vom fürstl. hauß Hessen, wie hoch sie sich auch bemühen, abbringen können«.263

C)

Wessen das Land, dessen der Glaube – Das Reichshofratsurteil von 1623/1626 und seine Konsequenzen für das politische und konfessionelle Gefüge Hessen-Kassels

Das Urteil des Reichshofrats vom 1. April 1623 (neuen Stils)264 kostete Landgraf Moritz mehr als seinen Anteil am Erbe Ludwigs IV. von Hessen-Marburg. Am 21. April 1626 (neuen Stils) erging nämlich noch ein weiteres Urteil dieses Gremiums, das Hessen-Kassel zur Zahlung von 1.357.154 Gulden und einem Albus als Ausgleich für die Hessen-Darmstadt entgangenen Nutzungen aus dem seit 1605 innegehabten Landesteil verpflichtete.265 Dass Hessen-Kassel diese Summe in der gegebenen Situation nicht aufbringen konnte, erst recht nicht, wie von Hessen-Darmstadt gefordert, innerhalb von sechs Wochen,266 war absehbar. Die Delegierten des mit der Exekution des Urteils beauftragten Kurfürsten von Köln wiesen Hessen-Darmstadt daher auf dessen eigenen Vorschlag territoriale Pfandschaften auf hessen-kasselschem Gebiet an, aus deren Einkünften es sich bis zur Höhe der festgesetzten Entschädigungssumme genugtun sollte.267 In diesen territorialen Pfandschaften beanspruchte Hessen-Darmstadt die Landeshoheit einschließlich des ius episcopale. Dies eröffnete den lutherischen Adligen die Möglichkeit, die calvinistischen Pfarrer und Schulmeister in ihrem Einflussbereich, die sie auf Drängen Landgraf Moritz’ annehmen mussten, endlich loszuwerden. 262 Reinkonzept des Schreibens Hütterodts an den kursächsischen Inspektor Bleyel zu Tennstedt, 1667 März 28, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. 263 Adam von Jossa, hessischer Amtsvogt zu Treffurt, an Johannes Hütterodt, Treffurt 1667 April 3, KKAE Best. 4/4 Treffurt, Nr. 2. 264 Gründliche Erzehlung, Beilagen 114, 115 (S. 328–330), Beilage 24 (S. 108). 265 Gündliche Erzehlung, Beilage 102 (S. 294–296) mit S. 35. 266 Gründliche Erzehlung, Beilage 107 (S. 307), Beilage 112 (S. 320–328). 267 Gründliche Erzehlung, Beilagen 114, 115 (S. 328–330), Beilage 116 (S. 331); siehe hierzu sowie zur Vorgeschichte und den weiteren Entwicklungen: Keim: Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, 1. Teil, insbes. S. 143.

Wessen das Land, dessen der Glaube

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Am 24. September 1627 schlossen Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, der Sohn des am 17. Februar dieses Jahres zurückgetretenen Moritz, und sein Vetter Georg II. von Hessen-Darmstadt den sogenannten »Hessischen Hauptaccord«, der die Leitpunkte für das künftige Verhältnis beider Linien und die Bedingungen für die Wiederausräumung der Pfandgebiete enthielt.268 Dieser Hauptakkord wurde flankiert von mehreren Nebenverträgen, darunter einem, der die religiösen Streitpunkte regelte. Dieser sah vor: »Endlich sollen alle in zeit der pfandschafft […] under denen vom adell eingeführte prediger noch auff ein jahr lang, vom tag der verhoffenden keyserlichen confirmation anfahend, bey ihren diensten undt besoldungen toleriret, ihnen auch schutz undt schirm gehalten werden«.269 Am 1. Februar 1628 (neuen Stils) erhielten der Hauptvertrag und damit auch die Nebenverträge die kaiserliche Konfirmation, womit klar war, dass die lutherischen Geistlichen auf hessen-kasselschem Gebiet noch bis zum 22. Januar alten bzw. 1. Februar neuen Stils des Jahres 1629 geduldet werden sollten. Damit, dass die lutherischen Geistlichen ihre Stellen nicht einfach räumen würden und die vorherigen reformierten Inhaber zurückkehren könnten, war ebenso zu rechnen wie dass Hessen-Kassel mit der Neubesetzung nicht in jedem Fall bis zum Ablauf der vereinbarten Frist warten würde. Die sich in diesem Kontext abzeichnenden Problemlagen, die ein helles Licht auf den Stellenwert der Religion und damit der Geistlichkeit im Gesamtzusammenhang landesherrlicher Politik, auf das Verhältnis der lutherischen niederhessischen Adligen zu ihrem Kasseler Landesherrn sowie auf die Bedeutung des konfessionellen Faktors im Verhältnis der beiden hessischen Linien werfen, sollen im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein.

1.

Die Huldigung der Pfarrer gegenüber Hessen-Darmstadt und der Versuch, Hessen-Kassel von aller Oboedienz in den Pfandgebieten abzuschneiden

Die von Hessen-Darmstadt begehrten und ihm angewiesenen Pfandschaften umfassten die gesamte Niedergrafschaft Katzenelnbogen, den kasselischen Teil an Umstadt, weiterhin Friedewald, das Gericht Heringen, Landeck, das fürstlich hessische Erbgemeinschaftsrecht an Hersfeld, Vacha, Schmalkalden, Herrenbreitungen, Barchfeld, Hauneck, Neukirchen, Ziegenhain, Spieskappel sowie die 268 »Haubtvertrag […]«, S. 46–77. 269 »Abschied wie es zu Schmalkalden, Dreiss Ziegenhain, und under denen Lutherischen von der Ritterschafft der Religion halber gehalten werden solle«, so der Rückvermerk Paul Steins auf seinem wahrscheinlichen Handexemplar in StAM 318 Kassel, Nr. 1441, danach erfolgen die Zitate; die Ausfertigung für Hessen-Kassel liegt in StAM Urk. 5, Nr. 94; stellenweise verderbter Druck in: Gründliche Erzehlung, Beilage 206 (S. 509–510).

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Höfe um Ziegenhain, weiterhin Treysa, Schwarzenborn, die Landsburg, Schönstein, Jesberg, Borken sowie die Herrschaft Plesse, überdies die Ämter Homberg an der Efze, Gudensberg, Rotenburg an der Fulda, Spangenberg, Sontra und Eschwege mit allen Zugehörungen, Rechten und Gerechtigkeiten.270 Schon 1624, nachdem Hessen-Darmstadt vom bis dahin Kasselischen Teil des Oberfürstentums gemäß des Reichshofratsurteils von 1623 Besitz ergriffen hatte, wurden die calvinistischen Pfarrer und Schulmeister »in disem neuangetrettenen theil deß Obern Fürstenthumbs, auß bewegenden ursachen beurlaubt«. Allerdings untersagte die hessen-darmstädtische Regierung zu Marburg, dass ihnen durch die »rentmeister, rentschreiber, auch wohl andere beambte und undersassen als castenmeister und gemeinden […] sonderbare abschied und erlassungsbrief, auch etwa noch wohl andere testimoniales ertheilt und gegeben« würden. Verlangten sie ein Zeugnis, solle man sie mit ihrem Begehren an die Regierung nach Marburg weisen;271 offenbar befürchtete sie, die Zeugnisse würden sonst nicht im Sinne der gegenüber den calvinistischen Pfarrern reservierten Darmstädter Haltung ausfallen. Wurde der hinzugewonnene Teil Oberhessens272 und die Herrschaft Schmalkalden273 vollständig lutheranisiert, so kam es in den Pfandämtern des 270 Gründliche Erzehlung, Beilagen 114, 115 (S. 328–330), Beilage 116 (S. 331). 271 Präsident, Kanzler und Räte zu Marburg »An all Ober-Beambte, dess jüngst eingeraumbten theils am Obern Fürstenthumb Hessen« (es folgt die Aufstellung der Bestimmungsorte und der Art der jeweils dort tätigen Beamten), Marburg 1624 Oktober 18, StAM 22 a 1, Nr. 203 (Konzept – wie das Konzept in die hessen-kasselsche Überlieferung gelangte, ist unklar, möglicherweise steht es im Zusammenhang mit der bis zur Umsignierung beiliegenden, heute unter der Signatur StAM 22 a 1, Nr. 211 befindlichen Abschrift des Berichts des Konsistorialsekretärs Johann Conrad Cellarius an die Regierung zu Kassel über das Schicksal des aus den Räumen im Marburger Schloss vertriebenen hessen-kasselschen Konsistoriums vom 26. Juni 1624). 272 Siehe die Überlieferung in StAD E 5 A, Nr. 76, Nr. 77, Nr. 78. 273 Hermann von Wersabe, Präsident zu Schmalkalden, an Landgraf Georg II. von HessenDarmstadt, Schmalkalden 1627 Januar 30, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 245f.: Protokoll über die Reaktion der Prediger von Stadt und Amt Schmalkalden, als ihnen der landgräfliche Befehl zur Einführung des Luthertums in Schmalkalden und damit ihrer Remotion eröffnet wurde, mit der Aufforderung »stipulata manu« Auskunft über alle Mobilien ihrer anbefohlenen Kirche zu geben, worüber ihnen aber, laut Sebastian Herrnschwager – des gewesenen calvinischen Inspektors zu Schmalkalden –, keine Aufsicht zustehe. Der (neben dem Marburger Theologieprofessor Dr. Johann Steuber) zur lutherischen Reformation der Herrschaft Schmalkalden abgeordnete (dazu: Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an Bürgermeister und Rat zu Schmalkalden, Darmstadt 1627 Januar 15, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 19 [Abschrift]) ehemalige Pfarrer zu Butzbach und 1626 zum Superintendenten des Sprengels Gießen ernannte Johannes Dieterich (seine Urheberschaft ist, auch ohne Namensnennung, sicher aus dem Inhalt erschließbar) bittet Landgraf Georg II. in einem Schreiben aus Schmalkalden vom 18. Februar 1627 (Konzept?) um eine Verwendung für die »von Calvinischen abgetretenen zweyen predigern«, bei denen es sich wahrscheinlich um die bei Diehl: Hassia sacra II, S. 326 (S. 325f.: »Die Opfer der hessen-darmstädtischen lutherischen Reformation in der Herrschaft Schmalkalden«) genannten Theodor Michaelis,

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Niederfürstentums auf die Haltung des jeweiligen Patronatsherrn an. Hielt der adlige Patronatsherr an seinen reformiert gesonnenen Pfarrern fest und verweigerten sich diese nicht der Huldigung,274 beließ es normalerweise auch Hessen-Darmstadt dabei,275 wie sich an den zur Huldigung aufgeforderten Pfarrer zu Trusen, und Johannes Winter, Pfarrer zu Brotterode, handelt (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 247). 274 Mit »Johann Holtzhaußen, in die dreissig jahr gewesener undt noch zur zeit pfarrer zue Beißheim, im ampt Hombergk« gab es anscheinend nur einen, der »auß ursach, weil ich E. F. Gn. undt deren f. leibes erben, getrewer underthan, doch Gott leben undt sterben will[, …] dem newen herrn, das abgeforderte iuramentum rundt abgeschlagen« hat und bekannte, dass er »das newe kirchengebett von der cantzel nimmermehr ablesen kan noch will«; er wandte sich, da er seine Absetzung und das Exil befürchten musste, »supplicando« um eine Pfarrstelle an Landgraf Moritz, der mit einem Dorsalreskript aus Melsungen vom 8. Februar 1627 dem Konsistorium befahl für diesen Mann »vor andern umb seiner ufrichtigkeit undt bestendigkeit willen« auf eine Lösung bedacht zu sein (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 229 [Abschrift]). In dem Vernehmungsprotokoll der Pfarrer aus Stadt und Amt Homberg vom 13. April 1627 heißt es schon: »Johann Holtzhaußen pfarherr zu Nidder Beyßheimb. Dießer wie berichtett wirdt hat keine huldigung geleystett, ist ahn jetzo uff beschehenes erfordern nichtt erschienen, hat sich auch nicht entschuldigt« (Ebd., fol. 193v). Daher wurde er noch einmal vorgefordert, worüber der Amtmann Ulrich Eberhard von Buseck sowie der Rentmeister Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, am 24. April 1627 Landgraf Georg II. unterrichteten (Ebd., fol. 224f., 230, das Zitat fol. 224v und 230r): »[…] uberschicken E. f. g. wir underthenig, waß die ub[rigen] drey pfarrherr, nemlich der von Beyßheimb, Mülnbach, Rabelßhaußen, uff die vier ihnen vorgehaltene puncten sich erclert, und sollen darbey E. f. g. in underthenigkeit ohnberichtett nicht laßen, daß alß wir dem pfarhern von Beyßheimb, waß das key. commissions rescript und gehorsambß brieff in sich hieltten, desgleichen daß das ius episcopale der landtsfürstlichen obrigkeitt ohnstrytig ahnhenge, auch wie straffbar diejenigen wehren, die sich widdersetzen und das ius episcopale separiren und E. f. g. nicht vor den episcopum erkennen woltten, ganz klärlich vor augen gestellett, derselbe sich darjegen ercleret, er verstünde das nichtt, hette nie nichts von solchen sachen gesehen oder geleßen, müste geschehen laßen, waß mann mitt ihm machen würde, er hette doch die rechnung so baltt gemachtt, wenn er schon würde hüldigen, daß er ahn seinem dienst der religion halben (denn mann ihn den ErtzCalvinisten nennete) nicht gelaßen werden, sondern zwischen zweyen stüheln, nemblich bey E. f. g. und Landgraff Moritzen niddergeseßen wehre, derhalben sonderlichen aber, weill Landtgraff Moritz uff sein pfarrers undertheniges suppliciren umb einen andern dienst, sich so gnedig resolvirt, er nicht huldigen köndtte noch wöltte. Weill dann er pfarrer uff unßer jetziges zusprechen unß abschrieft seines bey Landtgraff Moritzen f. g. gethanes supplicirens unnd darauff erlangtter resolution guttwillig zugesteltt und zurückgelaßen, alß haben E. f. g. selbiges, wie auch waß er pfarrer ahn mich den renthmeister absonderlich [gelangen lassen, A. J.] [= fol. 227: lateinische Bitte um Kommunikation seiner protokollierten Vernehmungsaussage (fol. 226r)] (deme aber von mir nichtt gratificirt worden) in gnaden zu empfangen […]«. 275 Ausnahmen gab es auch hier : Georg II. von Hessen-Darmstadt an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Marburg 1627 Mai 21, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 21 (Konzept): In der zu den Pfandämtern gehörenden Grafschaft Ziegenhain hätten die von Schwertzell in einem ungenannten, ihrer Gerichtsbarkeit unterstehenden Dorf nach Absterben ihres Pfarrers dem Kasseler Superintendenten (Paul Stein) einen (calvinischen) Pfarrer präsentiert und durch ihn einführen lassen; den v. Schwertzell soll deswegen eine Strafe von 1000 fl. abgefordert,

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Pfarrern der von Dörnbergischen Patronatspfarreien in der Klasse Neukirchen zeigt.276 Am 21. Oktober 1626 wandte sich der unlängst neu eingesetzte Pfarrer von Oberaula, Martin Schirling,277 an den Dörnbergischen Schultheiß zu Hausen, Henrich Klebe, damit dieser seinen »großgünstige[n] junckherrn, wann sie villeicht nachfrage thun, zu berichten« wisse, was bei der Huldigung, die er mit anderen Pfarrern am 18. Oktober zu Treysa habe Landgraf Georg II. von HessenDarmstadt leisten müssen, vorgegangen sei.278 Martin Schirling hatte zunächst gehofft, sich der Huldigung durch Verweis auf seine Patronatsstelle entziehen zu können, musste aber schließlich – nachdem schon am Vortag die Pfarrer von Treysa und etliche aus dem Amt Ziegenhain hätten schwören müssen – zusammen mit anderen Pfarrern der Klasse Neukirchen der Aufforderung dazu ebenso Folge leisten. Nachdem ihnen eine längere Bedenkzeit verweigert worden wäre und sie »zum fünfften mal« zur Beratung unter sich »abtritt genommen«, hätten die zur Huldigung verordneten Darmstädtischen Kommissare durch einen vom Adel »eine endliche resolution« von ihnen verlangt, ob sie »L[andgraf]. Georg. underthanen sein, schutz von deroselben haben und solches mit einem eydt zu betewren gesinnt weren«. Auch der Einwand, der Treueschwur gegenüber Landgraf Georg. »sey eine solche sach die das gewissen concernire«, habe nichts bewirkt. »Da wir dan verursacht zu fragen, ob sie uns versichern könnten, einen jeglichen in seinem ampt bey unser religon bleiben zu lassen, denn wir uns leichtlich die gedancken machen köndten, wan wir ihr[e]. f[ürstliche]. g[naden]. für unsern landesfürsten erkennen solten, so würde dieselben auch die kyrchen bestellen wöllen, bätten derder calvinistische Pfarrer ab- und ein der Augsburgischen Konfession zugewandter eingesetzt werden. 276 Dörnbergische Patronate waren: Lingelbach mit der Filiale Görzhain (v. Dörnberg zum Herzberg), Oberaula und das Vikariat Hausen (v. Dörnberg zu Hausen), Breitenbach am Herzberg (v. Dörnberg zum Herzberg), Schwarzenborn (v. Dörnberg zu Hausen); die Angaben folgen: Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 117–125 (§ 22 Von der Classe Neukirchen). 277 In StAM 318 Kassel, Nr. 1437 findet sich der Befehl des Konsistoriums aus Kassel vom 30. August 1626 an Paul Stein, Martin Schirling, »bißhero gewesenen caplan zu Ziegenhain«, »[n]achdem die gemeinde zu Obern Aula undt zugehorige filiale uff empfangenen befelch Ehrn Martinum Schirlingen […] im predigen gehoret, undt mitt seiner person undt gaben wohl zufriden; so haben wir ihn alß gnugsamb qualificiret uff der von Doringenbergk einbehendigte praesentation heut dato dahin zu pfarrern confirmiret undt bestättiget«, ihn dort zum Pfarrer einzuführen. Auf der Adressseite dieses Briefes hat Paul Stein eigenhändig vermerkt: »Ist den 7. Septembris 1626 eingeführt worden«. Im Diensttagebuch Theophil Neubergers liest man als dritten Eintrag zum 17. August 1637: »Eod[em]. d[ie]. ist Martinus Schirlinger uf geschehene praesentation zum pfarrer zu Schwarzenborn interimsweise confirmirt worden. Ihm auch gesagt, daß er mit burgerm. u. rath daselbst ernstlich dahin handele, daß sie wieder einen schulmeister annemen«. 278 Martin Schirling, Pfarrer zu Oberaula, an Henrich Klebe, Dörnbergerischer Schultheiß zu Hausen, Oberaula 1626 Oktober 21, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1594.

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wegen anwesente f[ürstliche]. commissarios, sie wolten unser mit dem würcklichen eydt verschonen, dan so sie uns hirnechst, bey der einmal erkandten warheit und ordenlichen beruffenen diensten nit wolten bleiben lassen, sie uns solches alsobald ansagten, wolten wir einhellig unserer dienste gutwillig erlassen sein.«279

Ohne Instruktion hätten die Kommissare hierüber keine Versicherung abgeben können, versichern konnten sie aber, »daß der religion niemalen von ihr[er] f. g. were gedacht worden, hielten auch davor, es würde ihr f. g. einen jeglichen in seinem ampt und religion bleiben lassen, den es ja nur ein pfandtschilling were«.280 Bevor auch Martin Schirling das iuramentum fidelitatis leistete, habe er öffentlich protestiert, da seinen Junkern, denen von Dörnberg, hiermit an ihrer »gerechtigkeit, als welche collatores des pfarr Oberauel und Hausen, etwas solte benommen werden, so wolte ich unterthenig gebetten haben, mich disfals zu erlassen, und dieselben erst umb raht zu ersuchen«, worauf er die Antwort erhalten habe, »es solle denen von Döringenbergk hirmit gantz und gar nichts an ihrer gerechtigkeit benommen sein, den ihr f. g. L. Georgs des vorhabens nit were im geringsten einem etwas an seines gerechtigkeit zu benemen«.281 Ob das Hessen-Darmstadt an den Kasselschen Ämtern vom Reichshofrat eingeräumte Recht wirklich »nur ein pfandtschilling were« bzw. was dieses Pfandrecht beinhaltete, darüber gingen die Meinungen bald auseinander. So

279 Ebenda. 280 Diese Angabe wird bestätigt durch das Protokoll der Vernehmung der Pfarrer (zum Hintergrund dieser Vernehmungen unten näher) des Amtes Neukirchen vom 21. April 1627 durch (den Amtmann?) Johann Brasche. Philipp Strack, Pfarrer zu Neukirchen und Metropolitan der Klasse, gab darin zusammen mit seinem Diakon Bartholomäus Funck, belangend den dritten Punkt der Vernehmung – das Gebet für Landgraf Georg von HessenDarmstadt und seine Familie –, zu Protokoll: »Belanget formulam praecationis, daß ihnenn solche vonn f[ürstlichen]. herrenn zur huldigungs einnehmung deputirten commissariis soltte vorgehalttenn worden sein, wüsten sie sich nichts zue entsinnen, ohne aber wehre es nicht, alß sie gehorsamblich nachgefragt, ob solches erforderttes iuramentum, in hochgedachtter I. f. g. Landgraff Geörgens zue Heßenn & c. religionem concernirte, wehre ihnen vonn anweßenden, ehrengedachtten commissariis dieße antwortt worden, daß sie deßen keinn befehlich, auch von hochg[edachter]. Ifg. G[eorg]. biß annoch deßwegenn nichts vernohmen, soltten alß unterthane, und nicht wie pfarhernn schwörenn. Gelebttenn derowegenn der unterthenigen hoffnung, hochg[edachte]. I. f. g. würden sie bey dero kirchenordnung, vonn denen vieren in Gott ruhenden fürsten zu Heßen einhellig auffgerichttet, gnedig verpleiben laßen«, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 72–74, hier fol. 72v (Johann Brasche übersandte das Protokoll mit Begleitschreiben vom 22. April 1627 an die fürstlichen Kammerkanzleiräte zu Schmalkalden, Ebd., fol. 71, 76). Die zur Klasse Neukirchen gehörenden Pfarrer des Amtes Schwarzenborn (Johann Mengosius, Pfarrer zu Schwarzenborn, und Martin Schirling [»Schörling«], Pfarrer zu Oberaula) wurden durch den dortigen Amtsschultheißen Johann Daniel Lüncker schon am 17. April 1627 vernommen, das Protokoll: StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 68–70. 281 Martin Schirling, Pfarrer zu Oberaula, an Henrich Klebe, Dörnbergerischer Schultheiß zu Hausen, Oberaula 1626 Oktober 21, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1594.

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protestierte das Konsistorium zu Kassel gegen das, was ihnen glaubwürdig zu Ohren gekommen sei, dass nämlich »die Darmstatische räthe zu Schmalkalden, in unsers g[nädigen]. fürsten und h[errn]. Landgrav Moritzen zu Hessen etc. vetterlich, erb- und eigenthumlich, Landgrav Georgen aber pfandtsweise immittirten ortten und landen des Niderfürstenthums sich aller superioritet, und also auch in spiritualibus aller schul- und pfarbestellung de facto ahnzumaßen, und zu dem ende den pfarherrn im Unterfürstenthum hin und wieder ein new ungewöhnliche gebets formular, darinnen vorhochgedachter unser g[nädiger]. fürst und dero f[ürstlichen]. g[naden]. posteritet ausgeschlossen wird, aufzutragen, vorhabens sein sollen«.282

Dies sei aber »dem buchstaben der liquitations urtheil, und darauf ertheilten executorialn, also darinnen Landgrav Georgen allein die utilia, und was nutzung einbringen mag, ad tempus zuerkant, gerad zuwieder«. Daher ließen die Konsistorialräte am 31. Januar 1627 an den Kasseler Superintendenten Paul Stein den »Befehl« ergehen: »Als ist unser befehl an ewch, daß ihr zu erhaltung unsers g[nädigen]. fürsten und h[errn]. habenden iuris episcopalis semptliche ewerer inspection anbefohlene pfarherr und schuldiener zur standhafftigkeit und bei denen pflichten, damit sie bey antrettung ihrer dienste Gott, der kirchen und schulen und hochermelten unserm g. f. und h. verhafftet und den nicht erlaßen« zu bleiben ermahnet, »und sie von solchen der Darmstadischen widerrechtlichen betrawung und neuerung ab[-], und hingegen zu denen in der kirchenordnung befindlichen, und bis dato inn unsern kirchen ublichen gebeten« anweiset.283

Mit einem Übersendungsschreiben vom 2. Februar schickte Paul Stein diesen »Befehl« an die Metropolitane seines Bezirks. Sie sollten sich der in der »uns in anno 72 von denen damahligen, nunmehr in Gott ruhenden, semptlichen fürsten zu Hessen publicirten kirchenordnung befindlichen« Gebete gebrauchen und »auch andere zu ewer claß gehörige kirchen- und schuldiener, daß sie das gleiche thun, und diesem befehlen gehorsamlich nachsetzen, gebührlich« anweisen, er erwarte, »das ihr […] auch innerhalb acht tage / tempore informationis an zu rechnen, anhero berichtet, ob ihr und andere ewere fratres classici diesem befehl gehorsamlich nachzusetzen gemeinet seiet oder nicht«. Wie zahlreiche andere Ausschreiben endet es mit der Notiz: »Es soll ein jeder Metropolitanus hierauf sein hand und nahmen, das er dieß schreiben entpfangen und gelesen, zeichnen 282 Präsident, Assessoren und Räte des geistlichen Konsistoriums zu Kassel an Superintendent Paul Stein, Kassel 1627 Januar 31, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1594 (Abschrift). 283 Der letzte Teil des Zitats ist korrigiert nach der Abschrift im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 8v–9v, hier: fol. 9r. Das Schreiben des Konsistoriums an Stein wurde abschriftlich, zusammen mit dessen Übersendungsschreiben, an die Metropolitane geschickt.

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oder sonsten den botten ein recepisse zurück geben, damit man dieses orts, das es allenthalben gelieffert, gewiß sein könne«.284 Auf die Aufforderung Paul Steins an die Metropolitane, sie sollten berichten, »ob ihr und andere ewere fratres classici diesem befehl gehorsamlich nachzusetzen gemeinet seiet oder nicht«, lud Martin Happel, der Metropolitan der Klasse Gudensberg, am 4. Februar die Pastoren seiner Klasse auf den 7. Februar nach Gudensberg ein, wo er ihnen das Schreiben des Konsistoriums und des Superintendenten vorlegte und ihre Erklärung einforderte. »Worauf sie dann uno ore sich ercläret, daß sie bey I. F. Gn., deroselben hochlöblichen posteritet, bevorauf aber bei dem rainem lauteren wortt Gottes, 3en haupt symbolis und was darmit ubereinstimmet, bestendig zu bleiben, auch keinerlei, es seye auch so arg oder gut, als es wolle, sich darvon abwendig machen zu lasenn, nicht gestatten wolten, auch hinfüro daß eingeschobene neuerliche und in der f[ürstlich]. h[essischen]. kirchenordnunge frembde gebäth nichtt zu lesen mitt hand und mund versprechen, darauf eine schrifftliche antwortt jetzt besagtes innhalts verfassett und von allen ahnwesenden händlichen unterschrieben, auch dennechsten dem Herrn Superintendenten zuzufertigen dem Metropolitano überantwortett worden. Welches schreibenn auch dem Herrn Superintendenten laut recepisse den 10. Febr. anno 1627 wohl eingeliefertt worden.«285

Was aber stand in jenem inkriminierten Gebetsformular? Das Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg berichtet, am 14. Januar 1627 sei ein an den Metropolitan gerichtetes auf den 30. Dezember des Vorjahres datiertes Schreiben »von Schmalkalden« angekommen. Darin seien zwei gedruckte Gebete mitüberschickt worden, die Landgraf Georg in seinen Landen angeordnet habe, »welche dann in den ahngewiesenen orten auch sollen von den pfarrern ahngenommen, und ihre eigene glossen unterlasen werden, damitt die leute von I. F. Gn. weiter nichtt irr- noch abwendig gemachtt werden sollen«, mit der Drohung, an den Zuwiderhandelnden »solch exempel zu statuiren, daß andere gewißlich sich daran zu kehren haben«. Für Unbehagen sorgte das erste Gebet, das als allgemeines Fürbittengebet, »wegen des Kriegßwesenß« und zur Fortpflanzung des Wortes Gottes begann,286 dann aber auch die Passage enthielt: 284 Superintendent Paul Stein an die Metropolitane seines Bezirks, Kassel 1627 Februar 2, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1594. Im sogenannten »Copialbuch« im Staatsarchiv Marburg, Bestand 22 a 6, Nr. 5, das vergleichbare zurückgelaufene Ausschreiben mit den Unterschriften aller Metropolitane enthält, findet sich dieses Ausschreiben nicht. Die Unterschrift auf dem Schreiben Paul Steins, aus dem hier zitiert wurde, scheint original zu sein. Wahrscheinlich hat Paul Stein das Schreiben einzeln an alle Metropolitane versandt und der Sendung genügend eigenhändig unterschriebene Exemplare zur Verteilung an die Pfarrer beigelegt, von denen dies hier eines ist. 285 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 9v. 286 So das Referat im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 8v.

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»Wie wir dir auch nochmals von Hertzen Lob vnd Danck sagen/ für all das jenige gute so du diesem Fürstlichen Hause durch die Marpurgische Succession sache miltiglich hast wiederfahren lassen/ Also bitten wir dich auch instendiglich du wollest vnsern gnedigen Herrn vnd Landsfürsten mechtiglich darbey erhalten/ ferner Glück vnd Segen darzu geben vnd verleyhen/ das es alles zu deines Nahmes Ehre/ vnnd fortpflantzung deines allein seeligmachenden Worts vnd Evangelij gereichen möge«.287

Wenn auch »etliche wenige solcheß zu lesen und zu sprechen, seind etwa wegen der getroheten straf persuadiret worden«, so war doch damit zu rechnen, dass diese Worte »etliche hart vorn kopf stiesen, derowegen sie solch gebeth auch niemalß, unangesehen der scharfen commination, ablesen woltenn«, da sie sonst für den Ruin des Fürsten, dem sie ihre Stelle verdankten, beten würden.288 Die Pfarrer der Klasse Neukirchen erreichte offenbar dasselbe Gebet, das zu sprechen sie sich in einer von allen eigenhändig unterschriebenen lateinischen Erklärung aus Gewissensgründen weigerten, schließlich seien sie nicht nur Georg, sondern zugleich den übrigen Fürsten von Hessen mit einem Eid verbunden. Schuldeten sie dem Kaiser und den Fürsten den Kriegsdienst, so Gott die Unschuld.289 In dem Brief, mit dem der Gudensberger Metropolitan die beiden Gebete erhielt, wurde ihm auch mitgeteilt, »daß L[andgraf]. Georg mitt ungenädigem mißfallen vernommen«, wie »etliche aus dem convent sich gelusten lassenn uber die gehuldigten unterthanen offend- und handgreifliche schmeh- und scheldwort außzugiesen, auch selbige zu gevattern stehen zu lassenn nichtt gestatten wollen« und den Pfarrern, »da dergleichen mehr geschehen solte mit suspensione ab officio oder mit mehrer ungenad« drohte.290 Zwar mussten auch die Pfarrer der Klasse Gudensberg, wie die Bürgerschaft und übrige Untertanen, schon am 20. Oktober 1626 zu Obervorschütz vor den dazu verordneten Kommissaren die Huldigung gegenüber Hessen-Darmstadt leisten,291 durch den 287 Druck: »Allgemeines tägliches // Gebeth der Kirchen im Fürstenthumb Hessen/ vnnd zugehöriger Graff vnd Herr- // schafften Darmbstadischer // Linien. // Sampt Dem Sontäglichen Gebett/ so nach den // hohen Predigten fürgelesen wird/ genommen auß der // Fürstlichen Hessischen Kirchen- // Ordnung. // [Vignette] // Darmbstatt 1626«; im Staatsarchiv Darmstadt hat sich unter den Signaturen E 5 A Nr. 295 und Nr. 296 je ein Bogen dieser zusammen gedruckten beiden Gebete erhalten, die im Text zitierte Passage steht dort als vorletzter Absatz im ersten Gebet. Die Abschrift dieser Passage im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg (fol. 8v) stimmt wörtlich – aber, wie bei frühneuzeitlichen Abschriften üblich, nicht buchstäblich – mit dem im Staatsarchiv Darmstadt überlieferten Druck überein. 288 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 8rv. 289 »Siquidem Caesari & principibus militiam, Deo debemus innocentiam«, alle Pfarrer der Klasse Neukirchen, »Actum Neocuriae a(nn)o 1627«, StAM 340 von Dörnberg, Nr. 1594. 290 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 8rv. 291 Das Erforderungsschreiben »von den Darmbstadischen zur huldigungspflichtt verordneten commissarien auß Homberg [an der Efze] […] ahn die beampten zu Gudenspergk«

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Revers aber, den sie bei Antritt ihres Amtes auf Hessen-Kassel abgegeben hatten, fühlten sie sich – nicht zuletzt aus konfessionellen Gründen – letzterem besonders verbunden und ließen ihre Gemeindeglieder, die sich in der neuen Situation nun möglicherweise wieder offen zum Luthertum bekannten, spüren, wenn sie gegenüber Hessen-Darmstadt größere Loyalität als erforderlich zeigten. Die im Amt belassenen reformierten Pfarrer trugen mit ihrem Verhalten dazu bei, während der Zeit der Pfandschaft bei der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür aufrechtzuerhalten, wer ihr eigentlicher Herr sei – der Landgraf in Kassel. Die Kasseler Behörden waren sich dieser Funktion – dessen, welcher Wert in der Treue der Pfarrerschaft bestand – offenbar bewusst, weshalb sie sie gegenüber den Gegenmaßnahmen Hessen-Darmstadts wiederholt zur Standhaftigkeit ermahnten. Dass diese Mahnungen Erfolg hatten, lässt ein Schreiben erkennen, das Vizekanzler und Räte zu Marburg am 27. März 1627 an Johann Daniel Lüncker, Darmstädtischen Amtsschultheißen zu Schwarzenborn im Amt Ziegenhain, richteten. Darin beklagen sie sich, dass in den Pfandgebieten, die Landgraf Georg mit »alle[r] landsfürstlicher obrigkeitt, hoheitt, recht und gerechtigkeitten, und also auch deren davon dependirenten geistlichen jurisdiction, und was derselben ahnhengig, unterpfendlich« eingeräumt seien, sich besonders die Pfarrer gegen ihren Huldigungseid und kaiserlicher Kommissare Verordnung »freventlich gelüsten« ließen, »allerhandt Cassellische befelch, mandata, rescripta, decreta, patenta und dergleichen ahnzunehmen, und in offentlichen versamblungen zu verkünden, abzulesen, ahnzuhören, und zur parition zu vermahnen, dadurch den der gemeine man sehr irr undt verwirtt gemacht, auch wohll gar dahin verleitett wirdt, das er baltt keinen fürsten von Hessen, für seinen landsfürsten und hern erkennen möchte, dahero leichtlich zu einem gemeinen auffstandt der unverstendige und bewegliche pöbell veranlassett und geführet werden könte«.

Der Schultheiß solle alle nach dem Liquidationsurteil und dessen Exekution angeschlagene oder ausgegangene Kasseler Verlautbarungen, »die rühren auch von Hern Landgraff Moritzen f. gn. selbst, oder s[einer]. f. gn. regirung, consistorio, superintendenten her« zur Kanzlei nach Marburg schicken, und deren Befolgung oder Publizierung ohne Vorwissen Landgraf Georgs verbieten.292 wurde vom damaligen Schultheiß Eberhard (Ebert) Faber dem Metropolitan von Gudensberg am 19. Oktober 1626 zugestellt. Zu Obervorschütz sollte die Huldigung stattfinden, weil die Kommissare »vernommen, daß die pest zu Gudenspergk sehr starck grassiren solte«, Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 8r. 292 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Johann Daniel Lüncker, Schultheiß zu Schwarzenborn, Marburg 1627 März 27 (Abschrift), StAM 315 i, Paket 16; Abschrift auch in StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 112.

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Unter dem 24. Februar 1627 hatte Landgraf Moritz »allen, unßern beamptten, superintendenten, pfarhern, geist- und weltlichen dienern und underthanen, sampt und sonders« ein Kontradiktionsschreiben zugehen lassen gegen die Art und Weise der Exekution des Reichshofratsurteils »ratione fructuum perceptorum« vom 21. April 1626 (n. St.), die allein dahin ziele, »unß unßere[r] hochheit, ober[-] und gerechtigkeitt damit zu entsetzen und zue benehmen«, verbunden mit dem Befehl an die Adressaten, »bey der schuldigen trew, gehorsamb und pflichtt, darmit ihr unß zuegethan, auch annoch von unß nichtt erlaßen«, beständig zu verbleiben, bei der »reinen und lauttern warheitt und religion« zu verharren und »euch mit gebetten, so gegen ewern gehorsamb pflicht und respect, so ihr unß zue leisten schuldig, lauffen mochtten, nicht belegen […] [zu] laßen, und euch sonsten, alß getrewe[n] beambteten, seelsorgern, dienern und underthanen gebühret, gegen unß […] alß eweren einziegen rechttmeßigen natürlichen, und von Gott vorgesetzten landts fürsten« zu erzeigen und erweisen.293 An den Metropolitan von Homberg an der Efze schickte Paul Stein diese Protestation am 6. März 1627 mit der Aufforderung, »daß ihr nicht allein vor ewer person solche leset undt dann sollcher protestation angehengtem undt beigefugten befelch gehorsamlich nachsetzet, sondern auch euwern fratribus classicis solche protestation undt befelch notificiret undt sie zu ebenmeßigen geburchlichen gehorsam undt standthaftigkeit anmanet«.294 Wie sehr offenbar gerade die Pfarrer als Bollwerk Hessen-Kassels vor Ort fungierten, wird auch deutlich, als Ulrich Eberhard von Buseck, der Darmstädtische Amtmann zu Homberg, die Pfarrer des Amtes Gudensberg am 10. Mai 1627 vor sich und die Gudensberger Beamten forderte.295 Dabei habe er »einem jeden in sonderheit« vier Fragen vorgelegt, die er »categoricH ohne einig disputat« beantwortet haben wollte. In der Rekapitulation des Schreibers des Eintrags im Gudensberger Konventsprotokoll waren dies »ungefehr nachfolgende puncten«: 1. die rhetorische Frage, ob er sich bei der dem kaiserlichen Reskript gemäßen Huldigung nicht verpflichtet habe, »L[andgraf]. Georgen vor seinen alleinigen jetzt regirenden landesfürsten zu erkennen […] und ihme, wie einem treuen unterthanen gebüret, schuldigen und unterthenigenn gehorsam zu leisten?«, »2.Wer ihnne bevohlen ahm verschienen osterfest fur L. Wilhelm alß einen nunmehr regirenden landeßfürsten in den kirchen offendlich zu bitten?«, 293 Landgraf Moritz von Hessen-Kassel an seine geist- und weltlichen Diener »auch sembtlichen underthanen unßers Niederfürstenthumbs und darzue gehorigen grafschafften und herschafften«, Kassel 1627 Februar 24, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 126–129 (Abschrift). 294 Paul Stein, Superintendent des Bezirks Kassel, an Bartholomäus Arcularius, Pfarrer und Metropolitan zu Homberg/Efze, Kassel 1627 März 6, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 181 (Abschrift); das Schreiben ging wahrscheinlich ebenso an die übrigen Metropolitane in den Darmstädtischen Pfandämtern. 295 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 11rv.

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nachdem Paul Stein unter dem 19. März 1627 den Metropolitanen und über sie den Pfarrern seines Bezirks ein Gebetsformular anlässlich der Amtsübergabe von Landgraf Moritz an seinen Sohn Wilhelm kommuniziert hatte,296 »3. Ob er hinfüro, so ihme vom Superint. zu Cassel etwaß zugeschrieben und bevohlen werden solte, solcheß annehmen wolle oder nicht?«, schließlich »4. Ob er im kirchengebeth L. Georgen austrücklich mitt nahmen nennen, auch S. F. Gn. gemahlin, hern bruder undt vettern, etc. Darmbstadtischer linien; Und dargegen L. Moritzenn, L. Wilhelmen, aussenlassen; Oder welche er fernen setzen, da sie alle wolten genennet werden; etc.«? Wenn tatsächlich einer, wie vom Amtmann gefordert, »rund herauß« »sagte, wie es ihm umbs hertze wer« und dies dem Amtmann »nit gefiel, ließ er seinen eifer und zorn mitt worten und geberden wohl vorgehen und sehen, drohete auch etlichen unter uns ein anderst baldt sehen zu lasen«. Der Eintrag im Gudensberger Konventsprotokoll endet mit der vieldeutigen Bemerkung: »Waß aber hirauf geantwortet wordenn, weiß ein jeder am besten«.297 Das Protokoll der Vernehmung der Pfarrer aus Stadt und Amt Gudensberg, die am 10. Mai 1627 im Gudensberger Renthaus von Ulrich Eberhard von Buseck vorgenommen wurde, hat sich in der Darmstädtischen Überlieferung erhalten.298 Im Anschluss an das Protokoll dieser Vernehmung liegt der Befehl, mit 296 »Copialbuch«, StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 188r–193v (mit den Unterschriften der Metropolitane auf dem zurückgelaufenen Ausschreiben, fol. 189v); Exzerpt des Übersendungsschreibens und Abschrift des Formulars für die Kanzelverkündigung und das Gebet im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 9v–10v. 297 Dieser Eintrag wird auch zitiert in: Brunner : Gudensberg, S. 208f. Brunner vermutet, dass die Abdankung Moritz’ für Georg der Anlass zu diesem »Vorstoß gegen die Geistlichkeit in den Pfandschaften« war, deren Einflusses er sich offenbar bewusst gewesen sei und »gewillt war, den Bogen möglichst straff anzuspannen«, um »bei den eben eingeleiteten Verhandlungen offenbar seine Stellung möglichst [zu] unterstreichen«. 298 StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 203–213. Befragt wurden Martin Happel, Pfarrer und Metropolitan von Gudensberg; Henrich Knobel, der Diakon zu Gudensberg; Matthäus Zuddel, Pfarrer zu Balhorn; Johannes Schmalz, Pfarrer zu Elben und Elberberg; Johannes Christmann, Pfarrer zu Lohne; Johannes Knabenschuh, Pfarrer zu Geismar und Haddamar ; Eberhard Kreuter, Pfarrer zu Merxhausen und Riede; Valentin Magirus, Pfarrer zu Sand (heute Stadtteil von Bad Emsthal); Henrich Faber, Pfarradjunkt des Pfarrers zu Metze in der Filiale Ermetheis (»pfarrher«); Johannes Saxo, Pfarrer zu Niedenstein und Wichdorf; Johannes Musculus, Pfarrer zu Grifte, Haldorf, Dissen, Holzhausen und Guntershausen; Christian Seuring, Pfarrer zu Obermöllrich und Cappel; Matthäus Lippold, Pfarrer zu Wehren, Werkel und Dorla; Reinhard Keseberg (»Casemontanus«), Pfarrer zu Kirchberg; Theodor Magirus, Pfarrer zu Obervorschütz; Christoph Faber, Pfarrer zu Metze; Caspar Sternberger, Pfarrer zu Maden; Reinhard Ratzius, Pfarrer zu Gleichen. Jacob Saur, Pfarrer zu Besse, »Ist zwar erschinen, aber wegen vorgefallener begräbnuß nit gehört worden«; Georg Thonius, Pfarrer zu Züschen und Heimarshausen »ist ganz nicht erschinen«, »M. Christophorus Steinhaußen pfarrherr zue Böna in der graveschafft Waldeck, hatt der graff abgesezt. Wohnet nun zue Waldeck«; insgesamt werden 21 Pfarrer aufgezählt mit Nennung ihrer jeweiligen Patronatsherren, zu allen Befragten wird einzeln ihre Antwort auf jede der vier Fragen notiert.

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dem Georg II. von Hessen-Darmstadt am 4. April 1627 aus Torgau die Vernehmungen anordnete. Daraus wird das Missverständnis erkennbar, das ihn zu dieser Untersuchung veranlasste und gegen das sich die Pfarrer wehrten. Das Formular zur Kanzelverkündigung und zum Gebet, das Paul Stein am 19. März 1627 anlässlich des am 17. März erfolgten Herrschaftsübergangs von Landgraf Moritz auf dessen Sohn Wilhelm V. an die Metropolitane und über sie an die Pfarrer schickte, damit sie »solcheß den nechsten undt etwan [auf] vorstehende osterfest nach gehaltener hohen predigt, den gemeinden offentlich von den cantzeln« anzeigten,299 verstand Georg II. dahin, als hätten die Pfarrer In diesem Faszikel finden sich weitere ähnliche Protokolle über die Vernehmung der Pfarrer: aus Stadt und Amt Homberg/Efze (fol. 180–194, 224–230) sowie Stadt und Amt Borken (fol. 82–93), vorgenommen ebenso durch den Amtmann zu Homberg; aus Stadt und Amt Schwarzenborn (fol. 67–70); aus den Ämtern Ziegenhain und Schönstein (fol. 56– 66); aus Stadt und Amt Neukirchen (fol. 71–76); aus der Klasse Spangenberg (fol. 118– 122); aus der Stadt und der Landvogtei Eschwege durch den Landvogt Urban von Boyneburg und den Rentmeister Henrich Pfefferkorn zu Eschwege (fol. 132–165), mit den eingeschickten schriftlichen Erklärungen der Pfarrer, darunter die des damaligen Diakons an der Altstädter Gemeinde zu Eschwege, Johannes Hütterodt (fol. 146f., nicht eigenhändig); aus der Landvogtei Rotenburg und dem Amt Sontra (fol. 166–179); aus der Ganerbschaft Treffurt (mit den Orten Langula in der Vogtei Dorla, Schnellmannshausen, Großburschla und Falken) durch den hessischen Amtsvogt Johann Philipp Bley (»Fürstlicher Heßen Darmbstattischer altter Amptman« zu Treffurt) (fol. 196–202); aus den Städten Waldkappel, Harmuthsachsen und Diemerode (fol. 222f.). 299 Paul Stein an die Pfarrer und Metropolitane zu Gudensberg, Felsberg, Homberg, Borken, Ziegenhain, Treysa und Neukirchen, Kassel 1627 März 19, im »Copialbuch«, StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 188–193, das Zitat im Text aus dem Übersendungsschreiben fol. 188r, die Adresse fol. 193v, auf fol. 189v haben die Metropolitane ihre Kenntnisnahme eigenhändig mit Name, Tag und Stunde bestätigt, bevor das Rundschreiben an den Superintendenten zurückging. In eckigen Klammern wird ergänzt, was wahrscheinlich am ausgebrochenen Rand des Blattes stand. In dem Faszikel StAD E 5 A, Nr. 81 heißt es bei Abschriften der von Hermann Fabronius, dem Superintendenten des Bezirks Rotenburg, an die Metropolitane seines Bezirks versandten Formulare, diese stammten vom Konsistorium in Kassel (fol. 53r, 197v, 199r, fol. 174rv [Übersendungsschreiben des Konsistoriums zu Kassel an Hermann Fabronius, Superintendent und Dekan zu Rotenburg, vom 19. März 1627, Abschrift]). Die Blätter im »Copialbuch« der Superintendentur Kassel in StAM 22 a 6, Nr. 5, fol. 188–193 tragen allerdings einen ausgesprochenen Entwurfscharakter, fol. 190 und 191 sind eindeutig ein eigenhändiges Konzept Paul Steins für Verkündigung und Gebetsformel, auf fol. 189rv findet sich deren Ausfertigung, abgeschrieben von einer anderen Hand vom Konzept Paul Steins, mit den Unterschriften der Metropolitane auf fol. 189v. Aber auch diese Ausfertigung weist noch zahlreiche Streichungen und Einschübe von der Hand Paul Steins auf, so dass, stünden da nicht die Unterschriften der Metropolitane, man sich kaum vorstellen kann, dass das Schreiben in dieser Form Kassel verlassen hat. Das Übersendungsschreiben auf fol. 188rv ist sauber von der Hand geschrieben, die die Kanzelverkündigung und Gebetsformel abgeschrieben hat und trägt nur die eigenhändige Unterschrift Paul Steins. Dieser Befund zeigt eindeutig, dass die beiden Formulare von Paul Stein ausgearbeitet wurden und dass er sie – ausweislich des Übersendungsschreibens – in seinem eigenen Namen, ohne Nennung des Konsistoriums, an die Metropolitane seines Bezirks schickte. An Hermann Fabronius wurden die beiden (von Paul Stein konzipierten)

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»unser hinderrückß von der cantzel den zuhörern denuncijrt, ob weren unsere inhabende niderhessische ampter unß wider abgesprochen, Herrn Landgraf Wilhelmß L[ieb]d[en]. von dero Herrn Vattern Landgraf Moritzen abgetretten und uberlassen, und also von ostern an, hochgedachter unser freundlicher lieber vetter, Landgraf Wilhelm vor den daselbselbst regirenden landßfürsten zu achten, zu ehren, vor seine L[ieb]d[en]. zu bitten undt ihro alß landßregenten zu gehorsamen«.300

Den ihm gehuldigten »calvinische[n] priester[n]« warf er daher »einen untrewen meineyd« vor und forderte seine Amtleute auf, »daß du alle in deiner anbefohlenen amptung begriffene pfarrer, jedoch einen nach dem andern, absonderlich so bald alß immer möglich vor dich forderst ihnen dieses unser schreiben und daß wir die pflichtvergessene drumb finden wollen vorhaltest, und von jederm gründt- und eigentlich vernehmest, erstlich ob er ebenmässigen befehl, Landgraf Wilhelmen vor den landßfürsten seinen zuhörern anzukünden, von Cassel empfangen? Zum andern ob er solchen angemasten, unbefugten und unbillichen befehl verrichtet, wann selbiges beschehen, und was ihnen hierzu bewogen? Drittenß eine rundte, ungeschraubte, richtige undt categorische antwortt begehrest, ob sie inß künftig dergleichen einstellen undt nach besag des keys. commission rescripts undt gehorsambß brieve, undt ihrer gethanen huldung unß allein vor den landßfürsten mit hertzen, wortt und wercken ehren und halten, wie wir ihnen durch unsere zur huldigungß einnehmung verordtnete commissarien schon anbefohlen, daß sie nemblich vor unß alß den landßfürsten mit außgetrückten wortten, so dann nechst unß vor unsere geliebte fürstliche gemahlin, herrn gebrüdere, und herrn vettere, fürstliche frawen undt frewlein Darmstadischer lini und dan vor unser gantzes fürstliches hauß Hessen bitten. Was nun jeglicher hierauf antwortten und sich erklären wirdt, sollestu fleissig beschreiben und protocolliren, unß solches ufs allerförderlichst berichten, und unserer fernerer verordnung darüber erwartten«.301

Der Gudensberger Metropolitan Martin Happel äußerte sich bei seiner Vernehmung zum ersten Punkt wie folgt: »Sagt nein, es sey nit befohlen vor einen landtsfürsten Herrn L[andgraf]. Wilhelmen zue verkündigen, sondern eß habe der superintendens zue Caßel schrifftlichen befehl geschickt, Ifg. Hern L. Wilhelm zur regirung glück zue wünschen undt ahnzuekünden, daß Ifg. H. Landgraff Moritz nunmehr ihrem eltisten heren sohn die regirung ubergeben habe, und vor dero f. g. zue bitten, damit dero regirung möge glücklichen fortgehen, er habe aber keine gedancken uff diese unserm g. f. undt h. Landgraff Formulare jedoch vom Konsistorium geschickt, mit einem eigenen Übersendungsschreiben. 300 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an die Beamten der niederhessischen Pfandämter (erschlossen), Torgau 1627 April 4, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 214–215 (Abschrift), hier fol. 214rv. 301 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an die Beamten der niederhessischen Pfandämter (erschlossen), Torgau 1627 April 4, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 214–215 (Abschrift), hier fol. 214v (»calvinische priester«), 215rv.

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Georgen zue Hessen eingeraumbte länder gemacht, sondern nur uff die lande, welche Ifg. noch inne hetten«.302

Hermann Fabronius, der Superintendent des Bezirks Rotenburg, wies in seiner Vernehmung am 16. April 1627 überdies darauf hin, »weil nun in seine inspection nicht allein die von kayß. mayt. Ifg. angewißene pfand empter, sondern auch Milsungen, Lichtenaw, Witzenhaußen und Allendorff, so Herrn Landgrave Wilhelms f. g. noch innen hette, gehörten, so hette er sich schuldig eracht, obahngeregten abdications actum, ahnbefohlener maßen, an denselben örthern verkündigen zu lassenn, in unsers g. f. und h. pfand emptern aber hette er nurten denselben den metropolitanis communicirt, auch allein alhier in der Alten und Newenstat Rottenberg, uf den Grünen Donnerstag den gemeinden nach der predigt selbst ahngekündigt und verkündigen lassen, wie die formula mit seiner eigen handt geschrieben, sub lit. C. außweißet, den dorffpfarrern des ampts Rottenb. habe er deßen nichts communiciret, wolle in underthenigkeit nicht hoffen das er daran zuviel gethan hette«.303

Der damalige Metropolitan und Pfarrer an der Altstädter Kirche zu Eschwege, Aaron Grusemann, kommunizierte die von Fabronius empfangenen Formulare den Pfarrern seiner Klasse am Karfreitag, dem 23. März 1627, gleichfalls mit dem Bemerken: »Weil aber ein unterscheidt vermög geschehener pflicht unter denen I. F. G. L. Georgen angewiesenen Pfandts Empter, undt unter denen I. F. G. L. Willhelm noch einhabenden emptern undt örtern wol in acht zu nehmen, als werdet ihr mutatis mutandis christliche klugheitt hierinnen zu gebrauchen undt ewerer geschehener pflicht in acht zu nehmen wissen«.304

Der Reichensächser Pfarrer Conrad Brunstein –zur Klasse Eschwege gehörend – erklärte in seinem Verhör, er hätte »uff des superintendenten zu Rodenberg zuschreiben, Gott gedancket, und zur ahngetrettenen regirung glück und segen gewünschet, hette auch nicht vor ihro f. g. als einen regirenden sondern als einen natürlichen erbherrn gebetten, seine zuhörer würden solches auch anders nicht auffgenommen haben«,305 während die Räte zu Marburg aus den ersten ihnen 302 StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 206r. 303 StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 168r. 304 Beilage zum Schreiben Aaron Grusemanns an Urban von Boyneburg, Landvogt an der Werra, Eschwege 1627 April 17, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 141–144, hier fol. 142v ; Grusemann teilt auf fol. 142rv dem Landvogt das Schreiben mit, mit dem Fabronius die beiden Formulare an die Metropolitane seines Bezirks, also auch an ihn, geschickt hat und den Wortlaut des Schreibens mit dem er selbst die Formulare an die Pfarrer seiner Klasse weitergeleitet hat. 305 Vernehmungsprotokoll der Pfarrer der Stadt und der Landvogtei Eschwege durch den Landvogt an der Werra, Urban von Boyneburg, und den Rentmeister Henrich Pfefferkorn, Eschwege 1627 April 16 und 17, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 133–140, hier fol. 136r.

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unmittelbar nach der Kanzelverkündigung von den Beamten überschickten Berichten den Eindruck gewonnen hatten, »ob werde der gemeine mann dardurch sehr bestürtzt gemacht, also daß sie balt nicht wissen wollen, woran sie seyen, undt welchem fürstlichen theil sie mit geleisteten pflichten verhafftet pleiben sollen«, wodurch »dem gemeinen pöfel« ein »irriger wahn« beigebracht werde, weshalb sie den Landgrafen um eine adäquate Maßregel baten.306 Wahrscheinlich hatte der Kasseler Superintendent Paul Stein schon von anderer Seite von den »Interrogata« gehört, die die Darmstädter den hessen-kasselschen Pfarrern vorlegten und Anlass zu der Befürchtung, dass nicht alle Antworten zu seiner Zufriedenheit ausfallen würden, weshalb er den Wankelmut der Pfarrer in einem Schreiben an den Gudensberger Metropolitan unter dem Datum des 9. Mai 1627 kritisierte.307 Darin habe er »samptliche fratres classicos erinnert, daß sie sich wohl zu erforschen haben, ob sie H. Wilhelm als episcopum faren lasen und L. Georgen für sothanen erkennen konten«. Nach dem Verständnis Hessen-Kassels seien die Pfarrer »durch den ayd, so sie L. Georgen geleistet […] ihrer pflicht, die sie bei ihrer ahnnehmung einmahl geleistet, gantz nichtt erlasenn worden«, »weil selbiger civil, und das christliche kirchenrechtt nichtt angehet, auch auf L. Georgens f. gn. weiter nicht, als einen pfandhern verstanden worden, und also L. Wilhelm nichstoweniger nach wie vor eigenthumbs herr bleibe«. Sollte bei den gütlichen Verhandlungen, die Landgraf Wilhelm und Landgraf Georg gerade pflegten, nichts herauskommen »und mitt der besorgten deformation forttgefaren werden […], würde es diejenigen, so sich anjetzo auf die interogata schon bequemeten, gar nichts helfenn, sondern würden so wohl als andere auch fortt müssen«. Mit dieser Warnung verwies er auf die Erklärung, die die »pfarrhern becirckß Rotenburgk« auf die Fragen abgegeben hätten, die beim Pfarrer zu Obervorschütz eingesehen werden könne,308 und an der er nichts zu verbessern wüsste. Die meisten Pfarrer standen weiterhin loyal zum Landgrafen in Kassel, dem sie ihre Stelle oder Ausbildung verdankten309 und den sie weiterhin als ihren 306 Anwesende Räte zu Marburg an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Marburg 1627 April 8, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 240, 244, hier fol. 240v. 307 Eintrag im Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 11r. Die »Interrogata«, von denen in diesem Eintrag die Rede ist, können sich inhaltlich und dem Zusammenhang nach nur auf die bereits referierten Fragen beziehen, die der Homberger Amtmann den Gudensberger Pfarrern am 10. Mai 1627 vorlegte und über die das Konventsprotokoll unmittelbar nach diesem Eintrag berichtet. 308 Da wahrscheinlich in Gudensberg, am Sitz des Metropolitans, immer noch die Pest grassierte. 309 Beim Verhör der Pfarrer des Amtes Gudensberg am 10. Mai 1627 sagte Henrich Faber, Pfarrer zu Ermetheis und Adjunkt des Pfarrers zu Metze, er »sey ein adjunctus undt verhoffe promotionem, deswegen er seinem episcopo gehorsam leisten müßen« (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 209r); Caspar Sternberger, der Pfarrer von Maden, gab zu Protokoll, seine

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Bischof und Paul Stein als ihren Superintendenten anerkannten,310 versuchten jedoch in der gegebenen Situation sich mit geschickten Formulierungen aus der Affäre zu ziehen und kamen Landgraf Georg so weit wie nötig und ihnen möglich entgegen, indem sie etwa die weltliche und geistliche Herrschaftssphäre in ihren Worten trennten, »in politicis wolte er […] L[andgraf]. Georgen vor regirendten fürsten und h[errn]. allein halten undt erkennen, in ecclesiasticis aber bekenne er sich noch zur zeit naher Caßel«, »dieweil ihme noch kein ander episcopus vorgestelt sey«, so Reinhard Ratzius, Pfarrer zu Gleichen im Amt Gudensberg, bei seiner Vernehmung.311 Losgetreten worden war die ganze Angelegenheit durch Hermann von Wersabe, der – weil er sich gegen die Einführung der Verbesserungspunkte wehrte – als hessen-kasselscher Amtmann zu Schmalkalden von Landgraf Moritz abgesetzt und von Georg II. von Hessen-Darmstadt bei Übernahme der Pfandherrschaften nun mit dem Titel des Präsidenten zu Schmalkalden wieder eingesetzt wurde.312 Hermann von Wersabe hatte vom Pfarrer seiner Patronatspfarrei Herleshausen die Formulare für die Kanzelverkündigung und das Gebet anlässlich der Herrschaftsübergabe an Wilhelm V. erhalten, die er an Georg II. von Hessen-Darmstadt schickte.313 Auch andere Amtleute in den niederhessischen

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Beweggründe für die Verlesung des Gebetsformulars durch ihn »seyen diese: 1. daß ihre f. g. Herr L. Moritz etc. sein angeborner landsfürst sey, 2. seine studia befordert und dan 3. alß er droben [im Oberfürstentum?, A. J.] cassiret, Ifg. ihme hie unten [im Niederfürstentum, A. J.] wiedrumb g[nädig]. unterhalt gegeben haben« (Ebd., fol. 211v). So deutlich die Aussage des Pfarrers zu Berge im Amt Homberg/Efze, Eckhardt Paff, bei seiner Vernehmung am 13. April 1627, in StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 185rv : »Solang, alß unßer g. fürst und herr Landgraff Georg dieße landt einhett und besäße, hielte er Ifg. vor seinen regirenden landtsfürsten, sonsten sey er, waß das kirchenamptt ahnlangtte, noch in Landtgraff Moritzen pflichtten, sonderlich eines filialen halben Untzhaußen [= Unshausen] genandtt, derhalben köndte er denselben nichtt außschließen, sondern hiltte ihn noch vor seinen summum episcopum, er wieße auch von keinem andern magistratu ecclesiastico alß zu Caßell, sey ihm auch kein anderer vorgesteltt, derhalben er sich schuldig achtete Paulo Steinio zu Caßell, alß seinem superintendenten zu gehorsamen, so lang biß ihm ein ander vorgesteltt werde«. StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 212r. Allerdings gab es auch vereinzelte Stimmen wie die von Johann Pflüger, Pfarrer zu Sipperhausen im Amt Homberg, der pauschal antwortete: »Er woltte Ifg. Landtgraff Georgen tam in politicis quam spiritualibus, sofern ihm widder sein gewißen nichtts zugemuhtet würde, gehorsamblich folgen, und derhalben wenn etwas von Caßell kähme, so Ifg. zuwidder lieffe, daßelbe nichtt ahnnehmen« (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 191r). Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 6, S. 469 (Absetzung); Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 7, S. 656 (Wiedereinsetzung). StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 50–53. Dass das als Postscriptum zu einem unbekannten Brief gekennzeichnete, nicht unterzeichnete Schreiben an einen ungenannten »schwager und gevather« (fol. 50) (der hessen-darmstädtische Kanzler Anthonius Wolff von Todenwarth oder der Vizekanzler zu Marburg Dietrich Reinkingk?) vom 31. März 1627 (ohne Ort, Schmalkalden?) mit dem der Absender einen Bericht, den ihm sein »Diener Balthasar aus Herleshaußen geschrieben« (fol. 51: »Extract Schreibens vom 26. Martij Anno 1627.«, im Übersendungsschreiben als Beilage erwähnt) und das vom reformierten Herleshausener

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Pfandschaften erstatteten über die Ereignisse, die sich am Gründonnerstag oder Ostersonntag, dem 25. März 1627, an manchen Orten auch erst am Ostermontag, auf den Kanzeln abspielten, alarmiert Bericht314 und drängten den Landgrafen von Hessen-Darmstadt und seine Regierung so zu einer Reaktion. Nur der in Rotenburg sitzende Landvogt an der Fulda, Ewald Jost von Baumbach, und der Rotenburger Rentmeister Barthold Winter, schrieben, als sie Landgraf Georg II. das Protokoll der am 16. April 1627 erfolgten Vernehumg der Pfarrer der Ämter Rotenburg und Sontra übersandten: »Weill dann der superintendens [Hermann Fabronius], die zu Cassel vorgangene Herrn Landtgrave Moritzen etc. regirungß ab- unndt Herrn Landtgrave Wilhelmß f[ürstlicher]. g[naden]. antretung, anderer gestalt nit, alß wie die beilage sub lit[era]. C. ausweiset, am grunen donnerstag von der cantzel alhier verkündigt, welches ich der Rentmeister selbst gehort, darin dann E. F. G. meiner einfalt nichtß praejudicirlichs gewessen; so ist ihme jedoch im namen E. F. G. undersagt und verpotten worden, hinfüro ohne vorgangene communication, dergleichen von der cantzel alhier, noch andern E. F. G. pfandt emptern nit mehr zu promulgiren«.315

Zu denken gibt, dass Wilhelm V. von Hessen-Kassel gegenüber Georg II. von Hessen-Darmstadt erklärte, von der Anordnung zur Kanzelverkündigung, mit der der Herrschaftswechsel im Land publik gemacht wurde, gar nichts gewusst zu haben, verhoffe aber gleichzeitig, Landgraf Georg werde sich in den Pfandorten nicht des ius episcopale anmaßen. Angesichts der absehbaren Weiterungen darf angenommen werden, dass – hätte er davon gewusst – Landgraf WilPfarrer Johann Stein erhaltene Formular zur Kanzelverkündigung und zum Gebet (fol. 52f.) übersandte, von Hermann von Wersabe stammt, lässt sich eindeutig aus dem Inhalt des Schreibens sowie der Beilagen und dem Schriftvergleich mit der Unterschrift Hermanns von Wersabe auf fol. 42r unter einem anderen Brief dieses Faszikels erschließen. Zur Belehnung der v. Wersabe mit Herleshausen, Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 5, S. 427. 314 Johann Bischoff, Schultheiß zu Gudensberg, und Eberhard (Ebert) Faber, Rentmeister daselbst, an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Gudensberg 1627 März 27 (»vorgestriges Ostersontags«), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 218 (Abschrift, Postscriptum zu unbekanntem Brief) (Beilage zum Schreiben von Vizekanzler und Räten zu Marburg an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, 1627 März 28, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 217, 219 [Ausfertigung]); weiterer Bericht von: Johann Daniel Lüncker, Schultheiß zu Schwarzenborn, an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Schwarzenborn 1627 April 5, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 241–243 (Abschrift), über die als Ausdruck von Widersetzlichkeit und Aufstachelung zum Ungehorsam gedeuteten Verlautbarungen der Pfarrer Johann Mengosius (Pfarrer zu Schwarzenborn) und Martin Schirling (Pfarrer zu Oberaula) am Ostersonntag (Beilage zum Schreiben der Anwesenden Räte in Marburg an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, 1627 April 8, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 240, 244 [Ausfertigung]). 315 Ewald Jost von Baumbach und Barthold Winter an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Rotenburg 1627 April 18, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 166, 179, hier fol. 166rv. Landvogt und Rentmeister zu Rotenburg vernahmen auch die Pfarrer des Amtes Sontra, »weil E. F. G. rentmeister zu Sontra Antonius Wißman, mit einholung seiner mobilien zu thun gehabt, und dieser verrichtung nit beiwohnen konnen«.

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helm in seiner diplomatischen Weitsicht Kanzelverkündigung und Gebet in dieser Form nicht hätte geschehen lassen. Daher wird man es nicht von vornherein als gespielt abtun können, wenn er Landgraf Georg bittet: »Nun mögenn unnß dieselbe sicherlich glaubenn undt zuetrawenn, daß unnß von dießer anordtnung nichts bewust geweßen« und angibt, erst durch einen Rat, der sich in Privatgeschäften zufällig in Marburg aufgehalten und dort davon gehört habe, darüber informiert worden zu sein.316 Sollte dies zutreffen,317 wirft dies auch ein schlechtes Licht auf Paul Stein und das Kasseler Konsistorium, denen eigenmächtiges, mit dem Landesherrn nicht abgestimmtes, politisch unsensibles und bewusst Missverständnisse provozierendes Handeln in einer für das Land angespannten Lage vorgeworfen werden könnte. Das Geschehen zeigt aber auch, welches Potenzial dem Handeln Geistlicher im politischen Gestaltungsprozess innewohnte und welche hohe symbolische Kraft bei der Behauptung territorialer Ansprüche ihm zukam. Dass die Bevölkerung der niederhessischen Pfandämter die Pfandherren zumindest in Angelegenheiten akzeptierte, in denen dies der Wahrung ihrer Interessen dienlich war, zeigt die Supplikation vom 19. Oktober 1627, die die Inhaber von Darlehen und Pächter von Land der Kirche im Amt Gudensberg vor die Marburgische Regierung brachten, sie möge die Pfarrer, gleich anderen Grundherren, dazu anhalten, ihnen den vierten Teil der rückständigen Zinsen zu erlassen, wie dies der Pfarrer von Metze »vorigen bevelchen gemäß« schon getan habe. Auf den Bescheid der hessen-darmstädtischen Regierung zu Marburg, 316 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Hersfeld 1627 April 12, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 235, 237 (Ausfertigung), das Zitat fol. 235r. Damit antwortete Wilhelm V. auf das Schreiben, das Georg II. aus Torgau am 4. April 1627 an ihn gerichtet hatte (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 96f. [Konzept]), in dem er sein Befremden über die missverstandene Kanzelverkündigung ausdrückte; schon darin heißt es – das »ius superioritatis« über »die in unserm besitz stehende ämbter« behauptend –, aber wohl mehr rhetorisch gemeint, zu der Kanzelverkündigung: »Also können und wollen [wir] nicht glauben, daß solch attentat mit E. f. g. vorbewust beschehen, oder daß sie dergleichen befohlen […]« (Ebd., fol. 96v). Am 17. April 1627 antwortete Georg II. aus Leipzig auf Wilhelms Schreiben vom 12. April (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 236 [Konzept]); darin beharrte Georg II. vor allem darauf, dass ihm mit dem ius territoriale in den Pfandschaften auch das ius episcopale zustünde. 317 Dem steht ein Schreiben von Kanzler und Räten zu Kassel an ihre hessen-darmstädtischen Kollegen, Vizekanzler und Räte zu Marburg, entgegen, datiert Marburg 1627 März 28 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 104f., das mit den Worten beginnt: »Wir werden glaublichen berichtet, alß vor wenig tagen, der hochwürdige, durchleuchtige und hochgeborne fürst und herr, Herr Wilhelm landgrave zu Hessen, administrator deß stiffts Hirschfeld, grave zu Catzenelnbogen etc. unser nuhmehr gnediger regierender landtsfürst und herr, die fürstliche regierung angetretten, und dahero ein gebett und erinnerrung zum volck zur eingehenden glücklichen regierung in den kirchen Ihr[er] f. gn. nuhmehr zustehenden und überlassenen fürstenthumb und landen, nach gehaltener predigt zu thun anbefohlen worden, inmassen dan auch zu Homberg von Ehrn Bartholomaeo Arculario beschehen […]«.

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dass die Pfarrer »auf den 15. Novembris sich entweder sistirenn oder aber in gute mitt ihren censiten sich vergleichen solten«, sei »aber niemandt, weder in der person noch durch einen ahnwaldt oder vollmächtigenn, meineß wissenß erschienen«, so der Schreiber des Eintrags im Konventsprotokoll.318 Am 5. April 1628 schließlich hätten »die untersassen ampttß Gudensperg abermalß und widerumb mit freuden u. gn. f. und herrn L. Wilhelm« gehuldigt. Die Pfarrer selbst seien zu diesem Datum »nur dem actui beizuwohnen erfordert« und später separat auf den 30. Mai »nach Hombergk zur huldigung beschrieben« worden.319 Die Freude darüber, dass aus Sicht der Pfarrer der »Spuk« nun vorbei war, ist dem Eintrag im Konventsprotokoll anzumerken.

2.

Die Einsetzung lutherischer Pfarrer in den niederhessischen Pfandgebieten durch Hessen-Darmstadt und die (vorzeitige) Restitution der reformierten Stelleninhaber durch Hessen-Kassel (1626–1629)

a)

Die Absetzung und Restitution des Pfarrers Bartholomäus Arcularius zu Homberg an der Efze

Persönliche Konsequenzen hatte die Verkündung des Kasseler Herrschaftsübergangs von Landgraf Moritz auf Landgraf Wilhelm V. und die Verlesung des dazugehörigen Gebets von der Kanzel für den Homberger Pfarrer und Metropolitan Bartholomäus Arcularius. Dem Einschreiten der Darmstädter Beamten lag allerdings auch hier ein Missverständnis zugrunde. »Als unser statt pfarrer zu Hombergk in Heßen Bartholomaeus Arcularius jüngsthin uns die gewohnliche huldigungs pflicht plestiret und geleistet, uns vor seinen landtsfürsten zu ehren und zu halten, nachgehends aber solche seine so tewr geschworne pflicht gantz vergeßlich beyseit gesetzet, und von dem Caßellischen superintendenten nicht allein allerhandt befehlschreiben, uns und unserer landsfürstlichen hoheit zu großem praejuditz angenommen, dieselbige in den kirchen offentlich abgelesen und verkündiget, sondern auch noch uff gegenwertige stunde, uns vor seinen landtsfürsten nicht mehr erkennen, sondern seinen forum ecclesiasticum zu Caßell haben will. Demnach so sindt wir gemüssiget worden zu verhuetung noch größern ungemachs solchen gesellen zu cassiren und ihnen ganzlich abzuschaffen.«320

318 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 11v. 319 Konventsprotokoll der Klasse Gudensberg, LKA Kassel, Dekanat Fritzlar, Nr. 22, fol. 11v. 320 So die Sicht Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt in einem Schreiben an den Marburger Superintendenten Georg Herdenius und den dortigen Theologieprofessor Justus Feurborn, Schmalkalden 1627 April 28 (Konzept), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 24f., hier fol. 24rv.

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Das ius episcopale als Mittel territorialer und konfessioneller Selbstbehauptung

Unter dem 25. März 1627 informierte der Homberger Schultheiß Hans Georg Roßbacher Vizekanzler und Räte zu Marburg über die Geschehnisse, wobei er zu Bedenken gab: »Wan dan die underthanen dießes ampts sehr bestürtzet und heutte befelch von Darmbstadt, morgen von Caßell alhier ankommen, ist es an solchen orthern schwerlich zue dienen, in deme dan die underthanen schwerlich im zwanck können gehalten werden«; zumal Amtmann und Rentmeister nicht anwesend seien, bat er darum, ihn durch den Boten wissen zu lassen, wie er sich verhalten solle.321 Die Marburger Regierung ließ das Schreiben am 26. März an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt gelangen und informierte ihn über ihre vorläufig getroffenen Maßnahmen.322 Roßbacher hatte sie am gleichen Tag geantwortet, sie habe aus seinem Schreiben »nicht ohne befrämbdunge vernommen, daß der calvinische pfarher zue Hombergk sich gelüsten laßen, ein solch erdichttet unwarhafft schreiben von der cantzell abzueleßen, darin vermeldet, daß Herrn Landgraf Moritzen f. g. die in die jüngste execution gebrachtte ämpter wieder zuerkandt, und derowegen die zuehöhrer ermahnet, inkünfftig Herren Landtgraf Wilhelmen vor ihren regierenden landes fürsten zu erkennen, und u. g. fürsten und herren Landtgraf Georgen gantz im gebedt außgelaßen«.323

Die Marburger Regierung zog aus der Erkenntnis, »wan dan ahn solcher gerümbtten wieder zueerkandtnuß durchauß kein grundt, und es nurent ein Calvinisch unwarhafftes gedichtt, auch dahin angesehen, die underthanen von ihrem gehuldigten landes fürsten, wieder der keyserlichen mayt. verordtnunge, abwendig und auffrührisch zue machen«, die Konsequenz, an Bartholomäus Arcularius ein Exempel zu statuieren, indem sie dem Homberger Schultheiß Roßbacher auftrug, dafür zu sorgen, »daß gedachtter pfarher, alß ein verächtter der keyserlichen verordtnunge und pflichtvergeßener man, andern zum exempell verwarlich uff einem wagen oder karren anhero gebrachtt und gelieffert werde«. Roßbacher solle »zuevohr mit deme zu Hombergk logirenden capitain und officirern in vertrawen hierauß reden, daß solche ahnstaldt und uffsichtt gemachet werde, damit kein uffstandt zue Hombergk entstehe, undt alles so viell müglich in der stille angestellet und verrichttet werde«.324 Zerst solle er aber in Güte versuchen, von dem Pfarrer die verlesenen Formulare zu erhalten, die die 321 Hans Georg Roßbacher, Schultheiß zu Homberg an der Efze, an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Homberg 1627 März 25 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 110 (Beilage 1 zum nachfolgend zitierten Schreiben der Räte an Landgraf Georg II.). 322 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, 1627 März 26, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 109, 116–117. 323 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Hans Georg Roßbacher, Schultheiß zu Homberg, 1627 März 26 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 111, 114, hier fol. 111r (Beilage 2 zum vorangehend zitierten Schreiben der Räte an Landgraf Georg II.). 324 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Hans Georg Roßbacher, Schultheiß zu Homberg, 1627 März 26 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, hier fol. 111rv.

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Regierungsräte bis jetzt also nicht kannten; ernstgemeint oder ironisch erwarteten sie ein Schreiben, darin Arcularius »von keyserl. mayst. s[eine]r. u[nserm]. g[nädigen]. fürsten und herren geleisteter pflichte entbunden«. Weiterhin trug die Marburger Regierung dem Homberger Schultheiß auf, dass, wenn Arcularius »deren keines vohrzuzeigen und du ihn ohne besorgenden uffstandt also anhero lieffern kanst, den in unßerm schreiben gethanen befehlich alßdan sobaldt exequirest, gleichwoll aber selbest im ampt pleibest, und etwan einen landtknechtt der uberbringunge beyordtnest, und alles mit guter vorsichttigkeitt anstellest. Da aber du die umbstände also befindest, daß ohne weitterunge solches nitt geschehen könte, dem pfarhern obgemelter maßen nurent befragest, und ihme anzeigest, u. g. fürst und her solche despectirunge und vergeßunge dero s[eine]r. f. g. geleisteter pflichtt nichtt also ungestrafft werde hinpaßiren laßen […]«.325

Die Sorge der Marburger Regierung war es also vor allem, Aufruhr zu vermeiden, sei es provoziert durch die Kanzelverkündigung, sei es durch die geplante Verhaftung des Pfarrers; bemerkenswert ist der konfessionelle Grundton der hier ausgetragenen Spannungen zwischen beiden hessischen Linien, der auch in dem Rat der Marburger Regierung an den Homberger Schultheißen greifbar wird, sich durch »solche unerfindtliche der Calvinischen priester zeitungen nicht irren zue laßen«326. Ein entsprechendes Ermahnungsschreiben richteten Vizekanzler und Räte zu Marburg am 27. März 1627 auch an die übrigen Beamten der hessen-darmstädtischen Pfandämter im Niederfürstentum Hessen.327 Die Anordnung des hessen-darmstädtischen Vizekanzlers und der Räte zu Marburg scheint sehr schnell umgesetzt worden zu sein, denn schon unter dem 28. März 1627 – vom selben Tag, als Roßbacher Arcularius »in eigener persohn beneben einem landknecht und sergeanten heut mitwochens früe im pfarhauß gesucht« und den Befehl der Marburger Räte »ohne allen zweivell also effectuiren wollen« – erreichte dieselben ein »sehr nachdenckliches schreiben«328 von Kanzler und Räten zu Kassel, die ihren hessen-darmstädtischen Kollegen vorhielten, mit der versuchten Verhaftung des Homberger Pfarrers nicht nur einen 325 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Hans Georg Roßbacher, Schultheiß zu Homberg, 1627 März 26 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, hier aus dem Postscriptum fol. 114r. 326 Vizekanzler und Räte zu Marburg an Hans Georg Roßbacher, Schultheiß zu Homberg, 1627 März 26 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, hier fol. 111v. 327 Vizekanzler und Räte zu Marburg »An alle Beampten Niderfürstenthumbs«, 1627 März 27 (Konzept, verworfene Reinschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 112 (Beilage 3 zum oben zitierten Schreiben der Marburger Räte an Landgraf Georg II. vom 26. März 1627); eine Abschrift der an den Sschultheißen zu Schwarzenborn, Johann Daniel Daniel Lüncker, abgegangenen Ausfertigung ist überliefert in StAM 315 i, Paket 16. 328 So die Formulierung im Begleitschreiben, mit dem die zu Marburg anwesenden Räte Abschriften der Eingaben von Kanzler und Räten zu Kassel und des Homberger Pfarrers Bartholomaeus Arcularius an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt weiterleiteten, Marburg 1627 April 6, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 101, 108, hier fol. 101r.

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Affront gegenüber dem neuen Landgrafen Wilhelm V. begangen zu haben, sondern auch die Hessen-Darmstadt aus der territorialen Pfandschaft zustehenden, nur die Nutzung umfassenden Rechte überschritten zu haben,329 wohingegen die Darmstädter davon auch das ius episcopale umfasst sahen. Am 29. März 1627 nahm auch Bartholomäus Arcularius selbst in einem Schreiben aus Melsungen an Vizekanzler und Räte zu Marburg zu den Vorwürfen und den gegen ihn eingeleiteten Maßnahmen Stellung. Damit sie »der sachen gründtlichen verlauff recht einnehmen und wie ungleich dieselbe vom schultheißen berichtet worden, verstehen moge« übersandte er zu seiner Rechtfertigung »des Hern Superintendenten zu Caßell mihr zugeschickten copeylichen bevehlich, sampt dem formular der erinnerung und vermahnung zum volck, darinnen auch nichtt ein wortt in deren verleßung von mihr mutiret worden«, und brachte weiterhin vor, dass ihm »hierin fast ungütlich geschichtt, und ich wünschen möge, daß der Herr Schultheiß damals in der kirchen selbst zur stett geweßen wehre, und waß uff empfangenen befelch meines geistlichen magistratus zu Caßell, ich erinnerungs weiße, meinen zuehoerern proponirt, in der person angehört hette, würdt er viell ein anders befunden, und E[in]. w[ohl]E[dler]. G[estrenger]. etc. uff bloße hören sage, und was i[h]n etwa unverstendige leuht berichttet, hierin ohnmolestiret, und meiner in meinem kirchen ampte verschonet haben. […] und gelebe E[ines]. w[ohl]E[dlen]. St[rengen]. etc. ich der trostlichen zuversichtt, weill auß obberürten clagpuncten nicht das geringste wortt mit warheitt auf mich gebrachtt werden kan, dieselbe dem schultheißen in gunsten befehlen werden, er mich in meinem kirchen ampt unperturbirt, und daselbige gebürlich und ohne gefahr verrichtten laße«.330

Aus dem Schreiben ergibt sich, dass der Homberger Schultheiß Hans Georg Roßbacher bei der inkriminierten Kanzelverkündigung gar nicht selbst anwesend war, Arcularius also möglicherweise von Missgönnern beim Schultheißen angezeigt wurde. Nachdem der Versuch der Gefangennahme schon gescheitert war, weil sich Arcularius – zufällig oder gewarnt – nicht in der Stadt aufhielt, wurden die Anordnungen der Marburger Räte nachträglich von Landgraf Georg II. mit einem Schreiben vom 4. April 1627 aus Torgau – wo er sich zu seinen 329 Kanzler und Räte zu Kassel an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Kassel 1627 März 28 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 104–105, weitere Abschrift fol. 238–239. Die Schreiber zeigen sich informiert, dass nach der Kanzelverkündigung des Herrschaftsübergangs durch den Homberger Pfarrer Arcularius »so balt der daselbst itzt new angeordnete Schultheiß Roßbächer ein solches naher Marpurgk berichtet, und da dannen von euch einen befelich bekommen haben solte, ihnen mit mußquetirer naher Marpurg zu führen, und daselbsthin gefenglichen zu liffern, wie er dan ihnen den pfarherrn in eigener Persohn beneben einem landknecht und sergeanten heut mitwochens früe im pfarhauß gesucht, und solches ohne allen zweivell also effectuiren wollen«. 330 Bartholomaeus Arcularius an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Melsungen 1627 März 29 (Abschrift), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 102–103.

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Hochzeitsfeierlichkeiten mit Sophie Eleonore, der ältesten Tochter des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. aufhielt331 – gebilligt, mit der Maßgabe, sich zu erkundigen, ob der Homberger Pfarrer (und der von Jesberg, gegen den ebenso ermittelt wurde) »bey verlesung des Caßellischen patents etwa weiter als andere gangen sind, und also zu gemeinem uffstandt das fewr vor andern uffblaßen wollen […]. Nuhn aber einer oder der ander würd bey dem buchstaben berührten Caßellischen patents oder desen was der Caßellische superintendens geschrieben, allein geblieben und hette also weiters nicht excediret noch begangen als was andre calvinische praedicanten auch gethan, weil ihnen dan nicht gebüret gehabt ohne unsere consens und vorbewilligung dergleichen patent und befelch schreiben anzunehmen und in osterlicher versamblung abzulesen, so sollet ihr sie gegen gewiß gebung eines eidt- und schriftlichen urphedens de revindicando carcere, und erstattung der uffgangnen unkosten der hafften zwar wieder erlaßen, sie aber ihrer dienste dimittiren und ihnen ernstlich einbinden bey unnachleßiger leibsstraff der cantzel sich gentzlich zu enthalten«.332

Das Urteil der Amtsentsetzung gegen Arcularius war also schon gefallen, sein Entschuldigungsschreiben verschlimmerte die Situation nur noch. Landgraf Georg II. vermeinte daraus zu ersehen, »welcher gestalt dehr pfarrer in unsrer statt Hombergk in Hessen Bartholomaeus Arcularius wieder seine uns so hoch und tewr geleistete eid und pflicht gantz eidts vergesslicher weiß sich gelüsten laßen den Caßellischen superintendenten vor seinen superiorn zu erkennen, und selbigen befelch und patent anzunehmen und solche in seiner kirchen zu nicht geringen praejuditz offentlich abzulesen« und sich nun »ferner nicht entblödet in einem an unsre fürstliche regirung zu Marpurgk abgeschickten schreiben […] den Caßellischen superintendenten vor ihren magistratum zu erkennen. […] So wollen wir und befehlen euch gnedig daß ihr gemelten prediger vor euch erfordert, ihm, wie grob und unverantwortlich er wieder seine geleistete Pflicht gehandelt ausführlich imaginirt und darauf nicht allein der dinsten gentzlich erlaßet, sondern auch der kirchen und cantzel bey leibs und lebens straff sich ins künftig allerdings zu enthalten ihm ernstlich einbindet und anbefehlet, und sollet ihr zusehen, daß nicht etwa an dieses abgesetzten statt ein ander sich eindringe, sondern die stelle ledig zu lassen, bis wir uns darüber ercleren«.333

Dies teilte Landgraf Georg II. am 10. April 1627 aus Torgau Amtmann und Rentmeister zu Homberg mit, nachdem ihm die Marburgische Regierung das Entschuldigungsschreiben Arcularius’ zugeleitet hatte. Am 13. April 1627 for331 Rommel: Geschichte von Hessen, Bd. 8, S. 1. 332 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an die Regierung zu Marburg, Torgau 1627 April 4 (Konzept), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 233–234. 333 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an Ulrich Eberhard von Buseck, Amtmann zu Homberg, und Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, Rentmeister zu Homberg, Torgau 1627 April 10 (Konzept), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 216.

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derten Amtmann und Rentmeister Arcularius und die übrigen Pfarrer seiner Klasse zum Verhör, in dem sie ihm die im vorangehenden Kapitel thematisierten Fragen vorlegten.334 Sie scheinen ihn bei dieser Gelegenheit aber noch nicht abgesetzt zu haben, da ihnen das Schreiben des Landgrafen vom 10. April 1627 nach den Postlaufzeiten noch nicht zugegangen war. Über die dem landgräflichen Befehl gemäß erfolgte Vorforderung und Absetzung Arcularius’ informierten sie den Landgrafen erst in einem Schreiben vom 24. April.335 Dabei hätten sie ihn, nachdem sie »ime wie grob und ohnveranttworttlich er widder seine geleystette pflichtt gehandelt, außführlich remonstrirt, […] seines alhier gehaptten pfarrdiensts gentzlichen erlaßen«. »[D]erselbe sich darauff erclertt, daß er es nochmahlß bey seiner vorig gethannen resolution laßen thete, dann er sey ja seiner hiebevor dem superintendenten zu Caßell geleysteter pflichtt noch nichtt erlaßen, stelle es darneben dahin, ob E. f. G. befugtt sey, ihn von solchem amptt, dahin E. f. G. ihn nichtt gesetztt hette, abzuschaffen, er müste unnd woltte zwar pariren, aber dem gerechtten Gott es befehlen«.336

334 Das Protokoll des Verhörs Arcularius’ befindet sich in StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 184r–185r. Das Datum ergibt sich aus dem Rückvermerk der dem Protokoll vorangestellten Übersicht der Fragen (fol. 182f.): »Extrahirte Puncten darauff die Pfarherr des Ampts Hombergk in Heßen den 13 t[en]. Aprilis Anno 1627. befragt worden«. Übersandt wurde das Vernehmungsprotokoll an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt mit einem Begleitschreiben des Homberger Amtmanns Ulrich Eberhard von Buseck und des Rentmeisters Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, vom 15. April 1627; die Postlaufzeiten zwischen Torgau und Homberg an der Efze lassen sich darin aus dem ersten Satz erkennen: »Uff Efg. sub dato den 5 t. hujus zu Torgaw datirtes und unß den 12. t. ejusdem einbehändigtes bevelschreiben […]«. 335 Vor dem Befehl zur Absetzung Arcularius’ an Amtmann und Rentmeister versuchte die Regierung zu Marburg mehrfach vergeblich den Homberger Pfarrer unter Gewährung sicheren Geleits dazu zu bringen, ihrer Vorladung zu folgen, so schreiben Vizekanzler und Räte zu Marburg am 21. April 1627 an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt: »Der pfarrer zue Homberg M. Arcularius ist uf unsere dritte erforderung, und letzlich versprochen sicher geleidt in ab- und zureisen, nicht erschienen, sondern hat sich seines alters und leibes unvermöglichkeit, daß er den weg nicht zu fuß gehen, noch mittel zur fuhr hette, entschuldiget, mit andeutung, daß er sich anderß nicht, alß bereit geschehen, nemblich daß er politicH und civiliter E. f. g. vor den landtsfürsten recognoscirte und ehrete, aber in spiritualibus und ecclesiasticis dem superintendenten zue Casel obligirt wehre, erklären könte, weill aber E. f. g. seiner cassation halber an dero amptman Ebert Ulrichen von Buseck gemessenen befelch abgehen lassen, alß wirdt er demselben gehorsamblich nachzusetzen wissen«. 336 Ulrich Eberhard von Buseck, Amtmann zu Homberg, und Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, Rentmeister zu Homberg, an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Homberg 1627 April 24 (praes.: Schmalkalden 1627 April 27), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 224–225, 230, hier fol. 224r. Darauf, dass Arcularius bis hierhin im Amt blieb, weist auch das diesem Schreiben angefügte Postscriptum hin, in dem der Landgraf darauf hingewiesen wird, dass Arcularius im Gebet Landgraf Georg und dessen Familie erst nach dem fürstlichen Haus Hessen genannt habe, und man sich frage, ob diese Reihenfolge korrekt sei.

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Schon in ihrem Schreiben vom 24. April 1627, in dem Amtmann und Rentmeister dem Landgrafen diese Mitteilung machten, wiesen sie darauf hin, dass »nach beschehener dimission und abschaffung des pfarhers beyde bürgermeister beneben dem stadtschreiber […] umb ersetz- und anderwertige bestellung des dienstes, sintemahl ahnietzo viel kranckens dießes ortts, auch täglich kinder zu teuffen wehren, erinnerung gethan und darumb gebetten«.337 Nachdem infolge der Absetzung Arcularius’ nicht nur die Predigten nicht gehalten, »sondern auch ein bethtag und communion verseumet worden, darüber wie wir vermercket, die bürger theilß etwas ohngehalten unnd schwierig werden wollen«, haben Amtmann und Rentmeister dem Kaplan bzw. Diakon, Ludwig Schröder,338 »welcher sich zur morgenpredigt, die sonsten der pfarrer zu thun pflegett, ahngeschickett, zwar solche (doch ohne halttung der communion) zu thun gestattet und zugelaßen (in erwegung von E. f. g. wir seiner person halben noch zur zeitt keinen bevelch bekommen, auch sonsten wir keinen andern pfarrer gewust, so ahn des abgeschafften stadt die predigten thun sollen), aber darbey ihme caplan durch E. f. g. hießigen schultheißen sagen unnd befehlen laßen, daß er der gebeths formul in der predigt in achtt nehme, und nichtt allein vor E. f. g. alß den regierenden landtsfürsten, sondern auch vor die f[ü]r[stliche]. gemahlin, hern gebrüder, hern vetter, fürstlichen frawen unnd frewlein Darmbstadischer linien und dann vor das gantze hochlöbliche fürstliche hauß Heßen bitten thue«.339

Obwohl, wie die beiden landgräflichen Beamten, Amtmann und Rentmeister zu Homberg, schon in ihrem Schreiben an Georg II. vom 29. April 1627 festellten, »dießer caplan viel harttneckig und halßstarriger alß der pfarrer selbst«, wurde er im Amt belassen. So weigerte er sich – im Gegensatz zu Arcularius – beharrlich, die Darmstädtische Fürbittenformel zu gebrauchen, überdies sei »seine predigtt, wie unß bedeuchtt, zimlich spietz geweßen, denn nachdeme er nichtt das ordentliche evangelium, sondern auß dem 19. cap. des ersten buchs Mosis ettliche versicul vor sich genommen, und in der außlegung einen jedweddern in seinem beruff standhafft zu pleiben und sich umb furchtt, gunst, ohngunst oder nutzen willen darvon nitt abschrecken zu laßen, sondern fur sich zu gahn und sich nichtt umb zu sehen, wie Lotts fraw gethan hette, die auch darüber zur saltzseule worden wehre, erinnert, item daß es keiner uff beyden seytten haltten, noch zweyen hern dienen soltte etc.«.340

337 Ebenda, fol. 224rv. 338 Der Name ist dem Vernehmungsprotokoll der Pfarrer der Klasse Homberg vom 13. April 1627 entnommen, StAD E 5 A, Nr. 81, hier fol. 185v. 339 Ulrich Eberhard von Buseck, Amtmann zu Homberg, und Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, Rentmeister zu Homberg, Homberg 1627 April 29, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 77–79, hier fol. 77rv. 340 Ebd., fol. 78r.

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Mit dieser Stelle erlaubt der Brief einen seltenen Blick darauf, wie die Predigt selbst als Mittel der Kommunikation politischer Botschaften genutzt werden konnte. Für die Pfarrstelle und das Diakonat in Homberg an der Efze, als »einem vornehmen ort« und in dem Bewusstsein, dass »die pfarr bey einer so starcken gemeinde nicht lang ledig stehen kann« wurden Vorschläge für eine anderweitige Besetzung mit »unßrer reinen unverfelschten Augspurgischen Confession zugethanen« Pfarrern gemacht, ohne dass diese allerdings umgesetzt worden wären.341 Eine schwierige Situation für die geistliche Versorgung der Stadt drohte, als sich der Homberger Kaplan Ludwig Schröder Mitte März 1628 ein Bein brach und seinen Dienst vorläufig nicht verrichten konnte. So informierte am 14. März 1628, wie es scheint direkt am Tag des Unglücks, der Homberger Rentmeister Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, Vizekanzler und Räte zu Marburg »in aller eyl«, »daß nachdeme mir anietzo in diser stund angezeigt worden, wesen der hisige caplan durch einen unversehenen fall ein bein entzwey gebrochen habe, daheren von nöthen sein wollen anderwertige verordnung, daß das kirchen ambt versehen« werden möge, zu tun. Sinold schreibt, dafür gesorgt zu haben, dass am nächsten Sonntag ein anderer Pfarrer aus dem Amt die Predigt verrichte und so »biß uf anderwertige gewiße anordnung das kirchen ambt versehen werden solte«. 1628, am 22. Januar alten / 1. Februar neuen Stils hatte Kaiser Ferdinand II. den Hessischen Hauptakkord mit seiner Unterschrift bestätigt, worin die Rückgabe der niederhessischen Pfandschaften von HessenDarmstadt an Hessen-Kassel vereinbart worden war, sodass »[…] bürgermeister und rhat zusambt zünfften und gemeind gantz instendig gebetten, den vorigen von unserm g[nädigen]. fürsten und herrn dimittirten pfarherr so lang dise stelle zu versehen zu lassen, in erwegung die kayserliche confirmation nunmehr erfolget sey, und ihrer zuversicht nach, es kein noth oder bedenckens bey einem oder andern I[hrer] f[ürstlichen] gg[naden]. [von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, A. J.] haben werde. […] Nachdem aber sie ihrer vorigen bitten inkaerirt, und nachmalß gebeten, dafern ich ie hirinn nicht willigen könte, daß ich alßdan ihme vorigen pfarrer 341 Eine Aufforderung, auf geeignete lutherische Geistliche bedacht zu sein, die an die Stelle des abgesetzten Pfarrers zu Homberg wie auch des »an noch unbeurlaubten Diacons« daselbst (sowie des abgesetzten Pfarrers zu Beisheim) treten könnten, richtete Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt am 28. April 1627 aus Schmalkalden an den Marburger Superintendenten Georg Herdenius und den dortigen Theologieprofessor Justus Feurborn, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 24f. (Konzept), daraus die Zitate. Diese antworteten mit einem Schreiben aus Marburg vom 5. Mai 1627 (praes.: Marburg 1627 Mai 6), StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 30f., in dem sie den Hainaer Pfarrer Nicolaus Coriarius als Pfarrer für Homberg und Conrad Engelbach, Pfarrer zu Groß-Karben, als Diakon für Homberg vorschlugen; siehe dazu: Diehl: Hassia sacra II, S. 328, Wilhelm Diehls dort gemachte Angabe: »Anfang Mai 1627 erfolgte dann noch die Absetzung des Homberger Diakonus Ludwig Schröder«, scheint also nicht zuzutreffen; Diehls Angabe wurde übernommen von Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 79f.

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zulassen wolte, alß einen substitutum, deßfals der caplan ihn albereit ersuchet hette, zu admittiren und an dem Gottes dienst nicht zu behindern, hab ich mich erbotten, solches bey tag und nacht E[uren]. g[nädigen]. w[ohl]edlen]. h[ochgelahrten]. zu berichten und mich dero befehlchs zu gehalten«.342

Die zu Marburg anwesenden Räte informierten am 15. März 1628 den Landgrafen darüber, »was es ietzunder mit der Pfar Hombergk vor eine beschaffenheit habe«, und wiesen den Rentmeister an, dass bis zur Resolution des Landgrafen die Homberger Kirche weiter durch die Pfarrer aus dem Amt versehen werden solle.343 Dort, wo während der Pfandherrschaft die reformierten ab- und lutherische Pfarrer eingesetzt worden waren, sollten diese noch bis zum Ablauf eines Jahres nach der kaiserlichen Konfirmation des Hauptakkords bleiben dürfen. Daher war es nicht selbstverständlich, dass der auf Anordnung des Darmstädter Landgrafen abgesetzte Homberger Pfarrer in der Notsituation ohne weiteres einspringen durfte, auch wenn er – wie den Verantwortlichen mitlerweile klar war – deutlich zurückhaltender auftrat als der Kaplan. Offensichtlich genoss der abgesetzte Pfarrer Arcularius aber eine große Sympathie unter der Bevölkerung, wenn Bürgermeister, Rat, Zünfte und ganze Gemeinde sich gemeinsam für seine Rückkehr stark machten. Unter dem 14. März 1628, demselben Tag, an dem der Homberger Rentmeister der Marburger Regierung von dem Beinbruch des Kaplans berichtete, findet sich im Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Paul Stein der Eintrag: »Ehr Bartholomaeus Arcularius, pfarher zu Homberg, berichtet, das der caplan daselbst Ludwig Schröder ein bein zerbrochen, und das predigamt nicht versehen könne; daher der rentmeister an ihn begehrt, das er sich der verwaltung des pfarrambts wieder

342 Der Rentmeister zu Homberg, Wolf Philipp Sinold, genannt Schütz, an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Homberg 1628 März 14 (Abschrift), StAM 22 a 1, Nr. 291. 343 Zu Marburg anwesende Räte an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, 1628 März 15 (Ausfertigung; praes.: Darmstadt 1628 März 21), überschicken ihm abschriftlich den gerade angeführten Bericht des Rentmeisters zu Homberg und was sie ihm ebenfalls unter dem 15. März darauf geantwortet haben, daraus das Zitat, StAM 22 a 1, Nr. 291 (darin die Stücke an den Landgrafen und an den Rentmeister). Wie die Ausfertigung des Übersendungsschreibens der hessen-darmstädtischen Marburger Räte in die im Staatsarchiv Marburg aufbewahrte Kasseler Überlieferung gelangte, ist unklar ; aufgrund des originalen Präsentatvermerks muss das Schreiben aber in Darmstadt angekommen sein. Einen Hinweis könnte der dritte Eintrag zum 28. März 1628 im Diensttagebuch Paul Steins liefern, der möglicherweise auf die hier in Rede stehenden Schreiben Bezug nimmt: »Cantzlar schickt etliche schreiben ein, so von den beambten zu Homberg wegen bestellung der prediger daselbst, und vom landvogt zu Eschwege wegen der pfarr Lauderbach [= Lüderbach] an die regierung zu Marpurg, und von deroselben an Landgraf Georgens f. gn. abgangen, lest auch darbey anmelden, ich solte morgenden tags zu ihm schicken, wolte er mich wissen lassen, was in einem und dem andern resolvirt sey«.

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unterfangen wolle. Weil ihm aber solches bedencklich, wolte er meines raths hierinnen geleben. Ist ihm, auf gepflogenen rath des Herrn Canztlars rescribirt, das er dadurch auff seiten Landgraf Wilhelms f. gn. sich keiner offension zu befahren. So wolte man auch nicht meinen, weil den 26. huius die tradition der pfandämbter geschehen werde, daß es Landgraf Georgens f. gn. ubel auffnehmen werde. Derowegen er in Gottes nahmen sich der ambtsverrichtung auff der beambten begehren wieder undernehmen könne«.344

Der Eintrag zeigt, dass sich alle Seiten über die Delikatheit und Bedeutung der Angelegenheit bewusst waren und auch, dass Arcularius’ primärer Bezugspunkt weiterhin in Kassel lag. Im vierten Eintrag zum 29. März 1628 – nach der am 26. März offiziell erfolgten Rückgabe der Pfandämter an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel – heißt es dann im Diensttagebuch Paul Steins tatsächlich: »Cantzler lest mihr anmelden, das unser gn. f. und herr befohlen, nachdem nunmehr die pfandsämbter ihrer f. gn. wiederum angewiesen, solte ich dem pfarherrn zu Homberg Ehrn Bartholomaeo Arculario schreiben, das er seines diensts wiederum abwarten solle. Worauff ich alsbalt an ihn geschrieben, und ihm diesen ihrer f. gn. befehl zu wissen gemacht«.

Wie aktuelle landespolitische Entwicklungen und die Kirchenherrschaft miteinander verknüpft waren, wird aus diesem Vorgang und seinem Niederschlag im Diensttagebuch Paul Steins besonders deutlich. Die Darmstädtischen Beamten machten Arcularius allerdings weiter das Leben schwer. So findet sich im Diensttagebuch Paul Steins im vierten Eintrag zum 23. April 1628 folgender Bericht von Arcularius’ Schwiegersohn, des Homberger Schulmeisters Magister Hanstein345 : »M. Hanstein, Schulmeister zu Homberg berichtet, wie das seinem schwiegervatter, Ehrn Batholomaeo Arculario, pfarhern daselbst, von den beambten aufs new zugesetzet werde, und sie sich vernehmen lassen, er hette unrecht gethan, das er bei newlicher dancksagung wegen deren zwischen beiden fürsten getroffenen vergleichung, nicht angemeldet, das Landgraff Georgens f. gn. die pfandsambter aus gutem willen Landgraff Wilhelms f. gn. wieder eingereumt. […]«.

Jeder Nuance in diesem angespannten Umfeld wurde also im Hickhack der beiden hessischen Linien Bedeutung beigemessen. Noch ein letztes Problem stellte sich, ein finanzielles. Welche Besoldung sollte Arcularius für die Zeit seiner Suspension erhalten und welche der Diakon Ludwig Schröder, der währenddessen die Aufgaben des Pfarrers übernommen 344 DTB Paul Stein, Eintrag zum 14. März 1628, Nr. 2. 345 Zu ihm: Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 107f.

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hatte? Am 26. Mai 1628 referierten Thomas Wetzel und Bernhard Matthaeus, die Paul Stein zur fürstlichen Kanzlei geschickt hatte, es »seien der pfarrherr und caplan zu Homberg der besoldung halber, so in währender suspension des pfarhers erschienen, dergestalt verglichen, das der pfarher davon 2/3 und der caplan 1/3 haben und geniessen solle«.346 Arcularius, der die mit dem Metropolitanat verbundene Homberger Pfarrstelle seit 1612 innehatte, starb 79jährig erst 1652.347 Ludwig Schröder, Kaplan in Homberg seit 1601, erlag 1635 der Pest.348 Ihm folgte noch im gleichen Jahr Nicolaus Majus als Kaplan, der 1648 dem alten Arcularius als Adjunkt beigeordnet wurde und von ihm auch das Pfarramt übernahm.349 Über den Lebensabend und die finanzielle Versorgung des Homberger Pfarrers Bartholomäus Arcularius gibt im Zusammenhang mit seiner Amtsnachfolge durch Nicolaus Majus der allerletzte Eintrag im Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger Auskunft, zum 25. April 1648: »Ist Nic. Majus Diac. zu Homberg, uf befehl erschienen, und ist ist [verschrieben für : ihm] der metropolitanatus und die pfarr zu Homberg, uf getane pflicht, anbefohlen, nachdem der alte Pf. Bart. Arcularius resignirt hatte. Er soll aber biß zu tödlichem hintritt B. Arcularii mit der diaconatbestallung sich genügen lassen. Wozu ihm, Maio, umb seiner vielen kinder willen, zur viehzucht, in beysein Matthiae Hansteins, als gevollmechtigten von seinem schwiegervatter, bewilligt, der halbe theil hew und graß von den 2 pfarrwiesen, doch daß sie dieselbe gesamter hand mehen lassen; und dann die halbe abnutzung von den 7 graßflecken. Wan ein newer diaconus dahin komt, der soll von der pfarrbesoldung so viel haben als die diaconatbestallung ertregt, das ubrige soll ihm, B[artholomaeo]. Arculario, ad dies vitae, beneben einem canonicat, verbleiben. Wan aber Ehr Arcularius mit tod abgehen würde, soll Ehr Majus die eigentliche pfarrbestallung zu sich nemen u. dem neuen diacono die alte diaconatbestallung cediren«.

Interessant an den Vorgängen um den Homberger Pfarrer Bartholomäus Arcularius ist die Verknüpfung von Darmstädter und Kasseler Überlieferung, das Eingreifen der »großen Politik« in lokale Zusammenhänge und deren Bedeutung für die Vermittlung von Herrschaft. Die Interventionen der Herrschaftsträger geben auch einen anschaulichen Einblick in das frühneuzeitliche Verständnis 346 DTB Paul Stein, Eintrag zum 26. Mai 1628, Nr. 1. Schon unter dem 7. Februar 1628, Nr. 1 findet sich dort der Eintrag: »Cantzlar und räthe schicken eine supplication Ehrn Bartholomaei Arcularii pfarhers zu Homberg ein, darinnen er anhelt, das ihm die pfarrbesoldung / tempore seiner suspension gefolget werden möge«. 347 Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 25f. 348 Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 79f. 349 Bätzing: Pfarrergeschichte des Kirchenkreises Homberg, S. 26–29; auf S. 27 wird 1649 als Jahr der Übernahme des Pfarramtes angegeben, der nachfolgend zitierte Eintrag aus dem Diensttagebuch des Kasseler Superintendenten Neuberger lässt aber eine Datierung auf 1648 zu.

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fürstlicher Herrschaft sowie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Herrschaftsebenen. Missverständnisse und unüberlegte Formulierungen von der Kanzel konnten im Konflikt zweier Linien und zweier Konfessionen zu weitreichenden Konsequenzen führen.

b)

Reformierter Diakon neben lutherischem Pfarrer: Die Restitution des Diakons Samuel Andreas Cancrinus – konfessionelle Spannungsprogrammatik in Niederurff

Am 28. März 1628 suchte bei dem Kasseler Superintendenten Paul Stein »M[agister]. Cancrinus, unschuldig suspendirter Caplan zu Urff, […] um den pfardienst daselbst an«, woraufhin ihm geraten wurde, »weil es ungewiß, wie bald die remotio des new eingeführten pfarhers vorgehen würde, sollte er um restitution in sein [Kaplans-] ambt anhalten«.350 So kam es dann nach Abstimmung mit Vizekanzler und Räten351 auch und schon am 4. April 1628 notierte Paul Stein in sein Diensttagebuch: »M[agister]. Cancrinus ist in sein voriges ambt völlig wieder eingesetzt, und ihm, sich aller moderation zu befleissigen, und zu ärgerlichem gezänk und zuruttung der ge350 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 28. März, Nr. 8 (kursive Hervorherbung und Ergänzung von A. J.). Samuel Andreas Cancrinus wurde anlässlich der Visitation der Klasse Borken am 29. April 1623 als Diakon bzw. Kaplan – Stellvertreter des Pfarrers – im nordhessischen Niederurff eingeführt, siehe: Visitationsprotokoll der Klasse Borken, 26. April bis 2. Mai 1623, StAM 315 a, Nr. 22 (darin letztes Stück, in der Handschrift des Superintendenten Paul Stein, fol. 2r); siehe auch den Eintrag über die Visitation im DTB Paul Steins 1622/23 zum 26. April 1623. In StAM 22 a 8, Nr. 658 (Niederurff) findet sich Cancrinus’ Gesuch um die Diakonatsstelle zu Niederurff beim Konsistorium zu Marburg (präsentiert am 1. August 1621), Schriftwechsel mit den Patronatsherren, der Befehl des Konsistoriums an Cancrinus, sich am 7. Januar 1622 zum Examen in Marburg einzustellen (Konzept), die Abordnung zur Probepredigt am 10. Januar 1622 (Konzept) und die Mitteilung des Einverständnisses der Gemeinden Ober- und Niederurff durch den Kasseler Superintendenten Nicolaus Eckhardi ans Konsistorium vom 29. Januar 1622 sowie die Anordnung zur Einführung vom 8. Februar 1622 (Konzept). 351 Das Konzept (verworfene Reinschrift) des auf Anforderung Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel am 3. April 1628 durch Paul Stein angefertigten Bedenkens »wegen widereinsetzung deß hiebevor entsetzten Caplanß zu Urff, Cancrini, sodann auch wegen remotion deß new eingeführten Pfarrhers daselbst« (Textbeginn), befindet sich als erstes Stück in StAM 318 Kassel, Nr. 1064: »Bedencken wegen restitution des Caplans zu Urff, Cancrini, und remotion des daselbst new eingesetzten Lutherischen Pfarhers, Henrich Mogken. Ist F[ürstlicher]. Cantzley durch Herrn Wetzelium, Herrn Matthaeum und Herrn Johan Daniel Starcken am 3. Aprilis eingeschickt; welche mihr wieder referirt, das F. Regierung, so viel den ersten puncten und wegen des andern puncten den letzten § Sollte aber dasselbe etc. anlangt, eben dieser meinung wehren, und diese sach nunmehr diesem bedencken gemehs expedirt werden könne« (Rückvermerk); Randbemerkungen, Unterschrift und Rückvermerk stammen von der Hand Paul Paul Steins, der Text selbst von der Hand seines Dieners und Schreibers Johannes Pforr.

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meinden keine ursach zu geben, der catechisation sich allein zu undernehmen, auch dem schulmeister, in der schul eben den catechismum, den er in der kirch lese, der jugend vorzuhalten, zu befehlen angesagt worden; wie ihm dan auch sowohl an den jetzigen pfarhern, als die sämtliche gemeinden deswegen schreiben mitgegeben worden«.352

Die lutherischen Adligen der niederhessischen, Hessen-Darmstadt zur Exekution des Reichshofratsurteils von 1626 zugewiesenen Pfandämter nutzten die Gunst der Stunde, um mit Unterstützung des Darmstädter Landgrafen, der in den Pfandämtern auch das ius episcopale beanspruchte, die ihnen im Gefolge der Einführung der Verbesserungspunkte aufgedrungenen calvinischen Geistlichen ab- und lutherische einzusetzen.353 Niederurff, der Ort, um den es hier geht, liegt im Löwensteiner Grund, benannt nach der regionalen Adelsfamilie derer von Löwenstein, und gehört heute zur Stadt Bad Zwesten im Landkreis Schwalm-Eder, damals zum Amt Borken und zur gleichnamigen Pfarreiklasse.354 Das Präsentationsrecht für die erste 352 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 4. April, Nr. 5. Während seiner Suspension scheint Samuel Andreas Cancrinus, zumindest vorübergehend, eine Versorgung als Adjunkt zu Allendorf an der Landsburg im Amt Treysa erhalten zu haben, siehe das »Verzeichnuß, waß die Pfarrer im Landt den Exulanten uff beschehene Underhandlung des Consistorij In Cassel zu contribuiren bewilliget«, angelegt 1627 (StAM 22 a 8, Nr. 12), wo auf fol. 11v auf der rechten Seite steht: »adjunct: M. Cancrinus gewesener praeceptor paedagoeg [zu Treysa, A. J.]. N[ota.] dieser soll nach dem Fürstenthumb Anhalt verreißet sein. Umb dienst anzuhalten«; offenbar hat sich Cancrinus also bemüht, in einem anderen reformierten Territorium ein geregeltes Auskommen zu finden, was ihm anscheinend nicht gelungen ist. 353 Dies geht beispielsweise aus dem Schreiben Friedrich Hermanns von Boyneburg, genannt von Hohenstein, an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, aus Jestädt vom 28. September 1626, hervor, in dem er Georg II. durch die kaiserliche Anweisung der Pfandämter und die Huldigung als neue Landesobrigkeit anerkannte und um einen lutherischen Pfarrer für Niederdünzebach (bei Eschwege) ansuchte, da »die vonn der ritterschafft im underfürstenthumb Heßen, vonn anno 1608 unnd alßo viel jahr hero, der reinen unserer confession verwantten prediger beraubtt gewesen, und uns mitt andern uber land geseßenen behelffen, die sache aber dem lieben Gott befehlen müßen […]«, StAD E 5 A, Nr. 81 (erstes Stück im Konvolut [fol. 1 und 5], das Zitat fol. 1r). Über »Die Opfer der hessen-darmstädtischen lutherischen Reformation in Niederhessen« (wie auch in anderen [vorläufig] an Hessen-Darmstadt gekommenen Gebieten) gibt einen Überblick, Diehl: Hassia sacra II, S. 326–329, der Niederurffer Kaplan Cancrinus (Krebs) wird auf S. 329 erwähnt, wo der 5. Juni 1627 als Tag seiner Absetzung genannt wird. 354 In dem Übersendungsschreiben vom 30. April 1627, mit dem Ulrich Eberhard von Buseck, der Amtmann des Amtes Homberg/Efze, und Martin Köler, wahrscheinlich der Rentmeister zu Borken, das Protokoll der von ihnen am 25. April 1630 auf Befehl des Darmstädter Landgrafen vorgenommenen Vernehmung der Pfarrer von Stadt und Amt Borken über ihr Verhältnis zum Inhaber der Pfandämter, Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, vor dem Hintergrund des durch die Pfarrer von den Kanzeln verkündeten Herrschaftsantritts Wilhelms V. von Hessen-Kassel, an ihren Auftraggeber schickten, heißt es über die reformierten Geistlichen zu Niederurff: »[…] haben wir die praedicanten in stadt und ambtt Borken uff E. F. G. rendthauß zue Borken vor unns erfordert, deren ahnn der zahl

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Pfarrstelle zu Niederurff stand Hessen (-Kassel) zu, erst am 25. April 1629 wurden damit die von Löwenstein belehnt, während die Familie von Urff das Präsentationsrecht für die Stelle des zweiten Pfarrers, des Kaplans (auch Diakon oder, im Falle Niederurffs, »Frühprediger«355), daselbst hatte.356 Unter dem 11. Mai 1627 avisierte Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt aus Vacha seinen Superintendenten zu Marburg, Georg Herdenius, »was Christoff von Lowenstein wegen anordnung und uffführung eines der reinen und unverfelschten Augspurgischen confession zugethanen pfarrers gesuchet auch was berichte unsere regirungs räthe deshalben an uns gelangen lassen« und bittet Herdenius, »daß ihr ihn [Christoff von Löwenstein], so fern er die collatur hatt, des verstendiget, darmit er uffs forderlichst ein feine düchtige qualificirte person nominire und vorschlage, auch solche ad examen definitorum nacher Marpurgk abschicke.357 Wird dann selbiger vor düchtig und sattsam qualificiret befunden, auch den gewohnlichen religions reverßen von sich geben, sollet ihr den calvinischen intrudirten praedicanten so balt cassiren und an desen stelle dießen newen pfarrern confirmiren und ufführen und eüch daran nicht säumen«.358

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13, vonn welchen 11 gehorsamlichen erschienen, 2 aber alß der vonn Obern- und Niederurffa, Johannes Pistorius und Samuel Krebß diaconus, wegen leibs schwachheit sich entschuldiget« (StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 82, 93, das Zitat fol. 82r). Auch mit ihrer Abwesenheit haben die beiden eine Stellungnahme abgegeben, die wahrscheinlich auch als solche verstanden worden ist. Die Stelle wird auch als »Frühmesslehn« oder »Frühealtar« (Christoph von Löwenstein an Vizekanzler und Räte zu Marburg, Marburg 1627 Juni 2 [Abschrift], StAM 318 Kassel, Nr. 1064) bezeichnet, was auf ihren Ursprung als Stiftung zur Feier der Morgenmesse hindeutet. Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 97–102; die Urkunde vom 25. April 1629, mit der die von Löwenstein formell mit dem Präsentationsrecht für die erste Pfarrstelle zu Niederurff belehnt werden, wird zitiert Ebd., S. 98–100 in Anm. (h); das Recht zur Konferierung des »Frumeßen Lehn« durch die von Urff wird schon »[i]n einem unter der Regierung des Herrn Landgrafen Moritz verfertigten Dorfbuche« erwähnt: als die von Urff das Lehen »Ao. 1581 gutwillig bey die Kirch wiederumb verordnet«, sei ihnen gestattet worden, »eine eigene Person damit zu präsentiren, welche dem Pfarr-Herrn das Amt hilft versehen« (Ebd., S. 100 Anm. (i)). »Hessen-Darmstadt lehnte die kasselische Konsistorialverfassung ab und so wurde 1624 nach der Inbesitznahme des Marburger Teiles von Oberhessen durch Hessen-Darmstadt für das Gebiet der Superintendentur Marburg eine Definitorialordnung erlassen und ein förmliches Definitorium errichtet. […] 1625 wurden die Definitorien in Marburg und Gießen zu einer Einrichtung in Marburg zusammengelegt […]«. 1628 kam die »Zuständigkeit für die darmstädtisch gewordene Herrschaft Schmalkalden« hinzu. »Damit war das Definitorium in Marburg bis 1648 für das ganze Oberfürstentum und die Herrschaft Schmalkalden zuständig«, Klingelhöfer / Stamm, S. XIV f.; siehe auch Diehl: Hassia sacra II, S. 141–145 (»Die Errichtung des Marburger Definitoriums im Jahr 1624 und seine Zusammensetzung in der Zeit von 1624 bis 1648«). Georg II. von Hessen-Darmstadt an Georg Herdenius, (lutherischer) Superintendent zu Marburg, Vacha 1627 Mai 11, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 75 (Konzept).

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Schon am folgenden Tag schrieb Georg II. wieder an seinen Marburger Superintendenten und erklärte sich mit Henrich Mogk, Pfarrer im waldeckischen Mandern, den ihm die v. Löwenstein vorgeschlagen hatten, und mit der Absetzung des noch amtierenden calvinischen Pfarrers, Johann Pistorius, der Ende 1627 oder Anfang 1628 starb,359 einverstanden, erklärte aber in Anbetracht der Problematik des von den v. Löwenstein beanspruchten Patronatsrechts, »wir wollen aber und befehlen euch in gnaden, daß ihr den religions revers erfordert und bey uffführung besagten pfarrers den von Lewenstein anzeiget, daß wir hierdurch anizt rechtens oder gerechtigkeit, welche unserm furstlichen Haus Heßen zustendig ist und competiren mag, uns zumahl nichts vergeben, sondern daßelbige uns austrücklich reserviret, vornemlich aber uns dahin bedinget haben wollen, daß wir einzig und allein zu fortpflanzung der wahren evangelischen religion, und zwar aus sonderlichen gnaden darmit wir denen von Lewenstein zugethan, den ernenten Henrich Mogk uffführen laßen, doch daß die von Lewenstein hiernechst dießen actum wedder in possessorio noch pettitorio anziehen, sondern also halten und achten sollen gleichsam derselbige niemals vorgangen«.360

Am 27. Juni 1627 schrieb Christoff von Löwenstein an Landgraf Georg II. und brachte sein und des neuen Pfarrers Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass der Landgraf seinem Superintendenten am 5. Juni 1627 auf dessen Bericht »gnedig rescribiret [habe], das derselbige den caplan zu Nieddernurff seines dinstes erlaßen und von seinem amptt removiren, gleichwoll ihme, dem caplan, uff drey monat noch seine besoldung gefolgett und gehandtreichtt werden, under deßen aber und biß zu fernner verordnung der von E. F. G. neuw eingefürter und der unverenderten Augspurgischen confession zugethane pfarher daselbsten den pfarr[-], so wohll auch den caplan dinst zum fleißigsten versehen sollt«.361

Schon zuvor hätten Vizekanzler und Räte zu Marburg auf Christoff von Löwensteins Anhalten, »Georgen von Urffen alß patrono selbiger capellaney ihnen, den caplan, seines dinst zu erlaßen und zu removiren auch innerhalb 4 wochen einen andern der reinen unverfelschten Augspurgischen confession zugethanen zue praesentiren […] anbefohlen«, welcher Aufforderung Georg von Urff aber 359 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 11. Februar, Nr. 2: »M[agister]. Pistorii s[elig]. gewesenen pfarhers zu Urff wittibe lest einen befehl einlieffern wegen der wittibenstewer«; siehe auch den Eintrag zum 7. Mai 1628, Nr. 1. 360 Georg II. von Hessen-Darmstadt an Georg Herdenius, (lutherischer) Superintendent zu Marburg, Marburg 1627 Mai 12, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 77 (Konzept). 361 Christoff von Löwenstein an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Zwesten 1627 Juni 27, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 83f., hier fol. 83r. Georg II. begründete die für ein Vierteljahr gewährte Fortzahlung der Einkünfte an die abgesetzten calvinischen Pfarrer in einem Brief an den Marburger Superintendenten Herdenius über das Ansuchen Friedrich Hermann von Boyneburgs, »daß wir die in seinen dorffschaften angesetzte calvinische praedicanten abschaffen […] wolten«, mit dem Bemerken, »darmit selbige sich der ubereilung nicht zu erclagen haben«, Marburg 1627 Juni 11, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 81 (Konzept).

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bislang nicht nachgekommen sei, weshalb sich Henrich Mogk, der neu eingesetzte Pfarrer, beklage, »so wehre es ihme aber fast unmoglich, weiln er an dreyen underschiedlichen ortten,362 sontag- alß auch wochentlich zu pretigen hette, ohne verseumung der zuhörer alß auch haltung der ordentlichen kinderlehre (welche den an selbigen ortten, weyln des ein zeit hero eingerießenen Calvinismi, hochnotig), zu verrichten, ihme auch gar beschwerlich sey, einem andern seinen lohn und besoldung vor zu verdienen, der es ihme doch keinen danck wüste, sondern vielmehr sein gespött und hon darüber triebe«.363

Christoff von Löwenstein bat daher den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die Patronatsherren v. Urff nochmals zur schleunigen Präsentation eines lutherischen Kaplans zu ermahnen und, sollten sie dem nicht nachkommen, selbst einen solchen anzuordnen und dem removierten calvinischen Pfarrer wie auch dem Kaplan keine Besoldung über ihre Amtszeit hinaus zu gewähren, um »den itzigen pfarhern, nicht frustra laboriren und ihme also nudum officium absque proven[ien]tibus ufflegen laßen [zu] wollen«.364 Die Bitte Christoffs von Löwenstein um einen lutherischen Kaplan wurde nicht erhört. Stattdessen einigten sich Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt am 24. September 1627 auf den Hessischen Hauptakkord, der eine Rückgabe der niederhessischen Pfandämter vorsah. Flankiert wurde der Hauptakkord durch mehrere Nebenverträge vom gleichen Tag, darunter einer zu den religiösen Fragen. Dieser stellte fest, dass die lokalen Adligen in der »zeit dieser pfandlichen einhabung mit erlaubnuß Herrn Landgraff Georgens [von Hessen-Darmstadt] f[ürstlicher]. g[naden]. in der religion enderung vorgenommen« hatten und bestimmte: »Endlich sollen alle in zeit der pfandschafft […] under denen vom adell eingeführte prediger noch auff ein jahr lang, vom tag der verhoffenden keyserlichen confirmation anfahend, bey ihren diensten undt besoldungen toleriret, ihnen auch schutz undt schirm gehalten werden«, außerdem wurde »abgeredt undt verwilligt, daß dieselbe vom adell macht haben sollen, nicht zwar in den offentlichen kirchen ihrer flecken undt dörffer, sondern in ihren häusern auff ihren kosten [lutherische] prediger vor sich undt ihre gesinde, undt wer weiter dieselbe hauß predigten zu besuchen begehrt, zu halten«.365 Die kaiser362 Neben Niederurff mussten Oberurff und Römersberg als Filialen versorgt werden, Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 100. 363 Christoff von Löwenstein an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Zwesten 1627 Juni 27, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 83v. 364 Christoff von Löwenstein an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Zwesten 1627 Juni 27, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 83v, 84r. 365 »Abschied wie es zu Schmalkalden, Dreiss Ziegenhain, und under denen Lutherischen von der Ritterschafft der Religion halber gehalten werden solle«, so der Rückvermerk Paul Steins auf seinem wahrscheinlichen Handexemplar in StAM 318 Kassel, Nr. 1441, danach erfolgen die Zitate; die Ausfertigung für Hessen-Kassel liegt in StAM Urk. 5, Nr. 94; stellenweise verderbter Druck in: Gründliche Erzehlung, Beilage 206 (S. 509–510).

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liche Konfirmation des Hauptakkords fand am 22. Januar alten/1. Februar neuen Stils 1628 statt.366 Die mit Erlaubnis Hessen-Darmstadts in Niederhessen eingeführten lutherischen Pfarrer durften also noch bis zum 22. Januar/1. Februar 1629 auf ihren Positionen bleiben. Wenn Hessen-Kassel also schon am 4. April 1628, wie am Beginn dieses Teilkapitels zitiert, den von Hessen-Darmstadt abgesetzten calvinischen Kaplan zu Niederurff, Samuel Andreas Cancrinus, restituierte und ihn dem lutherischen Pfarrer Henrich Mogk an die Seite stellte,367 war absehbar, dass es über unterschiedliche Lehrkonzepte, Aufgabenzuteilung und Besoldungsfragen wie auch die Rechtmäßigkeit der Restitution zu Spannungen kommen musste. An ebendiesem 4. April 1628 schrieb Paul Stein an Henrich Mogk, den Pfarrer zu Niederurff. Darin erwähnt er, dass mit der notwendigen Wiederbesetzung der »Fruepfarrstelle zu Nider Urff« durch Samuel Andreas Cancrinus »Juncker Georg von und zu Urff auch, als collator solcher pfarr, wie ingleichem greben und vorsteher inhalt ihrer eingeschickten intercessionen, mit seiner person wohl zufrieden«. Cancrinus solle sein Amt, so wie er es vor seiner Entsetzung wahrgenommen habe, wieder ausführen, »[i]mmassen ihme auch desen vollige verwaltung mit predigen, administration der heiligen sacramenten, catechisation der jugend, proclamation und copulatation der verehlichten, besuchung der kranken und leichbestattung der verstorbenen und andern derogleichen verrichtungen […] anbefohlen worden«. Mit der rhetorischen Untertreibung, »weil ihr in religione etwas different«, ermahnte Paul Stein sowohl Henrich Mogk, »das Ihr euch alles lesterns und schmehens auff unsere confession gäntzlich enthaltet, und die zwischen beiderseits Evangelischen annoch streitige, zu erbawung des gemeinen mannes wenig dienende puncten von der cantzel lasset, undt allein dasjenige, daran der gemeine man zu seiner seeligkeit gnug hat, in ewern predigten mit gebührendem fleiß und eiffer treibet, auch ihn, Cancrinum, mit der catechisation der jugend, gewisser ursachen halber, allein gewehren lasset«,

wie auch »M. Cancrino ebenmessig, sich aller gebührenden moderation zu befleissigen, und zu ärgerlichem gezäncke und zerrüttung der gemeinden keine ursach zu geben, ernstlich eingebunden worden« sei. Dies geschehe – weil Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel vertragsgemäß bis zum 22. Januar/ 1. Februar 1629 Mogk bei seinem »dienst und besoldung unverdrungen zu lassen gemeinet« – damit »durch ewer beider dienst die euch anbefohlene gemeinden der gebühr erbawet werden mögen«.368 Mit der Formulierung »die 366 »Haubtvertrag […]«, S. 180–210 (Nr. CXII). 367 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 4. April, Nr. 5. 368 Paul Stein an Henrich Mogk, Kassel 1628 April 4, StAM 318 Kassel, Nr. 1061 (eigenhändiges Konzept Paul Steins; Rückvermerk von ihm: »Conceptschreiben an Henrich Mogken ietzigen Pfarhern zu Urff, M. Cancrini restitution betreffend«). Dies ist wahrscheinlich der

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zwischen beiderseits evangelischen annoch streitige […] puncten« lehnte sich Stein an eine Formulierung aus dem Titel seiner Schrift »Evangelischer Kirchen Brüderschafft […]« an. Auch an Cancrinus selbst hat Paul Stein, als die Auseinandersetzung sich zuzuspitzten begann, »neben zuschickung der copeien beider an den pfarhern, Mogken, gethanen schreiben,369 geschrieben, sich seines orts auch nach solchen schreiben zu achten. Die communion und confirmation der kinder solle er, wie bräuchlich, ankündigen und halten, und einem jeden, ob er bey ihm oder seinem collegen sich einstellen wolle, frey stellen, gleichwol aber in privata conversationibus sowohl, als in den predigten, data occasione, mit gebührender bescheidenheit sich befleissigen, die verirrete wieder zurecht zu bringen. Diejenige communicanten, so sich beym pfarhern hiebevor zur communion eingestellet, solle er gern und williglich wieder annehmen, und sie, das sie recht und wohl dran theten, das sie sich wieder zurecht funden, underrichten«.370

Stein hieß es also – aus konfessionellen Erwägungen und anscheinend im Bewusstsein der daraus zu befürchtenden Weiterungen – gut, dass der reformierte Kaplan dem lutherischen Pfarrer die Abendmahlsempfänger wegnahm. Die Cancrinus hiermit abschriftlich übermittelte Erklärung Steins an Mogk war schon die Reaktion auf ein Schreiben Mogks, »darinnen er sich wegen restitution des caplans daselbst, Cancrini, wie ingleichen, das er die streitige puncten von der cantzel lassen, und ihme, Cancrino, die catechisation der jugend uberlassen solle, zum höchsten beschwehret. Diß schreiben ist f. regierung zugeschickt worden«.371

Auch die v. Löwenstein ließen sich die Aktion des Kasseler Superintendenten nicht ohne Widerspruch gefallen. Am Ostermontag, dem 14. April 1628, teilte Cancrinus Paul Stein mit, »dass ihm am vergangenen freitag, wie ingleichen den ostertag die kirch [der Filiale] zu Obernurff versperret worden sey, und er den schlüssel darzu nicht habe bekommen, und derowegen unverrichter sach wieder Entwurf zu dem Schreiben an Mogk, von dem Paul Stein im Eintrag zum selben Tag in seinem Diensttagebuch sagt, er habe ein solches Cancrinus mitgegeben. 369 Im DTB Paul Steins wird unter dem 11. April 1628, Nr. 6 ein weiteres Schreiben an den Pfarrer Mogk erwähnt: »An den pfarhern zu Urff, Henrich Mogken, hab ich ein antwortliches schreiben begrieffen, weil f. regierung noch zur zeit nicht fur nötig erachtet, das sie selbst hinschrieben; In meinem schreiben ihme gezeigt, das die introductio Cancrini weder seinem, des pfarhers, gewissen, noch auch seinem ambt, oder denen von ihm hiebevor Landgraff Georgens f. gn. geleisteten pflichten, und zurückgegebenem reverß zuwieder sey«; Konzept des Schreibens in StAM 318 Kassel, Nr. 1064. 370 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 12. April, Nr. 2; im ersten Eintrag zu diesem Tag heißt es: »F[ürstlicher]. regierung hab ich das concept an den pfarhern zu Urff zugeschickt, welche ihr dasselbe belieben lassen. Ist also mundirt und ausgefertigt worden«. 371 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 10. April, Nr. 3.

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abziehen müssen«,372 was ein scharfes Schreiben der fürstlichen Räte an die von Löwenstein zur Folge hatte, »Cancrino die kirch zu öffnen, und ihn sein ambt unverhindert verrichten zu lassen, mit vorbehalt der straff wegen desen, das sie ihme dieselbe am freitag und ostertag versperret gehabt«.373 Nun weitete sich die Angelegenheit aus. Am 21. April 1628 erhielt Stein von Kanzler und Räten zu Kassel ein Schreiben der Darmstädtischen Regierung zu Marburg, »wegen restitution des caplans zu Urff, Cancrini; und vermeinen, solche restitutio sey deme zu Darmbstad gemachten abschied zuwieder. Hirauff hab ich mit etlichen des ministerii, als Ehrn Wetzelio und Ehrn Johan Daniel Starcken (der hoffprediger Ehr Matthaeus ist zwahr auch darzu erfordert worden, aber nicht erschienen) aus dieser sach communicirt. Und ist fur rathsam angesehen worden, das ich, der superintendens, ein schreiben an die hiesige regierung thun, und darinnen deduciren solte, das angeregte des Cancrini restitutio dem Darmbstadischen abschied keines weges zuwiederlauffe. Und würde alsdan bey den Herrn Räthen stehen, ob sie solch mein schreiben der f. regierung zu Marpurg zuschicken, oder sonstet dieselbe beantworten wolten«.374

Dieses Schreiben konzipierte Stein, stimmte es mit seinen Kollegen im Kasseler Predigerministerium ab und schickte es zusammen mit Auszügen aus den Kirchenordnungen von 1566 und 1574, »welcher gestalt man die unnötige, streitige puncten von der cantzel lassen solle«, am 24. April 1628 an die Kasseler Kanzlei.375 Thomas Wetzel, erster Pfarrer an der Brüderkirche, und Bernhard Matthaeus, Hofdiakon, die Stein »auf der räthe begehren zur cantzley abgefertigt, ihnen auch ein memorial etlicher puncten, daraus sie mit f. räthen communiciren solten, mitgegeben«,376 »referiren hinwiederumb« »Ad 1. Sie, die Regierung, wolte die Marpurgische räthe wegen Urff beantworten; und solte ich immittelst uber der einmal daselbst von mihr beschehenen verordnung halten, und daran sein, das deroselben der gebühr nachgesetzt werde«.377 Nach seiner Marburgischen Regierung meldete sich nun auch Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt in einem eigenen Schreiben mit demselben Vorbringen, den die Kasseler Räte »in eundem sensum« wie zuvor seine Regierung zu beantworten gedachten. Nach ihrer Antwort an die Marburger Regierung378 schickten sie Stein nun »das concept ihres wiederantwortlichen schreibens an Landgraff Georgens f. gn. die wiederbestellung der fruepfarrstelle 372 373 374 375 376 377 378

DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 14. April, Nr. 2. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 15. April, Nr. 1. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 21. April, Nr. 7. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 23. April, Nr. 7 und zum 24. April, Nr. 1. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 26. April, Nr. 3. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 26. April, Nr. 4. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 5. Mai, Nr. 4.

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zu Urff betreffend, zu, da ich etwas darbey zu erinnern hette, das ich solches thue. Habe darvon abschrifft genommen, und bey die Urffische acta gelegt«.379 In Bezug auf die Katechisation der Kinder und den zu verwendenden Katechismus wollten sich aber weder der Pfarrer zu Niederurff, Henrich Mogk, noch der von ihm »daselbst mit vorbewust des superintendenten zu Marpurg angenommen[e]« Schulmeister,380 Melchior Ückerman,381 den Anordnungen des Kasseler Superintendenten fügen; Henrich Mogk erklärte, »das er der catechisation und confirmation der kinder sich, gewissens und ambts halber, nicht entschlagen könne«.382 In einem »abmahnungsschreiben«, das Stein aufgrund seines Verhaltens an Mogk schickte, wies er darauf hin, dass er dies als Ausdruck von Respektlosigkeit gegenüber dem Kasseler Landgrafen verstehe und Stein mit Zustimmung der fürstlichen Regierung viel schärfer gegen ihn vorgehen könnte: »Ob ich nun wohl befugt wehr, weil solch ewer widriges beginnen nicht so sehr mihr, als hochgedachter ihrer f. gn. zum despect und schimpff gereicht, umb verfugung anderer schärferer mittel gegen euch bey f. regirung alhir anzuhalten, so hab ich aber doch umb mehrern glimpfs willen zu vorderst dis nachmalige abmahnungsschreiben an euch abgehen lassen wollen, mit ernstem befehl, das ihr ewern collegam Cancrinum mit dero ihm anbefohlnen catechisation, und folgends confirmation der kinder unturbirt allein gewehren lasset, sonstet aber ewerm ambt mit gebührender moderation und bescheidenheit abwartet, und euch vielmehr die gemeine Gottes zu erbawen als dieselbe mit dem unnötigen ärgerlichen gefährlichen disputiren und zancken zu verwirren, befleissiget. Dan solte solches nicht geschehen, habt ihr selbst leichtlich zu ermessen, das unser gn. fürst und herr diesen ewern ungehorsam, und verachtung ihrer f. gn. verordnung, nicht ungeandet hingehen lassen werde«.383

379 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 6. Mai, Nr. 1. 380 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 3. Mai, Nr. 5; zu seiner Weigerung, »den hiesigen catechismum« zu lehren, auch der Eintrag zum 21. Mai 1628, Nr. 3 sowie die Antwort, die Paul Stein auf Cancrinus’ entsprechende Auskunftsbitte gab (Eintrag zum 7. Mai 1628, Nr. 2): »Ad 4. Dem schulmeister sey befohlen worden, in der schul den hiesigen catechismum zu dociren, und sich mit ihme, Cancrino, desfals zu conformiren. Weil er nicht alsbalt sich drinn finden können, und bedenckzeit, auch das er mit ihme, Cancrino, ferner hiraus sich underreden möge, begehret, sey ihm solches vergönnet, und inner dero zeit [14 Tage: Eintrag zum 3. Mai 1628, Nr. 5] sich zu erkleren anbefohlen worden. Und wirdt seine erklerung geben, solle ihme [Cancrinus] auch zu wissen gemacht werden, waß ferner mit ihme, dem schulmeister, vorgenommen werden solle«. 381 Der Name: DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 4. Juni, Nr. 3. 382 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 4. Juni, Nr. 1. 383 Paul Stein an Henrich Mogk, Kassel 1628 Mai 26, StAM 318 Kassel, Nr. 1061 (eigenhändiges Konzept); im Diensttagebuch findet sich unter dem 26. Mai 1628, Nr. 2 dieses Schreiben folgendermaßen vermerkt: »An den pfarhern zu Urff, Henrich Mogken, ist ein abmahnungsschreiben, in der catechisation und confirmation seinen collegam Cancrinum unturbirt zu lassen, abgangen«; dazu gehört ein weiteres als Postscriptum zum vorangegangenen ausgewiesenes Schreiben, das sich im Konzept von der Hand Paul Steins in StAM 318

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Die durch das Nebeneinander eines lutherischen Pfarrers und eines calvinischen Kaplans absehbar provozierten Querelen schienen nicht aufzuhören. So notierte Paul Stein unter dem 4. Juni 1628 in seinem Diensttagebuch: »M. Samuel Cancrinus klagt müntlich, das der pfarher zu Urff, Henrich Mogk, denen abgangenen befehlen zuwieder in der catechisation fortfehrt, auch die confirmation der kinder aufs vergangene pfingsfest verrichtet; so lästere und schmehe er auch einen weg wie den andern immer fort, das die gemeine durch ihn jämmerlich verwüstet und verwirret werde«.384 »M. Samueli Cancrino ist angemeldet, sich zu gedulden, biß ich in kurtzem selbst naher Urff komme; als dan solle mit dem pfarhern Mogken ferner geredet, und ihm Cancrino ruhe geschafft werden.«385

Das Protokoll dieser Visitation ist erhalten. Unter dem 15. Juni 1628 ist dort vermerkt: »Actum am 15. Junii 1. Bin ich naher Nidern Urff verreiset, und hab daselbst gepredigt, nach der predigt Ehrn Samuelem Cancrinum in sein vorig ambt eingesetzt, und die jugend im catechismo examinirt, und sie zimlich schlecht befunden, dahero sie zu mehrerm fleiß vermahnet worden. 2. Mit Mogkio dem pfarhern daselbst hab ich der catechisation halber geredet, und die sach zwischen ihm und Cancrino dahin vermittelt, das allein Cancrinus in catechisatione das erste haubtstuck386 examiniren, Mogkius aber im ubrigen mit catechisiren möge. […]«.387

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Kassel, Nr. 1061 findet und dessen Inhalt er in seinem Diensttagebucheintrag vom 28. Mai 1628, Nr. 6 zusammenfasst. DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 4. Juni, Nr. 9. Auch der Pfarrer und Metropolitan zu Borken, Gerhard Stirn, zu dessen Klasse Niederurff gehörte, schickte ein Schreiben ein, »darinnen er sonderlich uber den pfarhern zu Urff klagt, das er ihren convent nicht besucht, auch die kirch daselbst sehr verwirre, wie er sich dan austrucklich habe verlauten lassen, in einem jahr mehr zu verwirren, als man in vielen jahren wieder solle zurecht bringen können« (DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 21. Mai, Nr. 5; wie »des pfarhers zu Borcken, am 21. huius [mensis] eingelieffertes schreiben beantwortet worden«, notierte Paul Stein in seinem Eintrag vom 28. Mai 1628, Nr. 1; zum Umgang »[m]it dem pfarhern zu Urff« dort der Punkt »Ad 6.«: Stirn solle, da »dem f[ürstlichen]. hauß Hessen auch zu nachtheil […] newerung […] verspuret wurdt, solches dennechsten anhero« berichten). DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 5. Juni, Nr. 2. Die fünf Hauptstücke des christlichen Glaubens, in der Reihenfolge, wie sie Luther in seinem Großen Katechismus behandelt, sind: Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Taufe, Abendmahl (siehe: BSLK, S. 554 Anm. 7). »PROTOCOLLUM gehalten bey der visitation und abhörung der hospital- und castenrechnungen in Statt und Ambt Borcken von Jahren 1626. 1627. Am 14. 15. 16. 17. Junii 1628.« (wahrscheinlich Konzept, eigenhändig von Paul Stein), in: StAM 318 Kassel, Nr. 1448 [darin das drittletzte Protokoll, der zitierte Abschnitt dort auf fol. 2r unten].

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Der Kompromiss, den man fand, war also, dass die zehn Gebote, als erstes Hauptstück, rein nach reformierter Auffassung (in der Zählung und im Bilderverbot), die Abendmahlslehre wie auch die übrigen Hauptstücke damit aber weiter mit lutherischem Einfluss unterrichtet wurden. »F. regierung schickt mihr Landgraff Georgens abermaliges schreiben, neben seiner theologen bedencken, zu, den pfarhern zu Urff, Henrich Mogken betreffend, so ich abcopiiren, und den Urffischen acten beyfugen lassen«.388

Dieses Schreibens und das Bedenken der Darmstädtischen Theologen, die sich beide abschriftlich, mit Rückvermerken von der Hand Paul Steins, bis heute bei den »Urffischen acten« befinden,389 sind entlarvend für das pseudolegale Handeln Hessen-Kassels bei der Restitution des Kaplans zu Niederurff, bei dem sich Paul Stein immer mit den Regierungsräten abstimmte. Landgraf Georg antwortete damit auf das Schreiben, das Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel unter dem Datum des 5. Mai 1628 an ihn abgehen ließen390 und legte die Stellungnahme seiner Theologen auf die von Paul Stein aus den Kirchenordnungen von 1566 und 1574 zusammenkompilierten Mahnungen, »die unnötige, streitige puncten von der cantzel [zu] lassen«,391 bei. In seinem Schreiben vom 31. Mai 1628 stellt Georg II. der Kasseler Regierung Folgendes vor Augen: »Ob wohl besagter pfarrher, vor ablauff der vergliechenen jahreßfrist, durch beyordnung eines in der religion mit ihme discrepirenden caplanß undt sperrung der kinder[-] undt catechismuslehr, nicht wenig turbirt undt beeintrechtigt wird, daß ihr doch solches, mit allegirung und uberschickung superintendentenberichts, bester maßen entschuldigen wollet. […] [N]achdem aber der […] vertrag hirin klare maß und ziel gibt, undt nach deßelben außweiß, ein pfarrer auch obliqu8 innerhalb vergliechener zeit nicht verstoßen oder turbiret werden soll, hirumb so ist nochmalß unser gnediges begehren, ihr wöllet die verfügung thun, damit, wo nicht länger, jedoch immittelst und vor ablauff der verabschiedeter jahrßfrist, der von unß zu Nidern Urff hiebevor eingesetzte pfarrher bey seinem pfarrambt und verrichtung der kinderlehr, ohnbeeintrechtigt verbleiben möge«. Die abschriftliche Beilage dessen, »waß unsere theologi, gegen obgedachtes superintendenten zu Cassel, Pauli Steinii, bericht, vor ein bedencken gestelt«, war mit der Aufforderung verbunden, »ihr wollet ewerß theilß daran sein, daß eß doch beym 388 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 5. Juni, Nr. 5. 389 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an »heimbgelassene« [Wilhelm V. befand sich gerade auf seiner Prag-Reise] Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Darmstadt 1628 Mai 31, StAM 318 Kassel, Nr. 1061 (Abschrift). 390 Unter dem 6. Mai 1628, Nr. 1 notierte Paul Stein, wie oben schon erwähnt, dass die fürstliche Regierung ihm zur Stellungnahme »das concept ihres wiederantwortlichen schreibens an Landgraff Georgens f. gn. die wiederbestellung der fruepfarrstelle zu Urff betreffend« zugeschickt habe. 391 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 23. April, Nr. 7.

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vertrag bleiben undt umb so kurtzer geringer zeit willen, zu ungleichem widrigem nachdencken, kein anlaß gegeben werde […]«.392

Die Theologen wiesen Landgraf Georg in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass Hessen-Kassel, indem es sich so sehr am Wortlaut des Nebenrezesses orientierte, eindeutig gegen dessen Geist verstieß: »1. […] die Casselischen vermeinen, daß durch diese des calvinischen caplanß beysetzung dieser abschied von ihnen nicht ubertretten worden sey. Dennoch solches den stich nicht halten könne, weil dadurch nicht allein gemeinet, daß die lutherische eingesetzte prediger nurend beym salario undt an dem orth die jahrsfrist uber bleiben, sondern auch daß vollkommen exercitium nostrae religionis behalten sollen, welches durch beysetzung eines calvinischen caplans undt entziehung der kinderlehr in allwege geschwechet wird, auch unserm gnedigen f[ürsten]. undt herrn niemalß in den sinn kommen seye, daß unserm prediger ein calvinischer lehrer in einer kirchen zugleich an die seiten zugeordnet werden solle, in betrachtung, daß solche conjunctio, wegen ihrer widrigkeit in der lehr undt ceremonien, nicht heilsamblich geschehen könne […]«. »[D]ie turbation deß lutherischen pfarrhers« rühre daher, »weil demselben die catechisation, die er zuvor gehabt, itzo entzogen seye, da er doch in seinem so hoch betewrten revers auch angeloben müßen, die jugend in dem catechismo Lutheri fleißig zu underrichten, da dan nicht gelten wölle, daß die institutio catechetica dem caplan sonsten zustehe, welchem zwar also ist, wenn pfarrher undt caplan in der religion nicht zweyleuffig seind […], da aber je ein caplan diesem lutherischen pfarrhern solte beygeordnet werden, so müste er lutherisch sein, undt D. Lutheri catechismum lehren, dan sonsten würde auch auß dieser widrigen lehr und streitigen catechismo undt desen ubung, wie auch nahmentlich auß der ungleichen lehr vom heiligen nachtmal, undt deroselben ungleichen dispensation, ein groß ärgernuß undt verwirrung entstehen, denen man in crafft göttlichen befehlß vorbawen müße. 2. Waß die auß den hessischen kirchenordnungen eingeführte passus anlangte, wehren dieselben uns nicht zuwidder, der pfarrer zu Nidernurff hette auch in seines ambts verwaltung darwider nicht gehandelt: Alldieweil L[andgraf]. Philipß […] in der kirchenordnung de anno 66 pag. 163. 164. nicht verbotten hatte, die schrifftmessige widerlegung der irrthumen, so widder daß h[eilige]. abendmal lauffen […]. […] Die bewuste vermeinte verbeßerungs puncten aber, so zu einführung des Calvinismi in Heßen wider die Augspurgische confession gemeinet, seyen erst bey L. Moritz f. gn. zeiten eingeführt worden. […] 3. Pauli Steinii erinnerung anlangend, man solte die von tag zu tag je mehr undt mehr herzunahende gefahr und starcke verfolgung ansehen, undt umb so viel desto mehr allerseits auff fried und einigkeit inßkünfftig sehen, der könte vermittelß der räthe zu Caßel, ernstlich erinnert werden, daß er selbst möchte ruhig sein, keine ursachen zu newen differentien undt hochschädlichen ärgernußen geben, und der zeit erwarten, die 392 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an »heimbgelassene« Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel (Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel befand sich gerade auf seiner PragReise), Darmstadt 1628 Mai 31 (Abschrift), StAM 318 Kassel, Nr. 1061.

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in dem fürstlichen abschied begrieffen ist. Item, man könte ihm zu gemüth führen laßen, daß unser lutherischer catechismus in der heßischen kirchenordnung mit begrieffen seye, wie zu sehen in der ordnung de anno 74 pag. 21. 22. 63. 64. Wan derohalben der lutherische pfarrher zu Nidernurff den catechismum Lutheri seinen zuhörern incalcire, so thue er der heßischen kirchenordnung ehnlich und gleichförmig; undt deßhalben seye er mit einem in der religion und ceremonien streitigen collega nicht zu beladen. 4. Die räthe selbst könten beweglich erinnert werden, daß sie solten dem beginnen Steinii undt anderer superintendenten, dardurch die durch Gotteß segen getroffene einigkeit und fried möchte geschwecht, undt die widerwertigen zum frolocken verursacht, oder sonst die underthanen geärgert werden, beyzeiten vorbawen etc.«.393

Da der 22. Januar/1. Februar 1629, bis zu dem die lutherischen Pfarrer auf ihren Stellen geduldet wurden, immer näher rückte, behaupteten die v. Löwenstein, um ihren lutherischen Pfarrer zu Niederurff behalten zu können, das ius praesentandi für die erste Pfarrstelle zu haben, was aber bisher der tatsächlichen Rechtslage widersprach, weshalb Paul Stein schon am 28. Mai 1628 in seinem Diensttagebuch notierte, er habe dem Pfarrer Henrich Mogk geschrieben, »fleissig zuzusehen, und keins weges zu gestatten, das dem f. hauß Hessen zu nachtheil newerungen des orts in pfarr-, kirchen-, und castensachen vorgenommen werden. Dan die fürsten von Hessen denen von Löwenstein keines rechtens an der kirch daselbst gestendig seyen«.394 Schließlich findet sich im Diensttagebuch Paul Steins als erster Eintrag zum 24. April 1629 (fol. 27r) folgende bemerkenswerte Notiz: »Auff f[ürstlicher]. cantzley alhir ist mit denen von Löwenstein der praesentation zur pfarr Nidern Urff geredt, undt dahin endlich vergliechen worden, daß unser gn. fürst undt herr die von Löwenstein mit dem iure conferendi belehnen wolle, undt sie innerhalb vierzehen tagen eine annehmliche qualificirte person praesentiren sollen«.

393 »Der Darmbstadischen Theologen Bedencken Landgraff Georgens auff mein, des Casselischen schreiben vom 31 Superintendenten verantwortung Maji [1]628 wegen des Pfarrhers zu Urff, Henrich Mogken«, Rückvermerk von der Hand Paul Steins auf der Abschrift dieser Beilage zum Brief Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt an die »heimbgelassene[n]« Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Darmstadt 1628 Mai 31, StAM 318 Kassel, Nr. 1061 (Abschrift); das Bedenken beginnt mit den einleitenden Worten: »Auff der Casselischen, statthalterß, cantzlarß undt räthen schreiben, betreffend den pfarrhern zu Niderurff, kan der durchleuchtige undt hochgeborne unser gnediger fürst undt herr, Landtgraff George zu Heßen etc. nach unserm unterthenigen aber ohnmaßgebigem ermessen, also antworten, daß dieser nachfolgenden posten nicht vergeßen werde«. 394 DTB Paul Stein 1628, Eintrag zum 28. Mai, Nr. 6 (das von der Hand Paul Steins stammende Konzept des in diesem Eintrag zusammengefassten Schreibens findet sich, als Postscriptum zu einem Schreiben vom 26. Mai 1628 ausgewiesen, in StAM 318 Kassel, Nr. 1061); siehe auch den DTB-Eintrag vom 4. Juni 1628, Nr. 1 sowie im DTB Paul Stein 1629 den Eintrag vom 2. Januar, Nr. 4.

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Die Einträge im Diensttagebuch Paul Steins erhellen damit den Weg, der zur bei Conrad Wilhelm Ledderhose zitierten Urkunde über die Belehnung der von Löwenstein mit dem Patronatsrecht über die erste Pfarrstelle zu Niederurff vom 25. April 1629 führte.395 Allerdings half dies den von Löwenstein wenig, denn Eingriffe in sein ius episcpale duldete der Landgraf von Hessen-Kassel – bis auf die im Nebenvertrag vom 24. September 1627 formulierten Ausnahmen – weiterhin nicht. So ist der von Christoff von Löwenstein präsentierte Daniel Rucker, »so hiebevor ein waldeckischer pfarrher zu Hundßweiler, im Land von Gulich gelegen, gewesen«,396 – als ihn die Probepredigt als »nicht allein der schrifft und andern theologischen sachen unerfahren, sondern auch der ubiquitet zugethan« erwies und er sich anschließend »dem examini nicht undergeben wollen, mit vorwenden, er albereits vom superintendenten zu Waldeck undt der theol. facultet zu Marpurg examinirt wehre«397 – von der fürstlichen Regierung nicht akzeptiert worden, sondern der Befehl ergangen, »M. Jacobum Breidenbachen, hiebevor gewesenen caplan zu Gladenbach, weil die von Löwenstein sich der praesentation halben noch nicht vergleichen können398 und die notturfft gleichwohl erfordert, daß selbige stelle ehisten widerumb ersetzt werde, für einen pfarrer naher Urff demnechsten einzuführen undt den gemeinden fürzustellen etc.«.399

Nachdem Jacob Breidenbach am 6. Juli den Konsens »der gemeinden zu Nidernund Obern Urff, auch Remmerßhausen seiner person und predigt halber« eingebracht400 und am 8. Juli 1629 »auf der Freyheit alhir gepredigt« hatte, ist er »zu einem pfarrhern naher Urff confirmirt u. bestettigt worden«, dessen Paul Stein »die sämbtliche von Löwenstein verstendigt, mit begehren, sie daran sein wollen, daß dennechsten das pfarrhauß gereumet und Ehr Breidenbach dahin gefuhret 395 396 397 398

Ledderhose: Kirchen-Staat, S. 98–100 in Anm. (h). DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 18. Mai (fol. 30r). DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 20. Mai, Nr. 2 (fol. 30v). Vor allem Christoff und dessen Bruder Georg Wilhelm von Löwenstein waren sich uneins: »Georg Wilhelm von Löwenstein, genannt Schweinßburg, contradicirt nochmalß in schrifften Christoffs von Löwenstein, genannt Löwenstein, vornehmen wegen der pfarr Urff, undt praesentirt darauff M. Jacob Breidenbach etc. Demnach ich das schreiben verlesen, hab ichs zu f. cantzeley alhir geschickt« (DTB Paul Stein 1629, 17. Juli, Nr. 2 [fol. 36r]). In den bisher bekannten Diensttagebüchern Paul Steins wird Jacob Breidenbach zum ersten Mal im Eintrag zum 15. Januar 1629, Nr. 1 (fol. 6v) erwähnt, in dem Sinne, dass schon »auf den verenderungsfall zur pfarr Urff, Breidenbach vorgeschlagen und Ihrer f. gn. zum besten recommendirt worden, befördert werden solte« und zum 4. April 1629 (fol. 22r) heißt es: »M. Jacob Breidenbach berichtet, welcher gestalt Juncker Christoff von Löwenstein sich gegen ihn der praesentation halber ercleret, daß er ihn und keinen andern, wofern eß bey Mogkii remotion bleiben solte, und man ihm ius praesentandi gönnen würde, zur pfarr Urff praesentiren wolte. Ist zu F. Cantzley geschickt worden eodem die«. 399 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 1. Juli (fol. 34). 400 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 6. Juli, Nr. 3 (fol. 34v).

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werde«.401 Bis Jacob Breidenbach am 27. August 1629 von Paul Stein auf einer Visitationsreise als Pfarrer in Niederurff eingeführt wurde, wobei »von Christoff von Löwenstein und Georg Leo, seinem bruder, beneben ihrem vetter dargegen protestirt worden«,402 wie auch danach, kam es zwischen den von Löwenstein, dem Kasseler Superintendenten, Mogk, Cancrinus, Breidenbach und der Pfarrerswitwe Margarethe Pistorius noch zu erheblichen Spannungen.403 Einen Tag nach Ablauf der Duldungsfrist ihrer lutherischen Pfarrer wandten sich die der Augsburgischen Konfession zugetanen Angehörigen der niederhessischen Ritterschaft am 23. Januar 1629 an Landgraf Georg II. von HessenDarmstadt, ihnen gegen die bevorstehende Absetzung der auf ihr Bitten eingesetzten lutherischen Pfarrer zu helfen: »Wann uns aber izo, fast vonn allen örten, diese avisen zukommen, es solte der durchleuchtige hochgeborne fürst unnd herr, Herr Wilhelm Landgrafe zu Heßen etc. unser gnediger landesfürst unnd herr, vor deßenn fürstl. gn. wihr gut unnd blud auffzusezen, willig unnd bereit, im wercke begrieffen unnd fürhabens sein, eine reformation bey unns und unsern priestern fürzunehmen, als habenn wihr nitt unterlaßen können, ein solches E. F. Gn. inn unterthenigkeitt zu berichten […]. […] Unnd können wihr bey unns nicht finden unnd absehen, worümb hochgedachter unser gnediger landes fürst unnd herr, unns hierin gnedig zu willfahren, nicht genugsamb veranttworttliche ursachen haben solte, sintemahl S[einer]. F[ürstlichen]. G[naden]. fürnehmbste prediger unnd lehrer, inn offenem trucke schreiben unnd rund bekennen, das inn den haubtt puncten, die seeligkeitt betreffende, beide theile einigk, unnd der andern incidentt irrungen wegen, wihr mitt ihnen brüder in Christo unnd evangelio, gahr wohl sein, unnd pleiben können, unnd wiewohl wihr hierin mitt ihnen nicht einigk, unnd solche meinunge inn unserm gewißenn nitt finden, noch bey verlust unserer 401 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 8. Juli 1629, Nr. 3 (fol. 35r). 402 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 27. August, Nr. 1 (fol. 43r). 403 Siehe etwa den Eintrag im DTB Paul Steins zum 27. August 1629, Nr. 2 (fol. 43r). Samuel Andreas Cancrinus wird am 10. September 1635 mit Schreiben aus Marburg von Junker Ludwig von Linsingen dem Superintendenten Theophil Neuberger in Kassel zum Pfarrdienst nach Jesberg präsentiert, nachdem sein designierter Vorgänger Hermann Wallmeister am 2. September zusammen mit mehreren Begleitern, darunter von Linsingens Sohn, Rittmeister Ernst, durch feindliche Reiter gefangen und in einem Wald bei Amöneburg ermordet worden war. »M. Samuelem Andream Cancrinum Tresensem [= aus Treysa], welcher daeselbst funf jar am schuldinst geweßen, darnah auf die pfar in Niederorf zu einem caplan und mitpfarrer erfordert, unnd daßelb ampt nuhmer viertzehen jahr treulich u. wol versehen« (StAM 318 Kassel, Nr. 1053), wechselte tatsächlich in das benachbarte Jesberg. Allerdings musste Ludwig von Linsingen dem Kasseler Superintendenten Neuberger schon im März 1636 mit Schreiben aus Marburg mitteilen, »daß vor wenig tagen M. Samuel Cancrinus gewesener pfarrer zu Jesperck tods verfahren«, woraufhin er mit Valentin Suinhard erneut einen Niederurffer Frühprediger auf die Jesberger Pfarrstelle präsentierte (Ebd., Tagesdatum offengelassen, praes. in Kassel am 19. März 1636).

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seeligkeitt amplectiren können, so pleibtt doch ihrerseits, angeregte assertion unnd fundamentt, bestendigk, unnd muß daraus unwiedderleglich folgen, das sie unns deßwegenn, mitt keinem fuge unnd scheine rechtens, vonn unserer religion, die sie im heupttwercke die seeligkeitt anreichende, für rechtt erkennen, absezen, unnd uns eine wiedrige auffdringen mögenn. Diesem nach, langtt an E. F. Gn. unsere durch Gotte, unterthenige, hochfleißige pitte, sie inn gnaden geruhen wöllen, unns inn diesem hochwichtigen, hartt angelegenen gewißens wercke, dero hochvernünfftiges fürstliches bedenckenn zu eröffnen, es auch, do immer möglich, bey hochgedachtem unserm gnedigen landes fürsten und herrn, Landgraff Wilhelmen etc. durch ihre hochansehenliche interposition, dahin gnedig zu befürdern, damitt wihr […] bey der ungeenderten Augspurgischen confession, unnd izigern unsern priestern, inn unsern dorffen, unnd pfarren […] so wohl izo, als künfftig, allerdings verpleibenn […].«404

Die kursive Passage spielt ironisch auf den Titel von Paul Steins dreibändigem Werk »Evangelischer Kirchen Brüderschafft […]« an und macht angesichts des gekonnten Sprachspiels nachdenklich, ob Paul Stein die Hand, die er in seinen irenischen Schriften den Lutheranern entgegenstreckte auch noch da bereithielt, wo die Chance zur praktischen Umsetzung seiner Worte bestanden hätte. Allerdings ist anzuerkennen, dass dies ein gegenseitiger Prozess hätte sein müssen. Noch standen sich die Konfessionsrichtungen unversöhnlich gegenüber. Wilhelm V. von Hessen-Kassel war der Meinung, dass er den lutherischen Adligen in seinem Territorium schon weit genug entgegengekommen sei, und konnte auf die Einhaltung der Verträge pochen, die seine Superintendenten zu vollziehen hatten. Unter dem 29. Januar 1629 interzedierte auf Bitten der Ritterschaft sogar Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen bei Wilhelm V. von Hessen-Kassel, »daß ire der ritterschafft vorm jahr eingesetzte sehlsorgere bey ihren pfardiensten gelaßenn, das freye offendliche exercitium der freyenn ungeenderten Augspurgischenn confession in lehr und ceremonien, in iren gerichten und dörffern bestendig gelaßen, auch verstattet werdenn möge, daß nach abgangk itziger seelsorgere andere der ungeendertenn Augspurgischen confession verwanthe nachfolgenn, und den übrigenn vonn der niederheßischenn ritterschafft, die vor dem aufgerichteten accord die praesentation solcher prediger verseumet, und noch in mangel stehen, gleichfalß izo und künfftig vonn inen praesentirte der ungeendertenn Augspurgischen confession zugethane zue pfarhern confirmirt und gedultet werdenn«. Kurfürst Johann Georg empfahl Wilhelm V. sogar, versteckt drohend, er solle, da der Ritterschaft »suchen nicht unbillich befunden«, »dießes darbey sonderlich consideriren, wann dießem der ritterschafft suchenn nicht stat gegeben werden, und diesel404 »Der ungeenderten Augspurgischen Confession zugethane vonn der Ritterschafft Im Niedern Fürstenthumb Heßenn« an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Niederhone 1629 Januar 23, StAD E 5 A Nr. 83, fol. 20f. (Ausfertigung) (Abschrift in StAM 22 a 1, Nr. 278).

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benn die sache an den keyßerlichen hoiff gelangenn laßenn soltenn (inmaßenn wihr vermerckenn endlich gescheen dürft), was alda vor ein ausspruch erfolgenn, und E[urer]. L[ieb]d[en]. anbefohlen werdenn möchte«.405

Die Ausdehung ihrer konfessionellen Rechte, um die zu bitten sich die Ritterschaft mit der Interzession des sächsischen Kurfürsten hier herausnahm, dürfte auf Seiten Hessen-Kassels als Anmaßung verstanden worden sein. Der Drohung mit einer Klage vor dem Reichshofrat – sollte Wilhelm V. der Forderung der Ritterschaft nicht nachkommen – verlieh auch ein Schreiben des sächsischen Kurfürsten an Georg II. von Hessen-Darmstadt, seinen Schwiegersohn, Nachdruck, der es an der Ritterschaft vorbei, wie er schrieb, Wilhelm V. kommunizierte. Darin gab Kurfürst Johann Georg I. zu Bedenken, dass »wohl vermuentlich, da ahn ihre kayß. mayt. die ritterschafft dieße sache bringen solte, daß man ahn dero hoff mehr uff derselben als deß landßfürsten seiten sein, und ihnen ehir mit gewüriger resolution wilfahren, alß die reformation und fortpflantzung einer im religionfrieden nicht gegriffenen religion befordern werde«, wozu Landgraf Wilhelm in seinem eigenen Interesse keinen Anlass geben und also der Forderung der Ritterschaft nachkommen solle.406 Nach Ablauf der Duldungsfrist für die lutherischen Pfarrer erlaubte sich Henrich Mogk einen Verstoß gegen die Kirchenordnung, der den hessen-kasselschen Autoritäten einen Grund für seine Absetzung lieferte. Auf Begehren der fürstlichen Regierung erschienen zwei Pfarrer des Kasseler Ministeriums,

405 Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen an Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Dresden 1629 Januar 29, StAM 22 a 1, Nr. 278 (Abschrift) (weitere Abschrift in StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 22f.). Der Kurfüst erinnert hier an ein erstes Schreiben vom 20. November 1627, das er »uf ebenmeßiges berürter ritterschafft suchenn an E[ure]. L[iebden]. [= Wilhelm V.] intercedendo gelangen laßenn«, das aber bisher nicht aufgefunden werden konnte. Die Interzessionsbitte der Ritterschaft allerdings findet sich in StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 10–15 (Abschrift): »Der ungeenderten Augspurgischen Confession zugethane von der Ritterschafft im Niederfürstenthumb Hessen« an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, ohne Ort 1627 November 5. Die vom Kurfürsten in dem Zitat im Text vorgebrachten Forderungen zugunsten der lutherischen Angehörigen der niederhessischen Ritterschaft werden allerdings schon in einem Schreiben derselben aus Kassel vom 28. März 1628 erwähnt, mit dem sie anlässlich der Rückgabe der Pfandämter Landgraf Georg um eine Interzession bei Landgraf Wilhelm ersuchen, »wie dann vor diesem bey der Churf. Durchlaucht zu Sachsen wir deßgleichen umb gnedigste intercession, undterthänigst gebetten unnd ungezweiffelt (wie E. f. gnaden ab deßhalber albereits insinuirtem churfürstlichem schreiben gnugsamb berichtet) erhalten haben« (StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 16f. [Ausfertigung], das Zitat fol. 16v– 17r). 406 Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Dresden 1629 März 3, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 32f. (Ausfertigung) (Abschrift in StAM 22 a 1, Nr. 278 [danach hier zitiert]); in StAM 22 a 1, Nr. 278 findet sich auch eine Abschrift des Schreibens vom 15. März 1629 mit dem Landgraf Georg II. das Schreiben des Kurfürsten an Wilhelm V. übersandte (Konzept in StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 34).

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Neuberger und Wetzel, bei ihr, denen mit der Bitte um »des ministerii bedencken« Folgendes vorgelegt wurde: »1. Ob Ehr Henrich Mogk, pfarrher zu Urff, darumb, daß er fürstlicher kirchenordnung zuwider Philipß Egkarden von Alten Wildungen, so schon ein eheweib hat (welche auch mit einem kinde fur der cantzley zu Wildungen ihn angesprochen, er sie auch hernach wider zu sich genommen und darmit darvon gezogen), mit Barbara, geborne von Lowenstein, genannt Schweinßburg, copulirt habe, seines diensts zu entsetzen sey, und dan, was man gedachter Schweinßburgin, so sich anderwerts eingelassen und an den pfarrhern oder caplan zu Urff, daß er sie mit dem itzigen sponso copuliren muße, befehl bittet, antworten solle etc.«.407

Am 30. März 1629 beriet das Predigerministerium über diese Frage und kam zu dem Schluss, dass, sollte es sich so verhalten, »Mogkius […] seines dienstes billich zu entsetzen sey, woruber er, Mogkius, denn zuforderst gefragt werden könne […]«.408 »Solches ist fürstlicher regierung durch Herrn Newberger und Herrn Wetzelium angezeigt worden, darauf 1. der pfarrher zu Urff vorgefordert und gefragt, sagt, daß er vorgemelte beide ohne vorgangene proclamation und zeugnuß, allein auf caution etlicher burger zu Wildungen, fürstlicher kirchenordnung zuwider copulirt, auch der anderwertigen verlöbnuß, ohne ergangene permission, beygewohnet habe. Ist derowegen also balt seines diensts entsetzet, und der [Barbara] von Lowenstein notificirt worden, daß sie zuforderst, ehe man ihr anderwertige copulation verstatten könne, besser zeugnus von waldeckischer cantzeley einbringen muße etc.«.409

Nachdem Mogkius als Pfarrer von Niederurff abgesetzt war, wurde er von Christoff und Georg Leo von Löwenstein als lutherischer Hausprediger angestellt, schließlich gestand ihnen der zum Hessischen Hauptakkord abgeschlossene Nebenvertrag über Religionssachen zu, dass »dieselbe vom adell macht haben sollen, nicht zwar in den offentlichen kirchen ihrer flecken undt dörffer, sondern in ihren häusern auff ihren kosten [lutherische] prediger vor sich undt ihre gesinde, undt wer weiter dieselbe hauß predigten zu besuchen begehrt, zu halten«. In dieser Funktion provozierte das Handeln Mogks und Christoffs von Löwenstein einen Eklat, der weite politische Kreise zog. Offenbar im Oktober 1629 hatte Mogk »ein baursman, der nuret und allein ein Lowensteinischer hintersaß und kein diener ist, umb die ausspendung der heyl. tauff, seinem kinde zu ertheilen […] ersucht, so er ihme wie billich abgeschlagen hatt, in erinderung, daß die kinder tauff der ritterschaft in diesen fall, weill der kindesvatter kein Lowensteinischer diener wahr, in erwehntem 407 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 27. März, Nr. 2, Unterpunkt 2.1 (fol. 20r). 408 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 30. März, Nr. 2, erster Punkt des oberen Teiles (fol. 21r). 409 DTB Paul Stein 1629, Eintrag zum 30. März, Nr. 2, erster Punkt des unteren Teiles (fol. 21r).

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accord nicht nachgeben worden sey. Alß aber Christoff von Lowenstein dießen abschlag in erfahrung pringt, befiehlt er das contrarium, nemblichen der pfarrer solte das kind tauffen, mit versprechnus der schadloshaltung, worauff auch die tauff also vorgenommen und verrichtet worden. Wan dan ein solcher verloff vor unßere regierung gelangt, und der von Lowenstein dis factum nicht allein nicht hat justificiren können, sondern vor unßern rhäten sich zur versprochenen vertrettung und schadloßhaltung bekand und erkandt, darauß dan sein vorsatz unß zuwiederhandlen und in unßer ius episcopale eingriff zu thuen sonnenclar zu verspüren geweßen, alß haben wir dem pfarrern und nicht dem von Lowenstein, wie wohl wir deßen genugsamb befugt geweßen, zu verhüetung gefehrlicher consequentz eine geldstraff abfordern […] lassen«.410

So schilderte Wilhelm V. dem Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen die Sachlage, der sich am 23. November 1629 wieder einmal mit einer Interzession zugunsten der niederhessischen Ritterschaft bei Wilhelm V. gemeldet hatte, denn ihm werde von »solchen personen, die es mit Euer L[iebden]. wol und gut meinen, und den verlauff deploriren [= beklagen, A. J.], berichtet, daß derer von adel lutherischen predigern nicht allein kein publicum exercitium zugelaßen, sondern auch das haußexercitium ferner nicht geduldet werden wolle, und mann den haußpredigern dergestalt hartt zusetze, auch mit straffen bedrohe, daß die von adel derer keinen in die lenge würden behalten können«.411

Erneut stellte er Wilhelm V. auch die Gefahren einer möglichen Klage gegen ihn »am keyserlichen hof« vor Augen. Wilhelm V. ließ sich von derartigen Interzessionen aber nicht beirren, sondern verwies auf sein gutes Recht, sich gegen solche »Verschimpfungen« und die Missachtung seiner landesfürstlichen Autorität zur Wehr zu setzen, jeder andere Landesherr würde wohl ebenso oder gar mit schwereren Maßregeln reagieren. Dies antwortete er am 16. November 1629 schon seinem Darmstädter Vetter Georg II.,412 der an ihn am 5. November 1629 mit einer Interzession in dieser Sache herangetreten war.413 410 Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, Kassel 1630 Januar 2, StAM 22 a 1, Nr. 278 (Abschrift; andere Abschrift in StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 2–7), in dem Schreiben das Zitat fol. 2rv ; die Stücke dieser Verzeichnungseinheit im Staatsarchiv Marburg liegen in einem Umschlag mit der Aufschrift: »Religionssachen item die Ritterschafft des Niederfürstenthumbs Hessen derselbigen [?] Exercitij Religionis betr. de anno 1630«. 411 Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Colditz 1629 November 23, StAM 22 a 1, Nr. 278 (Ausfertigung). 412 Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Friedewald 1629 November 16, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 39–42 (Ausfertigung; praes.: Darmstadt 1629 November 27). 413 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Marburg 1629 November 5, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 37f. (Konzept [verworfene Reinschrift]).

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Das Anbringen beim sächsischen Kurfürsten, vermittelt über dessen Schwiegersohn, den Darmstädter Landgrafen, schrieb Wilhelm V. Christoff von Löwenstein zu, »sintemahlen unß aber wohl bekandt ist, daß mehr ernenter von Löwenstein seinen einbildungen und gefasten gedancken zimblichen viel zulegt, auch an andern orten rhat zu suchen sich vernehmen lassen, darauff er etwa starck bawen magk, und außer dießem fall wir sonsten nicht außdencken können, wer unter unßerm lutherisch genantem adel uber unß dißfals zu queruliren, sonstet ursach zu nehmen, anlaß genommen haben könte«.414

Wilhelm V. erlegte Mogk – den Christoff von Löwenstein versprochen hatte schadlos zu halten – eine Strafe von 100 Gulden auf, sagte aber gegenüber Georg II. zu, Mogk »uf sein nachsuchen linderung wiederfahren« zu lassen.415 Das Handeln Mogks und Christoffs von Löwenstein empfand er als Eingriff in sein ius episcopale, der normalen Bevölkerung sei für ihre Kasualien und den Gottesdienst der ordentliche Pfarrer des Orts zugeordnet.416 Außerdem führte Wilhelm V., nicht ganz nachvollziehbar, an, dass »vornemblich Christoff, und Georg Leo vonn Löwenstein dießen Mogkium zue irem haußprediger bestelt, daß sie unß, als den episcopum, oder unsern superintendenten an unser stat, welches sich dahin in alle wege gebühret hette, damit wihr wißens habenn mögenn, ob er auch der lehr, so in E[urer]. L[ieb]d[en]. landen getrieben wird, gewiß zugethan sey, darunter nicht ersucht, sondern nuret eigen freyen willens verfahren habenn […]«,417 414 Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, Kassel 1630 Januar 2, StAM 22 a 1, Nr. 278 (Abschrift, nach der hier zitiert wird; davor liegendes Konzept), in dem Schreiben das Zitat fol. 2v–3r. Vor dem zitierten Abschnitt führte Wilhelm aus, »daß in dem Geschlecht deren von Löwenstein sich einer Christoff genant befindet (mit dem doch auch die ubrigen von Lowenstein in negotio religionis nicht einig) welcher vorwendet, ob gebüere ihme als dem eltesten deß Lowensteinischen geschlechts, in vorfallenden vornehmbden und also auch in pfarbestellungssachen, sofern sich die von Lowenstein deren anzumaeßen haben, das directorium. Ob nun wohl alle von Lowenstein genant Schweinsperg, deßen ihme Christophen durchauß keinen gestand thuen, so stellen wir aber doch daßelbe an seinen orth und zu ihrer ausubung untereinander, inmittelst sich aber dießer von Löwenstein deßen, wie gedacht, unternimbt, hatt er einen prediger seiner confession uf dem haus Lowenstein ein zeitlang und noch predigen lassen, welches wir niemahls nicht gehindert, auch noch nicht zu hindern gesinnet seind, sintemahl es unßerer verwilligung, nach laut getroffenen accordt gemees ist […]« (in dem Schreiben fol. 1v–2r). 415 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Friedewald 1629 November 16, StAD E 5 A, Nr. 83, die Strafsumme fol. 40r, das Zitat fol. 41v. Wie entschieden Hessen-Kassel jedoch an der Abforderung der Strafe festhielt, zeigt die Überlieferung in StAM 22 a 8, Nr. 658 (Niederurff). 416 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Friedewald 1629 November 16, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 41r. 417 Wilhelm V. von Hessen-Kassel an Georg II. von Hessen-Darmstadt, Friedewald 1629 November 16, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 40v.

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was Georg II. aber als Grund für das harte Vorgehen zurückwies, da Mogk »zeit unserer pfandtlichen inhabunge naher Ürff zue einem pfarherrn praesentirt«, er »seines beruffs, lähr und wandellß ein publicum testimonium« vorweisen könne, er dem Kasseler Superintendenten bekannt und diesem außerdem von Christoff und Georg Leo von Löwenstein die Absicht, Mogk zu ihrem Hausprediger zu berufen, »angezeiget« worden sei; der Nebenvertrag sehe kein Präsentationserfordernis für die Hausprediger vor, da zu erwarten sei, »es möchte ihnen [Hessen-Kassel, A. J.] wohl keiner, so sich zue dero in unserem [Georgs II. von Hessen-Darmstadt, A. J.] lande ublichen religions exercitio bekennen thete, ahnnemblich seyn«.418 Georg II. ließ das Schreiben Wilhelms V. vom 16. November 1629 an seinen Vizekanzler zu Marburg, Dietrich Reinkingk, übersenden, mit der Anweisung, »das er den von Löwenstein vertraulich zu sich bringe, über diser antwort höre, und auf weiter schreiben an Hn. Landgraf Wilhelms fr. g., sonderlich zu gäntzlicher nachlassung der straf, bedacht seye«.419 Reinkingk antwortete daraufhin aus Marburg am 23. Januar 1630, er habe gemäß dem Befehl »zum zweiten mahl, die beyde von Löwenstein, beschrieben, so sich aber beydes mahls, eineß theils leibes schwacheit halber, andern theils sonstet entschuldiget, und letzlich ihren haußprediger Henricum Mogkum, mit ihrer instruction abgefertiget, den anbefohlenen inhalt zue vernehmen, deme ich dan vertrawte communication gethan, und den ahnbefohlenen bericht, schrifftlichen zue erstahten, angedeütet«.420

Dieses umfangreiche Schreiben Christoffs und Georg Leos von Löwenstein, »unterm dato den 14 t[en]. hujus erstet gefaßet, und mihr den 15 t[en]. uberbracht worden«, liegt dem Schreiben Reinkingks bei, woraufhin er sein Konzept für die Antwort Georgs II. an Landgraf Wilhelm V. ausgearbeitet habe. »Sonsten deücht mihr, die von Löwenstein, wollen daß hauß excercitium etwaß weiter, allß der buchstabe des abschiedts mit sich bringet extendiren, wie ab beykommendem 418 Georg II. von Hessen-Darmstadt an Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Darmstadt 1630 Januar 26, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 56–59, das Zitat fol. 57v. 419 StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 39r : Aufschrift auf dem Umschlag, in den das Antwortschreiben Wilhelms V. vom 16. November 1639 eingeschlagen ist; separates Übersendungsschreiben desselben Inhalts: Georg II. von Hessen-Darmstadt »An D. Reinkingk. Vicecantzlarn zu Marpurgk«, Darmstadt 1629 November 28, Ebd., fol. 43 (Konzept); am 6. Dezember 1629 übersandte Georg II. seinem Marburger Vizekanzler Reinkingk mit einem Schreiben (Konzept) als »Beylage Chursachsisches ernstes schreiben an Landgraf Wilhelms [F. Gn.]«, Ebd., fol. 48; dieses hatte ihm der sächsische Kurfürst Johann Georg I. mit Schreiben aus Colditz vom 23. November 1629 (unter dem gleichen Datum wie das eigentliche Schreiben an Wilhelm V.) zu wissen gemacht, Ebd., fol. 46f. (Ausfertigung). 420 Dietrich Reinkingk, hessen-darmstädtischer Vizekanzler zu Marburg, an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Marburg 1630 Januar 23 (praes.: Darmstadt am selben Tag), StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 50f., hier fol. 50r.

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ihrem schreiben zuesehen, welches Herrn Landtgraff Wilhelmß f. g. wohl nicht nachgeben wirdt, derowegen ich auch ihren haußprediger bey jüngster ahnwesenheit, ernstlich erinnert, in allen puncten in praescriptis terminis des vertrags zue verpleiben, und sich selbsten, wie auch andern vor ungemach zue seyn.«421

Christoff von Löwenstein bekannte, dass er »auß offt angeregtem f[ürstlichen]. vertrag nicht anders wie auch noch, abnemen können, dan das solcher einem jeden, so vorg[enannter]. lutherischer religion zugethan, undt unsere haußpredigten besuchten, zu thun frey undt bevor stünde«, eine Auslegung, die angesichts der Formulierung im Nebenvertrag, dass den Adligen verwilligt werde, »in ihren häusern auff ihren kosten prediger vor sich undt ihre gesinde, undt wer weiter dieselbe haußpredigten zu besuchen begehrt, zu halten«, nicht ganz unbegründet erscheint. Beide, Christoff und Georg Leo, wollten »hierinnen anders nichts suchen, bitten undt begeren, alß das unser zugelaßenes haußexercitium nicht so gar enge gespannet« würde.422 Der Abschnitt des Nebenvertrags zum Hessischen Hauptakkord vom 24. September 1627, aus dem die eben zitierte Passage stammt, lautet vollständig: »Zum andern, wegen deren vom adell, welche zeit dieser pfandlichen einhabung mit erlaubnuß Herrn Landgraff Georgens f. gn. in der religion enderung vorgenommen, undt nunmehr nach volnzogenem accord widerumb an Herrn Landgraff Wilhelmß f. gn. gewiesen werden sollen, ist abgeredt undt verwilligt, daß dieselbige von adell macht haben sollen, nicht zwar in den offentlichen kirchen ihrer flecken undt dörffer, sondern in ihren häusern auff ihren kosten prediger vor sich undt ihre gesinde, undt wer weiter dieselbe haußpredigten zu besuchen begehrt, zu halten, die deren religion, welche in herrn landgraff Georgens fürstenthumb undt landen, itzo publicH gelehrt undt getrieben würde, zugethan seind, also daß dieselbige prediger den gotteßdienst, mit predigen, administration deß heiligen abendmalß, kinderlehr undt besuchung der krancken, verrichten sollen undt mögen. Denen vom adell aber selbst undt ihrem gesinde, soll noch darzu gegönt sein, von dem lutherischen pfarrer in ihren häusern die kinder tauff undt copulation«.423 421 Dietrich Reinkingk an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Marburg 1630 Januar 23, StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 50f., hier fol. 50v. 422 Christoff und Georg von Löwenstein, »Dem Ehrnvesten unndt hochgelartten Diederichen Reinking etc. Beider Rechten Doctori, auch F. Heßischem wollbesteltem Raht, unndt Vice– Cantzlarn zue Marpurgk etc. unserm großg[ünstigen]. Herren unndt sonders gutem freunde etc.«, ohne Ort 1630 Januar 14 (praes.: 1630 Januar 15), StAD E 5 A, Nr. 83, fol. 52– 55, hier fol. 53v, 54r. 423 »Abschied wie es zu Schmalkalden, Dreiss Ziegenhain, und under denen Lutherischen von der Ritterschafft der Religion halber gehalten werden solle«, so der Rückvermerk Paul Steins auf seinem wahrscheinlichen Handexemplar in StAM 318 Kassel, Nr. 1441, danach erfolgen die Zitate; die Ausfertigung für Hessen-Kassel liegt in StAM Urk. 5, Nr. 94; stellenweise verderbter Druck in: Gründliche Erzehlung, Beilage 206 (S. 509–510). Nach der zitierten Stelle heißt es weiter : »Uber daß auch undt zum dritten, haben mehr hochgedachte

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Hatte Hessen-Kassel den lutherischen Adligen seines Territoriums eine eigenständige Religionspolitik verweigert und am Exempel derer von Löwenstein gezeigt, dass der Landesherr gewillt war, seinen Herrschaftsanspruch durchzusetzen,424 so nutzte das Kasseler Predigerministerium den errungen Sieg nun aus, indem es die Worte des Religionsabschieds so deutete, dass man von bewusster Schikane sprechen muss, in einem Fall, in dem der von Stein in seinen Schriften oft beschworene Geist christlicher Brüderschaft zwischen den evangelischen Konfessionen eine andere Entscheidung geboten hätte. »Hab ich das Ministerium bei mir gehabt, da dan [Folgendes behandelt worden] […] 2. Demnach Christoff und Georg Leo, beide gebrudere von Löwenstein, ohnlangst bericht begehrt, ob ihrem hausprediger die confirmation der kinder zugelassen sein solte; als hat das ministerium darvon geredet, und befunden, weil den hauspredigern im Darmbstadischen accord neben der predigt, auch die kinderlehr deren kinder, so ihm aus den gemeinen zugeschickt werden möchten, zugelassen, auch einem jeden aus der gemein, bey ihnen das abentmal zue gebrauchen, vergönnet sey, als könne man ihme die confirmation nicht wohl verwegern, zumahl weil es dem ordinario ohne das auch bedenklich sein würde, diejenige kinder, so der ubiquitarius pastor in catechesi instituirt, zu konfirmiren. Dieweil es aber doch vermuthlich mit dem hausprediger nicht lang wehren dörffte, könte man die resolution etwas differiren, immittelst aber sich vernehmen lassen, es wurde der confirmation im accord mit keinem wort gedacht; dahero es bedencklich, dem hausprediger selbe einzureumen. […] Herr Theophilus Newberger, hoffprediger, und Herr Thomas Wetzelius, pfarher zun Landgraff Wilhelmß f. gn. sich auch dahin erclert, in ihrem gantzen land uberal niemanden der religion halber, so in Herrn Landgraff Georgen fürstenthumb itzo getrieben würde, zu beschwehren oder zu graviren, sondern einem jeden sein gewissen frey, unbetrangt, noch auch vor gevatterschafften undt andere christlichen actibus undt ehren ämbtern, umb solcher religion willen, verstossen, oder auch denen verstorbenen honestam sepulturam verweigern zu lassen«. 424 In seinem Schreiben an den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. vom 2. Januar 1630 (StAM 22 a 1, Nr. 278 [Abschrift], das Zitat in dem Schreiben fol. 1v) wies Landgraf Wilhelm V. darauf hin, »waß gestald wir bey deme […] in anno [1]627 getroffenen accordt unßerer ritterschafft im religionsweßen eines und anders gutwillig gestattet und nachgeben, darbey wir es auch bestendig bewenden lassenn, wie wir nun demßelbigen nimahls wissentlich zu wieder gehandlet. Alß stünde hingegen wohl zu wünschen, daß man an der ritterschafft seiten dieße besondere begnadigung, dergleichen exempell im römischen reich schwerlich zu finden sein wirdt, mit der danckbarkeit wie es ihre schuldigkeit erfordert, erkennen thete. So erfahren wir aber, und zwar nicht bey allen, sondern nuret etzlich gar wenigen daß gegenspiel, in deme dießelbe ahn dero ihnen vermöge vorberürten accord zugelaßener unschatzbarer religionsfreyheit kein gnügen tragen, sondern gern weiter gehen, und fast gar ahn das jus episcopale greiffen und unß dasselbe mit der zeit entziehen wellen, zu dem ende sie dan allerhand mittel und wege vor die hand nehmen«.

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Brüdern, seind zu f. cantzley geschickt, von obigen puncten f. regierung zu referiren […]«.425

Die Spitzfindigkeiten in der Auslegung und Anwendung des Religionsabschieds, zu der die Geistlichen und insbesondere die Superintendenten als Vertreter des Landesherrn ihre Hand boten, zeigen insgesamt wie virulent der religiöse Antagonismus noch war und wie viel mühsam Errungenes man um eines kleinen Vorsprungs oder Stiches willen bereit war aufs Spiel zu setzen. In der engen Abstimmung weltlicher und geistlicher Herrschaftsträger zeigen die Vorgänge aber auch, wie sehr die Ordnung der Kirche in die Ordnung des Landes eingebettet war und Fragen der Kirchenherrschaft auch solche der Landesherrschaft waren. c)

Die Restitution des Pfarrers Johannes Schoppach und des Diakons Johannes Magirus zu Treysa

Hingewiesen sei noch aus dem Bereich der Superintendentur Kassel auf die Absetzung und Restitution des Pfarrers (in der Darmstädter Überlieferung als Diakon bezeichnet) Johannes Schoppach und des Diakons Johannes Magirus zu Treysa. Die Absicht der Absetzung artikulieren der hessen-darmstädtische Vizekanzler und die Räte zu Marburg in ihrem Schreiben an Landgraf Georg II. vom 21. April 1627: »Dieweil auch der schultheiß zu Treysa jüngsthin berichtet, daß bürgermeister und rath daselbsten daß ius patronato deß orts hergebracht, so haben wir unß mit dem [hessendarmstädtischen] superintendenten [zu Marburg, Georg Herdenius, A. J.] eines gewißen glimpflichen modi verglichen, damit der rath sich keines eingriffes zu beschweren, und obgemelte beide persohnen guthwillig praesentiren und vorschlagen« könne.426

Vorgesehen waren zwei Geistliche aus Städten der Wetterau, als Pfarrer für Treysa Johann Dietherich, noch Pfarrer zu Staden, und als Diakon Johann Engelbach, noch Pfarrer zu Karben. Dietherich wurde offenbar tatsächlich Pfarrer in Treysa,427 als von Hessen-Darmstadt zu Treysa eingesetzter Diakon aber wird »Wenemarus Christiani« genannt, so im Bericht Paul Steins über die Restitution des entsetzten Johannes Magirus zum 1. Februar 1629 an die Kasseler Regierung.428 Hinweise auf das Schicksal des abgesetzten Treysaer Pfarres Schoppach und des Diakons Magirus und ihre Restitutionsbemühungen liefern vor allem die Diensttagebücher Paul Steins für die Jahre 1628 und 1629. Daraus erfahren 425 426 427 428

DTB Paul Stein 1630/31, Eintrag zum 9. März 1630, Nr. 3.2. StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 26–29, hier fol. 26v. Kulenkamp: Geschichte der Stadt Treysa, S. 197. Paul Stein an die Fürstliche Regierung, Kassel 1629 Januar 30, StAM 22 a 1, Nr. 106.

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wir, dass der lutherische Pfarrer zu Treysa, Johann Dietherich, bei einem selbst angefragten Gespräch in Kassel von Paul Stein am 1. Mai 1628 aus der Kirchenordnung von religiöser Polemik abgemahnt wird.429 Am 5. Oktober 1628 berichtete Paul Stein, »weil ich ohne daß noch heut von hinnen naher Homberg undt von dannen in die Graffschafft Ziegenhayn zur visitation zu verreisen vorhabenß bin«, in einem Schreiben an Landgraf Wilhelm V., »daß der vor andert halb jahren von Landgraff Georgens f. gn. naher Dreiß Ziegenhayn eingesetzte pfarrher, M. Johannes Theodoricus [= Dietherich, A. J.], vorgestrigß freytagß mit todt abgangen«,430 weshalb er vorschlägt, Johannes Schoppach in sein voriges Amt wieder einzusetzen, der nach dem Tod des Pfarrers Johann Rauschenberg, als »dahmahliger caplan, zu einem successorn undt pfarrhern confirmirt undt bestettigt, auch offentlich eingeführet undt der gemeine zu gemeltem Dreisa vorgestellet, aber balt darauff von Landgraff Georgens. f. gn. widerumb cassirt undt abgeschafft worden« sei. In einem eigenhändig unterschriebenen Reskript Landgraf Wilhelms V. vom selben Tag stimmte dieser dem Vorschlag Steins zu, woraufhin Paul Stein in einem Dorsalreskript darlegt, von Gudensberg aus habe er ein Schreiben an Schoppach abgehen lassen, darin er »an B[ürgermeister]. und Rath auch die ganze Gemeine zu Dreisa verschrieben worden, daselbst eine probpredigt zu thun, und ihre erklerung ob und wie sie mit ihm zufrieden, einzuholen«.431 Auch wenn die Aufzeichnungen Paul Steins in seinem Diensttagebuch für das Jahr 1628 nur bis zum 20. August reichen, muss Schoppach bald nachdem er am 5. Oktober brieflich zur Probepredigt aufgefordert wurde, restituiert worden sein, denn im Diensttagebuch für 1629 wird er am 9. Januar unter Nr. 3 (fol. 5v) wieder als Pfarrer erwähnt. Bald darauf wurde auch der Diakon Johannes Magirus restituiert. Im Diensttagebuch Paul Steins selbst wird Magirus erwähnt im Eintrag zum 27. Januar 1629, Nr. 3 (fol. 8v). Dem ging Ende Januar 1629 ein Briefwechsel zur Wiederbesetzung des Treysaer Diakonats voran, darunter die Präsentation Magirus’ an Paul Stein durch Pfarrer, Bürgermeister und Rat zu Treysa vom 23. Januar, ein Brief Schoppachs an Stein vom 24. Januar, in dem er um schleunige Bestellung des Diakonats bat, »auf das man des Marpurgischen calumnianten einmahl queit und los« sei, sowie das Einverständnis des Landgrafen vom 27. Januar.432 Von Hessen-Darmstadt abgesetzt und von Hessen-Kassel restituiert wurde auch der Treysaer Schulmeister

429 DTB Paul Steins, Eintrag zum 30. April 1628, Nr. 5; 1. Mai 1628, Nr. 2 und 5. 430 Siehe die übereinstimmenden Angaben zu Johann Dietherich in Hütteroth: Kurhessische Pfarrergeschichte I, S. 25f., hier S. 26. 431 StAM 318 Kassel, Nr. 1115 (im dem Umschlag an 28. Stelle von vorn lose einliegend). 432 Alles in StAM 318 Kassel, Nr. 1102 (Umschlag mit der Aufschrift: »Nro 124. verschiedene Praesentations schreiben von Bürger Meister und Rath zu Treyßa auf die Capellanats und Schulbedienungen daselbst wie auch Verbeßerung der Bezahlungen betreffend«).

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Hermann Wallmeister.433 So kehrte nach Ende der Pfandschaft nicht nur die weltliche Herrschaft über diese wichtige mittelhessische Stadt an die Kasseler Linie zurück, sondern auch die geistliche Herrschaft, was den Pfarrer angeht, durch den Tod des Lutheraners am 3. Oktober 1628, sogar vor Ablauf der Jahresfrist, während man diese beim Diakon ungeduldig abwartete.434 d)

Die Verhältnisse zu Niederdünzebach, Schwebda und Reichensachsen

Adlige Patronatspfarreien in Niederhessen, wie Niederdünzebach und Reichensachsen, waren unter den ersten, die einer lutherischen Reformation unterzogen wurden und unter den letzten, die – zum Teil erst weit nach dem Ende der hessen-darmstädtischen Pfandherrschaft – wieder reformierte Pfarrer erhielten. Die Anhänglichkeit der Adelsfamilien an ihr lutherisches Bekenntnis, ihr sich darin manifestierender Protest gegen das Vorgehen des Landgrafen in Glaubenssachen sowie ihre trotzdem vorhandene Abhängigkeit von ihm wie auch das Verhältnis der beiden Superintendenturen Kassel und Rotenburg werden deutlich aus einem Eintrag Paul Steins in seinem Diensttagebuch zum 18. Juni 1631 – also weit nach dem Ende der Pfandherrschaft –, aus dem sich der Eindruck aufdrängt, dass sich Supplikanten aus dem Bereich der Superintendentur Rotenburg von einer Supplikation direkt an den Kasseler Superintendenten, am Sitz der landgräflichen Regierung mit unmittelbarem Zugang zu den Entscheidungsträgern, bessere Beförderung ihres Anliegens versprachen.435 Hier bitten eine Witwe und eine Waise aus der Adelsfamilie derer von Keudel zu Schwebda, nahe Eschwege, um Erlaubnis zur Abhaltung von Gottesdiensten durch den lutherischen Pfarrer von Niederdünzebach im Gericht Boyneburg: »Die edle ehrn- und viel tugentsame Fraw Brigitta Keudelin, geborne von Berlepß, Juncker Curdt Keudels s[eligen]. nachgelassene wittib, undt Anna Keudellin, Christoff Keudels s[eligen]. nachgelassene tochter zu Schwebda, suchen und begehren, daß ihnen möchte vergönnet werden, daß Herr Johan Döringer, pfarrherr zu Tuntzebach, naher Schwebda zu ihnen kommen möge und daselbst Gottesdienst verrichten. 433 Zu dessen Schicksal kurz: Kulenkamp: Geschichte der Stadt Treysa, S. 205. 434 Siehe die Schilderung der zeitlichen Abläufe bei der Restitution des Diakons im Schreiben von Paul Stein an die Fürstliche Regierung, Kassel 1629 Januar 30, StAM 22 a 1, Nr. 106. 435 So findet sich auf der »Copia« eines Schreibens von Bartholomaeus Hücker aus Kreuzberg (heute Philippsthal) vom 10. April 1652 auf fol. 1v unten ein eigenhändiger Vermerk des Kasseler Superintendenten Theophil Neuberger: »NB. Weil diese sach nit in meinen kreyß u. inspection gehörig, kan ich für meine person darin nichts thun, sondern muß entweder beym Superint. zu Eschwege, oder beym fr. Consistorio gesucht werden«, StAM 22 a 3, Nr. 878 (im Umschlag mit der Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. den Pfarrer zu Kreuzberg (= Philippsthal) Joh. Peter Thumbeck, seine Erkrankung u. Vertretung in Kreuzberg u. dem Filial Heimboldshausen. 1652–1654«).

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Ist rescribiret: Weil gemelter orth unter meinem bezirck nicht, sonder naher Rottenberg gehöret, dahero ich mich dero von ihnen geklagten sach nicht zu unternehmen; alß haben sie bey dem Herrn Superintendenten zu Rottenberg [= Hermann Fabronius, A. J.] nachmals anzuhalten, und von ihm zu vernehmen, weil er sich dißfalß auf auswürckung eines special befehls hiebevor berüffete, ob er etwa immittelst auß dieser sach mit der herrschafft oder f[ürstlicher]. regierung communicirt, undt sich bey ihnen bescheits erholet, oder in mangel desen bey unserm gn[ädigen]. fürsten undt herrn, oder ihrer f[ürstlichen]. regierung alhier ihr suchen vorbringen undt von dannen resolution erwarten«.436

Erstmals hatte Friedrich Hermann von Boyneburg im September 1626, nach dem Tod des letzten Pfarrers, Angelus Schiltroth,437 die Gelegenheit ergriffen, um die Einsetzung eines lutherischen Pfarrers in Niederdünzebach, wo denen von Boyneburg, genannt von Hohenstein, unstreitig die Kollatur zustand,438 zu bitten, wurde aber von Hessen-Darmstadt zur Geduld verwiesen.439 In der Zwischenzeit hatte Hessen-Kassel die Gefahr erkannt und am Sonntag, dem 8. Oktober 1626 als Pfarrer Johannes Lobetantz/Lobetanus durch den Eschweger Metropolitan Aaron Grusemann einführen lassen,440 um dessen Remotion 436 DTB Paul Steins 1630/31, Eintrag zum 18. Juni 1631, Nr. 2. 437 Zum Namen siehe den Eintrag im vom Superintendenten Fabronius angelegten »Catalogus pastorum. Verzeychnus der Pfarrer der Kyrchen Gottes im Bezirgk Rotenbergk an der Werra undt Fulda, wie dieselbigen im Jahr Christi 1622 angeordnet gewesen seindt«, mit Nachtrag der jeweiligen Nachfolger, im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 302–307, hier S. 303; siehe auch die Erwähnung im Schreiben Johannes Hütterodts, Pfarrer an der Altstädter Kirche zu Eschwege und Metropolitan der Klasse, an Caspar Josephi, Superintendent des Bezirks Rotenburg, Pfarrer und Metropolitan zu Allendorf, Eschwege 1634 Juli 20, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (zweites Schreiben nach dem Umschlag »Betr. Diemerode«). 438 Siehe die Angabe zum »Collator« im »Dorfbuch des Niedern Fürstenthumbs Hessen«, in: Zimmermann: Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., S. 79 (»Nidder Duntzebach«). 439 Schreiben Boyneburgs an Georg II., Jestädt 1626 September 28, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 1 u. 5; Bitte Friedrich Hermanns von Boyneburg an den Superintendenten, Georg Herdenius, und die ganze theologische Fakultät zu Marburg um einen lutherischen Prediger für Niederdünzebach, aus Jestädt, ebenfalls vom 28. September 1626, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 2f.; Statthalter, Amtsverweser, Kanzler und Räte an Friedrich Hermann von Boyneburg, Marburg 1626 Oktober 2: Landgraf Georg könne sich in der Angelegenheit der Einsetzung lutherischer Pfarrer in den niederhessischen Pfandämtern »gewißer ursachen halben« noch nicht erklären, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 4 (Konzept). 440 Lobetanus’ Aussage in der Vernehmung zur Kanzelverkündigung des Herrschaftsübergangs von Landgraf Moritz auf Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel findet sich in: StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 136v (Buchstabe I), seine eigenhändige schriftliche Stellungnahme, Ebd., fol. 154 (Eschwege 1627 April 6). Interessant ist, in welchem anderen Zusammenhang uns der Name Lobetantz’ begegnet. Als letztes Stück findet sich eingeheftet im von Fabronius zusammengestellten Einkünfteregister des Superintendenturbezirks aus dem Jahr 1624 (KKAE Best. 1, Nr. 34) die Abschrift von unbekannter Hand eines Schreibens, das »Anwesende von Boineburgk, Collatores der Pfarr Reichen-Sachßen, und der Abwesenden Diener« an Präsident, Assessoren und Räte des Konsistoriums zu Marburg »am tage S.

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Friedrich Hermann von Boyneburg schon einen Tag später und erneut im März 1627 bei Landgraf Georg ansuchte.441 Daraufhin wurde Johann Döringer (auch: Duringkman, Döringman) von Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt als Lutheraner anstelle des reformierten Pfarrers Johann Lobetanus zu Niederdünzebach eingesetzt.442 Döringer wird noch 1634 bei einem Konflikt mit dem Stephani deß ablauffenden 1623. Jaars« (26. Dezember 1623) gerichtet haben, um ihre Einwände vorzubringen gegen die am späten Abend des Vortages durch den Diakon der Eschweger Altstadtkirche, Johannes Hoffmeister, auf empfangene Befehle, erfolgte Aufforderung, Conrad Brunstein als möglichen Nachfolger auf der vakanten Pfarrstelle im Predigen zu hören; trotz dass die Zweimonatsfrist zur Präsentation eines Nachfolgers schon verstrichen sei, wären sie nicht untätig gewesen und hätten Kandidaten Probepredigten tun lassen, darunter »M. Melchisedeck Grusemannem [ein Sohn Aaron Grusemanns?, A. J.] fur welchen die Fürstl. Witwen zu Eschwege bey unß intercedirt und Johannem Lobetantzen cantorem der schulen zue Eschwege, fur welchen andere ehrliche leutte verbittlich geschrieben«; in der bedrängten Lage des Landes seien sie vom Landgrafen mit Kommissionen beauftragt, müssten »bey dem einquartirten kriegsvolcke sein und hin und wieder reisen«, weshalb sie hinsichtlich der Präsentationsfrist um Nachsicht bitten. 441 Schreiben Friedrich Hermanns von Boyneburg an die hessen-darmstädtischen Statthalter, Kanzler und Räte zu Marburg, Jestädt 1626 Oktober 9, StAM 17 e, Nr. Eschwege 206; wie dieses Schreiben an die Darmstädtische Regierung zusammen mit dem Antwortkonzept von Präsident, Vizekanzler und Räten, Marburg 1626 Oktober 14, in die Ortsrepositur der Landgräflich Hessischen Regierung Kassel gelangte, ist unklar ; Boyneburg bittet in dem Schreiben um die Remotion des am Vortag, dem Sonntag, 8. Oktober 1626, gegen seinen Willen auf Anordnung des Kasseler Konsistoriums durch den Eschweger Metropolitan Aaron Grusemann in Niederdünzebach »vermeindtlich« eingeführten Pfarrers, der zwar vor vier Wochen bei ihm um die Präsentation nachgesucht habe, den er aber, »weill er nicht meiner religion unnd seine beide gebrüedere, neben andern landfriedensbrüchigen gesellen, mein hauß plündern helffen, abgewiesenn« habe, weshalb er die Angeschriebenen bittet, sie wollten ihm »hierinnen die handt beyhalten, denen mihr zuwiedder eingeführten pfarrern zu Düntzebach abeschaffen, unnd einen andern, wie vertröstett, unnd ich unterthenigk gebeten, anhero ordiniren laßenn«; Präsident, Vizekanzler und Räte zögerten aber noch immer und antworteten daher : »Dieweil eß ahn deme, daß ersteß tagß wegen unserß gn. F. und. H. etzliche S. f. g. rähte zur einnehmung der huldigung im Niderfurstenthumb anlangen werden, denselben auch befelch ufgetragen zue eurem befuegnuß euch handpietung zu thun. Alß werdet ihr euch biß zue ihrer ankunft in gedult fassen und alßdan bey denselben uhm assistentz nachsuchen«. Siehe des Weiteren das Schreiben Friedrich Hermanns von Boyneburg an Georg II., Jestädt 1627 März 19, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 65–67 und das Konzept der daraufhin an ihn ergangenen Antwort Georgs II., Schmalkalden 1627 März 21 (oder 27?), StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 68, »Seind darauf vor dismal in g[naden]. zufriden«, er solle der Theologischen Fakultät zu Marburg eine qualifizierte Person zum Examen zuschicken, Präsident und Räte zu Schmalkalden seien schon angewiesen, dass sie dieselbe nach Vorzeigung der entsprechenden Dokumente als den begehrten »pfarrer, so der ungeenderten Augspurgischen Confession zugethan«, »introduciren und installiren lassen sollen«. 442 »In der Zeit vom 20. bis 23. Juli 1627 ›reformierte‹ der Marburger Superintendent Herdenius alle unter Friedrich Hermanns von Boyneburg Patronat stehenden Pfarreien (NiederDünzebach, Bischhausen, Reichensachsen). Die Pfarrer J o h a n n e s L o b e t a n u s zu Nieder-Dünzebach, H e i n r i c h P i s t o r i u s zu Bischhausen, K o n r a d B r u n s t e i n zu Reichensachsen wurden abgesetzt«, so Wilhelm Diehl: Hassia sacra II, S. 329 (mit den Sperrungen). Ob, wie angedacht, auch die Boyneburgischen Patronatspfarreien Wich-

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mannshausen und Datterode lutherische Pfarrer erhielten, ist nicht ganz klar. Der Marburger Superintendent Herdenius erhielt von Landgraf Georg II. zwar den Auftrag, nach geeigneten Personen Ausschau zu halten (Georg II. von Hessen-Darmstadt an den Superintendenten Georg Herdenius, Nidda 1627 August 6 [Konzept], StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 124f.), Hinweise für eine erfolgte Neubesetzung finden sich aber nicht. Vizekanzler und Räte zu Kassel protestierten in einem an Sämtliche von Boyneburg gerichteten Schreiben vom 7. Juli 1627 gegen deren Vorhaben, in ihrem Gericht die reformierten durch lutherische Pfarrer zu ersetzen, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 99. Davon betroffen war auch die Pfarrei Jestädt, denn Johannes Pforr – bis zur Plünderung Quentels in der Klasse Lichtenau 1626 Pfarrer dieses Ortes und offenbar immer noch frustriert über seine Lage, die sich aber inzwischen verbessert hatte – berichtet in einem Schreiben an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel aus Lichtenau vom 13. Dezember 1630: die Kasseler Konsistorialräte hätten »anno [1]627 nach erledigungk der pfarr zu Jestädt mich zum pfarrherren des orttß uff eingehohlten I. F. G. Landtgraff Moritzen consens undt befehlich großg[ünstig]. verordnett, unndt darauff unßerm deß Rottenberg. bezirckß H. Superintendenten im nahmen I. F. G. demandiert, mich daselbst vor einen pastoren zum förderlichstenn zu introducieren«, was aber unterblieben sei »biß so langk bey 6 monattlichen mangelunk eineß pfarrherren Jungker Friedrich Hermann von Boyneburgk genandt Hohnstein de facto zugefahren, vor sich selbst einen pastorem erwehlet, sellbigenn vorß erste der gemeinde zu Jestädt unter dem anger vorgestellt, nachmahlß aber durch den Darmbstädischen superintendenten introducieren lassen, dardurch ich dann biß dato dienstloß sitzen müssen, unndt keiner wurcklichen promotion geniessen können« (mit distanzierenden und für Pforrs sich in übertriebener und teils unrichtiger Darstellung äußernde Anspruchshaltung entlarvenden Randbemerkungen des Superintendenten Fabronius und einer dorsalen Stellungnahme des von Pforr mit Vorwürfen belasteten Pfarrers zu Breitenau), LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 495 (im zweiten Umschlag, »betrifft Bestellung und Einführung der Pfarrer und deren Verhalten resp. Suspension«, das 6. Stück). Aus der Aufstellung des Superintendenten Fabronius im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg (StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 327: »Enderung der Religion undt pfarrdienste an etlichen örtern des bezirgks Rotenbergk Anno Christ 1626«) erfahren wir die Namen der zu Jestädt und an anderen Orten eingesetzten Lutheraner: »Ferner so haben etliche Jungkern ihre pfarrdienste geendert, undt ist zu Jestet auf absterben Engelhardi Wageners Balthasar Man, auf entsetzung Stotzmanni zu Soltz Hartman Bode, an stadt Braunsteinij zu Reichensaxen Joannes Heil, an stad Wassermanni zu Öthmanshausen Joannes Dennbach, an stadt Nebenij zu Bischhausen Joannes Menachus, anstadt Gerlaci zu Langenhagen [= Langenhain bei Reichensachsen, A. J.] gemelter Heilius daselbst hin angewiesen, an stadt Curei zu Netra Joannes Junker, an stadt Rhodij zu Granenborn Heinricus Sigfrid, an stat Lobetantzij zu Duntzenbach Joannes Thuringman, an stadt Steinij zu Herleshausen Jacobus Raupius, deren Trotten, Boyneburgen undt Wersabe pfarren. An stadt Stidenrodi zu Schwebda Andreas Schonius, an stadt Slingaxti zu Rörda Christophorus Lyranus, landtgräfische pfarren auf begehren der Keudel undt Herden, wie auch voriger Jungkern eingefurdt worden. Raidus zu Thurnhosbach, qui claudicat [= der (zu den Lutheranern) schwankt, A. J.], ist blieben, so wirdt auch gesagt, daß Joannes Windt zu Brotrode undt Theodoricus Michael zu Drusen haben bleiben wöllen, aber von den gemeinen verwegert worden sey […]«. Hingewiesen sei auf die weitere Überlieferung zur Neubesetzung der Pfarreien Herleshausen (auf Ansuchen des Patronatsherrn Hermann von Wersabe; abgesetzt wurde Johannes Stein, eingesetzt Jacob Rauppius, siehe die Diskussion darüber und über den Status der Kirche zu Wommen als Filiale von Herleshausen vom Juli, August und September 1627, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 104–106, 126–168, 171, siehe auch den Eintrag zum 15. November 1653 im DTB Hütterodts, S. 1174) und Solz (unter dem Patronat derer von Trott zu Solz; abgesetzt: Johannes Stotzmann, eingesetzt: Pfarrer Hartmann Bode [Diehl: Hassia

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1627 im Amt gelassenen Schulmeister Johann Klein, der nicht weiß, welchen Katechismus er unterrichten soll, den hessischen oder den lutherischen, in einem Bericht des damaligen Eschweger Metropolitans Hütterodt an den Superintendenten Caspar Josephi genannt.443 In einem Schreiben Hütterodts an Josephi vom 9. Juli 1634 heißt es sogar am Ende: »Darneben hat der superintendens aus inliegendem schreiben zu verstehen, daß der pfarrer zu Tuntzebach, Herr Joan Döringman, durch die vermahnung, uff welche Herr Theophilus [Neuberger, zu dieser Zeit Hofprediger zu Kassel und noch nicht Superintendent, A. J.] mich vertröstete, nicht besser sonder ärger worden, sintemahl er in seinem undt andren angrenzenden dörffern solche rumores, von abschaffung des Calvinismi, undt restabilirung des Lutheranismi spargirt, daß sich unzehlich viel daran ärgern, undt hat neulich ein weib zu Niderntuntznbach austrucklich gesagt, der Ochsenstirn wehre gar gutt lutherisch, der würde die Calvinisten wohl lehren, waß sie thun solten. Unde hoc? Nisi, meo judicio, / pastore sic praeeunte. Neulich hat er Joannis Baptistae undt Visitationis Mariae tag, mit zweyen predigten, aber Petri & Pauli tag, mit einer predigt gehalten, undt gesagt, es wehre zwar eben nicht befohlen solche tage zu feiren, er wolte aber gleichwohl predigen undt wehre recht daß man sie feirete. Dieses habe, von ambts- undt gewissens wegen, nicht verschweigen können, möchte wünschen, f[ürstliche]. herren rähte wisseten so wohl, was dieser unrühige clamant für turbas excitirt, alß es alhier in unser gegent bekandt ist. Stelle solches zu des Herren Superintendenten fernerer anordnung undt empfehle ihn dem schutz des Allerhöchsten«.444

Auch die von Keudel – die in dem vorhergehenden Zitat um die Erlaubnis gebeten hatten, dass Döringer bei ihnen Gottesdienst halten dürfe – arbeiteten auf die Einsetzung eines lutherischen Predigers zu Schwebda hin, dessen Kirche landgräflichem Patronat unterstand.445 Als sie im Juli 1627 feststellten, dass der hessen-darmstädtische Superintendent Herdenius »in dem Gericht Boineburgk etzliche pastores, die der rechten wahren und reinen Augspurgischenn religion zugethan sein, wegen unsers allerseitzs gnedigen fürstenn und hern, Hernn Geörgen Landtgraffen zue Heßen etc., introducire, heriegen solche, die der sacra II, S. 329; der Vorname aus der gerade zitierten Aufstellung Fabronius’], siehe die Diskussion darüber im April und Mai 1627, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 63f., 69–74, 76, sowie Stotzmanns Erwähnung im Protokoll der Vernehmung der Pfarrer der Ämter Rotenburg und Sontra vom 16. April 1627 über ihre Kanzelverkündigung des Kasseler Herrschaftswechsels, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 170v ; am 16. April 1627 protestierte das Kasseler Konsistorium in einem an die von Trott zu Solz gerichteten Schreiben gegen deren Vorhaben, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 69f.). 443 Johannes Hütterodt, Pfarrer und Metropolitan zu Eschwege, an den Superintendenten Caspar Josephi, Eschwege 1634 Juli 20, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (zweites Schreiben nach dem Umschlag »Betr. Diemerode«), mit Beilage eines Erklärungsschreibens des Schulmeisters Johann Klein an Hütterodt aus Niederdünzebach vom 15. Juli 1634. 444 KKAE Best. 3, Nr. 1873 (erstes Schreiben nach dem Umschlag »Betr. Diemerode«). 445 Siehe die Angabe zum »Collator« im »Dorfbuch des Niedern Fürstenthumbs Hessen«, in: Zimmermann: Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., S. 79 (»Schwebede«).

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calvinischen religion alda gepflogenn, dimittire«, begehrten auch sie die Entlassung des ihnen vor eineinhalb Jahren als Pfarrer aufgedrungenen calvinischen Exulanten aus der Herrschaft Eppstein, Johann Peter Corvinus,446 und dessen Ersetzung durch Volkmar Vogeley, aus Eschwege gebürtig, den sie bereit waren, zum Examen zum Superintendenten nach Marburg zu schicken.447 Schließlich wurde von Hessen-Darmstadt noch im August/September 1627, als die Verhandlungen mit Hessen-Kassel über den Hessischen Hauptakkord kurz vor dem Abschluss standen, Andreas Schön als lutherischer Pfarrer zu Schwebda eingesetzt.448 Nachdem im neuen Jahr die Pfandämter an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel zurückgegeben und die Huldigung eingenommen worden war, »das also vi contractus Passaviensis das ius episcopale hinfüro zu besetzen Casselischer linien gebüren will«, bat Andreas Schön Georg II. in einem Schreiben aus Marburg vom 17. Mai 1628 darum, ihn – wenn er nach Ablauf der Jahresfrist in Schwebda erwartbarermaßen entsetzt werde – mit einer anderen 446 Corvinus’ Aussage in der Vernehmung zur Kanzelverkündigung des Herrschaftsübergangs von Landgraf Moritz auf Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel unter den »Praedicanten der Statt undt Landtvogthey Eschwege« (fol. 133r), durchgeführt zu Eschwege am 16. und 17. April 1627, findet sich in: StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 136v–137r (Buchstabe K), seine eigenhändige schriftliche Stellungnahme, Ebd., fol. 155, wo er als »Adjunctus zu Schwebda« unterschreibt. Im Bericht des Rotenburger Superintendenten Fabronius im Synodalbuch über die während des »Darmstädtischen Interims« vorgenommenen Änderungen in der Pfarrbesetzung schreibt er, dass »[a]n stadt Stidenrodi zu Schwebda Andreas Schonius« eingesetzt worden sei, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 327. Tatsächlich wird Nicolaus Stidenroth im »Catalogus Pastorum« im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg für das Jahr 1622 (Ebd., S. 303) als Pfarrer zu Schwebda in der Klasse Eschwege genannt, hinter seinem Namen ist allerdings schon der Corvinus’ vermerkt, während im »Catalogus der Pfarrer des bezirgks Rotenbergk im Jahr Christi 1632« (Ebd., S. 338) Corvinus an erster Stelle steht; er ist damit höchstwahrscheinlich der Ungenannte, auf den sich die Bemerkungen zum Exulantenstatus im Schreiben der Keudelschen Söhne beziehen, denn nur so macht seine Selbstbezeichnung als Adjunkt Sinn, eine typische Versorgungsmöglichkeit für Exulanten, im günstigsten Fall, wie hier, mit Aussicht auf Nachfolge beim Tod des Amtsinhabers. In seiner Bemerkung zur Übergabe des rektifizierten Katalogs der Predigerwitwen in der Klasse Eschwege, die in den Genuss der Witwensteuer kommen, an den Kasseler Superintendenten Neuberger, erwähnt Hütterodt in seinem DTB im vierten Eintrag zum 19. November 1638, dass »Stidenrots« Witwe verstorben sei. 447 Hans Curt Keudels sehligen nachgelassene Söhne zu Schwebda an Georg Herdenius, hessen-darmstädtischer Superintendent zu Marburg, Schwebda 1627 Juli 21, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 114f. Hans Christoph, Hartmann und Hans Curt Keudel (wahrscheinlich die Söhne des verstorbenen Hans Curt Keudel) hatten sich mit derselben Bitte schon vorher an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt gewandt, Schwebda 1627 Juni 8, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 78f. 448 Dank Georgs II. an den Schlossprediger zu Schmalkalden, Christoph Cellarius, für die Einführung Andreas Schöns zu Schwebda, Darmstadt 1627 Oktober 3, bezugnehmend auf Georgs II. Befehl dazu vom 15. August und einen Bericht Cellarius’ vom 2. September 1627 über die erfolgte Einführung, in: StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 47 (Konzept). Vizekanzler und Räte zu Kassel hatten am 14. Juli 1627 in einem Schreiben an die von Keudel gegen deren Vorhaben protestiert, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 87f.

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Stelle in seinem Land zu versehen oder ihm zu erlauben, sich rechtzeitig um andere Pfarrstellenangebote zu bemühen;449 Georg II., der gern sehen würde, wenn Schön bis zum Ablauf der den lutherischen Pfarrern vertraglich gewährten Jahresfrist in Schwebda bliebe,450 beauftragte sein Definitorium zu Marburg am 25. Mai 1628 nach einer anderen Stelle für Schön in seinem Land zu suchen.451 Mit der Remotion von durch Hessen-Darmstadt in adligen Patronatspfarreien – nicht landesherrlichen, wie Schwebda – eingesetzten lutherischen Pfarrern tat sich Hessen-Kassel offenbar nicht so leicht; dass zur Gruppe dieser länger auf ihren Stellen Gelassenen auch der Niederdünzebacher lutherische Pfarrer Johann Döringer und, wie sich aus der angeführten Überlieferung im Kirchen-

449 StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 6 u. 9 (Ausfertigung). 450 Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt an Andreas Schön, Pfarrer zu Schwebda, Darmstadt 1628 Mai 25, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 8 (Konzept). 451 StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 7 (Konzept). Schön konnte tatsächlich eine andere Pfarrstelle in Hessen-Darmstadt antreten und zwar 1629 in Heuchelheim bei Gießen (Diehl: Hassia sacra II, S. 317f.). Offensichtlich blieb er aber noch ein ganzes Stück über den gesetzten Remotionstermin vom 22. Januar (alten)/1. Februar (neuen Stils) 1629 hinaus in Schwebda, denn erst unter dem 27. März 1629, Nr. 2 (fol. 19v) ist im Diensttagebuch Paul Steins zu lesen: »Fürstliche Regierung begehret, daß zwen außm ministerio zu f. cantzeley kommen solten, worauf Herr Newberger und Herr Wetzel erschienen seind, und ist ihnen proponirt worden 1. daß der ubiquitistische pfarrher zu Schwebda wegen der lesterung und injurien, so er gegen den Juncker außgegoßen, removirt werden solle, welcheß auch alßbalt geschehen«. Offensichtlich hatten Andreas Schöns Schutzherren, die von Keudel, ihre bisher über ihn gehaltene Hand zurückgezogen. Bis dahin sind auch andere Klagen über ihn eingelaufen. So heißt es im Diensttagebuch Paul Steins zum 6. Mai 1628, Nr. 5: Johann Peter Corvinus, »unschuldig entsetzter pfarher zu Schwebda«, berichte, »das die under denen vom adel new eingesetzte lutherische pfarhern sich des Superintendenten Fabronii« und des Metropolitans »jurisdiction und inspection nicht untergeben wollen, und deswegen« an den Metropolitan, den 1630 zum Katholizismus übergetretenen ersten Pfarrer an der Altstädter Gemeinde in Eschwege, Aaron Grusemann, »trotzige schreiben abgehen lassen; inmaßen er dan solche schreiben neben seiner, Crusemanni, supplication an f. regierung mir vorgezeigt«, an die ihn Stein damit verwiesen habe. Unter dem 5. Juni 1628, Nr. 6 schreibt Stein, er sei zur fürstlichen Kanzlei gefordert worden, »da der new eingesetzte lutherische pfarher von Schwebda Schonius neben seinem schulmeister, Balthasar Ewalden, vorgenommen […], und seind sie beide erinnert und vermahnet worden, den Superintendenten Fabronium für ihren episcopum zu erkennen, und ihme gebührenden respect und gehorsam zu erzeigen«. Dabei habe der Pfarrer Schön auch »uber den gewesenen entsetzten schulmeistern sich beklagt, das er zu fünff unterschiedenen mahlen seine religion geendert, auch bey seiner, des pfarrherrs, introduction sich zu der lutherischen religion bekennet, und das er jederzeit derselben meinung zugethan gewesen« sei, sich erklärt habe, »aber nach getroffenem accord sich wieder zu unser seiten gelencket, worüber er von Cellario [dem hessen-darmstädtischen lutherischen Schlossprediger zu Schmalkalden, A. J.] auf anhalten der gemeine abgeschafft. So ist verabschiedet, daß dem Superintendenten Fabronio hirüber erkundigung einzuziehen, und anhero zu berichten, anbefohlen werden solle«.

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kreisarchiv Eschwege ergibt, der lutherische Pfarrer zu Reichensachsen, Johannes Heil,452 gehörten, ist bisher unbeachtet geblieben.453

e)

Die Absetzung und Restitution des Pfarrers Nicolaus Schlingaxt zu Röhrda

Das Kasseler »Predigerministerium« unter Vorsitz des Superintendenten und Dekans des Kasseler Martinsstifts Paul Stein hatte sich vehement für eine schnelle Rückkehr der entsetzten reformierten Pfarrer stark gemacht, so auch 452 Johannes Hütterodt, Metropolitan der Klasse Eschwege, an den Superintendenten Caspar Josephi, Eschwege 1634 Juli 20, KKAE Best. 3, Nr. 1873 (zweites Schreiben nach dem Umschlag »Betr. Diemerode«); der Name nach der Aufstellung des Superintendenten Fabronius im Synodalbuch, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 327; nach Diehl: Hassia sacra II, S. 329 war Johannes Heil vorher Schulmeister in Schlitz. Dafür, dass der lutherische Pfarrer zu Reichensachsen noch lange nach der Anderen Remotion an seinem Platz blieb, spricht auch, wie Lorenz Ludolph, als Pfarrer von Reichensachsen, sein Schreiben, Kassel 1651 Mai 30, an das Kasseler Konsistorium beginnt: »Denenselben sol ich nicht verhalten, was massen ich anno 1634 in die Boyneburgische samptdörfer Reichen Saxen und Langenhain zur reformation deputirt und zu dero ordenlich[em] Pfarh[errn] angeordnet worden, und daselbst ein solch chaos funden, das ich davor erschrocken, aber doch nachdem ich von mahl zu mahln procedirt, nunmehr Gott lob alles da stehet, wie es sol und kan, immittelst aber grossen widerstand von denen von Boyneburgk samptlich erfahren, so auch mit der zeit all uberwunden […]«, hofft aber auf »ablösung aus dem Boyneburgischen feuroffen«, StAM 22 a 3, Nr. 1055 (Umschlagaufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. die verschiedenen Zwistigkeiten des Pfarrers Lor. Ludolph zu Reichensachsen mit den v. Boyneburg und seine Bewerbung um eine andere hessische Pfarrei. 1651. 1652«; Hervorhebung A. J.); Ludolph wurde 1658 Metropolitan von Allendorf (DTB Hütterodt, S. 1520 [24. November 1658], war seit Ende 1653 Inspektor in Siegen, DTB Hütterodt, S. 1177 [30. November 1653] und S. 1201 [20. März 1654]), nachdem Hütterodt die Fürsprache des Konsistoriums zu seinen eigenen Gunsten und die Erklärung der Gemeinde Allendorf, die er mit Blick auf die Besoldung als unehrlich empfand, in einem Schreiben an das Konsistorium, Eschwege 1658 September 15, dankend abgelehnt hatte, unter diesen Umständen, die ihm zum Schaden gereichten, – »in dem augenschein aber sich klärlich befindet, daß ich alsdan, wan ich dorthin folgete, meinen kindern das brodt nehmen u. für die hunde werffen müste« – wöllte er »lieber als ein privatus sonst wo leben«, StAM 22 a 3, Nr. 873 (in einem Umschlag mit der fehlerhaften Aufschrift: »Akten des Kasseler Konsistoriums. betr. Berufung Laur. Ludolffs Pfarrer zu Eschwege [gemeint: ehemaligen Pfarrers zu Reichensachsen] zum Superintendenten [gemeint: Metropolitan] in Allendorf«). 453 Vgl. Diehl: Hassia sacra II, S. 316–318, auf S. 329 ist Diehl der Name des Niederdünzebacher lutherischen Pfarrers – Döringer – unbekannt. Nach der namentlichen Aufführung von 18 Pfarrern, die »[i]n der wochen nach Martini« 1631 den Konvent der Klasse Eschwege in der Altstädter Kirche ebenda besuchten, heißt es im Konventsprotokoll der Klasse Eschwege, KKAE Best. 3, Nr. 204: »Die anderen pfarrer im Gericht Boyneburg nemblich zu Jestat, Duntzebach, Reichensachsen, Ohtmanshausen, Bischhausen u. Graneborn, welche bey dem Darmbstadischen interim eingeschoben worden, seyndt zum theil nicht erschienen, die in der Ganerbschafft Dreffurt aber seyndt gantz zurück blieben u. haben sich entschuldiget«; das heißt, die lutherischen Pfarrer der genannten Orte im Gericht Boyneburg waren in der Woche nach dem 11. November 1631 noch im Amt!

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für den Röhrdaer Pfarrer Nicolaus Schlingaxt.454 In ihrer Interzession, die sie am 1. Februar 1629, nach Ablauf der Duldungsfrist der lutherischen Pfarrer am 22. Januar 1629 alten Stils, an Landgraf Wilhelm V. richteten, zeigten sich die versammelten Pfarrer gewiss: »Stehen also in der gäntzlichen ungezweiffelten hoffnung, wofern E. F. Gn. angezogene ursachen bey sich christ- und furstlich in wahrer gottesfurcht erwegen wird, dieselbe im nahmen deß Allerhöchsten, desen sach eß auch fürnemlich ist, nunmehr nach abgelauffener accordirter jahrßfrist (welche ursach hernacher nicht also wird allegirt werden können) die restitution deren hiebevor entsetzten armen pfarrhern ohne fernern verzug dennechsten ergehen laßen werde. Zumal weil die politische considerationes, so E. F. Gn. etwa im wege liegen mögen, wan sie gegen vorgemelte unsere rationes gehalten, und auff die wage gelegt werden solten, verhoffentlich derselben bey weitem nicht gleich streichen, viel weniger praeponderiren werden. Dan einmal betreffende unsere widersachere die papisten, werden dieselbe ihren schluß, den sie etwan sonstet uber und wider uns gemacht haben mögen, von deßwegen, wenn die wenige lutherische prediger länger bey ihren diensten geduldet, und hergegen die unsere im elend stecken bleiben, weder miltern noch schärffen, inmaßen es nunmehr, leider, alzu viel am tage, das auff ihrer seiten auff den religionsfriede nicht mehr hoch geachtet, und under den evangelischen einer wie der ander von ihnen gehalten wirdt; derowegen dan auch die vorhabende keyserliche commission inß reich, darvon man sagt, durch dimission vorgemelter weniger lutherischer prediger so wenig maturirt und befördert, alß durch längere tolerantz deroselben gehemmet und auffgehalten werden wirdt. Möchte auch besorglich geschehen, da man in dieser die ehre des allerhöchsten Gottes, und die warheit seines allein seelig machenden worts betrefenden sach temporisiren würde, und dadurch etwa eine frist oder verschonung bey den wiedersachern zu erlangen verhoffte, das nicht allein solche hoffnung fehl schlagen, sondern alsdan zum verlust und schaden, man auch ein beschwehrt gewissen darvon tragen, und dadurch geplaget werden dürffte. So hat man sich auch vermuthlich auf seiten deren Lutherischen vom adel dißfalß nichts widriges, und das bey keyserlicher majestet sie etwan dieser sach halber ansuchung thun möchten, zu befahren; dan sie ihnen ja selbst leichtlich die rechnung zu machen, das bey jetzigem zustand und denen je länger je mehr zunehmenden verfolgungen der Lutherischen, sie bey keyserlicher majestet, in hac causa religionem Lutheranam concernente, wenig gehör haben, noch etwas fruchtbarliches außrichten 454 So reichten Hof- und Stadtministerium zu Kassel am 1. Februar 1629 zum Vortrag bei Landgraf Wilhelm V. »ein ausführlich intercession schreiben, restitutionem derer von Landgraf Georgens f. gn. entsetzten pfarrhern under etlichen von adel betreffend« ein (DTB Paul Steins, 1. Februar 1629, Nr. 1, fol. 9v ; zur Zusammenrufung des Ministeriums zwecks Abfassung des Interzessionsschreibens: 26. Januar 1629, Nr. 2, fol. 8v), so dass nach am 2. Februar erhaltenem positiven Bescheid (DTB Paul Steins, Eintrag zum 2. Februar 1629, Nr. 3, fol. 10r) Paul Stein am 10. Februar 1629, Nr. 1 (fol. 11v) in sein Diensttagebuch eintragen konnte: »Sämbtliche entsetzte pfarrhern im Gericht Boyneburg und an der Werrha urgiren, daß bey Ihrer F. gn. ihre restitution intercedendo möchte gefördert werden. // Resol[vi]. Ehrn Schlingaxt ist mundlich angedeutet worden, waß deswegen den 2ten dieses monats vorgangen und tractirt worden«.

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würden, zumahl, da vor einem jahr, alß bey sollicitation der keyserlichen confirmation von dem Darmstadischen Vice Cantzlarn D. Reinkingk, wie wir berichtet worden, eben in dieser sach negociirt worden, und man es auff ihrer seiten gern dahin gerichtet gesehen hette, das keyserliche majestet der confirmation deß accords eingerückt hette, die von Landgraff Georgens F. gn. im Nider Furstenthumb eingefuhrte lutherische prediger bey ihren diensten unabgeschafft zu laßen, dennoch gleichwol dero zeit, da eß doch viel leichter alß nunmehr durchzubringen gewesen wehre, am keiserlichen hoff nichts hat erhalten werden können«.455

Schon im Abschnitt über die Restitution des Diakons Samuel Andreas Cancrinus zu Niederurff klang die von Kursachsen und Hessen-Darmstadt übermittelte Drohung einer Klage der Ritterschaft am kaiserlichen Hof an, um die lutherischen Pfarrer in ihren Dörfern zu behalten – eine Drohung, der das Kasseler Predigerministerium mit seinen Ausführungen ihre einschüchternde Wirkung nahm. Insbesondere bei der Absetzung der luthischen Pfarrer in den Kirchen, die landgräflichem Patronat unterstünden, »alß zu Urff, Schwebda, Rörta, Wommen«, habe Wilhelm V. nichts zu befürchten.456 Zögere er länger, könnte es den Anschein haben, als würden »vorige widrige actus von E. F. Gn. seiten gleichsam approbirt, und gut geheissen«. »Wir wollen anitzo geschweigen, das an etlichen orten im Gericht Boyneburg, alß sonderlich zu Nettra und Rörta E. F. Gn. so wohl, alß die vom adel, ihre manschafft und underthanen haben, deren notturfft in spiritualibus zu befördern, E. F. Gn. ihro nicht weniger wird angelegen sein laßen, alß die adeliche oberkeit derer örter sich hiebevor bemuhet hat, solche prediger, so ihrer religion zugethan, daselbsthin zu befördern«.457

Dieser Appell an Landgraf Wilhelms V. Gewissen, Verantwortung und Mitleiden als ein »Christenmensch« machte offenbar Eindruck. Trotzdem musste sich der abgesetzte Röhrdaer Pfarrer Nicolaus Schlingaxt in Geduld üben, da man »noch zur zeit zu des supplicanten reinstallirung aus gewißen ursachen nicht gelangen kan, gleichwohl aber billich, daß ihme inmittelst gleich andern exulanten zue seinem unterhalt ein gewiß deputat verordnet unndt endtrichtet werde«, sodass dem Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius aufgetragen wurde, dafür zu sorgen, »damit der supplicant mit einem filial oder gleich andern 455 StAM 22 a 1, Nr. 106: »Sambtliche des Hoff- und Stattministerii alhiro« an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Kassel 1629 Februar 1, fol. 54v–55v (nicht von der Hand Paul Steins stammende, aber von ihm mit Korrekturen versehene verworfene Reinschrift [Rückvermerk: »Schreiben an Landgraff Wilhelms F. Gn. wegen restitution der pfarhern im Gericht Boineburgk«], angefertigt nach einem dahinter liegenden eigenhändigen Konzept Paul Steins, auf dem er als Rückvermerk notierte: »Schreiben des Ministerii an Landgraff Wilhelms F. Gn. die restitution deren von Landgraff Georgens F. Gn. in den pfandsämbtern des Nider Fürstenthumbs entsetzten pfarhern betreffend.«, beide Stücke wurden von moderner Hand mit blauem Buntstift oben rechts foliiert). 456 StAM 22 a 1, Nr. 106 »Schreiben des Ministerii« (verworfene Reinschrift), fol. 54r. 457 StAM 22 a 1, Nr. 106 »Schreiben des Ministerii« (verworfene Reinschrift), fol. 54v.

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adjuncten sonstet einer steür versehen werden möge«. Außerdem solle Fabronius »in geheimb vleißige kundtschaft« einziehen, da man vernommen habe, »daß der itzige pfarh. zue Röhrte je zue weiln ein ärgerlich leben führen, unndt also ardigen leüthen mit bößem exempell vorgehen soll«.458 Seine Wiedereinsetzung brachte Schlingaxt am 12. Oktober 1629 mit einer Supplikation an Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg, den Regenten der hessen-kasselschen Nebenlinie in der »Rotenburger Quart«, in Gang.459 Die komplizierten Verhältnisse verdeutlicht schon die Formulierung, dass »hoher vornehmer Herrn Patronen unndt Promotorn ich von nöthen habe«, weil Hermann von Hessen-Rotenburg »ahn diesem ortt ius collaturae sine praesentationis immediate, wie auch dero H[errn]. Bruders [dem regierenden Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel, A. J.] das ius episcopale zustendig«, ohne dessen »special bevehlich unndt vorgehender praesentation« er nicht restituiert werden könne. In seiner Supplik vergaß Schlingaxt auch nicht zu erwähnen, dass er bis zu seiner Entsetzung 20 Jahre in Röhrda als Pfarrer gedient habe und schon sein »vatter s[elig]. Conradtt Schlingaxt uber die 50 jahr E[urer]. f[ürstlichen]. g[naden]. H[errn]. Vatter undt der fürstlichen vorderen unschuldiger fruchtmeßer unndt hoffman in der vestung Ziegenhayn geweßen«, wo »Ihro f[ürstliche]. g[naden]. Landtgraff Moritz meinen bruder Ludwigen mit dem hasenheger unndt försters dienst daselbsten […] begnadigett«. Schlingaxt schließt: »So gelanget an E. f. g. meine unterthenige bitte, sie geruhen gnedig mich bey hochgedachtt E. f. g. H[errn]. Bruder unserm g. f. und h. Landtgraff Wilhelm zu Heßen de novo zu praesentiren«, damit nicht nur seinem unverschuldeten Unglück, sondern auch »dem schrecklichen lestern unndt schmehen itzigen pfarrers gesteurett werden möge«. Jetzt erst schickte der Superintendent Hermann Fabronius seine klandestinen Erkundigungen über den lutherischen Pfarrer zu Röhrda namens Christoph Lyranus ein. Darin teilt er eine interessante Beobachtung mit, die nicht nur Licht auf das Treiben Lyranus’ wirft, sondern auch darauf, wie die Restitution von Pfarrern vor sich ging, wenn die Kirchenpatrone sie zu verhindern suchten und die Kooperation mit den Beauftragten des Landgrafen verweigerten: »Es hatt aber M. Hüttenrod uber das mir geklagt, daß obgemelter Lyranus auf den sontag von den falschen propheten, da gleich zuvor die introductio Curei zu Netra [= die Restitution des Netraer Pfarrers Johannes Curaeus, A. J.] geschehen, auf solchen actum geprediget und gesagt, es were das auch ein zeichen falscher propheten, wan 458 Statthalter, Kanzler und Räte (erschlossen) an Hermann Fabronius, Superintendent des Bezirks Rotenburg, Kassel 1629 Juni 18 (Konzept), StAM 22 a 1, Nr. 220. 459 Nicolaus Schlingaxt an Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg (Adressat erschlossen, wahrscheinlich persönlich eingereichte Ausfertigung, die dann im Original dem Schreiben Hermanns an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel beigelegt wurde), Röhrda 1629 Oktober 12, StAM 22 a 1, Nr. 220.

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man barten unter die mäntel nehme, die kyrchen mit gewalt eröffene undt ohne willen der collatoren einen zu einem pfarrer anordne, welches die zuhörer zu Rörda anders nicht alß auf den vorhergangenen actum zu Netra verstanden, ob schon darbei keiner barten gebraucht, sondern der dorf schultheis nur zu einem riß der thür hinein gegriffen undt den holtzern rigel zurück geschoben, als der Jungker [von Boyneburg, A. J.] die schlüßel nicht heraus geben wollen.«460

Dem Schreiben Fabronius’ liegt ein in zehn Punkte gliedertes Dossier der Eschweger Pfarrer Aaron Grusemann, an der Altstädter Kirche, und Johannes Hütterodt, an der Neustädter Kirche, von Fabronius bezeichnet als »die Metropolitanos zu Eschwege«, bei, worin sie ihre aus der Vernehmung von fünf zitierten Röhrdaer Einwohnern am 30. September 1629 gewonnenen Erkenntnisse über »lehr, leben undt wandels des newen pfarrers in Rörda Christophori Lyrani«, so die auf die Beilage verweisende Formulierung Fabronius’, zusammengefasst haben.461 Daraus ergibt sich, dass Lyranus’ Pflichten als Pfarrer von Röhrda häufig mit seiner Anhänglichkeit gegenüber der Ortsobrigkeit kollidierten, wenn er »zu Nehtra in Juncker Rabens [von Boyneburg] schloß predigte« (Punkt 1) oder im Haus von Junker Christoph von Herdas Vater in Lauchröden Gelagen frönte (Punkt 3), verpasste er seinen Kirchendienst oder wich von gewohnten Zeiten ab. Natürlich erregte auch Lyranus’ Abendmahlspraxis in reformierten Ohren Anstoß: »Wan er das Abendmahl hielte, so müsten die vier heilgenmeister ein gruenes oder schwartzes tuch, so der juncker dahin geleihen hette, undter halten, damit nichts bey hinfiele« (Punkt 6). In welch beschämende Situationen vor seinen Pfarrkindern Lyranus seine Nähe zu den Adligen bringen konnte, zeigt besonders eindrücklich der neunte Punkt in der Aufzählung: »Daß im gantzen dorff ein gemein gespräch sey, undt hettens J[unker]. Christofs [von Herda] knechte solches ausgebreittet, daß am abgewiechenen Christags abendt sich der jetzige pfarrer zum christkindlein vermummen lassen, damit er des Junckers mägdlein erschrecken möchte undt wehre in wehrender vermummung ihm der krage angezundet worden, also wofern ihn der vogt nicht geleschet hette, so wehren ihm die haar, der bartt, undt das gesicht verbrant worden, undt hette er einen riemen rindtfleisch zu lohn bekommen«.

Am Ende des zehnten Punktes fassten die beiden Eschweger Pfarrer die Aussage der Röhrdaer Einwohner folgendermaßen zusammen: »Sagten endtlich, sie möchten wunschen, daß sie ihren alten pfarrer wider hetten, als welcher seine 460 Hermann Fabronius, Superintendent des Bezirks Rotenburg, an Statthalter, Kanzler und Räte zu Kassel, Rotenburg 1629 Oktober 17, StAM 22 a 1, Nr. 220. 461 Aaron Grusemann und Johannes Hütterodt an Hermann Fabronius, Eschwege 1629 Oktober 10, StAM 22 a 1, Nr. 220 (geschrieben wurde der Brief von Hütterodt); im Rahmen ihrer »Inquisition« vernahmen sie »Herman Wolffiom, ein sehr alter man, Peter Hillebrandt, Schultheis, Hans Rotß, Christoph Gercke, undt Hans Gliem«.

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sontags- undt wercktagspredigt wohl versehen, undt in der pestilentz zeitt gar wohl bey der gemeine gethan hette«. Zwei Jahre vorher hatte sich dies noch anders angehört. Die Gerichtsherrschaft zu Röhrda war zweigeteilt, einen Teil besaßen die von Boyneburg, der andere Teil war ein kurpfälzisches Lehen, das zu dieser Zeit die von Herda innehatten; das Recht der Pfarrstellenbesetzung aber lag beim Landgrafen von Hessen-Kassel bzw. davon abgeleitet bei den Landgrafen der Rotenburger Quart.462 Dort, wo die Adligen das Patronat innehatten, waren die reformierten Pfarrer schon längst entsetzt und lutherische angeordnet worden, wo aber das Patronatsrecht beim Landesherrn lag, war der Weg langwieriger.463 Da Georg II. von Hessen-Darmstadt mit der territorialen Hoheit über die Pfandämter zugleich das ius episcopale beanspruchte, wandten sich sowohl Sämtliche von Boyneburg als auch Carl Christoph von Herda im Juli 1627 mit der Bitte um die Einsetzung eines lutherischen Pfarrers zu Röhrda an den Marburger Superintendenten Georg Herdenius bzw. direkt an Landgraf Georg II.464 Nicht nur die Gerichtsjunker wünschten sich einen der unveränderten Confessio Augustana zugetanen Pfarrer, sondern auch die Gemeinde Röhrda selbst. Wahrscheinlich auf Betreiben der Ortsobrigkeit – »wes maßen wir berichtet, das uff unseren gepietenden günstigen lieben gerichts junckern deren von Boyneburgk, undt Herda, instendiges undertheniges ansuchen, wegen einführung reiner evangelischen prediger in unsere benachbarte dorffschafften, unser gnediger fürst undt Herr Landtgraff Georg zue Hessen, gnedig solchem suchen deferiret« – beklagte sich die »Gantze Gemeinde daselbsten« in einem durchaus

462 Siehe die Angaben im »Dorfbuch des Niedern Fürstenthumbs Hessen«, in: Zimmermann: Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., S. 79 unter den Dörfern im Gericht Boinbeburg zu »Rorith« (= Röhrda). 463 Siehe die Formulierung Schlingaxts in seinem Brief an Landgraf Hermann von HessenRotenburg, Röhrda 1629 Oktober 12, StAM 22 a 1, Nr. 220: »Wan nuhn […] die zu Rhörta mir ahnvertrawte pfar ebnner maßen, wie die zu Schwebda denen durchleuchtigen unndt hochgebornen unsern gnediegen fürsten unndtt herren Landtgraffen zu Heßen immeditate zustendig, von deswegen auch ich nichtt so baldtt in puncto vorgenomener remotion mit deren im Gerichtt Böyneburgk, sondern aller erst sechs wochen hernacher auff anhalten etlicher von Böyneburgk degradiret, im pfarhauß biß noch gelaßen worden […]«. Schlingaxt taucht als Pfarrer von Röhrda auch noch bei der Vernehmung der Pfarrer der Klasse Eschwege am 16. und 17. April 1627 zur Kanzelverkündigung des Herrschaftsantritts Landgraf Wilhelms V. von Hessen-Kassel auf, StAD E 5 A, Nr. 81, fol. 138r (Buchstabe O), auch mit einer eigenhändigen schriftlichen Erklärung dazu vom 17. April 1627, Ebd. fol. 159. 464 »Sämptliche Anwesende des Geschlechts von Boyneburgk, sambt der Abwesenden verwaltern« an Georg Herdenius, hessen-darmstädtischer Superintendent zu Marburg, Wichmannshausen 1627 Juli 23, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 116–117; »Carl Christofff von Herda zue Brandenburgk undt Rörtha« an Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt, Röhrda 1627 Juli 22, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 110–111.

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mit Ironie gespickten Schreiben an den Marburger Superintendenten Herdenius vom 20. Juli 1627: »Ob wir nun wol in der hoffung gestanden, es würden die pfarrhern sich auch verbesert, als puncten den nahmen haben, so müßen wir noch deglich das wiederspiel erfahren, dan unser pfarher Nicolaus Schlingaxt sich nicht allein der obrigkeit dießes orts wiedersetzlich erzeiget in wortten, undt thaten, sondern auch den armen gemeinen mann offentlich in der kirchen ausschreiet, undt clanculum traduciret [= Vertrauliches preisgibt, A. J.], alle hochzeiten undt kinddauffeten biß uff den letzten mann ausfrißet, undt sauffet, darbei den rechten schmehedeuffell bei sich hatt […], gestalt wir dan vor ohngefehr drey jahren uns disfals beschweret, etzliche puncten uber inen eingegeben, aber zue keiner audientz gelangen mögen«.

»Wandt dan dießer priester in unser Gemeinde mehr ruinirt, als aedificirt«, bitten sie, der Superintendent möge, wenn er schon einmal in der Nähe sei, zur Herstellung einer Konformität mit den umliegenden Kirchen auch ihre Gemeinde »mit einer gotsfürchtigen duchtigen person versehen, domit der gottesdienst wieder ernst- undt vleissig getrieben, uns mit guten exempeln vorgeleuchtet würde, undt also unser, undt der unserigen seelen seligkeit beßer, als leider beschehen, vorgestanden würde«, wozu sie wie ihre Obrigkeit, Christoph Lyranus aus Eisenach vorschlugen.465 So wurde Nicolaus Schlingaxt ab- und der Lutheraner Christoph Lyranus, nachdem dieser sich zu Marburg einem Examen unterzogen hatte und zu Reichensachsen ordiniert worden war,466 als Pfarrer zu Röhrda eingesetzt.467 Schlingaxt scheint tatsächlich kein einfacher Zeitgenosse gewesen zu sein. Seine Neigung zu Schmähungen und Streit im Bemühen um die Durchsetzung seiner eigenen Interessen wie auch zu Gelagen, kommt auch in Zeugnissen anderer zum Ausdruck. So stritt er sich mit seinem Kollegen der benachbarten Pfarrei Netra, Johann Schnabel, der Anfang 1642 auf die zur Klasse Borken im Superintendenturbezirk Kassel gehörende Pfarrstelle in Jesberg wechselte. Aus 465 Die ganze Gemeinde zu Röhrda an Georg Herdenius, »der heiligen schrifft Doctorn, General Superattendenten des Ober-Fürstenthumbs Hessen, undt Pfarhern zue Marpurgk«, Röhrda 1627 Juli 20, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 120–122. 466 Christoph Lyranus stellte sich selbst bei Landgraf Georg II. mit einem Schreiben vom 21. Juli 1627 aus Röhrda vor, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 112f.; nachdem er »vom superintendenten, undt den sämptlichen definitorum […] zu Marpurgk examinirt, undt zum ministerio von ihnen tüchtig befunden, auch heute zu Reichensachsen ordinirt worden« ist, bittet er den Landgrafen, ihn gemäß dem Wunsch von Friedrich Hermann und Curt von Boyneburg sowie (Carl) Christoph von Herda zum Pfarrer in Röhrda einzusetzen. 467 Der Marburger Superintendent Georg Herdenius meldet Landgraf Georg II. von HessenDarmstadt den Vollzug der Einsetzung Christoph Lyranus’ zum Pfarrer von Röhrda, Marburg 1627 August 12, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 107–109, 123, nachdem sich der Landgraf in einem Schreiben aus Nidda vom 6. August 1627 (Konzept) an Herdenius unter anderem mit der Personalie Lyranus einverstanden erklärt hatte, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 124f. Diese Personalie findet sich schon erwähnt bei Diehl: Hassia sacra II, S. 329.

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diesem Anlass richtete Schnabel am 28. Januar 1642 einen Abschiedsbrief an den Pfarrer des Nachbarortes Datterode, Johannes Curaeus, den er bittet, die Pfarrei Netra interimsweise zu versehen, um den von den Junkern präferierten Schlingaxt – der sich wahrscheinlich gegenüber der lutherischen Gesinnung der Adligen weitgehend zurückhielt468 – zu verhindern, »den[n] ich wohl weis waß Herr Schlingaxt vor ein unfruchtbarlicher man ist«, den er froh sei, los zu sein; über die interimsweise Versehung der Pfarrei Netra hätten nicht die von Boyneburg – »Danck Gott daß ich unter denen vom Adel hervor bin« –, sondern der Superintendent Hütterodt mit zu befinden, den er neben allen Klassenbrüdern, außer Schlingaxt, freundlich grüßen lässt.469 Der Adressat Johannes Curaeus war selbst bis zu seiner durch HessenDarmstadt auf Begehren derer von Boyneburg erfolgten Absetzung und nach seiner Restitution bis 1639 Pfarrer von Netra.470 Während seiner erzwungenen 468 Obwohl Schlingaxt dem Superintendenten Hütterodt regelmäßig über lutherische Abendmahlsfeiern in den Adelshäusern derer von Boyneburg und von Herda berichtete (DTB Hütterodts, S. 327, 433), ging über ihn auch das Gerücht, er solle dabei sogar Unterstützung geleistet haben. Unter dem 8. März 1641 (S. 218) heißt es im Diensttagebuch Hütterodts: »Vor ungefehr 3 wochen ist zu Rörta in J[unker]. Lipsen von Boyneburgk hause – durch den pfrn. zu Luderbach communion gehalten undt wohl 18 bauren darbey communicirt undt soll der pfr. H[err]. Schlingaxt vormals auf weynachten, alß dergleichen in J[unker]. Carl Christofo hauß communion gehalten, den kelch darzu geleyhen haben. Dem pfarrern zu Röhrta ist befohlen zu erkundigen u. zu berichen«. Zum Problem des Umgangs mit den lutherischen Adligen und Untertanen am Beispiel Schlingaxts auch Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 122f. 469 Johann Schnabel(ius), ehemaliger Pfarrer zu Netra, jetzt zu Jesberg, an Johann Curaeus, Pfarrer zu Datterode, (ohne Ort) 1642 Januar 28, KKAE Best. 4 Datterode, Nr. 8 (darin das 6. Stück von oben). Der Brief gelangte an Hütterodt als Beilage zu einem an ihn gerichteten Schreiben Curaeus’, Datterode 1642 Februar 3 (Ebd., 8. Stück), mit der Bitte um Rat, wie er am besten um die Erlaubnis zur interimsweisen Versehung der Pfarrei Netra nachsuchen solle; siehe auch DTB Hütterodts, S. 264 (31. Januar 1642) und S. 265 (1. Februar 1642); dazu aus anderer Perspektive Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 102–104. 470 Friedrich Hermann von Boyneburg, genannt von Hohenstein, nach erfolgter Abstimmung mit seinen Brüdern, an Georg Riedesel zu Eisenbach den Älteren, fürstlich hessen-darmstädtischen Statthalter, Amtsverweser, Geheimen Rat und Amtman zu Rüsselsheim, Jestädt 1627 Juli 9, StAD E 5 A, Nr. 82, fol. 93. Auf Curaeus’ Stelle in Netra kam laut der Aufstellung des Superintendenten Fabronius im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 327 der Lutheraner Johannes (»Joannes«) Junker. Nach der Wiedereinsetzung Curaeus’ beschwerte sich bei der Kasseler Regierung »Casparus Müllerus Boineburgischer Diener zu Waldcappel […] uber deß pfarrern zue Netra Curaei excess undt ägerliche händell«, in einem Schreiben an Fabronius vom 1. Juni 1633 begehrte die Regierung daraufhin eine Inquisition in der Sache und erwartete »daß ihr […] wofern sichs dann supplicirter maßen befinden wirdt, ihn [Curaeus] nicht allein ein tagk oder etzliche in die sacristey bey euch steckett, sondern auch weill er sich uf hiebevor beschehene verwarnung sich nicht gebessertt ahn einen andern ortt da ihm das volsauffen gewehrett, transferiret, biß er das sauffen eingestellet. Woltte er aber nicht folgen, habt ihr ihnen gahr abzuschaffen undt ahn seine stelle den praesentirten rectorem zu Wanfrieden […] nacher

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Untätigkeit setzte er sich am 30. Januar 1627 für die Rückkehr aller seiner abgesetzten Kollegen in adligen Gebieten ein, wie das Diensttagebuch Paul Steins vermeldet: »Johannes Curaeus, entsetzter pfarrher zu Nettra, urgirt sämbtlich entsetzter pfarrhern under denen von adel promotionem, und berichtet, ob solte der Luth[eraner]. zu Schwebda in suggestu gedacht haben, sie hetten auf liechtmeß ihre dimisssion. Resol. Dem botten ist ein recepisse gegeben und Herr Curaeus avisirt worden, ihre sache stünde noch vermeindlich in guten terminis«.471

Das schlechte Verhältnis Schlingaxts zu seiner Gemeinde spricht auch aus einem Eintrag im Diensttagebuch Hütterodts, unter dem 28. August 1644 (S. 451) heißt es dort: »Klagt H[err]. Schlingaxt, daß er in einem hause wohne, woraus ihn die fraw, deren eigenthumb es ist, stossen u. nicht länger leiden wollen, undt die gemeine kein anders schaffe«, am 9. September 1644 (S. 452) erhielt Hütterodt sogar die Mitteilung, »daß sich der pfarrer undt die besitzerin des hauses geschlagen«. Eine Neigung zur Schlägerei attestierte Schlingaxt 1653 in einem vor dem Superintendenten ausgetragenen Konflikt auch der Schulmeister zu Röhrda, der Schlingaxt vorwarf, »er zöge ihme den bissen aus dem maul, indem daß er schuel hielte und ihme die kinder abspannete«. Mit diesem Vorwurf hatte er Schlingaxt schon vorher konfrontiert und sich dafür offensichtlich Mut angetrunken. Als ihm dies jetzt vorgehalten wurde, konterte er, »undt was den trunck anlangt, sagten alle leute, den schuelmr. könte man ja füllen, aber der pfr. sesse biß morgen tag würde, undt möchte man bey den kindtauffen nachfragen«.472 Dass dieser Vorwurf nicht aus der Luft gegriffen war, zeigt die Charakteristik Schlingaxts in der Liste bedürftiger Pfarrer des Bezirks Rotenburg, die der Superintendent Caspar Josephi im Hinblick auf die von Landgraf Wilhelm V. 1634 gestiftete Zusteuer aus den Fritzlarischen Stiftsgefällen473 anferNetra zum pfarrherrn uff undt einzuführen« (LKA Kassel, Best. Superintendentur Allendorf, Nr. 685; Rückvermerk Fabronius’: »Curaei beschuldigten schlagens halber zu inquiriren undt ihn zu strafe zu transferiren oder zu removiren. Item [Cunradt] Borngrabern zu examiniren uff nachlassung an sein statt zu versetzen. Ao. 33 am 4. Junii«). Im Oktober 1639 (DTB Hütterodts, S. 87, während der Visitation vom 7.–11. Oktober zu Reichensachsen) ging der Konsens der Gemeinde Netra zur Berufung Johann Schnabels ein, sodass Curaeus nach Datterode wechseln konnte, siehe dazu auch Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 102f. 471 DTB Paul Steins, Eintrag zum 30. Januar 1629, Nr. 1 (fol. 9r). 472 DTB Hütterodts, Eintrag zum 27. Oktober 1653 (S. 1169), der von Schlingaxt eingeräumte Vorwurf der Schlägerei auf S. 1170; zu den Hintergründen Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 109f., 113f. 473 Ein Konzept oder eine verworfene Reinschrift der Stiftungsurkunde, datiert Kassel 1634 Februar 14, liegt in StAM 22 a 1, Nr. 282, hier mit dem Rückvermerk: »Ifg. Hern Landgr. Wilhelms Donation der 700 Viertel partim [= halb Roggen, halb Hafer] zu vermehrung deß salarii etlicher dörfftiger pfar- und schuldiener in ihrem fürstenthumb. Hierüber ist jedtwedem superintendenten deß bezircks Caßel und Rodenberg ein original zugestellet

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tigte. In diesem für die Persönlichkeit der einzelnen Pfarrer ausgesprochen aufschlussreichen Dokument, wird Schlingaxt an sechster Stelle unter den Pfarrern der Klasse Eschwege genannt: »[…] ist ernsthafftig undt fleißig, bißweilen dem trunck ergeben geweßen, undt alß den wunderlich, doch soll er sich nuhmehr beßern«.474 Lief die Duldungsfrist für die von Hessen-Darmstadt neu eingesetzten lutherischen Pfarrer am 22. Januar alten/1. Februar neuen Stils 1629 ab – ein Jahr nach der kaiserlichen Konfirmation des Hessischen Hauptakkords – dauerte es bei Nicolaus Schlingaxt doch erheblich länger als in anderen Fällen, bis er in sein voriges Amt zurückkehren konnte, offensichtlich hatten Ortsobrigkeit und Gemeinde Anlass, sich gegen die Wiedereinsetzung Schlingaxts entschieden zu wehren. Schlingaxts Werben um Rückkehr in seine alte Pfarrstelle hatte aber schließlich Erfolg und Hermann von Hessen-Rotenburg setzte sich mit Schreiben vom 16. Oktober 1629 bei seinem Halbbruder, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, »freundtbruderlich« für Schlingaxts Restitution ein, er möge »dem supplicanten seine restitution, so wohl der gemeinde halber, die so viel mehr, alß der verzug wehret irre gemacht wirt, alß auch sein selbst wegen, als der unschuldig seines diensts verstoßen worden, wiederfahren […] lassen«.475 Daraufhin erging am 22. Oktober 1629 ein Schreiben an den Rotenburger Superintendenten Hermann Fabronius, angesprochen mit »Würdiger wohl gelahrter sonders guter freundt«, in dem ihm der Entschluss des Landgrafen zur Remotion des Lutheraners Christoph Lyranus und zur Wiedereinführung Schlingaxts als Pfarrer von Röhrda mitgeteilt und der Superintendent mit dessen Ausführung beauftragt wurde.476 worden«. Erwähnt wird die Stiftung auch von Caspar Josephi im Synodalbuch des Superintendenturbezirks Rotenburg, StA ESW St. Schr. I, Nr. 28, S. 351f., am Ende seines eigenhändigen Berichts über seine Wahl und nachfolgende Ordination zum Superintendenten 1634, bei der ihm sein Exemplar des Stiftungsbriefs vom Hofprediger Neuberger in Gegenwart der Metropolitane überreicht wurde. 474 Caspar Josephi, Superintendent des Bezirks Rotenburg, 1634: »Vertzeichniß der jenigen armen, frommen undt fleißigenn pfarrherrn undt schulmeister welche im Rottenbergischen becirck umb die f[ürstliche]. dotation zu Fritzlahr anhalten, bey mir dem superintendenten umb intercession unnd vorbitt bey f[ürstlichen]. herrn verordneten obern inspectoribus angesucht und gebeten«, StAM 318 Kassel, Nr. 1042. 475 Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, Rotenburg 1629 Oktober 16, StAM 22 a 1, Nr. 220. 476 Statthalter, Kanzler und Räte (erschlossen) an den Superintendenten zu Rotenburg (Hermann Fabronius), Kassel 1629 Oktober 22 (Konzept), StAM 22 a 1, Nr. 220. Schlingaxt starb am 13. Februar 1659 als Pfarrer von Datterode, wo er – zunächst interimsweise (DTB Hütterodts, S. 532 [10. August 1645]), dann 1651 verstetigt (DTB Hütterodts, S. 980 [5./ 6. Januar 1651: Ansuchen beim Kasseler Superintendenten um Konfirmation des neuen Pfarrers zu Röhrda], S. 1041 [21. Oktober 1651: Einführung desselben]) – die Nachfolge des 1645 verstorbenen Johannes Curaeus übernommen hatte, siehe das Informationsschreiben

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Wie schwierig die Verhältnisse waren, auf wie vielen Ebenen Konflikte lagen und wie vorsichtiges Taktieren notwendig war, zeigt der dritte Eintrag zum 2. Februar 1629 im Diensttagebuch Paul Steins (fol. 10r) zur Reaktion auf die von den Kasseler Predigern bei der Regierung eingereichte Interzession zugunsten der Restitution ihrer abgesetzten Kollegen in den adligen Gerichten und Patronatspfarreien: »Der Herr Cantzlar hat daß gantze ministerium zur cantzeley fordern laßen wegen ihrer intercession, undt angedeutet, daß Ihre f. gn. gewillet wehre, die entsetzte pastores zu restituiren, weil aber allerhand occurrentien darbey sich ereugeten, könne man also praeripitanter sie auf einmal nicht wieder einsetzen, soll aber einer nach dem andern restituirt werden. Auch haben anwesende Herrn Cantzlar und Räthe deß ministerii vorschläge in der intercession beliebet, und zu verstehen gegeben, daß Ihre f. gn. ohne das entschloßen gewesen, die ritterschafft darüber besprachen zu laßen und zu versuchen, ob Landgraff Georgens [von Hessen-Darmstadt] f. gn. dahin zu disponiren, daß sie die eingesetzte pfarrhern avozirete«.

Der Schriftwechsel zeigt anschaulich die verschiedenen Beziehungsebenen und ihre sprachlichen Ausdrucksformen. Der von der fürstlichen Regierung Anweisungen empfangende Superintendent ist trotzdem der »gute Freund«, da beide auf hoher Ebene Mitglied des »Regierungskreises« sind, während Schlingaxt als »Außenstehender« in seiner Supplikation an Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg an Titulatur, inhaltlicher und rhetorischer Finesse alles aufbietet, was ihm zu Gebote steht. Hermann von Hessen-Rotenburg schließlich erkennt den höheren fürstlichen Rang Wilhelms V. an, bezeichnet ihn daneben aber auch verwandtschaftlich als »frundtlicher vielgeliebter Herr Brueder undt Gefather » und kommt auch um eine Begründung für seine Bitte nicht umhin. So strukturieren schon die sprachlich-gesellschaftlichen Konventionen den Inhalt und bestimmen auch dessen Wahrnehmung. Besonders deutlich wird dies an der symbolischen Untertänigkeitsgeste, dass in wirklichen, gefühlten oder »gespielten« Subordinationsverhältnissen der Rangniedere seine Unterschrift an den untersten Rand des Blattes setzt, wie im Brief Schlingaxts an Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg. Über die symbolische Ordnung der Kommunikation wurde so auch die Ordnung der Kirche in der Landgrafschaft Hessen-Kassel wiederhergestellt.

Hütterodts aus Eschwege vom 14. Februar 1659 (Konzept) an den Direktor der hessenrotenburgischen Kanzlei, KKAE Best. 4 Datterode, Nr. 8 (darin das 14. Stück, mit dem Rückvermerk: »Bericht an H. Cantzley Directorem zu Rotenb. daß H. Schlingaxt den 13 ten Februar todts verfahren 1659«).

Kapitel VI: Fazit: Kirchenverwaltung und Landesherrschaft

Die Untersuchung des Verhältnisses von Kirchenverwaltung und Landesherrschaft in der Landgrafschaft Hessen-Kassel im 17. Jahrhundert ist notwendig Stückwerk, indem sie zahlreiche Einzelpunkte beleuchtet, die sich am Ende zu einem Gesamtbild fügen sollen. Kirchenordnung war zugleich Landesordnung, der Herrschaftsanspruch des Landgrafen war, insbesondere seit dem Konfessionswechsel Hessen-Kassels zum Calvinismus, mit einem missionarisch-expansiven Streben nach innen wie außen verbunden. Kirchendiener waren zugleich Landesdiener und ließen sich nicht nur für das Seelenheil der Untertanen in Dienst nehmen, sondern auch für die Sicherung und den Ausbau des territorialen Bestandes der Landgrafschaft, auch wenn der Beweggrund ihres Handelns die Fortpflanzung des göttlichen Wortes nach reformierten Prinzipien blieb. Dies gilt insbesondere für die Superintendenten, die dem Landesherrn als Seelsorger und Berater besonders nahestanden; ihre Rolle in Landesausbau und Kirchenverwaltung, in einer Zeit, als die Existenz Hessen-Kassels auf dem Spiel stand, lassen die Diensttagebücher sehr genau beobachten. Grundlegend wirkten die Kirchendiener auch bei der Vermittlung sittlicher Vorstellungen und ordnungsrechtlicher Normen, auch wenn bei der Ahndung von Verstößen, etwa in Eherechts- oder Schwängerungsfällen, die Aufteilung der geistlichen und weltlichen Zuständigkeit zu beachten war. Dabei spielte nicht zuletzt die Vorbildwirkung der Geistlichen selbst eine Rolle, die als Teil ihrer sozialen Umwelt oft genug deren Versuchungen erlagen und mit ihrer Lebensweise den Superintendenten Anlass zu ausführlichen Ermahnungen gaben. Auf diese Weise spiegelt sich das Große im Kleinen und die Lokalgeschichte in der Landespolitik. Die Feststellung Georg Schmidts: »Die Einführung des reformierten Glaubens sorgte für absolut loyale, weil von der Herrschaft vollständig abhängige Pfarrer, die vom Kirchenvolk oft erst nach langen Kämpfen und Gottesdienstboykotten akzeptiert wurden. Die Staatsräson lehrte, dass ein gemeinsamer Glaube Eintracht und Einigkeit fördere«,1 gilt weitgehend auch für Hessen1 Schmidt: Die Reiter der Apokalypse, S. 65f.

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Fazit: Kirchenverwaltung und Landesherrschaft

Kassel, selbst wenn sich die Superintendenten – insbesondere Neuberger und Hütterodt – erlaubten, ihrem Brotherrn reserviert oder kritisch gegenüberzutreten, wenn sie meinten, dass er sich nicht ausreichend für die Prinzipien reformierten Glaubens und die Aufrechterhaltung der Kirchendisziplin einsetze. Die nach dem Konfessionswechsel weiter in Hessen-Kassel tätigen Pfarrer mussten sich den konfessionellen Prämissen ihres Landesherrn fügen. Bemerkenswert ist die Überzeugungsfestigkeit etwa eines Hermann Fabronius oder Paul Stein, die ihre akademisch-theologische Sozialisation, wenigstens zum Teil, beide an der Universität Marburg durchlaufen hatten, zu einer Zeit, als die konfessionelle Ausrichtung der Landgrafschaft noch weniger festgelegt war. Wahrscheinlich waren es beider irenische Neigungen, die sie konfessionell offen und verständigungsbereit machten. Bei Paul Stein lassen sich durch eine Disputation unter David Pareus klare Linien nach Heidelberg ziehen. In der Tradition David Pareus’ steht der weite Gestaltungsspielraum des Landesherrn in Kirchenangelegenheiten, das ius circa sacra, den beide Theologen selbstverständlich akzeptierten und verteidigten.2 Es ist zu vermuten, dass das reformierte Konfessionsbewusstsein der Untertanen über die im Vergleich mit dem Luthertum offensichtlichen Unterschiede im Ritus, insbesondere beim Abendmahl, und die mit dem Presbyterium etablierten Methoden der Kirchendisziplin, kaum hinausging. Markante konfessionsspezifische Rückwirkungen des Calvinismus auf das politische oder soziale Leben lassen sich jedenfalls nicht erkennen. Die reformierte Kirche wurde in Hessen-Kassel im Laufe der Zeit zur Normalität, über konfessionelle Unterschiede machte man sich dort, wo man keine Wahlmöglichkeit hatte, je länger je weniger Gedanken. Dort, wo lutherische Gottesdienste auf adligen Häusern die Bevölkerung anzogen, war es mehr eine affektive Anhänglichkeit gegenüber dem Althergebrachten und ein Widerstreben gegen die obrigkeitlichen Vorgaben in Glaubensangelegenheiten, als ein theologisch reflektierter Bekenntnisakt. Die spezifische Situation HessenKassels nach dem Westfälischen Frieden führte ohnehin zu einer konfessionellen Öffnung der Landgrafschaft, in der die Einheit von Territorium und Religion, 2 Strohm: Kompetenz weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegenheiten. Entstehung und Wirkung von David Pareus’ Überlegungen zum Ius circa sacra. Für Fabronius’ Haltung siehe seine Beschreibung der Ausmalung der Räume im Eschweger Schloss (»Historische Beschreibung Der Policey Tugende/ Christlicher Obrigkeit und Underthanen. Wie der Durchleuchtige und Hochgeborne Fürst und Herr/ Herr Moritz L[andgraf]. zu Hessen/ […] Dieselbigen nach der Politia und Ethica im Schloß Eschwege in Hessen disponiret, und in unterschiedenen Gemachen mit schönen Bildern und Historien abmahlen lassen. Dannen aber mit umbstendiger Erzehlung und beygefügten Epigrammatis abgeschrieben und publiciret seynd/ Von Hermanno Fabronio […]«, 1625), dazu: Borggrefe / Fusenig / Kümmel: Ut pictura politeia oder Der gemalte Fürstenstaat. Zur Stärkung des landesherrlichen Einflusses auf die Kirche im Zuge der »zweiten Reformation« in Hessen-Kassel siehe auch: Schorn-Schütte: Evangelische Geistlichkeit, S. 61–63.

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unter anderem durch die vertragliche Wahrung des Luthertums im oberhessischen Anteil, zumindest partiell aufgehoben wurde. Kann das 16. Jahrhundert als Phase der Konstituierung und normativen Grundlegung evangelischer Kirchentümer verstanden werden, so das 17. Jahrhundert als Phase der Konsolidierung. In Hessen-Kassel bildeten bis zur formalen Neuordnung des Kirchen- und Schulwesens 1656/57 – und in einigen Bereichen, wie der Ordnung der Gotteskästen, auch noch darüber hinaus – die Vorgaben des 16. Jahrhunderts, vor allem die Reformationsordnung von 1572 und die Agende von 1574, den normativen Referenzpunkt. Mit der Umgestaltung in ein reformiertes Kirchenwesen zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden aber auch neue rechtliche Grundlagen geschaffen, die das Verhältnis von Landesherrschaft und Kirche regelten. Neben den Abschieden der gesamthessischen Generalsynoden bis 1582 wurde der Abschied der Kasseler Generalsynode von 1607 zu einem neuen Bezugspunkt für die niederhessische Geistlichkeit, von weitreichender Bedeutung für die Ausgestaltung des Gefüges von Landesherrschaft und Kirchenverwaltung erwies sich die Konsistorialordnung von 1610, schließlich rückte die Presbyterialordnung von 1630 die in der Ziegenhainer Zuchtordnung von 1539 grundgelegte Mitwirkung der Laien, vor allem bei der Wahrnehmung des kirchlichen Zuchtamtes, wieder stärker ins Bewusstsein. Viele Bereiche blieben aber unreglementiert und erfuhren eine Ausgestaltung erst durch das ordnende und vermittelnde Handeln der Superintendenten, die beispielsweise dafür sorgten, dass die unter Landgraf Moritz schon 1621 ausgearbeitete, aber nicht verkündete, Ordnung der Klassenkonvente den Pfarrern bekannt gemacht und den Bedürfnissen im Laufe der Zeit angepasst wurde. Die Anwendung dieses groben Rahmens auf die zahlreichen Einzelfälle, die Ausgestaltung im Detail, blieb jedoch den Superintendenten mit einem relativ breiten Ermessensspielraum überlassen. Der Kasseler Superintendent Paul Stein zeigte sich sehr stark als ausführendes Organ des Konsistoriums bzw. der Regierung, während sein Nachfolger Theophil Neuberger, der zugleich selbst Konsistorialrat und daher weniger auf Absprachen mit anderen Gremien angewiesen war, starke eigene Akzente setzte, vor allem im Hinblick auf die Disziplinierung der Geistlichkeit. Für den in Eschwege wohnhaften Superintendenten des Bezirks Rotenburg, Johannes Hütterodt, blieb die Kommunikation mit Regierung oder Konsistorium immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden; wie die Reaktion dieser Gremien auf seine Berichte oder Vorschläge ausfallen würde, konnte er sich – auch wenn er im Laufe der Zeit ein Gespür dafür entwickelte – nie ganz sicher sein. Hütterodt erwarb sich aber aufgrund seiner fachlichen Eignung und seiner Kenntnis der regionalen Verhältnisse eine geachtete Position, sodass seine Kompetenz von den übergeordneten Organen bewusst nachgefragt wurde und er sich auch manches offene Wort erlauben konnte. Bis auf Theophil Neuberger, der als Glaubensflüchtling aus der Pfalz in Kassel eine

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Zuflucht gefunden hatte, waren Paul Stein und Johannes Hütterodt ihrer Herkunft nach im Land verwurzelt. Diese intensive räumliche und persönliche Verwurzelung in seinem Tätigkeitsbereich brachte es auch mit sich, dass sich Hütterodt – der einen vertrauensvollen Umgang mit Landgraf Hermann von Hessen-Rotenburg pflegte, der bis zu seinem Tod 1658, neben seinen Brüdern, die Geschicke der Rotenburger Quart maßgeblich lenkte – manche Zuwendung, mit der sich die Pfarrer seines Bezirks sein Wohlwollen zu sichern versuchten, gefallen ließ. Seiner einflussreichen Position, die damit anerkannt wurde, verlieh er durch entschiedene Äußerungen in dem ihm zukommenden hierarchischen Spielraum immer wieder Ausdruck; an seiner Loyalität gegenüber der Landesherrschaft, als deren regionale Repräsentanten in Kirchenangelegenheiten die Superintendenten galten, ließ er dennoch keinen Zweifel. Vor allem die Superintendenten am Regierungssitz in Kassel wurden auch zur Erörterung – oft im Verbund mit dem Predigerministerium – und Kommunikation das ganze Land betreffender Kirchenangelegenheiten herangezogen; nicht nur in geistlicher und administrativer Hinsicht waren die Kasseler Superintendenten, die oft zugleich als Hofprediger tätig waren, dem Ohr des Landesherrn besonders nahe, sondern auch in finanzieller Hinsicht wurden sie gegenüber den Superintendenten des Bezirks Rotenburg bevorzugt. Die Regierungsorgane waren auf die Kooperation der Superintendenten als Vermittler angewiesen, indem sie deren Berichte erwarteten oder sie zum Handeln aufforderten. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergaben, sind kennzeichnend für die gesamte Zeit. Die Pfarrer waren Teil ihrer jeweiligen Gemeinde, die – am deutlichsten zu sehen auf den Dörfern – personell identisch war mit der politischen Gemeinde, und konnten sich deren sozialen Konflikten nicht entziehen, die sie zum Teil mit den Mitteln ihres Amtes austrugen, indem sie sie auf die Kanzel brachten; oft machten sie sich aber auch in ausufernden Gelagen mit ihren Gemeindegliedern allzu gemein. Die Auswüchse der lokalen Umstände versuchten die Superintendenten immer wieder nach dem übergreifenden Vorbild einer geordneten Amtsführung zu beschneiden. Beeindruckend ist der Aufwand, den sie zur Kontrolle des kirchlichen Finanzwesens betrieben, das die ökonomischen Grundlagen der geistlichen Aufgabenwahrnehmung sichern sollte, aber weit darüber hinausging, sodass die Ortskirchen zu einem regionalen Wirtschaftsfaktor wurden. Alle aus (ehemals) geistlichen Einkünften gespeisten Einrichtungen oder ihnen speziell anvertrauten Stiftungen unterstanden der Finanzaufsicht der Superintendenten. Um die Vielfalt der Aufgaben, mit denen sie täglich konfrontiert waren, bewältigen zu können, entwickelten die Superintendenten spezifische Formen der schriftlichen Arbeitsorganisation, allen voran die Diensttagebücher. Ihre tatsächliche Nutzung als Nachweisinstrument und Gedächtnisstütze über längere

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Zeiträume lässt sich im Einzelnen belegen; ein Muster an Stringenz stellt hier die Diensttagebuchführung Paul Steins dar, der für diese Form der Selbstorganisation offenbar das Modell abgab. Als unentbehrlich für die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung und die Konsistenz der Entscheidungen erweist sich das Vorhandensein einer wohlgeordneten »Repositur«, heute würde man von einer Behördenregistratur sprechen, die im Laufe der Zeit zu einem Archiv wurde; die Bestandteile und die Aufbewahrungsmodi lassen sich noch auf eindrucksvolle Weise an den Beständen des Kirchenkreisarchivs Eschwege nachvollziehen, das die Amtsführung der Superintendenten des Bezirks Rotenburg seit dem 16. Jahrhundert dokumentiert; in der Zusammensetzung der heute dort aufbewahrten Dokumente kommt neben Johannes Hütterodt dem im 16. Jahrhundert wirkenden Christian Grau sowie Hütterodts beiden Amtsvorgängern Hermann Fabronius und Caspar Josephi eine bedeutende Rolle zu. Eindrücklich ist auch, zu beobachten, wie die Kommunikation zwischen Konsistorium/Regierung, Superintendenten, Pfarrern und Gemeinden funktionierte und welchen Herausforderungen sie in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges begegnete. Davon zeugen unter anderem die Ausschreiben der Kasseler Superintendenten Paul Stein und Theophil Neuberger, die mit den Empfangsbestätigungen der Pfarrer zum Superintendenten zurückliefen. Die in den Kirchen- und Visitiergeldrechnungen ausgewiesenen Botengelder lassen überdies erkennen, wann welche Schreiben von wem zu welchen Konditionen wohin transportiert wurden. Auch wenn die Superintendenten selbst zur Visitation vor Ort reisten, setzten sie sich Gefahren aus und mussten manchmal sogar Geleitschutz in Anspruch nehmen; die Rotenburger Visitierrechnungen zeigen zudem, wie viel Mühe es kostete, Ersatz für die geraubte Visitierkutsche zu beschaffen. Unter diesen Umständen ist das Bemühen um die Aufrechterhaltung einer geordneten Kirchenverwaltung besonders bemerkenswert, die darüber zahlreich auf uns gekommenen Zeugnisse verdanken wir schon dem zeitgenössisch großen Einsatz für ihren Schutz, mitunter ihrer rechtzeitigen Evakuierung, ihr Wert für Pfarrer und Superintendenten lag darin, dass sie Ansprüche und Rechte, vor allem finanzieller Art, belegten, die bei einem Verlust der Dokumente, nur unsicher rekonstruiert werden konnten. Die Sicherung der im 16. Jahrhundert errungenen geistlichen Landeshoheit spielt in der Aufgabenwahrnehmung und Amtslegitimation der Superintendenten eine tragende Rolle, wenn sie beispielsweise ihr Aufsichtsrecht auch über die Pfarreien in adligen Gebieten betonten. Die mit der Sicherung des landesherrlichen ius episcopale, insbesondere in der »Adelslandschaft an der Werra«3,

3 Die Begriffsprägung bei Wunder : Adelige Gutswirtschaft in Schwebda, S. 261.

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wo viele nobiles an ihrem lutherischen Bekenntnis festhielten,4 verbundenen Herausforderungen fasste Hütterodt, offenbar zu seiner eigenen Ermutigung, in einem Motto nach Jeremia 12, Vers 5 zusammen, das er dem »Catalogus deren vom Adel mit welchen ein Superintendens des Rotenbergischen Becircks zu thun hat« in seinem Diensttagebuch voranstellte: »wan dich die müd machen«.5 Auf »Niederadlige Kirchenherrschaft als Forschungsproblem«6 hat insbesondere Christoph Volkmar hingewiesen. Der sich formierende Territorialstaat musste gegen die Stiche adliger, ihren Selbstbehauptungswillen beweisender Gewaltträger im Land immer wieder Präsenz zeigen. Der »Strukturkonflikt zwischen adliger Patronatsherrschaft und landesherrlichem Kirchenregiment« ist dabei lange übersehen worden.7 Für Adel wie Landesherrschaft waren die Kirchen – durch die Nennung im Kirchengebet, Epitaphien, Wappen und vor allem die Berufung und Verpflichtung der Pfarrer8 – »Markierungspunkte«9 ihrer Herrschaft. Mit ihrem aus dem hochmittelalterlichen Eigenkirchenwesen stammenden ius collaturae oder patronatus konnten die Adligen außerdem an lehnsrechtliche Traditionen anknüpfen.10 Die von den Superintendenten in Kassel wie Rotenburg angelegten Adels- und Kollaturverzeichnisse, darüber, wer Pfarrstellen im Lande besetzen durfte, sollten daher helfen, den Überblick zu bewahren, um zu verhindern, dass Ansprüche des landsässigen Adels den Herrschaftsanspruch des Landgrafen unterminierten. Gerade die mangelnde dauerhafte Präsenz landesherrlicher Amtsträger vor Ort bot lokalen Gewalten die Chance zu eigenmächtigem Handeln.11 Aufgrund der »für die Frühe Neuzeit typische[n] Unfertigkeit und Begrenztheit staatlicher Durchherrschung des Raums«12 war es der Landesherrschaft besonders wichtig, in Gestalt des Pfarrers einen loyalen Vertreter vor Ort platzieren zu können; die oft erst Monate nach dessen Amtsantritt erfolgende Einführung, Introduktion, eines neuen Pfarrers vor der Gemeinde durch den Superintendenten kann man daher auch »als symbolhaften Ausdruck kirchenorganisatorischer Abhängigkeiten«,13 in diesem Fall vom ius episcopale des Landesherrn, verstehen, das er – greifbar auch im 4 Beispiele aus dem DTB Hütterodts bei Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 120–122. 5 DTB Hütterodts, S. 876f., hier S. 876 (Beginn der Eintragungen zum Jahr 1650); zum Hintergrund Ebert / Diehl / Rogmann: Konkurrierende Obrigkeiten, S. 98f. 6 So der Titel eines Aufsatzes von Christoph Volkmar. 7 Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 275. 8 Siehe die Übersicht über die mit dem Kirchenpatronat verbundenen Vorrechte bei Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 51f. 9 Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 301. 10 Dazu aufschlussreich Volkmar : Niederadlige Kirchenherrschaft, S. 623; Ders.: Die Reformation der Junker, S. 48, 276. 11 Vgl. Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 277, 305. 12 Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 277. 13 Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 264.

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Recht zur Bestätigung (ius confirmandi) mit Probepredigt und Examen der ihm Präsentierten – über alle Pfarrer seines Landes, auch die unter adligem Patronat, beanspruchte. Auch dort, wo sich Gerichtsherrschaft und Patronatsrecht deckten, wie im Gericht derer von Boyneburg, fiel es der Landesherrschaft noch lange schwer, ihre konfessionellen Vorstellungen ohne Weiteres durchzusetzen.14 Das Beharrungsvermögen, die Widerständigkeit und schließlich der Rückzug ins Private, die viele nordhessische Adlige in konfessionellen Fragen an den Tag legten, waren Ausdruck ihres Strebens nach Autonomie,15 in der sie sich durch die mit der Einführung der »Zweiten Reformation« verbundenen Eingriffe in ihr Recht, die ihnen zustehenden Pfarrstellen selbst zu besetzen, verletzt fühlten, zumal die Pfarrer für sie oft mehr waren als nur Geistliche.16 Auch die Mitspracherechte anderer intermediärer Gewalten bei der Pfarrstellenbesetzung, wie des Deutschen Ordens, versuchten Landesherr und Geistlichkeit unter Verweis auf das landesherrliche ius episcopale zu beschneiden; der Deutsche Orden durfte zwar weiterhin für den Bauunterhalt seiner Patronatspfarreien aufkommen, sollte sich aber aus allen übrigen Entscheidungen, insbesondere der Pfarrstellenbesetzung, heraushalten, wie das Beispiel der Deutschordenspfarrei Felsberg zeigt. Wenn Christoph Volkmar feststellt: »Spätestens im Konfliktfall war es an den Pfarrern, zu entscheiden, wem ihre Loyalität gehörte«,17 trifft dies – mit umgekehrtem Vorzeichen als in den adligen Patronatspfarreien im Mittelelberaum – auch für Hessen-Kassel zu. So setzte der Felsberger Pfarrer Johannes Catharinus in seinem, dem Superintendenten überschickten »Verzeichnuß der Pfarren, Mutterkirchen unndt Filialn, Pfarrern, Schuelmeistern, unndt Opffermennern der Statt unndt Ampts Felspergk« aus dem Jahr 1635 an das Ende einer kurzen Einführung in die Problematik des Patronatsverhältnisses des Orts die entschiedene Bemerkung: »Ich aber erkenne nun mehr keinen andern collatorem alß den durchleuchtigen unndt hochgebohrnen F[ürsten]. u[nd]. H[errn]. Herrn Wilhelm [V.] Landgraff zu Hessen etc. meinen g[nädigen]. F[ürsten]. unnd Herren«.18 Das ius episcopale diente aber auch als Mittel zur Verteidigung und zum Ausbau kontestierter Landeshoheit, so etwa im Konflikt um die Zugehörigkeit von Ort und Kirche Züschen zwischen der Grafschaft Waldeck und der Landgrafschaft Hessen-Kassel zwischen 1621 und 1636, wobei sich die Superintendenten willig in den Dienst der expansiven Bestrebungen des Landgrafen stell14 15 16 17 18

Vgl. Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 270, 272, S. 304f. (These 5). Vgl. Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 277. Vgl. Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 282. Volkmar : Die Reformation der Junker, S. 283. Sammlung nach Pfarreiklassen aufgestellter Verzeichnisse dieser Art, die an den Kasseler Superintendenten Neuberger übersandt wurden, darin das zweite (Zitat: erste Textseite, rechte Spalte), StAM 318 Kassel, Nr. 1722.

640

Fazit: Kirchenverwaltung und Landesherrschaft

ten, sodass sich konfessionelle und territoriale Interessen verbanden, ebenso bei der Wahrung der Herrschaftsrechte Hessen-Kassels in der dreiherrigen Ganerbschaft Treffurt und bei der Rückkehr der reformierten niederhessischen Pfarrer auf ihre Stellen, von denen sie während der Pfandschaft zwischen 1626 und 1628 durch Hessen-Darmstadt entsetzt worden waren. Fast alle Lebensbereiche dieser Zeit waren geistlich durchdrungen. So wurde die Glocke der Dorfkirche nicht allein benutzt, um die Kirchengemeinde zum Gottesdienst zusammenzurufen, sondern auch um die politische Gemeinde zu versammeln. Herrscherwechsel, Hochzeiten, Schwangerschaften, Geburten und Todesfälle im fürstlichen Haus wurden ebenso von der Kanzel verkündet wie für Siege auf dem Schlachtfeld, die durch die göttliche Segnung der Waffen errungen worden waren, gedankt oder für das Gelingen bevorstehender Reisen des Landesherrn zum Gebet aufgefordert wurde. Dem Gebet wurde ohnehin eine große Kraft beigemessen, wie die täglichen Betstunden, die monatlichen und außerordentlichen Bettage bezeugen, deren Besuch es galt mit den übrigen Lebensnotwendigkeiten und den wirtschaftlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen, da man die kriegerische Unruhe als Folge mangelnder Gottesfurcht und als Strafe für begangene Sünden auffasste, um deren Abwendung man Gott anflehte. In diesem Zusammenhang steht auch die Beteiligung Neubergers an der Erarbeitung landesherrlicher Ordnungen zur Eindämmung des gotteslästerlichen Fluchens, wobei das Verhältnis zur weltlichen Obrigkeit, auf deren Kooperation die Geistlichen in vielen Bereichen angewiesen waren, kritisch beleuchtet wird. Den Superintendenten kommt insgesamt eine kommunikative Schaltstellenfunktion im System der Landesherrschaft zu, sie vermittelten den Zugang zu Konsistorium oder Regierung und dienten für selbige als Informations- und Ausführungskanal, auf dem Berichte und Anordnungen hin- und herwechselten. Die Geistlichen waren durch Gutachten und Stellungnahmen sowohl an der Entstehung von Verordnungen wie an deren Verbreitung und Implementierung beteiligt und dienten, wie beschrieben, dem Landgrafen auch als Mittel zur Verteidigung territorialer Ansprüche und zur Präsenthaltung seiner Herrschaft vor allem in unsicheren Zeiten und Gebieten, wodurch sie einen Beitrag zur lokalen Verankerung territorialer Herrschaft leisteten. Kirchenverwaltung als Vermittlung des geistlichen und weltlichen Machtanspruchs eines Fürsten durch ausgewählte, seinen konfessionellen Vorstellungen entsprechende Diener, erweist sich somit als elementarer Bestandteil frühneuzeitlicher Landesherrschaft.

Abkürzungen

alb. Bearb., bearb. Begr. Best. BSLK

BSRK

d. Ä. Ders. Dies. Diss. masch. d. J. DTB E. F. G. / Efg. EKO Bd. 8

EKO Bd. 9

EKO Bd. 14

Albus; Währungseinheit: 26 Albus sollten einen Gulden ergeben. Bearbeiter / bearbeitet Begründer Bestand (im Archiv) Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.): Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 12. Aufl., Göttingen 1998. Müller, E[rnst]. F[riedrich]. Karl (Hg.): Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. In authentischen Texten mit geschichtlicher Einleitung und Register. Bd. 2 (Theologische Studien-Texte, Bd. 5.2). Waltrop 1999 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig, 1903). der Ältere/den Älteren (angepasst an den jeweiligen Kasus) Derselbe Dieselbe bzw. (beim Verweis auf mehrere Autoren/Herausgeber) Dieselben maschinenschriftliche Dissertation der Jüngere/den Jüngeren (angepasst an den jeweiligen Kasus) Diensttagebuch Eure/r Fürstlichen Gnaden Emil Sehling (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 8: Hessen, 1. Hälfte: Die gemeinsamen Ordnungen. Bearb. von Hannelore Jahr. Tübingen 1965. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 9: Hessen II: Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582–1618, Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein, Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen, Wetzlar. Tübingen 2011. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 14: Kurpfalz. Bearb. von J. F. Gerhard Goeters. Tübingen 1969.

642 EKO Bd. 22

et al. f.

f. g(n). fl.

fol. Gbll Waldeck g. f. g. f. u. h. g. h. H. HJbLG HLO I / II

hlr. HZ I. F. D. / Ifd. I. f. g. / Ifg. insbes. IPM, IPO

Abkürzungen

Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 22: Nordrhein-Westfalen II: Das Erzstift Köln, Die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg, Die Städte Münster, Soest und Neuenrade, Die Grafschaft Lippe (Nachtrag). Bearb. von Sabine Arend. Tübingen 2017. et alia (und andere), zeigt die Auslassung weiterer bei mehr als drei Erscheinungsorten einer Publikation an fürstliche/n/r/s (dort, wo die Abkürzung nicht eindeutig hinter einer Seitenangabe als gebräuchliche Abkürzung den Einschluss der »folgenden« Seite anzeigt) fürstliche/n/r Gnaden Florentiner/Florin/Florenen, im deutschen Sprachraum Abkürzung für die Währungseinheit »Gulden«; auf einen Gulden gingen normalerweise 26 Albus, jeder Albus fasste 12 Heller folio (»auf dem Blatt«, Vorderseite [recto: »r«] oder Rückseite [verso: »v«]) Geschichtsblätter für Waldeck (und Pyrmont) gnädiger Fürst gnädiger Fürst und Herr gnädiger Herr Herr (in der jeweiligen Deklinationsform) Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Kleinschmid, Christoph Ludwig (Bearb.): Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreiben nebst dahin gehörigen Erläuterungs- und anderen Rescripten, Resolutionen, Abschieden, gemeinen Bescheiden und dergleichen. Erster Theil, welcher dasjenige in sich hält so von Zeiten der Regierung Herrn Landgrafen Henrichs II. bis an das Ende der Regierung Herrn Landgrafen Moritzens vom Jahr 1337 bis in das Jahr 1627 ergangen ist […]. Kassel 1767. Kleinschmid, Christoph Ludwig (Bearb.): Sammlung […]. Zweyter Theil, welcher dasjenige in sich hält so von Zeiten der Regierung Herrn Landgrafen Wilhelms V. bis an das Ende der Regierung Herrn Landgrafen Wilhelms VII. vom Jahr 1627 bis in das Jahr 1670 ergangen ist […]. Kassel 1770. Heller ; hessische Währungseinheit: 12 Heller ergaben einen Albus Historische Zeitschrift Ihre/r fürstliche/n Durchlaucht/Durchleuchtigkeit Ihre/n/r fürstliche/n/r Gnaden insbesondere Instrumentum Pacis Monasteriensis, Instrumentum Pacis Osnabrugensis vom 24. Oktober 1648 (neuen Stils), historischkritisch ediert in: Oschmann, Antje (Bearb.): Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. 1. Urkunden (Acta Pacis

Abkürzungen

JbHKV KKAE L. LAGIS

LKA Kassel M. n. St. praes.

QFhG r reg. RTA J. R. rtl. StAD StA ESW StAM TRE u. g(n). f. und h. Urkundliche Quellen II

v VD16

VD17

VD18

643 Westphalicae, Serie III [Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia], Abteilung B: Verhandlungsakten, Bd. 1,1). Münster 1998, S. 1–49 [Nr. 1] (IPM), S. 95–170 [Nr. 18] (IPO). Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung Kirchenkreisarchiv Eschwege Landgraf Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde online, zugänglich unter ; dort findet sich u. a. das »Historische Ortslexikon« Landeskirchliches Archiv (der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in) Kassel Magister neuer Stil, Datumsangabe nach dem gregorianischen Kalender praesentatum/Präsentatvermerk (auf einem Brief, meist auf der Adressseite, vermerkte Angabe, wann und evtl. wo er empfangen bzw. dem Adressaten vorgelegt/präsentiert wurde) Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte recto (bei Blattzählungen Angabe der Vorderseite) regierte Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe Reichstaler ; Währungseinheit: 1 Reichstaler umfasste 32 Albus (Hessisches) Staatsarchiv Darmstadt Stadtarchiv Eschwege (Hessisches) Staatsarchiv Marburg Gerhard Krause / Gerhard Müller (Hgg.): Theologische Realenzyklopädie. 36 Bände. Berlin, New York 1977–2004. unser gnädiger Fürst und Herr (in der jeweils passenden Deklintion) Günther Franz (Bearb.): Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte. Zweiter Band: 1525–1547 (VHKH, Bd. 11). Marburg 1954. verso (bei Blattzählungen Angabe der Rückseite) Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts; der Sucheinstieg der OnlineVersion erfolgt über die Informationsseite: (Abruf: 22. Oktober 2019), dort kann unter den Suchoptionen die VD16-Nummer ausgewählt werden Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts; der Sucheinstieg der OnlineVersion erfolgt über die Verlinkung zu »Erweiterte Suche« auf (Abruf: 22. Oktober 2019), dort kann unter den Suchoptionen die VD17-Nummer ausgewählt werden Verzeichnis Deutscher Drucke des 18. Jahrhunderts; unter (Abruf: 22. Oktober 2019) kann die Suchoption VD18-Nummer ausgewählt werden

644 VHKH ZHF ZHG

Abkürzungen

Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen (und Waldeck) Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde

Hilfsmittel

Die Lage der erwähnten Orte, auch in ihrer historischen Namensform, mit Angabe der Pfarrzugehörigkeit und der Patronatsrechte lässt sich leicht über das »Historische Ortslexikon« im Landesgeschichtlichen Informationssystem (LAGIS) des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde online ermitteln: (Abruf: 22. Oktober 2019); siehe auch Johann Baptist Homanns detaillreiche Karte Niederhessens: . Zur Orientierung über die kirchenorganisatorische Zuordnung einzelner Orte sowie ihre Zugehörigkeit zur damaligen Landgrafschaft Hessen-Kassel sind unentbehrlich Ledderhoses 1780 erschienene »Beyträge zur Beschreibung des Kirchen-Staats der Hessen-Casselischen Lande«. Erläuterungen zu den Münzen, Maßen und Gewichten geben:

Klimpert, Richard: Lexikon der Münzen, Maße, Gewichte, Zählarten und Zeitgrößen aller Länder der Erde. 2., vielfach verbesserte und vermehrte Aufl., Berlin 1896. Wiegand, C.: Tabellen zur Umwandlung des seitherigen kurhessischen Maaßes und Gewichts in die durch die Maaß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund vom 17. August 1868 vorgeschriebenen Maaße und Gewichte. Kassel 1871. Witzel, Jörg: Hersfeld 1525 bis 1756. Wirtschafts-, Sozial- und Verfassungsgeschichte einer mittleren Territorialstadt (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte, Bd. 14). Marburg 1994, S. XI (»In Hersfeld gebräuchliche Maße, Gewichte, Münzen und Währungen« mit Übertragbarkeit auch auf andere Orte Hessens).

Siehe auch den »Historischen Werkzeugkasten« auf den Internetseiten des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde: (letzter Zugriff: 22. Oktober 2019). Daraus abgeleitete Kurzübersicht zu Währungseinheiten und Fruchtmaßen

1 Gulden (fl.) = 26 Albus (alb.) 1 Albus (alb.) = 12 Heller (hlr.) 1 Reichstaler (rtl.) = 32 Albus

646

Hilfsmittel

1 (Cassler) Viertel = 1 Malter = 16 (Cassler) Metzen = 1,6 Hektoliter oder 160 Liter 1 Viertel partim = je zur Hälfte Roggen und Hafer

Quellen- und Literaturverzeichnis

A)

Quellen

1.

Diensttagebücher der Superintendenten

Die Diensttagebücher werden im Text in der Regel nur mit »DTB«, dahinter dem Namen des jeweiligen Superintendenten und den umfassten Jahren oder dem konkreten Tages-Eintrag zitiert. StAM 315 a, Nr. 23 DTB Paul Stein 1622/23, Einträge vom 8. Oktober 1622 bis 30. September 1623 StAM 315 a, Nr. 5 DTB Paul Stein 1628, Einträge vom 2. Januar bis 20. August 1628 StAM 22 a 1, Nr. 181 DTB Paul Stein 1629, Einträge vom 2. Januar bis 12. Dezember 1629 StAM 315 a, Nr. 20 DTB Paul Stein 1630/31, Einträge vom 2. Januar 1630 bis 29. August 1631 (Lücke zwischen den Einträgen vom 1. April und 1. November 1630); enthält auch Schriftstücke vom 19. März 1629 (richtig: 1630?) (Protokoll der Vernehmung Hans und Christina Kepplers über ihren Ehestreit) und vom 2. Dezember 1629 (Protokoll der Versöhnung zwischen dem Pfarrer von Merxhausen, Eberhard Kreuter, und dem Vogt daselbst, Johann Hoffmann; Bestimmung der Aufgaben des »Lesers« zu Merxhausen, Johann Rihelius, und Erteilung des Auftrags zur Kinderlehre an Catharin, eine von zwei dazu in Vorschlag gebrachten Schwestern) sowie undatiert mehrere Blätter unter der Überschrift »Visitations Puncten« StAM 315 a, Nr. 21 (Teil 1) DTB Paul Stein 1632/33, Einträge vom 2. Januar 1632 bis 20. März 1633

648

Quellen- und Literaturverzeichnis

StAM 3 15 a, Nr. 21 (Teil 2) DTB Theophil Neuberger, Einträge vom 12. Januar 1635 bis 25. April 1648 (vorher unter der Signatur StAM 315 a, Nr. 20) StAM 318 Kassel, Nr. 1436 DTB Johann Heinrich Stöckenius, Einträge vom 9. Juli 1658 bis in den Mai 1678 Kirchenkreisarchiv Eschwege, ohne Bestandsnummer DTB Johannes Hütterodt, Einträge vom 4. November 1638 bis 17. Dezember 1660; Trankription des DTB, einschließlich separater Orts- und Personenregister, als PDF-Dateien auf CD-ROM als Beilage zu Arnold / Kollmann (Hgg.): Alltag reformierter Kirchenleitung. Im Kirchenkreisarchiv Eschwege sind die Seiten der Handschrift des Diensttagebuchs Hütterodts vollständig als hochwertige Digitalfotos auf drei DVDs vorhanden (Disk 3-I/II/III), ebenso im Stadtarchiv Eschwege unter den Signaturen DVD 14265, 14266, 14267.

2.

Weitere ungedruckte Quellen (Auflistung der benutzten Signaturen)

a)

Kirchenkreisarchiv Eschwege (KKAE)

Das Kirchenkreisarchiv Eschwege befand sich bis zum Herbst 2018 im Untergeschoss des Kirchenkreisamtes der Kirchenkreise Eschwege und Witzenhausen in Eschwege. Seitdem liegt es als Depositum im Kreisarchiv des Landkreises Werra-Meißner, Oberweg 5, 37284 Waldkappel. Auskünfte und Genehmigungen zum Kirchenkreisarchiv hat bisher der ehemalige (bis Ende 2019) Dekan des Kirchenkreises Eschwege, Dr. Martin Arnold, erteilt; dafür ist nun das Kreisarchiv des Werra-Meißner-Kreises zuständig. Bestand 1 [Protokolle und Amtsbücher], Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 31, 32, 33, 34 Bestand 2 [Rechnungen], Nr. 1, 26 Bestand 3 [Superintendentur Allendorf], Nr. 107, 107 a, 204, 1701, 1809, 1873, 1874, 1877 Bestand 4 [Ortsakten] Abterode, Nr. 41, 42; Datterode, Nr. 8; Eschwege, Nr. 16; Frankershausen, Nr. 34; Frieda, Nr. 1; Grandenborn, Nr. 4; Großburschla, Nr. 2; Jestädt, Nr. 109; Langula / Reichensachsen, Nr. 111; Schwebda, Nr. 0, 14; 4/1 Treffurt, Nr. 2; 4/4 Treffurt, Nr. 1, 2, 3; Waldkappel, Nr. 18, 19, 20

b)

Stadtarchiv Eschwege (StA ESW)

St[ahl]. Schr[ank]. I, Nr. 28: »Synodalbuch, darinnen die Synodi, examina undt namen der Pfarrer der kyrchen Gottes des bezirks Rotenberg in Hessen verzeychnet undt auffgeschrieben seindt« (412 pag. Seiten, 30 unpag. Seiten; der Titel auf dem Umschlag

649

Quellen

ist mittlerweile zum Teil verblichen; dieser und die Angaben zur Paginierung nach Arnold: Zwischen Kirchenordnung und kirchlicher Wirklichkeit, S. 48 Anm. 10) Kopialbuch Eschwege, Fach 1, Nr. 25 ohne Signatur: Kopialbuch Klassen Eschwege und Allendorf ohne Signatur: Kopialbuch Klasse Spangenberg

c)

Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel (LKA Kassel)

Für weitere Informationen siehe: (Abruf: 22. Oktober 2019). Dekanat Fritzlar, Nr. 22, 23 Pfarrarchiv Gudensberg, Nr. 121 Superintendentur Allendorf, Nr. 20, 164, 392, 495, 504, 552, 554, 604, 685

d)

Universitätsbibliothek Kassel – Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (Handschriften und Alte Drucke)

8o Ms. Hass. 1 Band mit hessischen Chroniken, die Theophil Neubergers von 1635–1648 (abschriftlich) auf S. 334–368 2o Ms. Hass. 61 Hermann Fabronius Briefwechsel 1613–1618; benutzt in Abschriften im Besitz von Frau Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte 2o Ms. Hass. 86 [1 Johann Christoph Kalckhoffs Sammlung »Collectaneen Series Superintendentium Cassellanorum« in zwei Bänden (auch bekannt als »Kalckhoffsche Literalien«), davon der erste Band

e)

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (StAD)

Zugriff auf die Verzeichnungsdaten, vereinzelte Digitalisate und die Bestellmöglichkeit der Archivalien in die Lesesäle der Hessischen Staatsarchive besteht über das Archivinformationssystem (Arcinsys) des Hessischen Landesarchivs: (Abruf: 22. Oktober 2019). E 5 A [Kirchenangelegenheiten und Religionswesen. Evangelische Kirche], Nr. 81, 82, 83, 295

650 f)

Quellen- und Literaturverzeichnis

Hessisches Staatsarchiv Marburg (StAM)

4 a [Fürstliche Personalien], Nr. 46/21 4 b [Politische Akten nach Philipp dem Großmütigen, Hofhaltung], Nr. 720 4 d [Kanzlei- und Geheimeratskorrespondenz], Nr. 186, 188 4 e [Kaiser, Reichs- und Kreissachen], Nr. 585 4 f [Staatenabteilung] Fulda, Nr. 388 / Treffurt, Nr. 99, 101 4 i [Politische Akten nach Philipp dem Großmütigen, Religionssachen], Nr. 167, 196, 204 5 [Geheimer Rat], Nr. 3367, 9957, 14965, 14966, 14967 17 I [Landgräflich Hessische Regierung Kassel, Alte Kasseler Räte], Nr. 4713, 5393 17 d [Landgräflich Hessische Regierung Kassel, Familienrepositur], Nr. Neuberger 1, Nr. von Meysenbug 71 17 e [Landgräflich Hessische Regierung Kassel, Ortsreposituren], Nr. Eschwege 206 17 h [Regierung Kassel, Schulrepositur], Nr. 2181 19 d [Landgräflich Hessische Regierung Marburg: Hessen-Darmstädtische Regierung], Nr. 322 22 a: Kirchensachen 22 a 1 [Generalia], Nr. 42, 57, 58, 98, 106, 149, 181, 183, 185, 186, 190, 198, 203, 211, 220, 225, 253, 258, 261, 265, 266, 267, 270, 278, 279, 282, 283, 291, 295, 306, 359, 380 22 a 3 [Konsistorium in Kassel], Nr. 23, 757, 758, 777, 781, 785, 849, 873, 878, 885, 889, 905, 1030, 1037, 1038, 1055, 1098 22 a 4 [Konsistorium Marburg], Nr. 2, 729 22 a 6 [Superintendentur Kassel und Ziegenhain], Nr. 5 (»Copialbuch« und weitere einliegende Dokumente) 22 a 8 [Regierung Kassel (einzelne Nummern, teilweise nach Orten)], Nr. 11, 12, 14, 23, 24, 25, 133 (Böhne), 152 (Kassel), 153 (Kassel), 154 (Kassel), 156 (Kassel), 164 (Kassel), 165 (Kassel), 170 (Kassel), 176 (Kassel), 191 (Kassel), 192 (Kassel), 193 (Kassel), 194 (Kassel), 201 (Kassel), 228 (Kassel), 236 (Kassel), 281 (Eschwege), 282 (Eschwege), 295 (Felsberg), 301 (Felsberg), 302 (Felsberg), 396 (Harmuthsachsen), 586 (Marburg), 658 (Niederurff), 698 (Rotenburg), 700 (Rotenburg), 759 (Sooden), 849 (Züschen) 40 a Rubr. 24 [(Rent-) Kammerarchiv : Konsistorialia, Kirchen und Schulen, Universitäten], Nr. 125 115/07 [Waldeckische Ältere Kanzleien: Kirchen, A. Generalia und B. Einzelne Orte], Nr. Generalia 15, Generalia 59, Nr. Böhne 9, Nr. Züschen 3, 6, 7, 8, 9, 14, 18 315 a [Generalia des Konsistoriums Kassel], Nr. 5, 19, 21, 20, 22, 23, 602, 687 315 i [Akten der Superintendentur Kassel; Bestand aufgelöst], Paket 11 315 l [Nachträge: überwiegend Generalia der Konsistorien Kassel, Marburg, Hanau 1533– 1875], Nr. 17, 43, 44, 53, 60, 77 a, 380, 381 315 r [Kirchenrechnungen], Rechnungen der Visitiergelder 1621–1738 [Magazin III K, Reihe 5, Stange 4 (am 19. November 2012)] 318 Kreispfarramt Eschwege, Nr. 1, 2 318 Kassel [Superintendentur Kassel], Nr. 3, 5, 114, 117, 208, 398, 399, 400, 402, 401, 406, 411, 412, 417, 1042, 1053, 1060, 1061, 1064, 1080, 1101, 1102, 1107, 1115, 1121, 1321, 1322, 1387, 1383, 1436, 1437, 1441, 1443, 1445, 1448, 1455, 1523, 1525, 1528, 1529, 1530, 1531, 1532, 1675, 1703, 1712, 1720, 1722 340 von Dörnberg [Familien- und Herrschaftsarchiv v. Dörnberg], Nr. 1590, 1594, 1606

651

Quellen

Urkunden 5 [Verträge der Landgrafen von Hessen (-Kassel) mit anderen], Nr. 94, 148, 149, 1753, 1754, 1755, 1756 Urkunden 7 [Bestallungen], Nr. 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227 Urkunden 14 [Hessische Aktiv- und Passivlehen], Nr. 947, 948 Urkunden 37 [Deutschordenshaus Marburg], Nr. 4047, 4063, 4296, 4272, 4412, 4421, 4426 Urkunden 56 [Reichsabtei Hersfeld], Nr. 2089 Urkunden 85 [Waldecker Urkunden], Nr. 491, 495, 10899, 10900, 10901 10932, 11361

3.

Gedruckte Quellen

Acta In Sachen die Fürstliche Marpurgische Succession belangendt Zwischen den Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Ludwigen/ Herrn Philipsen/ vnd Herrn Friederichen/ Gebrüdern/ Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ [etc.] Klägern an einem/ So dann dem auch Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Moritzen/ Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain/ vnd Nidda/ [etc.] Beklagten am andern Theyl/ Auff besondern gnädigen Befelch Hochgedachtes Herrn Landgraff Ludwigen / in Truck gegeben worden. MDCXIV [1614]. Gedruckt zu Giessen/ Durch Nicolaum Hampelium, Typogr. Academ. & Casparum Chemlinum [VD17-Nr.: 14:079622E; Onlinedigitalisat unter (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Acta Synodi Nationalis, In Nomine Domini Nostri Iesv Christi, Autoritate Illvstr. Et Praepotentvm DD. Ordinvm Generalivm Foederati belgij Prouinciarum, Dordrechti Habitae Anno M. DC. XVIII. & M. DC. XIX. Accedunt plenissima, de Quinque Articulis, tam Exterorum quam Provincialium Theologorum Iudicia. Accessit In Calce Index Cvm Rervm tum verborum Locarumque communium in hoc opere contentorum locupletissimum. Hanoviae [= Hanau], impensis Egenolphi Emmelii, Anno M. DC. XX. [1620]. Enthält außerdem: Jvdicia Theologorvm Provincialivm, De Qvinqve Controversis Remonstrantivm Articulis. Synodo Dordrechtanae Exhibita. Anno M DC XIX. [1619] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 12:116877F; die Judicia ab Bild Nr. 961]. Aulinger, Rosemarie / Eltz, Erwein H. / Machoczek, Ursula (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Der Reichstag zu Augsburg 1555. Vier Teilbände (Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reiche, Bd. 20). München 2009. Blaeu, Willem Janszoon / Blaeu, Joan: Theatrum Orbis Terrarum Sive Atlas Novus; in quo Tabulae et Descriptiones omnium Regionum. Band 1. Amsterdam 1645. Böckel, Ernst Gottfried Adolf (Hg.): Die Bekenntnisschriften der evangelisch-reformierten Kirche. Mit Einleitungen und Anmerkungen. Leipzig 1847. Caesar, Iulius (Bearb.): Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis, Pars tertia: A medio anno MDLXXI [1571] usque ad extremum annum MDCIV [1604] pertinens. Accedunt Guilelmi et Ludovici Landgraviorum edicta A[nno]. MDLXXV [1575] emissa. Marburg 1882 (Nachdruck: Nendeln/Liechtenstein 1980).

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Caesar, Iulius (Bearb.): Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis, Pars quarta: Ab ineunte anno MDCV [1605] usque ad extremum annum MDCXXVIII [1628] pertinens. Marburg 1887 (Nachdruck: Nendeln/Liechtenstein 1980). Crocius, Johannes: Johannis Crocii Hochabgenötigte Unschuld, und Ehrenrettung: darinn das jenige, was Herr Matthias Hoe von Hoenegg […] gegen jhn […] in seinem grossen Buch […] Unvermeidentliche Rettung Churf. Durchl. zu Sachsen gethaner Gewissensfrage, [et]c. wieder alle Recht und Billigkeit […] aussgegossen, kurtz- glimpff- und bescheidentlich abgeleinet und beantwortet wird. Grebenstein (Ketzels Wittib) 1636 [Exemplar in der Bibliothek des Staatsarchivs Marburg: XI B 560]. Drecoll, Volker Henning: Der Passauer Vertrag (1552). Einleitung und Edition (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd. 79). Berlin, New York 2000. Ebert, Theodor: M. Theodori Eberti Professoris Academici Manuductionis Aphoristicae Ad Discursum Artium et Disciplinarum Methodicum Sectiones Sedecim, in quibus continentur Paecognita. Grammatica. Rhetorica. Po[tica. Logica. Historica. Metaphysica. Physica. Mathematica. Ethica. Oeconomica. Politica. Artes Effectiva. Medicina. Jurisprudentia. Theologia. In Academia Francofurtana Scriptae. [Pars Prima.] Ad Georgium Guilielmum S. R. Imperii Archicamerarium & Electorem & c. Francofurti Prelo Kochiano [1620] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 1:726921Z]. Eckhardt, Karl August (Hg.): Eschweger Vernehmungsprotokolle von 1608 zur Reformatio des Landgrafen Moritz (Deutschrechtliches Archiv, Heft 14). Witzenhausen 1968. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.): Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984. Stuttgart 1999. Fabronius, Hermann: Historische Beschreibung Der Policey Tugende/ Christlicher Obrigkeit und Underthanen. Wie der Durchleuchtige und Hochgeborne Fürst und Herr/ Herr Moritz L[andgraf]. zu Hessen/ Graff zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhagen [sic!] und Nidda etc. Dieselbigen nach der Politia und Ethica im Schloß Eschwege in Hessen disponiret, und in unterschiedenen Gemachen mit schönen Bildern und Historien abmahlen lassen. Dannen aber mit umbstendiger Erzehlung und beygefügten Epigrammatis abgeschrieben und publiciret seynd/ Von Hermanno Fabronio, Diener Gottes und P[oeta].C[oronatus]. Gedruckt zu Schmalkalden/ durch Wolffgang Ketzeln F[ürstlich]. H[essischen]. Buchdruckern. M. DC. XXV. [1625] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:285998C]. Franz, Günther (Bearb.): Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte. Zweiter Band: 1525–1547 (VHKH, Bd. 11). Marburg 1954. Friedlaender, Ernst (Hg.): Aeltere Universitäts-Matrikeln. I. Universität Frankfurt a. O. Aus der Originalhandschrift. Erster Band (1506–1648) (Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven, Bd. 32). Leipzig 1887. Grimm, Jacob / Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 33 Bände. München 1999 (Fotomechanischer Nachdruck der Erstausgabe, Leipzig 1854–1954). Gründliche/ Warhaffte Vnd Vollstendige Erzehlung/ Wie es vmb den langwierigen Marpurgischen Successionstreit vnd Process, So vber Weiland Des Durchleuchtig-vnd Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Ludwigs des Eltern/ Landgraffens zu Hessen/ etc. Hochlöblicher Christmilder Gedächtnüß/ hinterlassenem Testament/ zwischen den beyden Fürstlichen Linien/ Hessen Cassel vnnd Darmbstadt sich entsponnen vnd geführet worden. Vnd dann Die forters beyds in der hauptsach/ als auch in puncto liquidationis mobilium & fructuum, ergangene keyserl. Vrtheiln/ deren Executiones,

Quellen

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vnnd endlich darauff erfolgten vermeinten Vergleich bewand/ vnd was dabey allenthalben vorgelauffen. Zusambt darinnen angezogenen vnterschiedlichen Hauptsachlichen Beylagen. Zu jedermenniglichs Vnterricht offentlich in Truck gegeben. [ohne Ort] Anno M. DC. XLIII. [1643] [VD17-Nr.: 12:120717P; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Gundlach, Franz: Die Hessischen Zentralbehörden von 1247 bis 1604. Zweiter Band: Urkunden und Akten (VHKH, Bd. 16,2). Marburg 1930. Haubtvertrag/ Wie solcher zwischen den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Wilhelmen Vnd Herrn Georgen / Gevettern/ Landgrafen zu Hessen/ Grafen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ etc. Für sich vnd beeder Ihrer FF. GG. Hochlöbliche Fürstliche Linien Cassel vnd Darmstad veranlast/ aufgerichtet/ volnzogen/ leiblich geschworen/ sehr vielfaltig bestärckt vnd bekräftigt worden. Getruckt zu Marpurg/ durch Caspar Chemlin/ Im Jahr Christi 1633 [VD17-Nr.: 23:313354K; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Historischer Bericht/ Der Newlichen Monats Augusti zugetragenen Marpurgischen Kirchen Händel. Syrach. c. 33. 4. v. Werde der Sache gewiß/ Darnach Rede darvon. Erstlich Gedruckt zu Marpurg/ durch Rudolph Hutwelcker. Anno M. DC. V. [zitiert nach dem Faksimile in Hans-Joachim Kunst / Eckart Glockzin (Hgg.): Kirche zwischen Schloß und Markt. Die Lutherische Pfarrkirche St. Marien zu Marburg. Marburg 1997, S. 59–69 (entspricht VD17 23:267005Z); in mehreren anderen Ausgaben online, z. B. VD17 14:079623N]. Ho[ von Ho[negg, Matthias: Der drey vnd achtzigste Psalm/ Bey dem von Churfürstlicher Durchleuchtigkeit zu Sachsen/ etc. etc. etc. außgeschriebenen Convent der Evangelischen vnd protestirenden Chur-Fürsten vnd Stände/ In der Kirchen zu S. Thomas/ in Leipzig/ Den 10. Februarij, Anno 1631. Bey hochansehlicher vnd volckreicher Versamblung erkläret/ vnd Auff instendiges Anhalgen vnd Begehren in Druck gegeben/ Durch Matthiam Hoe von Hoenegg/ der heiligen Schrifft Doctorn/ der Zeit Churfürstlicher Durchleuchtigkeit zu Sachsen verordneten Ober-Hofe-Predigern zu Dresden/ [et]c. Leipzig [1631]/ In Verlegung Zachariae Schürers S. Erben/ vnd Matthiae Götzens. Gedruckt bey Gregorio Ritzschen [VD17-Nr.: 7:678166T; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Ho[ von Ho[negg, Matthias: Vnvermeidentliche Rettung Churfürstl. Durchl. zu Sachsen gethaner Gewissens-Frag/ vnd darauff erfolgter Antwort/ Ob die Evangelischen/ dem Calvinismo zum besten/ die Waffen ergreiffen/ vnd in omnem eventum, allen/ vmb des Calvinismi willen/ den hochnöthigen Frieden/ im H. Röm. Reich außschlagen/ hingegen mit den blutigen Waffen fortfahren können/ vnd sollen/ Wider eine gifftige Lästerschrifft/ eines vngenanten Calvinischen Tockmausers/ die vnter dem Titul/ Oraculum Dodonaeum & c. im vergangenen Herbst außgesprenget worden/ Gestellet durch Matthiam Hoe von Hoenegg/ der heiligen Schrifft Doctorn/ vnd höchstgemelter Churfürstl. Durchl. zu Sachsen bestallten OberHofpredigern zu Dreßden. […] Mit Churfürstl. Sächs. Privilegio. Leipzig/ Jn Verlegung Thomae Schürers S. Erben vnd Matthiae Götzens. Gedruckt bey Friederich Lanckischen S. Erben. Jm Jahr Christi 1635 [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 12:116714P].

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Hollenberg, Günter (Hg.): Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1649–1798. Bearb. von Günter Hollenberg und Berthold Jäger (VHKH, Bd. 48,3; zugleich Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen, Bd. 5). Marburg 1989. Hollenberg, Günter (Hg.): Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1526–1603. Bearb. von Günter Hollenberg und Heinrich Maulhardt (VHKH, Bd. 48,5; zugleich Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen, Bd. 9). Marburg 1994. Hollenberg, Günter (Hg. und Bearb.): Hessische Landtagsabschiede 1605–1647 (VHKH, Bd. 48,10; zugleich Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, Bd. 33). Marburg 2007. Homann, Johann Baptist: Landgraviatus Hassiae inferioris nova Tabula, in qua praecipue ditiones Hasso-Casselense et Comitatus Waldeck cum insertis et vicinis aliorum Statuum Praefecturis exhibentur a Joh. Bapt. Homanno. Nürnberg, undatiert, 1788 (erschlossen), (Abruf: 22. Oktober 2019), bereitgestellt von Cartography Associates / David Rumsey Map Collection, unter der Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0. Hütterodt, Johannes: D. T. O. M. Manuductionis Aphoristicae Ad Discursum Artium Et Disciplinarum Methodicum Sectio Septima in qua continetur Metaphysica ad disputandum proposita In Academia Viadrina Praeside M. Theodoro Eberto S. S. Hebreae Linguae Profess. & p[raesente]. t[empore]. Ordinis Philosoph. Decano. Respondente Johanne Hütterodio Esvegense Hasso ad diem 12. Februarij Anno Aera Christiana M. DC. XX. [1620] Exscripta literis Viduae Voltzianae per Micha[lem Kochen [Onlinedigitalisate unter der VD17-Nr.: 14:027455M]. Hütterodt, Johannes: Glaubens Veste/ Erbawet aus 2. Tim. I, 12. Bey der Ansehenlichen vnd Volckreichen Leichbestattung Des weyland HochEdelgebornen/ Gestrengen/ vnd Vesten Herrn Henrich Keudeln zu Schwebda/ des Jüngern/ gewesenen Fürstlichen Lüneburgischen Haupt- vnd Ambt-Mans zum Stiege etc. Welcher den 27. Tag Maji im Jahr vnsers Erlösers 1661. des Abends ümb halb zehen diese Welt selig gesegnet/ vnd den 27. Tag Junij zu Gräbendorff bey der Stadt Eschwege/ mit Adelichen vnd Christlichen Ceremonien begraben worden. Zu Trost der Trawrigen vnd Vnterricht der Einfältigen/ Auff inständiges Begehren zum Druck verfertiget Durch JOHANNEM Hütterodt/ Pfarrern der Altenstadt zu Eschwege vnd Superintendenten der Kirchen an der Werra vnd Fulda. Gedruckt zu Mühlhausen bey Joh. Hütern/ im 1662. Jahr [VD17Nr.: 23:259731G; als Kopie vorhanden in: KKAE Best. 4 Schwebda, Nr. 0]. Kleinschmid, Christoph Ludwig (Bearb.): Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreiben nebst dahin gehörigen Erläuterungs- und anderen Rescripten, Resolutionen, Abschieden, gemeinen Bescheiden und dergleichen. Erster Theil, welcher dasjenige in sich hält so von Zeiten der Regierung Herrn Landgrafen Henrichs II. bis an das Ende der Regierung Herrn Landgrafen Moritzens vom Jahr 1337 bis in das Jahr 1627 ergangen ist […]. Kassel 1767 [Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Kleinschmid, Christoph Ludwig (Bearb.): Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreiben nebst dahin gehörigen Erläuterungs- und anderen Rescripten, Resolutionen, Abschieden, gemeinen Bescheiden und dergleichen. Zweyter Theil, welcher dasjenige in sich hält so von Zeiten der Regierung Herrn Landgrafen Wilhelms V. bis an das Ende der Regierung Herrn Landgrafen Wilhelms VII. vom Jahr

Quellen

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1627 bis in das Jahr 1670 ergangen ist […]. Kassel 1770 [Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Kollmann, Karl (Bearb.): Eine Beschreibung der Eschweger Kirchen- und Schulverhältnisse aus der Zeit des 30-jährigen Krieges, in: Eschweger Geschichtsblätter 19 (2008), S. 16–30. König, York-Egbert (Bearb.): Gedenke daran Eschwege… Die Aufzeichnungen des Cyriakus Kompenhans aus dem Jahre 1637, in: Eschweger Geschichtsblätter 19 (2008), S. 3– 15. Kopp, Carl Philipp: Ausführliche Nachricht von der ältern und neuern Verfassung der Geistlichen und Civil-Gerichten in den Fürstlich-Hessen-Casselischen Landen. Erster oder historischer Teil, worin die Hessischen Gerichte der mittleren Zeiten aus vielen noch nicht gedruckten Urkunden und andern glaubwürdigen Nachrichten beschrieben, zugleich auch die allgemeine teutsche Gerichtsverfassung und Rechte vielfältig erläutert werden. Kassel 1769 [Onlinedigitalisat unter (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Kopp, Ulrich Friedrich: Bruchstücke zur Erläuterung der Teutschen Geschichte und Rechte. Zweyter Theil. Kassel 1801 [Onlinedigitalisat unter der VD18-Nr.: 9005430X]. Krüger, Kersten (Hg.): Der Ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV. Dritter Band: Landbuch und Ämterbuch (VHKH, Bd. 17: Quellen zur Verwaltungsgeschichte hessischer Territorien, Teilband 3). Marburg 1977. Lenz, Max (Hg.): Briefwechsel Landgraf Philipp’s des Grossmüthigen von Hessen mit Bucer. Erster Theil (Publicationen aus den k[öniglichen]. preussischen Staatsarchiven, Bd. 5). Leipzig 1880. Leuchter, Heinrich / Winckelmann, Johannes / Mentzer, Balthasar / Dietrich [Theodoricus], Conrad: Nohtwenige Erzehlung Der Motiuen vnd Vrsachen/ warumb die zu Marpurg im Monat Iulio Anni 1605. bevrlaubte Theologi vnnd Prediger die nunmehr weitbekandte Hessische Synodalische Abschiede/ deßgleichen die Ceremonien deß Brotbrechens im H. Abendtmal/ die Ergäntzung der zehen Gebotten Gottes/ vnd Abschaffung der Bilder/ jhrer so lange Zeit auß Gottes Wort geführter Lehr/ vnd hergebrachten Ceremonien zuwieder/ sowol in Schulen/ als auch Kirchen/ anzunemmen sich billich verweigert haben. Deßgleichen ein kurtze vnnd begründete Antwort auff den Historischen Bericht von den Marpurgischen Kirchenhändeln/ soviel zur Rettung der Warheit/ vnnd der beurlaubten Theologen vnnd Prediger Ehren nöhtig erachtet worden. Gedruckt zu Giessen Durch Nicolaum Hampelium, dero Fürstl. Schulen daselbst Typographum. Anno Christi M. DC. VI. [1606] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 1:037401B]. Lucae, Friedrich: Das edle Kleinod an der hessischen Landeskrone. Geschichte der Stadt und des Amtes Rotenburg. Rotenburger Chronik, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1700. Bearb. von Hans-Günther Kittelmann (Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Bd. 29). Kassel 1996. Lundorp, Michael Caspar [Pseudonym aufgelöst nach VD17]: Actorum Publicorum Dritter Theil: Das ist/ Weyland Gustavi Adolphi, Königs in Schweden [et]c. Wie auch Ludovici XIII. Königs in Franckreich [et]c. wider die in Gott ruhende vnd jetzo regierende Kays. Majest. Ferdinandum II. & III. so dann auch andere deß Reichs Catholische vnd Evangelische Chur-Fürsten vnnd Stände/ vorgenommener KriegsExpedition, vnd deren Vrsachen/ Kriegs vnd Friedenshandlung/ Sampt von der Cron

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Schweden Legato Generali Axel Ochsenstirn & c. gehaltener Conventen, vnnd darauff vorgangener Acten, Consultationen, Bündnüssen vnd Abschieden/ deß Kriegs fortpflantzung vnd Frieden betreffend: Außführliche Deduction. Jetzo zum ersten mal cum Elencho Tractatuum von Anno 1629. außgangen/ vnd biß auffs 1640. Jahr continuirt Durch Nicolaum Bellum Hyst. Franckfurt/ In Verlegung Johann Gottfriedt Schönwetters. Anno M. DC. XL. [1640] [Onlinedigitalisate unter der VD17-Nr.: 12:654690V]. Lünig, Johann Christian: Das Teutsche Reichs-Archiv, in welchem zu finden/ I. Desselben Grund-Gesetze und Ordnungen […]. II. Die merckwürdigsten Recesse, Concordata, Vergleiche/ Verträge/ Erb- Verbrüder- und Vereinigungen/ Pacta und Bündnisse/ auch Armistitia und Instrumenta Pacis […]. III. Jetzt höchst- hoch- und wohlermeldter Chur-Fürsten/ Fürsten und Stände des Heil. Römischen Reichs sonderbahre Privilegia und Freyheiten/ auch andere Diplomata […]; dann ferner unterschiedene Documenta und Urkunden/ welche zu Erläuterung des Teutschen Reichs-Staats nützlich und nöthig sind. Aus denen berühmtesten Scribenten/ raren Manuscriptis, und durch kostbare Correspondenz zusammengetragen/ alles in eine richtige Ordnung gebracht/ mit dienlichen Summarien und Anmerckungen/ auch einem vollkommenen Register versehen/ und zu des gemeinen Wesens Besten ans Licht gegeben. [Bd. 9] Fortsetzung der andern Continuation (Partis Specialis Continuatio II. von Hessen). Leipzig [ca. 1712] [Onlinedigitalisat unter der VD18-Nr.: 90101693]. Mausolei Mauritiani Pars Altera Qua Illustrißimi & Potentißimi Principis ac Domini, Dn. Mauritii, Hassiae Landgravii, Comitis In Cattimeliboco, Decio, Ziegenhyna Et Nidda, & c. Ecclesiae, Dum Spiraret vigeretque, nutritii benigni, Orthodoxae religionis confessoris sinceri, vigilantis Instauratoris, defensoris constantis, Justitiae praesidis immobilis, Literatorum Patroni munifici, boni Philosophi, Insignis Po[tae, Oratoris facundi, exercitati Polyhistoriis, Philologi Polyglotti, Theologi eximii, Patriae Patris optimi, DEO & Imperio fidelis Principis, Vitam, Virtutes, Obitum, Novae Hassorum Academiae Cassellanae Professores Orationibus funebribus Ab oblivione grat.mente vindicant : Sed Et Obitus Tanti Principis Longe Lateque Emanate Fama Excitata Florentissima orbis Europaei Regna & Provinciae, Germania, Gallia, Anglia, Scotia, Belgium, Helvetia, Rhetia, & c. sui erga seculi hujus Maecenatem affectus, de[ni]que ejus virtutibus judicii Monumentum perpetuum, Epicediis Ex Multarum Academiarum Ac Scholarum in id consentientiam voto, virorum Clarissimorum manu scriptis publicH ponunt, idque Et Aetati Praesenti, Et Serae, Si Quae futura est, posteritati Sacrum esse jubent. Cassellis, Apud Johannem Saurium, Academia Typographum, Anno M. DC. XXV. [= 1635] [VD17-Nr.: 23:231984G; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Enthält: Crocius, Johannes: Oratio Historica De Vita Et Obitu Illustrißimi, Potentißimique Principis ac Domini, Dn. Mauritii, Hassiae Landgravii, Comitis In Cattimeliboco, Decio, Ziegenaina Et Nidda, & c. Ecclesiae Nutritii Benignissimi, Religionis purioris vincicis acerrimi, Justitiae integerrimi Antistitis, seculi nostri Phoenicis, Imperii oculi, Patriae patris optimi, postqu/m certamen praeclarum decertasset, cursum consummasset, fidem Deo & Imperio servasset constantissimH, ex vita mortali ad coelestem gloriam, Idibus Martiis Anno aerae Christianae, supra millesimum sexcentesimo trigesimo secundo, divinitus evocati, Coram Illustrissimis ac Potentissimis Principibus & Dominis, Dn. Gulielmo, Hermanno, Mauritio, Dn. Friderico, Christiano, Ernesto,

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Fratribus, Hassia Provincialibus Comitibus, & c. Mauritii beati Filiis, Cassellis Hassorum In Panegyri Celeberrima die / Magni Principis obitu septuagesimo Habita / Johanne Crocio D. [S. 3–54]. Mentzer, Balthasar : D. Balthasaris Mentzeri, Wolgemeinte Erinnerung von Der Concione Irenica Oder Friedens-Predigt/ Auß dem Geystreichen Lehrer Syrach Cap. 25. v. 12. Darinnen vnter andern dargethan vnnd bewiesen wird/ daß beyderseits Evangelische von der Person des Herrn Christi/ dem H. Hochwürdigen Abendmal/ vnd der Gnadenwahl der Kinder Gottes/ im Fundament vnnd Grunndt der Seligkeit durchauß einig: Vnd daß die wenige zwischen jhnen noch schwebende streitige Puncten bey weytem der Jmportantz vnd Erheblichkeit nicht seyen/ daß von deren wegen das Bandt der Christlichen Brüderlichen Liebe zwischen jhnen/ beyderseits Evangelischen/ getrennet vnd zerrissen werden solle. Gehalten in Fürstlicher Hoffkirchen zu Cassel/ am 22. Junii/ Anno 1618. Durch Paulum Steinium, Hoffprediger/ [et]c. Die er auff begehren eines guten Freundts gestellet/ vnd nunmehr auß erheblichen Vrsachen in offenen Druck gegeben hat/ Zu besserm Bericht/ vnd der Warheit Beförderung. Gedruckt zu Giessen/ Durch Nicolaum Hampelium, Typogr. Acad. M DC XIX. [1619] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:258553 V]. Monumentum Sepvlcrale ad Illustrissimi Celsissimiue Principis ac Domini, Dn. Mavritii Hassiae Landgravij, Comitis Cattimoelibocorum Deciorum Zigenhainiae & Niddae, & c. Principis Deo cum primis atque Imperio Romano fidelissimi, ut et pietatis, quae secundum Deum est, Assertoris Constantissimi, ac vindicis libertatis Germaniae acerrimi, Memoriam Gloriae Sempiternam Erectum. Cassellis, Prostat Francofurti apud Johannem Amonium 1640 [Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Enthält: Stein, Paul: Die ander Klag- vnd Trawrpredigt Paulii Steinii, Superintendenten zu Cassel. Christliche Ehrengedächtnuß vnd Leichpredigt/ Bey der Fürstlichen hochtrawrigen Leichbestattung/ Weiland deß Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Moritzen deß Eltern/ Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ [et]c. Dessen F. G. am 15. Martii deß 1632. Jahrs/ im sechtzigsten Jahr Jhres alters zu Eschwege/ in Christo Jhrem Erlöser sanfft vnd selig entschlaffen/ Vnd Deß auch Durchleuchtigen/ Hochgebornen/ Fürstlichen Jungen Herrn/ Herrn Adolphen, Landgraffen zu Hessen/ Graffen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ [et]c. So am 17. Martii gemelten Jahrs/ Als er dreyzehen wochen in dieser welt gelebt/ zu Cassel selig verschieden/ vnd also vorhochgedachtem seinem Herrn Großvattern bald nachgefolget/ Gehalten Jn hochansehnlicher/ volckreicher Versamlung/ in der StifftsKirch zu Cassel/ am 3. Maji vorgedachten Jahrs/ als beyde J. J. F. F. G. G. Leichname daselbst in Jhr Ruhkämmerlein beygesetzt worden/ Durch Paulum Steinium, Pfarrherrn in gemelter StifftsKirch/ vnd Superintendenten deß Bezircks Cassel [S. 50–96, in der angegebenen Onlineressource Bilder 00148–00195]. Müller, E[rnst]. F[riedrich]. Karl (Hg.): Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. In authentischen Texten mit geschichtlicher Einleitung und Register. Bd. 2 (Theologische Studien-Texte, Bd. 5.2). Waltrop 1999 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig, 1903). Neuberger, Theophilus: Christliche Leich- vnd TrostPredigt Auß gnädigstem Befehl Des Hochwürdigen/ Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Hans Albrechts/ Coadjutoris des Stiffts Ratzeburg/ Hertzogn zu Mechelburg/ Fürsten zu

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Wenden/ Graven zu Schwerin/ der Landen Rostock vnd Stargard Herrn/ vnsers gnädigsten Fürsten vnd Herrn/ Da Sr. Fürstl. Gn. gewesenen Hertzliebsten Gemahlin/ weyland der Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Frawen/ Frawen Elisabeth/ Hertzogin zu Mechelburg/ gebornen Landgrävin zu Hessen/ [et]c. Fürstin zu Wenden/ Grävin zu Schwerin/ der Landen Rostock vnd Stargard Frawen/ vnserer gewesen gnädigsten Landsfürstin vnd Frawen/ hochlöblicher seliger Gedechtnis/ welche den 16. Decembr. des 1625. Jahrs selig im HErrn entschlaffen ist/ Fürstlicher Leichnam in das Fürstl. Begräbnis/ in der Thumb Kirchen zu Güstrow/ mit gewönlichen Ceremonien (so den 25. Ianuar. dieses 1626. Jahrs geschehen) gesetzet worden/ Jn selbiger Kirche bey ansehenlicher Versamlung gehalten Durch Theophilum Neubergern/ Fürstl. Mechelb. Hoffprediger daselbst. Auch auß Jhrer Fürstl. Gn. Befehl gedruckt zu Güstrow Durch Johann Jägern/ Fürstl. Mechelb. Buchdrucker/ im 1626. Jahr [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:306835R]. Neuberger, Theophilus: Theophili Neubergers Newes Bet-Buch: Dessen Erster Theil Begreifft allerley tägliche/ auch gemeine/ vnd sonderbare/ auff allerley Stands Personen/ Anliegen/ vnd Zufäll gerichtete Gebet. Der Ander Theil Helt in sich sonderliche Gebett/ auff alle Fest- vn[d] Sontags Euangelia durch gantze jahr gerichtet/ darin deß gantzen Evangelij Summa gefasset/ vnd nützlich applicirt wird. Auff vielfaltiges begeren from[m]er Leute endlich publicirt. Getruckt zu Cassel/ Bey Johan[n] Wessel/ Jn Verlegung Johan Schützen/ Buchbinders/ Jm Jahr 1630 [VD17-Nr.: 23:666259C; Exemplar in der Bibliothek des Staatsarchivs Marburg (Titelblatt und letzte Seiten des Registers fehlen): XI B 1404]. Neuberger, Theophilus: Theophili Newbergers Soliloquia Vom Göttlichen leben eines wahren Christen in dieser welt/ oder/ wie ein Christ stets für Gott wandeln/ vnd durch GOttes genad/ nach vermögen/ recht fromb seyn soll. Deren der erste Theil/ Jst eine gemeine anweisung zum Göttlichen leben/ damit man einen guten grund lege. Der ander lehret: wie sich der mensch eigentlich gegen Gott verhalten/ vnd jhm dienen soll. Der dritte: wie man sich gegen seinen nechsten erzeigen soll. Sampt Registern aller Capitel. 1. Thess. 5.11. Ermahnet euch vnder einander/ vnd bawet einger den andern. Cum privilegio Principis. Getruckt zu Cassel/ bey Johan[n] Saurn/ in verlegung Johann Schützens. M. DC. XXXIII. [1633] [VD17-Nr.: VD17 12:106502C; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Neuberger, Theophilus: Theophili Newbergers Fasciculus Vnderschiedener/ Christlicher/ vnd zum Trost vnd wahrer Gottseligkeit erbawlicher Predigten/ Welche hiebevor an vnderschiedenen vornehmen Orten in ansehenlicher Versamlungen/ in Freud vnd Leyd gehalten/ vnd auff hoher vnd vornehmer Leute Begehren/ nach Gelegenheit eintzelich gedruckt/ jetzo aber zusammen gefast/ Vnd Allen frommen Christlichen Hertzen bey diesem sehr kümmerlichen Zustand/ zu Trost vnd Auffmunterung in der wahren Gottseligkeit/ nachmals publicirt worden. Gedruckt zu Cassel/ Franckfurt bey JohannFriderich Weissen zu finden. Jm Jahr M. DC. XXXV. [1635] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:323946D]. Neuberger, Theophilus: Christliche Ehrengedechtnis Des Weiland Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürsten vnd Herrn Herrn Wilhelmen des Fünfften/ genant Standhafftigen/ Landgraven zu Hessen/ Graven zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhayn vnd Nida/ etc. hochlöblichen/ seeligen andenckens: als J. F. G. Wie auch dero gleichfals in Gott ruhenden Jungen Herrn/ Herr Philipsen/ vnd Dürstl. Frewlins/ Frewlins Loysae, beyder

Quellen

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Landgraffen zu Hessen/ etc. Fürstliche verblichene Leichnam mit hochansehenlicher Fürstl. Leichbegängniß vnd Ceremonien zu dero auffs new dazu erbawten Fürstlichen Fuhestette gebracht/ vnd darinn niedergesetzt worden. Bey sehr Volckreicher versamblung in der Stifftskirche zu Cassel am 23. April. An. 1649. gehalten. Durch Theophilum Newberger/ Fürstl. Hessischen Superintendenten vnd Hoffprediger daselbst. Getruckt zu Cassel/ bey Jacob Gentsch/ Jm Jahr M. DC. XL. [1640] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:272094G]. Neuberger, Theophilus: Christliche Leich- vnd TrostPredigt/ Alß weyland der Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürstin vnd Frawen/ Frawen Ameliae Elisabethae, Landgrävin zu Hessen/ Gebornen Grävin zu Hanaw Müntzeberg/ Grävin zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Ziegenhain vnd Nidda/ verblichener Leichnam/ mit Fürstl. solenniteten in die Fürstliche Grufft vnd Ruhestette gebracht/ vnd niedergesetzt worden. Jn ansehenlicher/ Volckreicher versamlung zu Cassel in der StifftsKirche/ am 30. Septembris des Jahrs 1651 gehalten/ vnd vff Begehren schrifftlich vffgesetzt Durch Theophilum Neubergern Fürstl. Hess. KirchenRath/ Superintendenten vnd Hoffpredigern zu Cassel. Cassel/ Gedruckt bey Salomon Schadewitz/ im Jahr 1651 [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:305326L]. Neuberger, Theophilus: Zungen-Zaum. Das ist Trewhertzige Warnung vor etlichen zu diesen bösen Zeiten vberhandnemenden Zungen-Lastern/ als 1. Vor Verleumbdung/ afterreden/ oder böser Nachrede vnd Lügen: Aus Ehrn Joh. Taffini herrlichen Buch von Buß vnd Besserung des Lebens gezogen/ vnd etwas erläutert: 2. Von Fluchen/ schweren/ verfluchen oder böseen Wünschen/ vuff begehren hiebey gefügt durch Theophilum Neubergern. Cassel/ Gedruckt bey Salomon Schadewitz/ Jn Verlegung Johann Schützens/ Jm Jahr 1652 [VD17-Nr.: 12:106507R; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Nothwendige Außführliche Special-Widerlegung deren/ in Hessen-Casselischen publicirten/ also genanten/ Wechsel-Schrifften gerühmbten/ gleichwohl aber gantz vnbegründeten/ Rettung eines/ von Weiland Herrn Landgraf Wilhelmen zu Hessen [et]c/ Hochlöblichen Andenckens/ sub dato Cassel den 19. Aprilis Anno 1630. an Herrn Georgen/ Herrn Philipsen vnd Herrn Friderichen/ beede Hochlöblicher gedächtnuß/ alle Landgrafen zu Hessen etc./ abgangenen Schreibens/ Darinn wider die HessenCasselische ohnerfindliche Einwürffe/ mit starcken vnhindertreiblichen Gründen auß bewehrten Authoribus, so dann ex Archivis erhobenen Documenten/ Original- vnd andern Schrifften/ Vrkunden vnd Zeugnussen klärlich dargethan vnd erwiesen wird/ Daß das jenige/ so jetzt von den Nider-hessischen Kirchen geglaubt vnd gelehret wierd/ von anfang der Anno 1526. beschehenen Reformation/ bey Lebzeiten deß Hochlöblichen Christlichen Fürstens/ Herrn Landgraf Philipsens deß Eltern/ zu Hessen [et]c/ in Ihrer Fürstlichen Gnaden Fürstenthumben vnd Landen offentlich vnd ebener massen nicht geglaubt oder bekennet/ noch von Ihrer Fürstlichen Gnaden selbst/ als dem Wort Gottes vnd der Augspurgischen Confession gemeeß/ approbirt vnd angenommen worden seye. Es wird hierinn auch von verursachter Trennung der wahren Augspurgischen Confessions-Verwandten/ vnd dan deren/ also genanten/ Reformirten/ wie ingleichem vom Fundamental dissens zwischen ihnen beyderseits/ vnd vom Vnterscheid/ der geenderten vnd vngeenderten Augspurgischen Confession gehandelt; vnd über das auch das jenige/ was die Casseler in den Wechsel-Schrifften vorgebracht/ vnd D. Joh. Crocius in seiner Nachricht- vnd beweißlichen Anzeige [et]c/ wiederholet hat/

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Quellen- und Literaturverzeichnis

gründlich beantwortet. Alles zu stewr der Warheit vnd voriger wohlbegründeter Hessen-Darmstadischer Antwort. Mit einem am Ende hinbeygesetztem Indice. Getruckt zu Giessen/ Anno Christi, M. DC. XLVII. [1647] [VD17-Nr.: 12:113444D; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Oraculum Dodonaeum Non Jophonis Arte, Sed veritatis Magisteriore solutum: Oder/ Eine vnlängst auff Churfürstlicher Durchl. zu Sachsen/ wie vorgegeben wird/ beschehene Frag/ vnder Herrn D. Hoe Namen gestellete/ vnd gleich als auß dem Munde deß Herrn angegebene Antwort/ jetziges Kriegswesen im Römischen Reich betreffend. Auß dem Zeugnüß der offenbaren Warheit erläutert/ vnd allen/ der Augspurgischen Confession von Hertzen zugethanen Christen/ zur Nachrichtung an Tag gegeben. Franckfurt am Mayn/ Bey Johann Friderich Weissen. Anno 1634 [Onlinedigitalisat unter der VD17Nr.: 14:005240R]. Oschmann, Antje (Bearb.): Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. 1. Urkunden (Acta Pacis Westphalicae, Serie III [Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia], Abteilung B: Verhandlungsakten, Bd. 1,1). Münster 1998 [Onlinedigitalisate aller Bände der Acta Pacis Westphalica unter , auch zugänglich über das Einstiegsportal (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Pareus, David: Irenicum sive De Unione Et Synodo Evangelicorum Concilianda Liber Votivus. Paci Ecclesiae & desiderijs pacificorum dicatus. A Davide Pareo S[acrarum]. Literarum In Academia Archi-Palatina Professore Seniore. Heidelbergae, Impensis Jonae Rosae librarij Francofort. Typis Johannis Lancelloti, Academia Typographi. M DC XIV [1614]. Cum gratia & privilegio. S. R. Imp. Vicarij ad decennium [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:232939S]. Pareus, David: Irenicum Oder Friedemacher/ Wie die Evangelischen Christlich zuvereinigen/ und zu einem Synodo, oder allgemeinen Versamblung gelangen mögen/ Dem lieben KirchenFrieden zu Förderung/ vnd allen Friedliebenden zu Gefallen geschrieben Durch Herrn David Parevm der heyligen Schrifft Doctor. Und nun auß dem Latein ins Teutsch gebracht/ Durch Herrn Gwinandvm Zonsivm Pfarrherrn und Inspectorn zu Bretta. Sampt einer Vorrede/ vnd newen Erinnerung an den Christlichen Leser. Franckfurt/ In Jonae Rosen Buchladen zufinden/ Im Jahr 1615 [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 39:133695M]. Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.): Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 12. Aufl., Göttingen 1998. Reinkingk, Theodor : Tractatvs De Regimine Secvlari Et Ecclesiastico: Exhibens Brevem Et Methodicam Juris Publici Delineationem, ac praecipuarum controversiarum, circa hodiernum S. Imperii Romani statum ac gubernationem, t/m Secularem, qu/m in genere Ecclesiasticam, vertentium resolutionem: Ex Iure Divino, Canonico, Civili, et Praesertim Aurea Caroli IV. Bulla, ac Novißimis Imperii Constitutionibus, in Illustri Acad. Giessena, Baronibus, Nobilibus, aliisq[ue] jurium cultoribus iteratk propositam, & in gratiam Studiosorum in lucem emissam: Cum Indice Capitum, Rerum & Verborum. Auctore Theodoro Reinkingk/ J. U. D. quondam in Acad. Giessena Juris Profess. extraordinario publico, jam verk Illustriss. & Celsissimi Princicpis ac Dn. Dn. Ludovici, Hassiae Landgravii, & c. Consiliario, necnon Dicasterii Giessensis Adsessore.

Quellen

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Editio altera, priori correctior. Basileae, Sumptibus Joh. Jacobi Genathi, Acad. Typogra. Anno 1623 [VD17-Nr.: 12:198678N; Onlinedigitalisat unter (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Roeck, Bernd: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Band 4: Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555–1648. Stuttgart 2016. Rommel, Christoph von (Hg.): Philipp der Großmüthige, Landgraf von Hessen. Ein Beitrag zur genaueren Kunde der Reformation und des sechszehnten Jahrhunderts. Nebst einem Urkunden-Bande. Aus den Urkunden und andern Quellen herausgegeben und bearbeitet. III. Band, Urkunden, meist Schreiben in Reformationsangelegenheiten enthaltend. Gießen 1830. Schmincke, Friederich Christoph: Monimenta Hassiaca darinnen verschiedene zur Hessischen Geschichte und Rechtsgelahrsamkeit dienende Nachrichten und Abhandlungen an das Licht gestellet werden. Vierter Theil. Kassel 1765 [Onlinedigitalisat unter der VD18-Nr.: 90046048]. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 8: Hessen, 1. Hälfte: Die gemeinsamen Ordnungen. Bearb. von Hannelore Jahr. Tübingen 1965. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 9: Hessen II: Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582–1618, Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein, Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen, Wetzlar. Bearb. von Sabine Arend. Tübingen 2011. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 14: Kurpfalz. Bearb. von J. F. Gerhard Goeters. Tübingen 1969. Sehling, Emil (Begr.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 22: Nordrhein-Westfalen II: Das Erzstift Köln, Die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg, Die Städte Münster, Soest und Neuenrade, Die Grafschaft Lippe (Nachtrag). Bearb. von Sabine Arend. Tübingen 2017. Stein, Paul: Disputatio Theologica De Sculptilibus Et Imaginibus, quam Deo Vno gratIaM Conferente: Praeside: M. Caspare Sturmio Stipendiariorum in Illustri Academia Marpurgensi Ephoro, sustinebit M. Paulus Steinius Sontranus. In Collegio Theologorum 3 Ianuarii Anno 1606. Marpurgi Cattorum. Ex Typographeo Rodolphi Hutwelckeri. M D VI [1506, gemeint: 1606] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:247203P]. Stein, Paul: Heptas Syllogistica. Septem Syllogismis, Quibus Christianae Emendationis In Inferioris & ex parte etiam Superioris Hassiae Ecclesias introducta capita publice vellicare nuper libuit D. Balthasari Mentzero, veritatis elucidandae tuendaeq[ue] causa paqakk¶kyr opposita. De Qua Divina aspirante gratia Sub Praesidio Doctoris Gregorii Schonfeldii In Illustri Academia Mauritiana, quae est Marpurgi, publica disputatione 3. Julij respondebit. M. Paulus Steinius Sontranus Hassus. Marpurgi Cattorum Ex Officina Rodolphi Hutwelckeri, Anno M D C VII [1607] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 1:057873R]. Stein, Paul: De Libero Hominis Arbitrio. Authore et Respondente M[agistro]. Paulo Steinio Sontrano, Hasso. XXI. Janua. 1609, in: Pareus, David: Davidis Parei Disputationum Theologicarum Publice In Academia Archi-Palatina habitarum Volumen Unum Cum Praefatione M. Joh. Philippi Parei Dav[idis]. F[ratri]. Ad Magnificum D. Rectorem et Professores Academia, quae est Franekerae Frisiorum. Heidelbergae Im-

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Quellen- und Literaturverzeichnis

pensis Jonae Rhodii [= verlegt von Jonas Rosa in Frankfurt am Main] Typis Joh. Lancelloti Academiae Typog. M D C XI [1611], S. S. 286–316 [VD17-Nr.: 12:110705P; Onlinedigitalisat unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Stein, Paul: Concio Irenica oder FriedensPredigt/ Aus dem Geistreichen Lehrer Syrach Cap. 25. v. 1.2. Darinnen vnder andern dargethan vnd bewiesen wird/ das beyderseits Evangelische von der Person des Herrn Christi/ dem heiligen Hochwürdigen Abendmahl/ vnd der Gnadenwahl der Kinder Gottes/ im Fundament vnd Grund der Seeligkeit durchaus Einig: Vnd das die wenige zwischen ihnen noch schwebende streitige Puncten bey weytem der importantz vnd erhebligkeit nicht seyen/ daß von deren wegen das Band der Christlichen Brüderlichen Liebe zwischen ihnen/ beyderseits Evangelischen/ getrennet vnd zerrissen werden solle: Gehalten in Fürstlicher HoffKirchen zu Cassel/ am 22. Junii, Anno 1618. Jn hochansehnlicher Versamblung vnderschiedener Fürstlichen/ Gräfflichen/ vnd vieler Adelichen vnd anderer vornehmer Persohnen/ bey der Adelichen Hochzeit Des WolEdlen/ Strengen vnd Vesten/ Dietherich von dem Werder/ Fürstl. Hessischen geheimbden Rahts/ vnd Hof-Marschalcks zu Cassell/ Vnd der auch WolEdlen/ vnd Ehrenthugendreichen Jungfrawen/ Dorotheen Catharinen von Waldaw/ aus dem Hauß Schwanowitz, Durch Paulum Steinium, Hoffpredigern. Gedruckt zu Cassell/ durch Wilhelm Wessell/ Jm Jahr Christi/ M. DC. XIIX. [1618] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 23:631165S; auch: UB Marburg, Signatur: X 2002/1121 # Sondermagazin]. Stein, Paul: Rettung Der zu Cassel am 22. Junii/ Anno 1618. gehaltener FriedensPredigt/ Garinnen vnter andern dargethan vnnd bewiesen wird/ daß beyderseits Evangelische/ von der Person des Herrn Christi/ dem H. Hochwürdigen Abendmahl/ vnd der Gnadenwahl der Kinder Gottes/ im Fundament vnd Grund der Seeligkeit durchaus einig: vnnd daß die wenig zwischen ihnen noch schwebende streittige Puncten/ bey weitem der importantz vnnd Erhebligkeit nicht seyen/ daß von deren wegen das Band der Christlichen Brüderlichen Liebe/ zwischen ihnen/ beyderseits Evangelischen/ getrennet vnnd zerrissen werden solle/ Gestellet wider Ehrn D. Balthasaris Mentzeri Wolgemeinte Erinnerung/ Vnd Ehrn M. Petri Tuckermans/ F. Braunschweigischen Wolffenbüttelschen Hoff-Predigers Antwort/ auff gemelte FriedensPredigt/ Durch Paulum Steinium, HoffPredigern vnd Professorem SS. Theologiae, im F. Ritter-Collegio zu Casse. Gedruckt zu Cassel/ durch Wilhelm Wessel/ Anno M. DC. XIX. [1619] [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 14:686245X]. Stein, Paul: Evangelischer Kirchen Brüderschafft/ Das ist/ Außführlicher/ Sonnenklarer Beweiß/ das beyderseits Evangelische im Grund der Seeligkeit einig/ und ohnerachtet deren zwischen ihnen noch schwebenden Streitigkeiten und Irrungen/ einander gar wol mit gutem Gewissen für Brüder in Christo erkennen können/ auch billich darfür erkennen und halten sollen. Gestellet und entgegen gesetzt Ehrn D. Balthasaris Mentzeri Examini der Rettung der Casselischen Friedenspredigt/ Und Ehrn M. Petri Tuckermans/ Fürstlichen Braunschweigischen Hoffpredigers zu Wolffenbüttel/ Antwort auff gemelte Rettung; … Theil … / Durch Paulum Steinium, Hoffpredigern zu Cassel. [VD17-Nr. des Gesamtwerks: 547:693675D]. Erster Theil: Darinnen von der Person vnd Ambt des Herrn Christi gehandelt wird. Cassel/ Gedruckt durch Wilhelm Wessel/ Jm Jahr 1622 [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 39:133689 L].

Quellen

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Evangelischer Kirchen Brüderschafft Ander Theil: Darinnen außführlich vnd Sonnenklar dargethan vnd bewiesen wird/ das beyderseits Evangelische vom Heyligen Hochwürdigen Abendmahl des Herrn/ alles dasjenige glauben vnd bekennen/ so hiervon einem jeden ChristenMenschen zu seiner Seligkeit zuwissen vnd zuglauben von nöhten ist/ vnd das die über diesem Puncten annoch vnerörterte streitige Fragen den grund der Seligkeit nicht Hauptsachlich vnd dergestalt angehen/ als ob sie/ beyderseits Evangelische/ dises streits halber einander mit gutem Gewissen nicht solten für Brüder in Christo erkennen vnd halten können. Gestellet vnd entgegen gesetzt […] Durch Paulum Steinium, Superintendenten vnd Pfarrhern zu Cassel. Gedruckt durch Wilhelm Wessel/ Jm Jahr Christi M. DC. XXII. [1622] [VD17-Nr.: 547:693677U]. Evangelischer Kirchen Brüderschafft Dritter Theil: Darinnen Sonnenklar bewiesen wird/ das beyderseits Evangelische/ von der Gnadenwahl der Kinder Gottes zum ewigen Leben/ alles daßjenige glauben vnd lehren/ was hiervon einem ChristenMenschen zur seeligkeit zuwissen vnd zuglauben vonnöten ist/ vnd das die von diesem Artickel zwischen jhnen noch vnerörterte streitige Fragen nicht Hauptsachlich den grund der Seeligkeit dergestalt angehen/ ob solten sie/ beyderseits Evangelische/ wegen dieses streits einander nicht mit gutem Gewissen für Geistliche Brüder in Christo erkennen vnd halten können/ Gestellet vnd entgegen gesetzt […] Durch Paulum Steinium, Superintendenten vnd Pfarrherrn zu Cassel. Gedruckt durch Wilhelm Wessel/ Jm Jahr M. DC. XXIII. [1623] [VD17-Nr.: 547:693685 L]. Stephani, Matthias: Tractatus De Jurisdictione, Libri III. Pars Prior. Quae est de Pontificis, Cardinalivm, Episcoporvm, Consistoriorvm ecclesiasticorum, Superattendentum, Patronorumque in Ecclesiis, iurisdictione, iuribus, officiis & eminentiis: Itemqve De Concessinibvs Professionvm Et Parochiarum, harumque resignationibus & permutationibus; & aliis quibusdam, vt Index capitum ostendit. Anno 1623. Francofvrti, Ex Officina Typographica Egenolphi Emmelii, sumptibus Petri Kopffii [VD17-Nr. des Gesamtwerks: 1:059357Q; Onlinedigitalisat dieses Teilbandes unter : (Abruf: 22. Oktober 2019)]. Stöckenius, Johann Heinrich: Christliches Ehren-Gedächtnüß/ Des weiland Wol-Ehrnwürdigen/ Hochachtbarn vnd Hochgelahrten Herren Theophili Neubergers/ gewesenen Fürstlichen Hessischen wolverordneten Consistorial-Raths/ Superintendenten vnd Hof-Predigers. Welcher den 9. Tag Januarii im Jahr 1656. im Herren sanfft vnd selig entschlaffen/ vnd den 17. Ejusdem Christlich vnd ehrlich zu seiner Ruhe-Kammer beygesetzet worden; Bey ansehnlicher vnd sehr Volckreicher Versamblung in der Stiffts-Kirchen zu Cassel gehalten/ vnd nunmehr vff Begehren publicirt Durch Johannem Henricum Stöckenium, Hoff-Predigern daselbst. Cassel/ Gedruckt durch Salomon Schadewitz. Jm Jahr Christi 1656 [Onlinedigitalisat unter der VD17-Nr.: 7:713843F]. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden […]. 64 Bände und 4 Supplement-Bände. Halle, Leipzig 1731–1754. Zepper, Wilhelm: Von der Christlichen Disciplin/ oder Kirchenzucht: Das ist Welcher gestalt den grossen vilfaltigen sünden/ lastern vnd ärgernussen vnder den Euangelischen gestewert vnd gewehrt: hiergegen aber ein recht gotseliges vnd bußfertiges leben nd wandel in der Kirchen Gottes angestelt vnd erhalten werden müge. Gestelt durch Wilhelm Zeppern/ Dienern am wort Gottes zu Herborn. Gedruckt zu Sigen in der

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Grafschaft Naßaw/ Catzenelnbogen/ [et]c. durch Christof Raben. 1596 [Onlinedigitalisat unter der VD16-Nr.: Z 381]. Zepper, Wilhelm: Politia Ecclesiastica: Sive Forma, Ac Ratio Administrandi, Et Gubernandi Regni Christi, quod est Ecclesia in his terris. Demonstrata Ex Forma Et Facie primitivae Ecclesiae, per Apostolos fundatae : & illustrata ex decretis Conciliorum, historiis ecclesiasticis, monumentis Patrum ecclesiasticorum, & Imperatorum Constitutionibus. Editio Secunda, priori longH emendatior, & vari. multarum rerum accessione locupletata. Accesserunt insuper in calce Synodi Middelburgensis in Selandia articuli de gubernatione ecclesiastica, ad Nassovicas ecclesias attemperati: cum altero etiam Indice alphabetico, cujus beneficio lector multk faciliFs, quae volet, inveniet. Authore Wilhelmo Zeppero, verbi divini in ecclesi. Herbornae. ministro. Herbornae Ex officina Christophori Corvini. M D C VII [1607] [VD17-Nr.: 39:145167S; Onlinedigitalisat unter (Abruf: 8. Oktober 2014)]. Zimmermann, Ludwig (Bearb.): Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV. Nach den Handschriften bearbeitet von Ludwig Zimmermann. Mit einer Schrifttafel (VHKH, Bd. 17: Quellen zur Verwaltungsgeschichte hessischer Territorien, Teilband 2). Marburg 1934.

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C)

Internetressourcen

»Allendorf, Werra-Meißner-Kreis«, Eintrag im »Historischen Ortslexikon« im »Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen« (LAGIS) des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde: , inhaltlicher Stand vom 13. September 2019 (Abruf: 22. Oktober 2019). »Berge, Werra-Meißner-Kreis«, Eintrag im »Historischen Ortslexikon« im »Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen« (LAGIS) des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde: , inhaltlicher Stand vom 24. Juni 2019 (Abruf: 22. Oktober 2019). Brief Johann Günthers an Landgraf Moritz wegen Herwig Sandmann, Melsungen 1628 August 8, mit architektonischen Handzeichnungen Landgraf Moritz’ (Murhardsche Bibliothek Kassel: 28 Ms. Hass. 107 [129] verso), inhaltliche Beschreibung (Bibliographische Daten): (Abruf: 22. Oktober 2019). »Mittelhof b. Felsberg«, Einführung zu den Digitalisaten der architektonischen Handzeichnungen desselben von Landgraf Moritz dem Gelehrten: (Abruf: 22. Oktober 2019). Portrait des hessen-darmstädtischen Rates und Professors an der Universität Gießen, Christian Liebenthal: (Abruf: 22. Oktober 2019).

692

D)

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abbildungen

(alle mit Erlaubnis der aufbewahrenden Institutionen) Vorderes Vorsatz Karte der Landgrafschaften Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt nach den Gebietsfestlegungen im Westfälischen Frieden 1648, mit den Zuständigkeitsbereichen der Superintendenturen Kassel und Rotenburg; Kartographie: Jochen Ebert Abb. 1 (S. 141) Seite aus dem Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1628, StAM 315 a, Nr. 5. Abb. 2 (S. 143) Seite aus dem Diensttagebuch Paul Steins zum Jahr 1629 (fol. 56v), StAM 22 a 1, Nr. 181. Abb. 3 (S. 148) Seite aus dem Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1630/31, StAM 315 a, Nr. 20. Abb. 4 (S. 151) Seite aus dem Diensttagebuch Paul Steins für die Jahre 1630/31, StAM 315 a, Nr. 20. Abb. 5 (S. 162) Theophil Neuberger, Kupferstich aus der Portraitsammlung der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, Sammlung Hansen / Reformierte Theologen / Bd. 4 / Nr. 1; erfasst im Digitalen Portraitindex unter : (Abruf: 22. Oktober 2019). Abb. 6 (S. 168) Beginn des Diensttagebuchs Theophil Neubergers, StAM 315 a, Nr. 21 (Teil 2). Abb. 7 (S. 181) Seite 152 aus dem Diensttagebuch Johannes Hütterodts mit den Einträgen vom 8. bis 10. Juni 1640, Kirchenkreisarchiv Eschwege (ohne Signatur). Abb. 8 (S. 224) Erste Seite des Abschnitts »Außgabe Zehrung undt Botten Lohnn« aus der Kirchenrechnung der Gemeinde Reichensachsen für das Jahr 1651, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111. Abb. 9 (S. 224) Seite »Außgabe Gemein« mit der Aufstellung für Botenlohn aus der Kirchenrechnung der Gemeinde Jestädt für das Jahr 1655, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109. Abb. 10 (S. 389) Seite aus der Kirchenrechnung der Gemeinde Jestädt für das Jahr 1655 mit Angabe der Strafgelder der »Ergerliche[n] Sabbats verächter«, KKAE Best. 4 Jestädt, Nr. 109. Abb. 11 (S. 390) Letzte Seite aus der Kirchenrechnung der Gemeinde Reichensachsen für das Jahr 1655 mit Darlegung der Vorbehalte, mit denen Superintendent Johannes Hütterodt die Rechnung unter der Bedingung konfirmiert, dass diese ausgeräumt werden, KKAE Best. 4 Reichensachsen, Nr. 111. Hinteres Vorsatz Karte der Grafschaft Waldeck, aus der gut die Lage des Ortes Züschen auf der Grenze zur Landgrafschaft Hessen(-Kassel) erkennbar ist, aus: Blaeu: Theatrum Orbis Terrarum Sive Atlas Novus, Bd. 1, nach S. 42 (Landesbibliothek Oldenburg: RA: GE II 1 B 17: 1).

693

Abbildungen

Umschlagabbildung

COPEYREGISTER vbers genadengeldt aus den Soden zu Allendorf : vom Jahr Christi : 1623. etc. Der Superintentz Rotenbergk. [KKAE Best. 1, Nr. 33, durch Superint. Fabronius]

Obergericht zu Schnelmanshausen wirt uf Jffta vndt Eysenach zur Visitation citirt.

Dem WohlEhrwürdigen GrosAchtbarn vnd Hochgelarten Herrn M. Johanni Hütterodt, F. Hessischen Superintendenti des Bezircks, Rotenberg an der Fulda undt Werra, Pfarrhern der Alten Stadt Eschwege etc. Meinem Grosg. Hochgeehrten H. Patron v. werthen Freunde.

p[rae]s. 13ter Xbris 1656. a. [KKAE Best. 3, Nr. 107 a, dickeres Briefbündel zu Schnellmannshausen, Randnotizen von Superint. Hütterodt]

PROTOCOLLUM, was Jn meinem, Pauli Steinii, Superintendenten Ambt täglich vorgelauffen, vnd von mihr verrichtet worden. Angefangen am 8 Octobris a[nn]o 1622.

VISITIR Buch: Allendorf vndt Soden Stadt vndt Ambt: Der Superintentz der Kyrchen Gottes Jn dem Bezirgk Rotenbergk. ____________________

[StAM 315 a, Nr. 23] Pfarrer vnd Kastenmeister sollen von dieses Mans zu[-] # auch wie viel er schuldig, stand vnd verhalten # berichten, mit wiedersendung dieses. Cassel 23 Sept. 1639. Theophilus Neüberger s[ubscri]ps[it] [aus: StAM 318 Kassel, Nr. 412]

a)

An der Werra: die IV. Claß. / Dis buch gehört der Superintentz des bezirgks Rotenb[er]gk.

[KKAE Best. 1, Nr. 1, durch Fabronius]

Personenregister Nicht berücksichtigt werden die ubiquitär vorkommenden Namen der drei Superintendenten Paul Stein, Theophil Neuberger und Johannes Hütterodt. Die kurzen Biogramme streben keine Vollständigkeit an, sondern sollen den Zugang erleichtern und Zusammenhänge aufzeigen. Die aus den am jeweiligen Ort im Text zitierten Quellen ableitbaren Angaben wurden, wo nötig, nach den gängigen Nachschlagewerken wie den Pfarrerbüchern oder Strieders Hessischer Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte ergänzt.

Andreae, Jacob, Tübinger Theologe, Promotor der Konkordienformel 37f., 40 Angelocrator (Engelhard), Daniel, Superintendent Bezirk Marburg 65, 81, 133, 191 Antrecht, Johann (der Jüngere), HessenKasselscher Geheimer Rat 317 Arcularius, Bartholomäus, Pfr. Homberg (Efze) 93f., 326, 356, 426, 570, 579, 580–585, 587–589 Arminius, Jakob, Theologe, Uni Leiden 63 Arnold, Landgräflich hessen-kasselscher Secretarius 85 Avemann, Daniel, Notar 276 Ballau, Catharina 408 Ballau, Peter, Einwohner Ratzeburg 408 Baltseher, Johann, Opfermann Martinhagen 355 Baumbach, Adam Georg von 339f. Baumbach, Asmus von, Landvogt zu Spangenberg 238, 240, 336f., 482f. Baumbach, Ewald Jost von, Landvogt an der Fulda mit Sitz in Rotenburg 577 Baumbach, Wolf Henrich von 339 Becker, Johann, Kirchensenior Holzhausen (Gemeinde Immenhausen) 479 Becker, Johannes, Pfr. Waldkappel 238 Bemelingk, Andreas, Kastenmeister Eschwege 385 Bergius, Johann, Kurbrandenburgischer Hofprediger 431

Berlepsch (zu Seebach), Hartmann von 415 Bernhardi, Georg, Kaplan Melsungen, Pfarradjunkt Kassel-Freiheit 169f. Bieber, Christian Andreas, Pfr. Tennstedt, Kursächsischer Kirchen- und Schulinspektor 556 Biermann, Henrich, Einwohner Jesberg 320 Biermann, Johann, Konsistorialrat 110 Bischof, Johann, Hessen-Kasselscher Geheimer Rat 409, 500, 506 Bischoff (genannt Breit), Martin 342 Bischoff, Johann, Schultheiß Gudensberg 517, 521, 522, 523, 524, 525, 526, 527, 529, 531, 577 Bischoffshausen, Otto Wilcke von 207 Bley, Johann Philipp, Hessischer Amtsvogt zu Treffurt 186, 572 Bley, Philipp, Hessischer Amtsvogt zu Treffurt 187 Bleyel, Tobias, Pfr. Tennstedt, Kursächsischer Kirchen- und Schulinspektor 556–560 Boclo, Catharina Elisabeth, Tochter des Peter Boclo, Ehefrau Johann Wilhelm Hütterodts 174 Boclo, Hedwig, Witwe des Peter Boclo, Ehefrau Johannes Hütterodts 174 Boclo, Peter, Bürgermeister Kassel 174 Bode, Hartmann, Lutherischer Pfr. Solz 618

696 Bodenstein, Johann, Pfarradjunkt Rockensüß 66, 312 Borngraber, Conrad, Schulrektor Wanfried 629 Bornmann, Johannes, Pfr. Reichensachsen 471, 472 Bornmann, Justus Walther, Pfr. Nesselröden, Niddawitzhausen 182, 279 Boyneburg, Adelsfamilie 60, 227, 296, 416f., 616, 627, 629, 639 Boyneburg (genannt von Hohenstein), Curt Leopold von, Adelssitz Reichensachsen 170, 471–473 Boyneburg (genannt von Hohenstein), Friedrich Hermann von, Adelssitz Jestädt 208f., 616f., 629 Boyneburg (genannt zu Bischhausen), Hans Wilhelm von 416–418 Boyneburg (genannt zu Laudenbach), Heinrich Philipp von 390 Boyneburg (genannt von Hohenstein), Rab(an) von, Adelssitz Netra 626 Boyneburg (genannt von Hohenstein), Reinhard von 238–240, 413 Boyneburg (genannt zu Lengsfeld), Urban von, Landvogt an der Werra mit Sitz in Eschwege 572, 574 Brabant, Heinrich II. Herzog von 341 Brabant, Sophie Herzogin von 341 Bramer, David, Pfr. Felsberg 342 Brandenburg, Friedrich Wilhelm I Kurfürst von 80 Brandenburg, Georg Wilhelm Kurfürst von 430 Brandisius, Christoph (junior), Pfr. Zierenberg, Reformierter Inspektor Schmalkalden 86 Brandisius, Christoph (senior), Pfr. Oberelsungen 99 Brasche, Johann, Amtmann (?) zu Neukirchen 565 Braunschweig-Lüneburg, Friedrich Ulrich Herzog von 127 Brecht (Brechtius), Martin, Schulrektor Schmalkalden, Pfarradjunkt Meimbressen, Pfarrer Ehrsten 316f.

Personenregister

Brede, Anna, Einwohnerin Wolfsanger 408 Breidenbach, Jacob, Kaplan Gladenbach, Pfr. Niederurff 603f. Breithaubt, J., Sachsen-Eisenachischer Amtsschösser zu Creuzburg 553, 555 Breul, Catharina, Witwe Paul Steins, Caspar Josephis und Thomas Wetzels 122, 124, 130, 132f. Breul, Engelhardt, Rentmeister Sontra 130 Brill, Christoph, Kirchensenior Frankershausen 364, 366, 368 Bröschen, Henrich, Buttlarischer Diener 402 Brück, Hans, Einwohner Immenhausen 409 Brück, Margaretha, Einwohnerin Immenhausen 409 Brüger, Wilhelm, Hospitalsgenosse Kassel 372 Brunstein, Conrad, Pfr. Reichensachsen, Witzenhausen 196, 574, 616–618 Bucer, Martin, Oberdeutscher Reformator 479 Buch, Moritz, Pfr. Hesserode 349 Buchholtz, Martin, Pfr. Züschen, Sand 504 Buley, Hans sen., Einwohner Jesberg 320 Bürch, Hans, Einwohner Verna 356 Buseck, Ulrich Eberhard von, HessenDarmstädtischer Amtmann zu Homberg (Efze) 563, 570f., 583–585, 591 Cancrinus, Samuel Andreas, Schulmeister Treysa, Kaplan Niederurff, Pfr. Jesberg 123, 129, 264, 274f., 320, 332f., 590f., 595–599, 604, 624 Catharin, Kinderlehrerin Merxhausen 145 Catharinus, Johannes, Pfr. Felsberg 347– 350, 639 Cellarius (Keller), Johann Conrad, Konsistorialsekretär (Notar und Registrator) 101, 109–111, 475, 515, 562

Personenregister

Cellarius, Christoph, Lutherischer Schlossprediger Schmalkalden 620f. Cellarius, Conrad, Gerichtsschreiber (Eschwege?) 245 Christiani, Wenemarus, Lutherischer Kaplan Treysa 613 Christmann, Johannes, Pfr. Lohne 571 Coler(us) (Köhler), Philipp, Pfr. Harle 401, 419 Colman, Daniel, Schulmeister Fuldabrück 321 Combach, Johannes, Prof. Marburg / Kassel, Pfr. Felsberg 173, 319, 348, 372, 445, 488–491 Combach, Ludwig, Hessen-Kasselscher Leibarzt 454 Corvinus, Johann Peter, Pfarradjunkt, Pfr. Schwebda 245, 620f. Crispinus, Hartmann, Pfr. Holzhausen (Gemeinde Immenhausen) 479 Crocius, Johannes, Hofprediger, Prof. Marburg / Kassel, Konsistorialrat 109, 116–118, 125f., 155–157, 183, 191, 194, 200, 430f., 445, 458, 475 Croll(ius), Johannes, Pfr. Schwebda, Kaplan, Hofprediger Rotenburg, Pfr. Sontra 278, 416 Croll(ius), Johannes, Rektor Stadtschule Eschwege, Stiftsdekan, Hofprediger Rotenburg, Inspektor, Pfr. Stadtkirche, Rektor Gymnasium Hersfeld 180, 196f. Cronauge, Conrad, Pfr. Elben und Elberberg 404 Cronauge, Martin, Pfr. Elben und Elberberg 402–404 Cröner, Schulmeister Immenhausen 327 Cruciger, Georg, Prof. Marburg, Konsistorialrat 65, 109f. Crug(ius), Thomas Siehe Krug(ius) Crugius, Bernhard, Pfr. Hönebach 312 Crugius, Johann Daniel, Rektor Gymnasium, Inspektor Stift und Stadtkirche Hersfeld, Stiftsprediger 86 Curaeus, Johannes, Pfr. Netra, Datterode 625, 629–631

697 Dalwig, Hans Wilhelm von 320 Dalwig, Johann Adrian von 320 Dalwigk, Johann Bernhard von, Geheimer Rat, Vizestatthalter zu Kassel 454, 543 Dauber, Johann Heinrich, Hessen-Kasselscher Vizekanzler 183, 303, 305 Daude, Borge, Kirchensenior Holzhausen (Gemeinde Immenhausen) 479 Degenius, Johann Michael, Kursächsischer Superintendent und Pfr. Langensalza 248, 554, 556 Deinhard, Helfrich, Hessen-Kasselscher Vizekanzler 155, 543 Deinhard, Peter, Stiftsverwalter Fritzlar 348 Demmer, Zilianus, Schlachter zu Kassel 168 Dendeg(i)us, Johann, Pfr. Ehrsten 316 Dennbach, Johannes, Lutherischer Pfr. Oetmannshausen 618 Diede zum Fürstenstein, Adelsfamilie 174 Diede zum Fürstenstein, Christoph Wilhelm 483f. Diede zum Fürstenstein, Hans Eitel 483 Diederich, Ludwig, Kirchensenior Wilhelmshausen 479 Dieterich, Johannes, Pfr. Butzbach, Superintendent Gießen 562 Dietherich (Theodoricus), Johann, Lutherischer Pfr. Treysa 613–615 Dietrich, Conrad, Archidiakon Marburg 52 Döhner, Johann, Pfr. Züschen 503 Dolaeus, Georg, Pfr. Nassenerfurth 339f. Dorbecker, Johannes, Superintendent Grafschaft Waldeck 508 Döringer, Johann, Lutherischer Pfr. Niederdünzebach 208, 615, 617–619, 621f. Dörnberg, Adelsfamilie 260f., 363f., 369, 384, 474, 484, 564f. Dörnberg, Burkhard von 260, 481–484 Dörnberg, Ludwig von 260, 481–484 Drüscher, Curt, Einwohner Verna 356

698 Dryander, Johann Andreas, Landgräflich hessen-kasselscher Landsecretarius 201, 317, 409 Durandus, Pfr. Lüderbach 292 Ebert, Theodor, Prof. für Hebräisch, Uni Frankfurt an der Oder 172 Eckernmann, Henrich, Kastenmeister Eschwege 385 Eckhardi, Nicolaus, Superintendent Bezirk Kassel 119, 254, 265, 421, 509f., 532 Egli, Raphael, Reformierter Theologe, Uni Marburg 63, 345 Eisenbach, Volprecht Riedesel zu, Hessischer Erbmarschall 483 Ellenberger, Christoph, Diakon und Schulrektor Lichtenau 334 Ellenberger, Hessen-Kasselscher Rittmeister 407 Engelbach, Johann, Pfr. Karben 613 Engelhard, Hermann, Kirchensenior Weimar (Gemeinde Ahnatal) 479 Engelhardt (Engelhard), Franciscus (Franz), Pfr. Obermöllrich 276 Eschwege zur Au, Adelsfamilie 413–415 Eschwege zur Au, David von 412, 415 Eschwege zur Au, Dorothea von 413–415 Eschwege zur Au, Raab von 412 Eschwege zur Au, Urban von 412 Ewald, Balthasar, Schulmeister Schwebda 621 Faber, Christoph, Pfr. Metze 571 Faber, Eberhard (Ebert), Rentmeister Gudensberg 275, 517, 521–527, 529, 531, 535, 568, 577 Faber, Henrich, Pfarradjunkt Ermetheis, Pfr. Metze 142, 571 Faber, Henrich, Pfr. Ermetheis 575 Fabronius, Hermann, Pfr. Eschwege-Neustadt, Superintendent und Pfr. Rotenburg 58, 85, 88f., 94, 117, 122, 134, 139, 151, 191–195, 199, 223, 233, 236, 240–245, 247, 281f., 284f., 290–293, 307, 312, 314, 317f., 330, 371, 426, 434,

Personenregister

445, 572, 574, 577, 616, 617f., 620–622, 624–626, 629, 631, 634, 637 Feige, Catharina, Bewerberin um Aufnahme ins Hospital Allendorf 371 Ferdinand II., Kaiser (reg. 1619–1637) 74, 76, 440, 447, 452f., 521, 531, 547, 586 Fernau, Christoph, Schulmeister Hofgeismar 66, 312 Fischer, Conrad, Pfr. Hilmes 236 Fischer, Johann, Stadtschreiber Kassel 408 Flashar, Henrich, Bürgermeistersohn aus Hofgeismar 404 Fleming, Christoph, Stipendiat der Stadt Eschwege an der Hohen Schule Kassel 445 Freund, Otto, Tertius an der Eschweger Stadtschule 173 Fülhun (Fulhunius), Henrich (III), Pfr. Hofgeismar-Altstadt, Metropolitan 306, 449 Gebhard, Johannes, Pfr. Berge 314 Geilfuß, Andreas, Pfr. Aue 415 Geilfuß, Conrad, Diakon Eschwege-Altstadt 295, 424 Geilfuß, Johann Conrad, Pfr. Datterode 295 Gercke, Christoph, Einwohner Röhrda 626 Gerhard, Conrad, Landrichter und Notar zu Landau 499, 519, 523, 525, 528, 531 Gerhard, Hermann, Pfr. Züschen 499, 509–511, 513, 516 Gerlach, Curt, Pfr. Langenhain 618 Gliem, Hans, Einwohner Röhrda 626 Gnetzinger, Johann, Pfr. Züschen 505– 509 Göbicke, Henrich, Kaplan Wolfhagen 268 Goeddaeus, Johannes, Prof. Marburg, Konsistorialrat 101, 110, 191, 200, 444 Gomarus, Franz, Reformierter Theologie, Uni Leiden 63 Grau (Gravius), Christian, Superintendent und Pfr. Allendorf 35, 88, 90, 166, 171,

Personenregister

192, 208, 228, 237, 242, 245, 247, 278, 286, 442, 637 Grau, Johann D., Pfr. Asbach (heute Asbach-Sickenberg, Thüringen) 171 Grederus (Pfarrer?) 180 Greiff, Johann, Schulmeister, Pfr. St. Goar 46 Gribler, Gerhard, Pfr. Mörshausen 300 Grobius, Herr, Diener der alten Landgräfin Juliane von Hessen-Kassel 454 Groß, Conrad, Pfr. Schwebda 171 Gruber, Johann Wiegand, Pfr. Nesselröden 279 Grusemann, Aaron, Kaplan, Pfr. EschwegeAltstadt, Kurmainzischer Schultheiß Fritzlar 173, 574, 616f., 621, 626 Grynaeus, Johann Jacob, Theologe in Basel 41 Gude, Christoph, Stadt- und Amtsschultheiß Sontra, Vater des Moritz Gudenus, Hospitalsgenosse Kassel 371f. Gudenus, Moritz, Pfr. Abterode, Kurmainzischer Amtsvogt zu Treffurt 187, 371 Gudenus, Paul, Pfr. Niederzwehren 319 Günst, Johannes, Pfr. Züschen 548, 549 Günther, Wolfgang, Generalaudienzierer Landgraf Moritz’ von Hessen-Kassel 70 Guttheil, Johann Michael, Schulmeister Treffurt, Pfr. Schnellmannshausen 552f., 555, 558 Haaß, Johann, Pfr. Böddiger 356f. Haberinus, Johannes, Pfr. Heimboldshausen 237 Hammerschmidt, Michael, Pfr. Lüderbach 313 Hanewacker, Justus, Pfr. Spanbeck 85 Hanstein, Johann, Schulmeister, Meisenbugischer Verwalter Züschen 261, 263, 426, 434, 503, 511, 520–522, 524– 526, 528 Hanstein, Matthias, Schulmeister Homberg 588f.

699 Happel(ius), Martin, Lehrer Stadtschule Kassel, Pfr. Gottsbüren, Kirchhain, Gudensberg 94, 97, 99, 145, 167, 272f., 275f., 374, 426, 539, 567, 568, 571, 573 Hartmann, Valten, Schulmeister Nesselröden 312 Hartung, Magnus, Pfr. Reichenbach (Gemeinde Hessisch Lichtenau) 206 Hase, Johannes, Pfr. Böddiger, Hesserode 419 Hauderbach, Johann, Buttlarischer Verwalter auf dem Elberberg 402 Haxthausen (auf Apenburg), Heinrich Lothar von (?) 454 Heil, Johannes, Lutherischer Pfr. Reichensachsen 618, 622 Hein, Conrad, Superintendent Allendorf 556 Heinemann, Valentin, Kastenmeister Eschwege 385 Heise, Georg, Waldeckischer Beamter 543 Hencelius, Daniel, Pfr. Martinhagen 354, 355 Hennigk, Greta, Einwohnerin Reichensachsen 223 Hennigk, Marta, Einwohnerin Reichensachsen 223 Hentzenkius, Justus, Schulmeister Immenhausen, Pfr. Heisebeck 327 Herda, Adelsfamilie 416f., 627 Herda, Carl Christoph von 417, 626f. Herdenius, Georg, Hessen-Darmstädtischer Superintendent zu Marburg 168, 209, 579, 586, 592f., 616f., 619f., 627f. Herrenklau, Leonhard, Amtmann zu Landau und Wetterburg 518 Herrnschwager, Sebastian, Pfr. Schmalkalden, Pfr. Vacha 86, 196, 562 Hessen, Heinrich I. Landgraf von 341 Hessen, Philipp I. (der Großmütige) Landgraf von 30, 33, 37, 62, 90, 280, 291, 444, 446 Hessen (-Kassel), Wilhelm I. Kurfürst von 341

700 Hessen-Butzbach, Philipp von 49 Hessen-Darmstadt, Georg II. Landgraf von 72f., 76f., 208f., 290, 432, 535, 537, 543, 561–564, 570–578, 580–587, 591–594, 597, 600f., 604–606, 608–611, 613f., 616f., 619–621, 627f. Hessen-Darmstadt, Ludwig V. Landgraf von 47–50, 52, 67–70, 112, 339 Hessen-Eschwege, Friedrich Landgraf von 71, 225, 368 Hessen-Homburg, Friedrich von 49 Hessen-Kassel, Agnes Landgräfin von 43 Hessen-Kassel, Amelie Elisabeth Regentin von 75–79, 113, 161, 164, 175, 190, 197, 206f., 217, 221, 223, 349, 394, 411, 435–438, 462, 470, 485f., 489–492, 497 Hessen-Kassel, Anna Maria von 43 Hessen-Kassel, Carl Landgraf von 80, 394 Hessen-Kassel, Hedwig Sophie Regentin von 80, 301, 414, 559 Hessen-Kassel, Juliane Landgräfin von 43, 58f., 61, 70f., 73, 130, 186, 454 Hessen-Kassel, Moritz (der Gelehrte) Landgraf von 31, 41–52, 54–62, 64f., 67–73, 81f., 89, 94, 99–101, 103, 107– 110, 112, 116–118, 121, 126f., 130, 134, 137, 161, 186f., 191–195, 200, 204f., 207f., 217, 220, 225, 233, 236, 254, 273, 291, 307, 310, 317, 342f., 345–347, 352, 409, 425, 427, 432, 451, 454, 462, 475, 499f., 502f., 506f., 509, 511, 515f., 523, 526f., 530–532, 560f., 563, 570–573, 575f., 579, 592, 601, 616f., 620, 625, 634f. Hessen-Kassel, Otto von, Administrator des Hochstifts Hersfeld 236 Hessen-Kassel, Wilhelm IV. (der Weise) Landgraf von 31, 33f., 39f., 42, 44, 52, 72, 90, 130, 286, 342–344, 382 Hessen-Kassel, Wilhelm V. Landgraf von 43, 59, 69–76, 112, 124f., 130, 132, 135, 140, 150, 153–157, 161, 164, 174, 191, 196, 203–206, 211, 217, 220, 236, 276f., 291, 311, 317f., 354, 372, 426, 428–430, 432, 434, 436–438, 444, 453f., 456f., 475, 478, 481, 523, 534f., 537, 543f., 546–548,

Personenregister

560f., 570, 572–574, 576–579, 582, 588, 595, 600f., 605f., 608–610, 612, 614, 616, 620, 623–625, 630f. Hessen-Kassel, Wilhelm VI. Landgraf von 76, 79f., 127, 161, 190, 214f., 217, 301, 393, 471, 474, 544 Hessen-Kassel, Wilhelm VII. Landgraf von 80 Hessen-Marburg, Ludwig IV. Landgraf von 33f., 39f., 47f., 51, 81, 560 Hessen-Rheinfels, Philipp II. Landgraf von 28, 33 Hessen-Rotenburg, Hermann (IV.) Landgraf von 154, 178, 225, 368, 625, 627, 631f., 636 Hessen(-Rotenburg)-Rheinfels, Ernst Landgraf von 72, 225, 298, 305, 417, 558 Heuchelin, Dieterich, Leutnant, Gräflich waldeckischer Rat und Sekretär 543 Heuckerodt, Philipp, Rektor Stadtschule Eschwege, Kaplan Eschwege-Neustadt 173, 179, 385 Hillebrandt, Peter, Schultheiß zu Röhrda 626 Hochhut, Anna, Einwohnerin Witzenhausen 407 Ho[ von Ho[negg, Matthias, Kursächsischer Oberhofprediger 62, 156f., 430f. Hoffesommer, Jacob, Kirchensenior Frankershausen 364, 366, 368f. Hoffmann, Johann, Vogt Hohes Hospital Merxhausen 145 Hoffmann, Ludwig, Waldeckischer Hofprediger 126 Hoffmeister, Jacob, Schulmeister Züschen 516f. Hoffmeister, Johannes, Kaplan EschwegeAltstadt 183, 616 Holtzhausen, Curdt, Pfr. Züschen, Lohne 503 Homberg, Tobias 42 Honig, Martin, Pfr. Hilmes 236 Honigmeyer, Jost, Visitator, Pfr. Waldeck 521

Personenregister

Höpfner, Heinrich, Prof. theol. Leipzig 431 Hörde, Friedrich von, Landkomtur Deutschordensballei Hessen 342–347 Horn, Johannes, Amt Gudensberg, Landknecht (?) 523, 527 Hospach, Christian, Pfr. Niederdünzebach 171 Hubener, Christian, Pfr. Rambach 171 Hücker, Bartholomaeus, Einwohner Kreuzberg (Philippsthal (Werra)) 615 Hundelshausen, Hermann von 238–240 Hundelsthar, Catharina 408 Hundelsthar, Christoph 408 Hutter, Matthias, Pfr. Merzhausen 236 Hütterodt, Johann Wilhelm, Rentmeister Spangenberg 174 Jacobi, Friedrich, Landgräflich hessenkasselscher Landsecretarius 131, 156 Joachim , Abt des Klosters Hersfeld 236 Johrenius, Conrad, aus Balhorn, Kaplan und Pfr. Gudensberg 97, 167, 328 Josephi, Caspar, Superintendent und Pfr. Allendorf 89, 122, 132f., 136, 147, 174, 179, 190, 194, 196f., 201–203, 207–210, 216f., 223, 231, 233, 236, 241, 243, 245, 247, 281f., 284f., 371, 396, 399f., 440f., 616, 619, 622, 630f., 637 Jossa, Adam von, Hessischer Amtsvogt zu Treffurt 556, 558, 560 Jungmann, Justus, Geheimer Kanzlei- und Kammerrat, Kammerdirektor, Vizekanzler, Konsistorialrat 110, 190, 195– 198, 201f., 283, 400, 515 Junius, Johannes, Pfr. Gensungen, Felsberg 345–347 Junker, Johannes, Lutherischer Pfr. Netra 618 Kalckhoff, Heinrich, Hessen-Kasselscher Gelehrter Rat, Sohn des Superintendenten 195

701 Kalckhoff, Johannes, Superintendent und Pfr. Rotenburg 50, 55, 58, 82, 88, 89, 94, 117, 119, 194f., 200, 244, 284 Kangießer, Henrich, Pfarramtskandidat 319 Kaufunger (eigentlich Lanius), Caspar, Superintendent Bezirk Kassel 82, 504 Kepler, Chunrad, Lehrer (Tertius) Stadtschule Kassel 168 Kerste (verheiratete Hochapfel), Martha, Einwohnerin Eschwege 422 Keseberg, Reinhard, Pfr. Kirchberg 571 Keudel, Adelsfamilie zu Schwebda 416, 615 Keudel, Anna von 615 Keudel, Brigitta von 615 Keudel, Christoph von 615 Keudel, Curt Bernhard von 416 Keudel, Hans Christoph von 620 Keudel, Hans Curt von (der Ältere) 615, 620 Keudel, Hans Curt von (der Jüngere) 620 Keudel, Hartmann von 416, 620 Keudel, Henrich von 416 Kind, Andreas Peter, Superintendent Marburg 69, 81, 118, 317 Klebe, Henrich, Dörnbergischer Schultheiß zu Hausen 564f. Kleinschmidt, Henrich, Pfr. Zierenberg 99, 265 Knabenschuh, Johannes, Pfr. Geismar und Haddamar 571 Knieriem (verheiratete Kerste), Anna (»die alte Hospächerin«), Einwohnerin Eschwege 423 Kniriem, Constantin, Pfr. Niederhone 94 Kniriem, Johannes, Rektor Stadtschule Eschwege, Pfr. Schwebda, Kaplan, Pfr. Eschwege-Neustadt 171, 183, 279, 295, 305, 313, 385 Knobel, Henrich, Kaplan Gudensberg 571 Knorr, Vitus, Pfr. Kerspenhausen 235 Köberich, Christian, Einwohner Allendorf 408 Koch, Martin, Einwohner Verna 356

702 Köhler (Köller), Caspar, aus Hofgeismar, Soldat 408 Köhler, Christoph, Hospitalsgenosse Melsungen 371 Kopfferschlager, Johann Henrich, Bäckergeselle Wolfhagen 188 Korngiebel, Georg, Pfr. Hilmes 236 Kreuter, Eberhard, Pfr. Merxhausen und Riede 145, 571 Kröschel, Johann Paul, Kursächsischer Amtsvogt zu Treffurt 248, 553, 554 Krug(ius), Thomas, Lehrer Gymnasium Hersfeld, Tertius, Konrektor, Rektor Stadtschule Kassel 168 Krug, Johann, Landgräflich hessen-kasselscher Sekretär 286 Krug, Johann, Salzgrebe 281 Krug, Oberamtmann der Niedergrafschaft Katzenelnbogen 45 Krug, Peter, Pfr. Nassenerfurth 336f. Kuchenbecker, Johannes, Schulrektor Wolfhagen, Feldprediger, Pfr. Züschen 328, 330–332, 546, 548f. Kuhn, Hildebrand, Lehrer (Tertius) Stadtschule Kassel 168 Kuhn, Johann, Pfarradjunkt Trockenerfurth, Pfr. Nassenerfurth 336f., 339 Kunowitz, Johann Dietrich Baron von, Hessen-Kasselscher Regierungs- und Geheimer Rat 183 Kurtzkurt, Johannes, Schulmeister Zierenberg 316 Lang, Friedrich, Pfr. Lichtenau 334 Lange, Balthasar, Soldat aus Olmütz 407 Lappe (Lappius), Henrich, Bürgermeister Waldkappel 238, 239 Lappius, Henrich, Pfr. Waldkappel 196 Lappius, Paul, Pfr. Harmuthsachsen 317f., 534 Lautemann, Bartholomäus, Pfr. Frankershausen 363–370 Ledderhose, Conrad, Pfr. Hersfeld 180, 198f. Lersner, Heinrich, Hessen-Kasselscher Kanzler 153, 427, 477, 536

Personenregister

Leuchter, Adam, Opfermann Remsfeld, Sipperhausen 321–326 Leuchter, Heinrich, Lutherischer Superintendent Marburg 51, 54, 81 Leyser, Polykarp (der Jüngere), Superintendent Leipzig 431 Liebenthal, Christian, Prof. Gießen, HessenDarmstädtischer Geheimer Rat 112 Linsingen, Ernst von 604 Linsingen, Ludwig von 320, 604 Lippold, Matthäus, Pfr. Wehren, Werkel, Dorla 571 Lobetantz (Lobetanus), Johannes, Schulkantor Eschwege, Pfr. Niederdünzebach 209, 282, 616–618 Losch, Henrich, Pfr. Hilmes 236 Lotz, Ignatius, Pfr. Hesserode 320 Lotz, Johann, Kastenschreiber Zierenberg 265 Löwenstein, Christoph von 592–594, 603f., 607, 609–612 Löwenstein, Georg Leo von 604, 607, 609–612 Löwenstein, Hartmann von 383 Ludolph, Lorenz, Pfr. Reichensachsen, Inspektor Siegen, Metropolitan Allendorf 76, 182, 390, 622 Ludolph, Oswald, Pfr. Niederhone 122, 282, 312 Ludwig V. , Abt des Klosters Hersfeld 235 Lüncker, Johann Daniel, Hessen-Darmstädtischer Amtsschultheiß zu Schwarzenborn 565, 569, 577, 581 Lyranus, Christoph, Lutherischer Pfr. Röhrda 618, 625f., 628, 631 Magirus, Hermann, Pfr. Obermöllrich 282 Magirus, Johannes, Kaplan Treysa 613f. Magirus, Theodor, Pfr. Obervorschütz 571 Magirus, Valentin, Pfr. Sand 188, 571 Majus, Johannes, Hofdiakon, Pfarradjunkt Kassel-Freiheit, Archidiakon ebd. 69, 118, 316, 460f.

Personenregister

Majus, Lucas (der Ältere), Superintendent Halle (Saale), Pfr. Kassel-Altstadt 41 Majus, Lucas (der Jüngere), Kaplan KasselAltstadt und -Freiheit 51, 55, 69, 117, 135, 277, 460, 461, 462 Majus, Nicolaus, Stiftsprediger und Dekan Rotenburg, Kaplan, Pfr. Homberg (Efze) 151, 278, 589 Malsburg, Hermann von der, Statthalter zu Kassel 543 Mann, Balthasar, Lutherischer Pfr. Jestädt 618 Matthaeus, Bernhard, Pfr. Kassel-Altstadt, Hofdiakon 170, 319, 357, 450, 460f., 463, 469f., 589f., 597 Matthaeus, Friedrich, Predigtamtsordinatus 315 Mecklenburg (-Güstrow), Johann Albrecht II. Herzog von 153 Megbach, Berthold, Pfr. Kerspenhausen 236 Meier, Bartholomäus, Pfr. Kassel-Freiheit, Superintendent 35f., 286, 342–344, 369 Meisenbug, Adelsfamilie 369, 540 Meisenbug, Georg von 518 Meisenbug, Hans (Johann) von 508f., 515 Meisenbug, Johann Leo von 503f., 518f., 541, 544f., 549 Meisenbug, Johann von (der Ältere) 501 Meisenbug, Johann von, Landvogt an der Werra 504, 509 Meisenbug, Philipp von 518 Meisenbug, Wilhelm von 507, 509, 513– 515, 518f., 526, 539, 544–546, 548–550 Meisterlin, Theobald, Oberschultheiß Wanfried 414f. Melanchthon, Philipp 37, 39, 41 Menachus, Johannes, Lutherischer Pfr. Bischhausen 618 Mengosius, Johann, Pfr. Schwarzenborn 565, 577 Mentze, Hans, aus Bischhausen, Soldat 410 Mentze, Margaretha, Einwohnerin Bischhausen 410

703 Mentzer, Balthasar (der Ältere), Lutherischer Theologe, Uni Marburg, Gießen 51f., 81, 115, 127f., 308 Meyer, Bartholomäus, Superintendent Bezirk Kassel 82, 504, 506 Michael , Abt des Klosters Hersfeld 171, 235 Michaelis, Theodor, Pfr. Trusen 562 Minor, Weimarus, Stadt- und Kirchenschreiber Eschwege 183, 385, 445 Mogk, Henrich, Pfr. Mandern, Niederurff 129, 274, 593–596, 598f., 602, 604, 606f., 609f. Molitor, Christoph, Pfr. Friedewald 182 Molitor, Schulmeister Kirchhain 327 Moller, Caspar, Boyneburg-Hohensteinischer Schultheiß zu Waldkappel 371 Möller, Georg, Superintendent und Pfr. Rotenburg 88 Müller (Milis/Mylius), Georg, Pfr. Jesberg 320 Müller, Georg, Grebe und Kirchensenior Jesberg 320 Müller, Hans Henrich, aus Wolfsanger, Soldat 408 Müller, Werner, Pfr. Malsfeld 300 Musculus, Johannes, Pfr. Grifte 571 Napoleon I., Kaiser der Franzosen 341 Nassau-Dillenburg, Johann VI. (der Ältere) Graf von 43–45, 345, 453 Nassau-Dillenburg, Ludwig Heinrich Graf von 451, 453, 456f. Nassau-Siegen, Adolf von 44 Nassau-Siegen, Johann Moritz von, Niederländischer Gouverneuer von Brasilien 44 Nassau-Siegen, Johann VII. (der Mittlere) Graf von 43f., 126, 451f. Nassau-Siegen, Johann VIII. (der Jüngere) Graf von 451–454, 456 Nassau-Siegen, Wilhelm von 44 Nebenius (Nebe), Valten, Pfr. Bischhausen 618 Nellius, Justinian, Pfr. Böhne 538 Neuberger, Ernst, Pfr. Felsberg 349, 351f.

704 Nicolai, Jeremias, Superintendent Grafschaft Waldeck 518–521 Nigrinus, Nicolaus, Schulmeister Züschen, Heimarshausen 516f. Nobis, Hermann, Pfr. Verna 356 Nolthenius, Philipp, Pfr. Immenhausen 327 Nordeck zur Rabenau, Adolph Eitel von, Landkomtur Deutschordensballei Hessen 350, 352f. Obelius, Johannes, Schulrektor Allendorf 389 Oeynhausen, Wilhelm von, Landkomtur Deutschordensballei Hessen 342–344 Osius, Andreas, Pfr. Reichenbach (Gemeinde Hessisch Lichtenau) 205–207 Österreich, Maximilian Erzherzog von, Hochmeister des Deutschen Ordens (Deutschmeister) 344, 346 Paff, Eckhardt, Pfr. Berge 576 Pappus, Johann Sigismund, Gräflich waldeckischer Rat und Amtmann zu Arolsen 517–520 Pareus, David, Reformierter Theologe, Uni Heidelberg 127, 634 Pein, Johannes, Landgräflich hessen-kasselscher Beamter? 283 Persrath, Johann Georg, Pfr. Pfieffe 300 Peubach, Henrich, aus Herborn, Leutnant 408 Pezel, Christoph, Reformierter Theologe, Superintendent Bremen 41, 45, 61, 63, 286 Pfaff, Wigand, Pfr. Waldkappel, Felsberg 342–344 Pfalz und bei Rhein, Friedrich IV. Kurfürst zur 100, 153 Pfalz-Simmern, Johann Casimir von, Administrator der Kurpfalz 100 Pfeffer, Johannes, Pfr. Falken 557f. Pfefferkorn, Henrich, Rentmeister Eschwege 572, 574 Pfefferkorn, Johann Georg, Pfr. Treffurt 558

Personenregister

Pflock, Nicolaus, Rektor Stadtschule Allendorf, Pfr. Kleinvach 114, 310 Pflüger, Hermann, Pfr. Sipperhausen 323 Pflüger, Johann, Pfr. Sipperhausen 324, 576 Pforr, Johannes, zeitweilig Assistent des Kasseler Superintendenten Paul Stein, Pfr. Quentel, Kaplan Wolfhagen 138– 145, 159, 330–332, 361, 378, 617 Pfuel, Adam von, Schwedischer Generalmajor 408 Pistorius, Adam, Pfr. Altwildungen, Züschen 504 Pistorius, Heinrich, Pfr. Bischhausen 617 Pistorius, Johann, Pfr. Niederurff 593 Pistorius, Justus, Pfr. Bergheim (Waldeck) 544 Pistorius, Margarethe, Pfarrerswitwe Niederurff 604 Prahter, Daniel, Gräflich waldeckischer Rat 549f. Priester, Franz (Franciscus), Inspektor der Kirchen der Grafschaft Sayn-Wittgenstein 459 Quand, Bürgermeister Immenhausen 328 Quast, Christoph, Kaplan Schmalkalden, Pfr. Eschwege-Neustadt 94, 173 Radau, Johann Henrich, Lehenschreiber Lichtenau 395f., 399 Ratzius, Reinhard, Pfr. Gleichen 571, 576 Rauppius, Jacob, Lutherischer Pfr. Herleshausen 618 Rauschenberg, Johann, Pfr. Treysa 614 Rebenstock, Johannes, Landschultheiß Wildungen 513f., 520f., 541f. Regenbogen, Johannes 504 Rehbein, Claus, Schultheiß und Kirchensenior Frankershausen 363f., 366–370 Reichardt, Philipp, Pfr. Lüderbach 291– 293, 471f. Reinigk (Reinicke), Hartmann, Konsistorialsyndikus 101, 109–112, 161

Personenregister

Reinkingk, Dietrich (Theodor), HessenDarmstädtischer Vizekanzler 112, 337, 494, 536f., 576, 610f., 624 Reinmann, Georg, Pfr. Eschwege-Neustadt, -Altstadt, Superintendent 54, 59, 81, 88f., 192f., 203, 223, 236, 247, 281, 330, 505 Reinmann, Georg, Pfr. Grebendorf 228 Rhenanus, Johannes, Pfarrer Sooden, Salzgrebe 198, 442 Rhodius, Sebastian, Pfr. Grandenborn 618 Riedesel zu Eisenbach, Georg (der Ältere), Amtmann zu Rüsselsheim 112, 629 Rihelius, Johann, Pfr. Haina, Leser zu Merxhausen 145 Röder, Johannes, Pfr. Ronshausen 300 Rohrbach, Bürgermeister Sontra 410 Rose, Johann Adam, Privatlehrer Creuzburg, Pfarramtskandidat Lüderbach 313 Rösing, Haalper (?), Bürgerin Grebenstein 420 Rösing, Hans, Bürger Grebenstein 420 Roßbacher, Hans Georg, Schultheiß Homberg (Efze) 580–582 Roth, Jacob, Schulmeister Rambach 310 Rots, Hans, Einwohner Röhrda 626 Rübekam, Laurentius, Pfr. Eschwege-Neustadt 295 Rudeloff (verheiratete Hochapfel), Catharina, Einwohnerin Eschwege 422, 424 Rudeloff (verheiratete Hochapfel), Maria, Einwohnerin Eschwege 424 Sachse, Hans, Einwohner Schnellmannshausen 183 Sachse, Henrich, Kirchensenior Frankershausen 364, 368f. Sachse, Wendel, Einwohner Schnellmannshausen 183 Sachsen (-Coburg), Johann Ernst Herzog von 291 Sachsen, Johann Friedrich I. Kurfürst von 291

705 Sachsen, Johann Georg (I.) Kurfürst von 48, 430, 583, 605f., 608–610, 612 Sachsen-Gotha, Ernst I. (der Fromme) Herzog von 23, 78 Sandmann, Elsebeth 321 Sandmann, Gerwin, (Landgräflich hessenkasselscher Küchenmeister) 112 Sartorius, Johannes, Pfr. Eschwege-Neustadt 173 Sartorius, Johannes, Pfr. Niedermöllrich 274f. Saur (Saurius), Johannes, Pfr. Crumbach 419 Saur, Jacob, Pfr. Besse 571 Saxo, Johann, Pfr. Niedenstein und Wichdorf 142, 571 Sayn-Wittgenstein, Ernst Graf von 460 Sayn-Wittgenstein, Luise Juliane Gräfin von 460 Schachten, Adelsfamilie 169f., 540 Schaube, Bastian, Grebe Weimar (Gemeinde Ahnatal) 479 Schaube, Henrich, Kirchensenior Weimar (Gemeinde Ahnatal) 479 Scheffer, Else, Einwohnerin Niederhone 298 Scheffer, Heinrich Ludwig, Obervorsteher der Hessischen Hohen Hospitäler 291 Scheffer, Reinhard, Hessen-Kasselscher Kanzler 241, 290f. Schenck zu Schweinsberg, Adelsfamilie 60, 339 Schetzel, Adelsfamilie zu Merzhausen 259f., 384 Schiltroth, Angelus, Pfr. Niederdünzebach 616 Schimmelpfennig, Johannes, Pfr. Eschwege-Altstadt 505 Schingewolff, Hans, Opfermann Eiterhagen 321 Schirling, Martin, Pfr. Oberaula 564f., 577 Schlichting, Henrich, Pfr. Großalmerode 480 Schlingaxt, Nicolaus, Pfr. Röhrda 622– 625, 627–632

706 Schmaltz, Johannes, Pfr. Elben und Elberberg 402 Schmalz, Johannes, Pfr. Elben und Elberberg 571 Schmidt, Engelhard, Kastenmeister Reichensachsen 223 Schnabel, Johann, Pfr. Netra, Jesberg, Hoof 320, 628f. Schneider, Thebes, Einwohner Harle 419 Scholley, Philipp von, Hessen-Kasselscher Geheimer Rat, Obervorsteher der Hessischen Hohen Hospitäler 500, 543 Schoner, Valentin, Metropolitan Ziegenhain, Superintendent Bezirk Marburg 55, 57, 81, 84 Schoner, Valentin, Metropolitan Ziegenhain, Superintendent Marburg 54 Schönfeld, Gregor (der Jüngere), Theologiestudent Kassel 311, 404 Schönfeld, Gregor (junior), Prof. Marburg, Konsistorialsyndikus 112 Schönfeld, Gregor, Bürger zu Zahna 311 Schönfeld, Gregor, Superintendent Kassel, Prof. Marburg, Konsistorialrat 46, 50, 54f., 101, 311, 345, 404 Schopf, Diethard, Kirchensenior Hombressen 479 Schoppach, Johannes, Kaplan, Pfr. Treysa 378, 613, 614 Schörger, Elisabeth, Einwohnerin Verna 356 Schörger, Hans, Einwohner Verna 356 Schreiber, Hans, Opfermann Eltmannshausen 309 Schreiber, Hieronymus, Kastenmeister Eschwege 385 Schröder, Hans, Bürgermeister Züschen 522, 525 Schröder, Ludwig, Kaplan Homberg (Efze) 585–589 Schröder, Philipp, Schultheiß Züschen 521 Schrott, Hermann, Pfr. Merzhausen 235f. Schuetze, Jost, Pfr. Thurnhosbach 300 Schulz, Johannes, Buchführer Kassel 157

Personenregister

Schwalbach, Johann Melchior von, Nassauischer Obristleutnant 345 Schwartzkopf, Christoph, aus Einbeck, Hauer (Bergmann) 422 Schweiß, Henrich, Pfr. Kruspis 300 Schwertzell, Adelsfamilie zu Willingshausen 259, 260, 563 Scriba (Scribonius), Andreas, Pfr. Gudensberg 82, 507, 508 Seibert, Dietmar, Müller zu Kirchbauna 404 Seitz, Franz, Bäcker Großalmerode 480 Seuring, Christian, Pfarradjunkt, Pfr. Obermöllrich und Cappel, Gensungen 147, 274–276, 571 Seuring, Conrad, Pfr. Obermöllrich 273– 275, 277 Sieffriets, Hans, Einwohner Friedewald 182 Siegfrid, Heinrich, Lutherischer Pfr. Grandenborn 618 Sixtinus, Nicolaus, Hessen-Kasselscher Rat 435, 454 Sixtinus, Wilhelm Burkhard, Hessen-Kasselscher Geheimer Rat 121 Soistman, Georg, Schulmeister Immenhausen 327f. Soldan, Justus, Feldprediger, Stiftsprediger Fulda, Pfr. Kassel-Unterneustadt, -Altstadt, Konsistorialrat, Dekan Martinsstift 409, 450, 463, 469, 470 Soler, Dieter, Hessen-Rotenburgischer Beamter 298 Sommer, Theodor (junior), Pfr. Treffurt 227, 248 Sommer, Theodor (senior), Pfr. Treffurt 248 Spangenberg(ius), Johannes, Pfarramtskandidat Böhne, aus Österreich vertriebener Lutheraner, in Ziegenhain ansässig 537 Sperling, Johann, Pfr. Röhrda 417 Spillner, Georg, Pfr. Großburschla 473 Sprenger, Jost, Pfr. Züschen 505

Personenregister

Starck, Johann Daniel, Kaplan KasselFreiheit, Pfr. -Neustadt 69, 118, 316, 318, 326, 460f., 590 Stauff, Johann Georg, Hessischer Obrist und Kommandant zu Marburg 350f. Stein, Johannes, Pfr. Herleshausen 576, 618 Steinbach, Catharina, Witwe des Hans Steinbach 376 Steinbach, Hans, Einwohner zu Gudensberg 376 Steinbachs Tochter, Einwohnerin Kassel 408 Steinfelt, Johann, Kämmerer Kassel 189 Steinhaus, Christoph, Pfr. Böhne, Züschen 534–542, 571 Steinwardt, Caspar, Pfr. Züschen 503 Sternberger, Caspar, Pfr. Maden 93, 571, 575 Stidenroth, Nicolaus, Pfr. Schwebda 620 Stifeler, Christian, aus Dresden, Stückjunker in der hessen-kasselschen Armee 408 Stirn, Gerhard, Pfr. Borken 97, 264, 340, 356, 599 Stirn, Jakob, Pfr. Borken 264 Stirn, Johann Justus, Pfr. Borken 264 Stöckenius, Johann Heinrich, Hofdiakon, Hofprediger, Konsistorialrat, Superintendent Kassel 114, 152–155, 167, 180, 184, 187, 189, 214f., 340, 394, 403, 450 Stotzmann, Johannes, Pfr. Solz 618 Strack, Johann, Pfarramtskandidat Felsberg 344f. Strack, Johann, Pfr. Kassel-Altstadt, Superintendent 51, 82–84, 93, 116, 233, 344, 346, 506–509 Strack, Philipp, Pfr. Neukirchen 482, 565 Stückradt, Johann Peter, Oberschultheiß Rotenburg 299 Stungst, Curt, Einwohner Jesberg 320 Sturm, Caspar, Pfr. Gudensberg, Prof. Marburg, Konsistorialrat 54, 101, 109f., 115, 342, 345 Suinhard, Valentin, Diakon Niederurff, Pfr. Jesberg, Dillich 320, 604

707 Taurellus, Sekretär 101 Thomae, Bartholomaeus, Pfr. Elben, Balhorn 403 Thomae, Oswald Bartholomaeus 403 Thonius, Georg, Pfr. Sand, Züschen, Harmuthsachsen 147f., 184, 318, 514f., 517f., 520–526, 531–535, 539f., 550, 571 Todenwarth, Anton Wolff von, HessenDarmstädtischer Kanzler 576 Tonsor, Jonas, Pfarramtskandidat Felsberg 342f. Trabert, Henricus, Schulmeister Treffurt, Pfr. Schnellmannshausen 313, 552 Traubott, Sebastian, Pfr. Eddigehausen 85 Treusch von Buttlar, Adelsfamilie 280, 291, 415 Trott zu Lispenhausen, Adam 284 Trusch, Thebes, Einwohner Verna 356 Ungefug, Christoph, Rentmeister Wolfhagen 421 Urff, Adelsfamilie 340, 592 Urff, Georg von 593 Vietor, Eckbrecht, aus Breuna 328 Vietor, Elias, Pfr. Ehringen 266, 421 Vietor, Johannes, Pfr. Wolfhagen 328f. Vietor, Zacharias, Waldeckischer Kanzler 543 Vigelius, Bartholomäus, Schultheiß Kassel 169 Vogeley, Volkmar, Pfarramtskandidat Schwebda 620 Volckmann, Johannes, Kaplan und Pfr. Wolfhagen 328f., 480 Vultejus, Hermann, Prof. Marburg, Konsistorialrat 101, 110, 444 Wagener, Caspar, Kastenmeister Reichsachsen 223 Wagner, Curt, Schulmeister Barchfeld 312 Wagner, Engelhard, Pfr. Jestädt 618 Wagner, Hans, Einwohner Heldra 183

708 Wagner, Johann Wilhelm, Pfr. Frankershausen 334f., 368, 399 Wagner, Martha, Einwohnerin Heldra 183 Waldau, Dorothea Catharina von 127 Waldeck, Christian Graf von (Neuere Wildunger Linie) 126, 507f., 514, 518f., 521, 524, 526, 531, 538, 541f., 544–548 Waldeck, Christian Ludwig Graf von 544 Waldeck, Christoph, Gräflich waldeckischer Sekretär 543 Waldeck, Elisabeth Gräfin von 126 Waldeck, Georg Friedrich Graf (seit 1682 Fürst) von 544, 549 Waldeck, Heinrich VII. Graf von (Neuere Waldecker Linie) 501 Waldeck, Otto III. Graf von (Ältere Landauer Linie) 500 Waldeck, Wolrad I. Graf von (Neuere Waldecker Linie) 501 Waldeck, Wolrad IV. Graf von (Neuere Eisenberger Linie) 513f., 518f., 542, 546f. Wallenstein, Philipp Ludwig von 483 Wallmeister, Hermann, Schulmeister Treysa, Pfr. Jesberg 150, 320, 604, 615 Walther, Georg, Konsistorialsyndikus 112 Wapler, Johann, Maurergeselle aus Geyer (Sachsen) 408 Wapler, Wolff, Bergmann zu Geyer (Sachsen) 408 Wasserhuen, Johann Jacob, Hessen-Rotenburgischer Amtmann zu Eschwege 384 Wassermann, Caspar, Pfr. Oetmannshausen, Berge 618 Weck, Catharina 408 Weck, Hans, Soldat 408 Weigand, Caspar, Landgräflich hessenkasselscher Beamter? 283 Weinrich, Johannes, Notar Wildungen 501f., 509f., 525, 527, 529 Weisbrot, Caspar Rudolph, Pfr. Lichtenau 333f., 396

Personenregister

Weishaubt, Paul, Pfr. Weimar (Gemeinde Ahnatal) 479 Wenderoth, Johann Balthasar, Diakon Melsungen 300 Werder, Dietherich von dem, Hessen-Kasselscher Geheimer Rat und Hofmarschall 127 Wernecke, Georg, Pfr. Hombressen 479 Werner, Johannes, Pfr. Sontra 90 Wernicke, Pfr. Hombressen 265 Wersabe, Hermann von, Hessen-Kasselscher Amtmann, Hessen-Darmstädtischer Präsident zu Schmalkalden 562, 576, 618 Wetzel, Hieronymus, Reformierter Inspektor Schmalkalden, Pfr. Allendorf, Superintendent 86, 89, 230, 279 Wetzel, Thomas, Pfr. Kassel-Altstadt, Dekan Martinsstift, Hofdiakon, Superintendent 69, 89, 114, 116–118, 133, 161, 166, 170, 187, 201, 276, 318f., 326, 357, 407–409, 450, 460, 463, 469f., 538, 589f., 597 Wicker, Silas, Boyneburgischer Diener 402 Wiederold, Caspar, Grebe Gensungen 422 Wigant, Ben, Einwohner Verna 356 Wilner, Johann Friedrich, Kaplan KasselAltstadt 69, 318, 450, 463, 469f. Winckelmann, Johannes, Hofprediger Kassel, Prof. Marburg, Gießen 40, 51– 53, 81 Winter, Barthold, Rentmeister Rotenburg 577 Winter, Christian, Pfr. Dagobertshausen 236 Winter, Johannes, Pfr. Brotterode 562 Winter, Jost, Superintendent und Pfr. Rotenburg 88 Winter, Stephan, Pfr. Ulfen 279 Wolfardt, Georg, Schulmeister Vacha 312 Wolff von Gudenberg, Rab Moritz 316 Wolff, Hermann, Hessen-Kasselscher Geheimer Rat 431

Personenregister

Wolff, Johann Valentin, Hessen-Kasselscher Amtsvogt zu Bischhausen 390 Wolff, Johann, Konrektor Schule Mengeringhausen, Pfr. Züschen 517–519, 521f., 524f. Wolffiom, Hermann, Einwohner Röhrda 626

709 Zepper, Wilhelm, Reformierter Kirchenrechtler, Prof., Pfr. und Inspektor Herborn 29, 45, 107f. Zeulch, Conrad, Pfr. Nesselröden 279 Zindel, Christian, Superintendent Niedergrafschaft Katzenelnbogen (RheinfelsSt. Goar) 45f., 50 Zuddel, Matthäus, Pfr. Balhorn 571 Zwitter, Paul, Einwohner Breitenbach (Gemeinde Schauenburg) 354f.

Ortsregister Informationen über im heutigen Bundesland Hessen gelegene Orte bietet, leicht zugänglich, das Hessische »Historische Ortslexikon« unter : . Nicht berücksichtigt werden aufgrund der Häufigkeit ihres Vorkommens die Namen der Territorien Landgrafschaft Hessen und Landgrafschaft HessenKassel sowie der Stadt Kassel.

Abterode 229, 295, 298, 366, 371 Ahna, Kasseler Amt und Pfarreiklasse 81, 97f., 116, 136, 220, 233, 268, 330, 470 Albungen 207f., 229, 295 Allendorf an der Werra 35, 61, 64, 76, 85, 87–90, 114, 122, 132, 147, 171, 174, 177, 180, 190–192, 195f., 198, 201, 203f., 207–209, 212, 216, 218, 221, 223, 228– 231, 242–246, 280f., 285f., 310, 330, 371, 408, 440–442, 445, 490, 556, 574, 591, 616, 622 Alsfeld 83 Altenburg (Burg bei Felsberg) 514f., 518f. Altenburschla 228, 473 Altenstein, Burg 207 Altmorschen 228 Altwildungen 504 Amöneburg 604 Angerstein 84f., 321 Asbach(-Sickenberg), Thüringen 171, 207 Aue (Gemeinde Wanfried, Werra-MeißnerKreis) 228, 282, 413, 415 Barchfeld 69, 561 Barchfeld (Herrschaft Schmalkalden) 307, 312 Battenberg 78 Bauna, Kasseler Amt und Pfarreiklasse 81, 116, 233, 268, 283, 320, 470 Berge (Gemeinde Neu-Eichenberg, WerraMeißner-Kreis) 228, 314, 434, 576

Bergheim (Gemeinde Edertal, Landkreis Waldeck-Frankenberg) 538, 544 Berka (Gemeinde Katlenburg-Lindau, Landkreis Northeim, Niedersachsen) 287, 289 Berlin 117, 153, 172 Besse 92, 188, 220, 571 Biedenkopf 78 Bilstein, Gericht 289 Bischhausen (Gemeinde Waldkappel, Werra-Meißner-Kreis) 60, 208, 210, 288, 295, 298, 390f., 410, 417, 617, 622 Bischofferode 228 Böddiger 356f., 419 Böhne 501, 506, 508, 516, 534–540, 571 Borken, Stadt und Amt 69, 84, 97, 123, 129, 142f., 223, 264, 269, 270f., 274f., 320, 336, 356, 360, 426, 428, 434, 444, 447, 468, 562, 571f., 590f., 599, 628 Bovenden 84f., 88, 139, 220, 411 Boyneburg, Gericht 60, 208, 210, 296, 302, 341, 615, 619, 622–624, 639 Braach 229, 236 Brandenburg, Kurfürstentum 48, 63, 117, 431, 487 Brandenfels, Amt 291 Breitenau 89, 194, 228, 617 Breitenbach (Gemeinde Schauenburg, Landkreis Kassel) 354f. Breitenbach am Herzberg 564 Breitzbach 294 Breitzbach (Gemeinde Herleshausen, Werra-Meißner-Kreis) 294

712 Bremen 154, 286, 319, 488, 489, 491 Breuna 328 Brotterode (Landkreis SchmalkaldenMeiningen, Thüringen) 562 Bückeburg, Amt 78 Butzbach 562 Cappel (Gemeinde Fritzlar, Schwalm-EderKreis) 273f., 501, 571 Colditz (Landkreis Leipzig, Sachsen) 608, 610 Cornberg, Kloster 235 Creuzburg 292f., 313, 553, 555 Crumbach (Gemeinde Lohfelden, Landkreis Kassel) 268, 419 Dagobertshausen 228, 236 Darmstadt 32, 69, 72, 109, 112, 209, 280, 290, 444, 454, 465, 568, 580, 587, 608, 610, 620, 621 Datterode 228, 295, 371, 617, 629, 631 Dickershausen 323 Diemerode (Gemeinde Sontra, WerraMeißner-Kreis) 209, 572, 616, 619, 622 Dietz, Grafschaft 32, 36, 67, 73, 206, 386, 429, 437 Dillenburg 43, 452f., 457 Dissen 571 Dordrecht 63, 65f., 117, 129f. Dorla (Gemeinde Gudensberg, SchwalmEder-Kreis) 571 Dorla, Vogtei 216, 572 Dörnberg 97, 360, 411 Dorsten 435f. Dresden 39, 408, 465 Dudenrode 228f. Eddigehausen 84f. Ehlen 97, 220, 411, 436 Ehringen 266, 321, 421 Ehrsten 316f. Eichenberg 228, 314 Eichsfeld 61, 133, 551 Eilshausen (Gemeinde Hiddenhausen, Kreis Herford, Nordrhein Westfalen) 344

Ortsregister

Einbeck (Landkreis Northeim, Niedersachsen) 422 Eisenach 284, 291–293, 551, 553–555, 628 Eiterhagen (auch Eiterhain) 321 Elben 188, 220, 272, 402–404, 571 Elberberg 220, 402f., 571 Elbersdorf 171, 228 Eltmannshausen 309f. Erfurt 121, 156 Ermetheis 142, 571, 575 Ermschwerd 60f., 228 Eschwege, Stadt und Amt 27, 35, 37, 52, 54, 56–59, 61, 69, 71, 73, 76, 78f., 81, 85– 89, 94, 98, 113, 117, 121, 133f., 140, 166, 170f., 173f., 179f., 182f., 186, 192–196, 209–211, 217f., 223, 225–232, 238, 240– 242, 244–246, 279, 282, 284f., 287, 290– 295, 299, 301, 303, 308–311, 313, 320, 333, 364–369, 384f., 387, 389, 401, 410, 414f., 417, 422–424, 441, 445, 472f., 484, 490, 504f., 540, 551–556, 558, 562, 571, 574, 587, 591, 615–617, 619–622, 626f., 631, 634f., 637 Etzenborn 228 Falken 186, 216, 556, 572 Felsberg 71, 84, 120, 137, 164, 223, 252f., 276, 319, 322, 341–353, 360f., 372, 426, 428, 434, 444, 468, 488, 572, 639 Frankershausen 229, 295, 334f., 363–370, 442 Frankfurt am Main 72, 196, 350, 521 Frankfurt an der Oder 153, 156, 172 Frieda 228, 389 Friedberg 54, 483 Friedewald 69, 182, 318, 534, 561, 608f. Fritzlar 61, 74, 110, 173, 193, 273, 277f., 283, 347f., 350, 380, 449, 499, 501, 503– 505, 507, 510, 518, 530, 532f., 538–541, 545, 548f. Frommershausen 360 Fulda, Stadt und Hochstift 61, 69, 71, 74, 85, 87, 154, 232, 236, 241f., 244, 285, 287, 308, 318, 440f., 554f., 562, 577, 616 Fürstenstein, Burg bei Albungen 207f.

713

Ortsregister

Gebenstein 265, 421 Gensungen 120, 137, 252f., 276, 345f., 352, 422 Germerode 71, 229, 295, 299, 417 Gertenbach 228 Geyer (Erzgebirgskreis, Sachsen) 408 Gieselwerder 84 Gießen 67–69, 77, 112, 127, 173, 280, 336f., 339f., 444, 446, 562, 592, 621 Gladenbach 603 Göllingen 235 Gotha 235, 313 Gottsbüren 220, 265, 269, 411, 421 Grandenborn 179, 225, 295, 388 Grebenau 228, 318, 534 Grebendorf 228, 243, 295, 389 Grebenstein 84, 139, 157, 168, 220, 269, 316, 328, 411, 420 Grifte 220, 571 Groningen 156, 190, 197 Großalmerode 480 Großburschla 37, 216, 228, 289, 473, 551, 559, 572 Großenenglis 264 Gudensberg, Stadt und Amt 54, 69, 82, 84, 93f., 97, 99, 109, 123, 136, 142f., 145, 159f., 163, 165, 167, 180, 188, 220, 223, 264f., 272–277, 283, 358–360, 374, 376f., 387f., 393f., 402, 412, 426, 428, 430, 434f., 444, 447, 467f., 501f., 506– 509, 512f., 515, 517, 521–533, 535, 537– 539, 541, 546, 562, 566–568, 570–573, 575–579, 614 Guntershausen 571 Güstrow 109, 153, 349 Hadamar 457 Haddamar 522f., 529, 571 Haina 74, 168 Haina (Thüringen) 313 Halberstadt 410 Haldorf 571 Hanau 75 Hanau, Stadt 75 Hanau-Münzenberg, Grafschaft

75, 476

Harle (Gemeinde Wabern, Schwalm-EderKreis) 419 Harmuthsachsen 184, 238, 240, 317f., 534, 539, 572, 651 Hasungen, Gericht 360, 503 Hauneck, Amt 69, 561 Hausen (Gemeinde Oberaula, SchwalmEder-Kreis) 441, 482f., 564f. Heckershausen 97, 220, 411 Heimarshausen 220, 502f., 509f., 514, 516, 521f., 544, 549f., 571 Heimboldshausen 237, 615 Heinebach 228 Heldra 228, 473 Helmarshausen 269, 539 Helmstedt 156 Herborn 45, 107, 344, 408, 452 Herford 344 Heringen, Stadt und Gericht 69, 179, 278, 561 Herlefeld 228 Herleshausen 60, 294, 576, 618 Herrenbreitungen 69, 561 Hersfeld, Stadt und Hochstift 41, 57–59, 69f., 72, 74, 78, 85f., 171, 180, 235–237, 242, 259f., 291, 311, 427, 429, 432, 440, 561, 578 Hessen- Rheinfels, Landgrafschaft 72 Hessen, Kurfürstentum 341, 550 Hessen-Butzbach, Landgrafschaft 49, 73 Hessen-Darmstadt, Landgrafschaft 33, 47–50, 52, 66–70, 72–74, 76–78, 81, 83, 86, 109, 112, 128–130, 168, 208f., 219, 243, 274, 280, 289f., 336f., 339, 354, 385, 427, 432, 444, 448, 459, 462, 469, 471, 483, 535f., 543, 560–565, 568–589, 591– 595, 597, 600–602, 604–606, 608–611, 613–617, 619–621, 624, 627–629, 631f., 640 Hessen-Eschwege, Landgrafschaft 71, 73, 225, 368 Hessen-Homburg, Landgrafschaft 49 Hessen-Marburg, Landgrafschaft 33, 39f., 47, 49f., 52, 57, 61, 67–69, 73, 81, 560

714 Hessen-Rheinfels, Landgrafschaft 33, 72, 225 Hessen-Rotenburg, Landgrafschaft 55, 58, 84, 154, 178, 186, 225, 368, 384, 416, 554, 625, 627, 631f., 636 Hessen-Rotenburg-Rheinfels, Landgrafschaft 298, 304, 417, 558 Hesserode (Gemeinde Felsberg) 320, 349 Heuchelheim (Landkreis Gießen) 621 Hiddenhausen (Kreis Herford, NordrheinWestfalen) 344 Hilgershausen 236 Hilmes 82, 86, 236 Hitzelrode 229 Hitzkirchen 30 Höckelheim 85 Hof (Saale) (Regierungsbezirk Oberfranken, Bayern) 408 Hofgeismar 84, 142, 156, 158, 220, 265, 269, 306, 404, 411, 421, 448–450 Hohenkirchen 97, 220, 330, 411 Holzerode 84 Holzhausen (Gemeinde Immenhausen, Landkreis Kassel) 479 Holzhausen am Hahn (Gemeinde Edermünde, Schwalm-Eder-Kreis) 571 Holzhausen bei Homberg 323 Homberg (Efze), Stadt und Amt 69, 82, 84, 93f., 159, 223, 233, 290, 321–325, 339, 356, 360, 377, 426, 428, 434, 444, 447, 468, 503, 535, 562f., 568, 570–572, 576, 578–581, 583–589, 591, 614 Hombressen 265, 479 Hoof 320, 381 Hülfensberg (Landkreis Eichsfeld, Thüringen) 389 Hundelshausen 184, 228, 534 Iba 229, 284f. Ifta 552 Ihringshausen 233, 360 Immenhausen 269, 327f., 409 Ingsterode Siehe Uengsterode

Ortsregister

Jena 152, 156 Jesberg 69, 269, 320, 332f., 562, 583, 604, 628f. Jestädt 58, 60, 154, 209, 224f., 227, 231, 279, 295, 297, 389, 391, 591, 616f., 629 Johannesberg, Kloster (bei Hersfeld) 235 Jülich 603 Katzenelnbogen, Grafschaft 32f., 36, 67, 73, 386, 429, 437, 444, 578 Katzenelnbogen, Niedergrafschaft 32, 45–47, 69, 72f., 78, 107, 243, 561 Katzenelnbogen, Obergrafschaft 32, 33 Kerspenhausen 235f., 269 Kirchbauna 404f. Kirchberg (Gemeinde Niedenstein, Schwalm-Eder-Kreis) 220, 282, 571 Kirchhain 327 Kitzingen (Regierungsbezirk Unterfranken, Bayern) 409 Kleinalmerode 228 Kleinvach 114, 228 Konnefeld 228 Korbach 519f., 543 Kreuzberg Siehe Philippsthal Kruspis 86, 300 Landau (Gemeinde Bad Arolsen) 518f., 523, 525f., 528 Landeck, Amt 69, 561 Landefeld 228 Landsburg 69, 562, 591 Langenhain 76, 618, 622 Langensalza 186, 216, 248, 287, 551, 552, 554, 556 Langula 37, 98, 216, 282, 288, 473, 551, 559, 572 Lauchröden (Gemeinde Gerstungen, Wartburgkreis, Thüringen) 417, 626 Laudenbach 228, 441 Leiden 63 Leipzig 128, 429–431, 433, 448, 454, 458, 559, 578 Lichtenau, Stadt und Amt 71, 85, 91, 122, 139, 180, 185, 205, 228, 230, 238, 240,

Ortsregister

242, 247, 288, 330, 333f., 341, 395f., 398–401, 441, 445, 490, 574, 617 Lippe, Grafschaft 535 Lippoldsberg 371 Lohne 220, 504, 550, 571 Löwensteiner Grund 269, 591 Lüderbach 98, 228, 232, 289–295, 313, 471, 473, 587 Ludwigstein, Gericht 90 Mäckelsdorf 228 Maden 571, 575 Mainz, Bistum 30, 45, 248, 278, 338, 429 Malsfeld 228, 300 Mandern 593 Marburg 32–35, 39f., 42f., 45, 47–59, 61, 63, 65–69, 72, 77, 80–82, 89, 95, 99–101, 108–110, 112f., 115f., 118–120, 127, 129, 137f., 144, 156, 168, 172–174, 191– 193, 200, 206, 209, 217f., 223, 229, 231, 233, 242f., 254f., 258–260, 262, 286, 290, 311f., 319f., 330, 339, 342–347, 350– 353, 379f., 382, 402, 411, 443–446, 471, 500, 502, 504–507, 509f., 513, 534, 536f., 543, 562f., 567, 569, 574–584, 586f., 592f., 597f., 603f., 608, 610f., 613, 616f., 620, 627f., 634, 644, 654, 657, 666 Martinhagen 264, 354f. Mattenberg (Gemarkung Oberzwehren, Gemeinde Kassel) 389 Mecklar 229 Mecklenburg 349 Meimbressen 265, 316, 317 Meißen, Markgrafschaft 311, 404, 408 Meißner (Hoher Meißner), höchste Erhebung Nordosthessens 85, 122, 441f. Melsungen 33, 71, 85, 180, 228, 242, 300, 343, 371, 445, 563, 574, 582 Memleben, Kloster 235 Mengeringhausen 517f., 520 Merxhausen 74, 145, 188, 220, 264, 571 Merzhausen 20, 235–237, 259f., 384 Metze 142, 220, 355, 571, 575, 578 Minden, Hochstift 78 Mitterode 289 Moller, Michael, Pfr. Falken 556

715 Mörshausen 228, 323 Mörshausen (Gemeinde Spangenberg, Schwalm-Eder-Kreis) 300 München 428, 454 Münster, Stadt und Hochstift 75, 435 Nassau-Dillenburg, Grafschaft 29, 43–45, 345, 452–454, 456f. Nassau-Hadamar 453, 455 Nassau-Hadamar, Grafschaft 454 Nassau-Katzenelnbogen, Grafschaft 451, 453 Nassau-Siegen, Grafschaft 43f., 126, 186, 451–454, 456 Nassenerfurth 336f., 339f. Nesselröden 279, 312 Netra 58, 60, 183, 295, 320, 618, 625f., 628f. Neukirchen 137, 252f., 261 Neukirchen, Stadt und Amt 54, 69, 83, 120, 223, 233, 252f., 260, 263, 322, 342, 426, 434, 444, 468, 561, 564f., 568, 571f. Neumorschen 228 Neustadt, Kasseler Amt und Pfarreiklasse 50, 81f., 88, 118, 136, 164, 173, 194, 233, 268, 385, 394, 419, 424, 460, 470 Nidda 34, 36, 67, 72f., 206, 386, 429, 437, 617, 628 Nidda, Grafschaft 437 Niddawitzhausen 279, 295, 309f. Niedenstein 142, 220, 272, 444, 447, 511, 516, 571 Niederdorla 227 Niederdünzebach 171, 208f., 295, 410, 591, 615–, 619 Niederfürstentum Siehe Niederhessen Niederhessen 32, 43, 61, 67, 69, 71f., 113, 122, 128f., 204, 337, 426–428, 445f., 470, 487, 530, 563, 575, 581, 591, 595, 606, 608, 615f., 619, 627 Niederhone 229, 295, 298, 312, 605 Niederkaufungen 233, 268 Niedermöllrich 275 Niederurff 123, 129, 223, 264, 274, 320, 332f., 383, 590–592, 594–600, 602–604, 607, 624

716

Ortsregister

Niedervorschütz 356 Niederzwehren 268, 319 Oberaula, Stadt und Amt 83, 564f., 577 Oberdorla 227 Oberfürstentum Siehe Oberhessen Oberhessen 32, 51, 57, 60f., 67, 69, 77f., 81, 86, 109, 113, 122, 243, 337, 339, 444, 469, 471, 474, 562, 575, 592, 628 Oberkaufungen 268 Obermöllrich 220, 272–278, 282, 509, 571 Oberrieden 228 Obersuhl 229 Oberurff 123, 383, 594, 603 Obervelmar 97, 220, 411 Obervorschütz 220, 264, 394, 568, 571, 575 Oetmannshausen 60, 242, 295, 618 Olmütz (Mähren, Tschechische Republik) 407 Orferode 229, 295, 366 Paderborn, Stadt und Hochstift 21, 61, 75, 154 Pfalz, Kurfürstentum zur Pfalz und bei Rhein 29, 63, 65f., 70, 99f., 152f., 243, 293, 417, 475f., 627 Pfieffe 228, 300 Philippsthal (Werra) 235, 615 Plesse, Herrschaft 69, 71, 84f., 232f., 562 Prag 385, 428, 433, 446, 454, 537, 600f. Quentel

139, 144, 228, 330

Rambach 171, 183, 228, 310 Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein) 408 Reichenbach (Gemeinde Hessisch Lichtenau, Werra-Meißner-Kreis) 205– 207, 228, 230, 341, 348, 490 Reichensachsen 60, 76, 170, 182, 223f., 231, 242, 279, 295–297, 299, 302, 388, 390f., 394, 396, 472f., 615–618, 622, 628f. Remsfeld 321–324 Renda 60, 228, 279, 295, 312

Repositur 139, 244–246, 310, 330 Retterode 228 Reyershausen 84 Rheinfels 45, 58 Riede 264, 541, 544–546, 548, 550, 571 Rinteln 78, 80, 113, 471 Rockensüß 66, 312 Röhrda 58, 94, 228, 230, 232, 279, 293, 295, 416–418, 618, 622, 624–631 Römersberg 123, 274, 594, 603 Rommerode 441 Rommershausen Siehe Römersberg Romrod 72, 441 Ronshausen 229, 300 Rostock 153, 339 Rotenburg an der Fulda, Stadt und Amt 50, 54, 57f., 69, 71, 81, 85–91, 113, 117, 119, 122, 131f., 170, 174f., 179f., 185f., 190–202, 207–211, 215–218, 227–233, 237, 240–245, 247, 278, 279, 281f., 284f., 289–292, 294f., 303, 305, 312–314, 318, 380, 401, 410, 426, 440f., 445, 534, 545, 562, 572, 574, 577, 615–618, 620, 626, 629–631, 635–637 Rotenburger Quart 71–73, 186, 225, 295, 429, 454, 554, 625, 627, 636 Rüsselsheim 112, 629 Sababurg Siehe Zapfenburg Sachsen, Kurfürstentum 23, 28, 30–33, 37f., 41, 48, 63, 153, 156, 186f., 216, 227, 247f., 279, 288, 290–292, 297, 301, 311, 313, 362, 404, 408, 430f., 473, 551–560, 583, 605f., 608–610, 612, 624 Sachsen-Coburg, Herzogtum 551 Sachsen-Eisenach, Herzogtum 216, 290, 292–294, 313, 473, 551–553, 555f. Sachsen-Gotha, Herzogtum 23, 78 Sachsenhagen, Amt (Grafschaft Schaumburg, heutiges Niedersachsen) 78 Sachsen-Weimar, Herzogtum 553 Sand (Gemeinde Bad Emstal) 188, 220, 421, 514f., 517f., 520f., 524, 526, 571 Sangerhausen 556 Sattenhausen 228 Sayn-Wittgenstein, Grafschaft 450, 459

Ortsregister

Schachten (Gemeinde Grebenstein, Landkreis Kassel) 169f., 180, 540 Schaumburg, Amt 78 Schaumburg, Grafschaft 78, 113, 471 Schemmern 228 Schenklengsfeld 86, 236 Schmalkalden, Stadt und Herrschaft 52, 57–59, 69, 73, 77f., 85–87, 89, 121f., 136, 146, 230, 242f., 279, 307, 312, 316, 448, 463, 561f., 565–567, 576, 579, 584, 586, 592, 594, 611, 617, 620f. Schnellmannshausen 216, 313, 551–556, 558, 572 Schön, Andreas, Pfr. Schwebda, Heuchelheim 620f. Schönstein, Amt 69, 83, 562, 571 Schwarzenborn, Stadt und Amt 69, 83, 562, 564f., 569, 571, 577, 581 Schwebda 171, 178, 226, 228, 230, 245, 295, 303, 308, 341, 363, 389, 393, 415f., 615, 618–621, 624, 627, 630, 637 Seifertshausen 229 Simmershausen (Gemeinde Fuldatal, Landkreis Kassel) 97, 220, 411 Sipperhausen 145, 323–326, 576 Solz 185, 229, 618 Sontra, Stadt und Amt 66, 69, 71, 85, 90, 115, 121f., 130, 138, 144, 180, 185, 196, 225, 227–230, 242, 279f., 289, 312, 410, 445, 562, 572, 577, 618 Sooden (Gemeinde Bad Sooden-Allendorf) 122, 198f., 206, 242f., 280–282, 333 Spanbeck 84f. Spangenberg, Stadt und Amt 32, 85, 171, 174, 198, 228, 238, 240, 242, 300, 315, 562, 571 Spieskappel 69, 223, 280, 449f., 561 St. Goar 32, 45f., 56, 81, 243 Stadthagen, Amt 78 Tennstedt 556–560 Thurnhosbach 300, 618 Torgau 432, 572f., 578, 582–584

717 Treffurt, Stadt und Ganerbschaft 37, 71, 186f., 215f., 227, 247f., 288f., 301, 313, 362, 414, 473, 551–560, 572, 640 Trendelburg 84, 158, 220, 265, 269, 411, 421, 434 Treysa 38, 54, 69, 83, 120, 136f., 150, 223, 233, 252f., 262f., 322, 344, 360, 373–375, 378, 426, 434, 444, 463, 468, 561f., 564, 572, 591, 594, 604, 611, 613, 615 Trockenerfurth 336, 340 Trusen (Gemeinde Brotterode-Trusetal, Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Thüringen) 562 Uengsterode (Gemeinde Großalmerode, Werra-Meißner-Kreis) 60 Ulfen 279 Unterbillingshausen 84 Unterrieden 228 Vacha 69, 85, 180, 196, 198, 242, 278f., 312, 561, 592 Velmeden 228, 441 Verna 356 Völkershausen 60 Vollmarshausen (Gemeinde Lohfelden, Landkreis Kassel) 268, 321 Wabern 233, 274, 339 Walburg 228, 490 Waldeck, Grafschaft und Schloss 41, 126, 223, 242, 266, 268, 500f., 503, 507–509, 512–515, 517–526, 528–531, 534–550, 571, 603, 639 Waldkappel 85, 122, 138, 144, 174, 180, 196, 238f., 242, 288, 318, 330, 343, 371, 572 Wanfried, Stadt und Amt 71, 228, 246, 291, 298, 414f., 445 Wasenberg 256f., 404 Wattenbach 298 Wehren 93, 220, 534, 571 Wehrshausen 344 Weidenhausen (Gemeinde Meißner, Werra-Meißner-Kreis) 309f.

718 Weimar (Gemeinde Ahnatal, Landkreis Kassel) 97, 220, 411, 479 Weisbrot, Caspar Rudolph, Pfr. Lichtenau 139, 170, 330, 333, 396f. Weißenborn 228 Weißensee (Thüringen) 556 Wellingerode (Gemarkung Mitterode, Gemeinde Sontra, Werra-MeißnerKreis) 289 Werkel 571 Westfalen 75, 341, 435, 529 Wettesingen 265 Wichdorf 571 Wien 447, 454, 531, 532 Wildungen 123, 274, 283, 520, 526f., 543, 607 Wilhelmshausen (Gemeinde Fuldatal, Landkreis Kassel) 479 Willershausen 278f., 294f. Willingshausen 256f., 259f. Wipperode 60 Witzenhausen 71, 85, 90, 196, 228, 242, 278, 288f., 298, 407, 574 Wolfenbüttel 70, 410

Ortsregister

Wolfhagen 84, 138–140, 142, 144, 188, 220, 265–268, 328–332, 361, 408, 411, 421, 480, 546, 548 Wolfsanger 97, 220, 233, 360, 408, 411 Wollrode 228 Wommen 618, 624 Würzburg, Bistum 61 Zahna (Kurfürstentum Sachsen, heute im Landkreis Wittenberg, Sachsen-Anhalt) 311, 404 Zapfenburg 84, 132, 142, 265, 421, 503, 509, 526f., 530f., 547 Ziegenhagen 228 Ziegenhain, Grafschaft 36, 54, 67, 73, 82– 84, 233, 280f., 386, 429, 437, 563 Ziegenhain, Stadt und Amt 33f., 54, 69f., 82–84, 94f., 120, 136f., 161, 206, 223, 232f., 252–265, 280f., 322, 360, 373, 378f., 386, 409, 426, 428, 434, 444, 447, 463, 468, 561f., 564, 569, 571f., 594, 611 Zierenberg 84, 99, 220, 265, 328, 411, 421, 540 Züschen 41, 147, 184, 223, 264, 318, 499– 525, 527–537, 539–542, 544–550, 571, 639

Sachregister

Arminianer 63, 65, 129, 300 Augsburger Bekenntnis 39, 52, 64, 431, 448, 456f., 627 Bergleute 441f. Bestallung 66, 88, 90, 101, 110, 116, 118, 153, 233, 247, 312, 534, 537, 589 – Bestallungsbrief (Bestallungsurkunde) 101, 110, 116–118, 126, 235 – Bestallungsrevers 53, 66, 101, 110, 112, 116, 118, 126, 235, 312f. Bier 266, 287, 297, 305 Confessio Augustana Bekenntnis

Siehe Augsburger

Deutscher Orden 58f., 110, 206, 341–348, 350, 352f., 639 – Ballei Hessen 59, 342, 344, 352 Dordrechter Synode 63, 65f., 117, 129f. Exulanten 243, 591, 620 Exulantensteuer 243, 273, 290, 331, 591, 624 Generalsynoden, hessische 34–38, 40, 53, 56–58, 66, 72, 108, 129, 245, 312, 635 Gnadengeld Siehe Visitiergeld Gomaristen 63, 65 Hauptakkord, Hessischer 71–73, 77, 86, 128f., 290, 446, 462f., 535, 543, 561, 586f., 594f., 607, 611, 620, 631

Hospital 74, 104f., 214, 228–230, 251f., 270, 371f., 374, 376–378, 381, 399f., 448 Juden 216f., 246, 297, 469 Judenkatechismus, hessen-kasselscher Siehe Katechismus Judenordnung 217 Judenpredigt 217f., 282, 286 Kanonikat, Rotenburger 131, 175f., 380 Kanzlei 64, 72, 104, 108, 129, 131, 144, 188, 195, 202, 222, 272, 276, 304, 317, 336, 347, 374, 402, 466, 476, 508, 517, 521, 524f., 532, 540, 543, 553, 569, 589f., 597, 603, 621, 631, 650 Kapellknaben 44, 311 Katechismus 36, 62, 66, 79, 137, 146f., 205, 209, 251, 253, 258, 311f., 355f., 368, 553, 591, 598–601, 619 – Heidelberger 66, 267 – Hessischer 36, 57, 62, 66, 139, 146, 203, 204, 205, 209, 258, 259, 312, 510, 591, 598, 599, 619 – Judenkatechismus, hessen-kasselscher 217 – Lutherischer 45, 62, 209, 314, 599, 601f., 619 Kirchendisziplin Siehe Kirchenzucht Kirchenherrschaft (ius episcopale) 29, 46, 60, 64, 107, 207, 236, 247, 259f., 290f., 346, 353, 377, 384, 464, 482, 499, 511–513, 541, 549, 551, 554, 557, 559f.,

720

Sachregister

563, 566, 578, 582, 591, 608f., 620, 625, 627, 637 Kirchenordnung 19, 29, 35, 37, 39, 64, 66, 91, 98f., 102, 104–106, 146, 188, 190f., 197, 204, 210, 242, 249–252, 273, 293, 300–302, 307, 313, 319, 337, 363, 411, 435, 450, 459–461, 474, 479f., 482, 505f., 559, 565–567, 597, 600–602, 606f., 614, 633 Kirchenpatronat (ius patronatus) 60, 206, 236, 260, 270, 291, 314, 336, 340f., 343, 345–347, 353, 369, 384, 416f., 473, 511, 530, 555, 564, 576, 603, 615, 617– 619, 621, 624, 627, 632, 639 Kirchenzucht 24, 29, 30, 35, 101, 107, 135, 140, 211, 251, 261f., 272, 417, 543, 634 Klassenkonvent 82, 90, 92–94, 97, 169, 183, 228, 233, 258, 302, 504, 540, 635 – Konventsprotokoll 85, 92–94, 97f., 113, 123, 125, 136, 160, 165–167, 180, 188, 194, 220, 234, 276f., 308, 358f., 387f., 393, 412, 430, 435, 533, 535, 538f., 541, 546, 566–568, 570f., 575, 579, 622 Kollatur (ius collaturae, siehe auch Präsentationsrecht) 83f., 291, 319, 339, 345, 347, 351, 616, 625 Kontraremonstranten 65 Landesvisitation 294–296, 303–306, 338, 551, 556, 558, 560 Landrettungssteuer 120, 256 Lehen 34, 54, 71f., 78, 82–86, 93, 207f., 233f., 236f., 255, 278, 291, 293, 336, 340, 344, 346, 383, 386f., 395, 397–401, 417f., 446, 500–503, 508, 512, 542, 592, 602f., 627, 638 – Lehensbrief 206 – Lehensrevers 337f., 340, 346, 500f. Marburger Sukzession

49, 69, 290

Prädikantenwitwensteuer Siehe Witwensteuer Prager Frieden 75, 338, 450 Präsentationsrecht (ius praesentandi, ius conferendi, siehe auch Kirchenpatro-

nat) 260, 291, 294, 296, 313, 319, 327– 329, 344, 501, 530, 540, 545, 591f., 602f., 625 Predigerministerium Kassel 79, 124, 133, 135, 147, 199, 276, 372, 408f., 420, 423, 437, 450, 453, 458f., 462f., 465, 469, 476, 484f., 536, 597, 607, 612, 622, 624, 636 Rechnungsabhörung 90, 123, 159, 178, 185, 242, 260, 265, 268f., 272, 274, 278f., 283, 302, 378, 380, 384, 391, 393f., 403, 441, 599 Religionsgespräch 79f., 431, 456 Remonstranten 65 Repositur 27, 181, 218, 237, 240, 245f., 637 Salzwerk, Salzproduktion 192, 198, 280, 282, 442 Schule 23, 36, 42–45, 48, 53, 78, 90, 104f., 114, 117, 122, 146f., 156, 168, 171, 173, 179, 183, 204, 206, 215, 228, 230, 251, 264, 266f., 295, 310, 312, 327, 331, 363, 370, 388, 402, 430, 452, 488, 507f., 517, 552, 566, 616 Schulmeister 46, 66, 90, 114, 144, 179, 183, 209, 233, 240, 243, 251, 255, 295, 309, 310–312, 320f., 323, 330, 363, 368, 415, 507, 510f., 516f., 520, 552, 560, 562, 588, 598, 614, 619, 622, 630 Siechenhaus 228, 372 – Sondersiechenhaus 371 Siegel 112, 155, 170, 543 Simonie 296, 335, 337 Stipendiatengeld 177, 396, 398, 401, 443, 445f. Visitation (Kirchen-) 19, 21, 23, 25, 30, 45, 82, 91f., 94f., 105, 123, 137, 142, 145f., 159, 161, 166, 176f., 185, 223, 230, 232, 237, 242, 249–253, 255, 258–264, 266f., 269–272, 274–278, 280f., 283, 289, 293, 300–302, 321, 328, 338, 375, 378, 385–387, 396f., 399f., 419, 440f., 508, 513, 516, 551f., 557, 590, 599, 614, 629, 637

Sachregister

– Mittelpunktvisitation 123, 137, 232, 251–253, 256, 263, 278, 302, 386 – Obervisitation 102, 108, 203 – Synodalische Siehe Obervisitation Visitationsabschied Siehe Visitationsbericht Visitationsbericht 19, 24, 45, 252f., 255, 278f., 419 Visitationsfragen 23, 146, 251 Visitationsprotokoll Siehe Visitationsbericht Visitationsreise 120, 124, 137, 143f., 166, 252, 322, 604

721 Visitierbuch 178, 185, 237, 241f., 244, 247, 278f., 385, 441 Visitiergeld 83, 161, 223, 243, 281f., 334, 380, 442, 516 Visitierkutsche 161, 284f., 333, 637 Visitierrechnung 159, 223, 243–246, 252, 281f., 284–293, 516, 548, 637 Westfälischer Frieden 72, 77–79, 350, 471, 634 Witwensteuer 124, 130–133, 176, 220, 292, 380, 404, 620