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German Pages 144 [148] Year 1961
CREMER · PÄHL -
K I N E T I K DER
GASREAKTIONEN
KINETIK DER GASREAKTIONEN
PROFESSOR DR. E. CREMER
UND
VORSTAND DES PHYSIKALISCHCHEMISCHEN INSTITUTES DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
PROFESSOR DR. M. PÄHL F O R S C H U Ν G S S T E L L E F Ü R S Ρ E ICT R O S K O P I E IN D E R MAX-PLANCKGESELLSCHAFT, GÖTTINGEN
M I T 48 A B B I L D U N G E N U N D 17 T A B E L L E N
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. V O R M A L S G. J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A C S H A N D L U Ν G · J . G U T Τ Ε Ν Τ A G, V E R L A G S B U C H H A N D L U N G · G E O R G R E I M E R • K A R L J. T R Ü B N E R VEIT & COMP.
BERLIN
1961
© Copyright 1961 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · K a r l J. Trübner • Veit & Comp., Berlin W 30, Genthiner Straße 13. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen
Nachdrucks, der photomechanischen
und der "Übersetzung, vorbehalten.
Printed in Germany
—
Wiedergabe, der Herstellung von
Mikrofilmen
Archiv-Nr. 52103 61 — Satz und
Druck:
Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30
DEM MAX
ANDENKEN
AN
BODENSTEIN GEWIDMET
Vorwort Die Anregung, in deutscher Sprache eine kurze zusammenfassende Darstellung über die Kinetik der homogenen Gasreaktionen abzufassen, ging von Prof. Karl Friedrich
BONHOEFFEK
aus, der leider die Fertigstellung des Manu-
skriptes nicht mehr erleben durfte. Es war hierbei besonders vorgesehen, der grundlegenden Ergebnisse von Max
BODENSTEIN
ZU
gedenken, insbesondere
derjenigen, die bisher nur verstreut in seinen Originalveröffentlichungen zu finden sind. Aus diesem Grunde wurde als erster Autor ein Schüler von BODENSTEIN
ausersehen.
In diesem Buche sollen die theoretischen Grundlagen der Gaskinetik soweit entwickelt werden, wie es in elementarer Form möglich ist, um dann an Hand von ausgewählten klassischen Beispielen dem Leser die methodischen Prinzipien aufzuzeigen, nach denen reaktionskinetische Probleme angefaßt und bearbeitet werden. Die Autoren sind sich dessen bewußt, daß die Auswahl der Beispiele völlig subjektiv erfolgt ist. Sie sind jedoch der Meinung, daß dies in einer Grundrißdarstellung, die nur das Wesentlichste enthalten kann, erlaubt sei. Die rein theoretischen Kapitel sind so gehalten, daß keine Durchrechnung größere mathematische Kenntnisse erfordert, als die jedem Chemiker geläufigen thermodynamischen Rechnungen. Schwieriger abzuleitende Gleichungen werden nur angegeben und ihr Sinn erläutert. Bei der Darstellung der kinetischen Gastheorie sind diejenigen Formeln durch Einrahmung hervorgehoben, die nachher öfter gebraucht werden. Der physikalisch weniger interessierte Leser kann die Ableitung solcher Formeln zunächst überschlagen. Die verschiedenen Kapitel des Buches sind in sich nahezu geschlossen und aus diesem Grunde die Gleichungen nur in jedem Kapitel einzeln durchnumeriert. Wo in seltenen Fällen auf Formeln aus früheren Kapiteln Bezug genommen wird, ist die Bezeichnung des Kapitels vorangestellt, ζ. B. bedeutet I I I 4 , 7 Formel 7 aus Teil I I I Kapitel 4. Für wertvolle Diskussionen und Beiträge zum Teil I I I B , Kapitel 14 u. 15, möchten wir Herrn Dr. W.
KLEINPAUL
besonders danken. Ferner gilt unser
Vili
Vorwort
Dank den Assistenten und Studenten des Physikalisch-chemischen und des Anorganisch-chemischen Instituts der Universität Innsbruck, die bei der Besprechung des Manuskriptes im Rahmen eines Seminars mehrfach Anregungen zu einer klareren Fassung des Textes gegeben haben.
Innsbruck und Hechingen, Juli 1960
E . CKEMER · M . P Ä H L
Inhaltsübersicht Seite
Verzeichnis der verwendeten Symbole
XI
Wichtige G r u n d k o n s t a n t e n u n d Maßeinheiten
XVI
I. A l l g e m e i n e r Ü b e r b l i c k
1
1. Einleitung
1
2. T h e r m o d y n a m i k u n d K i n e t i k
2
3. Voraussetzungen f ü r die chemische R e a k t i o n
3
Π. P h ä n o m e n o l o g i s c h e B e s c h r e i b u n g u n d a l l g e m e i n e D i s k u s s i o n von R e a k tionsmechanismen
7
1. Begriff der Reaktionsordnung
7
2. Diskussion einfacher Reaktionsordnungen 3. Meßanordnungen zur Bestimmung des zeitlichen Verlaufes einer R e a k t i o n .
9 .
4. Bestimmung der Reaktionsordnung aus den Meßdaten a) b) c) d) 5. 6. 7. 8.
Bestimmung Bestimmung Bestimmung Bestimmung
aus aus mit aus
dem Differenzenquotienten der integrierten Geschwindigkeitsgleichung Hilfe der Halbwertszeit dimensionslosen Größen
Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der R e a k t i o n Die zusammengesetzten Reaktionen Die S t o f f k e t t e (Kettenreaktionen mit u n d ohne Verzweigung) Reaktionsschema u n d Geschwindigkeitsformel a) Reaktionsschema m i t Folgereaktionen b) Reaktionsschema mit Folge- u n d Nebenreaktionen c) Reaktionsschema mit Folge, Neben- u n d Gegenreaktionen
III. T h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e n A. E l e m e n t a r e k i n e t i s c h e G a s t h e o r i e 1. 2. 3. 4.
5. 6. 7.
8.
Allgemeine Voraussetzungen Der BoLTZMANN-Faktor Herleitung der Energieverteilung aus dem BoLTZMANN-Prinzip Verteilungssätze der Molekulargeschwindjgkeiten u n d Energien. Kinetische Definition der T e m p e r a t u r a) Geschwindigkeitsverteilung b) Energieverteilung u n d T e m p e r a t u r Kinetische Ableitung der Zustandsgieichung u n d Zahl der Wandstöße . . . Mittlere freie Weglänge u n d Wirkungsquerschnitt Stoßzahlen im Gasraum a) Zweierstöße b) Dreierstöße Transportphänomene
13 19 19 21 22 22 23 24 25 26 27 28 33 36 36 36 37 39 43 43 48 49 52 55 55 56 59
χ
Inhaltsübersicht Seite
Β. S p e z i e l l e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e n d e r R e a k t i o n s k i n e t i k 9. Reaktionsgeschwindigkeit beim Zweierstoßmodell, kinetische Ableitung der AEEHENiusgleichung
63 63
10. Die wellenmechanische Betrachtungsweise
69
11. Möglichkeiten der Aktivierung
71
a) Aktivierung durch Quantensprung
71
b) Aktivierung bei adiabatischem Verlauf
71
12. Berechnete Absolutwerte von Aktivierungsenergien
75
13. Berechnete Absolutwerte der Geschwindigkeitskoeffizienten für den Reaktionstyp X + + Y H - X H + + Y
79
14. Energieübertragung bei Stößen
84
15. Die Energiekette
86
IV. E x p e r i m e n t e l l e r T e i l
SO
1. Die Reaktion zwischen einem Atom und einem Molekül Beispiel : Umwandlung von Parawasserstoff durch H-Atome
90 90
a) Allgemeines
90
b) Messungen bei hoher Temperatur
92
c) Messungen bei niedrigen Temperaturen
93
d) Nachweis von freien Η-Atomen und Bestimmung der Geschwindigkeit von Gasreaktionen mit atomarem Wasserstoff 2. Reaktion zwischen zwei Molekülen Beispiel: Bildung und Zerfall von Jodwasserstoff 3. Kettenreaktion ohne Gegenreaktionen Beispiel: Chlorknallgasreaktion a) Die Geschwindigkeitsgleichung der Lichtreaktion
96 96 99 99 99
b) Bestimmung der Quantenausbeute und der Kettenlänge
102
c) Absolutbestimmung der einzelnen Geschwindigkeitskonstanten
105
d) Bemerkungen zum Kettenabbruch
106
e) Die thermische Chlorwasserstoffbildung
107
f ) Allgemeine Ergebnisse
108
4. Kettenreaktion mit vorgelagertem Gleichgewicht Beispiel: Bromwasserstoffbildung 5. Monomolekulare Zerfallsreaktionen
108 108 111
Beispiel: Thermischer Zerfall gasförmiger organischer Moleküle
111
a) Direkter Zerfall in die Erdprodukte
111
b) Zerfall über Radikalketten
115
6. Ionen-Molekül-Reaktionen
Sachregister
94
117
a) Elektronenstoß-Ionenquelle
118
b) Glimmentladung
121 125
Verzeichnis der verwendeten Symbole A A
beliebiger Reaktionspartner, 4 uff.*) „^.-Faktor" (Frequenzfaktor, Aktivitätskoeffizient, Entropiefaktor) der A R R H E N i u s s c h e n Gleichung, 23 uff. A Konstante der BoLTZMANNschen Energieverteilung (reziproker Wert des Zustandsintegrals), 38, 42f. A(r) (α, b,c) CouLOMBscher Anteil der Gesamtbindungsenergie zwischen 2 Atomen im Abstand r(a, s, b, c), 75f. AB beliebiger, aus zweiatomigen Molekülen bestehender Reaktionspartner, 4 uff. AB* Reaktionspartner AB in aktiviertem Zustand, 65 r a Stoßradius (a = r1 + i> r2 • • • Radien der Stoßpartner), 53ff., 57, 61 a Anfangskonzentration der Ausgangssubstanz X bei einer chemischen Reaktion, 9ff., 22 Β beliebiger Reaktionspartner, 4 uff. b Stoßparameter (Abstand der geraden Bahn eines Teilchens von einer Parallelen durch das Stoßzentrum), 81 f. b0 kritischer Wert des Stoßparameters b, 81 C beliebiger Reaktionspartner, 4 uff. C SuTHERLANDsche Konstante (Verdoppelungstemperatur), 61, 64 f. c reduzierte Geschwindigkeit der MAXWELLschen Geschwindigkeitsverteilung, 45 ff. D Dissoziationsenergie, 72 D' Summe aus Dissoziationsenergie und Nullpunktsenergie, 72 kritischer Abstand der Teilchen beim Dreierstoß, 57, d 58, 59 d nach E Y R I N G Strecke, die ein aktivierter Komplex auf der Höhe des „Energieberges" mit der Geschwindigkeit ν durchläuft, 70, 71
*) Das Zeichen uff. ( = unterbrochen fortlaufend folgend) nach der angegebenen Seitenzahl bedeutet, daß das betr. Symbol von dieser Seite an das ganze Buch hindurch verwendet wird.
XII
Verzeichnis
E Eie Ερ E0 E12 Er(at 6, c) Ei e F
der verwendeten
Symbole
Gesamtenergie (eines Moleküls), 37f., 48, 62 kinetische Energie, 4 uff. potentielle Energie, 4 uff. Aktivierungsenergie, 4 uff. relative kinetische Energie zweier Teilchenarten Gesamtbindungsenergie zwischen 2 Atomen im Abstand r (a, b, c), 75f. Energie eines i-ten Quantenzustandes, 80 Elementärladung, 50 Freie Energie, 43
fi' fi' f i • • • Produkte aus Geschwindigkeitskonstanten und Konzentrationen von Reaktionsteilnehmern bei der Berechnung von Kettenreaktionen, 31 g Relativgeschwindigkeit zweier Teilchenarten mit den Geschwindigkeiten öj, Ö2, 81 f. H Enthalpie, 2 uff. h PLANCKsches Wirkungsquantum, 38, 68, 70ff. Iabsabsorbierte Lichtmenge, 99, 107, llOf. Κ Gleichgewichtskonstante für eine chemische Reaktion, 2 uff. K* Gleichgewichtskonstante für das Gleichgewicht zwischen aktiviertem Zustand und Grundzustand nach van't H O F F , 67f., 70 Κ+ Gleichgewichtskonstante für das Gleichgewicht zwischen aktiviertem Komplex und reagierenden Molekülen nach E Y E I N G , 70f. k Geschwindigkeitskoeffizient (Geschwindigkeitskonstante) einer chemischen Reaktion, 8 uff. kí,ki, h2 Geschwindigkeitskoeffizienten für einzelne Teilreaktionen, 27 uff. £max maximaler Geschwindigkeitskoeffizient für den Fall, daß jeder gaskinetische Stoß zur Reaktion führt, 56, 63 f. k BoLTZMANNschc Konstante, 5 uff. M M m m 12 m* Ν N* N1
Molmasse, 46 uff. Stoßpartner, der nicht in die Bruttogleichung eingeht, ζ. Β. beim Dreierstoß, 100, 106, 109ff. Molekülmasse, 44ff., 80 reduzierte Masse, 55 f. Masse des EYRiNGschen aktivierten Komplexes, 70ff. Anzahl von Molekülen (allgemein), 7uff. Anzahl von aktivierten Molekülen, die eine Energie > E haben, 86 Anzahl der Moleküle im Einheitsvolumen, 37
Verzeichnis der verwendeten
XIII
Symbole
Na
AvoGADROsche Zahl (Anzahl der Moleküle im Mol),
NL
LoscHMiDTsche Zahl (Anzahl der Moleküle pro cm 3
37 uff.
n*
unter Normalbedingungen), 50 Anzahl der Moleküle in einem bestimmten Beobachtungsraum V, 37 f., 50 Nullpunktsenergie (Schwingungsenergie am absoluten Nullpunkt), 72 Reaktionsordnung, 8 uff. Anzahl der Moleküle pro cm3 (numerische Gasdichte in cm- 3 ), 49ff. Konzentration der aktivierten Moleküle N*, 67, 70,
Pj, P2 ρ
Gesamtdruck eines im Volumen V befindlichen Gasgemisches, 52 Partialdrucke einzelner Komponenten, 52 Druck (allgemein), 7 uff.
Ny N0 η η
Ρ
q
R
r0
Τ t
V ν
Temperaturinkrement chung, 23 uff.
der
ARRHENiusschen
Glei-
Gaskonstante, 2 uff.
EG r
S s0
86 ff.
s
E0 besitzt, 85f., l l l f . w Wahrscheinlichkeit (allgemein), 26 uff. w wahrscheinlichste Geschwindigkeit nach Maxwell,45 f. X (-Xj, X2) beliebiger Reaktionspartner, 7 uff. X aktiver Zwischenkörper bei einer mehrstufigen Kettenreaktion, 27 ff. XY zweiatomiger Reaktionspartner, 73 χ {xu x2) Konzentration eines Reaktionspartners in mol/1, 7uff. χ Kettenlänge (Anzahl der Kettenglieder), 26, 103ff. Y bei einer chemischen Reaktion entstehendes Endprodukt, 11 uff. Y aktiver Zwischenkörper bei einer mehrstufigen Kettenreaktion, 27 ff. y Konzentration des Endproduktes Y in mol/1, 11 uff. Ζ bei einer Kettenreaktion entstehendes Endprodukt, 27 ff. ζ Anzahl der Stöße eines Moleküls (z.B. bis zur Desaktivierung), 85 212 Zahl der Zweierstöße pro cm 3 und sec, 55f., 63 « 12 * Zahl der erfolgreichen Zweierstöße, 63ff. z 123 Zahl der Dreierstöße pro cm 3 und sec, 57 f. zw Zahl der Wandstöße pro cm 3 und sec, 56 z0 Zustandssumme eines Systems, 41 f. Ws*
λ oc !X(r) E besitzen, 87 f. mittlere Stoßzahl einer Teilchenart, 54 mittlere Stoßzahl eines Teilchens der Sorte I mit Teilchen der Sorte 2 Zeit, während der ein Teilchen in angeregtem Zustand bleibt, sofern keine Reaktion stattfindet, 87f. Transmissionskoeffizient (Stoßausbeutefaktor) nach Eybing, 67, 70f., 80 Transmissionskoeffizient für den Übergang vom i-ten in den /-ten Quantenzustand, 80 mittlere freie Weglänge, 52 ff. mittlere freie Weglänge, gegen ruhende Stoßpartner, 54
Verzeichnis der verwendeten Symbole
λρ λ12
mittlere freie Weglänge, beim Gasdruck P, 54 mittlere freie Weglänge, zweier Teilchenarten, 55 reduzierte Masse, 82 Anzahl der Mole in einem Reaktionsraum, 50 „Frequenzfaktor", Anzahl der Schwingungen, die ein Molekül pro sec ausführt, 68, 85, 11 Iff. Dichte (Molekülmasse. Teilchenanzahl pro cm 3 ), 61
( σ ΐ2) σ 12
gaskinetischer Stoßquerschnitt, 54ff., 63ff., 81 bei einer bestimmten Temperatur gemessener Wirkungsquerschnitt unter Annahme der Gasmoleküle als starrelastische Kugeln, 64 Wirkungsquerschnitt bei der Relativgeschwindigkeit g, 82 nach P O W E L L Zeitparameter, 22 mittlere Lebensdauer eines zerfallenden Stoffes, 10 Verweilzeit von Quasimolekülen in einer Potentialsenke (ζ. B. beim Dreierstoß), 59f. Lebensdauer angeregter Teilchen, 85 Zeit zwischen dem Entstehen aktiver Teilchen und der Reaktion, 87 f.
μ ν ν ρ σ
O(g) τ r r τ Ar
XV
Wichtige Grundkonstanten und Maßeinheiten*) Elektrische Elementarladung: e = 4,8020 · I O 1 0 eist. E. = 1,60203 · IO- 19 Coulomb BoLTzMANNSChe Konstante: k = 1,3805 · 10~16 erg.grad 1 PLANeKSches Wirkungsquantum: h = 6,623 · 10~27 erg. sec AvocADRosche Zahl: NA = 6,023 · l O - ^ m o l " 1 Gaskonstante : R = NA • k = 8,3146 · IO7 erg · mol" 1 · grad~ 1 = 1,9865 cal · mol - 1 · grad 1 = 82,06 cm 3 · atm · mol - 1 g r a d 1 FABADAïSche Konstante: F = NÄ • e = 96488 Coulomb · mol - 1 Molvolumen idealer Gase: (273,16° K, 1 Atm.) = 22,415 · 103 cm 3 · mol - 1 Kubischer Ausdehnungskoeffizient idealer Gase: = 273,Ιβ^ 1 grad 1 Absolute Wattsekunde (Joule) : (internationale Wärmeeinheit) : 1 J . (abs.) = IO7 erg = 0,23893 cal Internationale Wattsekunde (Joule): 1 J. (int.) = 1,00019 · IO7 erg = 0,23897 cal Elektronenvolt χ AvocADiiosche Zahl: 1 eV • ΝA = 23,06 kcal Masse des Protons: 1,6723 · 10"24 g Masse des Elektrons: 9,106 · 10~28 g Mikrobar: 1 ¿ufe = 1 dyn · cm - 2 = IO -6 bar Atmosphäre: 1 Atm = 1,01325 bar = 760 mm Hg = 760 torr Torr: 1 torr = 1,333 millibar Mikron: 1 μ = IO"3 torr = 1,3332 mikrobar *) vgl. auch Abschn. III 5 , S. 50!
I. Allgemeiner Überblick 1. Einleitung In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren die Eigenschaften der Gase experimentell genügend erforscht und die Erkenntnis vom atomistischen Aufbau der Materie bereits so weit fortgeschritten, daß die „klassische kinetische Gastheorie" von ihren großen Meistern C L A U S I U S , M A X W E L L und B O L T Z M A N N als fertiges Gebäude erstellt werden konnte. Damit war auch für die Chemie eine sichere Grundlage für die Entwicklung der „chemischen Gaskinetik" gegeben. So lehrten G U L D B E R G und W A A G E das chemische Gleichgewicht kinetisch zu verstehen, indem sie die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion gleichsetzten. A B E H E N rus gelang die Aufstellung und Deutung der nach ihm benannten Gleichung für die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Temperatur. Mit dem Anfang dieses Jahrhunderts beginnt dann das eigentliche Zeitalter der Kinetik. Es ist M A X B O D E N S T E I N , der mit seinen exakten Experimenten und ihrer klaren Auslegung als Pionier vordringt, die Kettenreaktionen entdeckt und so mit Recht „der Vater der Reaktionskinetik" genannt wird. Die Anwendung der Wellenmechanik auf reaktionskinetische Probleme, die späterhin namentlich von E Y R I N G und Mitarbeitern vollzogen wurde, führte zur Deutung des „aktivierten Zwischenzustandes" und zur theoretischen Voraussage der absoluten Größe von Reaktionsgeschwindigkeiten. In jüngster Zeit wurde auch der Nobelpreis an zwei „Kinetiker" — C . N. H I N S H E L W O O D und N . N. S E M E N O F F — verliehen und damit die große Bedeutung der Reaktionskinetik für Wissenschaft und Technik ganz besonders hervorgehoben. Die hier kurz skizzierte Geschichte der Reaktionskinetik kann in diesem Buch nur gestreift werden. Auch soll keine Aufzählung der vielen bereits kinetisch untersuchten Systeme gebracht werden. Hier muß der Leser auf die bereits erschienenen, umfangreichen Spezialwerke verwiesen werden. Die Zielsetzung dieses Buches ist viel bescheidener: Es soll eine Einführung geben in die Behandlung reaktionskinetischer Probleme, eine praktische und theoretische Anweisung für die Messung der notwendigen Größen und für die Durchführung einer kinetischen Analyse, die in der Aufklärung des Reaktionsweges und in der Bestimmung charakteristischer Konstanten gipfelt. Die Anwendung der Kunst, die hierdurch erlernt werden soll, bleibt dann nicht auf die Behandlung von Gasreaktionen beschränkt. Die Gaskinetik ist die Grundlage jeder Reaktionskinetik. Die in den einfachen „klassischen" Beispielen gebrachten Methoden sind grundsätzlich auch auf die Reaktionen in Flüssigkeiten und schließlich auf die heute so wichtigen Polymerisationsreaktionen anwendbar. In jüngster Zeit wurde noch ein weiteres großes Arbeitsgebiet für den Gaskinetiker erschlossen: Die Kinetik der Plasmareaktionen, die sich in Gasentladungen zwischen Ionen und neutralen Molekülen abspielen, oder zur sekundären Ionenbildung aus angeregten neutralen Partnern führen. 1
C r e m e r - P a h l , Kinetik
Allgemeiner Überblick
2
1,2
2. Thermodynamik und Kinetik Die Frage, ob eine chemische Reaktion ablaufen k a n n oder nicht, wird durch die Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichtes beantwortet. Betrachten wir ζ. B. die Knallgasreaktion 2 H2 + 0 2 ->- 2 H 2 0
(1)
2 H 2 0 ->- 2 H 2 + 0 2 ,
(2)
und ihre Gegenreaktion so ist jedem Chemiker geläufig, daß m a n einen nennenswerten Umsatz bei mäßigen Temperaturen nur in Richtung der Wasserbildung erzielen kann. Das Gleichgewicht 2 H 2 + 0 2 — 2 H 2 0,
(3)
charakterisiert durch die Gleichgewichtskonstante _
[H 2 0P [Η2]2·[02]'
W
liegt bei niedrigen Temperaturen ganz auf der Seite des Wassers. Die thermodynamische Behandlung, die auf V A N ' T H O F F zurückgeht, zeigt, daß die Lage des Gleichgewichtes, d. h. die Größe der Gleichgewichtskonstanten (Κ), durch die bei der Reaktion sich vollziehende Änderung zweier thermodynamischer Größen bestimmt ist : erstens durch die bereits von B E R Z E L I U S als wichtig erkannte Wärmetönung, die bei konstant gehaltenem Gesamtdruck in die thermodynamischen Formeln als Änderung der Enthalpie (Η) eingeht, und zweitens durch die Änderung einer Wahrscheinlichkeitsgröße, der Entropie (8), entsprechend dem Ausdruck: ι»AH ^ AS In K = - - w + - w .
(5)
Der Buchstabe Delta (A) soll hier andeuten, daß es sich um eine Differenz der Größen Η und 8 zwischen zwei Zuständen, dem Endzustand (Index E) und dem Anfangszustand (Index A) handelt. Es ist also AH = He—Ha,
AS = SE — SA.
Die Formel (5) zeigt, daß die Lage des chemischen Gleichgewichtes von zwei gegenläufigen Tendenzen bestimmt wird, die man als das Bestreben nach Verringerung der Energie (gemessen durch die Größe H) und das Bestreben nach Vermehrung der Unordnung (gemessen durch die Größe 8) bezeichnen kann. H a t die Rechnung ergeben, daß eine Reaktion in der gewünschten Richtung verlaufen kann, so ist noch keineswegs gesagt, daß sie auch mit meßbarer Geschwindigkeit verläuft. Wasserstoff und Sauerstoff ζ. B. lassen sich bei Zimmertemperatur als Gemisch lange aufbewahren, ohne daß sie zu Wasser reagieren. Es ist die Aufgabe der chemischen Kinetik, die Gründe zu erforschen, weshalb thermodynamisch mögliche chemische Reaktionen mit sehr verschiedenen Geschwindigkeiten verlaufen, und aus dieser Erkenntnis Voraussagen über die Bedingungen zu machen, bei denen man gewünschte Umsätze mit gewünschter Geschwindigkeit erzielen kann.
1,3
Voraussetzungen für die chemische Reaktion
3
Die chemische Thermodynamik vermag grundsätzlich nur Aussagen über statische Gleichgewichtszustände zu liefern, weil in den drei Hauptsätzen nur Energi ïbzw. Temperaturfunktionen und keine Zeitfunktionen auftreten 1 ). Zur Messung einer Wärmemenge im Kalorimeter genügt die Feststellung von Stoffmengdn durch Wägung und die Ablesung von Temperaturdifferenzen Τ2 — Tl an einem Thermometer. Sofern dabei zeitliche Temperaturverläufe mit Hilfe einer Uhr noch zusätzlich gemessen werden, dient dies lediglich dazu, die — durch Rühren beförderte — Einstellung der Gleichgewichtstemperaturen Ί\ und T,¿ möglichst exakt zu erfassen.
Die chemische Kinetik befaßt sich mit dem zeitlichen Ablauf von Reaktionen. Sie bedarf deshalb einer grundlegenden Theorie, die über den Rahmen der Thermodynamik hinausreicht und den Zeitablauf reversibler wie irreversibler Prozesse gleichermaßen erfassen kann. Eine solche Theorie liefert die molekularkinetische Betrachtung der Materie, die das Verhalten der Stoffe mikrophysikalisch beschreibt, indem sie von der Existenz und den Zuständen (Bewegungen mit eingeschlossen) der einzelnen Moleküle ausgeht. Die kinetische Theorie ist gegenüber der thermodynamischen als die fundamentalere anzusehen, weil sie erstens die molekulartheoretische (statistische) Begründung der Thermodynamik bildet und zweitens genaue Aussagen liefern kann über den zeitlichen Ablauf von Prozessen, der u. a. auch für die chemische Kinetik Gegenstand der Untersuchungen ist. 3 . Voraussetzungen für die chemische Reaktion
In diesem Buch soll nur die Kinetik der Gasreaktionen behandelt werden. Man hat hier verhältnismäßig durchsichtige Bedingungen, weil die kinetische Gastheorie im Verein mit der Quantentheorie der Moleküle (zumindest im Prinzip) alle erforderlichen Grundlagen für die Reaktionskinetik enthält. Im Gaszustand treten in einzelnen getrennten Elementarakten jeweils nur wenige Moleküle (zwei bis drei) miteinander in Wechselwirkung, wenn sie bei einem „Stoß" genügend nahe zusammentreffen, im übrigen aber bewegen sich die Moleküle in idealen Gasen kräftefrei, d. h. ohne Beeinflussung durch andere Nachbarn. Die Gesetze des gaskinetischen Stoßes sind weitgehend erforscht und man könnte deshalb erwarten, daß die im Experiment gefundenen Gesetzmäßigkeiten bei Gasreaktionen besonders einfach seien. Eine solche Hoffnung hat sich aber im allgemeinen bisher nicht bestätigt. Nur bei wenigen Musterbeispielen wie etwa der Jodwasserstoffbildung bei Atmosphärendruck H 2 + J 2 -- 2 H J
geht die Reaktion in einem einzigen Elementarakt vor sich, der durch die Bruttogleichung beschrieben wird. In den meisten Fällen verläuft die durch die Bruttogleichung dargestellte Reaktion in Teilschritten über irgendwelche Zwischenprodukte. Diese Reaktionsschritte verlaufen in einem Gasgemisch zeitlich nebeneinander und lassen sich experimentell oft nur schwer einzeln verfolgen. So bedarf es ζ. B. des Einsatzes besonderer Meßmethoden, um das Auftreten von Radikalen direkt nachzuweisen. Moderne Meßmittel für derartige Zwecke liefern u. a. die Spektroskopie und die Massenspektrometrie. 1 ) I m Gegensatz hierzu enthält ζ. B . die Elektrodynamik in den MAXWELLschen Grundgleichungen bereits die elektrische Stromstärke und kann deshalb auch zeitliche Zustandsänderungen quantitativ erfassen.
1*
4
Allgemeiner Überblick
1,3
Man könnte nun erwarten, daß es möglich sei, theoretisch die Geschwindigkeit einer Gasreaktion zu berechnen, wenn das Zusammenspielen sämtlicher Zwischenreaktionen und Zwischenpartner, die am Bruttoumsatz beteiligt sind, vollständig bekannt ist. Denn mit Hilfe der kinetischen Gastheorie läßt sich ohne weiteres berechnen, wie viele Stöße zwischen den verschiedenen Molekülen eines Gasgemisches von bekannter Zusammensetzung stattfinden. Aber auch in solchen Fällen hat die Erfahrung ergeben, daß unter gewöhnlichen Bedingungen bei weitem nicht jeder Stoß auch wirklich zur Reaktion führt. Das Auftreten gaskinetischer Stöße ist somit nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen einer Reaktion, wie bereits aus dem eingangs angeführten Beispiel der von selbst nicht reagierenden Knallgasmischung hervorgeht. Worin besteht nun die Hemmung, die verhindert, daß die Partner bei einem gaskinetischen Stoß auch chemisch reagieren ? U m diese Frage zu beantworten, müssen wir den Begriff der sogenannten ,,Alctivierungsenergie" einführen. Die quantitative Interpretation dieser Größe ist auf klassischem Wege nicht möglich , sondern verlangt bereits die Berücksichtigung der quantenhaften Energiestruktur der Moleküle. Jedoch stellt, allgemein gesprochen, der Betrag der Aktivierungsenergie eine Energieschwelle dar, die von den Reaktionspartnern erst überwunden werden muß, ehe sie beim Stoß miteinander reagieren können. Dies sei kurz am einfachen Beispiel einer bimolekularen Reaktion AB + C
>- AC + Β
erläutert. Die Reaktion soll bei konstanter Temperatur und ohne Entropieänderung verlaufen. Reaktionspartner (Stoßpartner im gaskinetischen Sinne) sind nach diesem Schema das Molekül AB und das Atom C, aus denen bei einem „wirksamen Stoß" die Reaktionsprodukte AC und Β entstehen. I m Gasraum besitzen die Partner v o r dem Stoß bestimmte Beträge an kinetischer Energie E t und potentieller Energie Ε ρ, deren Summe sich auf Grund der Energieerhaltung beim Stoß nicht ändert und deshalb gleich der Energiesumme der Reaktionsprodukte ist, gemäß EgeSamt
= + e P ( C ) + Ek{AB) + Ek(C) = Ep (AG) + Ep(B) + Ek(AC) + E k(B).
Als potentielle Energien kommen hauptsächlich in Betracht: Trennungsenergie von Bindungen, Schwingungsenergie, Elektronenbindungs- und Anregungsenergie. Wenn nun die gesamte potentielle Energie der Produkte kleiner ist als die der Partner, so wird zunächst die Reaktion „energetisch möglich" ganz entsprechend den Aussagen der Thermodynamik. Aus der Ungleichung Ep(AB)
+ Ep(C) > Ep(AC) + Ep(B)
(7)
dürfen wir aber nicht schließen, daß die Reaktion „freiwillig" bei jedem Stoß in der angegebenen Richtung verläuft. Die Energieverhältnisse für den Ablauf unserer Reaktion werden durch das Schema in Abbildung 1,1 veranschaulicht. Zwischen den Zuständen potentieller Energie der beiden Systeme AB + C und AC + Β besteht demnach eine Energieschwelle, zu deren Überwindung die Aktivierungsenergie E0 aufgebracht werden muß, deren Betrag in der Energiebilanz der Reaktion aber nicht auftritt, weil er nach Überschreiten der Schwelle wieder gewonnen wird. Die Energiebilanz selbst ist gegeben durch die Differenz zweier Gleichgewichtszustände Δ Η = EV(AB) -f EP(C) — EV(AC) — Ep(B). Für endotherme Reaktionen wird diese Differenz negativ und hat
1,3
Voraussetzungen
für die chemische
Reaktion
5
dann dasselbe Vorzeichen wie die Aktivierungsenergie. Für die endotherme Rückreaktion AC ΒAB + C muß also der Betrag Δ Η -f- Εo aufgewendet werden.
Eo EAB+eC ΔΗ
endotherm exotherm
e
+e
AC B
1
Abb. I, 1. Energieschema zur Erläuterung der Aktivierungsenergie
Die Aktivierungsenergie kann nun in mannigfacher Art dem System AB + G zugeführt werden. Eine Möglichkeit hierzu ergibt die Umwandlung von kinetischer in potentielle Energie beim Stoß, wenn Ek(AB) + Ek(C) ïg Εϋ. Weitere Möglichkeiten der Aktivierung liefern z . B . die Anregung der Reaktionspartner durch Einstrahlung von Licht (photochemische Aktivierung), wie bei der Chlor-Rnallgasreaktion, oder die Anregung durch Elektronenstöße in einer Glimmentladung. Stets muß also dem System AB + C in irgendeiner Form eine zusätzliche Energie zugeführt werden. Der Betrag dieser Aktivierungsenergie ist aber weitgehend unabhängig von der Temperatur des jeweils betrachteten Systems und deshalb eine charakteristische konstante Größe, die bei der Berechnung des temperaturabhängigen Geschwindigkeitskoeffizienten einer Reaktion eine wichtige Rolle spielt. Jedem Chemiker ist es geläufig, daß durch Temperaturerhöhung die Geschwindigkeit chemischer Umsätze beträchtlich gesteigert werden kann. Die Zahl der Stöße in einem Gase nimmt nach der kinetischen Theorie mit J/T zu, während die empirisch beobachtete Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit wegen der Notwendigkeit der Zuführung einer Aktivierungsenergie proportional einer e-Potenz von der Form e~E«lkT ist. Diese Erkenntnis stammt von A r r h e n i t j s und wurde schon vor der Aufstellung der Quantentheorie gewonnen. Mit der Einführung der Aktivierungsenergie haben wir nun eine sehr wesentliche Bestimmungsgröße für die Geschwindigkeit chemischer Umsetzungen erfaßt. Es bleibt jedoch noch zu erwähnen, daß zu alledem noch ein Wahrscheinlichkeitsfaktor hinzukommen kann, der u. a. berücksichtigt, daß nur begrenzte Stellen eines Moleküls reaktionsfähig sind, die beim Stoß jeweils räumlich gegen den anderen Partner ausgerichtet sein müssen. Dieser Faktor (auch „sterischer" Faktor genannt) ist aber nicht rein geometrisch zu deuten, er enthält vielmehr noch den Einfluß der in unserem Beispiel nicht berücksichtigten Entropieänderung, die mit einer Reaktion verbunden sein kann. Da ein jedes Gasvolumen durch Wände begrenzt ist, soll der Einfluß von Wandreaktionen gering bleiben gegenüber den Reaktionen im Gasraum selbst. Wir wollen hier nur die Kinetik der homogenen Gasreaktionen behandeln, müssen dann aber angeben können, wie hoch die Beteiligung von Wandreaktionen sein kann. Diese Frage läßt sich nun mit Hilfe der kinetischen Gastheorie klären, aus der folgt, daß
6
Allgemeiner
Überblick
1,3
d e r B e r e i c h d e r h o m o g e n e n G a s r e a k t i o n e n auf d a s G e b i e t n i c h t z u n i e d r i g e r G a s d r u c k e b e s c h r ä n k t bleibt, d. h. die m i t t l e r e freie W e g l ä n g e der Gasmoleküle m u ß s t e t s k l e i n g e g e n d i e A b m e s s u n g e n d e r G a s v o l u m i n a sein. Literaturhinweise 1. SCHUMACHER, H. J., Chemische Gasreaktionen, Verlag Steinkopff, Darmstadt, 1938. H., The Theory of Rate Processes, McGraw Hill Book Comp. Inc. (New York, London), 1941. 3. J Ü N G E R S , J . C., Cinétique Chimique Appliquée, Société des Éditions, Paris, 1958. 4. HINSHELWOOD, C. N., The Kinetics of Chemical Change, Clarendon Press, Oxford, 1945. 5. SZABO, Ζ. G., Fortschritte in der Kinetik der homogenen Gasreaktionen, Verlag Steinkopff, Darmstadt, 1960. 6. STEACIE, W. R., Atomic and Free Radical Reactions, Reinhold Publishing Corp. (New York), 1954. 7. SKRABAL, Α., Die chemische Reaktion, Band V., Homogenkinetik, Verlag Steinkopff, Darmstadt, 1941. 8 . K Ü C H L E R , L., Polymerisationskinetik, Verlag Springer, Berlin 1 9 5 1 . 2. GLASSTONE, S . , LAIDLER, K . J . , EYRTNG,
II. Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion von Reaktionsmechanismen 1. Begriîf der Reaktionsordnung Beim Ablauf einer chemischen Reaktion unterscheidet m a n zwischen Ausgangssubstanzen und Endprodukten. I n 1,2(1) s i n d z . B . H 2 und 0 2 die Ausgangssubstanzen, H ä O das Endprodukt. Die in der Reaktionsgleichung vorkommenden Stoffe bezeichnet m a n als Reaktionspartner oder Reaktionsteilnehmer. Die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) k a n n m a n definieren als Änderung der Zahl der Moleküle (Ν) eines Reaktionsteilnehmers mit der Zeit. RG = dN/dt Ist diese Änderung für einen der Reaktionspartner bekannt, so läßt sie sich für den anderen aus den stöchiometrischen Beziehungen berechnen. So ist ζ. B. für den in 1,2 (1) dargestellten Vorgang der Wasserbildung dNH¡í/dt = UNo2ldt F ü r die zahlenmäßige Angabe der Geschwindigkeit benützt m a n meist eine der Molekülzahl Ν proportionale Größe, die bei der Äusführung der Untersuchung als der sich ändernde Parameter gemessen wird, so ζ. B. die Konzentration in mol/liter, den Partialdruck in torr oder auch die bei der Analyse verbrauchten ml Titrierflüssigkeit. Eine laboratoriumsmäßig günstige Zeit ist die Minute, doch kommen als Zeiteinheit auch Sekunden, Stunden, Tage und J a h r e vor. Bei Vergleich verschiedener in der Literatur angegebener Reaktionsgeschwindigkeiten (RG) ist daher stets auf die Einheit zu achten, in der die Werte angegeben sind. Die Reaktionskinetik befaßt sich zunächst mit der Beantwortung der Frage, welche physikalischen Größen die Geschwindigkeit des Ablaufes einer Reaktion beeinflussen und welche funktionellen Zusammenhänge zwischen der RG u n d diesen physikalischen Größen bestehen. I n erster Linie handelt es sich hierbei um die Abhängigkeit von der Konzentration der Reaktionsteilnehmer und von der Temperatur. F ü r ein abgeschlossenes System gilt: RG = f(x, Τ)
(1)
RG = f(Px, Τ)
(2)
bzw. wobei χ für alle vorkommenden Konzentrationen [Χ], ζ. B. [H 2 ], [0 2 ], [H 2 0], und Vx f ü r alle vorkommenden Drucke, ζ. Β. ρh 2 , ρ o2, í>h2o, steht. Arbeiten wir bei konstanter Temperatur, so ist RG = f(x) bzw. RG = f{px).
(3) bzw. (4)
8
Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion von Bealctionsmechanismen 11,1
Die erste Aufgabe einer kinetischen U n t e r s u c h u n g besteht n u n darin, d u r c h systematische Variation der K o n z e n t r a t i o n e n aller Reaktionsteilnehmer die Abhängigkeit der Geschwindigkeit von diesen Konzentrationen zu ermitteln. D a b e i m u ß die T e m p e r a t u r innerhalb des gesamten R e a k t i o n s r a u m e s sorgfältig k o n s t a n t gehalten werden, d a kleine T e m p e r a t u r ä n d e r u n g e n die Ergebnisse s t a r k verfälschen können. E s wird zunächst die K o n z e n t r a t i o n (x) e i n e s Reaktionsteilnehmers variiert (während die K o n z e n t r a t i o n der übrigen Reaktionsteilnehmer n a c h Möglichkeit k o n s t a n t gehalten wird) u n d der U m s a t z im Verlauf kleiner Zeitintervalle bes t i m m t . Die Meßergebnisse lassen sich d a n n in der F o r m darstellen: (5)
— dx/dt = k• xn
wobei das Minuszeichen bedeutet, d a ß der Stoff X bei der R e a k t i o n v e r b r a u c h t wird. Man n e n n t n u n η die Ordnung der R e a k t i o n u n d k die Geschwindigkeitskonstante oder den Geschwindigkeitskoeffizienten. Die letztere Bezeichnung ist, obgleich n i c h t allgemein gebräuchlich, günstiger, weil die ermittelten „ K o n s t a n t e n " sehr o f t n i c h t k o n s t a n t sind. I n der angelsächsischen L i t e r a t u r wird k meist als „specific r a t e c o n s t a n t " bezeichnet. Verläuft die R e a k t i o n u n t e r den gewählten Bedingungen bis zum p r a k t i s c h vollständigen Verbrauch von X, so spricht m a n von einer vollständig verlaufenen R e a k tion. Sie ist nach dem eingangs Gesagten natürlich n u r möglich, wenn im Gleichgewicht lediglich verschwindend kleine Mengen von J v o r h a n d e n sind, was ζ. B . f ü r die Wasserbildung bei niedrigen T e m p e r a t u r e n zutreffen würde, χ wäre d a n n die Wasserstoffkonzentration oder die Sauerstoffkonzentration. Liegt das Gleichgewicht bei meßbaren K o n z e n t r a t i o n e n der Ausgangssubstanz, so k a n n die R e a k t i o n n u r unvollständig verlaufen. I n der Geschwindigkeitsgleichung h a t m a n d a n n die Gegenreaktion zu berücksichtigen : dx/dt —
Hinreaktion
Rückreaktion
(6)
I m Gleichgewicht ist dx/dt = 0. I s t τι = 1 , 2 , 3 usf., so spricht m a n von einer R e a k t i o n 1. Ordnung, 2. Ordnung, 3. Ordnung usw. W e n n mehrere Reaktionsteilnehmer v o r h a n d e n sind, deren K o n zentrationen m i t bezeichnet seien, so können alle diese K o n z e n t r a t i o n e n i n der Geschwindigkeitsgleichung, u n d zwar in behebigen Potenzen, v o r k o m m e n . So z.B.: — dx^/dt = k • χ*· x j • x3i (7) wobei m a n die R e a k t i o n als η-ter Ordnung n a c h Χ τ , ρ - t e r Ordnung n a c h X 2 u n d g-ter Ordnung n a c h X3 bezeichnet, η + ρ + q = r ist d a n n definitionsgemäß die Gesamtordnung der Reaktion. Diese k a n n m a n ζ. B. leicht d a d u r c h ermitteln, d a ß m a n bei k o n s t a n t gehaltener prozentualer Zusammensetzung des Reaktionsgemisches den Gesamtdruck variiert. Die Ä n d e r u n g der Reaktionsgeschwindigkeit ist d a n n proportional der r-ten Potenz des Druckes. Beispiel:
Die photochemische Vereinigung von Wasserstoff u n d Chlor: H 2 + Cl2 = 2 HCl
(8)
verläuft bei Gegenwart von Sauerstoff n a c h d e m Geschwindigkeitsgesetz
Jgff
Die R e a k t i o n ist also nullter Ordnung n a c h H 2 u n d HCl, zweiter Ordnung n a c h Cl 2 , minus erster Ordnung nach 0 2 . Die Gesamtordnung ist 2 — 1 = 1.
11,2
Diskussion einfacher
Reaktionsordnungen
9
Wir haben die Geschwindigkeitsgleichung in der Form geschrieben: dx1/dt = f(xltx2,x3.
. .),
(10)
d. h. den Differentialquotienten der Konzentration eines Reaktionspartners nach der Zeit als eine Funktion der Konzentrationen aller im Gemisch vorliegenden Komponenten ausgedrückt. Die Komponenten mit den Konzentrationen x2, x3 ... sind nun entweder Beimengungen, die zwar die Geschwindigkeit beeinflussen, aber in die Reaktionsgleichung nicht eingehen [wie 0 2 in (9)], und daher konstant, oder sie werden durch die Reaktion gebildet bzw. verbraucht [wie Cl2 in (9)]. In letzterem Falle lassen sie sich infolge der bestehenden stöchiometrischen Beziehungen als Funktionen jedes beliebigen anderen Reaktionsteilnehmers ausdrücken. Wir haben also bei einer Gleichung der Form (10) nur eine einzige Variable und können über diese integrieren. Setzen wir in Beispiel (9) [HCl] = xt, [Cl2] = x2, [0 2 ] = x3 und bezeichnen wir die Anfangskonzentration des Chlors mit a, so ist x2 = a — -S- und wir können, indem wir das konstante x3 in den Geschwindigkeitskoeffizienten einbeziehen, statt (9) schreiben : dx1 d t
=k'[a--±)
(11)
also eine Gleichung, die leicht zu integrieren ist. Das Integral zwischen 0 und x1 bzw. 0 und t lautet dann: 1
xx \
-=
2
a
(12)
2/ Die genaue Bestimmung der Roaktionsordnung in bezug auf alle die Geschwindigkeitsformel beeinflussenden Konzentrationen bringt uns zwei Vorteile: Erstens erhält man damit eine charakteristische Größe, den Geschwindigkeitskoeffizienten k, der nicht mehr von den zufällig bei einer bestimmten Messung vorliegenden Konzentrationen abhängt. Man kann die Größe k als „Normalgeschwindigkeit" auffassen, nämlich als Reaktionsgeschwindigkeit für den Fall, daß alle Konzentrationen den Wert 1 haben. Zweitens kann man nun die Reaktionsgeschwindigkeit als Funktion von Konzentrationen (Drucken) ausdrücken und erhält so eine Geschwindigkeitsgleichung, die weitere Schlüsse auf den Mechanismus zuläßt. Wie man von der Geschwindigkeitsgleichung zum Reaktionsschema gelangt, wird in späteren Kapiteln (S. 26ff.) gezeigt werden. Ein mit der Gleichung in Einklang befindliches Reaktionsschema ist aber zunächst nur plausibel und bedarf noch durch zusätzliche Feststellungen, ζ. B . den Nachweis postulierter Zwischenkörper, einer Erhärtung. E s besitzt stets nur einen mehr oder minder großen Grad von Wahrscheinlichkeit. 2. Diskussion einfacher Reaktionsordnungen Nullte Ordnung. Die nullte Ordnung ist definiert durch die Geschwindigkeitsgleichung — dx jdt = k
(1)
Die Integration dieser Gleichung zwischen den Grenzen 0 und t für die Zeit und x0 und xt für die Konzentration führt auf die einfache Beziehung xo
— xt = kt,
d. h. der Umsatz (a*0 — xt) ist der Zeit proportional.
(2)
10 Phänomenologische
Besehreibung
und allgemeine
Diskussion von Reaktionsmechanismen
11,2
Wird diese Ordnung bei einer Gasreaktion angetroffen, dann ist anzunehmen, daß die Reaktion als Wandreaktion verläuft, und zwar in einer Adsorptionsschicht, bei der bereits die maximale Belegung erreicht ist. Dann ändert sich die Zahl der adsorbierten Moleküle auch bei Erhöhung des Druckes nicht mehr. Bei komplizierten Reaktionen mit mehreren Reaktionsteilnehmern kann aber sehr wohl nullte Ordnung nach einem Reaktionspartner auftreten, wie wir dies bereits im vorigen Abschnitt IIj (S. 8) in dem in (9) gegebenen Beispiel der Vereinigung von Wasserstoff und Chlor gesehen haben. Daß ein gewünschtes Endprodukt G stets mit konstanter Geschwindigkeit anfällt, kann m a n dadurch erzielen, daß man alle Konzentrationen, die in die Geschwindigkeitsformel eingehen, künstlich konstant hält. Ein Beispiel hierfür ist in Abbildung II, 1 gegeben.
Erste Ordnung. F ü r die erste Ordnung lautet die Differentialgleichung — dx /dt = kx
(3)
und entsprechend die integrierte Form (wenn a der Wert von χ bei t = 0 ist) In— = — kt a oder als Exponentialfunktion geschrieben: χ = a • e~kt
(4) (5)
Für dieses Gesetz stellt der radioaktive Zerfall das ideale Beispiel dar. Aber auch sehr viele chemische Gasreaktionen verlaufen nach dieser Gleichung. Als Beispiele mögen angeführt sein: der thermische Zerfall von Nitrosylchlorid ( S C H U M A C H E R ) , von Stickoxydul ( H I N S H E L W O O D , V O L M E R ) und von Stickstoffpentoxyd. Die letztere Reaktion wurde von D A N I E L S und J O H N STON bis herab zu Drucken von Vio m m Hg untersucht (vgl. Abb. II, 2). Auch viele organische Moleküle — Äther, Alkohole, Aldehyde — zerfallen nach erster Ordnung, ζ. B. die von K I S T I A KOWSKY untersuchte Reaktion des Zerfalles von tertiärem Butylalkohol : — d[(CH3)3COH] /dt = k [(CH3)3COH] (6) Bei radioaktiven Stoffen, deren Zerfall e x a k t nach 1. Ordnung verläuft, wird In 2 die Größe —γ- ( H a l b w e r t s z e i t ) bekanntlich zur Charakterisierung des zerfallenden Atoms verwendet,
r = 1 ¡k ist die mittlere
Lebensdauer
des zerfallenden Stoffes.
11,2
Diskussion einfacher Reaktionsordnungen
11
s>
Abb. II, 2: Auftragung des Logarithmus des Ausgangsproduktes gegen die Zeit. Beispiel : Stickstoffpentoxyd-Zerfall nach D A N I E L S und JOHNSTON
[4]
l
(Zeit in
Minuten)
W i r d nicht die A b n a h m e der Ausgangssubstanz, sondern die Z u n a h m e a n R e a k tionsprodukt messend verfolgt, u n d bezeichnet m a n die jeweilige K o n z e n t r a t i o n des R e a k t i o n s p r o d u k t e s mit y, so erhält m a n + dyjdt = k(a — y)
(7)
oder i n t e g r i e r t : y
M Ô
t Cl
V
z
B, = A = Τ = M = V = a =
Reaktionsgefäß Analysengefäß Temperaturbad BoDENSTEiNmanometer Ausfrierventil f ü r Chlor Ansatz zur Einführung eines Trockenmittels s = Schliff
Abbildung II, 7 zeigt ein ebenfalls von B O D E N S T E I N konstruiertes Quarzventil, das ganz fettfrei arbeitet und bei hoher Temperatur ausgeheizt werden kann. Der Verschluß V besteht darin, daß eine Quarzkugel durch eine starke Feder in einen Quarzkonus gepreßt wird. Das Spiel für das Öffnen und Schließen des Ventils ist durch die tombakschlauchartige Verarbeitung des Quarzmantels gewährleistet. Die beste Gewähr für einen einwandfrei sauberen Abschluß eines Gefäßes bildet das Abschmelzen. Wenn die Abschmelzstellen in engen Kapillaren liegen, so ist der durch das Erwärmen zun Apparatur beim Abschmelzen verursachte Umsatz vernachlässigbar klein. Auch explosive Gemische reagieren nicht nennenswert während des Abschmelzvorganges, weil die Wand der engen Kapillare explosionshemmend wirkt.
Pumpe u.Mc Abb.
II, 7:
Quarzventil nach
BODENSTEIN
[17]
Abbildung I I , 8 zeigt eine Anordnung zur Füllung solcher Gefäße, wie sie von B O D E N S T E I N angegeben wurde. Die durch Kapillaren verbundenen „Kaninchen" werden längere Zeit mit dem Reaktionsgemisch durchspült unter Bedingungen, bei denen keine Reaktion stattfindet. Nach
11,3
17
Meßanordnungen zur Bestimmung des zeitlichen Verlaufs einer Reaktion
einer Durchspülzeit von einigen Stunden kann man annehmen, daß sich in allen Gefäßen ein Gemisch gleicher Zusammensetzung befindet. Die Kapillaren werden dann abgeschmolzen, die einzelnen Kaninchen durch Einbringen in einen Thermostaten (oder durch Belichten) verschieden lange Zeiten zur Reaktion gebracht. Die Analyse kann dann durch Aufbrechen der Kapillaren unter einer Titrierflüssigkeit (zur Chlorbestimmung ζ. B. Jodkaliumlösung) durchgeführt werden. Jede Analyse eines Kaninchens gibt einen Punkt in der Umsatz/Zeit-Kurve. Gasvorraf
Reinigung
'1
Zusafzgas
'(
\>
(k J\ ,Kaninchen
τί>•
^J
< k
Vï A -U |
Abb. II, 8: Anordnung zur gleichmäßigen Füllung einer Serie von Glasgefäßen, die durch Abschmelzen der Kapillaren getrennt werden können (nach B O D E N S T E I N [7])
Für das Wiederöffnen eines zugeschmolzenen Gefäßes kann man sogenannte „Zerschlageventile" anbringen, bei denen eine dünne Glaswand durch einen Bolzen zerschlagen wird. Letzterer hat am besten einen Eisenkern und wird dann von außen durch einen Magneten bewegt.
Bei abgeschlossenen Systemen ändern sich meist mit fortschreitender Reaktion alle Konzentrationen im Gemisch, die der Ausgangsstoffe ebenso wie die der Endprodukte. Da aber alle anwesenden Stoffe die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen können, ist immer zu empfehlen, Versuche durchzuführen, bei denen jeweils nur die Konzentration einer Komponente variiert wird und alle übrigen Konzentrationen konstant gehalten werden. Eine konstante mittlere Konzentration aller Reaktionsteilnehmer kann man erzielen, wenn man ein Gasgemisch durch einen Reaktionsraum strömen läßt, in dem während der Zeit des Aufenthalts der Gase in der Reaktionszone nur ein relativ geringer Umsatz stattfindet. Um in diesem Falle die Ausgangskonzentrationen zu variieren, ändert man die Strömungsbedingungen für die einzelnen Ausgangsgase oder setzt evtl. zur Verdünnung ein inertes Gas zu, wobei stets besonders zu prüfen ist, ob nicht auch Gase, die in die Stöchiometrie der Reaktion nicht eingehen, Einfluß auf die Kinetik ausüben. Eine Apparatur, die nach diesem Prinzip arbeitet, ist in Abbildung II, 9 gegeben. Auch sie wurde für die Untersuchung der Chlorknallgasreaktion verwendet, wobei gleichzeitig die Zahl der absorbierten Quanten gemessen bzw. die Chlorkonzentration aus der Absorption ermittelt werden konnte.
Die bei der Versuchsanordnung der Abbildung Π, 9 verwendete Messung der Lichtabsorption ist eine physikalische Methode, um die Konzentration eines Reaktionspartners ohne Eingriff in das System zu bestimmen. Auch Messungen im UV und UR, sowie die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit des Gemisches können mit Erfolg bei reaktionskinetischen Messungen angewendet werden. 2
Cremer-Pahl,
Kinetik
18
Phänomenologische
Beschreibung
und allgemeine
Diskussion
von Reaktionsmechanismen
11,3
N O R R I S H und P O R T E R [ 1 5 ] entwickelten in jüngerer Zeit die besonders erfolgreiche Methode der ,, Blitzbestrahlung ' '. Durch einen mit hoher Spannung erzeugten „Bütz" werden dem Reaktionsgemisch 10 21 Quanten in 10~ 6 Sekunden angeboten. Die Lichtabsorption des Gases kann dann durch schwächere Blitze in Abständen von 10~ 4 sec. photographisch registriert werden. Bei der Belichtung eines Gemisches von Chlor und Sauerstoff konnten auf diese Weise z . B . kurzlebige Radikale wie CIO und C l — 0 — 0 nachgewiesen werden.
+
Abb. II, 9 : Meßanordnung für strömende Gase (nach BODENSTEDT und SCHENK [6]) R.O. = Reaktionsgefäß, T.S. = Tauchsieder zur Erwärmung des Temperaturbades, T. R. = Thermoregulator, R. = Rührer, 0. = Glasplatte
H. S C H Ü L E R und Mitarbeiter [16] haben eine neuartige Methode für reaktionskinetische Untersuchungen an organischen Substanzen in der positiven Niederdruck säule von Gasentladungen entwickelt. Hierbei erfolgt durch Elektronenstoß eine primäre Anregung „isolierter" Moleküle unterhalb der Ionisierungsenergie. In der Entladung treten außer den Spektren der Moleküle auch solche von Dissoziationsprodukten (Radikalen) sowohl in Emission wie in Absorption auf. Diese Methode ist, da in der Gasphase gearbeitet wird, frei von allen Lösungsmitteleinflüssen und läßt gerade solche erkennen beim Vergleich mit flüssigen oder festen Lösungen derselben Substanz. Mit ihr gelang u. a. der Nachweis, daß aus Toluol zunächst das Benzylradikal C6H5CH2 entsteht und in einem nächsten Schritt durch Dimerisation des Benzyls das Dibenzyl. Beim Benzol konnte der Abbau über C 6 H 5 bis zu dem Biradikal C 6 H 4 (Dehydrobenzol) und die anschließende Dimerisation zu Diphenyl bzw. Diphenylen sichergestellt werden.
11,4
Bestimmung
der Reaklionsordnung
aus Meßdaten — aus dem Differenzenquotienten
19
4. Bestimmung der Reaktionsordnung aus den Meßdaten a) B e s t i m m u n g a u s d e m
Differenzenquotienten
Die Meßdaten werden zweckmäßig in einer Tabelle zusammengestellt (s. Tab. II, 2). Tab. II, 2. Schema für die Zusammenstellung der Meßdaten Meßpunkt Nr.
Zeit At
Partialdruck der Komponente X in Torr
1
0
500
2
5
460
3
15
426
Druckdifferenz
Δν χ
Mittlerer Druck Px
40
480
34
443
Man k a n n die Reaktionsordnung durch Auswerten von je zwei nebeneinander liegenden Meßpunkten „von P u n k t zu P u n k t " bestimmen. Man legt hierzu die Differentialgleichungen f ü r die verschiedenen Ordnungen zugrunde u n d setzt s t a t t der unendlich kleinen Änderungen dx (dt) die endlichen Änderungen Ax (At). Löst m a n die Gleichungen f ü r die nullte, erste und zweite Ordnung nach k auf, so erhält m a n f ü r Δχ
Δχ
ZAt
¿A t X
0. Ordnung: k = ——, f ü r 1. Ordnung: k —
_ u n d f ü r 2. Ordnung: k =
.
Δχ
.
ZdtX
χ ist hierbei die mittlere Konzentration der K o m p o n e n t e X in d e m betrachteten Konzentrationsinter vali. Sind die Intervalle klein, so genügt es, das arithmetische Mittel zu nehmen : S
= Y ^Anfang + *Ende)·
W
Liegen die Meßdaten als Drucke vor, so k a n n m a n sich die U m r e c h n u n g in Konzentrationen ersparen u n d in den obigen Gleichungen Apx a n s t a t t Ax u n d px a n s t a t t χ setzen (vgl. Tab. II, 2). I n die Dimension der K o n s t a n t e n geht d a n n [torr] s t a t t [mol] ein. Die Feststellung der Ordnung ist nur dann vertrauenswürdig, wenn sich bei dieser Auswertung für alle Zeitintervalle und bei einer Variation von x, die möglichst eine Zehnerpotenz und mehr betragen sollte, innerhalb der Fehlergrenze konstante h-Werte ergeben. Es ist besonders darauf zu achten, daß die Werte keinen systematischen Gang zeigen.
Der Mittelwert von k wird als Geschwindigkeitskonstante in der jeweiligen Dimension, ζ. B. [mol/min] f ü r 0. Ordnung oder [1/sec] f ü r 1. Ordnung angegeben. Man wird häufig nicht auf Anhieb die richtige Ordnung treffen. Man wird „Kons t a n t e n " erhalten, die nicht k o n s t a n t sind, sondern einen Gang zeigen. I s t χ die Konzentration eines Reaktionsteilnehmers, der mit der Zeit verschwindet, so bed e u t e t ein mit der Zeit fallender ¿-Wert, d a ß die benützte Gleichung einer zu niedrigen Ordnung entspricht, ein steigender fc-Wert, d a ß die Ordnung zu hoch gewählt wurde. Fallen die ¿-Werte bei einer Ordnung u n d steigen aber bei der nächst höheren an, so liegt die wahre Ordnung dazwischen. Man k a n n d a n n versuchen, durch Einf ü h r u n g eines nicht ganzzahligen Wertes f ü r η („gebrochene Ordnung") k o n s t a n t e k-Werte über den ganzen zeitlichen Verlauf der Reaktion zu erhalten. 2*
20
Phänomenologische
Beschreibung
und allgemeine Diskussion
von Beaktionsmechanismen
11,4
W e n n χ in weiten Grenzen variiert werden k a n n , läßt sich η auch aus einer der logarithmischen F o r m in (II 1 ; 5) entsprechenden A u f t r a g u n g ermitteln, indem m a n den log der Geschwindigkeit gegen den log der Konzentration χ a u f t r ä g t . log (dx jdt) = η log χ + log h
(2)
u n d durch die Meßpunkte eine Gerade legt, die die log x-Achse u n t e r dem Winkel φ schneidet. E s ist d a n n t g φ = η.
Zeigt sich die nach ganzzahliger Ordnung berechnete Konstante noch abhängig von der Konzentration der Reaktionsteilnehmer, so erweist es sich oft als zweckmäßig, diese Konzentrationsabhängigkeit durch Einführen additiver Glieder in Rechnung zu setzen, wozu man eine zweite —• oder auch dritte — Konstante benötigt. Tab. II, 3. Auswertung von Meßdaten zur Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten. Beispiel: Chlorknallgasreaktion im Licht bei Gegenwart von Sauerstoff (Meßdaten von CBEMEB) Vers. Nr.
ZeitPen intervall At in min Anfang
(torr) a
Ende
PCH
Pen
Pen10'2
*>Η2
Poi
kß • 10 4 kc · 10 5
6
20
168
114
54
141
200
227
22,2
30
10
20
147
110
37
128
163
192
36,3
41
16
8
15
147
121
26
134
178
219
41,1
40
14
7
30
105
142
60,7
49
15
9
20
159
59
15
83,5 141
21,5 18
94 150
88,5 225
208 146
14
Die Messungen sind in der Reihenfolge steigender Sauerstoffdrucke aufgeführt, die nicht gleich der zeitlichen Reihenfolge der Versuche ist. E s ist *JJ =
m
•
Vci2
[min-1],
k a = lcB (0,02 + \
_ Vcl2 PH 2 '
) [ m i n - 1 torr"*] !
Ein Beispiel aus der Kinetik des Chlorknallgases gibt Tabelle II, 3. Die nach der Formel von B O D E N S T E I N und D u x (II 1; 9) berechneten ks-Werte steigen mit po2Dieser Gang verschwindet, wenn im Nenner statt po 2 der Ausdruck (p 02 + 0,02 pCi¿) eingesetzt wird. F ü r die Bevorzugung der Differentialformel a n Stelle der Integralformel z u r B e s t i m m u n g der k-Werte lassen sich die folgenden G r ü n d e a n f ü h r e n : Die différentielle F o r m ist der m a t h e m a t i s c h einfachere Ausdruck u n d die physikalische Bedeutung der einzelnen K o n s t a n t e n ist in der integrierten F o r m o f t nicht mehr leicht zu erkennen. Die E r m i t t l u n g der K o n s t a n t e n ist bei der differentiellen F o r m meist mit geringerer Rechenarbeit verbunden als bei der integrierten F o r m . Die Integration gibt ferner einen über den ganzen Reaktionsverlauf v o m Z e i t p u n k t 0 an gemittelten Wert. Ein evtl. vorhandener Gang der K o n s t a n t e n k a n n sich daher der Beobachtung entziehen. Induktionsperioden oder katalytische Wirkungen, die zu Beginn der R e a k t i o n m i t großer Wahrscheinlichkeit a u f t r e t e n , fälschen die K o n s t a n t e . Kleine Abweichungen in der Geschwindigkeit, besonders a m E n d e der R e a k t i o n , entgehen der Beobachtung, da die berechnete K o n s t a n t e m i t dem Ballast der bis zum Zeitpunkt der Abweichung normal verlaufenen R e a k t i o n beschwert ist. Hingegen zeigt die „ P u n k t zu P u n k t " - K o n s t a n t e jede Abweichung sofort an. Allerdings sind die kleinen Konzentrationsdifferenzen Δχ m i t wesentlich geringerer Genauigkeit zu bestimmen als die Konzentrationen (χ) selbst, so daß die Methode der Differenzenquotienten m i t einem größeren relativen Fehler b e h a f t e t ist. Dies k a n n ihren W e r t u n t e r U m s t ä n d e n illusorisch machen.
11,4
Bestimmung der Reaktionsordnung
aus den Meßdaten — aus der
b) B e s t i m m u n g a u s d e r i n t e g r i e r t e n
21
Integralform
Geschwindigkeitsgleichung
In vielen Fällen, namentlich wenn einfache Geschwindigkeitsgleichungen zu erwarten sind, oder die Beobachtung kleiner Abweichungen im Reaktionsverlauf nicht angestrebt werden soll oder kann, ist die Auswertung nach der integrierten Geschwindigkeitsgleichung vorzuziehen. Hier wählt man mit Vorteil eine graphische Methode. Man benützt eine Darstellung, bei der — wenn die Reaktion nach der angenommenen Geschwindigkeitsgleichung verläuft — Gerade resultieren müssen. Dies wurde von H. S. TAYLOR auf dem Katalysekongreß in Lyon 1949 sehr treffend durch die Worte charakterisiert: „Wir suchen immer nach geraden Linien" (We always seek straight lines). Ein Blick auf Tab. II, 1 (S. 13) zeigt, daß folgende Werte gegen die Zeit aufgetragen gerade Linien ergeben müssen: χ gegen t
bei 0. Ordnung (vgl. Abb. II, 1, S. 10).
In χ gegen t
bei 1. Ordnung (vgl. Abb. II, 2, S. 11)
gegen t
bei 2. Ordnung (vgl. Abb. II, 3, S. 12)
Da bei allen Auftragungen als eine der Koordinaten die Zeit t auftritt, lassen sich die verschiedenen Auswertungen sehr eindrucksvoll in einem einzigen Diagramm darstellen, dessen Abszisse die Zeit ist und dessen Ordinate für jede Ordnung den jeweils zugehörigen Maßstab besitzt. Abbildung II, 10 zeigt eine solche Darstellung, wobei auch gebrochene Ordnungen in das Diagramm aufgenommen wurden. Bei der Auftragung, die der wahren Ordnung der Reaktion entspricht, erhält man eine Gerade, während die Auftragung nach zu hohen oder zu niedrigen Ordnungen gekrümmte Linien ergibt.
Reaktion 2. Ordnung Δ— Reaktion 1,5. -
20
W
60
80 l (Zeit in
100
120
W
·—
Reaktion
1.
—
v—
Reaktion 2h
-
•—
Reaktion 0
-
160
Minuten)
Abb. Π, 10: Diagramm zur Ermittlung der Reaktionsordnung. Auf der Abszisse ist die Zeit aufgetragen, auf der Ordinate diejenige Funktion, die bei Gültigkeit der betreffenden Ordnung im Diagramm eine Gerade ergibt.
22 Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion von Reaktionsmechanismen c) B e s t i m m u n g m i t H i l f e d e r
11,4
Halbwertszeit
Eine schnelle Orientierung über die Ordnung der Reaktion gestattet auch die Bestimmung der Druck- bzw. Konzentrationsabhängigkeit der Dauer des halben U m satzes. Aus T a b e l l e n , 1, Spalte 5, ist zu ersehen, daß für diese Abhängigkeit die Beziehung gilt: (3) D a bei idealen Gasen die Konzentration dem Druck proportional ist, kann m a n setzen : tlu~pi~n (4) Gleichung (4) gestattet also die Bestimmung von n, wenn für zwei verschiedene Drucke die Halbwertszeit bestimmt wurde. Verläuft die Reaktion nach 1. Ordnung, so ist ii/a druckunabhängig. Hier genügt allein die Angabe der Halbwertszeit für die Berechnung der Geschwindigkeit. d) B e s t i m m u n g a u s d i m e n s i o n s l o s e n
Größen
Einem Vorschlag von POWELL [10] folgend kann man die Ordnung auch aus der Auftragung dimensionsloser Größen bestimmen, die wie folgt definiert sind: Relative Konzentration : (5) Zeitparameter:
r = k • an~x t
(6)
Wie man sich leicht durch Vergleich mit Tabelle II, 1 überzeugt, gilt für die erste Ordnung
bzw.
In— = — kt a In α = — r
und für eine n-te Ordnung (η Φ 1) (η — l ) - r + 1 Da k und η zunächst nicht bekannt sind, kann τ aus den experimentellen Daten nicht berechnet werden. Trägt man aber α gegen log t auf, so ergibt sich eine Kurve, die in ihrer Form genau der zu der gesuchten Ordnung gehörigen Kurve im a/log r-Diagramm entspricht, nur um einen Betrag — log kan_1 parallel verschoben, da die logarithmierte Gleichung (6) die Form hat: log r = log t + log kan-x (7) Abbildung II, 11 zeigt die charakteristischen Kurvenverläufe für nullte, erste, zweite und dritte Ordnung sowie eine gemessene a/log ¿-Kurve, die durch Parallelverhiebung mit der Kurve 1. Ordnung zur Deckung zu bringen ist.
Abb. II, 11: Diagramm nach POWELL [10] zur Bestimmung von Reaktionsordnungen. Es wurde bei den Kurven 1, 2, 3 die relative Konzentration xja gegen eine relative Zeit k • an~1t aufgetragen, bei der Kurve a die relative Konzentration gegen t. Die Punkte von Kurve a lassen sich durcch Parallelverschiebung mit der Kurve 1 zur Deckung bringen
11,5
Bestimmung
der Temperaturabhängigkeit
der
23
Reaktion
5. Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Reaktion D a chemische Reaktionen eine sehr starke Temperaturabhängigkeit zeigen, ist eine Untersuchung der Reaktion bei verschiedenen genau konstant gehaltenen Temperaturen ein wichtiges Erfordernis einer exakten kinetischen Analyse. Diese Untersuchung soll nach Möglichkeit immer vorgenommen werden. Man benützt hierzu dieselbe Anordnung wie für die Bestimmung der Konzentrationsabhängigkeit, wobei der das Reaktionsgefäß umgebende Thermostat für jede Meßreihe auf eine andere Temperatur gebracht wird. Bei jeder Temperatur wird die Konzentrationsabhängigkeit bestimmt. Ergibt sich für alle Temperaturen die gleiche Reaktionsordnung, so läßt sich die Abhängigkeit des Koeffizienten 1c von der Temperatur nach der von A r k h e n i u s angegebenen Gleichung wiedergeben :
Man benötigt also zwei Konstanten, A und q, über deren Bedeutung wir später noch ausführlich zu sprechen haben. Wir führen sie hier ausdrücklich nur als zwei Konstanten ein, die für die formale Darstellung genügen. Für A sind verschiedene Bezeichnungen gebräuchlich wie „Frequenzfaktor", „Aktivitätskoeffizient", „Entropiefaktor", denen verschiedene Ausdeutungen zugrunde liegen. U m uns von diesen frei zu halten, wollen wir uns hier einfach der Bezeichnung , , A - F a k t o r " bedienen. Dasselbe gilt für die Größe q, die die Dimension einer Energie hat und daher „Aktivierungsenergie" oder „Aktivierungswärme" genannt wird. In der Form, in der wir sie hier einführen, ist sie aber nur ein „Temperaturinkrement", das lediglich durch die Beziehung (1) definiert ist. Die Bestimmung von q geschieht meist graphisch, indem man (1) so umformt, daß die Gleichung einer Geraden resultiert:
Trägt man nun den log des gemessenen ¿-Wertes gegen 1 ¡ T auf (AitRHENius-Diagramm, Abbildung II, 12) und bestimmt den Tangens des Neigungswinkels (φ) der Geraden, so ist das Temperaturinkrement q = 4,57 tg φ [cal /mol] H a t man — wie in den beiden letzten Abschnitten dargetan — die Ordnung der Reaktion und für die damit festgelegte Geschwindigkeitskonstante die Temperaturab-
fco
1/T Abb. II, 1 2 : AitRHKNiussche Auftragung: log k gegen 1 ¡ T
Abb. II, 13 : Überschneidung der Arrheniussehen Geraden bei Auftreten einer Wandreaktion neben einer Gasreaktion
24
Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion
von Reaktionsmechanismen
II, 6
hängigkeit (d. h. A und q) bestimmt, so läßt sich für jede Konzentration und jede Temperatur die Geschwindigkeit der Reaktion angeben, zuverlässig allerdings nur für das wirklich durchgemessene Konzentrations- und Temperaturintervall. Vor zu weitgehenden Extrapolationen muß gewarnt werden. Unter extremen Konzentrations- und Temperatur Verhältnissen können erhebliche Abweichungen sowohl in bezug auf die Ordnung wie in bezug auf die Temperaturabhängigkeit auftreten. Geht die Reaktion ζ. B. bei tiefen Temperaturen hauptsächlich an der Wand vor sich, bei hohen aber im Gasraum, so würde das AnRHENius-Diagramm die in Abbildung II, 13 gezeigte Form erhalten. Als Faustregel gilt, daß sich die Geschwindigkeit einer Reaktion bei Erhöhung der Temperatur um 10° verdoppelt. Diese Aussage kann, da der Quotient der Geschwindigkeitskonstanten kq, : kT+la eine Funktion von Τ ist, nur für eine ganz bestimmte Temperatur bzw. annähernd für ein bestimmtes Temperaturintervall gelten. Legt man sich auf eine Temperatur fest, ζ. B. auf Zimmertemperatur (300° K), so läßt sich die Größe von q berechnen, die der Faustregel entspricht. Nach (2) muß dann sein ° '
3
0
1
= W ( W - 3 T Ö
woraus sich der Wert q = 13 kcal ergibt. Gilt die Regel bei 500° K, so ist das Temperaturinkrement entsprechend höher (35 kcal), q-Werte zwischen 13 und 35 kcal werden tatsächlich sehr häufig beobachtet. Es kommen aber sowohl höhere wie niedrigere Werte vor. Das Intervall erstreckt sich von 1—100 kcal.
6. Die zusammengesetzten Reaktionen Nur in besonders einfach gelagerten Fällen wird die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion durch einen einzigen, der Bruttogleichung entsprechenden Elementarakt bestimmt. In den meisten Fällen setzt sich das Geschehen im Reaktionsraum aus vielen gleichzeitig verlaufenden Reaktionen zusammen, die von WEGS C H E I D E R und seiner Schule als „Simultan-Reaktionen" bezeichnet wurden. Der Reaktionsablauf wird von einer Startreaktion eingeleitet, und wird fortgesetzt durch Folgereaktionen, bei denen man Haupt- und Nebenreaktionen unterscheidet. Hauptreaktionen sind diejenigen Reaktionen, die zum gesuchten Endprodukt führen. Zu 1 jeder Reaktion ist auch die Gegenreaktion 4 A möglich. Um ein Reaktionsschema aufv stellen zu können, muß man alle Reak2a/ \ 2' tionsmöglichkeiten in Betracht ziehen, die / \ \ D Β für alle Ausgangs-, End- und ZwischenI produkte existieren. Zum Glück fallen viele 3 dieser Möglichkeiten aus, weil sie zu lang4 sam gehen. Aber diejenigen, die bleiben, C(+A) machen den Vorgang schon kompliziert geBildschema 1 nug (vgl. hierzu Abschnitt IV 3 und IV 4 ). Am besten lassen sich die Verhältnisse durch ein Bildschema darstellen. Diese Darstellungsweise wurde zunächst für Kettenreaktionen entwickelt, und zwar aus der Erkenntnis heraus, daß man „auf Grund der kinetischen Tatsachen nie etwas über den Zwischenkörper selbst aussagen kann, sondern nur darüber, nach welchen Gesetzen ein solcher sich bildet oder zerfällt" [7], Das Bildschema hat also neben seiner Anschaulichkeit den Vorteil, daß die auftretenden Zwischenkörper nicht in
11,7
Die
Stoffkette
25
bezug auf ihre chemische Zusammensetzung formuliert werden müssen. Man kann ihnen allgemeine Bezeichnungen, wie Α, Β, X, Y, geben, und nur der Weg, auf dem sie entstehen oder zerfallen, wird durch die Pfeile angedeutet. Man pflegt die Numerierung der einzelnen Wege zunächst in der Reihenfolge vorzunehmen, wie sie zum Endprodukt führen. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten für die Einzelreaktionen oder Teilschritte erhalten dann die entsprechenden Indices, ζ. Β. k2 usw. und können ebenso wie die Stoßpartner neben den Pfeilen angeführt werden (vgl. ζ. B. Bildschema 7 und 8). Bildschema 1 soll nur die Nomenklatur erläutern. Es ist 1 die Startreaktion, 2 und 3 sind Hauptreaktionen, 2' ist eine Gegenreaktion und 2 a eine Nebenreaktion zu 2. Wird neben 0 wieder ein A gebildet, so spricht man von einer Kettenreaktion. 2 a wird dann auch als Abbruchsreaktion bezeichnet. 2 und 2 a sind Parallelreaktionen. Das ganze Schema stellt eine Reaktionsfolge dar, wobei man nach C H B I S T I A N S E N von einer geschlossenen Folge spricht, wenn A zurückgebildet wird, von einer offenen, wenn dies nicht der Fall ist. Die Reaktion verläuft in 3 Stufen, wobei die erste zur Bildung von A, die zweite zur Bildung von Β bzw. D, die dritte zur Bildung von G (-¡- A) führt. Versucht man nun, die Geschwindigkeit der Bildung des Endprodukts aus einem komplizierten Reaktionsschema zu berechnen, so führt dies auf Differentialgleichungen höherer Ordnung. Besonders schwierig wird die Rechnung für eine mehrstufige Kettenreaktion. Doch fand B O D E N S T E D T hier eine ebenso geniale wie einfache Lösung. Er nahm an, daß sich „sehr rasch nach Beginn" der Reaktion ein „stationärer Zustand" einstellt, in dem Sinne, daß pro Zeiteinheit ebensoviel aktive Partikel sich bilden wie verschwinden. Durch Einführung dieser Stationäritätsbedingung erleichtert sich die Rechnung außerordentlich. Für die Konzentrationen der Zwischenkörper, die die zunächst unbekannten Größen in der gesuchten Geschwindigkeitsformel darstellen, erhält man dann einfache, meist lineare (ausnahmsweise quadratische) Gleichungen, indem man die Bildungsgeschwindigkeit des Zwischenkörpers gleich seiner Zerfallsgeschwindigkeit setzt. Die Konzentration eines Zwischenkörpers muß nicht über ein großes Zeitintervall wirklich konstant sein. Es genügt, wenn der Zustand quasistationär ist, d.h., wenn während einer Zeit Δ t die Änderung der Konzentration der Reaktanten klein ist gegen die Änderung der Konzentration des Zwischenkörpers. 7. Die Stoffkette Kettenreaktionen mit und ohne Verzweigung Seit dem Gelingen der Uranspaltung und ihren weltweiten Auswirkungen ist das Wort „Kettenreaktion" in aller Munde. Dem Reaktionskinetiker war dieser Begriff bereits mehr als zwei Jahrzehnte bekannt und die diesbezügliche Terminologie war bereits lange vor der Entdeckung der Uranspaltung festgelegt. Man unterschied „einfache Kettenreaktionen" und „Reaktionen mit Kettenverzweigung". Das, was in der Atombombe vor sich geht, gehört zu den letzteren. Vom Standpunkt des Physikochemikers ist also der Ausdruck „Kettenreaktion" für diesen Fall nicht korrekt. Bei der Kettenreaktion im ursprünglichen Sinne wird der die Reaktion einleitende Körper A (vgl. Bildschema 2) wieder zurückgebildet und die Reaktion wird so lange wiederholt, bis durch das zufällige Auftreten einer Nebenreaktion kein neues A mehr entsteht, d. h. „die Kette abbricht". Der Reaktionsverlauf, der aus einem A wieder ein A macht, heißt ein Kettenglied. Wird dieser Mechanismus χ mal
26
Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion von Reaktionsmechanismen
11,8
hintereinander durchlaufen, so hat die K e t t e χ Glieder. Man spricht auch v o n der Kettenlänge x. Anders ist es bei der Kettenverzweigung. Hier wird, wie aus Bildschema 3 ersichtlich, nicht e i n „aktiver K ö r p e r " A wieder gewonnen, sondern zwei oder evtl. auch
A 1 ) darstellen, seien 3 \ mit fn, fna, / „ » . . . ( « = 2, 3 ...) bezeichnet. / & ib \ \ Das Bildschema 6 soll ein Beispiel einer ¡ Y2 \ solchen Reaktion zeigen, die als Ketten./\ 4a reaktion verlaufen möge. Die allgemeine ^ 4 . 7 Geschwindigkeitsgleichung kann man ent* . ζ + X sprechend der Ableitung der Gleichung (34) erhalten: Bildschema 6 dZ
dt
=
Vy • U • f3 • U
(/»+ /,. + /,» + ·•·)(/. + /.. + /.» + ···)(/« + / t « + /4»+ ••·) — / « · / . · / «
3g.
32
Phänomenologische
Beschreibung
und allgemeine Diskussion von Reaktionsmechanismen
11,8
Liegt also ein bestimmtes Bildschema vor, so läßt sich nach dieser Schablone die Geschwindigkeitsformel ohne Rechenarbeit hinschreiben. Auf das Bestehen solcher „Rechenregeln'' wurde zuerst von SCHWAB [12] hingewiesen. Umgekehrt kann man auch — und dies ist der praktisch wichtigere Fall — das Bildschema konstruieren, wenn die Geschwindigkeitsf ormel experimentell ermittelt ist. Wenn wir ζ. Β. für die photo chemische Chlorwasserstoffbildung das Geschwindigkeitsgesetz finden Λ [HCl] ¿[Cy 2 [H] __ dt k' [H2] [0 2 ] + k" [Cl2] ' so können wir diese Formel entsprechend (35) in die folgenden Teilfaktoren zerlegen : ¿[C12P[H] = ^·/ 2 ·/ 3 ¥[Η 2 ][0 2 ] = /2·/3Λ tf'PJ
(37)
= ha • h
Das Produkt der „Nebenreaktionen" f2a • f3a kann bei Kettenreaktionen mit langer Kette als vernachlässigbar klein angenommen werden. Diese Gleichungen werden befriedigt, wenn I (i)*i [ c y ι. fcitcy i χ* 2. k2[H2] =/2 3. fc3[Cl2] = /3 (2 a) (2) k2 [H2] 3a. 2a.
¿ 3 J 0 2 ] = /M k2a = fw
/
woraus sich Bildschema 7 ergibt.
\ Υ, ^
ha [ 0 ] 3 a
/
( 3 ) h [Cl2]
\
Ζ + X
Bildschema 7
Es muß bemerkt werden, daß die Gleichung ebenso befriedigt würde, wenn man in den Indices die Zahl 2 und 3 vertauscht, d. h. über die Reihenfolge der Stufen sagt der kinetische Befund nichts Eindeutiges aus. Um diese Frage zu entscheiden, muß man versuchen, für X und Y chemische Individuen einzusetzen und vergleichen, ob diese nach den bestehenden Erfahrungen oder theoretischen Vorstellungen sich so verhalten können, wie das Schema es verlangt. Diese Bedingung ist bei Bildschema 4 erfüllt, wenn man für X — [Cl] und Y = [H] setzt. Man erhält dann die NERNSTBoDENSTEmsche Atomkette. Wir können nun aus der allgemeinen Formel (35) auch leicht ableiten, welche Geschwindigkeitsformeln in gewissen Grenzfällen, nämlich bei Verschwinden der Nebenreaktion 2a oder 3a sich ergeben würde. Wird 2 a vernachlässigbar klein, so verschwinden im Nenner alle Glieder mit fia. Wir erhalten gemäß (35) : ¿[HCl] _ ν, • f2 • /3 _ k,[Cl2] · k2[H] · h • [Cl2] dt h-f3a fc2[H]-fc3s[02] d [HCl] _ k [Cl2]a dt
~
[02]
d. h. die früher [(IIj, 9), S. 8] bereits erwähnte BoDENSTEiN-Duxsche Formel.
(38) (38 a)
11,8
Reaktionsschema und Geschwindigkeitsformel — mit Folge-, Neben- u. Gegenreaktionen
33
Lassen wir nun aber durch völlige Befreiung des Gemisches von Sauerstoff die Nebenreaktion 3 a so klein werden, daß sich der Kettenabbruch nach 2 a vollzieht, die Glieder mit / 2 a also zur Geltung kommen, während diejenigen mit / 3 a verschwinden, so erhalten wir: ¿[HCl] ^
=
v1-h-h
=
¿ j c y · fc2[H2] ·
/2a * fz
S'
fc3[cy
™=¿[C12][H2]
(40)
Dieses Geschwindigkeitsgesetz, das der Bruttogleichung der Reaktion entspricht, wurde unter extrem reinen Bedingungen auch gefunden. Das hier gebrachte Beispiel zeigt deutlich, wie subtil eine Kettenreaktion ist und daß das launische Verhalten von Nebenreaktionen den Typus der Geschwindigkeitsformel grundlegend ändern kann. Viele Streitigkeiten sind ob solch divergierender Versuchsergebnisse zwischen verschiedenen Schulen oder Forschern ausgetragen worden. Meist hatte jede Partei im Grunde „Recht". Kleine Änderungen in den Versuchsbedingungen können große Änderungen im Mechanismus hervorrufen. So geht z. B . Reaktion 2a wahrscheinlich an der Wand vor sich. Die Chloratome werden an der Wand absorbiert und verlieren dadurch ihren aktiven Charakter. Die Beschaffenheit der Wand — ob sie sauber oder verschmutzt, trocken oder feucht, warm oder kalt ist — kann die Reaktionsgeschwindigkeit um Größenordnungen ändern. Viele ehemalige Geheimnisse der Chorknallgasreaktion, die auch als „Mona Lisa der Reaktionskinetik" bezeichnet wurde, konnten auf diese Weise gelüftet und in einfacher — manchmal trivialer Weise — erklärt werden. Im „Experimentellen Teil" ist dieser Reaktion ein ausführlicher Abschnitt gewidmet (Abschnitt IV 3 , S. 99). c) R e a k t i o n s s c h e m a m i t F o l g e - , N e b e n - u n d G e g e n r e a k t i o n e n Tritt eine nennenswerte Gegenreaktion auf, so haben wir den Fall der unvollständig verlaufenden Reaktion, deren Geschwindigkeit als Differenz der beiden gegenläufigen Reaktionen darzustellen ist. (41)
RG = v — v'
Die Reaktion kommt zum Stillstand, wenn ν = ν', d. h. wenn das Gleichgewicht erreicht ist. Bildschema 8 zeigt ein Reaktionsschema, in dem Folge- und Nebenreaktionen auftreten, und bei einem der Reaktionsschritte — bei Schritt 2 — auch eine Gegen-
1.
vx =
kxA k2aY(2a)
3.
ν, =
/
k,AY
Ζ«
k2B(2)
(2a)
k,nX
Bildschema 8 3
Crcmor-Pahl,
Kinetik
(2')
\\ Y
(3) M \
z+ x
34 Phänomenologische Beschreibung und allgemeine Diskussion von Reaktionsmechanismen II, 8 reaktion. Außerdem führt die Reaktion 2 a zur gegenseitigen Vernichtung von aktiven Zwischenkörpern. Wird die Geschwindigkeit der Gegenreaktion so groß, daß Y bevorzugt nach 2' abreagiert, dann führt dies zur Ausbildung eines Gleichgewichtes zwischen X und Y. kv Y = k2 BX (42) Y ¡X = k2Bjk2, (43) Wir haben den Fall eines vorgelagerten Gleichgewichtes. X ist ferner gegeben durch das kinetische Gleichgewicht der Reaktion 1 und 2a. X = klA/ktaY
(44)
Für die Bildungsgeschwindigkeit von Ζ erhalten wir (die Bildung von Ζ nach 2 a ist gegenüber der Bildung über die Kette zu vernachlässigen) : dZ/dt = k3ÄY (45) und durch Einsetzen des nach (43) und (44) berechneten Wertes von Y: Υ = (KA • k2B/k¿ • hS1'
(46)
in (45) : d z t ä ^ l ^ ^ f \
Λ·2
Ä/2(J
/
ein Gesetz, das ζ. B. für die photochemische Bildung von Phosgen bei Zimmertemperatur gefunden wurde. Es ist hierbei X = [Cl], Y = [COCI], A = [Cl2] und Β = [CO]. Die Geschwindigkeitsgleichung lautet also: d[c°ci2]
= k[C\2]'i>[CO]i>
Bemerkenswert ist, daß die Gleichung halbzahlige Potenzen enthält. Diese treten immer dann auf, wenn ein Kettenabbruch durch Reaktion von zwei aktiven Zwischenkörpern vorliegt, wie etwa COCI + Cl oder H + H, Cl + Cl usw. Eine allgemeine-(für stationäre und nicht-stationäre Zwischenkörperkonzentrationen gültige) Methode zur Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeiten aus einem Reaktionsschema mit Teilreaktionen beliebiger Ordnung wurde von SZABÓ [ 1 1 ] angegeben. Das System komplizierter Gleichungen kann durch die Annahme erheblich vereinfacht werden, daß bei Parallelreaktionen die schnellste, bei Polgereaktionen die langsamste Reaktion geschwindigkeitsbestimmend ist. Die Methode wurde für die Berechnung von Reaktionen, die mit einer Induktionsperiode verlaufen — wie ζ. B. die Zersetzung von Sulfurylchlorid — mit Erfolg angewendet.
Literaturhinweise 1. 2.
H. J., Chemischen Gasreaktionen, Verlag Steinkopff, Darmstadt, 1938. C. N., The Kinetics of Chemical Change, Clarendon Press, Oxford, 1945. 3 . LAIDLER, K . J . , Chemical Kinetics, McGraw Hill Book Comp., New York, 1 9 5 0 . 4 . DANIELS, P . und JOHNSTON, Ε . H . , J . Am. Chem. Soc. 4 3 ( 1 9 2 1 ) 5 3 . 5. BODENSTEIN, M. und Dux, W., Ζ. Phys. Chem. 85 (1913) 297, 329. 6. BODENSTEIN, M. und SCHENK, P. W., Ζ. Phys. Chem. B 2 0 (1933) 420. SCHUMACHER,
HINSHELWOOD,
11,8
Reaktionsschema
und
Geschwindigkeitsformel
35
7. CREMER, E . , Z . P h y s . C h e m . 1 2 8 (1927) 2 8 5 .
8. CBEMER, E., Homogene Ortho- und Para-Wasserstoffkatalyse, Handbuch der Katalyse, Bd. I., Verlag Springer, 1941. 9. BOBLETEB, O., Z . P h y s . C h e m . N . F . 4 (1955) 1.
10. FROST, A. A. und PEARSON, R. G., Kinetics and Mechanism, John Wiley and Sons, Jhc., New York 1953. 11. SZABÓ, Z. G., Fortschritte in der Kinetik der homogenen Gasreaktionen, Verlag Steinkopff, Darmstadt, 1960. 12. SCHWAB, G.-M., Z. Phys. Chem. Β 8 (1930) 141. 13. CHRISTIANSEN, J . A . u n d KBAMEKS, Η . Α . , Ζ . P h y s . C h e m . 1 0 4 (1923) 4 5 1 . 14. SEMENOFF, Ν . N . , Z t s c h r . P h y s i k 4 8 (1928) 571. 15. NORRISH, R . G. W . u n d PORTER, G . , D i s k u s s . F a r a d . Soc. 1 7 (1954) 14. 16. SCHÜLER, H . u n d LUTZ, E . , Z t s c h r . N a t u r f o r s c h g . 1 6 a (1961) 57.
17. s. IV 3 6, S. 108.
III. Theoretische Grundlagen A. Elementare Kinetische Gastheorie 1. Allgemeine Voraussetzungen Die klassische Thermodynamik beschreibt Gleichgewichtszustände der Gase makrophysikalisch, d. h. ohne Rücksicht auf deren molekulare Struktur, und kann deshalb im Grunde nur formale Beziehungen zwischen empirischen Materialkonstanten liefern. Dagegen gelingt es mit Hilfe der kinetischen Theorie, ausgehend vom mikrophysikalischen Modell des Molekülgases, die Zahlenwerte von Stoffkonstanten absolut anzugeben, wie ζ. B. cv für ideale Gase. Die kinetische Betrachtungsweise ist schon deshalb als die fundamentalere anzusehen, wobei hinzukommt, daß sie auch in elementarer Form Aussagen über zeitliche Änderungen liefert. Eine gewisse Schwierigkeit steht einer allgemeineren praktischen Anwendung der kinetischen Theorie allerdings im Wege: Während der Thermodynamik eine Fülle von makrophysikalisch gemessenen Stoffkonstanten zur Verfügung steht, fehlt bis heute der Kinetik das entsprechende genaue Zahlenmaterial über die Atome und Moleküle. Trotzdem lassen sich die Gesetze der chemischen Kinetik nur im mikrophysikalischen Bilde vollständig verstehen. Die nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzende Entwicklung der kinetischen Gastheorie ist vorwiegend den Arbeiten von K R Ö N I G , CLATJSITJS und M A X W E L L zu verdanken, ihre fundamentale Begründung L U D W I G B O L T Z M A N N . Zu dieser Zeit war die Existenz der Atome und Moleküle noch durch kein direktes Experiment bewiesen, sondern nur eine Hypothese. Eine erste moderne Stütze für die Atomhypothese bildeten die Erfolge der kinetischen Theorie, so u. a. die Erklärung, weshalb bei gewöhnlichen Drucken die Viskosität und die Wärmeleitung von Gasen bei konstanter Temperatur nicht oder nur wenig vom Druck abhängen und weshalb ferner bei sehr niederen Drucken eine Abhängigkeit auftreten muß. Als erstes Axiom der kinetischen Theorie bezeichnen wir die Vorstellung, daß ein chemisch einheitliches Gas aus lauter gleichen Molekülen besteht. Eine weitere Voraussetzung besagt, daß die Moleküle sich dauernd bewegen und daß die Energie dieser Bewegung direkt mit der Temperatur des Gases zusammenhängt. Atome im Grundzustand besitzen nur Translationsenergie, Moleküle außerdem noch Rotations- und Schwingungsenergien, die ebenfalls zur Gastemperatur beitragen. Im Zuge ihrer Bewegung übertragen die Moleküle Energien und Impulse bei Stößen auf die Wände. Ferner stoßen die Teilchen auch im Gasraum gegeneinander, wobei aber nur Nahwirkungskräfte auftreten. Über Entfernungen, die groß sind gegen ihren Durchmesser, üben die Teilchen keine Kräfte aufeinander aus, sie fliegen „isoliert". Dieser Forderung entspricht ein ideales Gas.
111,1
Der Boltzmann-Faktor
37
Wir können somit feststellen, daß die kinetische Theorie — ihrem Namen entsprechend — den Begriff Bewegung, aufgefaßt als zeitliche Änderung von Zuständen, bereits als Grundannahme (Axiom) enthält. Deshalb liefert die kinetische Theorie die Möglichkeit, Zustandsänderungen auch zeitlich zu berechnen, was bekanntermaßen mit Hilfe der Thermodynamik allein nicht gelingen kann, da die letztere auf Grund ihrer axiomatischen Struktur nur die Behandlung s t a t i s c h e r Gleichgewichtszustände leistet. Die chemische Kinetik steht oft vor der experimentellen Aufgabe, zu verhindern, daß die bei einer interessierenden Reaktion gebildeten Produkte wiederum weiterreagieren können. Sie wendet hierzu vielfach Gasströmungsmethoden an, bei denen die Einstellung s t a t i o n ä r e r Strömungsgleichgewichte eine wichtige Rolle spielt. Die Gesetze der Gasströmungen sind aber wiederum nur im kinetischen Modellbild der sogenannten Transportphänomene zu verstehen. Wir werden nun in den folgenden Abschnitten die elementare kinetische Gastheorie soweit darstellen, als für die Einführung in die chemische Reaktionskinetik erforderlich ist. Dabei steht zunächst die kinetische Ableitung der Zustandsgesetze für ideale Gase im statischen Gleichgewicht im Anfang. Sodann folgt die Behandlung der Stoßzahlen. In stark vereinfachter Weise wird anschließend noch auf die Transportphänomene eingegangen. Die kinetische Einführung der Reaktionsgeschwindigkeit erfolgt schließlich in Abschnitt III,, S. 63. Der Zustand eines Gases ist nach dem kinetischen Modell primär bestimmt durch die Wirkung der Stöße seiner Moleküle, bei denen Energie- und Impulsaustausch stattfinden. Der folgende Abriß der kinetischen Gastheorie beschränkt sich auf den Gültigkeitsbereich der klassischen Stoßgesetze. 2. Der
BOLTZMANN
-Faktor
Thermodynamik und Kinetik sind keine getrennten Theorien, sondern miteinander verbunden durch eine der wichtigsten Fundamentalbeziehungen der theoretischen Physik, das B o L T Z M A N N s c h e Prinzip
Tlni !
(3)
bzw. \nW = \nN\
— ¿Inn^..
(3a)
Hierfür sei ein Beispiel mit kleinen Zahlen M und Ν angegeben: M = 3, Ν = 3 a)
3! Für nt = 3, % = 0, n3 = 0 wird W = —-• ^ ^— = 1 (0 ! =
1)
b)
nx = 2 , « 1 = l > « 1 = 0
W =
-2, y ,
c)
^ = 1, n2 = 1, n3 = 1
3! W = yryryf =
1
= 3 6
Am wahrscheinlichsten ist also die Gleichverteilung auf alle 3 Zellen. Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit kann sehr große Zahlenwerte annehmen (sie ist nicht auf 1 normiert) und diese Zahlenwerte hängen, wie man sieht, vom Inhalt und damit bei vorgegebenem Ν von der Größe der Elementarzelle ab. I m Falle eines Gases ist Ν eine sehr große Zahl, etwa von der Größenordnung der Zahl der Moleküle im Mol 1023. Die Berechnung von N i wäre ein recht hoffnungsloser Fall, wenn es nicht die Logarithmusfunktion gäbe ! Mit Hilfe dieser vereinfacht sich dieses Problem sehr wesentlich für große Zahlen Ν und auch m,· ^>1, indem man schreibt Ν 1ηΛΜ = 1η1 + 1η2Η In Ν & f in xdx = N{ In Ν — 1) + 1. ι Auch die Zahl + 1 kann noch vernachlässigt werden gegen großes N, und der Übergang zum Numerus ergibt die STiRLiNGsche Näherungsformel t Genauer Ν ! = {2nN)U
•
-j^
bzw.
N\x
.
(5)
In Ν ! = IV (In Ν — 1) + ~ In 2 π Ν .
Wir können also in (3) einsetzen
(~n •J \ n
l
und erhalten unter Verwendung von M la W = In Ν \ + 2; m 1
bzw. In JI¡ ! = »¿(In n¿—l)
(2) M M — 2; n¡ In n( = Ν In Ν — ¿ n¡]n nt. 1 ι
(5a)
(6)
Nunmehr ist zu fragen nach der häufigsten Verteilung, f ü r die also W ein Maximum besitzt. Die Lösung vermittelt der Variationsansatz von (6) M 12 abhängt (ebenso wie die mittlere freie Weglänge λ). I n Wirklichkeit sind die stoßenden Moleküle nicht einfach als starrelastische Kugeln zu betrachten, sondern sie unterliegen noch der Wirkung von weiterreichenden Anziehungskräften. Mit wachsender Temperatur (Geschwindigkeit) ist daher eine Abnahme von σ 12 zu erwarten entsprechend einer Verkürzung der Verweilzeiten im anziehenden Kraftfelde. Nach einer theoretischen Ableitung von SUTHERLAND wird die Temperaturabhängigkeit des Wirkungsquerschnittes sehr genau beschrieben durch die folgende — experimentell weitgehend bestätigte — Beziehung 1
σ 1 2 (Γ) = σ 12 ( l + - J ) bzw. λ =
g
,
(4)
»¿12 ( l + -¡ΓJ in der δ 12 den bei einer bestimmten Temperatur unter Annahme starrelastischer Kugeln gemessenen Wirkungsquerschnitt bedeutet. Die SurHERLANDsche Konstante G wird auch als „Verdopplungstemperatur" bezeichnet, deren Sinn unmittelbar aus (4) hervorgeht (s. auch Tab. I I I , 3). F ü r eine große Anzahl von Stoffen findet man ihre Zahlenwerte in den bekannten Tabellenwerken (ζ. B . LANDOLT-BÖRNSTEIN), die aus genauen Messungen der Temperaturabhängigkeit von r¡ gewonnen sind, nach einer ebenfalls von SUTHERLAND angegebenen Gleichung
ηo
.
(5)
B e i der A b l e i t u n g v o n (3) h a b e n wir a n g e n o m m e n , d a ß die A k t i v i e r u n g s e n e r g i e E0 i n F o r m kinetischer E n e r g i e a u f g e b r a c h t wird. Z u einer ä h n l i c h e n B e z i e h u n g , die sich aber v o n (3) i m E x p o n e n t e n v o n Τ u n t e r s c h e i d e t , k a n n m a n auf f o l g e n d e m
111,9 Reaktionsgeschwindigkeit b. Zweierstoßmodell, kinetische Ableitung d. Arrheniusgleichung
65
Wege gelangen : Betrachtet man der Einfachheit halber eine bimolekulare Austauschreaktion nach dem Schema AB + G
(II)
AC + Β,
so kann sein, daß das Molekül AB die Aktivierungsenergie bereits vor dem Stoß, etwa in Form innerer Energie (Schwingungen) mitbringt. Der Zweierstoß (Elementarakt der Reaktion II) läßt sich dann folgendermaßen formulieren >- AC + Β.
AB* + C
(III)
Die Dichte nf der angeregten Moleküle ( A B ) * , die eine innere Energie > E0 besitzen, berechnen wir nun mit Hilfe des BoLTZMANNschen Energieverteilungssatzes
(III3 23, S. 42) _ tm
=
E kT
dn. η
00 e
kT
dEi
indem wir den BoLTZMANN-Faktor im Zähler von E0 bis 00 integrieren und das Zustandsintegral von 0 bis 00 bilden: _ Ei e
I
n
l
kT dE
Ei = % a
i = nl ' e
if.
f e"
kT
·
(6)
dEt
Unter der Annahme, daß nunmehr jeder Stoß zwischen (AB)* und C zur Reaktion führt, ergibt sich dann die Reaktionsgeschwindigkeit unter Verwendung der Stoßzahl (III 7 3, S. 55) zu dn2
—
B^ dn* — kτ =
(7)
, ., — ,, 8kT oder mit v,„ = der Geschwindigkeitskoeffizient *—•
V Ì E - V *
|8>
Beim Vergleich der beiden Ausdrücke (3) und (8), die der AERHENiusschen Gleichung schon sehr ähnlich sind, fällt nun auf, daß sie sich hinsichtlich der Temperatur im y4-Faktor (dem gesamten Produkt vor der e-Potenz) um eine ganze Potenz unterscheiden. Schreibt man zur Vereinfachung k = A ·e 1 ) Wir schreiben von jetzt an EJET der Energie zu ändern.
5
Cremer-Pahl,
Kinetik
HT
(9)
im Exponenten. Entsprechend ist dann die Maßeinheit
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
66
so geht — wenn man von σ 12 (ϊ 1 ) absieht — in (3) Α ~
, hingegen
|/T in (8).
Dies mag von nicht allzugroßer praktischer Bedeutung sein, da die Temperaturabhängigkeit von h überwiegend durch e R T bestimmt ist, es liegt aber der Verdacht nahe, daß etwas noch nicht exakt ist an den bisher durchgeführten kinetischen Ableitungen von k. Hinzu kommt, daß die ^-Faktoren der bimolekularen Reaktionen auf experimentellem Wege innerhalb vieler Zehnerpotenzen kleiner gefunden werden als kinetisch berechnet. Die einfache, früher öfter gebrauchte Deutung von A als „Stoßfaktor" ist demnach sicher nicht zutreffend. Bevor wir aber zur Klarstellung dieses Problems übergehen, wollen wir kurz den Zusammenhang von (9) mit der Arrhenius-Gleichung erörtern. E0 bedeutet nach Voraussetzung die wahre Aktivierungsenergie, die von dem Temperaturinkrement q, das aus den Meßdaten gewonnen wird (s. Abschnitt I I , 5, S. 23), unterschieden werden muß. q ist nicht genau = E0, weil der ^4-Faktor, wie eben dargelegt, auch etwas von der Temperatur abhängt. Diese Abhängigkeit wird in der ABBHENiusschen Gleichung nicht gesondert berücksichtigt. Sie wird in die exponentielle 1 / Τ-Abhängigkeit mit einbezogen und bedingt, daß das Temperaturinkrement q etwas größer ist als die wahre Aktivierungsenergie E0, doch ist diese Abweichung meist zu vernachlässigen. Dies soll eine Überschlagsrechnung dartun. Eine Reaktion, deren wahre Aktivierungsenergie E0 = 20 kcal beträgt, wird im Temperaturintervall von 500—550°K gemessen. Dabei ändert sich der Stoßfaktor 550l/ 2 im Verhältnis
= 1,05. Um dieser Erhöhung in Form eines Exponentialfaktors
G -E/ET Rechnung zu tragen, würde gelten: log 1,05 = ^
(_L._-L-),
woraus sich ergibt ε = 0,5 kcal, q wäre in diesem Falle also um 1ji kcal größer als E0. Ganz allgemein gilt, wenn Τ in den vi-Faktor mit der m-ten Potenz eingeht : EA
oder
A' · Tm • e m In Τ
RT
_
= A·e
J^ =
Q RT
s|r + const.
(10) (10a)
Die Differentiation dieser Gleichung ergibt — / 1 •RT2 Τ7T +~ bzw.
'
RT2
E0 = q — mRT.
(11)
Wir gehen jetzt daran, die oben erwähnte Problematik des vi-Faktors zu klären. Hierzu betrachten wir zunächst eine Reaktion vom Typ A, + B„ 2
2
H2 + J 2
le ^
2AB 2 HJ
(IV)
111,9 Reaktionsgeschwindigkeit b. Zweierstoßmodell, kinetische Ableitung d. Arrheniusgleichung
67
im, Gleichgewicht, wo also Hin- und Rückreaktion dieselbe Geschwindigkeit haben. Ferner können wir bei diesem Beispiel auch die Stoßzahlen in beiden Richtungen als annähernd gleich betrachten. Dann berechnet sich die Gleichgewichtskonstante zu In Κ = In k — In ¥ =
(12)
BT
(s. Energieschema in Abb. I, 1, S. 5). In diesem Ausdruck fehlt völlig das in (I2 5, S. 2) enthaltene Entropieglied
AS
im Widerspruch zu den Forderungen der Thermodynamik. Mit dieser Feststellung haben wir einen Schlüssel zur weiteren Erkenntnis in der Hand. Wir sehen nämlich die Notwendigkeit, auch in die kinetische Behandlung Entropieglieder oder etwas diesen entsprechendes einzuführen. Bei dem Versuch, den ^.-Faktor der ARBHENitrsschen Gleichung einfach als Stoßfaktor zu deuten, fand man schon frühzeitig, daß die gemessenen A-Faktoren meist um 1 bis 2 Zehnerpotenzen kleiner sind als die berechneten. Dies ergab die Notwendigkeit, noch einen „Stoß-Ausbeutefaktor" — vielfach mit « oder κ bezeichnet — einzuführen, der in den Ausdrücken (3) bzw. (8) noch hinzuzufügen wäre. Man nannte ihn zunächst den „sterischen Faktor". Dieser Bezeichnung lag die Vorstellung zugrunde, daß nur ein Stoß mit sterisch günstiger Lage der Atome zueinander zur Reaktion führen kann. Man sprach auch vom Zusammentreffen „empfindlicher" Bezirke. Man kann sich ζ. B. für die Reaktion 2 HJ = H 2 + J 2
leicht die folgenden „günstigen", bzw. „ungünstigen" Lagen vorstellen: günstig :
H—J H—J
=
Η
J
Η
J
ungünstig :
H—J
Η
J
J—Η
J
Η
Die Bedeutung des Faktors oc erschöpft sich jedoch nicht in der Betrachtung geometrischer Möglichkeiten. Nach dem oben Gesagten müssen auch die mit der Reaktion verbundenen Entropieänderungen in einem neben der Stoßzahl auftretenden, von 1 verschiedenen Faktor in der Gleichung für die Geschwindigkeitskonstante berücksichtigt werden. A r e h e n i u s hat dies in der ursprünglichen Ableitung seiner Formel bereits getan. Wir wollen seinen Überlegungen folgen und betrachten hierzu wiederum die vorher behandelten Reaktionen bzw.
AB + C
^ AG + Β
(II)
AB* + G
^ AG + B,
(III)
die uns rein kinetisch auf den Ausdruck (8) für den Geschwindigkeitskoeffizienten geführt haben. Nach A r b h e n i u s nehmen wir nun an, daß ein Gleichgewicht besteht zwischen den Konzentrationen n* und n l t so daß wir an Stelle von (6) schreiben können nf = n± • K* .
_
(13)
Man behandelt also diesen Fall wie ein vorgelagertes Gleichgewicht. Daraus ist zu ersehen, weshalb die Ableitung (6) nicht ganz korrekt ist, bzw. die bei (7) gemachte Annahme, daß jeder Stoß zur Reaktion führt. Die Rechnung führt nämlich auf kein Entropieglied, das im Ausdruck für die Gleichgewichtskonstante K* auftreten muß. Durch die Betrachtung dieses vorgelagerten Gleichgewichts (13) können wir aber gerade zu einem solchen Entropieglied gelangen. 5*
68
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
Zunächst setzen wir die Geschwindigkeit der Reaktion ( I I ) proportional n* — f^i = dt
ν . nf
=
ν • K*
•
=
(14)
k · n¡ ,
wobei k = vK* ein Geschwindigkeitkoeffizient 1. Ordnung ist. Den Proportionalitätsfaktor ν, der die Dimension einer Frequenz hat, erhalten wir aus der Betrachtung der monomolekularen Zerfallsreaktion A B - + A
+ B
ni
(deren Gegenreaktion sichtlich einen Dreierstoß erfordert). Hierzu stellt man sich vor, daß das Molekül AB in Richtung der Verbindungslinie A—Β Schwingungen der Frequenz ν ausführt. Es kann also zunächst ν mal in der Sekunde zerfallen. Aber nur ein Bruchteil e R T aller Moleküle AB hat die zur Trennung erforderliche Energie, da auch für die Schwingungsenergie dieselbe Form der Boltzmann-Verteilung gilt wie für die Translation. Entsprechend diesem Bilde können wir an Stelle von (14) schreiben E' Ul
dt
— ν· e
RT
E' oder
1
k = ν·e
RT
.
(15)
Ein einfaches Energieschema zeigt Abbildung I, 1, S. 5, in dem die Höhe der Energieschwelle eingezeichnet ist, über die die Reaktion verläuft. Die Reaktion sei exotherm in Richtung der .B-Bildung, A H die zugehörige Wärmetönung. Wiederum fehlt aber noch in (15) das Entropieglied. Jetzt machen wir den entscheidenden Schritt und setzen gemäß den Forderungen der Thermodynamik ZlS* AH* h i * = + (16, wobei sich die mit * bezeichneten Größen auf den angeregten Zustand beziehen. A H * bedeutet nun die wahre Aktivierungsenergie und ist wiederum zu unterscheiden vom Temperaturinkrement q, weil ν noch von Τ abhängt. Wir führen — erstmalig in unseren Betrachtungen — eine Quantenbedingung ein, indem wir die mittlere Energie k Τ der beiden Schwingungsfreiheitsgrade (potentielle und kinetische Energie) mit der PLANCKschen Beziehung E = hv gleichsetzen, also kΨ
' = ΊΓ· Damit erhalten wir dann endlich für den Geschwindigkeitskoeffizienten AS* k = -γ-
-e
_ · e
Δ Η*
.
(18)
Diese Beziehung enthält keinen Widerspruch mehr zur Thermodynamik, denn 1. sind Unterschiede im ^.-Faktor erklärbar durch verschiedene /S-Werte und 2. kommt jetzt auch die Ableitung (12) der Gleichgewichtskonstanten Κ aus dem Quotienten k/k' in Ordnung, da nunmehr k
AS* - AS'* R
•
ρ
AB* - AH'* RT
111,10
Die wellenmechanische Betrachtungsweise
Logarithmieren und Einsetzen der Werte AS* — AS'* = J S sowie
69
AH* — AH'* = AH
zeigt die Übereinstimmung von (19) mit (I2 5). Trotz des befriedigenden Ergebnisses, das wir hier im direkten Anschluß an ARRHENIUS erreicht haben, müssen wir nun leider zugestehen, daß wir eine Grundannahme gemacht haben, durch die die Gültigkeit der erworbenen Erkenntnisse sehr eingeschränkt scheint: Wir haben angenommen, daß sich das thermodynamische Gleichgewicht zwischen η und n* einstellt. Die Einstellung eines solchen Gleichgewichtes ist nur gewährleistet, wenn eine beliebig lange Zeit dafür zur Verfügung steht. Dies ist aber in einem in dauerndem Umsatz befindlichen System sicher nicht der Fall. Wir haben dann nur ein „Pseudo-" oder „Quasi"-Gleichgewicht vor uns und müssen also entsprechende Gesetze auch für ein im fortgesetzten Fluß befindliches System aufstellen. Hier kommt uns nun zugute, daß die statistische Betrachtungsweise, die zur Ableitung der Gesetze der klassischen Gleichgewichtslehre führt, sich auch auf ein in dauernder Änderung befindliches System anwenden läßt. Die Behandlung als Quasigleichgewicht wurde hauptsächlich in Amerika von E Y E I N G und seinen Schülern durchgeführt. Sie soll uns im nächsten Kapitel beschäftigen. Für diejenigen Leser, die das folgende, mehr theoretische Kapitel lieber überschlagen wollen, kann schon vorgreifend bemerkt werden, daß die exaktere statistische Behandlung formal auf die gleiche Form führt, wie wir sie weniger exakt aus der Annahme eines stabilen Gleichgewichtes abgeleitet haben. Jedoch kommt auch nach der quantenmechanischen Berechnung noch ein dem vorhin erwähnten Stoßausbeutefaktor tx analoger „Transmissions-Koeffizient" κ in (18) hinzu, der eigens berechnet werden kann in speziellen einfachen Fällen, wie ζ. B. für die Reaktionen H2 + Η ^ Η + H2 oder HJ + H2
H3 + Η.
Bei den Ableitungen dieses Abschnittes wurde nicht gesondert eingegangen auf die Reaktionshemmung, die immer dann besteht, wenn eine Bildungsreaktion, entsprechend Α + Β + Χ -Λ " AB + Χ + Em* nur über Dreierstöße erfolgen kann, die in Abschnitt IIl7b, S. 56f., eingehender behandelt sind. Zur Berechnung einer Gleichgewichtskonstanten müssen in diesem Falle sowohl die Dreierstöße der Hin- (Bildungs)-Reaktion wie auch die Zweierstöße AB + X mit einbezogen werden. Durch die letzteren muß ja im Gleichgewicht den Molekülen AB Trennungsenergie zugeführt werden, wenn die Bildung exotherm verläuft. 10. Die wellenmechanische Betrachtungsweise Dem Vorgehen von EYEING und seiner Schule folgend bedienen wir uns zur Demonstration des Reaktionsgeschehens des in Abbildung III, 3 gezeichneten Bildes. Während Abbildung I, 1, S. 5 die Verhältnisse bei der Reaktion als reines ,,Termschema" darstellt, bei dem wir es nur mit einem eindimensionalen Koordinatensystem zu tun haben, nämlich der in der Senkrechten aufgetragenen potentiellen Energie, ist i n Abbildung III, 3 eine zweite Koordinate eingeführt, die ganz allgemein als „Reaktionskoordinate" bezeichnet wird. Man kann hierunter einen belie-
70
Spezielle theoretische Grundlagen der
111,10
Reaktionskinetik
bigen, zur Darstellung des Fortschrittes der Reaktion geeigneten Parameter verstehen. Am besten interpretiert man die Abbildung III, 3 als Schnitt durch ein „Potentialgebirge", der längs eines Paßüberganges von einem Energietal in ein zweites geführt ist. Man kann dann den Reaktionsverlauf durch das Bild einer Kugel wiedergeben, die über den Paß von einem Tal in das andere Tal rollt, wobei die Abszisse von Abbildung III, 3 als „Reaktionsweg" zu bezeichnen ist. Durch die Lage der Kugel ist die Gesamtenergie des reagierenden Systems an jeder Stelle des Reaktionsaktivierter aktivierter
Komplex
Zustand
A-ß-C
I .c
Reaktanten
A*BC Beginn
Endprodukt Reaktionsweg
Reaktionsweg
Abb. III, 3. Energieänderung entlang des Reaktionsweges für den Verlauf der Reaktion A + BC AB + C.
Abb. III, 4. Energieschema für eine beliebige Reaktion unter Berücksichtigung verschiedener Schwingungszustände der Ausgangsund Endprodukte und des aktivierten Zustandes
weges gegeben. Da sowohl der Anfangszustand wie auch der angeregte Zwischenzustand verschieden hohe Schwingungszustände haben können, sind in der noch etwas differenzierteren Abbildung III, 4 für alle drei Zustände mehrere Niveaus eingezeichnet. Die Größe E0 bezieht sich auf den Übergang vom untersten Niveau des Anfangszustandes auf das unterste Niveau des Zwischenzustandes und ist demnach die Aktivierungsenergie der Reaktion am absoluten Nullpunkt. Im „aktivierten Zustand", d. h. auf der Höhe des Passes, befindet sich unsere Kugel während des Durchlaufens der Strecke d, die in Abb. I I I , 4 stark vergrößert nach links herausgezeichnet wurde. Die Kugel möge die Paßhöhe mit einer Geschwindigkeit ν überrollen. Wenn die Zahl aktivierter Komplexe in der Volumeneinheit n* ist, dann schreitet die Reaktion mit der Geschwindigkeit n*
fort, wobei angenommen ist, daß jeder aktivierte Komplex auch weiter d reagiert, d. h., daß die Kugel, wenn sie die Höhe erreicht hat, auch über den Berg rollt und nicht etwa wieder zurückläuft. Die Wahrscheinlichkeit des Zurückrollens kann noch durch einen Faktor κ in Rechnung gesetzt werden, so daß die Reaktionsgeschwindigkeit gegeben ist durch den Ausdruck RG = n* (v jd) κ
(1)
Die Konzentration n* läßt sich nun statistisch berechnen. Sie steht mit der Konzentration η des Ausgangsstoffes in der folgenden Beziehung: η* jn = Κ
(2π m* k?1) h
Das Zeichen =j= = „dagger" (Dolch) bezieht sich immer auf den aktivierten Zustand.
(2)
111,11
Möglichkeiten der Aktivierung — Quantensprung, adiabatischer Verlauf
71
wobei Κ + als Gleichgewichtskonstante für das Gleichgewicht zwischen dem aktivierten Komplex und den reagierenden Molekülen interpretiert werden kann. Beim Überschreiten des Sattels wird eine Schwingung in Translationsbewegung übergeführt. Dies bedingt eine Änderung der Zahl der Freiheitsgrade, so daß sich K * und K* (vgl. S. 67) um den Klammerausdruck in (2) unterscheiden. Die Geschwindigkeit entlang der Eeaktionskoordinate ist ϋ =YkTj2nm*
(3)
Aus (1), (2) und (3) erhält man für die Reaktionsgeschwindigkeit: ΒΘ = K+ κ
h
(4)
η
Das Produkt der Faktoren, die auf der rechten Seite vor der Konzentration η stehen, stellt eine Geschwindigkeitskonstante dar. Die Ableitung gestaltet sich in gleicher Weise, wenn statt eines Moleküls zwei Moleküle (A und B) an der Bildung des aktiven Komplexes beteiligt sind. Ks steht dann statt η das Produkt n¿ • n B .
K * kann wie eine Gleichgewichtskonstante behandelt und in der Form K
*
=
e-AG*IRT
=
e-AH*IRT
.
gAS*¡R
(5)
geschrieben werden. Man erhält somit für k: k
= it^e-AB*IRT h
eAS*IR
(6)
Es sei noch bemerkt, daß analoge Formeln zu (5) und (6) auch für den zeitlichen Verlauf anderer Prozesse, wie z. B. der Diffusion, des Wärmeausgleiches usw. gelten.
11. Möglichkeiten der Aktivierung a) A k t i v i e r u n g d u r c h Q u a n t e n s p r u n g Der Vorstellung am zugänglichsten ist die Aufnahme von Energie durch einen Elektronensprung, der zu einem angeregten Molekül, einem Ion oder auch zur Dissoziation eines Moleküls führt. Durch einen solchen Vorgang wird ζ. B . die Aufspaltung eines Chlormoleküls durch Absorption eines Lichtquantes bei fast allen Photochlorierungsreaktionen bewirkt : Cl2 + E„ = Cl + Cl
Hier ist der Mindestwert der Aktivierungsenergie genau bekannt. Das Energie quant muß mindestens die zur Spaltung notwendige Energie besitzen. Die absolute Größe dieser Energie (2,4 eV) ist ζ. B . aus der Bandenkonvergenzstelle des Chlorspektrums zu entnehmen. Der „aktivierte Zwischenzustand" ist hier chemisch definiert und die benötigte Dissoziationswärme kann kalorisch gemessen werden. Doch können im Prinzip durch Quantensprünge auch sehr kurzlebige, analytisch nicht faßbare aktive Zwischenkörper gebildet werden. E s wird häufig, ζ. B . bei biologischen Vorgängen, das Auftreten einer Aktivierungswärme durch die Notwendigkeit der Aufnahme eines eingestrahlten Energie quants. gedeutet, doch kann man die Aktivierung auch als thermische Anregung — ohne Elektronensprung — erklären. Mit solchen Vorgängen wollen wir uns im folgenden Abschnitt befassen. b) A k t i v i e r u n g b e i a d i a b a t i s c h e m V e r l a u f Bei „adiabatischem" Mechanismus betrachtet man nur diejenigen Veränderungen der potentiellen Energie, die lediglich durch die örtliche Verschiebung der Atom-
72
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
111,11
mittelpunkte gegeneinander bewirkt werden, wobei man annimmt, daß die Elektronenhüllen beliebig schnell mitgehen, d. h., daß sich zu jeder Lage der Kerne die zugehörige stabile Elektronenkonfiguration momentan einstellt. Die Energie läßt sich dann als eine kontinuierliche Funktion der Atomabstände darstellen. Betrachtet man zwei Atome, die zur Molekülbildung fähig sind, wie ζ. B . zwei Wasserstoffatome, dann läßt sich aus der in Abbildung III, 5 dargestellten „Potentialkurve" entnehmen, welche Änderung der Energie das System erleidet, wenn man den Abstand der beiden H+H Atome verändert. Die Energie hat ein Minimum beim Abstand r 0 , der beim Wasserstoff 0,74 A beträgt. Das Molekül führt jedoch selbst beim absoluten Nullpunkt Schwingungen aus. Das durch die Linie 0 angedeutete Niveau ist also stets „angeregt". Die ihm entsprechende Energie N0 ist die • 10''cm „Nullpunktsenergie". Die höheren Niveaus 1, 2 usf. werden erst bei Abb. III, 5. Abhängigkeit der Bindungsenergie vom höheren Temperaturen angeregt. Bei Abstand der Η-Atome im Wasserstoffmolekül einer bestimmten Energie (H + H) (Morse-Funktion) geht der Abstand r gegen σο, d. h. das Molekül dissoziiert in zwei Atome. Die Potentialkurve läßt sich mit Hilfe von spektroskopischen Daten konstruieren. Die Höhe der einzelnen Niveaus kann aus den r-Werten der Schwingungsspektren entsprechend der PLANCKschen Beziehung e = h-v
(1)
entnommen werden. Von M O R S E wurde eine Gleichung angegeben, die eine gute Näherung für die Potentialkurve E = f(r)
(2)
E = D'-(e-2air-r')-2e-a(T~u))
(3)
darstellt. Sie lautet; D' = D + Ν0 — Dissoziationsenergie + Nullpunktsenergie. Die Konstante a wird so gewählt, daß eine möglichst gute Übereinstimmung der berechneten und der spektroskopisch gefundenen Schwingungsniveaus erzielt wird (Berücksichtigung der Anharmonizität der Schwingung). Haben wir nun ζ. B . den Fall, daß ein Atom X in die Nähe eines Moleküls YZ gerät, so lassen sich die EnergieVerhältnisse annähernd dem Diagramm Abbildung ΙΠ, 6 entsprechend darstellen. Links haben wir die Potentialmulde des Moleküls YZ, rechts die von 1 7 . Beide Täler sind durch den Energieberg E 0 getrennt. E s ist hierbei angenommen, daß die Potentialkurve durch die Nachbarschaft eines dritten Atoms nicht verändert wird. Wir bringen nun X noch näher an Y heran und berücksichtigen schließlich auch die Wechselwirkung zwischen X und Ζ (Abbildung ΠΙ, 7). Durch sie wird die YZ-
111,11
Möglichkeiten der Aktivierung — Aktivierung bei adiabatischem Verlauf
73
x+y+z
Abstand
Abb. III, 6. Energieschema für die Reaktion X + Y Z - + X Y + Z. Die Aktivierungsenergie E0 ist gegenüber der Dissoziationsenergie von YZ erniedrigt [2]
Abb. III, 7. Energieschema für die Reaktion X + ΥΖ — 1 7 + 2 unter Berücksichtigung der Wechselwirkung der Außenatome X und Ζ
Bindung gedehnt, d. h. das Molekül Υ Ζ wird auf einen höheren Energiezustand gehoben, und die aus der Überschneidung der Kurven I und I I sich ergebende Spitze eingeebnet. Tritt nun der Fall ein, daß das Atom Y, das zunächst an Ζ gebunden ist, beim Ausschwingen den höchsten Punkt erreicht, so hat es die Wahl, entweder in die Potentialmulde YZ zurückzuschwingen oder in die Potentialmulde X Y hinüberzuwechseln. I m letzteren Falle hat sich die Reaktion X + YZ = X Y + Ζ
(4)
vollzogen, wobei die aus Abbildung I I I , 7 ersichtliche Energieschwelle E 0 überwunden werden mußte, die aber jedenfalls viel niedriger ist als der Energiebetrag D' — N0 (in Abbildung I I I , 6), der zur völligen Dissoziation von YZ notwendig gewesen wäre. Die Höhe E0 kann man rechnerisch ermitteln, wenn man für sämtliche möglichen Konfigurationen der Atome Χ , Υ, Ζ den zugehörigen Wert der potentiellen Energie kennt. Alle vorkommenden Energiewerte müssen zwischen dem energetisch niedrigsten Zustand — in unserem Bilde also dem Endzustand — und dem höchsten Energiewert liegen, der (Abbildung I I I , 6 rechts oben) bei der völligen Trennung der drei Atome erreicht wird. Wie man die Berechnung der potentiellen Energien für bestimmte Abstände durchführt, soll im nächsten Kapitel gezeigt werden. Sind — wie wir annehmen wollen — alle drei Atome linear angeordnet (Abbildung III, 8), so hat man, da die Summe der Abstände X — Y und Υ — Ζ gleich dem Abstände X — Z ist, nur zwei unabhängig variable Abstände und man kann inAbb. III, 8. Lineare Anordnung der folgedessen alle berechneten Energiewerte in einem drei Reaktanten für die Reaktion Diagramm darstellen, das als Abszisse den AbX + ΥΖ->·ΧΥ + Ζ stand Χ — Y und als Ordinate den Abstand Υ—Ζ enthält. Verbindet man nun gleiche Energiewerte durch „Höhenlinien", so erhält man das Bild eines gebirgigen Geländes auf einer Landkarte (Abbildung III, 9). Der
74
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
111,11
Verlauf der R e a k t i o n k a n n dann durch den W e g einer K u g e l versinnbildlicht werden, die aus dem T a l e in O s t - W e s t - R i c h t u n g in das T a l in Nord-Südrichtung läuft, wobei sie die geringste E n e r g i e benötigt, wenn sie den W e g über den Sattel n i m m t , der in der gewählten Darstellung bei 2 6 k c a l liegt. D e r a m R a n d e (oben u n d rechts) angedeutete Querschnitt der beiden Täler entspricht den P o t e n t i a l k u r v e n der Moleküle X Y und Y Z .
0,8 1,0 Ιί
7Λ 16
Ts 2,0 Â
Abstand der Atome X—Y
Abb. III, 9. Landkartenmäßige Darstellung der Energie in der Nähe des „Sattels" beim Übergang X Y + Ζ X Z + Y (nach EYEING und POLANYI
Abb. III, 10. Dreidimensionale Darstellung des „Resonanzgebirges" für die Reaktion H + H 2 -+ H 2 + H ( n a c h EYRING u n d POLANYI [ 1 ] )
[1])
XY+Z
Abb. III, 11. Energieschema des Sattelgebietes für die Reaktion X + Y Z - + X Y + Ζ in schiefwinkliger Darstellung (Achsenwinkel 60°). Die Reaktion verläuft mit Überschußenergie, wobei die Translationsenergie des Reaktanten in Schwingungsenergie des Endproduktes verwandelt wird [2]
XY+Z
Abb. III, 12. Energieschema, wie in Abb. I I I , 11. Die Energie der Ausgangsprodukte genügt nicht zur Reaktion, wohl aber zur Anregung einer Schwingung [2]
111,12
Berechnete, Absolutwerte
von
Aktivierungsenergien
75
Abbildung III, 10 gibt die Verhältnisse nach Berechnungen von EYRING und POLANYI f ü r die R e a k t i o n H + H2
H2 + H
in dreidimensionaler Darstellung weder. Abbildung III, 11 und III, 12 zeigen dasselbe „Potentialgebirge" wie Abbildung III, 9, nur in einem Koordinatensystem, dessen Achsen einen Winkel von 60° bilden. In dieser Darstellung wird die Analogie zwischen der Bewegung einer über den Sattel rollenden Kugel und dem Durchlaufen der einzelnen Energieniveaus bei der Reaktion fast vollständig. Die beiden Diagramme zeigen anschaulich, wie durch das Anrollen gegen die Hänge des Potentialgebirges Translationsenergie in Schwingungsenergie umgewandelt werden kann.
12. Berechnete Absolutwerte von Aktivierungsenergien Die Berechnung sei hier für den einfachen Fall der Reaktion H + H2 ~ > H2 + H
durchgeführt, deren Geschwindigkeit bei Benützung von para-Wasserstoff (pH 2 ) als Ausgangsmolekül sich leicht messen läßt. GEIB und HAETECK konnten zeigen, daß para-Wasserstoff mit Wasserstoffatomen zu normalem Wasserstoff («,H2) reagiert : H + J>H2 —>- » H 2 + H .
Diese Reaktion, für die eine Aktivierungsenergie von 6,7 kcal experimentell bestimmt wurde, eignet sich als Standardreaktion zur Bestimmung von H-Atomkonzentrationen (vgl. S. 94). Die theoretische Berechnung wurde zunächst von LONDON durchgeführt. Die Bindung des Wasserstoffmoleküls wird zum größten Teil durch quantenmechanische Resonanzkräfte bedingt (hieraus leitet sich der Name „Resonanzgebirge" ab, der häufig statt „Potentialgebirge" verwendet wird). Da jedoch die reagierenden Atome auch elektrisch geladene Teilchen (Elektronen und Protonen) enthalten, ist ein gewisser Anteil der Bindungsenergie ( C o u L O M B s c h e r Anteil) elektrischen Kräften zuzuschreiben, die aus der räumlichen Ladungsverteilung als C o u L O M B s e h e Wechselwirkung resultieren. Es läßt sich also der Energiewert, den zwei Atome im Abstand r besitzen, näherungsweise als eine Summe aus Resonanzenergie (A(R)) und COULOMRscher Wechselwirkung (4 ( r ) ) ausdrücken: % ) = ^ ( r ) + «
o
V — 2m
für
0
>
E0.
Damit wird nach E y e i n g 2ω, e F,F2 ·••
kT
Eo h
-
R T
.
(2)
Diese Beziehung ist formalidentisch mit (III 1 0 6, S. 71), wenn man wiederum ein thermodynamisches Gleichgewicht zwischen dem aktivierten Komplex und den Reaktanten betrachtet. Der mittlere Transmissionskoeffizient läßt sich in einfachen Fällen quantenmechanisch berechnen, so daß bei Kenntnis der Aktivierungsenergie (theoretisch berechnet oder experimentell bestimmt) auch an eine absolute Berechnung von k herangegangen werden kann. I m Jahre 1936.haben Eybing, H i b s c h f e l d e r und T a y l o r [3] eine solche ¿-Berechnung mitgeteilt für die Reaktion Hf + H 2
>- HJ + H
mit dem Ergebnis k = 2,07 · 10~9 cm 3 /sec. Dieser Wert ist außerordentlich hoch, denn er beträgt nahezu das Fünffache des gaskinetischen. Letzterer ergibt sich nach
111,13
Berechnete Absolutwerte der
Geschwindigkeitskoeffizienten
(III 7 3b, S. 56) mit σ Ηί = 1,7 · IO" 15 cm2 und ν = 1,77 · IO5
81
bei 25° C zu k0 =
1,7 · IO" 15 · 1/2 · 1,77 · IO5 = 4,3 · IO" 10 sec — . ' Auf experimentellem Wege sind in neuester Zeit noch, eine ganze Reihe weiterer Reaktionen vom selben Typ X+ +
nt
YH
»2
XH+
n3
+
Y
mit Hilfe der massenspektrometrischen Methode untersucht worden. Dabei wurden durchweg sehr hohe ¿-Werte gefunden im Vergleich zu Gasreaktionen zwischen neutralen Molekülen im Grundzustand und diese hohen k- Werte stimmen in einem sonst bisher nicht erreichten Grade überein mit theoretischen Berechnungen (s. Tab. III, 6). Die experimentelle Methodik zur Untersuchung derartiger Ionen-Molekül-Reaktionen werden wir in Abschnitt IV 6 , S. 117, behandeln und an dieser Stelle zunächst nur eine theoretische Formulierung der ¿-Berechnung angeben, die eine klassische Näherung darstellt (GIOUMOTJSIS U. STEVENSON). Ein Ion X+ können wir auffassen als ein Teilchen, das bereits „aktiviert" ist. Bei neutralen Teilchen im aktivierten Zustand X* stellt die Berechnung der Wechselwirkung mit einem Reaktionspartner allgemein eine schwer lösbare Aufgabe dar. Die Wechselwirkung Ion-Molekül beruht jedoch vorwiegend auf der elektrischen Polarisation eines an sich dipollosen neutralen YH, die von dem Feld eines sich nähernden induziert wird und in klassischer Weise beschrieben werden kann. Die YH sollen kein eigenes Dipolmoment aufweisen und außerdem annähernd Kugelform besitzen, d. h. das Moment soll isotrop induziert werden. Zwischen einem Ion und einem Neutralen herrscht dann ein Potential (in cgs-Einheiten) : * « =
-
(
3
)
Hierin bedeuten: r den Abstand der beiden Teilchen, e die Ladung des Ions und tx die elektrische Polarisierbarkeit des Moleküls YH, definiert durch m = α · ε0 · (3a) wo m das im Felde © induzierte Dipolmoment und ε 0 die Dielektrizitätskonstante des Vakuums bezeichnen. Wenn nun ein Ion und ein Molekül in großem Abstand sich mit der Relativgeschwindigkeit ü-, — b2 = g geradlinig frei aufeinander zu bewegen, so treten ab einer gewissen Annäherung gegenseitige Ablenkungen von den geraden Bahnen ein infolge der mit 1/r4 zunehmenden Wirkung des Potentials (3). Die Bahnen in einem solchen Potential hat bereits LANGEVIN angegeben bei seiner bekannten Berechnung der Ionenbeweglichkeiten in Gasen. Sie sind bestimmt durch zwei Größen: die Relativgeschwindigkeit g und den Stoßparameter b, welcher den Abstand der geraden Bahn von einer Parallelen durch das Stoßzentrum bedeutet. In Abbildung III, 16 ist eine Reihe typischer Bahnen wiedergegeben mit verschiedenen Werten des Parameters b. Man entnimmt dieser Darstellung, daß ein kritischer Wert b0 existiert. Bahnen, für die b ^ b0, führen zu keiner engeren Annäherung als höchstens auf den Abstand &0/j/2, während für b < b0 sämtliche Bahnen im Stoßzentrum enden. Es erreichen daher alle Bahnen mit b < b0 auch einen „Reaktionsabstand" rc < ö 0 /]/2. Sofern nun jede Annäherung innerhalb der „Reaktionssphäre" 4π/3 · r\ auch wirklich zur Reaktion führt, ist der Wirkungsquerschnitt nicht durch nr\ sondern bereits durch nb\ gegeben. 6 Cremer-Pahl, Kinetik
82
Spezielle theoretische Grundlagen der
111,13
Reaktionskinetik
b0 muß, wie man leicht überlegt, von der anfänglichen Relativgesehwindigkeit g abhängen. Die Rechnung ergibt
wobei μ wie früher m 19 = '
mi
m2
m1 + m2
die re-
duzierte Masse bedeutet. Damit erhält
Abb. III, 16. Eine Schar typischer Bahnkurven für verschiedene Werte des Stoßparameters 6 bei festgehaltenem Betrag g der Relativgeschwindigkeit. Die gestrichelte Bahn gehört zu dem kritischen Wert ό0. Sie geht in einen Kreis mit dem Radius r = b0/|/2 über. Wenn der ,,Reaktionsradius" rc < 60/|/2, dann erreichen alle Bahnen, für die 6 < 6 0 , die Reaktionssphäre. Unter der Annahme, daß die beiden Reaktanten dann bei jeder Begegnung innerhalb der Reaktionssphäre miteinander reagieren, ist demnach der Wirkungsquerschnitt im wesentlichen nicht durch r„ sondern durch den exakt berechenbaren Wert von 60 bestimmt.
a (g) = τώ\ =
g
/* .
V μ
(5)
Die Verteilung der Relativgeschwindigkeiten muß dabei so beschaffen sein, daß nur sehr wenige Stöße mit hohem g vorkommen, für die wegen b0 ~ 1/|/A,«i·«!·
(6)
/j und /2 stellen die Geschwindigkeitsverteilungen der Stoßpartner dar. In unserem speziellen Falle ist auf Grund von (5) das Produkt a(g) · g eine Konstante, wodurch die Integration bereits stark vereinfacht wird. Sofern beide Stoßpartner dieselbe MAXWELLsehe Geschwindigkeitsverteilung besitzen, hat das Integral den Wert 1,
Ili, 13
Berechnete Absolutwerte der QeschwindigkeitsJcoeffizienten
83
und wir erhalten mit Hilfe von (5) dn„ 1/ α - ^ - = 2 « | / 7 ·»,·«,.
(7)
Damit ergibt sich theoretisch der Geschwindigkeitskoeffizient unabhängig von der Temperatur zu k = 2πβ ] / — . \ μ
(8)
Er kann daher bei Kenntnis von oc sofort angegeben werden. In der Tabelle III, 6 sind für eine Reihe von Reaktionen experimentell bestimmte und theoretisch nach (8) berechnete ¿-Werte angegeben. Die sehr gute Übereinstimmung bestätigt das einfache theoretische Modellbild. Tab. III, 6. Vergleich von theoretischen mit experimentellen ¿-Werten nach GiOTJMOtrsis u n d S T E V E N S O N α · IO 24 cm 3
Reaktion Ar+ + Ar+ Ar Ar+ Kr+ Kr+ Ne+ Na 4 · CO+ 02 02 D2
m1m2 ί»! + m 2
OCmax
k · 109 cm 3 /Molekül sec
Otmin
Exptl.
Theoret.
H2 — • ArH+ + Η
0,7894
1,919
1,40
1,68
1,50
~ ^ < |!AArrDH ++ ++ • — • ArD+ + — • KrH+ + — • KrD+ + — * NeH+ + — > N 2 D+ + . — • COD+ + — » 02H+ + — * 02D+ + —-> DJ +
0,7829
2,810
1,40
1,43
1,23
0,7749 0,7894 0,7749 0,7894 0,7749 0,7749 1,60 1,60 0,7749
3,661 1,969 3,845 1,832 3,523 3,523 1,897 3,579 2,015
1,40 1,40 1,40 1,40 1,40 1,40 1,94 1,94 1,40
1,35 0,48 7 0,30< 0,27 4 1,72 1,63 7,56 3,56 1,43
1,09 1,47 1,05 1,53 1,10 1,11 2,16 1,52 1,45
17,994 41,001
1,31 1,27
0,43 e 0,22!
0,89 0,67
4- H D +i±L> + D2 + H2 + D2 + H2 + D., + D2 + Hf + Dt + DJ
D
Η D Η D Η D D Η D D
HC1+ + HCl — > H2C1+ + Cl HBr+ + HBr • H 2 Br+ + Br
2,63 3,61
α bedeutet die Polarisierbarkeit von YH, a m i l x / a m i n gibt das Verhältnis der maximalen zur minimalen Komponente des Polarisationstensors an u n d damit ein Maß f ü r die Abweichungen von der Voraussetzung der Isotropie dieses Tensors. Einem aufmerksamen Leser wird auffallen, daß f ü r den Prozeß N e + + H 2 ^ N e H + + Η der experimentelle ¿-Wert wesentlich kleiner ist als der theoretische, während im Falle der A r H + - B i l d u n g ausgezeichnete Übereinstimmung besteht. Der Grund hierfür liegt darin, daß (infolge der hohen Ionisierungsenergie von Ne u n d He) noch eine starke H + -Produktion parallel zur N e H + - u n d H e H + - B i l d u n g erfolgt gemäß H e + + H2
> HeH+ + Η \
Ne+ + H 2
\
und H+ + Η + He * NeH+ + Η
\
H + + H + Ne.
Die Protonen entstehen mit erheblichen Beträgen an kinetischer Energie. Sie sind deshalb in der Elektronenstoß-Ionenquelle eines Massenspektrometers k a u m nachzuweisen, wohl aber in 6*
84
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
111,14
einer Glimmentladung, an die ein Massenspektrometer angeschlossen ist ( P Ä H L und W E I M E R s. Absehn. IV6). Die berechneten ¿-Werte gelten also jeweils für die beiden Parallelreaktionen zusammen. Literaturhinweise 1. S.
GLASSTONE,
K.
J.
LAIDLER
und
H.
3. H . EYRING, J . 0 . HIRSCHFELDER u n d H . S.
The Theory of Rate Processes, McGraw-Hill Book Company, Inc., New York und London, 1941, S. 220ff. 2. H. E Y R I N G , J . W A L T E R U. G. K E M B A L L , Quantum Chemistry, John Wiley & Sons, Inc. New York, Chapman & Hall, Ltd., London 1958 Chapt. XV und XVI. EYRING,
J. ehem. Phys. 4, 479, (1936).
TAYLOR,
4 . G . GIOUMOUSIS u n d D .
P.
STEVENSON,
J.
ehem. Phys. 29, 294 (1958). 5. M. P Ä H L U. U. W E I M E R , L Proceedings of the fourth International Conference on Ionization Phenomena in Gases. Uppsala, 1959, Vol. I., S. 293, North-Holland Publishing Company Amsterdam.
14. Energieübertragung bei Stößen Wir betrachten in diesem Abschnitt nach H E B Z F E L D etwas genauer eine Reaktionsfolge bestehend aus dem bereits in I I I 9 , S. 63 f. behandelten Fall, daß die Aktivierung eines Moleküls durch Stöße erfolgt, und einen daran anschließenden monomolekularen Zerfall des aktivierten Moleküls gemäß AB + M AB*
>- AB* + M >-
Α + Β
.
(I) (II)
Der erste Prozeß verläuft nach der 2. Ordnung, der Zerfall nach der 1. Ordnung. Die Geschwindigkeit einer Bruttoreaktion, die über (I) und (II) verläuft, wird demnach bestimmt durch die langsamere dieser beiden Zwischenreaktionen und muß dementsprechend auch deren Ordnung aufweisen. Wenn etwa (II) der langsamere Prozeß ist, dann werden die meisten der angeregten Moleküle AB*, schon ehe sie zerfallen, bereits wieder durch weitere Stöße AB* -f M > AB + Μ + E ihre Überschußenergie verlieren. Wir können in diesem Fall mit einer Gleichgewichtskonzentration n* rechnen, die nur von der Temperatur, nicht aber — genügend desaktivierende Stöße vorausgesetzt — vom Druck abhängt. Die Bruttoreaktion verläuft dann nach der ersten Ordnung. Wenn wir nun den Druck sehr stark erniedrigen, dann kann die Desaktivierung soweit zurückgehen, daß der Prozeß (I) der langsamere wird und die Bruttoreaktion in die 2. Ordnung übergeht. Der Geschwindigkeitskoeffizient für die 1. Ordnung der Bruttoreaktion k 1 wird mit abnehmendem Druck also kleiner. Wenn er nun speziell den Wert kj/2 erreicht hat, so bedeutet dies, daß während der Zeit dt der Bruchteil k1· dt der Moleküle aktiviert wird und davon nur noch die eine Hälfte durch Stöße desaktiviert, während die andere Hälfte zerfällt. Oder anders ausgedrückt: Für fc-,/2 sind die Geschwindigkeiten für Zerfall und Desaktivierung gerade gleich groß. Mit Hilfe dieser Bedingung kann man einen Ausdruck ableiten, der den „Frequenzfaktor" ν in ( I I I 9 15, S. 68) des monomolekularen Zerfalls mit der Aktivierungsenergie und der Verteilung der Schwingungsenergie auf mehrere verschiedene Molekülschwingungen verknüpft. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir zuerst angeben, wie die Energie der Molekülschwingungen verteilt ist, wenn mehrere Schwingungen angeregt werden können. Die Berechnung soll sich auf den klassischen Fall harmonischer Schwin-
111,14
Energieübertragung
85
bei Stößen
gungen beschränken. Hierzu gebrauchen wir die in Abschn. III 3 (S. 42) abgeleitete Energiefunktion (23) für ein System mit s möglichen Schwingungen, dessen Gesamtzustand demnach von je s Lagekoordinaten ql q2. .. qs und s Impulskoordinaten p1 . . . ps abhängt. In diesem Falle ist die Elementarzelle des 2 s-dimensionalen Phasenraumes gegeben durch dQ = dqJ · dq2 · · · dqs • dp1 • dp2 · • • dps.
(1)
Ein bestimmter Energiebetrag (Anregung) E verteilt sich auf die s Schwingungen gemäß E + dE
j"
dN«
•
Ν
i
, _
J
E
'
e
E
k r
dü
•
Ε = α.
·
r ; : "=; 0. /- e
(2)
E
Das 2s-fache Integral im Zähler ist über das Energie-Intervall E bis E + dE zu bilden, das Zustandsintegral im Nenner von E = 0 bis E = oo. Der Ausdruck (2) gibt den Bruchteil aller Ν Moleküle an, die sich in dem bestimmten Energieintervall befinden. Nach Ausführung der Integrationen entsteht1) dN Ν
1 l E (s — 1) ! \ RT
E
γ - i j
- ^ r
dE_ RT
Diesen Ausdruck integrieren wir noch einmal von der Aktivierungsenergie E0 bis oo, um die Wahrscheinlichkeit Wf dafür zu erhalten, daß ein Molekül eine totale Schwingungsenergie E > E besitzt. Für E j R T g> 1 entsteht dann 0
Q
jy* —
1
(s
( Eo
— 1) ! V
RT
)
'
u)
W
Zur Desaktivierung soll nun ein angeregtes Molekül während seiner Lebensdauer τ eine Anzahl ζ von Stößen vollführen müssen, da die Desaktivierung nicht bei jedem Stoß völlig gelingt. Dann ist die Anzahl der Desaktivierungsprozesse pro sec gegeben durch dn* dt
1 ZT
» (« — 1) ! \ RT
( 5 )
und wenn wir bei hohen Drucken Gleichgewicht mit der Aktivierung annehmen können, stellt (5) auch die Reaktionsgeschwindigkeit des „aktivierenden" Prozesses (I) dar. Wenn wir nun die Verhältnisse bei demjenigen Druck betrachten, wo der Geschwindigkeitskoeffizient gerade auf den Wert k j 2 abgesunken ist, dann erhalten wir für den Frequenzfaktor der monomolekularen Zerfallsreaktion (II)
2ζ· τ , , 1)
(s—1)! l RT
(6)
s. ζ. Β. R . C o u r a n t , Differential-Integralrechnung 2. Bd. I V . K a p i t e l A n h a n g , A . E u o k e n ,
Lehrbuch d. ehem. Physik II, 1 §§ 23 u. 81. Die Integration von (2) kann in dieser Form nur ausgeführt werden, wenn zwischen E und den Koordinaten.q und ρ eine quadratische Beziehung e2 p2 besteht E ~ + —2 . Daher rührt die Beschränkung auf den harmonischen Oszillator.
86
Spezielle theoretische Grundlagen der Reaktionskinetik
III, 15
der früher einfacher definiert war durch (III 9 15) dn^ — = ve
111 ; . ·/·
Zu (4) ist noch eine grundsätzliche Ausführung notwendig im Hinblick auf Moleküle mit mehr als zwei Atomen. Wir hatten einfach von s angeregten Schwingungen gesprochen. Deren Anzahl kann s ä0 der Zahl -s0 der insgesamt vorhandenen Normalschwingungen sein, da wir unter s nur die Anzahl der in die Reaktionskinetik eingehenden Schwingungen verstanden haben. Wenn s < s 0 angesetzt wird, dann muß verlangt werden, daß unter den s auch diejenige Schwingung vr enthalten ist, die zur Reaktion f ü h r t , falls sie den Energiebetrag E0 erreicht. Es existiert nun f ü r s < s0 eine Reihe von Kombinationen, bei denen s — 1 bestimmte Schwingungen zusammen mit vr die Gruppe s bilden. Die Anzahl dieser Kombinationsmöglichkeiten ist gegeben durch f = fa"1)' r> (s — 1) ! («o —~s) !
(7) K
'
mit diesem Faktor ist W* noch zu multiplizieren, da der Ausdruck (4) nur f ü r jeden einzelnen Fall der Mannigfaltigkeit fs gilt.
15. Die Energiekette Das allgemeine Bildschema (vgl. S. 24) sagt über die Natur der „aktiven Zwischenkörper" nichts aus. Wir können uns unter den Körpern Α, Β usf. ebensogut reaktionsfähige Atome oder Atomgruppen (ζ. B. Radikale) vorstellen als auch besonders angeregte Teilchen. Wenn die Aktivität des Teilchens nicht durch seine chemischen Eigenschaften bedingt ist, sondern durch einen besonders hohen Energiegehalt verursacht wird, — das Teilchen kann ζ. B. die bei der Reaktion freiwerdende Wärme als kinetische Energie ganz oder teilweise besitzen — so spricht man von einer „Energiekette", zum Unterschied von der Stoffkette. Bei letzterer ist der „Kettenträger" ein bestimmtes chemisches Individuum, etwa ein Η-Atom oder wie beim Uranzerfall — ein Neutron. Oft spielt jedoch auch die mitgegebene Energie eine Rolle und man hat in vielen praktischen Fällen eine Kombination von Energie- und Stoffkette vor sich. Die Möglichkeit einer Energiekette wurde schon 1923 von CHRISTIANSEN und K B A M E B S [ 3 ] , später, 1928, ausführlich von S E M E N O F F [4] diskutiert, dessen Behandlung des Problems im Nachfolgenden wiedergegeben sei. Wir betrachten hierzu ein abgeschlossenes Volumen. I m thermischen Gleichgewicht ist die Zahl (n %) der Moleküle, die eine Energie > E haben, durch die MAXWELL-BoLTZMANsrsche Energieverteilung gegeben. Bei langsam verlaufenden Reaktionen kann man annehmen, daß dieses „thermische Gleichgewicht" stets eingestellt ist und daher n*~e-mT setzen. Bei schnellen Reaktionen muß man jedoch den Verbrauch der energiereichen Teilchen durch die Reaktion berücksichtigen. Wir haben also zwei Wege, auf denen die aktiven Teilchen verschwinden :
1. den der normalen Dissipation der Wärme im nichtreagierenden Gas, 2. die Abreaktion der aktiven Teilchen. Nennen wir die Konzentration der letzteren n*, so können wir schreiben: = kn* — k^n* -f- k2n*
(1)
Die Energiekette
111,15
87
wobei k l und k2 die Geschwindigkeitskonstanten f ü r die oben unter 1. und 2. beschriebenen Vorgänge sind. Da (vgl. S. 10) f ü r die Geschwindigkeitskonstante der reziproke Wert der mittleren Lebensdauer gesetzt werden kann, können wir (1) folgendermaßen umformen: 1
=
.
J _
wobei t die mittlere Lebensdauer des aktiven Teilchens bedeutet, entsprechend Δ Θ die Zeit, die die Energie auf einem Teilchen verweilt, wenn keine Reaktion stattfindet, und Δτ die Zeit zwischen dem Entstehen des aktiven Teilchens und der Reaktion. Die Geschwindigkeit der Reaktion ist nun gleich der Geschwindigkeit des durch die Reaktion bedingten Verbrauchs der aktiven Teilchen. Wir können dafür setzen:
» Haben wir eine Kettenreaktion vor uns (Bildschema 2, S. 26), so müssen wir zusätzlich noch berücksichtigen, daß durch die Reaktion aktive Teilchen erzeugt werden können, die durch Speicherung von Reaktionswärme eine Energie >E besitzen. Wenn in einem Kettenablauf ε solcher Teilchen erzeugt werden, so ist die Geschwindigkeit der Bildung aktiver Moleküle durch die Reaktion (3a)
Δτ
und die Gesamtgeschwindigkeit der Bildung aktiver Moleküle setzt sich aus der Geschwindigkeit v* der thermisch gebildeten und der Geschwindigkeit der durch Reaktion gebildeten zusammen, vermindert um die Geschwindigkeit des Verlustes dieser Teilchen durch Reaktion oder Energieübertragung beim Stoß: T
T
-
-
+
S
—
1 läuft sie jedoch auch dann weiter, wenn die Bildung primärer Teilchen unterdrückt wird. Für α = 1 wird die Kettenlänge unendlich. Da eine „negative Kettenlänge", wie sie für α > 1 resultiert, physikalisch nicht sinnvoll ist, sei dieser Fall nicht an der Formel für die Kettenlänge, sondern an derjenigen für die Geschwindigkeit (4) dargetan, die wir dazu etwas umformen müssen. Durch Multiplizieren mit Δ τ und Dividieren durch (1 + Δτ/Δ Θ) erhält man unter Berücksichtigung von (7) und (7a) _
Ar +
Ατ ~Ä&
_v^Ar dt +
_ Δτ ~M
_ ^
=
_
(g)
"
Nehmen wir an, daß Δτ, ΔΘ und α während des Verlaufs der Reaktion konstant bleiben, und daß, nachdem die Kette in Gang gebracht ist, keine Primärreaktion mehr stattfindet («* = 0), so erhalten wir für α > 1 dn* ¡dt = k · n*, bzw. n* = const. ekt,
(10)
d. h. einen exponentiellen Anstieg der aktiven Teilchen mit der Zeit. Ist Δτ H2
> »Hg + Η
leicht in ihrem zeitlichen Ablauf verfolgen.
(4)
IV, 1
Die Reaktion zwischen einein Atom und einem Molekül — Allgemeines
91
Die Darstellung von reinem (99,7%igem) Parawasserstoff gelang BONITOEFFER und, HARTECK im J a h r e 1929 durch Adsorption von Wasserstoff an Kohle bei der Temperatur des flüssigen Wasserstoffs. Bei hohen Temperaturen besteht der Gleichgewichtswasserstoff aus einem Gemisch von 75% OH2 u n d 25% pH 2 . Seit es möglich geworden ist, auf gaschromatographischem Wege Ortho- u n d Parawasserstoff völlig zu trennen [8], k a n n m a n das Gleichgewicht auch von der anderen Seite her erreichen, nämlich auf dem Wege über die Reaktion: H + oH 2
^ WH2 + H
(5)
Schon BONHOEFFER u n d HABTECK [1] fanden bei Erhitzung von Parawasserstoff in Quarzröhren bei Temperaturen von 750 u n d 1100° C eine homogene Umwandlung in normalen Wasserstoff, die sie entsprechend Formel (4) formulierten. SENFTLEBEN [9] konnte zeigen, daß H-Atome, die durch Stöße zweiter Art mit angeregten Quecksilberatomen erzeugt wurden, ein parawasserstoffreiches Gemisch in wenigen Minuten in normalen Wasserstoff verwandeln. Ebenso stellt sich in einer elektrischen Entladung sehr rasch das Gleichgewicht zwischen Ortho- u n d Parawasserstoff ein.
Es muß jedoch bemerkt werden, daß es zwei grundsätzlich verschiedene Mechanismen gibt, nach denen die Umwandlung der beiden Wasserstoffarten verlaufen kann. Neben der in (3) und (4) formulierten echten chemischen Reaktion gibt es noch eine „physikalische Reaktion", nämlich die Umwandlung durch magnetische Wechselwirkung. Hierbei wird beim Zusammenstoß mit einem paramagnetischen Molekül der Kernspin eines der beiden Wasserstoffatome im H 2 -Molekül „umgeklappt", so daß dadurch die andere Spinmodifikation entsteht, ohne daß die chemische Bindung des H 2 -Moleküls dabei gelöst wird. Als paramagnetischer Katalysator kann hier ζ. B. der im Gemisch schon vorhandene Orthowa;sserstoff wirken. EUCKEN u n d HELLER [2] fanden bei Drucken über hundert Atmosphären Halbwertszeiten von 20 bis 100 Tagen. Wertet m a n die Messungen nach 2. Ordnung (nach dem Orthowasserstoff) aus, so erhält m a n eine Geschwindigkeitskonstante von 1 · 10 4 [(mol/liter) _ 1 -Tage - 1 ]. Berechnet m a n mit dieser Geschwindigkeitskonstante die Zeit, in der ein 99,7%iger Parawasserstoff seinen Orthogehalt u m 0,1% erhöht, so ergeben sich 105 Tage. Bei einem 50%igen Gemisch würde dieselbe absolute Änderung allerdings bereits in 20 Tagen erreicht werden.
Die Umwandlungsgeschwindigkeit ist dem Quadrat des magnetischen Momentes des Katalysators proportional. Stoffe mit höheren magnetischen Momenten, ζ. B. Sauerstoff, wandeln daher entsprechend schneller um. Die Möglichkeit der paramagnetischen Umwandlung muß jedenfalls bei Auswertung von kinetischen Messungen mit Parawasserstoff in Betracht gezogen werden und für die Bestimmung der Größe der chemischen Umwandlung rechnerisch oder experimentell eliminiert werden. In Tabelle IV, 1 sind einige wichtige Unterschiede zwischen den Spinmodifikationen des Wasserstoffs aufgeführt. Tab. IV, 1. Unterschiede zwischen den Spinmodifikationen des Wasserstoffs Orthowasserstoff Spinfunktion der Kerne Kernspin Rotationsquantanzahl Statistisches Gewicht Gleichgewichtskonzentration bei Τ -»• 0 Gleichgewichtskonzentration bei hoher Temperatur ( T > 290° K) „normaler Wasserstoff" . . . .
symmetrisch parallel U ungerade 1, 3, 5 , . . . 3 0% 75%
Parawasserstoff antisymmetrisch antiparallel It gerade 0, 2, 4, . . . 1 100 % 25%
92
Experimenteller
Teil
b) Messungen bei hoher T e m p e r a t u r Die chemische Umwandlung des Parawasserstoffes bei hohen Temperaturen wurde von A. FABKAS [3] untersucht. Als Reaktionsgefäß diente ein Quarzkolben von etwa 1 Liter Inhalt, der mit Hilfe eines elektrischen Ofens auf Temperaturen zwischen 550 und 1000° C gebracht werden konnte. Das Zeitgesetz ließ sich durch die Formel ut = u0- e~u
(6)
darstellen, wobei ut und u0 die Überschußkonzentrationen (Parawasserstoffkonzentration minus Gleichgewichtskonzentration) zur Zeit t und zur Zeit null bedeuten. Abbildung IV, 1 zeigt die Auftragung des log gegen t für verschiedene Drucke bei
65° C. Verliefe die Reaktion nach 1. Ordnung, so wäre k in (6) nicht vom Gesamtdruck Ρ abhängig, d. h. es müßte sämtliche Meßpunkte in der Abbildung IV, 1 auf einer Geraden liegen, k ändert sich jedoch mit der Wurzel aus dem Gesamtdruck; h = k' · P1/a (7) Hieraus ergibt sich die Ordnung der Reaktion als η = 3/2. Diese Ordnung ist zu erwarten, wenn die Reaktion nach (4) verläuft, da [pH 2 ] dem Druck und [H] im thermischen Gleichgewicht der Wurzel aus dem Druck proportional ist. Es tritt aber auch eine Parawasserstoffbildung nach (5) auf und man erhält daher die Brutto-Geschwindigkeitsgleichung -
d [Î>H2] /dt = \ [ H ] p[H2]
-
k2 [ H ] (1 -
p) [ H 2 ]
(8)
wobei ρ der Anteil des Gemisches an Parawasserstoff ist. Die Integration ergibt, (wenn man mit pt den Parawasserstoffanteil zur Zeit l bezeichnet) : Da k1 : k2 das Verhältnis der ortho- zur para-Konzentration im Gleichgewicht angibt, ist
IV, 1
Die Reaktion zwischen einem Atom und Molekül — Messungen hoher Temperatur
93
Da pt — pa, ~ ut und p0 — pa ~ u0 ist, wird der Ausdruck (9) mit (6) identisch, wenn man (k1 + k2) · [H] = k setzt. Die in der e-Potenz auftretende Konstante ist also die Summe der Geschwindigkeitskonstanten der Reaktionen ρ -> o und o -s- p. Die Konzentration [H] läßt sich aus dem Dissoziationsgleichgewicht [H 2 ]
2 [H] — 102,5 kcal
(11)
bzw. aus der Dissoziationskonstanten Kc = [ H ] 2 / [ H 2 ]
(12)
berechnen. Es ist nach (10), (12) und (7) k =
+-k2) \/[H,]Kc
= k* 1/[HÜ
(13)
Hieraus folgt k1 + k1 = k * l / K ;
(14)
Tab. IV, 2. Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten, Stoßausbeuten und sterischer Faktor der thermischen Reqjd; ion: H + pH 2 k* = k/\/[
Τ
H 2 ] log Kc
h- ^k2=k*¡yKe
—22,43
1,37.IO9
oH 2 + H [5]
α = sterischer Faktor Beobachter Stoßausbeute (q = 5500 cal) 0,00287
0,068
873
0,0083
973
0,263
— 19,75
2,00.10»
0,00400
0,070
1023
1,188
— 18,61
2,39.10 s
0,00463
0,068
1,71.IO9
0,00300
0,069
930
—
—
A . FARKAS
A . FARKAS u . L . FARKAS
I n Tabelle IV, 2 sind die bei verschiedenen Temperaturen von A. FARKAS gemessenen Geschwindigkeitskonstanten aufgeführt sowie der Logarithmus der statistisch berechneten Gleichgewichtskonstanten (log Kc) und die aus diesen Daten berechneten Werte für k1 + k2 (Ζ. T. korrigiert nach L. FARKAS) angegeben. Die 5. Spalte enthält Stoßausbeuten und die 6. Spalte den mit dem Wert q = 5,5 kcal berechneten sterischen Faktor. Die aus der ersten Spalte der Tabelle ersichtliche starke Temperaturabhängigkeit der Reaktion ist in der Hauptsache durch die Vermehrung der H-Atome mit wachsender Temperatur bedingt. c) M e s s u n g e n bei n i e d r i g e n T e m p e r a t u r e n Die Einwirkung von nicht thermisch erzeugten Η-Atomen auf Parawasserstoff h a b e n GEIB u n d HARTECK [4] bei den T e m p e r a t u r e n 10, 57 u n d 100° C bei einem
Druck von 0,5 Torr untersucht. Die Herstellung der Η-Atome erfolgte in einer Entladungsröhre. In den aus der Entladungsrohre austretenden Wasserstoffstrom wurde Parawasserstoff eingeleitet. Nach Durchströmen des Reaktionsraumes und einer Falle mit flüssiger Luft wurde die Konzentration des Parawasserstoffs durch Messung der Wärmeleitfähigkeit bestimmt. Die Messungen wurden zunächst in der Weise ausgewertet, daß man für t die aus der Strömungsgeschwindigkeit bekannte Verweilzeit einsetzte. Man erhielt dann in guter Übereinstimmung mit den Messungen von A. F A R K A S Aktivierungswärmen von q = 5,2 kcal, aber einen stark abweichenden sterischen Faktor.
94
Experimenteller Teil
νι,ι
Bei dieser Berechnungsweise wurde jedoch nicht berücksichtigt, daß sich das Gas, das bekanntlich einen sehr großen Diffusionskoeffizienten besitzt, dauernd durchmischt und daß sich daher die einzelnen Moleküle (bzw. Atome) verschieden lange Zeiten im Beaktionsraum befinden.
Unter Berücksichtigung der bei den Versuchen wahrscheinlich vorhandenen Diffusionsverhältnissen berechnete G E I B den für die Aktivierungswärme wahrscheinlichsten Wert zu q = 6,7 ± 0,3 kcal/Mol
Der sterische Faktor ergibt sich dann in Übereinstimmung mit den Messungen von L . F A R K A S ZU α =
0,06.
Die Aktivierungsenergie ist also bei den Messungen bei tiefen Temperaturen deutlich (mindestens 0,4 kcal) höher als bei den hohen Temperaturen. Dieser Unterschied muß als reell angesehen werden. Eine von K L E I N P A U L durchgeführte Reduktion auf Τ — 0 ergab für beide Meßreihen übereinstimmend 7,4 kcal (vgl. Tab. III 5 , S. 79). ' d) N a c h w e i s v o n f r e i e n H-Atcwnen u n d B e s t i m m u n g der Geschwindigkeit von G a s r e a k t i o n e n mit a t o m a r e m Wasserstoff Die Kenntnis der genauen kinetischen Daten der über Η-Atome verlaufenden Parawasserstoffumwandlung hat sich für die Lösung reaktionskinetischer Probleme und für die Bestimmung von Geschwindigkeitskonstanten als sehr nützlich erwiesen. In einem Reaktionsgemisch, in dem Η-Atome auftreten, müssen bei Gegenwart von molekularem Wasserstoff auch die Reaktionen (4) und (5) ablaufen. Setzt man dem Reaktionsgemisch Wasserstoff in Form von Parawasserstoff zu und findet man dann eine Umwandlung in der Richtung pH 2 —>• oH 2 , so kann man auf das Vorhandensein von Wasserstoffatomen schließen. Derartige Anwendungen werden wir in späteren Kapiteln bei der Besprechung der Chlorknallgasreaktion (S. 99) und des monomolekularen Zerfalls organischer Moleküle (S. 111) kennen lernen. Eine allgemeine Methode zur Bestimmung der Geschwindigkeiten von Gasreaktionen, an denen atomarer Wasserstoff beteilig ist, wurde von CREMER, CURRY und P O L A N Y I angegeben. Sie beruh» auf dem Vergleich der Geschwindigkeiten der Reaktion Η + H 2 mit einer Reaktion unbekannter Geschwindigkeit Η + A. In Abbildung IV, 2 ist eine schematische Skizze des wesentlichen Teiles der Apparatur gezeigt. In einem Entladungsrohr werden Η-Atome erzeugt, die durch eine mit Phosphorsäure ausgekleidete Kapillare in einen Wasserdampfstrom eintreten und von diesem dann durch eine Düse in den Reaktionsraum befördert werden, in dem sich ein durch H-Atome angreifbares Gas (A ) befindet. Das Reaktionsgefäß kann durch einen Heizmantel, in dem Quecksilber bei Drucken 1 atm siedet, auf Temperaturen bis zu 360° geheizt werden. Eine abgemessene Menge Parawasserstoff wird gleichzeitig im Kreislauf durch das Reaktionsgefäß gepumpt. Die Strömungsgeschwindigkeiten müssen durch die Manometer (M1 bis M6) kontrolliert und durch Regulieren fein einstellbarer Ventile ( V1 bis V5) konstant gehalten werden.
Die Konzentration [A] des mit Η reagierenden Gases wird so groß gewählt, daß sie ausreicht, alle Η-Atome, die in den Reaktionsraum eintreten (n Moleküle/sec), zu verzehren. In jedem Raumelement dv ist dann in = h[A] [H] dv
(15)
Aus dieser Gleichung erhält man durch Integration η = k\_A~\N
(15 a)
IV, 1
Die Reaktion zwischen einem Atom und Molekül — Nachweis von H-Atomen
wobei Ν die Gesamtzahl aller H-Atome bedeutet, die im stationären Zustand im Reaktionsraum vorhanden sind. Diese läßt sich durch Messung der Umwandlung des zugesetzten Parawasserstoffs bestimmen. E s ist: -D[IH2]/DI =
FC'[YH2][H]
95
Zirkulationspumpe
DoppehMcL\
(16)
wobei k' die von G E I B und HAKTECK bestimmte Geschwindigkeitskonstante ist. Diese Gleichung ergibt nach Multiplikation mit dv und Integration über den ganzen Raum in dem die H-Atome verteilt sind
zur Pumpe
(16a)
dP ¡dt = k'[pHÜ] Ν
wobei Ρ die im gesamten Raum befindliche Parawasserstoffmenge bedeutet. Bezeichnet man mit s die Menge des aus dem Entladungsrohr pro Zeiteinheit zuströmenden normalen Wasserstoffs und führt für die zur Zeit t = 0 vorhandenen Mengen bzw. Konzentrationen den Index 0 ein, so ist [pHJ/frHJo = P/(P„ + s-t)
(17)
Durch Einsetzen in (16a) und Integrieren erhält man zur Pumpe -·= In P J P =
'2-ln 1 +
s-t
(18)
U
regulierbares vfíüssigkeitsventi/ f/us.
H20-
Vorrat
Aus dieser Gleichung erhält man Ν und Abb. IV, 2. Schema der Apparatur zur Bestimkann somit k nach (15 a) ermitteln. mung der Reaktion von Η-Atomen mit einer organischen Substanz A nach CREMER, CURRY Die Aktivierungswärme (q) wurde und POLANYI [2]. F J _ 4 = Ventile, M ^ = Madann nach I I 5 (1) unter Annahme eines nometer. aus der einfachen Stoßtheorie sich ergebenden A-Paktors berechnet nach der Gleichung: k= 1 0 " - e - « ' * 2 . (19) Da Druck, Temperatur und Gefäßdimensionen nicht beliebig variiert werden können, kann nur ein gewisses Intervall von Reaktionsgeschwindigkeiten erfaßt werden. Bei Drucken von 0,01 mm bis 0,15 mm, einer Temperatur von 190° C und einem Abstand zwischen Düse und Wand (s.Abb. IV, 2) von rund 6 cm wären Reaktionen mit einer Aktivierungswärme q < 2800 cal „zu schnell" und solche mit q > 7400 cal ,,zu langsam", um mit der Methode gemessen zu werden. Eine Erweiterung des Meßbereiches auf Aktivierungswärmen zwischen 0 und 10000 cal kann mit einfachen Mitteln erreicht werden. Es ist also prinzipiell möglich, mit der Methode auch Reaktionen zu erfassen, die bei jedem Stoß verlaufen. Mit der Methode wurden die Reaktionen der Wasserstoffatome mit einer Reihe von Halogenalkylen untersucht. E s ergaben sich erhebliche Unterschiede, je nachdem ob Chlor, Brom oder J o d als Substituent verwendet wurde. Für die Reaktion
•96
Experimenteller
Teil
eines Η-Atoms mit CHSC1 war ζ. B. die Aktivierungsenergie > 7,2 kcal, für die Reaktion mit CHjBr hingegen < 3,2 kcal. Die Erhöhung der Zahl der Substituenten führte ebenfalls zu einem Absinken der Aktivierungsenergie. Auch die Reaktion H + HBr wurde geprüft und im Einklang mit anderweitigen Erfahrungen ihre Aktivierungswärme als < 3 kcal festgestellt. Literaturhinweise 1. BONHOEFFER, K . - F .
Phys. Chem. B.
U.
HABTECK,
4 (1929),
:2. E U C K E N , A . U. HILLER, Κ . , Z . B. 4 (1929)
P.,
Ζ.
113.
Phys. Chem.
142.
3 . FARKAS, Α . , Ζ .
Phys. Chem.
B . 10
(1930),
419.
P., Ζ . Phys. Chem., Bodensteinband ( 1 9 3 1 ) , 8 4 9 . •5. FARKAS, L., Ergebn. d. exakt. Naturwiss. 4 . G E I B ^ Ì L H _ U . HARTECK,
12 (1933)
6 . CREMER, E . , CURRY. J . U. POLANYI, M . ,
Z.
Phys. Chem. B. 23 (1933), 445. 7. CREMER, E., „Homogene Ortho- und Parawasserstoffkatalyse", Handbuch der Katalyse, Springer 1941 Bd. I, S. 325. 8. CREMER, Ε., Z. analyt. Chemie 170 (1959), 219,
s o w i e CREMER, E . u . BACHMANN,
L.,
unveröffentlicht. 9 . SENFTLEBEN, Η . , Z . P h y s . C h e η . Β 4 ( 1 9 2 9 )
113.
163.
2. Reaktion zwischen zwei Molekülen Beispiel:
Bildung und Zerfall von
Jodwasserstoff
Wir wollen uns zunächst mit der klassischen Reaktion H2 + J2
2HJ
(1)
H2 + J2
(2)
und ihrer Gegenreaktion 2 HJ
befassen. Diese Reaktion wurde bereits 1894 von B O D E N S T E I N [ 1 ] untersucht und zwar mit solcher Präzision, daß die Ergebnisse dieser Messungen als Standardwerte in alle Lehrbücher eingegangen sind. Es wurde bereits früher (S. 13) darauf hingewiesen, daß wir es hier mit einer unvollständig verlaufenden Reaktion zu tun haben, d. h., daß bei denjenigen Temperaturen, bei denen die Reaktion (1) gut meßbar verläuft, auch bereits die Gegenreaktion bemerkbar wird, daß also das Gleichgewicht H2 + J2 ^
HJ + HJ
bei den Meßtemperaturen auf beiden Seiten deutlich von Null verschiedene Konzentrationen enthält. Es war auch dieses Gleichgewicht, das die Forscher gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in erster Linie interessierte. Die ersten Versuche stammen von LAMOINE, der aber, ebenso wie zunächst BODENSTEIN, sehr unbefriedigende, stark streuende Resultate erhielt. Die Versuche beider Autoren wurden in Glasgefäßen ausgeführt, und BODENSTEIN konnte schließlich nachweisen, daß die unbefriedigenden Resultate auf eine Reaktion des Jodwasserstoffes mit der alkalischen Wand zurückzuführen waren. Es gelang ihm, diese Fehlerquelle auszuschalten: Er benützte Reaktionsgefäße (vgl. II, 3, S. 17) aus dem sauren Borosilikatglas, füllte sie mit Jodwasserstoffgas oder mit gasförmigem Jod und Wasserstoff in verschiedenen Verhältnissen und erhitzte die abgeschmolzenen Gefäße auf verschiedene Temperaturen zwischen 250 und 500° C. B O D E N S T E I N verfolgte beide Reaktionen vom jeweiligen Ausgangszustand bis zum Gleichgewicht und konnte zeigen, daß sowohl die Bildung wie der Zerfall des Jodwasserstoffes als eine bimolekulare Reaktion vor sich geht, entsprechend den
97
Reaktionen zwischen zwei Molekülen
Gleichungen : W ! _á[HJ¡
= k- [H 2 ] [J 2 ] =
-
(3)
[HJ]2
(4)
Dies entsprach genau den Vorstellungen der kinetischen Gastheorie, wenn für das Zustandekommen der Bildungsreaktion ein Stoß zwischen H 2 und J 2 und für die Zerfallsreaktion ein Stoß zwischen zwei H J Molekülen notwendig war. E s muß als ein ausgesprochenes Forseherglück bezeichnet werden, daß gerade die erste von ihm in Angriff genommene kinetische Untersuchung einer Reaktion auf einen so einfachen und leicht verständlichen Mechanismus führte. Die Auswertung der Geschwindigkeitskonstanten nach der ABKHENiusschen Gleichung (vgl. Abb. IY, 3) ergab eine Aktivierungsenergie von 40 kcal in der Richtung der Jodwasserstoffbildung und von 44 kcal in der Richtung des Zerfalls. Die Differenz entsprach somit genau der gemessenen Wärmetönung der Reaktion. Auch quantitativ zeigte sich eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit den Vorstellungen der kinetischen Gastheorie. Wenn man von reinem H 2 und J 2 bzw. von Abb. IV, 3. ARRHENius-Diagramm für reinem H J ausging und nur die Werte für ge- die Bildung und den Zerfall von Jodwasserstoff nach B O D E N S T E D T [ 1 ] ringe Umsätze, bei denen die Rückreaktion noch keine Rolle spielte, berücksichtigte, so mußten für die jeweils nach (3) und (4) berechneten &-Werte die -Faktoren gleich den aus der kinetischen Gastheorie sich ergebenden Stoßzahlen sein (vgl. III 9 , S. 63). Auch in diesem Punkte erfüllte die Reaktion die theoretische Erwartung, wie aus Tabelle IV, 3 zu ersehen ist. Es t r a t sogar nicht einmal ein nennenswert von 1 verschiedener sterischer Faktor auf. Allerdings ist die Unsicherheit in der Abschätzung des gaskinetischen Stoßquerschnittes doch so groß, daß ein sterischer Faktor von 0,1 noch innerhalb der Fehlergrenze liegt. Tab. IV, 3. Der Zerfall des Jodwasserstoffs bei verschiedenen Temperaturen (nach B O D E N S T E I N ) , wobei ¿be, = 2,05.10 12 T 1 ' e"" 43 ' 700/BT ( s e c - 1 cm 3 m o l - 1 ) . Der Faktor vor der e-Potenz entspricht der theoretischen Stoßzahl unter der Annahme eines Moleküldurchmessers von 2,43 Â T°K 781 716 700 683 666 647 629 575 556 7
Cremer-Pahl,
Kinetik
log
fcexp
— — — — — —
1,597 0,398 0,063 0,291 0,659 1,066 1,520 2,915 3,454
l o g fcber
— — — — — —
1,523 0,393 0,084 0,262 0,624 1,052 1,481 2,926 3,501
98
Experimenteller Teil
Schließlich ließen sich auch die Gleichgewichtskonstanten in sehr guter Näherung aus den Quotienten der Geschwindigkeitskonstanten berechnen. Im Gleichgewicht muß die Geschwindigkeit der Hin- und Rückreaktion gleich sein und somit H- [ H 2 ] · [ J 2 ] =
K- [ H J P
(5)
bzw. (6) [HJ]2
k
Tabelle IV, 4 zeigt die Gegenüberstellung der kinetisch und statisch bestimmten Gleichgewichtskonstanten entsprechend (6). - >
«
Tab. IV, 4. Geschwindigkeitskonstanten k und k für Bildung und Zerfall von Jodwasserstoff, bezogen auf Minuten und Mol pro 22,4 Liter. Vergleich der hieraus berechneten Gleichgewichts konstanten Kc mit der aus statischen Gleichgewichtsmessungen gefundenen f ü r verschiedene Temperaturen Tempe ratur °C 283 356 393 448 508
°K 556 629 666 721 781
itskonstanten Geschwindigke - % Br 2 + Wand
bemerkbar macht. Es wird schließlich diese Abbruchreaktion vorherrschend und dementsprechend ändert sich auch die Geschwindigkeitsformel. Das Abbrechen der Kette entsprechend 6. Br + Br + M = Br 2 + M führte auf die Proportionalität mit der Wurzel aus der Bromkonzentration (bzw. des absorbierten Lichtes), während wir bei Abbruch nach 6' erhalten: d[HBr] _ dt
K V
kt [HBr] ' [Br 2 ]
;
Es ändert sich also die Ordnung der Reaktion in bezug auf Br 2 (bzw. auf die Abhängigkeit von der Zahl der absorbierten Quanten) von 1 / 2 auf 1. Wir haben hier ein Beispiel für die allgemeine Regel (vgl. S. 34): Verschwindet der aktive Kettenträger durch Rekombination mit einem anderen Kettenträger, so treten in der Geschwindigkeitsformel halbe Potenzen auf, geht jedoch die Vernichtung eines Kettenträgers an der Wand oder durch Reaktion mit einem molekularen Reaktionspartner (wie ζ. B. 0 2 beim Chlorknallgas) vor sich, so geht die gebrochene Ordnung in die ganzzahlige über. Die Bromwasserstoffreaktion kann ebenso wie die Chlorwasserstoffreaktion als eine in ihrem kinetischen Verlauf sowohl im Lichte wie im Dunkeln völlig aufgeklärte Reaktion gelten. L i t era t u r h i n w e is e 1. BODENSTEIN, M. u. LIND, S. C., Ζ. P h y s .
3. BODENSTEIN, M. U. JUNG, G., Z. P h y s . Chem. 1 2 1 (1926) 127. 4. JOST, W . , Z. P h y s . C h e m . Β 3 (1926) 9 5 . 5. HILFERDING, K . u n d STEINER, W . , Z. P h y s . C h e m . Β 3 0 (1935) 3 9 9 .
Chem. 57 (1907) 168. 2. SCHUMACHER, H. J., Chemische Gasreaktionen, Verlag Steinkopff Leipzig, 1938.
5. Monomolekulare Zerfallsreaktionen Beispiel:
Thermischer
Zerfall
gasförmiger
organischer
Moleküle
a) D i r e k t e r Z e r f a l l i n d i e E n d p r o d u k t e Wenn eine organische Substanz, ζ. B. ein Alkohol oder ein Äther, durch thermische Einwirkung monomolekular zerfällt, so fluktuiert nach der von P O L A N Y I und W I G N E R gegebenen Modellvorstellung die Energie im Molekül so lange hin und her, bis durch Interferenz in einer Molekülschwingung die Energie über einen kritischen Energie wert E 0 steigt und dadurch ein Zerplatzen des Moleküls unter Umgruppierung der Bruchstücke zu den Endprodukten eintritt [3], Die Geschwindigkeit der Zersetzung ist, wenn η die Konzentration der betreffenden organischen Substanz bedeutet: — dti/dt = ν • e-E'IRT
•η
(1)
d. h. die Reaktion verläuft nach 1. Ordnung mit einer Geschwindigkeitskonstanten k=v.e-SQ/RT_
(2)
112
Experimenteller
F ü r ν kann man die Frequenz einer E s ist also ν = kT/h. Diese Frequenz h a t aktionen der oben beschriebenen Art mit 200 und 700° C), einen Wert von 1- bis
IV, 5
Teil
Schwingung setzen, deren Energie ε = hv = k Τ ist. in demjenigen Intervall, in dem monomolekulare Remeßbarer Geschwindigkeit verlaufen (etwa zwischen 2mal 10 13 .
I n der Tabelle IV, 6 ist eine Reihe von organischen Stoffen aufgeführt, deren Zerfall nach 1. Ordnung verläuft. I n den Spalten 5 und 6 sind die q- und v-Werte angegeben, die man bei Auswertung der Messungen nach Formel (1) unter der Annahme ν = const., E0 = q erhält. Die gefundenen »»-Werte bewegen sich zwischen 1011 und 1015. Der Schwerpunkt hegt bei 1013. Tab. IY, 6. Aktivierungsenergie, Frequenzfaktor und wirksame Freiheitsgrade einiger monomolekular zerfallender Substanzen Ausgangssubstanz C 2 H 5 Br C2H4C12 C2H6 CH3OCH3 C 2 H 5 NO 2 C1COOCC13 C 2 H 5 CHO CH 3 OC 2 H 5 C2H5OC2H6 CHg OC3II (CH 3 ) 3 COH
Produkte C2H4, H B r C2H3C1, HCl C2H4, H 2 CH4, H 2 , CO NO, CH 3 CH0, C 2 H 5 OH 2 COCL2 C2H6, CO CO, CH 4 CO, C 2 H 4 , CH4 CO, CH 4 , C 2 H 6 (CH3)2C CH2
Temperatur- Druckgebiet intervall °C Torr
2 in kcal
V
s
Β*)
395—420 650—715 583—637 422—552 190—240
12—360 40—400 4—500 28—894 50—370
54,8 64,5 69,8 58,5 37,7
3,9 4,5 1,3 1,6 1,4
.10" . 1015 . 1014 . 1013 . 1014
11 13 7 8 12
2 7 6 1 5
260—310 450—600 386—460 426—588 400—450 487—555
4— 17 20—400 26—540 25—487 22—336 2—340
41,5 54 54,5 53 49 65,5
1,4 1,4 1,7 2,8 8,4 4,8
. . . . . .
1013 1012 1012 1011 1012 1013
14 6 6 4 6 19
1 1 1 1 1 4
Nach der Theorie von E Y E I N G (S. 71) lassen sich sowohl Unterschreitungen wie Überschreitungen des theoretischen Wertes erklären, da in der erweiterten Formel ( H i n , 6) neben ν noch ein Ausbeutefaktor κ < 1 und ein Entropieglied steht. Es sei aber an dieser Stelle auch nochmals darauf hingewiesen, daß wegen der Unsicherheit in der Bestimmung von q, die evtl. einige kcal betragen kann, der Wert von ν nur etwa auf eine Zehnerpotenz genau ist.
Bei den in der Tabèlle IV, 6 aufgeführten Reaktionen zeigen die nach 1. Ordnung berechneten Konstanten stets einen deutlichen Abfall beim Übergang zu niederen Drucken. Die zur Berechnung von q und ν benutzten ¿-Werte wurden, sofern sie bei den höchsten Meßdrucken noch nicht befriedigend konstant waren, auf φ -> oo extrapoliert. Diese Extrapolation wird im allgemeinen durch Auftragen von l/p gegen 1 /k und Verlängerung der bei hohen Drucken gewonnenen (geradlinigen) Kurvenstücke bis zum Wert l / p = 0 vorgenommen. Das Absinken der Geschwindigkeitskonstanten bei niedrigen Drucken, das sich empirisch durch die Formel
Ρ
wiedergeben läßt (ß = eine für die Reaktion charakteristische Konstante), steht im Einklang mit theoretischen Vorstellungen, die auf L I N D E M A N N und H I N S H E L *) Nach Messungen von
HINSHELWOOD
(1),
KOWSKY ( 4 ) , S T E A C I E ( 5 ) , SACHSSE ( 6 ) , C R E M E R ( 7 )
DANIELS (2),
RAMSPERGER
und Mitarbeitern (vgl.
[1]
(3), [2]
KISTIA[3]
[7]).
IV, 5
Monomolekulare Zerfallsreaktionen — Direkter Zerfall in die Endprodukte
113
zurückgehen, wonach man bei hohen Drucken ein „vorgelagertes Gleichgewicht" für die Konzentration der aktiven Moleküle n* annehmen darf [1], [2]: n* = K*n (4) WOOD
Die Aktivierung und D esaktivierung geschieht hierbei durch bimolekularen Stoß. Die Geschwindigkeit dieser Reaktionen ist bei hohen Drucken groß gegen die Zerfallsreaktion. Bei niedrigen Drucken wird jedoch die Zerfallsreaktion von kommensurabler Größenordnung mit der vom Gesamtdruck abhängigen Aktivierungsund Desaktivierungsreaktion. Das Gleichgewicht (4) wird dadurch gestört. Wenn schließlich die Zerfallsreaktion die Desaktivierungsreaktion überwiegt, erhält man aus der Gleichheit der Zerfalls- und Bildungsgeschwindigkeit von n* : (5)
k' · n* = k" · Ν η
wobei Ν die Zahl aller Moleküle pro cm ist. Zu Beginn der Reaktion gilt Ν = η. Da der monomolekulare Zerfall der Konzentration n* proportional ist, geht die Ordnung der Reaktion mit sinkendem Druck von der ersten (4) in die zweite Ordnung (5) über. Aus (3) ersieht man, daß β die Dimension eines Druckes hat und zahlenmäßig gleich demjenigen Druck ist, bei dem die nach erster Ordnung berechnete Geschwindigkeitskonstante nur mehr den halben Wert von km besitzt. Dieser Druck steht in Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit, daß das Molekül, dessen Zerfall gemessen wird, die Energie E0 in seinem Innern gestapelt hat. Die Möglichkeit der Energieanhäufung hängt nun wieder mit der Zahl s der Schwingungen zusammen, die in einem Molekül möglich sind und auf die sich die Energie verteilen kann. (Die Rotation wollen wir außer acht lassen, da ihre Energie so klein ist, daß sie nicht ins Gewicht fällt.) Für den Bruchteil W* von η Molekülen pro cm 3 , der eine Energie > E0 besitzt, wenn E0> RT und auf insgesamt s Schwingungen verteilt ist, haben wir in Teil I I I e 4, aus statistischen Überlegungen den Ausdruck 3
W* =
(Ea /BT) —
1
· e- ™
(6)
abgeleitet. Die Konzentration aller aktiven Moleküle pro cm 3 ist dann (7)
n* = nW*
vorausgesetzt, daß nur relativ wenige Moleküle zwischen zwei Stößen zerfallen, so daß man ihre Zahl vernachlässigen kann. Die Zerfallsgeschwindigkeit ist der Zahl der aktivierten Moleküle proportional. Wir können den Vorgang als eine Reaktionsfolge auffassen, die von einer Ausgangssubstanz A (mit der Konzentration n) über einen aktiven Zwischenkörper A* (mit der Konzentration n*) zum Endprodukt Ζ führt, mit der Startreaktion: einer Folgereaktion :
1) M + A -> A* + M 2) A* - > Ζ
und der Gegenreaktion zu 1): 1')
A*+M^M
+
A
Da M ein beüebiger Stoßpartner ist, können wir für seine Konzentration die Zahl Ν aller Moleküle/cm3 setzen. Wir erhalten aus dem obigen Schema für die Konzen8 Cremer-Pahl, Kinetik
114
Experimenteller Teil
IV, 5
tration des Zwischenkörpers: -·-
(8)
K N n
Κ + h· Ν
hv können wir gleich, der bimolekularen Stoßzahl fcmax (siehe S. 56), k2 gleich einer Schwingungsfrequenz ν setzen. Für hohe Drucke überwiegt im Nenner kln und wir erhalten dann unter Berücksichtigung von (7) (9)
und somit
h = ¿max W*
(10)
Nach dem Reaktionsschema ist ferner: dt -
dt~
*
k n
(11)
Unter Einsetzen von n* aus (8) und der Werte für die Konstante kx, kv und k2 erhalten wir: dn kmzxNWf (IIa) dt fcmax N V Die nach erster Ordnung berechnete Geschwindigkeitskonstante hängt also von N, d.h. vom Druck, ab. Sie wird für hohe Konzentrationen druckunabhängig: ka>=vW*
(12)
für niedrige Konzentrationen dem Druck proportional: k = km^NW*
(13)
Durch Einsetzen von (12) in (IIa) erhalten wir schließlich: .
k=
(14)
Ä-max NW* Da erhält man
N=p/kT
^ km^pW*
(14a)
Ρ
Wir haben somit die oben (3) empirisch eingeführte Beziehung zwischen k und kx abgeleitet, wobei sich für β der Ausdruck ergibt : fc -kT ß = (16) «'max " s Hierbei ist k die BoLTZMANNsche Konstante, Τ die absolute Temperatur, fcmax der Stoßfaktor. Wir können nun β aus k m berechnen, wenn wir auch alle Größen kennen, die in Wf vorkommen [siehe (6)]. Die Zahl der möglichen Schwingungen s läßt sich angeben, sobald die Anordnung der Atome im Molekül bekannt ist [10]. Sie geht auch in die Berechnung von E0 aus der experimentell bestimmten Aktivie-
IV, 5
Monomolekulare Zerfallsreaktionen — Zerfall über Radikalketten
115
rungswärme q ein. Aus der differenzierten logarithmierten Arrheniusgleichung erhalten wir: d In
η
dT
(17)
RT2
Nach (12) und (6) ist aber d In & dT
! In Wf _ dT
E0~(s~l)RT^ RT2
Aus der Gleichsetzung von (17) und (18) erhalten wir E0 = q+(s—
(19)
1)RT.
Die in dieser Weise durchgeführten Berechnungen von β ergeben nun stets zu niedrige Werte. U m sie mit den gemessenen Werten in Einklang zu bringen, muß man annehmen, daß nicht alle möglichen Schwingungen bei der Energieübertragung mitspielen, sondern daß für s eine kleinere Zahl eingesetzt werden muß, die der sogenannten „wirksamen Schwingungen" (vgl. Spalte 7 der Tabelle IV, 6).
b) Z e r f a l l ü b e r
Radikalketten
Der monomolekulare Zerfall größerer Moleküle kann direkt in stabile Endprodukte, aber auch über Radikale erfolgen. Die ungesättigten Radikale können eine Kettenreaktion auslösen. Die Reaktion kann auch dann nach 1. Ordnung verlaufen und die oben gegebenen Überlegungen, die zeigten, daß es bei niedrigem Druck zu einem Abfall der Konstanten kommen muß, bleiben ebenfalls gültig. E s kann allerdings hier noch ein zusätzlicher Effekt auftreten, nämlich der Abbruch der K e t t e an der Wand, der infolge schnellerer Diffusion bei niedrigen Drucken mit größerer Wahrscheinlichkeit vor sich geht und zu einem Absinken der Reaktionsgeschwindigkeit führt. E i n über Radikale kettenmäßig verlaufender Zerfall von Kohlenwasserstoffen w u r d e i n s b e s o n d e r e v o n R I C E u n d HERZFELD d i s k u t i e r t . S i e f o r m u l i e r t e n ζ . B . d e n
Zerfall von Äthan in Äthylen und Wasserstoff in folgender Weise: 1. 2. 3.
4· 5.
C2H6 — >
CH 3 + CH 3
CH 3 + CH3CH3 — ν CH 4 + CH 3 CH 2 CH 3 CH 2 ( + M )
C 2 H 4 + H ( + M)
H -)- C2IIQ — H 2 + CH3CH2 H + H ( + M ) —>- H 2 ( + M ) .
Die Durchrechnung des Schemas führt auf die Geschwindigkeitsgleichung: d [C 2 H„] ¡dt = yk^kjkz
[C 2 H 6 ]
also auf eine 1. Ordnung. Um zu entscheiden, ob ein organisches Molekül, ζ. B . das Äthan in die stabilen Endprodukte, in diesem Falle Äthylen und Wasserstoff, zerfällt, oder ob der Zerfall über Radikale in einer Kettenreaktion erfolgt, muß man diejenigen Methoden anwenden, die wir z . T . bereits in den vorhergehenden Kapiteln als Nachweismethoden für das Vorliegen einer Kettenreaktion kennengelernt haben. E s seien die wichtigsten hier aufgezählt: 1. Direkter Nachweis der aktiven Zwischenkörper (Atome, Radikale). Ein solcher läßt sich durch Untersuchung im Massenspektrometer erbringen, was aber einen ziemlich großen experimentellen Aufwand erfordert. 8*
116
Experimenteller
Teil
IV, 5
Sehr bewährt hat sich eine einfache, von PANETH angegebene Methode zum Nachweis von Radikalen : Man läßt die zu untersuchende Substanz bei einem Druck von wenigen mm Hg sehr schnell durch einen Ofen strömen (Verweilzeit etwa 1 /i 0 0 0 sec) und leitet das austretende Gas über einen Metallspiegel, der durch Bildung metallorganischer Verbindungen verschwindet, sobald das Gas Radikale enthält.
Bei hohen Radikalkonzentrationen kann der Nachweis auch durch Aufnahme von Absorptionsspektren geführt werden (vgl. I I 3 , S. 8). 2. Auslösung und Beschleunigung der Reaktion durch Zugabe eines aktiven Zwischenkörpers. Man kann ζ. B. Atome durch Entladung erzeugen und in das Reaktionsgefäß einführen. Auch durch Lichtabsorption können Atome und Radikale entstehen, die dann eine Kettenreaktion in Gang setzen können. 3. Abbrechen der Kette durch Premdstoffe. Ein solcher Stoff ist ζ. B . bei der Chlorknallgasreaktion der Sauerstoff. Für Kettenreaktionen, die über organische Radikale verlaufen, hat H I N S H E L W O O D gezeigt, daß die Ketten beim Stoß mit NO abgebrochen werden. Eine starke Verlangsamung der Reaktion bei Zusatz von NO kann als Beweis für das Vorliegen einer Kette angesehen werden. 4. Parallelschaltung einer Reaktion, die durch einen Kettenträger ausgelöst wird, ohne daß dadurch die Kette abbricht. Da bei fast allen Reaktionen mit Wasserstoffhaltigen Verbindungen (sofern sie über Radikale verlaufen) auch das Η-Atom als Kettenträger auftritt, kann die Umwandlung des para-Wasserstoffs entsprechend der Gleichung H + pH2 - >- bH¡ + H als parallel geschaltete Reaktion und damit als Bestimmungsreaktion für die H-Atomkonzentration herangezogen werden (vgl. I V 1 ; S. 91). Die Anwendungen der hier aufgeführten Methoden auf den monomolekularen Zerfall der organischen Moleküle haben nun ergeben, daß man fast immer Bedingungen findet, unter denen ein Radikalzerfall möglich ist. Daneben findet aber auch ein Zerfall in stabile Produkte ohne Kette statt. Welcher Zerfallsmechanismus vor herrscht, hängt natürlich sehr von den Versuchsbedingungen: Druck, Temperatur, Wandeinflüsse, Verunreinigungen usw. ab. Aus diesen ungleichen Versuchsbedingungen lassen sich abweichende Resultate verschiedener Schulen erklären. So formuliert ζ. B . H O W L E T T [9] den Zerfall von Bichlorätlian als Kettenreaktion mit der Startreaktion : C2H4C12
C 2 H 4 01 + Cl
während B A L D T und C R E M E R [ 8 ] bei Anwendung der HiNSHELWooDschen NO-Probe keine Verlangsamung der Reaktion feststellen konnten, was zu der Schlußfolgerung führt, daß der Zerfall bei ihren experimentellen Bedingungen ohne Kette oder nur mit sehr kurzen Ketten ablief. P A T A T und S A C H S S E [6] haben eine Reihe von Zerfallsreaktionen mit Hilfe der Parawasserstoffmethode untersucht. Sie fanden, daß beim Zerfall von CH 3 CHO, C 2 H 5 CHO, CHgCOCHg, H 2 CO, CgHg zwar Ketten auftreten, daß aber nur ein kleiner Bruchteil der Moleküle nach einem Kettenmechanismus zerfällt. Mit wachsender Aktivierungsenergie wird der Zerfall in Radikale immer wahrscheinlicher. P A T A T gibt hierfür die folgende Regel an [7] : Ein Molekül zerfällt umso leichter in Radikale, je kleiner die Differenz zwischen der experimentell bestimmten Aktivierungsenergie und der Bindungsenergie der schwächsten Bindung ist.
Ionen-Molekül-Reaktionen
117
Literaturhinweise 1. LINDEMANN, F. Α., Trans. Farad. Soc. 17 (1922) 598. 2. HINSHELWOOD, C. N., Proc. Royal. Soc. A 113 (1927) 230 3. POLANYI, M., WIONKR, Ε., Z. Phys. Chem. A 139 (1928) 439. 4. HINSHELWOOD, C. N.. Kinetics of Chemical Change, Clarendon Press, Oxford, 1945. 5. STEACIE, E. W. R., Atomic and Free Radical Reactions, Reinhold Pubi. Corps., New York, 1954.
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6. Ionen-Molekül-Reaktionen In Abschnitt III 1 3 , S. 79f. hatten wir theoretisch den Geschwindigkeitskoeffizienten für Reaktionen vom Typ X+ + YH n\ n2
>- XH+ + Y
(I)
abgeleitet zu k = 2 ne j / y .
III 13 8
(α: Polarisierbarkeit von YH, μ : reduzierte Masse, e: elektr. Ladung von JL+). Dabei ergaben sich in Übereinstimmung mit experimentellen Daten sehr hohe ¿-Werte (s. Tab. I I I , 6), die zeigen, daß praktisch jeder gaskinetisch zu wertende Stoß zu dem Prozeß (I) führt. Wir wollen nun in diesem Abschnitt die experimentellen Methoden erläutern, mit Hilfe derer solche Ionen-Molekül-Reaktionen untersucht werden können, und einige Ergebnisse anführen. Da an diesen Prozessen Ionen wesentlich mitbeteiligt sind, wird deren genauer Nachweis am besten mit einem Massenspektrometer durchgeführt. Mit einem solchen Instrument läßt sich das Verhältnis e/w aller auftretenden Ionen bestimmen und daher bei Kenntnis der Ladung e (meist einfach positiv) die M a s s e eines Ions als dessen Kenngröße feststellen. Die chemische Identifizierung einer bestimmten Molekül-Ionenmasse muß dann noch vorgenommen werden, indem man die möglichen Kombinationen aller vorhandenen Atomarten in Betracht zieht. I n Zweifelsfällen leistet dabei die Indizierung mit Isotopen gute Dienste. Ζ. B. liegen 1 6 0 und 12 1 C H 4 auf praktisch derselben Massenlinie, (wenn man nicht sehr hoch auflösende Massenspektrographen verwendet). Ersetzt man jedoch den normalen Wasserstoff durch 2 D, so erscheint l e O wiederum bei der Masse 16, jedoch 12 C 2 D 4 bei der Masse 20. Mit Hilfe eines Massenspektrometers gelingt aber nicht nur die Identifizierung der auftretenden Ionen, sondern darüber hinaus können aus der Stärke der gemessenen Ströme der einzelnen Ionenarten noch Schlüsse auf die Kinetik ihrer Bildung gezogen werden. Der Einsatz eines Massenspektrometers ist besonders vorteilhaft oder sogar der einzig mögliche Weg, wenn in einem Reaktionsraum eine größere Zahl von verschiedenen Ionenarten auftritt. In solchen Fällen versagen andere Nachweismethoden, die etwa auf der Messung der Ionenbeweglichkeit im elektrischen Felde beruhen, weil die Beweglichkeitsmessungen nur in seltenen Fällen eine ein-
Experimenteller
118
Teil
deutige Identifizierung erlauben. Es kommt noch hinzu, daß es Molekül-Ionen gibt wie ζ. B . He+, Ne+ . . . HeH+, NeH+ usf., die kein optisches Spektrum zeigen, weil vermutlich ihre niederste Anregungsenergie bereits oberhalb ihrer Trennungsenergie liegt. Derartige Molekülionen von Edelgasen sind überhaupt nur auf massenspektrometrischem Wege mit Sicherheit nachzuweisen. Als Quelle dieser Ionen können die üblichen Elektronenstoß-Ionenquellen dienen, wie sie allgemein bei Massenspektrometern Verwendung finden, oder Glimmentladungen, an die ein Massenspektrometer geeignet angeschlossen ist. a) E l e k t r o n e n s t o ß - I o n e n q u e l l e Wir gehen jetzt dazu über, den prinzipiellen Aufbau einer Elektronenstoß-Ionenquelle für Massenspektrometer zu beschreiben, um an Hand dessen die experimentelle Bestimmung von ¿-Werten für den Reaktionstyp (I) kennenzulernen. Mit der Glimmentladung werden wir uns dann am Schluß noch befassen. Κ
3~C
123
Uä
"ΤΓπττπππ"Γπτ ι
ι
I I
I ι I ι
ι I ι ι I I UHfiiitttf
ι
Í4J
C7J 1 0 - 4 Torr zu Fälschungen der Ergebnisse führen kann, weil die primären Ionen innerhalb der Stoßkammer nochmals mit den Neutralen weitere sekundäre Reaktionen analog dem Prozeß (I) eingehen. Die Geschwindigkeit der Primärionen bleibt in der Stoßkammer noch sehr gering im Vergleich zu der, die sie nach Durchlaufen der Beschleunigungsstrecke 81 — S2 auf dem Wege bis zum Auffänger besitzen. Daher verweilen die Ionen den größten Teil ihrer Gesamtlaufzeit (vom Ort des Elektronenstrahles bis zu ihrem Nachweis) praktisch innerhalb der Stoßkammer. Die spezielle Kinetik von Sekundärreaktionen vom Typ (I) läßt sich nun in der Weise untersuchen, daß man den Druck in der Stoßkammer soweit erhöht (praktisch auf 1 0 ~ 4 — 1 0 - 2 Torr), daß die Primärionen mit meßbarer Ausbeute auf der Wegstrecke l von ihrem Bildungsort (Elektronenbündel) bis zum Spalt S1 gegen Neutrale stoßen. Durch Änderung des Druckes kann man dann weiterhin die Zahl der Stöße auf der festen Strecke l variieren und auf diese Weise experimentelle Werte für den Wirkungsquerschnitt bzw. den Geschwindigkeitskoeffizienten von Sekundärreaktionen gewinnen. Wir schreiben an Stelle von X + als Kennzeichnung P + für die primär und S+ für die sekundär gebildeten Ionen. Da unter diesen Bedingungen stets nur wenig 8 + im Vergleich zu den P + entstehen 1:10 4 ), läßt sich der Verlust an primären Ionen durch die Ä+-Bildung praktisch vernachlässigen. Der Ionenstrom der Sekundärionen i(S+), gemessen am Auffänger des Massenspektrometers, ist demnach proportional dem Strom i(P+) der Primären, der numerischen Dichte n2 der neutralen Reaktionspartner für die P + (z. B. YH in [I]) und der aus der Geometrie der Ionenquelle zu entnehmenden Strecke l: i(8+) = i(P+) ·
- l • Q.
(1)
120
Experimenteller
IV, 6
Teil
Q bedeutet zunächst nur einen Proportionalitätsfaktor von der Dimension cm 2 , der sich aus den Messungen von i(S+), i(P+), n2 und l ergibt. Wir können ihn aber nach S T E V E N S O N und S C H I S S L E E als einen durch die Beziehung ( 1 ) definierten „phänomenologischen Wirkungsquerschnitt" auffassen. Aus (1) und (II) folgt, daß — bei gegebener elektrischer Ziehfeldstärke E in der Stoßkammer — i( P' ) proportional zu nl (der Dichte des Gases aus dem die Ρ ' erzeugt werden), hingegen i(S+) ~ n1 • n2 verlaufen muß, oder bei konstantem Mischungsverhältnis i(P+) ~ ρ und i(S 1 ) ~ p2, wenn ρ den Totaldruck bedeutet. Der Quotient i{S+)¡i(P+) sollte dann ~ ρ ansteigen und die Reaktionsordnung von (I) damit anzeigen. Auf diese Weise läßt sich ζ. B . der Wirkungsquerschnitt für die Reaktion (I) _
i(XH^) [¿)
ι(Χ+)·η2·1
aus experimentellen Daten bestimmen. Der Wert von Q ist aber nach den Ausführungen im Abschnitt I I I 1 3 , S. 82 noch abhängig von der Relativgeschwindigkeit, mit der die X '' auf die Y II treffen. Den neutralen YH können wir eine MAXWELLSche Geschwindigkeitsverteilung zuordnen. Die X 1 hingegen bewegen sich auf der Strecke l gleichförmig beschleunigt, und ihre mittlere Energie liegt um 2 bis 3 Größenordnungen höher als die der YH. Deshalb können wir die Y H als ruhend ansehen gegen die X+ und für die Relativgeschwindigkeit direkt den Wert υχ der X ' setzen. Dieser beträgt im Mittel auf der Strecke l ψ 2 m-x ,
(3)
so daß wir einen mittleren Geschwindigkeitskoeffizienten erhalten zu = * · « =
2m1
i(X
+
) • η.2· l
(4)
Auf diesem Wege haben S T E V E N S O N und S C H I S S L E K die in Tabelle I I I , 6 aufgeführten experimentellen ¿-Werte bestimmt. Für eine Reihe weiterer Reaktionen vom Typ (I) sind in den Tabellen IV, 7 und IY, 8 Meßwerte von k bzw. Q aufgeführt, die alle zeigen, daß diese Reaktionen praktisch bei jedem Zweierstoß eintreten. Wie aus Tabelle IV, 8 ersichtlich, nimmt Q mit wachsender Energie von X ' ab, entsprechend der Forderung der Theorie ( I I I I 3 5) und (4) (5)
1
Die Beziehung (5) ist ebenfalls experimentell verifiziert worden. Bei der Untersuchung von Gasgemischen, ζ. B . H 2 und 0 2 , muß naturgemäß sichergestellt werden, welchem Mischungspartner die Rolle des X '' zufällt. Am sichersten läßt sich eine Entscheidung fällen, wenn es gelingt, durch Variation der Elektronenenergie das „Auftrittspotential" der Reaktion (I) festzustellen, d. h. die nötige Mindestenergie zur Erzeugung der X+. Diese bedeutet aber zugleich die Ionisierungsenergie des betr. Partners, womit dieser gekennzeichnet ist. Ζ. B . ist die Reaktion Ar + + H2
ArH+ + Η
in Ar — H 2 -Gemischen auf diesem Wege sichergestellt worden.
(III)
IV, 6
Ionen-Molekül-Reaktionen
121
— Glimmentladung
Tab. IV, 7. Experimentelle ¿-Werte k X H + . 10°
Reaktion
Ar+ + HCl 1 Ar + HC1+ } Kr+ + HBr j Kr + HBr+ J
0,04
^ A r H + + Cl KrH + + Br
CH3OH+ + C H 3 O H >CDJ + CD4 CD+ + H+ + H 2 » Ηί + Η He+ + Ha >- HeH+ + Ne + + H 2 NeH+ + Ar+ + H 2 ArH+ + Kr+ + H 2 KrH+ + N2+ + H 2 N2H+ + 0 2 + + H2 >- 0 2 H+ +
co+ + h 2
cm3/ sec
CH3OHJ +
STEVENSON u n d SCHISSLER
0,02 11,1 ± 0,5 1,38 2,9 0,62 0,42 1,6 0,64 2,2 0,65 l )
CH3O
CD3 Η Η Η Η Η Η
^ co 2 h+ + h
GUTBIER
1,4
Bei der 0 2 1Γ + -Bildung nehmen STEVENSON und SCHISSLER H^" als ionisierten Partner an und begründen dies auch. Rechnet man ihre Ergebnisse um auf O * , so stimmt der GuTBiERsche Wert damit überein. Die Argumente von STEVENSON und SCHISSLER sprechen jedoch mehr für H 2 + + 0 2 —>- 0 ¡ H + + H.
Tab. IV, 8. Q-Werte für Reaktionen zwischen Kohlenwasserstoffen nach S C H I S S L E R und S T E V E N S O N Reaktionsquerschnitt {Q • 10 1 6 cm2/Molekül) Ionenenergie
Reaktion
0,10 eV CH+ + CH, = CD+ + CD4 = C2h+ + C2H4 = C 2 H| -f- C2H4 = C2Hi "i
C2H£ c2D+ c 2 HÍ C3H 5
C2H+ C2H+ C 3 HJ C3HJ C3HJ
Ich3 c 3 h j + ch 4 C3H+ + C3H5 c4H+ + c 2 h 4 C4HJ + c2H4
oder
+ h2 + D2 + c2h2 + ch3 fCH4
165 161 359 112
>· + C a H. = C,Ht + •< oder
J + + + -f
C2He C3h6 C3h6 C3h6
= = = =
± 5 ± 5 ± 20 ± 3
24 ± 78 172 74 140
± ± ± ±
3 2 20 3 3
1,00 eV 39 38 86 21
± 1 ± 1 ± 5
± 1
6± 1 16 42 13 25
± 1 ± 5
± 1 ± 1
Mittlere Ionenenergie, e F für Q 0
9,7 12,8 9,7 4,2
± ± ± ±
1 2 1 0,2
4,2 4r 0,2 5,0 10 3,5 3,5
± 0,3 ±2 ± 0,5 ± 0,5
b) G l i m m e n t l a d u n g Die hohen ¿-Werte, welche die Ionen-Molekül-Reaktionen offenbar allgemeiner auszeichnen, haben zur Folge, daß solche Reaktionen in Glimmentladungen eine sehr beachtliche Rolle spielen können, weil hier die neutralen Teilchendichten um mehrere Größenordnungen höher sind als in einer Elektronenstoßquelle. Beispielsweise ergeben Untersuchungen an der stationären positiven Niederdrucksäule in einem
122
Experimenteller
IV, 6
Teil
Ar—H 2 -Gemisch von 1 °/ 0 H 2 -Gehalt, daß praktisch die Ionenart ArH+ dominiert, wenn jedes primär gebildete Ar + auf seinem Diffusionsweg zur Wand des Entladungsrohres wenigstens einmal auf ein neutrales H 2 -Molekül trifft und dabei die Reaktion (III) vonstatten geht. Eine experimentelle Technik für reaktionskinetische Untersuchungen an der positiven Säule ist von P Ä H L und W E I M E R entwickelt worden. Sie beruht auf dem Mechanismus der sogenannten ambipolaren Effusion. In einem Entladungsrohr diffundieren die positiven Ionen und die Elektronen ambipolar, d. h. mit gleicher Driftgeschwindigkeit und Stromdichte von der Säulenachse zur Glaswand, wo sie durch Rekombination wieder verschwinden. Dieser Verlust an Ladungsträgern wird im stationären Gleichgewicht ergänzt durch eine gleich große Ionenbildung. Läßt man demnach die Ionen durch ein kleines Loch in der Glaswand des E n t ladungsrohres effundieren und analysiert die Ionen-Effusionsströme mit einem Massenspektrometer, so sind diese Effusionsströme einzeln proportional zu den Bildungsgeschwindigkeiten der einzelnen 1,0 positiven Ionenarten. Abb. IV, 6. Relativanteile verschiedener Ionenströme aus einer Glimmentladung in Argon mit H2-Zusatz in Abhängigkeit vom Totaldruck der Gasmischung (nach PÄHL und WBIMEB). intladungsstrom I = 3 mA, Durch„ j -ciij u -t> uj messer des Entladungsrohres im Bereich der positiven Säule 2r = 0,7 cm. Jeder Stoß eines Ar+gegen H2 führt zur Bildung von ArH++H. An Stelle von H+ in der Zeichnung ist H+ zu lesen, das durch einen tertiären Prozeß ArH+ + H 2 - > H + + Ar entsteht (PÄHL noch unveröffentlicht).
In Abbildung IV, 6 sind als Beispiel auf diese Weise gemessene Relativanteile der Ionenbildung in einer Ar—H 2 -Mis c h u n g i n Abhängigkeit vom totalen Gasdruck aufgetragen. Man erkennt daran den ... , IF,. „, 0 , π , .. ,TTT, uberragenden Einfluß der Reaktion (III), θ v ' Mit Hilfe der Effusionsmethode ist es auch gelungen, die Geschwindigkeitskonstante für die Bildung homonuklearer Edelgas-Molekülionen wieHe+,Ne+, Ar+ experim e n t e l l abzuschätzen ( P Ä H L ) . Diese Ionen zejgen> wi(J g c h o n e r w ä h n t > k e i n S p e k t r u m .
Ihre Bildung erfolgt nach H O R N B E C K und auf dem Wege über ein kurzlebig angeregtes Edelgasatom X ' , das eine mittlere Lebensdauer τ ^ 10~ 8 sec besitzt, gemäß
MOLNAR
X +
e-
X' +
X
->- X' + Xt
+
ee~.
Man kann nun folgende Ausdrücke für die Bildungsgeschwindigkeiten von angeben (für die nach dem eben Gesagten die gemessenen Ionenströme und i(X¿) ein direktes Maß darstellen):
(IV) (V)
und i(X+)
¿ ( X + ) ~ ¿ + [ J T | [e-]
(6)
iiXt
(7)
)~JFC[X'] [X].
Ionen-Molekül-Reaktionen
123
— Glimmentladung
Die Konzentration [X'[ läßt sich eliminieren mittels der Stationaritätsbedingung =
+
(8)
so daß man für den Geschwindigkeitskoeffizienten der Reaktion (V) erhält
k+
i(Xi
)
Die Werte der Koeffizienten k+ und ¥ hängen von der Energie der Elektronen ab. Unter der stark vereinfachten Annahme k'/k + ä ; 1 läßt sich aus den experimentellen Daten der fc-Wert für den Prozeß (V) nach (9) berechnen. Auf diese Weise wurden folgende Werte ermittelt: Für He2+ : « 1 · 10- 10 , Ne2+ :
7 · 10" 11 , Ar£ : « 2 · 10"9
.
Mit Hilfe der Effusionsmethode ist es auch gelungen, erstmalig ein heteronukleares Edelgas-Molekülion, das(HeNe)+ nachzuweisen ( P ä h l und Weimer), dessen Bildung in der Glimmentladung unter ρ 2 Torr wahrscheinlich über einen Prozeß He' + Ne
HeNe+ + er
vonstatten geht. Bei Drucken > 5 Torr hat Oskam aus Messungen der Ionenbeweglichkeit und -rekombination im absterbenden Plasma auf eine Dreierstoßreaktion geschlossen.
Ne+ + He + Ne
HeNe+ + Ne
Auf weitere Beispiele gehen wir nicht mehr ein, die genaueren Untersuchungen von Ionen-Molekülreaktionen haben erst in allerjüngster Zeit eingesetzt. Die Bedeutung solcher Prozesse mit derart hohen Geschwindigkeitskoeffizienten wird sofort klar, wenn man bedenkt, daß sie in allen Stoffen, die einer ionisierenden Strahlung ausgesetzt sind, ablaufen können. Die bisher erzielten Erfolge sind durch den Einsatz komplizierterer physikalischer Meßgeräte erreicht worden. Den Chemiker würden allgemein mehr noch Methoden interessieren, mittels derer neutrale Radikale identifiziert und ihre Konzentrationen gemessen werden könnten. In dieser Hinsicht sind schon Versuche unternommen worden, beispielsweise durch Anschluß von kurzzeitig registrierenden Massenspektrometern an eine Reaktionskammer. Ferner hat die Spektroskopie eine große Anzahl neuer Radikalspektren gefunden, so daß heute gesagt werden kann, daß zumindest die Identifizierungsmöglichkeit von Zwischenkörpern beachtlich fortgeschritten ist. Was jedoch noch fehlt für die Reaktionskinetik, ist die quantitative Zuordnung von Spektralen-Intensitäten zu Radikalkonzentrationen, d. h. physikalisch gesprochen, es sind ζ. B . für quantitative Absorptionsmessungen die Extinktionskoeffizienten der Radikale noch unbekannt oder ihre Ionisierungsquerschnitte für die Massenspektrometrie. Es liegt aber trotzdem kein Grund vor, jede Weiterentwicklung als unwahrscheinlich anzusehen, nachdem die moderne Experimentalphysik heute bereits mit Atom- und Molekularstrahlen arbeiten kann, deren Teilchen alle sich nur in einem bestimmten Quantenzustand befinden.
Experimenteller
124
Teil
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Sachregister A Α - F a k t o r der AmtRiiENiusschen Gleichung, —, E i n f ü h r u n g 23 —, Berechnung 65ff., 84ff. —, f ü r die Jodwasserstoffreaktion 97 —, f ü r die Chlorwasserstoffreaktion 106 aktivierter Komplex (nach E Y R I N G ) 70ff., 79 aktivierter Zustand (nach E Y R I N G ) 70ff. Aktivierungsenergie, —, E i n f ü h r u n g des Begriffes 4, 23 — in der kinetischen Ableitung der A R R H E Niusschen Gleichung 63 —, Möglichkeiten der Z u f ü h r u n g 5, 71 ff., 84ff., 113 —, Berechnung von Absolutwerten 75 ff. — von Austauschprozessen 79 — der Parawasserstoffumwandlung 79, 94 —, experimentelle Bestimmung f ü r Reaktionen m i t Wasserstoff 95 f. — von Jodwasserstoffbildung u n d -zerfall 97 Aktivitätskoeffizient, s. A - F a k t o r ARRHENiussche Gleichung, —, formale Behandlung 5, 23 —, kinetische Ableitung 63 ff. Ausdehnungskoeffizient, kubischer, idealerGase XVI AvoGADROsche Z a h l X V I , 50
Β barometrische Höhenformel 39 Bildschema, zur Darstellung einer zusammengesetzten Reaktion 24ff. —, Anwendung zur Ableitung der Geschwindigkeitsgleichung 28ff. —, K o n s t r u k t i o n aus der Geschwindigkeitsgleichung 32 — f ü r die Chlorknallgasreaktion 102 bimolekulare Reaktion 13, 65ff., 96ff. Bindungsenergie, —, Berechung aus elektrostatischem u n d resonanzenergetischem Anteil 75 f. BoDENSTEiN-Duxsche Formel 8, 32, 99 ff.
BoDENSTEiN-Methode, s. Stationäritätsbedmgung BoLTZMANN-Faktor 37, 39ff., 65f. BoLTZMANNsche Konstante, —, Einführung 37 —, Zahlenworte X V I , 50 BoLTZMANNsches Prinzip 37 f. Bromwasserstoff, —, Bildung, thermische 77f., 108ff. —, Bildung, photochemische 77f., l l O f . —, Reaktion m i t Wasserstoff 96 C Chlorknallgasreaktion 99ff., s. a. Chlorwasserstoffbildung Chlorwasserstoffbildung, —, Aktivierungsenergie 77 f. —, photochemische, —, — Gesamtordnung bei Anwesenheit von 0 2 , 8f., 99ff. —, — Geschwindigkeitskonstanten 20, 106 —, — Bildschema 32f., 102 —, — Experimentelles 99 ff. —, thermische 99, 107 CouLOMBscher Anteil der Bindungsenergie 75 f. D Dichloräthan, Zerfall 112, 116 Diffusion, Berechnung mit Hilfe der Transportgleichung 62 Dissoziationsenergie 72 — von Halogenmolekülen 71, 78 f. — der Wasserstoffisotope 93 Druckabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit 7 ff. Druckänderung bei Gasreaktionen(Meßanordnung) 15 Druckeinheiten X V I E Edelgasmolekülionen 118 ff. —, homonukleare 122 —, heteronukleare 123
Sachregister
126
Effusionsmethode 122 ff. Elektronenstoß-Ionenquelle 118ff. Elementarzelle 38ff., 85 Energie, —, Einheiten in verschiedenen Maßsystemen XVI —, mögliche Formen bei Gasmolekülen 4, 36ff., 44 —, mittlere kinetische eines Gasmoleküls 48 — verschiedener Quantenzustände 80 f. Energiekette, —, Berechnung nach SEMENOFF 86ff. Energieschema für eine chemische Beaktion, —, eindimensionales 4f. —, zweidimensionales 70 Energie Verteilung, MAXWELL-BoLTZMANUsche, —, Ableitung 39, 48 ff. Entartungsenergie, s. Resonanzenergie Enthalpie einer Beaktion, —, Beziehung zur Aktivierungsenergie 79 Entropie, — im BoLTZMANNSchen P r i n z i p 37 f.
—, statistische (kinetische) Definition 43 — in der ARRHENiusschen Gleichung 67 ff. Entropiefaktor, s. A-Faktor Entropieglied des A-Faktors 67 ff. Explosionsbedingung 26, 88
Geschwindigkeit wahrscheinlichste (nach MAXWELL) 45ff. Geschwindigkeitsgleichung 7 ff. —, Differential- und Integralausdruck f ü r verschiedene Ordnungen (Tab.) 13 — zur Bestimmung der Beaktionsordnung 19 ff. —, Berechnung aus dem Beaktionsschema 26 ff. Geschwindigkeitskoeffizient, —, Definition 8 —, Dimension bei verschiedenen Ordnungen (Tab.) 13 — für Beaktionen mit Dreierstoß 53 —, gaskinetische Berechnung 63 ff. —, Berechnung nach E Y R I N O 70f., 80f. —, Absolutwerte für Ionen-Molekülreaktionen 80 ff., 117 ff. — für monomolekulare Zerfallsreaktionen lllf. — für die Parawasserstoffumwandlung (Tab.) 93 — einzelner Beaktionsschritte 105f. Geschwindigkeitskonstante, s. Geschwindigkeitskoeffizient Geschwindigkeitsquadrat, mittleres (nach MAXWELL) 4 6 f f .
Geschwindigkeitsverteilung,
MAXWELL-BOLTZ-
MANNSche,
F Freie Energie, —, statistische (kinetische) Definition 43 Freiheitsgrade, von Atomen und Molekülen 38ff., 48f. Frequenzfaktor (s. auch A-Faktor), 68, 84f., lllff. G Gaschromatographie, — als Mikroanalysenmethode 15 — zur Trennung von Ortho- und Parawasserstoff 91 Gasdichte, numerische 51 Gasdruck, —, Einheiten in verschiedenen Maßsystemen • XVI —, kinetische Ableitung 49 f. Gasgemische, —, Zustandsgieichung 52 Gasgleichung, allgemeine, s. Zustandsgieichung Gaskonstante, —, Zahlenwerte X V I —, Einführung 37 — u n d BoLTZMANNsche K o n s t a n t e 50
Geschwindigkeit, mittlere 46ff., (Tab.) 51
(nach
MAXWELL)
— — — —,
Ableitung 43 ff. und mittlere freie Weglänge 54ff. und Beaktionsgeschwindigkeit 63 ff. Gültigkeitsbereich bei Ionen-Molekülreaktionen 120 Gleichgewicht, thermodynamisches —, Beziehung zur Kinetik 2 —, vorgelagertes 34 —, — zwischen aktivierten Molekülen und Grundzustand 67, 113 —, — bei der Bromwasserstoffbildung 78, 109 —, statisches von Gasen 37 f. —, stationäres (Strömungs-) von Gasen 37, 59 ff. — zwischen verschiedenen Schwingungszuzuständen eines Moleküls 79 — zwischen aktiviertem Komplex und Reaktanten 71,79 Gleichgewichtskonstante, s. Gleichgewicht Glimmentladung 121 ff. H Halbwertszeit, —, Definition 10 —, Ausdruck bei verschiedenen (Tab.) 13
Ordnungen
Sachregister Halbwertszeit, Anwendung zur Bestimmung der Reaktionsordnung 22 Hatogonalkyle, —, Reaktion mit Wasserstoff 95f. —, monomolekularer Zerfall 111 ff. Halogenwasserstoffe, —, Aktivierungsenergien der Bildungsreaktionen 77 ff. —, Bildung (Experimentelles) 96ff., 99ff., 108 ff. I Induktionsperiode 20 — und Stationäritätsbedingung 28 Ionen-Molekülreaktionen, —, Geschwindigkeitskoeffizienten 80ff. — Experimentelle Behandlung 117 ff. Isotope —, Anwendung zu reaktionskinetischen Messungen 90, 117 J Jodwasserstoff, —, Bildung und Zerfall 3, 96ff. —, — Reaktionsordnung 12ff. —, Mechanismus des Zerfalls 67 —, — der Bildung 77 f. Κ Kettenabbruch 25 —, Messung zur Bestimmung der Kettenlänge 104 — durch Dreierstoßrekombination 107 ff. — durch Wandreaktion 107 f. Kettenlänge 26, 88 —, Bestimmung 102, 104 Kettenreaktion, —, Allgemeines 25 ff. —, einfache (schematische Darstellung) 25 — mit Kettenverzweigung 25f., 89, 102 —, explosionsartige Entartung, —, — Berechnung 26, 86ff. —, Berechnung von Kettenreaktionen 28ff., 77 ff. —, Beispiele für Kettenreaktionen 99ff., 108ff., 115ff. Kinetische Gastheorie 3, 36ff. Kohlenwasserstoffe, —, Zerfall über Radikale 115 Konzentration, relative (nach P o w e l l ) 22 Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit 7 ff.
127 I
Lichtabsorption, bei photochemischcn Reaktionen 18, 99ff., 110, 116 LiotrviLLBSches T h e o r e m 39 LoscHMiDTSche Z a h l , X V I , 50
M Manometer, —, Quarzspiralmanometer (nach B o d e n s t e i n ) 14f. —, Quecksilbermanometer 14 Massenspektrometrie, Anwendungen in der Reaktionskinetik, — zur Bestimmung von Radikalen, ,115 — zur Untersuchung von Ionen-Molekülreaktionen 81 f., 117ff. Maxwell-Verteilung s. Geschwindigkeitsverteilung bzw. Energieverteilung Meßanordnungen, für gaskinetische Untersuchungen 13 ff. Mittlere Geschwindigkeit s. Geschwindigkeit Mittleres Geschwindigkeitsquadrat s. Geschwindigkeit Mittlere Lebensdauer, — eines radioaktiv zerfallenden Stoffes 10 — aktiver Teilchen 85 ff. — angeregeter Edelgasatome 122 Mittlere freie Weglänge, —, Ableitung 52 ff. —, Zahlenwerte 61 —, Temperaturabhängigkeit 64 Molekulargeschwindigkeiten 43 ff. Molekularstrah len 14, 123 Molvolumen XVI monomolekulare Reaktion 13, 68, 84ff., 111 ff. MoKSE-Gleichung 72 Ν NERNST-BoDENSTEiNsche Atomkette ( N f r n s t Kette) 32, 100 Normalgeschwindigkeit einer Reaktion 9 Nullpunktsenergie 72, 76 — der Wasserstoffisotope 90 0 Ordnung, —, phänomenologische Behandlung einfacher Reaktionsordnungen 7 ff. —, Bestimmung aus den Meßdaten 19 ff. —, Beispiele für Reaktionen 1. Ordnung 84,111 —, — 2. Ordnung 84, 96ff., 99 ff. —, — gebrochener Ordnung 92f., 108ff.
128
Sachregister
Ozonzerfall, —, Sensibilisierung durch Chlor 103 Ρ Partitionsfunktion s. Zustandssumme Phasenraum 38ff., 85 Physikalische Meßmethoden bei reaktionskinetischen Untersuchungen 18 Phosgen, Bildung —, Bildschema und Geschwindigkeitsgleichung PLANCKsches Wirkungsquantum XVI, 38, 68ff. Plasmareaktionen 117 ff. Potentialgebirge 69 ff. Pseudogleichgewicht s. Quasigleichgewicht Q Quantenausbeute, —, Bestimmung bei der Chlorknallgasreaktion 102 f. Quantenbedingung, f ü r Schwingungsfreiheitsgrade 68 quantenstatistische Berechnung von Geschwindigkeitskoeffizienten 79 ff. Quasigleichgewicht 69 Β Radikale, — Nachweis 17f., 115f., 123 —, Spektren 18, 123 —, Entstehung beim monomolekularen Zerfall 115f. Reaktion, chemische —, allgemeine Voraussetzungen 3 ff. —, erster, zweiter Ordnung usw. s. Ordnung —, vollständig verlaufende 8 —, unvollständig verlaufende 8, 13 —, Beispiele 90 ff. Reaktionsfolge —, schematische Darstellung 24 —, offene 25 —, geschlossene 25 Reaktionsgeschwindigkeit, —, bei Reaktionen verschiedener Ordnung 7 ff. —, Temperaturabhängigkeit 23f., 63ff. — Berechnung 63ff., 71 ff. —, f ü r Kettenreaktionen 86 ff. —, experimentelle Bestimmung bei Gasreaktionen mit Wasserstoff 94 —, allgemeine Gleichung s. Geschwindigkeitsgleichung Reaktionskoordinate 69, 79 Reaktionsordnung s. Ordnung
Reaktionsschema s. Bildschema Reaktionsstufe 25 Reaktionswahrscheinlichkeiten, — bei der Berechnung von Kettenreaktionen 26, 31, 104 Rechenregeln, zur Berechnung von Kettenreaktionen 32 Resonanzenergie 75 ff. Resonanzgebirge s. Potentialgebirge S Schwingungsenergie, — zum Molekülzerfall notwendige 68, 84ff., lllff. — im EYRiNGschen Modell 72 ff. — am absoluten Nullpunkt, s. Nullpunktsenergie Simultanreaktion 24 Stationäritätsbedingung, BoDENSTEiNsche 25 ff., 101 sterischer Faktor (s. auch A-Faktor) 67 f. — der thermischen Parawasserstoffumwandlung (Tab.) 93 — der Jodwasserstoffbildung 67, 97 Stickstoffpentoxyd, thermischer Zerfall lOf. Stoffkette 25f., 86 Stoß, gaskinetischer 3f., 36ff., 43ff. —, Energieübertragung 5, 49f., 84ff. — und mittlere freie Weglänge 52ff., 65f. — und Geschwindigkeitskoeffizient, bei IonenMolekülreaktionen 80 ff., 117f. —, Dreierstoß 56ff., 107ff. —, Wandstoß 43, 49ff., 56 —, Zweierstoß 55ff., 63ff., 120 Stoßausbeutefaktor 67 „Stoßfaktor" s. A-Faktor Stoßzahl 54ff., 97ff. —, Vergrößerung bei hohen Drucken 98 —, Wandstoßzahlen (Tab.) 51 strömende Gase, —, Verwendung bei reaktionskinetischen Messungen 17f. —, theoretische Behandlung 59 ff. SuTHERLANDsche Konstante 64 Τ Temperatur, absolute X V I —, kinetische Definition 43 ff. Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit 5, 23f., 63ff. Temperaturinkrement der A R R H E N i u s s c h e n Gleichung 23, 66 Thermodynamik 2f., 36f., 68 „totes Volumen" 14
Sachregister Transmissionskoeffizient 69f., 79 Transportgleichung 59 ff. trimolekulare Reaktion 13, 56
U
UR-Spektren, UV-Spektren, bei reaktionskinetischen Messungen 17 V Ventile, —, Quarzventil (nach B O D E N S T E I N ) 1 6 —, Zerschlageventil 17 Verdoppelungstemperatur s. SuTHEKLAïrosche Konstante Viskosität, von Gasen, —, Bestimmung mit Hilfe der Transportgleichung 60 f. W Wärme, spezifische 49 Wärmeleitfähigkeit von Gasen, —, Messung zur Kon/.entrationsbestimmung 17, 90 Wärmeleitung, Berechnung mit Hilfe der Transportgleichung 61 f. Wahrschein] ich keit, — einer Reaktion s. Reaktionswahrscheinlichkeit — eines Zustandes 37 ff. — f ü r das Vorhandensein aktiver Teilchen 85f., U l f . wahrscheinlichste Geschwindigkeit s. Geschwindigkeit
9
Cremer-Pahl,
Kinetik
129
W a n d r e a k t i o n 5, 96, 116 - - , Reaktionsordnung 10 : —, Verringerung beim experimentellen Arbeiten 13f. —, Temperaturabhängigkeit 23 — als Kettenabbruchsreaktion lOOf., 107, 111 Wasserbildung, — -, photosensibilis^erte, neben Chlorwasserstoff bildung 105 Wasserstoff, —, Dissoziationskonstante von H 2 -Molekülen 90 —, Konzentrationsbestimmung von H - A t o m e n 94, 116 —, Gasreaktionen m i t atomarem H 94ff. —, ortho- u n d para-Modifikation, —, — Umwandlung 11, 75, 90ff. Wirkungsquerschnitt, gaskinetischer 54ff., 63ff. — bei Ionen-Molekülreaktionen 80ff., 120 — bei der Jodwasserstoffbildung 97 Ζ Zeitparameter, nach P O W E L L 22 Zerfall, monomolekularer 10, 68, 84, U l f . —, Beispiel : thermischer Zerfall organischer Moleküle 10, 111 ff. — , radioaktiver lOf. Zustandsgieichung idealer Gase, —, kinetische Ableitung 49 ff. — f ü r Gasgemische 52 Zustandssumme 41 ff. Zwischenkörper, aktiver (BorENSTEiNscher) 24 ff. —, energetische B e t r a c h t u n g 86ff. —, bei der Chlorknallgasreaktion lOOff.
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