Kinderstube des Kapitalismus?: Monetäre Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert 9783110379129, 9783110374391

Nursery of Capitalism examines the relationship between children and money in the 18th and 19th centuries. In the modern

208 119 5MB

German Pages 329 [330] Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung. Kindheit und Geld im 18. Jahrhundert
II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850
III. You can’t expect shillings to understand philosophy. Kinderwelten im 19. Jahrhundert zwischen barer Münze und Goldesel
IV. To Become a Capitalist? Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850
V. Schlussbetrachtung
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
VII. Abbildungsverzeichnis
Abstract
Namensregister
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Kinderstube des Kapitalismus?: Monetäre Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert
 9783110379129, 9783110374391

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Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London Publications of the German Historical Institute London

Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London Herausgegeben von Andreas Gestrich Band 75

Publications of the German Historical Institute London Edited by Andreas Gestrich Volume 75

Sandra Maß

Kinderstube des Kapitalismus? Monetäre Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert

Die elektronische Version dieser Publikation erscheint seit November 2022 open access.

ISBN 978-3-11-037439-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-037912-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039817-5 ISSN 2192-0257 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercialNoDerivatives 4.0 International Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http:// creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge er-fordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston Titelbild: Kindergelddose, um 1902 © Günter Aschoff Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier

Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I.

Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung. Kindheit und Geld im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld . . . . . . . . . 59 3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. A Horror of the Amazons of Politics? Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie . . . . . . . 124 3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte . . . . . . . . . . . . 135 4. Amor nummi: Das Monetäre als emotionale Modalität . . . . . . . . . . . 153 III. You can’t expect shillings to understand philosophy. Kinderwelten im 19. Jahrhundert zwischen barer Münze und Goldesel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz . . . . . . . 168 2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe . . . . . . . . . . . 202 IV. To Become a Capitalist? Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 . . . . . . . 225 1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Schulsparkassen: Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 V. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 VI. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 VII. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Vorwort Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung eines Manuskripts, das im Februar 2014 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld als Habilitation angenommen wurde. Das Buch konnte ich schreiben, weil zahlreiche Menschen und Institutionen mir Vertrauen schenkten sowie Zeit und Geld zur Verfügung stellten. Denn das Gelingen wissenschaftlicher Forschung hängt auch von externen Faktoren ab: Menschen müssen miteinander nachdenken können, Institutionen müssen Zeit und Ruhe zum Schreiben bieten und existentielle finanzielle Engpässe sollten nach Möglichkeit verhindert werden. Es ist mir eine außerordentliche Freude, denjenigen zu danken, die mir dies in den letzten anderthalb Jahrzehnten ermöglicht haben. Willibald Steinmetz hat mich in vorbildlicher Weise unterstützt: als freidenkender Wissenschaftler, als großzügiger Vorgesetzter, als verständnisvoller Gesprächspartner und humorvoller Geist hat er die Bielefelder Jahre als eine erinnerungswürdige Lebensphase mitgestaltet. Seine kluge Lektüre und seine inhaltlichen Verknüpfungen, aber auch seine Begeisterung für das Thema waren wesentlich, um das Projekt zum Abschluss zu bringen. Die Bielefelder Kommission, die das Habilitationsverfahren begleitete, hat das Manuskript in ein Buch verwandelt. Den vielfältigen Kritiken und Hinweisen von Angelika Epple, Martina Kessel, Regina Schulte und Thomas Welskopp verdankt das Buch viel. Ich hatte das Glück, die Kapitel an verschiedenen Orten mit Kolleginnen und Kollegen diskutieren zu dürfen. Unvergessen ist das Jahr am Freiburg Institute for Advanced Studies (2009/2010), das neben vielem anderen auch den Namen des Buches gebar. Dafür bin ich Sven Korzilius sehr verbunden. Ein großer Dank geht an die beiden damaligen Direktoren Ulrich Herbert und Jörn Leonhard, die als kongeniale Doppelspitze den Erfahrungsraum und Erwartungshorizont eines Fellows stetig erweiterten. Die Gerald D. Feldman-Reisebeihilfen der Max-WeberStiftung ermöglichten mir nicht nur umfangreiche Rechercheaufenthalte in London und Paris, sondern auch die Einbindung in die stimulierenden wissenschaftlichen Communities der jeweiligen Deutschen Historischen Institute. Es ist mir eine besondere Freude, mich für die großzügige Gastfreundschaft bedanken zu dürfen. Die Aufnahme des Buches in die Schriftenreihe des Deutschen Historischen Instituts London ist ein großes Privileg, für das ich genauso dankbar bin wie für die fabelhafte redaktionelle Unterstützung von Markus Mößlang und Jane Rafferty sowie von Rabea Rittgerodt von De Gruyter. Ein weiterer wichtiger Gastaufenthalt am Minda de Ginzburg Centre for European Studies in Harvard wurde mir von Niall Ferguson und Katiana Orluc ermöglicht, merci beaucoup. Die Bibliotheken vor Ort boten das unerschöpfliche Glück des Findens. Ich habe in den letzten Jahren von der Expertise und Neugier einer Reihe von Menschen, KollegInnen und FreundInnen, profitiert, die meine Ideen kritisch diskutierten und mich mit ihren eigenen Kenntnissen vor groben Fehleinschätzunhttps://doi.org/10.1515/9783110379129-202

VIII  Vorwort gen bewahrt haben. Es können hier nicht alle namentlich genannt werden, besonders verbunden aber bin ich: Andrea Bendlage, Christina Benninghaus, Kirsten Bönker, Sebastian Felten, Ute Frevert, Svenja Goltermann, Stefan Gorissen, Karin Hausen, Jan-Otmar Hesse, Margareth Lanzinger, Sonja Levsen, Dirk Lindner, Jörg Requate, Regina Schulte, Mischa Suter, Jakob Tanner und Bernd Weisbrod. Unser Bielefelder Diskussionskreis musste häufig herhalten, um rohe Ideen zu besprechen, deshalb geht ein besonderer Dank an Jens Elberfeld, Theo Jung, Christian Meyer, Stefan Scholl, Dominik Schröder, Tobias Weidner und Isolde Zimmermann. Auf Konferenzen und in Kolloquien in Basel, Berlin, Bielefeld, Bochum, Gießen, Göttingen, Konstanz, London, St. Gallen und Zürich konnte ich Teile des Buches vorstellen. Die Anregungen von KollegInnen und von den StudentInnen meiner Seminare haben manchmal bedeutende Konsequenzen gehabt und damit das Buch verbessert. Die vorzüglichen Bibliotheken, in denen ich arbeiten durfte, dürfen auch nicht unbenannt bleiben. Zuvorderst ist die Universitätsbibliothek Bielefeld zu nennen, deren MitarbeiterInnen, Sammlungen und Service so herausragend sind, dass man sie stetig vermisst, wenn man gerade nicht dort arbeitet. Auch die MitarbeiterInnen der British Library in London, der Bibliothèque Nationale de France in Paris, der Staatsbibibliothek zu Berlin, insbesondere in der Kinder- und Jugendbuchabteilung, und der Forschungsbibliothek des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung waren unschätzbare Hilfen. Ein besonderer Dank geht an Edward Copenhagen von der Monroe C. Gutman Library der Harvard Graduate School of Education, der mich noch jahrelang mit Quellenkopien versorgte. Günter Aschoff war so großzügig, mir die Abbildungen seiner Kindergeldsammlung zur Verfügung zu stellen. Das Buchcover zeigt eine seiner Kindergelddosen, vielen Dank. Während dieser Recherchen wurde ich von klugen studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften unterstützt, die sich mittlerweile fast alle selbst auf den Weg in die Wissenschaft gemacht haben. Mein Dank geht an die „BielefelderInnen“ Anja Horstmann, Stella Pölkemann und Florian Schleking, an Sabine Mischner vom FRIAS sowie an Lisa Gerlach und Julia Berger vom Georg-Eckert-Institut in Braunschweig. Letztere hat das Buchmanuskript bis zum Ende kenntnisreich betreut und war mir dabei eine besondere Hilfe. Zum Schluss musste das Buch fertiggestellt werden, als ich schon längst andere Aufgaben hatte. Eckhardt Fuchs, der Direktor des Georg-Eckert-Instituts, schenkte mir die benötigte Zeit. Für diese Unterstützung bin ich ihm zutiefst verbunden. Die Kinderstube des Kapitalismus machte vor der eigenen Haustür nicht halt. Meine Eltern haben mir immer bedingungslose Unterstützung und Vertrauen geboten. Zuhause war Chris Lorenz ein inspirierender und präziser Gesprächspartner, der das Projekt in vielerlei Hinsicht unterstützt hat. Vielen Dank! Unser Sohn Milan, der in der Endphase der Habilitation geboren wurde, entwickelt glücklicherweise seine eigenen Ideen über monetäre Erziehung. Es ist eine große Freude zu sehen, dass er mit seinen Schätzen tut, was er will. Ihm ist dieses Buch gewidmet.

Einleitung Dagobert Duck (*1867) hatte keine leichte Kindheit. Schon als kleiner Junge putzte er auf den Straßen Glasgows für fünf Pence die Schuhe der wohlhabenden Passanten. Nach der Vertreibung von der Duckenburgh in den schottischen Hochmooren war seine Familie völlig verarmt, und Dagobert musste mit dem Schuhputzkasten, den er zu seinem zehnten Geburtstag ­erhielt, das familiäre Budget aufbessern. Mehr noch, sein Vater Dietbert verfolgte Abb. 1: Dagobert Duck „Ich bin ein schlecheine bedrückende pädagogische Mission: ter Geschäftsmann!“ © Disney Er organisierte Dagoberts ersten Kunden und instruierte diesen, den kleinen Schuhputzer für die harte Arbeit mit einer für ihn in Schottland wertlosen amerikanischen Zehn-Pence-Münze zu bezahlen. Wie vom Vater erhofft, stimulierte der inszenierte Betrug Dagoberts Geschäftstüchtigkeit und seine Karriere ging fortan steil bergauf. Letztlich führten ihn Abenteuerlust und Geschäftssinn in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er zur reichsten Ente der Welt wurde.1 Dagobert Duck repräsentiert den amerikanischen Aufstiegsmythos wie kein anderer. Sein prototypischer Erfolg wird in der vom Zeichner Don Rosa entworfenen Kindheitsepisode auf eine von seinem Vater inszenierte Lektion zurückgeführt. Mit Weitsicht und Hoffnung, so Rosa, begründet der Vater den monetären Abb. 2: Dagobert Duck „Das soll mir eine Leh­re sein!“ © Disney Ehrgeiz seines Sohnes. Wenngleich diese Episode männlicher Entensozialisation zweifellos eine Reihe von interessanten Themenkomplexen anspricht, verfolgt die vorliegende Studie nicht das Anliegen, Desiderata der schottischen Entengeschichte zu beheben. Die Untersuchung der monetären Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert konzentriert sich vielmehr auf eine anthropozentrische Perspektive.2 Doch Dagoberts Kindheit verweist auf Fragen, die auch für die vorliegende Untersuchung erkenntnisleitend sind. 1 2

Rosa, Onkel Dagobert, S. 14 f. (Abb.). Mein Dank für die Abbildungen gilt dem Ehapa Verlag. Es ginge an dieser Stelle zu weit, Gertrude Steins Charakterisierung des Geldes als alleiniges Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen und Tieren zu problematisieren: „Es ist schon sehr komisch mit dem Geld. Was die Menschen von den Tieren unterscheidet ist Geld. Alle Tiere haben die gleichen Gefühle und die gleichen Gewohnheiten wie Menschen. Wer viele Tiere um sich herum hat weiß das. Aber was kein Tier kann ist zählen, und was kein Tier

https://doi.org/10.1515/9783110379129-001

2  Einleitung

Kinderstube des Kapitalismus? Thema, Fragen, Thesen Albert Gerth (1808–1864), Lehrer und späterer Professor am ehrwürdigen Königlichen Pädagogium auf Rügen, fragte die Leser und Leserinnen seiner Schrift Buchhaltung für Kinder aus dem Jahr 1839, warum Kinder in der Schule nicht in Ökonomie und Sparsamkeit unterrichtet würden. Das Wissen über die „materiellen Bedingungen“ sei, so Gerth, wesentlich für die Entwicklung von Schülern auf ihrem Weg in die Erwachsenenwelt: Und wenn die Schule dem Knaben eine Vorbereitung sein soll, deren Regeln und Warnungen ihn sittlich und intellektuell zum künftigen Menschen und Staatsbürger zu erziehen bezwecken, warum giebt sie ihm nicht auch eine directe Anweisung, wie er mit den materiellen Bedingungen seiner einstigen bürgerlichen Existenz hauszuhalten hat? Warum giebt sie ihm nicht auch bestimmte Regeln der Oekonomie und Sparsamkeit mit auf den Weg?3

Auch wenn Albert Gerth als Lehrer des Pädagogiums vor allem die adelige und bürgerliche Elite von morgen unterrichtete, war er doch nicht der einzige, der sich diese Fragen stellte. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr der Zusammenhang von Kindheit, Geld und ökonomischem Wissen eine immer größer werdende Aufmerksamkeit. Das neue Thema beschäftigte eine durchaus illustre Personengruppe; darunter waren berühmte Philosophen, Theologen, Pädagogen, KinderbuchautorInnen, PopularisiererInnen der Politischen Ökonomie, Ökonomen und Lehrer. Mit der didaktischen Aufbereitung von Geld und Ökonomie in Schule, Literatur und Spiel erreichten diese Diskurse auch die Welt der Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen. Die Untersuchung Kinderstube des Kapitalismus nimmt den Befund, dass es vor dem 18. Jahrhundert keinen expliziten Bezug zwischen Kindheit und Geld gab, zum Ausgangspunkt, um zu fragen, warum dieses Verhältnis im Verlauf des 18. Jahrhundert thematisierbar wurde und in welcher Form es sich im 19. Jahrhundert entwickelte. Welches monetäre und ökonomische Wissen wurde als angemessen, erstrebenswert oder als bedrohlich angesehen und in welcher Weise wurde dieses Wissen für Kinder präsentiert? Sollten Heranwachsende zu kleinen Kapitalisten erzogen werden? Wer hatte überhaupt ein Interesse an den Fragen der monetären Erziehung und wie verliefen die Konfliktlinien zwischen den Debattierenden? Welche Kongruenzen und Dissonanzen lassen sich beispielsweise zwischen Pädagogen und Ökonomen feststellen? Und schließlich: Welche Kontakte hatten die Kinder und Jugendlichen selbst mit Geld und den damit verbundenen Handlungserwartungen? War Geld ein Bestandteil ihrer Sub­jekt­bil­ dung?4 Mit diesen Fragen verortet sich die Studie im Kreis der in den letzten Jahren virulent gewordenen neuen Geschichte des Kapitalismus und analysiert kennt ist Geld. Menschen können zählen, und das tun sie auch, und darum haben sie Geld. Also, solange die Erde sich dreht solange wird es Menschen auf ihr geben, und solange es Menschen auf ihr gibt, solange werden sie zählen, und sie werden Geld zählen. Jeder zählt immer Geld.“ Stein, Geld, S. 15. 3 Gerth, Buchhaltung für Kinder, S. V–VI. 4 Vgl. das Themenheft „Geld-Subjekte“ (hrsg. v. Sandra Maß, Kirsten Bönker und Hana Havelkovà): L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 2, 2011.

Einleitung  3

aus transnationaler Perspektive das Verhältnis von Wissen, Ökonomie und Kindheit vornehmlich in den deutschen Staaten und in Großbritannien.5 Der Fokus auf die monetäre Erziehung macht dabei einen Aspekt der modernen Wirtschaftsordnung sichtbar, den die Soziologin Eva Illouz die „kulturelle Grammatik des Kapitalismus“ genannt hat.6 Der als Frage formulierte Buchtitel Kinderstube des Kapitalismus? beinhaltet die zwei zentralen, analytisch zu trennenden Untersuchungsebenen der Untersuchung. Zum einen ist damit die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen angesprochen: In welcher Weise waren die ökonomischen Verhältnisse und das Geld in der Kinderstube, dem buchstäblichen und erweiterten Raum für Heranwachsende, präsent? Wurde Geld zu einem Mittel in der Erziehung oder zu einem Gegenstand des kindlichen Spiels? Wurden Elemente kapitalistischer Produktionsund Besitzverhältnisse in diesem Rahmen thematisiert, um die Kinder auf ihre Zukunft vorzubereiten? Die andere Bedeutungsebene des Titels bezieht sich auf die Vorgeschichte kapitalistischen Wirtschaftens, die Alltagsökonomie, und auf die damit zusammenhängenden Idealtypen ökonomisch mündiger Bürger und Bürgerinnen. Die Kinderstube wird somit nicht nur von tatsächlichen Kindern bewohnt, sondern auch von infantilisierten und bisweilen als ökonomisch defizitär beschriebenen Erwachsenen, wie Frauen und Arbeitern, sowie von den ProtagonistInnen der belehrenden Diskurse. Beide Ebenen zusammen genommen, kartieren einen von der geschichtswissenschaftlichen Forschung bislang kaum untersuchten Gegenstand: die Erziehung der zukünftigen Wirtschaftssubjekte.7 Die Analyse des (erwachsenen) ökonomischen Menschen und der damit zusammenhängenden Konzepte ökonomischer Lebensführung hat dagegen eine prominente wissenschaftliche Tradition. Zwar war der Homo oeconomicus eine wortwörtliche Erfindung Vilfredo Paretos zu Beginn des 20. Jahrhunderts, doch die philosophischen, pädagogischen und ökonomischen Diskurse über den idealen ökonomischen Menschen in den neuen Wirtschaftsverhältnissen hatten schon im frühen 18. Jahrhundert begonnen.8 Der frühe Karl Marx fragte nach dem Verhältnis zwischen Ökonomie und Subjekten und betonte die entfremdende Wirkung der kapitalistischen Produktionsweise. Das Geld als „allmächtiges Wesen“ sei zwischen die Menschen und die Dinge getreten („eine abstrakte Unendlichkeit“) und führe damit zur Ver5

Die Bezeichnungen Großbritannien und England werden im Folgenden synonym verwandt.

6 Illouz, Warum Liebe weh tut, S. 23. 7 Der Begriff Wirtschaftssubjekte wurde

von Werner Sombart geprägt. Vgl. Sombart, Die Funktionen der kapitalistischen Wirtschaftssubjekte; ausführlich: Sombart, Der Bourgeois. 8 Das wirtschaftliche Handeln von Menschen war selbstverständlich schon vor dem 18. Jahrhundert ein Thema gelehrter Schriften. Vgl. den Hinweis auf Aristoteles in: Bauer, Ökonomische Menschen. Zum Kanon gehört auch Bernard Mandevilles The Fable of The Bees: Or, Private Vices, Public Benefits von 1714. Das Thema des ökonomischen Menschen erfährt in den letzten Jahren intensive Bearbeitung in der Literaturwissenschaft. Zentral sind: Volkmann, Homo oeconomicus; Rommel, Selbstinteresse; Vogl, Kalkül und Leidenschaft; ders., Epoche des ökonomischen Menschen; jüngst erschienen: Bauer, Ökonomische Menschen; Ritthaler, Ökonomische Bildung.

4  Einleitung dinglichung der menschlichen Beziehungen. Mit der Lohnarbeit habe sich das Medium Geld „die gefühllose ‚bare Zahlung‘“9 zwischen die Menschen sowie zwischen den Menschen und seine Tätigkeit geschoben, was dazu beitragen habe, dass das Tätigsein kein schöpferischer Prozess mehr sei und nicht als Ausdruck individueller Wünsche verstanden werden könnte. Im Kapitalismus sei Arbeit zu einer Ware verkommen mit der Folge, dass die Arbeitenden sich dem Diktat des Geldes unterwerfen müssten.10 Während Marx die Wirkung der Produktionsweise auf die Subjekte und ihre Lebensführung beschrieb, wendete Max Weber das Blatt und analysierte in der Protestantischen Ethik des Kapitalismus, in welcher Weise reli­giöse Konzepte von Lebensführung die wirtschaftlichen Verhältnisse prägten.11 Namentlich versuchte er den Nachweis zu erbringen, dass calvinistische und puritanische Glaubenslehren eine kapitalistische Wirtschaftsweise mit rationaler Organisationsstruktur privilegiert hätten. Ungeachtet der Differenzen in den Prämissen der beiden Analytiker des modernen Kapitalismus ist ihnen mindestens eines gemeinsam: Beide ignorierten die kindliche und jugendliche Sozialisation, die traditionellerweise für die Habitualisierung von Verhaltensweisen und Wertesystemen vorgesehen ist. Die Effekte des Geldes auf Kinder und Jugendliche waren weder für Marx noch für Weber ein Gegenstand von Interesse. Marx wies der Erziehung und Bildung zwar hohe Bedeutung für die allgemeine Menschheitsentwicklung zu, aber das individuelle Kind und sein Umgang mit pecunia wurden von ihm nicht erwähnt. Die familiäre Erziehung und schulische Bildung waren für ihn Ausdrücke der bürgerlichen Herrschaft und die Kinderarbeit ein Zeichen der Kommodifizierung von Kindern. Doch mit diesen Bemerkungen im Kommunistischen Manifest endeten seine Bemerkungen über die Wirkungen des Geldes auf Kinder.12 Max Weber wiederum verwies auf die Bedeutung der Erziehung, aber er unterzog sie keiner genaueren Analyse. Aus Georg Simmels Perspektive schließlich war das Geld in der modernen Gesellschaft potentiell zu einem Endzweck in den menschlichen Handlungen geworden und hatte verschiedene Menschentypen mit spezifischen emotionalen Subjektkulturen hervorgebracht.13 Seine Konzeption des Geizigen und des Verschwenders in der Philosophie des Geldes war relativ und konstituierte demnach kein fixiertes Subjekt. Abhängig „von den jeweiligen Wirtschaftsverhältnissen“ sei das „absolute Maß von Leidenschaft im Erwerben und im Festhalten des Geldes“ variabel.14 Aber Geiz und Geldgier repräsentierten für ihn „pathologische Ausar 9 Marx

und Engels, Das Manifest der Kommunistischen Partei, S. 528. Ökonomisch-philosophische Manuskripte, S. 77–90, S. 130–135. Über Marx, Subjekte und Schulden vgl. Suter, Rechtstrieb, S. 18–20. 11 Weber, Die protestantische Ethik. Deirdre N. McCloskey analysiert in Webers Sinne die Industrialisierung Westeuropas und Nordamerikas als Folgen der veränderten Sprechweisen über das Ökonomische. McCloskey, Bourgeois Dignity. Vgl. auch: Mokyr, The Enlightened Economy. 12 Marx und Engels, Das Manifest der Kommunistischen Partei, S. 543  f. 13 Vgl. dazu Flam, Soziologie der Emotionen, S. 211–217. 14 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 308. 10 Marx,

Einleitung  5

tungen des Geldinteresses.“15 Über die Entstehung dieser „Ausartungen“ im Rahmen von Erziehung und Familie findet sich bei Georg Simmel ebenfalls nichts. Auch Werner Sombart, der den Diskurs über den historischen Wirtschaftsmenschen und den kapitalistischen Bourgeois wie kein anderer prägte, suchte nicht nach den Ursachen und Effekten in Familie, Schule und Erziehung, obwohl er die Frage nach der Entstehung des „kapitalistischen Geistes“ explizit stellte: „wie entstand in den Seelen der Menschen eine kapitalistische Wirtschaftsgesinnung […]; was hat die Entstehung, einmal und dann immer wieder, von Wirtschaftssubjekten mit bestimmter Ideenrichtung und bestimmter Geistesstruktur, mit einem bestimmten Wollen und Können bewirkt?“16 Die soziologischen Ansätze des 19. Jahrhundert einte die Annahme, dass eine kapitalistisch verfasste Ökonomie nicht nur eine Struktur darstellt, die das Wirtschaften auf der Basis von Knappheit, Privateigentum und Märkten, von monetären Tauschwerten, Spekulation und Profiten organisiert, sondern auch ein soziales und mentales Ordnungsmodell für handelnde Menschen ist. Allerdings hat sich keiner der Genannten mit der Frage der monetären Erziehung auseinandergesetzt. Doch wenn Modelle monetärer Lebensführung und die Habitualisierung von Geldpraktiken für die Aufrechterhaltung und die jeweils konkrete Ausgestaltung dessen, was als kapitalistisch zu bezeichnen ist,17 notwendig sind, dann geraten durch die Betrachtung von Kindern und Jugendlichen die Handlungserwartungen und erwünschten Verhaltensweisen sehr viel deutlicher in den Blick, als es bei Erwachsenen der Fall wäre, da sie sich im pädagogischen Kontext auf den zukünftigen, aber noch nicht präsenten erwachsenen Menschen beziehen. Die jeweiligen Leitbilder müssen als Erziehungsziele explizit gemacht werden und stehen damit im Kreuzfeuer der kritischen Auseinandersetzung über die jeweiligen Menschenbilder. Die konkurrierenden Wissensbestände von Pädagogen, Ökonomen und Eltern über das Geld einerseits und die Kindheit andererseits machen die konflikthafte Aushandlung eines Ideals sichtbar, das Zukunftsvorstellungen, Gefühle und ökonomische Verhaltensweisen in einer je spezifischen Weise austarierte. Diskurse über den ökonomischen Menschen zeichnen ein Netz aus Zeitvorstellun15 Ebd.,

S. 312. Er vergleicht den Geldgierigen mit einer bestimmten Art des Liebenden: „Wenn das Geld zunächst nicht mehr in dem Sinne Zweck ist, wie irgend ein sonstiges Werkzeug, nämlich um seiner Erfolge willen, sondern dem Geldgierigen als Endzweck gilt, so ist es nun weiter nicht einmal in dem Sinne Endzweck, wie ein Genuß es ist, sondern für den Geizigen hält es sich jenseits dieser persönlichen Sphäre, es ist ihm ein Gegenstand scheuer Achtung, der für ihn selbst tabu ist. Der Geizige liebt das Geld, wie man einen sehr verehrten Menschen liebt, in dessen bloßem Dasein und darin, daß wir ihn wissen und unser Mit-ihm-sein empfinden, schon Seligkeit liegt, auch ohne daß unser Verhältnis zu ihm in die Einzelheit konkreten Genießens einginge.“ Ebd., S. 313. 16 Sombart, Der Bourgeois, S. 243. Sombart verwies gleichwohl auf die Bedeutung von „Erziehungswerk“ und „Unterrichtswerk“, die sich insbesondere in niedergeschriebenen „Lehrsystemen“ von einer Generation auf die nächste übertragen und somit erwerben ließen (Ebd., S. 248 f.) Bekanntermaßen konzentrierte er sich aber in den darauffolgenden Ausführungen auf die „sittlichen Kräfte“ der Philosophie und Religion. Über Sombarts Wirtschaftsmenschen vgl. Bauer, Ökonomische Menschen, S. 39–47. 17 Brandes und Zierenberg, Doing Capitalism, S. 3.

6  Einleitung gen, Umgang mit Gefühlen – oftmals als Leidenschaften benannt – und Moral. Dieses Netz hängt dem Kapitalismus keineswegs an, sondern ist ihm intrinsisch verbunden.18 Vier Thesen strukturieren die Untersuchung: Erstens argumentiere ich, dass sich im Verlauf von zwei Jahrhunderten ein Verhältnis zwischen Kindheit und Geld etablierte, das zunehmend aus dem Rahmen der Tugenderziehung in den Kontext der modernen Spar- und Konsumökonomie wanderte. Am Ende des 19. Jahrhunderts, so die erste These, war die Idee eines kindlichen und jugendlichen Subjekts etabliert, die beinhaltete, dass die Heranwachsenden konsumierten, sparten und zukünftig auch investieren sollten und dementsprechend früh den Umgang mit Geld zu erlernen hatten. Das hatte zur Folge, so die zweite Hauptthese, dass das kindliche Handeln mit Geld nicht mehr nur als Teil einer weitgehend unkommentierten Alltagskultur verstanden wurde, sondern zögernd, aber am Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend als potentiell kapitalistisches Handeln beschrieben wurde. In Ergänzung jedoch zu der soziologischen Annahme, dass die moderne Ökonomie ausgreifende Züge trage und ihre Funktions- und Sprechweisen auf alles übertrage, was als nicht-ökonomisch definiert wird, möchte ich die konkurrierenden Diskurse in den Vordergrund stellen, die letztlich, so die dritte These, kein einheitliches, transnational gültiges Bild monetärer Erziehung und kindlicher Geldsubjekte generierten. Während am Anfang des 18. Jahrhunderts Kinder nicht als aktive Verwender und Rezipienten von Geld gedacht wurden, stand am Ende des 19. Jahrhunderts außer Frage, dass es sich bei der Beziehung zwischen Kindern und Geld um ein gewichtiges, regelungsbedürftiges Verhältnis handelte. Allein dies erlaubt es meines Erachtens jedoch nicht, von einer Ökonomisierung der Kindheit zu sprechen. Es handelte sich bei den diesbezüglichen Diskursen, so die vierte These, um die Selbstverständigung einer Gesellschaft mit einer sich beschleunigenden kapitalistischen Ökonomie sowie um Deutungskämpfe zwischen verschiedenen professionellen Gruppen über die damit zusammenhängenden Menschenbilder.

Historiografisches Feld I: Kindheit, Sozialisation und Lebensführung Die Kindheitshistoriografie hat eine wechselhafte Geschichte und ist lange Zeit ähnlich ‚großen Erzählungen‘ verpflichtet gewesen, wie sie auch von Marx und Weber verfolgt wurden. Ihre heutige Produktivität resultiert noch immer aus Philippe Ariès L’enfant et la vie familiale sous l’Ancien Régime (1960) und den sich bis heute an seiner Interpretation reibenden Debatten über die Frage, ob es im Mittelalter ein Konzept von Kindheit gegeben habe und ob Kindheit als eine Lebensphase, die sich von der des Erwachsenendaseins unterscheide, erst in der

18 Diese

enge Beziehung zwischen Markt und Moral, zwischen Kapitalismus und Legitimation zeigt anschaulich: Herzog und Honneth, Der Wert des Marktes.

Einleitung  7

Frühen Neuzeit entstanden sei.19 Dabei ist allein die Frage, was zu welchem Zeitpunkt unter Kindern und Jugendlichen verstanden wurde, alles andere als eindeutig zu beantworten. KindheitshistorikerInnen haben zu Recht auf den Wandel in den Alterseinteilungen hingewiesen. Rechtliche, soziale und pädagogische Konzepte differierten oftmals in der Einteilung des jeweiligen Alters. So endete im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 die Kindheitsphase mit sieben Jahren. Für die Eltern galt eine Aufsichts- und Versorgungspflicht bis zum 14. Lebensjahr. Bis dahin blieben Kinder straffrei. Im sozialen Leben endete die Kindheit oftmals mit der Firmung oder Konfirmation.20 Im englischen Education Act von 1876 wurde dagegen eine Person zwischen fünf und 14 Jahren als Kind bezeichnet.21 Betrachtet man die gesetzlichen Regelungen für Kinderarbeit, werden weitere Binnendifferenzierungen deutlich und auch die Straffähigkeit verkompliziert das Bild einer Alterseingrenzung. Volljährigkeit, d. h. volle Mündigkeit, wurde in England und Deutschland erst mit 21 bzw. 24 Jahren erreicht.22 Zunehmend wurde Kindheit mit dem Besuch einer Elementarschule in eins gesetzt und Jugend idealtypisch als eine Phase vom 12./13. Lebensjahr bis zur Verheiratung definiert.23 Diese Unterschiede sind für den hier betrachteten Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung, da sich die monetären Erziehungskonzepte nicht auf die Verschiebung der Altersgrenzen bezogen. Wenn es überhaupt explizite Thematisierungen des Alters gab, dann waren dies Hinweise für eine altersgerechte Gabe des Taschengeldes. Damit war allerdings keineswegs eine Problematisierung der zeitgenössischen Kindheits­ definition vorgesehen. Aus diesem Grund verfolge ich eine pragmatische Alterseinteilung, die sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bezieht. Als Kinder werden Personen bis etwa sieben Jahre bezeichnet, Heranwachsende waren Mädchen und Jungen zwischen 7–12/13 Jahren und das Jugendalter schloss sich als Phase zwischen der Pubertät und der möglichen Eheschließung an. Die legitime Frage nach der Art der Geschichte, die über Kindheit erzählt wird, leitet sich zu großen Teilen aus der Ariès-Kontroverse ab.24 Auch die Erwägung, mit welchen sozio-ökonomischen Veränderungen der Wandel in der Kindheitsge19 Einige

Beispiele mit unterschiedlichen Ergebnissen und Bezügen auf die „Ariès-These“: Stone, The Family, Sex and Marriage; Schultz, The Knowledge of Childhood; Shahar, Childhood in the Middle Ages; Pollock, Forgotten Children. 20 Der Bildungshistoriker Ulrich Herrmann verweist wiederum auf die pädagogischen Zeitgenossen, die die Kindheit in eine Phase der infantia bis vier Jahre und eine anschließende Phase bis etwa 14 Jahre des „Mädchen-/Knabenalter[s]“ geteilt hätten, an die sich das Jugendalter ab der Pubertät für Mädchen ab circa zwölf und für Jungen ab circa 14 Jahren anschloss. Herrmann, Familie, Kindheit, Jugend, S. 62. Der Sozialforscher Henry Mayhew dagegen bezeichnete alle unter 15 Jahren als Kinder. Mayhew, London Labour, Bd. I, S. 468. 21 Davin, Growing Up, S. 4. 22 Eine wichtige Ausdifferenzierung der Kindheits- und Jugenddefinition nach kontextabhängigen Faktoren findet sich in: Davin, Growing Up, S. 4. Anja Müllers Vorschlage, aufgrund mangelnder Kohäsion die Lebensphase bis zur Eheschließung als Kindheit zu bezeichnen, fällt weit hinter Davins Differenzierung zurück. Müller, Framing Childhood, S. 7. 23 Maynes, Girlhood. 24 Einen informativen Forschungsüberblick bietet: Stargardt, German Childhoods.

8  Einleitung schichte korrespondierte, verdankt sich letztlich der Überlegung, ob es eine spe­ zifische Form moderner Kindheit gibt.25 Neuere Forschungen formulieren ihre Kritik an Ariès These aus diesem Grund nicht mehr pauschal, sondern verfolgen gleichzeitig die Frage, in welcher Weise sich die Geschichte der Kinder und der Kindheit im 18. und 19. Jahrhundert im Verhältnis zu Aufklärung und ökonomischer Entwicklung verorten lässt.26 Die Forschungsergebnisse bieten damit einen wichtigen Rahmen für die Geschichte der monetären Erziehung. Geburten, Kinderversorgung und elterliche Erziehung sind von der Geschichtswissenschaft ebenso gut untersucht, wie die Armenfürsorge, die Waisenhäuser, und die Kinderarbeit.27 Ältere Forschungen über den Zusammenhang von Schule und Industrialisierung haben eher die Funktionalität der schulischen Erziehung für die ökonomischen Interessen des Staates betont.28 Neuere Untersuchungen ergänzen diese Perspektive mit einem stärkeren Fokus auf die Pädagogik der Selbstregulierung. So analysiert die neuere Wissensgeschichte die Entstehung von Expertenund Rat-geberkulturen, die sich an die Eltern oder direkt an Heranwachsende wand­ten.29 Die schichtspezifischen Habitusformationen und Wertehaltungen wurden über die familiäre, öffentliche und schulische Sozialisation geprägt. In der historischen Kindheits- und Sozialisationsforschung herrscht grundsätzlich kein Mangel an Studien, die danach fragen, wie Kinder verschiedener Schichten erzogen wurden und mit welchen Werten sie ausgestattet werden sollten.30 Christliche Religiosität und eine positive Besetzung von Arbeit beispielsweise standen mit Ausnahme des Adels, in allen Schichten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein im Vordergrund.31 Die neue Forschung zeigt zudem, dass Kindheits- und Jugendgeschichte nicht ge25 Baader

et al. (Hrsg.), Kindheiten in der Moderne; O’Malley, The Making of the Modern Child. 26 Auch der amerikanische Historiker Peter N. Stearns betont, dass es eine spezifische moderne Kindheitsvorstellung gibt, ohne dass er aber einer allzu schematischen Trennung zwischen Vormoderne und Moderne folgt. Vgl. seine ausgewogene Darstellung und Kritik der ArièsDebatte: Stearns, Childhood in World History, S. 10–13. 27 Als Auswahl: Bailey, Parenting in England; Boentert, Kinderarbeit im Kaiserreich; Schlumbohm (Hrsg.), Rituale der Geburt. 28 Wardle, English Popular Education; in Anlehnung an Foucault: Dressen, Die pädagogische Maschine; abwägend: Hartmann et al. (Hrsg.), Schule und Staat; Digby und Searle, Children, School and Society; Lundgreen, Sozialgeschichte der deutschen Schule. Vgl. für den amerikanischen Kontext die institutionengeschichtliche Untersuchung über den Zusammenhang von Schule und Kapitalismus: Beadie, Education and the Creation of Capital; für England: Mesquita, The Lancasterian Monitorial System. 29 Hulbert, Raising America; Kay, How Should We Raise Our Son Benjamin?; Beatty et al. (Hrsg.), When Science Encounters the Child. 30 Schlumbohm, Kinderstuben; Flecken, Arbeiterkinder; Gestrich, Traditionelle Jugendkultur; Lundgreen, Analyse preußischer Schulbücher. In der Debatte über den relativen britischen Decline seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die in den 1980er Jahren geführt wurde, gerieten vor allem die Ausbildungsstätten in Deutschland und England in den Fokus der geschichtswissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Wiener, English Culture; als Kritik: Sanderson, Education and Economic Decline in Britain; vgl. auch Pollard, Die Bildung und Ausbildung. 31 Gestrich, Vergesellschaftungen des Menschen, S. 98–102.

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schlechtsneutral sein kann, wenn sie nicht die für Jungen und Männer entworfenen Leitbilder reproduzieren will.32 Erziehung und Ausbildung von Mädchen und Jungen müssen vor dem Hintergrund ihrer zukünftigen Funktionen als Erwachsene betrachtet und die dazugehörigen, auch schichtspezifischen institutionellen Differenzen betont werden.33 Für alle Themen der Kindheitsgeschichte gilt, dass es aufgrund der Quellenlage wesentlich einfacher ist, Aussagen über die jeweiligen erwachsenen Vorstellungen von Kindheit zu treffen als über die Geschichte der Kinder selbst zu berichten. Aus diesem Grund hat sich die Integration von Ego-Dokumenten und Dingen der Kindheit, wie Spielzeug, in die kindheitshistorische Forschung als ein wichtiger Schritt erwiesen, der die Wahrnehmungen von Kindern und Heranwachsenden berücksichtigt, ohne dabei die quellenkritische Reflexion der Selbstbeschreibung zu vernachlässigen.34 Die detaillierte Betrachtung der Beziehung zwischen Kindern, Heranwachsenden und Geld fehlt bislang in der historischen Kindheits- und Jugendforschung.35 Jedoch kann die die sukzessive Integration von Kindern und Jugendlichen in die angloamerikanischen Konsumkulturen im späten 18. und 19. Jahrhundert als verhältnismäßig gut untersucht gelten.36 Hinweise auf Taschengeld finden sich vor allem in Untersuchungen zum Bildungsbürgertum. Konflikte um Geld wurden vereinzelt in Darstellungen über unterbürgerliche Straßenkinder thematisiert.37 Mit dem Sammelband The Economic Reader (2012) liegt eine von Wirtschaftshistorikern vorgenommene Analyse der Integration ökonomischen Wissens in europäische Schul- und Lehrbücher des 19. Jahrhunderts vor, die für die Popularisierung ökonomischen Wissens und damit auch für die Geschichte monetärer Erziehung wesentliche Impulse setzt.38 32 Benninghaus, Verschlungene

Pfade. Einstiege in die Geschichte der Mädchenbildung bieten sich an: Jacobi, Mädchen- und Frauenbildung; Kleinau und Opitz (Hrsg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung; Albisetti (Hrsg.), Girls’ Secondary Education; Maynes et al. (Hrsg.), Secret Gardens, Satanic Mills. 34 Z. B. Heywood, Growing Up in France; Humphries, Childhood and Child Labour; Jarzebowski, My Heart Belongs to Daddy; Baggerman und Dekker, Child of the Enlightenment. 35 Der Literaturwissenschaftler Manuel Bauer beginnt seine Studie über die literarische Kon­ struktion des ökonomischen Menschen mit zwei Beispielen – einer Krankengeschichte aus einem Journal und einer Novelle von Theordor Storm, die beide die Schwierigkeiten und das potentielle Scheitern ökonomischer Erziehung thematisieren. An späterer Stelle analysiert er die „Erziehung zum Kaufmann“ am Beispiel von Gustav Freytags Soll und Haben (1855). Bauer, Ökonomische Menschen, S. 9–13; 106–111. 36 Ganaway, Toys, Consumption, and Middle-Class Childhood; Cook, Children as Consumers; Denisoff (Hrsg.), The Nineteenth-Century Child; Plumb, The New World of Children in Eighteenth-Century England; aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive: Levison, Children as Economic Agents. 37 Wichtig für die Erziehung zur Sparsamkeit sind die Aufsätze von Christa Berg: Berg, Die Fa­ brikation des zuverlässigen Menschen; dies., Konkretisierung und Realisierung der Sparerziehung. Für die bürgerliche Perspektive überaus bedeutsam: Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben; Fletcher, Growing Up in England. Für die Arbeiterkinder: Narsaw, Children of the City. 38 Augello und Guidi, The Economic Reader. 33 Als

10  Einleitung Nicht auf Geld und Ökonomie fokussiert, aber mit verwandten Perspektiven ausgestattet, sind neuere Studien der Zeitgeschichte über das Verhältnis von Kinder-/Jugenderziehung und citizenship, die danach fragen, in welcher Weise Heranwachsende zu demokratischen Bürgerinnen und Bürgern erzogen wurden.39 Dies ist insofern für die Geschichte der monetären Erziehung von Belang, da diese Untersuchungen auf das Spannungsverhältnis von Staat, Erziehung und Kindern verweisen, welches jede zielorientierte Formung von Heranwachsenden rahmt. Das dieser Trias immanente Verhältnis von Freiheit versus Disziplinierung ist mithin ein genuin pädagogisches Thema. Es hat die Entwicklung der Pädagogik seit Beginn begleitet und prägt auch die bildungshistorische Forschung bis heute.40 Der Bezug der sozialhistorischen These von der partiellen Modernisierung des 19. Jahrhunderts auf die deutsche Volksschule war beispielsweise von der Annahme getragen, dass es sich um eine Institution handelte, die zwischen der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Disziplinierung und der gleichzeitigen, aus dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts stammenden Modernisierung verortet war.41 Foucaults Ansatz der ambivalenten Wirkung und Funktion von Gouvernementalität kann den Schematismus in der These von der partiellen Modernisierung deutlich überwinden. Mit der gleichzeitigen Präsenz der prozessualen Verinnerlichung von Disziplin und Leistungsbereitschaft einerseits und der Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten unter stetiger staatlicher Kontrolle andererseits kann Erziehung zu den Verfahren der neuzeitlichen Regierungskunst gezählt werden, mit der „die Lenkung der Menschen untereinander gewährleistet“ wird.42 Die monetäre Erziehung zeigt diese parallele Existenz von Selbstbestimmung, Selbstregulierung und sozialer Kontrolle im Detail.

Historiografisches Feld II: Geschichte des Kapitalismus Die geschichtswissenschaftliche Kapitalismusforschung ist wieder da. Sie scheint aus einem jahrzehntelangen Dämmerschlaf erwacht zu sein, sie gibt sich zeitgemäß und präsentiert sich als eine ernstzunehmende Ergänzung zur herkömmlichen Wirtschaftsgeschichte, die in der Lage sein könnte, sozial-, wirtschafts- und kulturhistorische Perspektiven unter einem Dach zu versammeln.43 Gleichzeitig sind ähnliche Tendenzen in der Soziologie zu beobachten, die ihrerseits mit historischem Interesse das in den letzten Jahren etwas eingeschlafene interdisziplinäre

39 Schumann

(Hrsg.), Raising Citizens; Kössler, Kinder der Demokratie; Olsen, Juvenile Nation; vgl. auch die Habilitation von Sonja Levsen: „Autorität und Demokratie. Eine Kulturgeschichte des Erziehungswandels in Westdeutschland und Frankreich, ca. 1945–1975.“ 40 Tenorth, Geschichte der Erziehung, S. 80  f. 41 Kuhlemann, Modernisierung und Disziplinierung. 42 Lemke et al., Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnologien, S. 7; Mintz, Why the History of Childhood Matters; Depaepe, Jenseits der Grenzen, S. 246. 43 Interchange: The History of Capitalism; ebenfalls optimistisch ist: Kocka, Introduction, S. 6. Vgl. über den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Moderne: Welskopp, Einleitung und begriffliche Klärungen.

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Zusammenspiel von Soziologie und Geschichtswissenschaft wiederbeleben.44 Die neue Geschichte des Kapitalismus entfaltet gerade unter jüngeren HistorikerInnen ihre Anziehungskraft: Sie werfen mit geschlechter- und kulturhistorischer Perspektive einen neuen Blick auf die ökonomischen Verhältnisse.45 Die Konjunktur der Gesprächsangebote über die Grenzen der geschichtswissenschaftlichen Teildisziplinen hinweg hat jedoch auch die Sozialgeschichte nicht unberührt gelassen. Der Rückbezug auf ihr Kernthema, die soziale Ungleichheit, wurde zudem durch die Wirtschaftskrise seit 2008 beflügelt.46 Die jüngste Renaissance der historischen Kapitalismusforschung zeigt historiografische Wege auf, die sich unmittelbar mit dem Anliegen in Verbindung bringen lassen, die Randständigkeit der Wirtschaftsgeschichte innerhalb der Fakultäten für Wirtschaftswissenschaften und Geschichtswissenschaften mit Hilfe kulturhistorischer Zugänge wieder anschlussfähig zu machen.47 Die Ansätze einer kulturhistorisch erweiterten Wirtschaftsgeschichte hatten bis vor kurzem weitgehend nur Appellationscharakter. Doch in den letzten Jahren trägt dieser reiche Früchte: Die jüngst publizierten Monografien unterstreichen die Notwendigkeit, den Begriff der Ökonomie und des Kapitalismus nicht unnötig zu verengen.48 Mischa Suter beispielsweise plädiert überzeugend dafür, die Produktion der „formalen Kategorien ökonomischer Beschreibungen“ zu analysieren, um den auch von Sören Brandes und Malte Zierenberg beschriebenen Gestus des Ein- und Aussortierens von Einzelfällen unter eine Makrostruktur „Kapitalismus“ zu verhindern.49 Jürgen Kocka hat eine derartige idealtypische Modell-Definition des Kapitalismus vorgeschlagen – basierend auf individuellen Eigentumsverhältnissen und Entscheidungen, der marktförmigen Organisation von Angebot, Nachfrage und Preisgestaltung sowie der Ausrichtung von Kapital auf Investition und Profit unter Zuhilfenahme von Kredit und Spekulation.50 Einschränkend warnt er vor 44 Als

Auswahl: Dörre et al. (Hrsg.), Soziologie; Beckert, Imagined Futures; Streeck, Gekaufte Zeit; ders., How to Study Contemporary Capitalism. 45 Vgl. das breite Spektrum von Themen in: Archiv für Sozialgeschichte 56, 2016 (Rahmenthema „Sozialgeschichte des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert“). 46 Kocka, Geschichte des Kapitalismus; Kocka und van der Linden, Capitalism; Budde (Hrsg.), Kapitalismus. Historische Annäherungen; Wehler, Die Explosion der Ungleichheit. Manch einer jubiliert jedoch, dass nun endlich wieder Strukturen in den Vordergrund der geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen rücken und der kulturalistische Ballast der letzten zwei Jahrzehnte abgeworfen werden könnte. Beckert, The New History of Capitalism. Ein produktives Plädoyer für einen neuen Materialismus findet sich in: Lipartito, Reassembling the Economic. 47 Berghoff und Vogel (Hrsg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte; Landwehr (Hrsg.), Wirtschaft – Kultur – Geschichte; Siegenthaler, Geschichte und Ökonomie. 48 Suter, Rechtstrieb; Dejung, Die Fäden des globalen Marktes; Chassé, Erfindung des Bruttosozialprodukts; Trentmann, Free Trade Nation; Stäheli, Spektakuläre Spekulation. Vgl. auch die gelungenen Sammelbände Jackson und Saunders (Hrsg.), Making Thatcher’s Britain; Rossfeld (Hrsg.), Pleitiers und Bankrotteure; Schmidt und Conrad (Hrsg.), Bodies and Affects. Vgl. die überzeugende Kritik von Friedrich Lenger an dem zweibändigen Handbuch Cambridge History of Capitalism (Cambridge 2014): Lenger, Die neue Kapitalismusgeschichte, S. 5–10. 49 Suter, Rechtstrieb, S. 24; Brandes und Zierenberg, Doing Capitalism, S. 3. 50 Kocka, Kommentar: Kapitalismus im Kontext, S. 178.

12  Einleitung e­ iner Ausweitung des Begriffs: „But in order to grasp this complex and changing relationship it is necessary to define capitalism as an economic system with noneconomic conditions and consequences, that is, neither as a social or cultural system nor as a historical epoch.“51 Mit dieser Begrenzung befindet sich Kocka im Widerspruch zu Joyce Appleby, die jüngst in ihrer Geschichte des Kapitalismus festlegte: „capitalism is as much a cultural as an economic system.“52 Ihre Vorstellungen vom Kapitalismus als einem kulturellen System führt sie weiter aus: „Capitalism is a cultural system rooted in economic practices that rotate around the imperative of private investors to turn a profit. […] Because capitalism is a cultural system and not simply an economic one, it cannot be explained by material factors alone.“53 Applebys Beispiele für eine ausgeweitete Definition beziehen sich auf die Anpassungen politischer Ordnungen an die Wirtschaftsverhältnisse und die veränderten Zeitvorstellungen, die Debatte über die menschliche Natur und die neuen Formen der Lebensplanung für die Subjekte. Normen und Werte, Recht und Gebräuche würden durch das ökonomische System be­ einflusst und verändert.54 Diese Faktoren nur als Bedingungen oder Konsequenzen des ökonomischen Systems zu begreifen, wie es Jürgen Kocka vorschlägt, greift zu kurz und wird aus kulturhistorischer Perspektive der Frage nach den Grenzen und der Konstruktion des Ökonomischen nicht gerecht. Diese Frage kann dann nicht einmal gestellt werden. Ohne den Kapitalismus als eine neue Epochenbezeichnung etablieren zu wollen, ist es notwendig, ihn zugleich als ein System und als eine Praktik zu verstehen. Dessen jeweilige historische und regionale Erscheinungsform organisiert nicht nur die Art des Wirtschaftens im engeren Sinne.55 Subjektivierungen, Praktiken oder auch Dinge und Emotionen müssen in einer Geschichte des Kapitalismus genauso Platz finden wie die konstituierenden Folgen für andere Teilsysteme, wie beispielsweise das Politische oder das Recht. Die Neue Institutionenökonomie, die die klassische Wirtschaftsgeschichte lange Zeit als Königsweg einer kulturell sensibilisierten Geschichtsschreibung präsentiert hat, kann diesen, von der Kulturgeschichte oft getragenen Prämissen des Dekonstruktivismus nicht folgen.56 Letztlich ist die Weigerung, ihren Gegenstand – die Wirtschaft – als historisch variabel zu verstehen, wohl das größte Hindernis bei der Annäherung zwischen Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Konstituiert 51 Ders., Writing

the History of Capitalism, S. 13. The Relentless Revolution, S. 4. 53 Ebd., S. 25  f. 54 Ebd., S. 22. Die HerausgeberInnen eines Themenheftes von WerkstattGeschichte über „Wissen und Wirtschaften“ versuchten jüngst ebenfalls, die verloren gegangenen Fäden zwischen der Wirtschafts- und der Kulturgeschichte wieder zu verknüpfen: „Der Kapitalismus ist nicht nur eine bestimmte wirtschaftliche Produktionsform, sondern im Wesentlichen auch ein kulturelles System.“ Dommann et al., Editorial, S. 4. 55 Vgl. das Plädoyer von Thomas Welskopp, den Systembegriff nicht völlig aufzugeben, sondern „seine Reformulierung aus Akteursperspektive“ vorzunehmen: Welskopp, Zukunft bewirtschaften, S. 87. 56 Hesse (Hrsg.), Kulturalismus, neue Institutionenökonomik oder Theorienvielfalt? 52 Appleby,

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sich das Ökonomische über den Gegenstand der Knappheit? Oder definiert sich das Ökonomische durch die Kommunikation über Knappheit?57 Sind Märkte das Resultat performativer Akte von Ökonomen?58 Was ist der Kern des Ökonomischen und wie werden seine Grenzen beschrieben?59 Lassen sich zu bestimmten historischen Zeiten Kernthemen des Ökonomischen definieren und in welcher Weise wandeln sich diese?60 Wann und unter welchen Bedingungen wird eine Handlung als ökonomisch und wann als politisch bezeichnet? Fällt die Analyse einer ökonomischen Handlungsweise in den Aufgabenbereich der Wirtschaftsgeschichte und ist ein als politisch definiertes Verhalten ausschließlich ein Thema für die Politikgeschichte? Ist das Deponieren von Geld in Sparschweinen eine ökonomische Handlung? Und wie verhält es sich mit der Anlage desselben Geldes auf dem Sparkonto einer Bank, die dieses Geld für ihr Aktivgeschäft benutzt? Ist das Sparschwein ein Thema für Kindheitshistorikerinnen mit alltagshistorischer Spezialisierung und die Geldanlage ein Untersuchungsgegenstand der mikround makroökonomisch geschulten Wirtschaftshistoriker? Eine neue Geschichte des Kapitalismus ist zugleich ein Appell an die Kulturgeschichte. Insbesondere die Kulturgeschichte deutscher Provenienz hat die Ökonomie in den letzten Jahren vernachlässigt. Alte Traditionen der Mikrogeschichte, die vor allem im Rahmen der Protoindustrialisierungsforschung entstanden sind, die Historische Wirtschaftsanthropologie und die Anfänge der Frauen- und Geschlechtergeschichte als Analyse der ökonomischen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, können wiederentdeckt und gleichzeitig erweitert werden.61 Auch die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte stellen wertvolle analytische In­ strumente bereit, um das Ökonomische gerade in seiner semantischen, repräsentativen und praxeologischen Dimension zu verstehen.62 Zwei Zugänge versprechen dabei für die kulturhistorische Analyse des Kapitalismus einen deutlichen Mehrwert: Emotionen und Zeit.63 Anknüpfungspunkte für den ersten Zugang bietet schon die ‚ältere‘ Emotionengeschichte.64 Martina Kessel hat den emotionalen Spielraum des 19. Jahrhunderts als eine „Ambivalenz zwischen Gefühlskontrolle und einer Forderung nach (kon­ 57 Baecker, Wirtschaftssoziologie. 58 MacKenzie

et al. (Hrsg.), Do Economists Make Markets? et al. (Hrsg.), Auf der Suche nach der Ökonomie. 60 Jäger, Was ist Ökonomie? 61 Medick und Sabean (Hrsg.), Emotionen und materielle Interessen; Berdahl et al. (Hrsg.), Klassen und Kulturen; Hausen (Hrsg.), Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung; Reinhard und Stagl (Hrsg.), Menschen und Märkte. 62 Latour und Lépinay, Die Ökonomie als Wissenschaft; Dommann, Verbandelt im Welthandel; dies., Reden wir über Geld!, S. 113–121 sowie die anschließende Debatte S. 123–143. 63 Bettina Hitzer diagnostizierte 2011, dass für die immer noch boomende Emotionengeschichte Untersuchungen zum Verhältnis von Gefühlen und Ökonomie fehlten. Hitzer, Emotionsgeschichte. Mittlerweile liegen erste Studien vor: Schmidt und Conrad, Bodies and Affects. Vgl. auch das Projekt eines „emotionalen Kapitalismus“ bei Illouz, Gefühle in Zeiten des Kapitalismus, S. 13. 64 Einen kursorischen Forschungsüberblick bieten Schmidt und Conrad, The Role of Emotions, S. 6–13. 59 Dejung

14  Einleitung trollierbarer) Leidenschaft“65 bezeichnet. Die programmatische Forderung nach Selbstkontrolle sei seit der Aufklärung zu einem geschlechtsspezifischen Subjektivierungsprozess geworden, in dem die Ausgewogenheit von Gefühlen vor allem für bürgerliche Männer Teil ihrer Selbstkonstitution gewesen sei. Berufliches Scheitern, Langeweile, Faulheit und Erfolgsdruck waren zu moderieren und zu kontrollieren. Männliche Selbstkonstruktion basierte demnach auch auf der Regulierung der emotionalen Bezüge zur eigenen Stellung im Haus und in der Außenwelt. Die Geschlechtsspezifik, die dem jeweiligen Verhältnis von Ökonomie und Emotionen im 19. Jahrhundert intrinsisch war, prägte die Vorstellungen des ökonomischen Menschen als einem männlichen Charakter66 sowie damit zusammenhängend auch die emotionalen Leitbilder in den Diskursen über Kinder und ihr Verhältnis zum Geld. Auch wenn die vorliegende Untersuchung keine Emotionengeschichte im engeren Sinne ist, bestehen zwischen den Debatten über monetäre Erziehung und den Diskursen über Selbstkontrolle und Leidenschaft enge thematische Verbindungen, die im Untersuchungsverlauf kontinuierlich erörtert werden.67 Die Berücksichtigung der Temporalität verspricht einen weiteren, innovativen Zugang zur Geschichte des Kapitalismus, da jeder gegenwärtige ökonomische Handlungsmodus einer Zukunftsvorstellung bedarf.68 Jens Beckert demonstriert die dem Kapitalismus innewohnende Temporalität in Form von Zukunftsannahmen und verbindet diese mit der Konstruktion eines „kapitalistischen Subjekts“.69 In Ergänzung zu den herkömmlichen Erklärungsmustern der Entstehung kapitalistischer Wirtschaftsweisen seit der Frühen Neuzeit betont er, dass es zu „fundamental changes in the temporal orientation of actors; specifically, by an altered understanding of the future“70 gekommen sei: Capitalism is an economic system in which the present is assessed principally through the lens of the future, which is itself considered using imaginaries of future states in order to anticipate as yet unrealized profit and loss. If modern capitalism ‚embeds itself into the future‘ […], it is necessary to analyze this temporal orientation and the corresponding dispositions of actors in order to lay the microfoundations required to understand capitalist dynamics.71

Auf der Basis von Pierre Bourdieus Studie über die Monetarisierung der Kabylen in Algerien definiert Beckert die kapitalistische Zukunft im Gegensatz zu tradi­ tionellen Gesellschaften als offen und nicht repetitiv oder zyklisch. Diese kontingente Zukunft verortet er in vier Handlungsmodi: credit, commodification, creativity, competition.72 Seine vier auf die zukünftige Gegenwart gerichteten „four C’s of capitalism“ ließen sich durch ein fünftes C ergänzen: children. Monetäre Erziehung korreliert ebenfalls, wie es in gewisser Weise jede Form der Kinderer65 Kessel,

Das Trauma der Affektkontrolle, S. 157. das Verhältnis von economic man und Emotionen in der Wirtschaftswissenschaft: ­Frevert, Passions. 67 Hirschman, Leidenschaften und Interessen. 68 Kocka, Introduction, S. 5. 69 Beckert, Imagined Futures, S. 27. 70 Ebd., S. 22. 71 Ebd. 72 Ebd., S. 23. 66 Über

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ziehung tut, mit Annahmen über die Zukunft. Dies geschieht in zweifacher Weise: Zum einen sahen die Philosophen, Ökonomen und Pädagogen die Zukunft der Kinder vor Augen, wenn sie erörterten und probierten, wie Kinder mit Geld umgehen sollten. Die zukünftigen Bürger und Bürgerinnen standen ihnen deutlich vor Augen, sowohl in ihrer erwünschten wie auch in ihrer unerwünschten Version.73 Zum anderen nahm die Zukunft in den Geldpraktiken selbst Gestalt an: Sie basierten auf der Vorstellung, dass ein gewisses Verhalten in der Gegenwart in der Zukunft Erträge bringen würde. In der Spende für die afrikanischen ‚Heiden‘, im Horten des Geldes in einem Sparverhältnis oder in der Anlage bei der Schulsparkasse waren die jeweiligen Zukunftsvorstellungen deutlich präsent. Das Erlernen der Zukunft galt manchen der Protagonisten sogar als ein explizites Ziel monetärer Erziehung. Temporalität ist also auch für geschichtswissenschaftliche Kapitalismusstudien von zentraler Bedeutung.

Historiografisches Feld III: Geldgeschichten Die Anzahl der Objekte, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit kontinuierlich wissenschaftliche Reflexion erfahren und gleichzeitig eine enorme populäre Wahrnehmung erregt haben, ist nicht besonders groß. Geld ist ein solches Objekt, das über die Jahrhunderte sowohl theoretisch analysiert als auch imaginativ aufgeladen wurde. Im Gegensatz zu der von den Wirtschaftswissenschaften eng gefassten Definition des Geldes als Medium zur Wertspeicherung, zum Tausch und als Recheneinheit steht die potentielle Offenheit des Gegenstandes für Zuschreibungen und Funktionen aller Art. Viele Verwendungsweisen des Geldes gehen über die klassische Definition des Geldes hinaus und die Bedeutungen und Funktionen des Geldes sind abhängig von ihren sozialen und historischen Kontexten, wie JanOtmar Hesse jüngst noch einmal hervorgehoben hat:74 Geld hat auf der einen Seite verschiedene Funktionen und Bedeutungen, die nicht unmittelbar mit der Ökonomie zusammenhängen; auf der anderen Seite repräsentiert Geld aber auch nicht das gesamte ökonomische Handlungsspektrum: „Geld als wirtschaftshistorischer Untersuchungsgegenstand ist damit zugleich größer und kleiner als die Wirtschaft, eine Paradoxie“.75 Geld ist mehr als nur das Medium ökonomischer Verhaltensweisen oder das Mittel zur Gestaltung eines bestimmten Habitus. Geld ist auch ein Objekt und ein Sammlerstück, das nicht in Tauschhandlungen aufgeht. Diese Funktion ist für Kinder ebenso von Bedeutung wie die des Speichers von Worten, Redeweisen, implizitem und expliziertem Wissen, von normativen Handlungsanweisungen und 73 So

betont Andrew O’Malley, dass bürgerliche Kinder im Zuge des raschen ökonomischen Wandels vor allem lernen mussten, wie mit Zeit und Geld umzugehen war. O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 102. 74 Eine klassische Studie über die multiplen Bedeutungen des Geldes: Zelizer, The Social Meaning of Money; vgl. auch das Plädoyer für eine konsequente Historisierung des Geldes: Hesse, Geld, S. 74. 75 Ebd., S. 77.

16  Einleitung praktischen Verwendungsvorschlägen. Geld wird phantastisch aufgeladen und es wird mit Bildern, Allegorien und Metaphern belegt.76 Dem Geld wohnt zudem, wie ausgeführt, eine temporale Dimension inne. Im Mittelalter galt es als ein auf zukünftige Ereignisse verweisendes Zeichen, als Symbol des Risikos und der Gefahr. Im 19. Jahrhundert wiederum verkörperte es für viele ärmere Menschen die Absicherung einer ungewissen Zukunft. In den letzten Jahren sind insbesondere im Rahmen der Wirtschaftssoziologie eine Reihe wertvoller Studien entstanden, die dem Geld eine zentrale Stellung in der Moderne zusprechen und sich vielfach auf die von Georg Simmel konstatierte enge Beziehung zwischen moderner Gesellschaft und Geld in der Philosophie des Geldes stützen.77 Simmel bezeichnete das Geld als „absolut qualitätsloses Ding“, das keinerlei emotionale Effekte aus sich selbst generieren könne.78 Geld nivelliere zuallererst alle Unterschiede, da es eine bedingungslose Recheneinheit darstelle, die für jede und jeden zugängig sei. Auf der Basis der hierin angenommenen Gleichheit entwickele sich, so Simmel, die durch das Geld gestützte Individualisierung.79 Die Geldwirtschaft, die er mit der modernen Kultur verknüpfte, habe die enge Beziehung zwischen Person und Besitz, wie sie im Feudalismus verkörpert war, aufgelöst. Auch die Art der Zusammenschlüsse von Menschen hätte sich mit der Geldwirtschaft verändert. Für eine Mitgliedschaft in einem Sozialverband zahle man einen Beitrag und sei nicht mehr vollständig vergesellschaftet, wie dies beispielsweise in einer Zunft der Fall war.80 Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive sind diese eindeutigen Zuweisungen des Geldes an ‚die Moderne‘ oder ‚den Kapitalismus‘ zu hinterfragen, auch wenn dem Geld im Zuge der Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie und der sich parallel dazu durchsetzenden, aber nicht in ihr aufgehenden Monetarisierung eine gewichtige ökonomische wie kommunikative Funktion zukam. Gleichzeitig ist daran zu erinnern, dass die Abwesenheit des Bargeldes in den alltagsökonomischen Handlungen des Warentausches und der Kleinkredite von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert selbstverständlich war.81 So hat Sebastian Felten am Beispiel der Monetarisierung einer ländlichen Gegend in den Niederlanden zwischen 1700 und 1900 vorgeführt, dass sich Institutionen, Mentalitäten, Leitbilder und der Staat wandeln und miteinander interagieren mussten, damit sich letztendlich ein durchaus unebener Prozess wie der der Monetarisierung durchsetzen konnte.82 76 Volkmann,

Homo oeconomicus, S. 229; Bracker und Herbrechter (Hrsg.), Metaphors of Economy; De Goede, Virtue, Fortune and Faith. 77 Deutschmann, Die Verheißung absoluten Reichtums; ders. (Hrsg.), Die gesellschaftliche Macht des Geldes; Kellermann (Hrsg.), Geld und Gesellschaft; Ganssmann, Geld und Arbeit; Paul, Die Gesellschaft des Geldes; Pahl, Das Geld in der modernen Wirtschaft. 78 Simmel, Philosophie des Geldes, S. 316. 79 Ders., Das Geld in der modernen Cultur, S. 184. 80 Ebd., S. 178–181. 81 Vgl. beispielsweise: Jancke und Schläppi (Hrsg.), Ökonomie sozialer Beziehungen; Fontaine (Hrsg.), Alternative Exchanges. 82 Felten, Unlikely Circuits.

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Geld in seiner Form als Münzgeld, Papiergeld oder Buchgeld ist ein ebenso komplexer und historisch wandelbarer Gegenstand (oder eben kein Gegenstand), wie es auch seine Deutungen sind. In den letzten Jahren haben ihn HistorikerInnen in ganz unterschiedlicher Weise wiederentdeckt.83 Niall Ferguson betont die Bedeutung des Geldes für den von ihm nicht genauer gekennzeichneten menschlichen Fortschritt: „Money is the root of most progress. […] the ascent of money has been essential to the ascent of men.“84 Der englische Historiker macht dafür, wie Simmel, die menschliche Absicht bei der Nutzung des an sich charakterlosen Geldes verantwortlich. Auch die Probleme des Geldes und speziell des Finanzmarktes sieht er nicht im Geld selbst begründet, sondern in der allgemeinen Unkenntnis über die stetig wachsende Komplexität des Finanzsektors, dessen Funktionsweise den meisten Nutzern und Zuschauern unverständlich bliebe. Christina von Braun lehnt eine derart aufklärungsoptimistische Haltung zwar nicht rundweg ab, aber sie betrachtet Geld als ein hochkomplexes Zeichen, das nur durch den Glauben funktioniere und letztlich mit körperlicher Deckung durch das Opfer versehen sei.85 Beiden ist gemein, dass sie die Rolle des Geldes für historischen Wandel von Gesellschaften als zentral ansehen. Eine andere, und in der Konsequenz gegen Marx gerichtete Tendenz findet sich in den Studien der historisch arbeitenden Wirtschaftssoziologin Viviana A. Zelizer. Sie argumentiert in The Social Meaning of Money gegen die Annahme, dass Geld ein Ausdruck einer ‚kalten‘ Monetarisierung aller sozialen Beziehungen sei. Am Beispiel des Haushaltsgeldes, von Geldgeschenken und der Armenfürsorge in den USA zwischen 1870 und 1930 untersucht Zelizer die verschiedenen Verwendungs- und Definitionsweisen des Geldes sowie dessen relationale Funktionen. Geld gehe nicht in seiner quantifizierenden Funktion auf, sondern stifte neue soziale Beziehungen.86 In diese Richtung argumentiert auch die englische Historikerin Deborah Valenze. Sie unterstreicht in ihrer Untersuchung The Social Life of Money die beziehungsstiftende und soziale Funktion des Geldes in den Alltagshandlungen der Frühen Neuzeit.87 Ähnlich kritisch wendet sich die Historikerin Beverly Lemire in ihrer Untersuchung der englischen Alltagsökonomie im 19. Jahrhundert gegen die soziologischen Großentwürfe der Moderne. Sie betont, dass der Weg in die monetarisierte, industrialisierte und numerisch quantifizierende 83 In

den Literaturwissenschaften ist diese Tendenz schon etwas älter. Als Auswahl: Hörisch, Kopf oder Zahl; Gray, Money Matters; Russell, The Novelist and Mammon; Copeland, Women Writing About Money; Purdy (Hrsg.), Literature and Money; Vernon, Money and Fiction; Nicholson, Writing and Rise of Finance; Breithaupt, Der Ich-Effekt des Geldes; Hierholzer et al. (Hrsg.), Goethe und das Geld; Kinder, Geldströme. 84 Ferguson, The Ascent of Money, S. 2. 85 Von Braun, Der Preis des Geldes, S. 16. 86 Zelizer, The Social Meaning of Money. In ihrem älteren Buch Pricing the Priceless Child analysiert Zelizer die Beziehung zwischen Kindern und ihrem ökonomischen bzw. sozialen Wert. An späterer Stelle wird von ihren Thesen noch die Rede sein. Zelizer, Pricing the Priceless Child. Vgl. auch ihre Aufsatzsammlung mit Erweiterungen der beiden genannten Studien: dies., Economic Lives. 87 Valenze, Social Life of Money, S. 2.

18  Einleitung Gesellschaft keine gradlinige Entwicklung war. In Abhängigkeit von Geschlecht, Status und Region entwickelten sich höchst unterschiedliche soziale und temporale Strukturen, die mit einfachen Verlaufsthesen, wie der der Modernisierung, eingeebnet würden.88 Berücksichtigt man diese geschichtswissenschaftlichen Differenzierungen, dann liegt es nahe, Geld in Anlehnung an Niklas Luhmann als einen Gegenstand zu definieren, der ein Kommunikationsmittel sein kann, nicht notwendigerweise aber immer ist.89 Geld lässt sich als ein Versuch der Abkürzung von Kommunikation verstehen. Der nicht-monetäre Gabentausch stellt dagegen ein System komplexer Kommunikationen dar, denen gegenüber die Geldökonomie eine zeitlich kürzere und zeichentechnisch zumindest theoretisch einfachere soziale Beziehung zwischen Menschen darstellen kann.90 Doch Geld ist auf der anderen Seite auch ein Kommunikationsmittel, das im Rahmen kultureller, geschlechter- oder klassenspezifischer Unterschiede verstanden werden muss. Geld und Geldkommunikation werden interpretiert und müssen eine adäquate Reaktion hervorrufen, sonst scheitert selbst die einfachste Form der monetären Kommunikation, die Bezahlung.91 Geld als Kommunikationsmittel spricht, schafft damit soziale Beziehungen und ist zugleich ein Mittel der Subjektivierung. Das Interesse an der Entstehung und dem Charakter von Subjekten, bei denen sich die Geldform „ins Bewusstsein als dessen ureigenste Form der Subjektivität eingenistet hat“92, teilten schon Karl Marx, Max Weber und Georg Simmel. Die heutige Kultursoziologie, wie sie prominent unter anderem von Andreas Reckwitz vertreten wird, knüpft daran an und fragt nach den Konstruktionsprozessen moderner Subjekte: „Der Einzelne avanciert zum vorgeblich autonomen, zweckrationalen oder moralischen Subjekt erst dadurch, dass er sich bestimmten Regeln – Regeln der Rationalität, des Kapitalismus, der Moralität, etc. – unterwirft, diese interiorisiert und inkorporiert und sich in soziale Gefüge integriert.“93 In der so gestalteten Aneignung der (ökonomischen) Welt wird Geld zum Bestandteil des Subjektivierungsprozesses. Das bedeutet, dass das monetäre Wissen mit den Vorstellungen der Subjekte von sich selbst korrespondiert, es von den Subjekten aufgenommen oder verworfen wird und damit zu einem reflexiven Bezug ihrer Selbstkonstitution werden kann.94 Differenzen in der Art und Weise, wie sich eine an monetäres 88 Lemire,

Business of Everyday Life, S. 227. Vgl. auch: Green et al. (Hrsg.), Men, Women and Money. 89 Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 230–271; Wennerlind, Money Talks, but What Is It Saying? 90 Mauss, Die Gabe. 91 Luhmann verweist auf die potentielle soziale Destabilisierung durch den hohen Grad an „Informationsverlust“ bei einer monetären Bezahlung, „sie kappt kommunikativ mögliche Bindungen.“ Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 18. 92 Brodbeck, Die Herrschaft des Geldes, S. 955. 93 Reckwitz, Das hybride Subjekt, S. 9. 94 Rose, Inventing Our Selves; Bröckling, Das unternehmerische Selbst; Krisch, Alltag, Geld und Medien.

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Wissen gebundene Subjektivierung im Sozialisationsprozess vollziehen kann, ergeben sich vor allem aus der geschlechts- und klassenspezifischen Gebundenheit des Wissens und der Individuen.95 In einer pädagogischen Situation, wie sie in dieser Studie zumeist betrachtet wird, sind diese Differenzen zudem an die hie­ rar­chische und oft disziplinierende Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden gekoppelt. Für die Geschichte der monetären Erziehung ist es von zentraler Bedeutung, die volkswirtschaftliche Definition des Geldes als Recheneinheit, Zahlungs- sowie als Wertaufbewahrungsmittel zu erweitern und die schichtund geschlechtsspezifische Bedeutung, die imaginative Kraft und dingliche Eigenlogik des Geldes zu unterstreichen. Es ist jedoch gleichsam wichtig, die begrenzten Geldformen zu benennen, mit denen Kinder und Jugendliche Kontakt hatten oder haben sollten: Ihr Geld präsentiert sich in den konsultierten Quellen zumeist als Münzgeld. Erst zum Ende des Jahrhunderts kam auch das Buchgeld ins Spiel.

Quellen, Methode, Gliederung Das Thema der monetären Erziehung im 18. und 19. Jahrhundert gibt kein klar begrenztes Quellenkorpus vor. Die Untersuchung basiert auf gedruckten Quellen höchst unterschiedlicher Provenienz und didaktischen Überresten in Form von Spielzeug. Quellen aus dem erweiterten deutschsprachigen Raum (Habsburger Reich und Schweiz), aus Frankreich, Belgien und den USA ergänzen die beiden Schwerpunktländer Deutschland und Großbritannien. Neben den kanonischen ökonomischen und pädagogischen Texten der Höhenkammliteratur werden vor allem populäre Ökonomiebücher, Schulbücher, Erziehungs- und Anstandsratgeber, Kinderliteratur, Kinder- und Jugendzeitschriften sowie pädagogische und volkswirtschaftliche Schriften über Sparsamkeit konsultiert. Suchte man nach ­einem gemeinsamen Nenner der verschiedenen Quellen, dann wäre auf die pädagogische Absicht zu verweisen, die die meisten Autoren und Autorinnen zum Schreiben veranlasste. Schulbücher als Medien der Popularisierung ökonomischen Wissens sind von der Wirtschaftsgeschichte und der ökonomischen Ideengeschichte bislang nur zögerlich in Betracht gezogen worden und sind, wie die Ratgeber, wichtige Quellen für die Geschichte von Kindern und Geld.96 Obgleich das Genre der Ratgeber mit quellenkritischer Vorsicht zu behandeln und anzunehmen ist, dass sie vielfach entweder nicht gelesen oder ihnen nicht gefolgt wurde, präsentieren sie doch die Vorstellungswelt der jeweiligen Zeit und geben Hinweise auf die Normen, Werte und Rationalitäten, mit denen sich eine Gesellschaft selbst beschrieb. Es handelt sich, wie bei den herangezogenen Lexika, um ein sich nur langsam wandelndes Genre. Jedoch lässt sich auch in den Ratgebern historischer Wandel aufzeigen, der als Indikator für veränderte oder erwünschte soziale 95 Als

gelungenes Beispiel einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive vgl. Lemire, Budgeting for Everyday Life. 96 Augello und Guidi, The Economic Reader, S. 1.

20  Einleitung Praktiken gelten kann.97 Der im 19. Jahrhundert gut entwickelte Markt für Kinder- und Jugendzeitschriften bietet eine Quelle, die sich, ebenso wie das große Spektrum der Kinder- und Jugendliteratur, direkt an Heranwachsende wandte. Als Medien zur Verbreitung „nützlicher Wahrheiten“ widmeten sie sich zunehmend auch der Unterhaltung der heranwachsenden Leser und Leserinnen.98 Kinderbücher und -zeitschriften rücken erst in den letzten zwei Jahrzehnten als Quellen historischer Untersuchungen in den Vordergrund. Die Entdeckung der „kleinen Quellen“, aber auch die vermehrte Aufmerksamkeit, die das Lesen als soziale Praxis und die materielle Kultur der Kinder erfahren haben, sind dafür verantwortlich.99 Ältere Studien tendierten dazu, die Kinderliteratur als ideologische Folge der materiellen Bedingungen zu interpretieren. So argumentierte etwa Isaac Kramnick, dass die Inhalte der Kinderliteratur des ausgehenden 18. Jahrhunderts der Industrialisierung gefolgt seien.100 In Anlehnung an Webers Protestantismusthese unterstreicht er die Bedeutung der Dissenter für die Entwicklung der kapitalistischen Ethik, die sich auch in den von ihnen verfassten Kinderbüchern wiederfinden lasse.101 In Ergänzung zu diesem reduktionistischen Verständnis von Literatur als Spiegel der ökonomischen Verhältnisse betonen neuere Untersuchungen, dass Kinderliteratur die sozio-ökonomischen Verhältnisse begleiten oder aber auch als Faktor für historischen Wandel wirken konnte.102 Geschichtswissenschaftliche Darstellungen können die Kinder als Akteure nur über ihre Dinge, ihre Spiele, Bücher und Erinnerungen rekonstruieren und sind auf Quellen angewiesen, die ihrer Lebenswelt entstammen.103 Zu diesem Zweck werden die entsprechenden Sammlungen von Spielzeugmuseen konsultiert und durch Briefe und Autobiografien ergänzt. Auch wenn die quellenkritischen Einschränkungen vor allem der autobiografischen Erinnerungen an die Kindheitsphase oft benannt wurden und die Probleme der nachträglichen Konstruktion beim Verfassen der Autobiografie überaus plastisch sind, bietet die Forschung bislang keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Es gibt keine Quellen, die besser über die Erfahrung der Kindheit und die Erinnerung an diese Auskunft geben, als Briefe und Autobiografien. Basierend auf publizierten Egodokumenten kann die Präsenz der Geldkultur in den Lebenswelten der Kinder aufgespürt werden. Die Kinderstube des Kapitalismus ist keine systematisch vergleichend angelegte Studie. Der Ausgangspunkt ist vielmehr die Annahme, dass das Thema der monetären Erziehung in einem transnationalen, west- und mitteleuropäischen Raum verortet ist. Das ist erklärungsbedürftig, denn die sozialen und ökonomischen Ausgangslagen der beiden Länder sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich. Wäh 97 Cunningham,

Children and Childhood, S. 3; Linke, Sprachkultur und Bürgertum. Kennzeichen der deutschen Mediengesellschaft, S. 39.  99 Hilton und Shefrin, Educating the Child, S. 17. 100 Kramnick, Children’s Literature. 101 Ebd., S. 16. 102 Myers, The Erotics of Pedagogy, S. 19. 103 Mintz, Why the History of Childhood Matters, S. 22; Stargardt, German Childhoods, S. 12–15.  98 Requate,

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rend sich Großbritannien im 18. Jahrhundert zu einer imperialen, monetarisierten und industriellen Weltmacht mit dem Zentrum des Finanzmarktes in London entwickelte und von einer „voll entwickelten, sozial und kulturell ausstrahlungskräftigen kapitalistischen Wirtschaftsweise“104 geprägt war, wurden die deutschen Staaten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts noch stark von der Landwirtschaft dominiert und industrielle Zentren entwickelten sich erst langsam. Der imperiale Kontext fehlte in Deutschland bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts völlig und die Entwicklung des Finanzsektors blieb bis Mitte des 19. Jahrhunderts marginal.105 Auch in den nationalen Selbstbeschreibungen der Staaten spielten der ‚Markt‘ und die ‚Ökonomie‘ eine unterschiedlich stark ausgeprägte Rolle. Während in England das handelskapitalistische Wirtschaftsbürgertum seit dem Ende des 17. Jahrhunderts seine Interessen sehr viel deutlicher artikulierte, dominierte in den deutschen Staaten das Bildungsbürgertum. Die national unterschiedliche Abgrenzung zur Aristokratie hatte deutliche Folgen für die Konstruktionen bürgerlicher Subjektivität. Wäre diese Untersuchung als ein Beitrag zur Historischen Komparatistik angelegt, in der das tatsächliche Geldverhalten flächendeckend untersucht würde, hätte man diese Ausgangslagen stärker zu berücksichtigen. Aber derartig grob gestrickte Differenzen lassen sich nicht nur im nationalen Vergleich feststellen, sondern betreffen auch die verschiedenen Regionen der jeweiligen Länder, die sich religiös, sozial und in ihrem Grad der Industrialisierung stark unterschieden. Ebenso ist die heuristische Differenzierung zwischen Wirtschafts- und Bildungsbürgertum angesichts der Selbstwahrnehmungen dieser Gruppen nicht mehr haltbar, genauso wenig wie eine sozialen Gruppe auf eine bestimmte Höhe eines Familieneinkommens festzulegen ist.106 Historiker des britischen Empire haben in den letzten Jahren vermehrt darauf hingewiesen, dass die britische Industrialisierung nicht grundsätzlich anders als in anderen westlichen Länder gewesen sei, sondern die ökonomischen Entwicklungen nur früher stattgefunden hätten. Beverly Lemire kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung einer monetarisierten und quantifizierenden Gesellschaft nicht spezifisch für Großbritannien gewesen, sondern ein allgemeiner Trend der westlichen Welt gewesen sei, der andernorts nur etwas später eingesetzt habe.107 Gerhard A. Ritter spricht in seiner vergleichenden Untersuchung des Sozialstaats von einer „universale[n] Tendenz moderner Industriegesellschaften“.108 Kindheitshistorisch wurden die nationalen Differenzen in der Erziehung bildungsbürgerlicher Kinder ebenfalls relativiert. Gunilla Budde hat in ihrem Vergleich zwischen Großbritannien und 104 Kocka,

Geschichte des Kapitalismus, S. 70. Social Life of Money, S. 4. Margot Finn betont allerdings die Persistenz nicht-monetarisierter Lohnverhältnisse in England, vor allem bei dem Dienstpersonal, bis ins 19. Jahrhundert hinein. Finn, Character of Credit, S. 76. 106 Zur Problematik der Begriffe im internationalen Kontext vgl. Steinmetz et al., Drei bürgerliche Welten? 107 Lemire, Business of Everyday Life, S. 228. 108 Ritter, Der Sozialstaat, S. 24. 105 Valenze,

22  Einleitung dem deutschen Kaiserreich zwar durchaus deutliche Unterschiede im Familienleben und in den Geschlechterordnungen feststellen können, doch relativierten sich viele dieser Unterschiede gegen 1900. Auch die familiäre Situation scheint dem Diktum zu folgen, demzufolge in Großbritannien viele Phänomene früher sichtbar wurden.109 Gleichwohl waren die zeitgenössischen Selbst- und Fremdwahrnehmungen von einer englischen Freihandelsnation und dem deutschen Protektionismus nicht frei erfunden. Letztlich aber, so möchte ich argumentieren, hatten diese wirtschaftspolitischen Unterschiede keine Auswirkungen auf die Frage, ob und in welcher Höhe Kinder Taschengeld bekommen sollten. Allerdings lassen sich andere Begründungszusammenhänge erwarten, die im Verlauf der Untersuchung auch thematisiert werden. Zudem richtet die Untersuchung ein besonderes ­Augenmerk auf transfergeschichtliche Dimensionen in Form von Übersetzungen und internationaler Beobachtung. Vergleichend geht die Untersuchung dort vor, wo es sich vom Gegenstand her anbietet. So kann beispielsweise die Anlagequantität in den Schulsparkassen in England und Deutschland nebeneinander gestellt und begründet werden. Für die Höhe des Taschengeldes funktioniert der Vergleich nicht, und zwar nicht nur aufgrund des mangelnden empirischen Materials. Ich wähle demnach einen pragmatischen methodischen Zugriff, der sich aus der jeweiligen Perspektive und Fragestellung ableitet. Wenn in einem Kapitel eine diskursanalytische Betrachtung von Topoi in der Kinderliteratur vorgenommen wird, geschieht dies vorrangig aus einer transnationalen Perspektive. Wenn der Einfluss bestimmter englischer Bücher in Deutschland bestimmt werden muss, benutze ich einen transfergeschichtlichen Zugriff. Und wenn zu erklären ist, warum Frauen nur in England Ökonomiebücher schrieben, muss ein sozialhistorischer Vergleich zur Begründung herangezogen werden. Der behandelte Zeitraum vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis etwa 1900 ist notwendig, um die sich langsam vollziehenden Veränderungen im normativen Geldverständnis und im sozialen Handeln erfassen zu können. Die Entwicklung der Verbindung zwischen Kindern und Geld am Ende des 18. Jahrhunderts lässt sich nicht erklären, ohne die vorherigen Formen ökonomischen Alltagswissens zu skizzieren. Die schriftliche Darstellung folgt weitgehend der zeitlichen Chronologie vom frühen 18. bis zum späten 19. Jahrhundert und endet an der Wende zum 20. Jahrhundert mit der Institutionalisierung der Schulsparkassen und dem Verschwinden der damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen. Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile, die jeweils aus zwei bis vier Kapiteln bestehen. Jeder einzelne der vier Hauptteile hat einen thematischen Schwerpunkt, der Ausdruck der Prävalenz des jeweiligen Themas im behandelten Zeitraum ist. Teil I zeigt in drei Kapiteln, wie im Verlauf des 18. Jahrhunderts die beiden bis dahin getrennten Themen Kindheit und Geld zusammengeführt wurden. Das erste Kapitel führt in die grundlegenden Konstellationen des Geldes, der Erziehung und 109 Vgl.

die abwägende Betrachtung in ihrer Zusammenfassung: Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 401–417.

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der Schulbildung ein. Die beiden nachfolgenden Kapitel untersuchen den Wandel in der Vorstellung von monetären Kenntnissen und der Regulierung der Leidenschaften. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den kindlichen Übungen mit Geld. Während sich Teil I eher auf pädagogische Diskurse (avant la lettre) stützt, wendet sich der Blick in Teil II auf die ökonomischen Perspektiven und die Versuche, ökonomische Lehren, insbesondere die der Politischen Ökonomie, für Kinder und Frauen anwendungsbezogen aufzubereiten. In vier Kapiteln wird argumentiert, dass diese Form der Popularisierung in weiten Teilen den Oekonomia-Vorstellungen der Frühen Neuzeit verbunden war. Ökonomisches Handeln bezog sich noch auf Haus und Staat und integrierte geschlechtsspezifische Vorstellungen des ökonomischen Mannes und der häuslichen Frau. Von der Ausweitung ökonomischen Wissens erwarteten auch Ökonomen eine Moderierung der Gefühle. Die zwei Kapitel in Teil III zeigen auf der Grundlage von Kinderschrifttum, Spielsachen und Egodokumenten, in welcher Weise Geld das Leben von Kindern und Heranwachsenden prägte. Der Geldkreislauf der Abwesenheit, der Beschaffung, seiner Speicherung und der Geldausgabe verdeutlicht die Omnipräsenz des Geldes. Geld war sicherlich nicht der wichtigste Gegenstand der Kinderwelten, doch prägte es die Kinderbücher und war Bestandteil des Spielwarenkorpus. Im vierten und letzten Teil schließlich steht die Erziehung, Institutionalisierung und Politisierung der Sparsamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang kommen neue Formen der Beschreibung des Geldhandelns von Kindern auf und ihr Sparverhalten wird teilweise als kapitalistisch bezeichnet. Sparsamkeit, so die in diesen Kapiteln verfolgte These, wandelte sich im Zusammenhang mit der sozialen Frage von einer bürgerlichen Tugend zu einem politischen Mittel in der Auseinandersetzung mit den Sozialisten.

24  Einleitung

I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung. Kindheit und Geld im 18. Jahrhundert Die Beziehung zwischen Kindern und Geld wurde im 18. Jahrhundert zum ersten Mal thematisiert. Neuartige ökonomische, intellektuelle und soziale Entwicklungen, wie die substantiellen Veränderungen in Landwirtschaft und Gewerbe, eine sich immer deutlicher artikulierende Bürgerschicht, die Debatten über aufklärerische Ideen und ihre zunehmende Verbreitung in der Lesen lernenden Bevölkerung begleiteten die Entwicklung von Kindheits- und Adoleszenzvorstellungen, die sich – so ist aller Ariès-Revision zum Trotz festzustellen – von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kindheitsvorstellungen unterschieden. Im 18. Jahrhundert nahm zudem die Bedeutung der Konfession für die Frage, wie Kinder zu erziehen seien, ab. Aus den beiden wichtigsten pädagogischen Schriften, die im 18. Jahrhundert gelesen wurden – Fenelon und John Locke – ließen sich für die zeitgenössischen Leserinnen und Leser allgemeine, konfessionsübergreifende Ratschläge für die Erziehung von Jungen und Mädchen, Hof- und Bürgererziehung ableiten.1 Daneben differenzierte sich das anthropologische und pädagogische Wissen aus, das im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer stärker mit den ökonomisch-sozialen Anforderungen der sich agrarisch revolutionierenden und langsam industrialisierenden Gesellschaften Westeuropas korrespondierte. Dass Kindern als BürgerInnen und ArbeiterInnen von morgen eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit zukam, war nur folgerichtig. Sie konnten für die Zeitgenossen hoffnungsvolle wie beängstigende Zukunftsvisionen zugleich verkörpern. Parallel zu der Bedeutungszunahme von Kindheit fehlte die Kommentierung von Geld in kaum einer zeitgenössischen Deutung der Verhältnisse. Geld wurde entweder als Zeichen vereinfachter ökonomischer Kommunikation begrüßt oder als Symbol des Verfalls der Gesellschaft kritisiert. Dieser Teil der Untersuchung analysiert, wie im Verlauf des 18. Jahrhunderts die beiden bislang voneinander getrennten Welten – Kindheit und Geld – erstmals zusammengeführt wurden. Im ersten Kapitel werden die alltägliche Präsenz des Geldes und die im Zuge der Aufklärung veränderten Vorstellungen über die Erziehbarkeit von Menschen und Kindern dargestellt. Die damit verbundenen Zukunftsvorstellungen waren wiederum eng verknüpft mit ökonomischen und monetären Verhaltensregeln. Der alltägliche Kontakt mit der baren Münze wurde zunehmend problematisiert und war als Thema in Schriften der ökonomischen Lebensführung und in den Debatten über Schulcurricula präsent. Das zweite Kapitel analysiert den Wandel in der Betrachtung der Leidenschaften des Geldes von 1 Jacobi,

Mädchen- und Frauenbildung, S. 113. Dies lässt sich auch aus der Rekonstruktion der europäischen Übersetzungen herleiten. Der katholische Bischof Fenelon wurde ins Niederländische übersetzt, in England wurde sie von einem Anglikaner herausgegeben und übersetzt. Ebd., S. 110.

https://doi.org/10.1515/9783110379129-002

26  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung den für Erwachsene entwickelten vor- und frühaufklärerischen Lasterschemata zu den auf Kinder und Jugendliche ausgerichteten reformpädagogischen Rationalisierungen und Emotionalisierungen des Geldes. Das dritte Kapitel dieses Teils schließlich untersucht die konkreten Vorschläge für eine monetäre Erziehung von Kindern und Jugendlichen am Beispiel des Taschengeldes, der Buchführung und der Kinderliteratur. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren Pädagogen und Philosophen von der Notwendigkeit einer Erziehung zum Umgang mit Geld überzeugt und die bis dato nicht existente Beziehung zwischen Geld und Kindheit etabliert.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung Die Frage, wann und wo Menschen in der Frühen Neuzeit alltäglichen Kontakt mit Münzgeld hatten, wird von der geschichtswissenschaftlichen Forschung nicht ganz eindeutig beantwortet. Das hängt zum einen mit der durchaus unterschiedlichen Definition von Geld als Münz- oder Buchgeld zusammen. Zum anderen aber variiert auch die Einschätzung der tatsächlichen Münzpräsenz. Fernand Braudel verweist in seinen Überblicksdarstellungen zur Frühen Neuzeit auf die tendenzielle Abwesenheit des Geldes im Alltag der Menschen und hebt hervor, dass es vor allem auf dem Land von geringer Bedeutung war.2 Dagegen unterstreicht Olwen Hufton in ihrer monumentalen Untersuchung über Frauen in der europäischen Frühen Neuzeit, in welch existentiellem Ausmaß die damaligen Menschen von den materiellen Bedingungen und pekuniären Verhältnissen abhängig waren.3 Diese durchaus gegensätzlichen Einschätzungen von Braudel und Hufton können in ihrer Zuspitzung als überholt gelten und werden durch eine Betrachtungsweise ersetzt, die das Nebeneinander von münzgebundenen und münzungebundenen Transaktionen betont. Christiane Eisenberg verweist beispielsweise in ihrer Geschichte der englischen Marktgesellschaft auf den Umstand, dass im Mittelalter das Münzgeld in ländlichen Regionen überlebensnotwendig war und neben den nicht monetär vollzogenen Handelsweisen, wie Naturalientausch, existierte.4

Die bare Münze Liest man die im 19. Jahrhunderts anschwellenden Klagen über den cash nexus, wie beispielsweise 1838 in dem Beitrag des scharfzüngigen schottischen Philosophen Thomas Carlyle (1795–1881) über Chartism, dann ist man geneigt, der Romantisierung der Vergangenheit, die sich hinter der Kritik am Geld als dem alleinigen Beziehungsmittel zwischen Menschen versteckte, zu folgen. Die Phrase des 2

Braudel, Geschichte der Zivilisation, S. 534. Hufton, Frauenleben. Eine europäische Geschichte. 4 Eisenberg, Englands Weg in die Marktgesellschaft, S. 76. Vgl. auch die neuere Monetarisierungsforschung: Felten, Unlikely Circuits; Lucassen und Zuijderduijn, Coins, Currencies, and Credit Instruments; Lucassen, Deep Monetisation. 3

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  27

cash nexus, die später von Karl Marx und Friedrich Engels aufgenommen und popularisiert wurde, sollte verdeutlichen, dass im 19. Jahrhundert das Geld zum alleinigen Bindungsmedium zwischen Menschen geworden sei. Es sei an die Stelle der vielfältigen, insbesondere feudalen Bindungen der Vormoderne getreten. Jedoch hatte die Bedeutung des Bargelds im Leben der Menschen schon seit dem Mittelalter deutlich zugenommen. Die ökonomischen Veränderungen im 11. und 12. Jahrhundert und der rasche Ausbau der Städte führten zu einem erhöhten Geldumlauf und dem Einsatz von Münzgeld im lokalen Handel.5 Geldzahlungen ersetzten und ergänzten nun den Warentausch. Sie waren aber üblicherweise noch den Führungsschichten vorbehalten, die Geld im Krieg, im Handel oder in der Politik verwandten.6 Seit dem 13. Jahrhundert verbreitete sich Geld auch in den sozialen Beziehungen breiterer Bevölkerungsschichten. Bauern benutzten es, um ihre Pachten zu bezahlen und die Steuern an die jeweiligen Herrscher wurden nunmehr in barer Münze geleistet.7 Diese wiederum entlohnten ihre Soldaten und Staatsbedienstete ebenfalls mit Geld. Das Ausmaß der Veränderungen und Ausweitungen monetärer Kontaktzonen variierte jedoch regional erheblich und folgte einem deutlichen Süd-Nord-Gefälle.8 Auf dem Land richtete sich der alltägliche Kontakt mit Geld im Mittelalter vor allem nach dem Zyklus der Erntezeiten und den der Ernte folgenden Verkäufen der landwirtschaftlichen Produkte.9 Nach der Auszahlung der Jahreslöhne an die LandarbeiterInnen während der Erntezeit wurden ausstehende Schulden beglichen, notwendige Einkäufe in den Städten gemacht und Vorräte angelegt. So gelangte das Geld rasch vom Land in die Städte.10 Das Haushalten und Wirtschaften mit Geld in den Städten dagegen war zeitlich weniger beschränkt und nicht auf die Erntezeiten konzentriert. Mieten und Löhne wurden vielfach monatlich gezahlt und Einkäufe in kleineren Mengen vorgenommen, so dass die BewohnerInnen der Städte einen regelmäßigen Vorrat an Münzgeld für ihre Transaktionen benötigten, auch wenn das Anschreiben eine verbreitete Technik der Kreditnahme war. Erst ab dem 15. Jahrhundert eroberte das Geld weitere Alltagsbereiche der Menschen. Fortan wurden viele Dienste und Leistungen mit Münzen bezahlt und es entstanden Berufe, die mit dem Geldwesen verknüpft waren.11 Die Ausweitung monetärer Kontaktzonen führte jedoch nicht zum Verschwinden anderer  5 Im

Frühmittelalter war Münzgeld nicht weit verbreitet. Im Jahr 745 waren im Heiligen Römischen Reich nur 36 Münzstätten bekannt. Emmerich, Geiz und Gerechtigkeit, S. 176.  6 Problematisch blieben die Geldzahlungen dennoch, da die mit dem Geldeinsatz verbundenen Tätigkeiten, z. B. der politische Stimmen- und Ämterkauf, in bestimmten Fällen als Korruption oder Simonie verpönt waren. Kamp, Gutes Geld und böses Geld.  7 Sabean, Property, Production, and Family, S. 42; North, Das Geld und seine Geschichte, S. 34.  8 Spufford, Money and Its Use, S. 378  f.; North, Das Geld und seine Geschichte, S. 37. Der Fokus auf das Münzgeld soll nicht vergessen machen, dass Geld auch andere Formen annehmen konnte. Buchgeld, der Wechsel und andere Formen des Kredits prägten das ökonomische Handeln des späten Mittelalters ebenfalls.  9 Demade, Grundrente, Jahreszyklus und monetarisierte Zirkulation, S. 236  f. 10 Ebd., S. 385. 11 Braudel erwähnt unter anderem „Steuereintreiber, Zollbeamten, Pfandleiher, […], Financiers.“ Braudel, Geschichte der Zivilisation, S. 485.

28  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Tauschweisen, denn die in den deutschen Gebieten durch stetige Edelmetallknappheit zurückgehende Geldproduktion machte eine kontinuierliche Versorgung unmöglich.12 So existierten auch die mannigfaltigen Systeme des Warenhandels nebeneinander. Der lokale Kleinhandel, der regionale Handel und die überregional agierende Kaufmannschaft agierten unter Zuhilfenahme unterschiedlicher monetärer und nicht-monetärer Medien. Der Geldtausch nahm zwar an Bedeutung zu, gleichzeitig wurde er aber auch durch das zumindest im Handel expandierende Buchgeld, wie den Wechsel, versteckt. Der direkte Tausch von Ware gegen Ware ohne Zuhilfenahme von Münz- oder Buchgeld blieb zudem eine weiterhin notwendige Form des Handels. Ebenso fungierte der Kleinkredit als eine weitverbreitete, münzlose Form des Warenhandels.13 Fehlende Kontrolle führte dazu, dass im frühneuzeitlichen England häufig Geld von unterschiedlicher Größe, Form und mit unterschiedlichen Motiven produziert und in Umlauf gebracht wurde. Deborah Valenze verweist auf 3543 Münzproduzenten, die in den 1660er Jahren in London, Westminster und der Londoner Umgebung Geld produzierten. Die staatliche Autorität über Geld wurde bis ins späte 17. Jahrhundert nicht zentralisiert. Erst mit der Great Recoinage 1696 wurde zumindest der Streit über die Bezugsgröße des englischen Geldes festgelegt. Fortan galt hier der intrinsische Wert der Münze. Kurze Zeit später wurden Banknoten als Zahlungsmittel abgesichert, indem auch sie als Symbolisierung eines von der Bank garantierten Gegenwertes verstanden wurden. Im Heiligen Römischen Reich waren im 18. Jahrhundert noch „166 verschiedene Gold- und Silbermünzen im Umlauf“. Hinzu kamen eine ebenso große Anzahl ausländischer Münzen und etwa 311 Rechenmünzen.14 Es lassen sich zahllose offizielle und inoffizielle Münzprägestätten identifizieren, die höchst unterschiedliche Münzen in Umlauf brachten. Die Pluralität an Geldsorten erforderte eine besondere Einsicht in ihren jeweiligen Wert und die Möglichkeiten der Umrechnung. Allerdings, so argumentiert Jérôme Blanc, waren nicht sämtliche vorhandenen Geldsorten für alle zugänglich. Ihr Gebrauch und ihre Zugänglichkeit waren sozial gebunden. Damit erschien den Zeitgenossen die monetäre Landschaft sehr viel weniger komplex als von außen anzunehmen wäre.15 Die Verfügbarkeit von Geld bildete, neben anderen Ressourcen, die Basis der reproduktiven Handlungsweisen der Menschen. Über die lebensermöglichenden 12 North

betont, dass die englische Münzknappheit im 15. Jahrhundert weniger dramatisch ausfiel, da noch immer ausreichend Silber ins Land kam. North, Das Geld und seine Geschichte, S. 42. 13 Vgl. Muldrew, Economy of Obligation; ders., From Credit to Savings; Lipp, Aspekte der mi­ kro­historischen und kulturanthropologischen Kreditforschung; Fontaine, L’économie morale; Hardwick, Family Business, S. 128–182; Suter, Rechtstrieb. 14 Rosseaux, Geld zur Zeit Goethes, S. 66. 15 Blanc, Beyond the Competition, S. 20. Die Monetarisierungsforschung betont in den letzten Jahren, dass die Vielfalt der Währungen für die Zeitgenossinnen und -genossen weitaus weniger komplex war, als HistorikerInnen zumeist annehmen. Kuroda, What is the Complementarity Among Monies; Welten, Klinkende munt. Ich danke Sebastian Felten für diese wertvollen Hinweise.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  29

Grundbedingungen wie Nahrung, Wohnraum und Gesundheit hinaus war die Planung einer ökonomisch überlebensfähigen Ehegemeinschaft von zentraler Bedeutung für die jeweiligen Lebensperspektiven. Geld und Dinge des alltäglichen Lebens waren als Faktoren einer Eheanbahnung stetig präsent und oft konstitutiv.16 Die Mitgift einer heiratsfähigen Frau und die über ein Jahrzehnt gesparten Löhne der jungen Frauen und Männer waren für die meisten Menschen des frühneuzeitlichen Europas unerlässlich, damit eine angestrebte Ehe wirtschaftlich erfolgreich sein konnte.17 Die lokalen Ehebeschränkungen für arme Paare in der Frühen Neuzeit waren der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen junge Frauen und Männer mit ihren finanziellen Planungen agierten.18 Insbesondere für die mehrheitlich auf dem Land lebende Bevölkerung, aber auch für die zünftisch vergemeinschafteten Städter, war die Ehe – verstanden als Arbeitspaar – eine existentielle Daseinsvorsorge und musste als solche sorgfältig geplant werden.19 Das Modell der Verknüpfung der Eheanbahnung mit der ökonomischen Daseinsvorsorge dominierte das Leben heiratswilliger Menschen bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Eine passende Verbindung zu finden meinte, dass das Paar zukünftig in der Lage sein würde, sich selbst zu versorgen, ohne von der Kirche oder der Gemeinde unterstützt werden zu müssen. Für die Frauen der mittleren Schichten bedeutete die Verbindung zwischen Eheschließung und ökonomischem Kalkül, dass sie zwar ständig mit dem Geld rechnen mussten, aber in der öffentlichen Wahrnehmung jenseits der monetären Ökonomie zu stehen hatten. Sie sollten ideell eher in einer „economy of emotions“ als einer Ökonomie des Geldes verortet sein, wie es Margaret R. Hunt in ihren Überlegungen zum Verhältnis von Ehe, Liebe und Geld formuliert hat.20 Es ist anzunehmen, dass sich die Allgegenwart des Geldes im alltäglichen Leben auch in den Sozialisationen des Nachwuchses niederschlug. Aussagekräftige Quellen darüber, wie genau sich diese Präsenz manifestierte, sind jedoch rar und bringen im Falle von Egodokumenten, in denen man noch am ehesten auf einschlägige Informationen stößt, die bekannten erkenntnistheoretischen Einschränkungen mit sich. Die Differenz zwischen erlebter und erinnerter Zeit im Falle von autobiografischen Texten und die Frage der Repräsentativität, aber auch der Mangel an von Mädchen und jungen Frauen verfassten Egodokumenten bis zum späten 18. Jahrhundert machen eine generalisierende Aussage nahezu unmöglich.21 Der unmittelbare Kontakt mit Geld war zudem abhängig vom Kommerzialisierungsgrad der jeweiligen Region. Die folgenden Beispiele aus verschiedenen Schichten, 16 Vgl.

Gottschalk, Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit, S. 144–161; Hardwick, Family Business, S. 20–56. Für einen späteren Zeitraum vgl. Lanzinger, Das gesicherte Erbe. 17 Hufton, Frauenleben. Eine europäische Geschichte, S. 103; Lutz, Ehepaare vor Gericht, S. 255–271. 18 Sarti, Europe at Home, S. 23–25; Shepard, Accounting for Oneself, S. 214–231. 19 Ebd., S. 95  f.; Wunder, Frauen in der Frühen Neuzeit, S. 59 f. 20 Hunt, The Middling Sort, S. 82. Aber auch hier zeigten sich nationale Differenzierungen: So wurden vor allem niederländische Frauen als erfahrene Ökonominnen wahrgenommen. Vgl. Gabbard, Dutch Wives. 21 Vgl. Ulbrich, Zeuginnen und Bittstellerinnen.

30  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung unterschiedlichen historischen und geschlechtsbedingten Kontexten können das Feld der monetären Kontaktmöglichkeiten von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen nur umreißen. Der Überblick soll beispielhaft zeigen, welchen Kontakt Kinder, Heranwachsende und Jugendliche mit Geld hatten. Am Beispiel von spätmittelalterlichen Studentenbriefen, die meist nur in Form von Editionen standardisierter Vorlagen überliefert sind, lässt sich ablesen, dass das Geld die Gruppe der Studenten schon seit den ersten Universitätsgründungen als Problem begleitet hat. „A student’s first song is a demand for money […] and there will never be a letter which does not ask for cash“, wird ein italienischer Vater in einer Briefvorlage aus dem 15. Jahrhundert zitiert.22 Die Briefe an die Familie, an Eltern, Brüder und Onkel führen die stilistische Vielfalt einer monetären Anfrage vor, die in der Regel die Höhe der Ausgaben für Bücher und Unterkunft beschrieb und um Subsidien bat, wie beispielsweise ein mittelalterlicher Oxforder Student unbekannten Jahrgangs: „The city is expensive and makes many demands; I have to rent lodgings, buy necessaries, and provide for many other things which I cannot now specify. Wherefore I respectfully beg your paternity that by the promptings of divine pity you may assist me.“23 In den Briefeditionen finden sich zudem zahlreiche Vorlagen für Antwortbriefe, die den mahnenden Stil vorgaben, mit denen die um Geld Gebetenen reagieren sollten, und die zusätzlich die erzieherische Bedeutung der Antworten unterstrichen: Der Student solle zur Sparsamkeit ermahnt werden, andere kämen mit weniger aus und letztlich habe schließlich er die Eltern zu unterstützen und nicht umgekehrt.24 Die finanziellen Sorgen von jungen Studenten blieben auch im 18. Jahrhundert noch bestehen, wie es beispielhaft die Korrespondenz des 20-jährigen Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) zeigt. Das Leben an der Leipziger Universität sei eine permanente Arbeit an sich selbst, schreibt er 1749 an seine Mutter. Er habe lernen müssen unter Leute zu gehen, seinen Körper zu betätigen und erste Stücke zu schreiben. Doch seine Schulden drückten ihn sehr. Sein experimentelles Leben in Leipzig veranlasste ihn nach Berlin zu gehen, wo er allerdings unter seiner alten Kleidung litt: „Ich hätte längst unterkommen können, wenn ich mir, was die Kleidung anbelangt, ein beßers Ansehen hätte machen können.“ Aber auch in Berlin musste Lessing seine Schulden begleichen und sein Stipendium reichte gerade so aus: „Ich glaube also, daß meine Schulden genugsam damit können bezahlt wer­ den.“25 Diese Sorgen hatte der 16-jährige Johann Wolfgang von Goethe (1749– 1832) nicht. Auch er benötigte als junger Student der Jurisprudenz in Leipzig neue Kleidung, da seine Frankfurter Ausstattung Anlass zum Spott unter den 22 Haskins,

Life of Mediaeval Students, S. 7 f. nach: Ebd., S. 10. 24 Ebd., S. 14. Ein weiteres Beispiel für den Topos des verschwenderischen Studenten aus dem frühen 18. Jahrhundert ist in der moralischen Wochenschrift Der Patriot zu finden. Der ­Patriot, Stück 130, Donnerstags, den 27. Juni 1726, abgedr. in: Der Patriot. Nach der Ori­ ginalausgabe Hamburg 1724–26 in drei Textbänden und einem Kommentarband kritisch ­herausgegeben von Wolfgang Martens, Berlin 1970, Bd. III, S. 201–209. 25 Lessing an seine Mutter, 1749, zit. nach: Fertig (Hrsg.), Bildungsgang und Lebensplan, S. 21–25. 23 Zit.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  31

Kommilitonen gab. Anders als Lessing aber konnte er sich von der väterlichen Unterstützung in Höhe von 200 Gulden monatlich eine neue Garderobe problemlos leisten.26 Das außerhäusliche Leben junger Männer der Ober- und Mittelschichten stellte eine familiär deutlich wahrgenommene Quelle der Unruhe und Gefahr für das Haushaltsbudget dar, der die Eltern sowie andere Familienangehörige mit Kon­ trollversuchen beizukommen versuchten. Aus diesem Grund ist die pekuniäre Problematik der Söhne gut dokumentiert, da die Familienkorrespondenz in vielen Fällen erhalten geblieben ist. Die Söhne des englischen Landadels wurden zum Beispiel als besonders gefährdet betrachtet. Ihr Weg führte sie oft über die residential schools an die Universitäten und im Anschluss auf die Grand Tour. Obgleich dieser Ausbildungsweg für die Herstellung des männlichen Elitebewusstseins als unerlässlich angesehen wurde, ging damit für die Eltern ein gewisses Risiko der Verschwendung finanzieller Ressourcen einher.27 Gentlemanly education meinte deshalb auch die Abwehr der moralischen und finanziellen Gefahren, die aus der öffentlichen Präsenz der jungen Männer resultieren konnten. Selbstkon­ trolle und Sparsamkeit waren nicht nur theoretische Ratschläge aus Anstandsbüchern, sondern fanden ihre konkrete praktische Übersetzung in den elterlichen Kontrollversuchen. Da eine unbediente Geldschuld mit dem Gefängnis bestraft werden konnte, hatte die Sorge der Eltern einen durchaus legitimen Grund. Nicht nur die aristokratischen Landeliten in England fürchteten bei der Ausbildung ihrer männlichen Nachkommen um die Verlockungen der angestrebten ­Autonomie als Teil des klassenspezifischen Männlichkeitsmodells. Im städtischen Handels- und Wirtschaftsbürgertum galt der verschwenderische Sohn als „stock character […] and a symbol of the failure of parents to instil middle-class virtues of moral, sexual and financial restraint and rational self-control in their sons; virtues that were seen as the best defence against economic disaster in a commercial world.“28 Neben dem Ansinnen der Kontrolle stand jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit einer adäquaten monetären Ausstattung der Söhne, so dass diese einen ihrer Zugehörigkeit angemessenen und öffentlich wahrnehmbaren Lebensstil führen konnten. Aus diesem Grund gehörten Konsum und wohltätige Ausgaben ebenfalls zur habituellen Ausstattung eines jungen Mannes. Der Grat angemessenen Konsums aber war schmal und die Konflikte, die zwischen Eltern und ihren Söhnen auftraten, verweisen auf die generationenspezifische Vorstellung dessen, was als angemessen zu gelten hatte. Nicht selten landeten die Söhne, die sich erfolgreich der familiären finanziellen Kontrolle hatten entziehen können, im Gefängnis, wie zum Beispiel der 1793 geborene Sohn des Londoner Händlers der East India Company, William Collins Jackson, der von der Schule flog, Prostituierte und Pornographie konsumierte und hochverschuldet, auch auf Anweisung 26 Klauß,

Genie und Geld, S. 21. Vgl. zur monetären Sozialisation von Goethe Hamacher, Materielle und ideelle Grundlagen von Goethes schriftstellerischer Existenz. 27 French und Rothery, Masculine Values, S. 402–422. Zur Grand Tour vgl. Black, British Abroad; Stannek, Telemachs Brüder. 28 Phillips, Parenting the Profligate Son, S. 92; vgl. auch: Hunt, The Middling Sort, S. 49.

32  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung des Vaters, immer wieder inhaftiert wurde. Der Sohn hatte letztlich die Kreditwürdigkeit der Familie ruiniert und die Anweisung des Vaters lässt sich als ein Versuch interpretieren, die Ehrbarkeit der Familie wieder herzustellen.29 Die männliche Sozialisation der mittleren Schichten basierte in den meisten Fällen auf einer mehrjährigen Ausbildung.30 Die Kosten der Ausbildung erfuhren englische Eltern seit 1747 aus dem ersten umfassenden Ratgeber für London. Robert Campbell veröffentlichte The London Tradesman und führte die Kalkulation der costs and benefits an, die eine Ausbildung der Söhne (und der wenigen Töchter) mit sich bringen konnte.31 Die räumliche Distanz zum Elternhaus sei auch bei Lehrlingen eine Quelle der monetären Gefahr, und so fügte Campbell noch einige warnende Hinweise für die Lehrlinge hinzu, indem er sie vor schlechter Gesellschaft, unüberlegten Kontakten mit Frauen und vor Geldspielen warnte: Above all, Gaming Company ought to be avoided; even Gaming for Amusement is pernicious to the Mind of Youth, the Habit soon grows ungovernable, and the Itch of Gain, too prevalent in most Natures draws, [sic] us on by degrees to love Gaming for the Sake of Money, which we formerly only loved only for Diversion.32

Geld verwandle den eigentlich unterhaltenden Charakter des Spiels und dränge sich als Zweck in den Vordergrund. Die Warnung Campbells war nicht unbegründet. Eltern, die ihren Kindern eine kostspielige Ausbildung ermöglichen konnten, statteten sie auch mit einem angemessenen Taschengeld aus, das laut des englischen Historikers Peter Earle in traditioneller Weise verwendet wurde: Alkohol, Glücksspiel, Theater und Frauen.33 Mit der Verfügungsgewalt über Geld gewannen junge Männer ein Moment der Freiheit von der elterlichen Fürsorge. Unterstützt durch die räumliche Trennung bot Geld die potentielle Erfüllbarkeit nicht-konformer Konsumwünsche. In den drei Autobiografien, die von der französischen Historikerin Nicole Castan vorgestellt werden, berichten die Autoren Tristan L’Hermite (1601–1655), Chevalier de Fonvielle (*1760) sowie Guillaume Hérails (um *1760), wie sie im Jungenalter versuchten an Geld zu kommen, indem sie zuhause höhere Ausgaben bei den getätigten Einkäufen vorgaukelten, kleinere Beträge entwendeten oder aber von den Vätern und Großvätern mit Taschengeld versorgt wurden. Die Verfügung über das Geld ermöglichte den Söhnen einen gewissen Spielraum in ihren Konsumentscheidungen.34 Sie kauften Bücher, Wein und Süßigkeiten und spielten Karten und Würfelspiel um Geld. Die Spiele in den Wirtshäusern waren vielen Eltern ein Dorn im Auge, wie es ein anonym verfasster Brief von 1769 an die städtischen 29 Dieser ausführlich dokumentierte Fall wird analysiert in: Phillips, Parenting the Profligate Son. 30 Frauen

waren im Spätmittelalter noch im Handwerk zu finden, danach wurden sie zunehmend von der Ausbildung ausgeschlossen. In Deutschland wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts die institutionalisierte Ausbildung für Mädchen und Frauen wieder aufgenommen. Reith, Sozialisation, S. 6 f. 31 Earle, The Making of the English Middle Class, S. 90. Hinweise für Mädchen in der Lehre fanden sich auch in: Collyer, Parents & Guardians. Vgl. auch: Hunt, The Middling Sort, S. 90–92. 32 Campbell, London Tradesman, S. 316. 33 Earle, The Making of the English Middle Class, S. 102. 34 Die Beispiele stammen aus: Castan, Öffentlich und privat, S. 413  f.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  33

Obrigkeiten verdeutlicht: „Als Vater habe ich die Ehre, mich an Sie zu wenden: Ich möchte Sie ersuchen, ein Glücksspiel zu unterbinden, das bereits seit langem in unserer Stadt betrieben wird. Meine Kinder ruinieren mich, ganz zu schweigen von anderen Familien, die bereits ruiniert sind.“35 Nicht alle jungen Männer aber teilten die Ansicht, dass die Tauschfunktion des Geldes eine positive Erfahrung von Freiheit und Selbstbestimmung sei. Jean Jacques Rousseau, der aus eher bescheidenen Verhältnissen stammte, stellte in den autobiografischen Confessions sein Verhältnis zu Dingen als unmittelbar dar. Geld störe eher diese Beziehung: „Es ist mir nur um reine Freuden zu tun, und das Geld vergiftet alles. […] Das Geld erschien mir nie so wertvoll, wie man es findet. Noch mehr, es ist mir sogar nie sehr zweckmäßig erschienen. An sich taugt es zu nichts; man muß es verwandeln, um es zu genießen.“ Der Tauschcharakter des Geldes, dessen mögliche Umwandelbarkeit in jedes Gut, beschreibt Rousseau als Belastung: Meine Uneigennützigkeit ist also nur Trägheit; die Freude am Besitz wiegt die Mühe des Erwerbens nicht auf, und meine Verschwendung ist wieder nur Trägheit; wenn die Gelegenheit sich bietet, es in angenehmer Weise zu vertun, kann man sie nicht zu sehr ausnutzen. Ich werde weniger von Geld als von Sachen in Versuchung geführt, weil zwischen dem Geld und dem ersehnten Besitz stets ein Mittelglied vorhanden ist, während sich zwischen der Sache selbst und ihrem Genuß ein solches nicht findet. Ich sehe die Sache, sie reizt mich; wenn ich einzig und allein das Mittel sehe, sie zu gewinnen, reizt es mich nicht.36

Schon als Lehrling bei einem Graveur, der ihn schlecht behandelte, und dem er aus diesem Grunde auch Material stahl, sei er an Geld nicht interessiert gewesen. Geld habe bei ihm immer negative Konnotationen geweckt, so Rousseau: Ich sah es mit mehr Schrecken als Freude. Ich glaube sicher, daß ich diesen Abscheu vor einem Diebstahl an Geld und Geldeswert zum großen Teil meiner Erziehung verdankte. Es verbanden sich damit geheime Vorstellungen von Schande, Gefängnis, Züchtigung, Galgen, die mich mit Schauder erfüllt hätten, wäre ich in Versuchung geführt worden.37

Allerdings, aus der Perspektive des erwachsenen Verfassers, war auch sein Verhältnis zum Geld nicht ganz frei von der Vorstellung, dass es individuelle Unabhängigkeit bringen könnte. Die Nützlichkeit und Notwendigkeit des Geldes betonte Rousseau insbesondere vor dem Hintergrund seiner eigenen bescheidenen pekuniären Lage und differenzierte zwischen einem Mittel zur Freiheit und einem Mittel zur Knechtschaft: Ich würde mein ganzes Einkommen verbrauchen, ohne zu trachten, es zu vermehren; aber meine unsichere Lage hält mich in Furcht. Ich bete die Freiheit an. Ich verabscheue den Zwang, die Sorge, die Knechtschaft. Solange ich Geld in meiner Börse habe, ist meine Unabhängigkeit gesichert […]. Aber aus Furcht, ich könne es zu Ende gehen sehen, halte ich es zusammen. Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit; das, dem man nachjagt, ist das zur Knechtschaft. Darum halte ich es gut zusammen und begehre nichts.38 35 Zit.

nach: Fabre, Die Familie, S. 554. Fabre gibt keinen genauen Ort an. Wie uneinheitlich die Regelungen bezüglich des Glücksspiels waren, zeigen die frühneuzeitlichen Policeyordnungen. Vgl. Pauser, Geldspiel und Policey in den österreichischen Ländern der Frühen Neuzeit, S. 179–234. 36 Rousseau, Bekenntnisse, S. 42. 37 Ebd., S. 39. 38 Ebd., S. 41  f.

34  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Der außerhäusliche Erfahrungsraum von Jungen und jüngeren Männern der höheren Schichten war von der An- und Abwesenheit von Geld bestimmt. Geld ermöglichte den jungen Männern zwar Autonomie und demonstrativen Konsum. Ihr Leben war aber weiterhin eingebettet in die familiäre Ökonomie, wie es beispielsweise die studentischen Bettelbriefe zeigen. Für Mädchen ist der Umgang mit Geld aufgrund der Quellenknappheit weniger leicht nachvollziehbar. Genauere Einblicke gewähren uns jedoch die exzep­ tionellen Tagebücher der Wynne-Schwestern Elisabeth (Betsey, *1779), Eugenia (*1780) und Harriet (*1786), die seit ihrem neunten bzw. zehnten Lebensjahr an Tagebuch führten.39 Diese Egodokumente helfen, den alltäglichen Kontakt mit Geld von Mädchen der Oberschicht nachzuvollziehen. Die drei Schwestern waren die Kinder von Richard Wynne und Camille de Royer, einer wohlhabenden katholischen Familie aus Gwydir in Wales, die seit 1786 eine Europareise machten und aufgrund der napoleonischen Kriege bis 1797 nicht nach Wales zurückkehrten. Die täglichen Eintragungen der Mädchen sind voll mit Beschreibungen des Unterrichts und der zahlreichen Feste, von Ausflügen, Reisen, Alkohol und Geldspielen und geben einen detaillierten Einblick in die Sozialisation der Mädchen, die in den höchsten diplomatischen Kreisen Europas verkehrten, jeden Tag eine Oper oder ein Theaterstück besuchten und niemals für längere Zeit an einem Ort lebten. Geld und die verschiedenen Währungen finden sich von den ersten Eintragungen an regelmäßig in den Beschreibungen ihres Lebens. Den Konsum von Dingen und Nahrungsmitteln erwähnten sie stetig. „A very bad supper“ wurde beispielsweise zu teuer bezahlt, so Betsey 1789 über ihre Reise durch das Allgäu.40 Auch in Trent wurden die Preise für Unterkunft und Verpflegung als zu hoch bezeichnet.41 Die Mädchen verfügten über ihr eigenes Geld und konnten die Einkäufe selbständig tätigen: „Mama gave us money to buy our shoes and gloves.“42 Auch im Falle der Wynne-Schwestern symbolisierte Geld die individuelle Autonomie der Mädchen: „After dinner Papa Bartolozzi and Mary and the Colletis played Tresette Papa won 6 Lire and 10 Soldi which he gave me. We had a half holiday in the afternoon I don’t really know why but to tell the truth I am extremely glad of it.“43 Über Trinkgeld, Almosen und Finderlohn bestimmten die jungen Mädchen ebenfalls ohne elterliche Aufsicht.44 Sie gaben Kleidung und Geld an Arme und maßen sich Urteile über die Empfänger an.45 So spendete Eugenia 30 Sous an eine „ugly 39 Freemantle

(Hrsg.), Wynne Diaries. Die folgenden Fußnoten beziehen sich auf diese Edition. 13. 11. 1789, S. 13. 41 Eugenia, 15. 11. 1789, S. 14; Eugenia, 19. 11. 1789, S. 15. 42 Betsey, 1. 1. 1790, S. 21. 43 Eugenia, 13. 1. 1790, S. 22. 44 Eugenia, 8. 2. 1790, S. 27. 45 Betsey, 16. 2. 1791, S. 50. Gemeinsam mit ihrer Mutter begegnete Betsey einem Pilger, der beide Arme gebrochen hatte: „Mamma and me gave him some little pieces of money, and he was so happy that he cried with joy, then Mamma seeing how poor he was gave him six francs this man could nearly not speak with pleasure and gratitude. He was so penetrated with joy. He admitted that since he lived although he had worked very hard he had never had so much 40 Betsey,

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  35

woman who pretended to be mad, I am very sorry I did so.“46 Das Geld zur freien Verfügung erhielten sie in der Regel von den Eltern. Zusätzlich zum regelmäßigen Taschengeld bekamen sie jeweils am 1. Januar eines neuen Jahres und an ihren Geburtstagen eine bestimmte Summe geschenkt: „He gave me six ducats but Mamma more generous gave me a gold piece worth 4 sequins.“47 Die Mädchen, allen voran die ältere Betsey, wussten in ihren Tagebüchern sehr genau von ihren Geldgeschenken und -ausgaben zu berichten. Sie waren sich der jeweiligen Währung und des Wertes bewusst und benannten die beim Spiel verlorene Summe präzise. Im Unterschied zu den männlichen Studenten verzeichneten sie allerdings keine Schulden. Auch die jeweiligen Reise- und Unterkunftskosten, die ihr aufwendiger Lebensstil produzierte, und die in der Regel vom Vater verhandelt wurden, waren ihnen, wie vorne erwähnt, bekannt.48 Nur äußerst selten kommt die Vorstellung zur Sprache, dass auch ihr eigenes Geld möglicherweise einmal begrenzt sein könnte: „If we dont [sic] receive some Soon will [sic] find our Purse empty.“49 schreibt Betsey 1793 in den Wirren der Französischen Revolution in ihr Tagebuch. Der Kontakt mit Geld, die Einnahme und Ausgabe, war für die walisischen Aristokratinnen selbstverständlich und ein durchgängiger Bestandteil ihrer täglich im Tagebuch festgehaltenen Beobachtungen und Beschreibungen. Derart explizit lässt sich die Präsenz des Geldes nicht in vielen Egodokumenten finden. Besonders die Quellen des Bildungsbürgertums, wie zum Beispiel die ­Autobiografie der deutschen Schriftstellerin Johanna Schopenhauer (1766–1838), waren eher von der Abwesenheit konkreter pekuniärer Bezüge im Kindes- und Jugendalter geprägt und strahlten die saturierte Leichtgängigkeit großbürgerlicher Verhältnisse aus.50 Aber auch bei bürgerlichen Kindheiten verbieten sich Generalisierungen. So erinnerte beispielsweise Henriette Herz (1764–1847), die Tochter von Esther de Charleville und dem Arzt Benjamin de Lemos, deutlich, in welchen pekuniären Verhältnissen sie als Kind gelebt hatte. Ihre Eltern beschreibt sie als „sparsam“ und „wirtschaftlich“. Ihre eigene Kindheit sei von einem „großen Hang zur Wohltätigkeit“ geprägt gewesen: „um ihn zu befriedigen, borgte ich mir von einem Hausfreunde fünf Reichstaler; er sagte es meinem Vater, der sie ihm bezahlte. – Ich ward streng befragt, zu welchem Behuf ich das Geld geborgt hatte, ich gestand die Wahrheit, und mir ward vergeben.“51 In ihrer weiteren Schilmoney. I experienced real satisfaction at having succoured this unfortunate man and how wicked it is to spend so much money which would make so happy poor people like him!“ Betsey, 4. 6. 1792, S. 114. 46 Eugenia, 3. 1. 1790, S. 21. 47 Eugenia, 1. 1. 1791, S. 47. Ebenso: 1. 1. 1792, S. 80; 9. 4. 1791, S. 54. Die Kinder wiederum gaben Geschenke an das Dienstpersonal. 48 Eugenia, 4. 10. 1791, S. 64. 49 Betsey, 14. 1. 1793, S. 135. 50 Während ihrer Stunden bei einer Gouvernante lernte sie das Herstellen von „gewöhnlich sehr unbrauchbaren Geldbeuteln“ für den Vater. An einer Stelle beschreibt sie, wie sie am Mittagstisch sitzt und ihr Vater drei Geistlichen, die Oblaten im Haus ablieferten, Geld übergab. Schopenhauer, Jugendleben, S. 74, 147. 51 Herz, Erinnerungen, S. 18.

36  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung derung einer trübsinnigen, emotional vernachlässigten Kindheit thematisiert sie Geld noch einmal, als ihre Eltern die Verheiratung ihrer Tochter mit Marcus Herz anbahnen. Sie habe sich als junges Mädchen von zwölf Jahren auf die Vermählung gefreut, so Herz, weil sie zu Recht vermutete, dass sie dann ein höheres Taschengeld erhalten würde: „bekam ich statt zwei Groschen sechs Groschen wöchentlich und wurde zweimal in der Woche vom Friseur frisiert.“52 Bäuerliche Kinder hinterließen bis zum 18. Jahrhundert aufgrund der verbreiteten Illiteralität und des bürgerlichen Charakters der Selbstbeschreibung kaum Tagebücher, auch wenn Geld in den ländlichen Anschreibebüchern oftmals zentral war.53 Informativer sind dagegen die bäuerlichen Autobiografien, die Hinweise auf die kindlichen Geldkontakte enthalten. Es dominieren Beschreibungen von finanzieller Not sowie der Abwesenheit des Geldes. Vielfach erinnern die Verfasser­ Innen an die verzweifelten elterlichen Versuche, Geld zu besorgen, wie beispielsweise in der 1785 verfassten Autobiografie des Schweizers Ulrich Bräker (1735– 1798). Den Existenzkampf der kleinbäuerlichen Familie um 1738 führt der spätere Baumwollhändler sehr deutlich aus: Die Familie war hoch verschuldet und versuchte erfolglos, die Zinslast zu bewältigen. Die Mutter habe heimlich des Nachts gesponnen, „um hinter den Großeltern einen geheimen Pfenning zu ver­die­nen.“54 Es habe insgesamt wenige Einkommensmöglichkeiten auf dem Land gegeben. Deutlich manifestieren sich in Bräkers Lebensbeschreibungen die oben benannten quellenkritischen Schwierigkeiten im Umgang mit Egodokumenten: Obwohl Bräker an einer Stelle das Erinnerungsvermögen an sein viertes Lebensjahr betont, unterstreicht er an anderer Stelle, dass die darauffolgenden finanziellen Katastrophenjahre ohne sein Wissen vergangen wären. Allerdings, so Bräker, „kümmerte mich alle dies um kein Haar. Auch wußt’ ich eigentlich nichts davon, und war überhaupt ein leichtsinniger Bube, wie’s je einen gab. Alle Tag’ dacht’ ich dreimal ans Essen, und damit aus.“55 Als Junge habe er allerdings immer mal wieder, so Bräker, etwas Geld zur eigenen Verfügung gehabt.56 Es handelte sich bei seiner Beschreibung der familiären Ökonomie um eine nachträglich hinzugefügte Deutung und Bräker hob die Mittellosigkeit der Familie nur zum Zeitpunkt der Niederschrift als bedeutsam für sein Leben heraus. In seiner Darstellung war er in der Regel kein mit Geld handelndes Subjekt, sondern stattete sich mit der unbesonnenen Leichtigkeit der Kindheit aus, die er gegen die Schwere der existenziellen Nöte seiner Eltern setzte. In den Erinnerungen von Karl Friedrich Klöden (1786–1856), dem Pädagogen und Verfasser historischer Werke, waren vor allem die Bemühungen der Mutter, einer Strickerin, die beschränkten finanziellen Verhältnisse zu verbessern, mit der Dingwelt des Geldes eng verknüpft. Nach Klödens Beschreibung war sie sehr begabt darin, „gestrickte durchlöcherte und gemusterte grünseidene Geldbörsen 52 Ebd.,

S. 24. Ottenjann und Wiegelmann (Hrsg.), Alte Tagebücher; Peters, Pflug und Gänsekiel. 54 Bräker, Der arme Mann im Tockenburg, Lebensgeschichte, S. 15. 55 Ebd., S. 25. 56 Ebd.

53 Vgl.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  37

mit übergeschobenen Metallringen an beiden Enden“ anzufertigen.57 Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen und der Vater verdiente als Unteroffizier nicht genug, um die Familie zu ernähren. Auch in den autobiografischen Texten deutscher Handwerker, die ihre Kinderzeit thematisierten, sind die Beschreibungen der familiären Armut und das abwesende Geld deutlich präsent. Die Beschränkungen werden hervorgehoben und die Anstrengungen der Väter und Mütter, finanziell über die Runden zu kommen, standen oft an prominenter Stelle in den Erinnerungen an die Kindheitsphase. Besonders ausgeprägt findet sich dies bei dem Schweizer Priester und späteren Archivar Franz Xaver Bronner (1758–1850), dem Sohn eines Zieglers, der seinen Vater als unermüdlich, aber streitsüchtig, und die Mutter aus der Perspektive des Vaters als nicht sparsam genug beschrieben hat.58 Einige Autoren erinnern die eher spirituellen Dimensionen, die Geld in ihrer Kinderzeit repräsentiert habe. Der spätere Professor der Philosophie Johann Baptist Schad (1758–1834), der aus einem bäuerlichen Elternhaus stammte, beschreibt in seiner Autobiografie die Schulden, die auf den Eltern lasteten. Der Vater sei streng und äußerst sparsam gewesen. Zudem habe er in seiner Not auf die Hilfe von Gott vertraut, den er und die Kinder um Geld baten: Er hatte sich nämlich das sogenannte Christopherus- und Coronagebet zu verschaffen gewußt. Diese Gebete sollen die Kraft haben, daß auf eine wunderthätige Art Geld herbeigeschafft werde. Von einigen seiner Gläubiger so hartnäckig geplagt, daß er in Gefahr kam, Haus und Hof verkaufen zu müssen, wodurch er mit seiner zahlreichen Familie in das größte Elend gerathen wäre, machte er einen Versuch zu seiner Rettung dadurch, daß er von seinen Kindern in einem bestimmten Kämmerchen, wo ein kleiner Altar, mit verschiedenen Heiligenbildern geschmückt, stand, jene Gebete einige Male verrichten ließ, in der treuherzigen Hoffnung, daß das Gebet unschuldiger Kinder den Himmel oder die Hölle bestürmen und die nöthigen Geldsummen erobern würde.59

Zwar blieben die direkten pekuniären Erfolge der religiösen Beschwörungen aus, aber Schad beschreibt, dass die kindlichen Gebete die Gläubiger beruhigt und so indirekt den Vater in seiner Annahme bestätigt hätten, dass unschuldigen Kindern von Gott geholfen würde. Andererseits vertraute der Vater, so Schad, durchaus weltlichen und rationalen Mitteln der Haushaltsführung. Seine „ÖkonomieVerwaltung“ habe er auch den Kindern beigebracht. Er habe ihnen die Aufzeichnungen über Ein- und Ausgaben erklärt, um sie zur Sparsamkeit zu erziehen, die „Lüsternheit“ zu bekämpfen und gleichzeitig auf die eigene Haushaltsführung vorzubereiten.60 Die moralisch legitimierte Geldausgabe an Arme allerdings habe der Vater trotz aller Geldnot empfohlen.61 In überlieferten Ritualen und Glaubenshorizonten bilden sich Wissensbereiche ab, die ansonsten für HistorikerInnen selten erschließbar sind. Die Sorge über die 57 Karl

Friedrich Klöden, Jugenderinnerungen, Leipzig 1874; zit. nach: Hardach-Pinke und Hardach (Hrsg.), Kinderalltag, S. 136. 58 Bronner, Leben von ihm selbst beschrieben, S. 17. 59 Schad, Lebensgeschichte, Bd. 1, S. 54  f. 60 Ebd., S. 12  f. 61 Ebd., S. 4  f.

38  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Absenz des Geldes zeigt sich in den mythischen Bedeutungszuschreibungen, die Münzen im Alltagshandeln der Menschen haben konnten, besonders deutlich. Während Vater Schad gemeinsam mit seinen Kindern bei Gott um mehr Geld bat, übernahmen in anderen Ritualen die Münzen selbst die Funktion als Zeichen für spätere Fortune.62 Der Geldwurf in das erste Bad eines Säuglings beschere dem Kind Frömmigkeit und Sparsamkeit und ein dem Kind um den Hals gehängtes Geldstück solle Glück bringen. Würde der erste Zahn mit einem Pfennig berieben, blieben die restlichen Zähne von Schmerzen verschont. Während im Alltag der meisten Menschen Geld nur in Form von Scheidemünzen mit geringem intrinsischem Wert vorkam, waren die knappen Silber- und Goldmünzen in besonderer Weise fantastisch aufgeladen. In Mythen und Ritualen wurden den Edelmetallen übernatürliche Kräfte zugesprochen. Goldmünzen dienten als Amulett zur Abwehr des „bösen Blicks“, als Talisman und Heilmittel beispielsweise gegen Epilepsie und Pest (‚Pesttaler‘, ‚Pestpfennig‘). Der kultische und religiöse Charakter mancher Münzen zeigte sich vor allem in der Idee des Geldopfers für die Götter.63 Die Münzen konnten aber auch als Verkörperung des Teufels oder als von bösen Geistern geschaffen angesehen werden. Andererseits konnten Träume und Körpermerkmale im Zusammenhang mit Geld prognostischen Charakter erhalten. Blut, Blutegel, Molche, Läuse und anderes Ungeziefer wurden, regional differenziert, als Vorboten des Reichtums interpretiert.64 Träumte man konkret von Geld, dann verwies das eher auf zukünftiges Unglück. Händejucken, Armbehaarungen, „rauhes, struppiges Haar bei Kindern“ galten als Prognosen auf zu erwartenden Reichtum, die bei Kindern besonders erwünscht waren.65 Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens wird von der Prüfung eines Jungen berichtet: Weniger als eine Prophezeiung denn als eine Charakterprobe ist es zu beurteilen, wenn nach westgotischem Recht ein Geldstück und ein Apfel dazu gedient haben sollen, die Zurechnungsfähigkeit eines noch nicht siebenjährigen Knaben zu prüfen: griff er nach dem Gelde, wurde er den Männern zur Erziehung gegeben; andernfalls zeigte er, dass er noch keine Weltkenntnis erworben hatte.66

Die volkskundlichen, aber leider meist ahistorischen Sammlungen über Geld, Geldwahrnehmung und Geldglauben zeugen von dessen imaginativem Gehalt. In besonderem Maße wurde dem Geld eine auf die Zukunft gerichtete Kraft zugesprochen. Mittels der Münze schien man die eigene Zukunft oder die des Kindes entweder günstig beeinflussen oder aber zumindest voraussagen zu können. Die Münze konnte eine positive Vision transportieren oder sie gehörte als abwesendes Zeichen zu den erhofften Dingen, die in Bälde in das Leben träten. Während Kinder und Jugendliche der unteren Schichten aufgrund ihrer Armut und der allgemeinen Münzknappheit nur in seltenen Fällen eigenständige Verfü62 Vgl. zum

Folgenden vor allem: Siebs, Art. Geld; Niemer, Das Geld. Ein Beitrag zur Volkskunde. hierzu ausführlich: Von Braun, Der Preis des Geldes. 64 Niemer, Das Geld. Ein Beitrag zur Volkskunde, S. 61. 65 Ebd., S. 60. 66 Siebs, Art. Geld, S. 604. 63 Vgl.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  39

gungsgewalt über disponibles Geld hatten, konnten jugendliche Angehörige der Mittel- und Oberschichten aufgrund von diversen Geldgeschenken über einen gewissen monetären Freiraum verfügen. Es waren dabei weniger die diversifizierten Warenangebote, die den jugendlichen Angehörigen der Mittel- und Oberschicht aufwendige Kalkulationen abverlangten, als die unterschiedlichen Währungen und Münzsysteme. Die Verwendungsweisen, die mythische Aufladung, die Interpretation des Geldes als Freiheit und die Bedrohung der Familie durch den Geldmangel variierten abhängig von der sozialen Zugehörigkeit fundamental. Deutlich wird darüber hinaus, dass Geld auch für junge Menschen Bewusstseins- und Handlungsspielräume schuf. Erst aber mit den diskursiven Verschiebungen im pädagogischen und im ökonomischen Bereich konnte eine monetäre Subjektivierung für Heranwachsende vorstellbar werden.

Neue Zeiten, neue Erziehung: Die Perfektibilität der Subjekte Es war nicht die zunehmende Präsenz des Geldes im alltäglichen Leben, die die ökonomische Erziehung junger Menschen in den staatlichen Aufmerksamkeits­ radius rückte. Vielmehr benötigte der expandierende territoriale Verwaltungsund Kolonialstaat eine neue Elite mit ökonomischen und statistischen Kenntnissen. In der Erziehung der nächsten Generation mussten die Grundlagen zur Bildung neuer Eliten gelegt werden.67 Die Verhaltens- und Erziehungsempfehlungen des 18. Jahrhunderts richteten sich folglich an das aufstrebende Bürgertum und den niederen Adel im Dienste des Staates.68 Gleichzeitig gewann auch die professionelle ökonomische, in den deutschen Territorien vornehmlich staatswissenschaftliche Ausbildung an Schulen und Universitäten zunehmend an Bedeutung.69 Die pädagogischen und administrativen Planer nahmen zudem die ländliche ­Bevölkerung in den Blick, die gravierenden Veränderungen in der Agrarproduktion ausgesetzt war. Die Anforderungen an den Habitus und die Mentalität der Untertanen veränderten sich also insgesamt massiv, wie Ulrich Herrmann ausführt: Denn mit dem Umbau von Staat und Gesellschaft musste der Umbau von Denken und Handeln, Leben und Arbeiten einhergehen – die ,Umschaffung des Menschen‘ –, oder richtiger: der Umbau von Staat und Gesellschaft würde sich nur dann und nur insoweit vollziehen lassen, als der Umbau von traditionellen Verhaltensweisen und Einstellungen, Arbeits- und Umgangsformen, von Zukunfts- und Lebensentwürfen von Individuen und Gruppen auch tatsächlich geschah.70

Die damit zur Disposition gestellte menschliche Natur, ihre Entwicklungsfähigkeit und Geschichte sowie ihre geschlechtlichen und ethnischen Differenzen wurden im 18. Jahrhundert von Medizinern, Statistikern, Historikern und Pädagogen, Anthropologen und Reisenden intensiv debattiert. Die Idee der Individualisie67 Stollberg-Rilinger,

Europa im Jahrhundert der Aufklärung, S. 161. Handbuch zur narrativen Volksaufklärung, S. 47. 69 Tribe, Governing Economy, S. 36. 70 Herrmann, Pädagogisches Denken, S. 97. 68 Alzheimer-Haller,

40  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung rung und Lösung aus der gottgegebenen Bestimmung des Menschen standen neben den im 17. Jahrhundert begonnenen staatlichen Bemühungen, die Bevölkerung als eine solche zu erfassen, zu optimieren und zu vermehren.71 Mit dem aufklärerischen Rekurs auf die Vernunft sollte sowohl die Bevölkerungsentwicklung als auch die Perfektionierung des einzelnen Menschen angestrebt werden. Leistungssteigerung verwies im 18. Jahrhundert nicht mehr nur auf die Verbesserung der Handelsbilanz, sondern auch auf die stetige Verbesserung der Einzelnen.72 Menschenbilder und Zeitvorstellungen wurden als wandelbar und kulturell geprägt wahrgenommen. Die zeitgenössische Diagnose in einer Übergangsgesellschaft zu leben, war zudem mit der Beobachtung verknüpft, in einer Epoche beschleunigter Zeit zu leben.73 Die abnehmende Bedeutung religiöser Endzeitvorstellungen und die Idee der individuellen wie kollektiven Vervollkommnung verbanden sich mit einer offenen Zukunftsperspektive. Die Selbstverbesserung des Menschen und der Menschheit, die perfectibilité, so die Rousseau’sche Begriffsprägung, wurde zur „Grundbedingung aller möglichen Geschichte.“74 Anders als Rousseau, der darauf verzichtete, Entwicklung als zielorientiert und auf Fortschritt basierend zu beschreiben und der die Möglichkeit der Entfremdung von einem als positiv gedachten Naturzustand des Menschen betonte, visierten die meisten seiner Zeitgenossen und Rezipienten ein positiv besetztes Telos an.75 Perfectibilité bezog sich demnach zum einen auf das Versprechen der Aufklärung, dass jeder Mensch veränderbar und erziehbar sei, zum anderen war aber auch die universalgeschichtliche Deutung einer zunehmenden Zivilisierung der Menschheit gemeint.76 Die Suche nach dem ‚neuen Menschen‘ verlangte sowohl nach neuen Subjekten als auch nach neuen Semantiken und Praktiken. Kinder rückten stärker in den Vordergrund der Aufmerksamkeit und Kindheit wurde eine prominente Projek­ tionsfläche, wie Carolyn Steedman überzeugend gezeigt hat.77 Als Objekte von Entwicklungsvorstellungen wurden sie verzeitlicht und zum Symbol der Historizität und Machbarkeit des Menschen erklärt. Mit der Aufklärung entstand nämlich nicht nur eine temporale Vorstellung des sich zu entwickelnden Menschen, sondern auch eine damit verbundene räumliche Perspektive, die als interiority ge71 Vgl.

Desrosières, Politik der großen Zahlen, S. 19–35; Behrisch, Berechnung der Glückseligkeit. 72 Vgl. u. a. Fuhrmann, Die Politik der Volksvermehrung; Vierhaus, Aufklärung als Lernprozeß, S. 84–95. Kameralisten, Staatswissenschaftler und Aufklärer verfolgten jeweils unterschiedliche Aspekte in dem Versuch der Regulation. Aber ihre Ähnlichkeit miteinander wird vor allem dann deutlich, wenn man sie mit dem frühen Liberalismus vergleicht, der dem Individuum viel größeren Spielraum zugestand. 73 Koselleck, Das 19. Jahrhundert, S. 136  f.; Leonhard, Erfahrungsgeschichten der Moderne, S. 549. 74 Koselleck, Art. Fortschritt, S. 378. Koselleck selbst verstand Perfektibilität als einen „temporalen Kompensationsbegriff“, der das Fortschreiten der Geschichte mit ihrem potentiellen Verfall oder Niedergang zusammen brachte. Ders., ‚Fortschritt‘ und ‚Niedergang‘, S. 177. 75 Musolff und Hellekamps, Geschichte des pädagogischen Denkens, S. 44–57. 76 Hornig, Perfektibilität. 77 Steedman, Strange Dislocations.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  41

kennzeichnet wurde. Interiority meinte einen vergangenen Erfahrungsraum, der als solcher erinnert wurde. Kindheit wurde zu einem erzählbaren Teil der Geschichte des Selbst und „commonly used to express the depths of historicity within individuals”.78 Mittels einer derart imaginierten Figur von Kindheit konnte auch die historische Entwicklungsperspektive der Menschheit generell repräsentiert werden. Kindheit konnte eine Phase in der Geschichte einer Gruppe, ­eines Volkes oder einer Nation „in den Kinderschuhen“ meinen, die die Vergangenheit der vorgestellten Entität symbolisierte. Diese temporale und räumlich gedachte Kindheitsidee fand ihre Äquivalenz in der imperialen Unterteilung der Welt in entwickelte und primitive Völker, die sich im Rahmen der sich ausweitenden Handelsbeziehungen und der imperialen Besetzung des globalen Raumes manifestierte. Die prozessual und räumlich gedachte Kindheitsvorstellung wurde durch die rechtlichen Mündigkeits- und Minderjährigkeitsbestimmungen gerahmt. Im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 heißt es: § 25. Wenn von den Rechten der Menschen, in Beziehung auf ihr Alter, die Rede ist, so heißen Kinder diejenigen, welche das siebente, und Unmündige, welche das vierzehnte Jahr noch nicht zurückgelegt haben. § 26. Die Minderjährigkeit aber dauert, ohne Unterschied des Orts der Herkunft und des Standes, bis das vier und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt ist.79

Diese Einteilung wurde im Gesetzestext semantisch jedoch uneinheitlich gebraucht: Als Kinder konnten auch diejenigen bezeichnet werden, die zwar die Volljährigkeit von 25 Jahren erreicht, aber noch nicht selbständig lebten.80 Regionale Unterschiede, Stadt- und Landrechte, geschlechtsspezifische Vormundschaftsregelungen, die Bestimmungen im Ehe- und im Erbschaftsrecht verkomplizierten die rechtliche Bestimmung dessen, wer zeitgenössisch als Kind galt.81 Im englischen Common Law galt ein Mensch bis zum siebten Jahr rechtsunfähig und bis zum 14. Lebensjahr eingeschränkt rechtsunfähig. Volle Mündigkeit trat mit 21 Jahren ein. Aber auch im englischen Rechtsraum galten abhängig vom Gegenstandsbereich letztlich höchst unterschiedliche Altersstufen. Jenseits der rechtlichen Konzeption eines mündigen Individuums stellten sich die Zeitgenossen und Zeitgenossinnen des 18. Jahrhunderts die Frage, welcher Weg von der Kindheit zum erwachsenen Bürger führen würde.82 Tätigkeit und Rationalität – im Gegensatz zu Müßiggang und Aberglauben – wurden zu Zentralvorstellungen, mit denen erst die Kameralisten und Merkantilisten, dann die Aufklärer ihre Gesellschaftsmitglieder zu guten Staats- und ErwerbsbürgerInnen erziehen wollten. Der sich darüber hinaus selbst vervollkommnende Mensch er78 Ebd.,

S. 12. (Allgemeines Landrecht) Erster Theil, 1, §§ 25/26. 80 Hörentrup, Familie im Recht, S. 74. 81 Diese Uneinheitlichkeit wird durch die Befunde in den deutschsprachigen Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts bestätigt. Amberg, Wissenswerte Kindheit. 82 Herder bezog den synonym benutzten Begriff der Vervollkommnung nur auf den „humanen Mann“, der „strebet“ und „wirket“. J.G. Herder, Briefe zur Beförderung der Humanität (1794), zit. nach: Hornig, Perfektibilität, S. 228. 79 A.L.R.

42  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung höhe in Gemeinschaft mit anderen stetig den Fortschritt der Menschheit. Subjekt, Volk und Menschheit seien in steter Bewegung und Verbesserung begriffen, so auch die der Aufklärung verpflichteten Pädagogen.83 Die Erziehung der Subjekte war jedoch nicht nur eine Frage der Sozialdisziplinierung, die sich im 18. Jahrhundert deutlich in alle Lebensbereiche ausweitete, und in der Schulen, Manufakturen, Zucht- und Arbeitshäuser eine „moralisch-pädagogische und ökonomische Doppelrolle“84 einnahmen. In idealtypischer Weise zeigte sich in den merkantilistischen bis spätaufklärerischen Debatten die Ambivalenz zwischen individueller Freisetzung und kollektiver Nützlichkeit. Der ideale Staat sollte die Menschen nicht mehr zwingen müssen, das gesellschaftlich Gute zu tun. Vielmehr sollten sie aus freien Stücken und eigenen Interessen handeln. Der Aufklärer Moses Mendelssohn formulierte diese Doppelperspektive 1783 folgendermaßen: Unter Bildung des Menschen verstehe ich die Bemühung, beides, Gesinnungen und Handlungen so einzurichten, daß sie zur Glückseligkeit übereinstimmen; die Menschen erziehen und regieren. Heil dem Staate, dem es gelingt, das Volk durch die Erziehung selbst zu regieren; das heißt, ihm solche Sitten und Gesinnungen einzuflößen, die von selbst zu gemeinnützigen Handlungen führen, und nicht immer durch den Sporn der Gesetze angetrieben zu werden brauchen.85

Ideengeschichtlich lässt sich diese Entwicklung, so der Germanist Friedrich Vollhardt, als ein Versuch beschreiben, „soziale Disziplinierung, legitimes Glücksstreben und sittliche Vervollkommnung des Individuums“86 zusammen zu bringen. Ein Teil dieses umfassenden Erziehungskonzepts, das als Regierungsweise im Foucaultschen Sinne bezeichnet werden könnte, bezog sich auf die ökonomische Existenz der Menschen.

Das Wissen um die ökonomische Lebensführung Die Kenntnisse der Menschen über die richtige Bewertung und Behandlung des Geldes speisten sich auch im 18. Jahrhundert noch aus den mittelalterlichen religiösen Doktrinen, wie der Nächstenliebe, dem Wucherverbot oder der Ablehnung der Habgier. Die biblischen Erwähnungen des Geldes im Alten und Neuen Testament, auf die zurückgegriffen wurde, waren jedoch durchaus widersprüchlich. Geld diente einerseits der Repräsentation eines sorgfältigen Umgangs mit den vermeintlich verlorenen Sündern, wie beispielsweise im Lukas-Evangelium.87 Dieser 83 Herrmann, Aufklärung

und Erziehung, S. 13. Strukturprobleme des Absolutismus, S. 193. Das Konzept der Sozialdisziplinierung ist wegen seiner einfachen Herrschaftsvorstellung vielfach kritisiert worden. An dieser Stelle soll nur auf die allgemeine Tendenz verwiesen werden. Die bekannten Probleme des Ansatzes, wie Partizipation, unterschiedliche Interessenlagen und die Akzeptanz der Maßnahmen, werden an dieser Stelle ausgespart. Vgl. Breuer, Sozialdisziplinierung. 85 Mendelsohn, Jerusalem oder über religiöse Macht, S. 41 [Hervorhebungen im Original]. 86 Vollhardt, Selbstliebe und Geselligkeit, S. 218. 87 „Oder welches Weib ist, die zehn Groschen hat, so sie der einen verliert, die nicht ein Licht anzünde und kehre das Haus und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freuet euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Lukas 15, 8–10. 84 Oestreich,

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  43

positiven Symbolik stehen allerdings jene Bibelstellen gegenüber, die das Poten­ zial des Geldes, Unglück hervorzubringen, betonen. Als Mammon bezeichnet, stellte es allegorisch den Teufel dar. Neben der generellen Dämonisierung des Geldes war die Bibel vor allem bei der Bewertung des zinsgebundenen Geldverleihs eine bedeutsame Quelle. Frühmittelalterliche Diskurse über ökonomisches Handeln bewegten sich immer zwischen den beiden Polen avaritia und largitas. Zeugnisse der Auseinandersetzung über die Todsünde des Geizes und der Habgier finden sich schon in dieser Zeit, auch wenn erst die wirtschaftliche Entwicklung seit dem 11. Jahrhundert zu einer Ausweitung der Kommentare führte.88 Reines Gewinnstreben, darauf weist Birgit Emmerich eindrücklich hin, wurde jedoch auch schon im Frühmittelalter als Gefahr der öffentlichen Ordnung betrachtet.89 Die Betrachtung des Geldverleihs war eng mit der erwähnten ambivalenten Beschreibung des Geldes in der Bibel und in den mittelalterlichen Kommentaren verbunden. Das mittelalterliche Zinsverbot und die Ablehnung des Wuchers begründeten sich aus den Bibeltexten und aus den kirchenväterlichen Schriften. Die Weisung an das jüdische Volk im Alten Testament enthielt einen Inklusionsanspruch in der Praxis des zinsgebundenen Geldverleihs, da es verboten war, von Menschen des eigenen Volkes Zinsen zu verlangen.90 Dies führe zur Bereicherung weniger und destabilisiere die soziale Ordnung, so die Begründung. Das Neue Testament unterstrich ebenfalls die Zurückhaltung bei der Zinsnahme: „Vielmehr liebet eure Feinde; tut wohl und leihet, daß ihr nichts dafür hoffet, so wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein.“91 Geld könne nur ohne Erwartung verliehen werden, so die aus der Bergpredigt stammende Begründung.92 Der Geldverleih an sich stand demnach nicht am Pranger. Als Verstoß gegen die Gerechtigkeit jedoch galt es, Zinsen für diese Leihgabe zu nehmen.93 In ihren Begründungen verwiesen die mittelalterlichen Autoren darauf, dass Geld kein Geld hervorbringen könne. Insbesondere Thomas von Aquins Postulat, dass Geld sich nicht fortpflanzen könne (nummus non parit nummos), war eine prominente Nutzung reproduktiver Metaphern.94 Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme, in: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Neu durchgesehen nach dem vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss genehmigten Text, Stuttgart 1912. Alle folgenden Bibelzitate stammen aus dieser Ausgabe. 88 Emmerich, Geiz und Gerechtigkeit, S. 9; vgl. Slanicka, Avaritia. 89 Emmerich, Geiz und Gerechtigkeit, S. 23. 90 „Wenn du Geld leihst einem aus meinem Volk, der arm ist bei dir, sollst du ihn nicht zu Schaden bringen und keinen Wucher an ihm treiben.“ Exodus 22, 25 91 Lukas 6, 35. 92 North, Das Geld und seine Geschichte, S. 62. 93 Weiß, Zinsen und Wucher, S. 129. 94 Das kirchenrechtliche Verbot der Zinsnahme bezog sich im Mittelalter in erster Linie auf Christen untereinander. Es wurde jedoch durch die Duldung im weltlichen Recht oftmals umgangen. Faktisch überlisteten die europäischen Händler das Zinsverbot mit dem Wechsel, der es möglich machte, den Zins zu verstecken. North, Das Geld und seine Geschichte, S. 32. Die Wirtschaftsentwicklung im Verlauf des Mittelalters hatte diese Umgehung des Zinsverbotes notwendig gemacht, denn die europäischen Händler benötigten Kredit und dieser wurde

44  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Bei der Suche nach Texten, die neben der Bibel Anleitungen zum Haushalten und Wirtschaften mit Geld geboten haben, liegt es nahe, Ökonomiken in den Blick zu nehmen. Der ökonomische Wandel, die sukzessive Bedeutungsabnahme christlicher Deutungsangebote, die Erfindung des Buchdrucks und die ausgeweiteten Handelsbeziehungen führten zu einer Zunahme von Schriften, die ökonomisches und monetäres Wissen beschrieben. Die Verstädterung und die Ausweitung von Handelsbeziehungen hatten schon vom 11.–14. Jahrhundert zu ersten Ökonomiken insbesondere im Umkreis der Klöster und der Fernhandelskaufleute geführt, die das Wissen des Wirtschaftens schriftlich festhielten, ohne dass dieses aber im Weiteren von der ländlichen Bevölkerung rezipiert wurde.95 Für das 14. Jahrhundert sind erste Rechnungsbücher von international tätigen Kaufleuten verzeichnet.96 Unter Rückbezug auf die antike Tradition der Oikos-Vorstellung (z. B. Xenophons Oeconomikus) betonten schließlich frühneuzeitliche Schriften die Notwendigkeit einer Anpassung an die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse.97 Ökonomiken waren im weitesten Sinne „Lehre(n) für eine sittliche Lebensführung“.98 Die in den Schriften weitgefasste Vorstellung vom Haushalten und Wirtschaften bezog sich nicht nur auf den Handel und die Landwirtschaft, sondern thematisierte auch das Verhältnis der Eheleute untereinander, die Erziehung von Kindern, die Behandlung von Dienstboten und die Pflege und Ordnung der Gegenstände im Haus.99 Geld spielte in vielen Schriften eine gewisse Rolle, allerdings stand es den Autoren bis zum Ende des 17. Jahrhunderts frei zu entscheiden, wie viel Raum sie dem Geld einräumen wollten. Geld hatte, so das Argument Sebastian Feltens, bis zu diesem Zeitpunkt, keinen unausweichlichen Charakter für die Autoren der Ökonomiken.100 Die ökonomisch handelnden Personen in diesem Genre waren in der Regel Män­­ner. In Ausnahmefällen aber übernahmen auch Frauen die Führung des Hau­ ses.101 Die Ökonomiken visierten im Gegensatz zur Bibel und ihren Kommentatoren eine Verbesserung des Lebens an: Während die Bibel eine Sündenlehre präsentierte, die auf die potentiellen Sanktionen im Jenseits verwies, zielte das Wissen der Ökonomiken im weitesten Sinne auf die gute Ordnung im Diesseits. Bei der

ihnen ab dem 11. Jahrhundert von Christen aus der Lombardei, den „Lombarden“, und Juden unter Zinsen gewährt. Die wirtschaftlichen Veränderungen im europäischen Handel, die eine neue quantitative Dimension des Geldverleihs und die Frage des angemessenen Zinses nach sich zogen, ließen auch die Kirche nicht unberührt. Sie verabschiedete auf ihren Konzilien im 12.–14. Jahrhundert neue Dekrete gegen Wucher. Die ursprünglich gegen Christen gerichteten Verbote der Zinsnahme bekamen nun die Juden besonders stark zu spüren. Obgleich der europäische Handel auf diesen Leihgeschäften basierte, wurden sie immer wieder Opfer der Verbote gegen Geldverleiher. Fried, Zins als Wucher, S. 134–174; Gilomen, Wirtschaft und Wucher, S. 265–301.  95 Richarz, Oikos, Haus und Haushalt, S. 45.  96 Arlinghaus, Zwischen Notiz und Bilanz.  97 Burkhardt, Der Begriff des Ökonomischen, S. 59.  98 Richarz, Oikos, Haus und Haushalt, S. 46.  99 Ebd., S. 68. 100 Felten, Unlikely Circuits, S. 43. 101 Richarz, Oikos, Haus und Haushalt, S. 64.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  45

Verschiebung der Zielperspektive vom Jenseits auf das Diesseits spielte die puritanische und protestantische Predigt-und Anstandsliteratur ab dem 16. Jahrhundert eine entscheidende Rolle. Die Aufwertung der Arbeit als Selbstzweck, die Betonung der alltäglichen Mäßigung und die Entwicklung einer moralisch legitimen, auf Gewinn gerichteten Wirtschaftsgesinnung waren auch Teil der von De Vries benannten Industrious Revolution. Während de Vries die in der Frühen Neuzeit steigenden Konsumoptionen betont, die letztlich zu einer Veränderung in der Wertschätzung von Arbeit und ihrem quantitativen Ausmaß führten, waren die Ökonomiken noch stark an Vorstellungen des Haushaltens gebunden, die auf ­einen sorgsamen und sparsamen Umgang mit Dingen und Geld zielten.102 Die puritanischen domestic conduct books des 16. und 17. Jahrhunderts sowie ihre Vorgänger, die husbandry-Schriften, kombinierten in England, ähnlich wie die mehrheitlich protestantische, kontinentale Hausväterliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts, die Organisation eines Haushalts mit Lebensführungskonzepten und Hinweisen zur erfolgreichen Landwirtschaft.103 Für alle diese Schriften waren die Familie und das Haus der wichtigste Bezugspunkt. Sie richteten sich auf die Wirtschaftsweise der bäuerlichen Bevölkerung einerseits und auf die Entwicklung von Vernunft und Befreiung von so genanntem Aberglauben andererseits. Die moralische Hebung stand neben dem Versuch einer verbesserten steuerlichen Erfassung der Bevölkerung. Der Umgang mit Geld deckte zunächst erst einmal nur einen kleinen Teil des behandelten Themenspektrums ab. Allerdings hat Irmintraut Richarz in ihrer detaillierten Untersuchung des haushaltsökonomischen Schrifttums betont, dass sich insbesondere in den beiden deutschsprachigen Standardwerken der Hausväterliteratur, dem sechsbändigen Werk Der Hausvater (1764–1773) von Otto von Münchhausen und dem fünfbändigen Werk Christian Friedrich Germershausens Die Hausmutter in allen ihren Geschäfften (1778–1781) Hinweise auf eine zunehmende Profitorientierung, Sparsamkeit im Umgang mit Geld und nationalökonomische Betrachtungsweisen finden lassen. Die Geldeinnahmen, so Münchhausen, seien zu vergrößern, um mehr konsumieren zu können und „reichlicher leben zu können.“104 Auch Germershausens Hausmutter verdeutlicht diese Perspektivverschiebung. Der Landpfarrer Germershausen versuchte mit seinem mehrbändigen Ratgeber das Wissen ökonomischer Lebensführung enzyklopädisch zu verzeichnen und gleichzeitig seine Durchsetzung und Anwendung im alltäglichen Leben zu befördern. Neben der Gesamtorganisation des Hauses gab er Ratschläge für eine sparsame Haushaltsführung, die er der Frau des Hauses nahe legte. Das Führen eines Hauswirtschaftsbuches wurde empfohlen. Im Falle von monetären Unglücksfällen, die laut Germershausen durch die Spielsucht, die Verschwendung oder den Geiz des Ehemannes verursacht würden, sollte die Frau mit ihrem Verhalten die Situation nicht verschlimmern.105 102 De

Vries, Industrial Revolution and Industrious 103 Richarz, Oikos, Haus und Haushalt, S. 110. 104 Münchhausen,

Revolution; Felten, Unlikely Circuits, S. 44.

Der Hausvater, Bd. 4, 1. Stück, S. 307. Die Hausmutter, 5. Bd., S. 766 f.

105 Germershausen,

46  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Die Hausväterliteratur und die domestic conduct books waren die wichtigsten frühneuzeitlichen Medien, die sich mit ökonomischer Lebensführung und monetärer Kompetenz von Erwachsenen beschäftigten. Kinder spielten zwar als Objekte der Erziehung eine große Rolle, sie wurden aber – mit wenigen Ausnahmen – nicht im Zusammenhang mit Geld thematisiert. Allein Germershausen spricht zu Beginn des fünften Bandes, der sich umfassend mit der Kindererziehung beschäftigt, von der Unsitte, Kindern Geld in die Hand zu geben: Viele Aeltern geben ihren Kindern von Zeit zu Zeit Geld, welches sie aufbewahren, nicht ausgeben, sondern aufsummen müssen. Werden aber die Kinder hiedurch den klugen Gebrauch des Geldes wohl verstehen lernen? Ist dieses die rechte Handleitung, daß man Kindern weiter nichts als eine Häufung des Geldes beybringt? Müssen sie nicht hiedurch auf zwey Abwege gerathen, entweder um nur niederträchtiger Weise zu kargen und zu sammeln, oder mit der Zeit das Ersparte gar zu vergeuden und lüderlich durchzubringen?

Das Sparen von Geld sei mit dem Hinweis zu verbinden, dass es zu einem guten Zweck ausgegeben werden müsse: Die Kleidung zu verbessern und kleine Almosen zu geben. Zudem sei die Legitimation der Ausgaben gegenüber den Eltern not­wen­ dig.106 Verursacht durch das Bevölkerungswachstum und die Veränderungen in der Agrarwirtschaft trat in der Hausväterliteratur des 18. Jahrhunderts die Ordnung des Geschlechterverhältnisses und der Haushaltsführung gegenüber den Hinweisen zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung deutlich in den Hintergrund. Im 19. Jahrhundert verschwand die Konzeption der ganzheitlichen Hauslehre fast völlig und die Wissensbestände über das Haus und das Paar wanderten zunehmend in das Genre der expandierenden Anstands- und Verhaltensliteratur ab. Markt-, Preis- und Werttheorien lösten die Vorstellungen der „alteuropäischen Ökonomik“ (Otto Brunner) ab und differenzierten einen Wirtschaftsbereich jenseits des Hauses aus. Geld wurde sowohl in der hier betrachteten Beratungsliteratur als auch in der Philosophie zum zentralen Mittel eines nunmehr als abgegrenzt verstandenen Segments der Ökonomie erklärt.107 Bei diesen Veränderungen handelte es sich um Prozesse, die von Vorläufern, Überlappungen und Überresten geprägt waren, wie auch Werner Plumpe am Beispiel des Zusammenhangs zwischen der Semantik des Homo oeconomicus und den wirtschaftlichen Entwicklungen gezeigt hat.108 Ein frühes Beispiel für einen Geldratgeber, der sich deutlich von den Ökonomiken unterschied, stellte Henry Peachams populäre Schrift The Worth of a Penny, Or, A Caution to Keep Money dar, die erstmalig 1641 veröffentlicht wurde, im 17. Jahrhundert zehnmal aufgelegt wurde und bis 1813 weitere Neuauflagen erlebte. Kinder spielten darin keine herausragende Rolle. Dennoch, als Normgeber für Erwachsene und als erfolgreicher Geldratgeber präsentierte das Buch den geis106

Ebd., S. 5. dazu allgemein: Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft; Felten, Unlikely Circuits; Hesse, Geld. Dennoch erlebten die alten Werke aufgrund der anhaltenden Nachfrage weitere Neuauflagen. Richarz, Oikos, Haus und Haushalt, S. 87. 108 Plumpe, Die Geburt des Homo oeconomicus; ders., Ökonomisches Denken. 107 Vgl.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  47

tigen Rahmen, in den die Anweisungen für Kinder und Jugendliche zukünftig platziert werden würden. Henry Peacham (1578–1644), der als Schriftsteller, Lehrer und erfolgreicher Illustrator zahlreiche Publikationen vorlegte (u. a. The Art of Living in London, 1642 und das erfolgreiche Höflichkeitsbuch The Complete Gentleman, 1622), präsentierte 1641 einen Überblick, wie die educated classes Konsum und Spiel angemessen betreiben könnten.109 Er kompilierte Sprichwörter, Bibelzitate, antike Klassiker und konkrete Ratschläge, um zu illustrieren, was man für einen Penny alles kaufen und mit ihm machen könne, ohne in größere Schwierigkeiten zu geraten. Peacham wandte sich mit seiner Schrift vor allem an Engländer, die er für besonders unvorsichtig im Umgang mit Geld befand: „For most true it is, that of all Nations in Europe, our English are the most profuse and careless in the way of expence.“110 Sie würden zu viel essen und nach jeder (französischen) Mode springen, was es zu vermeiden galt: „Not dogging the fashion, or letting your Taylor on work at the fight of every Monsieurs new Suit.“111 Der Autor visierte vor allem männliche Leser an, transportierte aber über seine ausführlichen Ratschläge für Männer implizit Normen für das Verhalten von Frauen. Zum Auftakt des Buches summiert er die Verlockungen, die einem Mann drohten und die ihn in eine prekäre finanzielle Lage bringen könnten: Konsum von Wein und Weib führten zu erhöhten Ausgaben. Problematisch sei es auch, wenn man nicht dazu in der Lage sei, ein von einem Freund übertragenes Grundstück zu verwalten. Manche Männer seien einfach zu faul oder gäben das Geld zu schnell aus, in der Annahme, es würde niemals weniger werden.112 Andere wiederum „who match themselves for a little handsomeness and eye-pleasing beauty“ bemerkten das Drama, das in der Heirat mit einer armen und womöglich schlecht erzogenen Frau liege, erst, wenn es zu spät sei. Da ihr die Leitung des Hauses obliege, führe die mangelnde Haushaltserziehung dieser Frau zum Ruin des Mannes: Besides, such poor Ones oftentimes prove so imperious and proud, as they make no Conscience to abuse, insult over, and make silly Fools of their Husbands, as by letting and disposing of their Lands, gathering up their Rents, putting away; and entertaining what Servants they list, to verifie that old Verse. Asperius nihil est humili eum surgit in altum, There’s nothing more perverse and proud than she, Who is to wealth advanc’d from beggary.113

Gefahren drohten dem Mann allerdings auch durch verschwenderisches Dienstpersonal, die Taverne und das Glücksspiel. Recreation, betont Peacham, sei zwar notwendig, um sich zu erholen, aber insbesondere beim Spiel um Geld gelte es, zahlreiche Regeln zu beachten. Ein geldgeschwächter und melancholischer Mann laufe zudem Gefahr, den klimatischen Verhältnissen Englands ungeschützt ausgesetzt zu sein: „He that wanteth Money, is for the most part extremely melancholick, in every company or alone by himself […], especially if the weather be foul, 109 Valenze,

Social Life of Money, S. 154. The Worth of a Penny, S. 12. 111 Ebd., S. 14. 112 Ebd., S. 2. 113 Ebd., S. 3. 110 Peacham,

48  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung rainy or cloudy.“114 Peachams Idealvorstellung war ein von Kindesbeinen an wohltemperierter Engländer, der weder verschwenderisch sein sollte, noch auf dem Geld sitzen bleibe. Für Peacham stand fest, dass Geld an die Stelle von Gott getreten war.115 Diese Veränderung stellte aus seiner Perspektive eine besondere Herausforderung für die Erziehung von Kindern dar. Kindern sei daher Moral und Gottesfurcht mitzugeben, bevor sie das elterliche Haus mit zwölf oder vierzehn verließen und den Anforderungen und Gefahren einer pekuniär geprägten Umwelt ausgesetzt seien. Die Gefahr, darin unterzugehen, sei besonders groß.116 Peacham zeichnete dagegen das Bild eines Jungen, der von dem Kunden seines Meisters einen Penny und einen Rat zum Sparen erhielt. Die Ausgaben, so der Kunde, sollten immer viel kleiner als das Trinkgeld sein, so dass die gesparte Summe schließlich zum Reichtum des Jungen führe.117 Als pädagogisches Vorbild präsentierte Peacham diejenigen, die „penny wise and pound foolish“ seien, wie es ebenfalls bei Kindern zu beobachten sei.118 In der Rhetorik des Autors dienten Kinder dazu, die erwünschte Erziehung zum Mittelmaß zu illustrieren. Anders als die den Haushalt umfassenden Ökonomiken des Mittelalters und der Frühen Neuzeit legte Peacham mit seinem Buch einen exklusiven Geldratgeber vor. Auch in ihm wurden zwar gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen, wie das Geschlechter- oder Eltern-Kind-Verhältnis, thematisiert, sie verblieben aber im Rahmen der Ordnung des Geldes. Am Horizont der Schrift zeichnete sich die zunehmende gesellschaftliche Wahrnehmung des Geldes ab, die es für manche notwendig erscheinen ließ, auch Kinder frühzeitig auf den monetären Umgang vorzubereiten. Mit dieser Annahme stand Peacham aber, abgesehen von John Locke, im 17. Jahrhundert noch weitgehend alleine da. Gängiger waren sowohl in England als auch in den deutschen Gebieten Publikationen, die Mischformen des Wissens präsentierten. Beispielhaft für diese Koexistenz alter und neuer Wissensbestände stand in Deutschland Rudolf Zacharias Beckers Noth- und Hülfsbüchlein.119 Das mit mehr als 500 000 Exemplaren vertrie114

Ebd., S. 5. now money is the Worlds God, and the Card which the Devil turns up Trump to win the Set withal; for it gives birth, beauty, honour, and credit, and the most think it conferreth wisdom to every possessor, Pecuniæ omnia obedient: All things obey Money; Hence it is so admired, that millions venture both Soul and Bodies for the possession of it.“ Ebd., S. 23. 116 „Hereby we may see, how much it concerns all Parents to give their Children vertuous Education, in the fear of God, and to employ them betimes in honest Vocations; whereby they may be aimed against want and ill courses. And doubtless many (yea too many) Parents have been and are, herein much too blame; who, when they have given their Children a little breeding and bringing up, till about twelve of fourteen years of age, they forsake them, and send them out into the wide World, to shift for themselves, so sink or swim, without Trades or Portions provided: So they be rid of a Charge, what care they? Hence we see so many young men and women come to untimely ends, who living, might have been comforts to their Friends and Parents.“ Ebd., S. 7 f. 117 Ebd., S. 8  f. 118 Ebd., S. 8. 119 Becker, Noth- und Hülf-Büchlein, S. 321. 115 „For

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  49

bene Buch, welches seit der Erstausgabe von 1788 in zwölf Sprachen übersetzt, kopiert und immer wieder neu aufgelegt wurde, war ein Bestseller.120 Als vernünftiger Bauer bestellte der Protagonist der Darstellung, Wilhelm Denker, sein Land nach den neuesten landwirtschaftlichen Methoden und zog damit immer mehr Gewinn aus seinem Boden. Sein Geld verwahrte er in einem Schrank in der Stube, dessen Tür mit zahlreichen Sprichwörtern über Sparsamkeit geschmückt war: „Spare in der Zeit, so hast du in der Not.“ Denker geriet jedoch nicht in Not, da er seine Ausgaben immer unterhalb seiner Einnahmen hielt. Obwohl Letztere anstiegen, lebte er weiterhin sparsam wie zuvor. Sein Geld aber gab er Armen. Aus der Kunst der Sparsamkeit resultierte bei Denker eine beispielhafte Wohltätigkeit.121 In dieser zentralen Schrift der Volksaufklärung beschreibt der Autor keineswegs einen Perspektivenwechsel auf das Geld. Geld und Reichtum stehen weiterhin nicht im Vordergrund, sondern werden als angenehme Effekte des Wirtschaftens und Haushaltens betrachtet, die in ein gemeinwohlorientiertes Werteschema eingebettet blieben. Reichtum brachte nach wie vor moralische und soziale Verpflichtungen mit sich. In England präsentierten meist anonym verfasste chapbooks das populäre Wissen ökonomischer Lebensführung. Dabei handelte es sich um triviale Massenliteratur, die der wachsenden Lesefähigkeit der englischen Handwerker und unteren Schichten entgegenkam und der deutschen und französischen Entsprechung etwa 100 Jahre vorausging.122 Reisebeschreibungen, Kuriositäten und Wunderbares, Verbrechen und Sünden, historische Heldenfiguren und Liebesabenteuer waren der Stoff der billigen Hefte. Andere wiederum, zahlenmäßig aber von geringerer Bedeutung, verbreiteten so genanntes nützliches Wissen über gutes Benehmen, die Ehe, Haushaltsführung und Kindererziehung. „Die private Ökonomie der ­Leser“ machte einen Teil des Inhaltes aus.123 Geld war das zentrale Thema des Ratgebers The Pleasant Art of Money-Catching (1746).124 In der Frühen Neuzeit war Geld ein Medium, mit dem die Menschen alltäglich in Kontakt gerieten.125 Es war jedoch nicht etwa eine zunehmende Präsenz des Geldes, die am Ende des 18. Jahrhunderts zu einer Intensivierung der publizistischen Thematisierung führte. Das Geld allein galt nicht mehr als gefährlich, obgleich der mythische Makel des Geldes als das potentiell Böse weiterhin bestehen blieb, sondern der Mensch, der damit den falschen Umgang pflegte. Die Akteure rückten in den Fokus der Gelddiskurse. Die Verantwortung für die Kontrolle der Gefahren lag nun nicht mehr, wie noch der mittelalterliche ‚Volksglaube‘ annahm, 120 Pöttker,

Öffentlichkeit, S. 21. Noth- und Hülf-Büchlein, S. 318–320. Im Ideal der Sparsamkeit zum Zwecke der Wohltätigkeit lag die Gemeinsamkeit der Schriften des 18. Jahrhunderts, unabhängig von der konfessionellen Herkunft des jeweiligen Autors. Alzheimer-Haller, Handbuch zur narrativen Volksaufklärung, S. 343. 122 Schöwerling, Chapbooks, S. 6. Vgl. auch: Spufford, Small Books and Pleasant Histories. 123 Schöwerling, Chapbooks, S. 307. 124 Montgomery, Pleasant Art of Money-Catching. 125 Valenze, Social Life of Money, S. 88.

121 Becker,

50  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung in der Münze, sondern wurde allein auf die Menschen übertragen. Im Rahmen der Aufklärung sollten die Gefahren des Geldes durch Menschenverfeinerung und Selbstbeobachtung gebannt werden, wie Deborah Valenze betont: „An ability to master the threat posed by money rested on a powerful, new notion of the self, the product of an age of enlightenment that had advanced a sense of enriched interiority, as well as a hopeful attitude toward human perfectibility.“126 Erst durch eine derartig temporale, räumliche und pädagogische Perspektive kamen Kinder, Heranwachsende und Jugendliche in den Blick.

Die Welt der Zahlen in den Schulen Geld gehörte in den numerisch-pekuniären Ordnungsrahmen der sich seit dem 17. Jahrhundert ausbreitenden Statistik, der Arithmetik und den Währungen, der mit der Entwicklung des europäischen Kapitalismus stark an Bedeutung gewann. Dabei konnte man auf schon entwickelte numerische und buchhalterische Systeme zurückgreifen. Nicht nur die Präsenz bäuerlicher Rechnungs- und Haushaltungsbücher im Mittelalter, auch die Bemühungen von Eltern in der Frühen Neuzeit, das Rechnen in den Elementarschulen zu verankern, verweisen eher auf eine prozesshafte Entwicklung, infolgedessen der Umgang mit Zahlen und arithmetische Fähigkeiten zunehmend als berufs- und alltagsnotwendig galten und auch in den pädagogischen Überlegungen Prominenz erlangten.127 Doch Pädagogen, Aufklärer und Philosophen betonten im 18. Jahrhundert verstärkt die Bedeutung ­einer auf die Zukunft ausgerichteten Bildung. Wie in den deutschen Territorien wurden auch in England die Pädagogik und Aufklärung mit den sozioökonomischen Veränderungen verbunden. Die Ablösung der auf Landbesitz basierenden Ökonomie durch die städtischen und industriellen Zentren und die immer weiter erstarkenden bürgerlichen Schichten führten zu grundsätzlichen Defizitannahmen und bildungspolitischen Reformforderungen, die auf dem Büchermarkt ihren Niederschlag fanden. Zwischen 1762 und 1800 erschienen etwa 200 Erziehungsschriften und Zeitschriften, wie The Analytical Review, die als Foren für pädagogische Themen dienten.128 Neben der breit diskutierten Frage der Armenerziehung wurde die Ausrichtung der Erziehung und Bildung an der ‚neuen Zeit‘ gefordert. Die Positionen changierten zwischen christlicher, klassischer und nützlicher Grundlegung der Kindererziehung und Schulbildung. Die beteiligten Gruppierungen, Einzelpersonen und Denkrichtungen zeigen, dass sich der Kreis der Debattierenden in England sehr viel weniger als in Deutschland auf Pädagogen reduzieren lässt. Utilitaristen und Ökonomen, wie James Mill und Jeremy Bentham, Philanthropen und Evan126

Ebd., S. 262. Wesoly zeigt u. a. für das Herzogtum Berg, dass bäuerliche Kinder das Rechnen in den Elementarschulen schon in der Frühen Neuzeit erlernten. Wesoly, Interesse der weltlichen Obrigkeiten; vgl. auch: Böning, Entdeckung des niederen Schulwesens, S. 81. 128 Porter, The Enlightenment, S. 343. Vgl. auch: Rössner, Pädagogen der englischen Aufklärungsphilosophie. 127 Kurt

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  51

gelikale, wie Hannah More und Joseph Priestley, und politische radicals, wie Mary Wollstonecraft, Thomas Day, Richard Lovell Edgeworth und seine Tochter Maria Edgeworth trugen aus höchst unterschiedlichen Blickwinkeln und Motiven zur Frage einer reformierten Erziehung bei.129 Während die einen die radikale Anpassung der Erziehung an die ‚neuen Verhältnisse‘ forderten, beharrten andere auf einer klassischen Ausbildung vorzugsweise in Latein und Griechisch. Einige Evangelikale konnten in ihren Initiativen für arme Kinder die Beschränkung auf Frömmigkeit und Fleiß als Lernziele und die Gefahr des Lesens propagieren, während andere Evangelikale eben genau diese Notwendigkeit des Erlernens von Lesen und Schreiben betonten. Spezifisch für England war zudem, dass aufgrund des faktischen Ausschlusses von Nicht-Anglikanern aus dem staatlich-kirchlichen Bildungswesen überdurchschnittlich viele Angehörige nonkonformistischer Denominationen an der pädagogischen Debatte beteiligt waren. Dies lässt sich an Vereinigungen, wie der Birmingham Lunar Society (gegründet 1766) oder der Manchester Literary and Philosophical Society (gegründet 1781) besonders deutlich zeigen.130 In ihnen debattierten und korrespondierten zumeist männliche Philosophen, Schriftsteller, Industrielle und Pädagogen, die sich alle der Aufklärung verpflichtet sahen und wesentliche Beiträge zur Professionalisierung der englischen Pädagogik lieferten. Die Revolutionen in Amerika und Frankreich, die Industrialisierung Englands und die Entwicklung der Naturwissenschaften waren der Rahmen, innerhalb dessen sie ihr Interesse vornehmlich auf wissenschaftliche Fragen richteten. Vor dem Hintergrund der Wahrnehmung und Entstehung neuer Techniken und Wissensformen gewann die Gestaltung der kommenden Generation und die Einflussnahme auf Kinder, Mädchen wie Jungen, auch für sie an Bedeutung.131 Aus diesem Grund empfahl Erasmus Darwin beispielsweise den Besuch von Fabriken und Manufakturen in den Schulferien.132 Diese Empfehlung galt weniger für die Masse der Arbeiterkinder, die jenseits der Sunday Schools wenig Kontakt mit institutionalisierter Erziehung hatten und die Fabriken schon zur Genüge von innen kannten, sondern vielmehr für die Kinder der middle classes, die zukünftig die Träger der Unternehmen sein sollten. Im Rahmen der ökonomischen Umwälzungsprozesse und der politischen Ereignisse entstand ein Konzept des ‚modernen Kindes‘, wie Andrew O’Malley überzeugend argumentiert hat, welches sich in seiner Gestaltung an den Neuerungen der industriellen Welt orientierte.133 Useful knowledge wurde zum Schlagwort der Reformbemühungen unterschiedlichster Provenienz und einte die ansonsten heterogene Personengruppe. Des Weiteren teilten sie eine gesteigerte Bedeutungszuschreibung an Kinder und Kindheit und ein grundsätzlich christlich fundiertes Weltbild: „Evangelical and Enlightenment traditions, de-

129 Lawson

und Silver, Social History of Education, S. 228. Lunar Society; Uglow, Lunar Men. 131 O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 1. 132 Dick, Discourses for the New Industrial World; Brewer, Sinews of Power, S. 228. 133 O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 1–16. 130 Schofield,

52  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung spite their differences, focused on children’s character as the basis for reforming society.“134 So wurden beispielsweise Bedenken über die moralischen Gefährdungen der Jugend gleichermaßen von Anglikanern, Dissentern, Katholiken und Juden formuliert.135 Anglikaner und Nonkonformisten teilten dieselben bürgerlichen Werte.136 Mit Blick auf eine rational begründete Erziehung von Kindern grenzte man sich gegenüber der Aristokratie und gegenüber den Armen ab und schuf daraus die Selbstwahrnehmung als middle classes. In den deutschen Territorien wurden die sozio-ökonomischen Veränderungen ebenfalls mit dem in den Schulen zu vermittelnden Wissen in Beziehung gesetzt. Auch hier versicherten sich bürgerliche und aufgeklärte aristokratische Personen ihres gesellschaftlichen Deutungsanspruches im Hinblick auf die Verbesserung der Bildung von Kindern und Heranwachsenden. Sehr viel stärker als in Großbritannien war die Diskussion aber an die territoriale Politik und die staatliche Verwaltung gebunden. Mit der Kodifikation des Allgemeinen Landrechts verlieh sich zwar der preußische Staat die Hoheit zu definieren, was die Aufgabe der Schulen sei und orientierte sich deutlich an der Nützlichkeitscharakter von Bildung: „§ 1. Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staats, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben.“137 Letztlich lag die konkrete Unterrichtsgestaltung jedoch in den Händen der lokalen Institutionen und Einzelpersonen. Die Verbesserung der Bildung der unteren Schichten hatte schon in der Volksaufklärung Mitte des 18. Jahrhundert eine breite Resonanz gefunden. Zur Verbreitung der neuen ökonomischen Lehren und Praktiken wurden Zeitschriften gegründet, wie beispielsweise die Leipziger Sammlungen, und ökonomische Schriften über die Verbesserung der Landwirtschaft publiziert, deren Rezeption vor allem über eine Ausweitung der Landschulen gewährleistet werden sollte.138 Diese Initiativen hatten aber vorerst keine praktischen Konsequenzen und blieben in der Umsetzung auch in den folgenden Jahrzehnten zumeist hinter den theoretischen Reformentwürfen zurück.139 Mit dem Wirken des Schulbuchautors Friedrich Eberhard von Rochow geriet die Reform des niederen Schulwesens ab den 1770er Jahren langsam in Bewegung. Sein Kinderfreund und weitere Schriften für den Landschulunterricht dienten der säkularen Ausbildung der Lehrer, die besonders stark von Aufklärern kritisiert wurde. Neben der Anleitung zu neuen landwirtschaftlichen Produktionsweisen standen die Gesundheitsaufklärung und Popularisierung naturwissenschaftlicher Kenntnisse im Mittelpunkt dieser Veröffentlichungen. Der Bildungshistoriker Peter Lundgreen hat die unmittelbaren Effekte dieser Reformen jedoch als eher gering eingeschätzt, so wie er auch die im Allgemeinen Landrecht von 1794 festgeschriebene Schulpflicht als Förderung der kör134 Davidoff

und Hall, Family Fortunes, S. 343; vgl. auch: Hunt, The Middling Sort, S. 48. Ebd., S. 50. 136 Ebd., S. 48. 137 A.L.R. (allgemeines Landrecht) Zweiter Theil, Titel 12, § 1. 138 Böning, Entdeckung des niederen Schulwesens, S. 86. 139 Töpfer, Die Freyheit der Kinder, S. 5. 135

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  53

perlichen und ideellen Sozialdisziplinierung verortet hat: Stillsitzen und den jeweiligen „Katechismus“ lernen.140 Während die Reform des Elementarunterrichts von den Zeitgenossen als Grundlage für eine generelle Verbesserung und Aufklärung der ländlichen Gesellschaft gesehen wurde, fokussierten andere Reformer die Schulausbildung pragmatischer als eine bessere Anpassung an die zukünftig zu erwartenden Aufgaben der Schüler und Schülerinnen. Die neuen ökonomischen und sozialen Bedingungen benötigten besondere Kenntnisse und diese sollten in den reformierten Schulen erlernt werden, forderte der Pädagoge und Prediger Friedrich Gabriel Resewitz 1773, der sich für die Einrichtung von Realschulen stark machte: „Schulen zur Erziehung des Gelehrten sind genug da; auch Schulen zur Erziehung des Soldaten: aber keine Schulen zur Erziehung des erwerbenden, des durch mannichfaltige Geschäfftigkeit den Staat erhaltenden Bürgers.“141 Diese Orientierung an den sogenannten Realien hatte am Ende des 17. Jahrhundert schon das Pädagogium von August Hermann Francke in Halle an der Saale geprägt: Handwerk, Naturkunde und Oeconomie gehörten zum Unterricht an der pietistischen Schule.142 In den deutschen Industrieschulen, die am Ende des 18. Jahrhunderts regional Verbreitung fanden, lassen sich vor allem die Bestrebungen erkennen, armen Kindern eine Arbeitsperspektive zu bieten. Die allgemeine Erziehung zur „Industriosität“, zu Fleiß und Arbeitswille, stand hier im Vordergrund.143 Die genannten Erziehungsziele erfuhren eine weitere geschlechts- und klassenspezifische Differenzierung: Während in einigen Schulen, wie beispielsweise in Göttingen, koedukativ unterrichtet wurde, waren andere Einrichtungen exklusive Mädchenschulen. Die Schulbildung für Mädchen der Unterschicht diente der generellen Arbeitsamkeit und bestand vor allem aus Handarbeiten. Die Mädchen wurden auf eine Tätigkeit in der Landwirtschaft vorbereitet oder sollten zukünftig als Dienstbotinnen tätig sein.144 Die Erziehung für Mädchen der Mittelklassen fokussierte darüber hinaus Sparsamkeit, die Ausbildung guten Geschmacks und die Führung eines eigenen Haushalts. Insgesamt bewertet die Schulforschung auch diese Schulen nicht als Ausdruck staatlicher, landesherrlicher oder konfessioneller Schulpolitik, sondern sieht in den jeweiligen Institutionen Einzelinitiativen, die auf oft prekärer finanzieller Basis über kürzere Zeiträume ein Schulprojekt betrieben und im Zusammenhang mit der lokalen Armenfürsorge betrachtet werden müssen.145 Die staatliche und kirchliche Bildung der Kinder unterer Schichten war weitgehend der Armutsbe140 Lundgreen,

Sozialgeschichte der deutschen Schule, S. 37; Neugebauer, Niedere Schulen, S. 231 f. 141 Resewitz, Erziehung des Bürgers, S. 3. 142 Neugebauer, Niedere Schulen, S. 245. 143 Christine Mayer betont die Bedeutung von drei zeitgenössischen Schriften für die Einrichtung der Industrieschulen: Sextro, Ueber die Bildung; Campe, Beförderung der Indüstrie; Wagemann, Ueber die Bildung. Mayer, Indüstriebildung als Erziehung zur Erwerbstätigkeit, S. 273 f. 144 Ebd., S. 275; 280  f. 145 Neugebauer, Niedere Schulen, S. 246  f.

54  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung kämpfung und sozialen Kontrolle verpflichtet. Das in Großbritannien seit 1780 weit ausgebaute System der Sunday Schools diente dem Erlernen von Schreiben und Lesen sowie der moralischen und religiösen Erbauung von Armen und Arbeiterkindern.146 Die Workhouse Schools und die städtischen Industrieschulen in Deutschland galten als probates Mittel der sozialen Kontrolle und der Armutsbekämpfung. Man versuchte, den Kindern, Mädchen wie Jungen, Handgriffe des Arbeitslebens zu vermitteln, so dass sie bald als billige Arbeitskräfte im Haushalt oder in der Industrie nützlich sein würden.147 Wie auch in den Sunday Schools wurden Sparsamkeit, Fleiß und Glauben als Lernziele im Rahmen des Arbeitsund Nützlichkeitsparadigmas deklariert.148 Die Erziehung der Kinder war für alle Angehörigen der aufstrebenden englischen und deutschen Mittelschichten ein wichtiger Transmissionsriemen ihrer Kultur und Hegemonieansprüche. Geld als Wertmaßstab des bürgerlichen Leistungsbegriffs nahm darin eine wichtige Funktion ein.149 Einheitliche Lehr- und Schulkonzepte für die ökonomische Erziehung entwickelten sich allerdings aus diesen Übereinstimmungen nicht. Die pluralen, lokal- und klassenspezifischen Schullandschaften in Großbritannien und den deutschen Staaten, die eine große Anzahl so genannter Nonconformist Schools, kleine lokale Privatschulen, Armen-, Arbeits- und Industrieschulen, die Public Schools, darunter die herausragenden Eliteschulen wie Eton und Westminster, klassische Grammar Schools und Gymnasien sowie die Erziehung durch Privatlehrer im Hause umfasste, lassen sich nicht einheitlich beschreiben. Eine Melange aus regional divergierenden Entwicklungen, aristokratischen Beharrungskräften und Anpassungen an die Nützlichkeitsidee prägten die Erziehungs- und Bildungsdiskussion im späten 18. Jahrhundert.150 Das Curriculum der jeweiligen Schule stand zudem in starker Abhän­ gigkeit vom Personal und von den jeweiligen politischen Voraussetzungen, die besonders in den deutschen Staaten differierten.151 Generelle Aussagen über das ‚Eindringen‘ der Ökonomie und des Geldes in die Schulen müssen aus diesen Gründen zurückhaltend formuliert werden. Einige Tendenzen lassen sich aber dennoch aufzeigen. Die klassischen Bildungseinrichtungen der Public und Grammar Schools bzw. die humanistisch geprägte Lateinschule gerieten vor dem Hintergrund der bürgerlichen Adelskritik zunehmend unter Legitimationsdruck. Ihr Fokus auf Latein und Griechisch galt als elitär und unmodern und die vor allem an den englischen Schulen praktizierte männliche Elitensozialisation über Fechten, Reiten und ausdifferenzierte Strafsysteme wurde von ihren bürgerlichen Kritikern als unmora146 Laqueur,

Religion and Respectability. und Silver, Social History of Education, S. 188; zur Industrieschule: Mayer, Erziehung und Schulbildung für Mädchen, S. 188–211; Dressen, Die pädagogische Maschine, S. 178–195. 148 Mayer, Erziehung und Schulbildung für Mädchen, S. 205. 149 Davidoff und Hall, Family Fortunes, S. 21. 150 Vgl. Lawson und Silver, Social History of Education, S. 164–225. 151 Ebd., S. 196. 147 Lawson

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  55

lisch verworfen. Neue Lerninhalte hatten es in den höheren Bildungseinrichtungen schwer. Die klassischen Public Schools, allen voran Eton, aber auch die Universitäten Oxford und Cambridge, ignorierten Mathematik lange Zeit als Bestandteil des Bildungskanons.152 In Eton wurden Arithmetik und Algebra außerhalb der offiziellen Schulstunden gelehrt und erst 1851 als Pflichtfach eingeführt. In Oxford wurde erst nach 1800 eine School of Mathematics eingerichtet. Aus adeliger Perspektive verwies Mathematik in erster Linie auf das Rechnen der von den Adeligen für notwendig befundenen, aber nicht geschätzten Händler.153 Deren Wissen und Form der Bildung galten als zu mechanisch und unangemessen für die höheren Stände.154 In den höheren Schulen der deutschen Staaten setzte sich ebenfalls nur langsam die Erkenntnis durch, dass zumindest an den Schulen, die sich an die Söhne wirtschaftsbürgerlicher Herkunft richteten, Rechnen und Buchführung zum Schulcurriculum gehören sollten.155 Die herkömmlichen Institutionen hielten weiterhin am klassischen Kanon fest, während die städtischen Bürgerschulen schon seit dem 16. Jahrhundert mit den Rechenbüchern von Adam Ries, vor allem mit Rechnung auff der linihen und federn (1522), und entsprechenden Rechenmeistern die Lehrlinge unterrichteten und die neu gegründeten Kollegien und Akademien Mathematik und Rechnen in die höhere Erziehung junger Männer integrierten.156 Trotz dieser zögerlichen Integration des Rechnens in den regulären Schulunterricht, gehörte den Zahlen und dem Geld die Zukunft. Der Hallesche Pädagoge und Theologe August Herrmann Niemeyer (1754–1828) empfahl Eltern und Lehrern, Kindern das Rechnen beizubringen, da es sich dabei um „ein unentbehrliches Bedürfnis“ handele. Die arithmetischen Aufgaben, so sein Vorschlag, sollten die über Zahlen vermittelte Ordnung der modernen Welt illustrieren: Die aufgegebenen Exempel sind am besten würkliche oder mögliche Fälle, und werden, wo es irgend angeht, aus der Sphäre der Jugend entlehnt. Man hat dabey zugleich Gelegenheit, mit den wahren, wenigstens gewöhnlichen Preisen der Dinge bekannt zumachen, auch das, was billig jeder gebildete Mensch von Maass, Gewicht, Geld und Eintheilung der Zeit wissen muss, beyzubringen.157

Geld gehörte in den Kreis der quantifizierenden Maßstäbe, die, wie die Zeit, das Maß und die Gewichte, den Handel, die Landwirtschaft und zunehmend die in152 Ebd.,

S. 200; Thomas, Numeracy in Early Modern England, S. 110. verwies auf diese Haltung, um die veränderten Einstellungen um 1900 deutlich zu machen: „Ehemals sah man mit ehrlicher Vornehmheit auf die Menschen herab, die mit Geld Handel treiben, wenn man sie auch nöthig hatte; man gestand sich ein, dass jede Gesellschaft ihre Eingeweide haben müsse.“ Seine kritische Zeitdiagnose beinhaltet zwei Punkte: erstens, die genannte Kritik an den Handel treibenden Menschen, die nun zur „Seele der modernen Menschheit“ geworden seien, zweitens, die Kritik an der Gegenwartsorientierung und der damit einhergehenden Absage an jeder Form von Zukunftsorientierung. Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, S. 41. 154 Thomas, Numeracy in Early Modern England, S. 109. 155 Bruning, Gelehrtenschulwesen, S. 311; Sauer, Entwicklung des Rechenunterrichts, S. 371–395. 156 Thomas, Numeracy in Early Modern England, S. 112. Vgl. Reich, Mathematik der Aufklärung. Lokalhistorisch: Biermann, Praxis des Mathematikunterrichts. 157 Niemeyer, Grundsätze der Erziehung, S. 260  f. 153 Nietzsche

56  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung dustrielle Welt dominierten. John Money zeigt in seiner detaillierten Untersuchung, dass sich das Lehrangebot und die steigende Anzahl der mathematischen und arithmetischen Publikationen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an diesen quantifizierenden Maßstäben orientierte.158 Diese Vermittlung von numerischem und ökonomischem Wissen oblag im späten 18. Jahrhundert vor allem den privaten Schulen und nonkonformistischen Akademien, die den veränderten ökonomischen Verhältnissen und sozialen Gruppen mit einem angepassten Curriculum begegneten. Für die handelsorientierten Mittelschichten waren die lokalen Privatschulen und in Großbritannien die Dissenter-Akademien die Orte der ökonomiebezogenen Wissensvermittlung.159 Die aufstrebenden Jungen als die legitimen Nachfolger im elterlichen Unternehmen und als generelle Repräsentanten der industriellen Welt wurden hier auf die Universität vorbereitet oder sie erhielten eine Ausbildung anstelle der oft kostspieligen und langjährigen Lehre. Es ist jedoch schwierig nachzuvollziehen, was an den oftmals kurzlebigen und lokalen Privatschulen gelehrt wurde. Aus den Anzeigen in den lokalen Zeitungen lässt sich ablesen, dass das Schulangebot in den Handels- und Industriestädten besonders ausdifferenziert war. Der Schulleiter Thomas Baker beispielsweise bot in seiner Schule, die er 1761 gründete, Unterricht in Arithmetik, Buchhaltung, Messung, Geographie, Algebra und Mathematik an. Andere wiederum hatten zusätzlich das klassische Bildungsprogramm, wie Lesen und conversation im Angebot.160 Doch auch in den niederen Schulen und Armenschulen wurde zumindest das grundlegende Rechnen am Ende des 18. Jahrhunderts zur Norm.161 Mädchen waren von den Angeboten, die über die Elementarschule hinausgingen, weitgehend ausgeschlossen, auch wenn das Curriculum breit diskutiert wurde und die Anzahl der privaten Mädchenschulen stetig anstieg. Die Erziehung von deutschen und britischen Töchtern aus wohlhabenden Häusern fand in der

158 Money,

Teaching in the Market-Place. Diesem Niederschlag in Publikationen und Lehr­ angebot ging eine numerische Revolution voraus, wie Keith Thomas betont: „For those concerned with the history of numbers and numerical skills, the period 1500–1700 in England is one of dramatic transformation. It saw the replacement for most purposes of roman numerals by Arabic ones and the consequent supersession of the counting-board or abacus by arithmetical calculation on paper. It witnessed the proliferation of textbooks on commercial arithmetic and double-entry bookkeeping; the introduction of decimals, logarithms and algebra; and the adoption of most of the arithmetical symbols with which we are now familiar.“ Thomas, Numeracy in Early Modern England, S. 103. 159 Hunt, The Middling Sort, S. 63. In dem von Hunt erwähnten Beispiels eines 16-jährigen Jungen, der aufgrund des ausgezeichneten moralischen Rufes in eine Dissenter Akademie geschickt wurde, sich dort aber verschuldete, zeigt, dass die tatsächlichen monetären Probleme der Kinder und Jugendlichen auch unter strikter Aufsicht nicht kontrollierbar waren. 160 Money, Teaching in the Market-Place, S. 344. Money betont die Schwierigkeit, aus den für seine Untersuchung herangezogenen Quellen Aussagen über das tatsächliche Angebot und die Rezeption des Lehrinhalts zu machen. 161 Vgl. beispielsweise: Adelung, Unterweisung in den vornehmsten Künsten und Wissenschaften; über das Rechnen in der hugenottischen Berliner Armenschule: Heusch, Elementarbildung, S. 276.

1. Geld, Kindheit und Wissen: Konstellationen einer neuen Beziehung  57

Regel in Form von Privatunterricht statt.162 Mathematik hatte im 18. Jahrhundert noch den Ruf, Mädchen „unweiblich“ zu erziehen.163 Doch prominente Männer und Frauen in England wie in Deutschland plädierten ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für eine rechnerische Grundausbildung von Mädchen.164 So betonte der Prediger und Autor Christian Gottlieb Steinberg (1738–1781) die Notwendigkeit Mädchen in „Rechenkunst“ zu unterrichten. Gleichwohl unterstrich er, dass er „die Rechenkunst nur so weit vortragen [werde], als sie für ein jedes Frauenzimmer höchst nöthig ist, und sie mit den höhern Arten derselben, z. B. mit Bruchrechnungen, Wechsel und Compagnierechnung u.s.w. nicht be­schwe­ ren.“165 In einer Osnabrücker Mädchenschule, die 1794 auf Privatinitiative hin gegründet wurde, wurden Mädchen ab 10 Jahren auch in Mathematik unterrichtet.166 Erasmus Darwin (1731–1802), der im Kontext der intensiv diskutierten Reform der Mädchenerziehung zu ihren Befürwortern gehörte, plädierte zudem dafür, Arithmetik am Beispiel des Geldes zu lehren: So much of the science of numbers as is in common use, as the numeration, subtraction, multiplication, and division of money, should be learned with accuracy; to which should be added the Rule of three, and decimal fractions; which will abundantly repay the labour of acquiring them by the pleasure and utility, which will perpetually result from the knowledge of them thro’ life.167

Auch die deutschen Philanthropen Bock und Campe unterstützten eine wirtschaftliche und mathematische Schulung von Mädchen und definierten die Haushaltsführung als einen weiblichen und konstitutiven Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft. Der Königsberger Theologe und Schriftsteller Friedrich Samuel Bock (1716–1786) verwies auf die Notwendigkeit einer zukunftsweisenden Erziehung zur Hausfrau und Mutter.168 Campe, der sich aufgrund seines Vaterdaseins aufgefordert sah, sich mit der „schwache(n) Stimme eines mitleidigen Warners, beim Rauschen des Weltstroms, […] hörbar zu machen“, um das „ewig gegängelte und ewig getäuschte Geschlecht“ einmal anders darzustellen und anzuleiten,169 richtete sich mit seinem „Väterlichen Rath“ an „junge Frauenzimmer der glücklichen Mittelklasse“.170 Wirtschaftliche Kenntnisse seien „das eigentliche Feld des weiblichen Geistes“ und der „Wirkungskreis“ des Hauses erfordere von den Frauen genaue Kenntnisse der Waren und der Ausgaben, der angemessenen Ausstattung 162 Jacobi,

Mädchen- und Frauenbildung, S. 144. beispielsweise: Bennett, Strictures on Female Education; Chiefly in Relation to the Culture of the Heart, London 1787, S. 138; zit. nach: Cohen, Curriculum and the Construction of Gender Difference, S. 327. 164 Auch in der Frühen Neuzeit gab es Stimmen, die die rechnerische Grundausbildung für Mädchen forderten. Siehe die Beispiele in: Jacobi, Mädchen- und Frauenbildung, S. 89. 165 Steinberg, Lehrbuch für Frauenzimmer, S. 79. 166 Jacobi, Mädchen- und Frauenbildung, S. 161. 167 Darwin, Plan for the Conduct of Female Education, S. 20. 168 Bock, Lehrbuch zur Erziehungskunst, S. 78  f. 169 Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter, S. IV–V. Seine mehrmals aufgelegte Schrift wurde „ins Holländische, Französische, Russische, Polnische und Dänische übersetzt.“ Jacobi, Mädchen- und Frauenbildung, S. 139. 170 Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter, S. VII. 163 So

58  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung und gleichzeitigen Sparsamkeit. Als „vollkommene Rechnerinn [sic]“ führe sie Buch über die Ein- und Ausgaben; sie verstünde es „Maß, Gewicht und Münz­ arten“ umzurechnen. Am Monatsende seien alle Geldforderungen beglichen und dem Ehemann entstünden keine Unannehmlichkeiten.171 Campe sah für diesen Lernprozess der Haushaltsführung mehrere Jahre vor und visierte damit nicht nur eine Ausbildung als Ehefrau, sondern auch als Hauswirtschafterin in einem anderen Haushalt vor: Wenn du denn diesen, für dich ehrenvollen Auftrag, zu unserer Zufriedenheit besorgen, wenn du dahin sehen wirst, daß deine Ausgaben und Einnahmen immer in richtigem Verhältnisse bleiben: wenn du am Ende eines jeden Monats, Alles, was von Kaufmannwaaren eingenommen wurde, mit Bescheinigungen, alle übrige Einzelheiten der Ausgabe mit einem ordentlich geführten, deutlich geschriebenen und sauber gehaltenen Rechnungsbuch wirst belegen können […] dann, mein liebes Kind, kannst du, nach Verlauf einiger unter diesen nothwendigen Uebungen verflossenen Jahre, dich den prüfenden Augen eines jeden guten Wirthes und einer jeden guten Wirthinn ruhig darstellen, und ihres Beifalls über deine wirthschaftlichen Kenntnisse und Fertigkeiten gewiß sein.172

Mit der ideologischen Aufwertung der häuslichen Sphäre als einem weiblichen Einflussbereich, der der Stabilität der bürgerlichen Familien zu dienen hätte, und der Durchsetzung des male breadwinner-Modells, wurden Buchführung und Rechnungswesen auch für Frauen als unerlässlich angesehen. Die Irin Maria Edgeworth (1768–1849), Autorin von pädagogischen Ratgebern und von Kinderliteratur, empfahl konkrete Geldgaben an Mädchen, um den zukünftigen Umgang damit zu üben: Economy is, in women, an essential domestic virtue. […] Economy is usually confined to the management of money, but it may be shown on many other occasions: economy may be exercised in taking care of whatever belongs to us; children should have the care of their own clothes, and if they are negligent of what is in their charge, this negligence should not be repaired by servants or friends; they should feel the real natural consequence of their own neglect […]. We recommend, for we must to these trifles, that girls should be supplied with an independent stock if all the little things which are in daily use; house-wives and pocketbooks, well stored with useful implements; and there should be no lending and borrowing among children.173

Auf der Grundlage der komplementär gedachten Geschlechterordnung und mit unterschiedlicher Zielperspektive wurden eine Technik – das Rechnen – und ein Medium – das Geld – in die Erziehung beider Geschlechter schrittweise eingeführt. Für Jungen und einige Mädchen war die Schule der Ort, an dem monetäre Erziehung stattfand. Für die meisten Mädchen blieben die Familie und der private Unterricht die zentralen Sozialisationsinstanzen. Monetäre Erziehung war jedoch in keiner Schulform zentral für die Ausbildung. Im Vordergrund der Elementarund Industrieschulen stand daher vor allem das Einüben von Arbeitsethik, Strebsamkeit und Tätigkeiten, mit denen sich zukünftig Geld verdienen ließe. Finanzwissen im engeren Sinne wurde seit der Frühen Neuzeit nur an Handelsschulen unterrichtet und blieb für Mädchen und die meisten Jungen im 18. Jahrhundert 171

Ebd., S. 126 f. Ebd., S. 321 f. 173 Edgeworth, Practical Education, S. 503  f. 172

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  59

unbekannt. Aufgrund der ausdifferenzierten und staatlich nicht vereinheitlichten Schullandschaft in Großbritannien und in den deutschen Staaten lässt sich somit keineswegs von einer Durchsetzung des ökonomischen Paradigmas – verkörpert über das ‚neue Wissen‘ der Zahlen und des Geldes – sprechen. Die privaten Versuche einzelner Schulleiter und Pädagoginnen, ökonomische, mathematische und monetäre Erziehung anzubieten, deuteten jedoch eine Entwicklung an, die sich im 19. Jahrhundert fortsetzen würde. Betrachtet man das ökonomische Wissen im 18. Jahrhundert und fasst die in diesem Kapitel geschilderte Ausgangslage des Verhältnisses von Geld, Kindheit und Wissen zusammen, dominieren drei Konstellationen. Erstens war das 18. Jahrhundert generell von der Thematisierung einer an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse angepassten und damit zu verbessernden Bildung von Mädchen und Jungen geprägt. Zweitens ist von einer hohen Variabilität alltäglicher Umgangsweisen mit Geld bei Mädchen und Jungen aller Schichten auszugehen. Drittens schließlich lässt sich eine zunehmende öffentliche Thematisierung von Kindern als zukünftige Akteure in Wirtschaftsräumen – Arbeit beziehungsweise Haushalt – wahrnehmen. Kindheit wurde damit sehr eng mit gesellschaftlichen Zukunfts- und Ordnungsentwürfen verknüpft. Ökonomisches Wissen war im 18. Jahrhundert noch an die schicht- und geschlechterspezifischen Arbeitsvorstellungen und die Notwendigkeit gebunden, das zukünftige Auskommen zu sichern. Ob als Handarbeiterin der Unterschichten, als Haushälterin oder Unternehmer im gehobenen Bürgertum: Die ökonomische Unterrichtung wurde dem biographisch möglichen Horizont des Erreichbaren angepasst. Durchsetzen konnte sie sich aber nicht.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld Die Annahmen über das Wesen von Kindern bewegten sich im 18. Jahrhundert zwischen zwei grundsätzlich zu unterscheidenden Polen. Einerseits galten sie als schlechte und verdorbene Charaktere, denen mit Zwang, Prügel und Disziplin zu begegnen sei, um die in ihnen aktiven Leidenschaften zu dämpfen. Andererseits wurde Kindern zunehmend ein von Natur aus gutes Wesen bescheinigt. Mit den Mitteln der Erziehung seien Kinder auf sanfte Weise in die richtigen Bahnen zu lenken und auf dem positiven Pfad zu bestärken.174 Dieses von den Aufklärern selbst disseminierte, bipolar aufgebaute und mit Zeitlichkeit versehene Bild von Kindern diente auch dem Zweck, sich selbst gegenüber einem als irrational und unzivilisiert beschriebenem Mittelalter abzugrenzen. Allerdings war der hierin implizierte Wandel von Kindheit nicht nur eine nützliche Konstruktion für die Aufklärer. Vielmehr ergänzte diese Sicht die Faktoren, die zu einem tatsächlichen Wandel im Verständnis von Kindern und Kindheit betrugen: So wurde die bis174 Stollberg-Rilinger,

Europa im Jahrhundert der Aufklärung, S. 163; Plumb, The New World of Children in Eighteenth-Century England, S. 290.

60  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung lang unumstrittene Prügelstrafe zunehmend hinterfragt, Kinder wurden deutlich häufiger porträtiert oder spielend dargestellt.175 Materiell unterstützt wurde die Abgrenzung der Kindheit vom Erwachsenendasein durch das wachsende Angebot an Spielzeug und Kinderbüchern sowie der vereinzelten Einrichtung einer Kinderstube in großbürgerlichen Haushalten.176 Kindheit ließ sich zunehmend als eine abgrenzbare Lebensphase verstehen. Für diesen Wandel sind keine eindeutigen Zäsuren auszumachen. Vielmehr handelte es sich um eine Entwicklung, die das gesamte 18. Jahrhundert prägte und in das folgende Jahrhundert hineinreichte. Ihren ersten publizistischen Niederschlag hatte die veränderte Sicht auf Kinder schon in John Lockes Buch Some Thoughts Concerning Education (1693) gefunden, das im 18. Jahrhundert zu einer der meistgelesenen paradigmatischen Erziehungsschriften wurde. Locke beschrieb Kinder weiterhin als grundsätzlich triebhaft. Kinder tendierten zur Besitzsucht, bevor sie „rights concerning ‚meum‘ and ‚tuum‘“177 entwickelten, aber die elterliche Erziehung könne ihre Zähmung und Umwandlung in positive Eigenschaften bewirken. Zwar lehnte Locke körperliche Züchtigungen als Erziehungsmittel nicht generell ab, aber er bestand darauf, dass die kindliche Entwicklung nicht durch eine allzu irrationale Behandlung behindert werden dürfe und plädierte für eine ‚angemessene‘ Anwendung der elterlichen Körperstrafen. Dieser Wandel in der Sicht auf Kindheit war auch der Hintergrund für die Thematisierung moralisch-monetärer Erziehungspraktiken, die von der Regulation der avaritia zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu den sozialen Praktiken der Gabe und Verwendung des Taschengeldes am Ende des 18. Jahrhunderts reichten. Vordergründig scheint es so, als fände die von Albert Hirschman entwickelte These, dass im Übergang zum 19. Jahrhundert die ‚Leidenschaften‘ zugunsten des Begriffs der ‚Interessen‘ aus den ökonomischen Theorien verschwanden, auch auf den Bereich der monetären Erziehung Anwendung.178 Das spezifische Diskursfeld der monetären Erziehung war aber, so die zentrale These dieses Kapitels, vielmehr von der Gleichzeitigkeit der Semantiken geprägt: Geldgefühle blieben ein wichtiger Bestandteil des Sprechens über Kinder und ihren Umgang mit Geld. Ungeachtet dessen wurden allerdings soziale Praktiken popularisiert, die eine spezifische Form der Rationalität im Geldgebrauch nahelegten. Dieses Kapitel untersucht, wie sich das Verhältnis von Emotionen und Geld im 18. Jahrhundert entwickelte. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen den in christlicher Sicht mit Geld verbundenen Todsünden – Geiz und Habgier – und den Ideen über die monetäre Erziehung. Der erste Teil des Kapitels analysiert die Affektenlehre im Hinblick auf Geld. Im Anschluss werden die philan­ thropischen Erziehungsexperimente am Ende des 18. Jahrhunderts betrachtet. Der dritte Teil schließlich geht dezidiert auf die artikulierten Emotionen in diesem Kontext ein. 175

Ebd., S. 288 f.

176 Weber-Kellermann,

Die Kindheit, S. 68, 138. Some Thoughts Concerning Education, S. 139. 178 Hirschman, Leidenschaften und Interessen. 177 Locke,

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  61

Ökonomien der Affekte – Affekte der Ökonomie Die Bewertung des Geizes in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lässt sich am Beispiel einer weitgehend unbekannten, aber einschlägigen Publikation illustrieren. Carl Friedrich Wickmann verfasste 1735 die Einleitung zu der Nöthigen Erkäntnuß Aller Menschlichen Gemüther, und deren Neigungen.179 Der Autor widmete das rund sechzigseitige Buch Friedrich August I. (1670–1733), dem Kurfürsten von Sachsen und König von Polen. Sein Ziel, mit der Schrift einen Beitrag zur Erziehung tüchtiger Gesellschaftsmitglieder zu leisten, verband er mit Kritik an der politischen Klasse. Da die politische Welt in Täuschungsmanövern zu erfahren sei, gelte es, so Wickmann, auf die Erziehung der Kinder und die oftmals schlechten elterlichen Vorbilder Einfluss zu nehmen.180 Beides, Erziehung und politische Klugheit, findet sich bei ihm als Mittel zur Verbesserung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.181 Wickmann ließ allerdings noch nichts von der volksaufklärerischen und bürgerlichen Mission erkennen, die Anfang des 18. Jahrhunderts begann, die ökonomische Unterrichtung der ländlichen Bevölkerung ins Auge zu fassen. Sein Referenzrahmen war die Ordnung der altständischen Welt und er übersetzte die kirchlichen und religiösen Diskurse in seine politische Vorstellungswelt. In seiner Schrift kombinierte er jedoch sein Anliegen mit dem enzyklopädischen Begehren des 18. Jahrhunderts, indem er eine systematische Darstellung der Hauptsünden Wollust, Ehrgeiz und Geldgeiz in Form von Tabellen wählte, die er neben das narrative darstellerische Verfahren platzierte.182 Seine Publikation stellte demnach weniger ein Erziehungstraktat als vielmehr eine Klassifikation und tabellarische Erfassung der menschlichen „Haupt­ affecten“ dar, die er in ihren jeweiligen Ausdrucksformen und Kombinationsmöglichkeiten verglich. Die Tabelle nutzte einfache Gitternetzlinien, um die Tugenden neben die durch Überbetonung eines Affekts hervorgehobenen Laster zu stellen und horizontale wie vertikale Blickrichtungen vorzugeben. Die Wahrnehmungsordnung der Leidenschaften wurde durch Gitter und Quadrate gewährleistet. Damit war auch die Form der Darstellung mit der üblichen frühneuzeitlichen Wissenspräsentation ver­ bunden.183 179 Wickmann,

Einleitung zu der Nöthigen Erkäntnuß. Ebd., S. 4. 181 „Denn, gleichwie ein Medicus nicht nur des Patienten seine natürl. Complexion und LeibesConstitution, sondern auch die daher rührende Krankheit sehr wohl zu untersuchen hat, wann er seine Medicamenta mit Nutzen appliciren will; Also muß ein Moralist gleichergestalt auch die natürl. Temperamente und alle daraus entspringende Gemüths-Regungen gründlich untersuchen, woferne er seine Laster emendiren, und sich der Tugend befleißigen will. Es ist aber die heilsame Erkäntnnis derer menschlichen Gemüther nicht nur zu Verbesserung seiner eigenen Fehler höchstnothwendig, sondern auch selbige zu einer geschickten Conduire, und Politischen Klugheit gegen Andere in civili societate sehr dienlich, indem man sich alsdenn gegen jedermann dessen Gemüths-Neigungen gemäß bezeigen kan.“ Vorrede, in: Ebd., o.SZ. 182 Vgl. Art. Tabelle, Zedlers Grosses Universal-Lexicon, Bd. 16, Sp. 1285–1296. 183 Steiner, Ordnung der Geschichte; Jehl, Geschichte des Lasterschemas. 180

62  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung

Abb. 3: Wickmann, Einleitung (1735)

Die Affekte stünden, so Wickmann, in einem relationalen Verhältnis zueinander. Jeweils einer sei dominant, ein zweiter durchaus präsent, der dritte Affekt in der Regel aber würde nicht „gespühret“.184 Um das anvisierte Ziel zu erreichen, jeden Menschen zu einem tüchtigen Mitglied der Gesellschaft zu erziehen, sollten die potentiell bedrohlichen Affekte gestaltet, unterdrückt und „tractiret“ werden.185 Geldgeizig seien insbesondere die Temperamente „Cholerico-Melancholi184 Wickmann,

Einleitung zu der Nöthigen Erkäntnuß, S. 2. da ein jeder Mensch, so ein tüchtiges Membrum reipublicae benè constituae seyn, und sich als ein bonus civis gegen andere, denen principiis & praeceptis Juris naturalis gemäß bezeigen will, alle Actiones, (welche sonst von der verderbten Natur, oder denen herrschenden Haupt-Affecten dirigiret werden,) dahin zu richten hat, damit selbige einen guten Endzweck und Ausgang erreichen; So ist ja unumgänglich vonnöthen, dass ein jeder sich selbst und seinen Nächsten erkenne, und sowohl seine eigene Regungen oder Neigungen unterdrücken, als auch mit andern Menschen in civili societate umzugehen, und alle Negotia und Affairen mit gutem Success zu tractiren wisse.“ Ebd., S. 60 f.

185 „Dann

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  63

cus“ oder „Sanguineao-Melancholicus“. Daraus entstünde im ersten Falle eine „Ambitioso-Avarus“, im zweiten Falle ein „Avaro-Voluptuosus“.186 Bei Geldgeiz dominiere „Heucheley“ über „wahrer Gottesfurcht“, „Großsprecherey“ über „Demut“, „interessirte Dienstbarkeit“ und „Prostitution“ über „Liebe der Ehre und Reputation“.187 Ein Geldgeiziger sei von Gewinnsucht, Undankbarkeit sowie „gewinnsüchtiger Mühsamkeit“ geplagt. Er leide Durst und Hunger, „wann es aus eigenem Beutel gehet, sonst aber, wenn auf anderer Unkosten gezehret wird, so leckt ein Avarus Schüssel und Teller ab.“188 Mäßigkeit, Nüchternheit und Sparsamkeit suche man bei einem solchen Menschen vergeblich, er sei auf Geld und Gold fixiert. Das Verhältnis des Geizigen zu Kindern beschreibt Wickmann als diszipliniert, kalt und wenig förderlich. Allerdings „scharret und kratzet er alles zusammen, dass er ihnen nach dem Tode ein grosses Vermögen hinterlassen kön­ ne.“189 Geizige Kinder wiederum liebten ihre Eltern nicht und würden diese permanent übervorteilen und betrügen. Um Wickmanns Einschätzung besser zu verstehen, ist es notwendig, sich noch einmal die christliche Verdammung des Geizes und der Habsucht vor Augen zu führen. Die mittelalterlichen Diskurse über die Gefahren der Geldliebe hatten die kanonischen Bibelstellen stetig zitiert, interpretiert und kommentiert. Die Möglichkeit der Liebe zum Geld, die keine Grenzen kenne, galt als ein gewichtiges Problem im Alten und Neuen Testament: „Wer Geld liebt, wird Geldes nimmer satt, und wer Reichtum liebt, wird keinen Nutzen davon haben.“190 Geld zu lieben, bedeute der Sünde Einlass ins Leben zu gewähren. Geiz und Habgier, die Todsünde avaritia, seien die Wurzel allen Übels und hätten schlimme Folgen.191 Die Jagd nach Geld verführe den Sünder dazu, den eigentlichen Herrn, Gott, zu vergessen: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“192 Geldliebe war demzufolge eine „immoderatus amor“, eine nicht angemessene Liebe zu einem Objekt, die aus einer mangelnden Kontrolle der menschlichen Leidenschaften resultieren konnte.193 Diese Konzentration auf das Geldobjekt führe in einem avarus dazu, so die mittelalterliche Deutung, dass er kein moralisches Leben mehr 186

Ebd., S. 10. Ebd., S. 11. 188 Ebd., S. 13. 189 Ebd., S. 30  f. Im Ehestande verhalte sich der Avarus folgendermaßen: „Trauet seiner Ehefrau in keinem Stück, weder in der Liebe, noch in dem Haus-Westen. In welchem letztern er insonderheit argwöhnisch ist, und dahero derselben wenig in die Hände giebt, so, dass sie über keine Sache die geringste Disposition hat, sondern in allen und jeden von des Ehemannes seinem Arbitrio dependiren, und folglich auch alle Pfennige berechnen muß.“ Eine Ehefrau wiederum: „Ist eine geitzige Frau, sehr vortheilhafftig, und suchet den Ehemann in allen zu betrügen, um damit sie ihre bona receptia nur desto besser vermehren, und ihren Beutel spicken möge.“ Ebd., S. 29 f. 190 Prediger 5, 9. 191 1. Tim. 6, 10. Vgl. zu diesen Überlegungen auch: Frevert, Greed and Avarice. 192 Matthäus 6, 24. 193 Newhauser, Love of Money, S. 318. 187

64  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung führen könne, da er von der Sünde „geblendet“ sei und nicht stoppen könne, immer neuen Reichtum anzuhäufen.194 Diese mittelalterliche Verdammung der avaritia war auch bei Wickmann noch deutlich präsent. Wickmanns Überlegungen standen in direkter Tradition, bis zur wortwörtlichen Kopie,195 zur Affektenlehre und dem Lasterschema, das Thomasius in seinen am Ende des 17. Jahrhunderts gehaltenen Vorlesungen entwickelt hatte und die zum Referenzpunkt einiger zu Beginn des 18. Jahrhunderts publizierter Anstandsbücher wurden.196 Der Jurist und Philosoph Christian Thomasius (1655–1728) hatte unter anderem in seiner Schrift Von der Artzeney wider die unvernunfftige Liebe und der zuvorher nöthigen Erkäntnuß sein Selbst, oder: Ausübung der Sittenlehre (1696) die Laster tabellarisch nebeneinander gestellt, miteinander verglichen und bemessen, welches Laster schwerer wog.197 Jeder Mensch bestehe aus vier Haupt-Temperamenten (Cholericum, Melancholicum, Sanguineum, Phlegmaticum) und aus drei Haupt-Affekten (Wollust, Ehrgeiz und Geldgeiz), so Thoma­ sius in Anlehnung an die Humoralpathologie.198 Geldgeiz dominiere vor allem das „hohe Alter“199 und ein Geiziger sei „filtzig/unbarmherzig und knickerig […] Schalcksnärrisch/Schmarotzerisch“.200 Von anderen Affekten, vor allem von der von Thomasius hochgeschätzten vernünftigen Liebe, unterscheide sich der Geldgeiz deutlich, finde aber im „knechtischen Stolz und närrische(r) schma­rot­ze­ri­ sche(r) Sclaverey“ sogar Gemeinsamkeiten mit der Wollust und dem Ehrgeiz.201 Selbstbeschränkung und Mäßigung könnten die drei negativen Affekte beherrschen, diese wohl proportionieren und der vernünftigen Liebe zur Entfaltung verhelfen, so der Frühaufklärer Thomasius. Was bedeuten diese Darstellungen der Affektregulation für eine Geschichte, die das Verhältnis von Kindern und Geld untersucht, wenn sie kaum dezidierte Bezüge zu Kindern aufweisen? Dafür ist es notwendig, die Rezeptionswege der Affektenlehre näher zu betrachten. Während sich Thomasius und Wickmann in der 194 Ebd.,

S. 319. Erst allmählich hatte sich im Hochmittelalter die Kritik an der avaritia zu einer Kritik am Geld allgemein verschoben. Alcuin, der Berater Karl des Großens, formulierte: „Avaritia ist die Begierde, zu viel Reichtümer zu erlangen, zu haben und zu behalten, was ein unersättliches Verderben ist. Wie der Wassersüchtige, der, je mehr er trinkt, umso mehr nach Wasser verlangt, so will die avaritia umso mehr erlangen, je mehr sie schon erlangt hat.“ Alcuin, Liber de virtutibus et de vitiis, c. 30, MPL 101, Sp. 634; zit. nach: Emmerich, Geiz und Gerechtigkeit, S. 193 f. Kartschooke, Regina pecunia, S. 184; vgl. Newhauser, Early History of Greed. Geld sollte zuerst der Deckung der Grundbedürfnisse dienen. Jegliche darüber hi­ naus gehende Summe galt es als Almosen für die Armen zu verwenden. Rehm, Avarus, S. 137. 195 Wickmanns Titel ist eine Reminiszenz an Thomasius Spiegel der Erkäntniß von 1710. Auch der Aufbau des Textes verdankt Thomasius viel. Vgl. dazu Vollhardt, Selbstliebe und Geselligkeit, S. 230–234. 196 Ebd., S. 31. 197 Thomasius, Der Artzeney Wider die unvernünfftige Liebe; Vgl. weiteres über Thomasius: Kittsteiner, Entstehung des modernen Gewissens, S. 254–267; Schneiders, Naturrecht. 198 Allgemein zur philosophiegeschichtlichen Entwicklung des Affektendiskurses bis ins 18. Jahrhundert vgl. Newmark, Passion; Steiger, Passion. 199 Thomasius, Der Artzeney Wider die unvernünfftige Liebe, S. 163. 200 Ebd., S. 165. 201 Ebd., S. 167.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  65

gewählten Form an gebildete, sehr ausgewählte Leser wandten, wurden die Grundzüge von Thomasius Lasterschema ab den 1720er Jahren in den Moralischen Wochenschriften verbreitet. Der Haupttenor der im 18. Jahrhundert überaus beliebten Wochenschriften war die Gestaltbarkeit des Menschen vor dem Hintergrund der sich entwickelnden städtischen und bürgerlichen Gesellschaft.202 Sie umfassten Texte und kleine Geschichten aus den Bereichen Moral, Unterhaltung, Wissenschaft, Satire und eben auch Erziehung. Ähnlich der Thomasiusschen Sicht, wurde die Beschaffenheit des Menschen, vor allem seine Willensunfreiheit, nun nicht mehr religiös begründet und als unveränderlich definiert, sondern anthropologisch erklärt. Im Zusammenhang von Lebensführung und Selbstbeobachtung kam der Frage der Erziehung damit eine wichtige Rolle zu.203 Die beiden in London von Joseph Addison und Richard Steele publizierten Zeitschriften The Tatler (1709–1711) und The Spectator (1711–1712; 1714) verfolgten ein mit den deutschen Wochenschriften vergleichbares Ziel: die Erneuerung der moralischen Ordnung und die Anleitung angemessenen Verhaltens der middle classes. Neben vereinzelten Informationen über das ökonomische und politische Zeitgeschehen fanden sich in den drei bis sechs Mal wöchentlich ­erscheinenden Zeitschriften Artikel der beiden Herausgeber, die sich mit Geld, angemessenem Konsum, Geschlechterfragen, Erziehung und gutem Geschmack be­fassten.204 Ökonomische Vorstellungen standen in den Zeitschriften beider Länder neben moralischen Ordnungsmustern. Narrative Negativbeispiele von adeliger Verschwendung und Luxus wurden durch positive Beispiele von bürgerlicher Sparsamkeit und guter Erziehung gespiegelt. Die Auffassung, dass jeder, wenn er oder sie nur sparsam haushalte, fleißig strebe und redlich arbeite, für das eigene pekuniäre Wohlergehen verantwortlich gehalten werden könne, manifestierte sich in der Konzentration auf das bürgerlich-moralische Verhaltensideal, das die deutschen und englischen Zeitschriften kontinuierlich verfolgten.205 Reichtum und Wohlstand, Konsum und angemessene Geselligkeit gehörten zum Verhaltens- und Ausstattungskatalog wohlanständiger Bürger und Bürgerinnen.206 Geiz, Habgier und Verschwendung galt es weiterhin zu vermeiden, so ein Artikel in der Hamburger Zeitschrift Der Patriot von 1725: Niemahls ist die durchgängige Klage über Geld-Mangel grösser gewesen, als itzund; und niemahls sind häuffigere Gelegenheiten recht mit Fleiß erdacht worden, das Geld unnöthiger Weise wegzugeben, als itzund ebenfalls. […] Es kann auch unmöglich anders seyn, so lange wir den rechten Wehrt des Geldes nicht kennen, als daß wir damit entweder geitzig, oder gar zu freygie202 Steiger,

Individuum und Staatsbürger, S. 140. Vgl. auch Martens, Botschaft der Tugend; Brandes, Moralische Wochenschriften. 203 Steiger, Individuum und Staatsbürger, S. 153. Steiger bezeichnet die Erziehungsvorstellungen der Wochenschriften überspitzt, und damit meines Erachtens auch zu funktional, als „eine umfassende Abrichtung des Menschen zum Nutzen der politisch-ökonomischen Gemeinschaft.“ Ebd., S. 148. 204 Zu Erziehungskonzepten im Tatler und im Spectator vgl. Müller, Framing Childhood, S. 69  f. 205 Martens, Botschaft der Tugend, S. 311. 206 Ebd., S. 316  f.

66  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung big sind. Die allerwenigsten wissen, wie sauer es ihren Eltern geworden, ihnen ein gewisses ­Eigenthum hinterlassen zu können, und befürchten daher kaum eine Möglichkeit, daß es ihnen jemahls am Gelde fehlen werde. Die durchgehends natürliche Liebe zu den Ergetzlichkeiten starcket sie in ihrer Verschwendung noch mehr, und sie kommen selten eher zur Erkenntniß, als wann es bereits zu spät ist, mit dem sparen den Anfang zu machen. Andere hingegen, die sich von Jugend auff kümmerlich durchgearbeitet, und durch eigene Emsigkeit einen Vorraht gesammlet haben, sind der Versuchung unterworffen, das Geld gar zu hoch zu halten. Eine übermässige Furcht, in einigen Mangel zu verfallen, macht sie dermassen darauff erpicht, daß sie, auch bey dem grösten Ueberfluß, sich arm zu seyn bedüncken, mit ihrem Gold-Klumpen, bevor sie todt sind, nicht den geringsten Nutzen schaffen, und selbst so zu sagen nichts anders davon geniessen, als allein zu ihrer Beerdigung.207

Der unbekannte Autor dieser Zeilen skizzierte die Gefahren des Vermögens, mit denen die jungen Erben konfrontiert waren, in zeitgenössisch üblicher Weise. Die Erben hätten keine Erinnerung an die Mühen der Eltern, das Geld zu sparen und seien den Verlockungen des sich ausweitenden Konsummarktes ausgesetzt. Diejenigen wiederum, die mit eigenen Mühen etwas Geld beiseitegelegt hätten, seien in Gefahr, dem Geld eine zu große Bedeutung zukommen zu lassen. Dieses Thema wurde im Patriot mehrfach erwähnt und gehörte zu den rituell wiederholten Beschreibungen der Gefahren für bürgerliche Familien. Der Kaufmann wurde von den oftmals anonymen Verfassern sowohl in den deutschen als auch in den englischen Wochenschriften als Verkörperung paradigmatischer bürgerlicher Tugend und Rechtschaffenheit gezeichnet.208 Sein erfolgreicher Umgang mit Geld, seine Rechenhaftigkeit und seine Anpassungsfähigkeit an die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen waren Teil des generellen bürgerlichen Leitbildes. Das Schreckbild stellte dagegen das ökonomische Scheitern dar und viele Artikel thematisierten sowohl den finanziellen Ruin als auch die Strategien, diesen frühzeitig zu verhindern. Die monetäre Erziehung von Kindern wurde zum Heilmittel gegen spätere ökonomische Fehltritte erklärt. Die Söhne von Kaufmännern würden ansonsten die Erbschaft durchbringen und bald vor dem finanziellen Kollaps stehen, so 1724 Der Patriot.209 Kinder, die ein Vermögen erbten, so dieselbe Zeitschrift ein Jahr später in dem schon erwähnten anonym verfassten Artikel, seien besonders gefährdet, „gantz ausserordnetlich geitzig“ oder „gäntzlich verarmet und verkommen“ zu werden.210 Auch Richard Steele beschrieb 1711 im Spectator den Fall eines Mannes, der ein Gut erbte, aber damit nicht umgehen konnte, so dass er mit fünfzig Jahren auf der Straße betteln musste.211 Im Patriot vertraute man frühzeitig auf die Gabe von Taschengeld an Kinder als Mittel gegen diese Fälle von monetärem Fehlverhalten: „Vertrauet euren Kindern bald anfangs etwas Geld an, und lasset euch von der Ausgabe desselben or207 Der

Patriot, Stück 97, Donnerstags, den 8ten November 1725, abgedruckt in: Der Patriot, Bd. 2, S. 362–364. 208 Martens, Botschaft der Tugend, S. 305. 209 Der Patriot, Stück 10, Donnerstags, den 9ten Mertz, 1724, abgedruckt in: Der Patriot, Bd. 1, S. 86. 210 Der Patriot, Stück 97, Donnerstags, den 8ten November 1725, abgedruckt in: Der Patriot, Bd. 2, S. 368. 211 Spectator 82, Monday, June 4, 1711, zit. nach: Mackie (Hrsg.), Commerce, S. 207.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  67

dentlich Rechnung thun, um bey solcher Gelegenheit sie den rechten Gebrauch davon zu lehren.“212 Auch im Leipziger Socrates (1727–1728) setzten die Autoren dezidiert auf die ökonomische Erziehung anstelle der adeligen Ausbildung im Fechten oder Reiten.213 Parallel zu den popularisierten Versionen der Affektenlehre im ersten Drittel des 18. Jahrhundert betonte der Hallesche Philosoph und Mathematiker Christian Wolff (1679–1754) in seiner Schrift Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen (1720), dass sich die monetäre Ausgeglichenheit des Menschen – seine Eingaben und Ausgaben – von der erfahrenen Erziehung ableite.214 Entgegen der affektregulierenden und für den Ausgleich der Leidenschaften plädierenden Lehre von Thomasius und Wickmann bevorzugte der Philosoph, wie die ­Autoren der Wochenschriften, das praktische Erlernen der Rechenhaftigkeit: In der Jugend sei es notwendig, den Umgang mit Geld zu üben. Besonders als Student sei es schwer genug, den Wechsel der Eltern so zu kalkulieren, dass er für die kom­menden Monate reichen würde. Dies gehe nur allzu oft schief, weil die Studenten vergäßen, ihre Ausgaben zu kontrollieren, so Wolff: Daß nun insgemein viele so wohl auf Academien, als anderswo, in Schulden gerathen und endlich wohl gar verarmen, kommet daher, daß sie diese Regel aus den Augen setzen. Denn so geben sie aus, so lange sie Geld haben, wo es nicht nöthig wäre, und machen bey den nöthigen Ausgaben Schulden. Auf ihre künfftige Einnahme borgen sie, und bisweilen mehr als einmahl, so, daß sie nach diesem schon doppelt so viel ausgegeben, als die Einnahme austraget, und diese daher nicht zulanget, die Schulden abzutragen.215

Alle Beispiele – Thomasius, Wickmann, Wolff sowie die englischen und deutschen Zeitschriften – bezeugen eine deutliche Aufmerksamkeit gegenüber den Gefahren des Geldmediums und beschreiben in Anlehnung an die Lasterschemata den Umgang mit Geld als eine von Emotionen geleitete Handlungsweise. Während Wickmann und Thomasius noch deutlich vom erstrebenswerten Gleichgewicht der menschlichen Leidenschaften redeten, infolgedessen Geiz und Habsucht kontrolliert würden, wurden die Emotionen in den Wochenschriften zum Objekt der Erziehung. Erste Vorschläge zur Gabe von Taschengeld waren zwar noch selten, aber mit der Aufklärung sollte das Thema deutlich an Gewicht gewinnen. Philanthropische Pädagogen begannen die Möglichkeiten nützlicher Erziehung im Zusammenhang mit sozialer Mobilität und als Gegenentwurf zur 212 Zit

nach: Martens, Botschaft der Tugend, S. 310. Ähnlich: „Sparen aber und arbeiten müssen sie alle, dafern sie gleich noch so bemittelt wären, auch ihre Kinder zu beydem anhalten. Sie können nicht wissen, in was für einen Stand sie oder die Ihrigen durch allerhand sehr gewöhnliche Veränderungen noch dereinst gerahten dürfften.“ Der Patriot, Stück 97, Donnerstags, den 8ten November 1725, abgedruckt in: Der Patriot, Bd. 2, S. 367. 213 Martens, Botschaft der Tugend, S. 307. 214 „§ 535. Es ist demnach das beste Mittel in der Welt sich ehrlich fortzubringen, wenn man sich von Jugend auf gewöhnet seine Ausgabe nach der Einnahme zu reguliren. Und ist es nicht undienlich, wenn man gleich Kindern etwas Geld zu ihrer Disposition giebt, und sie die Eintheilung so machen lasset, daß sie auf eine gewisse Zeit damit auskommen, auch wohl gar sie nach der vorhin (§ 532) vorgeschriebenen Maasse Rechnung darüber führen lasset.“ Wolff, Vernünfftige Gedancken, S. 364. 215 Ebd., S. 365  f.

68  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung aristokratischen klassischen Erziehung zu diskutieren und in Reformschulen auszuprobieren.

Aufgeklärte Erziehung: Philanthropische Praktiken des Geldes Die deutsche Aufklärungspädagogik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war vielfach identisch mit der philanthropischen Reformpädagogik. Deutsche Pädagogen und Schulreformer, wie Johann Bernhard Basedow (1724–1790), Johann Heinrich Campe (1746–1818), Ernst Christian Trapp (1745–1818) und Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811) plädierten mit ihren Schriften und Schulen für ein Erziehungsprogramm, das Schüler in nützliche Bürger – es handelte sich mehrheitlich um Jungen – und Bürgerinnen verwandeln und für die armen Kinder die Anleitung zur Arbeitsamkeit beinhalten sollte.216 Basedow leitete von 1774 bis 1793 in Anhalt-Dessau das überkonfessionelle und internationale Philanthropin für adelige und wohlhabende bürgerliche Söhne und Salzmann rief 1784, nach einer kurzen Dessauer Beschäftigungsphase, in Weitershausen-Schnepfenthal im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg eine eigene Reformschule ins Leben. Die enge Beziehung zwischen Aufklärungsgedanken und Erziehung in Deutschland führte auch in anderen europäischen Ländern zur Gründung von praxisorientierten Reformschulen. Sie repräsentierten eine Symbiose von vormoderner Affektkultur und der sich formierenden Pädagogik.217 Den aufgeklärten Philanthropen in Deutschland galt Jean Jacques Rousseau zwar als geistiger Mentor ­ihrer reformorientierten Schulprogramme, aber sie wandten sich mit ihren Konzepten deutlich gegen die von Rousseau favorisierte Annahme natürlicher Entwicklung und ausschließlicher Negativsanktionierung des Kindes. Öffentliche Belohnungssysteme verstärkten die zielgerichtete Ausbildung der Kinder zu Menschen, die für sich und die Gesellschaft das Beste leisteten.218 Über die Kontrolle der Affekte sollten die Schüler als Menschen und die Gesellschaft als Ganzes verbessert werden.219 Die positive Bewertung des Tätigseins und der Ausübung eines Berufs wurde mit den ökonomischen Nützlichkeitsvorstellungen und der Arbeit am eigenen Körper verknüpft. Körperliche Erziehung, Naturbeobachtung, Lebenspraxis, eigenständiges Handeln und Belohnung waren die Säulen dieser Reformpädagogik. Die Pädagogen legten den Schwerpunkt auf den Realienunterricht im Rechnen, in Geographie, Geschichte und in den Fremdsprachen. Auch Reiten, Tanzen, körperliche Ertüchtigung und Musik waren zentral für die Ausbildung der Schüler. Die Eliten von morgen sollten von robuster Körper216 Allgemein

zu den Philanthropen: Herrmann, Pädagogik der Philanthropen; Schmitt, Vernunft und Menschlichkeit; ders., Die Philanthropine; Overhoff, Frühgeschichte des Philanthropismus. 217 Die Bezeichnung „Pädagogik“ wurde um 1770 immer populärer. Lempa, Bildung der Triebe, S. 61. 218 Benner und Kemper, Theorie und Geschichte der Reformpädagogik, Teil 1, S. 158. 219 Begemann, Furcht und Angst im Prozess der Aufklärung. Zentral gesammelt finden sich die Positionen der Philanthropen in: Campe, Allgemeine Revision.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  69

lichkeit und weltgewandter Lebensklugheit zugleich sein, so Salzmann, so „daß sie für jeden Stand, in dem sie der Welt dienen sollen, brauchbar sind.“220 Die räumliche Perspektive der Philanthropen war, entsprechend der von ihnen getroffenen Aussagen und der von ihnen gewünschten internationalen Schülerschaft, global. Die Welt war der Bezugsraum für die pädagogischen Ideen der Reformer. Dem Vorwurf, dass er mit dieser Methode Menschen zum Eigennutz erziehe, entgegnete Salzmann, dass „auch der würdigste, wohltätigste Mann […] sich seine meisten Arbeiten bezahlen [lasse, S.M.]. Es wäre in vielen Fällen lächerlich, wenn er es nicht tun wollte. […] ich bin nicht gesonnen, meine Zöglinge zu Romanhelden, sondern zu Menschen zu erziehen, die in der Welt, so wie sie ist, glücklich und brauchbar sind.“221 Die anvisierten Eliten der Philanthropen waren männlich, doch fast alle Autoren forderten in ihren Ausführungen eine erweiterte Mädchenbildung und gründeten separate Institutionen für Mädchen. Campes Väterlicher Rath für meine Tochter wurde zu einem Bestseller der Erziehungstheorie, erschien bis 1832 in neun Auflagen und wurde in Raubkopien und Nachdrucken vertrieben.222 In den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend gegründeten „Höheren Töchterschulen“ stand ebenfalls die auf die zukünftige Position ausgerichtete Nützlichkeit der Ausbildung im Vordergrund.223 Peter Villaume, der als Pastor die französische Gemeinde in Halberstadt betreute und zeitweise als Professor für Philosophie in Berlin lehrte, gründete gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Erziehungsanstalt für Frauenzimmer von gesittetem Stande und vom Adel. Die jungen Frauen sollten auf die Ehe vorbereitet werden und erhielten Unterricht im Zeichnen, in Geschichte, Geographie, Deutsch, Französisch und Literatur, Gesundheitskunde, Handarbeiten und Religion. Die Lehrpläne der höchst unterschiedlich ausgestalteten höheren Mädchenschulen umfassten oftmals auch die Grundlagen im Rechnen. Der Philanthrop Basedow selbst formulierte zwar ebenfalls einige Überlegung zur Erziehung von Mädchen, institutionalisierte diese aber nicht. In Schnepfenthal wurden Mädchen dagegen neben dem Hauptgebäude von einem Mitarbeiter Salzmanns unterrichtet.224 Insgesamt aber dominierte für Töchter höherer Schichten weiterhin die Unterrichtung durch eine Gouvernante oder durch die Eltern zuhause. Schon am Ende des 18. Jahrhunderts standen die reformpädagogische Ausbildung von Nützlichkeit, Tugend und Kultur, die edukative Anpassung an die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die optimistische Entwicklungsfähigkeit des Einzelnen zur Disposition. Innerhalb kürzester Zeit wurden die philanthropischen Erziehungskonzepte von neuhumanistischen Pädagogen, wie Ernst August Evers (1779–1823), Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848) 220 Salzmann,

Noch etwas über die Erziehung, S. 256. Ebd., S. 257. 222 Schmid, Klassiker der Mädchenerziehungstheorie, S. 205. 223 Mayer, Anfänge einer institutionalisierten Mädchenerziehung, S. 374; Käthner und Kleinau, Höhere Töchterschulen. Für England: Hilton, Women; Cohen, Girls’ Education. 224 Lempa, Bildung der Triebe, S. 153. 221

70  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung und dem romantischen Philosophen August Wilhelm Schlegel (1767–1845) für ihre Nutzenorientierung stark kritisiert.225 Die Reformen, die von den Philan­ thropen in Schule und Erziehung erprobt worden waren, wurden zudem unter dem Eindruck der gewalttätigen Exzesse der Französischen Revolution in Frage gestellt und machten um die Jahrhundertwende in Deutschland neuhumanistischen Idealen eines allgemeinen Bildungsbegriffs Platz.226 Gleichwohl war auch dieser Bildungsbegriff nicht frei von Zweckbestimmungen, wie an der Diskussion über Mädchenbildung im 19. Jahrhundert zu erkennen ist. Die Bestimmung des bürgerlichen Mädchens zur Hausfrau und Mutter dominierte weiterhin die Zielrichtung der Erziehungsdebatten. Obgleich die Geschichte der Reformpädagogik im 18. Jahrhundert, ungeachtet ihrer internationalen Wirkung, letztlich episodenhaft blieb, ist sie jedoch für die Geschichte monetärer Erziehung unerlässlich. Trapp, Campe und Salzmann betonten die Notwendigkeit monetärer Erziehung im Gesamtentwurf ihres Ausbildungskanons: Gesund müssen wir alle sein, die Natur müssen wir alle kennen, richtig zu beurteilen, brav und tätig zu sein, ist uns allen nötig, Geographie, Geschichte, Mathematik, Physik, die französische Sprache und die Anfangsgründe der lateinischen müssen wir, falls wir nicht zum Pöbel gerechnet sein wollen, alle wissen, einen festen, agilen, geübten Körper müssen wir alle haben, mit dem Geld müssen wir alle weislich umgehen, es erwerben, gut anwenden und es zu Rate halten können, wir mögen Gelehrte oder Offiziere, oder Kaufleute sein.227

Die Grundlage des Umgangs mit Geld sahen die Philanthropen im Erlernen von gegenwärtigem Verzicht zugunsten einer zukünftigen Ausgabe. Die monetäre Erziehung, die sie propagierten, beinhaltete eine temporale Struktur und verknüpfte Geld mit Zeitdimensionen. Die Heranwachsenden sollten darüber die Zukunft als eine biographisch relevante Orientierung erlernen. Die philanthropische Pädagogik basierte auf der Annahme, dass die jeweilige geschlechts- und schichtspezifische Zukunft für die Kinder und Jugendlichen wahrnehmbar werden musste. „Der junge Mensch ist sinnlich, lebt bloß für den gegenwärtigen Augenblick, genießt bloß das gegenwärtige Gut. Wie machen wirs, daß er sich um die Zukunft küm­ mert?“228, so formulierte der Pädagoge Ernst Christian Trapp den Horizont junger Menschen und betonte die Notwendigkeit, Zukunftsvorstellungen zu lehren. Dies sei die Grundlage weiterer monetärer Erziehungsziele: 225

Ebd., S. 6 f.; vgl. auch: Begemann, Furcht und Angst im Prozess der Aufklärung, S. 23 f. Pädagogisches Denken, S. 119. 227 Salzmann, Noch etwas über die Erziehung, S. 259  f. Vgl. auch Bock, Lehrbuch zur Erziehungskunst, S. 219: „Eben so zuträglich sind auch jeder Jugend einige mathematische Kenntnisse, die nicht nur zu fernern Erweiterung, Aufklärung und Schärfung des Verstandes überhaupt; sondern auch zu künftigen nützlichen Beschäftigungen für den Staat, und in eigenen Angelegenheiten, sehr viel beytragen.“ 228 Trapp, Versuch einer Pädagogik, S. 9. Der erste Lehrstuhl für Pädagogik und Philosophie wurde 1779 in Halle eingerichtet und mit Ernst Christian Trapp besetzt. Dem Professionalisierungsschub war allerdings nur wenig Erfolg und Unterstützung beschieden. Aufgrund von Anfeindungen der Kollegen, mangelndem Interesse der Studenten und fehlendem schriftstellerischem Erfolg erfragte Trapp seine Entlassung aus der Universität. Brachmann, Der pädagogische Diskurs, S. 14. 226 Herrmann,

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  71 Alles Bestreben der Kinder geht auf unmittelbaren augenblicklichen Genuß; von Aufschub wollen sie nichts wissen. Um die Zukunft bekümmern sie sich nicht. Sie können auch keinen Begriff davon haben, weil ihr Horizont zu eng ist, und keine Lust hineinzuschauen, weil sie des Gegenwärtigen zu voll sind. Ein Blick in die Zukunft giebt ihnen nur Ideen und sehr matte; der Genuß des Gegenwärtigen giebt ihnen Empfindungen, und sehr lebhafte.229

Die Abstraktion der Zukunft und die gefühlte Präsenz der Gegenwart seien nur schwer zu überwinden. Man müsse Kinder für etwas interessieren, was noch nicht vorhanden sei: „Wir müssen dem Genuß des Gegenwärtigen Hindernisse in den Weg legen, wenn wir Kinder für das Abwesende interessieren, und ihnen die entfernten Güter reizend und wichtig machen wollen.“230 Die von Trapp formulierte temporale Perspektive auf Güter spiegelte die aufschiebende Funktion des Geldes wider. Mit der Sicherung von Münzen würde eine zeitliche Verzögerung produziert und auf etwas verwiesen, das zu wünschen, zukünftig gegen Münzen zu tauschen und dann zu genießen sei. Den Pädagogen war durchaus bewusst, dass dies keine einfache Aufgabe war, die in eindimensionalen Handlungsanweisungen ihren Niederschlag finden konnte. Folglich bemühten sie sich um eine vernunftgelenkte Einsicht und eine Habitualisierung der von ihnen favorisierten Praktiken der Sparsamkeit. Die Verknüpfung von Geld und Zukunft war keine Erfindung der deutschen Philanthropen. Aber die explizite Thematisierung der temporalen Perspektive in einer Form, die im 19. Jahrhundert Erziehung zur Sparsamkeit heißen würde, war ein Novum in der Auseinandersetzung über Kindererziehung. Im Unterschied zu den Ergebnissen von Jan de Vries, der den sich ausweitenden Konsumoptionen im 18. Jahrhundert eine erhebliche Triebkraft in der Ausbildung der kapitalistischen Mentalitäten zuspricht,231 thematisierten die hier angeführten Pädagogen eher die staatswissenschaftliche Dimension der Ausbildung zukünftiger Bürgerinnen und Bürger, die die ökonomische Vernunft beinhalten sollte. Keineswegs war jedoch die Regulierung des Konsums die wichtigste Schubkraft hinter den monetären Erziehungsdebatten der Philanthropen. Allerdings befanden sie sich mit ihrer Ausrichtung auf die Zukunft in der Gesellschaft von Philosophen, die die Zukunft zunehmend als ein menschheitsgeschichtliches und ökonomisches Thema von Bedeutung entdeckten.232 Der Königsweg zur Realisierung der Bedürfnisverschiebung lag in den Worten der Pädagogen zuallererst im steten „Üben“ der erstrebten Verhaltensweisen. Alle deutschen Pädagogen betonten die Notwendigkeit, frühzeitig mit den Übungen für die zukünftigen Tätigkeiten zu beginnen:233 Je gleichartiger das, was wir thun, mit dem ist, das wir thun sollen, desto leichter, geschwinder und besser lernen wir das letztere thun; desto eher legen sich Dispositionen und Fertigkeiten dazu an. Gehen lernen wir durch Gehen, Schreiben durch Schreiben, Tanzen durch Tanzen, Erziehen durch Erziehen, sparen durch Sparen, verschwenden durch Verschwenden, erwerben durch Erwerben.234 229 Trapp, Versuch

einer Pädagogik, S. 138 f. Ebd., S. 163. 231 De Vries, Industrial Revolution and Industrious Revolution, S. 10; 40–72. 232 Hölscher, Die Entdeckung der Zukunft, S. 49–55. 233 Vgl. auch: Basedow, Methodenbuch für Väter und Mütter, S. 99–100. 234 Trapp, Versuch einer Pädagogik, S. 158  f. 230

72  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Die jeweilige Ausführung war geschlechtsspezifisch determiniert und die Differenz leitete sich aus der anvisierten zukünftigen Funktion ab. So lautete es bei Trapp „daß man sie das als Kinder und Jünglinge thun lasse, was sie als Männer thun sollen“ 235 und Campe empfahl den Mädchen: „üben […] und zwar regelmäßig und unablässig üben“236 Nach und nach könne das Mädchen immer mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen, so dass sie lerne, was im Haushalt zu tun sei, was angeschafft und was verbraucht werden müsse. Die Performanz des Zukünftigen bestimmte auch die Ausbildung der Schüler in den Reformschulen. Die körperliche Bewegung und die Beschäftigung mit Dingen und Tieren nahmen einen großen Raum in den täglichen Übungen ein. Basedow und Salzmann legten beide besonderen Wert darauf, ihre Schüler beim Arbeiten zu beobachten, um so zu weiterer Erkenntnis der Person zu gelangen: „Man lasse den Menschen handeln, so erfährt man, wer er ist!“237 Das Handeln wurde von Schulleitern und Lehrern bewertet und über ein Belohnungssystem sanktioniert. Die Basedow’sche Meritentafel war eine öffentlich ausgehängte Tabelle, in der Erfolge und Misserfolge der Schüler notiert wurden. Für positive Handlungen bekam der Schüler eine Marke, für negative musste er welche abgeben. Dieses System der Belohnung und Bestrafung überführte Salzmann nach Schnepfenthal und rüstete es monetär auf. In bürgerlicher Abgrenzung zum Philanthropin Dessau – wo es „Standes-, Reichtums- und Meritentage“238 gab – wurde in Schnepfental Leistung vor allem mit Geld aufgewogen. Basedow hatte sich mit seiner Schule auf die Adelserziehung konzentriert und in seinem Methodenbuch darauf hingewiesen, wie durch seine Erziehung Geiz und Verschwendung der Prinzen verhindert werden könne.239 Ein- und Ausgaben der vom Fürsten bereit gestellten finanziellen Mittel müssten verzeichnet und kontrolliert werden. Lehrer und Gesellschafter sollten den Prinzen testen, ihn zu Ausgaben verlocken und ihn beraten. Des Weiteren betonte auch er, dass die Schüler sich an den Geldgebrauch zu gewöhnen hätten, weshalb er Eltern und Kindern kleinere Summen als Taschengeld empfahl, dessen Verwendung in einem Rechnungsbuch vermerkt und kontrolliert werden sollte.240 Salzmann ging darüber hinaus und entlohnte seine Schüler für kleinere Arbeiten im Garten oder am Haus. Das Geld, das die Schüler durch ihre Arbeiten verdienten, sammelten sie in einer eigens dafür eingerichteten Kasse und vermerkten den Kassenstand in einem Rechnungsbuch, die beide wöchentlich überprüft wurden: Es wird ein Buch beigebracht, in dem sehr sorgfältig angemerkt ist, wie stark eines jeden Vermögen sei, wie viel Anteil er am Taubenschlage, am Forellen-, am Karpfenteich, an der Schafherde u.s.w. habe, wieviel es an barem Geld besitze? Jeder durchzählt seine Kasse, es wird untersucht, 235

Ebd., S. 157.

236 Campe, Väterlicher

Rath für meine Tochter, S. 320. Noch etwas über die Erziehung, S. 256. 238 Benner und Kemper, Theorie und Geschichte der Reformpädagogik, Bd. 1, S. 156. 239 Basedow, Methodenbuch für Väter und Mütter, S. 62–65. 240 Ebd., S. 129. 237 Salzmann,

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  73 wie sich die Kasse eines jedes vergrößert oder vermindert habe. Und der springt am höchsten, dessen Kasse den größten Zuwachs erhalten hat.241

Das Führen einer eigenen Kasse verband Salzmann mit der Bedürfnis aufschiebenden Wirkung, die er für die Erziehung von Kindern für notwendig erachtete. Unüberlegtes Kaufen und Konsumieren dessen, „was ihnen vorkommt, und was ihre Lüsternheit verlangt“, könne damit unterbunden werden, so Salzmann nun doch mit Blick auf die Konsumangebote. Dem Erzieher ermögliche dieses Experiment aber auch, die Kinder in ihrer Verschiedenheit zu sehen, in ihrem Zugang zum Erwerbstrieb und zum Eigentum: Er sieht sich nun in den Stand gesetzt, die Maßregeln zu finden, nach denen er jeden Zögling behandeln und die großen Prinzen sowohl als den Kindern des Bürgers unentbehrliche Kunst zu lehren, von dem Geld einen weisen Gebrauch zu machen, die sie nie erlernen werden, solange sie entweder gar kein oder nur geschenktes Geld unter den Händen haben. […] Und wie viele andere Kenntnisse kann der Zögling bei dieser Gelegenheit sich erwerben! Er lernt die Notwendigkeit, die Pfennige zu schätzen, wenn man Goldstücke haben will, bekommt eine Menge ökonomische Einsichten, die kein Mensch entbehren kann, der entweder sein ererbtes Gut erhalten oder sich neues erwerben will; lernt die Münzen und ihren Wert kennen, bekommt Einsichten in das Handlungsgeschäft, lernt rechnen und bekommt richtige Vorstellung von Brüchen und Proportionalrechnungen.242

Ähnlich wie auf der Basedowschen Meritentafel wurden negativ bewertete Vorkommnisse, wie „Unordnung, Unreinlichkeit, schlechte Verwaltung seines Amtes“ verzeichnet und mit „Strafpfennigen“ verrechnet. Salzmann betonte, dass die Strafe nur dann ihre Wirkung entfalten könne, wenn sie vom eigenen Geld bezahlt werden müsste: Wenn die Zöglinge Taschengeld oder andere Geschenke an Geld von ihren Eltern bekämen, so würde diese Strafe von äußerst geringer Wirkung sein, da ihnen die Erwerbung dessen, was sie für Strafe hingeben müssten, gar keine Mühe machte; nach der hier getroffenen Einrichtung aber, muß sich jeder Zögling sein Geld durch Fleiß und Betriebsamkeit selbst erwerben, wozu ihm die nötige Gelegenheit verschafft wird; und dies ist es eben, was diese Geldstrafe wirksam macht.243

Reine Geldgeschenke der Eltern an ihre Kinder lehnte er strikt ab, da dadurch „die Neigung, sich durch eigene Kraft Vermögen zu erwerben“ erstickt würde: „Das Gefühl des Mangels muß die erste Triebfeder sein, diese Begierde in Tätigkeit zu setzen.“244 Kinder, so Salzmann, die Geld zur freien Verfügung hätten, seien untätiger als diejenigen ohne Geld. Dies entspreche dem Unterschied zwischen Zivilisierten und Unzivilisierten im Hinblick auf das Verhältnis zur Arbeit: „Es würde zwischen diesen und jenen ein Unterschied wie zwischen den Europäern, die der Natur ihre Produkte abzwingen müssen, und den Ostindianern sein, denen sie die liebe Mutter Natur ohne Mühe beschert.“245 Arbeit und Tätigsein, das Bezwingen und Ringen mit der Natur garantierte in der Sicht der aufgeklärten Pädagogen die 241 Salzmann,

Noch etwas über die Erziehung, S. 255. Ebd., S. 256 f. 243 Salzmann, Nachrichten aus Schnepfenthal, S. 306. Neben dem Strafgeld wurden emotionale Sanktionen, Prügel, frühes Zubettgehen und zusätzliche Strafarbeiten eingesetzt, um Erziehungsziele durchzusetzen. 244 Salzmann, Noch etwas über die Erziehung, S. 254. 245 Ebd., S. 254  f. 242

74  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Zivilisation. Erst durch die Arbeit am Körper, an den eigenen Bedürfnissen und an der Umgebung finde Entwicklung von Menschen und Gesellschaften statt. Diese durchaus übliche Perspektive auf die europäische und die außereuropäische Welt wurde ergänzt durch die deutliche Kritik an der Aristokratie, den ‚eigenen Wilden‘, denn auch diese musste sich, so die bürgerlichen Kritiker, nicht über eine leistungsbezogene Entlohnung ihrer Tätigkeiten legitimieren. Neben den strengen Überprüfungsverfahren standen Ideen eines eher spielerischen Erlernens pekuniärer Fähigkeiten. Campe, der ebenfalls kurzfristig das Philanthropin leitete, verband einige seiner Bildungsideen mit einem monetären Belohnungssystem. Zum Erlernen des Lateinischen sollten die Kinder mit „Rechenpfennigen“ oder „Naschwerk“ spielen. Das so genannte „Jahrmarktspiel“ sah vor, dass der Lehrer die Verkaufsrunde mit seinem nächsten Nachbarn beginne, indem er ihn zum Verkauf von Waren animierte. Laut Campe sollte dies auf Latein geschehen. Dieser Vorgang wiederholte sich und jeder Verkäufer füllte den Korb mit Waren: Wer eine schon erwähnte Ware nannte, musste für diesen Fehler büßen. Der lateinische Dialog zwischen Verkäufer und Käufer sollte variiert, in verschiedene grammatikalische Fälle gesetzt und die Deklinationen geübt werden. Verbesserte ein Kind einen Mitspieler, erhielt es einen Pfennig. Am Ende des Spieles konnten die Spieler von ihrem Spielgeld, den Rechenpfennigen, „wie für wirkliches Geld, von dem Lehrer etwas Angenehmes kaufen“.246 Die Aufmerksamkeitsverschiebung von den Lasterschemata des frühen 18. Jahrhunderts zu den Meritentafeln am Ende des Jahrhunderts konnte augenfälliger nicht sein. Die utilitaristische Ausrichtung der deutschen Philanthropen auf die zukünftigen Eliten, ihre an Nützlichkeitskriterien orientierte monetäre Erziehung hatte wenig gemeinsam mit der Thomasiusschen Temperamentenlehre. Den Philanthropen ging es nicht mehr um die Sünden und den Lasterausgleich. Obgleich auch sie noch von Leidenschaften redeten, die sich im Umgang mit Geld zeigen konnten, standen buchhälterisches und sparsames Verhalten im Vordergrund. Damit ging das Erlernen temporaler Strukturen einher: Der Unterschied zwischen Gegenwärtigkeit und Zukunft sollte den Kindern zuvorderst vermittelt werden. Nichtsdestoweniger verschwanden die Leidenschaften nicht aus den pädagogischen Diskursen.

„The pleasures of a rational being“: Geldgefühle zwischen Geiz und Verschwendung Die Verbindung zwischen Geld und Leidenschaften löste sich auch in der philanthropischen Pädagogik nicht auf. Die Emotionalisierung des Umgangs mit Geld fand in den pädagogischen Texten des späten 18. Jahrhunderts sogar einen neuen und prominenten Ort. Geiz und Verschwendung blieben weiterhin die entgegen gesetzten Pole im Rahmen möglicher Leidenschaften, in deren Mitte sich Freude und Glück als akzeptierte emotionale Bezüge des Geldes befanden: „Jeder Tag, da 246 Campe,

Sammlung einiger Erziehungsschriften, S. 36.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  75

Kassenrevision ist, jeder Tag, da Besoldung ausgezahlt oder Geld zu einer neuen ökonomischen Spekulation angelegt wird, ist für die ganze kleine Gesellschaft ein Tag der Freude.“247 Die monetäre Freude lag auch Lord Chesterfield am Herzen, allerdings nicht, ohne dass er Bemerkungen zu ihrer Einschränkung machte: „The pleasures of a rational being“, so der Politiker und Schriftsteller Philip Dormer Stanhope (1694–1773), der vierte Earl of Chesterfield, 1749 in einem Brief an seinen Sohn, seien von einer rationalen und angemessenen Ausgabepolitik bestimmt. Dazu zählte er Objekte, wie Bücher, angemessene Geschenke und Gaben an Arme, Ausgaben für Unterkunft, Kleidung und Personal.248 In der Beschreibung seiner positiven Gefühle und ihrer Verschränkung mit der Idee eines rationalen Subjekts tauchten die möglichen Gefahren schon implizit auf. Die Ordnung des Geldes konnte zwar mit Konten und Kassen stabilisiert werden, so auch die Pädagogen, aber das garantierte noch keine emotionale Ordnung. In dem stetigen Bezug auf Mäßigung, das Mittelmaß oder den „geraden Mittelweg“249, offenbarte sich das Wissen um die volatilen Grenzen dessen, was sie beschrieben. Diese Position wurde von vielen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen vertreten. Unabhängig von ihrer Konfession, ihrer Profession, ihrem Geschlecht und ihrer nationalen Herkunft befürworteten alle ein Leben ohne größere monetäre und andere Ausschweifungen. Gefühle für das Geld hielten die meisten für regulierungsbedürftig. Vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Geldverhalten wurde in dieser Form der Pädagogik aufeinander bezogen. Für den Dissenter und radikalen Whig-Politiker James Burgh (1714–1775) war das mittlere Maß zwischen den als extrem bezeichneten emotionalen Ausdrücken des Geizes und der Verschwendung die verhaltens- und erziehungsanleitende Norm. Dieser stellte in seinem Essay On the Management of Children die monetäre Erziehung zur Verhinderung von Verschwendungssucht und Geiz bei jungen Männern dar: A tendency to prodigality in a child is to be curbed as early as possible. For he who will in his youth lavish away half-pence, when he comes to manhood will be apt to squander away guineas. […] Encouraging him to save a piece of money some little time, on the promise of doubling it, and, which is to the same purpose, lessening his allowance (but not by any means depriving him wholly of pocket-money) in case of misconduct; obliging him to give an exact account of his manner of laying out his money, by memory at first, and afterwards in a written account, regularly kept; putting in a purse by itself a penny or sixpence for every penny or sixpence given him, and showing him, from time to time, the sum.250

Die Gefahr einer frühzeitig entwickelten Verschwendungssucht, die im 18. Jahrhundert vor allem als ein Problem der männlichen Jugend diskutiert wurde, fand 247 Salzmann,

Noch etwas über die Erziehung, S. 256. Selection from the Letters of Lord Chesterfield, S. 121. Er empfahl des Weiteren immer mit Geld zu bezahlen, es immer selbst zu tun (nicht das Personal zum Bezahlen schicken) und die Rechnungen regelmäßig zu begleichen. Ebd., S. 122. Die Briefe wurden von Chesterfields Witwe das erste Mal 1794 veröffentlicht. Chesterfield hatte sie nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Sie waren vielmehr pädagogische Ratschläge für seinen unehelichen Sohn, der Mitte des Jahrhunderts die Westminster School besuchte. 249 Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter, S. 309. 250 Burgh, Dignity of Human Nature, S. 71  f. 248 Dormer Stanhope, A

76  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung in den meisten Schriften, die die monetäre Erziehung behandelten, Erwähnung. Hierin artikulierte sich die Angst um die Instabilität des für die bürgerlichen Jungen vorgesehenen Weges in eine gesellschaftliche Herrschaftsposition. Diese Gefahr betonte auch die Schriftstellerin und Kinderbuchautorin Maria Edgeworth (1767–1849): Most parents think that their sons are more disposed to extravagance than theirs daughters; the sons are usually exposed to greater temptations. Young men excite each other to expense, and to a certain carelessness of economy […]. The intermediate state between that of a schoolboy and a man is the dangerous period in which taste for expense is often acquired before the means of gratifying it are obtained.251

Das intermediäre, aber meist geldlose Stadium im Leben der jungen Männer führe zu Vorstellungen, die nicht mit der Herkunft des Schülers oder des Sohnes übereinstimmten, beobachtete darüber hinaus Friedrich Samuel Bock. Eine übersteigerte Bewunderung des Geldes sei zu vermeiden und die eher lose Beziehung zwischen Geld und „Glückseligkeit“ zu betonen.252 Übermäßige Liebe zum Geld entstehe, so Salzmann in seinem Krebsbüchlein, einer Anleitung zu einer „unvernünftigen Erziehung der Kinder“, aus der ungezähmten Lüsternheit. Würden Kinder in ihren Gelüsten vor allem nach Süßwaren nicht gezügelt, benähmen sie sich schlecht und unhöflich. Hätten sie zudem regelmäßiges Taschengeld zur Verfügung, über das sie frei verfügen könnten, sei die Gefahr groß, so der Reform­ pädagoge, dass sich auf Dauer aus ihnen hochverschuldete Studenten und verschwenderische „Julchen“ entwickelten. Sie liefen Gefahr, ihrem Vater, der vermutlich auch keine Übersicht über sein Geld habe, die Gulden aus der Kasse zu stehlen.253 Salzmann entwickelte geradezu eine Genealogie des monetären Fehlverhaltens, die sich von dem planlosen Vater über das ungezähmte Kind zum zukünftig verschuldeten jungen Mann oder zur verschwenderischen jungen Dame spann. Die Fundstellen zum Thema Geiz und Verschwendung in pädagogischen und anderen Quellen sind zahllos, inhaltlich aber weitgehend kongruent. In Übereinstimmung mit dem lexikalischen Seismographen des 18. Jahrhunderts, dem Zedler’schen Universal-Lexicon, wurde Geiz deutlich abgelehnt. Im Artikel „GeldGeitz“ richteten sich die pejorativen Beschreibungen des Geizigen vor allem auf das damit verbundene Verhalten, die Gemütsbewegungen und den Charakter des 251 Edgeworth,

Practical Education, S. 506. Lehrbuch zur Erziehungskunst, S. 152 f. 253 Salzmann, Krebsbüchlein, S. 82  f. Vgl. auch Niemeyer, Grundsätze der Erziehung, S. 196 f.: „Man lehre also: junge Leute vernünftige Sparsamkeit als eine eben so grosse oft sogar für ein wohlwollendes Herz schwere Tugend, als z. B. Wohltätigkeit am rechten Ort; lehre sie Verschwendung als ein würkliches Laster, wenigstens als Quelle vieler Laster […]. Man sey auch schon bey Kindern gegen die ersten Aeusserungen einer leichtsinnigen, nichts achtenden Verschwendung nicht gleichgültig, und lasse Entbehren die unfehlbare Folge des Verschwendens seyn. Denn wenn immer ersetzt wird, was sie verlieren, verderben, vergeuden, wie sollen sie den Werth der Dinge oder des Geldes schätzen lernen? Damit sie aber haushalten lernen, gebe man ihnen bey Zeiten ein kleines Eigenthum, damit sie räthlich umgehn, und wovon sie Rechenschaft ablegen müssen […]. Hat er sich in Vergangenheit durch Borgen und Schuldenmachen usw. gestürzt, so lasse man ihn alles Peinliche dieser Lage empfinden.“ 252 Bock,

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  77

Menschen. „Geld-Geitz“, so das Lexikon, beschreibe eine „unersättliche Begierde nach zeitlichem Vermögen, da man dasselbe zu seinem Endzweck machet, das doch nur ein Mittel seyn solte.“ Der Geizige sei gemein, niederträchtig, wenn auch arbeitsam, „karg und filtzig“ in den Ausgaben und „sein Gemüth“ sei von „beständiger Unlust und Verdrießlichkeit“ geprägt. Weder „Ehre“ noch „Gewissen“ oder „Billigkeit“ hielten ihn von „Ungerechtigkeiten“ ab, wenn er nur seinen Vorteil erkennen könne.254 „Hochmüthige und Wollüstige“ dagegen neigten eher zur Verschwendung von Geld. Verschwendung galt dem Zedler als „dasjenige Laster, wenn man ohne Noth Geld ausgiebet, da es nehmlich weder die Nothdurfft; noch die Commodität; noch der Wohlstand erfordert.“255 Auch der Zedler sah inmitten der Begierden das hehre Ideal der Sparsamkeit verortet: „Was die Verschwendung zuviel thut; das thut die Kargheit zu wenig, zwischen beyden aber steht die Sparsamkeit mitten inne.“256 Um die Wirkung ihrer Ermahnungen zur emotionalen Ausgeglichenheit zu verdeutlichen, illustrierten die Pädagogen die lexikalisch registrierten Leidenschaften mit Beispielgeschichten, die Lebensperspektiven von fehlerhaft erzogenen Kindern präsentierten. Niemeyer beispielsweise betonte die Unausweichlichkeit allgemeiner menschlicher „Fehler“, wie Neid, Eigennutz, Gewinnsucht, Habsucht und Geiz, die eine „sorgfältigste Behandlung nöthig machen“.257 „Furcht vor der Zukunft“, „Misstrauen gegen andre Menschen“, „Reizung der Begierden“, „zu starkes Lobpreisen der Sparsamkeit, der Klugheit im Gewinnen, der Aengstlichkeit im Aufbewahren, der Wachtsamkeit auf eignen Vortheil“: All dies unterstütze Eigensucht, Geiz oder Verschwendung.258 Bei Nichtbeachtung, so Nie­ meyers genealogische Zukunftsvorstellung, könnten diese Eigenschaften fatale Folgen für ganze Familien und Stände haben. Niemeyer warnte davor, „wie wenig Geld und Gut allein glücklich mache“259, und nicht einmal Salzmann, der sich im deutschen Sprachraum am deutlichsten für eine monetäre Kindererziehung aussprach, vergaß die seiner Meinung nach notwendige soziale Einbettung der Geld­ erziehung. So beschreibt er in kritischer Absicht, wie ein Geld liebender Vater ­seinem Sohn Gottfried beibrachte das Geld zu lieben, um glücklich zu werden: „Die seligsten Stunden seines Lebens waren die, in denen er Geld zählte, und diejenigen Tage glaubte er am nützlichsten angewendet zu haben, an denen er das meiste erworben hatte. Glücklich und reich hielt er für gleichviel geltende Wor­ te.“260 Die größte Freude sei der Klang des Geldes: Seinen Sohn versuchte er zu lehren, dass „Rechtschaffenheit, Menschenliebe, […] Tugend“ Possen seien; „süßere Freuden“ aber erfahre man vor allem beim „Klang des Geldes“.261 Gottfried 254 Art.

Geld-Geitz, Zedlers Grosses Universal-Lexicon, Bd. 10, Sp. 719–722. 255 Art. Verschwendung, Zedlers Grosses Universal-Lexicon, Bd. 47, Sp. 1748–1749. 256 Ebd. 257 Niemeyer,

Grundsätze der Erziehung, S. 192. Ebd., S. 193. 259 Ebd. 260 Salzmann, Conrad Kiefer, S. 99. 261 Ebd. 258

78  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung wurde, laut Salzmanns Fabel, seit seinem achten Lebensjahr dazu angehalten, Geld in einer Sparbüchse zu sammeln, ohne es jemals auszugeben. Das einzige Ziel sei die Vermehrung des Geldes gewesen. Gottfried lernte als Junge den Handel, machte Geld aus Allem, verschmähte ein „liebes, schwarzäugiges Mädchen“, weil es kein Vermögen hatte, und verstarb schließlich mit einem kleinen Vermögen von 70000 Talern. „Er hatte zwar von alle dem, was andere Menschen labt, nichts geschmeckt; weder die Freuden der Natur, noch die Religion hatten in sein Herz dringen können – dafür war er auch ein Herr von siebzig tausend Thaler“262, so das kritische Resümee von Salzmann. Diese Geschichte illustriert die Begrenzungen der kindlichen Gelderziehung im 18. Jahrhundert. Die Vorstellung, dass das glückliche Leben ausschließlich auf Geld basieren könne, war zwar denkbar, wurde aber vehement abgelehnt und galt nicht als akzeptables Ziel monetärer Kindererziehung. Keiner der hier behandelten Autoren des 18. Jahrhunderts ging so weit, Geld aus dem gesellschaftlichen Kontext zu isolieren und als alleiniges Mittel zur Glückseligkeit zu beschreiben. Die Ausrichtung monetärer Kindererziehung auf den ‚Mittelweg‘ zwischen Geiz und Verschwendung galt für beide Geschlechter. In der Mädchenerziehung verschoben sich die Argumente teilweise, da die Gefahr der Verschwendung bislang noch vornehmlich als ein männliches Problem wahrgenommen wurde. Campes Katalog der „unentbehrlichen Tugenden“ für Mädchen und junge Frauen umfasste vor allem „Sparsamkeit“ und „Haushältigkeit“.263 Beides galt als Grundlage sowohl der weiblichen Haushaltsführung als auch der Existenz als weiblicher Mensch und Bürgerin: gibst du endlich Jedem, was sein ist, zu rechter Zeit und ohne Verkürzung; dann erfüllst du durch Erwerbsamkeit, Fleiß und Sparsamkeit eine schöne und gute Pflicht, als Mensch und Bürgerinn; dann handelst du besonders deiner Bestimmung zur Hausmutter, zur Vorsteherinn des Hauswesens, ganz gemäß; dann kann dein Trieb zu erwerben und zu ersparen, auch wenn er noch so lebhaft ist, nie in Geiz, wie deine Neigung zur Wohlthätigkeit nie in Verschwendung ausarten.264

Angedeutet werden an dieser Stelle auch die prekären Grenzen zwischen Sparsamkeit und Geiz einerseits und zwischen Wohltätigkeit und Verschwendung andererseits, um deren Klarstellung sich viele Autoren des 18. Jahrhunderts bemühten. Diese empfindliche Übergangsstelle stellte vor allem für Campe eine stetige „Gefahr des Ineinanderfließens“265 dar: Geiz und Sparsamkeit gränzen unmittelbar an einander, und berühren sich sogar in mehr als einem Punkte […]. Denn nur dann erst wird die Sparsamkeit zum Geiz, wenn sie nicht von 262

Ebd., S. 101.

263 Campe, Väterlicher

Rath für meine Tochter, S. 303. „Sparsamkeit besteht in der Sorge für die Erhaltung oder möglich geringste Verschlimmerung und Verminderung Dessen, was man hat, und Haushältigkeit ist die zur Fertigkeit gewordene Geschicklichkeit, das Erworbene zu verwalten und so zu gebrauchen, daß man mit dem mindesten Aufwande den größten Nutzen und die meisten Bequemlichkeiten davon habe, und daß Ausgabe und Einnahme dabei immer in ihrem wohlberechneten Verhältnisse stehen.“ Ebd., S. 303 f. 264 Ebd., S. 310. 265 Ebd., S. 305.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  79 Gerechtigkeit, Mildthätigkeit und großmüthiger Uneigennützigkeit begleitet wird; und nur dann erst artet diese letzte in Verschwendung aus, wenn sie sich von der Sparsamkeit, der Haushältigkeit und der Gerechtigkeit absondert. So lange hingegen diese Tugenden unter sich in einer und ebenderselben Seele in steter Verbindung bleiben, und nicht von einander getrennt werde, hat es weder mit dem Geize, noch mit der Verschwendung Noth, auch wenn die Sparsamkeit an der einen und die großmüthige Uneigennützigkeit an der andern Seite aufs höchste getrieben werden. Denn so nahe auch in diesem letzten Falle die Tugend an das Laster gränzt, so bleiben doch beide, zwar durch feine, aber doch unverkennbare Gränzlinien, geschieden, welche hinreichend sind, die Gefahr des Ineinanderfließens abzuhalten.266

Die Grenze zwischen der Leidenschaft des Geizes und dem rationalen Mittelweg der Sparsamkeit sollte durch edukative Kontrollen aufrechterhalten werden. Diese Kontrolle bezog sich auf die mit dem Geld verbundenen Gefühle, nahmen die Zeitgenossen doch an, dass sich Geizige und Sparsame vor allem durch die Intensität ihrer Geldgefühle unterschieden: „Der Geizige wird dabei von heftiger Leidenschaft fortgerissen; der sparsame und erwerbsame Haushälter hingegen nur von gemäßigter Strebsamkeit getrieben.“267 Die emotionale Intensität war auch die „Scheidewand“, die Campe zwischen dem „edlen Uneigennützigen“ und dem „unedlen Verschwender“ sah: Der Erste gibt mit Weisheit, da, wo es wirklich Noth thut, da, wo es wirklich angewandt ist […]; der Letzte hingegen wirft mit vollen Händen, ohne Absicht, höchstens nur in der selbsüchtigen [sic] und unedlen Absicht aus; sich sinnliches Vergnügen und Befriedigung seiner Leidenschaften zu erkaufen, ohne Hinsicht auf Menschenpflicht und Gemeinnützigkeit.268

Aus der Perspektive der wohlmeinenden Eltern und besorgten Pädagogen konnte die eine Sünde weitere nach sich ziehen. Ein möglicher Kontakt der jungen Männer mit Prostituierten führe zu Spielsucht und diese wiederum habe oftmals weitere Verschuldung zur Folge. Die potentiellen Gefahren waren geschlechtsspezifisch: Während der moralische und körperliche Niedergang einer Frau mit fehlender sexueller Zurückhaltung begann (und meistens in der Prostitution und/ oder im Tod endete), begann der missliche Weg eines jungen Mannes mit Verschwendung und endete oft in der Gosse oder im Gefängnis. Die Gefahren Theophrons, in Campes Ratgeber für die männliche Jugend, leiteten sich aus dem ­außerhäuslichen Berufsfeld, den geselligen Angeboten und den sexuellen Möglichkeiten eines jungen Mannes ab: „Jede heftige, zur Leidenschaft gewordene sinnliche Begierde hat schon an sich die unausbleibliche Folge, daß sie Leib und Seele schwächt.“269 Zu den gefährlichsten Leidenschaften zählte auch er „Spielsucht, Trunkliebe und Unzucht“.270 An sich, so Campe, sei gegen eine gesellige Stunde des Spiels, „eine Geldkleinigkeit“271, nichts einzuwenden. Aber die Gefahr, dass sich daraus eine stetige Sucht entwickle, sei zu groß und deshalb sei die Abstinenz rundweg zu empfehlen. Auch der Übergang zum Betrug verliefe fließend: 266

Ebd., S. 304 f. Ebd., S. 305. 268 Ebd., S. 307  f. 269 Campe, Theophron, S. 51. 270 Ebd., S. 52. 271 Ebd., S. 53. 267

80  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung „Wie leicht und schlüpfrig ist nicht der Uebergang von der Begierde, Andern das Geld aus dem Beutel herauszuspielen, zum Versuche, es ihnen durch Ungerechtigkeit, Betrug und Schelmerei herauszustehlen?“272 Die Debatten über die Spielsucht und den potentiellen Niedergang sind für die noch nicht gefestigte bürgerliche Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Vor allem die deutschen bürgerlichen Schichten sahen auf eine nur kurze Geschichte der Verankerung in der ständischen Ordnung zurück. Sie waren darauf angewiesen, ihre Reputation und Ehre immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen. Zur Demonstration des bürgerlichen Habitus und als Ausdruck des richtigen Geldverhaltens zählte ganz besonders das wohltätige Verhalten. Für die bürgerlichen Kinder gehörten die Übungen der Wohltätigkeit zur monetären Erziehung. In diesem Zusammenhang durfte der Umgang mit Geld ein Anlass zur Freude sein. Die englische Feministin und Philosophin Mary Wollstonecraft (1759–1797) thematisierte beispielsweise, dass Kinder lernen müssten, einen wahrhaftigen von einem vermeintlichen Armen zu unterscheiden.273 Und auch Maria Edgeworth leitete aus der Wohltätigkeit den pädagogischen Effekt ab, damit gleichzeitig eine Vorstellung vom Wert des Geldes zu erlangen: Charity for the poor is often inculcated in books for children; but how is this virtue to be actually brought into practice in childhood? Unless proper objects of charity are selected by the parents, children have no opportunities of discovering them; they have not sufficient knowledge of the world to distinguish truth from falsehood in the complaints of the distressed; nor have they sufficiently enlarged views to discern the best means of doing good to their fellow-creatures. They may give away money to the poor, but they do not always feel the value of what they give: they give counters supplied with all the necessaries and luxuries of life, they have no use for money; they feel no privation; they make no sacrifice in giving money away, or, at least, none worthy to be extolled as heroic. When children grow up, they learn the value of money; their generosity will then cost them rather more effort, and yet can be rewarded only with the same expressions of gratitude, with the same blessings from the beggar, or the same applause from the spectator.274

Die milde Gabe an die Armen fungierte sowohl als Ziel der edukativen Bemühungen, wie auch als Mittel gegen die oben beschriebenen, übermäßigen Geldleidenschaften. Aus den großzügigen bürgerlichen Gaben resultierten „real pleasures”: „The worth of money is to be estimated by the number of real pleasures which it can procure: there are many which are not to be bought by gold; these will never lose their preeminent value with persons who have been educated both to reason and to feel.“275 Campe betonte vor allem Vorstellungen von Gerechtigkeit und Menschenliebe, die verhindern sollten, dass sich Habsucht und Geiz im jungen 272

Ebd., S. 54 f. Vgl. auch: „Schon jetzt sieht mancher junger Mann bei Einkünften, woran noch vor zwanzig Jahren eine angesehene und zahlreiche Familie genug gehabt haben würde, sich durch den ungeheuren Aufwand, den in unsern Tagen ein Hausstand nöthig macht, in die Unmöglichkeit zu heirathen gesetzt; und schon jetzt gerät Mancher durch das zerrüttete Verhältniß zwischen seinen Einnahmen und Ausgaben in Versuchungen zu Unterschleifen, Uebervortheilungen und Schelmereien, weil die Geldnoth, die ihm zusetzt, stärker als seine Tugend ist.“ Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter, S. 317. 273 Wollstonecraft, Original Stories from Real Life, S. 143. 274 Edgeworth, Practical Education, S. 216  f. 275 Ebd., S. 510.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  81

Mann entwickelten: Etwas „Überfluß“ in Gelddingen sei notwendig, so dass man auch Mittel zur Wohltätigkeit erübrigen könne.276 Auch Salzmann verwies auf die bürgerliche Freude bei der, wenngleich beschränkten, Unterstützung der Armen, zu der er seine Zöglinge anhielt: Sogleich stehen alle Kassen offen und ergießen Beiträge. Diese strömen freilich nicht guldenund talerweise zu, es kommen Groschen, auch wohl Kreuzer. Aber diese Groschen und Kreuzer sind wahre Wohltaten, die inneren Wert haben. Denn, liebe Eltern, alle die Wohltaten, die eure Kinder von ihrem geschenkten Geld machen, sind […] weiter nichts als Gaukelei. Wie leicht ist doch wieder zu verschenken, was man erst geschenkt bekommen hat!277

Sogar Immanuel Kant schlug in einer seiner wenigen Notizen zur Taschengeldfrage einen Katechismus mit Beispielen vor, anhand dessen Kinder lernen sollten, was Recht sei. Die Gabe an die Armen stand in der Bedeutung jedoch erst hinter der Begleichung der eigenen Schulden: Z. B. wenn Jemand, der heute seinem Creditor bezahlen soll, durch den Anblick eines Nothleidenden gerührt wird, und ihm die Summe, die er schuldig ist, und nun bezahlen sollte hingiebt: ist das recht oder nicht? Nein! es ist unrecht, denn ich muß frey seyn, wenn ich Wohlthaten thun will. Und, wenn ich das Geld dem Armen gebe, so thue ich ein verdienstliches Werk; bezahle ich aber meine Schuld, so thue ich ein schuldiges Werk.278

Die pädagogische und selbstkonstituierende Funktion des Umgangs mit Armen für Kinder der mittleren und höheren Schichten wurde in dem vermutlich erfolgreichsten Kinderbuch des späten 18. Jahrhunderts The History of Sandford and Merton von Thomas Day (1748–1789) ausführlich thematisiert.279 Es richtete sich an junge LeserInnen und beschreibt die Geschichte des Jungen Tommy Merton, der mit acht Jahren zum ersten Mal die britischen Kolonien verlässt und auf die Insel kommt. Dort werden sein kümmerlicher, verwöhnter Charakter, seine Unfähigkeit zu lesen und seine körperliche Degeneration sichtbar. Als Sohn reicher Eltern, die eine Zuckerplantage auf Jamaika betrieben, war er stets von Dienstpersonal umgeben gewesen und von seiner Mutter verwöhnt worden. Day beschreibt die Erziehung in England als einen Versuch, den imperialen Herren aus Tommy auszutreiben. Seine Rückkehr inszeniert er als eine Übergabe in die Hände weißer Männer. Fortan kümmern sich sein Vater, der Kleriker Barlow und der Farmersohn Harry Sandford um Tommy. Im Unterschied zu Tommy, kann Harry, der Sohn eines Bauern im gleichen Alter, alles, hat aber kein Geld. Er wird als bescheiden, fröhlich, lesend und körperlich aktiv charakterisiert. Harry wird in der Figur eines armen Philosophen präsentiert, während Tommy den reichen, aber dummen König abgibt.280 Zwar pflege Tommy das Bewusstsein, dass er ein Gentleman 276 Campe,

Theophron, S. 286. Weiterhin: „gibst du endlich Jedem, was ihm gebührt, zu rechter Zeit und ohne Verkürzung: dann erfüllst du durch Erwerbsamkeit, Fleiß und Sparsamkeit eine schöne und große Pflicht, als Mensch und Bürger; dann kann dein Trieb zu erwerben und zu sparen auch wenn er noch so lebhaft wirkt, nie in Geiz ausarten, und vor dem Richterstuhle einer gesunden Vernunft nie tadelnswürdig scheinen.“ Ebd., S. 287. 277 Salzmann, Noch etwas über die Erziehung, S. 258. 278 Kant, Über Pädagogik, S. 86. 279 Day, Sandford and Merton. 280 Ebd., S. 11.

82  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung sei, aber aufgrund seines widerlichen Charakters, wie sogar der Vater bemerken muss, fehle es ihm an adäquatem Verhalten. Unter der Anleitung von Barlow und dem als gutes Beispiel fungierenden Harry erfährt Tommy in Folge schmerzhaft und beschämend, dass Bescheidenheit, Großzügigkeit und Dankbarkeit das Leben einfacher und genussreicher machen. Diese Eigenschaften, und nicht das Geld, seien es letztlich, suggeriert Day, die den wahren Gentleman bildeten. Luxus und Reichtum, so das Leitwort auf einer der Titelseiten, seien ohne die Anbindung an die Arbeit verabscheuungswürdig. Am Ende steht die Familie Merton in der Schuld der Familie Sandford, denn nur durch ihre Großzügigkeit konnte sich Tommys Charakter zum Guten wenden. Es ist der Beginn einer nunmehr als gleichberechtigt beschriebenen Freundschaft. Geld ist das fundamentale Distinktionsmittel in dieser Geschichte. Es stellt ­einerseits den impliziten Rahmen der gesamten Geschichte dar und findet andererseits mehrmals explizite Erwähnung in der Narration von der pädagogischen Wandlung des verwöhnten Tommy. Die Präsenz oder Absenz des Geldes ist die wichtigste Differenz zwischen den beiden Familien. Zudem fungieren die Verknüpfung von Geld mit geleisteter Arbeit sowie die Lösung aus der Abhängigkeit von Geld durch die häufig angeführten Subsistenzformen der Armen und ihre Fähigkeiten, Güter und Nahrungsmittel aus dem bestehenden Angebot der Natur zu schaffen, als moralische Delegitimationen der herrschenden Klasse der Großgrundbesitzer. Eine zentrale Stelle inmitten des Romans behandelt die wundersame Wandlung des egozentrischen Tommy in einen uneigennützigen Wohltäter. Ausschlaggebend für die Umkehr ist eine Geldgabe. Beide Jungen sind in einer armen, aber ehrlichen und gastfreundlichen Familie zu Gast. Die Frau des Hauses hatte ihnen ein großzügiges Frühstück angeboten, ohne dafür das von Tommy angebotene Geld anzunehmen. Die beiden werden Zeugen, wie die Familie zusammenzubrechen droht, weil sie Schulden nicht zurückzahlen kann, die der Ehemann vor Jahren gemacht hatte. Tommy geht sofort nach Hause und erbittet von seinen Vater 40 Pfund, ohne ihm aber den Grund zu verraten. Um seine Aufrichtigkeit zu untermauern, kündigt Tommy zudem an, dass er fortan auf Taschengeld und Kleidung verzichten wolle, wenn er nur das Geld kriegen könne. Er gibt das Geld an die weinende Frau, die am Morgen ihr Essen so großzügig mit ihm geteilt hatte.281 In dem Roman lernt Tommy erst nach und nach die Welt armer Menschen kennen und ist völlig überrascht, dass andere Menschen von sehr viel weniger Geld leben als seine Eltern.282 Die barmherzige Geste gefällt ihm. Doch im Verlauf der Erzählung wird diese neue Haltung noch einmal einem Test unterzogen, als er aus dem pädagogischen Kontext von Mr. Barlow verschwindet, um seine Zeit mit anderen reichen Kindern zu verbringen. Diese werden als dumme, prätentiöse und verschwenderische Jungs geschildert. Master Mash spricht nur über Pferderennen und Geldgewinne, Master Compton überzeugt nur durch seine 281 282

Ebd., S. 111. Ebd., S. 133 f.

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  83

Kleidung.283 In einer Schlägerei demütigen Tommy und seine reichen Freunde Harry und zwingen ihn zur Gegenwehr. Die Freundschaft scheint am Ende. Denn die schlechte Gesellschaft verleitet Tommy dazu, das, was er gelernt hat, wieder zu vergessen und sein Geld in Glücksspielen zu investieren. Infolgedessen kann er einem bedürftigen schwarzen Mann nichts mehr geben. Harry allerdings, der sich an den Geldspielen nicht beteiligt hat und sowieso nie Geld in der Tasche trägt, reicht ihm das einzige Sixpence-Stück, das er besitzt, mit den Worten: „Here, poor man, this is all I have; if I had more it should be at your service.“284 Im anschließenden bullfight rettet der dankbare schwarze Mann – denn die Armen sind immer besonders dankbar – das Leben von Harry, der sich in einen Kampf gestürzt hatte, um das Leben von Tommy zu retten. Während der deshalb völlig unverletzt gebliebene Tommy von seinen Dienern umsorgt wird, nimmt Harry den namenlosen schwarzen Helden mit nach Hause, wo er für freie Kost und Logis in der Familie bleiben darf. Durch diese beschämende Erfahrung lernt Tommy seine letzte Lektion. Er legt seinen Schmuck und seine aufwendige Kleidung ab und verspricht Besserung.285 Er besucht Harry zuhause und bittet ihn und den schwarzen Lebensretter um Verzeihung. Während eines von ihm erwünschten längeren Aufenthalts in der ­Familie seines Freundes lernt Tommy das arbeitsame, aber geldlose Leben der ­Familie Sandford kennen und schätzen. Am Ende wird die Moral der Geschichte durch eine Geste des Vaters Sandford unterstützt. Er verzichtet auf Geld von Vater Merton, der durch die Zahlung mehrerer hundert Pfund seine Dankbarkeit für die moralische Rettung seines Sohnes ausdrücken wollte. Ein Geschenk mehrerer Pferde aber lehnt auch Vater Sandford nicht ab.286 Geld wird in Sandford and Merton als ein Medium präsentiert, das ohne moralische und religiöse Einbettung keinen Wert besitzt. Geld in der Hand von Besitzenden ist letztlich nur als Äquivalent zu der geleisteten Arbeit oder als milde Gabe an die Bedürftigen akzeptabel. Der Verzicht der Bedürftigen auf Geld führt darüber hinaus zu einer Erhöhung ihres Status. Die Figur eines armen schwarzen Mannes, der sich vermeintlich selbstlos in den Kampf stürzt, illustriert die vom Autor kritisch betrachtete globale Dimension des Geldzyklus und die Sklaverei als Grundlage von Reichtum. Das Verhältnis von Geld und Charakter wird in diesem Kinder- und Jugendbuch durch vielfältige Bezüge auf Schwarze oder Sklaven als eine imperiale Geschichte männlicher Reifung zum Gentleman erzählt. Frauen repräsentieren eine Leerstelle: mit Ausnahme der Mutter, die zusammen mit der Sklaverei verantwortlich für Tommys charakterliche Fehlentwicklung gemacht wird. Die Folge ist nicht nur ein gemeiner Charakter, sondern auch eine verweichlichte Seele. Tommy und andere reiche junge Männer fangen bei den kleinsten Problemen an zu weinen, wie es normalerweise nur Mädchen und Frauen tun. 283

Ebd., S. 183 f. Ebd., S. 219. 285 Ebd., S. 231–238. 286 Ebd., S. 259. 284

84  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Der Erfolg von Thomas Sandfords Roman war kein Einzelfall. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entfaltete die Kinder- und Jugendliteratur insgesamt eine neuartige Dynamik. Die Publikationen und ihre Konsumption verdichteten sich zu einem kommerziellen Markt für Kinder- und Jugendliteratur. Neue Unternehmer, wie beispielsweise John Newberry in England, spezialisierten sich auf den Verkauf von Kinderbüchern und schufen eine neue Konsumentengruppe, deren Begehren sich im Weiteren auch auf den prosperierenden Markt für Spielsachen erstreckte. Für die deutschsprachige Buchproduktion gilt ebenfalls die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts als Entstehungszeitraum moderner Kinder- und Jugendliteratur mit einem definierten Adressatenkreis. Diese Periodisierung bedeutet keineswegs, dass es zuvor keine Schriften gegeben habe, die sich an Kinder richteten. Moralische und vor allem religiöse Belehrungen oder die so genannten chapbooks für Kinder gab es auch schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Im Kontext der zunehmenden Literalität von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, der Ausweitung der Lesegewohnheiten durch die Verfügung privilegierter Schichten über freie Zeit und des kommerziellen Anstiegs der Buchproduktion generell, entwickelte sich ein Genre, das sich auf Kinder als Konsumenten und als Rezipienten von moralisch-unterhaltenden Geschichten richtete. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um bürgerliche und adelige Kinder, da die Analphabetenrate unter den Angehörigen anderer Schichten noch immer groß war. Vielfach wurden die Bücher jedoch auch vorgelesen und in der Schule, in der Familie oder in der Predigt erfuhren die Inhalte ebenfalls Verbreitung.287 Angepasst an das jeweilige Lebensalter präsentierten die Geschichten für Kinder eine einfache Welt von Gut und Böse. Gutes Verhalten war vor allem altruistisches, wohltätiges und weitsichtiges Verhalten, während schlechtes Verhalten aus spontanen Beweggründen, Habsucht und mangelnder Empathie resultierte und für die betroffene Person in der Regel im Elend endete.288 In den Vorstellungen von Wohltätigkeit und Fürsorge für die Armen unterschieden sich protestantische und katholische Autoren nicht.289 Anders als in den zeitgenössischen Romanen, die seit der Jahrhundertmitte das Verhältnis von Ökonomie, Moral und Subjekt variabel darstellten, waren die Darstellungen in der Kinderliteratur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eher starr und eindimensional.290 Die Bandbreite der beschriebenen Tugenden, vor allem Sparsamkeit, Wohltätigkeit und Kritik gegenüber dem ungeteilten Reichtum standen in den belehrenden Kinder- und Jugendbüchern den Sünden, Geiz, Verschwendung und Glücksspiel schematisch gegenüber und wurden in unendlichen Variationen wiederholt. Diese Schriften unterschieden sich in erheblichem Maße von den religiösen, oft calvinistischen Traktaten für Kinder des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, indem sie die 287 Alzheimer-Haller,

Handbuch zur narrativen Volksaufklärung, S. 140–143. Ebd., S. 137. 289 Auch die katholische und protestantische Armenpflege ähnelten sich weitgehend. Jütte, Arme, S. 137. 290 Bellamy, Commerce, S. 7. 288

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  85

Perspektive nicht mehr auf das jenseitige Seelenheil legten, sondern das Leben im Diesseits zu einer gestaltbaren und wertvollen Aufgabe erklärten.291 Die Kinderliteratur des 18. Jahrhunderts war zudem Ausdruck des bürgerlichen Bemühens, der abgelehnten und als überkommen wahrgenommenen ständischen Welt ein bürgerliches Tugendspektrum entgegen zu stellen, innerhalb dessen sich die Kinder aus eigenen Antrieb bewegen und verorten sollten. Arbeit, Strebsamkeit, Wohltätigkeit und Sparsamkeit waren die zentralen Pfeiler dieser in den Geschichten präsentierten bürgerlichen Kinderwelt. Deutlich wurden davon allerdings auch die Lebenswelten der Bauern, der Armen und der Handwerker abgesetzt.292 Die Konstruktion kindlicher Subjekte im Spiegel von Armen und über die wohltätige Geste wird in einer der wenigen Abbildungen des kindlichen Umgangs mit Geld aus dem späten 18. Jahrhundert deutlich repräsentiert.293 In dem Gemälde von William Beechey Sir Francis Ford’s Children Giving a Coin to a Beggar (1793) sind drei junge Menschen zu sehen. Auf der linken Bildseite erscheint ein bettelnder Junge mit zerrissener Kleidung und ohne Strümpfe und Schuhe. Er steht gebeugt, sein Blick ist auf den Boden gerichtet und er umklammert einen Stock. Sein linker Arm ist ausgestreckt, die Hand nach oben geöffnet. Seine Körpergröße deutet ein jugendliches Alter an. Hand und Arm weisen auf die auf der rechten Bildseite positionierten Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Beide sind aufwendig gekleidet. Im Gegensatz zu dem armen Bettlerjungen tragen sie farbige Kleidung, weiße Kragen, Strümpfe und elegante Schuhe. Der Junge, bildmittig platziert, schaut zwar von unten zu dem Bettlerjungen auf, steht allerdings selbstbewusst, neugierig und distanziert mit der Hand in der Hosentasche, möglicherweise nach einer Münze suchend, und einem Federhut unter einem Baum. Auf seiner linken Seite befindet sich ein Mädchen, das ihren rechten Arm in die Richtung des ­armen Jungen streckt. In ihrer Hand befindet sich eine Münze, die sie gerade aus ihrem Beutel genommen zu haben scheint. Die Distanz zwischen dem Bettler und dem Mädchen wird unterstrichen durch das Abheben des linken Fußes des Mädchens vom Boden, die sich dadurch etwas nach vorne beugen kann, ohne einen Schritt in Richtung des zerlumpten Jungen machen zu müssen. Ein Hund zu Füßen der Kinder wird von dem reichen Jungen an der Leine geführt und richtet den Blick rückwärtsgewandt auf den Bettler. Alle aktiven Blicke sind auf den Bettler gerichtet, dessen Blick sich passiv-rezeptiv auf den Boden zwischen ihnen wendet. Es scheint geradezu, als gestatte es ihm seine Position nicht, einen direkten Blick an die anderen Kinder zu richten. Das Gemälde ist außergewöhnlich, denn die Abbildung von bettelnden Kindern war im 18. Jahrhundert nicht die Regel. Hier fungiert der Junge als abschreckende Figur in Form eines abgerissen wirkenden Armen, der angemessen unterwürfig steht. Deutlich wird der Blick auf den in der 291 Pickering Jr., John Locke, S. 138–168. 292 Wild (Hrsg.), Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, S. 47–50. 293 Vgl. die Abbildungen von bettelnden Kindern und spendenden Kindern im 19. Jahrhundert,

wie beispielsweise Bettelnde Kinder am Glacis von Johann Matthias Ranftl (1853) und Der Pfennig der Witwe von Josef Danhauser (1839), abgebildet in: Ammerer und Veits-Falk, ­Visualisierung des Bettelns, Abb. 4 und 5 (ohne Seitenzahl).

86  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung

Abb. 4: Sir Francis Ford’s Children Giving a Coin to a Beggar Boy (1793)

Mitte platzierten gepflegt und aufwendig gekleideten sowie aufrecht stehenden Sohn, vermutlich Francis Ford, des englischen Plantagenbesitzers (in Barbados) und Politikers Ford gelenkt. Die Tochter, Mary Ford, als aktiv Wohltätige ist zwar in der Armhaltung dem Bettler zugewandt, doch Beechey macht mehr als deutlich, dass die angemessene Distanz gewahrt bleibt. Unverkennbarer Mittelpunkt aber ist der standhafte Sohn von Sir Francis Ford (1758–1801).294 294 Informationen

über die Familie und das Gemälde finden sich auf den Webseiten der Tate Gallery. http://www.tate.org.uk/art/artworks/beechey-portrait-of-sir-francis-fords-childrengiving-a-coin-to-a-beggar-boy-t06734/text-summary (25. 4. 2017).

2. Von der Affektregulation zur rationalen Freude am Geld  87

Das Bild beinhaltet keine Referenz auf den Sklavenbesitz der Familie, die ­ efürwortende Haltung des Vaters in der Frage der Sklaverei wird nicht durch die b Wohltätigkeit gegenüber einem karibischen Jungen illustriert. Die Familie lebte in England und der Künstler wählte, vermutlich in Absprache mit den Auftrag­ gebern, einen weißen Armen. Bei Kenntnis der Familiengeschichte ist jedoch die globale Dimension des monetären Handelns der Kinder nicht aus dem Bild zu eliminieren. Während im Roman von Thomas Day ein schwarzer Junge eine Subjektposition einnehmen kann, wenngleich im hierarchischen Rahmen der kolonialen Ordnung, zeugt das Gemälde von einer repräsentativen Leerstelle. Die Quelle des Familienreichtums wird nicht benannt und Verweise auf die z­eitgenössisch umstrittene Frage der Sklaverei fehlen. Der Sohn sollte, so deutet das Gemälde an, in ungebrochener Linearität zu seinem Vater repräsentiert werden. Die Indienstnahme armer und bettelnder Kinder zur Illustration bürgerlicher Charakterbildung in der Literatur und in der Malerei zeigt die Allgegenwärtigkeit der Armut nicht. Beecheys zentrierte Darstellung des Sohnes vermeidet ­jeden Hinweis darauf, dass bettelnde Kinder quantitativ betrachtet sehr viel präsenter waren als die wohlhabenden Kinder. Arme Kinder und Erwachsene machten einen außerordentlich hohen Anteil an der jeweiligen Bevölkerung aus.295 Olwen Hufton hat für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts geschätzt, dass etwa ein Fünftel der Bevölkerung in französischen Orten zu den Armen zählte.296 Schätzungen über andere europäische Länder in der Frühen Neuzeit illustrieren, dass der Anteil der Kinder an den Armen etwa ein Drittel bis die Hälfte betrug.297 Das bettelnde Kind gehörte zum festen Bestand lokaler Ökonomien, der Haushalte und der Fürsorgeeinrichtungen. Verlor eine Familie den männlichen Hauptverdiener, landeten viele Kinder schnell im Armenhaus. Die städtischen Bettlerlisten führten durchgängig eine große Zahl an jungen Bettelnden auf298 und Kinder stellten eine große Zahl der Schmuggler, die in den frühneuzeitlichen Gesellschaften eine Parallelökonomie schufen.299 Die zu Beginn dieser Untersuchung angeführten Egodokumente formulierten ex post nur zu deutlich, dass der Besitz oder Nichtbesitz von Geld zu den Grundlagen der Existenz der armen Kinder gehörte: „From early infancy, in fact, the children of the poor learnt to cadge a living, learnt about the viability of an economy of makeshifts, learnt the knack of presenting a cogent case and the places of situations under which they would receive the most sympathy.“300 Das Betteln und das Besorgen von Geld waren selbstverständlicher Bestandteil des Lebens armer Kinder, denn 295 Vgl.

die zunehmend gute alltags- und sozialhistorische Forschungslage über arme Kinder: Schmidt, Kinderarmut; Safley, Children of the Laboring; Crawford, Parents of Poor Children; Sträter und Neumann (Hrsg.), Waisenhäuser. 296 Hufton, Poor. Schätzungen für deutsche Städte weisen auf einen etwas höheren Anteil von etwa einem Viertel der Haushalte. Betroffen waren vor allem Kinder und ältere Frauen. Schmidt, Kinderarmut, S. 52 f. 297 Cunningham, Children and Childhood, S. 114  f. 298 Jütte, Arme, S. 49. 299 Ebd., S. 202. 300 Hufton, Poor, S. 109  f.

88  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung sie waren in der Regel bis zum Alter von sieben Jahren nicht für die Arbeit einsetzbar, sie zählten zu den unterstützungswürdigen Armen und blieben auch zumeist von Bestrafungen verschont.301 In den pädagogischen Texten und Abbildungen allerdings erscheinen sie nur als die stummen Rezipienten der wohltätigen Gaben. Die Gabe, darauf hat Jean Starobinski hingewiesen, funktionierte als edukative Richtschnur für bürgerliche Kinder.302 Geld war damit zugleich ein Mittel und ein Objekt der Kontrolle. Die Pädagogen und Philosophen des 18. Jahrhunderts formulierten deutlich, dass eine monetäre Kindererziehung vonnöten sei, um potentielle Gefahren im Erwachsenenstadium zu minimieren. Furcht oder Liebe, Genuss oder Mangel: Das Verhältnis zum Geld wurde emotional eingebettet. Erziehung bedeutete auch am Ende des 18. Jahrhunderts noch – so wie es John Locke Ende des 17. Jahrhunderts formuliert hatte – Kontrolle über angenommene und gefürchtete menschliche Leidenschaften zu erlangen. Monetäre Gefühle und monetäre Rationalität standen im 18. Jahrhundert jedoch nicht gegeneinander, sondern gingen eine Synthese ein. Während im Abschnitt über die philanthropischen Praktiken stärker die zeitliche Dimension, das Einüben der Zukunft, hervorgehoben wurde, stand in diesem Unterkapitel das Einüben adäquater Gefühle im Vordergrund. Die Charakterbildung ließ sich im Spiegel armer Kinder vollziehen. Diese hatte zudem eine räumliche Dimension. Vor allem die beiden englischen Beispiele – der Roman von Thomas Day und das Gemälde von William Beechey – bezeugen die Einbettung des wohltätigen Verhaltens in die imperiale Ordnung. Der schwarze Arme repräsentierte in der Kinderliteratur die paradigmatische Figur eines hilfsbedürftigen Kindes. Die Kritik an der Sklaverei, als Grundlage des Reichtums zum Ende des 18. Jahrhunderts oftmals deutlich abgelehnt, bildete dafür den historischen Hintergrund.

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert Eigentum, Erziehung und Geschlecht waren drei „Fundamentalkategorien“303 des 18. Jahrhunderts, die zeitgenössische Autoren und Autorinnen, wie beispielsweise Jean-Jacques Rousseau, debattierten und miteinander in Beziehung setzten.304 Die Annahme, dass sich Wesentliches in allen drei Bereichen verändert hatte und 301 Schmidt,

Kinderarmut, S. 64. Gute Gaben. 303 Grochowina, Eigentum, S. 12. 304 Rousseau thematisierte die von ihm konstatierte enge Beziehung zwischen Eigentum, Erziehung und Geschlecht im ersten Buch seines Émile, allerdings nicht ohne die erste Phase der Kindheit als eigentumslos zu konzipieren. Der Junge erlernt erst im zweiten Buch am Beispiel der Bohnensaat, dass Eigentum aus der körperlichen Bearbeitung der Natur, so Rousseaus Konzept des dominium, entstehe. Coleman, Property, S. 266; vgl. auch: Rehm, Rousseaus bedingte Legitimation des Privateigentums, S. 103–117. 302 Starobinski,

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  89

weiterhin verändern werde, prägte die philosophischen Diskussionen. Jeder einzelne Punkt war von einer starken Aufmerksamkeitssteigerung und diskursiver Umdeutung betroffen, zielten sie doch alle gleichermaßen auf den sozialen, politischen und mentalen Kern einer sich selbst als bürgerlich konstituierenden und beschreibenden Gesellschaft. Viele Autoren thematisierten alle drei Themen im Zusammenhang, wie es schon von John Locke im 17. Jahrhundert vorgeführt wor­ den war. In diesem thematischen Kontext waren auch die Techniken des Geldes verortet, die das folgende Kapitel thematisiert: das Erlernen des Eigentumsbegriffs, das Taschengeld und die Buchführungstechniken. Vor allem die Gabe von Taschengeld und die Buchführung wurden zu populären Maßnahmen, um den kindlichen Kontakt mit Geld zu üben. Doch setzte sich damit eine kalkulierende Deutung der Welt gegenüber anderen Formen der Wahrnehmung durch? Welche Beziehung wurde zwischen Moral und Geld hergestellt?

Eigentum Während Rousseau seine Eigentumstheorie ausführte, ohne dem Geld eine explizite Bedeutung beizumessen, sah Christian Gotthilf Salzmann in der Entwicklung der Erwerbungs- und Eigentumsbegierde die Grundlage seines Konzeptes der Geld­ erziehung. Er entwarf in seinen Ausführungen über die geplante Erziehungsanstalt eine Ökonomie der Leidenschaften, in die er durch seine pädagogischen Praktiken gestaltend einzugreifen gedachte. Die Grundlage seiner Annahme stammte aus der thomasiusschen Vorstellung, dass die Leidenschaften oder Begierden der Menschen miteinander korrespondierten und sich gegenseitig beeinflussen konnten. Einer Begierde sei es möglich, so Salzmann, eine Andere zu limitieren: Ich suche früh bei meinen Zöglingen die Begierde, sich ein Eigentum zu erwerben, zu erregen. Dies ist, wenn ich nicht ganz irre, von großer Wichtigkeit. Denn durch die Anfachung dieser Begierde werden eine Menge unedle, tierische, die menschliche Natur entkräftende Begierden erstickt. Dabei hat man Gelegenheit, der Erwerbungsbegierde die gehörige Richtung zu geben, die Kinder vor Niederträchtigkeit, Kargheit und Verschwendung zu bewahren; dadurch erzeugt man in ihnen die edle Neigung, durch sich selbst zu bestehen, zu wirken und Gutes zu stiften.305

Die angenommene gegenseitige Ersetzbarkeit der jeweiligen Leidenschaften, die Menschwerdung und die spezifischen produktiven Effekte der „Erwerbungsbegierde“ waren für Salzmann auf Jungen beschränkt und Teil männlicher Subjektivierungen im Rahmen einer bürgerlichen Geschlechterordnung: Die Erwerbungsbegierde, wenn sie die gehörige Richtung hat, setzt alle Kräfte des Menschen in Tätigkeit und ist ein Sporn zu den mühsamsten und anhaltendsten Unternehmungen. Durch sie werden wahre Männer gebildet, die in jedem Falle die Mittel aufzubringen wissen, den Wohlstand und die Sicherheit ihrer Familie zu befördern und jede gute Absicht zu erreichen, ohne nötig zu haben, durch kriechende Schmeichelein anderer wohltätige Unterstützung zu erbitten. Ein Mann, bei dem diese Begierde früh angefacht, gehörig gerichtet, und der so ist geleitet worden, dass sich seine Erwerbungskraft in eben dem Verhältnisse wie seine Erwerbungsbegierde vergrößerte, handelt, macht Aufwand, rettet, unterstützt, vergrößert seinen Wirkungskreis, setzt Hunderte in Tätigkeit, da, wo ein anderer duldet, spart, lamentiert, bedauert und sich zurück305 Salzmann,

Noch etwas über die Erziehung, S. 254.

90  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung zieht. Dies sind die Gründe, durch die ich bin überzeugt worden, daß es gut sei, bei Kindern früh die Begierde rege zu machen, sich Eigentum zu erwerben.306

Salzmann bettete das Geld in sein Gesamtbild von Eigentum, Sparsamkeit, Zukunftsvorstellungen, Kalkulation, Wohltätigkeit und Arbeit ein und benutzte Geld zudem als Sanktionsinstrument. In seinem Ratgeber Conrad Kiefer kombinierte er in dem Kapitel … wie Conrad Kiefer haushalten gelernt hat alle Elemente zu einem Bild erfolgreicher ökonomischer Erziehung. Nachdem der Protagonist Conrad erfahren hat, dass ein eigener Schrank sein Eigentum verwahren helfen könne, nehmen der Pfarrer und der Vater auch den mit dem Eigentum verbundenen Umgang mit Geld ins Visier.307 Bei mangelnder Anleitung aber gehe es oftmals schief: Das Verlangen nach Eigenthum bleibt ihnen, aber sie haben keine Lust, es sich durch Fleiß und Nachdenken zu erwerben. Als kleine Kinder beunruhigen sie die Eltern immer mit Bitten um Geschenke, und als große Kinder lamentiren sie um Besoldung, Pensionen, Gnadengelder, setzen in die Lotterie und in’s Lotto, lernen Gold machen und den Teufel citiren. Auf solche ­Albernheiten wird ein Mensch nie gerathen, der früh gelernt hat, daß die Kraft, sich Vermögen zu erwerben, nirgends sicherer gefunden werde, als – in dem Menschen selbst.308

Der Zweck der Erziehung zum Eigentum lag in der anvisierten Stabilität der zukünftigen männlichen Haushaltsvorstände, die autonom und ohne Abhängigkeiten von karitativer Unterstützung sowohl die Familie als auch das Unternehmen leiten können sollten. Männliche Aktivität, Produktivität und Expansion waren für Salzmann das angemessene Ziel bürgerlicher Jungenerziehung, die die politische Ordnung garantieren sollte.309 Die Erziehung zum Umgang mit Geld war demnach politisch. Auch für Trapp war der Eigentumstrieb die Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung: Der natürliche Trieb, ein Eigenthum zu haben, und damit frei schalten und walten zu können, würde eher befriedigt, und der Mensch zum Gebrauch seiner Freiheit früher und besser gewöhnt werden. […] Man müsste den Kindern anfänglich dreimal des Tages ihre Arbeiten bezahlen, damit die Zwischenräume zwischen jeder Bezahlung nicht länger sein, als die Jugend vermögend ist, das Geld zusammen zu halten. Nach und nach erweitert man diese Zwischenräume, so wie die Zöglinge fähig werden, Etwas für den Abend oder für den andern, dritten Tag u.s.w. aufzuheben.310

Niemeyer betonte 1796 ebenfalls, dass in der Sparsamkeitserziehung indirekt der „Erwerbstrieb cultivirt“ werden solle. Entgegen der Einschätzung, dass dies in jungen Jahren nicht nötig sei, verwies er auf die politisch heiklen Zeiten, in denen 306 Ebd. 307 Salzmann, Conrad Kiefer, S. 127. 308 Ebd., S. 128. 309 Trapp betonte die Notwendigkeit,

den monetären Wert des alltäglichen Lebens zu kennen und sprach dieser Kenntnis eine antreibende Kraft bei der Ausübung der Arbeit zu: „Die Jugend lernt gar nicht den Werth und Gebrauch des Geldes, und verschleudert es daher zu ihrem und der Eltern größtem Schaden. Wer aber nie hat essen und trinken können, ohne dafür zu bezahlen, und wer nie hat bezahlen können, ohne sich das Geld zur Bezahlung verdient zu haben, der wird in die Gewohnheit kommen, zu verdienen, zu arbeiten. Und weil er besser bezahlt wird, wenn er besser arbeitet: so wird er sich anstrengen, um so bald als möglich ist, gut arbeiten zu können, damit er auch zu seinem Vergnügen Etwas erübrige.“ Trapp, Versuch einer Pädagogik, S. 248. 310 Ebd., S. 249.

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  91

man lebe. Kultivierung des Erwerbstriebs und „Gewöhnung zur Sparsamkeit und Verhütung der Verschwendung“ seien „doch besonders in einem Zeitalter des Luxus, und man könnte vielleicht hinzusetzen, in einem Zeitalter der Revolutionen, so äusserst wichtig.“311 Die politische Dimension des Erlernens von Eigentumsverhältnissen stand auch Vater und Tochter Edgeworth deutlich vor Augen. In der 1798 von Richard Lovell Edgeworth gemeinsam mit seiner Tochter Maria Edgeworth verfassten Erziehungsschrift Practical Education unterstrichen sie die Notwendigkeit eines genauen Eigentumsbegriffs, nicht ohne ihn emotional einzubetten: „teach them a love for exactness about property; a respect for the rights of others, rather than a tenacious anxiety about their own.“312

Taschengeld Ein selbständiger Eigentumsbegriff, so die Edgeworths, setze die Kenntnis von den Werten der Dinge voraus. Auf dieser Grundlage könnten Lehrer und Eltern mit der Gelderziehung beginnen. Erst wenn die Erkenntnis, dass Geld „the conventional sign of the value of commodities“313 sei, von Kindern verstanden werde, solle man mit der Gelderziehung fortschreiten. Geld sei als Repräsentationszeichen des Wertes der Dinge und des Eigentums zu erlernen, bevor Taschengeld gegeben werden sollte. Letzteres müsse regelmäßig zugeteilt werden, um kindliche Unsicherheiten im Umgang zu vermeiden.314 Generell war die Gabe von Taschengeld an Jungen der mittleren und oberen Schichten Englands, die weitgehend außerhäuslich erzogen wurden, im 18. Jahrhundert schon sehr weit verbreitet. Durch das Taschengeld sollte ihnen im schulischen Umfeld ein angemessener Lebensstil ermöglicht und zugleich Neid und Missgunst verhindert werden.315 Um die durch die außerhäusliche Erziehung der elterlichen Kontrolle entzogenen Söhne dennoch beaufsichtigen zu können, wurde den Eltern die schriftliche Unterrichtung über die finanziellen Ausgaben empfohlen. Hiermit folgten die Zeitgenossen ganz dem Topos des verschwenderischen jungen Mannes, der sich abseits elterlicher Kontrolle nicht beschränken könne.316 Die Ratschläge – und dies gilt in deutschsprachigen Gebieten gleichermaßen – lassen sich demnach nur vor dem Hintergrund dieser weitverbreiteten Ängste verstehen. So empfahlen die Edgeworths in Gelddingen größtmögliche Offenheit gegenüber den Kindern, damit sie schon in jungen Jahren eine realistische Vorstellung von den Kosten des familiären Lebensstils erhielten.317 Eindeutigkeit im Hinblick auf die Präsenz des Geldes in der Familie aber gab es unter Zeitgenossen keines311 Niemeyer,

Grundsätze der Erziehung, S. 196. Practical Education, S. 509. 313 Ebd., S. 504  f. 314 Ebd., S. 509. 315 Ebd., S. 505. 316 Siehe auch die Beispiele aus dem 17. Jahrhundert in England in: Hunt, The Middling Sort, S. 46 f. 317 Edgeworth, Practical Education, S. 505. 312 Edgeworth,

92  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung wegs. An der Taschengeldfrage entzündete sich Ende des 18. Jahrhunderts sogar eine öffentliche Debatte über das zulässige Ausmaß der Monetarisierung familiärer Beziehungen. Als 1788 im Hannoverschen Magazin, einer regionalen Aufklärungszeitschrift, ein anonym verfasster Artikel erschien, dessen Autor forderte, dass alle Tätigkeiten von Kindern, „sobald sie einigermaßen zu Verstande kommen“, von den Eltern entlohnt werden sollten, zog dies aufgeregte Reaktionen nach sich.318 Die Kinder hätten ihrerseits auch die Eltern für Kost und Logis zu bezahlen. Sollte dies die pekuniäre Lage des Kindes nicht zulassen, so schlug der Autor vor, müssten die Eltern „auf Rechnung oder gegen Zinsen“ Geld „vorschiessen“. Sollte das Kind aber an seiner misslichen finanziellen Lage selbst schuld sein, müsse es wohl eher bei „Brod und Wasser“ leben: „nicht, weil die Aeltern es strafen wollen, sondern weil es der natürliche Gang der Welt ist, daß Niemand mehr Annehmlichkeiten des Lebens genießt, als die er verdient oder bezahlen kan [sic].“319 Diese Form der Geldbeziehung zwischen Eltern und ihren Kindern, widersprach ein anderer Autor, erziehe vielleicht „gute Tagelöhner, aber schwerlich gute freie Menschen“.320 Die Dankbarkeit gegenüber den Eltern verschwände, die Unabhängigkeit des Kindes wachse zu früh und zudem verankere sie die „Lohnsucht“ im Kind: „Um Gottes willen keine Kauf- und Lohnmethode bei der Erziehung!“321 In einem weiteren Artikel wurde die Erziehung zum Eigennutz grundsätzlich angeprangert und die vorgeschlagene Erziehungsmethode ebenfalls in Frage gestellt.322 Aus der Kenntnis vom „Werth des Geldes“ entstehe noch lange kein „ordentlicher Haushälter“.323 Die Monetarisierung des Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern führe zur Verkümmerung des menschlichen Daseins: Ein Mensch, der angewöhnt wird, aus Eigennutz zu arbeiten, vergisst darüber alle edlern Triebfedern. Er lernt nicht Menschen, nicht ihre Liebe schätzen: er selbst lerne nie empfinden, was Dankbarkeit ist, und wird nie sich bemühen, bei andern sie zu erwecken. Er verdiente sich ja alles, was er brauchte, selbst. […] Wozu bedarf er anderer Menschen, und ihrer Liebe? Seine Kräfte werden ihn ernähren.324

Der freiwillig getane Dienst ohne Entlohnung und die Freude an der bedingungslosen Gabe würden durch die vorgeschlagene Art der Gelderziehung unmöglich gemacht. Auch die Befriedigung aus der Arbeit selbst, unabhängig von der Bezahlung, ginge dadurch verloren.325 318 Anonym,

Beitrag zur Kinderzucht, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 349–352, hier S. 350 f. Beim Hannoverschen Magazin handelt es sich um eine regionale Aufklärungszeitschrift, die als „Nachrichtenbörse und Wissensverbreiter“ fungierte. Vgl. dazu: Depkat, Neue Welt, S. 273. 319 Beitrag zur Kinderzucht, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 349–352, hier S. 351  f. 320 U., Anmerkung zu dem Erziehungsvorschlage im 22ten Stück dieses Magazins von d. J., Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 381–384, hier S. 381. 321 Ebd., S. 383  f. 322 G.L.W., Ueber den Beitrag zur Kinderzucht im 22ten Stück Seite 350 dieses Magazins vom gegenwärtigen Jahre, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 1009–1020, hier S. 1011 f. 323 Ebd., S. 1012. 324 Ebd., S. 1014. 325 Ebd., S. 1017.

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  93

Der Artikel provozierte in demselben Magazin in Kürze drei Antworten, die sich allesamt gegen die monetären Erziehungsvorschläge des anonymen Autors wandten.326 F.L. von Pufendorf würdigte in seinem Artikel im Hannoverschen Magazin immerhin die Absicht des Kinderzucht-Autors: „nemlich die Kinder frühzeitig aus Erfahrung lernen zu lassen, daß man ohne Fleiß und Thätigkeit nicht reich und glücklich werden könne, und daß anderer Seits Armuth und Mangel natürliche Folgen von Faulheit und Müßiggang seyn.“327 Allerdings überwogen auch aus seiner Perspektive die negativen Konsequenzen: Die Bezahlungsmethode ohne Einschränkung und Modifikation, wie sie in jenem Vorschlage empfohlen wird, kan also zwar wohl fleißige, thätige, arbeitsame Erwerber und brauchbare Geschäftsmänner, dabei aber auch stolze, eigensinnige und eigennützige, allein nie, wie ich glaube, dankbare, bescheidene, gefällige, wohlthätige, edle und großmüthige Menschen bilden.328

Für Pufendorf reichte es aus, wenn die Eltern dem Kind ab und zu eine kleine Arbeit gaben, die sie ihm oder ihr bezahlten, und dem Kind dann die Möglichkeit böten, ein Spielzeug oder ein Instrument zu kaufen oder aber das Geld wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen.329 In eine etwas andere Richtung wies ein Artikel im Hannoverschen Magazin, der noch im selben Jahr, vermutlich im Anschluss an die skizzierte Debatte zur Taschengeldfrage erschien und von der Erzieherin und Botanikerin Catharina Helena Dörrien (1717–1795) verfasst wurde.330 Dörrien bettete die Thematik in die gesellschaftliche Debatte über Luxus, Verschwendung und Staatsausgaben ein. Diese Probleme ergäben sich ihrer Meinung nach daraus, dass junge Männer oftmals erst an der Universität Kontakt mit Geld hätten und dann nicht wüssten, wie sie damit umzugehen hätten.331 Zudem erhielten die Kinder mit ihrem Taschengeld oftmals nur den allgemeinen Ratschlag, gut zu haushalten. Dörrien sah die Lösung der oben genannten gesellschaftlichen Probleme in einer wöchentlich oder monatlich vorzulegenden Abrechnung und Besprechung der Ein- und Ausgaben mit den Eltern.332 Bevor das Kind nicht, und auch bei ihr handelte es sich vor ­allem um das männliche Kind, „wenigstens die vier Species der Rechenkunst ­erlernet“ habe, sollte es Dörrien zu Folge kein Geld erhalten. Weiter müsse die Summe des Taschengeldes variieren, damit sich das Kind nicht zu sehr an die Gabe der Eltern gewöhne.333 326 U.,

Anmerkung zu dem Erziehungsvorschlage im 22ten Stück dieses Magazins von d. J., Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 381–384; G.L.W., Ueber den Beitrag zur Kinderzucht im 22ten Stück Seite 350 dieses Magazins vom gegenwärtigen Jahre, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 1009–1020; Pufendorf, Etwas über den kleinen Aufsatz im 22ten Stück dieses Magazins von 1788: Beitrag zur Kinderzucht betitelt, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 1073–1078; Dörrien, Etwas über das Taschengeld, S. 1473–1504. 327 Pufendorf, Etwas über den kleinen Aufsatz im 22ten Stück dieses Magazins von 1788: Beitrag zur Kinderzucht betitelt, Hannoversches Magazin 26, 1788, S. 1073–1078, hier S. 1073. 328 Ebd., S. 1076. 329 Ebd., S. 1077. 330 Viereck, Zwar sind es weibliche Hände. 331 Dörrien, Etwas über das Taschengeld, S. 1475. 332 Ebd., S. 1476. 333 Ebd., S. 1496.

94  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Nicht nur die Debatte im Hannoverschen Magazin verzeichnete das Taschengeld als eine praktische Übung und als einen Gegenstand, an dem erwünschte Verhaltensweisen, das Wesen des Menschen und die Grenzen des Ökonomischen trefflich zu diskutieren waren. Auch Immanuel Kant sah im Taschengeld eine Möglichkeit bürgerlicher Verhaltenslehren: „Man sollte den Kindern ein Taschengeld geben, von dem sie Nothleidenden Gutes thun können, da würde man sehen, ob sie mitleidig sind, oder nicht; wenn sie aber immer nur von dem Gelde ihrer Eltern freygiebig sind, so fällt dies weg.“334 Die Geldgabe, so Kant, mache dann Sinn, wenn dem Kind die dadurch entstandene Konsumentbehrung sichtbar werde. Darüber hinaus galt es nicht nur die Gabe des Geldes an Arme sinnvoll zu gestalten, sondern auch den Besitz des Geldes in günstige Bahnen zu lenken. Erhalte das Kind erst einmal Taschengeld, so Dörrien, dann sei der nächste Schritt die Einrichtung einer Spardose und das Erlernen der Guthabenberechnung. Die „Kunst“ der Rechnung materialisiere sich durch das „Anlegen einer kleinen Kasse“.335 Allerdings bedürfe es, so die Autorin, einer besonderen Aufmerksamkeit gegenüber diesen Sparkassen, da das Kind auch die Gründe zu erlernen hätte, wann es das Geld der Kasse ausgeben dürfe.336 Bei besonders ängstlichen Kindern empfahl die Autorin auf die Verwendung von Sparkassen zu verzichten, um sie nicht in ihrer Zurückhaltung beim Geld ausgeben zu bestärken und einen „Geizhals“ zu erziehen, der immer wieder sein Geld zähle.337 Man wird aus der Debatte im Hannoverschen Magazin und den Bemerkungen anderer Zeitgenossen zur Taschengeldfrage sicherlich nicht ableiten können, dass es sich beim Taschengeld um eine in bürgerlichen Schichten durchgängig etablierte soziale Praxis handelte. Auch ginge es fehl, aus dem Faktum, dass sich Immanuel Kant dazu äußerte, eine philosophische Bedeutung dieser Geldpraktik zu schlussfolgern. Dennoch ist zu konstatieren, dass die Geldgabe an Kinder am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem öffentlich debattierten Thema wurde, in dessen Rahmen die Fragen der Monetarisierung der Intimbeziehungen und der erwünschten Menschenprägungen diskutiert werden konnten. Nicht zuletzt lässt sich auch die bisherige Annahme widerlegen, dass das Taschengeld nur ein Phänomen des 19. Jahrhunderts war.338

Buchführung Neben der Vermittlung des Eigentumsbegriffs und dessen Übersetzung in das Geldsystem am Beispiel des Taschengeldes galt die pädagogische Aufmerksamkeit den Buchführungpraktiken zur Verwaltung von Ein- und Ausgaben. Der Bedeutungszuwachs der Buchführung im Handel des 18. Jahrhunderts durch die sich stetig ausweitenden Fernhandelsbeziehungen und die sukzessive Ablösung alltäg334 Kant,

Über Pädagogik, S. 81 f. Etwas über das Taschengeld, S. 1487. 336 Ebd., S. 1498. 337 Ebd., S. 1499  f. 338 Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 58  f. 335 Dörrien,

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  95

licher Geschäftspraktiken wie Kreideanschreibungen oder Stockmarkierungen durch die numerische und tabellarische Systematik spiegelte sich auch in individuellen Umgangsweisen mit monetären Vorgängen wider. Bevor die Buchführung jedoch einen Platz in der Kindererziehung erhielt, waren Erwachsene mit diesen Notationstechniken des Geldes konfrontiert gewesen.339 Ob sich Buchführung allerdings, wie Margaret Hunt argumentiert hat, im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert in englischen Handelsfamilien zu einer Art „consecrated collective activity, akin to, and perhaps actually replacing, family prayers“340 entwickelt habe, kann nicht abschließend beantwortet werden.341 Erhalten gebliebene Haushaltsbücher und account books zeugen jedoch zumindest davon, wie stark die Sogkraft der Kalkulierbarkeit und Rechenhaftigkeit im Einzelnen gewesen sein konnte.342 Bei der Übertragung der Buchführungstechnik in die Familie handelte es sich nicht um das von Max Weber und anderen als Voraussetzung kapitalistischer Entwicklung bewertete System der doppelten Buchführung. Deren Befürworter verwiesen vorrangig auf ihre Nützlichkeit im Handel, machten aber auch vereinzelt eine pädagogische Funktion der damit verbundenen numerischen Exaktheit für Jugendliche aus, wie etwa der englische Schulleiter John Mair in seiner bekannten Schrift über die Buchführung: „I shall only add, that the Theory of this Art or Science is beautiful and curious, very fit for improving the Minds of Youth, exercising their Wit and Invention, and disposing them to a close and accurate Way of thinking.“343 Die Einführung von Buchführungstechniken in den Haushalt resultierte weniger aus Versuchen, debit und credit-Berechnungen in die Familienökonomien zu integrieren. Vielmehr war die Darstellung der monetären Ein- und Ausgaben in einfacher Tabellenform eine semantische und alltagspraktische Begleiterscheinung ökonomischer Prozesse und des zunehmenden Wahrheitsgehaltes der Zahlen. Die einfache Buchführung wurde zuerst in die Erziehung von Jungen zur Vorbereitung auf ihre Berufstätigkeit und ihre potentielle Leitungsfunktion im Familienunternehmen integriert. Schon John Locke hatte sie für die Erziehung der gentlemanly sons empfohlen: „I would therefore advise all gentlemen to learn perfectly merchants’ account.”344 Frühe Einblicke in die väterliche Ökonomie, so die Edgeworths hundert Jahre nach John Locke, würden Jungen gut auf die Zukunft vorbereiten.345 Die Edgeworths verbanden die Gabe des Taschengeldes mit der daraus entstehenden Möglichkeit zum Erlernen von Werten und Buchfüh339 Hunt,

The Middling Sort, S. 49. Ebd., S. 59. 341 Die doppelte Buchführung setzte sich auch im Handel nicht vor dem 19. Jahrhundert umfassend durch. Zu diesen Einschränkungen siehe: Yamey et al. (Hrsg.), Accounting; für Deutschland zeigt Stefan Gorissen, dass selbst im 19. Jahrhundert die doppelte Buchführung nicht unbedingt zum Standard erfolgreicher Unternehmensführung gehören musste. Gorissen, Handelshaus, S. 339. 342 Siehe zum Beispiel: Thompson und Thompson (Hrsg.), Account Books of Jonathan Swift. 343 Mair, Book-keeping Methodised, S. V–VI. 344 Locke, Some Thoughts Concerning Education, S. 251. 345 Edgeworth, Practical Education, S. 507. 340

96  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung rungstechniken. Um extravaganten und unnötigen Ausgaben des Taschengeldes zuvor zu kommen, empfahlen sie sogar, dass Kinder die Haushaltsführung der Familie übernehmen sollten, um den Preis und Wert von Waren kennen und schätzen zu lernen.346 Mit der Übertragung der Buchführung auf den Haushalt wurde diese auch zunehmend ein Bestandteil der Mädchenerziehung.347 Das Erlernen eines kompetenten Umganges mit Zahlen und Geld, das schien den Zeitgenossen unmittelbar einzuleuchten, stand auch in der Tradition der Hausväterliteratur und war notwendig, um aus den Mädchen eine zukünftige „Wirthinn“ und „Gattinn“ zu machen, die den Ruf des Mannes stützen und den Haushalt gewissenhaft führen konnten.348 Auch die Kenntnis des dem jeweiligen Stand angemessenen Luxuskonsums sowie eine realistische Einschätzung der finanziellen Einsatzmöglichkeiten waren mit den Rufen nach Buchführung unmittelbar verbunden: Young women should be accustomed to keep the family accounts, and their arithmetic should not be merely a speculative science; they should learn the price of all necessaries, and of all luxuries; they should learn what luxuries are suited to their fortune and rank, what degree of expense in dress is essential to a regularly neat appearance […], nor should they have any distinct idea, that by some wonderful economic operations they can make a given sum of money go farther than others can do.349

Die pädagogischen Warnungen vor unangemessenem Luxuskonsum und die Empfehlungen zur exakten Haushalts- und Buchführung wurden von Kinder- und JugendbuchautorInnen in ihre Geschichten integriert. Die Dissenterin Anna Laetitia Barbauld (1743–1825) publizierte neben Lyrik und politischen Traktaten auch Kinderbücher. Darunter war das gemeinsam mit ihrem Bruder herausgegebene Evenings at Home; or the Juvenile Budget Opened (1793).350 Das Buch besteht aus verschiedenen Kurzgeschichten und Fabeln, die Gäste im Hause einer Familie Fairborne in Beachgrove hinterlassen hätten, und die nun der Öffentlichkeit zugeführt würden. Zu bestimmten Zeiten sei die Kiste mit den Geschichten geöffnet worden und die älteren Geschwister hätten sie sich gegenseitig zur Unterhaltung und Belehrung vorgelesen. In der Geschichte Dialogue on Things to be learned, between Mamma and Kitty wird das dem Stand angemessene Verhalten nach Geschlechtern differenziert. Kitty, die Tochter, möchte lieber lesen, schreiben und 346

Ebd., S. 523. frühes Beispiel eines Accountingratgebers für Frauen stellt die anonym verfasste Schrift von 1678 dar: Anonym, Advice to the Women. 348 Campe, Väterlicher Rath für meine Tochter, S. 314  f. 349 Edgeworth, Practical Education, S. 506. 350 Barbauld, Evenings at Home. Barbauld arbeitete als Literaturkritikerin und als Lehrerin an der Palgrave Academy. Aufgewachsen in einer Dissenterfamilie, erhielt sie eine für Frauen außergewöhnliche klassische Ausbildung. Ihre Publikationen umfassen eine Schrift gegen den Sklavenhandel (Epistle to William Wilberforce esq. On the Rejection of the Bill for Abolishing the Slave Trade, 1791) und eine gegen die Ablehnung eines Gesetzes, das den Dissentern staatbürgerliche Rechte garantieren sollte (An Address to the Opposers of the Repeal of the Corporation and Test Acts, 1790). Neben Evenings at Home publizierte Barbauld die populären und einflussreichen Kinderbücher Lessons for Children (1778/79) und Hymns in Prose for Children (1781). 347 Ein

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  97

französische Grammatik lernen, während die Mutter ihr erklärt, wie wichtig es für sie sein werde, auch Näharbeiten hervorragend ausführen zu können. Grundsätzlich stimmt die Mutter der Tochter zwar in der Bedeutung der Bildung zu, betont aber, dass Frauen weitere Fähigkeiten bräuchten, so beispielsweise auch das accounting. Auf Nachfrage der Tochter, ob dies nicht Männertätigkeit sei, erklärt die Mutter: It is of use to prevent our being overcharged in any thing, and to know exactly how much we spend, and whether or not we are exceeding our income, and in what articles we ought to be more saving. Without keeping accounts, the richest man might soon come to be ruined before he knew his affairs were going wrong. […] It is their business to keep the accounts belonging to their trade, or profession, or estate; but it is the business of their wives to keep all the household accounts: and a woman almost in any rank, unless perhaps some of the highest of all, is to blame if she does not take upon her this necessary office.351

Geschlechtsspezifische Unterschiede im Hinblick auf die anzustrebende Position der jungen Leserinnen und Leser waren in der Kinderliteratur zentral, auch wenn das Lesepublikum im 18. Jahrhundert oftmals noch nicht in Jungen und Mädchen unterteilt wurde. In Übereinstimmung mit den Lehren ökonomischer Lebensführung wurden junge Mädchen dargestellt, die Mäßigung und Sparsamkeit erlernten, über monetäre Ausgaben Buch führten und sparsam, aber nicht geizig waren. In dem ersten englischen Erfolgsroman für Kinder The History of Little Goody Two Shoes, einer anonym verfassten Geschichte, die John Newberry 1765 publizierte, wurden exemplarische weibliche Lebensgeschichten, Moral und Geld direkt aufeinander bezogen.352 Die Protagonistin der erbaulichen Geschichte, Margery Meanwell, wächst als armes und verwaistes Mädchen mit nur einem Schuh auf und wird durch die Protektion eines edlen Kirchenmannes nicht nur zur Besitzerin eines zweiten Schuhs, sondern entwickelt sich zudem zu einem tugendhaften Mädchen und später zu einer erfolgreichen Lehrerin. Als solche gibt sie ihren Schülern moralische Sprichwörter und Fabeln auf den Weg, die sich auch auf den Umgang mit Geld bezogen („Make much of three pence, or you ne’er will be worth a groat.“). Ihre Erzählungen für die Schüler werden innerhalb des Romans als Geschichten in der Geschichte wiedergegeben, so beispielsweise die Geschichte von Mr. Lovewell, der es durch seine Strebsamkeit und Buchführungskunst schafft, vom Diener zum „Master of accounts“ und letztlich zum Geschäftspartner seines vormaligen Herrn zu werden. Aber auch für Margery hält die Geschichte sozialen Aufstieg und Reichtum bereit. Ihr Bruder stattet sie finanziell gut aus und sie heiratet einen Gentleman. Sie widersteht den Versuchungen des Geldes und spart es, um es an Bedürftige zu geben. Die Geschichte von Little 351 Dialogue

on things to be learned, between Mamma and Kitty, in: Barbauld, Evenings at Home, Bd. 1, S. 58–65, hier S. 63 f. 352 Newberry (Hrsg.), Little Goody Two Shoes. Das Buch erlebte vor 1800 28 Auflagen in Großbritannien und 12 amerikanische Auflagen. In den darauffolgenden 50 Jahren wurden weitere 66 Auflagen in England und 35 in den USA veröffentlicht. Vgl. Crain, Spectral Literacy; Hunt, The Middling Sort, S. 78.

98  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung Goody Two Shoes versinnbildlicht nicht nur die Achtung vor der Armut wie in Sandford and Merton. Das Kinderbuch lässt sich zudem als eine konkrete Handlungsanleitung für die jungen LeserInnen verstehen. Ein fleißiges und moralisches Leben sowie eine exakte Buchführungstechnik seien die Grundlagen für ein gutes Auskommen und beruflichen Erfolg, auch für Frauen. Die Kenntnis tabellarischer Buchführung erlangten Mädchen und Jungen entweder durch die Eltern, in Privatschulen oder in der Lehre. In England wurde dies durch die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für Jungen und Mädchen gleichermaßen publizierten Tagebücher, Kalender und Taschenbücher unterstützt, die vorgefertigte Seiten für Eintragungen von Geldeingaben und -ausgaben enthielten.353 Zusätzlich wurden in vielen Büchern dieser Art Umrechnungen und Maßeinheiten aufgeführt. Die Bücher, wie beispielsweise das zwischen 1790 und 1840 mehrfach aufgelegte Minor’s Pocket Book, waren verhältnismäßig teuer, zumeist 1 Shilling, oftmals in Leder gebunden und hatten zusätzliche Fächer für Banknoten und Rechnungen.354 Das bürgerliche bis adelige Zielpublikum wird daran deutlich ersichtlich. Viele der Bücher wandten sich im 18. Jahrhundert noch an Mädchen und Jungen zugleich. Für Mädchen wurde zusätzlich jedoch ab 1750 eine Art Almanach, wie Ladies’ New Pocket Companion, The Ladies New Memorandum oder The Ladies’ Compleat Pocket Book (1753–1762) gedruckt, die auf der linken Wochenseite Platz für Tagebucheintragungen oder Verabredungen boten und auf der rechten Seite Buchführungstabellen beinhalteten.355 Auch Modeabbildungen, Gedichte oder Rätsel konnten integriert sein. Tagebücher dieser Art, vorgefertigte Bücher zur Eintragung, beinhalteten im 18. und 19. Jahrhundert häufig eine Kombination aus leeren, unlinierten und zur Beschriftung mit persönlichen Kommentaren vorgesehen Seiten sowie Tabellen zur Verzeichnung monetärer Transaktionen. In einem solchen Buch wurden so Introspektion, Zeit und Geld miteinander verbunden.356 Die Erklärung in dem 1753 erschienenen Ladies Compleat Pocket Book warnte vor den Gefahren, denen die Buchführerinnen mit den Eintragungen begegnen konnten und thematisierte eben diese Beziehung: „Common prudence teaches us, that there is nothing more necessary to make Life easy and comfortable than to keep an exact, plain, and explicit Account of our daily Expences, that we 353 Meine

Nachforschungen haben keine Hinweise auf deutschsprachige Exemplare ergeben. Schreib-Kalender, also Kalender, die neben dem Kalendarium und den Informationen, auch freie Seiten zum Beschreiben beinhalteten, fanden sich im deutschsprachigen Raum jedoch schon seit dem 16. Jahrhundert. Meise, Schreibfunktion, S. 5. Kalender für Frauen beinhalteten zahlreiche Hinweise zur guten Haushaltsführung. Hanke, Kalender, 78–84. So genannte Volkskalender gehörten seit 1700 zur kindlichen Lektüre in Schule und Haus, wie Alfred Messerli in seiner Untersuchung über die Schweiz verdeutlicht. Während sie zu Beginn des Jahrhunderts den Schulbuchmangel kompensierten, fungierten sie im letzten Drittel zunehmend als Medium der Volksaufklärung und als Alternative zur Bibellektüre in der Elementarschule. Messerli, Volkskalender als Lesestoff von Kindern und Jugendlichen, S. 212. 354 O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 105. 355 Fletcher, Growing Up in England, S. 285. Zum Charakter dieser Pocket Books vgl. Batchelor, Fashion and Frugality. 356 Huff, British Women’s Diaries, S. XIV. Von Frauen verfasste Tagebücher notierten vielfach die Ausgaben für Kartenspiele, Einkäufe, Dienstpersonal, etc.

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  99

may be able to regulate them in Time, and not run blindfold into Errors which are not to be retrieved, but with the utmost Danger and Difficulty.“357 Im Jahr 1758 erschien in London ein aussagekräftiges Exemplar autodidaktischer Geldübungen für Kinder. Das Important Pocket Book, or the Valentine’s Ledger for the use of those who would live happily in this world, and in the next richtete sich explizit an junge Leser und Leserinnen, denen sowohl der angemessene Umgang mit Geld als auch moralisches Verhalten beigebracht werden sollten.358 In einer einleitenden Geschichte wird über den Zweck des Buches berichtet und auf den anderen Dutzenden Seiten warteten leere Wochenformulare auf die Eintragung durch die Buch führenden Kinder und Jugendlichen. Ausgangspunkt in der einleitenden Belehrung ist eine Defizitannahme: Eltern würden sich zu wenig um die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Man kontrolliere zwar die Ausgaben des Gärtners, den man für die Pflege des Anwesens eingestellt hätte. Diejenigen aber, die dieses Anwesen einmal erben würden, lasse man außer Acht. Eine aufmerksame Erziehung sei eine Pflicht und notwendig, um „the Habit of doing good“ früh in den Kindern zu verankern.359 Das Einpflegen von Informationen in das Formular galt als bedeutend für die Einübung der Gewohnheiten und angemessenen Verhaltensweisen. Während auf der linken Seite die monetären Gewinne und Ausgaben verzeichnet wurden, waren auf der rechten Seite die guten und schlechten Verhaltensweisen gegenüber zu stellen. Diese Zweiteilung der Buchführung wurde auf der linken, der monetären Seite, in Pfund, Shilling und Pence (Denari) ausdifferenziert. Auf der rechten Seite der Buchführung, der moralischen Kalkulation, reichte die Zweiteilung good und bad aus. Der Herausgeber beschreibt den Sinn der Formulare folgendermaßen: The first tends to make them good Christians, good Subjects, and good Citizens; and the last teaches them the Use of Money, shows them how it glides, as it were, insensibly through the Fingers, and tends to make them careful, honest, punctual and independent. It is a droll Maxim, but a true one, that he who keeps his Accounts may keep his Family; but he that keeps no ­Account, may be kept by the Parish.360

Die parallele Archivierung der Ein- und Ausgaben zeugt von der Notwendigkeit, den Geldgebrauch moralisch abzusichern. Manche Geldeintragungen konnten zu­ ­­gleich auf der Plusseite der Moral verbucht werden, empfahl man den Benutzern doch, das Geld vor allem zu wohltätigen Zwecken zu verwenden. Beiden Seiten war gemein, dass es für die Eintragungen bestimmte, durch Linien begrenzte Orte des Schreibens gab. Die Ordnung des Verzeichneten war damit vorgegeben und erlaubte nur eine bestimmte Form.361 Narrative Niederschriften waren aufgrund der engen Linienführung nicht vorgesehen. 357 Zit.

nach: Batchelor, Fashion and Frugality, S. 5. Pocket Book. Vgl. dazu auch: O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 103 f. 359 Important Pocket Book, S. VI. 360 Ebd., S. VIII. 361 Carruthers und Espeland, Accounting for Rationality, S. 56  f. Andrew O’Malley lag ein Exemplar vor, in denen Beispieleintragungen von John Newberry vorgegeben waren. In einer 358 Important

100  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung

Abb. 5: Important Pocket Book, or the Valentine’s Ledger for the use of those who would live happily in this world, and the next, London 1758.

An diesem konkreten Beispiel werden die Grenzen der erwünschten kindlichen Rechenhaftigkeit sehr klar vor Augen geführt. Die Ergänzung der monetären Berechnung durch die Beschreibung moralischer Gewinne und Verluste verdeutlicht, dass die Durchsetzung numerischen und pekuniären Denkens nicht uneingeschränkt vonstattengehen konnte. Die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts verneinten die reine Quantifizierung als alleinigen Maßstab menschlichen Handelns. Gleichwohl hatten sie nichts gegen die Selbstregulation und -kontrolle auch in moralischer Hinsicht einzuwenden. Anders als heutige Interpreten der doppelten Buchführung, die dieser Technik transformierende Effekte auf das kapitalistische Selbst zusprechen, lässt sich das Pocket-book sogar als ein Versuch interpretieren, der monetären Erfassung der Welt einen Gegenpol zu verschaffen.362 Ökonomische und moralische Konstituierung des Subjektes gingen dabei Hand in Hand. Der Prozess der Quantifizierung und die numerische Wahrnehmung der Welt waren eben keine linearen Entwicklungen. Die Tabelle als eine kulturelle Form Ausgabe des The Minor’s Pocket Book von 1796/97, die in O’Malleys Untersuchung abgebildet ist, finden sich handschriftliche Eintragungen. O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 104. 362 Ebd., S. 42.

3. Kindliche Geldpraktiken im 18. Jahrhundert  101

und als ein Ordnungsmuster des Ökonomischen stand neben anderen Formen der Verzeichnung des eigenen Lebens. Zudem war die Dominanz der einen oder der anderen Form abhängig von den sozialen Zugehörigkeiten der Eintragenden.363 Aufgrund der Varianz der kindlichen Mnemotechniken lässt sich die Frage, ob es sich bei der aus dem Handel stammenden Technik um einen Mechanismus der Ökonomisierung eines sozialen Bereichs handelt, nicht eindeutig beantworten. Die Eintragungen waren oft unvollständig und aus den Forschungen über Haushaltsbücher, die von Erwachsenen geführt wurden, wissen wir, dass nicht alle Transaktionen verzeichnet wurden. Es fehlen oft ausreichende Hinweise über alle Haushaltsmitglieder, über die Beziehung der Frauen zum Geld im Haushalt, über nicht-monetäre ökonomische Transaktionen, wie zu dem noch weit verbreiteten Tauschhandel.364 Was von Erwachsenen eingetragen wurde und was nicht, variierte erheblich. Einige Hinweise lassen vermuten, dass es bei Kindern nicht anders gewesen ist. Schon John Locke hatte Vätern empfohlen, die Kontrolle der Eintragungen nicht unnötig auszudehnen, um die Autonomie der Söhne nicht zu gefährden: Not that I would have him set down every pint of wine, or play, that costs him money; the general name of expenses will serve for such things well enough: nor would I have his father look so narrowly into these accounts, as to take occasion from thence to criticise on his expenses. He must remember, that he himself was once a young man, and not forget the thoughts he had then, nor the right his son has to have the same, and to have allowance made for them. If, therefore, I would have the young gentleman obliged to keep an account, it is not at all to have that way a check upon his expenses, (for what the father allows him, he ought to let him be fully master of, ) but only, that he might be brought early into the custom of doing it, and that it might be made familiar and habitual to him betimes [sic!], which will be so useful and necessary to be constantly practised through the whole course of his life.365

Die anvisierte dokumentierte Ordnung war in erster Linie ein normativer Entwurf, den die Kinder variabel realisierten. Es ist zu vermuten, dass diese Übungen sich nicht flächendeckend durchsetzten.366 Auch Lord Chesterfield empfahl seinem Sohn, nicht jeden Penny genau zu vermerken: I do not mean that you should keep an account of the shillings and half-crowns which you may spend in chair-hire, operas, & c. They are unworthy of the time and of the ink that they would consume; leave such minutiæ to dull, penny-wise fellows; but remember, in economy, as in ­every other part of life, to have the proper attention to proper objects, and the proper contempt for little ones.”367

Die Tabellen funktionierten als Repräsentation alltagsökonomischer Rationalität und dienten der Kontrolle des Geldes. Zugleich stellten sie eine Mnemotechnik der alltäglichen familiären Ökonomie dar, die sich gerade bei Kindern einsetzen ließ, um das tägliche Üben mit dem Geld zu verstetigen und die Erziehungserfol363 Lemire,

Business of Everyday Life, S. 203. Vickery hat eine ausführliche und überzeugende Quellenkritik vorgelegt. Vickery, His and Hers. 365 Locke, Some Thoughts Concerning Education, S. 251  f. 366 Vgl. auch die Beispiele für eine individuelle Buchführung in: Batchelor, Fashion and Frugality. 367 Dormer Stanhope, A Selection from the Letters of Lord Chesterfield, S. 122  f. 364 Amanda

102  I. Von Verzeichnissen der Leidenschaften und tabellarischer Buchführung ge nachträglich zu überprüfen. Doch die Liebe zur Genauigkeit und zur Rechenhaftigkeit war begrenzt. Die Autoren der Debatte im Hannoverschen Magazin beispielsweise wandten sich bis auf den provozierenden Auslöser gegen eine Monetarisierung der Eltern-Kind-Beziehung. Dennoch setzte sich im 18. Jahrhundert die pädagogische Empfehlung für die Gabe von Taschengeld durch und auch die Idee der kindlichen Buchführung gewann an Plausibilität. Geschlechterdifferenzen waren dabei nicht grundlegend für segregierte Techniken des Umgangs mit Geld. Ausschlaggebend waren die generellen Annahmen, dass Kinder auf die Zukunft vorbereitet werden mussten, dass dafür bestimmte Vorstellungen über Geld und Zeit vonnöten waren und dass sie in gute Bürger und Bürgerinnen verwandelt werden sollten. Erst danach, in den konkreten Zukunftsentwürfen, formulierten die Autoren und Autorinnen geschlechtsspezifische Anforderungen, Ziele und Gefahren. Die Methoden und Techniken der monetären Erziehung allerdings waren keineswegs unterschiedlich. Das Erlernen von Eigentum, die Gabe von Taschengeld und die Buchführungstechnik waren für Mädchen wie Jungen vorgesehen.368 Im Rahmen der Aufklärung sollte Erziehung nicht mehr nur der Disziplinierung von Kindern dienen, sondern richtete sich auf das zu entwickelnde Individuum und die Gesellschaft im Ganzen.369 Dieser doppelte Bezugspunkt vereinte die pädagogischen Diskurse mit den ökonomischen Ideen über den Nutzen des monetären Wissens.

368 Das

stellt auch O’Malley fest: O’Malley, The Making of the Modern Child, S. 113. Parent-Child Relations.

369 Guttormsson,

II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Der folgende Teil der Untersuchung wechselt die Perspektive von den Pädagogen des 18. Jahrhunderts zu den Experten und Expertinnen des Ökonomischen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und fragt nach der Bedeutung der monetären Erziehung im ökonomischen Diskurs. Ökonomen1 visierten die Bevölkerung und die Familie, den Staat und den Haushalt als ökonomische Handlungseinheiten an und setzten sich mit dem Charakter und Inhalt der Schulerziehung auseinander. Besonders in Großbritannien wurden neben den kanonischen Schriften populäre Bücher von Männern und Frauen verfasst, die sich an ein größeres Publikum wandten. Frauen, Kinder und Arbeiter wurden zu erklärten Zielgruppen der schriftstellerischen Bemühungen.2 Anders als in den Naturwissenschaften wurden im Rahmen der Politischen Ökonomie, der Nationalökonomie und der Staatswissenschaften nur eine beschränkte Anzahl populärwissenschaftlicher Bücherreihen und Veröffentlichungen produziert.3 Doch es gab durchaus Bücher, die Kindern und Jugendlichen ökonomische Themen näher bringen wollten. Diese setzten aber weniger auf Neugierde und Sensationslust, wie die naturwissenschaftlichen Kinderbücher, die seit dem späten 18. Jahrhundert erschienen,4 sondern erläuterten den Gegenstand weitgehend ohne Verwendung von Illustrationen in für Heranwachsende verständlicher Sprache. Erfolgreich waren auch die Veröffentlichungen britischer Herkunft, die die sich etablierende Politische Ökonomie für Kinder und Frauen plausibel machen und eine einfachere Darstellung der bis dato wenig rezipierten Schriften der Klassiker verbreiten wollten. Sie vertraten darüber hinaus bisweilen eigenständige Positionen gegen die damaligen Meinungsführer David Ricardo und Thomas Malthus. Die britischen Bestrebungen der Popularisierung des Ökonomischen sind mittlerweile gut erforscht. Hingegen liegen mit Ausnahme der Untersuchung von Harald Hagemann und Matthias Rösch keine Untersuchungen über die deutschsprachige Popularisierung des Ökonomischen vor.5 In diesem Untersuchungsteil wird gezeigt, dass sich deutsche Nationalökonomen 1

Diese Bezeichnung wurde erst mit der Professionalisierung und Institutionalisierung der Wirtschaftswissenschaften im 19. Jahrhundert populär. Zuvor handelte es sich um Theologen, Staatswissenschaftler, Kameralisten und Moralphilosophen, die ökonomische Themen behandelten. Zur Begriffsgeschichte vgl. Lichtblau, Ökonomie, politische. 2 Vgl. Myers, Science for Women and Children. 3 Augello und Guidi zeigen jedoch auf europäischer Ebene, dass es eine durchaus beachtliche Anzahl von popularisierenden Publikationen im Bereich der Politischen Ökonomie gab. Vgl. Augello und Guidi, The Economic Reader, S. 22 f. Zur Geschichte der Wissenschaftspopularisierung im Bereich der Naturwissenschaften vgl. Kretschmann (Hrsg.), Wissenspopularisierung; Lightman, Victorian Popularizer of Science; Fyfe (Hrsg.), Science and Salvation; Fyfe und Lightman (Hrsg.), Science in the Marketplace; Schwarz, Schlüssel zur modernen Welt; Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. 4 Vgl. Fyfe, Tracts, Classics and Brands. 5 Hagemann und Rösch, Economic Textbooks. Die Autoren konzentrieren sich auf Lehrbücher für die Universitäten. Schulbücher spielen in ihrer Untersuchung keine Rolle. https://doi.org/10.1515/9783110379129-003

104  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 und Staatswissenschaftler durchaus mit Fragen einer popularisierten Form des Ökonomischen beschäftigten und über die monetäre Erziehung von Kindern und Jugendlichen nachdachten. Es müssen aber die deutlichen nationalen Unterschiede in den Zuständigkeiten für das Ökonomische betont werden. Während sich in Großbritannien eine philosophisch orientierte Personengruppe den Fragen der wirtschaftlichen Organisation zuwandte, waren es in den deutschen Staaten vor allem als Staatswissenschaftler ausgebildete Beamte, die sich zu Wort meldeten. Die Differenz in den Zuständigkeiten war mitverantwortlich für die unterschiedliche Präsenz von Frauen in diesem Feld. 6 Wie Angela Schwarz für die spätere Popularisierung der Naturwissenschaften ab 1870 konstatiert hat, war dieses Gebiet in Deutschland ein männliches Terrain, während in Großbritannien der Anteil der Autorinnen am Gesamtbestand der von ihr untersuchten Publikationen etwas höher lag.7 Diese Diagnose lässt sich auf das ökonomische Wissen übertragen: Für die deutschen Staaten lassen sich keine Autorinnen eruieren, die in der ersten Jahrhunderthälfte an der Popularisierung der Ökonomie beteiligt waren. In Großbritannien dagegen konnten Frauen, wie Jane Marcet, die die Popularisierung des ökonomischen Wissens vorantrieb, oder Harriet Martineau, die ökonomische Themen in Kurzgeschichten behandelte, reüssieren, weil die fachliche Expertise nicht an eine formale Ausbildung gekoppelt war, sondern sich häufig im Bereich der bürgerlich-philosophischen Geselligkeiten entwickelte. Die bildungshistorische Forschung hat auf die unterschiedlichen Chancen für gebildete Frauen in England und Frankreich einerseits und den deutschsprachigen Gebieten andererseits verwiesen. In den deutschen Staaten gab es im 18. Jahrhundert noch keine „gelehrten Debatten oder Vereinigungen“ von Frauen. Ein möglicher Grund dafür lag in der dafür notwendigen, aber in Deutschland fehlenden Metropole. Die öffentliche Aufmerksamkeit für wissenschaftliche Erkenntnis war zudem nicht so ausgeprägt und „öffnete sich Frauen nicht“8, so die Bildungshistorikerin Juliane Jacobi. Gleichwohl war der Grad der Alphabetisierung von Frauen in den deutschen Staaten durchschnittlich höher als in Großbritannien oder Frankreich.9 Generell gilt, dass alle Autoren und Autorinnen das Ziel der aktiven Weltaneignung angesichts expandierender ökonomischer Wissensfelder formulierten: Um sich in diesen bewegen zu können, seien detaillierte Kenntnisse über die Funk­ tionsweise von Geld im Raum des Ökonomischen und dessen moralische und praktische Gefahren notwendig. Schon seit Bernard de Mandeville’s kanonisch gewordener Fabel The Fable of the Bees; or, Private Vices, Public Benefits (1714) waren 6 Hervorzuheben

sind besonders die Untersuchungen von Willie Henderson. Henderson, Economics as Literature; ders., Harriet Martineau; ders., Millicent Garrett Fawcett’s; Cooper, Family Fiction. Allgemein zur sozialistischen Popularisierung der Politischen Ökonomie vgl. Thompson, The People’s Science; sowie: Sockwell, Popularizing Classical Economics. 7 Schwarz, Schlüssel zur modernen Welt, S. 124–129. 8 Jacobi, Mädchen- und Frauenbildung, S. 173. 9 Ebd., S. 174.

II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850  105

ökonomische und moralische Fragen intrinsisch miteinander verknüpft.10 Eingebettet in Vorstellungen über das Verhalten von Individuen, über die Gesellschaft und ihre bestmögliche Organisation, konnten auch die Vertreter der Politischen Ökonomie die Frage der Moral und Menschenbilder nicht ignorieren.11 Für die hier betrachteten Schriften gilt zudem, dass sie inhaltlich noch eine hohe Kongruenz mit den Oekonomia-Vorstellungen der Frühen Neuzeit hatten.12 Haushalts- und Staatsökonomie waren gleichermaßen bedeutend, obwohl es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bedeutende Spaltungen in den Ökonomievorstellungen gab: Die „alte Ökonomik“ unterscheide zu wenig zwischen privaten und öffentlichen beziehungsweise staatlichen Ökonomien, kritisierte beispielsweise Johann Georg Schlosser 1798.13 Die neu entstehenden Perspektiven auf das Ökonomische betonten zwar die natürlichen Gesetze des Marktes, die unabhängig vom Souverän und Staat für Wohlstand und Fortschritt sorgen würden. Aber auch die theoretischen Entwürfe der Politischen Ökonomie basierten wie die Ökonomik auf Idealtypen des economic man und der domestic woman.14 Diese Figuren waren zwar schichtspezifisch ausgestaltet, sie basierten jedoch stets auf Ideen einer dichotomen Geschlechterordnung. Der economic man wurde als außerhäuslich berufstätig konzipiert, während der domestic woman die Haushaltsführung obliegen sollte. Dem entsprechend postulierten die Ökonomen unterschiedliche Inhalte für die Erziehung von Mädchen und Jungen in Familie, Schule und sonstiger Ausbildung.15 Während sich die Pädagogen des 18. Jahrhunderts weitgehend auf die männlichen Repräsentanten der neuen bürgerlichen Schichten bezogen und deren Erziehung um wirtschaftliche Kompetenz und Nützlichkeit ergänzt hatten, richteten die Ökonomen des frühen 19. Jahrhunderts ihre Schriften an erweiterte Personengruppen und versuchten vor allem in Großbritannien diese über die Elementarschulen zu erreichen, wie das erste Kapitel zeigt.16 Der Inklu­ sionsanspruch der bürgerlichen Gesellschaft auch im Bereich des ökonomischen Wissens weitete sich auf Arbeiter, Frauen und Kinder aus. Allerdings, das untersucht das zweite Kapitel, war die Adressierung eines weiblichen Publikums ebenso wie die weibliche Autorenschaft umstritten, während das Faktum kindlicher und jugendlicher Unterrichtung keinen öffentlichen Aufruhr provozierte. Die Gründe dafür, so die These des dritten Kapitels, sind darin zu suchen, dass die Vermittlung des Ökonomischen als ein männlicher Akt, als ein vom Vater vermittelter Initiationsritus für die Söhne, konstruiert wurde. Während die geschichtswissenschaftliche Forschung die Bedeutung von Frauen für die Popularisierung 10 Vgl.

zur langen Geschichte der Beziehung zwischen Moral und Kapitalismus Herzog und Honneth, Der Wert des Marktes. 11 Sockwell, Popularizing Classical Economics, S. 115; vgl. Searle, Morality and the Market. 12 Vgl. Wunder, Frauen in der frühen Neuzeit; über die Bedeutung der Hauswirtschaftslehre für die moderne Nationalökonomie vgl. Schefold, Oikonomikos, S. 1 f. 13 Zit. nach: Lichtblau, Zeitalter der Entzweiung, S. 25  f. 14 Cooper, Family Fiction, S. 72. 15 Mazlish, James and John Stuart Mill, S. 98. 16 Redman, The Rise of Political Economy as a Science, S. 135.

106  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 des Ökonomischen in Großbritannien anerkannt hat, wurde die väterliche Selbstkonzeption von Ökonomen bislang wenig beachtet. Diese hatte jedoch Einfluss auf das Verhältnis von Geld und Emotionen, das auch im 19. Jahrhundert von Ökonomen und den ihnen zugewandten PhilosophInnen und SchriftstellerInnen weiterhin thematisiert wurde, wie das vierte Kapitel zeigt. Monetäre Subjektivierungen waren für die Ökonomen keine auf das Individuum beschränkten Verhaltensleitbilder. Ihre Pädagogik kam daher nicht ohne eine gesamtgesellschaftliche Perspektive aus, in der das Verhalten der Einzelnen, der Männer, Frauen und Kinder, sich auf das große Ganze, die Nationalökonomie, auswirken würde.

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung Die Diskussionen über die ökonomische Erziehung von Kindern und Jugendlichen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren untrennbar mit dem wachsenden Wissensfeld des Ökonomischen verbunden. Neben der Forderung, die schulische Ausbildung allgemein auszuweiten und zu verbessern, beschäftigten sich Ökonomen mit der Frage, welchen Stellenwert wirtschaftliche Themen in der Schulerziehung haben sollten. Besonders die britischen Politischen Ökonomen drängten nachdrücklich darauf, entsprechende Lehren in den Unterricht der Elementarschulen zu integrieren. Aber auch die deutschen Staatswissenschaftler und Nationalökonomen richteten ihr Augenmerk auf diese Frage, allerdings in der Regel ohne die ökonomische Unterrichtung in den Volksschulen zu fordern.

Zur Entstehung des Ökonomischen als Wissensfeld Die moderne Ökonomie befand sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem Konstitutionsprozess. Anders als das Recht oder die Philosophie, hatte sie sich institutionell, diskursiv und personell jedoch noch nicht als ein separates Wissensfeld etabliert. Mary Poovey hat diesen Prozess vor allem aus den Bedeutungsüberschneidungen von ökonomischen Begriffen in der von Reinhart Koselleck herausgearbeiteten Sattelzeit abgeleitet. Die Begriffe des merkantilen und kameralistischen Zeitalters, auch der Begriff economy selbst im Sinne des Umgangs mit Ressourcen, waren in den Publikationen ebenso präsent wie die der entstehenden Politischen Ökonomie bzw. Nationalökonomie: „These emergent domains did not immediately replace their predecessors, however, but were mapped onto them in a process that entailed the negotiation and eventual redrawing of the boundaries between kinds of knowledge, kinds of practice, and kinds of institutions.“17 Auch der Wirtschaftshistoriker Lars Magnusson betont, dass es in Großbritan­ nien Übergangsphasen gegeben habe. Er argumentiert jedoch in die entgegengesetzte Richtung historischer Entwicklung: Schon im 17. Jahrhundert hätten die Merkantilisten ‚die Wirtschaft‘ als ein System betrachtet, in dem Akteure auf 17 Poovey,

Making a Social Body, S. 7.

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  107

Märkten mit Preisen, Löhnen und Zinsen agierten.18 Auch der Professionalisierungsprozess der Ökonomie entzieht sich einer genauen Datierung, da sich die jeweiligen Semantiken, Institutionen und Medien mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickelten und die Selbstbeschreibungen der Autoren und Autorinnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch erheblich variierten.19 Männer bezeichneten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht als Ökonomen, sondern als Philosophen, Kameralbeamte, Staatswissenschaftler oder Juristen.20 Nur wenige der hier behandelten Autoren, so wie Richard Whately in Oxford 1829 oder Karl Heinrich Rau in Heidelberg, hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Positionen als Ökonomen an einer Universität inne.21 Frauen, die in diesem Sektor aktiv waren, bezeichneten sich, wenn sie überhaupt eine explizite Zuordnung vornahmen, als Schriftstellerinnen. Das öffentliche Interesse an ökonomischen Themen nahm, folgt man Mary Poovey, um 1800 in England deutlich zu. Einige Londoner Zeitschriften begannen unter der Kolumne „remarks on trade“ ökonomische Themen zu diskutieren. Mit der Adressierung des Finanzmarktes entstand zudem um 1840 ein dezidierter „financial journalism“22 und diverse Zeitschriftengründungen führten zu einer sich ausbreitenden medialen Präsenz ökonomischer Themen. 23 Seit 1802 etablierte sich die Edinburgh Review als das Zentralorgan für Fragen des freien Handels und des Geldes. 1809 erschien erstmals die Quarterly Review als eine literarische Rezensionszeitschrift, die auch politische und wirtschaftliche Themen behandelte und sich dezidiert gegen Freihandel und Politische Ökonomie wandte. Schließlich kam 1843 der Economist heraus, der die Bedeutung der älteren Zeitschriften für Wirtschaftsthemen sukzessive ablöste. Englische ZeitungsleserInnen waren demnach seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, so interpretiert Mary Poovey, an die öffentliche Debatte über Themen wie Handel oder Staatsfinanzen ge18 Magnusson,

Mercantilism, S. 11. Ausführlich zur historischen Entwicklung der Trennung zwischen Politik und Ökonomie vgl. Scholl, Begrenzte Abhängigkeit. 19 Zur Entstehung der Ökonomie als Wissenschaft im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vgl. Trentmann und Daunton, Worlds of Political Economy, S. 4 f.; Poovey, Genres of the Credit Economy, S. 229; vgl. auch: Augello und Guidi (Hrsg.), The Spread of Political Economy; Fourcade, Economists and Societies. 20 Trentmann und Daunton, Worlds of Political Economy, S. 4. 21 Redman, The Rise of Political Economy as a Science, S. 136. 1727 wurde auf Anweisung des preußischen Königs an den Universitäten Halle und Frankfurt an der Oder eine Professur für „Oeconomie, Policey und Cammersachen“ eingerichtet. 1798 bestand an 36 deutschen Universitäten die Möglichkeit, Kameralwissenschaften zu studieren. Tribe, Governing Economy, S. 116. 22 Poovey, Writing about Finance in Victorian England, S. 25. 23 Raven, Judging New Wealth. Auch die Anzahl pädagogischer Zeitschriften nahm parallel zu den ökonomisch orientierten Zeitschriften in England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu: The Guardian of Education (1802–1806), hrsg. v. Sarah Trimmer, war die erste Zeitschrift für Kinder- und Jugendliteratur. Darüber hinaus entstanden das English Journal of Education (1843–1963), Quarterly Journal of Education (1831–1835) und The Educational Magazine and Journal of Christian and Public Utility (1835–1836). Für die deutschen Staaten sind vor allem die Rheinischen Blätter für Erziehung und Unterricht (1827–1870) zu erwähnen.

108  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 wöhnt.24 Auch in Deutschland nahm die Wirtschaftspresse im 19. Jahrhundert an Bedeutung zu: Ab den 1850er Jahren gründeten sich Zeitschriften mit einem Fokus auf ökonomische Themen, wie beispielsweise die seit 1855 herausgegebene Berliner Börsen-Zeitung und die seit 1856 erscheinende Frankfurter Handelszeitung. Seit 1835 gab Karl Heinrich Rau die ökonomische Fachzeitschrift Archiv der politischen Ökonomie und Polizeiwissenschaft heraus. Die ökonomischen Diskurse lösten sich auch im 19. Jahrhundert nicht aus ihrer Verbindung mit staatlichen Steuerungsvorstellungen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien basierte die ökonomische Theoriebildung keineswegs ausschließlich auf dem nach Eigeninteressen handelnden ökonomischen Subjekt. Weiterhin blieb das merkantilistische Ideal eines starken Staates als Regulator und Garant ökonomischer Prosperität virulent.25 Allerdings prägen national unterschiedliche Gewichtungen die Debatten: Während sich das finanzpolitische Augenmerk in Großbritannien stärker auf die Förderung der Unternehmen und der bürgerlichen Schichten richtete, blieben in den deutschen Staaten die jeweiligen Regierungen stärker präsent.26 Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die deutsche Ökonomietradition der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur als eine passive, verspätete und zögerliche Rezeption der französischen und britischen Politischen Ökonomie zu beschreiben.27 Vielmehr entwickelte sich im deutschsprachigen Raum eine eigenständige Mischform aus staatswissenschaftlichen, kameralistischen Sichtweisen und liberalen Ideen, wie beispielsweise in den Schriften von Gottlieb Hufeland, Johann Heinrich von Thünen und Friedrich Benedict Wilhelm von Hermann deutlich wird.28 Verlässt man die vermeintlich gesicherten Bahnen der ideengeschichtlichen Rekonstruktion nationaler Denkstile, dann etikettierten sich die englisch- und deutschsprachigen Publikationen zwar unterschiedlich – political economy da und Staatswissenschaften, Volkswirtschaft oder Nationalökonomie hier – aber die Unterschiede resultierten eher aus der Gewichtung der Positionen im Spektrum gleicher Fragen und Probleme.29 Für die Behandlung von Erziehungsfragen in ökonomischen Texten galt dieses Kontinuum allemal.

Ökonomie und Erziehungsfragen Das Anliegen, die Politische Ökonomie als Wissenschaft mit einem abgegrenzten, auf Fakten, Wahrheit und Prinzipien basierenden Denksystem zu etablieren, war erst einmal diskursiver Natur, und insbesondere die Grenzen zwischen ökonomischen und pädagogischen Überlegungen waren nicht streng gezogen, wenn von 24 Poovey,

Genres of the Credit Economy, S. 31. Economy, S. 92. Vgl. Winch, Riches and Poverty; Klaver, A/moral Economics; Letwin, The Origins of Scientific Economics; Berg, The Machinery Question. 26 Schmidt, Merkantilismus, Kameralismus, Physiokratie, S. 48. 27 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866 , S. 520. 28 Pribram, Geschichte des ökonomischen Denkens, S. 387. Weitere Beispiele einer frühen SmithRezeption unter deutschen Philosophen, Nationalökonomen und Staatswissenschaftlern finden sich in: Priddat, Deutsche Bedenken an Adam Smith. 29 Trentmann und Daunton, Worlds of Political Economy, S. 1–23. 25 Tribe, Governing

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  109

der Rolle der Erziehung die Rede war.30 Solche Überschneidungen fanden sich nicht nur in den populären Versionen, sondern waren auch bei den Klassikern der liberalen Wirtschaftsvisionen präsent.31 Schon Adam Smith (1723–1790) hatte in An Inquiry into the Nature and Wealth of Nations Aussagen zur Notwendigkeit ­einer an das moderne Wirtschaftsleben angepassten Erziehung gemacht.32 Smith war besonders besorgt über die negativen Folgen der Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung, die er grundsätzlich als Grundlage einer prosperierenden Wirtschaft pries, habe zur Folge, dass Männer nur ein oder zwei Handgriffe vornehmen müssten und aufgrund dieser eingeschränkten Tätigkeit im Laufe der Jahre verkümmerten: „He naturally loses, therefore, the habit of such exertion, and generally becomes as stupid and ignorant as it is possible for a human creature to become“.33 Als Korrektiv müsse auf die Erziehung der „common people“ besonders geachtet werden. Allerdings könnten diese der Erziehung ihrer Kinder aufgrund der alltäglichen Not wenig Spielraum einräumen: „They have little time to spare for education. Their parents can scarce afford to maintain them even in infancy. As soon as they are able to work, they must apply to some trade by which they can earn their subsistence.”34 Mit dem Verweis auf ihre ökonomische Notwendigkeit vertrat er keine grundsätzlich ablehnende Position gegenüber der Kinderarbeit in den unteren Schichten. Aber für Smith war gesellschaftlicher Fortschritt auf der Grundlage ökonomischen Wachstums, eines stabilen Staates und einer verhältnismäßig akzeptablen Situation der unteren Schichten nur im Zusammenhang mit einer verbesserten Erziehung von Kindern und Heranwachsenden denkbar. Smith schlug eine Ausweitung der lokalen Elementarschulen, der parish schools, vor, um den Kindern rudimentäre Kenntnisse im Rechnen, Lesen und Schreiben zu vermitteln: But though the common people cannot, in any civilized society, be so well instructed as people of some rank and fortune, the most essential parts of education, however, to read, write, and account, can be acquired at so early a period of life, that the greater part even of those who are to be bred to the lowest occupations, have time to acquire them before they can be employed in those occupations.35 30 Der

erste Satz in Jeremy Benthams Manual of Political Economy lautet: „Political Economy is at once a science and an art. The value of the science has for its efficient cause and measure, its subserviency to the art.“ Bentham, Manual of Political Economy, S. 33. Etwa 70 Jahre später formulierte W. Stanley Jevons dies sehr viel exklusiver: „It seems perfectly clear that Economy, if it is to be a science at all, must be a mathematical science.“ Jevons, The Theory of Political Economy, S. 3. Allgemein zur Wissensgeschichte der Politischen Ökonomie vgl. Winch, The Emergence of Economics. 31 O’Donnell, The Educational Thought; Spalletti, Education and History of Economic Thought. 32 Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. 33 Ebd., Bd. III, S. 182. 34 Ebd., S. 186. Adam Smith hatte keine direkte Beziehung zu den Philanthropen, aber die Ideen waren kongruent. Für den deutschsprachigen Raum lässt sich die enge Beziehung zwischen Philanthropismus und Nationalökonomie vor allem an dem Schweizer Isaac Iselin (1728– 1782) und dem Großherzog Carl Friedrich von Baden (1728–1811) zeigen. Winter, Beziehungen, S. 12. 35 Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Bd. III, S. 186  f.

110  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Die Forderung nach einer praktischen Durchsetzung der verpflichtenden Schul­ bildung in Preußen bildete einen Konsens unter den hier behandelten deutschen Ökonomen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Beeinflusst von den pädagogischen und aufklärerischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts befanden auch sie, dass gesamtgesellschaftlicher Fortschritt durch eine verbesserte Kindererziehung zu gewährleisten sei.36 Ökonomische Gesichtspunkte spielten dabei eine gewichtige Rolle: Die Durchsetzung eines Mindestmaßes an staatlicher Erziehung sei kostengünstiger für den Staat, als die Versorgung der ansonsten steigenden Anzahl von Kriminellen.37 In geistiger Nachbarschaft zu den Ideen der Reformpädagogik und in deutlicher Distanz zu neuhumanistischen Bildungsvorstellungen entwarfen viele Ökonomen ein nutzenorientiertes Bildungsprogramm. Sie verstanden die Lehren von Smith, Say, Malthus und Ricardo als einen Beitrag zur Lösung der immer drängender werdenden sozialen Frage und als ein Instrument sozialer Kontrolle der steigenden Zahl der Armen in Deutschland und Großbritannien. Das britische New Poor Law von 1834 als überkommunale Gesetzesregelung wurde auch zum Vorbild für die Armenfürsorge in den deutschen Staaten. Darüber hinaus fand die Idee, dass die Armen zur Arbeit erzogen werden müssten, weite Unterstützung in philanthropischen, karitativen und administrativen Kreisen. Beamte, Pädagogen, Politiker und Ökonomen waren angesichts der zunehmenden Armut gezwungen, sich mit der großen Anzahl armer Kinder und ihren Zukunftsperspektiven zu beschäftigen. Dies führte in beiden Ländern zu staatlichen Regulierungsmaßnahmen und Gesetzesinitiativen, die sich auf arme Kinder, Waisen- und Vagantenkinder bezogen.38 Vor allem Angehörige der Mittelschichten dachten in sozialmoralischen Kategorien: Sie versuchten, den Unterschichten Arbeit als positiven Wert und Müßiggang als Sünde zu vermitteln, um die Kosten der Fürsorge zu senken und das öffentliche Betteln zu eliminieren. Gleichzeitig entstanden erste lokale Sparkassen wie mit der Ersparungskasse in Hamburg 1778, die es Arbeitern und Arbeiterinnen ermöglichen sollten, kleine Beträge auf ein Konto einzuzahlen. Mit dieser philanthropischen Initiative verband sich die Hoffnung, die Lage der unteren Schichten zu verbessern, wenn diese ihr individuelles Geldverhalten modifizieren würden. Mit dem Ende der Kriegszeit gründeten sich in den deutschen Staaten Dutzende von Sparkassen.39 Viele Ökonomen betonten die Notwendigkeit einer elementaren Schulbildung als wichtigen Bestandteil der Perspektiventwicklung für Familien der Unterschichten. Die Ausweitung des Elementarschulwesens hebe, wie der Heidelberger Professor für Nationalökonomie Karl Heinrich Rau in seinem einflussreichen Lehrbuch der politischen Ökonomie von 1828 betonte, den „sittlichen und geistigen Zustand eines Volkes“ und helfe beim Verständnis der Gewerbe sowie der „Ord36 Redman,

The Rise of Political Economy as a Science, S. 139. The Role of Education. 38 Vgl. Lindeman, Patriots and Paupers. 39 Wandel, Banken und Versicherungen im 19. Jahrhundert, S. 3  f. 37 Vgl. West,

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  111

nung im Haushalte der Familien“.40 Bildung verhindere die Armut und wirke langfristig auf die „Herrschaft des ruhigen Verstandes über die Leidenschaft“ gerade in Fragen der frühen Eheschließung und Familiengründung.41 Auch Rau folgte mit seinen Ordnungsvorstellungen keineswegs einer dichotomen Vorstellung von Öffentlichkeit und Privatheit. In seinem Entwurf waren Haushalt, Familie und Staat eng aufeinander bezogen: Bessere Bildung begründe eine übergreifende Moral und ein ordentliches Leben. Aus diesem Grund sollten arme oder verwaiste Kinder in Armenschulen erzogen werden.42 Mit diesen Ideen schloss sich Rau den im späten 18. Jahrhundert entwickelten Industrieschulen an, die versuchten, elementare Bildung und handwerkliche Fähigkeiten gleichzeitig zu vermitteln. Die Kinder wurden ihren als ungeeignet bezeichneten Eltern entzogen und unter die Aufsicht eines Anstaltsleiters gestellt. Regelmäßige Lebensführung, Erziehung zur Sparsamkeit, Anpassung an die Arbeitsethik und -techniken sowie religiöse Unterweisung dienten der Disziplinierung und potentiellen Integration in den Arbeitsmarkt, so Rau: Die unter die genannten Classen gehörenden Kinder würden, wenn man sie ihrem Schicksale überließe, größtentheils zu arbeitsscheuen, unwissenden und sittenlosen Menschen werden, welche nur im Betteln oder in andern noch verderblicheren Ernährungsarten ihr Fortkommen suchten und fänden. Die gute Erziehung solcher Kinder gewinnt daher der Gesellschaft eine Anzahl fleißiger und gesitteter Bürger an der Stelle von ebensovieln verwilderten Müßiggängern [sic].43

Die „Anforderungen an eine Armenschule“ beschreibt Rau folgendermaßen: daß Unterricht in nützlichen Kenntnissen und Anleitung zur Arbeit innig mit einander verbunden werden, um die Kinder mit solchen Thätigkeiten auszurüsten, deren sie bedürfen, um sich als vermögenslose Lohnarbeiter gut fortzubringen. Sie müssen daher, von der Lebensweise der höheren Stände entfernt, einfach, genügsam, kraftvoll erzogen werden, damit sie als denkende Gewerbsleute Nutzen stiften.44

Mit der elementaren Ausbildung war also keineswegs eine Annäherung an die bürgerlichen Schichten vorgesehen, vielmehr sollten die Herangewachsenen sicher und stabil ihrer sozialen Zugehörigkeit entsprechen, ihre Arbeit leisten und sich vor allem nicht über ihre Möglichkeiten hinaussehnen.

Schule und die Popularisierung der Politischen Ökonomie Um die monetäre und ökonomische Erziehung zu gewährleisten, waren für Laien und Kinder verständliche Textversionen vonnöten. Derart populär verfasste Schriften verhalfen dem ökonomischen Wissen im Allgemeinen und der Politischen Ökonomie im Speziellen zu einer breiteren Rezeption, als dies die kaum gelesenen Texte von Malthus, Say und Ricardo vermochten. Autorinnen und Autoren 40 Rau,

Grundsätze der Volkswirthschaftspflege, S. 24. Verhinderung der Armut führt Rau weiterhin die Nützlichkeit des Sparens und „Freude an Ersparnissen“ auf. Ebd., S. 379 f. 42 Vgl. dazu Dressen, Die pädagogische Maschine, S. 280–283. 43 Rau, Grundsätze der Volkswirthschaftspflege, S. 412. 44 Ebd. 41 Zur

112  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 wandten sich dezidiert an Frauen, Kinder und Jugendliche sowie zunehmend auch an Arbeiter. Diese Schul- und Lehrbücher waren per se transnational: sie zirkulierten in den europäischen Staaten, wurden vielfach übersetzt und kopiert.45 Zudem publizierte fast jeder Lehrstuhlinhaber, der einen Lehrauftrag in Ökonomie, Kameralwissenschaft, Politischer Ökonomie, Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre hatte, ein Lehrbuch, dass seine Vorlesung für die Studenten aufbereitete.46 Diese Versuche der Popularisierung in Schule und Universität unterminierten aber gleichzeitig die zeitgenössischen Versuche der Definition von Ökonomie, insbesondere der Politischen Ökonomie, als einer exakten Wissenschaft, indem sie die Trennung zwischen Ökonomie einerseits und Moral, Erziehung und Religion andererseits überkamen.47 John Stuart Mill beispielsweise formulierte zwar mit großer Sorgfalt eine enge Definition der Politischen Ökonomie als Wissenschaft, er war sich aber auch bewusst, dass seine Definition obsolet wurde, sobald man sich an ein größeres Publikum wandte: „the didactic writer on the subject will naturally combine in his exposition, with the truths of the pure science, as many of the pratical modifications as will, in his estimation, be most conducive to the usefulness of his work.“48 Die Popularisierung der Politischen Ökonomie war nicht nur ein Versuch der Verbesserung der ökonomischen Kenntnisse, der sozialen Kontrolle und der Bekämpfung des Pauperismus, sondern stellte auch ein Beispiel für die durchlässig konzipierten Wissensgrenzen zwischen den sich erst später entwickelnden Diszi­ plinen dar. Diese Permeabilität war allen Akteuren bewusst und wurde mit der Aussicht auf die erfolgreiche Verbreitung der heilbringenden Ideen begrüßt. Im Vorwort von Jane Marcets deutscher Ausgabe der Conversations on Political Economy von 1820 betonte der Übersetzer die Relevanz der Politischen Ökonomie als einer Wissenschaft für die Angehörigen aller Schichten: „eine Wissenschaft als welche den in der civilisirten Gesellschaft lebenden Menschen so nahe angeht, interessant genug, um sich so frühe als möglich mit ihren Hauptgrundsätzen bekannt zu machen“49 Über die Zitation einer französischen Rezension der englischen Ausgabe verdeutlichte der Übersetzer zudem die enge Verwandtschaft der Politischen Ökonomie mit den Wissensfeldern der Staats- und Sittenlehre: „so drängt sich der Wunsch von selbst auf, daß sie unter die Lehrgegenstände für die Jugend aufgenommen und ein wesentliches Stück eines liberalen Unterrichtes werden möchte.‘“50 Lehr- und Schulbücher waren als Medien dieser Form der Gouvernementalität wesentlich, wie Augello und Guidi in Anlehnung an Foucaults Interpretation der Politischen Ökonomie überzeugend argumentiert haben: they had the privilege of creating economic representations by presenting the systematic connection among economic laws to a relatively ignorant public that could learn them as a system 45 Augello

und Guidi, The Economic Reader, S. 33. und Rösch, Economic Textbooks, S. 96. 47 Klaver, A/moral Economics, S. XVf. 48 Mill, On the Definition of Political Economy, S. 140  f. 49 Vorwort des Uebersetzers, in: Marcet, Unterhaltungen über die National-Oekonomie, S. IV. 50 Ebd., S. III. Er zitiert aus einer französischen Rezension der englischen Ausgabe von 1816. 46 Hagemann

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  113 of governmentality. […] The new generations learned political economy as a life discipline and as a guide to individual choice in the workplace, in the family, in the public opinion and in politics. In this way, textbooks cognitively and normatively constructed the typical horizon of market society.51

Thomas Robert Malthus forderte als einer der Ersten, dass die Lehren der Politischen Ökonomie in die schulischen Lehrbücher integriert werden sollten. Für den Fall, dass die Unterrichtung der gemeinen Leute jedoch nicht gelingen würde, sei die Politische Ökonomie, so Malthus 1803, zumindest in der universitären Lehre zu behandeln, um die politische Elite und den Klerus mit der ökonomischen Gedankenwelt vertraut zu machen: „It is of the very utmost importance, that the gentlemen of the country, and particularly the clergy, should not, from ignorance, aggravate the evils of scarcity every time that it unfortunately occurs.“52 Mehr als zwanzig Jahre später fügte er in einer neuen Auflage von On the Principle of Po­ pulation die Bemerkung hinzu, wie zufrieden er mit der Integration der Politischen Ökonomie in den universitären Bildungseinrichtungen sei: Sie befände sich auf dem Vormarsch durch die pädagogischen Institutionen.53 Der in England ab der Jahrhundertwende formulierte Vorschlag der Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen in Politischer Ökonomie war zu diesem Zeitpunkt noch eine avantgardistische Idee, wurde aber seit den 1830er Jahren auch von Regierungskreisen und Lehrern übernommen.54 Die Einbeziehung der ökonomischen Lehren in die Lese- und Lehrbücher der Gemeindeschulen erfolgte auf der Materialbasis populärer ökonomischen Schriften wie Jane Marcets Conversations on Political Economy (1816), James Mills Elements of Political Economy (1821), Richard Whatelys Introductory Lectures of Political Economy (1831) und Easy Lessons on Money Matters for the Use of Young People (1837) sowie First Lessons of Political Economy for the Use of Elementary Schools (1837) des Amerikaners John McVickar.55 Die Autoren und Autorinnen rezipierten sich gegenseitig sehr stark, schrieben massiv voneinander ab und passten den Inhalt den nationalen Anforderungen an. McVickar betonte beispielsweise die Bedeutung, die Whatelys Publikation für ihn gehabt habe. Erst habe er über einen Wiederabdruck nachgedacht, dann aber an die besonderen amerikanischen Bedingungen gedacht und 51 Augello

und Guidi, The Economic Reader, S. 29 [Hervorhebung im Original]. On the Principle of Population, S. 554. 53 „This note was written in 1803; and it is particularly gratifying to me, at the end of the year 1825, to see that what I stated as so desirable twenty-two years ago, seems to be now on the eve of its accomplishment. The increasing attention which in the interval has been paid generally to the science of political economy; the lectures which have been given at Cambridge, London, and Liverpool; the chair which has lately been established at Oxford; the projected University in the Metropolis; and, above all, the Mechanics Institution, open the fairest prospect that, within a moderate period of time, the fundamental principles of political economy will, to a very useful extent, be known to the higher, middle, and a most important portion of the working classes of society in England.” Malthus, On the Principle of Population (6London 1826), S. 354 f. 54 Vgl. Layton, Science for the People. 55 Marsh, Economics Education, S.  116–118; Sockwell, Popularizing Classical Economics, S. 116. 52 Malthus,

114  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 nur das Kapitel über Geld kopiert.56 Viele dieser Autoren und Autorinnen bewegten sich zudem in einem sozialen Umfeld, in dem die ökonomischen Themen in religiöse oder politische Kontexte eingebettet waren. Einige von ihnen, italienische Katholiken wie niederländische Calvinisten, unterstrichen die Nähe zwischen religiösen Werten und den ökonomischen Gesetzen.57 Gesellschaften, wie der Political Economy Club oder die Society for the Diffusion of Useful Knowledge bedingten die jeweilige politische Stoßrichtung der Publikationen. Vor ihrer Reform waren britische Schul- und Lesebücher von der Vorstellung einer göttlich geprägten, ländlichen Welt dominiert, in der die soziale Ungleichheit zwischen Arm und Reich durch Wohltätigkeit abgefedert wurde und niemand den für sie oder ihn vorgesehenen Platz auf Erden verließ.58 Mit der Verschiebung auf eine stärker säkular, das heißt auch wirtschaftlich ausgerichtete Erziehung wandelte sich dieses Weltbild. Die sozialen Unterschiede galten nun nicht mehr als Ausdruck des göttlichen Willens, sondern als das Resultat der ökonomischen Gesetze.59 Obwohl die bislang vorherrschende Lektüre von Bibel und Gebetbüchern in Frage gestellt wurde, unterstützten alle Denominationen gleichermaßen den Wandel und produzierten ihre eigenen Lesebuchreihen.60 Die Daily Lesson Books (1840–1842) der Dissenter, die Reading Books (1851–1860) der Society for Promoting Christian Knowledge, der Training School Reader (1851) der Congregrationalisten und die Catholic Reading Book Series (1862) sind nur ein Ausschnitt aus dem religiösen Spektrum der produzierten englischsprachigen Lesebücher. Neben moralischen und beispielgebenden Geschichten wurden darin sehr konkrete Hinweise auf den Umgang mit Geld gegeben und Erklärungen zur Politischen Ökonomie geliefert. In einem der wichtigsten englischsprachigen Lehrbücher The Training System (1848) plädierte der Autor David Stow für das aktive Nachspielen von Kauf und Verkauf, um die unterschiedlichen Arten der Buchführung in der Praxis zu erlernen.61 In späteren Jahren forderte Millicent Garrett Fawcett in Political Economy for Beginners (1870), das aus der Zusammenarbeit mit ihrem blinden Ehemann, dem Ökonomen Henry Fawcett, entstanden war, die Unterrichtung der Politischen Ökonomie in Elementarschulen. Das Buch verkaufte sich außerordentlich gut. Fawcett verstand sich durchaus in Tradition der älteren, von Frauen verfassten Werke zur Ökonomie, wie Jane Marcet und Harriet Martineau.62 Neben den genannten Beispielen waren es vor allem William Ellis und Benjamin Templar, die die ökonomische Bildung mit eigenen Schulgründungen und 56 McVickar,

First Lessons of Political Economy, Einleitung. die Beispiele in: Augello und Guidi, The Economic Reader, S. 30. 58 Goldstrom, Social Content, S. 34  f. 59 Ebd., S. 71. 60 1803 bestanden in Großbritannien 7125 Sunday Schools. Laqueur, Religion and Respectability; Goldstrom, Social Content, S. 9. 61 Stow, The Training System, S. 228. Geld diene zudem der Überprüfung der Ehrlichkeit der Schüler. Ebd., S. 403 f. 62 Henderson, Millicent Garret Fawcett’s Political Economy, S. 435. Fawcett publizierte zudem Tales in Political Economy (1874). Im Vorwort erwähnt sie den Einfluss, den die Erzählungen von Harriet Martineau auf sie gehabt hätten. Fawcett, Tales, o.S. 57 Vgl.

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  115

intensiver publizistischer Tätigkeit vorantrieben. Benjamin Templar (1831–1879), ein Schulleiter aus Manchester, richtete sein ökonomisches Lesebuch Reading Lessons in Social Economy (1858) an männliche Leser ab neun oder zehn Jahren. Es handelte es sich um eine schlichte Darstellung von gedanklichen Versatzstücken der Politischen Ökonomie, wie Arbeitsteilung, Profit, Kapital und Geld. Letzteres bezeichnete er zuerst als unwichtig, um dann aber in einer Kehrtwendung die allumfassende Bedeutung des Geldes als Tauschmittel zu unterstreichen: All boys who now go to school, know that the time will come, when they will go to work, to earn their own ‚living‘, as some say; or, what means the same thing, to get wages. With the money they get as wages, they or their parents will buy food, clothes, and other things they want. Money itself is of no use; people can neither eat, drink, nor wear it, nor can they live in it; and yet they work very hard to get it. The reason why they do so, is this; to live, they must have food, clothes, fuel, and shelter; – that is, places to live in. Money, and money only, will get them these things; and therefore it is, that people work to get it. We see then, that although to get money, is what all work for, money is not the real object of their labour, but what money will buy.63

Templar stand in der Tradition moralischer Volksaufklärung und entwarf seine Unterrichtung mit Hilfe kleiner Geschichten. Wie andere vor ihm unterteilte er die Welt in gute und schlechte Umgangsweisen mit Geld: Ein anonymer Arbeiter, so erläutert Templar ein Negativbeispiel, der zu Beginn des Monats nicht an das Ende denke, bringe den ganzen Lohn durch sein extravagantes Leben durch: „Such a man can have but very few of the comforts of life, not because he has not money enough to buy them, but because he does not manage well with what he has; – he is a bad manager, and bad management is the cause of his poverty and discomfort.“64 Dagegen setzte Templar ein positives Beispiel: Ein Mann namens Smith organisiere alles besser, lege immer Geld zurück und könne deshalb besser leben: „To live comfortably, he must not only possess the knowledge, skill, and industry, that are necessary to get a good wage, but he must have good management. Good management is called economy; and a person who is a good manager, who possesses economy, is said to be an economical person.“65 Für Templar basierte vernünftiges und moralisch akzeptables ökonomisches Verhalten auf Sparsamkeit und der Kenntnis, wann das Geld auszugeben sei. William Ellis (1800–1880), der Gründer der Birbeck Schools, und einer der prominentesten englischen Befürworter der Unterrichtung in Politischer Ökonomie, versprach sich von verbesserter ökonomischer und monetärer Kenntnis eine bessere Vorbereitung auf das Berufsleben und die Schaffung zuverlässiger Bürger des Staates.66 Für ihn hing die gesamte britische Zivilisation – auch die der Kolonien – an den Errungenschaften des Handels und der von ihm benannten Social Economy.67 Sein Schulbuch Outlines of Social Economy wurde international rezipiert und ins Französische, Deutsche, Niederländische, Russische und Japanische 63 Templar,

Reading Lessons, S. 1. S. 13. 65 Ebd., S. 14  f. 66 Ellis, Outlines of Social Economy, S. V. Zu Ellis vgl. Sockwell, Popularizing Classical Economics, S. 62–65; Searle, Morality and the Market, S. 41 f. 67 Ellis, Outlines of Social Economy, S. 3  f. 64 Ebd.,

116  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 übersetzt.68 In derartigen Schulbüchern wurde die Politische Ökonomie häufig so verkürzt, dass sie sich nicht mehr stark von den Ratgebern für Ehe und Familie unterschied. Die popularisierte Variante der Politischen Ökonomie stand damit in einem Kontinuum mit den Wissensbeständen anderer Schriften über die ökonomische Vernunft. Handelte es sich bei der Unterrichtung in Politischer Ökonomie um einen Einzelfall, der auf Großbritannien beschränkt blieb? Ein Blick auf die USA zeigt, dass auch dort diese Lehren Eingang in die Schulmaterialien fanden.69 Der Präsident der Brown University in Providence (Rhode Island), Francis Wayland (1796– 1865), war Ökonom und Baptist. In dem von ihm verfassten Schulbuch The Elements of Political Economy von 1837 propagierte er die Politische Ökonomie und forderte gleichzeitig eine christliche Orientierung ökonomischen Handelns.70 Die für Lesebücher übliche Didaktik, den Lehrern Fragen zu diktieren, die die Schüler und Schülerinnen beantworten sollten, fand sich auch in seinem Lehrbuch. Die Fragen signalisierten eine implizierte Fortschrittsannahme: „In what respect is money like a loom, or a spinning-wheel, or a nail machine?“ oder „Suppose that the use of money in any large town were abolished, describe the change which it would produce in the condition of the inhabitants.“71 Die standardisierte Darstellung des Geldes als eines Mediums, das den Tausch in komplexer werdenden Gesellschaften erleichtert habe und Arbeitsteilung ermöglichte, findet sich auch in seiner Schrift: „The advantage of having such a medium, or instrument for the purpose of facilitating exchange, are so numerous, and the necessity of having something of this kind is so imperative, that all nations in the least civilized, at a very early period of their history, have made use of some substance to answer this purpose.“72 Ein anderer US-amerikanischer Autor, John McVickar, verknüpfte in den 1830er Jahren den Unterricht in Politischer Ökonomie mit der Idee des universellen Wahlrechts für Männer und formierte damit rund 100 Jahre vor der Begriffsschöpfung economic citizenship den Konnex zwischen Staatsbürgerschaft und ökonomischer Vernunft: „for if universal suffrage make every man a legislator, universal education must fit him for the task. To employ his power wisely and well, he must at any rate not be ignorant in those matters in which legislation is concerned.“73 Vor dem Hintergrund der zeitweilig erfolgreichen Integration nicht nur von ökonomischen Themen, sondern von Versatzstücken der Politischen Ökonomie 68 Augello

und Guidi, Textbooks, S. 34. Evolution. 70 Sein Buch verkaufte sich außerordentlich gut. Bis 1867 waren etwa 40 000 Exemplare verkauft und es wurde mehrfach neu aufgelegt. Colander, Evolution, S. 326. Heutzutage ist ein amerikanischer Thinktank nach Francis Wayland benannt, der in der Selbstdarstellung Christentum und freie Marktideologie zu verbinden versucht. Ähnliche Formulierungen wie bei Wayland finden sich in: Chapin, First Principles, S. 142 ff. Vgl. auch Alden, First Principles of Political Economy. 71 Wayland, Elements of Political Economy, S. 127  f. 72 Ebd., S. 126  f. 73 McVickar, First Lessons of Political Economy, Einleitung. 69 Colander,

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  117

in die Schulbücher in Großbritannien und in den USA, stellte sich die Lage in den deutschen Staaten etwas anders dar. Als in Preußen mit dem Unterrichtsgesetz von 1819 die Volksschulen ausgebaut und die Schulpflicht ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr verstärkt wurde, entwarfen die Beamten auch Lehrkonzepte, die keineswegs auf eine reine Nützlichkeitserziehung zielten. Die preußische Regierung reagierte auf die neu-humanistischen Entwürfe einer umfassenden Bildungsreform, die sich nicht ausschließlich auf die zielorientierte, berufsspezifische und ständische Erziehung richtete. Die Grundlage aller weiteren Ausbildungen sollte eine Schichten übergreifende, allgemeine Menschenbildung sein, die die „Fixierungen sowie pädagogische[n] Einseitigkeiten“ aus der allgemeinen Bildung verdrängte.74 De facto waren diesem theoretischen Entwurf jedoch erst einmal Grenzen gesetzt, da die Volksschulen Einrichtungen für die unteren Schichten blieben. In der Praxis war der Unterricht sowohl in den ländlichen als auch in den städtischen Volksschulen bis zur Jahrhundertmitte von regionalen Besonderheiten, vom Personal und von der schulischen Ausstattung abhängig. In der Regel wurde vor allem Lesen und Schreiben unterrichtet und die religiöse Unterweisung durch stetige Bibellektüre vorangetrieben.75 Rechnen wurde weiterhin zwar verhältnismäßig wenig gelehrt, jedoch rechneten die mittleren Klassen mit Münzgeld und in den fortgeschrittenen Klassen wurde Zins- und Rabattberechnung unterrichtet.76 Doch auch die deutschen Staatswissenschaftler und Ökonomen waren von der ökonomischen Bedeutung der Erziehung und der Nützlichkeit der ökonomischen Bildung überzeugt. Schon im frühen 19. Jahrhundert plädierten sie für eine ökonomische Aufklärung. Einer dieser Autoren war der fürstlich brandenburgische Regierungsrat und Schriftsteller Friedrich Julius Heinrich von Soden (1754–1831). In seiner ab 1805 vorgelegten mehrbändigen Schrift Die Nazional-Oekonomie betonte er die Notwendigkeit, in Deutschland zu einem Konzept von „NazionalBildung“ zu kommen, und begründete seinen Vorschlag ökonomisch: „Diese Bildungs-Anstalten sind ein wahrhaft Nazional-Oekonomistischer Staats-Aufwand. Die Bildung der Staatsbürger befördert die Produkzion; diese Beförderung vermehrt das Nazional-Vermögen, und vergütet also den Aufwand über­schwäng­ lich.“77 Mit Blick auf das höhere Schulwesen unterstrich er die ökonomische Bedeutung reformierter Schulbildung. Er schlug umfassende Reformen des bestehenden Schulsystems vor, um es stärker am „Nazional-Bedürfniß“78 auszurichten. Akademien, höhere Lehranstalten und Universitäten sollten die „unfruchtbaren spekulativen Untersuchungen, die dem Nazional-Wohlstand nicht frommen“79, eindämmen, und der Sprachunterricht an Lyzeen und Gymnasien solle zugunsten 74 Jeismann,

Das preußische Gymnasium, S. 349; vgl. auch Benner, Humboldts Bildungstheorie. Das niedere Schulwesen, S. 132 f.; Kuhlemann, Modernisierung und Disziplinierung, S. 237. 76 Friedrich, Das niedere Schulwesen, S. 134–138. 77 Von Soden, Die Nazional-Oekonomie, S. 194. 78 Ebd., S. 192. 79 Ebd., S. 189. 75 Friedrich,

118  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 des „wissenschaftlichen Unterricht[s] in allen Gattungen der Nazional-Pro­duk­ zion“80 eingeschränkt werden. Mit dieser Einschätzung war Soden in Deutschland nicht allein. Auch der Jurist und Nationalökonom Johann F. E. Lotz (1771–1838) plädierte dafür, Bildung an ihrer ökonomischen Nützlichkeit zu bemessen und auf den Umgang mit der Warenwelt auszurichten: Die geistige Bildung des Menschen ist es eigentlich, durch die er sein Verhältniß zur Güterwelt richtig erkennen lernt; sie ist es, die ihn fleißig und betriebsam macht, und sie endlich ist es, die ihm die Güter überall so zu gebrauchen lehrt, wie es dem Wunsche und dem Streben des Menschen nach Besserseyn und Besserwerden wahrhaft zusagt.81

Auch für den Franzosen Jean-Baptiste Say lag die Notwendigkeit ökonomischer Bildung angesichts gesellschaftlicher Wandlungsprozesse auf der Hand. Das Wissen der Väter, so Say in der deutschen Ausgabe des Handbuches der praktischen National-Oekonomie, sei im 19. Jahrhundert überkommen: „Ich bin überzeugt, daß das Studium der National-Oekonomie bald die nothwendige Ergänzung jeder guten Erziehung bilden werde […]. Für junge Leute besonders ist dieses Studium sehr nützlich. Mögen diese bedenken, daß sie bestimmt sind, in einem Jahrhundert zu leben und zu streben, wo man weiter vorgerückt seyn wird, als es ihre Väter waren.“82 Einige Autoren visierten mit ihren Schriften und Lehrbüchern eher ältere Leser, darunter vor allem ihre Studenten, an. Der deutsche Kameralwissenschaftler Friedrich Benedict Weber (1774–1848) beschrieb in den „Vor­er­in­ ne­ru­ng[en]“ seines Lehrbuch der politischen Oekonomie (1813), wie sehr er selbst ein solches für seine Vorlesungen benötigt habe.83 Weber war zwar noch stark den Staats- bzw. Polizey-Wissenschaften verpflichtet, betonte aber gleichzeitig die Notwendigkeit der neuen ökonomischen Wissenschaften. Die Politische Ökonomie sei in Vorlesungen an der Universität, in selbständiger Lektüre, beim Besuch von Akademien, beim Reisen, durch die Bekanntschaft mit dem Verwaltungswesen sowie durch persönliche Kontakte und die praktische Betätigung zu erlernen.84 Diese Vorstellungen trafen in den deutschen Staaten auf ein Bildungssystem, das im elementaren Schulunterricht der Jahrhundertmitte zunehmend auf der Lektüre des Lesebuches basierte. Die Bibellektüre wurde durch die sich ausweitende Realienkunde in den Hintergrund verschoben und Natur, Geographie, Nation („Vaterländische Gesinnung“) und Moral wurden zu dominanten Themen.85 Das Lesebuch war nicht nur eine Quelle der Leseerziehung, sondern auch das schulische Instrument zur Vermittlung der erwünschten moralischen Verhaltensleitbilder, wie Sparsamkeit, Wohltätigkeit und der Ablehnung der Habgier. Peter Lundgreen hat auf der Basis von frühen preußischen Lesebüchern zwischen 1780 und 1840 einen Wandel in der Präsentation der Tugenden ausgemacht. In den Lesebüchern des 18. Jahrhunderts seien vor allem Rechtschaffenheit, Fleiß und 80 Ebd.,

S. 192. Handbuch der Staatswirthschaftslehre, S. 208 f. 82 Say, Handbuch der praktischen National-Oekonomie, S. 55. 83 Weber, Lehrbuch der politischen Ökonomie, Vorerinnerung, o.S.  84 Ebd., S. 23  f. 85 Vgl. Ehlers, Der literarische Kanon im Volksschullesebuch. 81 Lotz,

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  119

Charakter, Gottvertrauen, Ehrlichkeit, Ordentlichkeit und Mäßigung präsent gewesen. Egoismus oder Erwerbssinn würden nicht erwähnt. Dagegen seien die Bücher von 1840 von Leistungsmerkmalen, wie Sparsamkeit, Klugheit und Strenge geprägt. Gleichbleibend würde Reichtum jedoch „dämonisiert“.86 Eine kurze narrative Darstellung des sozial erwünschten Geldverhaltens in Form einer Fabel oder Kurzgeschichte sollte den Kindern verdeutlichen, was moralisch akzeptabler Umgang mit Geld sei. Die Geschichte Der Reichthum in dem weit verbreiteten Lesebuch Preußischer Kinderfreund konfrontierte den Wunsch eines Schülers, mehr Geld zu besitzen mit dem Hinweis des ehemaligen Lehrers, dass die wichtigen Güter des Lebens, wie Gesundheit und Natur, die Bedeutung des Geldes überwögen.87 Andere Geschichten im Kinderfreund verwiesen auf das wohltätige Verhalten der Reichen gegenüber den Armen, wie die Erzählung Das Pferd und der Geldbeutel und Der kleine Börsenhändler oder aber auf die negativen Folgen der abwesenden Wohltätigkeit, wie in Die Stimme des Gewissens.88 In dem katholischen Lesebuch des geistlichen Christoph von Schmid befanden sich ebenfalls zahlreiche kleine Geschichten, wie beispielsweise Der Geldbeutel, in denen Arme von Reichen belohnt werden, weil sie ehrlich waren.89 Die Geschichten unterschieden sich nicht von denjenigen in den protestantischen Lesebüchern. Den Rechenunterricht bestritten Lehrer und Lernende mit Rechenbüchern, die oft auch das Geld in der einen oder anderen Weise thematisierten. Das Preußische Rechenbüchlein von 1826 beinhaltete Material für einzelne Berufsgruppen, wurde aber auch als Grundlage für den allgemeinen Schulgebrauch genutzt.90 Der Autor verstand das Buch darüber hinaus als eine Anleitung zur regelmäßigen Übung der Eltern mit ihren Kindern: „Der Vater und die Mutter sollen hieraus ihre Kinder und sich selbst in dem so unentbehrlichen Rechnen unterrichten, so wie Geschwister und Freunde unter einander.“91 Noch immer sei das Rechnen, klagte der Autor, kein Teil der Grundbildung und bestreite vor allem in den Dorfschulen eine Existenz als „gar kümmerliche und gewöhnlich ganz vertrocknete Pflanze“.92 Im Anhang seines Buches befinden sich detaillierte Anleitungen zur Nutzung ­eines Schulden- sowie eines Kassenbuches. Debet und Credit werden für den Leser und die Leserin übersetzt und die Eintragungen, die in den einzelnen Spalten vorzunehmen sind, erläutert.93 Wie auch in anderen zeitgenössischen Rechenbüchern, unabhängig davon, ob sie sich an Berufsgruppen oder Schüler richteten, 86 Lundgreen, Analyse

preußischer Schulbücher, S. 108, 111. Der Reichthum, S. 39–40. Vgl. auch die die Erzählung Kindesdank, in: Ebd., S. 103–104. 88 Ebd., S. 68–69, S. 91–92, 119–120. Vgl. auch den Kinderreim: „Weißt wo der Weg zum Thaler ist? Dem Pfennig nach; merk’ dir die Lehr’! Denn wer nicht auf den Pfennig sieht, Der kommt zum Thaler nimmermehr.“ Ebd., S. 188. Angehängt an den narrativen Teil des Lesebuches befand sich ein Überblick über Münzen, Währungen und Umrechnungen. 89 Der Geldbeutel, in: Schmid, Lehrreiche kleine Erzählungen, S. 75–77. 90 Das kleine Preussische Rechenbüchlein. An zukünftige Händler, an Frauen und Männer, und nicht an Schulkinder richtete sich: Smith, Lessons on Arithmetic. 91 Das kleine Preussische Rechenbüchlein, S. V. 92 Ebd., S. IV. 93 Ebd., S. 74. 87 Jäger,

120  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 befanden sich im Anhang eine Auflistung der verschiedenen Geldsorten und Währungen sowie ihre jeweilige Konvertibilität.94 Während deutsche Schülerinnen und Schüler auf diese Weise implizit mit Teilbereichen des ökonomischen Wissens vertraut gemacht wurden, veröffentlichte der deutsche Nationalökonom und Statistiker Otto Hübner (1818–1877) mit Der kleine Volkswirth. Ein Büchlein für den Elementarunterricht (1852) ein an Lehrer gerichtetes, dezidiert ökonomisches Schulbuch für die Volksschulen.95 Es sei sein Ziel „die Grundsätze der sittlichen Volkswirthschaft, faßlich für die Kinder dar­zu­ stel­len.“96 Der kleine Volkswirth wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Französische, Spanische, Niederländische, Türkische und Portugiesische übersetzt und bei jeder Veröffentlichung an das jeweilige nationale Lesepublikum angepasst.97 In dreizehn Lektionen beschrieb der als Statistiker berühmt gewordene Autor Themen wie Arbeit und Arbeitsteilung, Geld, die verschiedenen Berufsgruppen, Eigentum, Capital und Zins sowie abschließend Reich und Arm. Die Form der Lektionen war einheitlich gestaltet: Zuerst erfolgt eine für Heranwachsende – er gibt keine Altersangaben an – angepasste Beschreibung der genannten Themen. Daran schließen sich die vom Lehrer an die Schüler zu richtenden Arbeitsaufgaben in Form von Fragen an, so beispielsweise in der Lektion über Arbeit: „Was nennt man arbeiten? […] Warum arbeitest du? […] Was sind die Folgen des Nichtarbeitens? Wie würde es aussehen, wenn Niemand arbeiten wollte?“98 Das Ziel seines Buches über ökonomische Erziehung formulierte Hübner deutlich. Es sollte der Abwehr von sozialistischen Bestrebungen dienen: Der Socialismus macht darum so große Fortschritte, weil der Volksunterricht bisher in den Gemüthern der Kinder den Raum nicht bebaut hat, auf welchem sich die Leidenschaften und Tugenden von Erwachsenen bewegen und es dem Zufall überließ, die Begriff über Mein und Dein, über Eigenthum und Erwerb, über Menschen und Güterwerth zu gestalten.99

Neben der konkreten Unterrichtung in ökonomischer Begriffsbildung sah Hübner die Vermittlung von Tugenden wie Respekt, Fleiß, Enthaltsamkeit und Redlichkeit vor, die, so der Verfasser, nicht nur als „gottgefällige Opfer“ vermittelt werden müssten, sondern als „vorteilhaft[e]“ Eigenschaften.100 Er konzipierte die unterrichtenden Lehrer in Analogie zu Fabrikanten: „Wie der Fabricant den Eisenblock in nützliche Werkzeuge, so verwandelt der Lehrer den unnützen unwissenden Jungen zu einem brauchbaren Menschen“.101 Mit dem darin enthaltenen  94 Vgl. Siebenkees, Gemeinnütziges Rechenbuch, S. 427–432.  95 Allgemeine Deutsche Biographie, 1881 [Artikel „Hübner,

Otto“, Bd. 13, von Inama-Sternegg, S. 271–272]. Hübner veröffentlichte mehrere nationalökonomische und statistische Schriften, u. a. Die Banken (1854) und gab seit 1852 das Jahrbuch für Volkswirthschaft und Statistik heraus.  96 Hübner, Der kleine Volkswirth, S. IV.  97 Augello und Guidi , The Economic Reader, S. 19  f.; Kilinçoğlu, Economics and Capitalism, S. 31.  98 Hübner, Der kleine Volkswirth, S. 13.  99 Ebd., S. III–IV. 100 Ebd., S. V–VI. 101 Ebd., S. 50.

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  121

Nützlichkeitsparadigma war Hübner weit entfernt von den Humboldt’schen Bildungsreformen. In seiner Ausrichtung auf weltweiten Handel sticht Der kleine Volkswirth aus den popularisierenden Schriften heraus. Seine Schrift erläutert plastisch die Vorteile des Eigentums, der Arbeitsteilung und des Geldes für den ökonomischen Fortschritt. Diese seien grundlegend für die Herausbildung und Vereinfachung globaler Handelsbeziehungen. Hübner legitimierte den Genuss von Produkten und den globalen Austausch von Waren religiös, als „eine jener großen Anordnungen der göttlichen Weisheit“. Diese sehe den Kontakt und die Kommunikation von Menschen miteinander vor. Auf diesem Wege habe sich auch das Christentum „über die ganze Erde verbreitet“.102 Gott habe allerdings auch die Arbeitsteilung „angeordnet“, diejenige zwischen den Menschen eines Landes, aber auch diejenige zwischen den „verschiedenen Zonen der Erde“. Fehlender globaler Austausch sei in Folge gegen den Willen Gottes gerichtet.103 Auch im Kapitel über Geld betont Hübner die Notwendigkeit den Handel weltweit zu betreiben: Geld erleichtere den „Tausch in weiten Fernen“.104 Komplexer werdende Warenmärkte verhinderten den einfachen Tausch von gegenseitig erwünschten Waren. So könne der Bäcker nicht mit dem Schuhmacher das erwünschte Brot tauschen, wenn er gerade keine Schuhe brauche. Geld dagegen ermögliche eine von den Produkten der Tauschenden unabhängige Konsumentscheidung. Auch im Hinblick auf die Integration von Kapital und Zinsen unterscheidet sich Hübners Schrift von anderen. Deutlich verteidigt er die Praxis, für geliehenes Geld Zinsen zu nehmen. Dem von ihm antizipierten Vorwurf, dass „der Capitalist“ Zinsen kassiere, „ohne dafür zu arbeiten“105, begegnet er mit der Feststellung, dass im Kapital schon getätigte Arbeit stecke, die bei Verleihung mitbezahlt werden müsse. Der Zins sei eine „Entschädigung“ für die Benutzung.106 In seiner abschließenden Lektion über „Reich und Arm“ betont Hübner die Notwendigkeit von Reichtum. Es sei zwar „gewiß ein christlicher Wunsch ihn [den Unterschied zwischen Reich und Arm, S.M.] abzuändern“,107 eine Umverteilung aber habe, so Hübner, nicht den erwünschten Effekt. Sie könne die Armut der unteren Schichten nicht beheben. Der Reichtum einiger weniger sei, so der Autor, auch ein Vorteil für die Armen.108 Schulbücher, Rechen- und Lesebücher zielten oftmals auf die Schule und die Familie als Orte des Lernens. Sie waren demnach an ein hybrides Lesepublikum gerichtet. Albert Gerth, ein Lehrer am Königlichen Pädagogium auf Rügen, wandte sich mit seiner Schrift Buchhaltung für Kinder (1839) an heranwachsende Jungen, die – im Widerspruch zu den im Titel anvisierten Kindern – gerade das Haus zum Studium oder zur Ausbildung verließen. Er unterstrich, wie wichtig die 102

Ebd., S. 24. Ebd., S. 28. 104 Ebd., S. 33. 105 Ebd., S. 71. 106 Ebd., S. 70. 107 Ebd., S. 75. 108 Ebd., S. 78. 103

122  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Ordnung im „Kleinen“ für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Ökonomie sei. Schon in der Schule sei mit der Vermittlung ökonomischer Kenntnisse zu beginnen, um die Entwicklung zum „Menschen und Staatsbürger“ zu gewährleisten: Und wenn die Schule dem Knaben eine Vorbereitung sein soll, deren Regeln und Warnungen ihn sittlich und intellektuell zum künftigen Menschen und Staatsbürger zu erziehen bezwecken, warum giebt sie ihm nicht auch eine directe Anweisung, wie er mit den materiellen Bedingungen seiner einstigen bürgerlichen Existenz hauszuhalten hat? Warum giebt sie ihm nicht auch bestimmte Regeln der Oekonomie und Sparsamkeit mit auf den Weg? [sic]109

Für bürgerliche Jungen und junge Männer galt ihre zukünftige berufliche Funk­ tion als Begründung für die ökonomische Erziehung.110 Wichtig sei die Unterrichtung der Jungen auch, weil die meisten Disziplinarfälle auf einen verschwenderischen Umgang mit Taschengeld zurückgingen:111 „Nimmer aber leistet ein solcher zur Unordnung, Verschwendung und Genußsucht verführter Knabe etwas Tüchtiges als Schüler und noch weniger verspricht er für die Anforderungen einer künftigen bürgerlichen Stellung im Staate.“112 Der Autor führte also nicht die neuen Ideen der Politischen Ökonomie als Legitimationsgrund an, sondern verwies auf die bürgerliche Ordnung des Staates, die er auf der ökonomischen Vernunft von Männern ruhen sah. Auch in späteren Jahren setzten Ökonomen auf die schulische Bildung als Garant für eine verbesserte Charakterbildung und einen gesteigerten Arbeitswillen sowie als eine Vermittlungsinstanz ökonomischer Sachverhalte: Gustav Schmoller (1838–1917) beispielsweise, der deutsche Nationalökonom, sah in der Schule die zentrale staatliche Einrichtung zur Fortschrittsentwicklung insbesondere innerhalb der Arbeiterschicht. Der Staat als zentrale Institution habe die schönste Pflicht jeder Regierung, die Initiative über das Wohl der untern Klassen nicht aus seiner Hand zu geben. […] Eine solche maßvolle Staatsthätigkeit, die auf Hebung der untern Klassen nicht durch gewaltthätige Experimente, sondern vor allem durch Schule und Erziehung, durch Beeinflussung der Sitten und Anschauungen zu wirken sucht, wird immer und immer wieder erlaubt wie nothwendig sein.113

In seinem Stufenmodell kultureller Entwicklung stellte er sich den „Kulturmenschen“ als einen Menschen vor, der an der Gestaltung des Wirtschaftslebens Freude empfinde. Schmoller sah im „Thätigkeitstrieb“, in der „Lust thätigen Schaffens und Wirkens“ die Grundlage jeglichen wirtschaftlichen Erfolges und die Basis für „dauernde Zufriedenheit“.114 Im Unterschied zu vielen anderen setzte er Kinder nicht generell mit einer frühen Kulturstufe gleich, sondern detektierte in ‚zivili109 Gerth,

Buchhaltung für Kinder, S. V–VI. Vorwort rechtfertigte er sich gegen den antizipierten Vorwurf des Materialismus mit antisemitischer Semantik und bezog die Position eines Schulmannes, der nur das Beste für seine Schüler wolle. Er verneinte ein Kaufmann oder ein Jude zu sein „auf Beute aus wie ein kriechender Israelit.“ Ebd., S. VI–VII. 111 Ebd., S. VIII. 112 Ebd., S. IX–X. 113 Schmoller, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe, S. 703  f. 114 Schmoller, Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, S. 29. Vgl. auch: Reith, Lohn und Leistung, S. 42 f. 110 Im

1. Ökonomie, Erziehung und Popularisierung  123

sierten‘ Kindern den Tätigkeitstrieb, der in niedrigeren Kulturstufen noch nicht entwickelt sei: Äußert er [der Tätigkeitstrieb, S.M.] sich beim Kannibalen nur in der Befriedigung, einen Feind getötet oder skalpiert zu haben, beim rohen Jäger in der Spannung und dem Genuß, welchen die Erlegung des Elchs und des Hirsches gewähren, so werden die Ziele desselben beim Kulturmenschen unendlich mannigfaltige, die Lust aber bleibt immer dieselbe. Es ist die Freude, die eigene Kraft richtig eingesetzt und verwertet zu haben. Wir beobachten den Trieb schon beim Kinde, das mit Bauklötzchen ein Haus baut, das sägen und leimen, pappen und malen will, das in tausenderlei Formen die kleine Welt der Hauswirtschaft wie die große der Technik in seinen Spielereien nachahmt und entzückt in die Händchen schlägt, wenn ihm die kleinen Kraft- und Kunstproben gelungen sind. Und was der Jugend das Spiel, ist dem Alter die Wirklichkeit.115

Einen „Erwerbstrieb“ jedoch sah Schmoller weder bei Kindern noch bei „den primitiven Stämmen“ entwickelt.116 Dieser wachse erst „aus den sinnlichen Bedürfnissen und dem rechnenden Sinn für die Zukunft, aus Selbstbeherrschung und kluger Anstrengung“117 und müsse in der Schule entwickelt werden. Obwohl auch deutsche Autoren für eine Erziehung in Gelddingen und für eine an die wirtschaftliche Lage angepasste Unterrichtung plädierten, findet sich nur das Beispiel von Otto Hübner, der forderte, dass an Volksschulen die Lehren der Politischen Ökonomie unterrichtet werden sollten. Der Unterrichtsstoff in den deutschen Staaten wurde bis auf die genannten wenigen Ausnahmen von Lesebüchern dominiert, in denen Geld vorzugsweise in seinen Bezügen zu Religion und Moral dargestellt sowie Währungen und Sorten erklärt wurden. Es bleibt festzuhalten, dass es auf der Ebene der ökonomischen Ideengeber zwar vergleichbare Intentionen gab. Der Unterricht in den preußischen Volksschulen jedoch ist nicht mit den britischen Ansätzen der ökonomischen Erziehung zu vergleichen. Die praktische Umsetzung unterschied sich fundamental. Allerdings, darauf verweist Deborah Redman in ihrer Geschichte der Politischen Ökonomie, war auch der ökonomischen Unterrichtung in Großbritannien kein fortdauernder Erfolg beschert. Mit dem Niedergang der Laissez-faire-Ideologie, mit der zunehmenden Kritik am Begriff und mit dem Ende der klassischen Periode der Politischen Ökonomie verschwanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bücher, die sich der dezidierten Erziehung in Politischer Ökonomie verschrieben hatten.118 Das hybride Genre der ökonomischen Unterrichtung und Popularisierung machte Platz für Unterrichtsreihen, die Verlage für den Schulgebrauch publizierten, und in denen Geographie, Geschichte und Literatur genauso untergebracht waren wie ökonomische Themen. Augello und Guidi machen präzise und auf europäischer Ebene deutlich, dass das spezifische Genre popularisierender Lehrbücher damit ein Ende fand.119 115 Ebd. 116

Ebd., S. 33. Ebd., S. 36. 118 Redman, The Rise of Political Economy as a Science, S. 142; eine frühere und sehr kurze Untersuchung zum Thema ist: Marsh, Economics Education. Marshall und Jevons schlugen beide in den späten 1870er Jahren vor, den Begriff Politische Ökonomie zugunsten von economics bzw. science économique aufzugeben. Vgl. dazu ausführlich: Lichtblau, Entzweiung, S. 31 f. 119 Augello und Guidi, The Economic Reader, S. 22, 33. 117

124  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850

2. A Horror of the Amazons of Politics? Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie Ein Rezensent des Tait’s Edinburgh Magazine stellte 1832 mit Verwunderung und Nachdruck fest: „The ladies seem determined to make the science of Political Economy peculiarly their own.“120 Die Besprechung galt der neuen Publikation von Harriet Martineau (1802–1876), die mit Illustrations of Political Economy eine neunbändige Sammlung ihrer unterhaltenden und belehrenden ökonomischen Geschichten herausgegeben hatte.121 Maria Edgeworth (1767–1849), die schon lange Jahre Verfasserin von Kindergeschichten über die Ökonomie war, hatte dieses Phänomen in einem Schreiben an ihre Tante schon zehn Jahre zuvor spöttisch kommentiert: „It has now become high fashion with blue ladies to talk Political Economy, and make a great jabbering on the subject […]. Meantime, fine ladies require that their daughters’ governesses should teach Political Economy.“122 An­ gebot und Nachfrage im Bereich ökonomischen Wissens waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutlich angestiegen. Öffentlich wurde diskutiert, inwiefern das neue Wissen im Rahmen der liberalen Wirtschaftsordnung auch für Kinder und Frauen gelten und vor allem ob Frauen dieses Wissen unterrichten sollten. Die ­Reaktionen auf die von Frauen verfassten Bücher und Geschichten waren gespalten. Einige, wie der oben genannte Rezensent, befanden Frauen aufgrund ihrer Erfahrung und Verantwortung im Haushalt als besonders geeignet für das Thema. Andere wiederum, und sie stellten die Mehrheit dar, hielten das Phänomen der Unterrichtung von Mädchen gerade auf dem Gebiet des Ökonomischen für entbehrlich. Das folgende Kapitel analysiert am Beispiel von Jane Marcet und Harriet Martineau den Inhalt ihrer Schriften als prominente Versionen einer popularisierten ökonomischen Erziehung für Mädchen und junge Frauen. Ihre Rezeption wiederum verdeutlicht, dass diese zum Objekt politischer Debatten wurde. Und zwar nicht, weil Kinder von Wissen verschont werden sollten, sondern weil die Frauen ihre weiblichen Handlungsräume verlassen hatten, indem sie das Ökonomische zu ihrem Thema machten, und damit die bürgerliche Geschlechterordnung infrage stellten.

Politische Ökonomie für Mädchen und Jungen: Jane Marcet Die Qualität und Nützlichkeit der 1816 in London erschienenen Publikation von Jane Marcets Conversations on Political Economy,123 die sich an junge Menschen der middle classes beiderlei Geschlechts richtete, war wenig umstritten.124 Das 120 Tait’s

Edinburgh Magazine, August 1832. [Miss Martineau’s Illustrations of Political Economy], zit. nach: Logan, Illustrations of Political Economy, S. 416. 121 Vgl. Martineau, Illustrations of Political Economy. 122 Maria Edgeworth an ihre Tante Mrs. Ruxton, 9. März 1822, in: Hare (Hrsg.), Life and Letters of Maria Edgeworth, S. 338. 123 Marcet, Conversations on Political Economy. 124 Ebd., S. VI.

2. Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie  125

überaus erfolgreiche Buch erschien in mindestens 14 englischsprachigen Auflagen und wurde ins Französische, Niederländische, Deutsche und Spanische übersetzt.125 Jane Marcet (1769–1858) war das älteste von zehn Kindern einer wohlhabenden, protestantischen Genfer Bankiersfamilie in London.126 Sie erbte nach dem Tod ihres Vaters 1817 einen beträchtlichen Teil seines Vermögens und konnte aufgrund dessen ihre schreibenden Tätigkeiten unabhängig verfolgen. In ihrer Funktion als Londoner Gesellschafterin hatte Marcet regen Kontakt mit den politischen und ökonomischen Reformern vor Ort. Henry Brougham, der Begründer der Society for the Diffusion of Useful Knowledge, Thomas Malthus, David Ricardo and James Mill waren Gäste in ihrem Haus. Ihre Herkunft, ihr Vermögen und ihr Salon machten sie zu einer außergewöhnlichen Frau in der Londoner Öffentlichkeit.127 Publizistisch aufgefallen war die Autorin zunächst durch ihr erfolgreiches Buch Conversations on Chemistry, intended more especially for the Female Sex (1806). Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, zahlreich kopiert und als Grundlage für Schulbücher genutzt. Die Verbreitung neuer naturwissenschaftlicher und ökonomischer Kenntnisse verstand sie als ihren Auftrag. In einem Brief an Pierre Provost betonte Marcet 1816: „I can assure you that the greatest pleasure I derive from success is the hope of doing good by the propagation of useful truths amongst a class of people, who, excepting in a popular familiar form, would never have become acquainted with them.”128 Ihr Ziel als Autorin galt dem „sole object of diffusing useful truths“.129 Weniger erfolgreich waren ihre weiteren Publikationen John Hopkin’s Notions on Political Economy (1833) für Arbeiter und Rich and Poor (1851).130 Letzteres war eine Kompilation aus dreizehn Unterrichtungen, die Marcet für Kinder geschrieben hatte, um ihnen die soziale Harmonie zwischen den ärmeren und wohlhabenderen Schichten zu erklären: These dialogues contain a few of the first principles of Political Economy, and are intended for use of children, whether rich or poor. No portion of this science is more important to the lower classes, as it teaches them that the Rich are their friends, – not their foes; that to love and assist each other in all the concerns of life contributes to the happiness of both classes, and tends to promote good will towards mankind; and to revere the laws of God, which, whether we study them in natural science or by the help of revelation, are all directed to this end.131

Auf dem umkämpften Gebiet der Definitionen bezeichnete Marcet die Politische Ökonomie als eine Wissenschaft, deren Popularisierung und Integration in die Erziehung voran getrieben werden müsse: „Political Economy, though so immediately connected with the happiness and improvement of mankind, and the object of so much controversy and speculation among men of knowledge, is not yet a popular science, and is not generally considered as a study essential to early 125 Vor

allem die amerikanische Ausgabe wird als erstes „textbook in economics education“ bezeichnet. Henderson, Economics as Literature, S. 44. 126 Einer ihrer Brüder wurde später der Direktor der Bank of England. 127 Forget, Introduction, S. VII–XXXVI. 128 Zit. nach: Ebd., S. XVII. 129 Marcet, Conversations on Political Economy, S. VIII. 130 Tribe, Economic Manuals, S. 48. 131 Marcet, Rich and Poor, o.S.

126  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 education.“132 Kinder und ‚Wilde‘, so Marcet mit der zeitgenössisch üblichen Analogiesetzung, lebten normalerweise nur in der Gegenwart. Die Erziehung aber könne in ihnen Vorstellungen von der Vergangenheit und Zukunft entstehen lassen, die die Voraussetzungen für diejenigen wirtschaftlichen Handlungsweisen seien, die auf die Mehrung des allgemeinen und individuellen Wohlstandes zielten. Marcet hatte dabei nicht nur die Kindererziehung, sondern auch die Arbeiterbildung im Blick. Arbeitende Menschen, die die Werte des Fleißes, der Sparsamkeit und der Mäßigung pflegten, könnten aus ihrer Misere befreit und zu Menschen mit wohltemperierten Gefühlen geformt werden: „Education gives rise to prudence, not only by enlarging our understandings, but by softening our feelings, by humanizing the heart, and promoting amiable affections.“133 Der Übersetzer der deutschen Ausgabe, die 1820 erschien, betonte eher die demokratische und politische Funktion des ökonomischen Wissens als Grundlage gesellschaftlicher Partizipation in der bürgerlichen Gesellschaft: Schon jedem, der auf Bildung Anspruch macht, sollten die Elemente einer Wissenschaft, deren Anwendung in die Verhältnisse des bürgerlichen Lebens so tief eingreift, nicht fremd bleiben. Wir leben aber über dieß in einer Zeit, wo die öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr das ausschließliche Eigenthum einiger Weniger aus dem Volke sind, noch bleiben konnten; sie haben vielmehr eine ziemlich allgemeine Theilnahme gefunden, und diese Theilnahme muß besonders in Deutschland, dessen Staaten alle landständische Verfassungen erhalten sollen, noch um vieles grösser und lebendiger werden. Personen aus allen Ständen werden dazu berufen seyn, über die öffentlichen Angelegenheiten sich zu berathen, und mitzuwirken zu dem, was ihrem Lande frommen und für den Einzelnen wie für das Ganze wohlthätig werden soll. Hierher gehört unstreitig auch alles, was sich auf das Eigenthum; die verschiedenen Kapitalanwendungen, also die Landwirthschaft, die Gewerbeindustrie und den Handel, das verschiedene Einkommen davon; den Werth und Preis der Dinge, den Arbeitslohn; die Bevölkerung; das Geldwesen; die öffentliche und Privat-Consumption, das Armenwesen u.s.w. bezieht.134

Politik und Ökonomie gehörten in der Perspektive des deutschen Übersetzers notwendigerweise zusammen. Sollte die politische Partizipation tatsächlich für alle Stände ermöglicht werden, bedürfe es auch der Kenntnis dessen, was als das Ökonomische gelte. Die Conversations bestehen aus einer Sammlung von 22 Unterhaltungen zwischen der älteren Lehrerin, Mrs. B. und ihrer jüngeren Schülerin, Caroline, über die Grundbegriffe der Politischen Ökonomie: Eigentum, Kapital, Bevölkerung, Geld, Wert, Kredit und Zins. Den Dialogstil hatte Marcet schon in ihrem Erfolgsbuch über Chemie erprobt und, wie sie im Vorwort begründet, auch für die Ökonomie als angemessen befunden: „because it gave her an opportunity of introducing objections, and placing in various points of view, questions and answers as they had actually occurred to her own mind.“135 Die gewählte Dialogform war nicht unüblich. Es handelte sich dabei um eine aus der Antike stammende rhetorische Technik, die an die sokratische Methode des erkennenden Gesprächs erinnerte, und vor allem im 18. Jahrhundert zu pädagogischen Zielen eingesetzt wor132 Dies.,

Conversations on Political Economy, S. V–VI. Ebd., S. 158. 134 Vorwort des Übersetzers, in: Marcet, Unterhaltungen über die National-Ökonomie, S. IV. 135 Marcet, Conversations on Political Economy, S. VIII–IX. 133

2. Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie  127

den war. Sie war keineswegs auf die populäre Darstellung komplexer Inhalte beschränkt, noch wurde sie ausschließlich verwendet, um Frauen und Kinder zu schulen. Im 19. Jahrhundert aber erhielt die dialogische Wissensvermittlung genau diese Funktion.136 Marcet verstand Bildung als Teil des gesellschaftlichen Fortschritts. Sie illus­ trierte dies, indem sie die Schülerin zu Beginn ein striktes Veto anführen lässt: „I confess that I have a sort of antipathy to political economy.“ Zuhause werde zwar viel darüber gesprochen, aber ihr erscheine es als „the most uninteresting of all subjects“.137 Das ökonomische Gerede würde bei ihr nur Langeweile und lautstarkes Gähnen hervorrufen und die stetige Heroisierung und Vergötterung von Adam Smith produziere bei ihr Verzweiflung über dessen unverständliche Sprache. Als Kontrast platziert Marcet eine erste Erklärung über die Nützlichkeit der Politischen Ökonomie. Diese, so die Lehrerin, sei nämlich mit dem alltäglichen Leben enger verbunden, als man gemeinhin denke, und die Kenntnis ihrer Gesetze könne verhindern, dass man, ähnlich wie die Dichter, zu Fehleinschätzungen komme.138 Die Autorin positioniert an dieser Stelle die neuen ökonomischen Vorstellungen der Liberalen als überlegen gegenüber den Annahmen der vermeintlich veralteten moralischen Ökonomie, wie sie nur noch von Poeten und anderen Schwärmern vertreten würden.139 Auch Frauen, obgleich nicht in gesetzgebender Funktion tätig, sollten von den neuen Ideen Kenntnis haben, um ihre Kinder im richtigen Sinne erziehen zu können, betonte Marcet mit Verweis auf Maria Edgeworth: I would wish that mothers were so far competent to teach it, that their children should not have any thing to unlearn; and if they could convey such lessons of political economy as Miss Edgeworth gives in her story of the Cherry Orchard, no one I should think would esteem such information beyond the capacity of child.140

Mit diesem einleitenden Gespräch über den Nutzen der Politischen Ökonomie beginnt die eigentliche Schulung der jungen Caroline. Sie lernt, dass Reichtum nicht nur in Geld bemessen wird, sondern sich auf alle Objekte bezieht, die sich in Geld umwandeln lassen. Sie erfährt, dass die unterschiedliche Bewertung der Arbeit zwischen ‚Wilden‘ und ‚Zivilisierten‘ aus der mangelnden Zukunftsvorstellung und dem Komfortwunsch der ‚Wilden‘ resultiere. Zu ihrer großen Freude wird ihr beigebracht, dass allgemeiner Wohlstand von der Präsenz der Idee des Privateigentums und der Sesshaftigkeit abhänge und, dass die Arbeitsteilung eine enorme Erhöhung der Warenproduktion gebracht habe. An dieser Stelle lässt die Autorin Caroline ausrufen: „These effects of the division of labour are really wonderful!“141 Im 16. Dialog stehen keine alltagsrelevanten Überlegungen, sondern 136 Myers,

Science for Women and Children, S. 174; Cohen, The Pedagogy of Conversation. Conversations on Political Economy, S. 5. 138 Ebd., S. 8–10. 139 Ebd., S. 10. 140 Ebd., S. 12. „Childhood is the period for sowing the seed, not for forcing the fruit; you must wait the due season if you mean to gather a ripe and plentiful harvest.“ Ebd., S. 13. 141 Ebd., S. 73. 137 Marcet,

128  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Beschreibungen der historischen Entwicklung des Geldes, der internationalen geldpolitischen Maßnahmen und der verschiedenen Geldformen im Vordergrund. Die Gefahren des Geldes folgen im letzten Dialog On Expenditure. Die Legitimität von Luxus und der angemessene Konsum werden diskutiert und die Gefährdung von Arbeitern bei plötzlichem Geldbesitz thematisiert. Die Unterrichtung wird als ein permanenter Fortschritt der Erkenntnis dargestellt. Immer wieder lässt Marcet die Schülerin fast seufzend um eine Pause bitten: „Let us rest a little, my dear Mrs. B. I am almost bewildered with the number and variety of ideas that you have presented to my mind. I wonder that these things never occurred to me before“.142 Fast am Ende der Unterredungen präsentiert die Autorin durch die Stimme der nun bekehrten Caroline ein Bild von der göttlichen Harmonie der Klassen, eine Art Symbiose von Wohlhabenden und Armen, von Kapitalbesitzenden und Arbeitern. Die Harmonie resultiere aus dem Faktum, dass sich nur produktiv eingesetztes Kapital vermehre. Indem das Kapital den Bestand des Kapitalisten sichere, ermögliche es zugleich die Sicherung der Existenz der Arbeiter: „The more I hear on this subject, and the better I understand it, the greater is my admiration of that wise and beneficent arrangement which has so closely interwoven the interests of all classes of men!”143 Vorsehung, so wird sie von der Lehrerin unterstützt, gebe es nicht nur in der Natur, sondern auch im moralischen Leben und in der Ordnung der ökonomischen Welt. Die quasi göttliche Ordnung des Gleichgewichts dürfe jedoch nicht durch politische Einmischungen irritiert werden.144 Marcet popularisierte mit ihrem Buch eine ökonomische Ordnung auf der Basis von Arbeitsteilung und Kapitalbildung. Fortschritt entsteht in dieser Ordnung durch die Kenntnis der Temporalität und die auf die Zukunft orientierte Kapitalinvestition, die sowohl den kapitalbesitzenden als auch den kapitallosen Klassen einen erhöhten Lebensstandard ermögliche. Damit platzierte sie sich deutlich auf der Seite derer, die Kapitalbildung und Profit nicht mehr als Widerspruch zu christlichen Werten sahen, wo deren Legitimation nur durch entsprechende Großzügigkeit und Wohltätigkeit gewährleistet war. Mit dem Verweis auf die Vorteile für alle Klassen und die daraus resultierende Harmonie versuchte Marcet vielmehr die Kapitalinvestition selbst als Wohltätigkeit zu präsentieren. Marcets Buch war nicht nur die erste, sondern auch die erfolgreichste populäre Variante der Politischen Ökonomie. Die Versuche von James Mill (1821) und John R. McCulloch (1849) erschienen erst in den darauffolgenden Jahren.145 Marcets Schrift wurde von weiblichen und männlichen Lesern positiv rezipiert. Der englische Historiker Thomas Macaulay bewertete das Buch eindeutig als wissenschaftlichen und politischen Fortschritt und konkludierte mit einem Seitenhieb auf die politische Klasse: „Every girl who has read Mrs. Marcet’s little dia142

Ebd., S. 44 f. Ebd., S. 428. 144 Ebd., S. 428  f. 145 Shackleton, Jane Marcet and Harriet Martineau, S. 286. 143

2. Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie  129

logues on Political Economy could teach Montague or Walpole many lessons in finance.“146 Jean-Baptiste Say lobte ihre Publikation ausgiebig als illuminierend und als wichtigen Beitrag zur Unterrichtung von Frauen: Seit der Erscheinung der zweyten Ausgabe dieses Werkes haben mehrere empfehlenswerthe Bücher über verschiedene Zweige der Nationalökonomie Lichtmassen verbreitet. Sogar das schöne Geschlecht wurde gewahr, daß es sich Unrecht thue durch den Glauben, einem Studium nicht gewachsen zu seyn, welches auf die Wohlfarth der Familien einen so unmittelbaren Einfluß hat. Eine Dame gab in England Unterhaltungen über die Nationalökonomie heraus, vorzüglich bestimmt, die Ideen der Frauen von diesem Gegenstande zu berichtigen, worin jedoch die Anmuth der Einkleidung nimmermehr die Gediegenheit des Inhaltes schwächt.147

Die deutsche Rezeption des in anderen Ländern so erfolgreichen Buches von Marcet war jedoch marginal. Es steht zu vermuten, dass dies mit der geringeren Bedeutung der Politischen Ökonomie zusammenhängt, die diese zum Erscheinungszeitpunkt in der Öffentlichkeit der deutschen Staaten erfuhr. In einer Besprechung der Münchener allgemeinen Literatur-Zeitung behandelte der Rezensent Ebner die deutsche Übersetzung zwar überaus positiv und befand sie für „etwas weitschweifig, aber ziemlich gründlich dargestellt.“148 Zweifel aber hegte er an der Bedeutung des Themas für Frauen: Rec. glaubt […] nicht, daß die Wissenschaft durch diese Unterhaltungen etwas gewonnen habe, gibt aber zu, daß durch sie die abstracte Theorie der Nationalökonomie gut versinnlicht worden sey, und das erste Studium dieser Wissenschaft erleichtert werde, es mag sich nun das männliche oder weibliche Geschlecht mit demselben befassen. Ob dieses Studium dem weiblichen Geschlechte besonders zu empfehlen sey, ist eine andere Frage. Recensent ehrt jedes Wissen, wo er es findet, glaubt aber doch, daß es noch andere wichtigere Kenntnisse als die Wissenschaft der Nationalökonomie gebe, mit denen sich das weibliche Geschlecht in seiner Jugend vor der Hand vertraut machen sollte.149

Eine moderne ‚Querelles des femmes‘: Harriet Martineau Noch kritischer war die öffentliche Reaktion auf die publizistische Tätigkeit von Harriet Martineau. Als schwerhöriges Kind wuchs Martineau in einer gebildeten Unitarierfamilie auf. Ihre Erziehung war der John Stuart Mills nicht unähnlich: Mit elf Jahren las sie die lateinischen Klassiker und lernte Arithmetik. Drei Jahre später begann sie mit der Lektüre der Politischen Ökonomie und etwas später mit philosophischen Texten.150 Ihr familiärer Hintergrund bedingte in vielerlei Hinsicht ihre schriftstellerischen Tätigkeiten. Den finanziellen Ruin ihrer Familie 146 Macaulay,

Critical and Historical Essays, S. 3. Dieser Satz entstammt seiner Rezension einer neuen Übersetzung von John Milton und sollte verdeutlichen, dass es die später Geborenen immer leichter hätten, den Fortschritt der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen und anzuwenden, als diejenigen, die in der Zeit der jeweiligen Entdeckung lebten. 147 Say, Darstellung der Nationalökonomie, Bd. 1, S. 73 [Hervorhebung im Original]. 148 Ebner über Unterhaltungen über die Nationalökonomie, Münchener allgemeine Literatur-Zeitung 30 (13. 4. 1821), S. 233  f. 149 Ebd., S. 234. 150 Logan, Introduction, S. 28. Eine ausführliche Auflistung ihrer kindlichen und jugendlichen Lektüre findet sich in: Sanders, Reason over Passion, S. 6 f. Vgl. auch Webb, Harriet Martineau.

130  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 nahm sie zum Anlass, ihr schon früh praktiziertes Schreiben als Erwerbsquelle zu legitimieren.151 Die Erfahrung intellektueller Geselligkeit des Elternhauses in Norwich schlug sich ebenfalls in ihrem Schreiben deutlich nieder.152 Ihre Geschichten waren von der Hoffnung auf politische Reformen, auf die positiven ­Resultate der Arbeiterbildung und -erziehung, von der optimistischen Annahme einer zunehmenden Liberalisierung der Gesellschaft geprägt. Unter dem Eindruck der gewalttätigen Ereignisse der Französischen Revolution, die Martineau wie viele ihrer englischen ZeitgenossInnen geprägt hatten, plädierte sie in ihren frühen Erzählungen stetig für eine bessere Erziehung und Bildung der unteren Schichten. Als Kinder- und Jugendbuchautorin wurde sie mit der Schwesterngeschichte Five Years of Youth, Or Sense and Sentiment (1831) und vor allem mit dem vierbändigen Zyklus The Playfellow (1841) bekannt.153 In diesen Veröffentlichungen pries die Schriftstellerin die jugendliche Sparsamkeit und skizzierte verschwenderische Heranwachsende als schlechte Beispiele.154 Nachdem sie in den 1830er Jahren ihre Erzählungen über die Politische Ökonomie veröffentlicht hatte, entfaltete sich eine moderne Variante der frühneuzeitlichen Querelles des femmes über die Befähigung von Frauen zur intellektuellen Tätigkeit im Bereich der Ökonomie. In der schon erwähnten Rezension der Geschichtensammlung aus dem Jahr 1832 befand der Rezensent Frauen geradezu nachdrücklich geeignet für ökonomisches Wissen und den Umgang mit Geld. Er spiegelte die Haushaltsökonomie in der Politischen Ökonomie und befand nur einen Unterschied in der Größe des ökonomischen Raumes: After all, we believe that there is something in the female mind which peculiarly fits it for elucidating, in a familiar manner, the intricacies of political economy. The economy of empires is only the economy of families and neighbourhoods on a larger scale. Now woman is eminently the best family manager. […] Woman alone can exert the strictest economy, unblemished by the harsh heartlessness of avarice – she alone can enforce a martinet discipline in household affairs, without communicating a sense of oppression.155

Dieser Einschätzung der Äquivalenz von Haushalt und Staat widersprach ein anderer Rezensent nur allzu deutlich. Die Politische Ökonomie sei zu kompliziert, um mit dem Haushalt verglichen werden zu können.156 Martineau selbst hatte 151 Hobart,

Harriet Martineau’s Political Economy, S. 223. Reason over Passion, S. 6. 153 James, Socinian and Political-Economy Formulas, S. 75  f. 154 Vgl. zum Beispiel die Geschichte First Ramble in Martineau, The Playfellow, S. 111–153. Über Harriet Martineau’s Kinderliteratur siehe: Robinson, Playfellows and Propaganda. 155 Tait’s Edinburgh Magazine, August 1832. [Miss Martineau’s Illustrations of Political Economy], zit. nach: Logan, Illustrations of Political Economy, S. 416 f. „Narratives, like those constructed by Miss Martineau, by showing how completely the abstract doctrines of Political Economy come home to every man’s ‚business and bosom‘, how necessary a knowledge of the results of the economist’s analysis of society is to the comfort and independence of every individual, will prove more effectual than any means that have yet been proposed, to remove the silly prejudices still entertained against this indispensable branch of knowledge.” Ebd., S. 417. 156 The Edinburgh Review 57, 1833. [William Empson, Illustrations of Political Economy, S. 1–39, hier S. 1]. 152 Sanders,

2. Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie  131

mit ihrer Beschreibung, dass es sich bei der Politischen Ökonomie um eine Wissenschaft handele, keine eindeutige Unterscheidung zwischen Haushaltsökonomie und außerhäuslicher Ökonomie vorgenommen. Aber ihre Betonung der Haushaltsökonomie als Gegenstand der Untersuchung und als Ort der Produktion, Distribution und Konsumption des Wohlstands verweisen auf ihre Konzeption des Ökonomischen als ein Wissensfeld, das sowohl die Familie als auch den Staat beinhaltete.157 Die schärfere Kritik an Martineau stand im Zusammenhang mit der gewählten literarischen Form der Erzählung und Fabel sowie mit Martineaus intellektueller Nähe zu Malthus Idee der Bevölkerungskontrolle vor allem der ärmeren Schichten. Ihre Geschichten in den Illustrations behandelten die klassischen Themen der Politischen Ökonomie: Produktion (Arbeit und Kapital), Distribution (Profit, Lohn, Bevölkerung, Handel, Monopole) und Konsum (Angebot/Nachfrage und Steuern). In beispielhaften Umgebungen kombinierte sie romantische Szenerien, das Alltagsleben ärmerer Leute und ökonomische wie moralische Regeln. Am Ende einer jeden Geschichte stand eine Zusammenfassung der wirtschaftlichen Prinzipien, die sie im Lichte ihrer konkreten Figuration hatte verdeutlichen wollen. So solle die Geschichte Broke and Brooke Farm beispielsweise darauf verweisen, dass das Recht den Kapitalisten nicht beschränken solle: „The interest of capitalists best determines the extent of capital; and any interference of the law is therefore unnecessary.“158 Viele der Geschichten thematisieren die frühe Eheschließung in den unteren Schichten und die daraus potentiell folgende große Anzahl der Kinder, die die Armenfürsorge kostspielig belasteten, da die Selbstversorgung der armen Familien bei so vielen Kindern nicht mehr gewährleistet sei. Als malthusian woman plädierte Martineau für eine späte Heirat in den unteren Schichten.159 Sie lehnte die gewalttätigen Auseinandersetzungen der Maschinenstürmer ab und ging wie Marcet und die meisten Politischen Ökonomen davon aus, dass sich das Elend der Armen nur in der Zusammenarbeit von Arbeitern und Unternehmern lindern lasse.160 Weiterhin sollten die Armen und Arbeiter vor allem mit Selbsthilfe und nicht mit staatlicher Unterstützung ihre Situation verbessern. Zahlreiche Rezensenten machten sich über den Charakter ihrer belehrenden Geschichten lustig. In einer vernichtenden Kritik aus dem Jahr 1833 empfahl der Rezensent in der Quarterly Review, dass sie ihr schriftstellerisches Talent auf ein anderes Genre ausrichten und zuvor die Arbeiten von Maria Edgeworth studieren solle, um von dieser zu lernen:161 But it is equally impossible not to laugh at the absurd trash which is seriously propounded by some of her characters, in dull didactic dialogues, introduced here and there in the most clumsy manner; and what is worst of all, it is quite impossible not to be shocked, nay disgusted, with 157 Martineau,

Illustrations of Political Economy, S. III–V. S. 139. 159 Logan, Introduction, S. 17; vgl. Dzelzainis, Feminism, Speculation and Agency. 160 Winch, Riches and Poverty, S. 1  f. 161 Scrope, Review of Illustrations of Political Economy, S. 151. 158 Ebd.,

132  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 many of the unfeminine and mischievous doctrines on the principles of social welfare, of which these tales are made the vehicle.162

Ungeachtet dieser fundamentalen Kritik war die Verbreitung ihrer ökonomischen Erzählungen jedoch, auch international, enorm und garantierten der Autorin finanzielle Unabhängigkeit. Wissenschaftlich und politisch stand sie Smith, Ricardo und vor allem Malthus sehr nah. Diese politische Ausrichtung führte im Kontext der Reform Bill von 1832, die das Wahlrecht ausweitete, und des New Poor Law von 1834 zu einer besonders starken und kontroversen Rezeption.163 Ihren politischen Anspruch bezeichnete ein Rezensent als eine potentielle Überschreitung des geschlechtlich konfigurierten Raumes: The science, therefore, may properly be recommended to them [den Frauen, S.M.] from its intimate connexion with the protection and comfort of the poor. This recommendation is by no means inconsistent with a horror of the Amazons of politics. The less women usually meddle with any thing which can be called public life out of their village, we are sure the better for all parties.164

Allein lokale Wohltätigkeit als öffentliche Tätigkeit stand aus der Sicht des Rezensenten nicht in Verdacht, eine politische Tätigkeit zu sein. Sie entsprach den zeitgenössischen Vorstellungen über die legitimen Aktivitäten bürgerlicher Frauen. Die Überschreitung des weiblichen Handlungsraumes stieß auch dem oben zitierten Rezensenten der Quarterly Review auf, als er Martineaus intellektuelle Nähe zu Malthus betonte, und auf Thomas Moore’s Ode to the Sublime Porte von 1826 verwies, in welcher der irische Dichter die utilitaristische Erziehung von Frauen satirisch verunglimpfte. Damit unterstellte er Martineau, sie würde, „She-politicians“ and „She-Benthamites“ erzeugen. Rhetorisch fragte er in Folge seine LeserInnen: „Did Miss Martineau sit for the picture? But no; – such a character is nothing to a female Malthusian. A woman who thinks child-bearing a crime against society! An unmarried woman who declaims against marriage!! A young woman who deprecates charity and a provision for the poor!!!“165 Die öffentliche Anschuldigung unangemessener politischer Betätigung wurde in den hitzigen Debatten im Zuge der politischen Reformen in England eingesetzt, um die jeweilige Gegenseite zu diffamieren. Martineaus Unterstützung des neuen Poor Law und ihre deutliche Haltung zur Geburtenbeschränkung bei Armen kritisierte der Rezensent mit der ironischen Zuspitzung, dass diese Position unweiblich sei und deutete für Kenner Martineaus unverheirateten Zustand an.166 162

Ebd., S. 136.

163 Vgl. allgemein

zur ökonomischen Debatte über das Verhältnis zwischen Poor Law und Erziehung: West, The Role of Education, S. 136–148. 164 The Edinburgh Review 57, 1833. [William Empson, Illustrations of Political Economy, S. 1–39, hier S. 1 f.] 165 Scrope, Review of Illustrations of Political Economy, S. 151 [Hervorhebungen im Original]. 166 Diese Rezension fand wiederum eine erboste anonyme Reaktion im Monthly Repository, die den Rezensenten der Quarterly Review als „unmanly“ bezeichnete. Als Stimme der Tories und der Kirche sei das Magazin sowieso verdächtig, aber der Autor habe sich besonders als einer der „gentlemen of England“ gezeigt, die Frauen attackieren würden. Anon., On the Review Entitled, zit. nach: Logan, Illustrations of Political Economy, S. 427. Kritisch gegenüber

2. Frauen und die Popularisierung der Politischen Ökonomie  133

So deutlich, wie die Besprechung in der Quarterly Review, die der Politischen Ökonomie generell kritisch gegenüberstand, fiel nicht jedes Urteil über die geschlechtliche Angemessenheit im Umgang mit politisch-ökonomischen Themen aus. Allerdings kam kaum eine Rezension ohne die Anlehnung an dichotome Geschlechtermodelle aus. Ein anderer, durchaus positiver Rezensent, Josiah Conder, hob Martineaus Fähigkeiten als eine Kombination aus „a masculine faculty of abstraction, with a feminine power of illustration“167 hervor. Allen Besprechungen und Wahrnehmungen gemein war die irritierte Feststellung, dass eine Frau die männliche ökonomische mit der als weiblich assoziierten literarischen Sphäre vermischt habe.168 Die dadurch in Frage gestellte Ordnung der bürgerlichen Geschlechterordnung und der Genres führten in der zeitgenössischen Wahrnehmung selten zu uneingeschränkter Zustimmung des lesenden Publikums. Von vielen Rezensenten wurde zudem Martineaus Bezüge zur Moral und zu Emotionen als Störung des Versuchs wahrgenommen, wissenschaftliche Prinzipien der Ökonomie zu entwickeln. Im Gegensatz zu der ihr vorgeworfenen Naivität und den vermeintlich unweiblichen Einstellungen verstand Martineau ihr schriftstellerisches Engagement ausdrücklich als politisch: „since no other means of action in politics are in a woman’s power.“169 Ihre Kritik an der Ignoranz der politischen Klasse war fundamental: „Many popular representatives prefer shooting and billiards to studying Ricardo, as much as Charles Fox preferred tending his geraniums to reading Adam Smith.“170 Sie versuche allein, die Prinzipien der Politischen Ökonomie derart aufzubereiten, dass sie ein jeder, unabhängig von der Klassenzugehörigkeit, verstehen könne: „Viewing this science as we do, – as involving the laws of social duty and social happiness, we hold it as a positive obligation on every member of society who studies and reflects at all, to inform himself of its leading principles.“171 Aus ihrer Perspektive sei es nach einer ersten Etablierungsphase nun an ihren Aussagen über die Armenfürsorge, die nur dazu führe, dass sich die Armen vermehrten, war ein Rezensent in Fraser’s Magazine for Town and Country: „The truth is, that there is nothing here but a very old story. The feelings of these political economists toward the people are just the same as those entertained three thousand years ago by Pharaoh towards the children of Israel.“ Maginn, Fraser’s Magazine, zit. nach: Logan, Illustrations of Political Economy, S. 421. Andere Autoren opponierten scharf gegen Malthus direkt. Vgl. Winch, ­Riches and Poverty, S. 4 f. 167 Conder, Review; zit. nach: Logan, Illustrations of Political Economy, S. 413  f. 168 Dalley, Domesticating Political Economy, S. 105. 169 Zit. nach: Dzelzainis und Kaplan, Introduction, S. 9. 170 Martineau, On the Duty of Studying Political Economy, S. 25. 171 Ebd., S. 26. Zu einem späteren Zeitpunkt fand sie ihre Illustrations nicht mehr besonders überzeugend. Martineau, Autobiography, Bd. 1, S. 258. Sie schloss die Popularisierung der Politischen Ökonomie ab und publizierte neben Romanen und zahlreichen kleineren Schriften soziologische Bücher über Amerika Society in America (1837) und How to Observe Manners and Morals (1838) sowie zwei Bücher zur englischen Geschichte The History of England during the Thirty Years’ Peace, 1816–1846 (2 Bde., 1849) und British Rule in India: A Historical Sketch (1857). Nach 1850 war sie vor allem als aktive Beiträgerin in der täglichen Presse wahrnehmbar. Vgl. Martineau, Studies of America; Hoecker-Drysdale, Harriet Martineau. First Woman Sociologist; Sanders, Reason over Passion.

134  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 der Zeit, die komplizierten und ausführlichen Schriften der Politischen Ökonomie, wie beispielsweise Adam Smiths Wealth of Nations, in eine für breitere Leserschichten zugängliche Form zu verwandeln.172 Das Ziel der Unterrichtung breiter Kreise in den Lehren der Politischen Ökonomie habe die gewählte literarische Form der Narration bedingt.173 In der Entwicklung und Verbreitung ökonomischer Wissensfelder nahmen einige Frauen in Großbritannien eine zentrale Stellung ein. Sie wandten sich mit ihren Schriften an Kinder und Heranwachsende, an Frauen und an ArbeiterInnen, um den politischen Unruhen und den vermehrt öffentlich diskutierten sozialen Ungleichheiten zu begegnen. Die populären Schriften flankierten zudem die politischen Debatten rund um das New Poor Law.174 Als Mittel der Wahl wurden die ökonomische Erziehung von Kindern und die ausgeweitete Bildung von Erwachsenen propagiert. Die beiden vorgestellten Autorinnen, Marcet und Martineau, waren beide Angehörige gebildeter Eliten und kamen mit den Intellektuellen ihrer Zeit in Clubs und häuslicher Geselligkeit zusammen. Sie repräsentierten die wachsende Gruppe schreibender Frauen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die sich im Allgemeinen weniger den ökonomischen Themen zuwandte, als vielmehr in der Literatur und dem Genre der Benimm- und Erziehungsratgeber zu finden war. In Maria Edgeworth, Mary Wollstonecraft und Anna Laetita Barbauld hatten sie jedoch prominente Vorläuferinnen für eine Hinwendung von Frauen zu wirtschaftlichen Themen. Martineau beispielsweise verstand Marcet als ihr Vorbild, deren Publikation einen erheblichen Eindruck auf sie gemacht hatte, wie sie in einem Brief an die Autorin 1832 schreibt: Your Conversations on Political Economy first gave solidity and form to the floating ideas on the subject which I had gathered from newspapers, and to you therefore I feel much of the success of my present exertions is owing. I read your work again and again with delight during the first year after it was put into my hands; and it confirmed a purpose which I had before conceived of acquainting the common people with certain facts of the social system which they do themselves great mischief by misunderstanding.175

In deutschsprachigen Ländern lassen sich in dieser Zeit keine vergleichbaren ökonomisch orientierten Autorinnen finden. Die schriftstellerische Auseinandersetzung mit der liberalen Ökonomie und dem Pauperismus war zwar auch in den deutschen Staaten vorhanden, doch blieb dies vorerst eine männliche Domäne und war in der Quantität nicht mit den britischen Verhältnissen zu vergleichen. Der Erfolg, den ökonomischen Liberalismus in England in den mittleren Jahren des 19. Jahrhunderts derart politisch und kulturell durchzusetzen, war im internationalen Vergleich einzigartig. 172 Martineau,

Introduction, S. X. S. XIII. Gleichzeitig verwandte sie sich gegen jeden Vorwurf, den Leser verführen zu wollen: „We trust we shall not be supposed to countenance the practice of making use of narrative as a trap to catch idle readers, and make them learn something they are afraid of. We detest the practice, and feel ourselves insulted whenever a book of the trap kind is put into our hands.“ Ebd. 174 Hollis, Rhetoric of Jane Marcet, S. 380  f. 175 Zit. nach: Logan, Collected Letters of Harriet Martineau, S. 154. 173 Ebd.,

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  135

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte Wie 1767 schon James Steuart, leitete James Mill 1821 sein populäres Hauptwerk Elements of Political Economy mit einer Analogie ein: „Political Economy is to the State, what domestic economy is to the family.“176 Für Mill lag die Verantwortung für die häusliche Ökonomie, also die Sicherstellung von Versorgung und Konsum, in der Verantwortung des männlichen Haushaltsvorstandes. Gleiches galt seiner Meinung nach für den Staat. Auch dieser habe Konsum und Versorgung durch die Gewährleistung der Produktion zu organisieren. Ökonomen und andere mit wirtschaftlichen Fragen Beschäftigte betrachteten sich selbst in der Rolle von Vätern, buchstäblich oder metaphorisch, die in der Verantwortung standen, ihre Kenntnisse an die eigenen Söhne oder die nachfolgende Genera­ tion zu vermitteln. Das Anliegen von Moritz Carl Ernst von Prittwitz, mit seiner Gemeinfaßliche(n) Darstellung der Volkswirthschaft „die Jugend zu lehren, was der Mann braucht“, war keine Ausnahmeerscheinung, sondern die Regel in den Selbstentwürfen derjenigen, die über Wirtschaftsfragen publizierten.177 Gleichzeitig waren diese Autoren auch Söhne ihrer Väter: Manche beschrieben, dass sie viele ökonomische Kenntnisse aus den alltäglichen Begegnungen innerhalb der Familie erlangten. Gustav Schmoller beispielsweise erinnert sich 1918 an seinen Vater: Die Tätigkeit meines Vaters hatte mich mit der Geschäftswelt vielfach in Berührung gebracht: wie ich ihn zu Domänenvisitationen auf dem Lande begleitet hatte, so lernte ich auf dem Kameralamt allerlei Bauherren und Handwerker, Steuerzahler aus allen Kreisen kennen, mit denen man abzurechnen, denen Zahlungen zu leisten, oder deren Steuereinzahlungen man zu buchen hatte. Ueber volkswirtschaftlichen Aufschwung und seine Ursachen hatte ich so eine große Summe von praktischen Anschauungen erhalten, ehe ich 1856–64 theoretisch über ihn nachzudenken lernte.178

Der Akt der Vermittlung ökonomischer Kenntnisse wurde geschlechtsspezifisch differenziert. Das Wissen sollte vom Vater auf den Sohn und von der Mutter bzw. einer Lehrerin auf die Tochter übertragen werden. Ungeachtet dessen, konnte daneben eine geschlechterübergreifende Empfehlung stehen, wie sie beispielsweise James Mill in seinem Vorwort zu Elements of Political Economy formulierte: sein Schulbuch sei für beide Geschlechter konzipiert. Damit verdeutlichte er, dass es neben der auf das Geschlecht bezogenen Differenz in den Inhalten eine Notwendigkeit der ökonomischen Erziehung für Jungen und Mädchen gleichermaßen gab. Ähnliches galt für die klassenspezifischen Inhalte: Ökonomische Kenntnisse und monetäre Kompetenz sollten gleichermaßen zur Grundausstattung des bürgerlichen Jugendlichen, des Arbeiterjungen und der männlichen Landjugend gehören. Inhaltlich differierten die jeweiligen Kenntnisse zwischen liberalen Wirtschaftsauffassungen auf der Basis von Privateigentum, Freihandel und Kapitalbil176 Mill,

Elements of Political Economy, S. 1. Steuarts Satz lautete: „What economy is in a family, political economy is in a state.“ Zit. nach: Lichtblau, Entzweiung, S. 30. 177 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden, S. 54. 178 Schmoller, Meine Heilbronner Jugendjahre, S. 339  f.

136  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 dung und eher traditionellen Auffassungen vom sorgfältigen Umgang mit Geld, sozialer Immobilität und bäuerlicher Hofökonomie. Das Selbstverständnis und die Inszenierung von Ökonomen sowohl als Staatswie auch als Familienväter stehen im Fokus des folgenden Kapitels. Es verfolgt auf der Grundlage von Medien der ökonomischen Erziehung, wie Schulbüchern, populär verfassten Wirtschaftsbüchern und Beispielen aus der Kinder- und Jugendliteratur, in welcher Weise das Verhältnis von Männlichkeit und Ökonomie kon­ zipiert und wie der väterliche Vermittlungsakt dargestellt wurde. Männlichkeit, jungenspezifische Sozialisation und der Ökonom als Vaterfigur, so die hier vertretene These, waren wichtige Wahrnehmungs- und Konstruktionsweisen des Ökonomischen. Die beschriebenen Sozialisationen fungierten als Exempel der Zivilisationsgeschichte, die am Beispiel eines männlichen Kindes und seines Vaters die Entwicklung der Menschheit vom unzivilisierten zum zivilisierten Stadium erzählten. Geld nahm die Funktion eines Motors ein. Analysiert werden das bekannte Beispiel der Erziehung von John Stuart Mill durch seinen Vater James Mill, der liberale und religiöse Geldratgeber von Richard Whately Easy Lessons on Money Matters. For the Use of Young People (1834), die Gemeinfaßliche Darstellung der Volkswirthschaft (1840) des preußischen Majors und Festungsbauers Moritz Carl Ernst von Prittwitz, Der Mensch und das Geld des Österreichers Joseph Sigmund Ebersberg (1826) und der französische Jugendroman der Schriftstellerin Ulliac Trémadeure Adolphe, ou le petit laboureur (1834) in seiner deutschen Übersetzung von 1845.

Erziehungsexperiment des Utilitarismus: John Stuart Mill James Mills Erziehungsexperiment mit seinem Sohn John Stuart ist wohl eine der bekanntesten Sozialisationen des liberalen Zeitalters. Sie ist von der Forschung vielfach beachtet und aus ideenhistorischer, psychoanalytischer und pädagogischer Perspektive analysiert worden.179 Als exzeptionelles Vater-Sohn-Verhältnis wirft sie ein besonderes Licht auf die Vermittlung des Ökonomischen im Erziehungsprozess und verdeutlicht den Wissensspielraum für Kinder und Jugendliche, der sich, wenn auch nur für eine kleine Minderheit, zu Beginn des 19. Jahrhunderts weit öffnete. Zudem ist diese einzelne Biographie ein frühes Beispiel für die zunehmende Säkularisierung von Erziehungsinhalten. Der Autobiograf John Stuart Mill selbst wollte die Darstellung seiner Erziehung und Ausbildung durch den Vater als Orientierung in Zeiten verstanden wissen, in denen über Erziehung viel diskutiert würde.180 Für James Mill war die Ausbildung seines ältesten Sohnes ein angewandter Versuch utilitaristischer Erziehung, der sich an dem Gestaltbarkeitsparadigma der 179 Vgl.

Mazlish, James and John Stuart Mill; Capaldi, John Stuart Mill. Autobiography, S. 3. Mill begann mit dem Schreiben seiner Autobiografie 1870. Sie blieb bis zu seinem Tod 1873 unvollendet. Helen Taylor, seine Stieftochter, edierte und pu­ blizierte die erste Ausgabe noch 1873.

180 Mill,

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  137

Aufklärung orientierte. John ging niemals auf eine Schule, sondern wurde täglich von seinem Vater oder dem befreundeten Jeremy Bentham unterrichtet. J.S. Mill beschreibt seinen Vater als einen hart arbeitenden Mann: Der Vater habe selbst geschrieben, sei einer regelmäßigen Arbeit nachgegangen und habe gleichzeitig seinen Sohn mehrere Stunden pro Tag unterrichtet.181 Mit drei Jahren begann John Griechisch zu lernen, später kam Latein hinzu und er las sich in den folgenden Jahren durch die Klassiker der antiken Literatur. Der Vater kontrollierte alles, was der Sohn tat: „What he was himself willing to undergo for the sake of my instruction, may be judged from the fact, that I went through the whole process of preparing my Greek lessons in the same room and the same table at which he was writing“.182 In den Abendstunden lernte das Kind Arithmetik und erinnerte sich nachhaltig: „I well remember its disagreeableness.“183 Mit acht Jahren begann er mit Euklid und Algebra.184 Diese Übungen setzte der Vater bis zu seinem zwölften Lebensjahr fort. Allerdings scheint der Vater in höherer Mathematik keine große Hilfe gewesen zu sein.185 1819 war der Vater jedoch wieder in seinem Element und unterrichtete den nun 13-jährigen John in Politischer Ökonomie. Der Sohn beschreibt in seiner Autobiografie, wie der Vater Johns Exzerpte aus seiner Ricardo-Lektüre nutzte, um auf dieser Basis seinerseits selbst ein allgemeinverständliches Buch über die Politische Ökonomie zu verfassen: Though Ricardo’s great work was already in print, no didactic treatise embodying its doctrines, in a manner fit for learners, had yet appeared. My father, therefore, commenced instructing me in the science by a sort of lectures, which he delivered to me in our walks. He expounded each day a portion on the subject, and I gave him next day a written account of it, which he made me rewrite over and over again until it was clear, precise, and tolerably complete. In this manner I went through the whole extent of the science; and the written outline of it which resulted from my daily compte rendu, served him afterwards as notes from which to write his Elements of Political Economy. After this I read Ricardo, giving an account daily of what I read, and discussing, in the best manner I could, the collateral points which offered themselves in our progress.186

Aus dieser täglichen Übung mit seinem Sohn entstand sein als Schulbuch konzipiertes Elements of Political Economy.187 Nach einem Auslandsaufenthalt wurde das erstellte Manuskript noch einmal zu einem Experiment und John musste kurze, verständliche Zusammenfassungen für den Vater erstellen: When I returned, my father was just finishing for the press his Elements of Political Economy, and he made me perform an exercise on the manuscript, which Mr. Bentham practised on all his own writings, making what he called, ‚marginal contents‘; a short abstract of every para181

Ebd., S. 4 f. Ebd., S. 6. 183 Ebd. 184 Ebd., S. 9. 185 Ebd. 186 Ebd., S. 19  f. Vgl. auch: „On Money, as the most intricate part of the subject, he made me read in the same manner Ricardo’s admirable pamphlets, written during what was called the Bullion controversy; to these succeeded Adam Smith; and in this reading it was one of my father’s main objects to make me apply to Smith’s more superficial view of political economy, the superior lights of Ricardo, and detect what was fallacious in Smith’s arguments, or erroneous in any of his conclusion.“ Ebd. 187 Mill, Elements of Political Economy [Einleitung]. 182

138  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 graph, to enable the writer more easily to judge of, and improve, the order of the ideas, and the general character of the exposition.188

Spielerische Kinderwelten existierten für den jungen Mill nicht. Freunde durfte er nicht einladen und wenn er nicht selbst unterrichtet wurde, hatte er für die Ausbildung seiner jüngeren Geschwister zu sorgen. Die Existenz von Kinder- und Jugendbüchern erwähnt John in seinen Erinnerungen allerdings schon. Obwohl sie im Erziehungskonzept seines Vaters nicht vorgesehen waren, besaß John eine Ausgabe von Robinson Crusoe und erinnert sich, dass der Vater ihm noch einige weitere unterhaltende Schriften besorgte, darunter auch Maria Edgeworths Popular Tales.189 In der Autobiografie stehen die Lehren des Vaters an erster Stelle. Detailliert beschreibt der Sohn die Themen und Bücher, die er in den jeweiligen Lehrjahren mit seinem Vater bearbeitete und diskutierte. Anlass zur Klage fand er nicht. Zwischen den Zeilen allerdings kann man den Vorwurf herauslesen, dass sein Vater ihn davon abhielt, mit anderen Jungen zu spielen, seine körperlichen Fähigkeiten nicht ausbildete und manchmal sehr streng im Umgang mit seinem Scheitern war. Insbesondere als John im Alter von 20 Jahren eine mentale Krise hatte, sei das System des Vaters an seine Grenzen gestoßen: My father, to whom it would have been natural to me to have recourse in any practical difficulties, was the last person to whom, in such a case as this, I looked for help. Everything convinced me that he had no knowledge of any such mental state as I was suffering from, and that even if he could be made to understand it, he was not the physician who could heal it. My education, which was wholly his work, had been conducted without any regard to the possibility of its ending in this result; and I saw no use in giving him the pain of thinking that his plans had failed, when the failure was probably irremediable, and, at all events, beyond the power of his remedies.190

Rückblickend nahm John auch die langjährige psychische Erkrankung nicht zum Anlass, Vorwürfe gegen den Vater vorzubringen. Zeitgenossen beschrieben jedoch, dass alle Kinder der Familie Angst vor ihrem Vater hatten und dieser demnach bei den Kindern nicht beliebt war. Die psychischen Zumutungen seiner Kindheit und Jugend kommen bei John Stuart nur zur Sprache, wenn er ihn in seiner Autobiografie als den Ungeduldigsten aller Männer erinnerte.191 James Mill verstand die Unterrichtung seines Sohnes als eine experimentelle und empirische Anwendung seines Erziehungskonzepts. Alle Mittel der Erziehung, so Mill, seien auf ein Ziel gerichtet: Der menschliche Geist solle soweit wie möglich happiness – Glück – ermöglichen.192 Dazu benötige man eine Erziehung zur Intelligenz, zur Mäßigung und Wohltätigkeit auf der Basis von Großzügigkeit und Gerechtigkeit.193 Die Regulation von Gefühlen und Gedanken erschien Mill und 188 Mill, Autobiography,

S. 41 [Hervorhebungen im Original]. Nights, Cazotte’s Arabian Tales, Don Quixote, Miss Edgeworth’s ‚Popular Tales‘, and a book of some reputation in its day, Brooke’s Fool of Quality.“ Ebd., S. 8. 190 Mill, Autobiography, S. 88 [Hervorhebung im Original]. 191 Ebd., S. 9. 192 Mill, On Education, S. 3. 193 Ebd., S. 32. 189 „Arabian

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  139

anderen Utilitaristen als unbegrenzt. Diese umfassende Machbarkeitsvorstellung beinhaltete gleichzeitig revolutionäres Potential. Alle vermeintlich natürlichen Unterschiede zwischen Angehörigen verschiedener Klassen und Rassen seien mit der Erziehung zu beheben. Von der potentiellen Einebnung der Geschlechterdifferenz war bei ihm allerdings nicht die Rede: That, at least, all the difference which exists between classes or bodies of men is the effect of education, will, we suppose, without entering into the dispute about individual distinctions, be readily granted; that it is education wholly which constitutes the remarkable difference between the Turk and the Englishman, and even the still more remarkable difference between the most cultivated European and the wildest savage.194

Die allgemeinen Mittel zur Erreichung der „happiness of men“ sollten für alle Menschen gelten.195 Nur in Fragen der technischen Erziehung differenzierte Mill zwischen Erziehungszielen, die für alle Klassen gelten sollten, und solchen, die ausschließlich für bestimmte Schichten notwendig waren. James Mill arbeitete und schrieb anwendungsbezogen. Ihm und seinen Zeitgenossen Ricardo, Bentham und Say stand deutlich vor Augen, dass die Ideen über die von staatlicher Kontrolle weitgehend befreiten ökonomischen Verhältnisse auf einer Neukonzeption des menschlichen Handelns, Denkens und Fühlens beruhen mussten. Die Akteure ihrer Welt sollten, ebenso wie die Mechanismen der Produktion und des Handelns, von staatlicher Bevormundung befreit, aber von der Legitimität bestimmter Verhaltensweisen innerlich überzeugt sein. Dafür, so auch Mill, benötigte man nicht nur eine Veränderung der konkreten Erziehung der ­eigenen Kinder, sondern auch lesbare Formen der zentralen Texte der Politischen Ökonomie. Nachdem Jean Baptiste Say sein siebenbändiges Werk Cours complet d’économie politique 1830 an Mill geschickt hatte, antwortete dieser dem Autor: I should wish to see the science taught in both ways; in one for the public, in the other for students: though I sometimes lament to see that the two sorts of teachers scarcely understand the scope or appreciate the whole merit of each other. But the rising generation of political economists in this country are not only capable of unity, but do actually unite both.196

Von der populären Unterrichtung versprach sich Mill einiges. Die praktische Anleitung zur Wohltätigkeit könne beispielsweise vermittels der Schriften von Miss Edgeworth geschehen, „which afford many finely selected instances, and many detached observations of the greatest value, for the cultivation of benevolence in the infant mind.“197 Die Anerkennung der Schriften von Edgeworth und der Verweis auf die Notwendigkeit der Kindererziehung bezeugen eine zeitgenössisch betriebene Kanonbildung: Der Kreis der AutorInnen, die um 1800 in Großbritannien über die Vermittlung ökonomischer Theorien und Praktiken schrieben, war zwar überschaubar. Allerdings hatten sich mit Edgeworth und Marcet zwei Expertinnen im Feld etabliert, die von den männlichen Ökonomen als Gesprächs194

Ebd., S. 9. Ebd., S. 37. 196 Mill und Say, Additional Letters of John Stuart Mill, S. 10. 197 Mill, On Education, S. 34. 195

140  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 partnerinnen anerkannt und deren Schriften konsultiert wurden. Ihnen wurden bestimmte Aufgaben und Funktionen in der Popularisierung zugewiesen. Die Umsetzungen ihrer eigenen ökonomischen Vorstellungen waren dennoch nicht ganz einfach, wie es James Mills Biografie beispielhaft zeigt: Mit der frühen Heirat und seinen neun Kindern geriet auch Mill in drastische finanzielle Engpässe, die zur Verschuldung und zur monetären Unterstützung der Familie Mill vor allem durch Jeremy Bentham führten. Erst nach 1818/19 war James Mill in der Lage, seine Familie zu versorgen.198 Letztlich war auch Mills Verhalten nicht kongruent mit den Empfehlungen, die vor allem Malthus und die malthusian lady Harriet Martineau für die Behebung der Armut gegeben hatten. Mill hatte zudem seinen Sohn John genutzt, um die Möglichkeiten der Erziehung im Allgemeinen und der ökonomischen Unterrichtung im Speziellen zu verdeutlichen. Sein eigenes Exempel sollte als empirisches Material für die Einschätzung gelten, dass mit Erziehung alles erreicht werden konnte. Gleichzeitig nutzte er die schriftlichen Exzerpte seines Sohnes, um als Autor eines populären Buches über die Politische Ökonomie in Erscheinung zu treten. Seine väterliche Autorität gegenüber seinem Sohn war somit ein Spiegel seiner Autorenschaft gegenüber der Leserschaft. Individuelle Vaterschaft war eng verknüpft mit seiner Autorität als Autor in ökonomischen Sachfragen.

Göttliche Geldstunden Die Schrift Easy Lessons on Money Matters. For the Use of Young People (1837) richtete sich an Kinder und Heranwachsende ab acht Jahren. Ihr Autor Richard Whately unterstrich wie viele andere Autoren seiner Zeit die Notwendigkeit, mit der monetären und ökonomischen Erziehung im Kindesalter anzufangen: „Many, even of what are called the educated classes, grow up with indistinct, or erroneous, and practically mischievous views on these subjects“.199 Whately war keineswegs ein drittklassiger Autor entlegener Groschenromane für Kinder, sondern hatte als Erzbischof in Dublin (ab 1831) und Professor für Politische Ökonomie in Oxford (ab 1829) ein professionelles Interesse an der Aufgabe. Die monetäre Kindererziehung war dem Mann, der lautstark in den politischen Auseinandersetzungen über das irische Poor Law und das Bildungssystem aktiv war, ein eigenes Buch wert, das vor der Veröffentlichung schon in Teilen im Saturday Magazine erschienen war. Die Publikation war ein großer Erfolg mit erheblichem Einfluss, der durch seine Funktion als Irish Commissioner of National Education nachhaltig unterstützt wurde. Um die Jahrhundertmitte kam kaum ein britisches schulisches Lesebuch ohne Textauszüge aus Whatelys Schrift aus.200 Das Buch bestand aus einzelnen Unterrichtseinheiten, die sich unter anderem mit Geld, Handel, Münzen, Wert, Löhnen, Reichtum und Armut, Kapital und 198 Capaldi,

John Stuart Mill, S. 3, 20. Easy Lessons on Money Matters, S. VI. 200 Sockwell, Popularizing Classical Economics, S. 102; Cooper, Family Fiction, S. 93; Boylan und Foley, Political Economy, S. 67–99. 199 Whately,

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  141

Steuern befassten. Ausgehend von Alltagsgegenständen, wie Zucker, argumentierte Whately, dass es für Kinder und Jugendliche notwendig sei, die Einbettung einzelner Waren in die globalen Handelswege zu verstehen.201 Sein Buch präsentierte eine Mischung aus globalem ökonomischem Wissen und der von ihm angenommenen göttlichen Ordnung der Dinge. Besonders deutlich wird diese Verknüpfung durch die der ersten Stunde zu Money beigefügte Abbildung illustriert. Sie zeigt die wohltätige Geste eines Jungen an der Hand einer erwachsenen Frau. Der Junge beugt sich zu einer vor einer Hütte sitzenden Person, die den Hut zieht, um Geld zu erbetteln. Der Junge wirft eine Münze hinein. Im folgenden Text wird die milde Gabe als erwünschte Tugend unter Berufung auf den göttlichen Willen weiter ausgeführt.202 Kontrastiert wird diese Referenz auf die christliche Ethik allerdings mit einem eher bibelfernen Ausruf: „What a useful thing is money!“203 Anders als andere Autoren, die, wie Thomas Carlyle dem Geld als Ausdruck der modernen Gesellschaft misstrauten und ihm kritisch gegenüber standen, kombinierte Whately seine liberalen Wirtschaftsvorstellungen mit der Annahme einer durch das Geld in die Welt gekommenen Zivilisation, die unter göttlicher Vorsehung stehe. Der Autor beginnt seine Fortschrittserzählung mit der Vorstellung einer Welt ohne Geld. Er erinnert an den Zeitaufwand und die Probleme, die in nicht-monetären Transaktionen vorgekommen seien.204 Er verschweigt seinen kindlichen und jugendlichen Lesern zwar nicht, dass es unter „savages“ oder „tribes of negroes“ auch Muschel- oder Baumwollgeld gebe.205 Das in zivilisierten Gesellschaften verbreitete Münzgeld aber habe entscheidende Vorteile. Es sei stabil, nutze sich nicht ab, brauche wenig Platz und sei transportabel. Zudem sei es wertstabil: Nicht die auf der Münze verzeichnete Autorisierung durch den jeweiligen Herrscher mache das Münzgeld akzeptabel für die Nutzer, sondern der in der Münze gespeicherte Wert des Silbers oder eines anderen Metalls.206 Im Gegensatz dazu, schreibt Whately, sei Papiergeld kein richtiges Geld, sondern nur ein Versprechen zur Zahlung, das aufgrund der metallenen Deckung Vertrauen bei den Nutzern finde.207 Dieses Narrativ von der Entwicklung des Münzgeldes als Zeichen entwickelter Ökonomien wird von Whately ergänzt durch den Verweis auf den hohen Grad gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die angemessene Wertentwicklung und die Eigentumsordnung europäischer Gesellschaften als Grundlagen der Zivilisationsentwicklung im Gegensatz zu den ‚Wilden‘.208 Die Existenz einer Zukunftsidee verkörpere sich über die ökonomische Versorgung der Kinder: In savage nations almost every one is half-starved at times, and generally half-naked. But in any Country in which property is secure, and the people industrious, the wealth of that country will

201 Whately,

Easy Lessons on Money Matters, S. XII. Ebd., S. 3. 203 Ebd., S. 1. 204 Ebd., S. 2. 205 Ebd., S. 10. 206 Ebd., S. 8, 14. 207 Ebd., S. 10. 208 Ebd., S. 5. 202

142  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 increase; and those who are the most industrious and frugal, will gain more than such as are idle and extravagant, and will lay by something for their children; who will thus be born to a good property.209

Mit dieser Argumentation stand Whately nicht allein. Reichtum, versicherte auch der Deutsche Moritz von Prittwitz 1840 in seiner Darstellung der Volkswirthschaft, sei zwar nicht das „wichtigste Ziel“ im Leben, aber für die menschliche Höherentwicklung sei er durchaus notwendig: „Was dagegen auch strenge Moralisten sagen mögen: das Streben nach irdischen Gütern ist eine nothwendige Zwischenstufe, durch welche allein der Mensch sich zu einem höhern Standpunkte erheben kann, um endlich zu den Sternen zu greifen [sic].“210 Die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung illustrierte der Katholik und Wissenschaftler Whately mit der kleinen Geschichte Fable of the Stomach and the Limbs. Das System des menschlichen Körpers basiere auf dem Ineinandergreifen der verschiedenen Körperteile und Organe. Eines Tages jedoch streikten die Körperteile, weil sie der Meinung sind, dass sie immer alles für den Magen täten, ohne aber jemals selbst davon zu profitieren. Die Ohren hörten die Glocke zur Essensaufnahme und die Hände beförderten das Essen in den Mund. Durch den Streik erhielt nun der Magen einige Zeit keine Nahrung mehr. In Folge litt aber auch der restliche Körper und wurde immer schwächer. Der Magen belehrte sie: Oh, foolish members […], you now perceive that what you used to supply to me, was in reality supplied to yourselves. I did not consume for myself the food what was put into me; but I digested it, and prepared it for being changed into blood, which was sent through various channels as a supply for each of you. If you are occupied in feeding me, it is by me in turn, that the blood-vessels which nourish you, are fed.211

Der Rahmen der menschlichen Handlungsmöglichkeiten sei von göttlicher Hand eingerichtet, übersetzte Whately die Fabel, und innerhalb dieses Rahmens finde jeder, so wie die einzelnen Teiles eines Körpers, einen Platz. Seine weitere Begründung für die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten in der Gesellschaft überschritt jedoch die göttliche Anordnung und basierte auf dem Argument der notwendigen Existenz wohlhabender Menschen. Sie sicherten die Existenzgrundlage der Armen durch die von ihnen geschaffenen Möglichkeiten zur Arbeit. Mit dieser klassischen Erzählung der zeitgenössischen Politischen Ökonomie legitimierte Whately die Differenzen zwischen Reich und Arm: Can it be supposed that the poor would be better off if all the property of the rich were taken away and divided among the poor, and no one allowed to become rich for the future? The poor 209

Ebd., S. 27.

210 Prittwitz,

Die Kunst reich zu werden, S. VI. „In der Wildniß, und von diesen Gütern entblößt, kann und wird der Mensch niemals den höchsten Grad seiner Ausbildung und Vollkommenheit erlangen, und von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, muß uns die Lehre von der Hervorbringung, Vertheilung und Verwendung dieser Güter, oder die Volkswirthschaftslehre, in einem günstigern Lichte, als viele Eiferer auf sie werfen wollen, ja als die Grundlage aller Untersuchungen über den geselligen Zustand des civilisirten Menschen erscheinen.“ Ebd., S. 2 f., auch S. 73. 211 Whately, Easy Lessons on Money Matters, S. 32.

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  143 would then be much worse off than they are now. They would still have to work for their living, as they do now; for food and clothes cannot be had without somebody’s labour.212

Reiche Männer seien zwar „selfish“, aber sie täten alles, um ihr Geld zu vermehren. Ihr Nutzen für das Gemeinwohl sei unübersehbar.213 Mit der Investition von nützlichem Kapital ermöglichten sie vielen Arbeitern eine Existenz und erhöhten den Wohlstand der ganzen Nation.214 Geregelte Eigentumsverhältnisse und die Wertschätzung von Fleiß und Arbeit brächten mit der auf die Zukunft gerichteten Vorsorge letztlich eine Verbesserung der Lage der nachfolgenden Generation mit sich. Die Erziehung der Kinder und Jugendlichen sei in diesem Prozess von erheblicher Bedeutung, so Whately: Young people who make good use of their time, and who are quick at learning, and grow up industrious and steady, may, perhaps, be able to earn more than enough for their support; and so have the satisfaction of leaving some property to their children. And if these again, should, instead of spending this property, increase it by honest diligence, prudence, and frugality, they may, in time, raise themselves to wealth.215

Neben der positiv bewerteten Möglichkeit sozialer Mobilität wirke Geld über die gute Erziehung hinaus produktiv. Positive Resultate könnten auch schon im eigenen Leben und nicht erst in dem der Kinder erzielt werden. Sparsames Speichern des Geldes reiche allerdings nicht aus, um das Geld auch zu vermehren: Suppose you were a labouring man, and had one hundred pounds left you, as a legacy; or had saved up that sum from your earnings: you might not know how to trade with the money to advantage; and if you kept it in a strong box, for the use of your children, you would not be the better for it all your life; and at the end of twenty or thirty years, your children would find just the same sum that you first put in. 216

Geldvermehrung entstehe erst, wenn der Besitzer es gegen die Sicherheit, das Geld zurück zu erhalten und für eine Gebühr, die man Zinsen nenne, verleihe.217 Damit wandte sich Whately deutlich gegen die religiöse Kritik am Zins. Seine positive Beschreibung des zinsträchtigen Geldverleihs in dem an Kinder und Jugendliche gerichteten Buch war durchaus außergewöhnlich. Dieser Mechanismus der Kapitalbildung fand normalerweise selten Erwähnung in den Materialien, mit denen Kinder in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kontakt kamen. In Whatelys Lessons on Money Matters ist wenig von der väterlichen Vermittlung der ökonomischen Kenntnisse die Rede. Die einzige Autorität, die Erwähnung findet, ist die des göttlichen Vaters. Dieser habe die Welt so geschaffen, dass sie sich durch Selbstregulation stetig verbessere. Dieser Mechanismus, der von Adam 212 Ebd.,

S. 28. „The more Capital there is in a country, the better for the labourers.“ Ebd., S. 38 [Hervorhebung im Original]. 213 Ebd., S. 30. 214 Ebd., S. 35. Die Nutzung des Geldes wird in produktive und unproduktive Investitionen unterteilt: „So that instead of having parted with my money for ever, (as when it is spent on a pleasure-garden or summer-house,) it comes back to me with addition. This addition is called Profit; and the money so laid out is called Capital.“ Ebd., S. 36. 215 Ebd., S. 27. 216 Ebd., S. 37. 217 Ebd.

144  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Smith als invisible hand bezeichnet worden war, wird bei Whately explizit zur göttlichen Vorsehung: It is curious to observe how, through the wise and beneficent arrangement of Providence, men thus do the greatest service to the public, when they are thinking of nothing but their own gain. And this happens, not only in the case of corn-dealers, but generally. When men are left quite free to employ their Capital as each thinks best for his own advantage, he will almost always benefit the public, though he may have no such design or thought.218

Der monetäre Eigennutz führe zu einem Anstieg des allgemeinen Wohlstandes. Diese Abkehr von gewissen religiösen Zweifeln an der Kapitalbildung und am Profitstreben war kennzeichnend für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie auch Boyd Hilton gezeigt hat.219 Whately war einer der wenigen, der dies auch die Kinder wissen lassen wollte. Sein Ausweg war der göttliche Vater, der die liberale Wirtschaftsordnung geschaffen habe und fortan überwache.

Deutsche Erziehung: eine Festung Im Spektrum der zeitgenössischen Denk- und Handlungsmöglichkeiten markierten die pädagogischen Experimente der Familie Mill und die an einer liberalen Wirtschaftsordnung orientierten Unterrichtsstoffe von Whately eine für diese Zeit außergewöhnlich deutliche Orientierung an den Lehren der Politischen Ökonomie. Für den deutschsprachigen Raum sind diese konkreten Adaptionen im Bereich der Kindererziehung und Jugendsozialisation nicht zu verzeichnen. Es dominierte zwar ebenfalls ein starker Reformwille in Fragen der Schulbildung, und auch die soziale Frage bewegte die Öffentlichkeit, aber die Vermittlung der Politischen Ökonomie fand zuerst einmal nur Eingang in die universitäre Lehre und in Handbücher zur Ausbildung von Staatsbeamten und anderen. Eine in diesem Zusammenhang aufschlussreiche Schrift stellt das Handbuch des preußischen Majors und Festungsbaumeisters Moritz Carl Ernst von Prittwitz Gemeinfaßliche Darstellung der Volkswirthschaft von 1840 dar.220 Neben seiner Baukunst war Prittwitz (1795–1885) publizistisch aktiv und befasste sich mit nationalökonomischen Fragen. Er verstand das mit seinem Buch verbundene Anliegen, die nationalökonomischen Lehren in allgemeinverständlicher Weise aufzubereiten, als einen Dienst an der Ausbildung und Erziehung der nachfolgenden Generationen: Es mangelt uns zwar keineswegs an vortrefflichen Werken in diesem Fache und ich erkenne dankbar an, was ich aus ihnen entlehnte: allein es schien mir ein Werk zu fehlen, welches die Volkswirthschaft ganz praktisch, vorzugsweise unter Berücksichtigung der Erscheinungen des 218

Ebd., S. 42 f. The Age of Atonement. 220 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden. Prittwitz wurde zu Lebzeiten noch zum General der Infanterie ernannt und war vor allem als Festungsbaumeister bekannt. Des Weiteren betätigte er sich über das Bauingenieurwesen hinaus publizistisch auf dem Gebiet der Nationalökonomie. Er war Autor von Andeutungen über die Grenzen der Civilisation (1838), Ueber Frauenwirthschaft (1863) und publizierte Artikel in den Zeitschriften Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen und Der Nationalökonom. Vgl. Prittwitz, Gaffron, Moritz von, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 26, 1888, S. 609–611. 219 Hilton,

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  145 gewöhnlichen Verkehrs, ohne alle gelehrte Ausstattung und Ausstaffierung, möglichst klar und jedem Gebildeten verständlich, vortrüge.221

Eine populäre Schrift, so Prittwitz, müsse nichtsdestoweniger daraufhin geprüft we­r­den, ob sie den wissenschaftlichen Lehren entspreche. „Wahrhaft populäre Schriften“ seien sogar als „das höchste Ziel der Wissenschaft anzusehen“, denn das Feld werde bislang weithin von „Stümpern“ bestellt.222 Seine Schrift verstand er jedoch keineswegs als bloße Volksaufklärung: Sie solle vielmehr dazu dienen, den staatlichen und gesellschaftlichen Eliten Orientierung zu bieten.223 Die Erziehung von Kindern verstand er als Ansammlung von „Capital“, die auch Arbeitern zugänglich sei, indem sie ihren Kindern eine gute Erziehung und Unterrichtung zukommen lasse.224 Prittwitz betonte ebenfalls die herausragende Bedeutung des staatlichen Schulunterrichts für die gesellschaftliche Weiterentwicklung. Mit dem Staat sei ein Vermittler zwischen Vater und Sohn getreten, der für die pädagogisch notwendigen Aufgaben besser ausgestattet sei: und somit immer mehr die von Vater auf Sohn forterbende Unwissenheit und Rohheit verschwinden werde, welche bei dem jetzigen Standpuncte der Ausbildung der menschlichen Gesellschaft noch auf so vielen Nationen und selbst noch mehr oder weniger auf der großen Masse derjenigen Völker lastet, die sich zu den civilisirten rechnen, und welche das Haupthinderniß ist, daß sie nicht zu derjenigen Stufe irdischen Wohlseyns und durch sie zu derjenigen Stufe geistiger Vollkommenheit gelangen, die ihnen durch die gütige Fürsorge des Schöpfers erreichbar und unzweifelhaft bestimmt ist.225

Anders als es in der Mill’schen Familiensituation der Fall war, misstraute Prittwitz der väterlichen Vermittlungskompetenz und setzte an die Stelle patrilinearer Wissensinitiation eine staatliche Instanz. Dennoch widmete er das Buch seinen Söhnen und hob, im Gegensatz zur beschriebenen Rohheit zwischen Vätern und ihren Söhnen, die Verantwortung der Väter für die Wissensvermittlung besonders hervor: Welche heiligere Verpflichtung könnte ein Familienvater haben, als für das Wohl seiner Kinder zu sorgen! Das Wohl aller künftigen Geschlechter beruht aber auf den moralischen, wissenschaftlichen und irdischen Gütern, welche die Väter auf sie vererbten! Auch Euch, meine geliebten Söhne, wünschte ich ein solches Vermächtniß zu hinterlassen; und habt Ihr auch keine irdischen Glücksgüter von mir zu erwarten, so wollte ich Euch doch wenigstens mit den Grundsätzen vertraut machen, wonach sich die Vertheilung dieser Glücksgüter in der menschlichen Gesellschaft regelt.226 221 Prittwitz,

Die Kunst reich zu werden, S. i–ii. Ebd., S. 53. 223 Ebd., S. 7. 224 Ebd., S. 59. Als „Capital“ definierte Prittwitz „gesammeltes Capital“, also Vorräte, die „den Zweck haben, neue Productionen oder die Erzeugung neuer Güter möglich zu machen.“ Aber auch geistiges, moralisches und anderes immaterielles Kapital hatte für ihn eine erhebliche Bedeutung. Er wandte sich gegen ein Verständnis, das nur Geld als Kapitalsorte anerkannte: „Geld ist nur ein Mittel dazu […] und es kann Jemand sehr reich seyn, ohne jemals viel Geld (d.i. baares oder Papiergeld) zu besitzen oder in die Hände zu nehmen, wenn er nur die Mittel oder, wie man sagt, das Vermögen besitzt, sich recht viele von diesen Gütern des Lebens zu verschaffen.“ Ebd., S. 2, 51. 225 Ebd., S. 495  f. 226 Ebd., S. V. 222

146  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Das Buch solle ihnen als Wegweiser dienen, richtete Prittwitz sich an seine Söhne, um sich in der Welt zu Recht zu finden, und ein umfassendes Verständnis von den „tausend und abermals tausend Triebfedern der menschlichen Thätigkeit vollkommen und erschöpfend“227 zu entwickeln. Mit dem Verweis auf die Komplexität menschlicher Antriebsmuster, wie auch in seiner Konzeption menschlichen Reichtums, der nicht nur auf Geld basiere, wies er, im Gegensatz zu Mill und Whately, jeden nur auf Eigeninteresse basierenden Ansatz des Ökonomischen als reduktionistisch zurück und kommentierte, daß das Geld an und für sich, in diesem merkwürdigen Organismus der menschlichen Gesellschaft, nur eine untergeordnete Rolle spielt und sein Werth und seine Wirksamkeit fast immer überschätzt wird […], daß irdischer Wohlstand und Reichthum nur Mittel zum Zweck sind, den Menschen seiner Bestimmung, der möglichsten Vervollkommnung in körperlicher, intellectueller und moralischer Beziehung, entgegen zu führen.228

In Übereinstimmung mit Whately befand auch er das Münzgeld als überlegen gegenüber anderen Geldformen. Münzgeld besitze den Vorteil, gegen alles eintauschbar zu sein, womit sich auch sein Zeichencharakter als Ausdruck der Zivilisation erkläre. Denn die „Beschaffenheit des Culturzustandes“ zeichne sich auch in der Art des Geldes ab, so Prittwitz. Geld könne viele Formen haben, wie beispielsweise die Muscheln „bei einigen africanischen Völkerschaften“.229 Die Vorteile aber der Edelmetalle lägen deutlich auf der Hand. Sie seien hart, dauerhaft, resistent gegen „Abnutzung und Beschädigung“, einschmelzbar, gestaltbar und von dauerhaftem Glanz.230 Auch führt er die übliche Bestimmung des intrinsischen Wertes der Münze an, verweist aber auf die Relativität des Wertes von Gold und Silber: „Es gibt gar kein absolutes Maaß für den Tauschwerth der Ding, sondern nur immer ein relatives [sic].“231 Während ein großer Teil seiner Schrift Handels- und Wirtschaftsfragen gewidmet ist, schließt er im dritten Teil seines Buches Gedanken über alltagsökonomische Verhaltensregeln an, dessen Charakter dem eines Anstandsbuches entspricht. Unter der Überschrift Von der zweckmäßigen Verwendung des Einkommens und des Vermögens oder von der Consumption listet Prittwitz diverse Practische Regeln auf, die sich auch auf den kindlichen Umgang mit Geld beziehen. Neben der Aufforderung keine Schulden zu machen, Sparsamkeit im Haushalt zu üben und rücksichtsvoll zu konsumieren, stehen bekannte Redewendungen, wie Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Thaler nicht werth.232 Ordnung und das Führen eines Haushaltsbuches sollen die Verluste in Grenzen halten. Um diese Verhaltensweisen auch in den Kindern zu verankern, empfahl Prittwitz die Gabe von Taschengeld: „Man gewöhne seine Kinder bei Zeiten daran, mit Gelde hauszuhalten, und

227

Ebd., S. VII. Ebd., S. 551. 229 Ebd., S. 211. 230 Ebd., S. 212. 231 Ebd., S. 216. 232 Ebd., S. 479  f. 228

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  147

gebe ihnen zu dem Ende ein bestimmtes Taschengeld. Nur dadurch werden sie den Werth des Geldes schätzen lernen.“233 Seine Empfehlungen waren nicht außergewöhnlich. Die Gabe von Taschengeld und das Führen von Ausgabenbüchern gehörten, wie ausgeführt, seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den wichtigsten Instrumenten monetärer Erziehung. Auffällig wiederum ist, dass Prittwitz in seinem Buch zweierlei ökonomische Erziehungsinstanzen vorsah. Der Staat habe durch eine verbesserte Schulbildung und die Integration der Arbeiterkinder dafür zu sorgen, dass sich die jungen Männer über den Bildungsstand des Vaters erheben konnten. Zudem konzipierte er sich selbst als einen gebildeten Mann in einer verantwortlichen Vaterposition, dem die Erziehung und berufliche Orientierung seiner Söhne oblag. Seine Zusammenschau von väterlicher Fürsorge und Handelsfragen, von Geldtheorie und Taschengeld ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Sphärentrennung zwischen familiärer und außerhäuslicher Ökonomie von den Zeitgenossen vielfach nicht vollzogen wurde.

Die kleinen Ökonomen Auch in anderen Genres, in Ratgebern und in der Kinderliteratur, war die Konfiguration der väterlichen Vermittlung ökonomischen Wissens präsent, so beispielsweise in dem 1826 erschienene Buch des Österreichers Joseph Sigmund Ebersberg Der Mensch und das Geld.234 Im Unterschied zu den erwähnten anderen Autoren widmete der katholische Jugendschriftsteller und Journalist Ebersberg (1799–1854) den staatlichen Erziehungsinstanzen keine Aufmerksamkeit. Abgesehen von den knappen Bemerkungen über die nützliche Einrichtung von Sparkassen verlor er kein Wort über die Rolle des Geldes in staatlichen Bildungsinstitutionen. Die Publikation Der Mensch und das Geld unterschied sich andererseits aber auch deutlich von dem Genre der Erziehungsratgeber. In seiner Konzentration auf das Geld war das Buch im deutschsprachigen Kontext einzigartig. In der Form lehnte es sich an die verbreiteten Jünglingsbelehrungen an und richtete sich ausschließlich an männliche Leser. In der steten Ansprache „mein theurer junger Freund“235 ließ der Autor einen jungen Mann als Leser entstehen, der dem „väterlichen Rat“236 Folge leisten sollte. Seine Legitimation als Ratgeber leitete der sich als Mentor inszenierende Autor aus eigenen Erfahrungen ab, aufgrund dessen er klug geworden sei: „Es sind daher gut bezahlte Lebensregeln, die ich hier mittheile, und eigene Erfahrungen, die ich mit brüderlicher Liebe meinen Freunden an’s Herz lege.“237 233

Ebd., S. 480.

234 Ebersberg, Der

Mensch und das Geld. Ebersberg verfasste zahlreiche belehrende Schriften für Jungen, wie beispielsweise Der Schüler wie er sein sollte … ein Lesebuch für talentvolle Knaben (1825) und er gab die Zeitschrift Feyerstunden der edleren Jugend (1826 f.) heraus. Vgl. Bietak, Ebersberg, S. 250 f. 235 Ebersberg, Der Mensch und das Geld, S. 3. 236 Ebd., S. 38. 237 Ebd., S. X.

148  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Er grenzte sich zugleich von ökonomischen Schriften über das Geld sowie von einer „Seelen- oder Leidenschaftslehre des Menschen“ ab. Sein Buch sei eine Betrachtung des Geldes „in seiner Beziehung zum Menschen und in stäter Verbindung mit ihm.“238 Ebersberg präsentierte ein höchst ambivalentes Bild vom Geld: Zum einen sei es die Ursache für das Übel in der Welt, zum anderen könne es aber auch als Mittel zur Wohltätigkeit und zu „nützlichen und ehrenvollen Unternehmungen“ dienen.239 Im Unterschied zur Politischen Ökonomie erklärte er den Wert des Geldes als völlig subjektiv: Der kluge Mensch überzeugt sich leicht, daß das Geld an sich keinen Werth habe, daß es denselben nur von ihm selbst erhalte, daß also dieser Werth ein bloß eingebildeter sey. […] daß unsere Bedürfnisse allein das Geld zu jener Stufe erhoben haben, auf welche es von allen Menschen und zu allen Zeiten höher oder niedriger gesetzt worden ist.240

Mit Hilfe von Exempeln führte der mahnende Autor in die Gefahren des Geldes ein: Ein Vater mehrerer Kinder habe aufgrund der Verzweiflung und Scham über seine hohen Schulden Selbstmord begangen.241 Mit dieser Auftaktgeschichte eines scheiternden Mannes und Vaters steckte Ebersberg den Rahmen seiner Publikation ab. Das erzieherische Verhältnis zwischen Eltern und Kindern – und ihn interessierte vor allem das zwischen Vätern und ihren Söhnen – sei grundlegend für das spätere Zurechtkommen der jungen Erwachsenen in der durch das Geld geprägten Welt. Allein wenn wir recht ernstlich der Ursache nachforschen wollten, so würde sich unser Erstaunen um Vieles vermindern; wir würden es bald ganz natürlich finden, daß die fehlerhafte Art, junge Leute zu erziehen und über den Umgang mit dem Gelde zu belehren, keine anderen Erfolge, als diese traurigen und abschreckenden, zurücklassen konnte.242

Aus dem Grab könnten die Eltern sehen, dass das Vermögen, das sie einst ihrem Kind hinterließen, aufgezehrt sei. Es sei gut, „wenn sie auch nicht das Geringste bey dem Unterrichte versäumen“.243 Die potentiellen Fehler der monetären Erziehung lägen sowohl darin, zu viel Geld an die Kinder zu geben oder aber ihnen zu wenig Geld zur Verfügung zu stellen. So würden sie entweder zu „Verschwendern und Wüstlingen“ oder aber zu „Egoisten und Geitzigen“ erzogen: „Ich würde daher jedem Vater oder Erzieher rathen, seinem Sohne oder Zöglinge Geld in die Hände zu liefern, ihm aber zu dem weisen Gebrauch desselben eine weise und vernünftige Anleitung mitzugeben.“244 Die Voraussetzung für eine gelungene Anleitung der Söhne war nach Ebersberg die Fähigkeit des Vaters oder Erziehers selbst, den „Lockungen“ des Geldes zu 238

Ebd., S. IX. S. 21. „Entsetzlicher Mamon [sic], du, der Hölle entstiegenes Scheusal! Du übst so viele Gewalt auf der Erde, daß du nicht selten die Tugend und die heiligsten Gefühle der Engel in deinem Solde hälst. Geld, du unterdrückst den Gerechten, klagst die Tugend falsch an, nimmst der Wahrheit ihr Licht und dem Recht seine Ehre.“ Ebd., S. 19. 240 Ebd., S. 36. 241 Ebd., S. 22  f. 242 Ebd., S. 43. 243 Ebd., S. 45. 244 Ebd., S. 51. 239 Ebd.,

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  149

widerstehen.245 War diese Kontrolle gewährleistet, blühe im Rahmen eines geordneten Haushalts die angestrebte Form bürgerlicher Männlichkeit. Ein ordentlicher, finanziell kontrollierter Haushalt schaffe eine „Gesellschaft friedlicher, sanfter und ruhiger Männer! Ihr Urtheil zeichnet sich durch Richtigkeit, Schärfe und Billigkeit aus; ihr Umganng wird anziehend, nützlich und lehrreich, und ihre nähere Bekanntschaft läßt großen Theils Eindrücke in uns zurück, welche die Tugend begünstigen und zu Nachahmung reitzen [sic].“246 In seinen gesamten Ausführungen konzentrierte sich Ebersberg auf die Beschreibung eines mann-männlichen Erziehungsverhältnisses und die Vorbildfunktion des Vaters. Zur Komplementierung des glücklichen Vaters und friedlichen Mannes in einem geordneten Haushalt sei jedoch auch eine Frau vonnöten: „Selten aber ist der männliche Geist dazu geeignet, sich in die beschränkteren Kreise der häuslichen Wirthschaft zu mengen, und thut er es auch, so versteht er gar selten die Art und Weise, es gut und mit Nachdruck zu thun.“247 Ebersberg positionierte die häusliche Ökonomie deutlich kleiner als die staatliche Ökonomie. Für diese kleineren Räume des Ökonomischen wie auch für die Erziehung der Töchter sei die Frau in der Familie zuständig. Dabei weitete er die pekuniäre Verantwortung der Ehefrau weit in die Verwaltung des Familienvermögens aus. Die monetäre Erziehung der Töchter habe sich an diesen Erfordernissen zu orientieren und müsse in ausreichendem Maße den Umgang mit und die Kontrolle von Geld berücksichtigen: Nur die Frauen, welche in dem häuslichen Zirkel ihre Welt finden, welche unter die ersten ihrer Tugenden die zählen, häuslich und wirthschaftlich zu seyn, welche von frühester Kindheit an zu diesem Zwecke erzogen und gebildet, durch die Mutter dazu angeleitet, durch die Umstände dazu bestimmt wurden – nur sie vermögen es, mit gänzlicher Aufopferung aller weiteren Ansprüche im Hause zu regieren, das Vermögen des Mannes gehörig zu verwalten, ihn vor Betrug zu sichern, und das mühsam von Außen Erworbene eben so mühsam im Innern theils zu verwenden, theils zu erhalten.248

Obwohl er also die Rolle des pater familias in der Vermittlung des ökonomischen Wissens betonte und sein Werk nur auf Väter und ihre Söhne ausrichtete, resultierte familiärer Wohlstand nach Ebersberg auch aus der sorgfältigen Vermögensverwaltung der Ehefrau und der von beiden Eheleuten getragenen zukunftsorientierten monetären Erziehung der Heranwachsenden in der Familie. Sein Ziel, ein geordneter bürgerlicher Haushalt mit Mann, Frau und Kindern unter möglicher Inklusion eines Hauslehrers, war nicht mit den Entwürfen der Politischen Ökonomie verbunden. Es ging ihm nicht darum, alte oder neue Wirtschaftsweisen zu erläutern, die vermeintlichen Gesetze der Wirtschaftsentwicklung populär nachzuzeichnen oder Auswege aus der Armut der Unterschichten aufzuzeigen. Wie 245

Ebd., S. 48. S. 32. „Hat er das Glück, Vater zu seyn, so gießt ihm der Gedanke, daß er seine Kinder wohl erzogen und versorgt in the Welt treten lassen kann, eine unbeschreibliche Wonne in’s Herz“. Ebd., S. 28 f.; vgl. auch: ebd., S. X. Zum Thema ‚sanfte Männlichkeit‘ vgl. Kessel, The ‚Whole Man‘. 247 Ebersberg, Der Mensch und das Geld, S. 127. 248 Ebd., S. 127  f. 246 Ebd.,

150  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 auch Prittwitz in der Vorrede an seine Söhne formulierte, handelte es sich bei der Schrift von Ebersberg um Orientierungswissen für bürgerliche Jungen. Prittwitz dagegen hatte im größten Teil seiner Publikation den Fokus auf den außerhäuslichen Bereich gerichtet und war mit den ökonomischen Lehren seiner Zeit verbunden. Sucht man nach verwandten Erzählweisen über eine patrilinear inszenierte Öko­nomie, liegt es nahe, die Kinder- und Jugendliteratur dieser Zeit zu konsultieren. Die Kinder- und Jugendliteratur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts verortete ihre Narrationen vielfach im ländlichen Raum der Bauern und Handwerker und noch nicht in den entstehenden industriellen Zentren.249 Die zu vermittelnde Moral schien in den einfachen, alten Verhältnissen am sichersten aufgehoben. Auch die Kindergeschichten über angemessenes Wirtschaften und die ­väterliche Ökonomie wurden im bäuerlichen Kontext platziert. Die französische Schriftstellerin Sophie Ulliac Trémadeure (1784–1862) beispielsweise beschrieb in ihrem 1834 veröffentlichten Roman Adolphe, ou le petit laboureur: Ouvrage à l’usage de la jeunesse eine ländliche Idylle von Fürsorge und ständischer Ordnung. Der Jugendroman erschien 1845 in deutscher Übersetzung unter dem Titel Adolph, der kleine Ökonom.250 Trémadeure veröffentlichte neben Romanen zahlreiche Erziehungsschriften und Artikel über Frauenemanzipation sowie ein populärwissenschaftliches Buch über Astronomie. In der Mischung der Genres, die sie als Schriftstellerin bediente, war sie Harriet Martineau ähnlich. Ihre Werke wurden auch ins Englische und Deutsche übersetzt.251 Die Geschichte Adolph, der kleine Oekonom handelt von dem dreijährigen Adolph, dessen Vater ihn, ausgestattet mit 20 000 Francs, auf Empfehlung des Dorfpfarrers in der armen, bäuerlichen Pflegefamilie Duchéne im Dorf Jarville in der Nähe von Nancy unterbringt. Peter Duchéne arbeitet nebenbei als Tagelöhner und seine Frau Margarete ist als Seidenwürmerzüchterin tätig.252 Die Autorin lässt den leiblichen Vater zu Beginn erklären, warum er seinen Sohn in die Obhut einer Bauernfamilie gibt. Der Vater beschreibt sich selbst als einen gescheiterten Mann, der sein Vermögen verloren habe und keine einfache, gute Erziehung mehr gewährleisten könne: Ich bin ein geborner [sic] Bauer; unglücklicherweise hat eine unpassende Erziehung, weil sie mich über meine Eltern erhob, einen Stolz in mir entwickelt, welchen ihre zu nachsichtsvolle Güte noch steigerte. Dies war die erste Quelle meiner Thorheiten – später meines Unglücks – Von dem Vermögen, das ich einst besaß, bleiben mir nur 20, 000 Francs. […] Ich bin nicht im Stande, dieses Kind zu erziehen, besonders es auf eine Art zu erziehen, die ihm Liebe für ein einfaches, ländliches Leben einflößt. Ich habe für dasselbe keinen Sinn mehr, bin es entwöhnt, und Adolph ist nicht reich genug, daß ich ihm eine andere Laufbahn öffnen könnte. Er werde ein Bauer, wie es sein Großvater war; er werde wie sein Großvater, ein Ehrenmann, fleißig, einfach und gut. Er wird mich eines Tages dafür segnen, anstatt mich vielleicht zu verwünschen.253

249 Ewers,

Kinder brauchen Geschichten, S. 277. der kleine Oekonom. 251 Trèmadeure, Astronomie et météorologie. Vgl. Quérard, La France littéraire, S. 541  f.; Pannier, Sophie Ulliac Trémadeure, S. 33–36. 252 Opitz, Adolph, der kleine Oekonom, S. 10. 253 Ebd., S. 6  f. 250 Opitz, Adolph

3. Money is a Useful Thing: Väterliche Vermittlungsakte  151

Zu Beginn des Romans steht ein darzubringendes Opfer: Der gescheiterte Vater gibt seinen Sohn in die Hände einer Pflegefamilie. Die Beschreibungen von Adolphs Kinderjahren betonen die liebevolle, einfache und gerechte Erziehung durch die Pflegeeltern, den Schäfer Thomas und den Pfarrer des Dorfes. Diese zentralen Instanzen des ländlichen Lebens machen aus Adolph einen umsichtigen, fleißigen und wohltätigen Mitarbeiter im bäuerlichen Haushalt.254 Aber er lernt im Pfarrhaus und bei seinem Pflegevater Duchène auch Nützliches für sein weiteres Leben, wie das Rechnen und die Buchführung: Duchéne, ein Freund der Ordnung und Vorsicht, war für seine Kinder ein vortrefflicher Erzieher. Da er lesen, schreiben und rechnen konnte, führte er Rechnungs-Bücher, die er in der größten Ordnung hielt […]; er begriff sehr wohl, wie wohlthätig es sey, wenn man seine Angelegenheiten selbst besorgen könne; und nicht, wie manche Einwohner in Jarville gezwungen sind, e­inen Nachbarn zu rufen, wenn es darauf ankam, einen Brief zu lesen oder zu beantworten, oder seine Einkünfte und Ausgaben zu berechnen, um die Letzteren nach den Ersten einzurichten, ohne fürchten zu müssen, betrogen zu werden.255

Als besonders achtsam werden die Pflegeeltern im Umgang mit Geld beschrieben. Sie sind sich im Klaren über die besondere Verantwortung gegenüber Adolph aufgrund der Erfahrungen seines gescheiterten leiblichen Vaters. So lässt die Autorin den Pflegevater seufzen: „Und der arme Junge wird nicht einst, so wie es sein Vater wollte, die Hälfte seines Erbes einbüßen.“256 Durch die gute und praktische Erziehung verdient Adolph sein erstes Geld und zeigt sich als äußerst wohltätiger und großzügiger Besitzer, der von seinem Geld vor allem Geschenke machen möchte. Er selbst, so offenbarte er der nachfragenden Mutter, wolle einen Teil des Geldes einem verarmten und kranken Mann – Herrn Daville – im Dorf geben, den er täglich besuche.257 Wie es die Narration der Autorin so will, handelt es sich bei dem alten Mann um den leiblichen Vater von Adolph. Der Junge entdeckt diese familiäre Beziehung allerdings erst später, als Herr Daville längst Teil der bäuerlichen Pflegefamilie geworden ist. Nun erfährt Adolph, wer sein leiblicher Vater ist und wie dessen finanzielle Misere zustande kam: Der junge Daville, ein reicher Bauernsohn, hatte einige Ausbildung erhalten, und wurde so verblendet, daß er sich seiner Herkunft schämte und sich nach Paris begab. Dorthin schickten ihm seine zu nachsichtsvollen Eltern so viel Geld, daß er sich dem Wohlleben und dem Vergnügen ergab, ohne das Wenige, was er gelernt hatte, mehr zu vervollkommnen. Er hatte eben geheirathet, als sein Vater starb und bald darauf verlor er auch die Mutter. Er glaubte sein Vermögen unerschöpflich, doch in kurzer Zeit bemerkte er, daß ihm von dem Gute, was sein Vater mühsam erworben hatte, wenig mehr blieb; da dachte er ernstlich daran, sich einen Erwerb zu sichern, aber er stieß überall auf große Schwierigkeiten, denn er wusste nichts gründlich und kam von dem Wahne ab, ein ausgezeichneter Mensch zu seyn, in welchem ihn die einfachen Bewohner seines Dorfes und später Schmeichler und Schmarotzer erhalten hatten.258

Die Geschichte erzählt von braven Bauersleuten, die der Welt nichts Böses wollen und immer fleißig ihr Feld bestellen. Sie verbleiben nicht in der stupiden Welt des 254 Ebd.,

S. 40; vgl. ebd., S. 50. Ebd., S. 43. 256 Ebd., S. 45. 257 Ebd., S. 54  f. 258 Ebd., S. 84  f. 255

152  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 Nichtwissens, sondern schaffen es aufgrund einer zuverlässigen Erziehung, der Nächstenliebe und ernsthaften Arbeit auf dem Feld ein sicheres Auskommen zu erlangen. Potentielle Versuche sozialer Mobilität und fehlende monetäre Erziehung werden, wie das Beispiel von Adolphs Vater illustriert, mit finanziellen Verlusten und Deprivation bestraft. Der erwachsene Adolph aber hat dank des reuigen Vaters und der Pflegefamilie seine Lehren gezogen. Im letzten Dialog mit seinem Vater rät dieser ihm noch einmal, nicht zu hoch hinaus zu wollen, und sein Sohn antwortet ihm: „Mein Vater, meine Söhne sollen Bauern bleiben.“259 Damit wurde die patrilineare und bäuerliche Welt von der Autorin als sichere Gegenwelt zu den städtischen Konsumräumen entworfen, denen Daville zum Opfer gefallen war. Die ausgewählten Beispiele in diesem Kapitel zeigen die verschiedenen Formen väterlicher Vermittlung des Ökonomischen. Die mann-männliche Unterweisung in die ökonomische Welt entsprach vielfach der Vorstellung bürgerlicher Väterlichkeit. Die Söhne sollten zukünftig außerhalb und innerhalb der Familie ein gemäßigtes, ökonomisch vernünftiges Verhalten zeigen. Mill, Ebersberg und Prittwitz richteten sich mit der Wissensvermittlung praktisch oder schriftlich direkt an ihre Söhne und inszenierten sich selbst zudem als Väter der Ökonomie. Ihre Verantwortung gegenüber ihren Söhnen spiegelten sie in ihrer Verantwortung als ‚Ökonomen‘ der Gesellschaft gegenüber wider. So wie sie sich als Väter zu ihren Söhnen verhielten, sollte sich der Staat zu seinen Untertanen verhalten. Aber auch das fiktive Beispiel aus der bäuerlichen Welt basierte auf der Vorstellung, dass Väter als bescheidene Vorbilder fungieren und ihre Verantwortung gegenüber ­ihren Söhnen wahrnehmen müssten. Für viele Autoren waren die verschiedenen Ebenen des Ökonomischen mitei­ nander verwandt, unterschieden sich nur in der Größe des ökonomischen Raumes oder stützten sich gegenseitig. Die väterliche Wissensweitergabe reduzierte sich jedenfalls nicht auf den alltagsökonomischen Bereich. In Schule und im Haus lernten Jungen zwar die Bedeutung der alltäglichen Sparsamkeit kennen, aber in Großbritannien wurden ihnen darüber hinaus auch in den Gemeindeschulen Grundkenntnisse der Politischen Ökonomie vermittelt. Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden kapitalistischen Produktions- und Handelsverhältnisse betonten einige Autoren die Notwendigkeit, das Geld nicht nur als einen Gegenstand innerhalb der bürgerlichen Tugendlehre zu verstehen, sondern auch die außerhäuslichen Funktionsweisen von Zins, Kredit, Kapital und Investition zu betrachten. Die Vorbereitung auf das Erwachsenendasein und die dabei immer wichtiger werdenden neuen Berufsbilder innerhalb des wirtschaftlichen Sektors spielten dabei eine große Rolle. Andere Autorinnen, wie das Beispiel des französischen Jugendbuchs zeigt, inszenierten eher eine stabile ländliche Idylle, die als Gegenbild zu den Veränderungen des modernen Lebens gesetzt wurde. Soziale Mobilität und mangelhafter Umgang mit Geld führten, so transportiert es der Roman, zur Bedrohung des väterlichen Verhaltensleitbildes. In der in diesem Roman entworfenen konservativen Vision galt das Festhalten an den Tugenden des Fleißes und 259

Ebd., S. 90.

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­  153

der Sparsamkeit als Grundlage der familiären und gesellschaftlichen Ordnung. Die Wiederauferstehung des leiblichen Vaters und der Erfolg der von ihm trotz seines Scheiterns eingeleiteten Erziehungsmaßnahme folgten letztlich dem in Ratgebern entworfenen Leitbild des väterlichen Wertevermittlers.

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­ Die frühe politische Ökonomie des 18. Jahrhunderts, das hat Emma Rothschild in ihrer ideenhistorischen Studie über Adam Smith und Nicolas de Condorcet deutlich gemacht, befand sich in einem steten Konflikt mit der politischen Aufklärung, hatte doch deren Vorstellung der politischen Mündigkeit und Rationalität wenig mit ökonomischem Handeln zu tun, das auf Betrug, Korruption und anderen Formen unmoralischer Akte, so Smith und Condorcet, basieren konnte.260 Die ökonomisch handelnden Akteure, die unter anderem diese beiden Autoren beschrieben, waren von Gefühlen getrieben, die der Instruktion und Erziehung bedurften. Zwischen diesen moralphilosophischen Menschenbildern des späten 18. Jahrhunderts und der neoklassischen Konzeption und Verbreitung eines auf rationalen Entscheidungen basierenden Homo oeconomicus am Ende des 19. Jahrhunderts, der jenseits von Leidenschaften, Trieben oder Gefühlen ökonomisch und interessengeleitet handele, bestand insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Gemengelage in den Semantiken der emotionalen Geldverhältnisse.261 In diesem Kapitel wird jedoch nicht die gesamte Entwicklung der emotionalen Sprechweisen im Bereich des ökonomischen Handelns betrachtet. Es konzentriert sich weitgehend auf die emotionalen Bezüge in den Beschreibungen monetärer Kindererziehung auf der Grundlage der in den vorgehenden Kapiteln behandelten AutorInnen und einiger flankierend herangezogener Lexikonartikel.

Ökonomische Leidenschaften Die frühneuzeitliche Annahme von Thomasius und Wickmann, dass der Mensch von sich gegenseitig im Gleichgewicht haltenden Grundleidenschaften geprägt werde, hatte schon im 18. Jahrhundert an Interpretationskraft verloren. Weiterhin wurde jedoch in unterschiedlichen Debatten über die Konstitution des Menschen an der Prämisse festgehalten, dass der Mensch von starken inneren Antriebskräften geprägt sei. Die Bezeichnungen und inhaltlichen Konzeptionen dieser Antriebskräfte variierten erheblich. Ob Gefühle, Leidenschaften, Sucht oder Triebe: Dass es sich dabei um potentiell gefährliche und deshalb zu kontrollierende Eigenschaften der menschlichen Spezies handelte, war jedoch unumstritten. Entweder wurde der Staat, vermittelt über staatliche Institutionen wie Schule oder Gefäng260 Rothschild, 261 Plumpe,

Economic Sentiments, S. 218–221. Die Geburt des Homo oeconomicus; ders., Ökonomisches Denken.

154  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 nis, aufgerufen, die inneren Beweggründe in die erwünschte Richtung zu lenken, oder aber das Individuum sollte, vermittelt über die Instanz der Familie, zur Selbstkontrolle und -lenkung erzogen werden. Die Kontrolle, Einhegung oder Umformung schädlicher Leidenschaften, wie Geiz oder Verschwendungssucht, wurden sowohl für politisch notwendig als auch für instrumentell nutzbar erklärt.262 Der Diskurs über die menschlichen Leidenschaften war kein genuin ökonomischer, sondern war auch in religiösen, moralischen und pädagogischen Debatten präsent. Der Pädagoge August Hermann Niemeyer hatte 1796 in seinem pädagogischen Standardwerk Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts die Selbstsucht als ein Übel bezeichnet, welches verschiedene Unterformen besitze. Dazu zählte er auch den Neid, den Eigennutz, die Gewinnsucht, den Geiz und die Habsucht sowie die Geldliebe.263 Auch James Mill plädierte für eine Mäßigung von Leidenschaften als notwendige Voraussetzung zur Erlangung allgemeinen Glücks: A perfect command, then, over a man’s appetites and desires; the power of restraining them whenever they lead in a hurtful direction; that possession of himself which insures his judgement against the illusions of the passions, and enables him to pursue constantly what he deliberately approves, is indispensably requisite to enable him to produce the greatest possible quantity of happiness.264

Der englische Utilitarist plädierte für eine „generous and animating diet“265, um Menschen in die Lage zu versetzen, den stetigen Versuchungen des Lebens zu widerstehen. Während er eine allgemeine Anweisung zur Erziehung und Kontrolle der Leidenschaften gab, wurde die zähmende Funktion in Jane Marcet’s Conversations der Politischen Ökonomie selbst zugesprochen. Marcet konzipierte die ökonomische Theorie als explizite Gegenspielerin der menschlichen Leidenschaften: „Political economy is particularly inimical to the envious, jealous, and malignant passions“.266 Die Prinzipien der Politischen Ökonomie könnten aufgrund ihres rationalen Charakters unterstützend und erziehend wirken. Ganz so eindeutig ­sahen dies nicht alle Vertreter der ökonomischen Lehre. Jean-Baptiste Say beispielsweise verstand das Verhältnis zwischen Politischer Ökonomie und den menschlichen Leidenschaften eher als diskrepant. Unter der Überschrift Ob die National-Oekonomie nur auf flüchtigen Erscheinungen beruht betonte er, dass die Gegenstände, mit denen sie sich befasse, eher auf einer als stetig angenommenen „Natur“ der Dinge beruhten als auf den variablen Leidenschaften: Man hat gesagt, die Thatsachen, womit sich die National-Oekonomie befasse, könnten kein beständiges Resultat gewähren und kein wissenschaftliches Ganzes bilden, weil sie von dem Willen und den Leidenschaften der Menschen, d. h. von dem, was am inkonsequentesten und wandelbarsten in der Welt ist, abhängen. Dieser wandelbare Wille und diese Leidenschaften hindern 262

Dazu v. a. Hirschman, Leidenschaften und Interessen; Schmidt und Conrad, Bodies and Affects; zur mittlerweile umfangreichen Geschichte von Gefühlen im 19. Jahrhundert vgl. u. a. Frevert u. a. Gefühlswissen; zu Gefühlen in der Kinderliteratur: Frevert et al., Learning How to Feel. 263 Niemeyer, Grundsätze der Erziehung, S. 192. 264 Mill, On Education, S. 15. 265 Ebd., S. 29. 266 Marcet, Conversations on Political Economy, S. 20.

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­  155 indeß nicht, daß den Dingen, womit sich die National-Oekonomie beschäftig, eine Natur beiwohne, die ihnen eigen ist und bei ähnlichen Fällen auch auf dieselbe Weise wirkt.267

Unabhängig davon, ob der Politischen Ökonomie zähmende Funktionen zugesprochen oder ob sie als nicht zuständig für die menschlichen Antriebskräfte bezeichnet wurde, waren sich die Autoren und Autorinnen darüber im Klaren, dass sie die emotionalen Ordnungen der Menschen nicht ignorieren konnten, wenn sie ein Schema ökonomischer Verhaltensweisen entwickeln wollten, das Allgemeingültigkeit beanspruchte. Dem als gefährlich eingestuften Umgang mit Geld kam dabei besondere Aufmerksamkeit zu. Die dominanten, mit Geld verbundenen Leidenschaften Geiz und Verschwendungssucht galten als „die Triebfedern aller […] Laster und erschrecklichen Uebel“.268 Der deutsch-russische Ökonom Heinrich Storch beschrieb die Beziehung zwischen den Leidenschaften und dem Geld als eine enge und gefährliche Verbindung: „Die Verzehrung des Vermögens steht immer mit den Neigungen und Leidenschaften des Menschen in Verbindung […]. Der Weg der Klugheit ist hier, wie überall, am schwersten zu verfolgen […]. Die Fehler des Übermaßes beim Gebrauche des Vermögens sind die Verschwendung und der Geitz.“269 Geiz sei ein „Trieb, ein mechanisches, entehrendes Bedürfniß“, der sich auf die Zukunft richte, die aber nie eintrete.270 Der Geiz könne letztlich nur im Tod enden. Dieses Potential mache ihn zu einem größeren Übel als die Verschwendung, die wenigstens gesellig sei und ihre absolute Grenze nur in der Letztausgabe, nicht aber im Tod habe.271 Mit Verweis auf die Gefahren zeichneten die AutorInnen des frühen 19. Jahrhunderts die Notwendigkeit nach, einen Mittelweg zwischen den beiden emotionalen Extremen durch die Erziehung zu erreichen. Zuständig für die pädagogische und moralische Grenzziehung seien im Unterschied zum 18. Jahrhundert sowohl die Moralphilosophen als auch die Politischen Ökonomen, so Marcet als Schlussbemerkung ihrer Schrift: We can only point out the illiberal parsimony, and extravagant prodigality as extremes to be avoided; there are so many gradations in the scale between them, that every man must draw the line for himself, according to the dictates of his good sense and his conscience, and in doing so should consult, perhaps, the moral philosopher as well as the political economist.272

Interessanterweise erwähnte Marcet die Theologen als die traditionellen Experten der Geldgefühle an dieser Stelle nicht. Ganz im Sinne der übergreifenden Erklärungsmacht der Politischen Ökonomie sollte diese auch die moralische Bewertung des Geldhandelns übernehmen. Unabhängig von den Bemühungen der britischen ÖkonomInnen um Deutungshoheit vertraten auch die althergebrachten Autoritäten weiterhin ihre Positionen in der Kommentierung des Geldes. Die Kompetenzen des Klerus im Bereich des monetären Handelns waren im 19. Jahrhundert noch deutlich präsent, auch 267 Say,

Handbuch der praktischen National-Oekonomie, S. 57. Der Mensch und das Geld, S. 25. 269 Storch, Handbuch der National-Wirthschaftslehre, S. 194. 270 Ebd., S. 166. 271 Ebd., S. 195. 272 Marcet, Conversations on Political Economy, S. 448  f. 268 Ebersberg,

156  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 wenn sich die theologischen Bewertungen ökonomischer Aktivitäten generell zu verschieben begannen.273 Die in Predigtsammlungen überlieferten Texte bezeugen beispielsweise die tradierte, kontinuierliche Ablehnung des Geizes. Der Geiz sei ein „Bestreben“, eine „Begierde“, eine „traurige Leidenschaft“, heißt es in einer österreichischen Predigt von 1817: „Wer das Geld liebt, wird nicht ohne Sünde seyn, viele sind des Goldes wegen zum Falle gekommen, dessen Schönheit ist ihr Untergang gewesen.“274 Der Geizige danke nur noch dem Geld für seine glückliche Existenz, während die Dankbarkeit gegenüber Gott in Vergessenheit gerate. Geiz wurde auch in zeitgenössischen Lexika als eine übermäßige Form der Geldliebe bezeichnet. In der Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände von 1844 wurde Geiz als „das unmäßige Streben nach Besitz, welches das Mittel zur Befriedigung mit dem Zwecke verwechselt“ beschrieben. Geldgeiz sei die wichtigste Ausdrucksform des Geizes.275 Die allgemeine Ablehnung einer aus den Fugen geratenen Liebe zum Geld war eng verwandt mit der zeitgenössischen Kritik an der Allmacht des Geldes. Im Artikel Concurrenz des Volksthümlichen Handbuchs der Staatswissenschaften und Politik findet sich 1848 die Bemerkung, dass es die „Schattenseite“ der Konkurrenz sei, dass sie „die menschliche Thätigkeit dem Gelde unterthan gemacht“ habe.276 Der religiöse Bezug in der Ablehnung des Geizes konnte auch durch ökonomische Argumente ersetzt werden. So beschreibt Prittwitz den feinen Unterschied zwischen Geiz und volkswirtschaftlich sinnvoller Sparsamkeit folgendermaßen: Man spart nicht blos, um das Vergnügen des Sammelns zu haben, – dieß ist Geitz: sondern um nützliche Anlagen zu begründen, Verbesserungen in seinem Hauswesen, seinem Gewerbe vorzunehmen, ec. […]. Die Erfahrung zeigt, daß die Zahl solcher sparsamen Menschen bei civilisirten Nationen in der Regel immer größer sey, als die Zahl der schlechten Wirthe, mithin das Gesammtcapital der Nationen fast immer zunehme.277

Doch die religiös motivierte Geld- und Geizkritik bestand auch bei denjenigen weiter, die, wie Richard Whately, die Vorzüge der Politischen Ökonomie und der monetären Kindererziehung priesen. Mit Bezug auf die Bibel warnte Whately vor der Geldliebe: „We are cautioned in Scripture against the too great love of money. It is, indeed, a foolish and wicked thing to set your heart on money, or on any thing in this present world.“278

273 Hilton,

The Age of Atonement; Jeremy, Religion, Business and Wealth in Modern Britain; Waterman, Revolutions, Economics and Religion. 274 Schwerdling, Predigten auf alle Sonntage des ganzen Jahrs, S. 163. 275 Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände, 1844. [Artikel Geiz, Bd. 6, S. 38]. 276 Volksthümliches Handbuch der Staatswissenschaften und Politik, 1848. [Art. Concurrenz, Bd. 1, S. 245] 277 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden, S. 72. 278 Whately, Easy Lessons on Money Matters, S. 2. „The only kind of poverty nothing can cure, is covetousness; because reasonable wants may be relieved, but the wants of avarice, never. A man who possesses nothing may possibly become rich, some time or other; but a covetous man, however much he may get, will always be, in reality, poor; because he is afraid to use what he has, and is always anxiously craving for more.“ Ebd.

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­  157

Die Ursache der Geldliebe und Habsucht sah die christliche Pädagogik weiterhin in einer fehlerhaften „Erziehung der Jugend, da man sie nicht mit dem rechten und würdigen Genusse dessen, was da ist, bekannt macht, und sie nicht lehrt mit dem Pfunde zufrieden zu seyn, das Gott einem jeden gegeben hat und giebt“.279 Die Habsucht, das „Streben nach Eigenthum“, sei ein „Trieb“280, eine „unersättliche Begierde“, eine „Leidenschaft“ oder ein „leidenschaftliches Streben“ nach Eigentum281, formulierte das Universal-Lexicon der Erziehungs- und Unterrichtslehre für ältere und jüngere christliche Volksschullehrer 1840. Ein Habsüchtiger könne nicht glücklich sein: „Sein leidenschaftliches Streben foltert ihn Tag und Nacht.“282 Die Eltern seien verantwortlich dafür, ihre Kindern frühzeitig mit den Begriffen und Vorstellungen des Eigentums und mit dem Geld vertraut zu machen: „Damit sie aber haushalten lernen, gebe man ihnen bei Zeiten ein kleines Eigenthum, womit sie rathsam umgehen, und wovon sie Rechenschaft ablegen müssen. […] Hat er sich in Verlegenheit durch Borgen und Schuldenmachen gestürzt, so lasse man ihn alles Peinliche dieser Lage empfinden.“283 Die hier angedeutete Verschwendungssucht, die in die Schuldenfalle führe, wurde in sehr viel geringerem Ausmaße als ein Trieb oder eine schädliche Leidenschaft bezeichnet als der Geiz. Verschwendung sei die launenhafte und unüberlegte Ausgabe des Geldes zum Zwecke des reinen Vergnügens und in Negation tatsächlicher „Bedürfnisse“ beschrieb Prittwitz das lasterhafte, andere Extrem des Geldumgangs.284 Während der Österreicher Ebersberg die Verschwendung als Mord an Geist und Körper, an Frau und Kindern bezeichnete, war Prittwitz in seiner Einschätzung des verschwenderischen Luxus durchaus moderat.285 Wenn die „Zukunft der Kinder“ durch erspartes Geld gesichert sei, könne auch nichts gegen monetäre Ausgaben eingewendet werden.286 Eine überlegte Ausgabe, ein kontrollierter Genuss konnte auch eine Tugend und ein Zeichen der Höherentwicklung des Menschen sein: „Mehr genießen, heißt mehr leben, heißt mehr Mensch seyn!“287 Die Engländerin Marcet dagegen befand Geiz und Verschwendung als gleichsam gefährlich: „The two extremes of parsimony and prodigality are perhaps equally pernicious; the one as destructive of the social and benevolent affections, the other as wasting the provision which nature has destined for the maintenance and employment of the poor.“288 Die Sparsamkeit zum Zwecke der Wohltätigkeit und der Unterstützung der Bedürftigen blieb im 19. Jahrhundert unter leicht veränderten Vorzeichen eine der 279 Universal-Lexicon der

Erziehungs- und Unterrichtslehre für ältere und jüngere Volksschullehrer, 1840. [Art. Habsucht, Bd. 1, S. 588–590, hier S. 589] 280 Ebd. [Art. Eigenthum, Bd. 1, S. 206–208, hier S. 206] 281 Ebd. [Art. Habsucht, S. 588]. Im Artikel wird Habsucht von Geiz unterschieden. Habsucht sei „thätiger Natur“, Geiz sei „leidender“ Natur. 282 Ebd., S. 589. 283 Ebd. [Art. Eigenthum, S. 206  f.] 284 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden, S. 485. 285 Ebersberg, Der Mensch und das Geld, S. 26. 286 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden, S. 486. 287 Ebd., S. 484  f. 288 Marcet, Conversations on Political Economy, S. 431. christliche

158  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 bedeutendsten Tugenden. Die christlich gebundene Vorstellung unterstrich im Unterschied zu den säkularen, bürgerlichen Konzepten, dass es sich bei den so genannten zeitlichen Gütern um von Gott geliehene Gaben handele. Die Menschen seien bloß „Haushälter“ auf Erden.289 Die ökonomische Erklärungskraft der Sparsamkeit nahm jedoch bald derart zu, dass sie auf alle Schichten übertragen wurde und gerade den Armen und ArbeiterInnen helfen sollte, jenseits der Armutsgrenze zu leben. Storch, der wichtigste deutsche Politische Ökonom, maß ihr hohe Bedeutung zu und verwies auf die Fähigkeit der Selbstbeherrschung, die ihr vorausgehe: „Mit Recht hat man die Sparsamkeit eine Tugend genannt; sie setzt Kraft und Selbstbeherrschung voraus, wie die anderen Tugenden, und keine ist reicher als sie an wohlthätigen Wirkungen. Sie bereitet im Hauswesen die gute körperliche und geistige Erziehung der Kinder und die Pflege der Greise“.290 Der Topos des Besitz-Begehrens, das sich nach sofortiger Befriedigung sehne, war auch aus den Texten über die Ökonomie und das Geld nicht wegzudenken. Sparen gelinge nur, so Ebersberg, wenn die gegenwärtige Begierde dem Entbehren und der Verschiebung weiche.291 In der Tugend der Sparsamkeit steckte nicht nur ein Konzept der Selbsterziehung und Triebkontrolle, sondern auch eine temporale Perspektive, die sich auf die Zukunft erstreckte. Aus Sparsamkeit erwachse allmählich Kapital, so John Stuart Mill: „all capital is the product of saving, that is, of abstinence from present consumption for the sake of a future good“.292Auch sein Vater, James Mill, hatte diese temporale Perspektive auf die Sparsamkeit unterstützt. Ihm standen schichtübergreifende Perspektiven vor Augen: If we bear in mind, also, the radical meaning of Temperance, that it is the steady habit of resisting a present desire, for the sake of the greater good, we shall readily grant, that it is not less necessary to happiness in one rank of life than in another. It is only necessary to see, that temperance, though always the same disposition, is not always exerted on the same objects, in the different conditions of life.293

Bei den meisten Autoren aber hatte die Aussicht auf eine bessere oder eine zu verbessernde Zukunft weitere Konnotationen. Sie unterstrichen, dass es sich bei der temporalen Perspektive um eine Fähigkeit beschränkter Zugänglichkeit handelte. Vor allem zivilisierte und erwachsene Männer seien zu dem auf einen „künftigen Zustand“ ausgerichteten Handeln in der Lage. Kinder, Jugendliche und Frau­ en allerdings, so Prittwitz, seien „Menschen, welche leicht den äußern Eindrücken folgen […] werden geneigt seyn, mehr den augenblicklichen Antrieb zum Genuß zu befriedigen und Alles auf Ankäufe zu diesem Zweck verwenden“.294 Dem Mann 289 Prittwitz,

Die Kunst reich zu werden, S. 169. Handbuch der National-Wirthschaftslehre, S. 166. 291 „Die Mutter der Sparsamkeit ist die Kunst des Entbehrens. Wer nach Allem, was er nur sieht, begierig hascht; wer jedes Vergnügen, das Andre genießen, auch mit genießen will; wer nur darauf denkt, in sich Begierden zu erwecken und die erweckten zu befriedigen, der wird nie sparen und nie mit seiner Einnahme auskommen lernen.“ Ebersberg, Der Mensch und das Geld, S. 147. 292 Mill, Principles of Political Economy, S. 196. 293 Mill, On Education, S. 37. 294 Prittwitz, Die Kunst reich zu werden, S. 475. 290 Storch,

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­  159

gelinge die augenblickliche Kontrolle des Begehrens besser und aus diesem Grund sei er dazu in der Lage, Kapital zu akkumulieren. Kinder und Frauen müssten diese Fähigkeit noch erlernen. Nicht alle ZeitgenossInnen teilten die positive Grundeinschätzung männlicher Triebkontrolle und Sparfähigkeit. Ebersberg betonte vielmehr die besondere Gefährdung von bürgerlichen jungen Männern. Sie seien was „die Leidenschaftlichkeit und Begierde betrifft, unzähmbar, wie es wilde Thiere gemeiniglich sind“ und die monetäre Erziehung diene vor allem der Abwendung des zivilisatorischen Rückfalls.295 Die Möglichkeit der Bedürfnisaufschiebung markierte in den hier betrachteten Texten nicht nur eine geschlechtliche Differenz. Sie unterstrich zudem den Unterschied zwischen so genannten zivilisierten und unzivilisierten Völkern. Die Idee der Zukunft galt für den deutschen Nationalökonom Johann Friedrich Eusebius Lotz (1771–1838) als ein Kennzeichen der Zivilisation: „Diese Kunst [der Sparsamkeit, S.M.] sich zu erwerben, dies vermag wohl auf keinem Fall der Wilde. Er lebt im wahren Sinne des Wortes in den Tag hinein, weil ihn die Beschränktheit seiner Geisteskultur nicht die verständige Aussicht in die Zukunft gestattet, der alles Sparen in der letzten Analyse nur sein Daseyn verdankt.“296 Wie in diesem Beispiel verstanden die Ökonomen ihre Äußerungen letztlich als Beitrag zur Zivilisationsgeschichte, in der der Wohlstand Ausdruck und Folge veränderter ökonomischer Handlungsweisen und Zeitvorstellungen war, die immer wieder eingeübt werden mussten. Übermäßige Geldliebe war in den Augen vieler Zeitgenossen des frühen 19. Jahrhunderts ein weiterhin bestehendes und sich teilweise verstärkendes Übel, und sie versuchten, mit ihren Texten zwischen der vielversprechenden ökonomischen Notwendigkeit und den emotionalen Gefahren des Mediums zu moderieren. Ähnlich dem Diskurs über die romantische Liebe galten Mäßigung und Kontrolle als die geeigneten Umgangsweisen mit dem Geld, um einerseits die Extreme zu vermeiden und andererseits die Versprechungen des Geldes auf eine bessere Zukunft zu erhalten. Harriet Martineau beschrieb 1877 in ihren autobiografischen Darstellungen, wie sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit sechs oder sieben Jahren ihre Liebe zum Geld entdeckte: One more fact takes place before that journey, – the awakening of a love of money in me. I suspect I have had a very narrow escape of being an eminent miser. A little more, or a little less difficulty, or another mode of getting money would easily have made me a miser. The first step, as far as I remember, was when we played cards, one winter evening, at our uncle Martineau’s, when I was told that I had won twopence. The pavement hardly seemed solid when we walked home, – so elated was I. I remember equal delight when Mrs. Meadows Taylor gave us children twopence when we expected only a halfpenny, to buy string for a top: but in this last case it was 295 Ebersberg,

Der Mensch und das Geld, S. 52. Handbuch der Staatswirthschaftslehre, S. 210. An anderer Stelle betonte er die Arbeit als zentrales Unterscheidungskriterium: „‚Müßigang ist aller Laster Anfang!‘ Dann erst, wenn der Mensch gelernt hat, seine Fähigkeiten aller Art nützlich zu verwenden und sich nützlich zu beschäftigen, erhebt er sich aus dem Stande der thierischen Rohheit, die ihn trebt, seine Wünsche und Leidenschaft durch Gewalt und Raub zu befriedigen, und fügt sich der gesetzlichen und geselligen Ordnung. Hierin besteht der Unterschied zwischen den Wilden und den civilisirten Nationen.“ Ebd., S. 56 f.

296 Lotz,

160  II. Für Haus und Staat. Die Popularisierung des Ökonomischen bis 1850 not the true amor nummi, as in the other. The same avarice was excited in the same way, a few years later, when I won eighteen-pence at cards, on a visit. The very sight of silver and copper was transporting to me, without any thought of its use. I stood and looked long at money, as it lay in my hand. Yet, I do not remember that this passion ever interfered with my giving away money, though it certainly did with my spending otherwise.297

Martineau beschrieb ihr Verhältnis zum Geld als eine Leidenschaft, einen amor nummi, der im kindlichen Alter in ihr geweckt worden sei. Hartes Gestein sei erweicht worden, solch freudige Erregung habe sie erfasst, als sie ihr erstes Geldstück in der Hand gehalten habe. Ohne genau zu wissen, was sie mit dem Geld anfangen solle, war sie in ein besonderes Verhältnis zum Geld geraten, ohne aber jemals die Grenze zum Geiz überschritten zu haben, so ihre lebensgeschichtliche Rekonstruktion ihrer Vorlieben. Diese Textstelle verdeutlicht, was im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer populärer werden sollte. Ein positiv gefärbtes Verhältnis des Subjekts zum Geld trat an die Stelle christlicher Sorge um die entsprechenden Todsünden. In Form von semantischen Rückversicherungen – der Ablehnung von Geiz und Verschwendung – etablierte sich eine Vorstellung vom Pekuniären, in der menschliche Umgang mit Geld sowohl von den Leidenschaften bedroht würde, diese aber gleichzeitig nutzbar machen konnte, um, vermittelt über die domestizierte Sparsamkeit, mit Kapital Zukunft zu erschaffen. Anders als im 18. Jahrhundert, als die schottische Moralphilosophie dem Handel die Fähigkeit zusprach, die destruktiven Leidenschaften zu kontrollieren, lag der Fokus nun auf dem alltäglichen Umgang mit Geld, dem einzelnen Subjekt und seiner/ihrer Erziehung.298 Die emotionale „Selbstbeherrschung“299 sei das Ziel aller monetären Erziehung: Sind wir einmahl Meister unseres Selbst, so freut uns dieser Sieg, macht uns stolz und für die folgenden Kämpfe viel stärker und rüstiger. Es ist ein süßer, ein ungemein erhabner Genuß, vom dem Gefühle seiner Menschenwürde ergriffen zu werden – ein Gefühl, das himmlischer Freuden Vorgeschmack gibt und nur durch wirksame Kraftäußerung unseres besseren Wesens gegen das Vergängliche und Gemeine erregt und in voller Reinheit empfunden werden kann.300

Die Affektkontrolle, die Beherrschung des Selbst und die Verbindung des ökonomischen mit dem zivilisatorischen Fortschritt blieben im 19. Jahrhundert Gegenstände ökonomischer, soziologischer und philosophischer Betrachtung. Die Gefühle aber drangen in die sich etablierende ökonomische Wissenschaft als Motor von ökonomischen Handlungsweisen ein, so Jevons im Jahr 1871: Far be it from me to say that we ever shall have the means of measuring directly the feelings of human heart. A unit of pleasure or of pain is difficult to conceive; but it is the amount of these feelings which is continually prompting us to buying and selling, borrowing and lending, laboring and resting, producing and consuming; and it is from the quantitative effects of the feelings that we must estimate their comparative amounts. We can no more know or measure gravity in its own nature than we can measure a feeling, but just as we measure gravity by its effects in the motion of a pendulum, so we may estimate the equality or inequality of feelings by the varying decisions of the human heart.301 297 Martineau, Autobiography, 298 Hirschman, Leidenschaften

Bd. I, S. 25f [Hervorhebung im Original]. und Interessen, S. 74. 299 Ebersberg, Der Mensch und das Geld, S. 55. 300 Ebd., S. 56. 301 Jevons, The Theory of Political Economy, S. 13  f.

4. Amor nummi – Das Monetäre als emotionale Modalität­  161

Die Annahme, dass das ökonomische Handeln mit Emotionen verbunden war, verschwand niemals ganz aus der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Da es sich dabei aber, wie Jevons bemerkte, um eine nicht quantifizierbare Größe handelte, folgten die Gefühle den jeweiligen Konjunkturen der Wirtschaftswissenschaften. In den Hochzeiten der mathematisch ausgerichteten Ökonomie im 20. Jahrhundert standen Gefühle demnach nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

III. You can’t expect shillings to understand philosophy. Kinderwelten im 19. Jahrhundert zwischen barer Münze und Goldesel. Im 19. Jahrhundert vergrößerte sich der Personenkreis, der sich mit Fragen der kindlichen Sozialisation auseinandersetzte: Neben die Pädagogen, Ökonomen, Lehrer und Eltern traten vermehrt Kinderbuchautoren und ihre Rezensenten, Herausgeber von Kinder- und Jugendzeitschriften sowie die Spielzeughersteller. Daneben standen die Kinder und Jugendlichen als eigenständige Akteure, die zu einer neuen Konsumentengruppe wurden.1 Waren ihr Umgang mit Geld, ihre monetäre Moral und ihre Gefühle über Geld ein getreues Spiegelbild der in den Büchern der Wissenschaftler, Theologen und Schriftsteller entworfenen Welten? Oder lässt sich in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen eine eigensinnige Aneignung der baren Münze erkennen? Entfalteten didaktische Materialien, wie Spiele und Spardosen, Kinderbücher und Puzzles ihre intendierte edukative Funktion? Oder waren die Objekte rein dem kindlichen Spiel und seiner Fantasie unterworfen? Die Lebenswelten der Kinder sind in der Regel nur über die von Erwachsenen verfassten Dokumente zu rekonstruieren. Einen Ausweg aus dem Dilemma, nur das nachzeichnen zu können, was bürgerliche Erwachsene von Kindern und ­Jugendlichen wahrnahmen, bieten unter den bekannten quellenkritischen Einschränkungen autobiografische und literarische Quellen, Kinder- und Jugendmedien sowie die Objekte, mit denen Kinder in ihrem Handeln, Spielen und Lernen in Kontakt kamen.2 Für die hier interessierende Fragestellung zählen dazu die Geldstücke selbst, aber auch Spardosen, Kaufläden und Spiele geben Auskünfte über mögliche Aneignungsformen von Geld.3 Die Präsenz und Materialität des Geldstücks gerät damit genauso in den Blick wie die fantastische Dimension des Geldes. Während Kinder im Verlauf des 19. Jahrhunderts durch die Einschränkungen von Kinderarbeit zunehmend von der Einnahmeseite der monetären Kalkulationen familiärer Ökonomien gestrichen wurden und sich die Idee einer glücklichen und möglichst unbeschwerten distinkten Kindheitsphase langsam zu manifestieren begann, erhöhte sich andererseits die Präsenz des Geldes in der dinglichen Lebenswelt von Kindern und weitete sich in seinen thematischen Bezügen aus.4 Dazu gehörten auch die Kinder- und Jugendmedien, wie Romane und Zeitschriften, die im Folgenden genauer erläutert werden, da sie eine wichtige Quellengruppe dieses Untersuchungsteils darstellen. 1

Denisoff, Nineteenth-Century Child, S. 1; Grenby, Child Reader, S. 285. Hopkins, Childhood Transformed, S. 312 f. 3 Auch in diesen Objekten materialisierten sich die Vorstellungen der erwachsenen Produzenten und nicht nur die der Kinder. Brown, British Toy Industry, S. 5. 4 Zelizer, Pricing the Priceless Child; Stearns, Defining Happy Childhoods; Denisoff, Nineteenth-Century Child, S. 8. 2

https://doi.org/10.1515/9783110379129-004

164  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Die Verbreitung von Kinder- und Jugendliteratur war durch den hohen Preis der Bücher bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts weitgehend auf bürgerliche Haushalte begrenzt. Erst mit den kostengünstigeren Produktionsweisen, dem Aufkommen billigerer Magazine und der größeren Präsenz von Leihbibliotheken fand sich Kinderliteratur auch in den Häusern ärmerer Familien.5 Die unmittelbar mit dem Schulbesuch zusammenhängende Literalität unter Kindern war zudem von der sozialen und geschlechtlichen Zugehörigkeit abhängig. In Großbritannien gab es um 1800 etwa zwei Millionen 5- bis 14-jährige Einwohner, von denen eine wachsende Anzahl eine rudimentäre Schulbildung erhielt. Während zu diesem Zeitpunkt 200 000 von ihnen mindestens eine Sunday School besuchten, waren es 30 Jahre später schon 1,4 Millionen.6 In England und Wales stieg der Schulbesuch insbesondere zwischen 1870 und 1880 stark an, auf dann etwa 70% der Kinder.7 Im Kaiserreich besuchten seit den 1880er Jahren fast alle Kinder mindestens eine Elementarschule.8 Die allgemeine Lesefähigkeit lag im Deutschen Reich um 1871 bei 75%.9 Mit der Ausweitung der Elementarschulbildung in England durch die Education Acts von 1870, 1876 und 1880 und der praktischen Durchsetzung der Schulpflicht in Deutschland konnte die Literalität am Ende des 19. Jahrhunderts in beiden Ländern noch gesteigert werden, so dass es um die Jahrhundertwende keinen nennenswerten nationalen Unterschied mehr gab. Regionale Differenzen und deutliche Stadt-Land-Unterschiede blieben jedoch bestehen. Doch was lasen Kinder und Jugendliche im 19. Jahrhundert? Zuallererst ist ­davon auszugehen, so Matthew Grenby in seiner Untersuchung über Kinder als Leser, dass Kinder Zugriff auf die im Haus präsenten Bücher der Erwachsenen hatten.10 Oder wie es Kasper Maase für das Kaiserreich zeigt: Kinder lasen, was sie „in die Hände“ bekamen.11 Das lässt sich auch für die frühen Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts konstatieren, da bis in die 1830/40er Jahre die Grenze zwischen Erwachsenen- und Kinderliteratur noch durchlässig war und sich ein eigenständiger Markt für Kinderbücher gerade erst etablierte. Obwohl der Büchermarkt am Ende des 19. Jahrhunderts explizit deklarierte, ob ein Buch sich an Mädchen oder Jungen richtete, folgte das tatsächliche Leseverhalten diesen Empfehlungen nicht zwangsläufig. Dies hing unter anderem mit der spärlichen Verfügbarkeit und dem hohen Preis von Büchern zusammen.12 Aber auch die Inhalte scheinen ausschlaggebend gewesen zu sein. Der englische Kin5

Burnett, Destiny Obscure, S. 137; Wild, Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, S. 179–181. 6 Grenby, Child Reader, S. 36. 7 Cunningham, Children and Childhood, S. 158. 8 Kuhlemann, Niedere Schulen, S. 192. 9 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 433. 10 Die neuere englische Leseforschung weist darauf hin, dass die erste Begegnung mit Büchern durchschnittlich zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr stattfand, während Kinder als KäuferInnen von Büchern erst im Alter von fünf bis elf Jahren in Erscheinung traten. Grenby, Child Reader, S. 40, 91. 11 Maase, Schundliteratur, S. 113. Vgl. auch Barth, Mädchenlektüren. 12 Wadsworth, In the Company of Books, S. 44  f.

III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert  165

derbuchforscher Edward G. Salmon analysierte am Ende des 19. Jahrhunderts den Lesestoff englischer Jungen und Mädchen unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten. Formal dominierten Abenteuer- und andere Heldengeschichten die Bücher für Jungen13, während die Themen der Bücher für Mädchen eher weniger abenteuerlich ausfielen, so Salmon: „It is far more difficult to enlist the reader’s interest in domestic contretemps and daily affairs than in fierce combats between nations, or in the accidents of all kinds into which boys and men, by the very nature of their callings, are for ever being led.“14 Beklagenswert befand er auch die moralische Schlichtheit der Mädchenliteratur: „Girls will tolerate preaching just as little as boys“.15 Eine von Salmon erwähnte Befragung unter Schulmädchen und -jungen zwischen 11 und 19 Jahren verweist folgerichtig darauf, dass auch bei den Mädchen die Bücher von Charles Dickens und Walter Scott auf den ersten beiden Plätzen der Lektüreliste standen. Dieser zeitgenössische Befund deckt sich auch mit den Ergebnissen von HistorikerInnen und LiteraturwissenschafterInnen. Bücher wie Robinson Crusoe, Tom Brown’s Schooldays und Sandford and Merton wurden von Mädchen wie Jungen gelesen.16 Gerhart Hauptmann beispielsweise erinnerte Robinson Crusoe und Lederstrumpf als wichtige Quellen seiner Abenteuer- und Heldenfantasien und als Spiegel seiner adoleszenten Autonomiesehnsüchte: „Das Verlockende an Robinson war sein völlig verlassenes, völlig einsames Leben in der Natur; ohne Menschen oder Ansprache, wo niemand ihn belehren, zurechtweisen, seinen Willen und seine Schritte irgendwie gängeln konnte. Lag darin die höchste Erfüllung einer Wesensneigung in mir“.17 Ähnlich beschrieb auch die deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Ottilie Wildermuth (1817–1877) ihre Kinderlektüren: Campes Version des Robinson Crusoe stand in ihrer Wertschätzung weit vor der empfohlenen Mädchenliteratur.18 Neben den von Mädchen wie Jungen geschätzten Abenteuergeschichten waren es auch Märchen, die gelesen wurden und die das Wundersame in die Vorstellungswelt der Heranwachsenden brachten. Die „Verlebendigung des Spielzeugs“, die sprechenden Puppen und Zinnfiguren, fanden seit E.T.A. Hoffmann und Hans Christian Andersen auch ihren literarischen Niederschlag in Kinderund Jugendbüchern und wurden von Mädchen wie Jungen rezipiert.19 13 Salmon, What

Boys Read, S. 248. What Girls Read, S. 516. Dennoch betonte er, dass auch die Geschichte der Florence Nightingale letztlich eine Heldengeschichte mit komplexer Moral sei, da die Heldin sehr viel mehr zum moralischen Vorbild eigne als die männlichen Krieger und Abenteurer bei Jules Verne und WHG Kingston. Er unterstrich jedoch auch die Qualität einer Autorin. Louisa M. Alcott beispielsweise sei dazu in der Lage, etwas interessant zu beschreiben, was an sich eher „most prosaic“ wäre: „The fate of a plum pudding boiled by the untrained hands of a girl of fourteen become under Miss Alcott’s pen an affair of nearly as great moment as some of the wildest of situations under other pens.“ Ebd., S. 516 f. 15 Ebd., S. 515. 16 Ebd., S. 524. 17 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 52. 18 Wildermuth, Leben, S. 11. Vgl. über Wildermuth: Hausen, Ehepaare im deutschen Bildungsbürgertum, S. 85–87. 19 Wild, Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, S. 131  f. 14 Salmon,

166  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert In der zweiten Jahrhunderthälfte gewannen Zeitschriften für Kinder und Jugendliche an Bedeutung als wichtige Informations- und Unterhaltungsmedien. Sie wandten sich vielfach an ein geschlechter- und konfessionsübergreifendes, möglichst großes Publikumssegment.20 Die deutschen Jugendblätter für christliche Unterhaltung und Belehrung (1855–1951), die von Isabella Braun (1815–1886) he­ rausgegeben wurden, richteten sich an männliche wie weibliche Leser und proklamierten für beide Geschlechter ein Leben auf der Basis von Mäßigung.21 Die jeweiligen ProtagonistInnen der abgedruckten Geschichten aber entsprachen der zeitgenössischen Vorstellung bürgerlicher Geschlechtscharaktere. In kurzen Erzählungen erwirtschafteten außerhäuslich aktive, liebevolle und fleißige Männer gemeinsam mit häuslichen, sauberen und sparsamen Frauen den gemeinsamen Wohlstand der Familie.22 Erst gegen Ende des Jahrhunderts differenzierte sich das anvisierte Lesepublikum deutlicher nach Alter, Klasse und Geschlecht. Zudem wurden die christlichen Zeitschriften, wie beispielsweise der Child Companion, or Sunday Scholar’s Reward (1824–1932 unter verschiedenen Titeln), die den Markt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dominiert hatten, ab den 1860er Jahren von eher säkular oder überkonfessionell orientierten Magazinen abgelöst, die einen großen Teil ihrer Ausgaben der Unterhaltung und Belehrung widmeten, wie The Boys’ Own Paper (1879–1967) oder Jugend-Lust (1876–1954). Auch die religiösen Magazine selbst waren nun von unterhaltenden Elementen geprägt.23 Zudem erschienen vermehrt geschlechtsspezifische Zeitschriften, wie The Girls’ Own Paper (1880–1956 unter verschiedenen Titeln), Every Girl’s Magazine (für Mädchen von 8–16) und das Töchter-Album (1855–1897). Die Begrenzung auf ein bürgerliches Lesepublikum wurde aufgegeben und es erschienen preisgünstige Magazine für Arbeiter- und Handwerkerkinder, wie beispielsweise die bekannteste Jugendzeitschrift Boys of England. A Magazine of Sport, Sensation, Fun, and Instruction (1866–1899), die über 30 Jahre publiziert wurde, das weniger langlebige, wöchentlich erscheinende Pfennig-Magazin für Kinder (1834–1848) oder Die Kinder-Gartenlaube (1886–1891), die später in Jugend-Gartenlaube (1892–1905) umbenannt wurde.24 Niedrige Kosten in der Papierherstellung, verbesserte Produktions- und Vertriebsbedingungen und erhöhte Literalität auch unter Arbei20 Graf

und Pellatz, Familien- und Unterhaltungszeitschriften. Susanne Graf hat für das Ende des 19. Jahrhunderts 270 Zeitschriftentitel im Bereich der Kinder- und Jugendblätter eruiert. 21 Isabella Braun war ausgebildete Lehrerin, Münchner Salonière und Schriftstellerin für Kinder- und Jugendliteratur. Heimpel, Art. Braun, Isabella, S. 553; Wedel, Autobiographien von Frauen, S. 119. 22 Vgl. beispielsweise: Isabella Braun, Das Vaterhaus. Erste Abtheilung, Jugendblätter für christliche Unterhaltung und Belehrung, 1855, Bd. 1, S. 115–140. Zu Männlichkeitskonzepten in englischen Jungenzeitschriften vgl. Boyd, Manliness. 23 Ebd., S. 173; Drotner, English Children and Their Magazines. 24 Bürgerliche Kritiker betrachteten vor allem die Penny Papers als gefährlich für die Moral der Jugendlichen: „when we turn from boys’ books to boys’ journals, the prospect becomes dark and perilous. Morally it is the change from life to death.“ Salmon, What Boys Read, S. 255.

III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert  167

terkindern führten zu einer starken Verbreitung der auf diesem Sektor angebotenen Printprodukte.25 Regelmäßige Rubriken und einzelne Geschichten, biographische Notizen und zunehmend auch bunte Illustrationen prägten alle Zeitschriften des Kinder- und Jugendsektors. Zu den behandelten Themen gehörte auch das Geld, das in moralischen und unterhaltenden Geschichten, Gedichten und Reimen präsent war.26 Über die generelle Erklärungsbedürftigkeit des Mediums waren sich alle Publikationen einig: „Do you understand of what use money is?“ fragte ein Artikel im Child’s Companion von 1867.27 Eine elaborierte Perspektive auf die historische Geldentwicklung kam dagegen ebenso selten vor,28 wie die klassische Erklärung, dass Geld den Warentausch in arbeitsteiligen Gesellschaften erleichtere.29 Hinweise auf die Politische Ökonomie waren insgesamt kaum wahrnehmbar.30 Wo sie aber erschienen, legten die Herausgeber wenig Wert auf die Originalität der Beiträge. Richard Whateleys Easy Lessons wurden einzelne Absätze entnommen und ohne Erwähnung des Originaltextes abgedruckt.31 Geldformen, wie das Muschelgeld und andere so genannte primitive Geldsorten, wurden vereinzelt in eher sachbezogenen Zeitschriften mit musealem Blick dargestellt. Kritik am Geldme­ dium wurde nicht thematisiert.32 Analytische Beiträge zu wirtschaftlichen Fragen erschienen erst am Ende des 19. Jahrhunderts in den Mädchenzeitschriften. Als Reaktion auf die veränderten Eigentumsverhältnisse und auf die Frauenbewegungen publizierten säkulare Magazine jedoch zunehmend Artikel über die ökonomische Vernunft junger Frauen: „At the same time there are a few general rules which every sensible girl will go by who wishes to prove herself a model economist.“33 Die beiden folgenden Kapitel vertiefen die Analyse des monetären Wissens und die Präsenz des Geldes in den Kinder- und Jugendwelten des 19. Jahrhunderts. 25 Vgl. Springhall, Youth, Popular Culture and Moral Panics. 26 M.M.M., Money, Aunt Judy’s Magazine, 1. 8. 1870, LII, S. 637;

Eoinein, Nelly’s Shilling, Ann Judt’s Magazine Feb 1, 1867, Nr. X, S. 250–253.; Tommy and his Shilling, The Children’s Friend, 1. 7. 1863, Nr. xxxi, S. 110; Anna, Geschichte eines Thalers. 27 A few word’s about money, The Child’s Companion, 1. 10. 1867, Nr. 274, S. 305–307, hier S. 305. 28 Vgl. beispielsweise: Some of the curiosities of English money, Boy’s Own Magazine, 1. 1. 1861, 1, S. 5–10; sowie die Fortsetzung in der folgenden Ausgabe im Februar 1861 (ohne Seitenangabe); sehr knapp: Money, The Juvenile Companion and Sunday School Hive, 1. 8. 1870, 8, S. 218 f. 29 A few words about money, The Child’s Companion, 1. 10. 1867, 274, S. 305–307, hier S. 306; T.C. Heath, All about money, Sunday School Hive, 1. 11. 1888, S. 163 f. 30 Money, Young Folks Paper, 23. 5. 1885, 755, S. 359. 31 Z. B. Use of Money, The Juvenile Companion and Sunday School Hive, o. D., S. 268; Gleanings in useful knowledge, The Child’s Companion, 1. 7. 1851, 79, S. 218–222; sowie die Fortsetzung, ebd., 1. 8. 1851, 80, S. 249–252. 32 Nur einmal wird in einem Artikel von 1889 erwähnt, dass die drohende monetäre Geldentwertung bei Übernahme westlicher Geldsysteme in primitiven Gesellschaften zum Widerstand führe. Shell Money, Young Folks Paper, 23. 2. 1889, 952, S. 123; vgl. auch: Money without silver or gold, Chatterbox, 26. 10. 1869, 48, S. 382 f. 33 Nanette Mason, Schoolgirl troubles, and how to cope with it, The Girl’s Own Paper, 13. 12. 1890, 572, S. 166.

168  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Wie bei Erwachsenen war der Geldkontakt von Kindern und Heranwachsenden in den Zyklus von Erhalt, Speicherung und Ausgabe eingebettet. Die Kapitel folgen diesem Geldkreislauf und thematisieren den konkreten Umgang mit Geld, die Integration des Geldes in die Spielwaren und dessen Repräsentation in Literatur und Zeitschriften. Das erste Kapitel fokussiert die schichtspezifischen Erfahrungen der Abwesenheit und Beschaffung des Geldes sowie die kindlichen Speicherformen des Geldes. Im zweiten Kapitel wird argumentiert, dass im Bereich der kindlichen Geldausgabe ein Wandel von der wohltätigen Gabe zur konsumtiven Ausgabe stattfand, der sich auch in den Kinderdingen widerspiegelte. Während Gunilla Budde für das englische und deutsche Bürgertum eine gewisse Scheu vor der Thematisierung von Geld gegenüber Kindern konstatiert und Geld zu einem tabuisierten Thema in den Selbstzeugnissen erklärt34, zeigen die beiden folgenden Kapitel, dass vom Schweigen über Geld als Teil des bürgerlichen Habitus im 19. Jahrhundert kaum die Rede sein kann.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der ­Geldpräsenz Die An- und Abwesenheit von Geld war mit fundamentalen Differenzerfahrungen für Menschen, und damit auch für Kinder verbunden. Wie bei keinem anderen Medium, hatte die Abwesenheit von Geld drastische Effekte. Aus diesem Grund unterschieden sich die Erfahrungen und Deutungen von Kindern aus bürgerlichen Schichten elementar von denen der Kinder aus ärmeren Familien. Dennoch, das zeigt das folgende Kapitel, waren alle Kinder in spezifischer Weise mit den Effekten der An- und Abwesenheit des Geldes konfrontiert.35

Prekäre Lagen: Die Abwesenheit des Geldes Charles Chaplin (1889–1977) schildert in seiner Autobiografie die Unterschiede zwischen den repräsentativen Gebäuden der Londoner Kennington Road und der mütterlichen Dachkammer in einer Straße dahinter, in der er zusammen mit ­seinem Bruder Sydney und seiner Mutter, einer ehemaligen Schauspielerin und ­Varieté-Künstlerin, auf engstem Raum leben musste. Den sonntäglichen Mittagslunch der Londoner High Society, den der 11-jährige Charles beobachtete, kon34 Budde, Auf

dem Weg ins Bürgerleben, S. 58 f. Franziska von Reventlows Beschreibung der als „Geldkomplex“ bezeichneten Erfahrung der Absenz: „Es [das Geld, S.M.] begann sich an mir zu rächen, und das Infame an dieser Rache war, daß es mich nicht nur mied, sondern eben durch seine völlige Abwesenheit alle meine Gedanken und Gefühle ausschließlich erfüllte, mich vollständig in Anspruch nahm und sich nicht mehr ins Unterbewußtsein verdrängen ließ. […] Mein ganzes Leben zog wieder an mir vorüber bis in die kleinste pekuniäre Einzelheit, ich sah ein, daß ich niemals genug Geld gehabt hatte und voraussichtlich nie genug haben würde – alle verdrängten Begehrlichkeiten, alle gescheiterten Luxusträume wachten wieder auf.“ Reventlow, Geldkomplex, S. 7 f.

35 Vgl.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  169

frontiert er auf den ersten Seiten seiner Lebensbeschreibung mit dem mütterlichen Rat an ihn, sich bei wohlhabenden Freunden einzuladen, da sie kein Essen für ihn habe. Nachdem sie ihre Nähmaschine hatte verpfänden müssen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, löste die Abwesenheit jeglichen Einkommens eine existentielle Krise in der Familie Chaplin aus. Der Ehemann und Vater war schon früh an Alkoholismus gestorben und hatte auch zuvor schon eher selten zum Unterhalt der Familie beigetragen. Nicht immer aber war es der Familie so schlecht gegangen. Doch der soziale Abstieg begann, als die Mutter aufgrund von Stimmproblemen nicht mehr für Aufführungen engagiert wurde und nach der Verpfändung ihrer restlichen Wertsachen auf andere Weise für das Auskommen sorgen musste. Letztlich landete die Mutter mit ihren beiden Söhnen in einem der berüchtigten englischen Armenhäuser.36 Chaplins Beschreibungen der väterlichen Abwesenheit, des sozialen Abstiegs und seine Idealisierung der mütterlichen Bemühungen um ein Auskommen illustrieren ein im 19. Jahrhundert untrennbar miteinander verwobenes kindliches Erfahrungsgeflecht von Geld, sozialer Zugehörigkeit und Geschlecht. Die Normalisierung des männlichen Hauptverdieners war für die soziale Verortung und Selbstbeschreibung der Autobiografen zentral, wie Jane Humphries in ihrer Analyse männlicher Arbeiterautobiografien aus England gezeigt hat.37 Der väterliche Kontakt mit Geld spielte in den Erinnerungen eine wichtige Rolle für viele Autoren. Der Sozialdemokrat und „Vorwärts“-Redakteur Franz Rehbein (1867–1909), Sohn eines früh verstorbenen Schneiders und einer Waschfrau, arbeitete, seitdem er zwölf Jahre alt war. In seiner Autobiografie beschreibt er detailliert die Bedeutung der konkreten Münze in seinem Elternhaus und rekonstruiert ihren semantischen Speicher. Die Materialität des Objektes, die Bezeichnung, die Währung und die emotionalen Reaktionen des Vaters auf die Präsenz oder Absenz des Geldes waren für Rehbein mit seiner Kindheit verbunden: Hatte mein Vater z. B. einen Taler, so betrachtete er denselben mit ganz anderen Augen, als wie wir heutezutage diese ganz gewöhnlichen, ordinären drei Mark betrachten. Alle Wetter auch: das war ein ‚harter Taler‘, ein ‚Rad‘, und fast liebkosend glitt der Blick seines glückliches Besitzers über das für ihn so außerordentlich wertvolle Geldstück. Was konnte man für einen Taler aber auch alles kaufen, und – wie schwer war es zu verdienen! Und wurde ein Betrag von 1,50 Mark vereinnahmt, oder – mußte er gar mit einem Male verausgabt werden, so sprachen wir nicht etwa geringschätzig von lumpigen 15 Groschen. Ach nein – das war ein ‚halber Taler‘, ein ‚barer 36 Die

Lebensgeschichte des späteren Filmstars zeigt auch dessen spielerischen und konsumtiven Umgang mit Geld: „In meiner dreiundeinhalb Jahr alten Welt war alles möglich; wenn Sydney, der vier Jahre älter war als ich, Taschenspielertricks vollführen, eine Münze verschlucken und sie aus seinem Hinterkopf wieder hervorzaubern konnte, so konnte ich das wohl auch: Ich verschluckte eine Halfpennymünze, und Mutter mußte den Arzt holen.“ Chaplin, Geschichte meines Lebens, S. 11. Auch die weiteren Beschreibungen seiner glücklichen und noch wohlhabenden Kindheit sind mit kleinen Konsumakten illustriert: So habe er bei „Zigeunern“ mit eigenem Geld einen Spielzeugstuhl erstanden und durfte für Sixpence in das „Faß der Überraschungen“ greifen. Die Erinnerungen an die spätere Phase der existentiellen Armut werden nur durch die als edel beschriebene Mutter und durch den Fund einer gut gefüllten Geldbörse aufgehellt. Ebd., S. 12, 22. 37 Humphries, Childhood and Child Labour, S. 87, 96.

170  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert halber Taler‘. Der Schweiß von anderthalb bis zwei Arbeitstagen klebte daran. […] Tatsächlich habe ich zu Hause auch nie ein Zehn- oder Zwanzigmarkstück gesehen, an einen Hundertmarkschein natürlich gar nicht zu denken.38

Gerade bei denjenigen, die in einer der zahlreichen Hunger- und Krisenperioden des 19. Jahrhunderts groß geworden waren, fungierte das Verhältnis von Brotpreisen und väterlichem Lohn als Indikator für die beschriebene Misere.39 Die Rolle des mütterlichen Einkommens in einer Familie wurde dagegen in Autobiografien selten erwähnt.40 Anders verhielt es sich nur, wenn der Vater abwesend war. Einige formulierten zudem, dass sie schon als Kinder genaue Kenntnis der Brotpreise hatten. Der Barmer Hermann Enters (1846–1940), Sohn eines heimarbeitenden Webers und einer Spulerin, war für den Einkauf des Brotes zuständig und hatte die Aufgabe, die wöchentlichen Preisschwankungen zu eruieren und zu übermitteln: „War es 2 Pfennige billiger geworden, dann machte Mutter ein freundliches Gesicht, war es aber wieder 2 Pfennige teurer geworden, dann kam ein Donnerkeil aus Vaters Mund.“41 Joseph Terry (1816–1890), der Sohn einer psychisch kranken Mutter und eines Besitzers von Kanalbooten, erinnert die temporäre Abwesenheit seines Vater und die ökonomische Misere, in der er deshalb zusammen mit seiner Mutter steckte: Sometimes he would be away for weeks together having to make long voyages and all that poor mother and me had to subsist on, and find coals, etc., was five shillings per week. And now commenced with me a season of intense suffering and privation. […] It may easily be imagined that with the above small allowance, even if used in the most economical way (sic!) could yield us a sufficiency of food.42

Aber auch in bürgerlichen Familien konnte die Abwesenheit des Vaters als prekär erfahren werden und das finanzielle Auskommen gefährden.43 Oftmals gelang die Versorgung der Familie nicht mehr in ausreichendem Maße, wenn der männliche Hauptverdiener frühzeitig verstarb. Die Familien waren dann auf ein breites Netz monetärer Unterstützung von der Kirche über die Nachbarn bis zur weiteren Verwandtschaft angewiesen.44 Darüber berichtet beispielsweise der Bio38 Rehbein,

Das Leben eines Landarbeiters, S. 15. Destiny Obscure, S. 57; Humphries, Childhood and Child Labour, S. 97. 40 Ebd., S. 102. Auch August Bebel beschreibt seine heroisch um das Auskommen kämpfende Mutter nach dem Tod seines Vaters. Bebel, Aus meinem Leben, Bd. 1, S. 10, 15 f.; vgl. auch: Bock, Im Dienste der Freiheit, S. 6; Popp, Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin, S. 27 f. 41 Enters, Die kleine mühselige Welt, S. 31. 42 Joseph Terry (1816- ca. 1890), Recollections of My Life, zit. nach: Burnett, Destiny Obscure, S. 70. 43 Anwesende Väter wiederum konnten auch als Bedrohung für das Auskommen thematisiert werden. In einer Geschichte aus dem „Töchter-Album“ verspielt der Vater beim Kartenspiel die Gage seiner talentierten Tochter Alma Melotti, die mit ihren Geigenkonzerten hilft, den Unterhalt für die väterliche Villa aufrechtzuerhalten, die der Vater durch seine Spielsucht verschuldet hat. „Mein altes Unglück – nichts weiter!“ ruft der Vater aus, als er der Tochter gesteht, dass er nur noch die Summe besitzt, die er aus dem Verkauf ihrer Geige einlöste. Durch Demut und Gottes Willen trifft Alma eine gütige und wohlhabende Dame, die ihr ein Auskommen verschafft und die Geige zurückholt. Rosalie Koch, Wer nur den lieben Gott läßt walten, Töchter-Album, 1857, S. 158–168. 44 Vgl. Förster, Aus der Jugendzeit. 39 Burnett,

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  171

loge, Lehrer und Fachbuchautor Otto Schmeil (1860–1943). Die verwitwete Mutter musste nach dem Tod ihres Mannes, eines preußischen Dorfschullehrers, ihre Einnahmequellen weit streuen.45 Während aus der Beschreibung der Abwesenheit des Vaters oftmals eine heroische Inszenierung der Mutter resultierte, betonten andere, wie sie durch die Geldnot selbst erfinderisch geworden waren. Der deutsche Kupferstecher Julius Thaeter (1804–1870) erinnerte sich, wie er mit verschiedenen Dienstleistungen als kleiner Junge Geld verdiente und dabei geistig über sich hinauswuchs: „Nun ging ich zwar nicht unmittelbar betteln, aber doch mittelbar. Weiß der liebe Himmel, wie ich auf einmal so spekulativ denken lernte.“46 Männliche Heranwachsende waren in besonderer Weise von Geldabsenz betroffen, wenn sie das elterliche Haus für den Schul- oder Universitätsbesuch verließen. Ratgeber kursierten in den Universitätsstädten, um die Studenten auf den notwendigen Unterhalt während ihres Aufenthaltes vorzubereiten. Wie schon zum Ende des 18. Jahrhunderts, veröffentlichten die Universitäten Budgetlisten, aus denen die Eltern ersehen konnten, welche Kosten durch das Studium des Sohnes entstehen würden. Aber auch die Studenten erhielten bei Studienbeginn mancherorts genaue Informationen über den Geldbedarf. Abhängig vom Standort veranschlagten die Autoren, häufig Professoren, eine jährliche Summe zwischen 150 bis zu 800 Talern. Darüber hinaus enthielten manche Ratgeber Budgetvorschläge von unterschiedlicher Höhe. Sandra Salomo hat diese Materialien für den Standort Jena detailliert ausgewertet.47 Sie listet die verschiedenen Posten, die die Studenten zu tragen hatten, auf: Immatrikulation, Seminargebühren, Miet- und Unterhaltskosten, Fechten und andere Aktivitäten, Bücher und Bier.48 Auch die Studenten verfassten listenähnliche Dokumente. Dezidiert schrieben sie ihren Bettelbriefen an die Eltern auf, was die Unterlagen zum Studium kosteten, welche Bücher beschafft werden mussten, wo man schon sparte und wo man nicht mehr weiter wusste.49 Die Eltern wiederum schickten das benötigte Geld oftmals in Form von Wechseln, die die Studenten vor Ort in Bargeld auslösen mussten.50 Die Abhängigkeit von den Eltern oder gar von weiblichen Förderinnen war den Schreibern oft schmerzlich bewusst. Der Dichter Friedrich Hebbel, der sich seine Studien von Amalie Schoppe und einer weiteren Frau finanzieren ließ, schrieb zweiundzwanzigjährig an einen Jugendfreund: Was nun meine Lage betrifft, so ist diese passabel, weiter aber auch nichts. Es ist ein schlimmes Ding, wenn man auf Weiber gestellt ist, sie stehen dem Mann zu fremdartig gegenüber, um ihn 45 Schmeil,

Leben und Werk eines Biologen, S. 57 f. Lebensbild eines deutschen Kupferstechers, S. 7. 47 Salomo, Ökonomie des knappen Geldes, S. 28–29, FN 58. 48 Ebd., S. 33. 49 Ein besonders eindrücklicher Bettelbrief findet sich bei dem Detmolder Dramatiker Christian Dietrich Grabbe, der 1818 aus Detmold siebzehnjährig an seine Eltern schrieb und flehend um Büchergeld bat. Grabbe an seine Eltern, Februar 1818, in: Grisebach, Grabbe’s Werke, S. 149 f. 50 Vgl. die ausführliche, quantitative Analyse von Wechseln in: Salomo, Ökonomie des knappen Geldes, S. 38–54. 46 Thaeter,

172  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert je beurtheilen zu können, und er wird sich selten wohl befinden, wenn sie Einfluß auf ihn haben. Du verstehst mich und weißt, welchen Einfluß ich meine.51

Die monetäre Abhängigkeit im fortgeschrittenen Alter konfrontierte vor allem junge Männer mit der Einsicht, dass sie sich in einem Übergangsstadium zwischen Jugend und Erwachsenendasein befanden. Diese Lage war Zündstoff für zahlreiche Konflikte mit den Eltern. Der junge Bismarck ersann aus diesem Grund eine raffinierte Strategie, um seine unerquickliche Lage und die pekuniären Konflikte mit seinem Vater auf eine für ihn vorteilhafte Weise zu lösen, wie er 1833 an seinen Freund Gustav Scharlach aus Berlin schrieb: Später fanden sehr unangenehme Scenen zwischen mir und meinem Alten [statt], der sich weigert, meine Schulden zu bezahlen; dies versetzt mich in eine etwas menschenfeindliche Stimmung, ungefähr wie Charles Mo[or], als er Räuber wird, doch tröste ich mich, wie jener Straßenjunge: ‚et ist meenen Vater schont recht, det ik friere, worum koft er mir keene Hanschen‘. Der Mangel ist so arg noch nicht, weil ich ungeheuern Credit habe, welches mir Gelegenheit giebt, liederlich zu leben; die Folge davon ist, daß ich blaß und krank aussehe, welches mein Alter, wenn ich Weihnachten nach Hause komme, natürlich meinem Mangel an Subsistenzmitteln zuschreiben wird; dann werde ich kräftig auftreten, ihm sagen, daß ich lieber Mohammedaner werden, als länger Hunger leiden wolle, und so wird sich die Sache schon machen.52

Dagegen hatte die Mutter des Schweizer Dichters Gottfried Keller (1819–1890) dem Studenten der Malerei die Krankheit nicht geglaubt, mit der er seinen Geldbedarf begründete. Er wandte sich daraufhin noch einmal vorwurfsvoll an sein Elternhaus: „Daß Ihr zu Hause mich für fähig gehalten habt, eine Krankheit zu erlügen, um Geld zu erhalten, war mir eben keine große Erquickung […]. Was das viele Geldverbrauchen betrifft, so weiß ich am besten, für was ich es ausgebe; auf jeden Fall nicht fürs Lumpen.“53 Während in unterbürgerlichen Kindheiten das Geld aufgrund der stetigen Mangelerfahrung schon im frühen Lebensalter eine existentielle Rolle spielte, wurden die Bürgertöchter und -söhne erst – wie in diesen Beispielen – zu einem späteren biografischen Zeitpunkt und auf eine andere Weise mit den Folgen nicht vorhandenen Geldes konfrontiert. Die kommunikative Tabuisierung des Geldes spielte dabei keine große Rolle. Manche erinnerten sich jedoch daran, dass man über Geld nicht sprechen sollte, wie beispielsweise die Kinder- und Jugendbuchautorin Agnes Sapper (1852–1929): Es gab vielleicht nicht viele Häuser, in denen so gewissenhaft jede unnötige Ausgabe vermieden […] und […] in dem trotz dieser Sparsamkeit so wenig über Geld gesprochen wurde. Die Kinder hörten kaum davon reden; sie waren schon große Schulmädchen, als sie zufällig und zu ihrem Staunen entdeckten, daß das Dienstmädchen um Lohn und nicht, wie sie gemeint hatten, aus reiner Liebe ihren Dienst tat. Die Mutter hatte sie gern in dieser Unwissenheit erhalten.54 51 Friedrich

Hebbel an H.A.Th. Schacht vom 18. September 1835, in: Ehrismann, Friedrich Hebbel, S. 62. 52 Otto von Bismarck an Gustav Scharlach vom 14. November 1833, in: Rothfels, Bismack-Briefe, S. 25 [Ergänzungen in Ausgabe]. 53 Gottfried Keller an seine Mutter vom 19. Oktober 1840, in: Keller, Sämtliche Werke, Bd. 3, S. 1054. 54 Sapper, Pauline Brater, S. 113  f.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  173

Während hier das Schweigen über Geld als idealtypische bürgerliche Kindheitserfahrung beschrieben wird, nahm die Schwabinger Bohemienne und Schriftstellerin Franziska Gräfin zu Reventlow (1871–1918) in ihrem Buch Der Geldkomplex (1916) das vermeintliche Tabu ironisch aufs Korn. In dem „Roman in Briefen“, gewidmet an ihre Gläubiger, lässt Reventlow ihre Ich-Erzählerin, durchaus autobiografisch informiert, über die Schwierigkeiten berichten, die ihr aus Geldmangel und hoher Verschuldung entstanden seien. Die Protagonistin, die sich aufgrund der psychoanalytischen Diagnose eines Geldkomplexes in ein Sanatorium einweisen ließ, beschreibt in Briefen an die Freundin ihre therapeutischen Sitzungen. Reventlow karikiert die psychoanalytische Fixierung auf das bürgerliche Geldtabu als Ursache psychischer Erkrankung mit aristokratischer Nonchalance: „Ich fand es anfangs ganz hübsch und stilvoll, einen Komplex zu haben, man konnte vor sich selbst und anderen sich immer darauf berufen, anstatt einfach zu sagen: ich bin verzweifelt, außer mir, schlechter Laune usw.“55 Der Psychoanalytiker sei in einer der Sitzungen auf ihre Kindheitserfahrungen zu sprechen gekommen und lässt die Patientin resümieren: Was für eine Rolle das Geld in meiner Kindheit und ersten Jugend gespielt hätte? … Auf diese Zeit sollen die meisten ‚Komplexbildungen‘ zurückgehen. Gar keine, absolut gar keine … Du weißt, es gibt interessante Kinder, die stehlen und schwindeln, ohne es nötig zu haben, zum Beispiel Scheine entwenden oder in Gold umwechseln, um damit zu spielen, aber ich fand nichts Derartiges in meinen Erinnerungen. Wir hielten es als Kinder für überflüssig und armeleutehaft, sich um Geldfragen zu bekümmern, und sahen verächtlich auf andere herab, die gegenseitig das Vermögen ihrer Eltern taxierten und darüber Bescheid wußten.56

Auch die psychoanalytische Annahme, dass psychische Krankheiten auf verdrängter Sexualität beruhten, macht die Autorin lächerlich. Sie lässt ihre Protagonistin reflektieren: „Daß ich in der Verdrängung der ‚Erotik‘ Erhebliches geleistet habe, konnte ich nun wirklich beim besten Willen nicht behaupten … im Gegenteil, es wäre mir und meinen Finanzen sicher besser gewesen, ich hätte es mehr getan.“57 Anstelle einer psychoanalytischen Behandlung, so resümiert die Erkrankte in Anlehnung an die autobiografische Erfahrung von Reventlows, würde ihr nur eine ordentliche Erbschaft aus einer Scheinehe helfen. Die inhaltliche Übereinstimmung des Geldkomplexes mit Reventlows eigenem Leben liegt nahe. Zeit ihres Lebens zahlte sie für ihr unabhängiges und unkonventionelles Leben mit Schulden und Armut. Sie geriet nach ihrer Scheidung in arge finanzielle Schwierigkeiten und notierte 1897 mit 26 Jahren in ihr Tagebuch: „Die Schulden vom vorigen Jahr fressen alles auf. Ich schreibe alles mögliche Zeug zusammen, aber es bringt nichts ein. […] Federbetten, alles hab’ ich schon versetzt, im Bett kann man kaum noch schlafen.“58 Die Abwesenheit von Geld war für die Zeitgenossen und Zeitgenossinnen eine allgegenwärtige Erfahrung.59 Die Beziehung zwischen dem Geld einerseits und 55 Reventlow,

Geldkomplex, S. 37 f. S. 38–40. 57 Ebd., S. 38. 58 Reventlow, Sämtliche Werke, S. 50. 59 Die Erinnerung an das fehlende Geld stand neben den Beschreibungen der äußerst kärglichen Wohnstatt und der oftmals gewalttätigen Familienverhältnisse. Vgl. die Ausführungen in Kocka, Arbeiterleben und Arbeiterkultur, S. 266–273. 56 Ebd.,

174  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert den beiden Elternteilen andererseits, die elterlichen Sorgen und Bemühungen ein Auskommen zu erlangen sowie die Freuden über die gelegentlich doch vorhandenen Münzen prägten die autobiografischen Texte des 19. Jahrhunderts. Viele erinnerten sich als Erwachsene an die finanzielle Not, in der sie als Kinder und Heranwachsende gesteckt hatten.

Geld verdienen Die existentielle Bedeutung von Geld war besonders für diejenigen erfahrbar, die es als junge Menschen mit körperlicher Arbeit verdienen mussten.60 Deutsche Kinder konnten je nach Dauer und Art ihrer Arbeit am Ende des 19. Jahrhunderts zwischen zwei und sechs Mark im Monat verdienen und damit das elterliche Einkommen, das durchschnittlich zwischen 40 und 120 Mark im Monat betrug, unterstützen.61 Die Arbeit von Mädchen brachte zumeist nur die Hälfte des männlichen Verdiensts ein.62 Arbeitende Kinder gehörten während des gesamten 19. Jahrhunderts zum Normalbild in den Haushalten, auf den Höfen, in den Handwerksbetrieben sowie bis in die 1870er Jahre auch in den Fabriken. Auch auf den Straßen der größeren Städte waren arbeitende Kinder überall präsent. Als Straßenhändler boten sie ihre Waren an, machten kleine Botengänge, erledigten Dienstleistungen, wie Schuhe schwärzen, reinigten die Straßen vom Schlamm oder tanzten und sangen.63 Viele bewegten sich als Bettler und Taschendiebe auf der Grenze zwischen legalem und illegalem Geld­ erwerb.64 Großbritannien und Deutschland waren seit dem Beginn des 19. Jahrhundert von öffentlichen Debatten über den Schutz von Kindern und den staatlichen Regulierungsbedarf der Kinderarbeit geprägt. In England wurden seit 1802 fortlaufend Gesetze erlassen, die die verschiedenen Formen der Kinderarbeit der staatlichen Kontrolle unterwarfen. Das preußische Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in den Fabriken von 1839, die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 und das Gesetz betreffend Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben von 1903 stellten in Preußen und Deutschland die wichtigen staatlichen Interventionen zur Regelung der täglichen Arbeitszeit, der Arbeitsverbote und der Mindestanforderung an den Schulbesuch dar. Schulbesuch und Arbeit schlossen sich jedoch nicht aus. Am Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten viele Schulkinder nebenbei mehrere Stunden täglich.65 60 Die

Anzahl der arbeitenden Kinder stand in Abhängigkeit von der rechtlichen und faktischen Durchsetzung der Schulpflicht. Regionale und sektorale Unterschiede machen quantitativ verlässliche Aussagen genereller Natur jedoch unmöglich. Für Deutschland vgl. Boentert, Kinderarbeit im Kaiserreich; für England: Humphries, Childhood and Child Labour. 61 Boentert, Kinderarbeit im Kaiserreich, S. 307. 62 Ebd., S. 304  f. 63 Mayhew, London Labour, Bd. I, S. 470  f.; Hopkins, Childhood Transformed, S. 192. 64 Ebd., S. 194  f. 65 Boentert, Kinderarbeit im Kaiserreich, S. 296–305.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  175

Gerade die saisonale Landwirtschaft war von der massiven Präsenz der Kinderarbeit geprägt und unterlag nur geringer staatlicher Regulation.66 In den Autobiografien bäuerlicher Herkunft dient die Beschreibung der frühen Erfahrungen mit bezahlter Arbeit als Illustration einer ‚anderen Welt‘, der die Autoren und Autorinnen entstiegen waren. Diese Welt wird von vielen mit einer basalen Geld-Produkt-Äquivalenz charakterisiert. Der österreichische Schriftsteller Franz Michael Felder (1839–1869) schilderte sich in seiner kurz vor seinem Tod verfassten Autobiografie als ein sonderbares Kind. Er habe emotional und nicht nützlich auf das bäuerliche Leben reagiert. Erst mit zunehmendem Kindesalter sei ihm die pekuniäre Zwangslage seiner kleinbäuerlichen Familie bewusst geworden und er hätte den eigentlichen Wert der Tiere kennengelernt: „Mehr und mehr verstand ich, warum die Summe löblicher Kuheigenschaften in der Regel nur durch Taler ausgedrückt wurde. Ich begann das harte Erdenlos des Kleinbauern immer schmerzlicher zu empfinden und den Wert des Geldes kennenzulernen.“67 Auch der spätere Professor für Philosophie und Pädagogik Friedrich Paulsen (1846–1908), der seine Kindheit auf einem Hof in der Nähe des nordfriesischen Bredstedt verbrachte, lernte früh die bäuerliche Äquivalenz von Tier und Geld kennen: „Übrigens hatte ich zu den Schafen ein besonderes Verhältnis. Schon die Ankunft der Lämmer im April hatte ich zu überwachen, für jedes Lebende erhielt ich einen Schilling“.68 Ähnliches schilderte der englische Autodidakt und spätere Erfinder Roger Langdon (1825–1894), der mit acht Jahren begann, für Geld Schafe zu hüten.69 Der Sozialist Joseph Belli (1849–1927) dokumentierte die ländliche Geldknappheit, die dazu führte, dass er sich noch nicht einmal die Schulbücher leisten konnte: „Der Bauer hat an barer Münze nie Überfluß. So versuchten wir Kinder wenigstens für Schulbücher und Utensilien die nötigen Kreuzer zu verdienen.“70 Ohne Schulung und pädagogische Maßnahmen waren Kinder auf dem Land und in den städtischen Unterschichten von jüngsten Jahren an mit Geld vertraut. Sie kannten die aktuellen Lebensmittelpreise, sie wussten, welchen Lohn sie für ihre Arbeit verlangen konnten und ihnen waren die knappen Haushaltsbudgets ihrer Eltern bewusst. Geld glitt ihnen täglich durch die Finger. Für über den unmittelbaren Lebensbedarf hinausreichenden Konsum bestand allerdings zumeist kein Spielraum. Die meisten AutobiografInnen verwiesen auf die ökonomische Notwendigkeit ihres finanziellen Beitrags zur familiären Ökonomie. Manche nutzten die Schilderung ihrer monetären Leistungen, um emotionale Mangelerfahrungen und den Verlust einer unbeschwerten Kindheit zu unterstreichen. Hermann Enters erinnerte sich mit 75 Jahren, dass seine Eltern ihre Kinder vor allem als monetäre Einnahmequelle betrachteten: „die Kinder waren in ihren Augen bloß dazu auf der Welt, daß sie den Eltern Geld ins Haus brachten“.71 Während viele 66 Ebd.,

S. 401 f. meinem Leben, S. 26 f. 68 Paulsen, Aus meinem Leben, S. 48. 69 Langdon, Life of Roger Langdon, S. 28  f. 70 Belli, Feldpost unterm Sozialistengesetz, S. 23. 71 Enters, Die kleine mühselige Welt, S. 74. 67 Felder, Aus

176  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert die ökonomische Notwendigkeit ihrer kindlichen Arbeit für den familiären Haushalt neutral oder positiv werteten, kritisierte Enters die mangelnde emotionale Zuwendung der Eltern. Die neun Kinder, so Enters, seien in einer lieblosen Atmosphäre aufgewachsen.72 In eine ähnliche Richtung weisen die Schilderungen der österreichischen Sozialistin und Feministin Anna Altmann (1851–1937), die mit dem Eintritt in die Arbeitswelt ihre Kindheit als beendet ansah: „Die goldene Kinderzeit eilt mit Windesflügeln dahin. Auch ich mußte diese Erfahrung machen, denn als ich fünfeinhalb Jahre zählte, da war es mit der guten Zeit vorbei. Von da an mußte ich schon etwas mit verdienen.“73 In den Erinnerungen von Enters und Altmann erscheint die Kindheit als eine Lebensphase, in der Geld und Arbeit keine Rolle hätten spielen dürfen. Retrospektiv schrieben sie ihre Erfahrungen in eine romantisch-bürgerliche Vorstellung von Kindheit ein. Nicht zu rekonstruieren ist, ob das auch den zum Zeitpunkt des Verfassens ihrer Erinnerungen veränderten Vorstellungen von Kindheit geschuldet war, in denen Kinderarbeit zunehmend öffentlich disqualifiziert wurde, oder ob es der Distanzierung von ihrer nicht-bürgerlichen Herkunft diente. Das Beispiel eines 8-jährigen Londoner Mädchens aus der Sozialreportage London Labour and the London Poor von Henry Mayhew verdeutlicht die variierenden Selbst- und Fremdwahrnehmungen des Verhältnisses von Kindheit und Arbeit. Die Tätigkeit des Mädchens bestand aus dem Verkauf von Brunnenkresse. Mayhew berichtet von seiner ersten Kontaktaufnahme: „I asked her about her toys and her games with her companions; but the look of amazement that answered me soon put an end to any attempt at fun on my part.“ Für Mayhew war das ein deutliches Zeichen, dass sie kein Kind mehr war: „The little watercress girl […] had entirely lost all childish ways, and was, indeed, in thoughts and manner, a woman.“74 Aber auch das Mädchen schilderte ihre Tätigkeiten in Mayhews Wiedergabe als unkindlich und mit der Vernunft einer bürgerlichen Philanthropin. Sie übergebe das erwirtschaftete Geld an ihre Mutter oder hinterlege es in einem Sparverein: I can’t read or write, but I knows [sic!] how many pennies goes to a shilling, why, twelve of course, but I don’t know how many ha’pence there is, though there’s two to a penny. […] All my money I earns [sic!] I puts in a club and draw it out to buy clothes with. It’s better than spending it in sweetstuff, for them as has a living to earn. Besides it’s like a child to care for sugar-sticks, and not like one who’s got a living and vitals to earn. I aint a child, and I shan’t be a woman till I’m twenty, but I’m past eight, I am. I don’t know nothing about what I earns during the year, I only know how many pennies goes to a shilling, and two Ha’pence goes to a penny, and four fardens goes to a penny. I knows [sic!], too, how many fardens goes to tuppence – eight. That’s as much as I wants to know for the markets.75

Die Geldkenntnisse des Londoner Mädchens waren den täglichen Anforderungen angepasst. Die Straßenverkäuferin konnte kleine Beträge berechnen, ohne aber 72 Ebd.

73 Altmann, Aus

dem Leben eines Proletarierkindes, S 128. Eine ähnliche Beschreibung der Abwesenheit von kindheitstypischen Erfahrungen findet sich bei Popp, Jugend einer Arbeiterin, S. 25. 74 Mayhew, London Labour, Bd. I, S. 151. 75 Ebd., S. 152.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  177

­einen größeren Überblick über ihre eigene finanzielle Situation zu haben. Dieses ausschnitthafte und in seinem Verständnis mangelhafte Geldverständnis fand der Beobachter Mayhew auch in den überaus pluralen sprachlichen Ausdrücken wieder, mit denen die Straßenhändler über Geld sprachen: „In speaking of money, the slang phrases are constantly used by the street lads; thus a sixpence is ‚tanner‘; a shilling a ‚bob‘, or a ‚hog‘; a crown is ‚a bull‘; a half-crown ‚a half bull‘, & c. Little […] do the persons using these phrases know of their remote and somewhat classical origin.“76 Der eigenständige Verdienst der Kinder bedeutete nicht, dass sie den Lohn ihrer Arbeit behalten konnten. Vielmehr lieferten sie das Geld in der Regel zuhause ab.77 Die Übergabe an die Eltern rief bei den Kindern und Jugendlichen einerseits Stolz über ihren Beitrag zur häuslichen Ökonomie hervor, produzierte aber andererseits auch Gram darüber, dass das hart erarbeitete Geld nicht zu ihrer eigenen Verfügung stand.78 Manche gaben jedoch nicht den gesamten Lohn ab und andere verdienten noch zusätzlich eigenes Geld. Alfred Ireson (*1856), der Sohn eines Steinmetzes, stellte als Kind Netze zum Kochen von Kartoffeln her. Er verkaufte sie für 2 Denari/Pence das Stück, die er als selbstverdientes Taschengeld, „his keenest interest“, verstand.79 Den Lohn aber für seine erste Arbeit als junior mason musste er zu seinem Leidwesen dem Vater übergeben: „I did the work, my father drew the money. He usually handed me 6d. to keep in my pocket, not to spend. My dear mother never failed to come to my assistance. With my clean clothes she continued to put what money she could spare in the toe of my clean socks“.80 Verblieb ein Rest des Verdienstes beim Kind, wurden davon Bücher, Zeitschriften oder Süßigkeiten gekauft. Zumeist aber wurde der gesamte Betrag für den Lebensunterhalt der Familie benötigt.81 In den bürgerlichen Erinnerungen war von Kinderarbeit nicht die Rede. Die Beschreibungen bürgerlicher Kindheiten fallen vor allem durch den Bezug auf die Sorglosigkeit und emotionale Familienbindung ins Auge, so beispielsweise in den Erinnerungen der Schriftstellerin Fanny Lewald (1811–1889), die in einer wohlhabenden Königsberger Kaufmannsfamilie aufwuchs: „Meine Eltern waren damals sehr vermögend, ja reich zu nennen. Sie waren glücklich mit einander, hatten keine Sorgen, liebten uns auf das Zärtlichste, und wir sahen nur heitere Gesichter um uns.“82 Allerdings finden sich auch bei Bürgerkindern gelegentlich Versuche dokumentiert, die eigene pekuniäre Lage zu verbessern. Gerhart Hauptmann, dessen Eltern ein Kurhotel führten, inszenierte sich als ein Grenzgänger zwischen 76 Ebd.,

S. 473. beispielsweise den autobiografischen Bericht eines zehnjährigen Schäferjungen in: Burnett, Destiny Obscure, S. 73. 78 Humphries, Childhood and Child Labour, S. 147, 241. 79 Ireson, Reminiscences, unpublizierte Autobiografie 1929, in: Burnett, Destiny Obscure, S. 87; ebenso: Felder, Aus meinem Leben, S. 29. 80 Ireson, Reminiscences, S. 87. 81 Humphries, Childhood and Child Labour, S. 243. 82 Lewald, Im Vaterhause, S. 36. 77 Vgl.

178  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert den Klassen, zwischen dem bürgerlichen Heim und der proletarischen Straße, wo er mit Freunden seine Kinderzeit verbrachte: Auch setzte er [der Vater, S.M.] gewiß nicht voraus, bis zu welchem Grade ich mich in die Gepflogenheiten der Straßenjungen einleben würde. Ich fing zum Beispiel, mit ihnen in einem Rudel vereint, den Omnibus, wenn er von der Bahn kam, vor dem Ziele ab und verfolgte ihn, ebenfalls mitten im Rudel, gehüllt in eine dichte Staubwolke. Der Zweck war, den anlangenden Kurgästen Handgepäck zu entreißen, um es gegen Entgelt hinter ihnen drein in das Logis zu schleppen. Ich habe das nur einmal getan, denn die Behandlung, die ich dabei erfuhr, die Last, die ich zu tragen hatte, und die Entlohnung durch einen Kupferdreier, den ich empfing, all das war angetan, mich von dieser Art Broterwerb abzubringen.83

Seine Erfahrungen mit dem Dasein als Straßenjunge war von dem Wissen geprägt, dass er nicht tun musste, was er tat. Letztlich war der Kontakt mit den wohlhabenden Kurgästen und nicht die Armut der Straßenjungen sein monetärer Sozialisationsrahmen: „Sie [die Kurgäste, S.M.] kamen und lebten aus vollen Säckeln. So habe ich wohl sicherlich den Begriff von Geld und Geldeswert schon um jene Zeit gehabt und gewußt, daß es darauf ankam, möglichst viel davon in den Kassenbehältern des Gasthofs zurückzubehalten.“84 Der Unterschied zwischen den Erfahrungen des Zuverdienens bei bäuerlichen und städtischen Arbeiterkindern und den eher sekundären Geldsorgen der Bürgerkinder kann nicht unterschätzt werden. Innerhalb dieses Rahmens waren die getrennten Welten aber auch von monetären Kontaktzonen zwischen den Schichten geprägt. Dies konnte beispielsweise geschehen, wenn arme Kinder bei wohlhabenden Familien Geld erbettelten oder den Lohn für ihre Dienstleistungen erhielten.85 Die österreichische Sozialistin und Frauenrechtlerin Adelheid Popp (1869– 1939) beschreibt, wie sie als Kind am ersten Tag des neuen Jahres die wohlhabenden Bewohner ihres Heimatdorfes besuchte, um sie um Geld zu bitten: Am Neujahrstag mußte ich in unserem Dorfe und in die Umgebung Neujahr wünschen gehen. Das war eine von der ärmsten Bevölkerung geübte Sitte. Man ging nur zu den als wohlhabend oder reich bekannten Familien und sagte dort einen Wunsch auf, wofür man eine Belohnung erhielt. Ich fürchtete mich ganz entsetzlich vor den Hunden, die die Häuser der Reichen bewachten, aber ich war doch bemüht, möglichst viel Geld nach Hause zu bringen.86

Kontakt mit den wohlhabenderen Familien in der Umgebung hatte die Heranwachsenden aber auch, wenn sie ihren Arbeiten nachgingen. Die Sozialistin, Feministin und spätere USPD-Abgeordnete der Nationalversammlung Luise Zietz (1865–1922) trug als junges Mädchen die Textilien aus, die ihre Mutter zuhause für die Nachbarinnen gesponnen hatte. Sie schildert, dass die Kundinnen oft zögerten, ihr das Geld auszuhändigen: „Und außerdem war meine Eigenliebe aufs empfindlichste verletzt, weil man mir zutraute, ich könne das Geld verlieren.“ Die Konfrontation mit den Erwachsenen, die ihr das Geld verweigerten, verschärfte ihre Wahrnehmung, arm und jung zugleich zu sein. Ihre direkten Proteste vor Ort halfen nicht immer und so musste sie manchmal ohne das ersehnte Geld nach 83 Hauptmann,

Das Abenteuer meiner Jugend, S. 33. S. 38. 85 Vgl. auch: Mayhew, London Labour, Bd. I, S. 471. 86 Popp, Jugend einer Arbeiterin, S. 29. 84 Ebd.,

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  179

Hause kommen. Erfolgreiche Verhandlungen dagegen lösten Glücksgefühle aus und als Belohnung habe sie an einem solchen Abend ein Buch lesen dürfen87: Brachte ich dagegen Geld heim, dann war der Weg zurück doppelt leicht, singend wurden Richtwege über Koppeln und Feldwege eingeschlagen, die Ermüdung fühlte ich nicht. Das beglückende Bewußtsein daheim allgemeine Freude auszulösen und die Aussicht auf ein hinreichendes Abendbrot belebten meine Kräfte.

In der Kinder- und Jugendliteratur waren die schichtübergreifenden Begegnungen von Kindern ein beliebtes Motiv zur Illustration der erwünschten sozialen und moralischen Ordnung. Die duale Komposition des armen und des wohlhabenden Kindes gehörte auch im 19. Jahrhundert zum Topos der literarischen Kinderwelt, um zu verdeutlichen, dass Armut keine Sünde sei und Reichtum nicht unmittelbar gute Charaktereigenschaften hervorbringe. Ehrbare, fleißige und gläubige arme Kinder bevölkerten die Erzählungen in den Kinderbüchern und -zeitschriften und wurden mit verwöhnten und eigennützigen Kindern begüterter Eltern kontrastiert. Die beschriebenen Armen entsprachen der romantischen Idee einer unschuldigen Kindheit.88 Oft werden sie in den Erzählungen von einem charakterstarken, reichen Erwachsenen unterstützt. In der Geschichte Why Emily wanted money beispielsweise, die in Little Folks erschien, verkauft die kleine Emily Blumen, um ihrer abwesenden Mutter die dringend erwünschte Rückreise nach England zu ermöglichen. Ihr Bedürfnis nach Geld, ausgedrückt in dem verzweifelten Ausruf: „I want the money so badly“,89 erscheint nicht als Ausdruck einer fehlgeleiteten Geldliebe, sondern als die legitime Sehnsucht eines Mädchens nach seiner Mutter. Nachdem sie einen Sovereign von einem wohlmeinenden Passanten erhalten hat, wird ihr das Geld von einem armen Jungen geraubt. Der reiche Spender war aus Interesse in ihrer Nähe geblieben und hatte den Diebstahl beobachtet. Er kann das Geld retten und bringt es dem armen Mädchen zurück. Als er schließlich das Haus von Emily betritt, ist die Mutter durch einen Zufall schon da und Emily möchte ihm seinen Sovereign zurückgeben, der nun nicht mehr nötig zu sein scheint. Er empfiehlt ihr, das Geld zu behalten und ein Portemonnaie zu kaufen, um in Zukunft das Geld sicher verstauen zu können.90 Während die Begegnung mit den wohlhabenden Nachbarn von Autobiografinnen wie Popp und Zietz als demütigend oder zumindest als erinnerungswürdig befunden wurde, stellte diese Konstellation in der Kinderliteratur einen Versuch dar, soziale Kohäsion zu beschreiben. Als positive Identifikation war nicht die Beendigung der sozialen Ungleichheit vorgesehen. Der anvisierte soziale Frieden re87 Zietz, Aus

meinem Leben, o. S. Thacker, Imagining the Child. 89 Annie S. Fenn, Why Emily wanted money, Little Folks, o. D., S. 392. 90 Ebd., S. 394. Die Darstellungen armer, bettelnder oder verwahrloster Kinder in den Städten dienten neben pädagogischen Zwecken für die bürgerlichen LeserInnen auch der politischen Mobilisation im Rahmen der englischen Poor Law-Reformen, in den kapitalismuskritischen Debatten der katholischen Sozialkritik oder in den philanthropischen Fürsorgeverbänden. Charles Dicken’s Oliver Twist, Oswald Zilles Skizzen aus Berlin und Mayhews Straßenkinder schufen öffentlichkeitswirksame Ikonen in den Auseinandersetzungen über die soziale Frage. 88 Vgl.

180  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert sultierte vielmehr aus dem harmonischen Miteinander von edlen Spendern und aufrichtigen Armen.

Taschengeld als Übung und bürgerliche Kinderfreude Das mühsam erarbeitete Geld oder die erbettelten Pence der Straßenkinder standen in starkem Kontrast zu dem pädagogischen Instrument des Taschengelds, das sich seit der Aufklärung in bürgerlichen Familien durchzusetzen begann. Während die skizzierten Debatten einiger Weniger am Ende des 18. Jahrhunderts den Beginn einer Erziehungspraktik markieren, hatte die Taschengeldfrage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Praxis vieler bürgerlicher Familien erreicht und wurde im Rahmen der sich immer stärker ausweitenden Konsumoptionen in den Erziehungsratgebern problematisiert. Taschengeld sollte eine Einübung sozialen und monetären Verhaltens zugleich sein und durfte die Grenzen der familiären und gesellschaftlichen Ordnung nicht überschreiten. Vollständig einig waren sich die Zeitgenossen jedoch nicht bei der Einschätzung der regelmäßigen und formal bedingungslosen Geldgabe der Eltern an ihre Kinder.91 Ein Taschengeld sollten diese, wenn überhaupt erst ab einem gewissen Alter, in der Regel ab 12 Jahren erhalten. Vielfach empfahlen die Ratgeber, die Ausgabe des Taschengeldes zu begrenzen und darauf zu achten, dass sich die Kinder auf „Gaben an Arme“, Geschenke und Schulmaterialien beschränkten.92 Vor allem im Hinblick auf die wohltätige Verwendung des Taschengeldes erhielten die Erziehungsratgeber Unterstützung von den christlichen Jugendzeitschriften.93 So lässt das Juvenile Missionary Magazine einen Elternteil mahnende Worte an die Kinder sprechen, dass sie nun alt genug seien für die weise und freie Verwendung des Geldes, die Ressourcen aber begrenzt seien.94 In allen Medien schwang die Überzeugung mit, dass mit der selbständigen Verwendung Gefahren einhergingen, die der Kontrolle und Selbstbeobachtung bedürften: „The worst of pocket-money is, that we have no trouble to earn it. Lightly come, lightly go.“95 Der elterlichen Kontrolle des Taschengeldes, so der Hausfreund, Schrebers populärer Erziehungsratgeber von 1861, könne ein von den Kindern regelmäßig geführtes Ausgabenbuch dienen.96 Die Geldgabe, erweiterte 91 Vgl.

Berg, Konkretisierung und Realisierung der Sparerziehung, S. 114; Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 58 f.; Moritz Kleinert, Erziehung zur Sparsamkeit, Allgemeine Deutsche lehrerzeitung, 36, 1884, 15, S. 130–133. 92 Schreber, Der Hausfreund als Erzieher und Führer zu Familienglück, S. 64. 93 Ethel’s Pocket Money, The Children’s treasury and advocate of the homeless and destitute, 4. 1. 1879, 210, S. 8. 94 „I have long intended to let you have some pocket-money weekly, as you are now old enough to know how to take care of it and use it wisely; you shall have the first payment to-night. You may do just as you please with it; but remember you will not have any more for a week.“ T.E.T., Fanny and Edith. A Practical Story, The Juvenile Missionary Magazine, 1. 11. 1868, 11, S. 210–214, hier S. 211. 95 Mason, Schoolgirl Troubles, S. 166. 96 Schreber, Der Hausfreund als Erzieher und Führer zu Familienglück, S. 64.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  181

Hermann Klenke in seinem Erziehungsratgeber von 1869 den Vorschlag, solle allmählich gesteigert werden und stehe zur freien Verfügung des sparenden Kindes. Negative Erfahrungen sollten nicht von vorneherein vermieden werden, sondern dienten den erwünschten Lerneffekten. Diese Maßnahme unterrichte es am besten über den richtigen Gebrauch des Geldes, erwecke ein eigenes Urtheil darüber, indem es Erfahrungen von Verlusten, unbedachten oder von augenblicklichen Gelüsten geleiteten Ausgaben und nachherige Mittellosigkeit für nützliche, bedürftige und angenehmere Dinge macht. […] Bei Ablegung der jedesmaligen Rechnung am Schlusse der Periode von etwa acht Tagen findet dann die Mutter Gelegenheit, ihre Kritik der Ausgaben und Geldverwendung zu äußern und etwaige Missgriffe durch Rath oder Tadel zu corrigieren.97

Die Höhe des Geldes, so Karl Oppel (1816–1903) in seinem Elternratgeber von 1871, sei zu beschränken, um der Verschwendung vorzubeugen, müsse aber andererseits gewisse Anschaffungen ermöglichen, um das Rechnen zu erlernen.98 Auch die unbekannten AutorInnen eines Artikels im Child‘s Companion von 1856 verwiesen auf die potentiellen Lernerfolge, die neben dem Vergnügen der Geldausgabe stünden: It is kind of parents who can afford it, to allow their children pocket-money. It may also be wise; for, besides its being a pleasure to them to have something to spend, it teaches them the value and use of money, and though in a small way, prepares them, while they are yet young, for managing money matters when they become men and women. It often shows the character of children.99

In der angefügten Beispielgeschichte wurden die Lerninhalte plastisch dargestellt und in ihren geschlechtsspezifischen Dimensionen illustriert. Drei Geschwisterkinder erhalten von ihrer Mutter jeweils eine Geldbörse und beziehen ein wöchentliches Taschengeld. Die zwei Mädchen und der Junge werden zur Buchhaltung verpflichtet, die jährlich am Neujahrstag vorzulegen ist. Der Junge gibt sein Taschengeld schnell aus und kommt in die als unangenehm dargestellte Lage, im sonntäglichen Gottesdienst kein Geld für die Sunday Schools spenden zu können. Die Mädchen dagegen waren in der Woche mit ihren Ausgaben zurückhaltend und können sowohl für die Schule spenden als auch zu einem späteren Zeitpunkt bei einem Armenbesuch Geld geben. Obwohl Frank, der Sohn, sich bemüht hatte, fand sich zu seiner Betrübnis schon wieder kein Geld im Portemonnaie.100 Der Artikel wendet sich direkt an die LeserInnen: Now I would ask those of you, my young readers, who have the pocket-money, what you do with it. […] It may be you have never asked yourselves the question, How do I spend my money? Well, think. Do you fritter it away carelessly? Do not forget that ‚waste makes want‘, and that if you spend your money for things that you do not need, you will have none for those which you really do need.101  97 Klenke,

Die Mutter als Erzieherin; S. 607 f. Karl Oppel betont, dass das Ausgabenbuch nicht den Eltern vorgelegt werden müsse, sondern allein dem Kind diene, seine Geldausgaben nachzuvollziehen: „Das Kind muß wissen, daß es all sein Geld zum Fenster hinauswerfen darf.“ Oppel, Buch der Eltern, S. 264 f.  98 Ebd., S. 263.  99 Pocket-money, The Child’s Companion, 1. 12. 1856, 144, S. 369–373, hier S. 369. 100 Ebd., S. 371. 101 Ebd., S. 372 [Hervorhebung im Original]. Alle seien aber Gott verpflichtet, so der Artikel über die Letztabrechnung: „we must give an account to God of all things we do.“ Ebd.

182  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Der Taschengeldartikel popularisierte die Vorstellung von empathischen, vorsorgenden Mädchen und unbedacht verschwenderischen Jungen. Im Gegensatz zum Bild des unbedachten Jungen standen jedoch Darstellungen, die das früh ausgebildete Handelsinteresse von Jungen betonten. Einige Zeitschriften beschrieben, dass an den Schulen ein reger Briefmarkenhandel herrsche, um das Taschengeld zu erhöhen. Der „trading instinct“ sei vor allem unter Jungen sehr verbreitet.102 Die Kommentatoren verknüpften mit solcherlei Beobachtungen häufig eine Entwicklungsprognose: „Watch a girl spending her pocket-money, and it needs no great foresight to predict what she will be later on – a saver or a waster, generous or selfish, liberal or mean.“103 Die zeitliche Dimension des Sparens, eine „reference to the future“104, wurde allgemein anerkannt: „Saving for a sensible purpose in youth will lead to the cheerful exercise of prudence a little later on, when people lay by against age and want.“105 In einer anderen Jugendzeitschrift wird ein geiziger Junge, der sein Taschengeld immer nur in der Spardose verstaute und nie ­etwas aus- und abgab, zu einem geizigen Arzt: „he possessed a small box for the purpose of hoarding nearly every farthing he could scrape together.” Dessen Bruder dagegen, schon als kleines Kind von großzügigem Charakter, wird als erwachsener Mann ein erfolgreicher Anwalt und zur finanziellen Hilfe für den geizigen, aber verarmten Arzt.106 Ob diese regulativen Versuche der Ratgeber und Zeitschriften letztlich erfolgreich im Sinne der angestrebten Verhaltensweisen waren, lässt sich nur schwer bemessen. Die um den Beleg ihrer Rechenhaftigkeit bemühte Harriet Martineau unterstrich zumindest im Nachhinein ihre frühen praktischen Übungen: I may as well mention here that I made rules and kept them, in regard to my expenditure, from the time I had an allowance. I believe we gave away something out of our first allowance of a penny a week. The next advance was to half-a-guinea a quarter, to buy gloves and sashes: then to ten pounds a year (with help) for clothes; then fifteen, and finally twenty, without avowed help.107

Gerhart Hauptmann dagegen, der sich in seinen Erinnerungen als kleiner Bürgerschreck darzustellen versuchte, berichtet von wenig buchhalterischen Rauschgefühlen und dem jähen Ende des vergnüglichen Geldbesitzes: 102 Vgl. Boys

who make pocket-money, Chums, 16. 9. 1896, 210, S. 54; vgl. auch: How boys make pocket-money, Pluck: A high call weekly library of adventure at home & abroad, o. D. und Bd., 243, S. 11. 103 Mason, Schoolgirl Troubles, S. 166. Ähnliche Prognosegeschichten gab es auch für Jungen. Beispielsweise wurde die Kindheit und Jugend zweier Jungen beschrieben, die unterschiedlich mit Geld umgegangen seien und deren monetäre Erziehung durch ihre Eltern ebenfalls differierte. Dies galt dem Autor als Begründung für ihren unterschiedlichen Wohlstand im Erwachsenenalter. Vgl. How pence make pounds; or, the little economist, Peter Pearley’s Annual, o. D. und Bd., S. 161–170. 104 How to value money, Young Folks Paper: Literary Olympic and Tournament, 12. 6. 1886, 811, S. 371; vgl. auch die Artikelserie: Barbara Marsh, How two sisters live in the country on a pound a week, The girl’s own paper, 14. 10. 1893, 720, S. 27 f.; Fortsetzung, in: The girl’s own paper, 18. 11. 1893, 725, S. 102–103; sowie: Lloyd Lester, How we live in London on a Pound a week, The girl’s own paper, 9. 2. 1895, 789, S. 296–300. 105 Mason, Schoolgirl Troubles, S. 166. 106 W. W. Fenn, My Uncle’s Money, Every Boy’s Annual, o. D. (1883?), 17, S. 226–232, hier S. 226. 107 Martineau, Autobiography, Bd. I, S. 25  f.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  183 Eines Tages drückte mir Onkel Gustav […] ein Fünfgroschenstück in die Hand, eine Summe, wie ich sie nie besessen hatte. Ich war völlig berauscht, als ich sie plötzlich in der Hand fühlte. Ich ließ sie mir fünf Minuten später im kleinen Kramladen der Witwe Müller […] in Kupferdreier umwechseln. Was zwanzig Stück dieser Geldsorte ausmachten! Nun erst war ich befriedigt mit meinem, was ich glaubte, unerschöpflichen Reichtum in der Faust. Eine Stunde später hatte ich Zeit und Veranlassung, über die Vergänglichkeit eines so ungeheuerlichen Schatzes nachzudenken. Ich hatte vor meinen Myrmidonen und Spielkameraden damit herumgeprahlt und mir schließlich Dreier für Dreier abbetteln lassen.108

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gerieten Mädchen stärker in den Fokus der Jugendzeitschriften. Vor allem die englischen Zeitschriften reagierten auf die Infragestellung der bürgerlichen Geschlechterverhältnisse durch die Frauenbewegung. Im Rahmen von Emanzipation und Unabhängigkeit nehme das Taschengeld eine nützliche Funktion ein, argumentierte ein Artikel am Ende des 19. Jahrhunderts. Es verhindere, dass Mädchen das Geld vom Haushaltsgeld abzweigten, um dadurch ihre Hobbys zu finanzieren. Da zudem mit ihrer Emanzipation die rechtlichen Restriktionen für Mädchen und Frauen weggefallen seien und auch das Warten auf einen Prinzen aus der Mode gekommen sei, könnten sie Selbständigkeit mithilfe des Taschengeldes erlernen: Loose habits of any kind are detrimental to the building of character, and it is essential that our girls should not be financially undeveloped, seeing that in this nineteenth century many are expected to be self-supporting. Dependence upon self has made great men, and there is no reason why it should not make women also great. […] The time has gone by for our girls to sit and wait for princes to come and carry them off to palaces.109

Das Taschengeld, das vielfach zu Wohltätigkeits- und Übungszwecken an die Kinder gegeben wurde, diente in diesem Artikel einem weiteren Anliegen: Es stelle ein wirkungsvolles Mittel zur Emanzipation von Frauen dar, wie es der Artikel in The Girl’s Own Paper ausdrückte: „Pocket-money is a powerful weapon.“110 Diese Funktion war in den Kinder- und Jugendmedien keineswegs dominant. Mit der Gabe von Taschengeld verbanden die Zeitgenossen zumeist eine Übung im Umgang mit Geld, verbunden mit der Unterrichtung moralisch akzeptierter, geschlechts- und klassenspezifischer Einsatzweisen.

Spardosen als Repräsentationen der sozialen Ordnung Erhielten Kinder ein regelmäßiges Taschengeld mit der Auflage, es nicht sofort auszugeben, war eine angemessene Aufbewahrungsform vonnöten. Zeugnisse aus bürgerlichen, bäuerlichen und anderen unterbürgerlichen Schichten verweisen darauf, dass sich die Spardose als Geldtruhe für Kinder im 19. Jahrhundert schichtübergreifend durchsetzte.111 Im Gegensatz zum Buchsparen war die Spardose eine 108 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 86. 109 Girls and their pocket-money, The girl’s own paper, 3. 4. 1897, 901, S. 419. 110 Ebd., S. 418. „‚A penny in pocket‘ according to the proverb, ‚is a good companion‘.

[…] It is a good wish, therefore, for girls, that pocket-money may never fail them, and that they may go on slipping in their fingers and always finding something.“ Mason, Schoolgirl Troubles, S. 166. 111 Felder, Aus meinem Leben, S. 23.

184  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert an die Präsenz des Geldes gekoppelte Aufbewahrungsform. Auch wenn es aus dem direkten Blickfeld der sparenden Heranwachsenden verschwand, verblieb das Geld doch in unmittelbarer Nähe. Die Münzen waren durch das Schütteln der Dose hörbar zu machen und letztlich konnten die Sparenden durch ihre Zerstörung auch wieder in Besitz des Geldes gelangen. Das Buchsparen dagegen basierte auf der räumlichen Abwesenheit des Geldes, verwandelte es in eine Zahl und abstrahierte vollständig von seiner Materialität. Die seit der Antike bekannte Kulturtechnik des Sparens in einem dafür vorgesehenen Gefäß war unter Pädagogen und Eltern unumstritten. Sie war der anerkannte Aufbewahrungsort für Geldmünzen und galt als dingliche Voraussetzung für die „freie Liebesübung“112 der Wohltätigkeit. Erst mit der Verbreitung des Buchsparens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert geriet sie von volkswirtschaftlicher Seite aus in die Kritik. Die Spardose galt einigen nun als Behältnis zum „Ansammeln eines todten Schatzes“113, da das Ersparte nicht in den Geld­ zyklus von Kredit, Investition und Zinsen eingespeist war. Eine Spardose konnte sowohl im Gottesdienst für die Mission eingesetzt werden, in einer Familie seit Generationen vererbt oder aber als Modell zum Selbermachen erstanden werden.114 Spardosen existierten in unterschiedlichen Formen, die den jeweiligen kulturellen Prägungen unterlagen. Die Form der Spardose (Schalen, Dosen, Kästen, Pokale, Tiere, Fässer, Globen, Behausungen, etc.) und ihre Bezeichnungen (Sparhafen und Sparkrug in Süddeutschland, Sparpott in Norddeutschland, money bank, penny bank oder money-box in England, Kassette für die frankophilen Rheinländer und cachette in Frankreich) variierten regional, national und zeitlich.115 In ihrer künstlerischen Ausstattung des 18. Jahrhunderts war die Spardose noch ein Sammlerobjekt des wohlhabenden, bürgerlichen Haushalts gewesen. Bald differenzierten sich die Herstellungsmaterialien jedoch aus und die Produktionskosten konnten gesenkt werden. Abhängig von der Höhe des für die Anschaffung ­einer Spardose zu investierenden Kapitals variierten Größe und Ausstattung des Behältnisses. Aufwändig gestaltete Objekte aus Holz mit Intarsien existierten ­neben 112 Schmid,

Encyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens; zit. nach: SchulNordwürttemberg, Wer den Pfennig nicht ehrt, S. 8. Zur Wohltätigkeit der Kinder vgl. Klenke, Die Mutter als Erzieherin, S. 608. In einer Geschichte der Kinderzeitschrift The Child’s Companion erhält ein wohlhabendes Mädchen von ihrem christlichen Onkel eine Spardose in Form einer Kirche geschenkt, damit sie ihr Taschengeld für Arme sparen kann, und es nicht für unnütze Spielsachen ausgibt. Edith’s Money-box, The child’s companion, 1. 6. 1883, 174, S. 88 f. 113 Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 11. 114 K., Daisy Lamson’s Money-Box, The children’s friend, o. D., S. 186; Nor., My Money-box, Young Folks paper, 31. 8. 1889, 979, S. 134; D. Fallow, How to make a puzzle money-box, The boy’s own paper, 1. 7. 1893, 755, S. 638. 115 Vgl. die zahlreichen Abbildungen von Sparbehältnissen in: Thurn, Kulturgeschichte des Sparens; über die in Italien und Ostdeutschland übliche Spardose in Brustform für Wöchnerinnen und ihre Babys informiert: Rosen, Kindersparbüchsen. Stevens Company war das größte Spardosen produzierende Unternehmen in den USA. In England war es John Harper & Co. museum

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  185 Abb. 6: The Kicking Mule Bank, in: Ehrich’s Fashion Quarterly (Winter 1882).

Blechdosen, üppige Sparkelche aus Silber neben kleinen Holzfiguren aus dem Erzgebirge. Das Sparschwein jedoch, das Symbol des kindlichen Sparens im 20. Jahrhundert, war im 19. Jahrhundert noch nicht weit verbreitet.116 Unabhängig von der jeweiligen Form des Sparbehältnisses war aber ihre Funktion: Der oder die Sparende legte sich eine „Ausgabebeschränkung“ auf, „die erst bei einer Teilentnahme oder bei einer Totalausräumung des Behältnisses ihr wie auch immer motiviertes Ende“117 fand. Eine rassistische Gestaltung der Spardosen ist sowohl für Europa als auch für die USA bezeugt. Klischeehaft repräsentierte Schwarze, Afroamerikaner oder Sklaven prägten auf beiden Kontinenten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die mechanischen Spardosen.118 In Form von Köpfen gerieten ihre große Lippen und Augen bei Geldeinwurf in Bewegung – die Jolly Nigger Bank119 – oder ihre obere Kopfhälfte ließ sich öffnen. Weit verbreitet war eine einfache Handlungsfolge, in der die dargestellten Figuren durch den mechanisch betriebenen Einwurf der Mün­ze in eine missliche Lage gerieten. Die vor allem in England und den USA vertriebene Spardose The Kicking Mule Bank (Abb. 6) zeigt beispielsweise einen schwarzen Jockey auf einem Maultier. Der Sparer legt das Geldstück in den Mund des Jockeys. Wenn der Auslöser gedrückt wird, schlägt das Maultier nach hinten aus, woraufhin der Jockey kopfüber abgeworfen wird. Das Geldstück aber verschwindet in der Spardose. In anderen Varianten dieser Spardose schlägt ein Pferd oder Maultier mit den Hufen aus und trifft dabei den Körper einer schwarzen Figur, der daraufhin nach hinten kippt.

116 Thurn,

Kultur der Sparsamkeit, S. 108. Ebd., S. 17. 118 Scott, Toys and American Culture, S. 32–34. 119 In einigen Kirchen wurde die so genannten Jolly Nigger Bank noch bis in die 1970er Jahre verwandt. 117

186  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Abb. 7: John Harper & Co., Ltd. (1902).

So genannte Jolly Nigger waren ebenfalls weit verbreitet, wie es die Werbung von John Harper & Co., dem größten englischen Produzenten von Spardosen, zeigt (Abb. 7). Die Spardosen waren nicht nur Objekte zur Vermittlung bürgerlicher Sparsamkeit, sondern sie dienten der Unterhaltung der Kinder auf der Basis eines unhinterfragten rassistischen Ordnungsmusters. Mit dem Geldeinwurf verdeutlichte das sparende Kind sich und seinen Zeugen nicht auf der Seite der hilfsbedürftigen Armen oder der unterhaltsamen und immer dankbaren Schwarzen zu stehen. Das Kind, so könnte man die Kicking Mule Bank interpretieren, würde sich nicht wie der schwarze Jockey vom Pferd werfen lassen, sondern seine Sparsamkeit hatte zur Folge, dass der arme Reiter mit dem Kopf auf den Boden schlug. Wenngleich der für Kinder vermutlich reizvolle Effekt des Münzeinwurfs nicht notwendigerweise ausschließlich in der rassistischen Funktion gesehen werden muss, zeigen andere Spardosen gerade in der Zusammenschau deutlich die weiße Selbstkonstitution auf der Basis der Degradierung afro-amerikanischer Männer. (Abb. 7).

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  187

Auch im Kinder- und Jugendschrifttum waren Spardosen als zentrale Gegenstände reichhaltig vertreten.120 Georgie’s Money-box (1882), ein schmales, illus­ triertes Büchlein, beschreibt die Geschichte der Freunde Harry und Georgie.121 Letzterer hatte von seinem Onkel Robert eine leere Spardose geschenkt bekommen und betrachtete diese als eine sinnlose Gabe: „It’s perfectly ridiculous“.122 Harry wird als der Vernünftigere von beiden skizziert, indem er seinen Freund an die zukünftigen Freuden des gesparten Taschengelds erinnert: „‚It is to teach you to be careful, Georgie,‘ said his friend, ‚and to encourage you to save your pocketmoney for something useful. That’s what my uncles are always insisting in to me. Put in a penny, Georgie, to be the beginning of a large fortune.‘“123 Doch Georgie vergleicht seine Lage mit dem eines Eisbären, dem man ein Speiseeis anbietet. Nützlich wäre aus seiner Perspektive ein Spielzeug, etwa eine Lokomotive. Harry gibt nicht auf, wirft eine Sixpence Münze in die Sparbüchse und leistet weitere Überzeugungsarbeit, indem er auf die akustischen Effekte des Materials verweist: „‚Listen to it rattling!‘ Harry continued; ‚think how much nicer it will sound when this sixpence has some companions. Then there’ll be a perfect chime of bell […] you know, telling you to turn again, turn again from the sweetstuff shop, turn another honest penny!‘“124 In Folge fängt Georgie tatsächlich an zu sparen und widersteht den Versuchungen des Candyman an seiner Schule. Die nunmehr gut gefüllte Sparbüchse bringt ihm von Freunden die diffamierenden Spitznamen „Miser George“ und „Rattlesnake“ ein. Er kompensiert diese Verunglimpfungen mit einem plötzlichen Leistungsschub im schulischen Cricket und wird zum sportlichen Helden. Durch den Erfolg verwöhnt, vernachlässigt er das Sparen und die Sparbüchse vereinsamt Spinnweben verhangen auf dem Regal in seinem Zimmer. Georgie bemerkt noch nicht einmal, dass sein Onkel Robert dem Ersparten bei einem Besuch noch etwas hinzufügt.125 Eine sich anbahnende sportliche Krise versucht der Junge mit der Plünderung seiner Spardose zu kompensieren und kauft beim „Candyman Old Lipscomb“ Obst und Naschwerk. Das ersparte Geld ist schnell ausgegeben. Bei der ‚Totalausräumung‘ übersehen die Jungen den Zettel des Onkels, der noch in der Sparbüchse liegt, und erstehen mit dem kleinen Restbetrag ein „Guy Fawkes Day Firework“. Aus Spaß lassen sie das Feuerwerk im Stall des Candyman explodieren, der darauf120 Vgl.

Blanchard, Le trésor. „Jean était un enfant très-économe. Ses parents étaient pauvres; mais il ne se plaignant pas de leur pauvreté, parce qu’il n’avait que des désirs simples qu’il pouvait toujours satisfaire. Jean recevait régulièrement tous les dimanches deux sous, dont on ne lui demandait jamais compte, qu’il dépensait selon sa volonté. Jean, au lieu d’acheter quelque sucrerie, quelque gourmandise, mettait ses deux sous dans une petite cachette, et avait le plaisir, chaque fois qu’il faisait un nouveau versement, de compter son mince trésor et de le voir grossir.“ Ebd., S. 6 f. 121 André, Georgie’s Money-box. André alias Richard Snow (1834–1907) war ein englischer Kinderbuchautor und Illustrator. 122 Ebd., S. 6. 123 Ebd., S. 5  f. 124 Ebd., S. 12. 125 Ebd., S. 17.

188  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert hin in Feuer aufgeht. Die Schuldigen werden schnell gefunden, beide haben ein schlechtes Gewissen und wollen den Schaden wieder gutmachen, aber das Geld fehlt.126 Von seinem Onkel Robert erhält Georgie nach dem Vorfall einen Brief, in dem dieser schreibt, dass er für diesen guten Zweck der Wiedergutmachung die Spardose öffnen dürfe. Die Lehrstunde beginnt: „Georgie was heart-broken. He saw at once that Uncle Robert had given him the money-box to be a lesson to him, and now – it was quite empty. He seized it, shook it in despair, then threw it down in his rage against himself, stamped on it, and sank down in an agony of tears as Harry ran in to find him.“127 Gemeinsam sammeln sie die Scherben ein und bemerken dabei eine Fünfpfundnote. Georgie hat seine Lektion gelernt: „‚It must have been Uncle Robert,‘ he sobbed out, ‚who put it there last holidays. I didn’t deserve this, Harry, I didn’t save. I spent all my money foolishly. But this will be a lesson to me as long as I live.‘“128 Die kleine Geschichte, über deren Rezeption und Verbreitung nichts bekannt ist, deren Inhalt aber idealtypische Aussagen trifft, enthält die genretypischen Elemente einer moralischen Geschichte, in der sowohl die Protagonisten als auch die LeserInnen am Ende gewisse Lernziele erreichen sollen. Das individuelle Verhalten eines Kindes führt in der Regel zu einer Problemlage, in der sich moralische Schuld mit monetären Schulden überschneiden. Mit etwas mehr Weitsicht und Zukunftsorientierung, so die Moral der Geschichte, hätte der aus der gegenwartsbezogenen Genuss- und Spielsucht resultierende Schaden verhindert werden können. Weiter vermittelt diese Geschichte, wie viele andere Lehrstücke dieser Art, eine generationelle Perspektive, in der der kindliche Leichtsinn mit der Vernunft einer älteren Autoritätsperson kontrastiert. Die Perspektive verschiedener Generationen finden sich auch in der anonym verfassten Geschichte Willie Smith’s Money-box.129 Das umfangreiche Kinderbuch von 1873 thematisiert eine kollektive Perspektive. Vorhandene Klassengegensätze zwischen Herr und Diener werden harmonisiert und durch die gegenseitige Unterstützung der jeweiligen ProtagonistInnen aufgelöst. Anders als Georgie verspürt Willie Smith, der Hauptakteur dieses Buches, ein dringendes Bedürfnis nach e­ iner Sparbüchse für seine Ersparnisse. Als ihn eine elegante, junge Frau fragt, was er im Schaufenster so sehnsuchtsvoll betrachte, zeigt er seine überschaubare Münzsammlung vor und weist auf eine ausliegende Sparbüchse. Die wohlhabende Frau, Miss Constance Frankland of Beechmont, ist davon so gerührt, dass sie ihm den Wunsch erfüllt und dem Jungen zusätzlich noch eine Dienstbotenstelle als Gärtner bei ihren Eltern verschafft. Die Jahre vergehen und Willie hat es aufgrund seines Fleißes und seiner Sparsamkeit geschafft, die Armut seiner Herkunft zu überwinden. Er lebt mittlerweile mit Frau und Kind in einem eigenen Haus. Einige Jahre später, während eines Besuchs der gealterten Miss Frankland, kommt das Gespräch auf die Sparbüchse: 126

Ebd., S. 29. Ebd., S. 31. 128 Ebd., S. 32. 129 Anon., Willie Smith’s Money-box. 127

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  189 Later in the day, her attention was called to the money-box, which occupied a place of honour in the favourite sitting-room. ‚It is still used for the same purpose as of old, Miss Frankland,‘ said Mr. Smith, as he handed it to her; ‚for although, thank God, it is no longer necessary for us to hoard up pence for ourselves, we find it a useful habit to do so for others. Even my little three-years’-old Willie, there, is never so happy as when he can drop a penny into father’s money-box, ‚to buy Bibles for the poor black men,’ as he says‘.130

Das ehemals geschenkte Behältnis symbolisiert den sozialen Aufstieg der Familie. Selbst der kleine Sohn der Familie wird als weißer Christ inszeniert, der sich um die Heiden und Armen in Afrika sorge. In einer Geste der Wiedergutmachung bietet Willie der alleinstehenden und mittlerweile über geringe finanzielle Mittel verfügenden Constance an, bei ihnen im Haus unterzukommen. Der Autor lässt sie über die Klassengegensätze reflektieren. Aufgrund Willie’s positiver Entwicklung kommt sie zu dem Ergebnis, dass sie das Angebot annehmen kann: „True, indeed, Willie Smith had been her father’s servant; but he was one of Nature’s gentlemen, and there was nothing either in his appearances, or in his simple, unobtrusive manners, that denoted the roughness of this early training.“131 Das Buch endet damit, dass ein kleines Modell des Gutes Beechmount seinen Platz neben der Spardose auf dem Kamin findet, wo es von den Kindern im Haus mit den Worten bewundert wird: „the pretty cork house, that father made when he was a little boy.“132 Aus der großzügigen Geste der Lady gegenüber dem armen Jungen resultierte dessen sozialer Aufstieg. Vermittelt über die Gastfreundschaft, die Kinder von Willie und die Nähe der Spardose zum Gut Beechmount führt das Ende der Geschichte eine Aussöhnung der antagonistischen Klassen vor. Während die erste Geschichte über die Figur Georgie individuell unangemessenes Verhalten und das Verhältnis von Schuld und Schulden thematisierte, fungiert Willie in der zweiten Geschichte als Verkörperung der sozialen Aussöhnung im Kapitalismus. Eine verwandte Erzählstruktur weist auch die Geschichte The Money-Box. For very little people auf, die in der Kinderzeitschrift Little Wide-Awake erschien. Das Besondere dieser Erzählung aber ist, dass sie im Verlauf die Perspektive wechselt. Während zu Beginn von den Weihnachtsgeschenken der achtjährigen Margaret (ein Fotoalbum), des sechsjährigen Frankie (eine Spardose) und der vierjährigen May (eine Puppe) als Akteuren die Rede ist, handelt die zweite Hälfte von Gesprächen unter Münzen. Das Auspacken der Weihnachtsgeschenke bringt bei Frankie eine Spardose in Form eines „Jolly Negro” zum Vorschein: „It was the figure of a negro down to the waist, with one hand raised to his mouth, his head a little thrown back, a broad grin on his face, showing a double row of shining white teeth, and large, rolling eyes. His coat was painted red“.133 Die Spardose wird von den Kindern Sambo genannt und schon am Abend findet sich eine Ansammlung kleinerer Münzen im Behältnis: einer halber Sovereign, ein Florin sowie einige Pennies. 130

Ebd., S. 154. Ebd., S. 157. 132 Ebd., S. 158. 133 The Money-Box. For very little people, Little children, S. 362–367. 131

wide-awake:

An

illustrated magazine for

190  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert

Abb. 8: Little Wide-Awake: An Illustrated Magazine for Children (1890).

Die Geschichte wendet sich nun den Gesprächen unter den Münzen zu. So ist der halbe Sovereign aus Gold an bessere Gesellschaft gewöhnt und „had mixed but slightly, so far, even with silver. He rolled off to a corner by himself, and, keeping his distance, preserved a dignified silence.“134 Das Silberstück wiederum bie134

Ebd., S. 366.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  191

dert sich mit Blick auf die drei Pennies in der Dose bei der Goldmünze an: „Coppers are so vulgar.“ Aber der Sovereign reagiert nur kurz angebunden und mit ihm angemessener Dignität: „There are degrees of vulgarity.“ Der Autor der Erzählung spiegelt die Klassengesellschaft in den Münzen. Die Kupfermünzen werden als gesellige Typen dargestellt, die sich in guter Gesellschaft befinden und viel zu besprechen haben. Sie bestimmen ihren Wert über die Gemeinschaft und ihre Bedeutung für die Armen: „How delightful it is to feel the little hand of a poor child close over one, to be held tightly and greatly prized, and only to be parted with after much and serious deliberation!“ Sie hoffen, dass sie zusammen bleiben können, wenn sie für ein Brot ausgegeben werden. Die Gold- und Silbermünzen dagegen träumen von Diamanten, gegen die sie eingetauscht werden könnten. Ihre Perspektive aber sieht sehr viel trister aus. Die Spardose wird von Frankie eines Tages geöffnet und er kauft sich von dem Ersparten eine Magic Lantern. Der halbe Sovereign und der Florin geraten dadurch in den Geldkreislauf, allerdings ohne wie erwünscht für einen edlen Diamanten verwandt zu werden: „Within a week of the spending the half-sovereign, its owner dropped it in the gutter, and all the foul water from the dirty street flowed over it for many a day, and the florin fell into the hands of an old Jew clothes-man.“ Die drei Pennies aber wandern über Margarete in die Kollekte der Kirche und versorgen gemeinsam Arme mit Brot, wie sie es sich gewünscht hatten.135 Sprechende und handelnde Münzen waren keine Erfindung des 19. Jahrhunderts und auch nicht auf die Kinderliteratur beschränkt. Vielfach waren auch in Texten des 18. Jahrhunderts Geldstücke zu Subjekten erhoben worden, die sprechen konnten, bestimmte Eigenschaften verkörperten und Ähnlichkeiten mit menschlichen Strukturen aufwiesen.136 In der Geschichte Money-Box fungiert die Spardose mit ihrer rassistischen Ausformung als allegorische und räumliche Verkörperung der Gesellschaft. Die sozialen Gegensätze zwischen arm und reich werden in dieser Geschichte am Ende nicht ausgesöhnt. Vielmehr erscheinen die ‚armen‘ Pennies als die positiven und siegreichen Subjekte der Geschichte. Die Diffamierung der ‚reichen‘ Münzen durch das Abwasser und den jüdischen Schneider bestraft diese für ihren sozialen Dünkel und ihr exkludierendes Verhalten gegenüber den Pennies. Die Kinderliteratur des 19. Jahrhunderts gab der Spardose nur wenige Spielräume. Sie wurde in den englischen wie deutschen Geschichten durchweg als moralische Instanz, als pädagogisches Instrument und als Spiegel für zivilisiertes, der Zukunft zugewandtes Verhalten eingesetzt. Neben dieser dem Genre geschuldeten variantenarmen Fassung der Spardose standen jedoch auch subjektive Aneignungen des Geldgefäßes, wie beispielsweise in den Erinnerungen des Missionarsohns und Schriftstellers Hermann Hesse (1877–1962). Die retrospektive Beschreibung seiner Kindheit, die er um 1900 verfasste, beinhaltet auch eine Reflexion über seinen Schulfreund Oskar Weber und ihr gemeinsames Sparprojekt. Oskars Vater war 135

Ebd., S. 367. Social Life of Money, S. 78.

136 Valenze,

192  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Lokomotivführer und es schien Hermann Hesse, dass auch dessen Sohn bestens Bescheid wisse, wo es im Leben lang gehe: Er hatte letztlich damit geprahlt, daß sein Vater sieben Mark am Tage verdiene, und ich hatte aufs Geratewohl erwidert, der meine verdiene vierzehn. […] Einige Tage später hatte ich mit Weber einen Bund gegründet, indem wir eine gemeinsame Sparkasse anlegten, aus welcher später eine Pistole gekauft werden sollte. […] Und Weber hatte mir vorgerechnet, daß man nur eine Weile richtig zu sparen brauche, dann könne man sie kaufen. Geld gebe es ja immer, er bekomme sehr oft einen Zehner für Ausgänge, oder sonst ein Trinkgeld, und manchmal finde man Geld auf der Gasse, oder Sachen mit Geldeswert […]. Einen Zehner hatte er auch sofort für unsere Kasse hergegeben, und der hatte mich überzeugt und mir unseren ganzen Plan als möglich und hoffnungsvoll erscheinen lassen.137

Der geheime Plan der beiden Jungen, eine Pistole zu kaufen, widersprach den moralischen und pädagogischen Lernzielen am Ende des 19. Jahrhunderts.138 Die darin abgebildete Waghalsigkeit, von Hesse als „freche Lebenskunst“ bezeichnet, fand die Bewunderung des sich selbst als träumerisch beschreibenden Jungen Hermann. Oskar habe eine Vertrautheit mit den kleinen praktischen Angelegenheiten des Lebens, mit Geld, mit Kaufläden und Werkstätten, Waren und Preisen, mit Küche und Wäsche und dergleichen. […] Solche Knaben wie Weber […] wußten, wieviel ihr Vater am Tag verdiene […]. Es half nichts, daß man klüger war als sie und in der Schule mehr wußte. Es half nichts, daß man besser als sie gekleidet, gekämmt und gewaschen war. […] Natürlich fanden solche Knaben auch Hufeisen, Geld und Stücke Blei auf der Straße, bekamen Lohn für Besorgungen, kriegten in Läden allerlei geschenkt und gediehen auf jede Weise. Ich fühlte dunkel, daß meine Freundschaft zu Weber und seiner Sparkasse nichts war als wilde Sehnsucht nach jener ‚Welt‘. An Weber war nichts für mich liebenswert als sein großes Geheimnis, kraft dessen er den Erwachsenen näher stand als ich, in einer schleierlosen, nackteren, robusteren Welt lebte als ich mit meinen Träumen und Wünschen.139

Retrospektiv sieht Hesse ihre Spardose als Imaginations- und Sehnsuchtsraum und als Ausdruck eines direkten Zugangs zur Welt. Der Haushalt, das Geld und die Preise offenbarten die konkrete dingliche Welt seines Freundes, die er seiner träumerischen und intellektuellen Welt seinerzeit vorgezogen hätte. Die einfache Übersetzung des Geldes in Dinge und der Dinge in Geld erschien dem jungen Hesse im Rückblick als Gegenmittel zu seiner eigenen Schwärmerei. Das Wissen über Geld war für ihn Ausdruck des Unmittelbaren. Die Sparbüchse war manchmal Objekt der Erziehung und der Träume zugleich. Der dänische Schriftsteller Hans Christian Andersen (1805–1875) hat in dem Märchen Das Geldschwein den Tod einer Spardose thematisiert.140 Er beschreibt in der kurzen Erzählung ein Kinderzimmer, dessen Spielwaren ein Eigenleben als belebte Objekte entfalten und unter Beobachtung eines Sparschweins ein Theaterstück aufführen. Das tönerne Sparschwein war angefüllt mit Münzen und leitete daraus einen erhöhten Status unter den Dingen ab: 137 Hesse,

Kinderseele, S. 9 f. aber die weit verbreitete Kulturtechnik des Waffenbesitzes in Deutschland im 19. Jahrhundert: Ellerbrock, Deutsche Schießwut. 139 Ebd., S. 11  f. 140 Andersen, Das Geldschwein. 138 Vgl.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  193

Abb. 9: Hans Christian Andersen, Das Geldschwein (1857).

Das Geldschwein war dermaßen vollgestopft, dass es nicht mehr klingen konnte, und das ist das Höchste, wozu ein Geldschwein es zu bringen vermag. Da stand es nun oben auf dem Schranke, hoch und erhaben, und blickte herab auf Alles, was sich sonst in der Stube befand; es wußte gar wohl, daß es mit Dem, was es im Magen hatte, den ganzen Kram hätte kaufen können, und das nennt man ein gutes Bewußtsein haben.141

Die anderen Dinge im Zimmer, die Puppen, der Kinderwagen und die Bilder, akzeptierten die erhobene Position des Schweines und planten ihre Nachahmung des menschlichen Spiels ohne dessen Beteiligung: Das kleine Puppentheater wurde gleich so aufgestellt, dass das Geldschwein gerade hineinschauen konnte; sie wollten mit Komödie anfangen, und später sollte Theegesellschaft und Verstandesübung sein, und mit dieser letzteren begannen sie sofort; das Schaukelpferd sprach vom Training und Vollblut, der Kinderwagen von Eisenbahnen und Dampfkraft – schlug das doch Alles in ihr Fach und es gehörte also dazu, daß sie davon sprachen. Die Stutzuhr sprach von Politik – tik – tik! sie wußte, was die Glock’ geschlagen, wenn man sich auch zuflisterte, sie ginge nicht richtig.142

Die Verstandesübung und das Theaterstück als Nachahmung menschlicher Aktivitäten kommen bei den Dingen des Kinderzimmers gut an. Nachdenklich sinniert das Schwein daraufhin darüber, einen der „Künstler“ in seinem Testament zu bedenken: 141 142

Ebd., S. 199. Ebd., S. 200.

194  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Und jeder dachte nur an sich und daran, was wohl das Geldschwein denken möchte, und das Geldschwein dachte am längsten, es dachte ja an Testament und Begräbnis – und wann käme dieses wohl zu Stande – immerhin viel eher, als man es erwartet hätte. – Knack! fiel es vom Schrank herunter; fiel auf den Fußboden und zersprang in Scherben, und die Groschen tanzten und hüpften, daß es eine Lust war, die kleinsten drehten sich wie ein Kreisel, die großen rollten davon, namentlich der eine harte Silberthaler, der wollte ordentlich in die Welt hinaus [.]143

Die Zerstörung des tönernen Geldgefäßes, der Tod der Spardose, führt zur Befreiung der kasernierten Münzen. Das zersprungene Objekt wird entsorgt und am nächsten Tag durch ein neues Schwein kompensiert, das noch keine Münzen in sich trägt und auch nicht „klappern konnte“: „und hierin glich es dem andern, das war immerhin ein Anfang – und mit dem wollen wir ein Ende machen.“144 Auch dieses Märchen zeigt die Spardose und darüber hinaus die Objekte eines Kinderzimmers als Allegorie, die diesmal explizit die Menschenwelt nachspielen. Die Möglichkeit des Schweins, alles durch sein Geld in Besitz zu nehmen, führt zu dessen Exklusion aus der Gemeinschaft und letztlich zu seiner Auslöschung. Während es sich einerseits um eine Nachstellung einer menschlichen Situation handelt, liegt der Beschreibung der belebten Objekte und dem Tod der Spardose auch ein subversiver Hauch zugrunde, der die Märchen und fantastischen Geschichten prägte und Kinder wie Erwachsene im 19. Jahrhundert faszinierte. Diese Geschichten konnten kritisch gegen die allgegenwärtigen bürgerlichen Moral- und Mäßigungsvorstellungen gelesen werden, mussten aber keineswegs sozialutopischen oder geldkritischen Ursprungs sein.

Vom Goldesel, dem Tod reicher Tanten und sprechenden Münzen Abenteuer und Robinsonaden, viktorianische Vampir- und Gespenstergeschichten, Wunderlich-Seltsames: Das spätromantische Gegenprogramm zur nützlichen Kinderliteratur der Philanthropen und Aufklärer, die sich darauf konzentriert hatte „die Affekte [zu] mildern, die Leidenschaften [zu] dämpfen, die Phantasie [zu] zügeln und die Einbildungskraft in kontrollierbare Bahnen [zu] lenken“145, war umfangreich und beim lesenden Publikum des 19. Jahrhunderts sehr beliebt. Es prägte die Fantasiewelt von Kindern nachhaltig. In Egodokumenten spielte das fantastische Element des Spiels ebenfalls eine gewichtige Rolle, um die Phase der Kindheit von der des nun schreibenden Erwachsenen zu unterscheiden. Gerhart Hauptmann bezeichnete wie viele andere das Spielen als das Gegenstück zur pädagogischen Domestizierung.146 Er berichtet von Figuren, die seinem „kindli­ che[n] Geist […] phantastisches Leben“ einhauchten: „Kobolde, Feen, Knusperhexen und Zauberer, Helden und Menschenfresser“ flogen „durch die Dachluke nachts beim Mondschein aus und ein“.147 Unabhängig von der Schichtzugehörig143

Ebd., S. 201. Ebd., S. 202. 145 Brunken, Handbuch, Bd. 4, S. 24. 146 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 19. 147 Ebd., S. 27. 144

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  195

keit erinnerten sich Erwachsene, wie auch Adelheid Popp, an diese kindlichen ­Parallelwelten: „Ähnlich war es auch in den Kreisen, in denen ich meine Kindheit verlebte. In den vielen Geschichten, die erzählt wurden, spielten Geister, Räuber, Hexen und Zauberer die Hauptrolle.“148 Der Verweis auf die Fantasiegestalten, die die kindlichen Vorstellungswelten bevölkerten, war im 19. Jahrhundert durchaus üblich und für die Kinder tägliche Realität.149 Auch die Besetzung von Objekten mit einem eigenen, aus der kindlichen Lebenswelt abgeleiteten Wert widersetzte sich einer allzu einfachen Nützlichkeitspädagogik. Hauptmann beschreibt sein Murmelspiel als eine emotionale Achterbahnfahrt: Im Spiel mit diesen bunten Kugeln habe ich in einem durch viele Monate dauernden Hang alle Zustände eines Monte-Carlo-Spielers durchgemacht. […] Auf diese Weise war ich zu einer bestimmten Zeit ein Krösus geworden. In kleinen Körben, wie dieser Gold in gewaltigen Amphoren seiner Schatzkeller, bewahrte ich meinen Gewinn an bunten Kugeln auf.150

Das Beispiel der gesprengten Spardose deutet an, dass die Darstellung des Geldes nicht immer im dafür vorgesehenen Rahmen der Pädagogik und Ökonomie verlief. Grenzüberschreitungen, fantastische Ausschmückung und Subversion sowie die Imaginationen grenzenloser Geld- und Goldvermehrung waren vor allem in Märchen omnipräsent.151 Der Goldesel, dem man in Grimms Märchen Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack152 (1812) nur ein lautes „Brickle­ brit“ entgegen rufen musste und schon speite dieser Esel hinten und vorn unbegrenzte Mengen an Goldstücken aus, stellt ein tierisches Gegenstück zum (intakten) Sparschwein dar. In Rumpelstilzchen gibt ein Müller seine schöne Tochter an den König mit dem Versprechen, dass sie Stroh zu Gold spinnen könne. Mit der Unterstützung von Rumpelstilzchen wird sie zwar Königin, muss ihm aber ihr erstgeborenes Kind versprechen. Diesem Teufelspakt entkommt sie bekanntermaßen nur, weil sie seinen Namen errät. In Der gestiefelte Kater entpuppt sich die magere Erbschaft eines Müllersohns – der Kater – als eine reine Goldgrube, da dieser den König mit begehrten Rebhühnern versorgt und dafür redlich entlohnt wird. Der Kater erfindet eine neue Legende für den armen Müllersohn als Graf und intrigiert solange, bis dieser die Tochter des Königs heiraten kann und selbst König wird. Aus Verbundenheit wird der Kater erster Minister. Der Goldesel, das Gold spinnende Rumpelstilzchen und der gestiefelte Kater spielen alle mit der Vorstellung, dass sich Geld und Gold mit Zauberei und Raffinesse von Arbeits- und Eigentumsverhältnissen abkoppeln ließen. Hans im Glück feiert die Verschwendung, aus Frau Holles Kissen regnet es Gold und in den verschiedenen Fantasien über das Schlaraffenland wird das Geld im Schlaf verdient. 148 Popp,

Erinnerungen. Aus meinen Kindheits- und Mädchenjahren, S. 105. Vgl. insbesondere die preisgünstige englische Abenteuerliteratur für Arbeiter: James, Fiction for the Working Man. 149 Sanders, Records of Girlhood, S. 10–12. 150 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 167. 151 Horn, Gold, Geld, S. 1358; Richter, Märchen und Sparsamkeit. 152 Das Märchen ist den Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen aufgenommen. Für Herkunftsanalysen vgl. Uther, Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.

196  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Diese sind, darauf hat Dieter Richter hingewiesen, klare Gegenmodelle zu den bürgerlichen Moralgeschichten von Sparsamkeit und vom Wert der fleißigen Arbeit.153 Vielmehr wird in den Märchen der plötzliche Reichtum beschrieben, der sich einstellt, ohne dass der oder die Betroffene danach streben muss. Neben diesen utopischen Entwürfen, für die vor allem das glänzende Gold steht, finden sich jedoch auch diejenigen Märchen, wie Der Arme und der Reiche und Der Fischer und seine Frau, die verdeutlichen, dass Habgier Unglück schaffe.154 Der Sterntaler wiederum beruht auf der Annahme, dass sich Wohltätigkeit und Nächstenliebe auszahlen werden. Ein wohltätiges Waisenkind wird mit einem unbegrenzten Silbertalerregen belohnt, der auf sie herabgeht, nachdem sie ihr letztes Kleidungsstück für noch Bedürftigere gegeben hatte. Gerade die sich im 19. Jahrhundert an Erwachsene richtende, literarische Form des Märchens erlaubte Darstellungsweisen des Geldes, die jenseits der Währungskonvertibilität, der monetären Moral von Sparsamkeit und Arbeit sowie des Gefahrendiskurses lagen. Aber auch in der einschlägigen Kinderliteratur finden sich Beispiele für die Sehnsucht nach unbegrenzter Geldzufuhr. In einer Geschichte von 1893 sitzen mehrere Freunde zusammen und diagnostizieren das Problem ungleicher Taschengeldzuteilung. Als Lösung für die unterschiedliche Verteilung pekuniärer Ressourcen schwebt ihnen eine Maschine zur Herstellung von Taschengeld, eine „pocket-money machine“, vor.155 Auch Wilhelm Busch’s Geschichten bewegten sich oftmals jenseits des ökonomischen und pädagogischen Regulierungsdiskurses. Geld kommt in seinen Zeichnungen und Texten immer wieder als ein Gegenstand vor, der verschwindet, gestohlen wird und an falschen Orten wieder auftaucht.156 Seine Lieder eines Lumpen aus dem Jahr 1859 waren von eher zurückhaltender Übereinstimmung mit den bürgerlichen Werten von Sparsamkeit und Redlichkeit: Ich hatt’ einmal’n Gulden Da dacht ich hin und her, Wie wohl der schöne Gulden Am besten zu brauchen wär. Ich dacht an meine Schulden, Ich dacht an’s Liebchen mein, Ich dacht auch an’s Studiren, Das fiel zuletzt mir ein. […] Was sollt ich Ärmster machen? Ich wußt nicht aus noch ein.

153 Richter,

Märchen und Sparsamkeit, S. 174 f. Vgl. Richter, Schlaraffenland. auch Simeliberg der Gebrüder Grimm über einen habgierigen Bruder, dem die Gier nach unbegrenztem Gold den Tod bringt oder Der gestohlene Heller über ein Mädchen, das sich lieber einen Zwieback kauft, als das Geld einem Bettler zu geben, und deshalb sterben muss. Vgl. Marzi und Westenberger, Märchen von Gold und Geld. 155 Pocket-money, Chums, 2. 8. 1893, 47, S. 749. 156 Z. B. Busch, Der Katzenjammer am Neujahrsmorgen, in: ders., Die Bildergeschichten, Bd. I, S. 551; Ein galantes Abenteuer, in: Ebd., S. 452 f. 154 Vgl.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  197 Im Wirtshaus an der Brucken Da schenkt man guten Wein. […] Ich zahlte meine Zeche, da war mein Beutel leer Ich hatte einmal’n Gulden Den hab ich jetzt nicht mehr. […] Von einer alten Tante Ward ich recht schön bedacht. Sie fünfhundert Gulden Beim Sterben mir vermacht. Die gute alte Tante!! Fürwahr! Ich wünschte sehr, Ich hätt’ noch mehr so Tanten Und – hätt sie bald nicht mehr.157

Die Sehnsucht nach einer plötzlichen Erbschaft durch den Tod eines Verwandten gehört zu den Geldfantasien, die sich auch im 19. Jahrhundert nicht an moralischen und ökonomischen Dogmen orientierten.158 Der tatsächliche Geldregen durch eine Erbschaft konnte allerdings zu erheblichen Störungen der familiären Ordnung führen, wie sich Zeitgenossen erinnern. Nachdem der Großvater mütterlicherseits 1870 gestorben war, seien die Schwierigkeiten in seiner Familie erst sichtbar geworden, beschreibt Gerhard Hauptmann. Seine Mutter sei allein zur Testamentseröffnung gegangen: Sie hatte ihm [dem Vater, S.M.], wie sie uns später einmal erzählte, eine Schürze voll Gold im Werte von tausend Talern nicht ohne einige Freude und einigen Stolz mitgebracht. Ich hörte zunächst, wie mein Vater äußerst erregt die Worte ‚Behaltet euch euren Mammon‘ der Mutter entgegenschleuderte, und dann das Fallen, Klingen und Rollen von Geld.159

Hauptmann erlebte die darauffolgende Krise zwischen Vater und Mutter über die Verschuldung und die Unzufriedenheit der Mutter mit ihrem Leben im Kurgasthaus als peinlich und als ein „Erdbeben“160, welches sein Bild von einem sicheren Heim unumkehrbar zerstört habe. Allerdings, so schreibt er retrospektiv, hätte er die elterliche Krise und den nahenden Konkurs der Familie durch kindliches Spiel schnell wieder vergessen. Entgegen der real erlebten Erbschaftsprobleme beinhalteten fantastische Geschichten und Märchen über plötzliche Wohltaten oft ein Fabelwesen, dem arme 157

Ebd., S. 649 f. auch die kurze Erzählung Geschichte eines Thalers, die in Reimform aus der Perspektive eines Geldstückes erzählt: „Gesagt, getan, beim reichen Mann,//Bringt unser Veit die fünfzehn Thaler an.//Ach, da begann die rechte Leidenszeit,//Beim Bäcker war’s dagegen gold’ne Zeit.//In Kisten, wohl verschlossen und verpicht,//Sahn’ Jahre lang wir nie das Tageslicht.// Kein Freudelaut erreichte unser Ohr.//Nach Dieben ängstlich spähend, ging der alte Thor,// Nur stöhnend, seufzend, still und stumm,//Voll Bangen unter uns herum.//Ha! wie beweint’ ich die verlorne Zeit!//Doch, endlich schickt der Tod zur Ewigkeit//Herrn Harpagus und all sein Geld//Zerstreuten lust’gen Erben durch die Welt.“ Anna, Geschichte eines Thalers, S. 7. 159 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 101. 160 Ebd., S. 103. 158 Vgl.

198  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Leute, ohne es zu wissen, Gutes tun und dafür belohnt werden. So rettet in einer Geschichte des Töchter-Albums von 1857 eine arme Mutter einer kleinen Katze das Leben. Die Katze entpuppt sich als eine Fee, die einmal pro Jahr sterblich wird und deshalb auf Hilfe angewiesen ist. Aus Dank lässt sie der Mutter und ihren beiden Töchtern Clara und Pauline ein Paar autonome Stricknadeln zurück, die durch ihre selbsttätige Produktion die finanzielle Situation der Familie deutlich verbessern.161 Als aber die Mutter stirbt, geben sich die Mädchen dem Müßiggang hin und lassen nur noch die Nadeln für sich arbeiten: All ihr Sinnen und Denken war nur darauf gerichtet, sich Vergnügen zu machen und sich zu putzen. Das kleine Vermögen, welches die Mutter erspart, schmolz auf diese Weise immermehr zusammen, und Alles, was die Nadeln einbrachten, wurde augenblicklich wieder für Staat und unnütze Sachen ausgegeben. […] So trieben sie ihr faules und unnützes Leben eine lange Zeit.162

Die Fee erscheint noch einmal und nimmt den beiden Mädchen die Nadeln weg, so dass diese ihr altes, arbeitsames Leben wieder aufnehmen müssen. Sie bemerken, dass sie sich so viel zufriedener fühlen als mit dem Schlendrian der Vergangenheit. Der literarische Einsatz von Zaubermitteln diente also nicht immer der Subversion, sondern konnte auch zur Unterstützung von Arbeitsfleiß und Strebsamkeit angeführt werden. Zu diesem Zweck wurden oft Figuren in die Geschichten integriert, die als moralische Instanzen fungieren. In der kleinen Erzählung The Money-Spider (1882) glaubt ein Mädchen, dass die von ihr sorgfältig in die Luft gehaltene Spinne „a fairy spider“ sei, die das von dem Dienstmädchen des Hauses dringend benötigte Geld produzieren könne. Sie wird von der eigenen Mutter entdeckt, die daraufhin einen nützlichen Vorschlag macht. Das bedürftige Dienstmädchen lehre die Tochter des Hauses das Stricken und die Produkte würden zu Geld gemacht, welches das Dienstmädchen behalten dürfe. Die Mutter präsentiert die Moral: „So you may be your own money-spider, Lucy, it will be only knitting instead of spinning“.163 In dem Gedicht Tommy and his Shilling vergräbt ein Junge seinen kostbaren Fund, einen Shilling, und wässert ihn täglich in der Hoffnung, dass er sich vermehre. Dies wird von der Mutter untersagt und in andere Bahnen gelenkt. Sie empfiehlt ihm, zwei armen Kindern Bücher zu kaufen, damit diese das Lesen erlernten: „To this use if you will spend it, precious seed you then may sow, and ere many months are ended, trust me, you will see it grow.“164 Die Erzählungen über Stricknadeln, die money-spider und das Gießen von Geldmünzen präsentieren mit ihrer Moral in den Geschichten ein Korrektiv zur grenzüberschreitenden Fantasie der Kinder, in der das Geld jenseits seiner Äquivalenz zur Arbeit und zu einem Produkt erscheint. Auch Gelddiebstahl wurde in der Kinder- und Jugenddiebstahl folgerichtig moralisch delegitimiert, indem er als ein Schritt zum stetigen Unglück der Diebin oder des Diebes präsentiert wurde: „She was unhappy from the moment of her 161 Martin

Claudius, Das schneeweiße Kätzchen, Töchter-Album 1857, S. 270–277. Ebd., S. 276. 163 Miss Keeling, The Money-Spider, Sunday school hive, 1. 12. 1882, S. 187  f., hier S. 187. 164 Tommy and his Shilling, The Children’s Friend, 1. 7. 1863, xxxi, S. 110. 162

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  199

taking the money.“165 Oder wie die deutsche Kinderbuchautorin und Lehrerin Margarete Lenk (1841–1917) in der kurzen Geschichte Der Taler eine reuige Gelddiebin seufzen lässt: „Ich bin nie mehr so recht froh gewesen seit jener Zeit.“166 Positiv besetzter Gelddiebstahl war im viktorianischen Zeitalter vor allem über die Aufbereitung der jahrhundertealten Legende von Robin Hood wahrnehmbar. Mit Howard Pyles Interpretation der alten Legende in The Merry Adventures of Robin Hood of Great Renown in Nottinghamshire (1883) wurde der erst im 20. Jahrhundert populär gewordene Mythos eines Räubers, der von den Reichen stiehlt, um es den Armen zurück zu geben, für Kinder aufbereitet.167 Es fehlten aber auch nicht die warnenden Stimmen, die Robin Hoods Vorbildfunktion für Kinder stark bezweifelten.168 Einige Autoren nutzten eine allegorische Darstellung, um mit der Belebung des toten Geldes Fragen der sozialen Ordnung und Ungleichheit zu thematisieren.169 In der Erzählung A conversation which once took place between half-a-crown and a shilling, die 1858 in einer Jugendzeitschrift für Sunday Schools erschien, werden in einem Gespräch zwischen zwei Geldstücken, die in einer Hosentasche aufeinander treffen, vordergründig die Wertigkeiten verschiedener Geldstücke erläutert.170 Der Shilling bedauert es, nur 12 Pence wert zu sein und neidet dem Half-Crown seinen höheren Wert (zweieinhalb Shillings). Die Half-Crown-Münze gibt die potentielle Unendlichkeit des Begehrens nach einem höheren Wert zu bedenken: „if I were a sovereign, I should be in great distress, at times, to think I was not a five pound note, I should sigh very often to think I was not a Bank of England Twenty.“ 165 The

folly of sin, The Children’s Friend, 1. 2. 1824, II, S. 43–45, hier S. 45; vgl. auch: Willie’s Kite; or, the stolen shilling, The Children’s Friend, 1. 8. 1867, lxxx, S. 114 f. 166 Lenk, Der Taler, S. 15. 167 Pyle, Merry Adventures of Robin Hood. Eine frühe Version der Robin Hood-Legende für Kinder erschien schon 1841 und in weiteren Auflagen, war aber keineswegs so populär, wie die des Amerikaners Pyle. Percy, Robin Hood; vgl. Carpenter, Robin Hood in Boys’ Weeklies. 168 Ebd., S. 48. 169 Erzählungen, in denen der Ich-Erzähler eine Münze ist, gab es auch ohne sozialkritische Perspektiven. Vgl. Anna, Geschichte eines Thalers; Frankenberg, Erlebnisse eines Marien­ thalers. In Frankenbergs Roman erzählt ein Taler seine Geschichte, u. a. über seine Prägezeit, illustriert als Studium in München, wo er mit der „Wissenschaft“ in Kontakt gekommen sei: „Kaum war ich den Flammen entronnen, da ging es zur ersten Prüfung, die sich auf meinen Feingehalt bezog, und die ich prächtig bestand. Ich fühlte mich ein wenig freier und wollte eben aufatmen, da kam ich zwischen ein Walzenpaar, ich empfand einen Druck, daß mir hören und sehen verging, und beinahe hätte ich alle Wissenschaft wieder vergessen.“ Diese Geschichte nimmt ebenfalls die Unterschiede zwischen Münzsorten zum Anlaß, über Klassenverhältnisse zu berichten: „Ich hatte nämlich durch diese kurzen Beobachtungen erkannt, daß ich der niederen Aristokratie oder zu deutsch dem Geldadel angehörte. Ich stand also in der Mitte zwischen Bürgertum und Adel, konnte so leichter mit allen verkehren und war dabei doch meistens in guter Gesellschaft.“ Ebd., S. 7, 9. In der Geschichte The Adventures of a Leather Purse von 1897 bekommt ein zehnjähriger Junge eine Geldbörse ohne Inhalt von seiner Tante geschenkt. Aufgrund eines Diebstahls geht das Portemonnaie auf Reisen und die Geschichte folgt ihren Stationen. Corbet-Seymour, Adventures of a Leather Purse. 170 R.H., A Conversation which once took place between half-a-crown and a shilling, The juvenile companion and sunday school hive, 1. 7. 1858, S. 178–182.

200  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Auf diesen Gedanken der Half-Crown-Münze reagiert der Shilling mit dem Verweis auf zu komplexe Gedankengänge: „But, hold! my good half-crown, that’s philosophy, and you can’t expect shillings to understand philosophy.“171 Der Shilling betont dagegen die verschiedenen Rollen, die sie im Leben zu spielen scheinen, und unterstreicht seine eigenen Erfahrungen: „Well, the fact is, I felt so very small, and especially when you jostled against me just now, and disturbed my dreams and slumbers. It seems, as though you half-crowns were made to make way, and we shillings to give way in the world.“172 Die Half-Crown-Münze setzt dagegen, dass sie beide genauso wertvoll seien, wie „that golden guinea yonder which lies securely in master’s heavy cash-box, while we lie here tumbling about in the dark in master’s pocket.“173 Die Münze versichert dem Shilling ihren nominalistischen Wert. Sie repräsentierten beide die Zeichen der Königin who is the greatest monarch in the world; that we both bear the royal arms of England, which is the greatest nation in the world; that we are both protected by the English laws, which are the wisest laws in the world; for you must know, brother shilling, that no man in these realms dare maliciously injure, deface, or destroy us, under a penalty of a heavy fine.174

Der Shilling ist darüber begeistert und verspürt die mit dem monarchischen Zeichen verbundene Wertsteigerung und Problemlösung: „I begin to feel myself of some importance in the world, although I am only a shilling, especially as I bear the image of our beloved Queen […]. I think I may possibly get over my trouble now.“175 Die Steigerung des Selbstwertgefühls und die Behebung seines Minderwertigkeitsgefühls führen den Shilling dazu, seine skeptische Haltung zur Philosophie zu überdenken: But I say, Mr. Half-Crown, I didn’t know that you half-crowns were philosophers. I have been in company and conversation with many of your family in my time, but I am sure I never learnt so much in all my days from them, about the philosophy of living as I have done in these few minutes from you. […] I shall want more philosophy.176

Der Autor dieser Geschichte deutet dem Leser und der Leserin an, dass sich hinter einer baren Münze mehr verstecke als nur der Wert ihres Materials. Er benutzt die Referenz auf die Philosophie zur Illustration weiterer Bedeutungsebenen. So verkörpern die sprechenden Geldmünzen die christliche Grundannahme der Gleichheit jenseits ihres Tauschwerts.177 Die dazu notwendige Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Ökonomie auf die Philosophie wird von beiden Münzsorten als notwendig erachtet. Den Lerneffekt des Shillings überträgt der anonyme Autor 171

Ebd., S. 179. [Hervorhebungen im Original] 173 Ebd., S. 180. 174 Ebd. 175 Ebd. 176 Ebd., S. 181. 177 Vgl. auch Anna, Geschichte eines Thalers, S. 5  f. Ein glänzender Taler beschreibt seine verdrießliche Lage, als er bei einem Bäcker landet und feststellt, dass er alt geworden ist: „Mich Aermsten schob man durch ein Loch,//zu vielen schmutz’gen Thalern noch.//Ach! Hier in diesem finstern Grab,//Kühlt sich zuerst mein Müthchen ab.//[…] Laß dich die verlor’ne Schönheit nicht grämen,//Den inneren Werth kann Niemand dir nehmen.“ 172 Ebd.

1. Arbeit, Taschengeld und Spardosen: Modi der Geldpräsenz  201

zum Schluss seiner Erzählung auf die kindlichen LeserInnen und verweist darauf, dass sie die Shillings und die Half-Crowns ihre Lehrer seien. Alle seien Geschöpfe Gottes, unabhängig davon, ob als Shilling, Pence oder Sovereign.178 Die angedeutete Subversion, die die in Hosentaschen unkontrolliert miteinander kommunizierenden Geldstücke darstellen könnten, wird am Ende der Erzählung wieder eingefangen, die fantastische Belebung der unbelebten Objekte als Allegorie entlarvt und mit einem Lehrsatz über die Gleichheit Aller vor Gott versehen. In einer anderen allegorischen Erzählung von 1878 wurde eine kritische Dimension zumindest erwähnt. Ein bedrückter Shilling und eine arrogante 100 Pfund-Note liegen nebeneinander in der Kasse einer Bank. Der Shilling ist in einer Sinnkrise, weil er denkt, er sei nichts wert. In den Händen einer armen Witwe und anderer Armer aber bemerkt er, dass er für Bedürftige eine enorme Bedeutung hat. Bei seiner Rückkehr in die Bank erfährt er von der Banknote, dass diese nun deprimiert ist, weil sie nur von einem Tresor reicher Leute zu ­einem nächsten Tresor gewandert ist. Auch dieser Shilling habe seine ‚philosophische‘ Lektion gelernt, resümiert der Autor: „It is better to be small and go among the multitudes doing good than to be so great as to be imprisoned in the safes of the few.“179 Insgesamt betrachtet präsentierte die Kinder- und Jugendliteratur wenig Unerwartetes. Die Zahl der widerspenstigen Geldpräsentationen war weitaus geringer als die moralisierenden Geschichten zur monetären Erziehung und Disziplinierung der Kinder. Abgesehen von Textgattungen, die sich nicht ausschließlich an Kinder und Jugendliche richteten, wie Märchen und Wilhelm Buschs Zeichnungen, blieben die meisten AutorInnen ihrer pädagogischen und bürgerlichen Mission verbunden. In ihrer inhaltlichen Ausrichtung war die Kinder- und Jugendliteratur durchaus mit der zeitgenössischen Belletristik, insbesondere den Romanen des Realismus verwandt. Zunehmend wandten sich SchriftstellerInnen den ökonomischen Verhältnissen und den „bürgerlichen Geldmenschen“ zu.180 Kritisch zeichneten erfolgreiche Autoren, wie etwa Charles Dickens, Elizabeth Gaskell, Gustav Freytag und später Thomas Mann im Gesellschaftsroman Kinder des Pauperismus, wie Oliver Twist, Arbeiterfrauen wie Mary Barton, ehrlose Kaufmänner wie Hirsch Ehrenthal oder scheiternde Unternehmer wie Thomas Buddenbrock nach. Sie einte das Anliegen, die ökonomischen Verhältnisse im Kapitalismus in den sozialen und familiären Beziehungen der Menschen zu spiegeln und die Gefahren des Geldes zu beschreiben.181 Auch in diesen Romanen des 19. Jahrhun178 R.H.,

Conversation, S. 182. Diese Geschichte findet eine Fortsetzung in einem späteren Heft. Beide Münzen sind weit herum gekommen und haben viel aus dem ersten Gespräch gelernt, wie sie beide betonen. In diesem Gespräch lernt der Shilling eine neue Lektion über „contentment, humility, charity, fidelity, and perseverance in well-doing“, die am Ende dem Leser als wichtige Lektion präsentiert wird. The Half-Crown and the Shilling again, The juvenile companion and sunday schiool hive, 1. 3. 1860, S. 60–66. 179 The Shilling and the Bank-Note, Wesleyan juvenile offerings, 1. 3. 1878, 135, S. 28  f. 180 Döcker, Ordnung der bürgerlichen Welt, S. 177. 181 Hermand, Das liebe Geld, S. 105–122; Kinder, Geldströme.

202  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert derts wurde „rücksichtsloses Gewinnstreben“182 und Geldbesitz ohne wohltätiges Handeln verdammt. Ein „Geldsack“, so die zeitgenössische Abwertung großer Unternehmer, galt vordergründig als unvereinbar mit dem bürgerlichen Wertehimmel.183 Die Diskrepanz zwischen der erinnerten Armutserfahrung in den autobiogra­ fischen Dokumenten einerseits und dem Versuch der Harmonisierung sozialer Gegensätze in der Kinderliteratur andererseits ist ein wesentliches Ergebnis der Zusammenschau dieser beiden verschiedenen Quellengattungen. Die Abwesenheit von ausreichendem Bargeld und die mangelnde Sicherstellung der Lebensgrundlage, mit der viele junge Menschen im 19. Jahrhundert zu kämpfen hatten, wurden in den moralischen Geschichten als unveränderbare Ordnung dargestellt. Während die Kinder in ihrer sozialen Realität sehr deutlich erfuhren, welche Folgen der Geldmangel hatte, präsentierten ihnen die Kindermedien eine Welt der monetären Bescheidenheit, in der die Abwesenheit von Geld auch noch zu ihrer charakterlichen Schulung beitragen sollte. Für diejenigen aber, die auch als Kinder über Geld verfügen konnte, entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein Markt für Spielwaren, der die wohltätige Gabe als alleinige Form der Ausgabe um weitere Optionen erweiterte.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe Geld in den Händen von Kindern und Jugendlichen produzierte eine Reihe von moralischen und praktischen Fragen: Wie war dieses Geld zu bewerten? Welche Verwendung sollten Mädchen und Jungen dafür finden? Wie sollten Gabe und vor allem Ausgabe geübt werden? Während die wohltätige Gabe zum Kernbestand der christlichen Sozialisation und des bürgerlichen Habitus gehörte, war die Geldausgabe für Waren eine relativ neue Handlungsoption für Kinder, die sich zwar schon am Ende des 18. Jahrhunderts in den englischen Metropolen andeutete, aber erst in der zweiten Hälfte größere Ausbreitung erfuhr. Nun konnte die Geldausgabe auf dem sich weiter entfaltenden Markt für Spielwaren geübt werden. Mit Kaufläden und Spielgeld ließ sich auch der Kaufakt spielerisch nachstellen. Das folgende Kapitel thematisiert sowohl die Wohltätigkeit als auch die konsumtive Geldausgabe und analysiert das Verhältnis der beiden Handlungsweisen als einen Ausdruck von Säkularisierung und Kommerzialisierung. Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Spende als Teil der Charakterbildung verstanden wurde, verlor dieser Aspekt in der zweiten Hälfte deutlich an Prägekraft. Wichtiger für die Ausbildung des Charakters wurden nun der Konsumakt und seine Gefahren, die durch Übungen eingedämmt werden sollten. Mädchen und ihr Umgang mit Geld spielten in dieser Entwicklung eine zentrale Rolle. 182 Hodenberg, 183 Budde,

Der Fluch des Geldsacks, S. 81. Das wechselvolle Kapital, S. 103.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  203

Wohltätigkeit praktizieren: Geld spenden Religiös motivierte Armenfürsorge war eine Verpflichtung und soziale Praktik der bürgerlichen Schichten im 19. Jahrhundert.184 In den deutschen Staaten übernahmen die katholische Laiencaritas, die bürgerlichen Vereine und die protestantischen Armen- und Krankenhäuser die Versorgung der Armen. Die individuelle Kollekte und das Mäzenatentum unterstützten entsprechende Einrichtungen. Daneben stand die im Verlauf des Jahrhunderts zunehmende Bedeutung der wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen des Staates, der seine Fürsorge als Verpflichtung gegenüber den Rechten seiner BürgerInnen begriff.185 In Großbritannien wurden diese Aufgaben sehr viel stärker von den philanthropischen Vereinen der Civil Society übernommen, die auch in die politischen Auseinandersetzungen über soziale Reformen, die Ursachen der Armut und die Form der Fürsorge intervenierten. Sie reagierten auf den gesetzlich sanktionierten Arbeitszwang und den Rückzug lokaler und staatlicher Hilfen seit der Veränderung der Armengesetzgebung. Stärker als in den deutschen Staaten verfolgten sie eine Erziehung zur Selbsthilfe.186 Wohltätiges Verhalten war als Norm und Praxis in den kindlichen Sozialisationen omnipräsent. Die Geldgabe an individuelle Arme und die Spende im Gottesdienst für die Mission sollte, das galt schon im 18. Jahrhundert, aus den Beständen des Taschengeldes erfolgen.187 Im Vordergrund der religiösen Diskurse stand die Kritik am Geld als Garant für persönliche Glückserfahrungen. Geld wurde als Gabe an Bedürftige geschätzt, aber jenseits dieses Handelns in seinen Auswirkungen auf das individuelle und kollektive Glück durchaus ambivalent beschrieben. Die Geldspende produziere eine eindeutige Linderung der Not auf der einen und ein seliges Gefühl auf der anderen Seite der Gabe.188 Vor allem arme Kinder und Afrikaner waren als Bedürftige in anerkannt und repräsentierten in den Kindergeschichten beider Untersuchungsgebiete die legitimen Empfänger des gespendeten Taschengeldes: „How many negroes, orphans, and other poor children might then be benefitted“, so die Aussage des Reverends einer Sunday School, wie sie in einer Notiz im Child Companion 1829 wiedergegeben wird.189 Am Ende der Geschichte eines Talers lässt der Autor einen den Münzen zuhörenden Jungen resümieren: „Du sollst auch mir ein liebes Andenken und eine Mahnung zur Wohlthä184 Brocke, Armenfürsorge. 185 Vgl. Sachße

und Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge; Lingelbach, Spenden, S. 30–41. den Unterschieden zwischen den deutschen Staaten und Großbritannien vgl. Ritter, Der Sozialstaat, S. 45–48. 187 Burnett, Destiny Obscure, S. 42; vgl. auch: C.N., Little George and his guinea, The children’s friend, 1. 1. 1825, XIII, S. 10  f.; A little boy’s farthing, The children’s friend, 1. 12. 1858, 420, S. 281–283. 188 Geben ist seliger als Nehmen, Das Pfennig-Magazin für Kinder, 10, 11. 3. 1837, Leipzig 1837, S. 77–79.; vgl. auch: Anna, Geschichte eines Thalers, S. 4 f. 189 W.A.R., On spending money, The child’s companion or sunday scholar’s reward, 1. 10. 1829, 70, S. 310; G.B. Bartlett, How the children earned money for charity, St. Nicholas, 1. 9. 1882, 11, S. 875–877; E.K., A penny saved is a penny gained, The child’s companion or sunday scholar’s reward, 1. 5. 1827, 41, S. 156. 186 Zu

204  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert tigkeit gegen Arme und Notleidende und auch gegen arme Heidenkinder in fernen Ländern sein.“190 Die im Rahmen der Wohltätigkeit verorteten Erzählungen und Geschichten basierten alle auf einer Erziehungsvorstellung. Den LeserInnen wurden Identifikationsfiguren angeboten, die einen Lernprozess durchmachten. Die beschriebenen Akteure lernten, kleine Opfer zu bringen, um anderen Gutes zu tun.191 Das Gespräch zwischen einem Elternteil und dem Kind illustrierte in der Regel die Moral der Geschichte, deren Trägerin die erwachsene Figur ist. So wird beispielsweise in einer Erzählung von 1834 ein unüberlegt für Kuchen eingesetzter Penny zum Ausgangspunkt eines Gesprächs zwischen Vater und Sohn. Der Vater schildert, wie er als Junge mit nur einem Penny eine verhungernde Frau retten konnte, weil er dafür Milch kaufte. Deren Dankbarkeit mache ihn bis heute froh.192 Politische Deutungen der Armut dagegen blieben in derartigen Geschichten unberücksichtigt und das im Erscheinungsjahr der genannten Erzählung verabschiedete New Poor Law wurde nicht erwähnt. Die Geschichten und Erzählungen über wohltätiges Verhalten folgten alle ­einem ähnlichen Skript. In vielen Quellen agiert ein Kind mit Geld und gibt einen Betrag des Taschengeldes aus. Dabei wird es von der Mutter oder dem Vater beobachtet. Vielfach erfolgt danach der Auftritt einer bedürftigen Person, für die das Kind aufgrund seiner frühen Ausgabe kein Geld mehr erübrigen kann. Der einsetzenden Beschämung über das eigennützige Verhalten folgt die Anpassung und Verbesserung des zukünftigen monetären Handelns.193 Thematisch verwandt mit diesen hierarchisch aufgebauten Erziehungsgeschichten zwischen Eltern und Kindern sind die Erzählungen über Geschwisterkinder, in denen zumeist die Mädchen sorgfältiger mit ihrem Geld umzugehen wissen als ihre Brüder. Auch hier werden der Hunger und die Armut von Anderen zu einer beschämenden Erfahrung und das gute Beispiel der Schwester vermittelt das Lernziel.194 Viele Erzählungen endeten mit der expliziten Erklärung ihrer moralischen Zielsetzung. Die Frage einer Mutter an ihre Tochter: „Was lernst du daraus?“, nachdem sie ihr eine moralische Geschichte über mangelnde Wohltätigkeit erzählt hat, veranlasst die Tochter zu einer Brotgabe an ein armes Kind.195 In dem anonym verfassten Buch The Way To Spend Pocket Money: Or Johnny and his Grandmother, das 1854 in einer Reihe von drei Bänden als Daily Reading for Little Children erschien, sind einige dieser Elemente in besonders eindrücklicher Weise idealtypisch miteinander verknüpft. Es werden vier Geschwisterkinder bürgerlicher Herkunft (Frank, Arthur, Eva & Mary Graves) mit der Bescheidenheit und Armut einer alten Frau und ihrem achtjährigen Enkel Johnny konfron190 Frankenberg,

Erlebnisse eines Marienthalers, S. 111. little way to do a great deal of good, The child’s companion or sunday scholar’s reward, 1. 11. 1835, Nr. 47, S. 341 f. 192 Gaius, A penny may save a life, The child’s companion, 1. 4. 1836, 52, S. 123  f. 193 The worth of a shilling, The child’s companion, 1. 4. 1840, 28, S. 97. 194 Freely give, The child’s companion or sunday scholar’s reward, Oct, 1842, 58, S. 296  f. 195 Philipp Gutwill, Die zwei Brüder, Töchter-Album, 1857, S. 261. 191 A

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  205

tiert.196 Die Kinder werden als wohlhabend und ohne Mangelerfahrungen beschrieben. Sie sind erstaunt über die Armut der älteren Frau und ihres Enkels: „But how can you live without meat, sugar, and a hundred other things?“197 Die Großmutter antwortet mit Bescheidenheit, Schicksalsergebenheit und mit dem Verweis auf ihren fleißigen Enkelsohn. Johnny habe eine reichhaltige Erfahrung als Kinderarbeiter auf dem Feld, mit dem Vieh und in der Gartenarbeit und sie sei stolz auf seinen Beitrag zum Haushaltsbudget: „I think he brought me in ninepence last week! This is not much you will say, but every penny helps; and as he grows older, I think he may get stronger, and then he will make more. He works very steadily.“198 Johnny spare zudem die Hälfte seiner Verdienste, um der Großmutter eine Bibel mit einer größeren Schrift zu kaufen, damit sie sie auch in seiner Abwesenheit lesen könne. Die bürgerlichen Kinder sind darüber zu Tränen gerührt und verspüren einen unmittelbaren Impuls, Johnny bei seinem Sparen zu helfen und entleeren ihre Taschen: ‚Perhaps‘ cried Frank, ‚we might be able to help Johnny; here is two-pence halfpenny; I have not a halfpenny more to spare at present.‘ ‚And here is a silver threepenny piece to put in your broken cup.’ ‚Thank you, ma’am, thank you, sir,‘ exclaimed the delighted Johnny. ‚I have but one single halfpenny left, it is almost too little to offer you,‘ said Arthur, who generally spent his pocket money as soon as got. ‚I have not one single halfpenny,‘ said the little Mary, a tear gathering in her deep blue eye; but here are some sugar-plums for you;‘ and they proceeded to put the pennies into Johnny’s queer-fashioned purse.199

Anstatt aber die beiden Armen das Geld einfach einstecken zu lassen, beschreibt der Autor die Großmutter als sehr bedächtig und rücksichtsvoll. Sie beharrt da­ rauf, dass die Kinder ihre Eltern fragen, ob sie das Geld auch geben dürften. Die Eltern bestätigen die generelle Verfügungsgewalt der Kinder über ihr Geld, machen aber auch einschränkende Bemerkungen.200 Die Mutter der Familie legt auf die Bibel besonderen Wert und übergibt mit dem Geld auch noch ihren christlichen Rat: „I am sure you cannot spend your money better than in providing your kind parent with a Bible, such as I can get you for half-a-crown, and such as she can read herself, during your absence: but, my dear little boy, you must not give up reading the Bible yourself!“201 Um die weiteren notwendigen Dinge für Johnny und seine Großmutter zu beschaffen, sollen die Kinder kleinere Arbeiten verrichten, um das wohltätige Geld selbst verdienen. 196 Anon., Mamma’s

Budget, Bd. 2: The Way To Spend Pocket Money: Or Johnny and his Grandmother. 197 Ebd., S. 27. 198 Ebd., S. 34. 199 Ebd., S. 39  f. 200 „Patience, my dear Frank; and first, let me say, that your plan of saving up money enough to buy Johnny a suit of clothes, is an excellent one; but then, Eva appears to think, that the old women is worse off than her grandson for dress; whilst Mary wants Johnny to have some of Dame Gubbin’s gingerbread! and Arthur thinks, the old woman wants some meat and eggs! Now, many weeks must elapse before you can obtain money sufficient to carry out all these well-intentioned plans: whereas, I think the one I propose, might answer all purposes.“ Ebd, S. 47 f. 201 Ebd., S. 50  f.

206  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Diese Geschichte inszeniert eine für das Genre übliche, rührende Konstellation, die den Hintergrund für die angestrebten Lernprozesse der wohlhabenden Kinder darstellt. Die Handlungsspielräume der armen ProtagonistInnen spielen keine besondere Rolle, nachdem einmal bewiesen ist, dass sie gute Menschen sind. Arme Kinder, so die übliche Darstellungsweise, hätten einen besseren Charakter als die verwöhnten Reichen,202 sie seien dankbarer gegenüber Gott203 und würden gegenüber anderen Bedürftigen mehr Gnade walten lassen.204 Gottgläubigkeit und Arbeitsethik waren die Eigenschaften der legitimen Armen und wurden in den literarischen Darstellungen kontinuierlich als Erziehungsziele für bürgerliche Kinder ausgegeben. Sie dienten als Spiegel für die potentiell vermissten Fähigkeiten derjenigen, die die Schwierigkeit, Geld zu beschaffen nicht kennenlernen mussten. So unterstrich die Bescheidenheit der Armen, die sich in der Zurückweisung der Almosen zeigen ließ, die Gefahr, diese Tugend nicht zu erlernen, wenn das Geld automatisch die Taschen füllte. Ein alter, armer Mann weist in der französischen Erzählung L’enfant charitable (1844) das Geld eines Jungen mit den Worten zurück: „Mon petit ami, c’est trop d’argent, je ne puis et je ne dois l’accepter.“205 Auch er befragt die Mutter des wohltätigen Jungen nach dem Verwendungszweck des Geldes. Diese bestätigt ihm, dass der Sohn das Geld für wohltätige Zwecke abgeben dürfe.206 Neben der Einübung der Geldgabe und der Anerkennung von Demut und Bescheidenheit als Werten der Charakterbildung galt es auch zu erlernen, wie viel Geld zu geben angemessen war. Die Höhe der beschriebenen mildtätigen Gabe war in der Regel ein Betrag von symbolischer Höhe. Die Wertschätzung geringer Summen, die kindliche Spende von Pennies oder Pfennigen, diente der moralischen Erhöhung der Spender und sollte als positive Geste wahrgenommen werden. In der Einleitung zu Lucy’s Half-Crown: How She Earned it and How She Spent it unterstreicht die Autorin diese Lesart explizit, indem sie darauf hinweist, dass selbst die Ärmsten etwas zu geben hätten: The object of this story is not only to show that a very little money – even one shilling – well applied, may bestow great pleasure, but that those who have nothing to give away need not lament that they can do no good, for the loving spirit and the willing heart and hand will cause more happiness than can be readily supposed by those who, either having always had money at their disposal, or having always craved the possession of it, are apt to think it in the highest good.207

Im Unterschied zur Mehrzahl der moralischen Geschichten, ist die Protagonistin aus Lucy’s Half-Crown eine Arbeitertochter. Lucy, die Tochter eines strebsamen und ehrlichen Arbeiterehepaars, spart ihr selbstverdientes Geld und bewahrte ihren Shilling unter dem Kopfkissen auf, um sich eines Tages selbst ein Kleid kaufen 202 Clara

Jäger, Hermine, Töchter-Album, 1857, S. 351–372. Ebd., S. 358. 204 Ebd., S. 354. 205 Pétigny, L’enfant charitable, S. 6. 206 Ebd., S. 7. 207 Couper, Lucy’s Half-Crown, S. iii–iv. 203

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  207 Abb. 10: Only a farthing

zu können. Nachdem sie diesen Shilling durch eine unkontrollierte Leihgabe verliert, wendet sich Lucy, mittlerweile etwas älter, der Wohltätigkeit zu, so die Autorin in ihrer Ankündigung des zweiten Teils ihrer Erzählung: „When we next meet with her, we shall see how she cultivated ‚the art of making people happy‘ as a girl, as we have now seen ‚how she earned and how she spent‘ her money as a child.“208 Das wohltätige Kind als schichtübergreifendes Erziehungsziel fand seine literarische Zuspitzung in dem armen Mädchen des Märchens Sterntaler. Das literarische Gegenbild dieser Sterntaler-Figur, die wenig hat und trotzdem alles gibt, wird in der Kinder- und Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts durch eine reiche Person repräsentiert, die trotz eines beträchtlichen Vermögens ihr Geld hortet und darüber hinaus diejenigen ausplündert, die weniger oder nichts haben. Übermäßiger Reichtum ohne Fürsorge für diejenigen, die weniger besitzen, wurde wie schon im 18. Jahrhundert denunziert und als schädlich für den Charakter betrachtet: „Für gemeinnützige Bestrebungen, für Wohlthätigkeit sind sie taub und hören mehr 208

Ebd., S. 48 f.

208  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert oder weniger auf, nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu sein.“209 In der Regel nimmt es mit einer solchen Gestalt kein gutes Ende: Sie verlieren ihr Geld, erkranken ernsthaft oder sterben gar, wie in einer englischen Geschichte von 1840. Darin wird beschrieben, wie die Suche nach dem „most avaricious man in history“ die Diskussion von mehreren Jungen zwischen 10 und 15 Jahren eines Clubs aus Warwickshire antreibt.210 Nach dem informellen Gespräch unter den Heranwachsenden hält ein älteres Mitglied einen Vortrag über eine alteingesessene Familie. Der Mann habe seine Häuser teuer an Arme vermietet und ihnen zudem noch ihre für die Subsistenz bestimmten Gärten weggenommen. Eine Mahnung des örtlichen Geistlichen, sich anders zu verhalten, habe er in den Wind geschlagen. Als er erneut eine arme Mieterin plünderte, wurde er das Opfer eines von Jugendlichen verübten Diebstahls und habe sein ganzes Geld verloren. Aus Ärger und Kummer über den finanziellen Verlust erkrankte er schwer und konnte die hohe Rechnung für seine Pflege nicht mehr bezahlen. Als es in Folge zu einem Gerichtsverfahren wegen der Schulden gekommen sei, sei er darüber aus Gram gestorben. Auch im deutschen Pfennig-Magazin für Kinder der 1830er Jahre wurde das betrübliche Ende eines geizigen und habgierigen Mannes den jungen LeserInnen als Schreckbild präsentiert. Im Märchen Das steinerne Geld plündert ein Burgvogt namens Peter Poky seine Untertanen, enteignet sie, nachdem sie gegen seine Politik protestiert hatten und belegt das örtliche Heilwasser mit einer Gebühr, die die Kranken zu zahlen haben, wenn sie das Wasser nutzen wollen.211 Zur Strafe verwandelt sich sein Geld in Steine. In einer anderen Geschichte des Pfennig-Magazins stirbt der geizige Protagonist beim Geldzählen in seiner Pariser Wohnung, in die er und seine Frau sich zum „Schätze“ hüten zurückgezogen hatten.212 Die Kindergeschichten im 19. Jahrhundert nutzten weiterhin die Opposition zwischen Reich und Arm, um ihre Moral und die angestrebten Verhaltensideale zu illustrieren. Margarete Lenk, die bekannte Kinderbuchautorin, personifiziert den moralischen Gegensatz in ihrer Erzählung Der Taler durch zwei Freundinnen, das aus ärmlichen Verhältnissen stammende Hannchen und die verwöhnte, aber sehr beliebte Luise. Luise erlangt ihre Beliebtheit in der Schule durch das großzügige Verteilen von Naschwerk und Hannchen macht sich gute Freundinnen durch weise Ratschläge.213 Als Luise beginnt, ihr Taschengeld in der Konditorei auszu­ geben, um für ihre Schulkameradinnen etwas zu kaufen, gerät sie schnell in eine prekäre Lage: Wieder und wieder kauft sie, so daß ihr Monatsgeld zum erstenmal rein aufgezehrt ward, und kaum etwas übrig blieb zu einer Geburtstagsfreude für ihre gute alte Wärterin, die sie sonst immer 209 Der

Geiz, Das Pfennig-Magazin für Kinder, 49, 9. 12. 1837, S. 389 f. Parlour Stories, S. 28. Insgesamt handelt es sich um dreizehn Bände mit unterschiedlichen Erbauungsgeschichten, die jeweils circa 20 Seiten umfassen. 211 Das steinerne Geld. Ein Märchen, Das Pfennig-Magazin für Kinder, 17, 23. 4. 1836, Leipzig 1836, S. 130 f. 212 Der Geiz, Das Pfennig-Magazin für Kinder, 49, 9. 12. 1837, Leipzig 1837, S. 390  f. 213 Lenk, Der Taler, S. 4–6. 210 Ospringe,

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  209 reichlich beschenkt hatte. Im nächsten Monat wollte das Geld schon kaum reichen und im dritten war sie bereits so keck, daß sie ein paarmal etwas Schokolade mitnahm, ohne sie zu bezahlen.214

Beschämt bemerkt sie, dass ihre Geldvorräte durch die Ausgaben für Schokolade erschöpft sind, obwohl ihre Geldgabe einer bedürftigen Familie hätte helfen können. Der Vater, dem sie ihre Schulden beim Konditor verschweigt, sperrt ihr dennoch das Taschengeld. Der Konditor wiederum fordert Luise zur Begleichung ihrer Schulden in der Höhe eines Talers auf, ansonsten würde er ihren Vater informieren. Während Luise angstvoll überlegt, woher sie einen Taler bekommt, verliert Hannchen einen sorgfältig gesparten Taler, mit dem sie ihrer Mutter ein Geschenk kaufen wollte. Er wird durch die freundlichen Spenden der Mitschülerinnen schließlich ersetzt. Nach längerer Leidenszeit, kurz vor der Konfirmation, gesteht Luise endlich, dass sie es war, die den Taler von Hannchen stahl.215 Fortan aber, so lässt die Autorin die geistige Läuterung des Mädchens ausklingen, entwickelte sie sich zu einer großherzigen Christin.216 Wie viele andere Autoren vor ihr, verband Lenk in ihrer Geschichte Geld mit den Schwierigkeiten positiver Charakterentwicklung. Das Erkaufen von Freundschaften durch Süßwaren endet in Unaufrichtigkeit und im Diebstahl des von ihrer armen Freundin ersparten Geldes. Diese Niedertracht wird in Lenks Geschichte mit einem quälenden Gewissen gestraft und durch die freundschaftliche Spendensammlung für Hannchen im Klassenzimmer konterkariert. Richtige Freundschaft, so will die Autorin die LeserInnen wissen lassen, entsteht nicht durch das wahllose Verschenken von Naschwaren, sondern durch das beharrliche Mitdenken und Beraten. Charakterliche Stärke schreibt Lenk nur Hannchen zu, die trotz mangelnder pekuniärer Mittel ihrer Mutter eine Freude machen will und dafür sorgfältig sparte. Diese Erzählungen für Heranwachsende standen in der Tradition christlicher Diskurse, in denen Geld als wichtiges Mittel der Armenfürsorge zentral war und deswegen nicht ignoriert oder aus religiöser Tradition einheitlich diffamiert werden konnte. Auch in dezidiert religiösen Kinder- und Jugendzeitschriften, wie dem Child’s Companion oder The Children’s Friend, wurde Geld nicht durchweg abgelehnt.217 Das Bibelzitat „For the love of money is the root of all evil“ wurde zwar regelmäßig angeführt wurde, jedoch verwiesen viele Zeitschriften gleichzeitig auf die nützlichen Aspekte des Geldes, wie beispielsweise ein Artikel von 1885: „Money is the root of all evil – granted; but it is the root of all good, and such a powerful lever, exercising such an amazing influence for good or ill, that we are very wrong and foolish to esteem it but little.“218 Vielfach prägte Realismus diese Bewertung: Geld sei aus der Welt nicht wegzudenken. Relativierend machten viele 214

Ebd., S. 7. Ebd., S. 15. 216 Ebd., S. 16. 217 Rev. C. Vince, Sanctified uses of money, The juvenile missionary magazine, 2. 10. 1865, 257, S. 407–408; A few words about money, The Child’s Companion, 1. 10. 1867, 274, S. 305–307; T. C. Heath, All about money, Sunday School Hive, 1. 11. 1888, S. 163 f., S. 163. 218 Addern Holt, Money Obligations, The girl’s own paper, 12. 12. 1885, 311, S. 167. 215

210  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert religiöse und säkular orientierte Kinder- und Jugendzeitschriften deutlich, dass sie der uneingeschränkten Liebe zum Geld wiederum auch nicht das Wort reden wollten. Geld allein mache nicht glücklich, so die Zeitschrift The Juvenile Companion von 1865: „Try to cultivate what she did not possess – a cheerful and contented disposition – for all the money in the world cannot buy it, and without it you are poor indeed.“219 Unter demselben Titel – What money cannot buy – springt in einer anderen Erzählung ein reiches Mädchen über ihren Schatten, um eine Weihnachtsfeier für die armen Kinder im Ort zu organisieren. Die Geschenke hatte sie schon besorgt, aber es fand sich kein Raum für die Feier. Nur der Stall des gefürchteten Mr. Marshman erscheint als Möglichkeit. Letztlich überwindet das Mädchen ihre Angst und fragt erfolgreich um die Stallnutzung an. Die Moral der Geschichte – „money won’t buy all things“ – wird durch ein wohlhabendes Mädchen verkörpert, das sich selbst überwindet. Ebenso wie in Der Taler von Margarete Lenk wird Kritik am Geld implizit entfaltet, indem der Charakterbildung der Vorzug vor dem Geld­ besitz gegeben wird.220 Eine weitere Form impliziter Kritik an der Dominanz des Geldes fand sich in den Erzählungen, die die Beziehung zwischen Geld und Gott thematisierten. Der Wert von Dingen sei konkret feststellbar und messbar, während der Wert von Jesus nicht mit den Wertmaßstäben des Geldes zu bemessen sei, argumentierte ein Artikel von 1825 in The Child’s Companion: „We can tell how much many things are worth, but we cannot tell how much the Saviour is worth. Some things are worth one shilling, some things are worth five shillings, some things are worth a guinea, some things are worth a thousand guineas, but Jesus Christ is worth more than all the money that was ever made.“221 Während die Unmöglichkeit der monetären Inwertsetzung der religiösen Letztinstanz betont wurde, konnten monetäre und religiöse Werte dennoch in ein Äquivalenzverhältnis zueinander gesetzt werden.222 Die Erzählung How much are you in debt?, die 1850 im Child’s Companion erschien, thematisierte die über die semantische Verwandtschaft hinausgehende Beziehung zwischen Schuld und Schulden. Der Handlungsrahmen ist ein genretypisches Lehrgespräch zwischen Vater und Sohn. Der junge Henry spricht mit seinem Vater, der ein großes Rechnungsbuch in der Hand hält, und seinem Sohn die Notwendigkeit der Buchhaltung über die eigenen Schulden und Kredite erklärt. Der Sohn spielt ihre Bedeutung mit dem Argument herunter, dass er 219 What

money cannot buy, The Juvenile companion and sunday school hive, 1. 9. 1865, 9, S. 232–234, hier S. 234. 220 What money cannot buy, Our darlings, o. D., S. 248. 221 The unspeakabe gift, The child’s companion or sunday scholar’s reward, 1. 7. 1825, 19, S. 217 f., hier S. 218. 222 Manche Geschichten betonen die Äquivalenz der kindlichen Missachtung der Autorität des Vaters und von Gott: Tom Jones, ein Junge, der mit Geld um sich wirft, hat einen Vater, der keine Erziehungstätigkeit ausübt. Als 18jähriger stiehlt und trinkt er und endet letztlich auf der Straße, eine Entwicklung, die schon im Kindesalter abzusehen gewesen sei, so der Erzähler. W., History of sinful Tom Jones, The child’s companion or sunday scholar’s reward, 1. 5. 1830, 77, S. 129–137.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  211

­weder Schulden gemacht noch Kredite vergeben habe. Sein Vater aber ist anderer Meinung und beginnt dem Sohn aufzulisten, wie hoch er tatsächlich verschuldet sei: „Take your place there beside me, while I play the part of an accountant. I might bring in my own account for seven years’ food, clothing, lodging, and education; for which I might fairly charge you a few hundred pounds, but I will pass this by.“ Der Sohn ist überrascht über die väterliche Perspektive, während dieser weiter ausführt, dass er der Sohn zweier Väter sei und bei beiden Schulden hätte: „Your two principal creditors are your earthly father and your heavenly father. What you owe to the former is not worthy of being mentioned in comparison of what you are indebted to the latter.“ Der Autor lässt den Vater über den Wert der menschlichen Sinne und des Verstandes sowie der Fähigkeiten zu denken und zu sprechen referieren: „I have but just begun the account of your debts, and have a very long list to go through. No doubt you set some value on the faculty of speech. I hardly think that you would willingly be dumb for a trifle.“ Der Sohn ruft aus: „Dumb! No, not for all the money in the world.“ Der Autor bricht die Äquivalenzbeziehung zwischen Schuld und Schulden an dieser Stelle ab, indem er den Vater auf den nicht in Geld zu bemessenden Wert bestimmter Fähigkeiten verweisen lässt. Der Sohn hat verstanden, dass die väterliche Buchführung, die er zu Beginn ablehnte, auch ihn betrifft. Er entwickelt ein Bewusstsein seines Leben in Schuld und Schulden: „What a debt you have brought in against me! […] You forget nothing, papa; you bring everything into my account.“ Der Vater resümiert: „You are indebted for life, understanding, speech, health, friends, the Bible, some hundreds of Sabbaths, a throne of grace, and the hope of glory through our Lord and Saviour Jesus Christ, worth more, as you acknowledge, than a thousand worlds, and to pay it you have not ten thousand farthings.“ Da alle Menschen in Schuld lebten, müssten alle den göttlichen Vater anerkennen, so schließt der Autor die Erzählung über die Nähe von Schuld und Schulden ab.223 Die monetäre Buchführung, die das pädagogische ­Instrument in dieser Erzählung darstellt, wird zum Anlass genommen, dem Kind nahe zu bringen, was er in seinem Leben schon erhalten habe, sowohl von seinem irdischen als auch vom göttlichen Vater. Geld nimmt zwei verschiedene Formen an, die miteinander in Beziehung gesetzt werden: als konkrete, vom Vater für den Sohn getätigte und verzeichenbare Ausgabe einerseits, und als ein vor dem Hintergrund göttlicher Gaben unzureichender Wertmaßstab, der nicht in ein account book einzutragen sei, im kindlichen Bewusstsein aber präsent zu sein habe. Die Geldgabe galt im 19. Jahrhundert weiterhin als eine Quelle von „real happiness“224 und Beschreibungen von Geldausgaben durch Konsumption waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch nicht dominant. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mehrten sich in den Kinder- und Jugendmedien die Stimmen, die einen pragmatischen Umgang mit Geld forderten und neben der Wohltätigkeit auf weitere Möglichkeiten der Geldausgabe verwiesen. Wie Viviana 223 How

much are you in debt?, The child’s companion, 1. 7. 1850, 67, S. 201–205. Holt, Money Obligations, The Girl’s Own Paper, 12. 12. 1885, 311, S. 167.

224 Addern

212  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert A. Zelizer für die USA gezeigt hat, trat am Ende des 19. Jahrhunderts der Konsum an die Stelle der bislang im Vordergrund stehenden Charity.225 Die publizistische Aufmerksamkeit richtete sich nun zunehmend auf die Geldausgabe für Konsumgüter. Dabei konnten sie sich auf eine englische literarische Tradition stützen, die, darauf hat Edward Copeland hingewiesen, schon am Ende des 18. Jahrhundert auf die ansteigende Präsenz von Warengeschäften reagiert hatte.226 So beschrieb Maria Edgeworth 1796 in ihrer Kindergeschichte The Purple Jar, wie die siebenjährige Rosamund staunend vor den Auslagen in der Stadt steht, unfähig eine richtige Konsumentscheidung zu treffen: „‚O mother, how happy I should be‘, said she, as she passed a toy shop, ‚if I had all those pretty things!‘ ‚What, all! Do you wish for them all, Rosamund?‘ ‚Yes, mamma, all!‘“.227 Im Unterschied zu diesen frühen literarischen Darstellungen übernimmt das Geld am Ende des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle als Mittel der Unabhängigkeit besonders von Mädchen und jungen Frauen. Die erwünschte Charakterbildung, die sich im christlichen Diskurs in der Fähigkeit zur wohltätigen Gabe und in der Demut der Annahme zeigte, war in der Konsumgesellschaft auf den Umgang mit ihren Gefahren bezogen. Parallel zu den Debatten über den Konsumwahn von jungen Frauen im modernen Warenhaus warnten Kinder- und Jugendmedien nunmehr vor möglichen Irrwegen in der Geldausgabe und schlossen sich damit thematisch an die zeitgenössischen Debatten über die Moderne an.228

Spiel, Spielgeld und Kaufmannsladen: Kaufrausch oder ­Konsumübung? Kindliche Sozialisationen erfuhren im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Bedeutungssteigerung: Sie waren einerseits zentral für die Mobilitäts- und Zukunftserwartungen der bürgerlichen Gesellschaft und wurden andererseits durch die neuen Wissenschaften, wie der Kinderpsychologie und der Jugendforschung, noch genauer beobachtet und adressiert.229 Die einsetzende Kommerzialisierung von Kinderprodukten komplementierte die pädagogischen Ideen der Aufklärer über Kindheit als eine Lebensphase und die Diskurse über ökonomisches Wissen in den sich industrialisierenden Gesellschaften zu einem ‚neuen‘ Gesamtbild von Kindheit. Das Spielen selbst wurde zum Gegenstand reger pädagogischer Debatten, in der die eine Seite die Vermittlung nützlicher Kenntnisse, ganz im Sinne der aufklärerischen Philanthropen, in den Vordergrund stellte, während die anderen im Anschluss an Friedrich Fröbels Ideen das kindliche Spielen und die Fantasie als wichtige Elemente der allgemeinen Menschwerdung hervorhoben.230 225 Für

die USA: Zelizer, The Social Meaning 226 Copeland, Women Writing About Money. 227 Maria

of Money, S. 150.

Edgeworth, Purple Jar (1796), in: Edgeworth, Rosamund, S. 8–13, hier S. 8. Lenz, Konsum und Modernisierung, S. 138–158. 229 Kössler, Ordnung der Gefühle; Dudek, Jugend als Objekt der Wissenschaften; Bühler, Die gesellschaftliche Konstruktion des Jugendalters. 230 Fröbel, Menschenerziehung. 228 U. a.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  213

Abb. 11: Wonders of a Toy Shop, publ. by Dean (1852).

Obwohl der ausschließlich auf Spielwaren spezialisierte Einzelhandel noch bis weit ins 19. Jahrhundert selten und auf wenige Metropolen beschränkt blieb, integrierten zahlreiche Geschäfte das Spielzeug für Kinder in ihr übliches gemischtes Warenangebot.231 Die Nachfrage nach Produkten für Kinder wurde durch weitere, nicht-pädagogische Faktoren, wie beispielsweise die Kommerzialisierung des bürgerlichen Weihnachtsfestes sowohl in Deutschland als auch in England zusätzlich gesteigert.232 Die stark ansteigenden Import-, Export- und Produktionsraten bezeugen diese Tendenz ebenso wie die quantitativ boomenden Spielzeugunternehmen.233 Die Vorstellung, dass Kinder eigene Dinge besitzen sollten, spiegelte sich nun in Puppen, Puppenstuben und Bauernhöfen, Brettspielen, Puzzles, in Kinderbüchern, in Kaufläden und dem mechanischen Blechspielzeug, die sich in bürgerlichen Haushalten fanden. 231 Brown, British

Toy Industry, S. 19. In London begann der Kommerzialisierungsprozess eher. Plumb konstatiert, dass es 1780 in England überall Spielwarenläden gab und dass der Markt für Kinder, auch für Kinderkleidung, um 1830 groß war. Plumb, The New World of Children in Eighteenth-Century England, S. 310. Die explizite Kinderwerbung allerdings begann später. Vgl. kaysel, Kinderwerbung. 232 Hamlin, Work and Play, S. 103–105. 233 Brown, British Toy Industry, S. 22  f.; Hamlin, Work and Play; Cross, Kids’ Stuff.

214  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Im Gegensatz dazu bezeugen viele autobiografische Dokumente unterbürgerlicher Schichten, dass die außerhäusliche Welt der dominante Erfahrungsraum für Kinder blieb.234 Die Straße war auch der potentielle Ort für ihr Spiel, das jedoch für arme Kinder ein seltenes Vergnügen blieb, wie sich ein anonymer Waisenjunge erinnert: „Kindliches Spiel? Es blieb mir oft wochenlang versagt. Wurde es mir aber gewährt, dann war die Erlaubnis meist der Lohn für eine besondere häusliche Plage. Daß ich es dann wie ein plötzliches Füllen trieb, ist nur zu klar.“235 Auch wenn viele Spielwaren zuerst einmal nur für bürgerliche Kinder erschwinglich waren, können diese Dinge der Kindheit Auskunft über die Vermittlung von monetären und ökonomischen Kompetenzen geben. Es ist jedoch festzustellen, dass die klassischen Spielwaren von Zurückhaltung gegenüber dem Geld geprägt waren und andere Wissensvermittlungen dominierten. Die zeitgenössischen Brettspiele behandelten vor allem historische, technische und geographische Themen. Reine Glücksspiele waren erfolgreich aus dem Spielkanon verdrängt worden.236 Das Wirtschaftssystem oder Geld allein war in den Spielen selten präsent.237 Eine Ausnahme stellte das Spiel Juvenile Bank von 1818 dar. Das nur als Anleitung überlieferte Jugendspiel sah die Simulation einer Bank durch mehrere Spieler vor. Das britische Bankspiel für young ladies and gentlemen sollte dem Erlernen des Geldtransfers und des Konsums dienen, die Mädchen unterhalten und die Jungen mit dem Beruf des Bankiers vertraut machen. Die Heranwachsenden sollten sich zuhause treffen und mit verschiedenen Rollen die Einzahlung und Abhebung von Geldbeträgen imitieren. Das Spiel sah vor, mehrere Kontobücher zu führen, um möglichst alle Rechen- und Verzeichnungsvorgänge einmal durchzuspielen: This Toy Bank is set forth with a view to instruct young minds, by making them acquainted with the nature of a banking account; at the same time, it is intended in the way of amusement, to improve them in writing and arithmetic: so that while engaged in play, they are imperceptibly increasing in knowledge, by frequent transactions one with another, in the act of paying and receiving money, and by the purchase of little articles among themselves. Any number of young Ladies and Gentlemen can amuse themselves with this toy; and every young Gentleman may become a banker, by having a bank.238 234 Vgl. auch Schlumbohm, Kinderstuben, S. 222. 235 Erinnerungen eines Waisenknaben. Von ihm selbst

erzählt, hrsg. v. August Forel, München 1910, zit. nach: Emmerich, Proletarische Lebensläufe, Bd. 1, S. 195. Der Sozialforscher B. Seebohm Rowntree (1871–1954) betonte in seiner Untersuchung über Arme in York die Abwesenheit jeglichen Spielzeugs bei denjenigen, die mit einem Budget auskommen mussten, das gerade eben die „maintenance of merely physical efficiency“ sicherstellen konnte: „The children must have no pocket money for dolls, marbles or sweets.“ Rowntree, Poverty, S. 134. In bürgerlichen Kindheitserinnerungen nahm die Straße dagegen nur in Ausnahmefällen einen prominenten Platz ein, wie beispielsweise bei Gerhart Hauptmann (1862–1946), der seine Lebenswelt als zweigeteilt zwischen bürgerlichem Haushalt und proletarischer Straßenbande beschrieb. Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend. 236 Ariès, Geschichte der Kindheit, S. 151. Ariès verweist auf einen Ratgeber für junge Adelige aus dem Jahr 1661, in dem der Verfasser empfiehlt, die Leidenschaft zu spielen, ernst zu nehmen und bei genauer Kenntnis des Spiels auch Geld einzusetzen, um das eigene Vermögen zu vergrößern. 237 Hoffmann, Erziehung zur Moderne, S. 146; Weber-Kellermann und Falkenberg, Was wir gespielt haben; Burton, Children’s Pleasures. 238 Anon., Plan and Instruction for the Juvenile Bank, London 1818, S. 3  f. Die Transaktionen sahen wie folgt aus: „The Bank being opened, we now look for business […]. Mr. Thomas

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  215

Die Produzenten des Bankenspiels betrachteten ihr Spiel als Vorbereitung auf das Erwachsenenleben und als gute spielerische Unterhaltung zugleich: „Hence they are made, at an early age, familiarly acquainted with a knowledge that cannot fail to prove useful in riper years, when called upon to transact the same concerns in maturity.“239 Wenn das Ökonomische eher selten im Mittelpunkt der spielerischen Unterhaltung stand, kam Spielgeld allerdings häufig als Gewinn, Zahlmittel oder Strafzahlung zum Einsatz. Bei dem um 1860 in Deutschland produzierten Affenspiel etwa wurde mit Einsatz bezahlt.240 Um bei dem Eisenbahn-Spiel voranzukommen, mussten die SpielerInnen für eine Brückenfahrt, eine Tunneldurchfahrt, für den Bahnwärter und Dampfer zahlen oder aber versuchen, mit Glück die ganze Spielkasse zu gewinnen.241 Auch das niederländische Nieuw vermakelijk Ganzenspel und Die Thierschau (ca. 1860) basierten auf Marken oder Spielgeld. Eine Reisekasse war in Die Reise um die Welt, zu Wasser und zu Lande und auch bei Die Reise nach Amerika vonnöten. In der Kleinen Lotterie (ca. 1850) wurde eine Bank von den Spielern geführt und „wer den Steg zieht, sprengt die Bank und gewinnt den ganzen Bestand der Kasse“.242 Einen wesentlichen Bestandteil des kindlichen Spielemarktes stellten die Jigsaw Puzzle dar, die in England 1762 von John Spilsbury erfunden wurden und in den folgenden Jahrzehnten mit über dreißig Motiven angeboten wurden.243 Viele davon thematisierten Geographie, Flora und Fauna, Szenen bäuerlichen Lebens und Handelsabläufe.244 Das berühmteste mit monetärem Bezug war The Pence Table, ein Holzpuzzle, das um 1790 zum ersten Mal auf den Markt kam und als „educational dissected puzzle“ bezeichnet wurde.245 Die horizontal unterteilten Holzsteine mussten aneinander gelegt werden. Am oberen und unteren Rand befanden Andrews, wishing to open an account, brings into this Bank One Hundred Pounds, which consist of various Notes and Cash, […]. The first entry if this money is made in the Cash Book, as you will see by referring to the Cash Book, simply putting down £100. The second entry of this £100 is made in the Day Book, by taking down the particulars of the Notes and Money, as you will see there. The third entry is made in the Ledger, wherein you place the £100 in the cr. Side. The fourth entry is made in the Money Book, wherein you place the residue of the £100, consisting of small Notes and Cash, amounting to £30. Mr. Andrews having thus given into the hands of his Banker £100, is of course to receive some acknowledgement: to which purpose, the Cashier gives him a Banker’s Book, wherein the £100 is entered, as per Instruction. At the same time, Mr. Andrews receives a Check Book, for the purpose of drawing out such sums of money as occasion may require. Checks are to be filled up as per Instruction.“ Ebd., S. 7 f. 239 Ebd., S. 4  f. 240 Domini, Giochi a stampa in Europa, S. 78. 241 Ebd., S. 74. 242 Alle Angaben über die Spiele aus: ebd., S. 72. 243 Plumb, The New World of Children in Eighteenth-Century England, S. 309. 244 Vgl. beispielsweise das Puzzle The Treasures of Commerce & Wealth of Nations von 1845. Hannas, Jigsaw Puzzle, S. 108 f. 245 Burton,Children‘s Pleasures, S. 132. In einem anderen Katalog wird dieses Spiel als von ­einer „Lady“ konzipiert beschrieben. „The new game of the Pence Table. Being the most instructive, pleasing and easy method to teach children their „Pence Table“ ever published. Written by a Lady, London. D. Carvalho.“. Whitehourse, Table Games, S. 42.

216  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert sich Angaben, wie „24 Pence are“. Dieser Stein musste wiederum an einen anderen Stein angelegt werden, an dessen Rand „Two Shillings“ stand.246 Die Münzumrechnung konnte so spielerisch geübt werden. Die Holzpuzzles waren zudem oft illustriert. So zierte das 1791 publizierte Puzzle Poor Richard, by Benjamin Franklin das folgende Zitat, das die Spielenden aus einer Mischung aus Schrift und Bild zusammensetzen mussten: „At this time when the crying complaint is that money is so scarce, it must be an act of kindness, to inform the moneyless, how they can reinforce their purses. I will acquaint you with the true secret of money catching, the certain way to fill empty pockets, and how to keep them always full.“247 Arithmetik konnten Kinder und Jugendliche mit Hilfe von Kartenspielen, wie Arithmetical Card Game. A new and interesting method of instructing youth in the first four rules of Arithmetic (ca. 1809–1833) und Arithmetical Laugh and Lay Down Pence Table (ca. 1809) üben.248 Über die Verbreitung der in den Spielkatalogen geführten Unterhaltungsmedien lassen sich keine verlässlichen Aussagen treffen. Einige wurden jedoch über Jahre oder Jahrzehnte immer wieder neu aufgelegt, was auf eine rege Nachfrage zumindest in bürgerlichen Haushalten schließen lässt. Während Geld in den Gesellschaftsspielen nur mäßig präsent war, erinnerten sich viele AutobiografInnen deutlich an das Kaufen von Spielwaren. Für die Kinderbuchautorin Tony Schumacher (1848–1931) war ihre erste Kaufhandlung ein erinnerungswürdiges Ereignis. Sie sei von ihrem geliebten Onkel in einen Spielwarenladen in Stuttgart geführt worden und habe dort, der kleinen Rosamund aus The Purple Jar ganz ähnlich, mit dem Gulden in der Hand die neuartige, beglückende, aber auch beschwerliche Erfahrung der Konsumermöglichung und Kaufentscheidung durchgemacht: Elise von A. und ich wurden von ihm bei einem Besuch in Stuttgart in den Großschen Kinderspielwarenladen genommen, was schon an und für sich etwas Niegesehenes war, und dann drückte er jedem von uns einen Gulden in die Hand und sagte: ‚Wählet!‘ Hat wohl je jemand etwas Aehnliches empfunden, sich so fast niederdrückend reich gefühlt wie wir? Und dann diese Geduld des Gebers unsrer gänzlichen Fassungslosigkeit gegenüber, die stundenlang sich nicht entschließen konnte, solchem Glückszustand durch wirkliches Wählen ein Ende zu machen! Schließlich brachten wir auch das Thörichtste nach Haus zu Tante, die liebevoll des Nachmittags nochmals mit uns in den Laden ging und endgültig zwei hübsche Porzellanpüppchen in einer Badewanne für uns aussuchte.249

Schumacher beschreibt zudem, wie sie als kleines Mädchen von den frühen, aber spärlichen Auslagen der Spielwarenläden in Ludwigsburg fasziniert war. Noch stärker scheinen die Auslagen der Konditoreien auf sie gewirkt zu haben.250 In den 246 Hannas, Jigsaw

Puzzle, S. 132. Vgl. auch die weiteren arithmetischen Puzzle: ebd., S. 132–134. Ebd., S. 114 (Abb. 11). 248 Moon, John Harris’s books, S. 143. 249 Schumacher, Was ich als Kind erlebt, S. 230. Zu Schumacher vgl. Wedel, Autobiographien von Frauen, S. 774–776. 250 „Aeußerst verführerisch waren die schon etwas größeren Fenster der Konditoren Eb. und G. mit ihren Gläsern voll Gerstenkugeln, Traubenzucker und Rahmbonbons. Die letzteren schienen mir damals das Höchste an Wohlgeschmack zu sein, was es auf der Welt gab, aber 247

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  217

Egodokumenten bürgerlicher Kinder fehlte die Beschreibung ihrer Faszination mit den Auslagen der Marktstände und Einzelhändler selten und auch die Geldausgabe für Süßigkeiten war ein wiederkehrendes Thema. Aber auch die geringen finanziellen Mittel und die Konsumbeschränkungen wurden häufig thematisiert. Die deutsche Feministin Helene Lange (1848–1930) schildert ihren Besuch auf dem Krämermarkt in Oldenburg mit etwa zwölf Jahren: Weiter hinten waren dann die Tierbuden, Panoramen, Riesendamen usw. Lauter Herrlichkeiten, die man alle hätte genießen mögen, aber die Möglichkeiten hingen von den Mitteln ab, und die waren beschränkt. Der Geldbetrag zum Kramermarkt [sic] stand ein für allemal fest: 12 Grote vom Großvater, 6 vom Vater. Das waren 18 Grote, auf sechs Tage zu verteilen. Das wurde natürlich nicht innegehalten; war man nicht am ersten Tage mit seinem Gelde fertig, so doch meistens am zweiten oder dritten.251

Was bei Helene Lange als verhältnismäßig nüchterne Erfahrung der Beschränkung beschrieben wird, gerät in Gerhard Hauptmanns Erinnerungen zu einem rausch­ artigen Zustand. Er beschreibt in seiner Autobiografie die warenförmigen Verlockungen, die ihm als Junge in der Sommersaison geboten wurden, als hochemotional: Die Verkaufsstände des Badeortes reizten um diese Zeit mehr und mehr meine Begehrlichkeit. Bald war es ein Bergkristall, eine weiße oder rote Koralle, ein Achatschälchen, das ich besitzen wollte, ein großer oder kleiner Gummiball. Einmal war ich besessen auf ein braunes ledernes Portemonnaie, das die Sonne einzigartig gebleicht hatte. Es übte eine beinahe krankhafte Anziehungskraft auf mich aus. Ich hatte mir pfennigweise, ich weiß nicht wo, Geld zusammengeschnorrt, so daß ich nahezu Dreiviertel des Preises beisammen hatte. Mit der wachsenden Summe war ich wieder und wieder zum Tische des fliegenden Händlers zurückgekehrt, aber er ließ sich durchaus nichts abmarkten. Bis zur Verzweiflung ausgehöhlt von der durch dieses Portemonnaie und seine Patina erregten Zwangsidee, pochte ich an Johannas [seine Schwester, S.M.] Zimmer. Ich pochte und tobte, bis sie öffnete. Aber ich traf sie ebenso unerbittlich hart, wie der unerbittlich harte Verkäufer war.252

Die Semantik, die Hauptmann nutzte, um zu beschreiben, wie er das Angebot und den verunmöglichten Konsum des begehrten Objekts erfuhr, entstammt dem psychologischen Diskurs zur Beschreibung von Zuständen des Außer-sich-seins ­angesichts eines begehrten Gegenübers: Reizungen, Begehrlichkeit, Besessenheit, krankhafte Anziehungskraft, Verzweiflung, Erregung, Zwangsidee, Tobsucht. Die Weigerungen des Verkäufers und seiner Schwester, ihm das Objekt des Begehrens zu ermöglichen, fasst er in einer Sprache, die an eine unglückliche Liebe erinnert, ein zurückgewiesenes Begehren, das große Verzweiflung zur Folge hat. Von einer ganz anderen Form der Verzweiflung sind dagegen die schon erwähnten Zeugnisse von ArbeiterInnen geprägt, in denen sie sich an die kleinen Einkäufe, die sie in den Lebensmittelgeschäften machten, erinnerten, oder auf die Preise für Brot und Milch zu sprechen kommen.253 Darin war wenig von Rausch und Konsumbegehren die Rede. da ein Kreuzer für diesen sybaritischen Luxus nicht ausreichte und mindestens ein Groschen nötig war, so blieb es meistens beim Ansehen.“ Schumacher, Was ich als Kind erlebt, S. 327. 251 Lange, Lebenserinnerungen, S. 60  f. 252 Hauptmann, Das Abenteuer meiner Jugend, S. 139. 253 Burnett, Destiny Obscure, S. 58  f.

218  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Viele PädagogInnen warnten vor unkontrollierten Geldausgaben angesichts des expandierenden Warenangebots. Vor dem Hintergrund der eigensinnigen Regeln des Spiels und der mit dem Spiel angefeuerten Fantasie der Kinder befanden sie die zunehmende Kommerzialisierung des Spielwarensektors als kritisch. Gerade in Deutschland, das den weltweit größten Spielwarensektor mit einer hohen Exportrate besaß, waren die kulturpessimistischen Stimmen im Rahmen lebens­ reformerischer Bewegungen um 1900 zeitweilig lautstark zu vernehmen.254 Auch die unterhaltenden Kindermedien thematisierten die Gefahren des Geldes in den Händen von Kindern. In den Zeitschriftenartikeln und Erzählungen über das monetäre Bedrohungspotential wurde besonders vor der Verschuldung gewarnt.255 „Whilst spending one’s pocket-money,“ alarmierte ein Artikel aus dem Jahr 1890, „care must be taken not to spend more than it amounts to, and so land in debt. Credit is, unfortunately, easy to obtain from shopkeepers, especially when one’s parents are known to be able to pay the bills.“256 Explizit formulierten die Zeitschriften Warnungen vor verfrühten Einkäufen, obwohl man das Taschengeld noch nicht erhalten habe.257 Aber auch das Horten des Taschengeldes wurde als problematisches, wenn auch seltenes Phänomen beschrieben, wie beispielsweise in der Geschichte Charlie’s Sovereign, and How he Spent it von 1865.258 Der Autor schilderte die Freude der Schüler, wenn nach dem Besuch einer Tante oder eines Onkels eine Münze den Besitzer wechsele: when he finds, after the parting hand-shake, that a medallion of good Queen Victoria has been left in the palm of his hand, in the shape of a coin of the realm. Be the tip a golden sovereign or even half-a-crown, according to the age of the recipient or the purse of the giver, it is very acceptable, and the spending of it forms a pleasing interlude in the monotony of life at school. Certainly, we have known boys who did not spend their tips, boys to whom the parting with money, either for books or less endurable sources of satisfaction, possessed no charm; but we are glad to believe, for the credit of the boyish nature, that such instances are rare.259

Besonders der weibliche Umgang mit Geld war am Ende des 19. Jahrhunderts ein wiederkehrendes Thema, da auf die Haushaltsführung konzentrierten Ziele der monetären Erziehung von Mädchen am Ende des 19. Jahrhunderts langsam einem erweiterten Spektrum an Handlungsmöglichkeiten wichen. Im englischen Raum war die Stellung von Frauen durch das Common Law geregelt, welches für Unverheiratete und Witwen die gleichen Eigentumsrechte vorsah wie für Männer. Mit den Married Women Property Acts von 1870 und 1882 wurden die Rechte verheirateter Frauen erweitert, so dass eine Ehefrau theoretisch die gleichen Eigentumsrechte hatte wie ihr Mann.260 Diese rechtlichen und finanziellen Veränderungen 254 Hamlin, Work and Play, S. 147; Cross, Kids’ Stuff, S. 18. 255 Gut ausgegeben war dagegen das Geld, wenn es in Bücher investiert wurde. Money well spent,

The child’s companion, 1. 2. 1862, 206, S. 47; auch: Addern Holt, Money Obligations, The Girl’s Own Paper, 12. 12. 1885, 311, S. 167. 256 Mason, Schoolgirl Troubles, S. 167. 257 Herbert’s Debt, Kind words. A weekly magazine for boys & girls, 12. 3. 1868, 115, S. 82  f.; Fortsetzung in der nächsten Ausgabe, S. 89–91. 258 Charlie’s Sovereign, and how he spent it, The boy’s yearly book, London 1865, S. 226–229. 259 Ebd., S. 226. 260 Newton et al., Women and Wealth, S. 88  f.; Combs, Wives and Household Wealth.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  219

führten zu öffentlich wahrnehmbarem Geldhandeln von Frauen: So nahm beispielsweise die Zahl weiblicher Investorinnen auf dem Aktienmarkt am Ende des 19. Jahrhunderts zu.261 Auch die Ratgeber, Anstandsbücher und Mädchenzeitschriften reagierten auf die rechtlichen Veränderungen und die politischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den jeweiligen Frauenbewegungen.262 Die neuen Eigentumsrechte, argumentierte eine Autorin 1885 in The Girl’s Own Paper, führten zu Auseinandersetzungen über die Gefahren und Chancen des weiblichen Geldbesitzes, denen mit Übungen zu begegnen sei: „Every girl, to my thinking, ought to have an allowance for dress and her own small personal expenses proportional to her position in life, for it is the only way by which they will realise what money will do, how far it will go, and how much art there is in the manner of spending it.“ Vorteilhaft sei es auch für diesen Zweck ein account book zu führen und Einkäufe immer direkt zu begleichen: „It is a duty in life, and a great one too, to be very prompt and particular about money payments, and the well-to-do have duties as well as the needy.“263 Die säkularen Zeitschriften gegen Ende des 19. Jahrhunderts betonten gegenüber ihren weiblichen Leserinnen die positive Bedeutung des Geldes, so ein Artikel von 1890 in The Girl’s Own Paper: „a great part of the unhappiness of the world is caused by carelessness about money. Money is no trifle. Without it we cannot lead rational lives, or ever be really independent. We must not set our hearts on it, but we must recognise its true value, and know wisely how to use it.“264 Glück entstehe aus dem richtigen Umgang mit Geld: Unabhängigkeit und Rationalität seien notwendig, um ein ­gutes Leben führen zu können. Zunehmend wurden am Ende des 19. Jahrhunderts Ratschläge formuliert, die über die bekannten Verweise auf die weibliche Haushaltsführung hinausgingen. Kaufen, Verkaufen, Profit und Verlust seien, so ein weiterer englischer Zeitschriftenartikel über Mädchen und ihr Taschengeld von 1897, für den menschlichen Geist im Allgemeinen und die kindliche Lebenswelt im Speziellen von großem Interesse.265 1886 erschien in The Girl’s Own Paper eine Artikelserie unter dem 261 Vgl.

dazu die Aufsätze in: Laurence et al. (Hrsg.), Women and their Money. a rule, women are not only careless, but extremely ignorant about money matters, such ignorance being more culpable than ever now that the recent Married Women’s Property Act recognises that the fair sex are capable of managing their own affairs, and, moreover, gives them the power to do so.“ Addern Holt, Money Obligations, The girl’s own paper, 12. 12. 1885, 311, S. 167; auch: Mason, Schoolgirl Troubles, S. 166; A word to girls on thrift, The girl’s own paper, 15. 2. 1896, 842, S. 312–314. 263 Addern Holt, Money Obligations, The girl’s own paper, 12. 12. 1885, 311, S. 167. Über die Notwendigkeit monetärer Kenntnisse: Spending money, Young folks paper, 9. 1. 1886, 789, S. 26; How to value money, Young folks paper, 12. 6. 1886, 811, S. 371. 264 Mason, Schoolgirl Troubles, S. 167. 265 Girls and their pocket-money, The girl’s own paper, 3. 4. 1897, 901, S. 418: „It has been said that ‚Money is the root of all evil,‘ but if properly understood, and recognised as a product of convenience, much of the abuse of the coins of the realm would be immediately abolished. Buying and selling, profit and loss, are peculiarly interesting to the human mind, not by right, but by inherency. The possession of pocket-money, how much it may enlarge a child’s little world!“ 262 „As

220  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Titel Every Girl a Business Woman von James Mason, in der er den neuen Verhältnissen Rechnung trug, und betonte, dass das Ziel der Mädchen von heute sein müsse, eine business woman zu werden. Keineswegs, argumentierte Mason, widerspreche die Kenntnis vom Geld dem weiblichen Wesen, denn selbstständiges ökonomisches Handeln sei nicht mehr als rein männliches Feld zu beschreiben: Every girl who is guided by common sense will aim at becoming a business woman. That is to say, she will try to cultivate habits of order, industry, perseverance, method and punctuality, and will do her best to learn how to conduct formal correspondence, how to keep account, how to manage money, and what to do with savings. Beside this, she will make a point of knowing something about the laws relating to domestic life – the renting of houses and the employment of servants, for example […]. Perhaps someone may say that ‚business woman‘ has a hard sound, and stands for a character precise, selfish, and uninteresting. That is not what we intend by it at all. Is a girl to be less lovable, less gentle, less charming, whenever we cease to say of her, That girl, in regard to all the ways of business, is a perfect simpleton? On the contrary, business is a fine training-school for many virtues; and of all good women, a good business woman may be reckoned the very best.266

Die angewiesenen Geldübungen waren keineswegs neutral und allgemeingültig. Neben der geschlechtsspezifischen Thematisierung benannten die Autoren und Autorinnen auch die jeweiligen Anforderungen und Gefahren, die in den verschiedenen Schichten virulent seien. Als besonders unselbständig galten die weiblichen Angehörigen des Bürgertums. Es habe, so eine anonyme englische Autorin, große Fortschritte in der Bildung und Erziehung von Mädchen gegeben. Anders aber als in Frankreich und Deutschland seien die englischen Mädchen der middle classes stetig von Dienstpersonal umgeben, so dass sie das sparsame Haushalten und account keeping nicht erlernen würden. Sie kümmerten sich noch immer zu sehr um ihren Schmuck und ihre Kleidung, so der kritische Kommentar von 1888.267 Eine Lehrerin einer englischen Mädchenschule beklagte sich in ähnlicher Weise über das Curriculum. Geldthemen seien nicht verpflichtend: „because it seems to me that such subjects as the care of and the judicious spending of money, domestic economy, hygiene, for instance, are matters which come specially within a woman’s sphere of work and whose importance it is difficult to overrate.“ Die Autorin empfahl den Leserinnen, das Geld nicht einfach auszugeben oder es liegen zu lassen, sondern es gegen Zinsen bei Versicherungen anzulegen: „Seek the advice of competent friends whom you can trust when you have a little capital to invest; in the meantime never forget to provide yourselves with a Post Office Savings Bank book.“268 266 James

Mason, Every girl a business woman. A practical guide to the world of industry and thrift, The girl’s own paper, 2. 10. 1886, 353, S. 5–7, hier S. 5. Die weiteren Folgen der Artikelserie erschienen bis Juli 1887. In mehreren Teilen besprach er das Aufsetzen von Geschäftsbriefen, die Niederschrift von Zahlungen in der Rechnungsführung, Zinsen für Kapitalanlagen, das Eröffnen eines Kontos bei einer Bank sowie die Zahlungsinstrumente einer Bank, wie Schecks, die Einrichtung des Postsparen und der Lebensversicherung sowie das Investieren von Geld in Aktien und das Mieten von Häusern. 267 English Girls, The girl’s own paper, 21. 7. 1888, 447, S. 680–682. 268 A word to girls on thrift, The girl’s own paper, 15. 2. 1896, 842, S. 312–314, hier S. 314.

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  221

Abb. 12: Modell eines Gemischtwarenladens um 1880 (77 x 28 x 42cm).

Neben den Hinweisen an ältere Mädchen, sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen und den Finanzinstrumenten auseinanderzusetzen, standen die praktischen Übungen der Geld- und Konsumerziehung für die Jüngeren. Mit Kaufläden und Spielgeld konnten Kinder den Konsumakt simulieren. Die Nachbildung von Verkaufsräumen entwickelte sich aus den Puppenhäusern, deren Funktion in der spielerischen Imitation und sozialisierenden Übung des bürgerlichen Fami­ lienlebens lag. Dem Puppenhaus fehlte in der Regel jeder Bezug zur außerhäuslichen Welt und Wirtschaft. Während sie das Innenleben der bürgerlichen Welt repräsentierten, bildeten Kaufläden die so genannte Außenwelt ab.269 Marktstände, Einzelhandelsgeschäfte und am Ende des 19. Jahrhunderts auch Warenhäuser gehörten zu den Dingen im Besitz erwachsener Sammler und spielender Kindern. Sie wurden in den Familien oft über Generationen weiter vererbt.270 Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um Massenware, sondern um Einzelanfertigungen für den wohlhabenden Haushalt. Allerdings wurden die Miniaturhäuser zunehmend Bestandteil von weniger bemittelten Familienräumen, nachdem sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts industriell und preisgünstiger gefertigt werden konnten.271 Auch Kinder aus Arbeiter- und Handwerkerfamilien konnten den Kaufmannsladen nun als Spielzeug nutzen.272 Die Verkaufsräume waren bei aller Produktvielfalt verhältnismäßig einheitlich gestaltet. Die Rückwände der Läden waren der Präsentation der Waren gewidmet. Davor befand sich zumeist eine Ladentheke mit oder ohne Kasse [Abb. 12]. Manche Modelle waren an den Seiten durch Präsentationswände begrenzt. Im späten 269 Weber-Kellermann, Die Kindheit, S. 195. 270 Ebd., S. 45. 271 Fraser, Die Geschichte des Spielzeugs, S. 96. 272 Bachmann und Metzger, Vom Marktstand zum

Supermarkt, S. 19.

222  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert 18. Jahrhundert dominierte die Nachbildung eines Marktstandes mit einem begrenzten Warensortiment. Alternativ wurde mit dem bäuerlichen Miniaturhof ein landwirtschaftlicher Betrieb nachgespielt. Im Zuge der Ausweitung des Einzelhandels nahmen auch die Angebote in den Kaufläden zu. Stoffe, Putz- oder Kolonialwaren, Lebensmittel und Spielzeug wurden präsentiert und Metzgereien, Antiquitätenläden sowie Jahrmarktbuden nachgebildet.273 Während die Puppenhäuser als Spielzeug für Mädchen vorgesehen waren, wand­ ten sich die Hersteller von Kaufmannsläden grundsätzlich an beide Geschlechter. In ihrer konkreten Ausgestaltung aber waren sie geschlechtsspezifisch kodiert. Hauben- oder Putzläden, in denen Stoffe, Knöpfe und Litzen verkauft wurden, waren als Mädchenspielzeug vorgesehen. Bauernhöfe, Weihnachtsmarktstände und Kolonialwaren richteten sich an beide Geschlechter, während Werkstätten eher auf Jungen ausgerichtet gewesen zu sein scheinen. Während die tatsächliche Nutzung der kleinen Verkaufsläden durch Kinder schwer zu rekonstruieren ist, lassen Egodokumente etwas von der Faszination des nachahmenden Spiels erahnen. Thomas Mann (1875–1955) erinnerte seinen Kaufladen als Abbild des väterlichen Kornspeichers: Ich habe sehr schönes Spielzeug besessen in meiner Kindheit, wenn ich davon erzählen darf: Der Kaufmannsladen, mit Ladentisch und Waage, war wundervoll, besonders, als er neu war und die Schubladen von Kolonialwaren starrten, und der Kornspeicher genau von der Art derer, die meinem Vater drunten an der Trave gehörten – es fehlten nicht die Säcke und Ballen, die man emporwinden konnte (die Kurbel war hinten).274

Nicht immer beinhaltete die Ausstattung des Kaufladens eine Kasse zur Abwicklung des Warenverkaufs. Wenn die Kaufläden eine Möglichkeit zur Bezahlung hatten, war in der Mitte der Verkaufstheke oftmals ein Schlitz angebracht, in den eine Münze geworfen werden konnte. Zudem wurden Geldkassetten benutzt und seit der Jahrhundertwende auch Registrierkassen als Kaufladenzubehör produziert.275 Die allmähliche Integration der Bezahlung in die Kaufladenausstattung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lässt sich auch an den überlieferten Spielgeldsammlungen nachvollziehen. Spielgeld war als Objekt unter Bezeichnungen, wie toy coin, Rechenpfennig, Spielmarke oder Jeton lange bekannt und verbreitet.276 Seit circa 1800 wurde in einigen englischen Schulen ein school merit in Form von Münzen ausgegeben. Zudem wurde ein etwa 1843 hergestelltes englisches Münzset benutzt, um in der Schule das Verhältnis von Pfund, Penny und Shilling zu erlernen und zu üben.277 Aber erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde Kinderspielgeld systematisch produziert, u. a. von der Nürnberger Firma C. Drentwett’sche Prägeanstalt, der Münzprägeanstalt Lauer und seit 1887 von Balmberger.278 Während 273 Emde-Naegelsbach,

Spielzeug, S. 65. Kinderspiele, S. 31. 275 Ebd., S. 66. 276 Rogers, Toy Coins, S. 23. 277 Ebd., S. 8. Auf die Münzen waren Lehrsätze geprägt, wie „20 Shillings make 1 Pound“. Auf der Rückseite dieses Münzsatzes, der etwa um die Jahrhundertmitte produziert wurde, war eine Kinderbüste zu sehen. Ebd., S. 51. 278 Aschoff, Deutsches Kinderspielgeld, S. 59. 274 Mann,

2. Von der Spende zum Konsum: Modi der Geldausgabe  223

Abb. 13: Deutsche Kinderspielgelddosen um 1900.

viele Kindergeldsets die jeweiligen Herrschaftszeichen trugen und die offiziellen Zahlmittel des Landes imitierten, waren auf anderen Stücken Tiere oder Fantasiefiguren, wie der Struwwelpeter, abgebildet.279 Sie wurden einzeln oder aber in ­einer Geldkassette verkauft.280 279

Ebd., S. 26. den quantitativen Umfang des auf dem deutschen und englischen Markt vorhandenen Kinderspielgelds lassen sich keine Aussagen treffen. Als Untersuchungsobjekt sind diese monetären Ersatzobjekte bislang nur in den Aufmerksamkeitsradius einiger weniger Numismatiker gerückt.

280 Über

224  III. Kinderwelten im 19. Jahrhundert Kinderspielgeld war eine wirklichkeitsnahe Repräsentation der offiziellen Zahlungsmittel. Es bildete die aktuellen Währungssysteme ab, es konnte verstaut und getauscht werden und war als Spielzeug in den Kaufläden eine überzeugende Imitation des realen Tauchmittels. Über seinen Gebrauch und Einsatz konnten die spielenden Kinder jedoch selbst entscheiden. Der Überblick über Kinderdinge und -literatur gibt Aufschluss über die Präsenz, die Form und die Wahrnehmung des Geldes im Leben junger Menschen. Über den Arbeitslohn und das Taschengeld hatten sie direkten Kontakt mit dem Tauschmittel. In Spielen war Spielgeld ein Einsatzmittel zur Fortbewegung. Deren Kasse konnte der Belohnung oder der Bestrafung dienen. In Puzzles und Kartenspielen wurde Geld als Lehrstück der ökonomischen Bildung präsentiert. Die Thematisierung der Geldausgabe verlief vor allem über die Vorgänge des Spendens und des Konsums. Das Spenden blieb im 19. Jahrhundert Teil des zu erlernenden bürgerlichen Habitus und der Kaufakt von Heranwachsenden ersetzte keineswegs vollständig den Diskurs über die wohltätige Gabe. Die Äquivalenzsetzung von Schuld und Schulden innerhalb der christlichen Diskurse wurde jedoch weitgehend durch die Problematisierung der monetären Verschuldung in Folge unkontrollierten Konsums ersetzt. Der Konsum von Kindern wurde fortan als potentiell gefährlich angesehen. Die Lösung schien in der spielerischen Übung des Kaufaktes zu liegen, ohne dass aber Pädagogen und andere das Spielen mit Kaufläden und Spielgeld konkret empfahlen. Es setzte sich aus anderen, nicht rekonstruierbaren Gründen als weithin akzeptiertes Spielgut durch. Die spielerische Imitation von Finanzhandlungen im weiteren Sinne blieb rar. Das Bankspiel von 1818 war in seiner Konzentration auf die Geldeinzahlung und -auszahlung eine Ausnahme. Insgesamt betrachtet stellte Geld einen eher kleinen Ausschnitt der kindlichen Spielwelten dar, wie es zeitgenössische Überblicksdarstellungen ebenfalls verdeutlichen.281 Am Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich keine generelle Ausweitung der Geldpräsenz in den Kinderwelten diagnostizieren. Wenn Berufsbilder nachgeahmt wurden, etwa mit Kaufmannsläden, blieben sie den traditionellen Arbeitsbereichen, den HändlerInnen und Hausfrauen, verbunden, und imitierten keineswegs Spekulanten und nur selten Bankangestellte. Als es für englische Frauen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts möglich wurde, Geld zu besitzen und selbst darüber zu bestimmen, führte dies zu einer neuartigen Behandlung des Umgangs mit Geld vor allem in den säkularen Jugendzeitschriften. Die Überschreitung der häuslichen Ökonomie und die Erklärung von Investitionstechniken schufen neue Erziehungsziele für die heranwachsenden Mädchen. Gleichzeitig gerieten in England und Deutschland andere Finanzinstrumente, etwa das Sparbuch, in den Fokus monetärer Erziehung.

281 Hildebrandt,

Spielzeug im Leben des Kindes. In dem enzyklopädischen Standardwerk wird Geld überhaupt nicht genannt. Kaufläden finden nur kurz Erwähnung.

IV. To Become a Capitalist? Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Die Entscheidung, Bargeld nicht auszugeben, sondern eine bestimmte Summe für die zukünftige Verwendung zurückzulegen, war für die meisten Menschen im 19. Jahrhundert von existentieller Bedeutung. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, unvorhersehbare Krankheiten und Todesfälle machten die finanzielle Vorsorge, so gering die Summe auch sein mochte, für Angehörige unterer Schichten unabdingbar. Für Bürger und Bürgerinnen jedoch konnte die pekuniäre Rücklage der Beginn oder Ausbau eigener Kapitalbildung zum Zweck weiterer Investitionen sein. Jenseits der unterschiedlichen Motive gehörte Sparsamkeit, so formulieren es die US-amerikanischen Historiker Joshua J. Yates und James D. Hunter, zu dem Normenset, das die „moral economy of the self“ konstituierte.1 Als Idee, als ­Tugend, als Erziehungsziel und als soziale Praxis flankierte Sparsamkeit andere Tugenden, wie Pünktlichkeit, Ordnung, Respektabilität und Mäßigung. Sparsamkeit war ein zentrales und durchgängig bedientes Thema in der expandierenden Ratgeberkultur. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte das öffentliche Plädoyer für das private Sparen zum Wertehimmel von BürgerInnen und ArbeiterInnen in vielen europäischen Ländern.2 In Belgien, Frankreich, England, in den deutschen Staaten, im Habsburger Reich, der Schweiz, in Russland und in Italien agierten lokale und nationale Sparbewegungen, die sich mit ihrem Anliegen sowohl an individuelle Personen als auch an Vereine und die Institutionen des Staates richteten.3 Die Träger der lokalen Sparbewegung waren vielfach Geistliche und Lehrer. Die nationalen Sparsamkeitsorganisationen publizierten Zeitschriften, um programmatisch und öffentlichkeitswirksam sparsames Handeln zu popularisieren.4 Zeitgenössisch wurden die monetär bestimmten Lebensverhältnisse, die „Ver­ armung der Massen“, erhöhte Steuern und vor allem eine Steigerung von „Genußsucht und Aufwand“ sowie „gesteigerte Lebensbedürfnisse“ für Popularität wie Notwendigkeit von Sparsamkeit verantwortlich erklärt.5 Die Unabhängigkeit von der Fürsorge, die Resistenz gegen sozialistische Ideen und die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe standen vor allem bei bürgerlichen Wohltätigkeitsvereinen auf der Agenda und fanden sich in pädagogischen Publikationen, Erziehungsratgebern und in der Schulerziehung.6 Diese Kultur des Ratgebens wurde sukzessive zu einer 1

2

3 4

5 6

Hunter und Yates, Introduction, S. 5. Die Ideengeschichte der Sparsamkeit von der Antike über die Scholastiker und die Reformation bis zum Merkantilismus und Kapitalismus ist gut erforscht. Vgl. u. a. Winkel, Sparen in der Dogmengeschichte; Walter, Der volkswirtschaftliche Sparprozeß; Münch, Parsimonia. Garon, Beyond Our Means, S. 48–83. Thrift. A monthly journal of social progress & reform, 1882, 1. Die Zeitschrift wurde von der National Thrift Society in London herausgegeben. Ihr Erscheinen wurde 1883 wieder eingestellt. Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 9. Donzelot, Ordnung der Familie, S. 77.

https://doi.org/10.1515/9783110379129-005

226  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Erziehungsprogrammatik, die alle sozialen Schichten betraf und tief in die Familienkultur hineinwirkte. Auch innerhalb der Arbeiterschichten fand das Spardogma erfolgreichen Widerhall.7 Alt eingesessene Institutionen, wie die Friendly Societies und die jüngeren Spar- und Konsumvereine für Arbeiter, entzogen das Thema partiell der Deutungshoheit bürgerlicher Vertreter der Civil Society.8 Während diese Vereine gründeten, Zeitschriften herausgaben und Hausbesuche machten, um die Tugend der monetären Sparsamkeit auch unter den ArbeiterInnen zu verbreiten, war in den nicht-bürgerlichen Schichten schon längst ein ausdifferenziertes Netzwerk der gegenseitigen Hilfe entstanden.9 Die Sparfrage war jedoch nicht nur eine Organisationsform, sondern auch eine publizistische Offensive, die sich in literarischen, journalistischen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen niederschlug. Die zahlreichen, aber lokal begrenzten Schriften der Sparvereine, die die Bemühungen an ihrem Ort forcieren oder dokumentieren wollten, standen neben den international erfolgreichen Publika­ tionen, wie dem in viele Sprachen übersetzten Bestseller Thrift des schottischen Autors Samuel Smiles (1812–1904).10 Smiles fungierte auch in deutschen Anstandsbüchern als moralische Autorität und Referenz und repräsentierte durch seine Publikationserfolge – zu denen insbesondere die Schrift Self-Help zählte – die viktorianische Ratgeberkultur.11 Die internationale Beobachtung und der Transfer von Initiativen waren, wie in Fürsorgefragen allgemein, durchaus üblich und häufig praktiziert. Die wichtigsten Schriften wurden übersetzt und in den Publi 7 Zu

diesem Prozess vgl. Lemire, Business of Everyday Life, S. 141–186; Johnson, Credit and Thrift.  8 Die Entwicklungen in Großbritannien und Deutschland unterschieden sich deutlich. Schon um 1800 bestanden 7200 Friendly Societies in Großbritannien. Lemire, Business of Everyday Life, S. 142. Vgl. Prinz, Brot und Dividende; ders. und Novy, Illustrierte Geschichte; Thompson, The Making of the English Working-Class; Neave, Mutual Aid; Cordery, British Friendly Societies; Johnson, Saving and Spending. Für Deutschland vgl. Lindeman, Patriots and Paupers.  9 Mit Pathos wurde die Wärme der kooperativen Bewegung gegen die Kälte der Verhältnisse gesetzt, um den Kindern eine bessere Welt zu überlassen. Der Text richtete sich an Mitglieder von Kooperativen: „The work we have got to do is a noble and necessary work. The world needs it; the children require it; competition is ever increasing in intensity; the struggle of existence becomes every day keener, and the difficulties every day greater; so that to thousands life seems scarcely worth living. […] What we want to-day is to lift our movement out of the cold dreary region of self-interest into the warm, bright sunlight of mutual help and brotherly love; and if we are animated by the desire to ‘leave the world better than we found it’, we shall be stimulated to further efforts […]. Humanity will be blessed, and we shall leave our children, as an inheritance, a glorious cause, a good example, and rich reward.“ Scotton, Penny Banks, S. 8. 10 Smiles, Thrift. Das Buch galt als Standardwerk zur Sparsamkeit und fand international weitreichende Beachtung und Übersetzung. Doch nicht alle betrachteten es als gelungen. Der deutsche Autor Karl Schmidt, der sich selbst an einer Sparfibel versuchte, betonte, dass Smiles Publikation voller Wiederholungen sei. Sein eigenes Buch hingegen befand er als durchaus empfehlenswert: „der deutsche Leser könne es vorläufig einmal mit mir probiren; scheint ihm dann der Gegenstand nicht gehörig erschöpft, so kann er ja immer noch auf den Engländer und seinen reicheren Schatz zurückgreifen.“ Schmidt, Jedermann‘s Sparbuch, S. 3. 11 Vgl. Eltz, Das goldene Anstandsbuch, S. 528.

IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850  227

kationen wurde auf ausländische Institutionen verwiesen. Smiles selbst befand, dass vor allem Belgier und Franzosen vorbildliche Sparer seien.12 Wichtiger noch waren die gegenseitigen Besuche und Besichtigungen, die in einer Art Reiseliteratur der Sparsamkeit dokumentiert wurden. Ein diagnostizierter Mangel an Sparsamkeit wurde in nationalen Kategorien wahrgenommen und die beobachtete andere oder beschriebene eigene Nation als besonders verschwenderisch stigmatisiert, wie beispielsweise in der Schrift der Engländerin Agnes Lambert von 1886: Thrift and temperance are very nearly allied, each is helpful to the other, and having regard to the enormous national waste caused by intemperance, there can be little doubt that if the people of these islands were more temperate and thrifty, our home trade and profitable employment of our people therein would be very greatly increased.13

Mit ihrem Bezug auf Andrew Mearns Veröffentlichung über die Slums von London von 1883 verdeutlichte sie zugleich, dass sie die Armut der Menschen für ein Problem mangelnder Selbstdisziplin hielt.14 Der schottische Bankier Robert Ewen kam zu einer ähnlichen Diagnose. Die Briten würden zwar vom Geld regiert, wie es schon Thomas Carlyle beschrieben hätte, sie würden aber die Sparkassen und Banken für die armen Leute vernachlässigen. In Deutschland seien die Verhältnisse dagegen ganz anders, so Ewen: Die deutschen Sparkassen seien vorbildliche Kreditgeber für die kleinen Leute.15 Der Diskurs über die Erziehung zur Sparsamkeit war ein transnationales Phänomen, das sich durch zwei Wandlungsprozesse kennzeichnen lässt: zum einen fand eine Politisierung des ehemals bürgerlichen Tugendideals statt und zum anderen änderte sich der semantische Bezugsrahmen. Zum ersten Wandlungsprozess: Die Bildungshistorikerin Christa Berg argumentiert, dass es im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer „Privatisierung“ von Sparsamkeit gekommen sei, deren sozialökonomische Funktionen sich abgeschliffen hätten. Zwar schreibt Berg der Sparsamkeit weiterhin eine „stabilisierende Intention […] im Sinne einer ‚guten Ordnung‘“ zu, bezieht dies aber vor allem auf die Frage des „häuslichen Glücks“.16 Da­­gegen möchte ich vier Faktoren benennen, die es meines Erachtens erlauben von einer Politisierung der Sparsamkeit zu sprechen. Erstens wurde Sparsamkeit als Mittel gegen politische Unruhen in den Auseinandersetzungen um die soziale Frage verstanden. Zweitens sollte mit privater Sparsamkeit die Volkswirtschaft gestärkt und ein Vorteil in der Konkurrenz der Nationen und Kulturen erwirkt werden. Und drittens schließlich waren die Diskurse über Sparsamkeit eng mit liberalen Männlichkeitsvorstellungen verknüpft. Ein aufgrund seines ersparten Guthabens 12 Smiles, Thrift, S. 115. Garon

betont ebenfalls die transnationale Dimension der Sparbewegungen. Garon, Beyond Our Means, S. 45. 13 Lambert, School Bank Manual, S. 4. 14 Ebd., S. 1. 15 Ewen, Ballad on the Reign of Money, S. iii–iv. Der Autor war 1874 Präsident der Handelskammer in Südschottland und Direktor der Hawick Savings Banks. Eine Strophe seiner Bankballade bezog sich auf die deutschen Sparkassen: „People’s Bank//Just see what wonders working men have wrought//In Germany by means of people’s banks;//They have developed industries, and brought,//By mutual credit, credit to their ranks!“ 16 Berg, Die Fabrikation des zuverlässigen Menschen, S. 70; dies., Rat geben, S. 717.

228  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 finanziell und politisch selbstbestimmter Mann wurde zum Leitbild männlicher Sozialisation. Zunehmend galt dies, und das stellt einen vierten Aspekt der Politisierung dar, auch für die Mädchenerziehung am Ende des 19. Jahrhunderts. Der andere Wandlungsprozess im Diskurs über die Sparsamkeitserziehung betrifft den semantischen Bezugsrahmen von Sparsamkeit. Erstmals war am Ende des 19. Jahrhunderts vorsichtig von monetären Handlungsweisen die Rede, die als kapitalistisch bezeichnet wurden. Der Gebrauch der Worte ‚Kapitalisten‘ und ‚Kapitalismus‘ im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen schuf einen neuen Bezugsrahmen, innerhalb dessen die monetäre Erziehung verortet wurde. Die Propheten des Sparens argumentierten schlicht, dass nur, wer auch Geld zurücklege, Kapital bilden könne, um es dann gewinnbringend zu investieren: „Spart und werdet Kapitalisten“.17 Diese aus heutiger Perspektive etwas befremdlich wirkende Verknüpfung war zeitgenössisch weitgehend akzeptiert, fand aber auch ihre Kritiker. Die populärste Gegenrede zum Mantra der Sparsamkeit hielt Karl Marx. Er verdeutlichte 1844, welche Interessen und Motive er hinter der Nationalökonomie und der philanthropischen Praxis der Sparerziehung vermutete. Das Sparen charakterisierte er als „kapitalistische Kardinaltugend“, die, indem sie dem Arbeiter verbiete zu essen und zu trinken, wie es ihm beliebe, dessen Entfremdung weiter vorantriebe: Sie [die Nationalökonomie, S.M.] ist daher – trotz ihres weltlichen und wollüstigen Aussehens – eine wirkliche moralische Wissenschaft, die allermoralischste Wissenschaft. Die Selbstentsagung, die Entsagung des Lebens und aller menschlichen Bedürfnisse, ist ihr Hauptlehrsatz. Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Ball, zum Wirtshaus gehst, denkst, liebst, theoretisierst, singst, malst, fichtest etc., um so [mehr] sparst du, um so größer wird dein Schatz, den weder Motten noch Staub fressen, dein Kapital. Je weniger du bist, je weniger du dein Leben äußerst, um so mehr hast du, um so größer ist dein entäußertes Leben, um so mehr speicherst du auf von deinem entfremdeten Wesen. Alles, was dir der Nationalökonom an Leben nimmt und an Menschheit, das alles ersetzt er dir in Geld und Reichtum.18

Für Marx bedeutete Sparsamkeit die Unterbindung von Genuss und Kultur und stellte eine Vorbedingung der Entfremdung dar.19 Hatte Marx Recht? Entwickelte sich Sparsamkeit von einer bürgerlichen Tugend zu einem Bestandteil kapitalistischer Lebensführung und die sparenden Kinder wurden zu kleinen Kapitalisten?20 Entwickelte sich die monetäre Erziehung letztlich zu einer Erziehung zum Kapitalismus, wie dies von Kapitalismuskritikern geargwöhnt wurde? Am Ende des 19. Jahrhunderts, so die These der folgenden Kapitel, breitete sich eine Vorstellung aus, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat: Kinder und Jugendliche wurden zu Subjekten innerhalb der kapitalistischen Ökonomie. Diese Annahme schließt an die Ergebnisse von Viviana A. Zelizer an. Sie argumentiert, 17 Stieda,

Zur Schulsparkassen-Frage, S. 144. Ökonomisch-philosophische Manuskripte, S. 116 [Hervorhebungen im Original]. 19 Marx war nicht der einzige, der scharfe Worte über die sich im bürgerlichen Tugendmantel versteckenden Herrschaftsinteressen fand. Schon 1820 hatte sich der Karikaturist Robert Cruik­shank (1789–1856) mit einer Publikation und eigenen Illustrationen über die allgemeine ‚Sparwut‘ lustig gemacht. Cruikshank, Lessons of Thrift. 20 Aus soziologischer Perspektive vgl. Rosa, Kapitalismus und Lebensführung. 18 Marx,

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  229

dass das zunehmende Verbot von Kinderarbeit und die Sentimentalisierung von Kindheit zur Exklusion von Kindern aus der ökonomischen Verwertungskette des Arbeitsmarktes führten.21 Kinder wurden als arbeitende Menschen zunehmend ökonomisch nutzlos. Gleichzeitig entstanden jedoch Instrumente wie Sterbeversicherungen für Kinder oder der Adoptionsmarkt, die auf einer emotional basierten Wertzuschreibung von Kindern und gleichzeitig auf monetärer Äquivalenz beruhten. Der Markt, so Zelizer, habe seine Grenze an der Emotionalisierung der Kindheit gefunden, aber diese sentimentalisierte Kindheit sei gleichzeitig zu einer monetär zu bewertenden, sozialen Tatsache geworden. Zelizers komplexes Argument ist insofern zu ergänzen, als die semantische Ebene bei ihr unberücksichtigt bleibt. Gerade die neue, wenn auch zaghafte Bezeichnungspraxis, Kinder als Kapitalisten zu benennen, erscheint für eine Bewertung ökonomischer Subjektivierungsprozesse von nicht geringer Bedeutung und erweitert damit Zelizers Argument um eine weitere Dimension. In den folgenden beiden Kapiteln verfolge ich die beiden Thesen – Politisierung und kapitalistische Lebensführung – mit Fokus auf Kinder und Jugendliche. Ausgehend von der Annahme, dass Werte und Verhaltensideale in modernen Gesellschaften nur handlungsleitend werden, wenn die betroffenen Menschen Regulierungen als eigenen Antrieb verstehen, untersucht das erste Kapitel Anstandsbücher, Erziehungs- und Sozialisationsratgeber22 als Medien, die auf Selbstkontrolle zielten. Das zweite Kapitel analysiert die Implementierung des Schulsparens in West- und Mitteleuropa als einen Ausdruck staatlicher und institutioneller Sozialdisziplinierung. Folgte man der gängigen sozialhistorischen Interpretation der nationalen Fürsorgesysteme, wie beispielsweise von Gerhard A. Ritter vertreten, läge es nahe, die Aufforderungen zur Selbstregulierung in den Ratgebern als ein englisches Phänomen und die institutionelle Lösung als Ausdruck kontinentaler, vor allem aber deutscher Staatsregulierung zu betrachten. Die Betrachtung der Erziehung zur Sparsamkeit erweitert jedoch diese Annahme der nationalen Eigenheiten, denn jenseits und diesseits des Ärmelkanals waren beide Formen – Selbsthilfe und staatliche Institutionalisierung – präsent. Das zeigt sich sowohl in den zeitgenössischen Ratgebern und Institutionen, als auch in den Schulsparkassen selbst, die Ausdruck staatlicher Kontrolle waren und gleichzeitig auf die Selbstbeobachtung der Kinder zielten.

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle 1888 beschrieb der Ratgeberautor Oskar Förster seine Zeit in düsteren Tönen: „In allen Schichten der Gesellschaft macht sich in der Gegenwart eine Richtung geltend, bei welcher der Kampf um’s Dasein an jeden Einzelnen herantritt. Alle Stän21 Zelizer,

Pricing the Priceless Child. Sozialisationsratgebern sind Bücher gemeint, die sich an Jungen und Mädchen, junge Männer und Frauen wandten, die die Elementarschule beendet hatten und für eine weitere Ausbildung oder Tätigkeit das elterliche Haus verließen.

22 Mit

230  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 de sind überfüllt, die Konkurrenz wird vielen unerträglich und leben will doch Jeder.“ Dies sei für ihn ein Anlass, „Jedermann zu beraten, wie er seine materiellen Interessen fördern“ könne, ohne dabei zu betrügen.23 Seinen Ratgeber in Geldsachen verstand er keineswegs als Anleitung zur grenzenlosen Geldvermehrung. Es ging dem Autor vielmehr um genügsames und umsichtiges Handeln, durch welches am Monatsende ein Betrag zum Sparen und weiteren Anlegen übrig bliebe. Zu diesem Zweck schilderte er Investitionsmöglichkeiten auf dem Finanzmarkt, wie Wertpapiere, Aktien, Grundbesitz und Versicherungen, erläuterte die Vorgänge an der Börse und beschrieb den Umgang mit Bankiers und Gläubigern. Im Anhang folgen Ratschläge für den Leser und die Leserin, um die so genannten privaten Geldverhältnisse in Form von Mitgift, Eheverträgen, Testamenten und Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Neben dem Mangel an sachlichen Informationen und dem von ihm diagnostizierten Konkurrenzkampf der Menschen untereinander befand der Autor die zeitgenössische Mentalität für bedenklich und beschrieb krisenhafte Schreckensszenarien, um sein Buchprojekt zu legitimieren. Die Tugenden der Sparsamkeit und Genügsamkeit seien nicht weit genug verbreitet und gerade in den unteren Schichten herrsche eine „Vergnügungs- und Verschwendungssucht“, die nur zum „verjubeln“ des hart erarbeiteten Geldes führe.24 Ratgeber waren keine Erfindung der industriellen und bürgerlichen Gesellschaft, in der die ständischen Regeln weggebrochen und die Handlungsoptionen für viele Menschen zumindest theoretisch erweitert worden waren.25 Schon die antike Diätetik, die mittelalterlichen Fürstenspiegel und die frühneuzeitliche Hausväterliteratur formulierten Regeln angemessenen Verhaltens und verknüpften diese mit Fragen der Moral und Ethik. Wenn auch die Zielgruppen und behandelten Themen historisch variierten, lassen sich Ratsuche und Ratgeben, Normalitätsvorstellungen und Verhaltensanleitungen als beständige Bestandteile in der Herstellung sozialer Ordnungen verstehen, die beschrieben, was galt, was gelten sollte und was zu erlernen sei. Ob jeweils eine Veränderung in den Verhaltenserwartungen oder die Anpassung einer ‚neuen‘ sozialen Gruppe an eine bestehende normative Ordnung ausschlaggebend für das Verfassen und Konsultieren von Ratgebern war, lässt sich im Detail allerdings kaum eruieren.26 Auf der Grundlage von Anstandsbü23 Förster,

Ratgeber in Geldsachen, Vorwort. Förster machte gleichzeitig deutlich, dass er nicht die Anbetung des „golden Kalbes“ unterstützen wolle: „Der Geldteufel ist gewissermaßen eine Krankheit unserer Zeit, und selbst gute Menschen werden jetzt von einer gewissen Geldsucht heimgesucht, die, wenn sie nicht schnell genug befriedigt wird, sie sehr leicht unzufrieden macht.“ Ebd., S. 6. 24 Ebd., S. 7. 25 Helmstetter, Guter Rat ist (un)modern. Die in den Anstandsbüchern und Erziehungsratgebern formulierten Verhaltensanweisungen bezüglich des Umgangs mit Geld waren in erster Linie Leitbilder und sind keineswegs mit der sozialen Praxis zu verwechseln. Die kritischen Diskussionen über die Rezeption und Wirkungen von Ratgebern im Allgemeinen haben nichts an ihrer Popularität als Quellen geändert. Sie bleiben zu Recht ein Zugang zu den ‚Rationalitäten‘ einer bestimmten Zeit. 26 Christoph Heyl hebt die Rolle von Verhaltensratgebern im Rahmen sozialer Mobilität hervor. Für den Aufstieg in die nächsthöhere soziale Gruppe sei die Konsultation eines Ratgebers notwendig gewesen. Heyl, Passion for Privacy, S. 40–43. Christa Berg betont, dass Erzie-

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  231

chern und Elternratgebern aus der zweiten Jahrhunderthälfte zeigt dieses Kapitel, in welcher Weise Sparsamkeit mit den zeitgenössischen Vorstellungen von Männlichkeit und individueller Autonomie verbunden war und argumentiert, dass am Ende des 19. Jahrhunderts weibliche Heranwachsende zunehmend in diesen vormals exklusiv männlichen Zusammenhang einbezogen wurden.

Ratgeben als Orientierungshilfe Die Vorschläge für eine angemessene Lebensführung und Selbstdarstellung bezogen sich auf das Verhalten im Beruf, im Haus, in der Familie, in Ausbildung und Erziehung. Die Ratgeber thematisierten den komplexen Umgang von Menschen miteinander, die unterschiedlichen Geschlechts oder Alters waren und einen niedrigeren oder höheren sozialen Status innehatten. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Ratgeber insgesamt stark zu und es liegt nahe, dies nicht nur als das Resultat verbesserter und verbilligter Produktionstechniken zu betrachten.27 Verantwortlich war zudem die Wahrnehmung, in einer Gesellschaft zu leben, die von einem beschleunigten gesellschaftlichen Wandel geprägt war. In Deutschland stieg die Zahl der Anstandsbücher vor allem um die Jahrhundertwende deutlich an. Während zwischen 1880 und 1890 69 Neuerscheinungen vermerkt sind, waren es im nächsten Dezennium schon über 100. Zwischen 1900 und 1910 steigerte sich die Publikationsdichte noch einmal auf 145 neue Anstandsbücher.28 In der deutschen Ratgeberlandschaft führten, laut Christa Berg, gerade die Erziehungsratgeber die Publikationsliste an. Der Anstieg der Neuerscheinungen auf dem pädagogischen Markt hing mit der Ausdifferenzierung der sich profes­ sionalisierenden wissenschaftlichen Pädagogik einerseits und der Populärpädagogik andererseits zusammen.29 Die Verfasser der populären Erziehungsratgeber, oftmals Lehrer, Ärzte oder Theologen, entstammten zwar einem kindernahen Milieu, waren aber keineswegs wissenschaftlich mit der Pädagogik betraut.30 Die Themen waren abhängig von der Profession der Verfasserin oder des Verfassers und reichten von der körperlichen Hygiene über die sittliche Charakterbildung und das Erlernen angemessenen Verhaltens hin zu konkreten Bildungsinhalten. Geschlechtsspezifische Differenzierungen, wie die Vorbereitung auf den Beruf oder die Haushaltsführung, waren dabei genauso zentral, wie die schichtspezifische Erziehung von Lehrlingen oder Bürgertöchtern.31 Während sich eine Vielzahl von Ratgebern an Mütter von Neugeborenen wandte und sie mit Still- und Pflegehinweisen versorgten, versuchten andere Verhaltensunsicherheiten sowie die Gefahren des sozi hungsratgeber vor allem dann erschienen, wenn es ein Krisenbewusstsein gab. Berg, Rat geben, S. 710. 27 Stray und Sutherland, Mass Markets. 28 Krumrey, Entwicklungsstrukturen von Verhaltensstandarden, S. 27. 29 Berg, Rat geben, S. 712. 30 Marré, Bücher für Mütter, S. 12; Fuchs, Bürgerliche Kindererziehung im Spiegel, S. 16. 31 „Laß Deine Tochter so früh als es ihre Kräfte erlauben, im Haushalt mitarbeiten […]. Aber auch Deinem Sohne, und wäre er zum Professor bestimmt, darf das wirthschaftliche Getriebe nicht fremd bleiben.“ Schmidt, Jedermann’s Sparbuch, S. 169.

232  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 alen und beruflichen Misserfolgs zu reduzieren und durch konkrete Anweisungen zu verhindern.32 Wie kein anderes Medium dieser Zeit, bildeten Ratgeber in ihrer Adressierung und in ihrem Inhalt die Klassengesellschaft und die Ordnung der Geschlechter ab. Speziell in den Anstandsbüchern wurde die dem Geldbeutel adäquate Größe und Ausstattung der Wohnung, ihre sparsame Ausstattung, der Konsum und die Führung des Haushalts auf Heller und Pfennig beschrieben.33 Bestseller, wie Henriette Davidis Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche (1845) und Isabella Mary Beetons Book of Household Management (1861), verknüpften eine geschlechtliche Sphärenzuschreibung mit den Anforderungen ökonomischer Küchenrationalität.34 Doch auch die vermeintlich nebensächlichen Verhaltensweisen, wie die Art Trinkgeld zu geben und eine Gabel oder ein Gespräch zu führen, waren Gegenstand detaillierter Instruktionen.35 Wohltätige Handlungen wurden vor allem in Anstandsbüchern, die dezidiert christliche Gebräuche beschrieben, thematisiert. Sie betrachteten die Geldgabe als Teil christlicher Nächstenliebe.36 Daneben fanden sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt Erläuterungen unter Lemmata wie Geld, Kapital, Obligation, Aktie oder Scheck. Kenntnisse über finanzielle Angelegenheiten seien Teil des europäischen Bildungskanons, so das bekannte Anstandsbuch Spemanns goldenes Buch der Sitte von 1901: Das sind so Sachen, die man als gebildeter Europäer wissen muß, die man aber meistens, wenn man nicht eben ein Geschäftsmann ist, nicht weiß und die doch zur Bildung gehören, wenn man sich nicht nur unsterblich blamieren, sondern sich auch unter Umständen ganz verteufelt bei den Geldgeschäften über das Ohr hauen lassen will.37

Kleinkredite, Spekulationen und Geldanlagen fanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessive ihren Platz in den Anleitungen zur angemessenen Lebensführung. Auch Ratgeber, die sich exklusiv auf die Erläuterung privater finanzieller Handlungen konzentrierten, wie beispielsweise der schon genannte Ratgeber in Geldsachen kamen auf den Markt.38 32 Zur

Ausweitung der Babypflegeliteratur vgl. Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 171. Sitten der guten Gesellschaft; Ebhardt, Der gute Ton; Panton, Homes of Taste. Am Ende des 19. Jahrhunderts wandten sich einige Ratgeber explizit an Arbeitermädchen, deren soziale Sicherung durch verbesserte Haushaltsführung vorgesehen war. Berg, Rat geben, S. 715; über Arbeitermädchen in der Weimarer Republik vgl. Benninghaus, Die anderen Jugendlichen. 34 Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 172. 35 Vgl. auch: Speitkamp, Der Rest ist für Sie; Linke, Sprachkultur und Bürgertum. 36 Eltz, Das goldene Anstandsbuch, S. 73–75. Eltz berücksichtigt katholische und protestantische Gebräuche. 37 Baudissin und Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, Absatz 940. Weiter empfahlen die Autoren die Beratung in einer Bank des Vertrauens: „Wer von Geldgeschäften nichts versteht, sollte sich stets einem Bankier anvertrauen, aber nicht dem ersten besten, an dessen Hausthür er gerade vorbeigeht, sondern er soll sich erst nach dem Ruf der Bank erkundigen, der er sein Vermögen anvertrauen will.“ Andere AutorInnen behandelten eher traditionell Handel, Einkaufen, Kredit, Bezahlung und Wohltätigkeit. Vgl. beispielsweise Franken, Katechismus. 38 Förster, Ratgeber in Geldsachen. Zu Spekulationsratgebern vgl. Stäheli, Spektakuläre Spekulation. Professionelle Nachschlagewerke über Geld kamen noch hinzu. Vgl. beispielsweise Obst, Geld-, Bank- und Börsenwesen; Jores, Geld-, Wechsel-, Kredit- und Bankwesen. 33 Calm,

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  233

Normalisierung und Übung von Sparsamkeit Die Anstandsbücher und Erziehungsratgeber integrierten in unterschiedlichem Ausmaß Passagen über die Erziehung zur Sparsamkeit. In den Anstandsbüchern waren Erläuterungen einer akkuraten Buchführung und Formulierungshilfen für Geschäftsbriefe üblich. Ferner konnte die stilgerechte Rückforderung einer „ausgeliehenen Capitalsumme“, wie beispielsweise in Albertis weitverbreitetem Neuestem Complimentirbuch, beschrieben werden.39 Die Erziehung von Kindern zur Sparsamkeit wurde explizit thematisiert, angeleitet oder als Desiderat beklagt. Sie werde, so der Autor Schmidt, sowohl in der Schule als auch in der Familie vernachlässigt und habe, geschlechtsspezifisch differenziert, „vor der Schulzeit“ zu beginnen.40 Das Spielen der Kinder sei nicht auf das Zerstören, sondern auf das Errichten von Dingen zu richten und Genusssucht wie Verschwendung seien zu vermeiden. In den Elternratgebern wurde ein Stufenmodell für Kinder vom freizügigen Teilen von Dingen über das Erlernen des Eigentumsbegriffs (‚Meins‘ und ‚Deins‘) hin zum tatsächlichen Kontakt mit der Münze präsentiert.41 Das allmähliche Erlernen des Umgangs mit Geld basierte auf der Kenntnis des eigenen, von dem ­eines anderen Kindes abzugrenzenden Subjektstatus und der damit in Verbindung gesetzten Eigentumsvorstellung. Transaktionen von Dingen und Geld hatten diese Grenzen zwischen Personen, und seien sie noch so jung, zu berücksichtigen. Taschengeld wiederum, da waren sich die meisten einig, sollte in Maßen gegeben, aber dessen Ausgabe von den Eltern überwacht werden.42 Konfessionelle Differenzen traten in den Ratschlägen zur kindlichen Sparsamkeit nicht zutage. Die katholische Volkspädagogik von 1853 beschrieb das elterliche Vorgehen in vergleichbarer Weise, wie es protestantische oder überkonfessionelle Ratgeber taten: 39 Alberti,

Neuestes Complimentirbuch. Auch Sarah Stickney Ellis empfahl jungen Frauen strikte Buchführung: Ellis, Daughters of England, S. 261. 40 Schmidt, Jedermann’s Sparbuch, S. 140, 147. „Die Sparsamkeit ist eine Tugend, die nicht anbefohlen werden kann, sie muss anerzogen und angewöhnt werden, wenn sie stark genug sein soll, ihre beiden Hauptgegner, nämlich bei dem Manne die Liebe zum Wirthshaus, bei der Frau die Putzsucht zu besiegen.“ Schröter, Schulsparcassen vom Standpunkte der Pädagogik und National-Ökonomie, S. 38. 41 Die Idee, dass die Eltern den Kindern jegliches Geld abnehmen sollten, wurde von dem österreichischen Bibliothekar Ratkowsky mit Verweis auf das „Rechtsgefühl der Kinder“ und „ihre Begriffe von Mein und Dein“ abgelehnt. Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 10. 42 Z. B. Baudissin und Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, 826. Viele Varianten erlebten diese Hinweise im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht. Zu Beginn hatte es folgendermaßen geklungen: „The child must be taught not to hoard its little treasures; nor to expend them upon hurtful trifles, but to submit their disposal to parental care and guidance; and let the mother’s first object be to develop the principle and the act of charity; and her second, that the purchased article be something useful as well as pleasing; not simply a medium for amusement, but one which will be either wholly instructive, or which will at the least combine instruction with amusement, and lead the mind to the acquisition of some substantial good.“ Newnham, Principles of Physical, Intellectual, Moral and Religious Education, Bd. 2, S. 166.

234  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Man gewöhne die Kinder an Genügsamkeit, indem man es dahin zu bringen sucht, daß sie wenig bedürfen und mit dem Wenigen zufrieden sind. […] Mit der Gewöhnung an Genügsamkeit verbinde man die Gewöhnung an Sparsamkeit. Man halte frühzeitig das Kind an, das zurückzulegen, was es leicht entbehren kann, man lasse es von dem Ersparten einen guten nützlichen Gebrauch machen, und zeige bei dieser und jener Gelegenheit den Nutzen der Sparsamkeit. Sparbüchsen für Kinder sind anzurathen; sie müssen aber bisweilen geöffnet werden, damit keine Neigung zum Geize entsteht.43

Die väterliche Erziehungsautorität, die noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts unhinterfragt gewesen war, verschwand zunehmend aus dem familiären Raum.44 Davon war auch die Gelderziehung betroffen. Der Mutter oblag es nun, so Hermann Klenke in seinem Ratgeber von 1869, „die Richtung und goldene Mitte zwischen Freigiebigkeit und geizigem Eigennutz anzugeben und die Naturanlage ihres Kindes in diese Richtung einzuführen.“45 Auch der Eigentumsbegriff in Bezug auf das Geld sei von der Mutter vorzugeben. Sie „kann ihm auch die Freude an einer Sparbüchse lehren, welche bei Gelegenheiten mit mehr Geldmünzen als Geschenken und Prämien für Artigkeit und Fleiß gefüllt wird.“ Sie dürfe dem Kind aber das Geld nicht immer wieder als eine noch nicht verfügbare Masse präsentieren oder ihm die Herausgabe kleinerer Beträge verweigern.46 Auch für Sarah Stickney Ellis (1799–1872), die englische Autorin und Schulgründerin, trugen die Mütter die Verantwortung, ihre Kinder in den Grundlagen monetären Handelns zu erziehen. Sie seien oft zu leichtsinnig, so Ellis, indem sie Kinder Geschenke machen ließen, für die sie nicht selbst finanziell aufkommen müssten.47 Auch spenden sollten Kinder lieber nur, wenn sie selbst etwas Geld zurückgelegt hätten.48 Auch wenn das Spektrum empfohlener Verhaltensweisen überschaubar war, blieben die AutorInnen in ihren Aufrufen zur Übung unermüdlich. Zum Habitus gerate die Sparsamkeit nur durch „Gewöhnung“.49 Habe das Kind es erst einmal gelernt, werde es dieses Verhalten nicht wieder verlieren.50 Die Habitualisierung 43 Kamp,

Volkspädagogik, S. 159 f. Die konfessionsübergreifende Konzeption von Sparsamkeit beschreibt auch: Garon, Beyond Our Means, S. 21. 44 Budde zeigt dies sowohl für England als auch für Deutschland. Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 149–166; vgl. auch: Schütz, Mutterliebe – Vaterliebe. Gegen die Marginalisierung der väterlichen Autorität sprechen allerdings die rechtlichen Verhältnisse, die, wie im BGB von 1900, dem Vater weiterhin das Letztentscheidungsrecht zustanden (BGB, § 1634). 45 Klenke, Die Mutter als Erzieherin, S. 605. 46 Ebd. 47 Ellis, Mothers of England, S. 120. 48 Ebd., S. 126. Ellis empfahl den Müttern auch, dass die Töchter mit bezahlter Arbeit zum Familieneinkommen beitragen sollten. Ebd., S. 355 f. 49 Schmidt, Jedermann’s Sparbuch, S. 140. Agnes Lambert betonte, dass Wirtschaftlichkeit durch das stete Üben angeeignet werden könne: „Economy, however, is a habit; and is to be learned, like other habits, rather by practising it than by listening to demonstrations of its importance.“ Lambert, School Bank Manual, S. 2 f.; vgl. auch Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 10; Stieda, Zur Schulsparkassen-Frage, S. 146; Deutschmann, Schulsparkassen, deren Zweckmäßigkeit und Einrichtung, S. 7. 50 Pinhorn, Spending and Saving, S. 51  f. Pinhorn wandte sich an junge Menschen, die das familiäre Haus gerade verließen: „My chief aim in this little book is to show why and how thrift should be practised, not only for the benefit of the thrifty man, but also for his fellow-travel-

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  235

diene der Gefahrenabwehr, da selbst das Wort Geld schon Assoziationen evoziere, die gebannt werden müssten, unterstrich William Ellis: Money occupies a very conspicious place in our doings and savings. It behoves you, therefore, not only to comprehend the principles which ought to regulate conduct, but to be able to keep these principles steadily in view when they are perhaps misrepresented, or likely to be hidden or to assume some uncertain or fantastic form, through the use of the word ‚money‘. […] Our duty, therefore, is not to speak of it with contempt or to pretend to despise it, […] but to learn how best to get it and to use it so as to make ourselves efficient and worthy members of society.51

Die Sparsamkeitserziehung folgte einer Ethik des Selbstverständlichen. Als Tugend war sie zwar moralisch aufgeladen; sie benötigte aber nicht mehr die Legitimation, dass sie nützlich sei und dem Guten diene. Sparsamkeit als Verhaltensweise zwischen Geiz und Verschwendung war eine normalisierte Verhaltensaufforderung, die über die Erziehung und stetig zu wiederholende Übung internalisiert werden sollte. Das Ziel dieser deutschen wie englischen Erziehungsübungen waren Menschen, die sich selbst zu helfen wussten und nicht auf die staatliche, lokale oder kirchliche Fürsorge angewiesen waren.

Durch Disziplin zur Unabhängigkeit Die absolute Zahl der Ratgeber erhöhte sich im bürgerlichen Zeitalter und im Rahmen des Liberalismus deutlich. Viele formulierten explizit das Ziel, nützliche Gesellschaftsmitglieder zu schaffen, und insistierten auf den Möglichkeiten der Selbsthilfe und -kontrolle jenseits staatlicher oder kirchlicher Bevormundung. Die zumindest theoretisch gewährleistete soziale Mobilität in der bürgerlichen Gesellschaft verweise jeden Einzelnen auf sich selbst und seine (oder ihre) Leistung. Die Potenziale und Versprechungen waren damit genauso gemeint, wie der Umgang mit Armut, beruflichem Scheitern und anderen prekären Lagen. Die Eigenverantwortung für den sozialen Status verband sich mit dem Verweis auf die stetige Arbeit an den eigenen Möglichkeiten. Der liberale Bezug auf die Selbstverbesserung hatte seinen Ursprung in den aufklärerischen Menschenbildern. In diesem Sinne hatte schon Christian Gotthilf Salzmann in seinem auch noch im 19. Jahrhundert bedeutenden Erziehungsklassiker die Eigenverantwortung der Menschen betont: Als kleine Kinder beunruhigen sie die Eltern immer mit Bitten um Geschenke, und als große Kinder lamentiren sie um Besoldung, Pensionen, Gnadengelder, setzen in die Lotterie und in’s Lotto, lernen Gold machen und den Teufel citiren. Auf solche Albernheiten wird ein Mensch nie gerathen, der früh gelernt hat, daß die Kraft, sich Vermögen zu erwerben, nirgends sicherer gefunden werde, als – in dem Menschen selbst.52

Mit dem Anruf des Selbst rückten auch die Lesenden als sich selbst erziehende Instanzen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Denn obwohl es galt, aus den Kin ler along life’s hard road. It is mainly intended for young people just about to set out on their careers. Many habits can be acquired late in life; but thrift should be inculcated as soon as possible, or it will be altogether neglected.“ Ebd., Preface. 51 Ellis, Helps to the Young, S. 80  f. 52 Salzmann, Conrad Kiefer, S. 128, auch S. 132.

236  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 dern anständige Gesellschaftsmitglieder zu machen, wurden auch die Eltern als Teil des Problems gesehen. Deren pädagogisches Wirken wurde durchaus kritisch betrachtet, denn dem Bildungsbürgertum gegenüber distanziert eingestellte Eltern, so ein Ratgeber, vermittelten bewusst oder unbewusst falsche Haltungen über Geld: Wenn der Sohn bei Tische nicht anderes hört, als Geld, Gewinn, Besitz; wenn der Vater spricht: ‚Was will ich von Kunst und Wissenschaft, Geld ist der nervus rerum!‘ und wenn die Mutter meint: ‚Nachbars Alma hat einen Professor geheiratet; wie kann man nur so unpraktisch sein! Was hat sie denn da? Frau Professorin mit dem leeren Geldbeutel!‘53

Viele Ratgeber betonten, dass die potentielle Weitergabe einer als illegitim beschriebenen Geldfokussierung oder aber einer geizigen Haltung durch die Eltern auch die Selbsterziehung der Eltern notwendig mache.54 Samuel Smiles trug ebenfalls zu diesen Überlegungen bei: Die Mühen, die die Selbsterziehung bedeuten konnte, ließen sich, so der viktorianische Gewährsmann für Selbstregulierung, nur mit Disziplin bewältigen. Für ihn basierte die individuelle Habitualisierung genauso wie die nationale Sparsamkeit auf „efficient drilling and discipline“.55 Unter Bezug auf ein scheinbares Paradox – nur durch Disziplin entstehe individuelle Unabhängigkeit – knüpfte Smiles damit an ältere Mäßigungsdiskurse an, die für die Eindämmung von Leidenschaften plädierten, und entwarf gleichzeitig ein Ideal häuslich gebundener Männlichkeit:56 The most self-independent man is under discipline, – and the more perfect the discipline, the more complete his condition. A man must drill his desires, and keep them under subjection, – he must obey the word of command, otherwise he is the sport of passion and impulse. […] The happiest home is that where the discipline is the most perfect, and yet where it is the least felt. We at length become subject to it as to a law of Nature, and while it binds us firmly, yet we feel it not.57

Am Ende der Selbsterziehung stehe, so Smiles, die Unsichtbarkeit der disziplinären Maßnahmen und die Verinnerlichung ihrer Ziele. Als Mittel zu diesem Ziel sei eine Neudefinition von Vergnügen nötig, in der nicht der unmittelbare Konsum von Rauschmitteln, sondern das durch fleißige Arbeit ersparte Geldstück die Genugtuung erzeuge, erklärte ein anonymer Sparsamkeitsratgeber den Prozess der Disziplinierung: „One man takes a pleasure in lounging all Monday in a beershop; 53 Oppel,

Buch der Eltern, S. 261; vgl. auch: Klenke, Die Mutter als Erzieherin, S. 609. Im Falle wohlhabender Eltern sollte der Reichtum vor den Kindern verschwiegen werden, empfahl das Universal-Lexicon der Erziehungs- und Unterrichtslehre. Art. Geld, in: Universal-lexicon der Erziehungs- und Unterrichtslehre für ältere und Jüngere christliche Volksschullehrer, Augsburg 1840, Bd. 1, S. 475–477, hier S. 476; vgl. auch: Bohm, Unsere Kinder; Strigl, Guter Rath, S. 39–43. 54 „Some parents, too, will not make them any just allowance of money, even when they are of an age to understand its value, but on every application for necessary expenses, will grumble as much as if they were actually robbed.“ Ellis, Mothers of England, S. 131. 55 Smiles, Thrift, S. 131. 56 Die deutsche Übersetzung von Smiles erfolgreichem Buch Self-Help (1859) erschien diesen Vorstellungen entsprechend unter dem Titel Selbst ist der Mann. Smiles, Selbst ist der Mann. Vgl. Zimmermann, Biographische Anthropologie, S. 151–163. 57 Smiles, Thrift, S. 131  f.

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  237

another takes a pleasure in diligently and joyously attending to his business.“58 Es gehe dabei nicht um die aus der Antike bekannte Selbstkasteiung, sondern um den Stolz auf die erreichten Erfolge: To the wise and the prudent, to the intelligent and the healthy, there is no greater pleasure than in the exercise of that self-discipline, that habit of usefulness and common sense, that distinguishes him from those who are not so nobly and fortunately constituted as he is. His occupation may be laborious; it may severely try his muscles, or his brains, or both, but he is proud of his ability to keep his endurance up to the mark, and to exercise that spirit of discipline that enables him to turn his endurance to good account. That is his reward and his pleasure, and every man who sticks to what he undertakes, and does it well, so far from exercising self-denial, acquires the most solid kind of gratification.59

Die Umdeutung der Enthaltsamkeit konnte aus Sicht der Sparpropheten nur über die Erziehung vermittelt werden. Eltern, Familien und Schulen, Sparkassen und -vereine wurden aufgerufen, sich dafür zu engagieren, dass Kinder und Heranwachsende im frühen Alter den sorgsamen Umgang mit Dingen erlernten und mit dem aufgeschobenen Konsum vertraut gemacht würden. Der bürgerliche Charakter der angepriesenen Selbstdisziplin zeigt sich in den Ratgebern vor allem dort, wo manche AutorInnen Widerstand vor allem bei Arbeitern zu beobachten meinten. Dieser, so Smiles, müsse aktiv überwunden werden: „But thrift is not a natural instinct. It is an acquired principle of conduct. It involves self-denial – the denial of present enjoyment for future good – the subordination of animal appetite to reason, forethought, and prudence.“60 Gleichwohl sollte die bürgerliche Zielstellung für die Kinder aller Schichten gelten: Die Armen müssten sparen lernen, um sich aus ihrem Elend zu befreien, und die Reichen hätten die Verantwortung zu erlernen, die mit dem Wohlstand einherginge.61 Letztlich entfalte sich in der standhaften Ablehnung des sofortigen Genusses „eine ethische Seite des Sparens“62 für alle und ein Instinkt „der menschlichen Natur“ werde diszipliniert.63 Die Semantiken der Entsagung, Mäßigung und „Herrschaft über Deine Ge­lüs­ te“64 knüpften an die Diskurse über die menschlichen Leidenschaften im 18. Jahrhundert an. Fortschritt, so formulierte es auch Eduard Ackermann in seinem Erziehungsratgeber von 1887, entstehe aus der Zivilisierung und Kontrolle der Lei58 Anon.,

Stepping-Stones to Thrift, S. 1. S. 2. 60 Smiles, Thrift, S. 8. „It is the instinctive hatred of discipline that is the greatest obstacle to the initiation of thrift; and the obstacle is all the more formidable because the undisciplined mind cannot see the necessity for discipline.“ Anon., Stepping-Stones to Thrift, S. 3. 61 Ellis, Helps to the Young, S. 95  f. Vgl. auch Eltz, Das goldene Anstandsbuch, S. 331. 62 Hochscheidt, Wegweiser für Lehrerinnen, S. 100. 63 Schmidt, Jedermann’s Sparbuch, S. 32. 64 Ebd., S. 29. Selbstregierung als Bestandteil des pädagogischen Diskurses fand sich auch in älteren Publikationen: „Self-government is often required through life; […] The government of self, however, relates not only to the mode in which we receive, and are influenced by the actions of others, but to the manner in which our own actions are regulated; and farther still, to the choice and indulgence of motive in which these originate.“ Newnham, Principles of Physical, Intellectual, Moral and Religious Education, S. 128 f. 59 Ebd.,

238  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 denschaften, der „zur Herrschaft gekommenen Begierde“.65 Der schichtübergreifende Charakter dieser bürgerlichen Vorstellungen differenzierte sich mancherorts geschlechtsspezifisch aus und die der Kontrolle der Leidenschaften zugrundeliegende Fortschrittsannahme wurde als dezidiert männliches Prinzip beschrieben.

Sparsamkeit als männliches Prinzip Sparsamkeit als Verhaltensideal basierte auf einem liberalen Menschenbild, das ein spezifisches Männlichkeitskonzept implizierte. In Ratgebern wurde mit Hilfe individueller Befreiungsrhetorik der Zusammenhang von männlicher Sozialisation und Sparsamkeit als Grundlage des sozialen Aufstiegs politisiert. Besonders expliziert wurde die Selbstdisziplin in Schriften, die sich direkt an junge Männer wandten. Dabei dominierten die Referenzen an die individuelle Unabhängigkeit in den britischen Publikationen deutlicher als in Deutschland, da die liberalen Ideen Großbritannien insgesamt stärker prägten.66 Ursächlich für diese kulturelle Differenz war die britische Tradition der Aus­ einandersetzung um working class respectability, die auch Samuel Smiles in seinen Schriften anvisierte, und die in den Sunday Schools schon seit dem 18. Jahrhundert gepredigt wurde. Auch die englischen household tracts, die sich der moralischen und religiösen Erhebung der unteren Schichten verschrieben hatten, priesen die befreiende Wirkung des Geldes als Mittel zur individuellen Unabhängigkeit.67 Der Stolz auf die eigene finanzielle Unabhängigkeit und die Hoheit über das Ersparte seien die Basis eines selbstbewussten und starken Mannes, formulierte es der Autor William Martin: There is nothing so humiliating, so painful, so degrading, or so wretched as to be beholden to others. And there is nothing so truly pleasant, exalted, or magnanimous as for a person to feel his own independence when it arises from care, self-sacrifice, or laudable economy. Money in the bank gives a man confidence, strength, life, energy, cheerfulness, and enables him to hold up his head like a man. Well do I remember how I felt when I became the master of a hundred pounds which I had saved by renouncing luxuries of every kind.68

Besonders ausgeprägt, und damit von den britischen wie deutschen Männlichkeitsentwürfen deutlich zu unterscheiden, waren die Verweise auf die Selbstkontrolle als notwendige Grundlage männlichen Erfolgs in einigen amerikanischen Sozialisationsbüchern, die sich der Frage widmeten, wie man reich werden konnte. Sie verwiesen zwar auch auf die Selbstdisziplin, wie beispielsweise in Successful 65 Ackermann, Die haeusliche Erziehung, S. 175. 66 Vgl. auch: Prinz, Brot und Dividende. 67 Anon., What shall I do with my Money?, S. 8. Die

billigen Hefte (ca. 2 Pence) sollten der moralischen Belehrung und Unterhaltung der unteren Schichten dienen. Sie waren als Geschenke oder Leihgaben im Umlauf oder wurden in Form von Vorträgen öffentlich präsentiert. Auch die Kooperativen bezogen sich auf die Funktion des Geldes als Mittel zur individuellen Unabhängigkeit: „We would not have the children value money for its own sake, and would be the last to encourage a miserly desire to hoard amongst them; but as society is at present constituted, we cannot help recognising in money the means of life, the means of comfort, the means of maintaining an honest independence.“ Scotton, Penny Banks, S. 4. 68 Anon. [William Martin], What shall I do with my Money, S. 17  f.

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  239

Man, unterstrichen aber darüber hinaus den aus dieser Kontrolle resultierenden Erfolg als das zentrale Ziel für Männer. Die Selbstkontrolle führte, so der Autor, zur Kontrolle über das Umfeld: In self-control is to be found one of the highest elements of true success. To have one’s power in hand ready for instant action, is the highest attainment of man. To be self-restrained and not impulsive, to be self-balanced in every emergency, to be equally poised at all times, is to possess the very potentialities of greatness; for in the selfreliant man all true greatness dwells.69

Jenseits dieser schlichten Erfolgsgeschichten für junge amerikanische Männer galt Sparsamkeit auch in den USA als Mittel zur individuellen Unabhängigkeit und zur Befreiung von den Fesseln der Armut. 70 Erspartes Geld zeige, so das liberale Mantra, das autonome, männliche Individuum, und war demnach ein schichtübergreifendes Mittel männlicher Subjektivierung: „Saving is not therefore, in itself, an economic virtue, but it is the ‚symbol and the instrument‘ of a man’s independence.“71 Diese vorsichtige Politisierung eines Verhaltensideals war keine rein amerikanische Version der Sparsamkeit, aber die Rhetorik der Befreiung war hier sehr ausgeprägt. Die europäischen Ratgeber bezogen sich vor allem auf die Distanz zur staatlichen Fürsorge und Abstinenz von irdischen Genüssen, insbesondere von Alkohol. Die monetäre Kapitalbildung galt als Kennzeichen eines unabhängigen Mannes, dessen angemessener Platz im familiären Heim zu finden sei.72 Smiles beispielsweise verwies auf die große Bedeutung des Haushalts und der Familie für männliche Sozialisationen: „Men can only be really and truly humanized and civilized through the institution of the Home.“73 Auch in der Frage, wo die Erziehung zur Wirtschaftlichkeit am besten zu erfolgen habe, befand Smiles das Haus geeigneter als die Schule, obgleich die englische Praxis der frühen außerhäuslichen Ausbildung von Jungen in eine andere Richtung wies. Erwachsene könne man schwerlich noch erfolgreich erziehen, aber Kinder würden zumeist tun, was man ihnen beibringe: „And they can be taught economy, just as they can be taught arithmetic.“74 Die in den Ratgebern oft wiederholte enge Beziehung zwischen Sparsamkeit, Häuslichkeit und Männlichkeit ist vordergründig bemerkenswert, da die häusliche Sphäre in der bürgerlichen Geschlechterordnung des späten 19. Jahrhunderts als weiblicher Raum konnotiert wurde.75 Martina Kessel, Catherine Hall, John 69 Ransom,

The Successful Man, S. 199. Development of Thrift. Das Buch der amerikanischen Sozialarbeiterin Mary Wilcox Brown gibt einen Überblick über verschiedene Institutionen des Sparens aus einer philanthropischen Perspektive. Es richtete sich an aktive Sozialarbeiter sowie an Arbeiter, die Sparvereine organisierten. 71 Ebd., S. 5. 72 Zu den Beziehungen zwischen Männlichkeit und Sparsamkeit in den USA vgl. Lears, Modernization of Thrift, S. 216. Über das viktorianische Ideal von domesticity vgl. Tosh, A Man’s Place, S. 27–50. 73 Smiles, Thrift, S. 321. 74 Ebd., S. 146. 75 Hausen, Polarisierung der Geschlechtscharaktere; vgl. auch Karin Hausen’s eigene Reflexion über ihren Aufsatzklassiker: Hausen, Der Aufsatz über die „Geschlechtscharaktere“. 70 Vgl. Brown, The

240  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Tosh und andere HistorikerInnen haben jedoch auf die Engführung der geschlechtlichen Sphärenzuschreibung deutlich hingewiesen und Männlichkeitsentwürfe untersucht, die sich gerade aus der gelungenen Integration von Haus und Öffentlichkeit, Rationalität und Emotion konstituierten.76 Häuslichkeit hatte zeitgenössisch geradezu einen dezidiert positiven Ruf für ihre Rolle in der Entwicklung von Männlichkeit.77 Die Anstandsbücher und Ratgeber für junge Männer, wie beispielsweise auch dasjenige von Marie Calm, befanden, dass außerhalb des Hauses weder Abstinenz noch Sparsamkeit gewährleistet sei: Daß diese abendlichen Ausgänge des Mannes eine bedeutende Erhöhung des Budgets zur Folge haben, liegt auf der Hand. Er kann nicht umhin, mit den Freunden ein paar Gläser Wein oder Bier mehr zu trinken, ein paar Cigarren mehr zu rauchen, als für seine Behaglichkeit notwendig ist, mag auch das Restaurant nicht öfter besuchen, ohne zuweilen dort sein Abendbrot zu verzehren. Diese Extra-Schoppen, Cigarren und Abendbrot aber bilden, zusammengerechnet, eine Ausgabe, vermöge welcher der ganze Haushalt in besseren Stand zu setzen wäre; für den Preis eines im Restaurant verzehrten Beefsteaks könnte die ganze Familie daheim Beefsteaks essen, statt der aus Fleischresten und Weißbrot zusammengehackten Frikadellen.78

Bleibe ein Mann am Abend zuhause, könne somit viel Geld gespart und der Lebensstandard der gesamten Familie erhöht werden. Auch beim Thema der Häuslichkeit von Männern war der internationale Vergleich Bestandteil des Sparsamkeitsdiskurses. Marie Calm befand die deutschen Männer als besonders aktiv in außerhäuslichen Aktivitäten. Die Summe, die sie dort verbrauchten, übersteige diejenige anderer „Kulturländer“ um das „Drei- oder Vierfache“.79 Die in den Ratgebern skizzierten Abwege, die den jungen Männern außerhalb des Hauses drohten, waren die Spiegel der idealisierten Männlichkeit. Verschwendung und Spielsucht mit den Folgen erhöhter Kreditaufnahme und Verschuldung waren die für Jungen gezeichneten Schreckbilder, gegen die sich die Erziehung zu wenden habe. Verbrachte ein Mann zu viel Zeit außer Haus, sei er, so die Ratgeber, nicht in der Lage, eine Familie zu führen, und sein Erfolg als Familienvorstand und Alleinernährer sei bedroht. Auch in Spemanns goldenes Buch der Sitte wurde vor Anschreibungen und Kreditaufnahmen gewarnt, die den Familienfrieden gefährdeten: Der Gatte schilt über die Rechnungen seiner Frau, die Gattin schilt, daß der Mann nicht einmal seine Cigarren bezahlt hat, die Frau schilt auf das Dienstmädchen, weil diese selbst den geringen Betrag von einer Reichsmark bei dem Klempner für eine Reparatur nicht gleich bezahlte, anschreiben ließ, der Sohn bekommt ein unheiliges Donnerwetter auf den Kopf, weil er im Laufe des ganzen Jahres nicht ein einziges Schulheft bar bezahlte – jeder hat eine Sünde begangen und jeder wird dafür getadelt.80

76 Für

die enge Beziehung zwischen Männlichkeit und Häuslichkeit im 18. und frühen 19. Jahrhundert vgl. Harvey, Men Making Home; Kessel, The ‘Whole Man’; Davidoff und Hall, Family Fortunes; Hall, White, Male and Middle-Class; Tosh, The Old Adam. Kritisch über Religion und Männlichkeit in der einschlägigen Forschung: Van Reyk, Christian Ideals of Manliness. 77 Tosh, A Man’s Place, S. 112  f. 78 Calm, Sitten der guten Gesellschaft, S. 46  f. 79 Ebd., S. 47. 80 Baudissin und Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, 943.

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  241

Letztlich war mit dem Gelingen der männlichen Sozialisation die Basis der bürgerlichen Gesellschaft verbunden. Scheiterte die Sozialisation und endete im Bankrott des Mannes mitsamt seiner Familie, stand auch die bürgerliche Gesellschaft zur Disposition. Aus diesem Grund schenkten die meisten Autoren den Gefahren, die drohten, wenn junge Männer nicht richtig erzogen würden, einige Aufmerksamkeit. Es seien viele falsche Ideen über Männlichkeit virulent, befand John Brookes in seiner sich an junge Männer richtenden Schrift Manliness (1859). Entgegen der weitverbreiteten Warnung vor Geiz und Verschwendung befand Brookes, dass es sich genau umgekehrt verhielt: Einen Geizhals würde man als wirtschaftlich, einen Verschwender und Trinker als Genussmenschen beschreiben.81 Besonders bedrohlich befand er jedoch die schimmernde Versionen von Männlichkeit, die in der Figur eines Dandies kulminierten: Manliness is one of the words to which many attach a ludicrous meaning. Many of our youths and young men look upon the fast young man as a model of manliness – they have an idea that there is something manly in eating and drinking to excess, dressing like dandies, betting with spirit, doing anything that is vicious and extravagant, recounting scenes of debauchery and edifying each other with their lewd experiences.82

Die Referenz an den Dandy als Figur des öffentlichen Lebens war eine verbreitete Möglichkeit, Fehlentwicklungen männlicher Sozialisationen zu markieren. Der Dandy war das Gegenteil des sparsamen Mannes, er verschwendete öffentlich und extravagant und missachtete mit Vergnügen, so die populäre Rezeption, den Wert des Geldes. Spielen entsprach in keiner Weise den idealisierten Vorstellungen eines häuslichen Mannes. Er nehme, was Frau und Kindern zustehe, betonte Pinhorn in seinem Plädoyer gegen ausschweifendes Verhalten.83 Zu ausgiebiges Spielen, insbesondere das verpönte Glücksspiel, galt als Schuldenfalle, die weitere Kreditaufnahmen nach sich zöge und am Ende den Ruin eines Mannes bedeuten könne. Die Kreditaufnahme wurde jedoch nicht generell als kritisch angesehen. Der Ratgeber von Williams Ellis machte beispielsweise einen Unterschied zwischen der Kreditaufnahme zur weiteren Investition und derjenigen zum privaten Konsum. Letztere sei strikt abzulehnen: Living in an atmosphere of prudence, as most of you do, listening to words of wisdom, and observing conduct in harmony with the words, you will have warned to shun, and would shudder at the thought of ‘running into debt’. But borrowing and lending are among the practices which help to make labour productive. […] Borrowing in order to consume must be condemned by all who have learned only so little as to know that economy or thrift is one of the mainstays of the state of well-being which we have reached, indifferent as the state is.84 81 Brookes, Manliness, S. 5. Brookes

richtete sich mit seiner Schrift an junge Männer, um sie auf den Pfad wahrhaftiger männlicher Entwicklung zurück zu führen: „The object of the following chapters is to expose to well-merited disgust and ridicule some of the false ideas of Manliness – to point out some of the true principles of a truly manly character – and to encourage young men to be virtuous, morally independent, brave, energetic, well-informed, in a word, manly.“ Ebd., Preface. 82 Ebd., S. 6. Die Klage über das verschwenderische Geldverhalten von jungen Männern fand sich auch in den USA. Vgl. beispielsweise Arthur, Advice to Young Men, S. 26 f. 83 Pinhorn, Spending and Saving, S. 49  f. 84 Ellis, Helps to the Young, S. 109  f. Zum ökonomischen Scheitern vgl. Köhler und Rossfeld, Pleitiers und Bankrotteure.

242  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Die Texte über das Verhältnis von Männlichkeit und Sparsamkeit bewegten sich, wie im Spardiskurs generell, zwischen zwei rhetorischen Polen: Zum einen beschrieben sie das Idealbild eines häuslichen, sorgsamen und sparsamen Mannes, der sein finanzielles Auskommen und seine individuelle Unabhängigkeit in der außerhäuslichen Welt fand. Sparsamkeit geriet darin zu einem männlichen Verhaltensideal und zum Ausweis von Männlichkeit. Zum anderen mussten die ­Autorinnen und Autoren koinzidieren, dass es viele Herausforderungen, Abweichungen und Leidenschaften gab, die der Realisierung ihrer Männlichkeitsvorstellungen entgegenstanden. Die Debatten über die Erziehung von Jungen zu Spar­ sam­keit, Unabhängigkeit und ergo Männlichkeit lassen sich demnach auch als Ver­ suche verstehen, die bürgerliche Geschlechterordnung, die das 18. und 19. Jahrhundert diskursiv so stark prägte, auch angesichts widerstehender sozialer Realitäten zu verwirklichen.

Weibliches Haushalten und kluges Investment Für junge Frauen und Mädchen entwarfen die Ratgeber eine verwandte, jedoch in ihren einzelnen Elementen von den Männlichkeitsdiskursen zu unterscheidende Perspektive. Verwandt waren sie insofern, als dass auch hier die Stabilität der familiären Ökonomie und des Haushalts im Vordergrund stand. Für Mädchen und Frauen war in erster Linie der Haushalt als monetärer Bewährungsraum vorgesehen. Den Zusammenhang zwischen Frauen und Geld erläuterten die Publikationen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, indem sie, wie beispielsweise der von Sarah Stickney Ellis publizierte Ratgeber The Daughters of England (1842) einen Zweifel an den Beginn ihrer Erläuterungen stellen. So lässt Ellis eine Leserin ausrufen, was Mädchen denn mit Geld zu schaffen hätten. In der Antwort auf diese Frage verweist die Autorin auf die Würde und Reinheit junger Mädchen. Zu deren Erhaltung bräuchten sie „a scrupulous delicacy with regard to incurring pecuniary obligations“.85 In späteren Ratgebern aber war die Notwendigkeit genauer Kenntnisse des monetären Handlungsspielraumes der Familie nicht mehr erklärungsbedürftig.86 Die tägliche Kalkulation des Budgets gehörte zum Alltag vie­ler Frauen, unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit. Je nach Haushaltsgröße konnte die Berechnung durchaus größeren Umfangs sein.87 Jan Daniel Georgens (1823–1886), der in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein aufwendig gestalteten Ratgeber für werdende Mütter, Ehe- und Hausfrauen ab 15 Jahren verfasste, stellte explizit eine Analogie zwischen der männlichen Geschäftswelt und der weiblichen Haushaltsführung her, indem er auf die von Romantikern vertretene Sphärenüberschreitung verwies: 85 Ellis,

Daughters of England, S. 258. Die Hausfrau. […] Sie soll mit dem Einkommen ihres Mannes haushälterisch umgehen und möglichst etwas zu sparen suchen. Die regelmäßige und genaue Führung eines Haushaltungsbuches wird ihr das wesentlich erleichtern. Auch die Kinder und die Dienstboten gewöhne sie an Sparsamkeit.“ Eltz, Das goldene Anstandsbuch, S. 186. 87 Budde, Auf dem Weg ins Bürgerleben, S. 179  f. 86 „III.

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  243 Von Haus aus sind, nach Jean Paul und Anderen, die Hausfrauen geborene Geschäftsleute (das Wort Geschäftsleute im höheren Sinne des Wortes genommen: Geschäftsleute im Dienste des Familienglücks, in der Anschaffung, Verwendung, Bewahrung und Erhaltung der häuslich – wirtschaftlichen Gegenstände – in treuer Ueberwachung aller häuslichen Angelegenheiten), Hausbürgerinnen, mit dem wärmsten Herzen, keine Weltbürgerinnen.88

Mit diesem Verweis auf Jean Paul referierte der Kindergarten-Pädagoge und Direktor der „Erziehungs-Anstalt für höhere Bildung weiblicher Jugend“ auf eine Moral der Empfindsamkeit, in der die Sphärentrennung in öffentlich und privat nicht exklusiv gedacht und die Grenzüberschreitung – wie in dem Zitat angedeutet – erwünscht war.89 Gleichwohl galten ihm Frauen – im Unterschied zu Männern – nicht als Weltbürgerinnen. Georgens führte seinen Vergleich zwischen männlicher und weiblicher Welt weiter aus, indem er die Gefahr der Verschuldung auch für Frauen reklamierte. Auch ihnen drohe die Verschuldung, wenn sie Ein- und Ausgaben nicht korrekt kalkulierten. Um diese Probleme zu vermeiden, so der Autor, galt es die Rechenfähigkeit bei Mädchen und Frauen zu stärken.90 Finanziell ruinierte Haushalte, betonte auch die anonyme Autorin eines Erziehungsratgebers für Mädchen, seien in der Regel auf die weibliche Unfähigkeit zum Sparen und auf eine falsche Erziehung zurückzuführen. In einer von ihr bezeugten Geschichte habe die Ehefrau das Geld ihres Mannes nicht beisammen gehalten, weil sie schon als Kind von ihren eigenen Eltern so verwöhnt worden war.91 Taschengeld ab zehn Jahren, das Führen eines Ausgabenbuch, ein sorgfältiger Umgang mit Dingen und Kleidung sowie die Verantwortungsübernahme im Haushalt galten auch ihr als wirkungsvolle Mittel zur Vorbereitung ihrer eigenen Töchter auf ein Leben als Hausfrau, Gattin und Mutter.92 Während manche Ratgeber die weibliche Verwendung von Geld noch auf den Haushalt begrenzten, wurde zunehmend unübersehbar, dass die Zeit der Beschränkung weiblichen Geldhandelns auf die Haushaltsführung vorbei war. Der Verweis auf das eigene Geld, die Arbeit und auf über den Haushalt hinausreichende finanzielle Transaktionen bestimmte zwar insgesamt gesehen noch nicht den Diskurs. Jedoch nahmen Ausführungen zu, die diese explizit in ihren pädagogischen und moralischen Zielhorizont integrierten. Spemanns goldenes Buch der Sitte der Eheleute von Baudissins machte dies explizit, in dem es unter dem Lemma „Vernünftige Erziehungsweise“ darauf verwies, dass Eltern und Erzieher die Mädchen auch auf die Selbständigkeit vorbereiten sollten: „Außer guten Manieren und feinem Takt, Sicherheit im Auftreten und Formgewandtheit muß die Frau die bei88 Georgens, Blicke

und Winke, S. 2. Vgl. auch: Ebd., S. 3: „Mit dem ganzen Rechnen beim weiblichen Geschlechte geht es am Ende doch nur auf eine geordnete, genaue und fehlerfreie Führung eines ‚guten Haushaltungsrechnungsbuches‘ hinaus, als Mittel zur höhern Einkommensverwaltung und zum klaren Durch- und Ueberschauen im Familienhaushalte, worauf das häusliche Glück doch wesentlich beruht.“ Der Autor hat weitere Bücher u. a. zu Kinderspielen veröffentlicht. 89 Epple, Empfindsame Geschichtsschreibung, S. 59. 90 Georgens, Blicke und Winke, S. 49  f. 91 Anon., Winke über Erziehung, S. 149  f. 92 Ebd.

244  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 den großen Faktoren des Lebens: Arbeit und Geld richtig schätzen lernen.“93 Diese Anmerkung weist auf eine revolutionäre Erweiterung des Handlungsspielraumes von Frauen hin: Dem Verweis auf die weibliche Selbständigkeit fehlte zwar das Pathos der liberalen Befreiungsrhetorik, die sich auf sparsame Männer bezog, doch letztlich wurden auch Mädchen und junge Frauen sukzessive in dieses Modell der an das Geld gebundenen Autonomie inkludiert. Spemanns Anstandsbuch skizziert zudem ausführlich einen Fall, in dem eine Frau durch den Tod ihres Mannes zu Wohlstand gekommen sei und nun eigenständig Vorkehrungen für eine Geldanlage treffen müsse: Die Anlage des Kapitals ist namentlich für Damen eine sehr schwierige Frage. […] Solange der Mann noch lebte, hat dieser stets alle Geldgeschäfte besorgt, die Frau ist aber in derartigen Dingen ziemlich unerfahren, sie dreht die fünfzig Tausendmarkscheine in der Hand herum und frägt sich: was mache ich damit? Die Dame müßte keine Dame sein, wenn sie das Geld nicht zuerst in ihre Kommode einschließen und sich damit der Gefahr aussetzen würde, entweder bestohlen zu werden oder durch ein Feuer, das ausbrechen kann, vielleicht um ihr ganzes Vermögen zu kommen.94

Während an dieser Stelle auf den durchaus geläufigen rechtlichen Sonderfall der Witwenschaft verwiesen wurde, die ohne Vormund und Ehemann über ihre Geldanlage entscheiden konnte, waren in England in den 1880er Jahren die rechtlichen Verhältnisse derart verändert, dass Frauen auch ohne den Tod des Ehemannes über Investitionsmöglichkeiten nachdenken konnten. Die beschriebene Ausweitung weiblichen monetären Handelns in den normativen Schriften konkurrierte mit der sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Europa etablierenden Vorstellung vom Mann als Alleinernährer der Familie.95 Die sich hier ankündigende ökonomische Unabhängigkeit von Frauen folgte dem ­liberalen Emanzipationsdiskurs, der bislang nur Männer thematisiert hatte und politisierte das Verhaltensideal der Sparsamkeit. Während die Frauenbewegungen, die rechtliche Veränderungen und die ausgeweitete Schulbildung den Rahmen für eine Erneuerung der monetären Erziehung von Mädchen schufen, nutzten die bürgerlichen Ratgeber den Diskurs, um im Sinne der Mädchen und Frauen deren Geldanlage zu regulieren und auf neue Experten zu verweisen. Frauen wurden (wie Männer) ermahnt, sich nicht in riskante Spekulationen zu verwickeln und sich von einem Bankier beraten zu lassen.96 Am Ende des Jahrhunderts erfuhr die Konzentration auf Sparsamkeit deutliche Kritik. Im Gegensatz zu der Annahme von Karl Marx, dass die Sparsamkeit zur Entfremdung und Erniedrigung der Arbeiter beitrüge, richtete sich die Kritik aber nun auf die Probleme, die der Ökonomie durch den mit dem Sparen verbundenen Konsumverzicht drohten. Gaskell, der englische Autor einer Schrift über die Sinnlosigkeit monetärer Sparsamkeit, kritisierte die Sparbewegung deutlich.97 Die 93 Baudissin und 94 Ebd., S. 941.

Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, S. 894 f.

95 Vgl.

Hausen, Wirtschaften mit der Geschlechterordnung, S. 55.  96 Baudissin und Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, S. 942. Vgl. auch: Garon, ­Beyond Our Means, S. 62 f. Futility of Pecuniary Thrift, S. 3.

 97 Gaskell,

1. Ratgeber als Medien monetärer Selbstkontrolle  245

Apostel des thrift gospel predigten Enthaltsamkeit für alle, obwohl dies, und hier verglich Gaskell die Sparsamkeit mit Vegetarismus und Antialkoholismus, nur für Einige Sinn mache.98 Die Aufforderung der National Thrift Association an arme Leute, mehr zu sparen, bezeichnete er als eine Unverschämtheit. Das Sparen der Armen erhöhe nur das Kapital und den Lebensstandard der Wohlhabenden.99 Zudem werde der Konsum der Arbeiter derart eingeschränkt, dass dies ernsthafte Schwierigkeiten für die Produktion mit sich bringe.100 Der hier benannte Spagat zwischen einem regulierten Umgang mit dem persönlichen Budget auf der einen Seite und der Aufforderung, an den Konsumangeboten zu partizipieren auf der anderen Seite, musste in der sich ausdifferenzierenden Konsumkultur in immer neuen Varianten ausbalanciert werden, und hat seitdem die volkswirtschaftlichen und politischen Empfehlungen für das finanzielle Verhalten von Privatpersonen nie wieder verlassen. Neben dem quantitativen Anstieg sind drei qualitative Veränderungen in den Anstands- und Erziehungsratgebern zu benennen, die sich auf die Thematisierung des Geldes beziehen und die zum Ende des Jahrhunderts immer deutlicher sichtbar wurden. Erstens fanden neue Geldhandlungen und Finanzinstrumente Eingang in die Selbstvergewisserungsmedien. Die Integration finanzkapitalistischer Ratschläge in Anstands- und Benimmbücher prägte im 19. Jahrhundert jedoch noch nicht in die Elternratgeber, die weiterhin nur die traditionellen Taschengeldübungen empfahlen. Zweitens verengte sich die Bedeutung von Sparsamkeit auf den Umgang mit Geld und schob Positionen, die auf einem nachhaltigen Umgang mit Dingen insistierten, in den Hintergrund. Sie blieben allerdings in den Hinweisen zur weiblichen Haushaltsführung erhalten. Drittens spiegelte sich die durch die Frauenbewegung provozierte Legitimationskrise der bürgerlichen Geschlechterordnung auch in der Ratgeberliteratur wider. Mädchen und Frauen wurden am Ende des 19. Jahrhunderts auch über Geldanlagetechniken des modernen Bankenwesens informiert. Doch diese inhaltlichen Veränderungen sollen nicht verdecken, dass das Thema der monetären Sparsamkeitserziehung nicht unbedingt von allen als notwendig betrachtet wurde. Der bekannteste deutsche Ratgeber für Jungenerziehung „Wie erziehen wir unsern Sohn Benjamin?“ thematisierte Geld beispielsweise überhaupt nicht.101 Worte, wie Kapitalisten und Kapitalismus wurden nur selten verwendet, um Kinder oder kindliches Handeln zu beschreiben. Allerdings sind die wenigen Belegstellen aufschlussreich, da sie die Entwicklung des 20. Jahrhunderts andeuteten. Hier und da wurden Kinder mit einem Augenzwinkern als „junge Kapitalisten“ bezeichnet.102 Die populäre Pädagogik übernahm jedoch nicht ausnahmslos  98

Ebd., S. 4. Ebd., S. 6–7. 100 Ebd., S. 9. 101 Matthias, Wie erziehen wir unseren Sohn Benjamin. 102 „Einem »on dit« zufolge soll es zwar Familien geben, die dann und wann bei den eigenen Kindern und ihren Schätzen Anleihen machen – aber schließlich ist jedes gesparte Geld ein Notgroschen und es ist nur zu hoffen, daß die jungen Kapitalisten in besseren Zeiten alles  99

246  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 und schon gar nicht widerspruchsfrei die Ausweitung der Handlungsoptionen im finanzpolitischen Bereich in die Sozialisationsbeschreibungen und Erziehungsratschläge. Zudem wandelte sich das Medium der Erziehungsratgeber nur langsam. Die Idealisierung des liberalen Männlichkeitsmodells allerdings, das auf Kapitalvermehrung und Unabhängigkeit basierte, verweist im­plizit darauf, dass die Sozialisationsnormen für Jungen auf Vorstellungen basierten, denen im Rahmen der kapitalistischen Ökonomie zentrale Funktionen zu­kamen.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und ­Politisierung von Sparsamkeit in Europa Leonore Davidoff und Catherine Hall haben den Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert als eine Übergangszeit bezeichnet, in der die Kindererziehung, und dabei vor allem die Erziehung der Jungen, vom verwandtschaftlichen und familiären Netzwerk in die pädagogischen Institutionen verlagert wurde.103 Im letzten Drittel des 19. Jahrhundert flammte die Frage des geeigneten Ortes für die Kinder­erziehung erneut auf. Es wurde vielfach bezweifelt, dass die Familie die notwendigen Kon­ trollfunktionen wahrnehmen konnte. Die Familie, und insbesondere die Arbeiterfamilie, galt als ein defizitärer Ort.104 Staatliche und kirchliche Institutionen, wie die Elementarschulen, und ihre Lehrer waren aus Sicht der Familienkritiker besser geeignet, Sparsamkeit einzuüben. Die Schule, so der Regierungsrat Leo Wilhelmi, sei „ein Correctiv gegen die mangelnde Erziehung in der Familie.“105 Die Gegner öffentlicher Sparsamkeitserziehung hielten dagegen die Familie für den geeigneten Rahmen, um über die Verwendung von Geld zu entscheiden und zu lernen.106 Nur in Ausnahmefällen lehnten Pädagogen, wie Moritz Kleinert, den kindlichen Kontakt mit Geld generell ab: „Kinder haben eben mit Geld noch nicht zu wirtschaften.“ Seiner Meinung nach genüge die „Ordnung und Sparsamkeit in und an seinen Sachen“ zum Erlernen eines wirtschaftlichen, d. h. haushälterischen Umgangs.107 Diese Position war jedoch am Ende des 19. Jahrhunderts eine Minderheitenmeinung. Vor allem die Volksschule sollte in die Erziehung zum rechten Umgang mit Geld einbezogen werden.108 Wenn die Aufgabe der Schule darin gesehen werden könne, mit reichlichen Zinsen zurückerhalten!“ Baudissin und Baudissin, Spemanns goldenes Buch der Sitte, S. 826. 103 Davidoff und Hall, Family Fortunes, S. 235. 104 Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 12. „Wir verlangen nicht, daß der Lehrer in der Volksschule, welche mit Lehrstoff ohnehin überladen ist, auch noch Nationalökonomie lehren soll.“ Ebd., S. 15. Vgl. auch: Wilhelmi, Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 10; Hansen, Die Kinder- und Schulsparkassen, S. 452. 105 Wilhelmi, Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 10. 106 Vgl. H. Fricke, Ueber Schulsparkassen (Fortsetzung), Pädagogische Reform, 5, 1881, 23, S. 93–95, hier S. 93. 107 Kleinert, Erziehung zur Sparsamkeit, S. 132. 108 Zur Geschichte der Schulsparkasse vgl. Maß, Mäßigung der Leidenschaften; Berg, Konkretisierung und Realisierung der Sparerziehung; Müller, Die Schulsparkassenbewegung; Schul-

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  247

„moralisch tüchtige und gute Bürger“ zu erziehen, so der Schulsparkassen-Befürworter und Regierungsrat Leo Wilhelmi, dann sei sie auch der Ort, an dem Sparsamkeit gefördert werden müsse.109 Die öffentlichen Reaktionen auf den Vorschlag, Schulsparkassen einzurichten, waren in den 1870er Jahren kontrovers und oftmals polemischer Natur. Das Thema, so klagte die habsburgische Lehrerin und Autorin Carina Schröter 1877, spreche eine Menge Menschen an, die ihre Meinung auch ohne gründliche Kenntnis des Gegenstandes kundtäten: Die ‚Schulsparcassa‘ ist eine pädagogische Frage, welche, seitdem sie aufgeworfen wurde, nicht nur alle Lehrer, sondern auch viele, der Schule ferne stehende Kreise beschäftigt; ja, es kann behauptet werden, dass das grosse Publicum sich noch nie für eine pädagogische Streitfrage so sehr interessirt hat, wie für die in Rede stehende; alle Welt spricht von den Schulsparcassen; aller Orten hört man Ansichten und Argumente für und gegen; jedermann will seine Ansicht vertreten, will für das, was gesagt, einstehen; leider aber sehr oft, ohne die Sache zu kennen, und so gewinnt die ‚Schulsparcassa‘ in einem Punkte immer mehr Aehnlichkeit mit der Medicin. Wenn man nämlich sagt, es wolle jedermann Arzt sein, so kann man auch sagen, es wolle jedermann Pädagog sein, so weit es sich um die Schulsparcassen handelt.110

Tatsächlich rief die Institution der Schulsparkasse publizistische Reaktionen unterschiedlicher beruflicher, nationaler und geschlechtlicher Herkunft hervor. Sie verursachte ein Art europäischen Spartourismus und in Folge eine hohe Publikationsdichte an Broschüren, Büchern, Zeitungsartikeln und Vorträgen. „Der Kampf um die Schulsparkassen“ ließ Gegner und Befürworter in den einschlägigen pädagogischen Zeitschriften zu einem regen Schlagabtausch zusammenkommen.111 Die Vehemenz der Debatte und die unversöhnliche Frontstellung zwischen Befürwortern und Gegnern der in Schulen institutionalisierten monetären Sparsamkeit hatte wenig mit einer allgemeinen, kulturkritischen Geldskepsis zu tun. Ihre Strahlkraft war deshalb so hoch, weil es sich um eine politische Debatte handelte, die in ihrer Bedeutung über die Institution hinaus reichte und die soziale Frage, das Verhältnis von Nation und Zivilisation, die Charakterbildung durch Disziplin und die Buchführungskultur berührte.

Das System der Schulsparkassen Die plötzliche Eruption und Polemik der Debatte in den 1870er Jahren suggerierte, dass es zuvor keine Sparsamkeitserziehung in der Schule gegeben habe. Die Aufmerksamkeit der schulischen Erziehung für Sparsamkeit war allerdings nicht neu. Didaktische Materialien, die Sparsamkeit und Rechenhaftigkeit lehrten, gab es zuhauf: Lehr- und Lesebücher, Sprichwortsammlungen und Textaufgaben unterrichteten die Schülerinnen und Schüler im sparsamen Umgang mit Dingen, Lebensmitmuseum bergisch-Gladbach

(Hrsg.), Geschichte des Schulsparens; Schulmuseum Nord(Hrsg.), Schulsparen. 109 Wilhelmi, Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 9. 110 Schröter, Schulsparcassen vom Standpunkte der Pädagogik und National-Ökonomie, S. 1. 111 Die Schulsparkassen, Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung, 34, 1882, 7, S. 59–62; Georges, Was ist von der Schulsparkasse zu halten?, Deutsche Blätter für den erziehenden Unterricht, 11, 1884, 17, S. 133–136. württemberg

248  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 teln und eben auch Geld. Die monetäre Äquivalenz von Gegenständen und Waren wurde eingeübt und arithmetische Textaufgaben in einem Geldkontext platziert.112 Die Rechenaufgaben, befand ein französischer Autor, könnten sinnvollerweise auch mit einer Lektion über die Zukunftsvorsorge verbunden werden, indem die Lehrer die Nützlichkeit der Zahlen und die damit verbundene Moral betonten:113 Vous ne devez pas, bien entendu, transformer votre cours d’arithmétique en cours de morale. Quand vous faites une leçon de calcul, c’est du calcul qu’il vous faut faire avant tout; mais vous devez, puisque la chose est possible, vous préoccuper de ce caractère d’utilité pratique et morale que toutes vos leçons doivent revêtir accessoirement et qui est, je le répète, le but final de tout enseignement.114

Neben der Unterrichtung von Sparsamkeit als Tugend hatte es in den deutschen Staaten, wie auch in Frankreich und Belgien, schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein paar Ausnahmeschulen gegeben, die eine Sparkasse führten.115 Johann Friedrich Heinrich Schwabe (1779–1834), Hofprediger und Oberpfarrer aus Weimar, konzipierte eine Armen- und Waisenschule, in der Kinder die „Liebe zu einem gewissen Eigenthume“ erlernen sollten. Kleinere, bezahlte Arbeiten konnten „den Grund zu einem kleinen Geldeigenthum“ bilden, wenn sie [die Kinder, S.M.] die verdienten oder sonst empfangenen Kleinigkeiten in eine Sparkasse legen, und so nach und nach mehren. Das empfangene Sparkassenbüchlein wird ihnen eine fortgesetzte Freude machen, und, da sie während des Aufenthaltes in der Anstalt nichts erheben dürfen, so nehmen sie bei dem Austritt doch vielleicht einige Thaler mit in die Welt.116

Auch in England hatte man früh mit Sparvereinen und -kassen für Kinder ex­ perimentiert. Die Quäkerin und Schriftstellerin Priscilla Wakefield (1751–1832) gründete 1798 eine Friendly Society for Women and Children in Tottenham und bald darauf eine Children’s Bank. Die Frauen sollten eine kleine Rente aus ihren Spareinlagen erhalten und die Kinder in Sparsamkeit trainiert werden.117 In den 1870er Jahre wurde somit eine alte Idee diskutiert, die aber nun für alle Elementarschulen die Etablierung von Sparkassen vorsah. Die ursprünglich französische und belgische Einrichtung breitete sich Ende des 19. Jahrhunderts in fast allen west- und mitteleuropäischen Ländern (inklusive Russland) als auch in den USA und in Japan aus.118 In Italien, Österreich-Ungarn, der Schweiz, Deutschland, 112 Vgl. Schmidt, Rechenbücher für den Unterricht. 113 Carré, Essai de pédagogie pratique, S. 410  f. Zum Schluss

seines umfangreichen Buches kennzeichnet er die Einrichtung von Schulsparkassen als positiv. 114 Ebd., S. 412 [Hervorhebung im Original]. 115 Vgl. Martin, A Messieurs les instituteurs; zu Belgien vgl. Garon, Beyond Our Means, S. 75  f. 116 Schwabe, Grundsätze der Erziehung, S. 77  f. Diese Erziehung zur Arbeit gründete sich auf den pietistischen Vorbildern der Franckeschen Anstalten und der Zellerschen Reformschulen in Königsberg. Auch diese Einrichtungen führten eine Schulsparkasse. Dressen, Die pädagogische Maschine, S. 261. Der Eintrag unter dem Lemma Geld im Universal-Lexicon von 1840 verweist auf individuelle Initiativen zur Einrichtungen von Schulsparkassen. „Es ist schon hie und da einem Lehrer gelungen, eine kleine Schulkasse anzulegen, zu welcher die wohlhabendern Kinder wöchentlich oder monatlich etwas weniges beisteuern.“ Art. Geld, in: Universal-Lexicon der Erziehungs- und Unterrichtslehre für ältere und jüngere christliche Volksschullehrer, Augsburg 1840, Bd. 1, S. 475–477, hier S. 477. 117 Lemire, Business of Everyday Life, S. 143  f.; Temple, The Wakefields, S. 10. 118 Zu Japan vgl. Garon, Beyond Our Means, S. 153–155.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  249

den Niederlanden und in England wurde sie im Laufe der folgenden Jahre dauerhaft installiert. Das jeweilige Modell des schulischen Sparens variierte in den einzelnen Ländern: Die Schulsparkassen konnten autonom sein oder aber in e­ nger Kooperation der örtlichen Sparkasse unterstehen und ihr zuarbeiten. Nicht überall wurde die Idee institutionell so unterstützt, wie vom Deutschen Sparkassenverband.119 Die Grundstruktur basierte darauf, dass die Schüler und Schülerinnen kleinere Geldbeträge, die sie durch Geschenke, Arbeit und Taschengeld erhalten hatten, an bestimmten Tagen dem Klassenlehrer gaben. Dieser trug sie in einem eigens dafür bereitgestellten Kassenbuch ein. Die Quittung wiederum wurde vom Schüler oder von der Schülerin selbst verwaltet. Wenn der gesparte Betrag eine bestimmte Summe erreichte, überwies der Lehrer das Geld an die örtliche Sparkasse und ließ dort ein verzinsbares Sparbuch auf den Namen des Kindes eröffnen. Dieses Buch sollte in den Händen des Lehrers verbleiben, um das Abheben des Betrages seitens der Schüler und Schülerinnen zu verhindern. Nur durch eine explizite Erlaubnis der Eltern konnte der Betrag der Kasse entnommen werden.120 Die gesetzlichen Regelungen der Institutionalisierung variierten in den europäischen Ländern. Im Deutschen Reich verblieben die jeweiligen Behörden zumeist bei Aufforderungen und Empfehlungen an die Regierungsbezirke oder einzelnen Gemeinden.121 In Österreich wurde die Errichtung von Schulsparkassen durch § 72 der definitiven Schul- und Unterrichtsordnung für allgemeine Volksschulen und Bürgerschulen von 29. September 1905 und den Ministerialerlass vom 29. 09. 1905 empfohlen.122 In Großbritannien wurde die Einführung von Schulsparkassen durch den Education Act von 1880 beschleunigt.123 Ihre Einrichtung in Europa muss im Zusammenhang mit den Debatten über Fürsorgesysteme, mit dem weiteren Spektrum von Sparvereinen und der Ausweitung des Buchsparens generell betrachtet werden. Konfirmandenkassen sammelten das Geld der Eltern bis zur Konfirmation, wo die nicht unerhebliche Belastung der Aussteuer anfiel.124 Fortbildungssparkassen, Fabrikkassen und private Sonntagssparkassen wandten sich an Jugendliche, die im Begriff waren, das Elternhaus zu verlassen. In Großbritannien hatte die Schulsparkasse Vorläufer in den Penny Banks, die vor allem von Kindern genutzt wurden: „The Penny Banks established in our various societies are essentially ‚Children’s Institutions‘, and ought to be encouraged, because they teach lessons of thrift to the young ones.“125 Einzahlungen ab einem Penny ermöglichten es, dass auch die Angehörigen der unteren Schichten diese Institu­ tion nutzen konnten. Für Kinder war eine Kontoführung und Einzahlung ab sie119 Seidel,

Schul- und Jugendsparkassen, S. 661. Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 5–7. 121 „Gesetz betreffend die Schul-, Konfirmanden-, Jugendsparkassen und Vereine im Herzogtum Braunschweig“ Gesetz Nr. 13 vom 19. Februar 1895. Vgl. Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen, S. 377. 122 Breunlich, Die Schulsparkasse, S. 1. 123 Lemire, Business of Everyday Life, S. 162. 124 Vgl. beispielsweise: Sparverein für Konfirmanden, hrsg. v. Schulrat Prof. Schaarschmidt. 125 Scotton, Penny Banks, S. 5. Zur Geschichte der Sparkassen und Penny Banks in Großbritannien vgl. Horne, A History of Savings Banks; Ross, Penny Banks. 120 Vgl. Wilhelmi,

250  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 ben Jahren möglich.126 Penny Banks waren seit den 1850er Jahren Teil des philanthropischen Engagements in Großbritannien und ihre Unterstützer trieben ab den 1870er Jahren auch die Idee der Schulsparkasse voran.127 Das Buchsparen breitete sich in vielen europäischen Staaten im letzten Drittel des 19. Jahrhundert aus. Es war ein deutlicher Anstieg sowohl in der Zahl der SparbuchbesitzerInnen als auch in der angelegten Geldsumme bemerkbar.128 Während 1870 in den britischen Post Office Savings Banks (POSB) und den Trustee Savings Banks (TSB) gemeinsam etwa zweieinhalb Millionen SparerInnen registriert waren, stieg deren Zahl bis 1900 auf mehr als zehn Millionen an.129 Den Angaben über die Anleger in den POSB im Jahr 1896 ist zu entnehmen, dass 20,93% children und scholars waren. Einen weiteren großen Anteil machten Frauen aus. Als Verheiratete, Witwen und Junggesellinnen stellten sie etwa 25% der Anlegerinnen im selben Jahr.130 Dienstmädchen und Mägde, aber auch Fabrikarbeiterinnen, Lehrerinnen und Landarbeiterinnen gehörten überall zu den ersten Anlegerinnen und waren als Gruppe von erheblicher Größe präsent.131 Die Obergrenze für die jährliche Einlage in den POSB lag 1893 bei £150 und wurde sukzessive ausgeweitet. Bei den Einzahlungen wurden zwischen 1870 und 1914 durchschnittlich £2 bis £3 angelegt.132 Diese Zahlen stimmen in der Tendenz mit den Ergebnissen der lokalhistorischen Sparkassenforschung in Deutschland überein.133 Die Sparkassen übernahmen in Deutschland die Funktion der englischen Penny Banks für die unteren Schichten. 126 „Here

we have, perhaps, the readiest method of saving. As soon as a child is old enough to write his or her name, he or she may be taken by father or mother to the nearest post office to open an account in the Post Office Savings Bank. An account may be opened on behalf of or in trust for a child, however young. After he or she reaches the age of seven it can be his or her own account, from which he or she can withdraw as much as is wanted. I suggest to kind uncles and aunts that, instead of giving Fred a ball, or Emma a doll, they might express their desire to give their nephew or niece a shilling or two to open such an account. Not that Fred should not have a ball or Emma a doll. […] The important point is that children cannot be taught too soon that they ought to save something.“ Pinhorn, Spending and Saving, S. 55. 127 Ross, Penny Banks, S. 30  f. Die erste Penny Bank wurde 1815 in Greenock gegründet. Ebd., S. 25. 128 Für einen Überblick vgl. Wysocki, Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen. 129 Die durchschnittlich angelegte Summe in den Jahren zwischen 1870 und 1908 betrug laut Paul Johnson circa £28 in den Trustee Savings Banks und £14 in den Post Office Savings Banks. Über 80% der POSB-Konten verzeichneten 1894 unter £50 Sparguthaben. Johnson, Saving and Spending, S. 91 f.; Garon, Beyond Our Means, S. 64. Zur Geschichte der TSB vgl. Moss und Slaven, Ledger Book to Laser Beam. 130 Johnson, Saving and Spending, S. 95. Gosden zeigt an einer Stichprobe aus dem Jahr 1897, dass 50% der Anleger bei den Postsparkassen Frauen und Kinder waren. Hinzu kamen noch 8,61% Hausangestellte, darunter vermutlich viele Frauen. Gosden, Entwicklung der Sparkassen in Großbrittanien, S. 173. 131 Vgl. Thomes, Das Kapital der Weiblichkeit; Krüger, Sparkassen für Kinder. Auch für Frankreich sind die Zahlen und Tendenzen in etwa vergleichbar. 132 Johnson, Saving and Spending, S. 113. 133 Die Forschungen zur Sparkassengeschichte sind insbesondere aus lokalhistorischer Perspektive umfangreich dokumentiert. Siehe beispielsweise: Abelshauser, Kreis Herford; Daniel und Reulecke, Sparen in Solingen.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  251

Parallel zu diesem Prozess weitete sich das schulische Sparen in allen beteiligten Ländern aus. In den späten 1870er Jahren wurde mit den ersten Institutionalisierungen begonnen und im Verlauf der nächsten zwei Jahrzehnte nahm die Zahl der Schulsparkassen stetig zu. In Glasgow wurden ab 1877 Schulsparkassen eingerichtet und ein Jahr später nahmen vierzehn Kassen ihre Arbeit auf.134 Auch das Postsparen an britischen Schulen stieg bis zur Jahrhundertwende deutlich an. Hinzu kamen weitere institutionelle Möglichkeiten, so dass die absolute Zahl der sparenden Kinder weitaus höher lag. 1893/94 zählte man in England und Wales insgesamt 8548 Schulen, in denen Kinder Geld in einer öffentlichen Kasse anlegen konnten.135 Im Deutschen Reich stieg die Zahl der Schulsparkassen von 300 im Jahr 1880 auf 842 im Jahr 1883.136 1900 waren, so die zeitgenössischen Statistiken, im Deutschen Reich 2995 Schulsparkassen verzeichnet.137 Experten aus deutschsprachigen Ländern, aus Frankreich, Belgien und England fuhren durch Europa, um in den jeweiligen anderen Ländern die schulischen Sparsysteme zu studieren und mit den Informationen die Institutionalisierung im Heimatland voranzutreiben. Smiles verwies beispielsweise auf den Erfolg der Schulsparkassen in Belgien, Italien und Holland und prognostizierte, dass sie auch bald in Großbritannien Verbreitung fänden.138 Der Lehrer Ferdinand Bezdek aus Brünn reiste 1904 durch Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz.139 Der Schulinspektor Fitch besuchte für die englische Regierung Belgien. Der französische Verwaltungsbeamte August de Malarce kam 1873 nach Österreich und informierte sich im Anschluss über die belgischen und englischen Schulsparkassen.140 Die Publikationen beinhalteten fast immer Hinweise auf die europäische Ausbreitung der Kassen und viele betonten ihre Augenzeugenschaft: „da mußte ich mit Staunen bemerken, welche Ausbreitung die Schulsparkasse in anderen Ländern bereits erlangt hat, und zwar hauptsächlich durch die rastlose Tätigkeit einzelner für das Volkswohl begeisterter Pädagogen und durch die Verbreitung aufklärender Schriften.“141 Der Verweis auf das Engagement Einzelner war durchaus zutreffend. Geistliche oder Verwaltungsbeamte trieben die Frage voran und machten sie zu einem öffentlichen Thema. In Deutschland wurde die Schulsparkassen134 Ross, Penny

Banks, S. 31. Laut Ross verlief diese Initiative im Sande und wurde erst nach der Jahrhundertwende wieder aufgegriffen. 135 Rolle, Art. Schulsparkassen, S. 304; vgl. für Europa: Meikle, Savings-Banks; für Großbritannien: Crallan, On Savings Banks. 136 Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen, S. 377. Vgl. Seidel, Schul- und Jugendsparkassen, S. 674. 137 Diese Zahl nennt: Emmerich, Geschichte, S. 59. Vgl. auch die Statistik in: Rolle, Art. Schulsparkassen, S. 302 f. Die Schwierigkeiten der genauen Erfassung zeigt deutlich: Schul-, Konfirmanden- und Pfennigsparkassen. 138 Smiles, Thrift, S. 147. 139 Breunlich, Die Schulsparkasse, S. 54; über diese Reise vgl. Bezdek, Bericht über Einrichtung und Ergebnisse der bestehenden ausländischen Schulsparkassen. 140 Malarce, Histoire et manuel de l’institution des caisses d’épargne scolaires, S. 5. Vgl. Buisson, Le dictionnaire, 101 f. 141 Breunlich, Die Schulsparkasse, S. 2.

252  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 frage vor allem von dem protestantischen Pfarrer Ernst Senckel vertreten. Er gründete 1880 in Glogau den Verein zur Beförderung der Jugendsparkassen in Deutschland. Seine Jahresberichte beinhalteten umfangreiche Statistiken über den Stand der Schulsparkassen in Europa.142 Der Verein setzte sich vor allem aus Lehrern, Bürgermeistern, leitenden Sparkassenmitarbeitern und Geistlichen zusammen, die auch den Vorstand repräsentierten.143 In Ungarn waren der königliche Rat und Präsident der Handelskammer Ferdinand B. Weisz und die Lehrerin Carina Schröter aus Temesvár für die Agitation verantwortlich.144 In Belgien, dem „Land der Schulsparkassen“145, war der Hochschulprofessor Laurent aus Gent die zen­ trale Figur. In Frankreich war der Publizist und Verwaltungsbeamte Malarce die wichtigste Person in der Auseinandersetzung.146 Die Aufzählung der verantwortlichen Personen verdeutlicht die soziale Herkunft der Unterstützer. Es handelte sich mehrheitlich um Verwaltungsbeamte höheren Ranges sowie um Geistliche und Lehrer.

Ein mitteleuropäischer Sonderweg? Im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern setzte sich das Schulsparen in Deutschland relativ spät durch. Die Ursache lag an der expliziten Kritik, die an der Institutionalisierung der Gelderziehung geübt wurde und zu Verzögerungen führte. Widerstand gegen die Schulsparkassen kam in Deutschland vor allem von Lehrern. Der Berliner Bezirksverband des Deutschen Lehrervereins (1878) und der Leipziger Lehrertag (1878) lehnten ihre Einrichtung rundweg ab.147 Die Berliner Lehrer veröffentlichten einen Zehn-Punkte-Plan, in dem es unter anderem hieß, dass es weder Zeit noch eine pädagogische Notwendigkeit für die Einführung der Schulsparkassen gebe. Die Kassen würden die Klassenunterschiede verschärfen, mit ihnen zöge der Materialismus in die Schule ein und es könne zu einer 142 Senckel, Die

Schulsparkassen; ders., Ueber die Erziehung; ders., Die Einrichtungen der deutschen Schul- und Jugendsparkassen; sowie die übrigen Jahresberichte des Deutschen Vereins für Jugendsparkassen von 1885–1904. 143 Vgl. auch Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen, S. 378. 144 Weisz publizierte mehrere Schriften über Schulsparkassen. Weisz, Die Schul-Sparkassen und die Pädagogik; ders., Die Schul-Sparkassen in Ungarn; ders., Resultate und Erfahrungen auf dem Gebiete der Schulsparkassen. Schröter, Schulsparcassen vom Standpunkte der Pädagogik und National-Ökonomie. Die ungarisch-sprachigen Publikationen sind hier nicht erfasst. 145 Breunlich, Die Schulsparkasse, S. 55. 146 Legrand, L’école primaire et la Caisse d’épargne. 147 Hierbei konnte es durchaus auch etwas emotional zugehen, wie einige Artikel zeigen. H. Fricke, Entgegnung auf einen Artikel der „Reform“ Nr. 182 betreffend Schulsparkassen, Pädagogische Reform; zugleich Zeitschrift der Hamburger Lehrmittelausstellung, 6, 1882, 33, S. 133. Fricke hatte 1881 einen vierteiligen Vortrag in der Pädagogischen Reform veröffentlicht. Fricke, Ueber Schulsparkassen. Auch die Leser beteiligten sich in Form von Leserbriefen an der Agitation, vgl. A.S., Ueber Schulsparkassen, Allgemeine Schulzeitung für das gesamte Unterrichtswesen, 55, 1878, 29, S. 225  f. Vgl. auch: Müller, Die Schulsparkassenbewegung, S. 130. Trende verweist auf einige deutsche Lehrerverbände, die sich für die Schulsparkasse aussprachen. Trende, Geschichte der deutschen Sparkassen, S. 376.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  253

sittlichen Schädigung der Schüler kommen.148 Auch der Wiener Lehrerverein Volksschule und die Versammlung auf dem niederösterreichischen Lehrertag 1875 lehnten die Schulsparkasse in Österreich-Ungarn ab. Sie argumentierten mit der fehlenden Zukunftsvorstellung von Kindern: Hat denn aber das Kind im schulpflichtigen Alter ein Verständnis für die Sorge um die Zukunft, ja selbst um die Gegenwart? In der echt kindlichen Natur hat der Gedanke an die Zukunft und das Streben, diese durch Ansammlung von Schätzen möglichst günstig zu gestalten, gar keinen Raum, denn das Kind weiß nicht einmal, wessen es in der Gegenwart bedarf. 149

Die Kritiker der Schulsparkassen waren ebenfalls gespalten in generelle Gegner, moderate Zweifler und ironische Kommentatoren. Ein Beispiel für die letztgenannte Haltung war der deutsche Nationalökonom und Historiker Wilhelm Stieda (1852–1933). Er charakterisierte in einer Besprechung von Neuerscheinungen zur Schulsparkassenfrage, dass durch sie „der warme Hauch der Ueberzeugung von der Heilsamkeit der Sache“ wehe.150 Die Gegner der Schulsparkassen erkannten zwar an, dass die „Pflege des Sparsinnes“ in der Schule erlernt werden solle, und dass es sich bei der Sparsamkeit um eine „wertvolle wirtschaftliche Eigenschaft“ handele, die sich als „ein wirksames Mittel gegen Genusssucht, Verschwendung, Trägheit und deren traurige Folgen bewährt“151 habe. Doch ihnen erschien die Schulsparkasse nicht als ein probates Mittel zum Erlernen der Sparsamkeit.152 Ihr Schwerpunkt der Kritik lag in der allzu frühen Einführung des Geldes in eine als sorgenlos gedachte Kindheitsphase, wodurch „dem Materialismus das Bürgerrecht in der Schule“153 verschafft würde. Die Schulsparkasse erziehe die Schüler zu „unkindlichen Kindern“:154 Wie gern erinnern wir uns doch unserer einstigen Jugend! Wie blicken wir auf diese sorgenfreie Zeit zurück als auf ein verlassenes Eden! Und wir wollten die Hand dazu bieten, den poetischen Hauch des kindlichen Lenzes abzustreifen und unsere in Sorglosigkeit dahinlebenden Kinder in kalkulierende Börsenleutlein umzuwandeln?! Oder sie ‚zu wandelnden Rechenexempeln zu machen und ihre warmen und hellen Ideale verblassen zu sehen vor dem Einmaleins?!‘ Mir erscheint dies als Degeneration.155

Mit der Einführung des Geldes in die Schulen seien die Kinder gefährdet. Negative Effekte könnten „die reinen Hallen der Erziehung“ betreten und „beschleichen das Herz der unverdorbenen Jugend, träufeln ihr Gift in die ahnungslose Kinder­see­ le.“156 Das Geld in den Händen der Kinder markierte aus der Sicht der Kritiker das Ende der Kindheit und den zu frühen Beginn des berechnenden Erwachsenendaseins. Eng verbunden mit der christlichen Kapitalismus- und Geldkritik 148 Zit.

nach: Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 22. 149 Schulsparkassen, Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung, 28, 1876, S. 51. 150 Stieda,

Zur Schulsparkassen-Frage, S. 144. die Schulsparkassen, S. 9. 152 Vgl. ebd., S. 10. 153 Fricke, Ueber Schulsparkassen, S. 93. 154 Einige Bedenken gegen die Schulsparkassen, Allgemeine Schulzeitung Unterrichtswesen, 57, 1880, S. 85. 155 Ebd. 156 Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 11. 151 Schroer, Wider

für das gesamte

254  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 verwahrten sich die Gegner darüber hinaus gegen die Deutungshoheit der Nationalökonomie im pädagogischen Bereich und beklagten das Eroberung eines vormals ökonomiefreien Bereichs durch ein fremdes Material, das Geld: Die Schulsparkasse will ein durchaus fremdartiges Material in den Thätigkeitskreis der Schule einführen, natürlich ohne im Stande zu sein, die Berechtigung dieses seltsamen Vorhabens hinreichend auszuweisen. Unter allen Pädagogen von hervorragender und allgemein anerkannter Bedeutung hat bisher Einstimmigkeit darüber geherrscht, daß die Schule von sinnlicher Berührung solcher Art rein bleiben müsse.157

Die Kritiker des schulischen Sparens verwahrten sich gegen den Dienst am „Mammon“, gegen den Zeitgeist des „Materialismus“ und gegen „das Geldsparen um jeden Preis“, wie es der Pädagoge Hermann Rolle formulierte.158 Man lebe „in ­einer glaubenslosen Zeit, in welcher man sein Heil lieber auf irdische als sittliche Güter gründet und Wertpapiere mehr gelten und massenhafter vorhanden sind als Charaktere.“159 Geld sei, so Rolle, zu „abstract“ für ein Kind, das „zu einer oberflächlichen Wertschätzung und damit zum Leichtsinn verleitet [würde, S.M.], wenn die Naturdinge, noch ehe sie ihrem Wesen und eigentümlichen Werte nach kennen gelernt worden sind, schon nach dem Geldwerte geschätzt und in Geld umgesetzt werden.“160 Rolle war einer der wenigen Kritiker, der explizit an die christliche Geldkritik anknüpfte und den Diskurs über den ‚neuen Gott Mammon‘ tradierte. Die Befürworter des schulischen Sparens sahen in all diesem kein Problem. Für sie stellte die Geldeinzahlung schlichtweg eine Übung in Selbstkontrolle dar, die, so Agnes Lambert, langfristig zur Gewöhnung an ein ordentliches Leben führen würde.161 Der österreichische Schuldirektor Leinweber polemisierte gegen seine renitenten Kollegen, dass „es endlich Zeit wäre, daß die ewig auftauchenden Humanitätsideale in der Lehrerwelt dem nüchternen Gedanken an das erreichbare Ziel der Erziehung Platz machten.“162 Trotz der deutlichen Kritik ebbte die kon­ troverse Debatte über die Schulsparkassen ab und die Schulsparkasse setzte sich am Ende des 19. Jahrhunderts auch im Deutschen Reich durch. Das Handwörterbuch der Staatswissenschaft von 1926 formulierte: „Die Bedenken gegen ihre Einrichtung dürften in Anbetracht des hohen Zieles, dem sie dienen, und besonders jetzt hinfällig sein.“163

157 Schroer, Wider 158 Rolle, 159 Ebd. 160

die Schulsparkassen, S. 8. Gegen die moderne Schulsparkasse, S. 43.

Ebd., S. 45. School Bank Manual, S. 4 f. 162 Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 21. 163 Hoffmann, Art. Sparkassen, S. 682. Vgl. jedoch die Debatte in der Zeitschrift Sparkasse im Jahr 1899: H. Fricke, Die Schulsparkassen und die Erziehung zum Sparen, Sparkasse, 412, 1899, S. 129–131; Märtens, Die Schulsparkasse und die Erziehung zum Sparen, Sparkasse, 415, 1899, S. 196–197; Max May, Die Schulsparkasse und die Erziehung zum Sparen, Sparkasse, 418/19, 1899, S. 255  f. 161 Lambert,

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  255

„Wer spart, ist kein Socialdemocrat und Anarchist.“ – Sparsamkeit und soziale Frage Sparsamkeit – mittlerweile verstanden als „Vermögensbildung und Kon­sum­be­ schrän­kung“164 – war ein Politikum im Rahmen der Auseinandersetzung über die soziale Frage. Deren erneute Virulenz seit den 1870er Jahren erklärte sich aus der Angst vor Aufständen, wie in Paris 1871, und aus der Erfahrung der Wirtschaftskrisen, die die europäischen Staaten erschütterten und die Armut vieler Menschen verschärften.165 Die verzögerte Geldausgabe durch das Sparen und die monetären Rücklagen in den Schulen wurden als eine Lösungsmöglichkeit für die Auseinandersetzungen zwischen Arm und Reich sowie Links und Rechts präsentiert.166 Sparen sei eine politische Handlung, die helfe, die soziale Ungleichheit im Land zu reduzieren, die Armut der Arbeiter zu bekämpfen und die politischen Unruhen zu beseitigen. Wenn früh mit der Erziehung zur Sparsamkeit begonnen werde, argumentierten die Sparbefürworter, könne die politische Spannung der sozialen Frage gelöst werden. Die Sparbefürworter implizierten politische Aussagen über die Ursachen der Armut: Nicht die Klassenverhältnisse wurden für die Misere der Armen und ArbeiterInnen verantwortlich gemacht, sondern das individuelle Versagen im Umgang mit Geld. Armut sei in der Regel auf „selbstbegangene Fehler“ zurückzuführen, so Carl Foerster, der Autor einer Sparsamkeitsschrift von 1885.167 Er empfahl Enthaltsamkeit und gute Haushaltung auch für die ärmsten Tagelöhner.168 Die Zuschreibung individueller Verantwortung für die eigenen ökonomischen Verhältnisse und die Ablehnung struktureller Erklärungen hatte eine lange Tradition. Eine ältere, anonyme Erzählung, die 1853 in zweiter Auflage erschien und das Sparkassenwesen literarisch propagierte, hatte ebenfalls die Armut zum Thema. Die Zusammenkunft mehrerer Honoratioren eines Ortes ist der Rahmen für die Schuldzuweisung an die Armen: Die Versammelten redeten noch Vieles über die Quellen der Armuth, und fanden leider, daß viele derselben nicht zu verstopfen seien, weil sie häufig in den Nothleidenden selbst ihren Grund und Boden hätten, wohin Faulheit, Neigung zu gutem Leben, Mangel an Ueberlegung, Ungeschicklichkeit u. a.m. gezählt wurde, vorzüglich aber Mangel an Selbsterkenntnis und daher stete Selbstentschuldigung.169

Das Bemühen, soziale Ungleichheiten zu individualisieren, versiegte während des gesamten 19. Jahrhunderts nicht. Dass nicht nur der Reiche, sondern auch der 164 Manteuffel,

Das Sparen. Sein Wesen und seine volkswirtschaftliche Wirkung, S. 4. Sozialversicherung in Deutschland und England, S. 9. 166 Vgl. Auffenberg, Des kleinen Mannes Sparpfennig, S. 1: „Und daß das Sparen von Wichtigkeit und tief eingreifender Wirkung im socialen Leben ist, darüber sind alle, welche über die sociale Frage schreiben, einig und soll in diesem Werkchen dem gewöhnlichen Manne klar gemacht werden.“ Auffenberg war Geistlicher und richtete seine Schrift vor allem an Handwerksgesellen. 167 Foerster, Kunst des Sparens, S. 8. 168 Ebd., S. 9. 169 Spare in der Zeit, S. 11. 165 Ritter,

256  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 Arme sparen könne und müsse, befand noch 1901 die österreichische Schriftstellerin Therese Rak.170 Das wäre besser als das ewige Klagen der arbeitenden Klassen zu ertragen, die die Ursache ihres Elends immer woanders, meist beim Arbeitgeber oder beim Staat, und nicht bei sich selbst suchten.171 Noch expliziter aber konnte die Sparfrage in den Auseinandersetzungen mit den Sozialisten werden, denn Sparsamkeit galt vielen bürgerlichen AutorInnen als eine anti-revolutionäre Präventionsstrategie. Der gewalttätigen Veränderung der Verhältnisse sei durch die Sparsamkeit beizukommen, so Rak.172 Die Kritik am Verhalten unterbürgerlicher Schichten richtete sich explizit gegen die Sozialdemokratie. Die Sozialdemokraten wollten Grundbesitz und Häuser teilen, somit hätten sie kein Interesse am Privateigentum und am Sparen, befand der deutsche Geistliche Auffenberg und fasste prägnant zusammen: „Wer spart, ist kein Socialdemocrat und Anarchist.“173 Die Arbeiter würden der gefährlichen „Schen­ke“ und der dortigen Agitation entzogen, wenn sie den (bürgerlichen) Wert häuslicher Sparsamkeit und familiären Beisammenseins verinnerlichten.174 In Kneipen begegne der Arbeiter den sozialistischen Agitatoren und zahle in ihre Kassen, was er besser auf die Sparkasse gebracht hätte, mahnte der Schulbuchautor und Schuldirektor Leinweber: „Solchen Erscheinungen gegenüber steht die Politik rathlos da, und hier beginnt das Gebiet der Pädagogik.“175 War der Arbeiter aber erst einmal der Schenke entzogen und pflegte den sparsamen Umgang mit Geld, sahen die Sparfreunde auch gute Perspektiven für die Lösung der „Arbeiterfrage“, denn, so Carina Schröter, „der Besitzende revoltirt nicht, weil er für seinen Besitz fürchtet.“176 Auch in Belgien wurde die Schulsparkasse mit diesem Argument unterstützt. Die Sparsamkeit des Arbeiters verwandle ihn in einen Kapitalisten, dessen Umsturzaspirationen verschwänden: „Il faudrait, pour établir définitivement l’harmonie sociale, que le travailleur devînt propriétaire. […] Mais comment transformer le travailleur en capitaliste? Il n’y a qu’un moyen, c’est de porter l’ouvrier à l’épargne. Le capital créé par l’ouvrier lui-même est le seul qui sera conservé.“177

170 Rak,

Die Sparsamkeit, S. 9. Ebd., S. 21. 172 Ebd., S. 6. 173 Auffenberg, Des kleinen Mannes Sparpfennig, S. 12. „Wer gut spart, ist kein Socialdemocrat. […] Wir wollen aber zugeben, daß nicht gerade alle von der schlimmsten Sorte sind.“ Ebd., S. 15. Ähnlich prägnant formulierte es Kuntze: „Es ist gewiß nicht zufällig, daß unter den Arbeitern, welche 1848 in der französischen Revolution gefallen sind, kein Einziger sich befand, der ein Sparkassenbuch besaß! Und sicher wird man auch heutzutage weder bei den vaterlandslosen sozialdemokratischen Führern, noch bei den Verführten, Kunden unserer Sparkassen finden [.]“ Kuntze, Das Sparen und die Sparkassen, S. 6. 174 Wilhelmi, Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 18. 175 Leinweber, Vier Beiträge zur Frage der Schulsparkassen, S. 10. 176 Schröter, Schulsparcassen vom Standpunkte der Pädagogik und National-Ökonomie, S. 37 [Hervorhebungen im Original]. 177 Maus und Laveleye, Rapport du jury chargé de décerner le prix, S. V. Vgl. auch: Cuissart, Les caisses d’épargne scolaires, S. 12 f. 171

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  257

Politisch ging mit dem Sparansinnen in der Elementarbildung die Absicht einher, potenzielle soziale Unruhen im Keim zu ersticken, da die bürgerlichen Reformer und Volkswirtschaftler erspartes Eigenkapital als Bollwerk gegen revolutionäre Aspirationen interpretierten.178 Doch diese Einschätzung blieb nicht überall unwidersprochen. Der deutsche Nationalökonom Wilhelm Stieda beispielsweise bestätigte zwar den allgemeinen Anstieg des institutionellen Sparens in Europa sowohl hinsichtlich der Anzahl der Sparbücher als auch hinsichtlich der angelegten Summen. Die befriedende Wirkung auf die Sozialdemokratie hielt er jedoch für eine Überschätzung der Effekte der Sparsamkeit, die sich empirisch nicht nachweisen ließen.179

Volkswirtschaft, Nation und Zivilisation Von diesem Einwand ließen sich die europäischen Schulsparkassenfreunde nicht beeindrucken. Die Unterstützer der Schulsparkassen hatten nicht nur das einzelne Kind als Ziel ihrer Bestrebungen im Sinn. Sie erweiterten ihre Perspektive auf die gesamtgesellschaftliche Ordnung. Es galt, auf die Eltern und Arbeiter Einfluss zu nehmen, um die Nation und die Volkswirtschaft von der Einführung der institutionalisierten Sparsamkeit profitieren zu lassen. Diese „reformatorische Mission für unser nationales Leben“180 sollte von Lehrern vollbracht werden, denen am Ende des 19. Jahrhunderts mehr Expertise zugeschrieben wurde als den Eltern bzw. der Mutter.181 Der Lehrer, so der Wiener Bibliothekar Ratkowsky, sei in der Lage, den volkswirtschaftlichen Nutzen und die positiven Auswirkungen auf das Gemeinwohl mit dem individuellen Sparen zu verknüpfen.182 Mit der Verbreitung der Sparsamkeit auch in den unteren Schichten seien nicht nur die politischen Unruhen zu bannen, sondern es entstünden auch positive Effekte auf das große Ganze. Sparende Arbeiter, das skizzierte der spätere Abgeordnete der französischen Nationalversammlung Eugène Cuissart 1880 vor der Gesellschaft der Politischen Ökonomie in Lyon, seien aktive Mitglieder der Zivilisation und des Fortschritts. Sie trügen zur öffentlichen Moral genauso bei wie zum nationalen Wohlstand.183 Wie Cuissart, teilten viele seiner Zeitgenossen die Einschätzung, dass die Verbreitung von sparsamen Handlungsweisen letztlich als ein Kriterium und ein Aus178 Wilhelmi,

Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 3. An anderer Stelle betonte Wilhelmi allerdings, dass die Schulsparkassen die soziale Frage nicht lösen könnten. Ebd., S. 18. Auch der Bibliothekar Ratkowsky sah durch die nationalen Sparbemühungen jedes Einzelnen eine Grundlage, die Versuche „die bestehende Ordnung gewaltsam umzustürzen“ abzuwehren. Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 28. 179 Stieda, Zur Schulsparkassen-Frage, S. 144. 180 Hansen, Die Kinder- und Schulsparkassen, S. 467. 181 Vgl. Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 12. Vgl. Garon, Beyond Our Means, S. 49. 182 Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 13. 183 Cuissart, Les caisses d’épargne scolaires, S. 4. „C’est ce qu’on appelle de l’éducation, moyen infaillible d’améliorer, la situation matérielle, intellectuelle et morale des citoyens, c’est-àdire de la nation.“ Ebd., S. 5.

258  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 druck der kulturellen Entwicklung der jeweiligen Nation gelten könne. „Thrift began with civilization“184, lässt Smiles sein Buch Thrift beginnen: „It is the savings of individuals which compose the wealth – in other words, the well-being – of every nation. […] So that every thrifty person may be regarded as a public benefactor, and every thriftless person as a public enemy.“185 Arbeitsamkeit und Sparsamkeit, so viele Unterstützer der Schulsparkassen, seien die Säulen der Kultur- und Staatsentwicklung. Sparsamkeit verdeutliche die Arbeitsamkeit und daraus resultiere, so beispielsweise der Handelskammersekretär Hansen aus Kiel in einem Artikel des bürgerlichen Arbeiterfreund, „der rechte ­Associationsgeist“, der „wahre, höhere Gemeinsinn“ und letztlich ein besseres „Staatswesen“.186 Die Sparsamkeit, so auch Oskar Kuntze, der Oberbürgermeister von Plauen in seiner Schrift über die Vorteile der Sparkassen, sei nicht nur eine unterstützenswerte Tugend, sondern auch ein sittlicher Wert. Das Sparen habe positive Wirkungen auf „ganze Völker und Zeiten, für das Gesammtwohl, für unsere ganze Kulturentwicklung.“187 Oberbürgermeister Kuntze sprach den bürgerlichen Tugenden sogar einen strategischen Vorteil in den internationalen Ausei­ nandersetzungen zu. Im Kampf der Kulturvölker könne nur dasjenige Volk „den Sieg behalten […], welches die Tugenden der Ordnung, Arbeitsamkeit, Mäßigkeit, Selbstbeherrschung, Wirthschaftlichkeit und Sparsamkeit pflegt und übt“. Diese erhöhten das „Nationalkapital“ und die Stärke der Nation.188 Tiere und „rohe Völker“ seien dagegen nur auf die Gegenwart bezogen, so Kuntze, und hätten keine Vorstellung von den Vorteilen einer auf die Zukunft gerichteten Ansammlung von Gütern: „Das Thier spart in gewisser Beziehung hie und da wohl auch, jedoch nur instinktmäßig, ohne Bewußtsein, nicht für die fernere Zukunft, nicht für Andere, nur für seine nächsten leiblichen Bedürfnisse.“189 Kuntze reproduzierte, was in der ökonomischen Theorie eine weitverbreitete Einschätzung war. Bestimmte ökonomische Handlungen seien an die Kenntnis der zeitlichen Dimension geknüpft. Der deutsche Nationalökonom Wilhelm Ro184 Smiles,

Thrift, S. 1. Etwas später nimmt er das noch mal auf und führt es aus: „We have said that thrift began with civilization: we might almost have said that thrift produced civilization. Thrift produces capital; and capital is the conserved result of labour. The capitalist is merely a man who does not spend all that is earned by work.“ Ebd., S. 8. 185 Ebd., S. 2. 186 Hansen, Die Kinder- und Schulsparkassen, S. 451. Vgl. auch Ratkowsky, Schulsparcassen mit Benutzung von Sparmarken, S. 27: „Nur die Erziehung des ganzen Volkes zur Sparsamkeit kann den Wohlstand desselben begründen und erhalten, und nur auf dieser soliden wirthschaftlichen Grundlage kann die Cultur desselben fortschreiten.“ Die Vorwärtsbewegung von nationalen Kollektiven durch die Tugend der Sparsamkeit thematisiert auch: Smitt, Die Schulsparkasse, S. 1. 187 Kuntze, Das Sparen und die Sparkassen, S. 5. 188 Ebd., S. 6. Die Haltung, dass Sparsamkeit und Kapitalbildung der Schwerpunkt volkswirtschaftlichen Handelns sei, wurde am Ende des 19. Jahrhunderts von denjenigen bestritten, die für eine größere Konsumaktivität plädierten. Vgl. dazu: Herkner, Über Sparsamkeit und Luxus; Domela-Nieuwenhuis, Das Sparen, ein ökonomischer und socialer Grundsatz. 189 Kuntze, Das Sparen und die Sparkassen, S. 7  f. Smiles formulierte ähnlich: „The savage is the greatest of spendthrifts, for he has no forethought, no to-morrow. The pre-historic man saved nothing.“ Smiles, Thrift, S. 2.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  259

scher betonte, dass Kinder zur Sparsamkeit nicht in der Lage seien, da ihnen jede Vorstellung von Zeit fehle: „Das Kapital ist Resultat der Vergangenheit, um der Zukunft willen dem gegenwärtigen Genusse des Besitzers entzogen. Jener Kinderund Bummlersinn, der bloß für den Augenblick lebt, ist seiner Entstehung zuwider.“190 Die Fähigkeit, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu unterscheiden, galt weithin als die zentrale Voraussetzung für die Befähigung zur Sparsamkeit.191 Dies unterschied nicht nur die Kinder von den Erwachsenen, sondern auch die sogenannten Wilden von den vermeintlich Zivilisierten. Der ­direkte Vergleich der europäischen Arbeiter mit ‚Primitiven‘ war dagegen selten, wurde aber beispielsweise angeführt, wenn die mangelnde Selbstbeherrschung thematisiert wurde.192 Ein Beispiel einer expliziten Parallelisierung des Geldverhaltens von Kindern und ‚Primitiven‘ stellt der Aufsatz des US-amerikanischen Pädagogen William S. Monroe dar, der notierte: „The money sense of the young child, as of primitive man, is feeble and nascent.“193 Der Erziehungsverlauf eines Kindes wurde als eine Miniatur der Entwicklung der modernen Kultur von der Wildnis zur Zivilisation entworfen: Try to imagine what has resulted from the earliest instance of thrift. The naked savage saved nothing. When he obtained food by hunting he satisfied this appetite and took little or no trouble about the future. When he became a little more sensible he took to saving a little food for next day, the corn for seed. Later on he thought about agricultural implements such as rough spades. Ten little mechanical contrivances suggested themselves to him; all meaning, at first, self denial; but afterwards, profitable capital. Then trade sprang up with its many blessings, and rapid strides were made toward the present happy conditions under which we live; but which can and will be mightily improved by the boys and girls of today – the men and women of the future.194

Sparsamkeit galt als Motor der Zivilisationsentwicklung der europäischen Menschen. Erst durch Voraussicht auf die unmittelbare Zukunft habe sich aus dem ursprünglich nackten Wilden der Mensch der modernen Zivilisation und Ökonomie entwickelt, deren weitere Verbesserung in den Händen der (sparenden) Kinder liege, so die Befürworter der Sparsamkeitserziehung.

Sparsamkeit als Charakterbildung In vielerlei Hinsicht basierte die Debatte über die Einführung von Schulsparkassen auf den in den Erziehungsratgebern formulierten Vorstellungen von Kindern als Rohmaterial, dessen Formung es bedürfe, um das Beste an ihnen zum Vorschein zu bringen.195 Sparsamkeit als Methode und Ziel der Erziehung von Kin190 Roscher,

Grundlagen der Nationalökonomie, S. 88. forecast the needs of to-morrow, denying oneself to-day, so as to be prepared to meet the future demand, is no easy matter, and requires both knowledge and foresight, but he that has learned to discipline himself is the freeman.“ Brown, The Development of Thrift, S. 5. 192 Deutschmann, Schulsparkassen, deren Zweckmäßigkeit und Einrichtung, S. 2. 193 Monroe, Money Sense of Children, S. 2. 194 Pinhorn, Spending and Saving, S. 30  f. 195 Vgl. Wilhelmi, Schul-Sparkasse und ihre Verbreitung, S. 4. 191 „To

260  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 dern stand jedoch auch am Ende des 19. Jahrhunderts noch in Gefahr, nicht Maß zu halten und zum Geiz zu geraten. Aus diesem Grunde kritisierten alle Schriften das als verpönt geltende Horten von Geld als Negativbeispiel einer fehlgeleiteten Erziehung. Hinter dem Verweis auf Sparsamkeit als Ordnungsmodell und als Mittel zur sittlichen Entwicklung, wie es viele Publikationen zur Schulsparkassen­ debatte deutlich machten, steckte der grundsätzliche Verweis auf die Ethik des Umganges mit Geld und auf die sittlichen Gefahren, die darin lauern konnten: Arbeitsam und sparsam zu sein, bloß um Besitz zu erwerben, wäre nicht ethisch. Es tritt da die Liebe zum Materiellen zu sehr in den Vordergrund und verhindert dann ethische Handlungen, welche der Besitz ermöglichen soll. Aber arbeiten und sparen, um sich und seine Familie redlich und gut zu versorgen, die Kinder gut zu erziehen, um seinen Platz in der menschlichen Gemeinschaft recht auszufüllen und so ein nützliches geachtetes Glied derselben zu sein, das erscheint als ethische Grundlage dieser Gesinnungsrichtungen […]. Das Pflichtgefühl ist die sittliche Grundlage für Arbeitsamkeit und Sparsamkeit: die Sucht nach Erwerb bezeichnet ein Ueberschreiten der sittlichen Grenze.196

Vorsichtig wurden die Grenzen zwischen dem Wirtschaftssystem und den erwünschten monetären Erziehungszielen gezogen. Die Spar-Ethik sei anderer Ausrichtung als die Nationalökonomie, beschrieb es ein Artikel im Arbeiterfreund.197 Manche betonten, dass es nicht um die „Mitarbeit der Schule an der Lösung einer wirthschaftlichen Frage im Großen“198 gehe, sondern dass die „in wirthschaftlichen Dingen tüchtige Charakterbildung“199 im Vordergrund stehe: It may seem like special pleading to identify these high qualities too closely with so worldly a matter as the management of money. Yet in truth there is no one problem or duty in life that calls into exercise so many moral attributes, or connects itself in so many subtle ways with the growth of the whole character, as the management of money.200

Bestimmte ökonomische Verhaltensweisen seien sowohl charakterbildend als auch Ausdruck des Charakters.201 Der Fluchtpunkt der charakterlichen Schulung basierte immer noch auf der Mäßigung der Leidenschaften: Derjenige, welcher spart, lernt seine Wünsche mäßigen. Maßhalten in der Befriedigung seiner Wünsche aber bedeutet einen Sieg gewinnen über Leidenschaften. […] [E]inen Sieg über eine augenblickliche Sinnenbefriedigung davon getragen und damit einen Schritt auf dem Wege zu seiner sittlichen Vervollkommnung gethan.202 196 Leinweber, Vier Beiträge 197 „Es wird nicht verlangt,

zur Frage der Schulsparkassen, S. 10 f. daß der Lehrer in der Volksschule Nationalökonomie lehren soll, aber um die Kinder zu erziehen, d. h. sie sittlich besser zu machen, muß er auch die socialen Pflichten lehren und um diese wirklich lehren zu können, soll er seine Ermahnungen an die Uebung des Sparens in der Schule anknüpfen, weil dieses ihm hierzu die meisten und besten Anlässe bietet und das Interesse und das Verständnis der Kinder hierfür am wirksamsten eröffnet.“ Hansen, Die Kinder- und Schulsparkassen, S. 469. 198 Smitt, Die Schulsparkasse, 9. 199 Böhmert, Weiteres über den Stand der Agitation für Schulsparkassen in Deutschland, S. 17. 200 Fitch, An Account of an Economic Experiment, S. 11. 201 Wetzel, Sparen macht reich, S. 12; Dawson, The Making of Manhood, S. 113: „Where money has been justly earned, it is, to some extent, a testimony to a man’s character and capacity.“ 202 Smitt, Die Schulsparkasse, S. 2. Vgl. auch Malarce, Histoire et manuel de l’institution des caisses d’épargne scolaires, S. 5: „Dans l’intérêt de la moralité publique, de l’élévation morale des individus, des familles, de la société, l’exercice de la prévoyance modère l’ardeur de nos besoins futiles et nous rend maîtres de nos vices; ainsi l’homme se sent fortifié contre le mal,

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  261

Immer wieder verwiesen die AutorInnen auf die Verlockungen, die Kindern in der Konsumgesellschaft drohten. Die willentliche Abwehr des Konsumaktes fasste der bekannte englische Pädagoge und Schriftsteller Joshua Girling Fitch (1824– 1903) in die religiöse Sprache des Opfers, dessen Gabe eine zukünftige Anerkennung versprach: „Sacrifice, self-conquest, the refusal to want that which we do not need, the deliberate preference of permanent to merely ephemeral good – are not these the qualities which lie at the basis of moral perfection, and of temperate, useful, and noble life?“203 Die Ablehnung des ausschweifenden Konsums war kein Hinderungsgrund, Sparsamkeit als kapitalistisches Handeln zu bezeichnen. Im Gegenteil, gerade die Bildung von Rücklagen galt als konstitutiv für ein moralisch akzeptables und kapitalistisches Verhalten. 1875 bezeichnete Fitch die Rücklage von monetären Ressourcen für zukünftige Verwendungen als kapitalistisches Handeln und sparende Kinder als Kapitalisten: The best remedy for this evil is to train children very early in the habit of distinguishing between real and unreal wants. ‚Les besoin factices,‘ of which M. Laurent speaks, ‚qui sont la plaie et la malediction de la richesse,‘ are not unknown among the poor. Every one who can refuse to satisfy one of these, however slight, or who puts aside any portion, however humble, of the resources of today to make part of his supply for future use or enjoyment, is in a sense a capitalist. And in this sense not only every man, but every little child who has the command of a single luxury should be encouraged to become a capitalist.204

Die in der Debatte über Schulsparkassen vertretene Position, dass sparsames Handeln den kindlichen Charakter positiv bilde, verband sich mit der Annahme, dass die gebildete Rücklage der Grundstock der Kapitalbildung sei. In diesem Sinne konnten auch die Kinder als Kapitalisten bezeichnet werden. Die Schulkassen fungierten als Institutionen, in denen Handlungsweisen verinnerlicht und praktiziert wurden. Obwohl es sich bei den Schulsparkassen um staatliche Institutionen handelte, legten ihre BefürworterInnen ebenso Wert auf den selbstregulierenden Mechanismus, der ihrer Meinung nach die Bedürfnisverschiebung und die charakterliche Stärke bedingte. Im Sinne der Zeitgenossen waren sie demnach auch Institutionen kapitalistischer Subjektivierung.

Formulare der Sparsamkeit – Kindliche Buchführung? Nachdem die Einführung des Schulsparens zu Beginn noch lautstarke Kritiker auf den Plan gerufen hatte, wurde um die Jahrhundertwende nur noch über die beste Art der Buchführung debattiert. Nach der Institutionalisierungsphase standen nun die Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechnungsbücher im Fokus.205 Die Kritiker seien verstummt, so der deutsche Regierungsrat von Brakenhausen in domine ses passions mauvaises, et devient homme libre, par cette suprême conquête, la possession de soi: Suî compos.“ 203 Fitch, An Account of an Economic Experiment, S. 11. 204 Ebd. 205 Brakenhausen, Wegweiser für die Einrichtung von Spulsparkassen, S. 7; sehr detaillierte ­Anweisungen für die Buchführungsformulare finden sich auch in: Riedel, Schulsparkasse; Reinirkens, Pflege des Sparsinns; Seidel, Schul- und Jugendsparkassen, S. 665.

262  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 e­ iner Neuauflage seines Wegweisers für Schulsparkassen 1907. Negative Folgen für die Kinder seien nicht zu vermerken gewesen, im Gegenteil: „Es kann […] eine nützliche Vorbereitung der Kinder auf das spätere wirtschaftliche Leben des Einzelnen und der Allgemeinheit bilden.“206 Es habe sich gar „ein Jagen nach Vereinfachung der Buchführung für Schulsparkassen bemerkbar gemacht“, so der Verfasser der Broschüre „Die Schulsparkasse in Friedenau“ im Jahr 1908.207 Die Buchführungsformulare der Schulsparkassen lassen sich als ein Ausdruck der von außen strukturierten Form des ökonomischen Wissens verstehen, die von den Kindern als eigene Ordnung akzeptiert und internalisiert werden sollte. Seit den 1870er Jahren war das Schulsparen in dreierlei Form möglich: mit ­einem Sparmarkensystem, einem Sparautomaten oder mit einer von dem Pfarrer und Lehrer geführten Schulsparkasse. Letztere Kasse konnte selbständig arbeiten oder aber als Hilfskasse einer öffentlichen Sparkasse oder eines RaiffeisenVereins fungieren. Die Pfarrer oder Lehrer schafften die richtigen Formulare an, führten Kassenbücher, besorgten die Spar- und Klebemarken oder auch das Kartenlochsystem. Darüber hinaus waren Satzungen niederzulegen, die auf vorformulierten Statuten basierten. Die jeweiligen Systeme benötigten verschiedene Unterlagen. Die Sparautomaten waren in der Erstanschaffung verhältnismäßig teuer, die Berliner Firma Hänel & Schwarz verkaufte einen Automaten für den Preis von 500 Mark.208 Die Schüler warfen ein Zehngroschenstück hinein und erhielten dafür eine Marke, die wiederum auf Sparkarten gesteckt wurde. War der Wert von einer Mark erreicht, trug der Lehrer die Karte zur Sparkasse und der Rektor der Schule erhielt wiederum im Tausch ein „Sparbüchlein“ auf den Namen des Schülers.209 Dem Schweizer Lehrer Krebs waren diese dreidimensionalen Formen des Sparens nicht Recht. Der Automat sei „ein unmoralisches Spielzeug“: „Nein, nein“, so empörte sich Krebs, „das Sparen ist eine ernsthafte Sache. Und wenn es Kollegen gibt, die den Kindern diese Tugend mittelst solcher Automatenspielerei anerziehen wollen, so sind es, gelinde gesagt, – sehr bequeme Pädagogen. Es wäre wohl besser, sie täten nichts.“210 Auch den Sparkasten oder „Sparhafen“, eine Kiste mit kleinen Fächern, die mit Namen und Schlitzen versehen sind, lehnte er ab. Das Sparmarkensystem wiederum sei zu unübersichtlich, da zu viele Marken und Sparkarten im Umlauf seien: „da hört entschieden die Gemütlichkeit auf.“211 Letztlich sei nur das Führen von Sparbüchern zu empfehlen, da auch das stetige Eintragen die Sparsamkeit habitualisieren würde.212 Zudem, so der Krebs’sche Leitsatz über das „neue Ideal-Betriebssystem“: „Die beste Buchführung ist die, 206 Brakenhausen, Wegweiser

für die Einrichtung von Spulsparkassen, S. 1. Praktische Anleitung zur Einrichtung von Spulsparkassen, Vorwort. 208 Krebs, Das neue Ideal-Betriebssystem, S. 53. 209 Ebd., S. 53  f. 210 Ebd., S. 54. Allg. zum Schweizer Sparsystem: Suter, Sparen in der Not; ders., Die Rappenkasse des Jakob Stutz. 211 Krebs, Das neue Ideal-Betriebssystem, S. 55  f. 212 Ebd., S. 56. 207 Barsch,

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  263

welche die vollste Klarheit und Uebersicht gewährt und am wenigsten Arbeit er­ for­dert.“213 Das Führen einer Schulsparkasse war ein ernsthaftes Unternehmen, dessen Organisation genauestens beschrieben und systematisch betrieben wurde. Zur Gründung einer Schulsparkasse bedurfte es eines Quittungsbuches für den Sparer oder die Sparerin, eines Kassenbuches und der Kontoblätter für den Lehrer sowie eines Hauptsparkassenbuches für den „Rendanten“, in der Regel den „Ortsschulinspektor“. Die Buch- und Kontoführung war die Basis des Schulsparen. Grundlage der meisten Formulare war das so genannte Senckelsche Muster, auf dessen Titelseite der Name und das Alter des Kindes sowie die Eltern und auf dessen Rückseite der „Zinstarif nach verschiedenen Prozentsätzen für ein Kapital von 1–100 Mk“214 eingetragen wurde. Regierungsrat Brakenhausen empfahl den Lehrern und Leitern kleinerer Kassen allerdings die eigenständige und kostengünstige Herstellung der Formulare, „wenn er sich einige Bogen 4mm weit kariertes Papier in dem gewöhnlichen Aktenformate in der nächsten Stadt besorgt und die entsprechenden blauen Linien mit einem Lineal in Tinte sauber nachzieht.“215 Auch die Kontoblätter, die das einzelne Kontobuch ersetzen konnten, sollten günstig erstanden und so akkurat wie möglich verstaut werden: „Die Aufbewahrung der Kontoblätter geschieht am einfachsten in einer leeren Zigarrenkiste (tote Konten besonders), wo die Mittel nicht ausreichen, um ein kleines Leinwandetui nach Art der Kartentaschen oder Buchfutterale, oder bei größerem Betriebe einen sog. Hinzkasten zu beschaffen.“216 Die tabellarische Buchführung und deren wichtigste visuelle Repräsentation in Form einer Tabelle dienten der Überwachung und Kontrolle, der Verwaltung, der Ordnung und darüber hinaus auch der Zähmung von Kontingenz und Zufall.217 Nun bemächtigten sich auch Pädagogen der tabellarischen Buchführung in der Absicht, diese zu einer Selbsttechnologie zu entwickeln. Mit dem Schulsparen sollten Kinder der Elementarschule zum ersten Mal mit dem Führen eines Kontos vertraut gemacht werden. Allerdings lagen die Eintragungen in das Kassenbuch, in die einzelnen Kontoblätter und das Quittungsbuch des Kindes meist in den Händen der Lehrer und nicht in denen der Schulkinder.218 Es handelte sich zwar um sehr detaillierte Ordnungsmuster der Sparsamkeit, für die Kinder war jedoch nur das Erlernen dieser Tugend als solches vorgesehen. Da sich letztlich nur Ver213 Ebd.,

S. 95. Krebs Beschreibungen, auch der Art und Weise, mit der die Eintragungen vorgenommen werden sollten, waren in ihrer Ausführlichkeit sicherlich außergewöhnlich: „Zwischen die beiden Blätter einer Liste legt man ein Stück Durchschlagspapier. Nun werden die Einlagen der Schüler auf der vorbedruckten Vorderseite des ersten Blattes mit Tintenstift oder Bleistift, jedoch nicht mit der Feder, aufgeschrieben. Vermittelst des Durchschlagspapiers werden die Eintragungen aufs leere zweite Blatt durchgepaust; das zweite Blatt ist somit eine getreue Kopie vom ersten.“ Ebd., S. 102. 214 Brakenhausen, Wegweiser für die Einrichtung von Spulsparkassen, S. 6. 215 Ebd., S. 7. 216 Ebd., S. 8. 217 Schneider, Die Liste siegt. 218 Brakenhausen, Wegweiser für die Einrichtung von Spulsparkassen, S. 4. Beispiel für Statuten.

264  IV. Erziehung zur Sparsamkeit nach 1850 waltungsbeamte über die Linienführung der Formulare stritten und wenig Kinder die Bücher selbst ausfüllten, blieben die Erfolge bei der kindlichen Buchführung – als Mittel der Selbstdisziplin – vermutlich überschaubar. Selbsttätige Buchführung, wie beispielsweise über die Verwendung von Sparmarken, wurde eher als verdächtig und anfällig wahrgenommen. Vergleicht man darüber hinaus die Formulare der Schulsparkassen mit denen des tagebuchartigen Pocket-Books aus dem 18. Jahrhundert fällt die Abwesenheit jeglichen moralischen Bezugs auf. Während in den Kontenbüchern der Schulsparkassen nur noch Linien für Geld vorgesehen waren, war die Moral in die Klassenbücher gewandert. Kinder sollten frühzeitig mit Geld in Kontakt kommen, um das Sparen eigenständig zu erlernen und als sinnvolles, auf die Zukunft gerichtetes Verhalten zu bewerten. Die Schulsparkassen stellten den flächendeckenden Versuch dar, diese Verhaltensleitbilder zu institutionalisieren. Auch wenn in den deutschsprachigen Ländern der anfängliche Widerstand gegen die Schulsparkassen vernehmlicher war als beispielsweise in Belgien oder England, unterschieden sie sich in ihrer Umsetzung letztlich nicht voneinander. Die Sparbewegungen waren Teil der europäischen Auseinandersetzung über Erfolg versprechende Formen der Sozialversicherung.219 Die Politisierung der Sparsamkeit bezog sich auf das Individuelle, das Soziale und das Nationale. Die Grundidee war eine fortschrittliche und volkswirtschaftlich prosperierende Nation, in der die Einzelnen unabhängig von staatlicher ­Bevormundung durch die Fürsorge und von der Einschränkung individueller Entscheidungsfreiheit durch Verschuldung und Knappheit sein sollten. Solche Subjekte galten als staatstragend und an der Aufrechterhaltung der Ordnung interessiert. Die Agitation für das Sparen entfaltete im Verlauf des 19. Jahrhunderts seine Wirkung, wie es sich am Anstieg der Sparerquoten in unter- und kleinbürgerlichen Schichten aller europäischen Länder ablesen lässt. Daran lassen sich drei Ebenen der Politisierung ausmachen. Erstens wurde die Schulsparkasse im Zusammenhang mit dem Problem der sozialen Ungleichheit diskutiert und dabei von einigen als das Mittel zur Sozialistenbekämpfung stilisiert. Zweitens verstanden die Befürworter die volkswirtschaftlich und national bedeutsamen Sparanstrengungen von Kindern als einen Standortvorteil im Wettlauf der Nationen. Gleichzeitig kennzeichneten sie die Fähigkeit zum Sparen als einen Ausdruck europäischer Zivilisation. Und drittens schließlich basierte das staatliche Schulsparen auf monetärer Selbstregulierung. Die Institution wurde dabei unmittelbar mit dem auch in Ratgebern präsenten Mäßigungsdiskurs verbunden, um Vorstellungen erwünschter Bürger und Bürgerinnen virulent zu machen. Zudem setzten die in diesem Zusammenhang nach der Jahrhundertwende ausführlich diskutierten Formulare der Schulsparkasse die tabellarische Darstellung von Sparsamkeit des 18. Jahrhunderts fort und prägten die graphische Repräsentation und Technik des kindlichen Umgangs mit ihrem Geld. Im Unterschied zu den Erziehungsratgebern, die die Kontrolle der pekuniären Verhaltensweisen in 219 Ritter,

Sozialversicherung in Deutschland und England, S. 11.

2. Schulsparkassen – Zur Institutionalisierung und Politisierung von Sparsamkeit  265

den Menschen allein anzulegen suchten, waren die Schulsparkassen der staatlichadministrative Versuch, Fürsorge, volkswirtschaftlich notwendige Spareinlagen und Disziplinierung potentiell Unruhe stiftender Menschen miteinander zu kombinieren. Damit lässt sich die Erziehung zur Sparsamkeit nicht auf eine Erziehung zum Kapitalismus reduzieren, sie diente vielmehr einer umfassenden individuellen und gesellschaftlichen Anleitung und Lenkung der Menschen, die fürsorgerische und prospektive Elemente integrierte.

V. Schlussbetrachtung Der Blick in die Kinderstuben des 18. und 19. Jahrhunderts offenbart einen von Kindern und Heranwachsenden bewohnten Raum, der sich dem unmittelbaren Zu­griff der Historikerin entzieht: Die Geschichte des ökonomischen Menschen von Kindesbeinen an zu erzählen, bedarf einer hohen Frustrationstoleranz, da die betroffenen Subjekte in den seltensten Fällen Quellen über ihre Erfahrung der monetären Erziehung hinterlassen haben. Die Präsenz des Geldes in den Dingen, Erzählungen und Erinnerungen an die Kindheit lässt sich allerdings rekonstruieren und mit den Vorstellungen von Pädagogen, Ökonomen und Philosophen über die zukünftigen ökonomischen Menschen in Beziehung setzen. Dabei kommt ein Geflecht aus Kindheitsvorstellungen und ökonomischen Wissensbeständen zum Vorschein, das in weiten Teilen auf der Erziehung von Emotionen und Zeitvorstellungen basierte. Die Kontrolle von Leidenschaften und die Erziehung zur Zukunft waren zentral für die Entwicklung eines am Ende des 19. Jahrhunderts auch institutionalisierten Verhältnisses zwischen Heranwachsenden und Geld. Die Kindheit des werdenden ‚ökonomischen Menschen‘, die Ideen über nützliches Wissen und die Visionen über die Zukunft der Kinder konvergierten in der Vorstellungswelt der hier in den Blick genommenen erwachsenen Autoren und Autorinnen vor dem Hintergrund der sich entwickelnden kapitalistischen Ökonomien, der Durchsetzung von neuen Institutionen und der sich wandelnden Wissensbestände insbesondere im Bereich der Pädagogik und Ökonomie. Aus einer vulgärmarxistischen Perspektive auf Staat, Kapital und Subjekte hätte man eine Geschichte der Indoktrination und Verfertigung der arbeitenden wie auch der besitzenden Klassen zu erzählen, die ihren Kulminationspunkt in einem kapitalistischen Wirtschaftssubjekt fände. Als Beitrag zu einer Kulturgeschichte des Kapitalismus schließt die Untersuchung jedoch an die Perspektiven der frühen Soziologie und ihre Annahmen an, dass Produktionsverhältnisse nicht nur die dazugehörigen Menschen prägen, sondern dass ökonomische Entwicklungen immer auch von einem Wandel der Semantiken, Leitbilder, Mentalitäten und anderer kultureller Phänomene begleitet oder durch diesen gar hervorgerufen werden. Zudem sind die konkurrierenden Wissensbestände der Pädagogik und der Theologie zu betonen, die einem einseitigen Ausgriff des Ökonomischen widerstehen können, aber nicht notwendigerweise müssen. Marx, Weber, Simmel und Sombart legten ihr Augenmerk nicht explizit auf die Kindererziehung. Die Literatur, die Pädagogik und die Ökonomie des späten 18. und 19. Jahrhunderts allerdings schon. Aus diesem Grund wurden vier verschiedene, aber verwandte Diskursräume untersucht und mit den Kindheitserinnerungen von Erwachsenen in Beziehung gesetzt: die Pädagogik, die Ökonomie, die Sozialisationsinstanzen Schule und Familie sowie die Dinge und Medien der Kinder- und Jugendkultur. Im Vordergrund der Studie lag die Untersuchung transnationaler Geldräume, weniger ein systematischer Vergleich. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die generellen Gemeinsamkeiten der Entwicklung in Großbritannien und in https://doi.org/10.1515/9783110379129-006

268  V. Schlussbetrachtung den deutschen Staaten die Unterschiede im Detail überwogen. Die Einsicht in die Notwendigkeit monetärer Erziehung, das zeigen auch die Quellenbeispiele aus Frankreich, der Schweiz und dem Habsburger Reich, wurde im west- und mitteleuropäischen Raum gleichermaßen geteilt. Auch von außen, aus Sicht der US-amerikanischen Sparbewegungen, wurde eher die gesamteuropäische Entwicklung wahrgenommen. In Umkehrung des üblichen europäischen Blicks auf dem amerikanischen Kontinent beobachteten amerikanische Philanthropen die europäischen Sparpraktiken. So kommentierte der Präsident der amerikanischen Thrift Society 1920, dass die europäische Zivilisation eng mit der erfolgreichen Implementation von Werten und Praktiken der Sparsamkeit verflochten sei. Von den Europäern, so Straus, könnten die Amerikaner lernen, auch kleine Beträge zu schätzen.1 Im Detail stechen vor allem die Unterschiede hinsichtlich der in Großbritan­nien prominenten Versuche heraus, die Politische Ökonomie in den Schulbüchern zu verankern; in dieser ausgeprägten Form gab es dies in den deutschen Staaten nicht. Doch auch hier lassen sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schriften, wie die von Albert Gerth oder Otto Hübner finden, deren Anliegen, ökonomische Themen stärker in der schulischen Bildung zu verankern, vergleichbar mit den englischen Beispielen ist. Ein weiterer, wichtiger nationaler Unterschied ist die prominente Rolle, die englische Frauen als Autorinnen des popularisierten ökonomischen Wissens einnahmen. Diese exzeptionelle weibliche Präsenz betraf jedoch nicht nur die Popularisierung ökonomischen Wissens, sondern auch diejenige der Naturwissenschaften. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden zudem explizit Mädchen als Leserinnen angesprochen, die sich über die jeweiligen Lehren informieren sollten. Bereits im Rahmen von Volksaufklärung und Aufklärung waren monetäre Praktiken von Heranwachsenden zu einem öffentlichen Thema gemacht worden, indem über den Sinn von Taschengeld diskutiert wurde und Buchführungsformulare in Form von Kalendern auf den Markt kamen. Die Ursachen für diesen Wandel lagen weniger in den Monetarisierungsprozessen und einer ausgeweiteten Zugänglichkeit zum Geld. Die Gründe für die Erfindung der monetären Erziehung lagen vielmehr in einer Neugestaltung der Lebensphase Kindheit, die durch bewusste pädagogische Interventionen gekennzeichnet war und die als konkrete Vorbereitungszeit auf das Erwerbs- und Familienleben in den als neu bezeichneten ökonomischen Verhältnissen dienen sollte. Es war Konsens unter denjenigen, die sich mit Kindererziehung beschäftigten, dass die entsprechenden monetären Praktiken in der familiären Erziehung und der schulischen Bildung vermittelt werden sollten. Die belehrende und unterhaltende Kinder- und Jugendliteratur, die moralischen Geschichten, die Kalender und zunehmend auch der Unterricht waren die Medien und Räume, in denen das entsprechende Wissen über Geld für Kinder aufbereitet wurde. 1

Straus, Promotion and Practice of Thrift, S. 193. Vgl. auch: Carother, Thrift in the School Curriculum, S. 220.

V. Schlussbetrachtung  269

Schon die ersten Quellen der monetären Erziehung im 18. Jahrhundert bezeugen den engen Zusammenhang von Geld und Emotionen. Im Unterschied zu dem von der bisherigen Forschung konstatierten Verschwinden des Begriffs der Leidenschaften und seiner Ersetzung durch den Begriff des Interesses zeigt die Geschichte der monetären Erziehung, dass die Leidenschaften des Geldes im gesamten Untersuchungszeitraum als regulierungsbedürftig galten und dass auch der Begriff erhalten blieb. Ausführlich wurde thematisiert, dass Geld nicht nur ein Tauschmittel oder eine Recheneinheit sei, sondern im Menschen unterschiedliche emotionale Reaktionen hervorrufen konnte, die nicht immer in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Normen, Werten und anderen Ordnungsvorstellungen waren. Die Tradition des christlichen Deutungshorizonts blieb in der Ablehnung von Geiz und Habgier omnipräsent. Die erfolgreiche Affektkontrolle und Selbstbeherrschung galten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Garanten des ökonomischen Fortschritts. Reiner Eigennutz, der sich im Effekt positiv auf die Gemeinschaft auswirke, wie von der Moralphilosophie und den Utilitaristen vertreten, wurde als Ziel der monetären Erziehung eindeutig abgelehnt. Die Kontrolle von Leidenschaften spielte insbesondere bei den deutschen Philan­thro­pen des 18. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Unangemessene Begierden, wie Geiz und Verschwendung, sollten durch die Erwerbungsbegierde ersetzt werden. Die frühneuzeitliche Annahme, dass eine gute Ordnung auf dem Ausgleich der menschlichen Leidenschaften beruhe, akzentuierten die phi­lan­thro­ pi­schen Reformer am Ende des 18. Jahrhunderts anders und verbanden ihre Geld­ erziehung mit der Kontrolle der Leidenschaften durch Übungen in Rechenhaftigkeit. In Abkehr von den frühneuzeitlichen Philosophen und Theologen bezeichneten sie nicht das Geld als ursächlich für das Problem unerwünschter Geldhandlungen und -gefühle, sondern die anfällige Konstitution der Menschen.2 Männliche He­ ranwachsende galten als besonders gefährdet, den Gefahren des Geldes durch ihre frühen außerhäuslichen Aktivitäten zu erliegen. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts weitete sich diese Gefährdungsannahme auch auf Mädchen aus. Die religiösen Warnungen vor der Geldliebe blieben bei den Philanthropen des 18. Jahrhunderts, im Rahmen der Politischen Ökonomie zu Beginn des 19. Jahrhunderts und – über beide Jahrhunderte hinweg – auch in den Kinder- und Jugendmedien protestantischer wie katholischer Provenienz erhalten. Zwar wurde Geld an sich nicht mehr verteufelt, aber gerade die Kinder- und Jugendliteratur betonte unermüdlich, dass Geld allein nicht für die Charakterbildung reiche. Im Gegenteil, die KinderbuchautorInnen nutzten die Figur des oder der bedürftigen Armen, um ihre idealen Erziehungsziele zu verdeutlichen, während die Figur des gierigen und geizigen Reichen zur Deklassierung des als unmoralisch betrachteten, reinen Gewinnstrebens eingesetzt wurde. Die von ihnen idealisierte soziale Harmonie war jedoch nicht auf die Beseitigung sozialer Ungleichheit gerichtet, sondern zielte auf eine Pädagogik der Armut, die der Demut und Wohltätigkeit der Wohlhabenden dienen sollte. 2

Hörisch, Kopf oder Zahl, S. 56 f.

270  V. Schlussbetrachtung Pädagogen und Ökonomen des 19. Jahrhunderts waren sich oft einig über die Notwendigkeit und Richtung der monetären Erziehung. Die nutzenorientierten Erziehungsvorstellungen wurden nicht von allen Pädagogen geteilt. Doch gemeinsam mit Ökonomen und Staatswissenschaftlern plädierten sie für eine generelle Ausweitung der Schulbildung und eine bessere Vorbereitung auf das zukünftige Tätigkeitsfeld. Die Schaffung ökonomisch zuverlässiger Bürger und Bürgerinnen war im Interesse beider sich konstituierender Disziplinen. Ihr gemeinsames Interesse ruhte auf ökonomischen Leitbildern, die sie als notwendig für eine gute Ordnung und eine prosperierende bürgerliche Gesellschaft ansahen. Alle behandelten die Frage der menschlichen Natur, die Regulation von Affekten und die Notwendigkeit der Selbstführung im Hinblick auf monetär angemessenes Verhalten.3 Sie teilten auch die Vorstellungen der bürgerlichen Geschlechterordnung, verkörpert im economic man und der domestic woman. Bemerkenswerterweise existierten die diesen Entwürfen innewohnenden geschlechtlich getrennten Verantwortungsbereiche neben den hauswirtschaftlichen Konzepten der Frühen Neuzeit, die die Bedeutung des Haushalts für das Verständnis der Ökonomie betonten. Insgesamt zeigt auch das Thema der monetären Erziehung die langanhaltende Präsenz kameralistischer Vorstellungen von guter Haushaltsführung in Familie und Staat. Neben den konkreten Vorstellungen über die pädagogische Intervention zugunsten ökonomischer Verhaltensleitbilder waren die Debatten und Praktiken der monetären Erziehung Ausdruck der Selbstverständigung einer modernen Gesellschaft, die sich zunehmend als durch das Geld bestimmt beschrieb. Zum Ausdruck kam dies vor allem in den Versuchen, möglichst vielen Menschen popularisierte Formen ökonomischen Wissens zu präsentieren. Ob über die Integration in Schulbüchern, durch die Thematisierung in Kinderromanen oder in den an Kinder und Frauen gerichteten Schriften über die Politische Ökonomie: Die soziale Exklusivität ökonomischen Wissens, das in seiner Zugänglichkeit auf bestimmte Gruppen begrenzt blieb und vom Vater auf den Sohn und vom Meister auf den Lehrling übertragen wurde, wich im Verlauf des 19. Jahrhunderts einem Mechanismus sozialer Inklusion. Das Wissen über Geld und Ökonomie sollte auch für Mädchen, für Frauen und für die unteren Schichten aufbereitet werden. Im Anschluss an die volksaufklärerischen Ideen und die Popularisierungsbestrebungen in den Naturwissenschaften wurde auch das Geld und die Wirtschaft zu einem gesellschaftlich notwendigen Wissensfeld für alle bestimmt. Die sich zu einer Konsumgesellschaft wandelnde kapitalistische Wirtschaftsweise bot am Ende des 19. Jahrhunderts möglichst vielen Gesellschaftsmitgliedern Partizipationsversprechen. Die Produktion von Waren zum Zwecke der Gewinnerwirtschaftung war in der Lage, die durchaus langlebige, rechtlich abgesicherte Geschlechterordnung ins Wanken zu bringen – ein Prozess, der so manchen economic man in Zweifel stürzte, wie die Geschichte monetärer Erziehung zeigt. Die Geldpraktiken in der monetären Erziehung blieben im Untersuchungszeitraum verhältnismäßig stabil. Das Taschengeld wurde erstmals im 18. Jahrhundert 3

Wittstock, Nationalökonomie und Pädagogik, S. 807.

V. Schlussbetrachtung  271

zum Gegenstand von öffentlichen Debatten über das Ausmaß der Monetarisierung von Familienbeziehungen. Im 19. Jahrhundert legte sich diese grundsätzliche Debatte. Umstritten waren fortan nur noch die Höhe und die Kontrolle des Taschengelds. Die von Eltern und Pädagogen erwünschte Ausgabe des Geldes war zuerst begrenzt auf wohltätige Gaben und den Kauf von kleinen Geschenken. Darüber hinaus wurde am Ende des 19. Jahrhunderts der Konsumakt als eine neue Gefahr begriffen und vor allem in den Kinder- und Jugendmedien problematisiert. Durch die Imitation des Kauf- und Verkaufvorgangs mit Kaufladen und Spielgeld wurden Kinder mit den Verhaltensoptionen der Konsumkultur vertraut gemacht. Im Zuge ausgreifender Konsumoptionen thematisierten die unterhaltenden Kinder- und Jugendzeitschriften explizit den weiblichen Umgang mit Geld. Einige englische Zeitschriften formulierten die Hinweise für Mädchen als eine Anleitung für Ökonominnen. Das liberale und bürgerliche Männlichkeitsmodell, in dem Geld Autonomie und Unabhängigkeit verkörperte, wurde allmählich zum Paradigma für alle männlichen und weiblichen Heranwachsenden. Eine weitere Praktik monetärer Kindererziehung mit hoher zeitlicher Kontinuität war die tabellarische Buchhaltung über die individuellen Einnahmen und Ausgaben. Geld wurde in den Formularen der Buchführung in Zahlen übersetzt und damit zur Grundlage der Überprüfbarkeit durch Eltern und Lehrer. Ob diese Form der Quantifizierung allerdings die alles beherrschende Kommunikation über Geld war, die „durch die Zuordnung der elementaren Daten zu ihren Tabellenzellen die Diskontinuität zum Prinzip“4 erhob und die Kommunikation der linearen sprachlichen Narration in Form eines Tagebuchs ersetzte, bleibt im Hinblick auf Kinder und Jugendliche des 18. und 19. Jahrhunderts zu bezweifeln. Philanthropische Geldübungen, Taschengeld und kalendarische Buchführung prägten die Lebenswelten bürgerlicher Kinder. Anders stellte sich die Lage für die Kinder von Armen und Unterschichten dar. Ihre Welt war bis zur Etablierung der Schulsparkassen wenig von monetären Erziehungsversuchen geprägt. Gleichwohl spielte das Geld in ihrem Alltag eine erhebliche Rolle, da sie für ihre Arbeit entlohnt wurden und häufig betteln mussten, um zum knappen familiären Budget beizutragen. In den Kindheitserinnerungen wird das durch die eigene Arbeit verdiente Geld häufig erwähnt, und die heimliche Zuteilung einiger Münzen durch die Mutter war eine dem bürgerlichen Taschengeld vergleichbare familiäre Institution. Aber auch die bedrohliche Absenz des Geldes fand in den Erinnerungen regelmäßig Erwähnung.5 Die Gabe von Taschengeld, die Kontrolle der Ausgaben durch Lehrer und ­Eltern, die Einübung von Sparsamkeit und von Wohltätigkeit, sowie die Aufbewahrung des gesparten Geldes in dafür vorgesehenen Behältnissen bestimmten beide Jahrhunderte. Erst die Institutionalisierung der Sparsamkeit in Schulsparkassen stellte eine signifikante Neuerung in den Steuerungsversuchen der Geldpraktiken dar. In der Frage der staatlichen Einrichtung institutionalisierter Geld4

Krajewski, In Formation, S. 37 f. 5 Vgl. Maß, Zwischen Absenz und

Präsenz.

272  V. Schlussbetrachtung anlagen konnten sich die ökonomischen Akteure der pädagogischen Unterstützung sicher sein. Die Rücklagenbildung zur Verhinderung sozialer Unruhen und zur Habitualisierung der Sparsamkeit war bis auf wenige Ausnahmen eine weit geteilte Empfehlung nicht-sozialistischer Kreise. Anders als von der bisherigen Forschung ­bewertet, wurde der bürgerliche Wert der Sparsamkeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einem Politikum. Die Institution der Schulsparkassen galt als Prophylaxe gegen revolutionäre Umsturzversuche, als Ausdruck der Selbstkon­trolle und als Merkmal der Zivilisation der jeweiligen Gesellschaft. Deren Einführung in deutschen Schulen war in besonderem Maße von Debatten über die Lösung der sozialen Frage einerseits und dem kritisch betrachteten Einzug eines ‚unkindlichen‘ Mediums in die Schule andererseits begleitet. Die Konfliktlinien verliefen jedoch quer zu den professionellen Lagern. Auch die ersten sprachlichen Zuschreibungen von Kindern als Kapitalisten entstanden im Kontext der Politisierung der Sparsamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Beispiele aus Großbritannien und Deutschland weisen darauf hin, dass kindliche Sparsamkeit als Grundlage der Kapitalbildung gesehen wurde, mit dem zukünftig Investitionen vorgenommen werden würden. Diese ‚kleinen Kapitalisten‘ waren allerdings am Ende des 19. Jahrhundert noch kein stetiger Referenzpunkt der pädagogischen Debatten über Geld. Die Geldpraktiken von Kindern und Heranwachsenden lassen sich demnach nicht per se als kapitalistische Handlungsweise verstehen, auch wenn es am Ende des 19. Jahrhunderts gelegentlich als solches bezeichnet wurde. Allerdings wurden diese Praktiken durchaus als Vorbereitungen auf das zukünftige wirtschaftliche Leben verstanden. Die den Kindern zugeschriebene Gegenwärtigkeit ihres Handelns wurde als problematisch bezeichnet und das Erlernen der Zukunft war ein zentraler Bestandteil der monetären Erziehung. Die pädagogische Ausrichtung auf die ökonomische Zukunft der Heranwachsenden ähnelte dabei kapitalistischen Zukunftsvisionen. Thomas Welskopp hat jüngst Kapitalismus als „Modus des Wirtschaftens in der Moderne“ beschrieben, „der durch den systematisch projektiven Einsatz von Ressourcen Wirtschaftsaktivitäten auslöst, und zwar im spekulativen Vorgriff auf ein Ergebnis – beziehungsweise in Erwartung eines Ergebnisses – , das den Umfang der eingesetzten Ressourcen übertrifft (Ertrag).“6 In zweierlei Hinsicht war die monetäre Erziehung mit diesen temporalen Logiken verwandt: zum einen handelte es sich um Investitionen in Kinder und Jugendliche, aus denen zukünftig ökonomisch mündige Subjekte resultieren sollten, die in der Lage seien, die richtigen „Selektions- und Al­lo­ka­tions­ent­schei­ dun­gen“7 zu treffen. Zum anderen handelte es sich bei den Schulsparkassen um Institutionen, die eine Praktik habitualisierten, in der durch die Geldanlage nicht nur der Zugriff auf die bare Münze eingeschränkt, sondern durch den zu erwartenden Zins der zukünftige Ertrag die ursprünglich gesparte Summe überstieg. Während die an der Einrichtung der Schulsparkassen beteiligten Personen eine 6

Welskopp, 7 Ebd.

Zukunft bewirtschaften, S. 88.

V. Schlussbetrachtung  273 Abb. 14: Neujahrspostkarte (circa 1909).

Vielfalt von pädagogisch und ökonomisch erwünschten zukünftigen Effekten thematisierten, waren die Erziehungsratgeber mit ihrem Hinweis auf die bedürfnisaufschiebende Wirkung der Sparsamkeit zwar auch einer temporalen Perspektive verschrieben. Sie beschränkten sich jedoch auf Handlungsmöglichkeiten und Gefühlskontrollen, die vorerst ohne einen Ertrag bringenden Einsatz von Kapital auskam. Allerdings tauchten am Ende des 19. Jahrhunderts neue Figuren in den Kinder- und Jugendmedien auf, so etwa der Bankberater. Seine Erwähnung unterstreicht die Veränderung von Geld als einem Gegenstand moralischer Beispielgeschichten zu einem Beratungsobjekt von Bankiers, der den jungen Frauen und Männern der Mittelschichten Anlageoptionen präsentierte. Generell lässt sich dies aber eher als Beginn der sich im 20. Jahrhundert rapide verändernden Inhalte monetärer Erziehung interpretieren. Es muss auch daran erinnert werden, dass im 19. Jahrhundert die populäre Imaginationskraft von Geld – wie sie sich unter anderem in der Beschreibung von

274  V. Schlussbetrachtung Gold- und Geldregen in Märchen zeigte – unabhängig von den Versuchen der pädagogischen Kontrolle existierte. Ein Beispiel für diese populären Vorstellungen des Geldes stellten die Neujahrspostkarten dar, die seit 1900 den deutschen Markt prägten. In unzähligen Variationen präsentierten sie Glückwünsche und Kinder neben unbegrenzten Geld- und Goldschätzen. Berstende Geldsäcke, sprudelnde Goldbrunnen und bis an den Rand gefüllte Schatztruhen wurden von Babys und Kindern belebt, die sich an dem Reichtum erfreuten (Abb. 14). Die Zukunftsvision derartiger Postkarten lag keineswegs in der strengen Übung des buchhalterischen Umgangs mit Taschengeld und dem zielstrebigen Anlegen des Spargroschens auf einem Bankkonto. Sie visualisierten vielmehr die unter erwachsenen Absendern und Empfängern ausgetauschte Hoffnung auf eine glückliche und von finanzieller Not unbelastete Zukunft zum Jahresbeginn. So wie die Kinder, sollte auch der Geldberg wachsen. Triebe man die Interpretation noch weiter, könnte man die auf den Postkarten abgebildeten Kinder als Verkörperung von Unschuld verstehen: man wünschte sich unschuldig – oder aber ohne Schuld – zu unbegrenztem Geld zu kommen. Die Kinder verkörperten genau diese Unschuld. Möglicherweise verursachten die Sparaufrufe im Ersten Weltkrieg sowie die ­Inflation und Hyperinflation der frühen 1920er Jahre einen Verlust ebendieser ­Unschuld und Lust am Geld, der die bislang erfolgreichste Institutionalisierung monetärer Erziehungsversuche zur Folge hatte. Die Erfahrung der bis dato exzeptionellen Geldentwertung nach dem Ersten Weltkrieg führte zur Proklamation des Weltspartages im Oktober 1924 auf dem ersten Internationalen Sparkassenkongress in Mailand. Seit seiner erstmaligen Ausrichtung im Oktober 1925 wird der Weltspartag am letzten Werktag im Oktober abgehalten. In den ersten Jahren richtete sich dieser von den Sparkassen organisierte Tag an die gesamte Bevölkerung, die damit an den Sinn der Sparsamkeit angesichts der Geldvernichtung in den ersten Jahren des Jahrzehnts erinnert werden sollte: „Sparen ist Deine Mitarbeit am Wiederaufbau Deutschlands!“ hieß demnach auch das Motto des ersten deutschen Weltspartages 1925.8 Zugleich richteten sich die Sparaufrufe dezidiert an Kinder und Jugendliche, die ermuntert wurden, diesen Tag feierlich zu begehen (Abb. 15). Die Nationalsozialisten benannten diesen Tag in den Nationalen Spartag und ab 1938 in den Deutschen Spartag bzw. Kriegsspartag um, bis sie 1942 die Deutsche Sparwoche einführten. Die DDR griff die Idee einer Sparwoche von der Mitte der 1950er bis in die Mitte der 1960er Jahre auf, während im Westen seit 1948 der Weltspartag wieder eingeführt wurde. In den 1950er Jahren war die Ausrichtung auf Kinder und Jugendliche fast vollständig vollzogen: Der Spaß am Sparen wurde betont, die wachsende Geldsumme hervorgehoben und letztlich rekurrierte man auch wieder darauf, dass die Gemeinschaft oder die Bedürftigen von dem Ersparten ebenfalls profitieren würden.9 Kinder, die ihr erspartes Geld an diesem 8

9

Ostdeutscher Sparkassenverband, Spar – Schwein – Zukunft, S. 9. Vgl beispielsweise Berg, Die Schulfeiern im Jahreslauf, S. 92 f.

V. Schlussbetrachtung  275

Abb. 15: Eine Weltreise am Weltspartag 1930, erschienen in „Der Spar­elefant“ (monatliche Kinderzeitschrift)

Tag in eine Sparkasse brachten, wurden bei Ablieferung ihres Guthabens mit ­einem kleinen Geschenk belohnt und konnten in den Räumen der Kasse malen und spielen. Die Figur des Sparefroh (seit 1956), das Sparkassen-Magazin KNAX (seit 1974) und andere Devotionalien hinterließen seitdem ihre Eindrücke in den Erinnerungen von Kindern ganzer Generationen. Gleichzeitig nutzten aber Politi-

276  V. Schlussbetrachtung ker wie Sparkassenvertreter den Tag, um Spareinlagen öffentlichkeitswirksam auch für Erwachsene zu propagieren.10 Die positive Wertschätzung des Sparens wird von den Banken und Sparkassen zwar bis heute noch unterstrichen, aber angesichts der aktuellen Sparzinsen, die die Inflation nicht ausgleichen, und die klassische Sparanlage zu einem ökonomisch nicht zu legitimierenden Verhalten werden lassen, rückt der Weltspartag zunehmend in den Hintergrund. In Abgrenzung zu dem 1925 erstmals veranstalteten Weltspartag betonte 2010 ein Sprecher der Hypovereinsbank: „Es ist wichtig, dass die Kinder sich das ganze Jahr über ans Sparen gewöhnen.“11 Sparsamkeit galt bis in die 1990er Jahre noch als das Mittel der Wahl, individuellen und nationalen Wohlstand zu schaffen und zu vermehren. Das Diktum des Bundespräsidenten Theodor Heuss aus den 1950er Jahren („Sparsam sein ist nicht in erster Linie eine national-ökonomische Funktion, sondern eine menschliche Haltung“) wurde jedoch in den letzten Jahrzehnten von der Hoffnung auf den schnellen und sprunghaften Gewinn durch Aktienspekulation abgelöst.12 Dies spiegelt sich auch im europaweit betriebenen Planspiel Börse der Sparkassen ­Finanzgruppe: Schüler und Schülerinnen können ein virtuelles Depot eröffnen und müssen bis zum ­einem festgelegten Zeitpunkt mit ihrem Startkapital die Gewinne maximiert haben. In dem Spiel manifestiert sich die deutliche Schwerpunktverschiebung in den als ökonomisch sinnvoll beschriebenen Verhaltensweisen von der Sparsamkeit zur risikobehafteten Spekulation mit dem einzigen Ziel der Gewinnmaximierung. Doch inzwischen hat die Banken- und Finanzkrise auch im Börsenspiel einen gewissen Legitimationsdruck erzeugt und neue Zukunftsentwürfe in den Begründungszusammenhang gespült. Die Zeit des „Ge­ winn[s] ohne Rücksicht auf Verluste“ sei vorbei, so der derzeitige Ausschreibungstext der Sparkasse: „Denn die weltweite Finanzkrise hat gezeigt, dass sozial und ökologisch sinnvolles Wirtschaften immer wichtiger wird. Deshalb stehen auch bei Europas großem Börsenspiel Anlagestrategien im Mittelpunkt, die eine nachhaltige Entwicklung fördern sollen.“13 Interessensverbände privater Unternehmen und Banken wiederum agieren weitgehend ohne Bezug auf das Gemeinwohl. Österreichische Unternehmen organisieren jährlich die Kinder Business Week, um Heranwachsenden bis 14 Jahren die „Geheimnisse des Erfolgs“14 zu erklären. Der Bankenverband, die Interessenvertretung deutscher Privatbanken, bietet einen umfangreichen Service an, um das Finanz- und Ökonomiewissen unter Heranwachsenden von der Grundschule an zu verbreiten und kürt jährlich in einem Planspiel die besten Nachwuchsbanker des Jahres.15

10 Vgl.

Zorn, Im Namen des Sparers; Heuss, Freiheit durch Sparen. 11 Aktionen zum Weltspartag. Schwein gehabt, Süddeutsche Zeitung,

17. 5. 2010. Freiheit durch Sparen, S. 6. 13 https://www.planspiel-boerse.de/toplevel/main/deutsch/nachhaltigkeit.html (25. 4. 2017). 14 http://www.kinderbusinessweek.at (25. 4. 2017). 15 http://www.schulbanker.de/planspiel/ (25. 4. 2017). 12 Heuss,

V. Schlussbetrachtung  277

Seit der jüngsten Finanz-, Immobilien- und Bankenkrise haben Banken und Sparkassen ihr Engagement im Bereich der ökonomischen Bildung intensiviert. In Übereinstimmung mit so mancher publizistischer Alarmmeldung – „Ein Volk von Ökonomie-Analphabeten“ seien die Deutschen, titelte die FAZ 2016 – begründet die Deutsche Bank ihr Engagement in diesem Bereich mit dem unter Deutschen weitverbreitetem „Unwissen, Unsicherheit und fehlender Selbsteinschätzung“ und der daraus resultierenden Überschuldung privater Haushalte.16 Nicht immer passen die hier ansetzenden Initiativen der Geldhäuser mit der angestrebten pädagogischen wie ökonomischen Vorbildfunktion überein. Die in den letzten Jahren mehrfach von Ermittlungsverfahren und juristischen Verurteilungen von MitarbeiterInnen betroffene Deutsche Bank engagiert sich in der „Initiative Finanzielle Allgemeinbildung“, in dessen Rahmen sie auf Anfrage Berater in die Schulen, um die Heranwachsenden über Anlageformen, Rentenvorsorge und das globale Finanzsystem zu informieren.17 Auch über die jüngste Finanzkrise klären die Berater auf. Auch die Sparkassen sahen sich in den letzten Jahren Dutzenden von Klagen von Kunden und Kundinnen gegenüber, die sich beim Kauf von Lehmann Brothers-Aktien schlecht beraten sahen. In vielen Fällen zahlte die Sparkasse Entschädigungen. Die Sparkasse bietet neben dem Planspiel Börse einen umfassenden Schulservice von der Grund- über die Förderschule bis zum Gymnasium an. Der von der Sparkasse entwickelte Finanzpass für Schüler und Schülerinnen, die lernen sollen, ihre persönliche finanzielle Lebensplanung besser zu überschauen und ökonomische Entscheidungen unter sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitskriterien zu treffen, könnte damit auch für die nächste Generation von Sparkassenkunden hilfreich sein.18 Überschaut man die Angebote der Banken und Sparkassen, drängt sich der Eindruck auf, die Finanzeinrichtungen wollten sich, im Zusammenspiel mit dem verfolgten Ziel des Personalabbaus, eher auf die ökonomische Mündigkeit ihrer zukünftigen Kunden und Kundinnen verlassen als auf ihre eigenen MitarbeiterInnen. Der siebenjährige Balduin P. (Name geändert) zeichnete am Weltspartag 1965 seine eigene Vision pekuniärer Sparanlagen. Strahlend zieht ein Zipfelmütze ­tragender Junge an dem Schwanz eines Sparschweins. Anders als zu erwarten, verliert die Spardose dadurch nicht ihre Groschen und Markstücke, sondern sie fallen, wie im Märchen Sterntaler, vom Himmel. Einige landen geradewegs im Münzschlitz des Schweins. Die gegenwärtige Versagung von Bedürfnissen zugunsten der in der Zukunft zu erwartenden, durch Zinsen angewachsenen Rückzahlungen scheint in der Zeichnung von Balduin nicht präsent. Gegenwart und Zukunft fallen in eins zusammen. Seine Münzen regnen augenblicklich vom Himmel. 16 Philip

Plickert, Ein Volk von Ökonomie-Analphabeten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. 5. 2016; Flyer der Deutschen Bank, Wirtschaft und Finanzen live! Initiative Finanzielle Allgemeinbildung. 17 https://www.db.com/cr/de/konkret-initiative-finanzielle-allgemeinbildung.htm (25. 4. 2017) 18 https://www.sparkassen-schulservice.de/sekundarstufen/finanzpass.php (25. 4. 2017).

278  V. Schlussbetrachtung

Abb. 16: Zeichnung von Balduin P. am Weltspartag 1965.

Aus einzelnen Kinderzeichnungen lassen sich keine geschichtswissenschaftlichen Thesen über die Wirkmächtigkeit monetärer Erziehungskonzepte ableiten. Zulässig ist es jedoch, ein solches Dokument als Erinnerung daran zu betrachten, dass pä­­­dagogische Disziplinierungs- und Erziehungsversuche einen vehementen Gegner haben können. Die Kinder treiben ihre Interpretation angemessener Geldpraktiken selbsttätig voran, wenngleich auch nicht unter selbstgewählten Umständen.

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VII. Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Abb. 2: Abb. 3:

Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:

Abb. 7:

Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12:

Abb. 13:

Abb. 14:

Dagobert Duck: „Ich bin ein schlechter Geschäftsmann!“, in: Don Rosa, Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden, Köln 2009, S. 14. © Disney Dagobert Duck: „Das soll mir eine Lehre sein!“, in: Don Rosa, Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden, Köln 2009, S. 15. © Disney Wickmann, Einleitung, in: Carl Andreas Wickmann, Einleitung zu der Nöthigen Erkäntnuß Aller Menschlichen Gemüther, und deren Neigungen, Worinnen die drey vorherrschenden Haupt-Affecten oder Passionen der Wollust, und des Ehr- und Geld-Geitzes, Sowohl nach ihren Ursprunge, aus denen natürlichen Ursachen gründlich deduciret, als auch die moralischen Kennzeichen und Eigenschaften derselben deutlich gezeiget werden, Dresden und Leipzig 1735, S. 11. Sir William Beechey, Sir Francis Ford’s Children Giving a Coin to a Beggar Boy (1793) © Tate Gallery, London 2017. Important Pocket Book, or the Valentine’s Ledger for the use of those who would live happily in this world, and the next, London 1758. The Kicking Mule Bank, in: Ehrich’s Fashion Quarterly, Winter 1882. Mechanical Bank, Collectors of America (http://www.mechanicalbanks. org/adv/spise-a-mule-jockey-kicking_adv_efq-1882.jpg, 25. 4. 2017). John Harper & Co., Ltd. 1902, in: Scott, Sharon M., Toys and American Culture. An Encyclopedia, Santa Barbara 2010, S. 32–34. Mechanical Bank, Collectors of America (http://www.mechanicalbanks. org/adv/wimbledon_plus_adv_harper-uk_1902.jpg, 25. 4. 2017). The Money-Box, in: Little Wide-Awake. An Illustrated Magazine for Children, 1890, o. S. Hans Christian Andersen, Das Geldschwein, in: Ders., Gesammelte Historien, Leipzig 1857, S. 198. Only a Farthing, in: Little Folks, 55, o. J., S. 40. Wonders of a Toy Shop (London 1852), in: Hugh Cunningham, The Invention of Childhood, London 2006, S. 208. Modell eines Gemischtwarenladens um 1880 (77 x 28 x 42cm), in: Manfred Bachmann und Wolfram Metzger (Hrsg.), Vom Marktstand zum Supermarkt. Der Kaufladen in Puppenwelt und Wirklichkeit. Katalog zur Ausstellung des Badischen Landesmuseums im Schloss Bruchsal, Karlsruhe 1992, S. 110. Deutsche Kinderspielgelddosen um 1900, in: Günter Aschoff, Deutsches Kinderspielgeld. Ein numismatisches Randgebiet, Regenstauf 2009, S. 282. Neujahrspostkarte „Viel Glück im neuen Jahre!“, ca. 1909, Privatbesitz.

https://doi.org/10.1515/9783110379129-008

316  VII. Abbildungsverzeichnis Abb. 15:

Abb. 16:

Eine Weltreise am Weltspartag 1930, in: Ostdeutscher Sparkassenverband (Hrsg.), Spar – Schwein – Zukunft. 80 Jahre Weltspartag, Berlin 2005, S. 38. Zeichnung von Balduin P. am Weltspartag 1965, Privatbesitz.

Abstract The book „Kinderstube des Kapitalismus?“ (“Nursery of Capitalism”) investigates the relationship between childhood and money from the early 18th century, and looks into its development in the 19th century. Which monetary and economic knowledge was deemed appropriate, desirable or threatening, and how was this knowledge presented to children? Should young people be brought up to be little capitalists? Who had an interest in monetary education at all and what were the various sides of the debate? What similarities or differences can be discerned, for instance between educators and economists? And finally, what kind of contacts did children and teenagers themselves have with money and notions of how they were expected to deal with it? Models of money as a means of livelihood and habitually dealing with money are essential for the maintenance and the specific design of what is to be described as capitalist. Looking at children and adolescents, the expected action and desired behaviour become much more evident than would be the case with adults, since in the educational context they relate to future but not yet present adult human beings. The respective guiding principles have to be made explicit as educational goals and thus stand in the crossfire of the critical discussion about the respective concepts of humans. The competing knowledge of educators, economists and parents about money on the one hand, and ideas about the gendered and class-specific notions of childhood on the other, frame the conflict-riven process of negotiating an ideal that balances future ideas, feelings and economic behaviour in a specific way. Discourses about the economic man were characterized by a network of time concepts, feelings – often called passions – and morality. The study is situated within the new history of capitalism that has become virulent in recent years, and analyzes the relationship between knowledge, economy and childhood primarily in the German states and in the United Kingdom from a transnational perspective. The focus on monetary education reveals an aspect of the modern economic order that the sociologist Eva Illouz has called the “cultural grammar of capitalism”.

https://doi.org/10.1515/9783110379129-009

Namensregister Addison, Joseph  65 Alberti, J. J.  233 Alcuin 64 Altmann, Anna  176 Andersen, Hans Christian  165, 192 f. André, Richard (alias William Roger Snow)  187 Appleby, Joyce O.  12 Aquin, Thomas von  43 Ariès, Philippe 6 f., 214 Auffenberg, Joseph  255 f. Augello, Massimo M.  9, 19, 103, 107, 112 f., 116, 120, 123 August I., Friedrich  61 Baker, Thomas  56 Barbauld, Anna Laetitia  96 f., 134 Basedow, Johann Bernhard  68 f., 72 f., Bebel, August  170 Beckert, Jens  14 Beechey, William  85 f., 87 f. Beeton, Isabella Mary  232 Belli, Joseph  175 Bentham, Jeremy  50, 109, 137, 139 f. Berg, Christa  9, 227, 230 f. Bezdek, Ferdinand  251 Bismarck, Otto v.  172 Blanc, Jérôme  28 Bock, Friedrich Samuel  57, 70, 76 Bourdieu, Pierre  14 Brakenhausen, Maximilian von  261–263 Bräker, Ulrich  36 Braun, Christina von  17 Braun, Isabella  166 Bronner, Franz Xaver  37 Brookes, John  241 Brougham, Henry  125 Brown, Mary Wilcox  239 Budde, Gunilla  21, 168 Burgh, James  75 Calm, Marie  240 Campbell, Robert  32 Campe, Joachim Heinrich  57 f., 68 f., 70, 72, 74, 78–80, 165 Carlyle, Thomas  26, 141, 227 Castan, Nicole  32 Chaplin, Charles  168 f. Conder, Josiah  133 Cruikshank, Robert  228 Cuissart, Eugène M. Philippe  257 Darwin, Erasmus  51, 57 Davidis, Henriette  232 Day, Thomas  51, 81 f., 87 f. https://doi.org/10.1515/9783110379129-010

De Vries, Jan  45, 71 Dickens, Charles  165, 201 Dörrien, Catharina Helena  93 f. Dreßen, Wolfgang  248 Duck, Dagobert  1 Ebersberg, Joseph Sigmund  136, 147–150, 152, 157 f., 159 Edgeworth, Maria  51, 58, 76, 80, 91, 95, 124, 127, 131, 134, 138 f., 212 Edgeworth, Richard Lovell  51, 91 Ellis, Sarah Stickney  233 f. Ellis, William  114 f., 235, 241 f. Emmerich, Birgit  43 Engels, Friedrich  27 Enters, Hermann  170, 175 f. Evers, Ernst August  69 Ewen, Robert  227 Felder, Franz Michael  175 Felten, Sebastian  16, 44 Ferguson, Niall  17 Fitch, Joshua Girling  251, 261 Foerster, Carl  255 Fonvielle, Chevalier de  32 Förster, Oskar  229 f. Foucault, Michel  10, 42, 112 Fox, Charles  133 Francke, August Hermann  53, 248 Freytag, Gustav  201 Fröbel, Friedrich  212 Gaskell, Elizabeth  201, 244 f. Georgens, Jan Daniel  242 f. Germershausen, Christian Friedrich  45 f. Gerth, Albert  2, 121, 268 Goethe, Johann Wolfgang von  30 f. Gorissen, Stefan  95 Grenby, Matthew O.  164 Guidi, Marco E. L.  103, 112, 123 Hagemann, Harald  103 Hall, Catherine  239, 246 Hansen, Christian  258 Hauptmann, Gerhart  165, 177, 182, 194 f., 197, 214, 217 Hebbel, Friedrich  171 Hérails, Guillaume  32 Hermann, Friedrich Benedict Wilhelm von  108 Herrmann, Ulrich  7, 39 Herz, Henriette  35 f. Hesse, Hermann  191 f. Hesse, Jan-Otmar  15 Heyl, Christoph  230 Hilton, Boyd  144

320  Namensregister Hirschman, Albert O.  60 Hoffmann, E.T.A.  165 Hübner, Otto  120–123, 268 Hufeland, Gottlieb  108 Hufton, Olwen  26, 87 Humphries, Jane  169 Hunt, Margaret  R. 29, 56, 95 Hunter, James D.  225 Ireson, Alfred  177 Jackson, William Collins  31 Jacobi, Juliane  9, 104 Kant, Immanuel  81, 94 Keller, Gottfried  172 Kessel, Martina  13, 240 Klenke, Hermann  181, 234 Klöden, Karl Friedrich  36 Kocka, Jürgen  11 f. Koselleck, Reinhart  40, 106 Krebs, Friedrich Robert  262 f. L’Hermite, Tristan  32 f. Lambert, Agnes  227, 234, 254 Langdon, Roger  175 Lange, Helene  217 Laurent, Francois  252 Leinweber, Adolf  254 Lemire, Beverly  17, 21 Lenk, Margarete  199, 208–210 Lessing, Gotthold Ephraim  30 Lewald, Fanny  177 Locke, John  25, 48, 60, 88 f., 95, 101 Lord Chesterfield  75, 101 Lotz, Johann Friedrich Eusebius  118, 159 Luhmann, Niklas  18 Lundgreen, Peter  52, 118 Maase, Kaspar  164 Macaulay, Thomas Babington  128 Malarce, August de  251 f. Malthus, Thomas Robert  103, 110 f., 113, 125, 131 f., 140 Mandeville, Bernard de  104 Mann, Thomas  201, 222 Marcet, Jane  104, 112–114, 124–131, 134, 139, 154 f., 157 Martineau, Harriet  104, 114, 124, 129–134, 140, 150, 159 f., 182 Marx, Karl  3 f., 6, 17 f., 27, 228, 244, 267 Mayhew, Henry  7, 176 f., 179 McCulloch, John R.  128 McVickar, John  113, 116 Mearns, Andrew  227 Mill, James  50, 113, 125, 128, 135 f., 138–140, 154, 158 Mill, John Stuart  112, 129, 136–140, 158 Money, John  56 Monroe, Wiliam S.  259 Moore, Thomas  132

More, Hannah  51 Münchhausen, Otto von  45 Newberry, John  84, 97 Niemeyer, August Herrmann  55, 77, 90, 154 Niethammer, Friedrich Immanuel  69 Nietzsche, Friedrich  55 O’Malley, Andrew  15, 51 Oppel, Karl  181 P., Balduin  277 f. Pareto, Vilfredo  3 Paul, Jean  243 Paulsen, Friedrich  175 Peacham, Henry  46–48 Plumpe, Werner  46 Poovey, Mary  106–108 Popp, Adelheid  178 f., 195 Priestley, Joseph  51 Prittwitz, Moritz Carl Ernst von  135 f., 142, 144–147, 150, 152, 156–158 Provost, Pierre  125 Pufendorf, F.L. von  93 Rak, Therese  256 Ratkowsky, Mathias G.  233, 257 Rau, Karl Heinrich  107 f., 110 Rehbein, Franz  169 Resewitz, Friedrich Gabriel  53 Reventlow, Franziska von  173 Ricardo, David  103, 110 f., 125, 132 f., 137, 139 Richarz, Irmintraut  45 Richter, Dieter  196 Ries, Adam  55 Rochow, Friedrich Eberhard von  52 Rolle, Hermann  254 Rosa, Don  1 Rösch, Matthias  103 Rousseau, Jean Jacques  33, 40, 68, 88 f. Rowntree, B. Seebohm  214 Salmon, Edward G.  165 Salomo, Sandra  171 Salzmann, Christian Gotthilf  68–73, 76–78, 81, 89 f., 235 Sapper, Agnes  172 Say, Jean-Baptiste  110, 112, 118, 129, 139, 154 Schad, Johann Baptist  37 f. Scharlach, Gustav  172 Schlegel, August Wilhelm  70 Schmeil, Otto  171 Schmid, Christoph von  119 Schmoller, Gustav  122 f., 135 Schopenhauer, Johanna  35 Schoppe, Amalie  171 Schröter, Carina  247, 252, 256 Schumacher, Tony  216 Schwabe, Johann Friedrich Heinrich  248 Schwarz, Angela  104 Scott, Walter  165

Namensregister  321 Senckel, Ernst  252, 263 Simmel, Georg  4 f., 16–18, 267 Smiles, Samuel  226 f., 236–239, 251, 258 Smith, Adam  109 f., 115, 127, 132, 133 f., 144, 153 Soden, Friedrich Julius Heinrich von  117 f. Sombart, Werner  5, 267 Sparefroh 275 Stanhope, Philip Dormer  75 Starobinski, Jean  88 Stearns, Peter N.  8 Steedman, Carolyn  40 Steele, Richard  65 f. Stein, Gertrude  1 Steinberg, Christian Gottlieb  57 Steuart, John  135 Stieda, Wilhelm  253, 357 Suter, Mischa  11 Templar, Benjamin  114 f. Terry, Joseph  170 Thaeter, Julius C.  171 Thomas, Keith  56

Thomasius, Christian  64 f., 67, 74, 89, 153 Thünen, Johann Heinrich von  108 Tosh, John  240 Trapp, Ernst Christian  68, 70–72, 90 Ulliac Trémadeure, Sophie  136, 150 Valenze, Deborah  17, 28, 50 Wakefield, Priscilla  248 Wayland, Francis  116 Weber, Friedrich Benedict  118 Weber, Max  4, 6, 18, 20, 95, 267 Weisz, Ferdinand B.  252 Whately, Richard  107, 113, 136, 140–144, 146, 156 Wickmann, Carl Friedrich  61–64, 67, 153 Wildermuth, Ottilie  165 Wolff, Christian  67 Wollstonecraft, Mary  51, 80, 134 Wynne, Elisabeth, Eugenia & Harriet  34 Yates, Joshua J.  225 Zelizer, Viviana A.  17, 212, 228 f. Zietz, Luise  178 f. Zille, Oswald  179