Keramische Bausysteme: in Architektur und Innenarchitektur 9783035603224, 9783035602791


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INHALT
KAPITEL 1. KERAMISCHE MATERIALSYSTEME
KAPITEL 2. GEBRANNTER TON – EIN MATERIAL MIT LANGER TRADITION
Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert
Vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart
KAPITEL 3. MATERIALIEN UND MATERIALEIGENSCHAFTEN
Ton
Tonmassen
Schwinden
Eigenschaften keramischer Bauteile
Glasuren
Weitere Oberflächenbehandlungen und - beschichtungen
KAPITEL 4. FERTIGUNGSPROZESSE
Trockenpressen
Extrusion
Slumping
Schneiden
Feuchtpressen
Schlickerguss
Drehen auf der Töpferscheibe
Über- und Einformung
Brennen und Brennöfen
Glasieren
Nachbearbeitung
Verpackung und Distribution
KAPITEL 5. ANWENDUNGEN: INNENBEREICH
Verklebte Fliesensysteme
Mechanisch montierte Fliesen
Sanitärkeramik
KAPITEL 6. ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH
Verbundfassaden mit aufgeklebten Fliesen
Hinterlüftete Fassaden
Verschattungs- und
Akustikverkleidungen
Bedachungen
Weitere Anwendungen im Außenbereich
KAPITEL 7. STOFFSTRÖME: BETRACHTUNGEN ZUM LEBENSZYKLUS
Von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion
Bau- und Nutzungsphase
Szenarien für das Ende der Nutzungsdauer
Ökobilanzierung und Materialvergleiche
KAPITEL 8. OBERFLÄCHENEFFEKTE
Einleitung
Oberflächenreliefs The Wallpaper Factory, Islington, Nord-London, Großbritannien
Farbvariationen Museum Brandhorst, München, Deutschland
Individuelle Glasuren Erweiterungsbau des Holburne Museum, Bath, Somerset, Großbritannien
Dreidimensionale Oberflächen Museum der Kulturen Basel, Schweiz
Glasuren mit Perlglanzeffekt MUCA Konzerthalle und Auditorium, Algueña, Alicante, Spanien
Abziehbildverfahren One Eagle Place, London, Großbritannien
Hochleistungsoberflächen Weststrand-Promenade, Benidorm, Spanien
Tintenstrahldruck Restaurant La Mandarra de La Ramos, Pamplona, Spanien
Nanobeschichtungen Pinnacle, Bologna, Italien
KAPITEL 9. MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN
Einleitung
Komplexe Geometrie Pulsate, Primrose Hill, London, Großbritannien
Komplexe Montage Jüdisches Gemeindezentrum, Mainz, Deutschland
Nichtrepetitive Anordnungen Zamet Center, Rijeka, Kroatien
Figurative urbane Mosaiken Muhammad Ali Center, Louisville, Kentucky, USA
Urbane Mosaiken auf gekrümmten Oberflächen Markthalle Santa Caterina, Barcelona, Spanien
Robotergestützte Mosaikherstellung Iowa State Mural, Ames, Iowa, USA
Flächen mit regelmäßigem Vieleckmuster Urban Guerrilla, Valencia, Spanien
Vorhang aus Fliesen Xinjin Zhi Museum, Chengdu, China
Dreidimensionale Systeme 3Dx1, Mailand, Italien
Selbsttragende Systeme Casalgrande Ceramic Cloud (CCCLoud), Reggio Emilia, Italien
KAPITEL 10. THERMODYNAMISCHE HÜLLEN
Einleitung
Tektonik aus wiederverwendeten Ziegeln Halle 8B, Verwaltung eines Kulturzentrums, Madrid, Spanien
Grão – Keramikpixel Jardim Botânico Tropical, Travessa do Marta Pinto, Belém/Lissabon, Portugal
Sonnenschutz in Mauerwerkoptik Student Services Building, University of Texas at Dallas, Texas, USA
Lichtmodulation Erweiterung des Israel Museum, Jerusalem, Israel
Perforierte Platte Schulbibliothek, Gando, Burkina Faso
Kühler Hohlraum Patio 2.12, Andalucía Team, Solar Decathlon Europe 2012, 2. Preis, Madrid, Spanien
Atmende Säulen Spanischer Pavillon auf der Expo 2008, Saragossa, Spanien
BIO SKIN. Sony Research and Development Office, Tokio, Japan
KAPITEL 11. STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM
Einleitung
Computergestütztes Slumping - Verfahren Villa Nurbs, Empuriabrava, Spanien
Pixelierung des Baukörpers Spanischer Pavillon, Expo 2005, Aichi, Japan
Hochrelief-Flächen aus Schlickergusselementen Villa für einen Industriellen, Shenzhen, China
Individualisierte Extrusionselemente für kleine Stückzahlen Kosemo Brick, Archie Bray Foundation, Helena, Montana, USA
Systemvariation Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg, Deutschland
Digitale Rekonstruktion Rekonstruktion der Kuppeln des Alberta Legislature Building, Edmonton, Kanada
Winkelvariation Trumpf Betriebsrestaurant, Ditzingen, Deutschland
Definierte Rauten Umgestaltung La Riera de la Salut, Sant Feliu de Llobregat, Spanien
Fertigung geschichteter Strukturen Erweiterung des Oceanário, Lissabon, Portugal
Diskretisierung von Verbundflächen Erweiterung Museum de Fundatie, Zwolle, Overijssel, Niederlande
KAPITEL 12. SYSTEME IN ENTWICKLUNG
Einleitung
Roboterverlegte Fliesenmosaiken Design Robotics Group an der Graduate School of Design der Harvard University
Integriertes Design-to-Robotic Ökosystem Design Robotics Group an der Graduate School of Design der Harvard University
Thermisch aktivierte Gebäudehüllen The Center for Architecture, Science and Ecology, Rensselaer Polytechnic Institute, und Skidmore, Owings & Merrill (SOM)
Keramik-Beton-Verbundschale Material Processes and Systems Group an der Harvard University und der Technischen Universität Graz
Fotosensitive Blueware-Fliesen Studio Glithero
Schaumkeramik European Ceramic Work Center, Joris Laarman Studio BV
Additive Keramiksysteme
Automatisierte Materialbearbeitung
PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN
Einleitung
Fertigungsanlagen für großformatige Fliesen
Großformatige Fliesen: Neolith, Techlam, Maximum
Hochfestes Porzellan: Waschtisch aus SaphirKeramik
Bioaktive Keramik: Bionictile
Im Slumping-Verfahren hergestellte Fliese: UP
Im Slumping-Verfahren hergestellte Fliese: STAR
Transluzentes Porzellan: SlimmKer-Light
Modularer Keramikofen
Berliner Ofenkacheln
Keramos-Schränke
Im Inkjet-Druck hergestellte Fliesen: Emotile
Physikalische Gasphasenabscheidung (PVD): Metallbeschichtungen
Lasergravur
Recyclingfliesen
Vormontierte Systeme: Flexbrick
Verbundsystem aus Keramik und Beton: Terraclad
Keramiklamellen-System: Shamal
Solar-Dachziegel: Panotron
Garderobe aus Keramik: Milkystar
Keramik zur Schalldämpfung: Akustikschindel
Fliese für industrielle Anwendungen: Acigres
Material-Mimikry: Age Wood, Age Beton, Age Blend
ANHANG
Über die Autoren
Namenregister
Sachregister
Sponsorenprofil
Abbildungsnachweis
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Keramische Bausysteme: in Architektur und Innenarchitektur
 9783035603224, 9783035602791

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KERAMISCHE BAUSYSTEME IN ARCHITEKTUR UND INNENARCHITEKTUR

KERAMISCHE BAUSYSTEME IN ARCHITEKTUR UND INNENARCHITEKTUR

MARTIN BECHTHOLD ANTHONY KANE NATHAN KING

BIRKHÄUSER BASEL

Verlag und Autoren danken NBK Architectural Terracotta und AGROB BUCHTAL für die freundliche Unterstützung dieser Publikation. Layout, Covergestaltung und Satz: Reinhard Steger Deborah van Mourik Proxi, Barcelona Übersetzung aus dem Englischen: Steffen Walter, Falkensee Fachredaktion der Übersetzung: Oliver Schaeffer, München Lektorat und Redaktion: Andreas Müller, Berlin Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-0356-0322-4, ISBN EPUB 978-3-0356-0335-4) sowie in einer englischen Sprachausgabe (ISBN 978-3-03821-843-2, ISBN PDF 978-3-03821-024-5, ISBN EPUB 978-3-03821-593-6) erschienen. Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2015 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei

In diesem Buch werden etwa bestehende Patente,

gebleichtem Zellstoff. TCF ∞

Gebrauchsmuster, Warenzeichen u.ä. in der Regel nicht erwähnt. Wenn ein solcher Hinweis fehlt, heißt das nicht, dass eine

Printed in Germany

Ware oder ein Warenname frei ist. Aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen genannten Materialien und Produkte war

ISBN 978-3-0356-0279-1

eine jeweilige Prüfung hinsichtlich eines eventuell vorhandenen Markenschutzes nicht möglich. Im Zuge einer einheitlichen

987654321

Handhabung wurde deshalb auf die Setzung von Warenzeichen

www.birkhauser.com

(z.B. ® oder TM) in der Regel verzichtet.

INHALT

8

KAPITEL 1

KERAMISCHE MATERIALSYSTEME

35

Brennen und Brennöfen

64

38

Glasieren

38

Nachbearbeitung

39

Verpackung und

OBERFLÄCHEN­ EFFEKTE

Distribution 12

KAPITEL 2

GEBRANNTER TON – EIN MATERIAL MIT LANGER TRADITION 12 16

40

64

Einleitung

66

Oberflächenreliefs The Wallpaper Factory, Islington,

KAPITEL 5

ANWENDUNGEN: INNENBEREICH

Nord-London, Großbritannien 68

München, Deutschland

Von den Anfängen bis ins

40

Verklebte Fliesensysteme

19. Jahrhundert

43

Mechanisch montierte Fliesen

Erweiterungsbau des

Vom 20. Jahrhundert bis in

44

Sanitärkeramik

Holburne Museum,

70

46

KAPITEL 3

MATERIALIEN UND MATERIAL­ EIGENSCHAFTEN 18

Ton

19

Tonmassen

21

Schwinden

22

Eigenschaften keramischer Bauteile

22

Glasuren

25

Weitere Oberflächenbehandlungen

KAPITEL 6

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH 46

Schweiz 74

50

Hinterlüftete Fassaden

52

Verschattungs- und Sichtschutzelemente

53

Akustikverkleidungen

54

Bedachungen

55

Weitere Anwendungen im Außenbereich

Auditorium, Algueña, Alicante, Spanien 78

28

Trockenpressen

29

Extrusion

KAPITEL 7

STOFFSTRÖME: BETRACHTUNGEN ZUM LEBENSZYKLUS 58

Großbritannien 80

Hochleistungsoberflächen Weststrand-Promenade, Benidorm, Spanien

82

Tintenstrahldruck Restaurant La Mandarra Pamplona, Spanien

84

Nanobeschichtungen Pinnacle, Bologna, Italien

Von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion

Slumping

59

Bau- und Nutzungsphase

32

Schneiden

60

Szenarien für das Ende der

32

Feuchtpressen

33

Schlickerguss

35

Drehen auf der Töpferscheibe

35

Über- und Einformung

31

Abziehbildverfahren One Eagle Place, London,

de La Ramos, 56

FERTIGUNGS­ PROZESSE

Glasuren mit Perlglanzeffekt MUCA Konzerthalle und

Verbundfassaden mit aufgeklebten Fliesen

Dreidimensionale Oberflächen Museum der Kulturen Basel,

und -beschichtungen

KAPITEL 4

Individuelle Glasuren

Bath, Somerset, Großbritannien 72

26

Farbvariationen Museum Brandhorst,

die Gegenwart

18

KAPITEL 8

Nutzungsdauer 62

Ökobilanzierung und Materialvergleiche

5

86

KAPITEL 9

118

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

KAPITEL 10

THERMO ‑ DYNAMISCHE HÜLLEN

148

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

86

Einleitung

118

Einleitung

148

88

Komplexe Geometrie

120

Tektonik aus wiederverwendeten

150

90

98

100

Verfahren

London, Großbritannien

Halle 8B, Verwaltung eines

Villa Nurbs, Empuriabrava,

Komplexe Montage

Kulturzentrums, Madrid, Spanien 124

Jardim Botânico Tropical,

Nichtrepetitive Anordnungen

Travessa do Marta Pinto,

Zamet Center, Rijeka, Kroatien

Belém/Lissabon, Portugal

Figurative urbane Mosaiken

Spanien 154

Pixelierung des Baukörpers Spanischer Pavillon, Expo 2005, Aichi, Japan

158

Hochrelief-Flächen aus

Sonnenschutz in Mauerwerkoptik

Schlickergusselementen

Muhammad Ali Center,

Student Services Building,

Villa für einen Industriellen,

Louisville, Kentucky, USA

University of Texas at Dallas,

Urbane Mosaiken auf

Texas, USA

126

130

Barcelona, Spanien Robotergestützte

134

Shenzhen, China 162

Individualisierte Extrusions-

Lichtmodulation

elemente für kleine Stückzahlen

Erweiterung des Israel Museum,

Kosemo Brick, Archie Bray

Jerusalem, Israel

Foundation, Helena, Montana, USA

Perforierte Platte

Mosaikherstellung

Schulbibliothek, Gando,

Iowa State Mural,

Burkina Faso

Behörde für Stadtentwicklung

Kühler Hohlraum

und Umwelt,

Ames, Iowa, USA

108

Grão – Keramikpixel

Mainz, Deutschland

Markthalle Santa Caterina,

106

Computergestütztes Slumping-

Ziegeln

gekrümmten Oberflächen

104

Einleitung

Pulsate, Primrose Hill,

Jüdisches Gemeindezentrum, 94

KAPITEL 11

136

166

Systemvariation

Hamburg, Deutschland

Flächen mit regelmäßigem

Patio 2.12, Andalucía Team, Solar

Vieleckmuster

Decathlon Europe 2012, 2. Preis,

Urban Guerrilla, Valencia, Spanien

Madrid, Spanien

Rekonstruktion der Kuppeln des

Atmende Säulen

Alberta Legislature Building,

Vorhang aus Fliesen

140

Xinjin Zhi Museum,

Spanischer Pavillon auf der Expo

Chengdu, China

2008, Saragossa, Spanien

112

Dreidimensionale Systeme 3Dx1, Mailand, Italien

Sony Research and Development

114

Selbsttragende Systeme

Office, Tokio, Japan

144

170

Digitale Rekonstruktion

Edmonton, Kanada 172

BIO SKIN

Winkelvariation Trumpf Betriebsrestaurant, Ditzingen, Deutschland

176

Definierte Rauten

Casalgrande Ceramic Cloud

Umgestaltung La Riera de la Salut,

(CCCLoud), Reggio Emilia, Italien

Sant Feliu de Llobregat, Spanien 180

Fertigung geschichteter Strukturen Erweiterung des Oceanário, Lissabon, Portugal

184

Diskretisierung von Verbundflächen Erweiterung Museum de Fundatie, Zwolle, Overijssel, Niederlande

6

188

KAPITEL 12

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN

ANHANG

188

Einleitung

206

Einleitung

218

Über die Autoren

190

Roboterverlegte Fliesenmosaiken

207

Fertigungsanlagen für

219

Namenregister

großformatige Fliesen

221

Sachregister

Großformatige Fliesen:

223

Sponsorenprofil

Neolith, Techlam, Maximum

224

Abbildungsnachweis

Design Robotics Group an der Graduate School of Design der

207

Harvard University 192

Integriertes Design-to-Robotic

208

Ökosystem

Waschtisch aus SaphirKeramik

Design Robotics Group an der

208

Bioaktive Keramik: Bionictile

Graduate School of Design der

209

Im Slumping-Verfahren

209

Im Slumping-Verfahren

Harvard University 194

Thermisch aktivierte

hergestellte Fliese: UP

Gebäudehüllen The Center for Architecture,

hergestellte Fliese: STAR 210

Science and Ecology, Rensselaer

196

Polytechnic Institute, und

210

Modularer Keramikofen

Skidmore, Owings & Merrill (SOM)

211

Berliner Ofenkacheln

Keramik-Beton-Verbundschale

211

Keramos-Schränke

Material Processes and Systems

211

Im Inkjet-Druck hergestellte

und der Technischen Universität

Fliesen: Emotile 212

Graz

200

Transluzentes Porzellan: SlimmKer-Light

Group an der Harvard University

198

Hochfestes Porzellan:

Physikalische Gasphasenabscheidung (PVD):

Fotosensitive Blueware-Fliesen

Metallbeschichtungen

Studio Glithero

213

Lasergravur

Schaumkeramik

213

Recyclingfliesen

European Ceramic Work Center,

213

Vormontierte Systeme: Flexbrick

Joris Laarman Studio BV

214

Verbundsystem aus Keramik und

202

Additive Keramiksysteme

Beton: Terraclad

204

Automatisierte

214

Keramiklamellen-System: Shamal

Materialbearbeitung

215

Solar-Dachziegel: Panotron

215

Garderobe aus Keramik: Milkystar

216

Keramik zur Schalldämpfung:

216

Fliese für industrielle

216

Material-Mimikry: Age Wood,

Akustikschindel Anwendungen: Acigres Age Beton, Age Blend

7

KAPITEL 1

KERAMISCHE MATERIALSYSTEME Die vergangenen Jahrzehnte waren durch eine Wiederentdeckung der Architekturkeramik gekennzeichnet – Materialsysteme, die über lange Zeiträume lediglich als pragmatische Lösungen zur Oberflächengestaltung von Gebäuden dienten, nun jedoch eigenständige Bedeutung als multifunktionale, hochästhetische Außenhaut im Hoch-, Garten- und Landschafts- sowie Städtebau gewinnen. Ermöglicht und beschleunigt wird diese Renaissance durch jüngste Fortschritte in der Werkstoffwissenschaft und Befestigungstechnik, bei industriellen Fertigungsverfahren, Nachweisen zur Bemessung und digitalen Fertigungsabläufen sowie in der Robotertechnik. Die heute verwendeten, präzise abgestimmten Tonmischungen lassen sich unter Einsatz computergesteuerter Brennöfen so anpassen, dass das Werkstoffverhalten genau den jeweiligen Anforderungen entspricht. Wenig flexible Systeme der industriellen Massenfertigung werden durch Hersteller ergänzt, die bei der Entwicklung individueller Lösungen für Gebäude eng mit Architekten zusammenarbeiten. Projektspezifische Planungen mit keramischen Bauteilen werden zunehmend durch digitale Werkzeuge gestützt, die den gesamten Lebenszyklus des Materials von der Fertigung bis zur teilweise robotischen Montage erfassen. Auch die Glasurtechnologie gehört dabei stets zu den zukunftsweisendsten Aspekten von Keramikelementen, und diese Tradition setzt sich mit modernen Errungenschaften wie Glasuren mit selbstreinigender oder schadstoffreduzierender Wirkung fort. Die genannten Entwicklungen bieten Architekten und Planern heute neue Chancen, ästhetisch ansprechende keramische Materialsysteme zu entwerfen, die sowohl konstruktiv als auch in Bezug auf die Umwelt eine aktive Funktion übernehmen und weit über die allgegenwärtige Fliese als Lösung für wasserbeständige, langlebige Oberflächen hinausgehen. Keramische Materialsysteme umfassen das gesamte „Ökosystem“ von der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung über die Produktion und Montage von Elementen bis hin zu ihrer letztlichen Wiederverwendung oder ihrem Recycling. Die Architekturkeramik spielte lange nur eine untergeordnete Rolle, präsentiert sich aber heute zunehmend in der modernen Bauund Entwurfskultur (1). Das vorliegende Buch gibt den Stand der Technik auf diesem sich rasch weiterentwickelnden Gebiet wieder. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von Grundlagen für die Entwicklung projektspezifischer Lösungen, bei denen häufig maßgeschneiderte keramische Bauteile zum Einsatz kommen. Dieser Ansatz erfordert einerseits umfassendes Hintergrundwissen zu den Materialien und den damit verbundenen Technologien und andererseits Anregungen durch herausragende Projekte mit keramischen Materialsystemen. Das Buch zeigt zudem die vielversprechendsten Forschungen und Entwicklungen auf, die das künftige Arbeiten mit keramischen Bauteilen und den damit verbundenen Prozessen mit großer Wahrscheinlichkeit bestimmen werden. Die meisten Laien – und selbst viele Fachplaner – setzen den Begriff der „Keramik“ gleich mit der allgegenwärtigen Fliese, die – mit Mörtel oder Kleber fixiert und mit Dichtungsfugen versiegelt – Oberflächen in Nasszonen seit langem dominiert. Tatsächlich trifft diese Beschreibung auf die große Mehrzahl der Keramikanwendungen zu, die auch heute noch die bestehenden Anforderungen sehr gut erfüllen. Glasierte oder unglasierte keramische Oberflächen sind dauerhaft, feuchtigkeitsbeständig und nicht brennbar. Der geradezu unglaubliche Variantenreichtum an Verlegemustern und Glasurfarben ist Ausdruck unseres vielschichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Erbes (2). Die Verklebung von Fliesen auf biegesteifen Flächen schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten jedoch unnötig ein. Zahlreiche technische Fortschritte der vergangenen Jahre haben zur Entwicklung wesentlich größerer, äußerst schlanker, sogar tragfähiger keramischer Bauteile geführt. In Verbindung mit mecha-

nischen Befestigungsmitteln lassen sich damit keramische Verkleidungen planen, die sich von der strikten Orientierung an der Geometrie tragender Flächen (Wand, Dach etc.) lösen. Diese Systeme bestehen aus Keramikelementen, die in einer eigenen Schicht angeordnet sind und mit ihrem Umfeld auf neue, performative Weise interagieren. Mit solchen Elementen lässt sich heute die Übertragung von Feuchtigkeit, Wärme oder Schall gezielt steuern. Zudem dienen sie der Pufferung und Modulation des Tageslichteinfalls. Moderne Architekturkeramik bildet stark konturierte Oberflächen, die neuartige Ausdrucksformen ermöglichen. Keramische Oberflächen schaffen multifunktionale physische Grenzzonen, die sowohl in Gebäuden als auch im städtebaulichen Kontext zu einer Bereicherung und Steigerung der Lebensqualität führen (3). 1

2 Komplexe Fliesenmuster in einer Moschee in St. Petersburg, Russland.

3 Die Keramikfassade des Sony-Gebäudes im japanischen Osaka wurde von Nikken Sekkei entworfen. Das Prinzip der Verdunstungskühlung dient der Steigerung des Nutzerkomforts und gleichzeitigen Steuerung des Mikroklimas im Umfeld des Gebäudes.

Entworfen von Sauerbruch Hutton, bietet das Gebäude der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg eine vielfarbige, hinterlüftete Fassade mit ebenen und einfach gewölbten Elementen.

Aus Sicht der Werkstoffwissenschaft sind keramische Materialien Oxide mit besonderen molekularen Bindungseigenschaften. Dazu gehören unter anderem zementgebundene Werkstoffe, Glas, tonbasierte Materialien sowie die sogenannte technische Keramik aus Tonerde, Bor, Grafit, Silizium und anderen Stoffen. Das vorliegende Buch behandelt glasierte und unglasierte, tonbasierte keramische Materialien, insbesondere solche, die relativ dünn sind und bei hohen Temperaturen gebrannt werden, um Erzeugnisse mit hoher Härte und Dauerhaftigkeit herzustellen. Typische Beispiele hierfür sind ein- und mehrschichtige Keramiktafeln für Verkleidungen, keramische Formsteine für Bedachungen, Wand- und Bodenfliesen sowie die große Zahl von Sonderbauteilen. Mauerziegel und Ziegelprodukte werden zwar aus ähnlichen Tonmaterialien hergestellt, sind hier jedoch nicht erfasst; stattdessen wird auf die große Zahl einschlägiger Quellen verwiesen.1

9

Keramische Elemente – also die aus gebranntem Ton bestehenden und häufig mit einer Glasur oder anderen Beschichtung versehenen Grundformen – bilden in Verbindung mit Klebern oder mechanischer Befestigungstechnik, Mörteln und Dichtungsmitteln sowie den Unterkonstruktionen funktional komplexe Konstruktionssysteme. Die Betrachtung als Materialsystem lenkt den Blick zudem durch Analysen und Forschungen zu maßgeblichen Fertigungsprozessen, die Abbildung der entsprechenden Liefer- und Distributionsnetzwerke sowie die Untersuchung der Ressourcenströme über den gesamten Lebenszyklus. Für den Planer ist ein grundlegendes Verständnis moderner Herstellungsverfahren essenziell, wenn er über den bloßen Kauf eines Massenprodukts hinausdenken will. Diese Verfahren bestimmen in hohem Maß die Eigenschaften des fertigen Erzeugnisses. Die industrielle Massenfertigung toleriert keine Abweichungen, während handwerkliche Verfahren größeren Spielraum bieten. Bei Wand- und Bodenfliesen werden interessanterweise beide Verfahren angewandt. Dabei zeichnen sich handgeformte Fliesen durch sichtbare Abweichungen in Farbe und Form aus, die von vielen Anwendern sehr geschätzt werden. Daher besteht hierfür auch weiterhin ein kleiner, aber nennenswerter Markt (4). Industriell hergestellte Erzeugnisse sehen in Farbe und Form gleichförmig aus – es sei denn, sie wurden bewusst nachbearbeitet, um die Anmutung einer handgefertigten Fliese zu vermitteln. Die hochautomatisierten Produktionsanlagen schließen die Herstellung maßgeschneiderter Fliesen (für Dach, Wand oder Boden) für ein einzelnes Projekt praktisch aus (5). Nicht nur die Massenhersteller, sondern auch Unternehmen, die Fliesen manuell fertigen, stehen nur selten in direktem Kontakt mit Architekten, die projektspezifische Lösungen anstreben. Fliesen werden in der Regel im Fachhandel abgesetzt, der seine Produkte wiederum von Distributoren erhält. Daher sind die Planer weit entfernt von den eigentlichen Produktionsstätten und dem damit verbundenen Know-how. 4

Handformung von Fliesen in der Firma Ceràmica Elias bei Barcelona in Spanien. Nach der Formgebung und Trocknung werden die handgefertigten Fliesen in computergesteuerten Öfen gebrannt, die auch der Großserienfertigung von Fliesen im selben Werk dienen.

5 Hochautomatisierte Massenfertigung von Bodenfliesen im Trockenpressverfahren bei Porcelanosa in Castellón, Spanien. Auf der hier gezeigten industriellen Produktionsanlage lassen sich mehrere Tausend Fliesen pro Stunde herstellen.

KERAMISCHE MATERIALSYSTEME

Bei Herstellern, die sich auf Fassadenelemente konzentrieren, ist die Situation etwas anders: Ihre Produkte stellen tendenziell die größten und tragfähigsten am Markt verfüg­ baren keramischen Elemente dar. Hier dominieren industrielle Fertigungsprozesse, doch hat die notwendige Anpassung an das jeweilige Projekt zur Entwicklung einer Branche geführt, in der mittelständische Hersteller auf eine enge Kooperation mit Architekten, Ingenieuren und Fassadenberatern setzen. Der Leistungsumfang umfasst üblicherweise auch geeignete Unterkonstruktionen für die Befestigung, deren Herstellung jedoch meist extern vergeben wird. Dieses Vorgehen stellt den Mittelweg zwischen handwerklichen Verfahren mit manu­ eller Formgebung und industrieller Massenfertigung dar und verbindet die Vorteile beider Ansätze. Projektspezifische Keramiksysteme ermöglichen – mit vergleichsweise einfachen Mitteln – die Verwendung dreidimensionaler Elemente mit einzigartigen Ausdrucksformen und Leistungsmerkmalen. Die Kosten hinterlüfteter Keramikfassaden liegen etwa auf dem Niveau von entsprechenden Natursteinfassaden. Dazu kommt aber der Vorteil des größeren Entwurfsspielraums und der Anpassung von Form und Funktion der Bauteile an die jeweiligen Anforderungen. Die derzeitige Rückbesinnung auf keramische Materialsysteme ist vor allem auf die damit verbundene größere Entwurfsfreiheit zurückzuführen. So können Architekten auf einer langen Bautra­ dition aufbauen und dabei gleichzeitig zukunftsfähige, konzeptionell und architektonisch anspruchsvolle Entwürfe realisieren (6). 6 Von Picharchitects entworfener Erweiterungsbau der Schule der Theresianerinnen von Antoni Gaudí in Barcelona mit einer Fas­ sade aus extrudierten keramischen Hohlkörpern. Das sogenannte Flexbrick­System besteht aus kera­ mischen Elementen, die auf einem dünnen Drahtgeflecht befestigt sind. So entsteht eine semitransparente Struktur, die das Licht filtert und Sichtschutz bietet.

Nach dieser Einleitung eröffnet Kapitel 2 die Perspektive auf die evolutionäre Entwicklung der keramischen Materialsysteme. Die darauf folgenden Kapitel 3 und 4 stellen die Material­ eigenschaften und Fertigungsprozesse dar, die der Herstellung keramischer Elemente für die Anwendung am Bau dienen. Kapitel 5 und 6 vermitteln einen Überblick über verbreitete Anwendungen – von aufgeklebten Oberflächenstrukturen in Innenräumen über Verbund­ und hinterlüftete Fassaden bis hin zu Sonnenschutzelementen und Akustikverkleidungen. Kapitel 7 konzentriert sich auf den Entwurf für den gesamten Lebenszyklus und untersucht den Ressourcenverbrauch sowie die damit verbundenen umweltbezogenen Fragestellungen. In den Kapiteln 8 bis 12 werden nach orientierenden Einleitungen Fallstudien mit den aus Autorensicht interessantesten, zukunftsträchtigsten und inspirierendsten Anwendungen dargestellt. Diese folgen einer thematischen Gliederung, die sich an den einzigartigen Einsatz­ möglichkeiten der Keramik orientiert: Oberflächeneffekte und ­muster, thermodynamische Hüllen, Strategien für Individualisierung sowie aufkommende neue Technologien. Im letzten Kapitel über Produkte und Technologien werden ausgewählte aktuelle Erzeug­ nisse einiger Hersteller vorgestellt, um dem Leser Einblicke in neueste Produkttrends zu verschaffen, die architektonisch anspruchsvolle Entwurfsaufgaben durch keramische Materialsysteme ergänzen.

11

ANMERKUNG 1 Siehe z. B. Pfeifer, G. u. a., Mauerwerk Atlas. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser; München: Edition Detail, 2001.

KAPITEL 2

GEBRANNTER TON – EIN MATERIAL MIT LANGER TRADITION Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert Die Geschichte der Menschheit und der über Zehntausende von Jahren zurückreichenden Zivilisationen ist untrennbar mit dem Brennen von Ton und seiner Umwandlung in ein natursteinartiges, langlebiges Material verbunden: die Keramik. Aus diesem harten, wasserbeständigen Werkstoff wurden Gefäße, Öfen, Musikinstrumente und schließlich Fliesen und Sanitärkeramik sowie viele weitere Erzeugnisse hergestellt. Der Begriff der „Keramik“ 1

hat seine Ursprünge im griechischen Wort kerameikos oder keramos, welches das Produkt des Töpferhandwerks bezeichnet.1 Doch schon lange vor der Erzeugung von Geschirr oder Küchenutensilien verwendeten Menschen Keramik zur Herstellung von Figurinen und Skulpturen für Zeremonien und Rituale.2 Die bisher älteste aufgefundene Tonfigur stammt aus einer Steinzeitsiedlung, die in den 1920er Jahren bei Ausgrabungen in der Tschechoslowakei entdeckt wurde. Archäologen schätzen das Alter dieser kleinen Frauenfigur auf 25.000 bis 29.000 Jahre (1). Am selben Ort fanden sich Fragmente eines intelligent konstruierten Brennofens – eine der ersten Keramikproduktionen (wenn nicht überhaupt die erste), die über viele weitere Schritte zu den heutigen vollautomatisierten Produktionsanlagen führte.3 Im Gegensatz zu Materialien, die im Wesentlichen unverändert aus der Natur entnommen und für bestimmte Zwecke bearbeitet wurden (zum Beispiel Holz oder Stein), wird Keramik als erster vom Menschen erdachter und hergestellter Werkstoff betrachtet. Die Jäger und

Die Venus von Dolní Vě stonice ist eine der frühesten keramischen Figurinen, deren Alter auf 25.000 bis 29.000 Jahre geschätzt werden kann. Sie wurde 1925 in Mähren in der Tschechoslowakei gefunden. Mit Hilfe des auf der Oberfläche sichtbaren Fingerabdrucks ließ sich die Handhabung des frisch geformten Gegenstandes durch ein Kind im Alter zwischen sieben und 14 Jahren feststellen.

Sammler der Jungsteinzeit benutzten bereits sporadisch Gegenstände aus gebranntem Ton, Nachweise einer weiteren Verbreitung der Keramik finden sich dann mit der aufkommenden Sesshaftigkeit des Menschen. Durch den Brennvorgang änderte sich die Stoffzusammensetzung auf Partikelebene, da Ton, Sand und andere Ausgangsstoffe unter intensiver Wärmeeinwirkung gesintert und dauerhaft miteinander verbunden wurden. In diesem Prozess kam es zu einer weitreichenden Änderung der Materialeigenschaften, so dass ein härterer, langlebigerer und wasserbeständiger Werkstoff entstand. Dieses vom Menschen hergestellte Material verfügte über natursteinähnliche Eigenschaften, ließ sich jedoch im weichen Zustand wesentlich leichter formen. Bis zum heutigen Tag begründet diese einfache Formbarkeit die Attraktivität keramischer Materialien. Die ersten Techniken der Handformung wurden ergänzt und schließlich ersetzt durch eine der ersten jemals erfundenen Maschinen: die Töpferscheibe. Diese hocheffektive Vorrichtung entstand vermutlich um das Jahr 3500 v. Chr. im Mittleren Osten und in China und hat sich im Grunde bis heute kaum verändert. Ihre weite Verbreitung beruht auf der Verbindung der regelmäßigen, vorhersehbaren Rotationsbewegung mit einer direkten Formgebung per Hand – ein intelligentes Verfahren zur Senkung der Herstellungskosten von repetitiven und individuell gefertigten Töpferwaren, ohne dass es teurer Formen oder Schablonen bedarf. Trotz der enormen Bandbreite an möglichen Formen können damit jedoch nur axialsymmetrische Elemente gefertigt werden. Der Wunsch nach einer dekorativen Gestaltung keramischer Gegenstände und Erweiterung des Designs ist im Grunde so alt wie die Herstellung von Keramik selbst. Auf in der Frühphase hergestellten Töpferwaren finden sich häufig Nachbildungen von Strukturen, wie sie bei

anderen Herstellungstechniken entstanden, beispielsweise dem Flechten von Reet oder Holz. Die Farbgebung kam vermutlich erstmals durch Ascheanflug während des Brennens ins Spiel, durch dunkle Verfärbungen der keramischen Masse aufgrund des Brennvorgangs in einer oxidierenden oder reduzierenden Atmosphäre. So reagiert beim Brennen von rotem Steinzeug das im Ton enthaltene Eisen mit dem Luftsauerstoff und färbt die Keramik hellrot. Derselbe Gegenstand wird schwarz, wenn die sekundäre Luftzufuhr gesenkt wird. In den frühen ägyptischen und chinesischen Kulturen wurde diese Zufallsentdeckung genutzt, um einige der frühesten bekannten Keramikgefäße der Welt zu veredeln, darunter die etwa auf das Jahr 500 v. Chr. zurückgehende schwarze und rote Keramik der griechischen Antike. Doch nicht nur die keramische Masse selbst wurde bearbeitet: Handwerker nutzten darüber hinaus Glasuren, also dünne Beschichtungen auf Glasbasis. Diese bestehen aus einem Glasbildner (Quarz), einem Flussmittel für die Herstellung der Quarzschmelze und einem feuerfesten Element, das ihnen Dauerhaftigkeit verleiht. Zuerst wurden solche Gegenstände im alten Ägypten und Mesopotamien verwendet. In der Stufenpyramide von Sakkara (2667–2648 v. Chr.), die für den Pharao Djoser errichtet wurde, wurden Kupferoxide enthaltende Glasuren eingesetzt, um damit Tausende kleiner, blau-grüner Fliesen herzustellen, deren Oberfläche den Edelsteinen Türkis und Lapislazuli nachempfunden war und die der Ausschmückung der Grabkammer diente (2). Zudem kamen Salzglasuren zum Einsatz: Dabei migriert das in der Tonmasse enthaltene Salz an die Oberfläche und reagiert dort mit dem Quarz. Später wurde für die Glasuren häufig pulverisiertes Glas verwendet, und verschiedene Metalloxide ermöglichten die Herstellung einer breiten Palette von Farben. Seitdem dienen Glasuren auch der Nachbildung anderer, edlerer Materialien. Glasuren verlängern auch die Lebensdauer keramischer Elemente, indem sie Feuchtigkeit vom häufig porösen keramischen Material fernhalten. 2 Frühe, blau glasierte Keramikfliese zur Dekoration der Grabkammer in der Djoser-Pyramide im ägyptischen Sakkara. Die Fliese misst 36 x 60 mm und ist 13 mm dick. Für den Bau der Pyramide wurden rund 36.000 Fliesen geformt. Auf ihrer Rückseite findet sich ein Vorsprung zur Fixierung auf einem feuchten Putzuntergrund. Durch die Öffnung konnte ein Draht zur mechanischen Sicherung der Fliese an der Wand geführt werden – der heutigen Technik sehr ähnlich.

Schwerpunkte der Keramikherstellung entstanden in der Regel in unmittelbarer Nähe einfach abbaubarer Tonvorkommen. Zudem benötigte man günstige Energiequellen – zunächst Holz oder Dung, nachfolgend Kohle und Erdgas sowie Strom. Viele industrielle Hersteller nutzen noch immer diese angestammten Standorte. In vielen Teilen der Welt wurden ganze Landschaften durch die Tongewinnung überformt, jedoch halten sich die Auswirkungen auf die Umwelt im Vergleich zum Übertageabbau von Kohle oder anderen mineralischen Rohstoffen in Grenzen. Die frühesten keramischen Gegenstände wurden über dem offenen Feuer gebrannt; daraus entstanden Endprodukte mit rauer Oberfläche. Wind und Regen konnten zu plötzlichen Schwankungen der Brenntemperatur führen – und damit mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer hohen Ausschussquote bei der Herstellung. Der Brennstoffverbrauch war hoch, der Prozess nur sehr bedingt steuerbar und gefährlich. Mit der Entwicklung geschlossener Öfen ließ sich die Effizienz steigern, und in langsameren, wirksamer kontrollierten Brennabläufen konnten qualitativ hochwertigere und feinere Erzeugnisse und Glasuren hergestellt werden. Ebenso wie die Stoffzusammensetzung entwickelten sich also auch die Brennabläufe beständig weiter: als ein zweiter Weg für den Keramiker – eigentlich bereits der erste Werkstoffdesigner –, erwünschte Materialeigenschaften herzustellen. Frühe Brennöfen

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waren Katalysatoren der Innovation. Etwa im Jahr 3500 v. Chr. wurden erstmals Öfen eingesetzt, deren Temperaturen hoch genug für die Reduktion der Mineralien Azurit und Malachit zu Kupfer waren. Diese Entdeckung bereitete den Weg für Legierungen aus Zinn und Kupfer zur Herstellung von Bronze – und leitete somit die Bronzezeit ein. Die Öfen der Frühzeit waren möglicherweise (teilweise) in den Boden versenkt oder wurden als selbsttragende, kuppelartige Konstruktionen errichtet. Mit der Entwicklung von Brennöfen mit durchziehender Flamme wurde das verfügbare Innenvolumen erhöht und die Wärmeverteilung effektiver steuerbar. Diese Öfen mussten jedoch vor der Beschickung und der Entnahme der Fertigerzeugnisse abkühlen. Dies führte zu einer Unterbrechung des Fertigungszyklus. Von entscheidender Bedeutung waren die richtigen Brenntemperaturen, und im Zuge der aufkommenden industriellen Verfahren suchte man intensiv nach möglichst kontinuierlichen Fertigungszyklen. Bestes Beispiel für das Prinzip der kontinuierlichen Produktion sind die modernen, computergesteuerten Tunnelöfen – horizontale Kammern mit im gesamten Raum gleichmäßig verteilten Wärmequellen. Dabei wird der Ofen mit Tonrohlingen beschickt, die mehrere Temperaturzonen durchlaufen und am anderen Ende als erwärmte Keramikerzeugnisse den Ofen verlassen. Die für Töpferwaren entwickelten Verfahren ließen sich relativ einfach auf Elemente für den Hochbau übertragen. Schon lange hatte man im Nahen Osten in der Sonne getrockneten Ton für Putze und Ziegel verwendet.4 Gebrannte Keramikfliesen wurden höchstwahrscheinlich zuerst im alten Ägypten entwickelt, wie durch die bereits erwähnten Fliesen für die Djoser-Pyramide nachgewiesen. Ein weiteres frühes Beispiel sind die um 3300 v. Chr. in der sumerischen Stadt Uruk verbauten kachelartigen Kegel. Diese Keramikkegel wurden wie Nägel in eine Schlämme hineingetrieben und dienten als Schutzschicht. Sie wurden mit einem Anstrich versehen und in geometrischen Mustern angeordnet, die den späteren Fliesenmosaiken ähnelten. Die nachfolgenden Kulturen der Assyrer und Babylonier verwendeten glasierte Kacheln in unterschiedlichen Farbtönen. Gebaute Beispiele, die Ziegel mit Kacheln kombinieren, sind weltbekannt und bedienten sich erstmals dreidimensionaler Reliefs. Das Ischtar-Tor von Babylon (etwa 580 v. Chr.)5 ist ein herausragendes Beispiel für Glasuren, wobei die Elemente ein eher Ziegeln gleichendes Format aufwiesen. Der Errichtung der 60 Löwenreliefs aus zahlreichen vertikalen Schichten glasierter Teile muss ein sorgfältiger Planungsprozess vorausgegangen sein. Angenommen wird, dass zur Herstellung identischer vorgefertigter Elemente für die Löwen Formen verwendet wurden. Somit findet sich hier eines der ersten Beispiele für die Vorfertigung mittels indirekter (Guß- oder Schalungsformen nutzender) Techniken (3). Die Kulturen Chinas haben einen großen Beitrag zur Fortentwicklung der Keramiktechnologie und ihrer Anwendungen geleistet – von Töpferwaren bis zu opulent geformten Dachziegeln und Figurinen. Etwa im Jahr 2500 v. Chr. erfanden chinesische Töpfer das Porzellan, eine besondere Kaolinmischung, die bei höheren Temperaturen versintert, um ein glasiertes Material mit größerer Härte und Dauerhaftigkeit sowie geringerer Wasseraufnahme herzustellen. Die langandauernde Führungsrolle Chinas findet sich in der Bezeichnung eines der wichtigsten Ausgangsstoffe als „Kaolinit“ wieder, zurückgehend auf die chinesische Bergstadt Gao-ling. Im Lauf der Jahrhunderte entstand ein immer größerer Wissens- und Erfahrungsschatz. Aus Holz errichtete griechische Tempel waren mit Terracottafriesen und Säulenbekleidungen verziert, um den Eindruck größerer Massivität zu vermitteln, wie er für Naturstein kennzeichnend ist. Diese dekorativen Elemente wurden zur Angleichung an andere Materialien bemalt. Dabei entstanden aus manuellen Techniken Verfahren der vorindustriellen Serienfertigung. Römische Ingenieure errichteten effiziente Produktionsstätten zur seriellen Herstellung von Dachziegeln, Wand- und Bodenfliesen (4). Dachziegel aus Keramik ermöglichten die Fertigung dauerhafter Bedachungsmaterialien. Darüber hinaus integrierten die Römer große Keramik-Hohlkörper in ihre Betonkuppeln, erzielten so Materialeinsparungen und verrin-

GEBRANNTER TON – EIN MATERIAL MIT L ANGER TRADITION

3

4 Wieder aufgebautes Ischtar-Tor von Babylon im Pergamonmuseum in Berlin. Glasierte Relieffliesen wurden vermutlich als Kleinserie für die Nachbildung der Löwenreliefs geformt.

Rekonstruierte römische Dachziegel in einem Archäologiepark in Xanten. Die Dachziegel wurden in Serienfertigung hergestellt und in einem Dickschicht-Mörtelbett fixiert. Ähnliche Hohldachziegel-Ausführungen werden auch heute noch eingesetzt.

5 Reich verzierte Dachelemente im Chien-Nien-Stil am Longshan-Tempel in Taipei, Taiwan. Schmuckelemente dieser Art waren traditionell Tempeln und Palästen vorbehalten. Die Figuren sind Ausdruck der Autorität und sollen Schutz vor bösen Geistern bieten.

gerten das Eigengewicht der Konstruktionen. Jetzt konnten auch umfänglichere Bauteile

6

in größeren Produktionsstätten hergestellt werden. Nach dem Niedergang des Römischen

Die 1911 in den USA gegründete Natio-

Reiches gerieten diese Errungenschaften in Europa größtenteils in Vergessenheit. Vom Mit- nal Terra Cotta Society gab Stantelalter bis zur industriellen Revolution erzielte man nur geringe Fortschritte. Im Zeitraum von etwa 750 bis 1300 n. Chr. finden sich vor allem in der islamischen Architektur einige herausragende Beispiele für keramische Mosaiken. Es wurden komplexe architektonische Formen realisiert, darunter doppelt gekrümmte Kuppeln und Mihrabs (halbkreisförmige Nischen) – häufig verziert mit Hunderten Muqarnas (stalaktitenartige Schmuckelemente) –, die mit glasierten keramischen Mosaiken versehen wurden. In der chinesischen Architektur werden glasierte, verzierte Dachziegel seit Jahrhunderten verwendet. Im 17. Jahrhundert kamen dann Figuren hinzu, eine Tradition, die sich auch heute noch vielfach in mehrmals wiederaufgebauten Tempeln findet (5). In der Renaissance fanden keramische Ornamente und Figuren an Gebäuden Verwendung; ihre eigentliche Materialität fand jedoch meist keine Würdigung, da ein natursteinähnliches Erscheinungsbild bevorzugt wurde. Ab etwa 1840 wurden keramische Elemente für Fassaden – unter der Bezeichnung terra cotta (italienisch für „gebackene Erde oder Ton“) – erneut zu einem wichtigen, kostengünstigen Gestaltungselement, das einen hohen Grad an Verzierung ermöglichte, wenn behauener Naturstein nicht verfügbar oder zu teuer war. Terracotta fungierte auch als Brandschutz für die Eisen- und Stahlkonstruktionen des 19. Jahrhunderts. Beim verheerenden Großbrand in Chicago im Jahr 1871 blieben viele mit Terracotta verkleidete Gebäude erhalten. Zu dieser Zeit angewandte Herstellungsverfahren stützten sich auf Werkszeichnungen in Originalgröße, wobei in den Bemaßungen das Schwinden berücksichtigt war. Feuchter Ton wurde per Hand in Gipsformen gepresst und dann für die Glasur und den Brennvorgang entnommen, sobald er einen ausreichenden Trocknungsgrad erreicht hatte (lederharter oder lufttrockener Zustand). Im Zuge der im 19. Jahrhundert einsetzenden Planung von Hochhäusern in den USA wurden diese Bauteile zu einem unverzichtbaren Bestandteil (6) und förderten die Entwicklung der modernen Vorhangfassaden mit ihren dünnen, leichten Verkleidungen. Beispielhaft für diesen Zeitraum stehen das Werk von Louis Sullivan und die von der Firma Adler & Sullivan verwendeten Bauteile, die mit ihren detailreichen Terracottaelementen noch heute Anregungen und Impulse liefern. Keramik wurde häufig hinter Farbschichten oder Glasuren verborgen und oft mit großem Aufwand als Kopie wertvollerer

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dard-Details für Gebäude mit Terracottaverkleidungen heraus – sowohl für Stahlskelettbauten als auch für Gebäude aus Stahl und Beton.

Werkstoffe – wie Naturstein – angelegt (7). Die dem gebrannten Ton eigene Materialität wurde nur selten wertgeschätzt, da Bauherren wie Architekten meist ein traditionelleres Erscheinungsbild bevorzugten. Während dieser Zeit ließ sich Rafael Guastavino in den USA die von ihm entwickelten Gewölbe aus feuerfesten Fliesen patentieren und führte sie erfolgreich in den Markt ein. So kam es zu einer der ersten konstruktiven Anwendungen für Fliesen aus Keramik. Kombinationen mit Ziegeln wie in der von H. H. Richardson entworfenen Sever Hall der Harvard University wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei zahlreichen Bauvorhaben realisiert (8). Richardson nutzte Keramiksysteme als Schmuckelement und konstruierte tragende Wände und Bögen aus Ziegeln. Für Sonderbauteile wie Schlusssteine kam behauener Naturstein zum Einsatz. Dieser tektonische Ansatz verweist bereits auf ein aufkommendes Verständnis von Keramik als reiner Bekleidung ohne Übernahme oder Darstellung einer tragenden Funktion. 7

8 Das Guaranty Building von Adler & Sullivan in Buffalo im US-Bundesstaat New York wurde 1886 fertiggestellt. Einige der reich dekorierten, komplexen Elemente wurden kürzlich nachgebaut und neu angebracht. Dabei wurden Techniken der Handformung nach dem historischen Vorbild angewandt.

Fertiggestellt im Jahr 1880, ist die Sever Hall der Harvard University ein Beispiel für den Einsatz von Terracotta zur „Verschönerung“ von Ziegelbauten im Nordosten der USA. Keramik wurde für Schmuckelemente eingesetzt und mit Naturstein kombiniert.

Vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart Architekten wie Frank Lloyd Wright nahmen bei der allmählichen Renaissance der Keramik eine Vorreiterrolle ein. Die Moderne trieb diesen schrittweisen Wandel der Bauphilosophie weiter voran, jedoch zeigten nur relativ wenige Architekten ein echtes Interesse an dem Material. Am Bauhaus wurde in den Weimarer Jahren eine Keramikwerkstatt mit Schwerpunkt auf der handwerklichen Herstellung betrieben. Im Jahr 1925 gab man die Forschung zu diesem Werkstoff gänzlich auf und befasste sich zu keinem Zeitpunkt mit keramischen Materialsystemen, die industriell hergestellt werden konnten. Im von Arne Jacobsen entworfenen Haus Stelling und in der Technischen Hochschule Löwen von Henry van de Velde (1937–1940, heute Stadtbibliothek Tweebronnen) wurden ebene, glasierte keramische Elemente verwendet – was jedoch von der Öffentlichkeit nicht ungeteilt goutiert wurde. Architekten wie Alvar Aalto führten glasierte Fliesen als Gestaltungselement ein und setzten mit ihren vielfarbigen Oberflächen Akzente bei der Planung moderner Innenräume. Ab dem Jahr 1954 erweiterte Eladio Dieste die von Guastavino begründete Verwendung von Keramik für konstruktive Zwecke mit seinen aus Fliesen bestehenden Schalenkonstruktionen in Uruguay und Spanien. Für die von Jørn Utzon entworfene Oper von Sydney (1956–1973) kamen über 1.050.000 Keramikfliesen zum Einsatz, die vor der Endmontage auf Betonfertigteiltafeln aufgebracht wurden, welche die außenliegenden Dachflächen bilden. Fassaden mit aufgeklebten Fliesen oder Kacheln fanden weite Verbreitung, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg in Osteuropa und der Sowjetunion und nachfolgend in Asien. Dieses Interesse wurde maßgeblich bestimmt von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und den bekannten praktischen Vorteilen der Langlebigkeit und Wasserbeständigkeit. Zu einem Durchbruch führte dann die Entwicklung großflächigerer Bauteile aus Keramik, die sich frei vor die Gebäudehülle hängen ließen und darunterliegende Schichten wie die Wärmedämmung oder Feuchtigkeitssperre vor Witterungseinflüssen schützten. Eine verbesserte Kontrolle der Tonmasse verringerte die Gefahr der Rissbildung, zu der es verschiedentlich

GEBRANNTER TON – EIN MATERIAL MIT L ANGER TRADITION

9 Nach den zuvor von Renzo Piano in Paris realisierten Wohngebäuden war das IRCAM-Tonstudio das erste Projekt des Architekten, bei dem für ein öffentliches Gebäude in herausragender Lage im historischen Stadtzentrum ein Regenschutz aus Keramik zum Einsatz kam.

an früheren Terracotta-Schmuckelementen an Fassaden gekommen war. Fortschritte bei der Bemessung erlaubten es, die Anschlüsse abzubilden und mit der gebotenen Sicherheit zu planen. Auch die Herstellungsverfahren entwickelten sich weiter: So wurden für die Ziegelherstellung eingesetzte Extrusionsanlagen so modifiziert, dass der Übergang von der handwerklichen Verarbeitung relativ feuchter Tonmischungen in Formen zu Prozessen der Massenfertigung, wie der Extrusion oder dem Trockenpressverfahren, hinreichend kontrolliert werden konnte. Diese Entwicklungen führten letztlich dazu, dass keramischen Materialsystemen eine eigenständige Bedeutung beigemessen wurde. In Deutschland entwickelte Thomas Herzog an der Technischen Universität München in Kooperation mit dem Hersteller Moeding eine erste hinterlüftete Fassade aus Keramik. Diese wurde erstmals 1984 bei einem Projekt im Münchner Stadtteil Lohhof installiert. Renzo Piano führte die Entwicklung hinterlüfteter Terracottafassaden für seine Projekte in Frankreich fort. Dabei arbeitete sein Büro eng mit Herstellern wie Giraud Frères in Südfrankreich zusammen. Eines der ersten Bauvorhaben dieser Art war das 1990 unweit des Centre Georges Pompidou fertiggestellte IRCAM-Tonstudio (9). Diese Kooperationen zwischen Architekten und Herstellern führten zu innovativen Baulösungen, die heute weit verbreitet sind. Dies bewog einzelne Hersteller, sich auf das Geschäftsmodell der maßgeschneiderten Fertigung und Zusammenarbeit mit Architekten zu konzentrieren. Selbst industriell orientierte Unternehmen bieten mittlerweile die individuelle Gestaltung von Fliesen mittels Tintenstrahlbedruckung, so dass sie mehr denn je in engem Kontakt mit dem Endanwender stehen. Die derzeit bestehende Produktionskultur wird weiter von der Dualität relativ weniger kleiner, handwerklich orientierter Unternehmen und der großen Zahl hochindustrialisierter Fliesenhersteller bestimmt. Das vorliegende Buch ergreift nicht Partei für eines dieser Modelle; es soll vielmehr das Bewusstsein für unterschiedliche Fertigungsansätze mit ihren jeweils eigenen Möglichkeiten und Grenzen schärfen. Eine relativ kleine Zahl von Unternehmen ist auf die Herstellung von Fassadenelementen spezialisiert und zumeist auf die Zusammenarbeit mit Architekten, Ingenieuren und Fassadenberatern ausgerichtet. So werden maßgeschneiderte Elemente konzipiert und gefertigt. Industriell produzierte Varianten bedienen sich der Tradition der verfremdenden Oberflächengestaltung durch eine Vielzahl von Effekten – von fotorealistischen Nachbildungen von Holz oder Naturstein bis hin zu Bildern oder Text. Die der Keramik zugrunde liegende Ästhetik genießt beim Entwurf von Gebäudehüllen mittlerweile vielfach hohe Wertschätzung. So können selbst in sonst eher vom Ziegelbau dominierten Orten moderne Ausdrucksformen realisiert werden.

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ANMERKUNGEN 1 Oldfather, W.: „A Note of the Etymology of the word ‚Ceramic’”. Journal of the American Ceramic Society. Bd. 3, Nr. 7, Juli 1920. S. 537–542. 2 Von der Langlebigkeit der Keramik profitierten nicht nur ihre frühesten Anwender. Gegenstände aus Keramik blieben über Tausende von Jahren als Zeugnisse gut erhalten. 3 Weitere frühe, im Nahen und Mittleren Osten aufgefundene Keramikgegenstände gehen auf das Jahr 7000 v. Chr. zurück. Chinesische Töpferwaren lassen sich bis in das Jahr 6000 v. Chr. zurückverfolgen. 4 Frühester Beleg für ungebrannte Tonziegel sind die in Jordanien etwa im 9. Jh. v. Chr. verwendeten Lehmsteine. Gebrannte Keramik war bereits weit früher verbreitet, wurde jedoch erst relativ spät – etwa im 4. Jh. v. Chr. – von den Sumerern (im heutigen Iran) im Baubereich eingesetzt. Brennstoffe waren teuer; sie bestanden wahrscheinlich aus einer Mischung aus Kameldung und Pflanzenmaterial. Aus diesem Grund wurden gebrannte Tonziegel lediglich für Außenwände verwendet, wo sie eine langlebige Oberflächenschicht bildeten. 5 Das Tor wurde im Pergamonmuseum in Berlin wiederaufgebaut.

KAPITEL 3

MATERIALIEN UND MATERIAL­ EIGENSCHAFTEN Aufgrund ihrer Eigenschaften sind keramische Materialien für verschiedenste architektonische Anwendungen geeignet. Ihre Härte, Dichte und Dauerhaftigkeit sowie die Möglichkeit eines variantenreichen Erscheinungsbilds haben Keramik seit Jahrhunderten weltweit zu einem beliebten Baumaterial gemacht. Von Nachteil sind die Sprödigkeit und unzureichende Zugfestigkeit des Baustoffs; diese sind durch geeignete Entwurfs- und Detaillierungsstrategien zu kompensieren. Tonbasierte keramische Elemente verfügen je nach Region über jeweils einzigartige Materialeigenschaften, die sich in Abhängigkeit von den geologischen Bedingungen unterscheiden (1). Moderne Architekturkeramik weist maßgeschneiderte Eigenschaften auf, die durch bestimmte Mischungen von Ausgangsstoffen (Tonmassen) beeinflusst werden. Während des Sinter- oder Brennvorgangs kommt es zur Umwandlung von Ton zu Keramik und in bestimmten Fällen zu einer Verglasung des Materials, so dass ein gefügedichtes, homogenes Produkt entsteht. Die Materialeigenschaften werden hier anhand ihrer Veränderung vom ungebrannten (Ton) über den gebrannten (Keramik) bis zum endbehandelten Zustand (glasiert usw.) betrachtet; das nachfolgende Kapitel 4 stellt dann die Formungsprozesse dar. 1 Ton-Rohmaterialien in einer Keramik-Produktionsstätte in Uganda.

Ton „Ton“ ist ein Begriff zur Beschreibung einer Gruppe von natürlichen Stoffen mit spezifischen Zusammensetzungen und Eigenschaften, die sich in einem Brennvorgang zu Keramik umwandeln lassen. Ton ist weltweit in großen Mengen verfügbar und besteht vor allem aus Tonmineralen wie z.B. dem Kaolinit (Al2O3 + 2SiO2 + 2H2O) sowie aus Gesteinssanden wie Quarz und Feldspat. Der Rohstoff bildete sich über verschiedene geologische Zeitalter durch die Zersetzung von Erstarrungsgesteinen, vor allem Granit, zu Feldspat. In Verbindung mit einem chemischen Hydratationsprozess führt der Abbau von Feldspat zu Tonerde, Quarz und weiteren Mineralien zur Bildung von Ton. Dieser lässt sich in Primärton und Sedimentton (Sekundärton) unterscheiden. Primärton verbleibt am Ort des ursprünglichen Feldspatvorkommens und ist oft der reinere und seltenere der beiden Typen. Der häufiger anzutreffende Sedimentton ist in der Regel plastischer und bildet die Basis für den Großteil der derzeitigen Herstellung von Architekturkeramik. Durch Einwirkung von Wind, Wasser und glazialen Kräften können Sedimenttone von ihrem Entstehungsort verschoben werden. Verunreinigungen mit weiteren Mineralien und organischen Verbindungen führen zu Eigenschaften des Tons, die sich je nach geologischer Region unterscheiden (2).

Tonmassen Tonmassen sind Mischungen verschiedener Tone und Zusatzmittel, die auf die jeweiligen

2 Heller

Dunkler

Porenhaltig

Steingut

Terracotta*

Gefügedicht

Projekterfordernisse zugeschnitten werden. In Verbindung mit der Regelung des Temperatur-

Porzellan

Steinzeug

profils im Zeitverlauf des Brennverfahrens erlaubt dies ein hohes Maß an Individualisierung der Produkte mit erheblichen Unterschieden in Dichte, Porosität und Festigkeit sowie in den thermischen Eigenschaften. Entwurf und Produktion von Tonmassen sind ein eigenständiges Spezialgebiet, das Chemie und Verfahrenstechnik vereint. Tonmassen sind von entscheidender Bedeutung für das Leistungsprofil der keramischen Elemente. Angesichts der Komplexität der damit verbundenen Fragestellungen obliegt dieser Teil des Entwurfsprozesses eindeutig den Materialwissenschaftlern, Chemikern oder Keramikingenieuren bei den Herstellern, wobei sich der Rezepturentwurf auf die vom Projektteam vorgegebenen Leistungsmerkmale stützt. Meist kommen als Tonmassen für Architekturkeramik Steingut und Steinzeug (beides Sedimenttone) sowie Porzellan zum Einsatz. Allgemeinsprachlich werden diese Begriffe in Bezug auf Gebrauchskeramik verwendet, dienen hier jedoch als technische Benennungen für die verschiedenen Mischungen aus Ton und Zusatzmitteln (3). Weitere Unterscheidungen beziehen sich

Darstellung häufiger Zusammensetzungen von Tonmassen: Steingut, Steinzeug und Porzellan.1 * Terracotta wird oft als Steingut angesehen und als Bezeichnung für alle Arten von rötlicher und bräunlicher Keramik in der Architektur verwendet.

auf geringfügig abweichende Zusammensetzungen innerhalb der einzelnen Tontypen. Steingut ist ähnlich wie Porzellan immer weiß, wird jedoch zwischen 1.000 °C und 1.100 °C gebrannt. Terracotta wird ebenfalls etwa bei 1.000 °C gebrannt, ist aber immer mit Eisen verunreinigt und daher rot. Das Material wird für Blumentöpfe, Dachziegel, dicke Fliesen, Mauersteine oder größere Fassadenelemente eingesetzt. Steingut-Tonmassen weisen eine relativ grobe Korngröße auf. Steinzeug dagegen, häufig für Fliesen in architektonischen Anwendungen sowie für Fassadenelemente verwendet, besteht aus feinerem Granulat, verfügt über bessere mechanische Eigenschaften und hat einen geringeren Porositätsgrad. Glasierte Rohre für städtische Wasserleitungen werden in der Regel aus Steinzeug hergestellt. Porzellan ist eine bei höchsten Temperaturen gebrannte weiße Kaolinmasse, die dabei üblicherweise vollständig vitrifiziert wird, um selbst ohne Glasur eine sehr niedrige Wasseraufnahme zu gewährleisten. Jede dieser Grund-Tonmassen wird zu einer nahezu flüssigen Gießmasse, wenn Dispergiermittel zugegeben werden. Dies sind in der Regel Natriumsilikate, die der Beseitigung der elektrischen Anziehung zwischen den Tonpartikeln dienen und so den Ton in einem niedrigviskosen Zustand halten. Gießmassen werden zur Formung von geometrisch komplexen, häufig hohlen Elementen verwendet. Typische daraus hergestellte Produkte sind Toiletten- und Waschbecken (siehe Kapitel 4 mit einer ausführlichen Erläuterung der Fertigungsprozesse). Die Unterscheidung verschiedener 3

Gewöhnlicher roter Ton

30

Steinzeugton

25

Roter Ton

B

D

35 75 15

Feuerfester Ton

10

10

Flint

10

20

Kaolin

Nephelinsyenit Talk

Zusammensetzungen beispielhafter Tonmassen (A–E)*

E

25

25

Drehton

C

20

20

30

35

10

10

20

10

30

10

10

15

Typische Steinzeugzusammensetzungen

Typische Steingutzusammensetzungen

A

A

B

C

D

Steinzeugton

30 80

75

40

30

Kapselton

25

Drehton

10

35 20 15

20

30

10

Roter Ton Feldspat Flint Feuerfester Ton

30 40

Kaolin

10

10

10

5 15

10

Zusammensetzungen beispielhafter Tonmassen (A–E)*

A

B

C

D

E

Georgia-Kaolin

30 35

25

25

5

30

Florida-Kaolin

25 10

15

35

40

15

5

10

25

E

10

Typische Porzellanzusammensetzungen

Zusammensetzungen beispielhafter Tonmassen (A–E)*

Englischer Drehton Kentucky-Drehton Feldspat

30

30

25

Nephelinsyenit Flint

15 10 20 25

20

20

25

20

*Teile pro Hundert

30

Diagramm mit Darstellung häufiger Ton-Grundtypen.2

19

20

4 Automatisierte Vorbereitung der Tonmasse in einer Fertigungsanlage für die Massenproduktion.

Tonmassen kann sich schwierig gestalten, da die verwendete Terminologie je nach Kontext der Materialbeschreibung abweichen kann. Als Unterscheidungskriterien der Materialien dienen die Stoffzusammensetzung, die Leistungsparameter des Elements, Dichte, Formbarkeit, Farbe sowie Brenntemperaturen. Im Architekturkontext wird insbesondere in der Baugeschichte der Begriff „Terracotta“ für sämtliche Architekturkeramik verwendet, unabhängig von der Tonmasse, den Leistungsparametern und weiteren Merkmalen. Häufig wird irrtümlicherweise allein die Färbung zur Identifizierung der jeweiligen Tonmasse herangezogen. Dann werden alle nach dem Brennvorgang roten oder braunen Tonmassen als Terracotta bezeichnet, alle weißen Tonmassen hingegen als Porzellan. Die Farbe allein ist jedoch kein angemessener Anhaltspunkt für die Bestimmung der Art des Tons: So ist weißes Steinzeug relativ weit verbreitet, darf aber nicht mit Porzellan verwechselt werden. Für die moderne Architekturkeramik fällt die Bestimmung noch schwerer, da durch Zusatzmittel und Beschichtungen die Optik des Grundelements vollständig verborgen sein kann. Durch Zugabe von Pigmenten lässt sich ein nahezu beliebiges Erscheinungsbild erzielen (4). Der für die Beschreibung von Tonmassen wohl sinnvollste Parameter ist die Dichte und die damit verbundene Porosität der gebrannten Komponente (siehe auch Einführung zum Kapitel 10). Steingut weist im Vergleich zu Steinzeug eine geringere Dichte auf; Steinzeug wiederum wird von der Dichte von Porzellan übertroffen. Die Dichte bezieht sich auf die Wassermenge, die ein gebrannter Gegenstand aufnehmen kann, und bestimmt damit den Absorptionsbereich des unglasierten keramischen Elements: Je geringer die Dichte der Masse, desto höher die Absorptionsrate und desto größer die Porosität. Bei der Mehrzahl der Tone mit geringer Dichte zeigt sich nach Abschluss des Brennvorgangs keine Vitrifizierung. Sie sind daher stets wasserdurchlässig, während Tone mit höherer Dichte glasig werden und nachfolgend beständig gegen das Eindringen von Wasser sein können. Der Grad der Wasseraufnahme bestimmt wiederum den Frostwiderstand. Heute verfügt die Keramikindustrie über eine breite, ständig wachsende Auswahl an Zusatzmitteln. Wie in Kapitel 7 dargestellt, gehören hierzu beispielsweise Recyclingkeramik, Glas oder Gesteinsmehle. Durch die Kombination einer geeigneten Tonmasse mit Zusatzmitteln lassen sich zahlreiche Leistungsparameter gut kontrolliert herstellen. In einigen Fällen führen Zusatzmittel auch zu einer Verbesserung des Materialverhaltens während der Verarbeitung, insbesondere in der handwerklichen Herstellung oder bei der Produktion kleiner Mengen. So bewirkt die Zugabe von Nylonfasern eine Erhöhung der Frühfestigkeit des getrockneten Tons vor dem Brennvorgang und vereinfacht damit die Handhabung empfindlicher, noch ungebrannter Elemente. Fasern dieser Art wirken sich nur geringfügig auf die Eigenschaften des Endprodukts aus, da sie während des Brennvorgangs rückstandslos verbrennen. Zu den Zusatzmitteln, die die Eigenschaften des Fertigerzeugnisses beeinflussen, gehört Kyanit, das die Wärmespannung reduziert und die mechanische Festigkeit des Endprodukts erhöht. Bewehrungen aus Basaltfasern oder Hochtemperatur-Stahlfasern werden derzeit erforscht, haben ihre Marktreife jedoch noch nicht erreicht.

MATERIALIEN UND MATERIALEIGENSCHAFTEN

5 Auswirkungen des differenziellen Schwindens und der Elementgeometrie. In diesem Fall führen an den Ecken konzentrierte Lasteinwirkungen zu unerwünschten Ergebnissen.

Schwinden Nach der Formung aus der Tonmasse trocknet das Element und geht zunächst in den lederharten, dann in den lufttrockenen Zustand über. Den luftgetrockneten Ton bezeichnet man auch als Scherben. Während der Trocknung, aber auch bereits in der Spätphase des Brennvorgangs führt die Reduzierung des Feuchtegehalts zum Schwinden. Für den Hersteller ist das Verständnis des Schwindens bei der Herstellung maßgerechter Elemente von größter Bedeutung. Die Eigenschaften des Ausgangsstoffs, wie Korngröße und Feuchtegehalt, beeinflussen das Schwindmaß: je kleiner die Korngröße und je höher der Feuchtegehalt, desto größer das Schwindmaß. Bei ebenen oder flächigen Bauteilen kann schon eine geringfügige Größenzugabe die während des Schwindens auftretende Verkleinerung kompensieren. Bei Elementen mit komplexen Formen ist die Lage schwieriger: So ist ein stark gewölbtes, in einer konvexen Form getrocknetes Bauteil möglicherweise rissanfälliger, während sich die Trocknung desselben Elements in einer konkaven Form problemlos gestaltet (5). Je nach Tonmasse liegt das Schwindmaß etwa zwischen 8 und 12 %. Dabei lassen sich zwei Phasen des Schwindens unterscheiden: Zunächst tritt während des Trocknungsvorgangs etwa

6

die Hälfte des gesamten Schwindens auf, wenn Feuchtigkeit von der Oberfläche verdunstet; dabei trocknet der Ton von außen nach innen. Aufgrund der Kapillarwirkung bewegt sich Wasser vom zentralen Bereich nach außen, was zu ungleichmäßigem Schwinden und nachfolgend zu Aufwölbungen und zur Rissbildung führen kann, da die Außenflächen schneller als das Kernmaterial trocknen. Beim Trocknungsprozess ist sorgfältig darauf zu achten, dass alle Seiten des Elements gleichmäßig trocknen und durch Abstützungen an geeigneten Stellen Aufwölbungen oder Durchbiegungen vermieden werden. Zu weiterem Schwinden (in der Regel wiederum 50 % der Gesamtschwindung) kommt es während des Brennvorgangs, wenn die verbleibende chemische Feuchtigkeit vollständig aus der Tonmasse freigesetzt wird. Vom Schwinden während des Brennens sind alle Arten von Ton und Tonmassen betroffen. Bei trocken verarbeiteten Teilen zeigt sich tendenziell jedoch ein weit geringeres Ausmaß als bei im plastischen Zustand verarbeiteten Elementen. Auch während des Brennvorgangs kann es zu einer Verformung oder Aufwölbung kommen, was Berücksichtigung findet im Entwurf der Bauteile (siehe hierzu die Erläuterungen in den Fallstudien), in der Anordnung des Ofens sowie der Verwendung demontierbarer Stützkonstruktionen, die auskragende oder nicht aufliegende Bereiche stabilisieren (6). Vielfach können die Abmessungen der Elemente nach dem Brennvorgang korrigiert werden (durch Abschleifen, Zuschneiden usw.), dieser zusätzliche Arbeitsschritt verursacht jedoch

21

Darstellung der Geometrie einer extrudierten Treppenstufe mit beabsichtigter Minimierung eines möglichen Versagens- und Verformungsrisikos während der Fertigung.

weitere Kosten. Heute ermöglicht das Wissen über Materialien und Fertigungsprozesse eine relativ hohe Maßhaltigkeit der Produkte. Dennoch verbleiben Resttoleranzen, die in der Ausführungsplanung für die Produktionsphase zu berücksichtigen sind. Hier ist eine enge Zusammenarbeit der Projektteams mit den Herstellern unabdingbar (siehe auch Kapitel 4). Eigenschaften keramischer Bauteile Erzeugnisse aus Keramik sind in der Regel spröde, weisen eine relativ hohe Druckfestigkeit auf, zeigen bei Zugeinwirkung jedoch ein inadäquates Verhalten. Die Biegefestigkeiten reichen von etwa 7–30 MPa bei üblichen Fliesen bis hin zu 120 MPa bei qualitativ hochwertigen Waschtischen aus Porzellan. Dabei verfügen bei höheren Temperaturen von bis zu 1.300 °C gebrannte Tonmassen über höhere Festigkeitswerte als Massen, die bei etwa 1.000 °C gebrannt werden. So verfügt Terracotta beispielsweise nicht über die mechanischen Eigenschaften von Porzellan. Durch den Entwurf der Tonmasse können auch die Eigenschaften während des Brennvorgangs gesteuert werden. Manche Hersteller verwenden für ihre gesamte Produktion eine Steinzeug-Tonmasse mit identischem Verhalten, arbeiten jedoch mit veränderlichen Brenntemperaturen und -abläufen zur Steuerung der Festigkeit oder Porosität. Im Entwurf der Elemente und in der Montageplanung sind die Sprödigkeit und Neigung zur Ausbreitung von Rissen nach Kerbschlageinwirkung zu berücksichtigen. Bereiche mit hohen Spannungskonzentrationen sollten vermieden werden. Spannungsspitzen treten bei Sprüngen in der Wanddicke, scharfen Kanten, punktförmigen Befestigungsmitteln (insbesondere bei hierfür erforderlichen Lochbohrungen), spitzwinkligen Ecken und Schnittpunkten ohne Hohlkehlen auf. Die Vitrifizierung ist ein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Eigenschaften des Endprodukts. Ein vitrifiziertes keramisches Bauteil ist beständig gegenüber dem Eindringen von Feuchtigkeit und zeigt daher bei regelmäßigen Frost-Tau-Zyklen ein besseres Verhalten. Bei unvollständiger Vitrifizierung bleibt die Porenstruktur erhalten, was bei der Ausdehnung von im Inneren vorhandener Feuchtigkeit zu Abplatzungen führen kann. Andererseits kann die vorhandene Porosität bei Anwendungen, bei denen es auf die Aufnahme von Feuchtigkeit ankommt, von großem Vorteil sein, beispielsweise beim Einsatz keramischer Elemente für die Verdunstungskühlung. Glasuren Die Glasur ist das wichtigste Material für die Oberflächenbehandlung von Elementen der Architekturkeramik. Sie dient der Abdichtung der Oberfläche, der Reduzierung von Abrieb und Verschleiß, der Herstellung der Verschmutzungsbeständigkeit sowie der Erhöhung der Schlagzähigkeit. Der Entwurf von Glasuren ist für die gesamte Bandbreite vom handwerklichen bis zum industriellen Maßstab relevant, in der Regel in Abwägung ästhetischer und funktionaler Zielsetzungen (7). Bei einigen industriellen Herstellern entwickeln Fachkräfte/ Handwerker oder Chemiker firmeneigene Glasuren oder Glasurtechniken, die über das von Glasurherstellern angebotene Spektrum hinausgehen (8). Glasuren sind Glasbeschichtungen, die zum Großteil aus Tonerde, Quarz und einem Gemisch aus Oxid-Flussmitteln bestehen, beispielsweise Soda, Kalium und Kalk/Calcium. Diese senken die Gesamtschmelzpunkte von Quarz und Tonerde (Ton und Feldspat) ab. Tonerde erhöht die Viskosität der Glasur und verhindert damit ihr Abtropfen von der Bauteiloberfläche. Quarz – als die glasbildende Komponente von Glasuren – stammt vorwiegend aus Flintstein. Oxid-Flussmittel modifizieren die Schmelztemperatur und steuern den Ausdehnungskoeffizienten der Glasurmischung. Im Unterschied zu Glas wird die Glasur auf die Keramikoberfläche als Gemisch flüssiger Ausgangsstoffe aufgebracht und verschmilzt mit dieser während des Brennvorgangs. Bei der Auswahl der Glasur kommt es entscheidend auf die Kompatibilität der Ausdehnungskoeffizienten der Glasur und des keramischen Grundelements an. Für die Herstellung eines

MATERIALIEN UND MATERIALEIGENSCHAFTEN

7 Industriell hergestellte Keramik kann durch manuell aufgetragene Glasurdekorationen individualisiert werden. So werden die Rüstkosten der Herstellung in Grenzen gehalten, ohne dass Massenware produziert würde.

8 Kombinationen von Pigmentoxiden EISEN +

Kobalt Kupfer Mangan Vanadium Rutil Nickel Chrom

KUPFER +

MANGAN +

Kobalt Mangan

Warmes Grün, metallisches Grün, Schwarz

Braun Ocker Ocker, Braun Braun bis Grau Schwärzliches Grün Blaugrün Braun, Schwarz Gelbgrün

Vanadium Nickel

Gelbbraun Grau oder Braun

Rutil

Vanadium Rutil Cobalt Kobalt Chrom

KOBALT +

Graublau

Vanadium Rutil Nickel Chrom

Kobalt Chrom NICKEL +

Resultierender Farbton

Vanadium Rutil Chrom

Warmes oder texturiertes Grün Graugrün Grün

Braun Blau-Lila Braun Grau, Braun Braun Blau-Lila Braun Ins Grau tendierendes Gelb oder Senfgelb Texturiertes, warmes Blau oder Graublau

Blaugrün

RUTIL +

Vanadium Chrom

Ocker, Gelb Warmes Grün

CHROM +

Vanadium

Gelbgrün

dauerhaften Verbunds muss das Verhalten beider Komponenten bei der Erwärmung und der Abkühlung weitestgehend übereinstimmen. Besonders wichtig ist dies bei Dachziegeln, die extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Wenn es auf die Farbe ankommt, wird die Glasurchemie noch komplexer. Die Färbung ist in der Regel Ergebnis der Zugabe von meist mehreren Oxiden zur an sich transparenten Glasurmischung. Trotz der begrenzten Zahl von Oxiden ergibt sich eine nahezu unendliche Farbvielfalt. Als Pigment wird häufig Eisenoxid verwendet; andererseits wird Eisenoxid bei Erzeugnissen, die in der Farbe Weiß hergestellt werden sollen (zum Beispiel Sanitärkeramik), als Verunreinigung betrachtet. Die Farbe der gebrannten Keramikerzeugnisse kann durch die Umgebungsbedingungen (Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit usw.) und Prozessparameter (z.B. Brennverfahren und -ablauf) sowie die Zusammensetzung der Tonmasse erheblich beeinflusst werden (9).

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Tabelle mit GlasurGrundrezepturen und zugehörigen Farbtönen3

9 In der industriellen Fertigung werden Glasurfarben an einer Reihe von Probeelementen getestet.

Die Färbung ungebrannter Glasuren lässt optisch keine Rückschlüsse auf den Farbton nach dem Brennvorgang zu. Bei der handwerklichen Herstellung kann sich die Glasurfärbung innerhalb ein und derselben Charge geringfügig unterscheiden. Solche leichten Schwankungen können für Endanwender von Vorteil sein, die ein Produkt wertschätzen, an dem eine direkte Beteiligung von Handwerkern an der Herstellung ablesbar ist. In der industriellen Massenfertigung werden dagegen große Mengen in ein und derselben Farbe produziert, wobei jegliche Abweichung als Mangel betrachtet wird. Sofern individualisierte Glasuren zur Anwendung kommen, werden meist Testfliesen oder Prototypen hergestellt. Zahlreiche Arten von Qualitätskontrollen dienen der Kontrolle der Farbschwankungen. Zur Erzielung einer bestimmten Oberflächenstruktur oder weiterer ästhetischer oder performativer Merkmale steht eine Reihe von Glasurtechniken zur Verfügung (siehe Kapitel 8). Die derzeit verfügbare Glasurtechnologie bietet einen erstaunlichen Grad an möglicher Feinjustierung. Zunehmend imitieren Fliesen andere Werkstoffe (Holz, Stahl, Kupfer usw.) und erweitern so das historische Erscheinungsbild von Terracottafassaden, die in ihrer Optik Naturstein nachempfunden waren (10). Diese Entwicklung führt heute zu tragfähigeren und technisch robusteren Lösungen als je zuvor. 10 Industriell hergestellte Keramikfliesen in durch Strukturierung und Glasur geschaffener Natursteinoptik.

MATERIALIEN UND MATERIALEIGENSCHAFTEN

11 Pendelprüfgerät am Instituto de Tecnología Cerámica (ITC) im spanischen Valencia.

Weitere Oberflächenbehandlungen und -beschichtungen Für die Verbesserung des Verhaltens bezüglich Rutschfestigkeit, Verschmutzungs- und Chemikalienbeständigkeit stehen außer der Glasur noch weitere Verfahren der Oberflächenbehandlung zur Verfügung. Rutschsicherheit ist ein grundlegender Parameter für in öffentlichen Bereichen und Räumen mit Nassbelastung verlegte Keramik. Häufig wird sie durch chemische Behandlung mit Fluorwasserstoffsäure oder Ammoniumbifluorid hergestellt, welches auf die glasierte Oberfläche aufgebracht wird. Die Rutschfestigkeit lässt sich mit mehreren Verfahren prüfen, vor allem mit dem Pendel-Prüfgerät, aber auch mit Hilfe von Rampen und der derzeit an Bedeutung gewinnenden Tribometer-Technik, die zur Schaffung einheitlicher Prüfrichtlinien genormt wird (siehe Kapitel 5). Vielfach erfolgt die Einstufung der Rutschfestigkeit lediglich anhand des statischen Reibungskoeffizienten, verschiedentlich wird jedoch auch die Ermittlung des dynamischen Reibungskoeffizienten gefordert. Dieser gilt für sich bewegende Körper und gibt den Vorgang des Ausrutschens genauer wieder. In den USA schreiben kürzlich veröffentlichte ASTM-Richtlinien die Verwendung eines modernen Tribometers (BOT-3000) zur Ermittlung des dynamischen Reibungskoeffizienten auf nassen und trockenen Oberflächen vor. Globale genormte Melde- und Prüfverfahren befinden sich derzeit noch in der Entwicklung (11). Im Zuge ihrer Nutzung und Reinigung sind die meisten Oberflächen Chemikalien und anderen Schadstoffen ausgesetzt. Eine erhöhte Widerstandsfähigkeit ist insbesondere in Umgebungen erforderlich, in denen häufig Chemikalien mit starker Schadwirkung zum Einsatz kommen. Die chemische Beständigkeit als wichtiger Faktor in industriellen Umgebungen wird üblicherweise auf Grundlage der Porosität der unglasierten Fliese ermittelt. Dabei weisen Fliesen mit der höchsten chemischen Widerstandsfähigkeit eine sehr geringe Wasseraufnahme auf und sind säurebeständig. Abgesehen von der vollständigen Vitrifizierung werden säure- und chemikalienbeständige Glasuren durch Zugabe von Calciumcarbonat, Titandioxid und anderen Verbindungen hergestellt. Die chemische Beständigkeit wird gemäß ISO-Norm 10545-13 geprüft, die die Widerstandsfähigkeit der glasierten Oberfläche gegenüber Einwirkungen von Haushaltschemikalien, Schwimmbadzusätzen, Säuren und Lösungsmitteln ohne Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der Fliese regelt.

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ANMERKUNGEN 1, 2 und 3 Diagramme adaptiert aus dem Buch von Daniel Rhodes, Clay and Glazes for the Potter, zuerst erschienen bei Chilton Book Company, 1957; Literary Licensing LLC 2013. Dies Buch ist ein maßgebliches Arbeitsmittel für Keramik und Töpferei.

KAPITEL 4

FERTIGUNGSPROZESSE

Die Herstellung keramischer Materialien erfordert eine komplexe Abfolge von Prozessschritten. Diese beginnen im vorgelagerten Bereich mit der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung, gefolgt von der Tätigkeit des Keramikherstellers, welche die Formgebung, das Glasieren, die Trocknung und das Brennen der Tonmasse umfasst. Des Weiteren gehören hierzu die Nachbearbeitung und Verpackung sowie die nachgelagerte Logistik und der Einbau (1). Im Gegensatz zu den meisten anderen Baustoffen lässt sich Ton in unterschiedlichsten Zuständen formen – vom trockenen Pulver bis zur nahezu flüssigen Gießmasse. Im plastischen Zustand ist er ohne Wärmezufuhr unter vergleichsweise niedrigem Druck formbar. Diese Bandbreite an möglichen Prozessschritten führt zu einem äußerst vielseitigen Fertigerzeugnis. Industrielle Keramikhersteller betreiben automatisierte Anlagen mit hohem Produktionsausstoß (2). Die handwerkliche Herstellung ist durch manuelle Arbeitsschritte und die Produktion kleiner Mengen an Endprodukten mit größeren Toleranzen gekennzeichnet (3). Für Architekten, die sich der Planung maßgeschneiderter Keramiksysteme für Fassaden, Dächer oder Innenräume verschrieben haben, haben sich Kombinationen beider Ansätze als am geeignetsten erwiesen. Diese Art der objektspezifischen Anpassung erfordert Produktionsmengen von einigen Tausend Stück. Sie ist eng verwandt mit der echten „kundenindividuellen Massenproduktion“, jedoch nicht mit dieser identisch. Letztere umfasst die Herstellung unterschiedlicher Artikel in größeren Stückzahlen, die vorwiegend aus Kombinationen von kundenindividuell standardisierten Modulen entstehen. Die Grundlagen der keramischen Herstellungsverfahren sind unabhängig von der jeweiligen Fertigungsumgebung, jedoch gibt es darüber hinaus wichtige Unterschiede. Aus Sicht des Entwerfers ist die praktische Unterscheidung zwischen „Feucht“- und „Trocken“verfahren vermutlich am zielführendsten, wenn es um die Abwägung von Optionen für die Formgebung keramischer Elemente geht. Diese Einordnung hat Auswirkungen auf die Produktionskapazität (bei der Verarbeitung im Nasszustand geht es eher um kleine Stückzahlen), die Maßtoleranzen, die Art der eingesetzten Werkzeuge und die Stückkosten. Hier zeigt sich am deutlichsten die Fähigkeit des Entwerfers zur Entwicklung neuartiger oder kundenindividualisierter keramischer Elemente. Nahezu alle Fertigungsprozesse für Architekturkeramik umfassen eine Abfolge ähnlicher Schritte: die Aufbereitung der Tonmasse und nachfolgend ihre Formgebung und Trocknung, den Brennvorgang, die Nachbearbeitung und Verpackung. Im Zuge des steigenden Automatisierungsgrades der industriellen Fertigung werden mehrere dieser Phasen miteinander verbunden. In auf größte Stückzahlen ausgelegten Produktionsbetrieben wird während oder unmittelbar nach dem Formgebungsprozess der Tonmasse ein Beschichtungsmaterial (Glasur) aufgebracht, und die daraus entstehenden Erzeugnisse werden getrocknet und direkt in den Brennofen transportiert. (Wichtige Prozessabweichungen werden nachfolgend im Zusammenhang mit dem Grad der möglichen Individualisierung erläutert. Weiteres findet sich in den Fallbeispielen in den Kapiteln 8 bis 12.)

1

2

Typische Fertigungsabläufe für keramische Materialsysteme für die Architektur.

Automatisierte Anlagen ermöglichen die Produktion großer Stückzahlen bei äußerst geringem Personalaufwand.

Rohstoffgewinnung und -aufbereitung Ton

Rohstoff 1

Weitere Ausgangsstoffe

Rohstoff 2

Rohstofflieferanten Oberflächenbehandlung

Tonmasse

Extern

Keramikhersteller

Wasser

Anpassung der Tonmasse

Ausrüstungen

Formgebungsverfahren

Schamotte

Abfallrückgewinnung

3 Abfallrückgewinnung

Trocknung

In einer für mittlere Stückzahlen ausgelegten Betriebsstätte im spanischen Valencia glasiert eine Kunsthandwerkerin manuell eine im Gießverfahren hergestellte Keramikfliese.

Aufbringen der Glasur

Abfallrückgewinnung

Lufttrocken Ofenbrand

Schrühgebrannt

Erhärtet

Abfall

Hilfs-/ Betriebsstoffe

Abfallrückgewinnung

Abfallrückgewinnung

Nachbearbeitung

Verpackung

Erhärtet

Lagerung und Versand

Ofenbrand

Marketing

Distributionsnetzwerke Baustoffe

Branchenverband

Distributor

Bauunternehmen

Einbauunternehmen

Fassadenbauer

Einbau auf der Baustelle

Abfall

Es existieren heute nur wenige andere Branchen, in denen es zugleich Massenhersteller sowie Unternehmen gibt, die feiner abgestufte, handwerklich orientierte Produktionsverfahren einsetzen. Am unteren Ende der Skala möglicher Stückzahlen finden sich Künstler und Gebrauchskeramiker, die gelegentlich Erzeugnisse für architektonische Anwendungen – häufig als Einzelanfertigungen – herstellen. Mittlere Produktionsmengen sind mit einem höheren Spezialisierungsgrad der Belegschaft verbunden, deren Arbeitsteilung beispielsweise Handformung oder Strangpressung von Elementen, Glasieren, Steuerung des Brennvorgangs und weiteren Arbeitsschritte umfassen kann. Viele der im Buch angeführten Beispiele, insbesondere in Bezug auf die Individualisierung von Formen und thermodynamischen Hüllen, stehen für die Verzahnung von handwerklichen Arbeitsgängen mit Technologien, die üblicherweise für die Herstellung großer Stückzahlen Anwendung finden. Letztere umfassen unter anderem automatisierte, teils robotergestützte Anlagen zum Aufbringen der Glasur sowie computergesteuerte Brennöfen und Maschinen für die Nachbearbeitung. Hybride Fertigungsumgebungen dieser Art bieten das größte Potenzial für die Individualisierung von Erzeugnissen. Hersteller, die diesen Ansatz verfolgen, arbeiten bei der Entwicklung objektspezifischer Keramiksysteme häufig direkt mit Planungsteams zusammen. Schließlich sind in groß dimensionierten Produktionsanlagen sämtliche Schritte der Formgebung, Endbehandlung und Nachbearbeitung des Tons automatisiert, meist unter Einsatz von Robotertechnik und mit einem Mindestmaß an manueller Interventionsmöglichkeit. Änderungen an produzierten Chargen sind auf ein Minimum zu beschränken, um kostenintensive Prozessunterbrechungen für die Einrichtung der Anlagen zu vermeiden. Ebene Fliesen werden zu einem Großteil auf solchen Anlagen hergestellt.

27

Die Aufbereitung der Tonmasse umfasst Trocknungs- und Mahlvorgänge, mit denen die gewünschte Partikelgröße von 0,01–4 mm erreicht wird. In auf höchste Stückzahlen ausgelegten Werken werden die Ausgangsstoffe häufig vor Ort aufbereitet (4). Andere Betriebe beziehen vorgemischte Tonmassen von entsprechenden Großhändlern. Für handwerklich orientierte Keramikwerkstätten werden die Tonmassen in der Regel von einem Zulieferer angemischt. Künstler und Gebrauchskeramiker entwickeln jedoch häufig eigene Mischungen. Viele Hersteller nutzen eine begrenzte Anzahl von Tonmassen durchgehend für alle Projekte. Unternehmen mit Kapazitäten für eine objektspezifische Produktion modifizieren ihre Standard-Tonmassen entsprechend. Trockenpressen Glatte oder leicht strukturierte Keramikfliesen werden überwiegend in einem einzigen Trockenpressschritt hergestellt. Das industrielle Trockenpressverfahren ist ein hochautomatisierter Vorgang, in dem eine präzise eingestellte, pulverförmige Tonmasse mit einem Feuchtegehalt von 3–7 % unter hohem, gleichmäßig verteiltem Druck von bis zu 10.000 Tonnen in einer Stahlform gepresst wird. Schwere Hydraulikpressen ermöglichen eine hochpräzise Formgebung bei extrem kurzen Taktzeiten von häufig mehreren Fliesen pro Sekunde. Zur Unterstützung des raschen Ausstoßes des gepressten Tonpulvers aus der Form kann Druckluft eingesetzt werden (5). Produkte mit einer identischen Zusammensetzung der Masse zeigen einen homogenen Aufbau über die gesamte Dicke. Bei anderen Erzeugnissen, die beispielsweise durch Doppelpressung hergestellt werden, werden Glasuren und andere Materialien mit höherer Oberflächengüte oder besseren Leistungsparametern, zum Beispiel zur Erhöhung der Rutschfestigkeit oder für die Strukturierung, aufgebracht, so dass sich eine Schichtung der Oberfläche und Tonmasse ergibt. Aufgrund der hohen Rüstkosten der Stahlformen ist das Trockenpressverfahren der Produktion großer Stückzahlen vorbehalten. Abgesehen von einem möglichen Zuschnitt nach dem Brennen bietet es nur wenige Möglichkeiten der individuellen Anpassung. Die Trockenpressung ist ein hochpräzises Verfahren. Preisgünstigere Erzeugnisse weisen tendenziell eine geringfügig größere Schwankungsbreite auf, bei höherpreisigen Produkten mit geringeren Toleranzen erfolgen nach dem Brennvorgang Maßkorrekturen (6). Solche ebenen Fliesen machen einen Großteil der gepressten Fliesenproduktion aus und weisen meist 4

5 Die automatisierte Aufbereitung der Tonmasse sichert gleichbleibende Produktqualität; dieses Verfahren ist der Produktion größter Stückzahlen vorbehalten. Im Bild verteilt eine computergesteuerte Anlage Rohmaterial für das Trockenpressverfahren.

6 Ein Schleifautomat korrigiert die Abmessungen von fertigen Fliesen und stellt eine polierte Oberfläche her.

FERTIGUNGSPROZESSE

Bei der Trockenpressung werden meist Hydraulikpressen verwendet.

7

8

Tonmasse

Die kontinuierliche Glasur kommt bei der Produktion großer Stückzahlen zum Einsatz. In diesem Fall wird das Glasurvorhang-Verfahren bei im Pressverfahren in einem Werk im spanischen Valencia hergestellten Fliesen angewandt.

Fliesenrohling

Darstellung des Prozesses der Trockenpressung. 9 Auf einer automatischen Extrusionsanlage werden Treppenstufen in einem Werk in der spanischen Provinz Castellón hergestellt.

eine leicht abgerundete Kante auf. Der Pressvorgang ermöglicht geringe Veränderungen der Dicke und die Herstellung von Erzeugnissen mit flacher Reliefstruktur (7). Gepresste Fliesen werden meist einseitig glasiert; zu diesem Zweck werden sie durch sogenannte Wasserfall-Glasieranlagen geführt, die in die Fertigungsstraße integriert sind (8). Nachfolgend werden die Fliesen getrocknet und in automatischen Rollenöfen gebrannt. Dabei erfolgt bei jeder Brennstufe eine präzise Temperaturführung. Auf diese Weise hergestellte Chargen erreichen eine hohe Gleichmäßigkeit in Format und Färbung. Häufig bieten Hersteller Fliesen in einem Einheitsformat, jedoch mit einer breiten Palette von farbigen oder strukturierten Glasuren an. Im automatisierten Fertigungsprozess lassen sich strukturierte Oberflächen durch eine Kombination aus Glasuren und mit Matrizen versehenen Auftragsvorrichtungen herstellen. Während des Pressvorgangs bietet die Oberflächenbehandlung das größte Potenzial für Gestaltung oder kundenindividuelle Anpassung. Bei Beschichtungsverfahren erzielte technische Fortschritte, darunter der im Kapitel über Produkte und Technologien dargestellte digitale Tintenstrahldruck, bieten die Möglichkeit der Individualisierung kleiner Stückzahlen. Gepresste keramische Bauteile können nach dem Brennen zugeschnitten werden, wodurch sich individuelle Formen herstellen lassen. Die Maßabweichungen hochwertiger Produkte lassen sich durch Abschleifen der Kanten weiter minimieren. Gepresste Fliesen können in einem zweiten Brennvorgang im sogenannten Slumping weiter geformt werden. Dieser Vorgang wird in manchen Fällen durch lokale Schwächung und Vorritzung der Fliese unterstützt. Er findet häufig Anwendung, wenn auf Gehrung gearbeitete Verkleidungen wie Treppenstufen und Stützeneinfassungen zu fertigen sind (siehe Kapitel 4). Extrusion Die Extrusion (oder Strangpressen) ist ein Verfahren, bei dem der Ton im „feuchten“ Zustand mit einem Wassergehalt von 14–22 % geformt wird. Während dieses Vorgangs transportiert eine große Förderschnecke die Tonmasse kontinuierlich durch eine Vakuumkammer und nachfolgend durch ein konusförmiges Mundstück mit anliegender Matrize. Dabei entstehen stabförmige Formteile mit durchgehend identischem Querschnitt (9). Eine typische Extrusionsanlage besteht aus einer einzelnen Arbeitsstation oder Maschine, welche die Tonmasse aufnimmt, sie mischt und entgast und das geformte Material auf einen Endlos- oder

29

10 Abfall

Ton

Mischen

Vakuum

Extrusionsmatrize Zuschnitt

Darstellung des typischen Ablaufs der Fertigung im Extrusionsverfahren.

Keramikelement, Querschnitt

Rollenförderer aufgibt. Nach der Formgebung wird das Material mit Hilfe eines automatisch betriebenen Drahtes oder mit Klingen zugeschnitten, die sich in der Regel senkrecht zur Extrusionsachse bewegen. Extrudierte Teile durchlaufen üblicherweise zwei Brennstufen: Im ersten Schritt (Schrühbrand) wird das Produkt verfestigt, im zweiten eine Glasur oder andere Oberflächenbeschichtung mit dem Endprodukt verbunden, wobei gleichzeitig eine vollständige Sinterung erfolgt (10). Die Extrusion ist ein Urformverfahren, bei dem das hergestellte Teil die Matrize in seinem endgültigen Querschnitt verlässt. Gelegentlich werden nicht aufliegende Bereiche zusätzlich verstärkt, um die Formstabilität komplexer Bauteile zu gewährleisten. Dieser zusätzliche Aufbau wird nach der letzten Brennstufe entfernt (siehe auch Fallstudie zum Pavillon der Saragossa Expo in Kapitel 10). Die industrielle Tonextrusion dient zur Herstellung mittlerer bis großer Stückzahlen und bietet im Vergleich zur Trockenpressung trotz des stabförmigen Querschnitts ein größeres Potenzial für die individuelle Anpassung (11). Hersteller nutzen das Extrusionsverfahren nicht nur für Sonderbauteile wie Treppenstufen, sondern auch für herkömmliche Wand- und Bodenfliesen. Zur Amortisierung der Kosten des Matrizenentwurfs und -baus aus Stahlblech ist in der Regel die Herstellung mittlerer Stückzahlen (einige Tausend) erforderlich. Die Mehrzahl der Unternehmen, die bei der Entwicklung und Fertigung von kundenindividuellen Fassadenelementen mit Architekten zusammenarbeiten, setzen auf Extrusionsverfahren. Darüber hinaus wird die Extrusion auch für die handwerkliche Herstellung genutzt, jedoch nur in sehr begrenztem Umfang für Bauteile an Gebäuden. Für diesen häufig manuellen Prozess wird ein Vertikalextruder unter weit geringerem Druck eingesetzt. Die so hergestellten Elemente zeigen wesentlich deutlichere Maßabweichungen. Individuell angepasste Extrusionsmatrizen lassen sich auf einfache Weise mit sehr niedrigen Rüstkosten herstellen; dafür kommen nicht nur Metall, sondern auch Holz und andere Werkstoffe in Frage. In Kapitel 11 findet sich als Praxisbeispiel die Fallstudie Kosemo Brick. Extrudierte Bauteile neigen vermehrt zum Schwinden, was im Vergleich zu trockengepressten Produkten häufig zu geringfügig größeren Maßtoleranzen führt. Im Extrusionsverfahren hergestellte Fliesen sind dicker als entsprechende trockengepresste Erzeugnisse. Extrudierte Formteile werden vielfach nur einseitig endbehandelt, weisen also einerseits eine sichtbare, veredelte Fläche und andererseits eine nicht sichtbare, unbehandelte Fläche auf. Einige Hersteller verfügen jedoch über die Möglichkeit, Produkte mit allseitig qualitativ hochwertigen Oberflächen herzustellen, beispielsweise für Sonnenschutzlamellen und „Baguette“-Fassadenelemente (12). Die Herstellung dreidimensionaler Formen erfordert häufig eine zusätzliche Stützkonstruktion, die bei der Planung der Extrusion des jeweiligen Bauteils zu berücksichtigen ist. Nach Entfernung der Abstützung nach dem Brennvorgang kann auf der nicht sichtbaren Seite des Produkts eine geringfügige Oberflächenbeschädigung verbleiben (13). Für viele Anwendungen in der Architektur werden Details wie Vertiefungen oder Schlitze bereits während der Formgebung in das extrudierte Bauteil eingearbeitet. So lässt sich das Element bei seinem Einbau in Metall-Unterkonstruktionen einhängen.

FERTIGUNGSPROZESSE

11

12 Extrudiertes „Baguette“-Sonnenschutzelement, hergestellt von der Firma Boston Valley Terra Cotta als Teil der Standard-Produktpalette; hier am McGee Pavilion der Alfred University im US-Bundesstaat New York.

Extrusionsform für mittlere bis hohe Stückzahlen bei NBK Architectural Terracotta.

13

14 Während des auf den Brennprozess folgenden automatisierten Fertigungsablaufs werden die Abstützungen der extrudierten Treppenstufe entfernt.

Sekundärprozesse dienen zur Herstellung von Sonderbauteilen und dreidimensionalen Elementen aus extrudierten Vorprodukten.

Das Extrusionsverfahren dient zudem der Herstellung der Rohlinge für weitere Prozesse der Formgebung, darunter Senken (Slumping), Pressen oder Schneiden. Dabei wird eine homogene Platte in der gewünschten Dicke extrudiert und in einem nachfolgenden Prozess die endgültige Form hergestellt. Slumping Das Slumping ist ein „Feuchtverfahren“ zur Herstellung von kleinen Stückzahlen oder Sonderanfertigungen durch Biegung einer relativ weichen Tonplatte oder eines anderen Elements über einer Form. Beim industriellen Verfahren wird das Tonelement zunächst stranggepresst, dann auf Maß zugeschnitten und schließlich über der Form positioniert. Dieser Ablauf dient üblicherweise der Herstellung gewölbter Bauteile für hinterlüftete Fassaden aus extrudierten Keramikelementen (14). Der Prozess läuft überwiegend manuell ab, für die Form werden Materialien wie Gips, Holz oder expandiertes Polystyrol verwendet. Die Rüstkosten für individuell angepasste Architekturelemente sind relativ niedrig. Als handwerklich orientiertes Verfahren erfordert das Slumping nur wenige Spezialwerkzeuge und ist für die Herstellung von Einzelteilen oder einigen Dutzend Stück geeignet. Dieser Prozess kann auch für extrudierte ebene Platten verwendet werden, die damit in dreidimensionale Formen gebracht werden können. Die endgültige Dimensionierung und Ausformung der Platten kann entweder vor der Abformung oder nach dem Aufbringen des Tons auf die Form erfolgen. Im industriellen Verfahren extrudierte Tonplatten weisen in der Regel einen niedrigeren Feuchtegehalt als manuell hergestellte Platten auf. Sie sind daher im Allgemeinen maßhaltiger und zeigen während des Trocknungs- und Sintervorgangs ein verlässlicher vorhersagbares Verhalten. Ein Beispiel für die Anwendung dieses Verfahrens ist die in Kapitel 11 enthaltene Fallstudie zur Villa Nurbs. Das im Brennofen durchgeführte Slumping dient der Herstellung von gewölbten Elementen, Verkleidungsdetails und Sonderbauteilen aus zuvor gebrannten, ursprünglich ebenen keramischen Vorprodukten. Durch die erneute Erwärmung des bereits gesinterten Elements im Brennofen lässt sich die gebrannte Keramik so weit erweichen, dass es zu einer plastischen Verformung kommt. Dabei bleiben die Oberflächenqualität und Maßhaltigkeit erhalten.

31

Im Slumping-Verfahren hergestellte Elemente verfügen über mechanische Eigenschaften, die denen ungeformter Erzeugnisse ähneln. Bei diesem Verfahren kann das gesinterte Teil auch mit einer Schleifmaschine vorgeritzt werden. Im Brennofen geformte, vorgeritzte Produkte sind entlang der Ritzung in der Regel weniger belastbar. Die für den Slumping-Prozess eingesetzten Rohlinge werden vor der Formgebung häufig zu einer endgültigen Geometrie oder auf ein bestimmtes Maß zugeschnitten. Daher verlaufen die Kanten der geformten Elemente in der Regel senkrecht zur Oberfläche des Bauteils. Üblicherweise erfordern Slumping-Prozesse einen relativ großen Mindestradius (z. B. für Stützenverkleidungen); vorgeritzte, im Brennofen geformte Bauteile können dagegen auch relativ kleine Radien annehmen (wie für Treppenstufen oder Wand-Boden-Übergänge erforderlich). Beim Aufbringen von feuchtem Ton auf eine Form führen spitze Winkel oder enge Biegungen an Stellen mit Richtungsänderungen häufig zu erhöhten Spannungen. Wenn das Element seine endgültige Form in einer zweiten Brennstufe erhält, wird vielfach ein Entlastungsschnitt durchgeführt. Schneiden Im typischen Schneidprozess wird eine durchgehende, rechteckige Tonplatte extrudiert und die endgültige Form mittels eines vertikal angeordneten Schneidwerkzeugs aus Stahl oder Draht zugeschnitten. Der Arbeitsschritt des Schneidens ist dabei üblicherweise bereits in die Extrusionsanlage integriert. Im Schneidverfahren hergestellte, stranggepresste Fliesen werden häufig in Stückzahlen produziert, die zwischen jenen beim Trockenpressen und bei der manuellen Abformung im Nasszustand liegen. So lassen sich individuell angepasste Elemente in mittleren Stückzahlen fertigen (15). Wie beim Extrusionsverfahren wird auf die Oberfläche des Tons vor dem Schneiden Öl aufgebracht, um ein Ankleben zu verhindern. Nach dem Zuschnitt des Elements wird der verbleibende Ton in die Extrusionsanlage zurückgeführt und so im nahezu abfallfreien Produktionsprozess wiederverwendet. In diesem Verfahren hergestellte Erzeugnisse weisen aufgrund des Schneidvorgangs leicht abgerundete Kanten auf. 15 Sechseckige Fliesen werden in einem hybriden Produktionsprozess aus einer extrudierten Platte ausgestanzt.

Feuchtpressen Das Feuchtpressen ist ein Formgebungsverfahren, bei dem eine doppelseitige Form und eine Tonmasse mit einem Feuchtegehalt von 14–22 % zum Einsatz kommen. In die Form wird ein Tonbatzen oder eine Tonplatte eingebracht und unter Druck geformt. Die relativ niedrigen erforderlichen Drücke ermöglichen den Einsatz kostengünstiger Presswerkzeuge, die häufig aus hochwertigen Gipsen bestehen. So lässt sich das Verfahren für die Produktion kleiner Stückzahlen und die Individualisierung von Erzeugnissen einsetzen. Beim Feuchtpressen können stark profilierte Elemente hergestellt werden, wie sie mit dem Extrusionsverfahren allein nur schwierig zu fertigen sind. Die zu fertigenden Teile sollten Entformungsschrägen von häufig mehr als 2° aufweisen. Schwankungen der Wandstärke sind zu begrenzen, um die während der Trocknung und beim Brennvorgang auftretenden Spannungen zu reduzieren (16). Das plastische Pressverfahren ist für die Herstellung geringer bis großer Stückzahlen geeignet.

FERTIGUNGSPROZESSE

16 Darstellung von Feucht­ pressverfahren. Mold Mold

Tonelement

Ton Mold Mold

Im industriellen Kontext ist das Feuchtpressen weitgehend automatisiert und dient häufig der Produktion von Dachziegeln. Dabei werden gleichzeitig mehrere Produkte auf großen Maschinen für die Formgebung oder mit Formen versehenen Mehrfachpressen hergestellt. Nach dem Pressvorgang werden die Erzeugnisse während des Brennvorgangs kontinuierlich abgestützt, um Verformungen zu verhindern. Wie bei den meisten Herstellungsverfahren reduziert sich das Potenzial für eine Individualisierung mit dem steigenden industriellen Automatisierungsgrad. Bei der industriellen Produktion großer Stückzahlen ist die Ober­ flächenveredlung die wichtigste (und einzige) Möglichkeit, die Gestaltung auf Produktebene zu verändern. Das Feuchtpressen ist jedoch auch für die Fertigung kleiner Stückzahlen geeignet und bietet in diesem Fall ein hohes Potenzial für die kundenindividuelle Anpassung. Einige Hersteller nutzen in ihren Werken nach wie vor Pressen zur Herstellung sehr kleiner Chargen für bestimmte Projekte, andere fertigen darauf Dachziegel, die an historische Vor­ bilder angelehnt sind. Ton lässt sich auch manuell aufbereiten und einbringen, und selbst die eigentliche Stempelpresse kann per Hand betrieben werden. Eine ausführlichere Darstellung findet sich in der in Kapitel 11 enthaltenen Fallstudie zum Aichi­Pavillon. Schlickerguss Beim Schlickergießverfahren kommt eine nahezu flüssige Tonmasse (Schlicker) zum Ein­ satz. Zwei Prozesse können unterschieden werden: Das Schlickergießen mit vollständiger Verfestigung ist ein Abformungsprozess, bei dem ein Tonschlicker in eine Form gegossen oder gespritzt wird und sich nachfolgend durchgehend verfestigen kann, so dass ein mas­ sives Formteil entsteht. Beim Hohlkörper­Schlickergießen wird ein Tonschlicker in eine größere Form gegossen, so dass er lediglich an der Forminnenfläche trocknen und sich verfestigen kann. Dabei bestimmt die Trocknungsdauer die Wandstärke des Endprodukts. Der verbleibende Schlicker wird aus der Form entleert und hinterlässt einen Hohlkörper. Das Schlickergießen massiver Erzeugnisse ist in der industriellen Fertigung weniger und im handwerklichen Kontext kaum verbreitet. Das Gießen von Hohlkörpern ist dagegen bei der industriellen Produktion von Sanitärkeramik üblich und kommt auch im handwerklichen Bereich für eine breite Palette an Erzeugnissen zum Einsatz (17). 17 Schlicker Zuschnitt

Tonelement

Schlicker

Darstellung des typischen Schlickergießverfahrens.

33

18

19 Industrieller Schlickerguss von Sanitärkeramik bei der Firma Laufen in der Schweiz.

Schlickerguss großformatiger Elemente in kleinen Stückzahlen für die architektonische Ausgestaltung der Sagrada Família von Antoni Gaudí (hier in der Werkstatt von Ceràmica Cumella).

20 Dokumentation eines zweiteiligen Schlickergussverfahrens und des Endresultats von Designer Jonathan Grinham.

Beide Varianten des Schlickergießens sind für die Herstellung äußerst komplexer Geometrien geeignet. Hierfür werden entweder mehrteilige (in der Regel mindestens zweiteilige) Formen verwendet oder eine Vielzahl von Formteilen zusammengefügt. So wird die Toilette nach westlichem Standard, die zweifellos das geometrisch komplexeste (jedoch kaum thematisierte), in großen Stückzahlen hergestellte architektonische Element darstellt, aus mehreren im Schlickergießverfahren gefertigten Formteilen gefügt, die sich dabei im feuchten Zustand befinden. Im gebrannten Zustand wird daraus dann ein einziges Element (18). Der Schlickerguss ist für die Herstellung einer breiten Palette an Elementen geeignet und ermöglicht erstaunlich komplexe Innen- und Außengeometrien (19). Beim Druckguss als Variante des Schlickergießverfahrens erfolgt die Formgebung der Gießmasse oder Schlämme unter Druck, wodurch die Taktzeit in der Produktion verringert werden kann. Dieses Verfahren wird von einigen Sanitärkeramik-Herstellern für die Herstellung feingliedriger Produkte angewandt. Sowohl im handwerklichen Bereich als auch im industriellen Maßstab werden in Schlickergießanlagen Gipsformen verwendet. Bei hochindustriellen Anwendungen können auch spezielle Schaumstoffe zum Einsatz kommen. In der Werkstatt wird die Form häufig aus einem Positiv hergestellt und für die Herstellung einer kleinen Zahl von Formteilen genutzt (20). Im Schlickergießverfahren lassen sich Gipsformen üblicherweise nur etwa 100 Mal wiederverwenden. Bei der Produktion großer Stückzahlen wird eine Reihe von Werkzeugen (oft aus Edelstahl, Messing oder Polymeren bestehend) eingesetzt, um damit auf effiziente Weise neue Gipsformen herzustellen. Dieser Prozess ist eines der seltenen Beispiele in der Produktion keramischer Materialsysteme, bei dem der Werkzeugbau integraler Teil des Fertigungszyklus ist. Normalerweise werden die Gussformen nach ihrem Einsatz in der Produktion für die spätere Wiederverwendung aufbewahrt.

FERTIGUNGSPROZESSE

21

22 Töpferworkshop in der Keramikwerkstatt der Harvard University.

Die vom Künstler Trew Bennett von der Buck Creek Pottery gestaltete Vase bedient sich einer bewussten Asymmetrie, um das Augenmerk auf die Verbindung zwischen der Drehscheibe und der Hand des Künstlers zu lenken.

Drehen auf der Töpferscheibe Auf der Töpferscheibe werden rotationssymmetrische Gegenstände, wie Gefäße, hergestellt. Die Töpferscheibe dient üblicherweise nicht zur Fertigung von Erzeugnissen der Architekturkeramik. Der Prozess des Drehens ist weltweit verbreitet und wird mit unterschiedlichen Automatisierungsgraden eingesetzt. Bei der manuellen Drehtechnik kommt es gänzlich auf die Geschicklichkeit des Töpfers an. An sich identische Formteile weisen daher tendenziell größere Maßtoleranzen auf (21). Diese Tätigkeit erfordert ein hohes Maß an handwerklicher Fertigkeit und Übung. Während des Drehens wird ein Tonbatzen oder Keil auf der sich drehenden Scheibe zentriert und mit der Hand oder mit Handwerkzeugen in die gewünschte Form gebracht. Das handgedrehte Formteil wird dann häufig nachbearbeitet. Hierfür stehen eine Reihe von manuellen Verfahren zur Verfügung, und auch asymmetrische Anbauteile (zum Beispiel Griffe) können angefügt werden. Obwohl das Drehen in der Regel symmetrische Formteile erzeugt, nutzen einige Kunsthandwerker die Töpferscheibe auch zur Schaffung einer bewussten Asymmetrie (22). Über- und Einformung Dieses Verfahren ist ein Rotationsprozess, der dem Drehen auf der Töpferscheibe ähnelt. Dabei kommen ein „Jolly“ oder „Jigger“ (Form) sowie eine konturierte Schablone zum Einsatz, um repetitive, rotationssymmetrische Formteile herzustellen. Das Verfahren wird häufig für die Herstellung von Geschirr eingesetzt. Dabei wird Ton auf eine sich drehende Form aufgebracht, die die Innenfläche des Formteils bildet. Die endgültige Form entsteht, wenn eine zweidimensionale Kontur oder ein entsprechendes Profil in gewissem Abstand zur Form positioniert wird, so dass sich der Ton in einheitlicher Wandstärke um die Form herum verteilt. Das Verfahren der Über- und Einformung bietet einen hohen Grad an Reproduzierbarkeit und ist für die Herstellung verschiedenster komplexer Geometrien geeignet. Dieser Prozess wird auch in handwerklich orientierten Betrieben genutzt, wurde jedoch ursprünglich für die Fertigung großer Stückzahlen an Porzellan wie Tellern oder Schüsseln entwickelt und kommt dort nach wie vor häufig zum Einsatz. Das Verfahren wird nur selten für die Herstellung von Elementen der Architekturkeramik genutzt, bietet jedoch die Möglichkeit der Fertigung individuell angepasster Bauteile zu relativ niedrigen Rüstkosten und mit gleichbleibendem Ergebnis. Brennen und Brennöfen Alle zuvor beschriebenen Herstellungsverfahren umfassen einen – in manchen Fällen auch mehrstufigen – Brennprozess. Das Brennen ist Hauptquelle der im keramischen Element gebundenen grauen Energie (siehe Kapitel 7). Mit steigender Kapazität der Brennöfen vermindert sich ihre Flexibilität zur Verarbeitung unterschiedlicher Produktarten. Im handwerklichen Bereich sind Brennöfen hochflexibel und lassen sich an die Verarbeitung verschiedenster Formen und Größen anpassen. Dagegen werden Tunnelöfen für die Massenfertigung von Fliesen eingesetzt und sind auch nur für diese Art von Erzeugnissen geeignet.

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Klein dimensionierte, statische Produktionsöfen verfügen über Kapazitäten von 17–600 l (kleine Elektroöfen) bis zu 6.000 l (gasbetriebene Ausführungen). Dazu gehören auch Wagenund Herdwagenöfen, die ebenfalls bei der industriellen Herstellung kleinerer Stückzahlen zum Einsatz kommen. Brennöfen sind weitgehend identisch konstruiert, wobei die einzelnen Hersteller bei Planung, Ausführung und Materialeinsatz jeweils eigene Akzente setzen. Der Innenraum wird für die individuelle Konfiguration des jeweiligen Brennvorgangs freigehalten, die Brennkammerwände bestehen aus einem feuerfesten Stein (Schamotte) und verfügen über eine integrierte Wärmequelle. Bei Elektroöfen besteht die Wärmequelle aus einer Reihe von Heizelementen, die im Feuerfestmaterial im Randbereich des Ofens eingebaut sind. Bei Gasöfen erfolgt die Wärmeverteilung über Zwangsbelüftung und eine Reihe von Düsen, über die der Ofen zur Beheizung befeuert wird. Auf die Außenseite des Brennofens wird eine hitzebeständige Verkleidung – meist aus Blech zum Schutz des Feuerfestmaterials vor Beschädigung – aufgebracht, die die Schamotte umhüllt. In der Regel sorgt eine Be- und Entlüftungsanlage für eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Ofen und führt in der Abluft enthaltene, möglicherweise giftige Gase ab (23). Industriell hergestellte Brennöfen werden ergänzt durch Einzelanfertigungen, die von Keramikern gebaut werden, um einen gezielt künstlerischen Anspruch umzusetzen. Beispielhaft hierfür ist der Anagama, ein traditioneller japanischer Brennofen mit einer einzigen Kammer (24). Solche Öfen sind meist sehr groß dimensioniert und werden über mehrere Tage mit Holz angefeuert. In holzbetriebenen Brennöfen entsteht beim Brennvorgang meist eine besondere Oberflächenstruktur. Im Gegensatz zu Elektro- und Gasöfen werden diese Öfen seltener angefeuert und dienen dann der Herstellung eines gesamten Jahresvorrats. Aufgrund der Verteilung der wenigen Brennvorgänge über das Jahr und des dabei entstehenden hohen Arbeitsaufwands wird das Brennen immer wieder auch als besonderes Ereignis in der Gemeinde gefeiert. 23 Gasbetriebener Herdwagenofen in der Keramikwerkstatt des Office of the Arts an der Harvard University.

24

25 Im Anagama-Brennofen der Buck Creek Pottery in Nelson County im US-Bundesstaat Virginia wird in einem einzigen Vorgang die gesamte Jahresproduktion gebrannt.

FERTIGUNGSPROZESSE

Industrielle Rollenöfen in einem für hohe Stückzahlen ausgelegten Werk.

Rollen- und Tunnelöfen werden häufig mit einer Reihe automatisierter oder robotergestützter Förderanlagen kombiniert und in auf große Stückzahlen ausgelegten Produktionsanlagen eingesetzt. Sie sind nur für bestimmte Anwendungen geeignet. So lässt sich die Produktion in einem Werk, dessen Brenntechnik für die Herstellung von flachen Fliesen ausgelegt ist, nicht ohne weiteres auf die Fertigung von Ziegeln umstellen. Tunnelöfen für den industriellen Einsatz haben einen hohen Platzbedarf und erstrecken sich häufig über die gesamte Länge sehr großer Werkshallen. Solche Industrieöfen unterscheiden sich wesentlich von den zuvor beschriebenen Ausführungen, da die keramischen Elemente hier eine Reihe von Brennzonen durchlaufen (25). Beim Brennvorgang kommt es auf das komplexe Gleichgewicht zwischen Erwärmung und Abkühlung an. Mit steigenden Produktionsmengen nimmt auch die technische Komplexität der Ofensteuerung zu. In den größten Werken werden für den Betrieb der Industrieöfen vollautomatische, computergesteuerte Systeme eingesetzt. Diese Systeme halten die Temperatur in jedem einzelnen Brennmodul des Langofens konstant, und die Brennplanung richtet sich nach der Geschwindigkeit, mit der die Keramikerzeugnisse den Tunnel durchlaufen. In nichtlinearen Öfen verbleiben die Keramikteile an ein und derselben Stelle, was durch Ein- und Auslagern von Produkten zu einer Reduzierung der Produktionsgeschwindigkeit führen kann. Öfen dieser Ausführung werden häufiger von kleineren Herstellern oder für Sonderteile eingesetzt. Ein typischer Brennplan umfasst eine Aufheizphase, in der die Temperaturen bis zur endgültigen Brenntemperatur („Kegeltemperatur“) angehoben werden. Der Begriff des „Kegels“ bezieht sich hierbei auf die Pyrometerkegel (Segerkegel, Ortonkegel, Bullers-Ringe), die zur Überprüfung der Temperaturmessung während mehrerer Brennzyklen in verschiedenen Bereichen des Ofeninnenraums dienen. Dabei schmelzen die einzelnen Kegel bei ihrer jeweiligen Auslegungstemperatur und erlauben so ein Ablesen der erreichten Temperatur (26). Nach der Aufheizphase verbleiben die Keramikerzeugnisse über einen festgelegten Zeitraum bei konstanter Brenntemperatur im Ofen und durchlaufen dann eine kontrollierte Abkühlungsphase (häufig deutlich länger als die Anfahrphase). Die Brennplanung dient der Minimierung der Verformung und der Abmilderung eines auf die gebrannten Teile einwirkenden thermischen Schocks. Plötzliche Temperaturschwankungen, wie sie beispielsweise beim Öffnen des Deckels eines Elektroofens bei Höchsttemperatur auftreten können, können zur Rissbildung oder zum vollständigen Bruch des keramischen Formteils führen. Moderne Ofenanlagen sind überwiegend mit einer digitalen Steuerung ausgerüstet. Bei Bedarf lässt sich der Ofen jedoch auch durch Sichtprüfung und Beobachtung des Vorgangs steuern (27).

26 Pyrometerkegel verformen sich bei einer bestimmten Temperatur und gewährleisten während des Brennvorgangs die vollständige Sinterung.

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27 1.300 C 1.200 C 1.100 C 1.000 C 900 C 800 C 700 C

Vitrifizierung

600 C 500 C 400 C 300 C 200 C

Ofenzone

100 C Keramikelemente 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15+

Beispiel einer Brennkurve für einen industriellen Rollenofen zur Herstellung von Porzellan elementen. In diesem Fall werden das Anfahren, die Sinterung und die Abkühlung über eine Abfolge von innerhalb der kontinuierlichen, linear angeordneten Anlage befindlichen Wärmezonen oder Öfen gesteuert.

Glasieren Bei auf mittlere bis hohe Stückzahlen ausgelegten Fertigungsprozessen ist die Glasur in der Regel bereits als Arbeitsschritt in die automatisierte Produktionsanlage integriert. Hierfür kommen verschiedene Verfahren in Frage. Weit verbreitet ist das Aufbringen einer kontinuierlich zugeführten Flüssigglasur, mit der die keramischen Elemente während ihres Durchlaufs durch die Fertigungsstraße beschichtet werden („Wasserfall“-Glasieranlagen). Hier lassen sich auch weitere Oberflächenqualitäten ergänzen, solange die Glasur noch nicht getrocknet ist – darunter Texturen und andere Muster, die auf Produktionsanlagen für die Massenfertigung durch eine Reihe von Relief- und anderen Rollen erzeugt werden (28). Auch das automatische oder manuelle Spritzglasieren kommt zum Einsatz. Robotergestützte Spritzglasieranlagen werden von einigen Herstellern von Sanitärkeramik, Fassadenelementen und anderen Erzeugnissen mit komplexer Geometrie verwendet. Glasuren werden gelegentlich auch per Hand aufgespritzt. Zum manuellen Auftragen von Glasuren und Strukturen in handwerklicher Qualität dienen häufig auch Bürsten oder Schwämme. Die neueste technische Errungenschaft in der Glasurtechnologie ist der hochauflösende Tintenstrahldruck, mit dem Pigmente direkt auf Fliesenoberflächen aufgedruckt werden. Solche Anlagen kommen bei mittleren bis hohen Stückzahlen zum Einsatz, und wenn Fliesen das Erscheinungsbild anderer Materialien annehmen sollen. So kann die Fliese mit Holzmaserungen oder einer Natursteinoptik bedruckt werden. Zudem gibt es bereits Anbieter für die individuelle Bedruckung – heute lassen sich herkömmliche Fliesen mit nahezu beliebigen Bildern oder Grafiken versehen. Die entsprechenden Technologien werden in den Fallstudien der Kapitel 8 bis 12 näher betrachtet. Nachbearbeitung In der industriellen Fertigung werden Keramikerzeugnisse zum Teil unterschiedlichen Nachbearbeitungsverfahren unterzogen. Bei Produkten im oberen Preissegment und größeren Formats erfolgen häufig Maßkorrekturen durch Abschleifen oder Zuschneiden der Kanten. Dabei durchlaufen gebrannte Keramikteile eine Reihe nacheinander angeordneter Schleifmaschinen, die mit Diamantscheiben Material an den Kanten abtragen. Auf diese Weise nachgearbeitete Produkte weisen eine rechtwinklige, gefaste oder verjüngte Kante auf und lassen sich mit extrem schmalen Mörtelfugen verlegen. Gelegentlich wird auch die Oberfläche in einem vergleichbaren schrittweisen Prozess abgeschliffen und poliert. Weitere Nachbearbeitungsschritte umfassen unter anderem einen zweiten Formgebungsprozess sowie Bohr- und Schneidevorgänge zur Herstellung von Sonderanfertigungen, Aufnahme von Befestigungsmitteln und Erfüllung anderer Anforderungen der Montage und des Einbaus. Bei den meisten aufgeklebten Anwendungen im Innenbereich erfolgt der Endzuschnitt im Rahmen von Öffnungen oder Rändern auf der Baustelle. Fassadenbauteile werden in der Regel im Werk so vorgeplant, dass Keramikelemente auf der Baustelle nicht mehr nachbearbeitet werden müssen.

FERTIGUNGSPROZESSE

28 Bei der Produktion keramischer Bodenfliesen dient eine Reihe von Rollen der Herstellung texturierter Glasureffekte.

29 Automatische Anlagen wie hier im Werk von Porcelanosa im spanischen Castellón werden für die industrielle Massenfertigung eingesetzt.

Verpackung und Distribution Die Distributionslogistik ist je nach Produktionsmenge unterschiedlich strukturiert. Bei vielen Massenherstellern ist die Verpackung automatisiert: Die Fliesen werden mit Industrierobotern in Kartons verpackt und nachfolgend über automatische Transporteinrichtungen in ein robotergesteuertes Lager befördert (29). So lassen sich für externe, weltweit tätige Distributoren (oder auch das eigene Händlernetz des Herstellers) individuelle Lieferungen zusammenstellen und automatisch palettieren. Über internationale Distributionsnetzwerke gelangen die Fliesen vom Hersteller zu Vertriebspartnern. In gewissem Umfang werden Produkte auch an Fertigteilhersteller geliefert, die Keramikerzeugnisse in vorgefertigte Bauteile für Fassaden und Dächer integrieren. Je kleiner die Gesamtzahl hergestellter identischer Artikel, desto größer der Anteil der manuellen Tätigkeit an der Verpackung. In handwerklich orientierten Betrieben mit kleinen Produktionsmengen, aber auch bei Herstellern individualisierter Fassadenelemente, erfolgt die Verpackung und Palettierung zum Großteil noch immer manuell, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme mechanischer Hebevorrichtungen. Projektspezifische Keramikelemente werden direkt an den Fassadenbauer versandt. Dieser Prozess umfasst häufig einen gewissen Grad der Vormontage im Werk und nachfolgend den Einbau auf der Baustelle.

39

KAPITEL 5

ANWENDUNGEN: INNENBEREICH

Verklebte Fliesensysteme In Innenräumen allgegenwärtig ist das vielleicht bekannteste Anwendungsbeispiel keramischer Materialsysteme: die Fliese, mit der an Wand und Boden widerstandsfähige Oberflächen geschaffen werden können. Als eine der ältesten Anwendungen von Keramik in Gebäuden ermöglichen Fliesen die Realisierung einer breiten Palette an Farbtönen und Oberflächeneffekten, in jüngster Zeit auch fotorealistische Nachbildungen anderer Werkstoffe wie Holz oder Naturstein sowie individualisierte grafische Dekorelemente. Kleinere Fliesenformate lassen sich auf einfache Weise mittels Klebung auch auf komplex geformten Oberflächen fixieren, wie beispielsweise in der Bibliothek im ungarischen Pécs (1). Oberflächenbeläge dieser Art bestehen aus Fliesen, die auf biegesteife Unterkonstruktionen aufgeklebt werden. Die dazwischenliegenden schmalen Fugen werden mit Mörtel verfüllt. Ihre Langlebigkeit, Reinigungsfreundlichkeit selbst nach strengsten Hygienestandards sowie allgemein ihre Widerstandsfähigkeit sind entscheidende Vorteile. Am weitesten verbreitet sind hier die Trockenpressung und die Extrusion, mit denen Fliesen in Abmessungen von 12 × 12 mm bis ca. 450 × 450 mm hergestellt werden. Kleine Fliesen in Größen von 12–50 mm werden üblicherweise als Mosaikfliesen bezeichnet und bereits im Werk auf ein Gitter aufgeklebt, um die Verlegezeit zu verkürzen. Das gesamte einzubauende Mosaikfliesenelement misst dann etwa 300 × 300 mm (2). 1 Vielfarbige Keramikfliesen bedecken die komplex geformte Oberfläche des „Bienenstocks“ im Gebäude einer Regionalbibliothek im ungarischen Pécs, entworfen vom Architekturbüro Török és Balázs Építészeti Kft.

Am anderen Ende der Skala finden sich neueste Entwicklungen in Richtung immer größerer Fliesen in Abmessungen von bis zu 1.500 × 3.000 mm und Stärken von nur 3–5 mm. Diese Produkte sind häufig mit Glasfasern verstärkt, die auf die Rückseite auflaminiert oder zwischen zwei Keramik-Außenschichten eingebracht werden. Dünne Fliesen lassen sich als auflaminierte Oberfläche von Möbeln oder als Wand- und Bodenbeläge nutzen und in einfach gekrümmten Bereichen verlegen. Von den Autoren durchgeführte Versuche zeigen, dass sich die Radien einer einfachen Krümmung für 3 mm dicke Fliesen an 3 m annähern können. Bereits vorhandene Fliesenbeläge lassen sich damit ohne wesentliche Erhöhung der Gesamtstärke des Bodenbelags überfliesen. Mit einer Biegefestigkeit von etwa 50 N/mm2 sind solche dünnen Erzeugnisse selbst für Fassaden mit ihren üblichen Windlasten geeignet. 2 1.500 mm

Wandfliesen werden in vielen Größen mit Kantenlängen von 12–3.600 mm hergestellt. Dabei sind rechteckige, aber auch viele andere Formen möglich.

3.600 mm

Fliesen werden meist in quadratischer oder rechteckiger Form hergestellt, darüber hinaus sind jedoch viele Sonderformen und -muster möglich. Weit überwiegend weisen Fliesen eine glatte Oberfläche auf; zudem werden reliefartige, konturierte und profilierte Ausführungen angeboten, die im Zusammenspiel mit der Beleuchtung aufgrund ihrer texturierten Oberfläche interessante Effekte erzeugen können. Mit Ausnahme der meisten großformatigen, dünnen Fliesen ist die Fliesenrückseite strukturiert, um einen wirksameren Verbund mit dem Fliesenkleber oder -mörtel herzustellen. Einfach oder doppelt abgerundete Kanten werden für Randbereiche sowie Hohlkehlfliesen oder besondere Sockelformate für Wand-Boden-Übergänge angeboten. Abgewinkelte Fliesen für Fensterbänke sollen für eine ausreichende Ableitung

3

des Wassers nach unten sorgen (3). Dreidimensionale Ausführungen dieser Art werden oft stranggepresst. Eine Übersicht der in den USA und Europa für Fliesen geltenden Normen1 findet sich in (4). Trockengepresste Fliesen sind in der Regel 3–11 mm dick, extrudierte Erzeugnisse weisen dagegen Stärken von 10–20 mm und darüber auf. Bei glatten Fliesen liegen die Maßtoleranzen in der Regel bei 0,5–2 % für die Gesamtgröße und die Ebenheit sowie bei 5–10 % für die Dicke.2 Die Breite der Mörtelfugen steht in direktem Zusammenhang zu den Maßtoleranzen: Üblich sind Fugenbreiten zwischen 1,5 und 6 mm. Fugen von 3 mm finden sich typischerweise bei vielen Flächen im Wohnbereich, auf denen industriell hergestellte, trockengepresste Fliesen verlegt sind. Die einschlägigen Normen regeln zahlreiche weitere Grenzwerte. Die Auswahl von Fliesen für Innenräume wird im Bodenbereich von wichtigen Eigenschaften wie ihrer Wasseraufnahme, Abrieb- und Rutschfestigkeit bestimmt. Die Wasseraufnahme ist von besonderer Bedeutung, wenn durchgefärbte, unglasierte Fliesen im Nassbereich verwendet werden oder eine Nassreinigung vorgesehen ist. Unglasierte Terracottafliesen weisen tendenziell die höchste Porosität und Wasseraufnahme auf; Porzellan und Steinzeug verfügen dagegen über eine höhere Dichte und damit größere Beständigkeit gegen das Eindringen von Flüssigkeiten. Für alle Bodenfliesen ist die Rutschfestigkeit ein entscheidendes Kriterium. Die genauen Anforderungen hängen vom Anwendungsbereich mit den dort üblicherweise einwirkenden Stoffen ab (beispielsweise Öl oder Chemikalien im industriellen Bereich, Wasser im Wohnbereich), des Weiteren vom typischen Sohlenprofil der von den Nutzern getragenen Schuhe.

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Besondere Formteile zur Verlegung in Eckbereichen und für zahlreiche weitere Anwendungen.

4

Europa

USA

Mindestbruchfestigkeit [N]

US Klassifizierung (ANSI A 137.1)

Absorptionsrate [Gew.-%]

Gefügedichte Fliese

< 0,5

Klassenbezeichnung (DIN EN 14411) Ia

Typische Brenntemperatur [°C]

Mindestbruchfestigkeit < 7,5 mm [N]

Mindestbruchfestigkeit > 7,5 mm [N]

Biegefestigkeit [N/mm2]

1200–1300

600

1.300

28 / 21

1150–1300

6

0

1.100

0

23 / 18

6

0

950

0

20 / 11

7

5

900

0

17.5 / 8.0

0,5

Durchschnittswert 1.110 Einzelwert 1.000

Steinzeugfliese (0,5–3 %)

1 2

Ib

3 4 Halbsteinzeugfliese (3–7 %)

5

IIa

6 7 8

Durchschnittswert 1.110 Einzelwert 440

Nichtsteinzeugfliese

(über 7 %)

9

IIb

10 > 10

III

950–1150

Prüfung: 4-Punkt-Biegeversuch

Fliesenklassifizierung in den USA und Europa. Die angegebenen Biegefestigkeiten sind Mindestwerte.

600

600

8.0 / 7.0 Prüfung: 3-Punkt-Balkenbiegeversuch erste Zahl: Mindestdurchschnittswert zweite Zahl: Mindesteinzelwert

Die Auswahl eines Produkts mit höherer Rutschfestigkeit führt in der Regel zu einem höheren Grad der Schmutzansammlung auf der Fliesenoberfläche. Die Fliesengröße und damit die Zahl der Mörtelfugen hat ebenfalls Einfluss auf die Rutschbeständigkeit des Fliesenbodens. Fugen führen fast immer zu einer geringfügigen Aufrauung mit zwangsläufig höherer Reibung. Auch hier ist ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Instandhaltung – Mörtelfugen sind tendenziell weniger schmutzbeständig und können das Eindringen von Wasser ermöglichen – und der Rutschfestigkeit zu finden. Ein häufig auf der Baustelle eingesetztes Verfahren zur Prüfung der Rutschbeständigkeit besteht in der Verwendung eines Pendelprüfgeräts (5). Dieses besteht aus einem schweren Pendel, dessen Bewegung sich verlangsamt, wenn sein Gummikopf (der eine Schuhsohle simuliert) auf der Fliesenoberfläche gleitet.3 Zudem stehen elektronische Geräte zur direkten Messung der Reibungsbeiwerte zur Verfügung. Im Labor wird häufig eine Prüfung durchgeführt, bei der eine Rampe mit veränderlichem Gefälle zum Einsatz kommt und eine Testperson die Rampe hinunterläuft, bis sie ausrutscht. Die Verlegung von Fliesen ist mit hohem Arbeitsaufwand verbunden. Sie macht einen großen Teil der Gesamtkosten von gefliesten Flächen aus (6). Auch aus diesem Grund werden Großfliesen mit entsprechend verkürzten Verlegezeiten zunehmend attraktiver. Bei der Herstellung von geklebten Fliesenflächen kommen viskose Kleber zum Einsatz, die auf einen biegesteifen Untergrund aufgebracht werden. In Nassbereichen kann zudem eine zusätzliche Membran – häufig aus Polyethylen – oder eine Imprägnierung erforderlich sein. Als Kleber sind relativ elastische Produkte auf Latexbasis verfügbar, die vorwiegend im Wohn- und gewerblichen Bereich mit niedriger Beanspruchung verwendet werden, darüber hinaus Zementmörtel für die Verlegung im Dünn- und Dickbettverfahren sowie Epoxidharzkleber. Bei Keramik mit höherem Absorptionsvermögen können trocken abbindende Klebemörtel erforderlich sein.

5 Die Pendelprüfung zur Ermittlung der Rutschfestigkeit kann nach Verlegung der Fliesen durchgeführt werden. Die Mikroskop-Aufnahme zeigt das Bild einer glatten, glasierten Fliese mit mittlerer Oberflächenrauigkeit.

ANWENDUNGEN: INNENBEREICH

6 Beim Einbau von Fliesen kommt es ganz auf das handwerkliche Geschick des Fliesenlegers an. Jede einzelne Fliese wird sorgfältig im geglätteten Mörteloder Kleberbett verlegt. Nach Erhärtung des Klebers werden die Fugen verfüllt und die Fliesenoberfläche mit einem Schwamm von Rückständen gesäubert.

Ein relativ neues Verfahren zur Verklebung von Fliesen besteht in der Verwendung von mit Kleber beschichteten Gittern, die berührtrocken sind und eine schnelle Verlegung ermöglichen. Nach dem Aufkleben der Fliesen und Trocknen des Klebers kann mit der Verfugung begonnen werden. Das Bausystem aus Fliesen und Kleber wird durch Materialien für die Fugenverfüllung vervollständigt.4 Hierfür stehen zementgebundene (gesandete und nichtgesandete) Mörtel, Acryl-Fugenmassen und Epoxidharze zur Verfügung. Für unglasierte, stark saugende Fliesen sind Acryl-Fugenmassen keine optimale Lösung, da sich Rückstände der Fugenmasse nur schwer von der Oberfläche entfernen lassen. Insgesamt wird das Farbbild wesentlich von der Farbe der Fugenmasse bestimmt; dies gilt insbesondere für Flächen, auf denen Mosaikfliesen verlegt sind. Mechanisch montierte Fliesen In jüngerer Zeit gewinnen auch Systeme für die Trockenverlegung glatter Fliesen auf Flächen in Innenräumen an Bedeutung. Hierfür wurden mechanische Verbindungen entwickelt, um den zeit- und arbeitsaufwendigen Vorgang des Fliesenklebens auf der Baustelle abzukürzen und die Möglichkeit zu schaffen, Fliesen auch in Räumen mit häufiger Umgestaltung – beispielsweise in Bürogebäuden – wiederzuverwenden. Mit mechanischen Mitteln befestigte Fliesen kommen unter anderem für Hohlraumböden zum Einsatz. Hierbei werden dicke Fliesen unmittelbar auf eine erhöhte Unterkonstruktion aufgelegt oder auf eine biegesteife Unterlage aufgeklebt, die wiederum auf fest eingestellten oder höhenverstellbaren Füßen ruht. In manchen Fällen dienen auch zusätzliche Trägerelemente der Abstützung der Randbereiche solcher erhöht angeordneter Bauteile. Gegenüber dem Klebeverfahren ergeben sich deutlich kürzere Verlegezeiten; zudem sind die Fliesenböden bereits unmittelbar nach der Verlegung begehbar. Darüber hinaus kann eine einfache Demontage unter dem Gesichtspunkt der Wiederverwendung der Fliesen nach dem Ende ihrer Nutzungsdauer von Vorteil sein (7). Derzeit werden Forschungsprojekte zum Einsatz von Elastomer-Zwischenschichten zwischen Fliesen und biegesteifen Unterlagen durchgeführt, die jedoch noch nicht zu marktfähigen Produkten geführt haben. Dabei ersetzt die Zwischenschicht den Fliesenkleber, und ein in den Fliesenfugen angeordnetes Dichtungsprofil sorgt für einen gleichmäßigen Verlegeabstand (8). Mechanische Verbindungssysteme, die aus ursprünglich für den Außenbereich entwickelten Systemen abgeleitet wurden, sind zweifellos gut geeignet für solche Keramikbekleidungen in Innenräumen. Ein Beispiel hierfür ist das vom New Yorker Büro Ennead Architects entworfene Gebäude des National Museum of American Jewish History in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania. In diesem Fall wurde am gesamten Gebäude ein einheitliches System verwendet, jedoch unter Weglassung der Dichtungsprofile in den Fugen im Innenbereich (9). Zur Ausbildung glatter Eckdetails wurden einige extrudierte Formteile gebogen. Zudem lassen sich mechanische Verbindungen als fester Bestandteil des keramischen Elements selbst planen. Abbildung (10) zeigt ein vom spanischen Architekten Francisco Mangado

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7 Mechanisch fixierte Fliese für einen Hohlraumboden. Der Verzicht auf Fliesenkleber ermöglicht die einfache Wiederverwendung in häufig umgestalteten Bürobereichen.

8 Das prototypische Fliesensystem für die Trockenverlegung besteht aus speziell konturierten Fliesenkanten, die an einer Elastomerdichtung anliegen, so dass ein fester Sitz und regelmäßiger Abstand zwischen den Fliesen gewährleistet ist.

entwickeltes stranggepresstes Formteil. Sein Design umfasst ein scharnierförmiges Element, das die einzelnen Teile zu einem geschlossenen, stabilen Netzwerk verbindet. Nach Anbringung einer Kantenverstärkung kann das Gesamtelement als optisch komplexer Raumteiler im Innenbereich dienen. Sanitärkeramik Glasiertes Porzellan findet auch heute noch breite Anwendung für die Herstellung von Waschtischen, WC-Becken, Urinalen und ähnlichen Produkten. Die verwendeten PorzellanTonmassen verfügen über eine hohe Festigkeit; die eingesetzten Glasursysteme sorgen für eine wasserbeständige, relativ kratzfeste Außenfläche. Höherwertige Sanitärkeramik verfügt über durchgehend glasierte Oberflächen, die sich selbst in nicht sichtbaren Bereichen einfacher reinigen lassen. Bei preisgünstigeren Ausführungen finden sich dagegen gelegentlich unglasierte Bereiche mit möglicher Wassereinwirkung. Sanitärkeramikerzeugnisse sind Massenprodukte, die in der Regel im Schlickergießverfahren in Gips- oder Polymerformen 9 Bekleidungssystem aus extrudierter Keramik in prominenter Anordnung im Innenraum des National Museum of American Jewish History. Der eigens hergestellte warme Terracottafarbton kontrastiert mit der kühleren, „technischen“ Materialität der Gebäudehülle aus Stahl und Glas.

ANWENDUNGEN: INNENBEREICH

10 Die miteinander verbundenen extrudierten Steinzeug-Formteile für diesen Raumteiler-Prototypen erinnern an ein Strickmuster. Die Herstellung des am Formteil befindlichen scharnierförmigen Verbinders lässt sich auf einfache Weise in den Ablauf der Extrusion integrieren.

hergestellt werden. Dieser Prozess ist vor allem für abgerundete Formen geeignet, scharfkantige Ausführungen lassen sich damit kaum fertigen. Auch die Erzielung einer ausreichenden Ebenheit von großen Flächen ist schwierig. Das Kapitel über Produkte und Technologien am Ende dieses Buchs stellt ein kürzlich realisiertes Beispiel vor, das als Ausnahme von dieser Regel gelten kann. Trotz der zunehmenden Automatisierung der Produktion sind manuelle Arbeitsgänge in der Fertigung noch immer von herausragender Bedeutung. Dies umfasst auch im Werk durchgeführte Qualitätskontrollen wie die Prüfung der Oberfläche mit einem Gummihammer. Dabei erkennt der Fachmann die Rissfreiheit des Produkts an einem hellen, glockenähnlichen Klang. Sanitärkeramik wird nur in seltenen Fällen in individualisierter Form gefertigt, kann jedoch auf Wunsch durchaus kundenspezifisch konzipiert werden. Dies gilt insbesondere für Keramikkonsolen mit eingelassenen Waschtischen. Diese lassen sich aus herkömmlichen glatten, auf Maß zugeschnittenen Fliesen herstellen, die auf eine biegesteife Unterkonstruktion aufgeklebt werden. Selbst individuell gefertigte extrudierte Formteile sind hierfür geeignet; in diesem Fall werden die erforderlichen Öffnungen bereits im Werk nach Planvorgaben hergestellt (11).

11

ANMERKUNGEN 1

ANSI 137.1 und DIN EN 14411.

2 DIN EN 14411. In dieser und in anderen Normen sind zahlreiche weitere Toleranzen geregelt. Dabei wird meist zwischen Höchst- und Durchschnittswerten unterschieden. So sollten Erzeugnisse mit einer bei Länge und Breite zulässigen Höchsttoleranz von 2 % eine durchschnittliche Abweichung von maximal 1,5 % aufweisen. 3 Einschlägige Normen sind unter anderem ANSI A137.1 und ASTM E 303 (USA) sowie DIN EN 1308 (Europa).

Die Öffnungen für die eingelassenen Waschtische und die Mischbatterien wurden mit CNC-Maschinen in die im Extrusionsverfahren maßgefertigte Terracottakonsole eingefräst.

4 Weitere Ausführungen finden sich in der einschlägigen Fachliteratur, darunter Garrison, E. (Ed.). The Graphic Standards Guide to Architectural Finishes. Hoboken: John Wiley & Sons, 2002.

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KAPITEL 6

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH

Keramiksysteme für den Außenbereich nutzen die traditionellen Vorteile des Baustoffs: Wasserbeständigkeit, Dauerhaftigkeit und Variantenreichtum in der Oberflächengestaltung. Dabei unterliegen sie jedoch einer weit stärkeren Beanspruchung als viele Anwendungen in Innenräumen (1). Bodenbeläge, Fassaden, Verschattungs- und Sichtschutzelemente sowie Bedachungen sind im Außenbereich der Witterung und Verschmutzung ausgesetzt und unterliegen weiteren Einflüssen aus ihrer Umgebung und aufgrund der Nutzung durch den Menschen. Bei richtiger Planung und Installation können keramische Bauteile sehr langlebig und widerstandsfähig sein. Ungeeignete Kombinationen von Glasur, Tonmasse, Kleber, Mörtel oder Fugenmasse können jedoch zu Schadensfällen durch eindringendes Wasser führen– diese sind insbesondere in Klimazonen mit häufigen Frost-Tau-Wechseln problematisch. In diesem Fall kann sich der Zustand keramischer Materialsysteme rasch verschlechtern. Die Keramikindustrie hat diese Herausforderungen bereits vor langer Zeit erkannt und in Best-Practice-Empfehlungen umgesetzt, die in den einschlägigen Normen und Regelwerken enthalten sind. Dieses Kapitel stellt die für Anwendungen im Außenbereich geltenden Grundsätze und Vorgehensweisen im Überblick dar. Weitere Informationen finden sich in der entsprechenden Fachliteratur und in Publikationen der Branchenverbände, darunter des Tile Council of North America, der britischen Tile Association, des Fachverbands Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e. V. in Deutschland sowie der nationalen Vereinigungen anderer Länder. 1 Die niederländische Elfstedenmonument-Brücke ist mit handelsüblichen glatten Fliesen belegt, die auf die Betonkonstruktion aufgeklebt wurden. Dabei arbeiteten die Künstler Bas Lugthart und Maree Blok mit dem Keramikhersteller Royal Tichelaar Makkum zusammen, um ein Mosaik herzustellen, bei dem jede einzelne Fliese aus dem Bild eines Teilnehmers am jährlichen Schlittschuh-Rennen besteht.

Verbundfassaden mit aufgeklebten Fliesen Fassadenbekleidungen aus Keramik dienen als unmittelbare optische und haptische Schnittstelle zwischen dem Gebäude, seiner Umgebung und dem Betrachter. Mit Keramikfassaden lassen sich unterschiedlichste ästhetische Qualitäten und Ausdrucksformen realisieren. Aus rein funktionaler Sicht ist eine Unterscheidung nach monolithischen Wänden mit Barrierefunktion (mit oder ohne Außendämmung), zweischaligen Wänden und hinterlüfteten Fassaden mit Druckausgleich sinnvoll. Die Klassifizierung von Anwendungen im Außenbereich wird zum Teil bestimmt von den Verfahren, die bei der Befestigung des Elements auf der Unterkonstruktion zum Einsatz kommen. Hier wird in der Regel unterschieden nach aufgeklebten (Verbund-) und mechanisch fixierten Keramiksystemen.

2a

2b

2c 2a/b: Traditionelles japanisches Gebäude mit einer Fassade aus durchgefärbten Fliesen. Die Mörtelfuge erhält durch eine nach außen ragende Verdickung eine plastische Gestalt. 2c: Komplexe, vielfarbige Keramikflächen eines traditionellen Pubs in der irischen Hauptstadt Dublin.

3 Die weißen Betonfertigteiltafeln der Fassade des vom Architekten Ramón Esteve entworfenen Gymnasiums Jaume I im spanischen Valencia werden durch leuchtend gefärbte, geflieste Innenhöfe akzentuiert.

Zu den bei weitem ältesten Anwendungen keramischer Fassaden gehören Fliesen oder Kacheln ohne tragende Funktion, die auf eine biegesteife Unterkonstruktion aufgebracht werden. Das Interesse an dieser Bauweise ist heute geringer, was unter anderem auf befürchtete Ablösungen vom Untergrund und das Erfordernis diffusionsoffener äußerer Fassadenschichten zurückzuführen ist. Eine ganze Reihe aussagekräftiger historischer Beispiele haben sich jedoch bis zum heutigen Tag erhalten (2). In vielen asiatischen Städten bestimmt diese Art von Fassaden nach wie vor das Bild – trotz ihrer in manchen Fällen alles andere als attraktiven Gestaltung haben sie sich als sehr langlebig erwiesen. Dabei ist sowohl der Einbau auf der Baustelle als auch eine Vorfertigung auf biegesteifen Platten – häufig Betonfertigteile – möglich. Zusätzlich erweitern lässt sich der Variantenreichtum im Entwurf durch die Vielzahl an verfügbaren Glasuren für die Oberflächenbehandlung (3). Die derzeit gebräuchlichen Fliesenabmessungen ermöglichen das Aufkleben großer Platten bis etwa 900–1.200 mm Kantenlänge. Hierfür kommen häufig Zementmörtel zum Einsatz. Aber auch kleinere Formate spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Bei Fassaden mit aufgeklebten Fliesen liegt die Fugenbreite bei allen gegen eindringendes Wasser abgedichteten Fliesen bei etwa 5 mm. Es sind Dehnfugen von 8–10 mm so vorzusehen, dass die jeweilige geflieste Fläche nicht größer als 12–16 m2 ist. Bei der Verteilung der Dehnfugen sind mögliche Maß- und Formänderungen des Untergrunds zu berücksichtigen, also auch Veränderungen des Materialgefüges und der Geometrie, zudem vorhandene konstruktive Bauteile wie Decken und Stützen. Das Fugenmuster ist unter Einberechnung von Bautoleranzen sorgfältig zu planen, wobei auch die an der Fassade vorhandenen zahlreichen Durchbrüche und sonstigen geometrischen Merkmale zu beachten sind. Außer bei sehr kleinen Abmessungen werden zur sicheren Fixierung der Fliesen nicht nur Kleber, sondern in der Regel auch Metallankersysteme verwendet. Die Anker bieten Schutz vor Abplatzungen; sie werden meist in entlang der Fliesenkante oder auf der Rückseite verlaufende Schlitze eingeführt und sind so nach der Verfugung nicht mehr sichtbar (4).

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4

Wie bereits ausgeführt, ist stets auf einen Schutz vor eindringendem Wasser zu achten. Insbesondere glasierte Fliesen können so ausgeschrieben werden, dass sie beständig gegen eindringendes Wasser sind. Fugen bieten dennoch weiterhin mögliche Angriffspunkte, denn die Annahme, dass die mit der Verlegung betrauten Mitarbeiter auf einer ausgedehnten Fläche vollständig dichte Mörtelfugen herstellen, ist recht realitätsfern. Selbst bei mängelfreiem Einbau können sich in bestimmten Mörteln (insbesondere Zementmörteln) im Lauf der Zeit Risse bilden, die das Risiko des Eindringens von Wasser erhöhen. Fassaden mit aufgeklebten Fliesen erfordern also einen gewissen Instandhaltungsaufwand. Auch aus diesem Grund haben sie in manchen Regionen an Attraktivität verloren. Im Vergleich zu Zementmörtel bieten Epoxidharz- oder Silikon-/Polyurethan-Fugenmassen eine höhere Wasserdichtigkeit, sind jedoch kontinuierlich zu überwachen und bei Bedarf instandzusetzen. Für Dehnfugen werden in der Regel Massen auf Silikonbasis eingesetzt, die ihre Elastizität auch langfristig nicht verlieren. Aufgeklebte Fliesen erfordern einen sorgfältig vorbereiteten, glatten und ebenen Untergrund. Dabei werden Ziegel- und Betonwände traditionell bevorzugt, insbesondere in Europa und

An Verbundfassaden mit aufgeklebten Fliesen sorgen Edelstahlanker für zusätzliche Stabilität.

Asien. Die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Keramik sind in ihrer Größenordnung mit denen von Mauerwerk oder Beton vergleichbar und liegen im Bereich zwischen 5 x 10-5 und 8 x 10 -6. So lässt sich dauerhaft ein wirksamer Verbund herstellen. Im Stahlbau werden in Nordamerika Fliesen oder Kacheln häufig auf biegesteife Bauplatten aufgebracht, die durch Ständerwandsysteme aus Metall getragen werden. Dadurch entstehen tragfähige, recht ebene Untergründe mit hoher Maßhaltigkeit. Eine weitere, jedoch selten genutzte Möglichkeit besteht in der Kombination aufgeklebter Fliesen mit Bausystemen aus Holz. Diese Bauweise erfordert den Einsatz zementgebundener Bauplatten, die mit der Holzkonstruktion verbunden sind und als Untergrund für die Befestigung der Fliesen dienen. Keramikfliesen lassen sich auch auf außenliegende Dämmsysteme aufbringen. Diese kommen in Europa häufig zum Einsatz und finden derzeit auch wachsende Verbreitung in den USA. Das erhebliche Gewicht der übereinanderliegenden Schichten aus Putz, Drahtgeflecht, Kleber und Fliesen erfordert biegesteife Rückverankerungssysteme aus Edelstahl, welche die einwirkenden Schubkräfte von der äußeren, biegesteifen Schicht durch die diffusionsoffene Dämmung in die tragende Wand einleiten. Bestimmte Untergründe sind für das Aufkleben von Fliesen eher ungeeignet. Dies gilt unter anderem für Stahl, dessen Einsatz für diesen Zweck in der Regel nicht empfohlen wird, da in diesem Fall eindringendes Wasser zur Korrosion und Ausdehnung und damit zur raschen Ablösung der Fliesen führt. Metalle wie beispielsweise Aluminium heizen sich rasch auf, und ihre Ausdehnung und Schrumpfung ist um den Faktor 3 bis 5 größer als die von Keramikfliesen, was auch hier zu ähnlichen Problemen der Ablösung führt. Im Innenbereich ist das Aufbringen der Keramikelemente auf Metalloberflächen jedoch oft eine gut funktionierende Lösung; dies gilt insbesondere in trockenen Bereichen. Auf Fassaden mit aufgeklebten Fliesen finden sich überwiegend einschichtige Keramikelemente, aber auch extrudierte Hohlkörper und andere Formteile, die sich auf dem Untergrund fixieren lassen. Extrudierte Erzeugnisse werden häufiger für hinterlüftete Fassaden eingesetzt, bieten jedoch durchaus auch Vorteile bei der Verbundbauweise. So lässt sich der Hohlraum des extrudierten Keramikelements auch unter ökologischen Gesichtspunkten nutzen. Dieses Konzept ist beispielsweise ablesbar an den für einen von Paredes Pedrosa Arquitectos entworfenen Kindergarten im spanischen Gandía entwickelten Fassadenfliesen (5). Hier wurden die eigens geplanten und kundenindividuell gefertigten Keramikplatten mit Zementmörtel auf einer Mauerwerkswand fixiert und durch eine innenliegende Wärmedämmung ergänzt. Die Luft kann im Hohlraum des extrudierten Elements zirkulieren und so die Wärme während der heißen Sommermonate zum Teil ableiten. So leistet die Bauweise einen kleinen Beitrag zur Regulierung der Innentemperatur, wobei zur Erleichterung der Luftzirkulation die horizontalen Fugen offen belassen wurden.

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH

5 Die extrudierten Hohlkörper für den von der Architektin Angela Paredes entworfenen Kindergarten im spanischen Gandía werden nach dem Brennen geteilt und dienen als Elemente für die hinterlüftete Fassade (Rohrform) und die Bedachung (ebene Form). Die Fassadenfliesen sind mit einer Mauerwerksschicht verbunden, welche die Stahlkonstruktion umgibt. 1 – Hinterlüftete Keramikfliese 2 – Mauerwerksuntergrund 3 – Bedachung aus weißen Keramikziegeln 4 – Tragende Dachplatte aus Beton 5 – Metallkonstruktion 6 – Metallgitter

5

2 1

6

S1

3

4

1

0

2

0,25

1

5

6

0,50 m

6, 7 Extrudierte Keramikelemente werden mechanisch in eine Aluminium-Unterkonstruktion eingehängt. Die Gliederung der Tafeln bleibt sichtbar und ist bei der Oberflächenplanung zu berücksichtigen. Mit der für die extrudierten Fliesen beim Projekt Aragonia in der spanischen Stadt Zaragoza verwendeten blauen Glasur „Muel“ erinnert der Architekt Rafael Moneo an die blauen Keramikfliesen, die unter der arabischen Regentschaft im Mittelalter nach Spanien gelangten.

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Hinterlüftete Fassaden Bei dieser Bauweise schützt eine außenliegende, vorgehängte Keramikebene den belüfteten, druckausgeglichenen Hohlraum und eine Dämmschicht vor direkter Sonneneinstrahlung und Regeneinwirkung. Dabei kann die Luft auf beiden Seiten der Keramikverkleidungen frei zirkulieren. Diese dient im Gegensatz zur Verbundfassade mit aufgeklebten Fliesen lediglich als erste Schutzebene gegen Feuchtigkeit, ist aber diffusionsoffen. Sollte dennoch Wasser durch die äußere Keramikschicht eindringen, so kann es im Lauf der Zeit durch den belüfteten Hohlraum trocknen. So lässt sich das bei manchen historischen Terracottafassaden aufgetretene Problem des Eindringens von Feuchtigkeit elegant lösen. Bei hinterlüfteten Fassaden wird das keramische Bausystem von der Außenwand mechanisch entkoppelt (6). Hinterlüftete Fassaden gelten heute bei keramischen Bekleidungssystemen als Stand der Technik. Hierfür stehen unterschiedlichste keramische Bauteile zur Verfügung, die jeweils spezifische Eigenschaften im Hinblick auf Oberflächenqualität, Dauerhaftigkeit und Detailausbildung aufweisen (7). Alle Systeme umfassen die eigentlichen Verkleidungselemente, eine Unterkonstruktion aus Metall, bei Bedarf auch Dichtungsprofile sowie die Verbindungsmittel zwischen der Bekleidung und den anderen Teilen der Gebäudehülle (8). 8 Typisches Fassadensystem aus im Pressverfahren hergestellten Fliesen mit AluminiumUnterkonstruktion und Edelstahlankern.

In der warmen Jahreszeit mit hoher Sonneneinstrahlung leiten die keramischen Bauteile die Wärme in den Hohlraum, was im Inneren für eine Kaminwirkung sorgen kann. Bei korrekter Ausführung strömt dann Luft aus den niedriger gelegenen Bereichen ein und entweicht über Öffnungen auf der Oberseite. Einen weiteren Beitrag zur Luftzirkulation leisten offene Fugen zwischen den Keramikelementen. Für diese Bauweise beispielhafte Gebäude wie der Pavillon Patio 2.12 (siehe Kapitel 10) nutzen auf der Innenseite einer belüfteten Keramikfassade erfolgreich das Prinzip der Verdunstungskühlung. Verkleidungselemente aus Keramik sind für dieses System besonders gut geeignet, da sich die Tonmasse so anpassen lässt, dass sie mit nur geringer mechanischer Unterstützung der Lüftung Wasser aufnehmen und abgeben kann. Auch kommt es langfristig nicht zur Beschädigung der keramischen Bauteile durch Feuchtigkeit, sofern Schimmelbildung, z. B. durch Beschichtungen, vermieden wird. Simulationen zeigen, dass im gemäßigten südeuropäischen Klima bei der Kühlung Energieeinsparungen von bis zu 25 % möglich sind. In der kalten Jahreszeit ist die thermische Wirkung des Luftzwischenraums nur minimal und kann sich sogar nachteilig auswirken, da sich die Außenluft unmittelbar neben der Gebäudedämmung befindet. Unter diesem Gesichtspunkt interessant sind Anwendungsfälle hinterlüfteter Fassaden in gemäßigten Klimazonen, beispielsweise in Südeuropa. Hier zeigen Studien, dass die Wärmerückgewinnung aus der im Hohlraum vorhandenen vorgewärmten Außenluft gegenüber einer nicht hinterlüfteten Fassade zu einer Reduzierung des Heizenergiebedarfs von bis zu 76 % führen kann (9).1 In Ländern mit strikten Mindestvorgaben für die Dämmung der Gebäudehülle kann dies anders ausfallen. Am häufigsten kommen extrudierte Erzeugnisse – Hohlkörper oder einschichtige Produkte – zum Einsatz, darüber hinaus auch im Trockenpressverfahren hergestellte Fliesen. Extrudierte Hohlkörper weisen in der Regel eine Dicke von 20–40 mm auf und lassen sich entweder

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH

9 Energieverbrauch [kWh/m2 ]

Simulationsstudie mit dem Nachweis, dass sich durch die Reduzierung des Luftstroms im belüfteten Hohlraum in der Heizperiode in gemäßigten Klima­ zonen (wie in Südeuropa) Energieein­ sparungen erzielen lassen.

50

Standardfassade Standard Facade Hinterlüftete Fassade (HF)

25

Ventilated HF Facade (VF) + Verdunstungskühlung

VF + Evaporative Cooling HF + Wärmerückgewinnung VF + Heat Recovery 10

Heating = Heizung Cooling = Kühlung

Heizung

Kühlung

Burgos

Heizung

Kühlung

Sevilla

horizontal (die häufigere Variante) oder vertikal anordnen. Die Höhe der Erzeugnisse liegt meist zwischen 150 und 1.000 mm, die Länge beträgt bis zu 3.000 mm, das Eigengewicht rund 55–65 kg/m2. Auch einschichtige, 14–20 mm dicke extrudierte Elemente werden verwendet; diese weisen ein kleineres Format und ein niedrigeres Eigengewicht ab etwa 30–32 kg/m2 auf. Weit verbreitet sind rote Tonmassen, die einen warmen, erdigen Farbton ergeben. Vielfach wird Steinzeug eingesetzt. Beide Massen lassen sich glasieren, wodurch sich erstaunlich vielgestaltige Effekte erzeugen lassen. Die Biegefestigkeit liegt in der Regel zwischen 13 und 20 N/mm². Architekten und Planer können aus einer relativ großen Zahl von Profilen wählen. Zudem lassen sich in Kooperation mit Herstellern Profile nach Kundenwunsch entwickeln. Die waage­ rechten Fugen sind dabei in der Regel so auszubilden, dass sie das Regenwasser nach außen ableiten. Schmale vertikale Stoßfugen zwischen benachbarten Keramikelementen werden offen belassen, sind jedoch nur wenige Millimeter breit und ermöglichen damit kein Eindrin­ gen von Wasser in größerem Umfang.2 In die Rückseiten keramischer Fassadenelemente sind vielfach Nuten oder Schlitze eingelassen, die das Einhängen in Aluminium­Unterkon­ struktionen ermöglichen. Fassadenelemente verbleiben bereits aufgrund ihres Eigenge­ wichts in ihrer Einbaulage, und bei der Mehrzahl der Systeme lassen sich Elemente bei lokal begrenztem Schadensbild einzeln austauschen. Eine ganze Reihe von Unternehmen liefert Fassaden­Komplettsysteme als Bausatz. Einige Hersteller bieten extrudierte Stan­ dard­Keramikelemente an, andere dagegen lediglich eine genormte Unterkonstruktion mit eigens entwickelten Verbindungssystemen. In letzterem Fall obliegt die Gestaltung der Ext­ rusionsmatrize dem Designer in enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller. Die Planung einer individuellen Fassade aus extrudierten Elementen lässt sich in der Regel auf wirtschaftlich tragfähige Weise realisieren, mit Ausnahme von Kleinstprojekten, bei denen sich die Kosten der eigens gefertigten Matrize durch die Produktionsmengen nicht wieder einspielen las­ sen. Im Jahr 2013 wurden für einfache Extrusionsmatrizen Preise ab 2.000 Euro aufgerufen; der erhebliche Zeitaufwand für die Entwicklung und Konstruktion war darin jedoch noch nicht enthalten3. Im Fallbeispiel des Gebäudes der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ist dieser Prozess ausführlicher dargestellt (siehe Kapitel 11). In einem typischen Projekt sind mehrere Matrizen ebenso wie Sonderbauteile erforder­ lich, die sich in einer Kombination verschiedener Verfahren (Extrusion, Feuchtpressen oder Schlickergießen) herstellen lassen. Gekrümmte Bauteile lassen sich durch Senken (Slumping) ebener extrudierter Elemente über Gipsformen fertigen. Für Ecklösungen kommen in engen Radien gebogene Formteile sowie mit Epoxidharzen aufgeklebte, auf Gehrung geschnittene Eckelemente in Frage. Darüber hinaus können Eckbereiche auch offen mit akzentuierten Metall­ oder anderen Profilen gestaltet werden (10).

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10

Im Werk aufgeklebte, geschlossene Ecklösungen mit Epoxidharz-Fugen sowie in engen Radien gekrümmte, zur Herstellung einer glatten Oberfläche manuell nachbearbeitete Formteile.

Anstelle extrudierter Profile können auch ebene, trockengepresste Fliesen eingesetzt werden. In diesem Fall sind die Keramikerzeugnisse üblicherweise dünner (7–11 mm) und ihr Format häufig größer als bei Fliesen, die auf Verbundfassaden zum Einsatz kommen. Auch hier verwendet man Unterkonstruktionen aus Aluminium, mit denen die Fliesen mechanisch über schmale, an den Kanten oder auf der Rückseite verlaufende Schlitze verbunden werden. Um diese Verbindungselemente zu verbergen, lassen sich Metallklemmen mit Epoxidharz auf die Keramikplatten aufbringen oder sintern. Die Keramikelemente werden nachfolgend mechanisch auf der Unterkonstruktion fixiert. Im Gegensatz zu den offenen Fugen von Keramikfassaden mit extrudierten Elementen können die Fugen flacher Keramikplatten auch verfüllt werden. Luftein- und -auslässe sind in der Regel im unteren und oberen Randbereich der jeweiligen Fassadenfläche angeordnet. Sonderanfertigungen hinterlüfteter Keramikfassaden können auch aus extrem großformatigen Fliesen bestehen, die normalerweise eher im Innenbereich zum Einsatz kommen. Dabei werden zwei dünne Schichten von etwa 3–5 mm über eine etwa 0,5 mm dicke Glasfasermatte miteinander verbunden. Diese schlanken, flächigen Bauteile erfordern lineare Abstützungen mittels Unterkonstruktionen aus Aluminium. Diese werden auf der Rückseite angeordnet, um die Ebenheit der Konstruktion so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.

11

Mit diesen dünnen Keramikplatten lassen sich auch leichte, einfache Krümmungen erzielen. 1 2 3 4

Eine besondere Bauweise wurde für Fassaden mit Außendämmung und einer Dämmstärke von bis zu 190 mm entwickelt. Dabei wird eine stark strukturierte Matte auf der Außendämmung fixiert und nachfolgend vor dem Aufbringen der Fliesen mit mehreren Schichten

5

Putz, Drahtgeflecht und Kleber versehen. Diese Matte ermöglicht auf engstem Raum die

6

Luftzirkulation zwischen der Dämmung und den für Stabilität sorgenden Schichten aus Putz

7 8

und Drahtgeflecht. Sie wird zusammen mit den aufgeklebten Fliesen durch die Dämmung in einer tragenden Fassadenwand mechanisch verankert. Es entsteht ein Luftspalt von etwa 15–20 mm, der für eine wirksame Ableitung der Feuchtigkeit sorgt (11). Verschattungs- und Sichtschutzelemente

Spezielle konturierte Zwischenschichten von CeraVent können bei Keramikfassaden mit Außendämmung für die erforderliche Belüftung sorgen. 1 – Wand 2 – Wärmedämmung 3 – Klebeschicht 4 – Wanddübelsystem 5 – Eigens entwickelte Lüftungsmatte 6 – Mattenbewehrung 7 – Kleber 8 – Keramikfliese

Eine logische Ableitung aus hinterlüfteten Fassaden stellen Blendelemente dar, die der Verschattung oder dem Sichtschutz dienen. Eine hierfür typische Lösung ist die Verwendung extrudierter Hohlkörperelemente, die häufig einen kreisförmigen, quadratischen („Baguettes“), rechteckigen oder elliptischen Querschnitt aufweisen (12). Darüber hinaus sind zahlreiche objektspezifisch geplante und gefertigte Sonderquerschnitte möglich (siehe Fallstudie des Israel Museum in Kapitel 10). Die Elemente lassen sich horizontal oder vertikal anordnen. Zur Unterstützung der Biegefestigkeit der Keramik können Aluminiumprofile oder Stahlrohre in die Keramikelemente integriert werden. In horizontaler Richtung überschreitet die Bauteillänge nur selten 1 m, doch können mehrere Elemente hintereinander auf den Metallkernen montiert werden, um Gesamtlängen von 2,5 m oder darüber zu erzielen. Die vertikale Spannweite kann sich so ohne weiteres über eine volle Geschosshöhe erstrecken.

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH

12 Standard-Sonnenschutzlamellen lassen sich mit anderen Systembauteilen kombinieren, darunter durchbrochene Elemente.

Für Verschattungs- und Sichtschutzelemente kommen häufig rote Tonmassen zum Einsatz, die gelegentlich auch mit Pigmenten eingefärbt oder glasiert werden. In Ausnahmefällen bedient man sich auch der technischen Keramik, wie beispielsweise beim New York Times Building in New York. Aus den Annahmen für Wind- und Erdbebenlasten ergaben sich Beschränkungen, auf die der Entwurf mit der Entscheidung für rohrförmige Keramikelemente reagiert, wie sie üblicherweise als Ofenrollen zur Herstellung keramischer Wasserleitungsrohre zum Einsatz kommen. Die Rohre bestehen aus Aluminiumsilikaten (Al2O3 60 %, SiO2 35 %, K 2O 3 %) und wurden zur Verhinderung von Schmutzansammlungen mit einer Glasur versehen (13). 13 Bei dem von Renzo Piano entworfenen New York Times Building wurden an einem Hochhaus erstmals Sonnenschutzelemente aus Keramik eingesetzt. Die individuell gefertigten Elemente wurden in Deutschland hergestellt – aus demselben Material, das üblicherweise für die Produktion von Ofenrollen für die industrielle Fertigung von Keramikerzeugnissen auf Tonbasis zum Einsatz kommt.

Akustikverkleidungen Hierfür kommen häufig extrudierte Hohlkörper zum Einsatz – ganz ähnlich wie bei hinterlüfteten Fassaden –, die oft aus Steingut-Tonmassen gefertigt werden (14). Die dabei entstehenden Hohlräume lassen sich mit schalldämmenden Materialien füllen, jedoch lässt sich eine schalldämpfende Wirkung bereits mit der perforierten Keramikschicht selbst erzielen. Keramische Elemente bieten für die Schalldämmung wesentliche Vorteile, vor allem aufgrund ihrer hohen Belastbarkeit und Feuchtebeständigkeit. Dabei gelangt die Schallwelle über in die äußere Schicht mechanisch eingebrachte Schlitze oder Löcher in den inneren Hohlraum der Fliese. Dort wird sie mittels mehrfacher Reflexion gedämpft und letztlich in Wärme umgewandelt. Üblicherweise verfügen die hierfür verwendeten Fliesen auf ihrer Rückseite über Nuten und können so in eine Aluminium-Unterkonstruktion eingehängt werden. Bei einigen Systemen kommen auch einschichtige stranggepresste, mit Schlitzen und Löchern versehene Formteile zum Einsatz; diese erfordern die gesonderte Fixierung auf der dahinter befindlichen biegesteifen Oberfläche.

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14

15 Akustikoberflächen aus Keramik verbinden den Vorteil ihres Eigengewichts mit ausgefeilten Hohlkörperformen, mit denen sich Schallwellen in Wärme umwandeln lassen.

Casa Batlló von Antoni Gaudí: Zurückhaltend gestaltete Dachelemente mit leicht gekrümmtem Verlauf im Zusammenspiel mit plastisch hervortretenden, im Schlickergießverfahren hergestellten Bauteilen. Die gebrochenen TrencadisFliese, typisch für Katalonien, werden auch heute noch produziert.

Bedachungen Die Attraktivität keramischer Baustoffe für Bedachungen resultiert aus ihrer Dauerhaftigkeit und wirksamen Wasserableitung. Keramische Dachziegel werden in einer breiten Palette von Formen und Abmessungen angeboten (15). Bei ordnungsgemäßem Einbau verfügen Dachziegel aus Keramik über eine Lebensdauer von 75–100 Jahren (oder darüber hinaus) und damit über eine längere Haltbarkeit als formal ähnliche Betondachsteine, die in der Regel für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgelegt sind. 16

Dachziegel aus Keramik sind in unterschiedlichen Ausführungen verfügbar – von der einfachen, ebenen Plattenform bis zu einfach gewölbten, S-förmigen sowie stark konturierten und dreidimensional profilierten Erzeugnissen (16). Die auf der Unterseite des Dachziegels eingearbeiteten Profile und Kanäle dienen der Verhinderung der Aufwärtsbewegung von Wasser auf dem Dach (und damit letztlich seines Eindringens) bei Regen und einer entsprechenden Windrichtung. Je nach Dachneigung stehen Ziegel in verschiedenen Ausführungen zur Verfügung. Als Grundregel kann angenommen werden, dass ebene Elemente vergleichsweise steilere Neigungen erfordern, während stärker konturierte und profilierte Ziegel mit größerer Tiefe bereits bei Dachneigungen von lediglich 15° wirksamen Schutz bieten. Für eine zuverlässige Regenwasserableitung erfolgt eine überlappende Verlegung. In vielen Ausführungen besteht die Möglichkeit, diese Überdeckung um 10–60 mm zu variieren, um bei Bedarf erforderliche Unterteilungen und die Verlegung auf Dächern verschiedener Größe zu erleichtern. Für Kanten, Traufen, Dachdurchbrüche und andere besondere Einbausituationen werden entsprechende Sonderformteile konzipiert und hergestellt. Herkömmliche Dächer wurden so geplant, dass die Wasserdichtigkeit ausschließlich durch den Dachziegel hergestellt wurde. Eindringendes Wasser konnte nach gewisser Zeit wieder

Keramik-Dachziegel werden in unterschiedlichsten Formen, Größen und Farben angeboten. Der von Ludowici Roof Tile konzipierte Verbundziegel geht auf eine in den 1890er Jahren patentierte Ausführung zurück. Der S-förmige Ziegel der Wienerberger GmbH vereint herkömmliche Hohldachziegel-Systeme in einem einzigen Element. Der Flachziegel der Braas GmbH nutzt seine breite Überdeckung und Neigung zur Verhinderung des Eindringens von Wasser. Ähnliche Ausführungen werden von der Mehrzahl der Hersteller angeboten – in einem großen Variantenreichtum bei Größen und Detailausbildungen.

verdunsten – dies ist bei den heute üblichen stark versiegelten Gebäudehüllen nicht mehr ohne weiteres gewünscht. Nach dem heutigen Stand der Technik bietet eine gesonderte Unterspannbahn zusätzlichen Schutz. Diese liegt entweder auf der Rohschalung oder auf den Dachlatten und -pfetten auf. Dachziegel, die in Regionen mit Frost-Tau-Wechseln eingesetzt werden sollen, müssen eine relativ niedrige Porosität von höchstens 3 % aufweisen. Dachziegel werden meist durchgefärbt in einer Reihe von Farbtönen angeboten, darunter auch hellere Farben, mit denen sich durch Reflexion eines Großteils der Sonneneinstrahlung das Problem von Wärmeinseln in Stadtgebieten angehen lässt. Die Produktpalette umfasst darüber hinaus glasierte Dachziegel; diese werden jedoch seltener verwendet (17). Dabei sind die Glasuren sorgfältig abzustimmen, so dass ihre Wärmeausdehnungskoeffizienten denen der darunter befindlichen Keramikfläche entsprechen. Mit Glasuren lassen sich glattere Oberflächen herstellen, welche die Pilz- und Schimmelbildung auf dem Dach hemmen. Angesichts der Entwicklungen in der Glasurtechnologie ist davon auszugehen, dass weiterhin ein hohes Potenzial für überzeugende Bedachungssysteme aus Keramik besteht – die sich daraus ergebenden Chancen sind exemplarisch in der Fallstudie zur Markthalle Santa Caterina in Barcelona in Kapitel 9 dargestellt.

ANWENDUNGEN: AUSSENBEREICH

Dachziegel werden heute meist auf Dachlatten verlegt und verbleiben allein aufgrund ihres Eigengewichts in ihrer Einbaulage. Auf der Unterseite des Ziegels vorhandene Überstände dienen zum „Einhaken“ auf der Dachlatte. Die wenigen verfügbaren, vollständig ebenen Ziegelausführungen werden durch Nägel oder Schrauben fixiert. Traditionelle Ausführungen, wie beispielsweise das sogenannte Mönch-und-Nonne-System (Hohlziegel), wurden üblicherweise im Mörtelbett verlegt. Dieses Verfahren findet auch weiterhin in Teilen von Südeuropa und darüber hinaus Anwendung. Daraus kann sich ein erhebliches Eigengewicht ergeben, das bei der Tragwerksplanung berücksichtigt werden muss. Dachziegel aus Keramik lassen sich zudem in Betonfertigteile integrieren, die als äußere Bedachungsschicht fungieren. So entstehen im Kontext des Baustoffs Beton optische Kontraste durch reflektierende Glasuren (18). 17

18 Die Fotografin Barbara Krobath ließ glasierte Dachziegel auf einem Bauernhof in Österreich bildhaft verlegen.

Das von Francisco Mangado entworfene Kongresszentrum im spanischen Zaragoza lockert die massiven Bauformen durch die geradezu spielerische Einbettung von Keramikfliesen in die wellenförmige Beton-Dachlandschaft auf.

Das in jüngster Zeit aufgekommene Erfordernis der Stromerzeugung vor Ort hat zur Entwicklung einer Reihe von Dachziegelausführungen geführt, bei denen Photovoltaik (PV)-Elemente direkt auf die Oberfläche aufgebracht wurden (siehe Kapitel über Produkte und Technologien). Diese sind zwar möglicherweise optisch attraktiver als auf dem Dach montierte Photovoltaikmodule, die dunkel gefärbten Solarzellen führen jedoch zu höheren Temperaturen des Dachziegels und damit zu Ausdehnungsunterschieden im Vergleich zu den kühleren Randbereichen. Diese Situation führt zwar nur in seltenen Fällen zu Mängeln, sollte jedoch von Planern in Zusammenarbeit mit den Herstellern und unter Berücksichtigung der Gewährleistungsansprüche gelöst werden. Ein weiteres mögliches Problem dieser integrierten Systeme besteht in der unterschiedlich langen Nutzungsdauer der Solarzellen und der Dachziegel. Die Langzeitvorteile einer solchen integrierten Lösung kommen auch bei einer Lebenszyklusbetrachtung nur dann voll zum Tragen, wenn sich die Solarzellen leicht austauschen lassen. Weitere Anwendungen im Außenbereich Keramische Bauteile für Anwendungen im urbanen Kontext und im Garten- und Landschaftsbau umfassen Pflasterplatten, Wandfliesen, Stadtmobiliar mit geklebten Fliesenoberflächen sowie weitere Elemente wie beispielsweise Sichtschutzwände oder Pflanzenkübel. Für Sitzgelegenheiten im Außenbereich werden bereits seit einiger Zeit extrudierte Rohrelemente verwendet. In Freiluft-Schwimmbädern sind Keramikoberflächen weit verbreitet, da sie für die Aufrechterhaltung hygienischer Verhältnisse sorgen. Sonderbauteile wie Gitterroste oder ähnliche Ausführungen erfordern unter Umständen komplexe und relativ aufwendige Fertigungsprozesse. Auch für diese Elemente sind zahlreiche der zuvor dargestellten Probleme relevant. Bei im Außenbereich eingesetzten Keramikelementen sind die Frostbeständigkeit und die damit verbundene Wasseraufnahme von entscheidender Bedeutung. Bei Pflasterbelägen kommt es auf eine hohe Rutschfestigkeit an. Keramische Bauteile kommen im Außenbereich gelegentlich auch unter extremen klimatischen Bedingungen zum Einsatz, beispielsweise in Teilen von Nordamerika oder Nordeuropa, überwiegend jedoch in milderen Klimazonen, in denen die Temperaturen auch in der kalten Jahreszeit über dem Gefrierpunkt liegen.

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ANMERKUNGEN 1 Im Jahr 2012 vom Instituto de Tecnología Cerámica im spanischen Castellón durchgeführte Studie. 2 Bei vielen Fassadensystemen lässt sich unmittelbar hinter den aufgehenden Stoßfugen eine vertikale Elastomerdichtung anordnen, die Schutz vor eindringendem Wasser bietet. 3 Die Kosten hochkomplexer Formen für die Extrusion großer Hohlziegel können ohne weiteres beim Zwanzigfachen des genannten Betrags liegen.

KAPITEL 7

STOFFSTRÖME: BETRACHTUNGEN ZUM LEBENSZYKLUS

In der gegenwärtigen Branchenpraxis besteht eine enge Fokussierung auf die Energieeffizienz von Gebäuden als Primärziel. Diese Debatte ist auf mindestens zwei Ebenen mit grundlegenden Fehlern behaftet: Zum einen konzentrieren sich die Fragestellungen des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen nahezu ausschließlich auf die Betriebsphase des Gebäudes und ignorieren damit vorgelagerte Fertigungsprozesse und nachgelagerte Szenarien nach dem Ende der Nutzungsdauer. So entspricht die in einem typischen Bürogebäude enthaltene graue Energie derzeit etwa dem Energieverbrauch eines Gebäudebetriebs über fünf bis acht Jahre. Da Gebäude für die Aufrechterhaltung des Nutzerkomforts in der Betriebsphase zukünftig weniger Energie verbrauchen werden (und weniger CO2 emittieren), verschiebt sich dieses Gleichgewicht zunehmend auf die graue Energie – selbst bei Betrachtung der Energiebilanz über eine Nutzungsdauer von durchschnittlich 50 Jahren. Diese veränderte Realität hat dazu geführt, dass in Systemen zur Nachhaltigkeitszertifizierung ein zunehmend höherer Anteil von Materialdaten enthalten ist und Umweltproduktdeklarationen und ähnliche Informationen zu Bauprodukten zunehmende Verbreitung finden. Auf einer zweiten Ebene wird die Unklarheit durch die Tatsache gefördert, dass die grundlegenden Gesetze der Thermodynamik weitgehend missachtet werden. Allgemein betrachtet untersucht die Thermodynamik Energieumwandlungen und konzentriert sich dabei besonders auf die Wärme. Aus thermodynamischer Sicht lässt sich Energie innerhalb eines bestehenden Systems nicht verbrauchen; sie wird lediglich von einer Form in eine andere umgewandelt. Ziel des Gebäudeentwurfs muss es daher sein, diesen Transformationsprozess so zu strukturieren, dass der größtmögliche Anteil der umgewandelten Energie zu einer tatsächlichen Wertschöpfung und zu positiven Ergebnissen führt, beispielsweise zur Nutzung von Wärme für die Beheizung der Räume. Unter Energieeffizienz ist letztlich die Maximierung der für eine gegebene Energieumwandlung nützlichen Arbeit und damit die Minimierung der Entropie zu verstehen. Dabei kommt es auf eine intelligentere Verwendung des Begriffs der „Effizienz“ an, da dadurch eine ganzheitliche Betrachtung aller Energieumwandlungsvorgänge gefördert wird: von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung und Wiederverwendung oder zum Recycling. Im Entwurf verschiebt sich der Fokus folglich vom Energieverbrauch während der Betriebsphase zu einer weiter gefassten Betrachtung des Lebenszyklus.

Ein am Lebenszyklus orientierter Entwurf begreift Gebäude im Idealfall als geschlossene Kreisläufe von Energie und Materie, die so gebaut sind, dass die Umweltauswirkungen der Rohstoffgewinnung („Wiege“) und Produktion sowie des Betriebs bis hin zu den Szenarien am Ende des Lebenszyklus („Bahre“)1 minimiert werden. Hierbei besteht ein Bezug, jedoch auch ein Unterschied zur Ökobilanz, die sich auf die reine Analyse als quantitative Systemuntersuchung beschränkt. Die formalen Anforderungen an eine Ökobilanz sind in der Norm ISO 14040 geregelt. Zwar ist ein gewisser Grad der Analyse und Quantifizierung von Wirkungen und Ressourcen für die entsprechende Lebenszyklusbetrachtung unverzichtbar, die Erstellung einer vollständigen Ökobilanz ist jedoch extrem aufwendig und insbesondere für die Erarbeitung des Gebäudeentwurfs nicht unbedingt sinnvoll (1). Auch betrachtet die Ökobilanz 1 Tongewinnung Absiebung

Mahlen

Rohstoffe

Mischen

für Glasur

Lagerung + Bewitterung Wasser

Hersteller

Feuchtverfahren

Endanwender

Trockenverfahrung

Feststoffabfall Abwasser

Brechen

Mahlen in

Mahlen

Kugelmühle

Mahlen Pulverisieren

Feuchter Ton

Flüssiger Ton

10–20 % Wasser

30–40 % Wasser

Feuchtpressung

Abfall

Trocknen

Trockenes Tonpulver 2–5 % Wasser

Schlickerguss

Trockenpressung

Recycling vermahlener Keramik

Extrusion

Distributoren Trocknung

Glasur

Glasur Abfallwiederverwendung Trocknung

Brennen

AbfallWiederverwendung

Verpackung

Darstellung der Ökobilanz für die Ressourcenströme während der Tongewinnung und Herstellung von Keramikfliesen.

Nachbearbeitung

Karton, Kunststofffolie, Holzpaletten

nicht den Einfluss des Materialmix, der Verbindungen und der Zugänglichkeit auf die Möglichkeit der Demontage und der Wiederverwendung oder des Recyclings von Bauprodukten. Diese und weitere Aspekte werden in einem lebenszyklusorientierten Entwurf berücksichtigt. Dabei werden Gebäude als temporäre Materialansammlungen betrachtet, wobei ein Großteil der benötigten Baustoffe aus der Wiederverwertung oder dem Recycling kommen soll. In den eigentlichen Bau- und Entwurfsstrategien sollten dann sinnvolle Konfigurationen des Gesamtgebäudes, seiner Infrastruktur und Bausysteme so konzipiert werden, dass Umnutzung, Wiederverwendung und Recycling des gesamten Bauwerks und seiner Bestandteile ermöglicht werden. Hierzu gehören üblicherweise eine Beschränkung der Zahl der verwendeten Materialien, ein Entwurf, der auf die Rekonstruktion und Modernisierung derjenigen Gebäudeteile ausgerichtet ist, die zu einem früheren Zeitpunkt als andere Abschnitte das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen, sowie die Möglichkeit der einfachen Trennung von Materialien. Eine fach- und sachkundige Materialauswahl ist wesentlicher Bestandteil einer am gesamten Lebenszyklus orientierten Entwurfsstrategie.

57

Fragestellungen der Ökobilanzierung und des Entwurfs umfassen die Keramikelemente selbst und die zugehörige Unterkonstruktion. Wir nähern uns dieser Thematik auf eine eher relative als absolute Weise, da absolute Daten ohne entsprechende Zusammenhänge im Entwurfsprozess nur in seltenen Fällen sinnvolle Hilfestellung geben. Von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion Die Keramikproduktion beginnt mit der Gewinnung der Rohstoffe, darunter vorwiegend Ton (ca. 60 %), aber auch Sand und Kaolinit2 sowie weitere Ausgangsstoffe (2). Die heute genutzten maschinellen Abbauverfahren sind hocheffizient: Auf eine einzige Arbeitskraft entfallen bis zu 800 t metergroßer Tonbatzen pro Schicht. Der Ton wird nachfolgend häufig über mehrere Monate gelagert und der Witterung ausgesetzt, um die notwendige Zersetzung des Materials zu fördern. Nach diesem Zeitraum wird der Rohton in der Regel durch Brechen, Mahlen und Absieben aufbereitet. Bei der Herstellung von Fliesen im Trockenpressverfahren ist zudem eine energieintensive Sprühtrocknung notwendig. Zur Herstellung von Rohstoffen in besonders hoher Reinheit können darüber hinaus eine Bleiche und weitere chemische Prozesse erforderlich sein. Unternehmen, die sich auf die Herstellung von Trockenmischungen aus den Rohstoffen spezialisieren, sind üblicherweise in der Nähe der Tongruben ansässig. Aus historischen Gründen trifft dies auch auf die Mehrzahl der Keramikhersteller zu. Die lokale Orientierung der Rohstoffgewinnung und Produktion reduziert die Kosten und Auswirkungen des Transports der geringwertigen, jedoch schweren Ausgangsstoffe. Chemische Stoffe für die Glasur werden dagegen häufig auch von in größerer Entfernung befindlichen Zulieferern bezogen, die verwendeten Mengen sind jedoch im Vergleich zur Tonmasse eher gering. Neben den Hauptausgangsstoffen Ton, Sand, Kaolinit und Glasurmaterialien ist die Branche auch von weiteren Verbrauchsmaterialien abhängig. Für den Arbeitsschritt der Verpackung sind Kartonagen, PE-Folien und Paletten erforderlich, so dass die Erzeugnisse in unbeschädigtem Zustand in den Distributionszentren und letztlich an ihren Bestimmungsorten ankommen. In der Gesamtschau der für die Produktion nötigen Materialmengen machen diese Komponenten jedoch nur einen relativ geringen Anteil aus; für Kartons und Paletten bestehen zudem gut etablierte Recyclingkreisläufe. 2 Tontagebau in Österreich. Tongruben werden nach dem Ende des kommerziellen Abbaus üblicherweise rekultiviert und nehmen im Vergleich zu Kohletagebauen eine wesentlich kleinere Fläche ein.

Beim Energiebedarf der Keramikproduktion ist Diesel als Kraftstoff für die zur Rohstoffgewinnung eingesetzten Maschinen und den Lkw-Transport zu berücksichtigen, ferner der für den Betrieb der Aufbereitungsanlagen erforderliche Strom und eine Kombination aus Strom und Erdgas für den Betrieb der Trocknungsanlagen für die Tonaufbereitung, der Brennöfen und Fertigungsstraßen. Die graue Energie und die CO2-Emissionen einer typischen Keramikherstellung stammen auch heute noch zum Großteil aus den beiden Hauptelementen der Energieversorgung der Trocknungsanlagen und der Brennöfen. Die Brennöfen für die Herstellung keramischer Fliesen werden heute zumeist mit relativ emissionsarmem Erdgas befeuert. Eine vom italienischen Centro Ceramico in Bologna durchgeführte Studie belegt, dass der Energiebedarf für das Brennen von Keramikfliesen von 10 GJ/t im Jahr 1970 auf 5–6 GJ/t im Jahr 2010 gesunken ist; 3 diese Entwicklung entspricht den auch für andere Materialien, darunter Stahl, erzielten Prozessverbesserungen. Trotz dieser Fortschritte besteht nach wie vor ein

STOFFSTRÖME

hohes Optimierungspotenzial, da derzeit nur 5–20 % der im Ofen erzeugten Energie effektiv für das Brennen der Keramikerzeugnisse zur Verfügung steht.4 Der Großteil dieser im Ofen erzeugten Energie besteht aus Wärme, die durch die Ofenwände selbst, als Teil der Abgase, und in den den Ofen verlassenden Fliesen verloren geht. Zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrades des Verfahrens werden derzeit Strategien zur Wärmerückgewinnung untersucht. In modernen Produktionsanlagen zur Herstellung von Keramikerzeugnissen lassen sich Abfälle relativ effizient vermeiden. Ungebrannte Tonrückstände werden direkt in die Materialaufbereitung zurückgeführt (3). Auch das Prozesswasser wird erneut verwendet. In gegenwärtig laufenden Forschungsprojekten wird zudem die Zugabe von Recyclingmaterialien zur Tonmasse untersucht. Neu vermahlene Keramikreste werden üblicherweise zur Schwindreduzierung und Erhöhung der Porosität zugegeben. Versuche mit anderen Abfallstoffen wie Schlammresten aus der Mineralgewinnung oder der Wasserfiltration haben vielversprechende Ergebnisse erbracht, harren jedoch zum großen Teil noch ihrer Umsetzung im großtechnischen Maßstab.5 Gemahlene Recyclingkeramik und Recyclingglas können auch neu gewonnenem Ton zugegeben werden (siehe Abschnitt zu Szenarien für das Ende der Nutzungsdauer).

3 Ungebrannte Tonrückstände können erneut gemahlen und als Ausgangsstoff für die Produktion wiederverwendet werden.

Die Auswirkungen des Transports unterscheiden sich je nach Entfernung der Produktionsstätte vom Ort der Nutzung. Dabei zeigen sich für die einzelnen Verkehrsmittel jeweils unterschiedliche Emissionen und Energieverbräuche pro zurückgelegter Entfernungseinheit. In einer im Jahr 2011 in Spanien durchgeführten Studie zeigte sich, dass der Einfluss des Transports (Emissionen und Energieverbrauch) rund 5–10 % der gesamten Umweltauswirkungen einer in Europa produzierten typischen Fliese ausmacht. Dabei wurde etwa die Hälfte der Produktionsmenge im Inland genutzt, ein Viertel jedoch in andere europäische Länder und ein weiteres Viertel in andere Regionen der Welt exportiert.6 Bau- und Nutzungsphase Die zweite Hauptphase des Lebenszyklus von Keramiksystemen umfasst den Bau und die Nutzung. Der tatsächliche Energieverbrauch und die Emissionen während der Bauphase sind gegenüber dem Gesamt-Materiallebenszyklus vernachlässigbar. Bei Fassaden mit

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Keramikelementen in vorkonfigurierter Größe fallen auch nur geringe Abfallmengen an – der Verschnitt auf der Baustelle wird reduziert oder vollständig vermieden. Dagegen erzeugen geflieste Flächen in Innenräumen in der Regel eine größere Abfallmenge, da die Fliesen je nach Einbausituation zugeschnitten werden müssen. Bei kleineren Projekten (beispielsweise der Neugestaltung eines typischen Badezimmers in einer Wohnung) beschafft das Bauunternehmen üblicherweise Fliesen, deren Gesamtfläche die eigentliche Verlegefläche um bis zu 15 % überschreitet. Während der Nutzungsphase kommt es zu großen Unterschieden im Ressourcenverbrauch und den Emissionen. Fassaden oder Dächer erfordern nur gelegentliche Reparaturen und werden ansonsten über Jahrzehnte nicht gereinigt – im Unterschied zu gefliesten Flächen im Innenbereich. Eine typische Ökobilanz von Keramikfliesen im Innenbereich 7 zeigt, dass ein Großteil der Umweltauswirkungen und der grauen Energie auf die Herstellungsphase entfällt, die Nutzungsphase über 50 Jahre jedoch bereits mit geringem Abstand auf dem zweiten Rang folgt. Angesichts der Bedeutung der eigentlichen Herstellung sind die Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit entscheidende Faktoren, wenn es um die Gewinnung von Erkenntnissen zu Auswirkungen während des Lebenszyklus geht. Heute in Gebäuden verlegte Fliesenböden sind ohne weiteres über 75–100 Jahre haltbar,8 sofern die Unterkonstruktion biegesteif ist und sich nicht im Lauf der Zeit verformt. Die Oberfläche unglasierter, durchgefärbter Fliesen lässt sich ähnlich wie bei Betonböden sogar erneut durch Abschleifen und Polieren behandeln. Die Dauerhaftigkeit keramischer Dachziegel ist an den typischerweise von den Herstellern gewährten Gewährleistungsfristen von über 50 bis zu 75 Jahren ablesbar. Auch Fassadensysteme sind ähnlich langlebig, wenn sie ordnungsgemäß geplant und ausgeführt sind. So blieben viele historische Terracottafassaden über 80 oder mehr Jahre gut erhalten. Nach ihrer jahrzehntelangen Nutzung treten zwar inzwischen Risse und Brüche auf, aber durch die Reparatur und den Austausch schadhafter Elemente konnten sich eine Reihe von Herstellern profilieren. Ein sich verschlechternder Bauzustand ist jedoch nur einer der Gründe, aus denen Keramiksysteme das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Solche Elemente werden häufig auch dann entfernt, wenn sie sich noch in voll funktionsfähigem Zustand befinden. Zurückzuführen ist dies auf sich wandelnde Nutzungsanforderungen in Gebäuden und auch sich verändernde Vorlieben der Eigentümer oder Nutzer. So werden in Großbritannien 46 % der Bauten bereits in einem Alter von 11–32 Jahren abgerissen, in Japan liegt die typische Nutzungsdauer eines Bürogebäudes bei unter 30 Jahren (Tragwerke aus Stahl) bzw. bei nahezu 40 Jahren (Tragwerke aus Beton).9 In einer im Jahr 2004 in den USA durchgeführten Untersuchung10 von 227 in Minneapolis/St. Paul abgerissenen Gebäuden wurde nachgewiesen, dass der Rückbau lediglich bei einem Viertel aller betrachteten Fälle auf Baufälligkeit zurückzuführen war. Szenarien für das Ende der Nutzungsdauer Keramische Bausysteme lassen sich wiederverwenden, recyceln oder auch deponieren. Vor der Nutzung von Recyclingkeramik ist diese aus dem Gebäude zu entfernen. Das Ablösen üblicher aufgeklebter Fliesen von ihrem Untergrund ist möglich, jedoch relativ arbeitsintensiv. Dabei kommt es unvermeidlich zu einem gewissen Anteil an Bruch. Nachfolgend sind Mörtel und Kleber manuell von der Fliesenrückseite zu entfernen. Eine solche Wiedergewinnung erfolgt vor allem dann, wenn es um historisch wertvolle Fliesen geht oder die Deponierung von Bauabfällen unzulässig ist. Mechanisch befestigte Keramikflächen lassen sich auf weit einfachere Weise abmontieren und wiederverwenden (4). In diesem Bereich hat sich eine kleine Branche etabliert, die wiedergewonnene Dachziegel anbietet, wobei der Fokus auf historisch wertvollen Ausführungen liegt. Fassadenelemente aus Keramik, die in Kombination mit mechanischen Verbindungssystemen verwendet werden, gibt es erst seit relativ kurzer Zeit, so dass hier nur wenige verwertbare Informationen zu realistischen Wiederverwendungsmöglichkeiten nach dem

STOFFSTRÖME

4

5 Bei der Rekonstruktion einer Lagerhalle in Madrid nutzte der Architekt Arturo Franco alte Tondachziegel für die Gestaltung von Raumteilern. Siehe auch Fallstudie „Tektonik aus wiederverwendeten Ziegeln“ in Kapitel 10.

Fliesen lassen sich aus einer Mischung von Recycling-Sanitärkeramik, Glas und Gesteinsmehl herstellen. Sanitärkeramik-Objekte können auf einfache Weise gesammelt und zu Aufbereitungsanlagen transportiert werden. Siehe auch „Recyclingfliesen“ im Kapitel über Produkte und Technologien.

Ende ihrer Nutzungsdauer vorliegen. Ihre Entfernung gestaltet sich relativ einfach, da selbst die ersten extrudierten Elemente in Aluminium-Unterkonstruktionen eingehängt werden und nur durch ihr Eigengewicht in ihrer Einbaulage verbleiben. Sofern eine geeignete Infrastruktur vorhanden ist, sollte die Wiederverwendung dieser Elemente ohne weiteres möglich sein; es bestehen jedoch noch Unsicherheitsfaktoren hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit. Dabei könnte die Entwicklung mechanischer Verbindungselemente selbst für im Innenbereich verlegte Fliesen diesen Trend in großem Umfang fördern. Derzeit lassen sich keramische Bauteile lediglich auf Doppelböden ohne Kleber verlegen, Studien belegen jedoch, dass die mechanische Befestigung von Fliesen im Innenbereich ohne weiteres durchführbar ist (siehe Kapitel 5). Sollte eine Wiederverwendung nicht möglich sein, so können Keramikelemente auch dem Recycling zugeführt werden. Das daraus entstehende Downcycling-Material wird in der Regel als Füller im Straßenbau oder im Landschaftsbau eingesetzt. Der Materialmix aus Kleber/ Mörtel und Keramik – sowie möglicherweise Ziegel oder Beton aus Wänden – erschwert die Wiederverwendung für die Herstellung neuer Fliesen. Dagegen weisen WC-Becken und Waschtische aus Porzellan eine relativ hohe Sortenreinheit auf und lassen sich auf einfache Weise sammeln. Fliesenhersteller haben sich entsprechende Marktnischen erschlossen und erkannt, dass sich aus diesen Materialrückflüssen im Sinn der Abfallvermeidung neue extrudierte Fliesen fertigen lassen. In diesem Fall wird die gemahlene Sanitärkeramik mit Recyclingglas und Neumaterial gemischt, so dass eine neue Tonmasse mit bis zu 70 % Recyclinganteil entsteht (5). Intelligente Marketingstrategien stellen die Nachhaltigkeit der daraus hergestellten Keramikprodukte heraus. In anderen Recycling-Keramikerzeugnissen findet sich Recyclingglas, das sich in der Regel über etablierte Rücknahmesysteme und entsprechende Stoffströme problemlos beschaffen lässt. Die Tonmassen können bis zu 50 oder auch 70 % Recyclingglas enthalten. In Systemen zur Nachhaltigkeitszertifizierung besteht die Möglichkeit einer positiven Punktbewertung von Produkten mit bestimmten Recyclinganteilen und damit ein zusätzlicher Anreiz für Planer und Gebäudeeigentümer. Die letzte verbleibende Option – die nach dem Ende der Nutzungsdauer jedoch noch immer dominiert – ist die Verbringung der Keramikabfälle auf eine Deponie. Das Material ist chemisch inert und führt zu keiner Wasser- oder Luftverschmutzung, jedoch sind in diesem Fall verwendete Kleber auf Polymerbasis besonders zu beachten.

61

Ökobilanzierung und Materialvergleiche Keramische Baustoffe machen lediglich einen kleinen Teil der im Hochbau verwendeten Materialien aus. Ein durchschnittliches Gebäude enthält nur wenig mehr als 0,3 Gewichtsprozent an auf Innenflächen aufgebrachten Keramikfliesen.11 Dieser Anteil erhöht sich geringfügig, wenn Keramik auch für Fassadenelemente oder Bedachungen zum Einsatz kommt. Zwar lassen sich die Argumente für oder gegen die Verwendung von Keramik im Vergleich zu anderen Materialsystemen eingehend untersuchen, jedoch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass sich die Wahl alternativer Oberflächengestaltungen oder Dach- bzw. Fassadensysteme wesentlich auf die Ökobilanz des Gebäudes als Ganzes auswirkt. Für geflieste Flächen wurde im Jahr 2011 eine umfassende Ökobilanz erstellt.12 Dabei quantifizierten spanische Forscher die entsprechenden Ressourcen und Auswirkungen in großer Detailtiefe. Die Eingangsdaten für diese Studie wurden von mehr als 50 spanischen Fliesenherstellern bereitgestellt. Da bei der Fliesenproduktion in Industrieländern sehr ähnliche Verfahren und Ausrüstungen zum Einsatz kommen, bietet diese Untersuchung gute allgemeine Anhaltspunkte. Der Umfang der Studie erstreckt sich auf die Gewinnung, Aufbereitung und Produktion, den Transport zum Ort der Endanwendung, die Verlegung mit Klebemörtel, eine Nutzungsphase von 50 Jahren sowie den Rückbau mit Deponierung in einer Entfernung von 50 km vom abgerissenen Gebäude als typisches Szenario nach dem Ende der Nutzung. Beim Transport wurde angenommen, dass ein Viertel der inländischen Produktion in das Ausland (Schiffstransport über 5.000 km) sowie wenig mehr als ein weiteres Viertel in andere europäische Länder (2.000 km Lkw-Transport) exportiert wurde. Knapp 50 % der Produktionsmengen verblieben innerhalb von Spanien. Die Nutzungsphase umfasste typische Reinigungstätigkeiten unter Anwendung von Wasser und Reinigungsmitteln in einem Rhythmus von 1–14 Mal pro Woche. Damit wurde die Bandbreite verschiedener Nutzungen von der Wohnimmobilie bis zu Gewerbebauten und öffentlichen Einrichtungen abgedeckt, wobei die Fliesen in Wohnbereichen, Küchen und Bädern zum Einsatz kamen. In der Studie wurden die Auswirkungen einer Fläche von 1 m2 industriell hergestellter Fliesen (funktionale Einheit) mit einem Flächengewicht von 17–23 kg/m2 untersucht. Abbildung (6) stellt die quantitativen Ergebnisse sowohl in absoluter Form als auch in einer relativen Betrachtung der einzelnen Lebenszyklusphasen im Überblick dar. Das Treibhauspotenzial und der Primärenergieverbrauch sind zu einem Großteil auf die Produktion zurückzuführen und stellen die wichtigsten Umweltwirkungen des Materialsystems dar. Der Wasserverbrauch und das Ozonabbaupotenzial beziehen sich dagegen vor allem auf die Nutzungsphase und die damit verbundenen Reinigungstätigkeiten – ähnlich wie bei anderen Oberflächen mit vergleichbarer Funktion. Wie schneidet also Keramik in einer Ökobilanz im Vergleich zu anderen Materialien ab? Eine vergleichende Untersuchung von Keramikfliesen mit einem Anteil von 75 % Recyclingglas und acht anderen Bodenbelägen belegt, dass die 6 1E + 3 MJ Energie kg Wasser

STOFFSTRÖME

Wasserverbrauch

Primärenergieverbrauch

Ozonabbaupotenzial

Bildung von Photooxidantien

Treibhauspotenzial

Eutrophierungspotenzial

1E-07 kg

Versauerungspotenzial

1E-03 kg

Abbau abiotischer Ressourcen

1E-01 kg

Ökobilanz einer typischen, im industriellen Trockenpressverfahren hergestellten Fliese. Ende der Nutzungsdauer Nutzungsphase Transport Herstellung

Fliese nach ökologischen und ökonomischen Kriterien bei einem Lebenszyklus von 30 Jahren einen mittleren Rang einnimmt.13 Im Allgemeinen zeigen sich für natürliche Materialien wie

7 MJ

Kork, Holz oder Linoleum geringere Umweltwirkungen, während einige Teppichböden und

schiedener Ökobilanz-Studien gestaltet sich schwierig, da sich die Produktnutzungsdauer und die berücksichtigten und nicht berücksichtigten Faktoren wesentlich unterscheiden. Bei dem typischen geringen Anteil an Fliesen ist ein spürbarer Einfluss auf den Energiebe-

1.300 850

GFK-Tafeln

Aluminiumwaben

die Belastbarkeit, einfache Reinigung und Wasser- sowie Chemikalienbeständigkeit wäre Keramik jedoch Naturstein mit einiger Sicherheit vorzuziehen. Ein direkter Vergleich ver-

Natursteinfurnier

fliesen ergab sich bei den Umweltwirkungen ein leichter Vorteil für Marmor,14 im Hinblick auf

Ziegelmauerwerk

langlebiger sind, würden sich ihre Umweltwirkungen nach Ablauf des 30-Jahres-Zeitraums vermutlich verringern. In einer vergleichenden Untersuchung von Marmor und Keramik-

Extrudierte Keramik

der Marmor-Verbundbelag schlechter als Keramikfliesen abschneiden. Da Fliesenböden

0

Hinterlüftete Fassaden weisen einen höheren Materialgehalt auf und haben daher möglicherweise größere Auswirkungen. Die Autoren haben eine entsprechende Vergleichsstudie durchgeführt. In dieser Untersuchung wurde die graue Energie einer funktionalen Fassadenfläche von 1 m2 analysiert, für die extrudierte Keramikelemente (Dicke 15–28 mm), Aluminium-Sandwichtafeln (Tiefe 25 mm mit 0,5 mm Aluminiumbekleidung), Ziegel (Tiefe 115 mm), faserbewehrter Beton (8–13 mm) sowie Granit (30 mm) zum Einsatz kamen. Diese „Cradle to Gate“-Studie konzentrierte sich auf die Phase von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion aller Bauteile, darunter der Fassadenbekleidung selbst sowie der üblicherweise erforderlichen Komponenten.15 Für Metallbauteile wurde ein durchschnittlicher Recyclinganteil angenommen. Die Ergebnisse sind in (7) dargestellt. Mit 850–1.500 MJ/m2 ist der Energiebedarf

12–20 cm Dämmung mit Glasfaser oder Schaumstoff

darf während des Lebenszyklus sowie auf weitere Umweltfaktoren eher unwahrscheinlich.

Bandbreite der typischen grauen Energie verschiedener Fassadensysteme; von den Autoren durchgeführte Studie.

von Keramik geringer als der von Mauersteinen oder von Verbundtafeln, jedoch höher als im Fall von dünnen Betontafeln oder Granit. Diese Unterschiede erscheinen zwar signifikant, sind jedoch relativ geringfügig, sobald eine Polystyrol- oder Glasfaser-Dämmschicht von 12–20 cm zum System hinzukommt! Insgesamt schneidet Keramik im Vergleich mit anderen Materialsystemen vorteilhaft ab, insbesondere bei Betrachtung der hohen Dauerhaftigkeit bei nur geringem Instandhaltungsaufwand. Ihre Lebensdauer ist möglicherweise länger als die dünner Betontafeln.

ANMERKUNGEN 1 In Anlehnung an McDonough, W.; Braungart, M.: Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things. New York: North Point Press, 2002; deutsche Ausgabe: Cradle to Cradle. Einfach intelligent produzieren. Berlin: Bloomsbury Verlag GmbH, 2003. 2 Gesteine, die große Mengen an Kaolinit und weitere Mineralien enthalten, werden als Kaolin bezeichnet. Dieser Begriff wird häufig in Bezug auf die Gewinnung von Rohstoffen für die Keramikproduktion verwendet. 3 Giorgio Timellini, Direktor des italienischen Centro Ceramico in Bologna. Vortrag auf der Architectural Ceramics in the 21st Century Conference, Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, Massachusetts, 23. März 2014.

4 Mezquita, A. u. a.: „Energy Optimization in Ceramic Tile Manufacture by Using Thermal Oil“. In: Proceedings 2012 Qualicer. Valencia, 2012. 5 Junkes, J. A.; M. A. Carvalho, A. M. Segadães, D. Hotza: „Ceramic Tile Formulations from Industrial Waste“. Interceram 01/2011. S. 36–41. 6 Benveniste, G. u. a.: „Analisis de ciclo de vida y reglas de categoría de producto en la construcción. El caso de las baldosas ceramicas“. Informes de la Construcción, Bd. 63, 522, Januar–März 2011. S. 71–81. 7

Benveniste 2011.

8 Jackson, J.: Study of Life Expectancy of Home Components. National Association of Home Builders. Februar 2007. 9 Yashiro, T.: „Overview of Building Stock Management in Japan“. In:

Stock Management for Sustainable Urban Regeneration. Tokio, Berlin: Springer, 2009. 10 O’Connor u. a.: „Survey on actual service lives for North American buildings“. Vortrag auf der Woodframe Housing Durability and Disaster Issues Conference. Las Vegas, Oktober 2004. 11

Benveniste 2011.

12

Benveniste 2011.

13 Bowyer, J.: Life Cycle Assessment of Flooring Materials. Report. Dovetail Partners Inc., 2009. In der Studie wurden Keramikfliesen mit Glas mit 75 % Recyclinganteil, Linoleum, PVC-Verbundfliesen, Marmor-Verbundfliesen, Terrazzo, Parkettfliesen aus Naturkork, schwimmend verlegten Dielen aus Naturkork, Nylon-Teppichboden (Bahnenware) und Teppichboden aus Wolle (Bahnenware) verglichen.

63

14 Nicoletti, G. M. u. a.: „Comparative Life Cycle Assessment of Flooring Materials: Ceramic versus Marble Tiles“. Journal of Cleaner Production 10, 2002. S. 283–296. In der Studie wird von einer Nutzungsdauer von 20 Jahren bei Keramikfliesen und 40 Jahren bei Marmor ausgegangen und daraus abgeleitet, dass Marmor etwa doppelt so umweltfreundlich wie Keramik sei. Eine Anpassung der Nutzungsdauer der Erzeugnisse würde voraussichtlich zu einem anderen Ergebnis führen. 15 Die Studie basiert zum Teil auf von den Herstellern vorgelegten, unabhängig zertifizierten Umweltproduktdeklarationen. Fehlende Daten wurden durch ein mit CES Edupack 2013 durchgeführtes Öko-Audit von den Autoren ermittelt.

KAPITEL 8

OBERFLÄCHENEFFEKTE Die Geschichte der Keramik ist in vielerlei Hinsicht eine Abfolge immer neuer Oberflächenbehandlungen. Dabei haben die einzelnen Gesellschaften und Kulturen nicht nur die Palette an Glasuren und Anwendungstechniken sowie den Wissensstand zu den komplexen chemischen Vorgängen während des Brennens beständig erweitert, sondern sich diesen Erfahrungsschatz auch für die Weiterentwicklung durch innovative Oberflächengestaltungen zunutze gemacht. Auch heute setzt sich dieser Trend ungebrochen fort: Jahr für Jahr kommen neue Glasuren und Verfahren zur Oberflächenbehandlung auf den Markt. In regelmäßigen Abständen erleben alte Farben und Formen eine neue Blütezeit, und selbst traditionelle Verfahren erfahren ein Revival oder werden an die modernen Gegebenheiten angepasst. Häufiger noch entdecken wir völlig neue Prozesse der Oberflächengestaltung, mit denen nie gekannte Effekte oder eine bisher unerreichte Leistungsfähigkeit erzielt werden können. Die in diesem Kapitel ausgewählten Fallstudien zeigen eine breite Palette von Oberflächeneffekten – von den ältesten Verfahren des Basreliefs und der farbigen Glasuren bis hin zu den neuesten Nanotechnologien. In der Architekturkeramik lassen sich die Oberflächeneffekte auf eine grundlegende Unterscheidung zurückführen: unglasiert („Terracotta“; siehe Kapitel 3) oder glasiert. Zwischen diesen beiden Polen gibt es eine große Vielfalt an möglichen Oberflächenbehandlungen. In unglasierter Keramik kommt die Materialität der gebrannten Tonmasse selbst zum Ausdruck. Dabei zeigt die jeweilige Tonmasse nach einem genau auf sie abgestimmten Brennvorgang die gesamte Palette erdiger bis zu weißer Farbtöne. Eine durchgefärbte Fliese (mit über den gesamten Querschnitt identischem Ton) behält selbst nach Witterungseinflüssen oder Rissbildung ihre Farbe. Abgenutzte Bodenbeläge aus durchgefärbten Fliesen können durch Abschleifen so behandelt werden, dass sie praktisch wieder wie neu aussehen. Unglasierte Fliesen müssen dabei durchaus nicht in jedem Fall nur einfach gebrannt sein oder ein homogenes Erscheinungsbild aufweisen; Keramikdesigns lassen sich mit unterschiedlichsten Verfahren auch aus verschiedenfarbigen Tonmassen herstellen. Enkaustik-Fliesen (Intarsien) gehen auf das 13. Jahrhundert zurück und werden heute in einem mehrstufigen Formgebungsprozess hergestellt, bei dem jede farbige Tonmasse einzeln in die Schablone gegossen wird, um damit den gewünschten Effekt zu erzielen. Glasierte Keramik bietet eine nahezu grenzenlose Auswahl an Möglichkeiten. Jede nur denkbare Farbe lässt sich ebenso wie verschiedenste Muster, Bilder oder Metall- und Spiegeleffekte realisieren. Selbst Unterglasuren sind möglich und erzeugen den Eindruck räumlicher Tiefe. Dementsprechend gehen die von den Herstellern angebotenen Glasurrezepturen oft in die Tausende oder Zehntausende. Glasuren behalten ihre Brillanz praktisch für immer – nachteilig ist jedoch, dass sich dieser Effekt nur auf eine dünne Oberflächenschicht beschränkt. Die Farbgestaltung ist offenkundig der bei Keramik am häufigsten genutzte Oberflächeneffekt. In der gesamten Geschichte dieses Materials wurden Farbglasuren per Hand aufgetragen, so dass das Muster oder Design geradezu die Qualität eines gemalten Kunstwerks erhält. Im Lauf der Zeit wurden dann Druckverfahren entwickelt, mit denen sich repetitive Muster herstellen ließen. Auf modernen Glasieranlagen besteht zudem die Möglichkeit, das Erscheinungsbild nach dem „Zufallsprinzip“ zu beeinflussen, so dass keine Fliese der anderen gleicht. Selbst die Technologie des digitalen Tintenstrahldrucks wurde bereits an die Erfordernisse des Glasiervorgangs angepasst. Dieser Prozess beginnt mit der Erstellung eines Digitalbilds und endet mit äußerst vielseitigen, fotorealistischen und farbechten Glasurmustern (1). Bei unglasierter wie glasierter Keramik wird die Oberfläche zur Herstellung einer Struktur oder plastischen Gestalt bearbeitet. Heute lässt sich eine solche Oberflächenprägung mit einer gezielt ausgewählten Glasur verbinden; so wird der Eindruck der Räumlichkeit hervorgehoben oder das Licht an der Oberfläche reflektiert und gebrochen. Im Museum der Kulturen in Basel folgen die einzelnen Elemente in ihrer Dreidimensionalität einem streng formalen Rhythmus, führen jedoch bei ihrer räumlichen Anordnung in einem Feld zu einem unmittelbar ins Auge springenden, lebhaften Oberflächeneffekt (2). Keramik ist in einem solch hohen Maß plastisch form- und gestaltbar, dass der Unterschied zwischen Oberfläche und Form verschwimmt. Dieses Spektrum wird in der ersten in diesem Kapitel vorgestellten Fallstudie, der Wallpaper Factory, untersucht und in Kapitel 9 näher beleuchtet – dort gehen Oberflächeneffekte in weiter reichende Formänderungen über (3).

1

2

3

Foto-Wandbild in einem Amsterdamer Ausstellungsraum, hergestellt im Tintenstrahldruck auf Keramikglasur.

Dach des Museums der Kulturen in Basel, entworfen von Herzog & de Meuron.

Detailansicht der Keramikelemente der Wallpaper Factory in London, entworfen von Chassay + Last Architects.

4

5

Benidorm, Weststrand-Promenade, Entwurf OAB.

Installation „Pinnacle“ von Daniel Libeskind in Bologna mit photokatalytischer Oberflächenbeschichtung.

Nicht jede Oberflächenbehandlung wird von gestalterischen Intentionen bestimmt. In die Tonmasse eingebrachte Strukturen können Eigenschaften wie die Rutschfestigkeit fördern, ebenso lässt sich die Dauerhaftigkeit und Frostbeständigkeit verbessern. Weiterhin sind Glasuren undurchlässig und schützen vor Verschmutzung. Schon seit langer Zeit werden keramische Materialien in Räumen mit hohen Hygieneanforderungen oder möglicher Korrosion verwendet, beispielsweise in Krankenhäusern und Laboren. In Spanien wurden die glasierten Fliesen der Strandpromenade von Benidorm (die in diesem Kapitel dargestellt werden) so konzipiert, dass sie sogar der korrosiven Wirkung des Sandes und des Salzwassers standhalten (4). Metall- und Perleffekt-Glasuren gehen auf das 12. Jahrhundert zurück, heute lassen sich jedoch mit neuartigen Glasuren bisher ungekannte Spiegeleffekte erzielen. Auf der Nanoebene wurden moderne Titandioxid-Beschichtungen bereits erfolgreich eingesetzt, um superhydrophile, photokatalytische Oberflächen herzustellen, die mit Hilfe der UV-Strahlung der Sonne in der Luft enthaltene organische Schadstoffe zersetzen und gleichzeitig selbstreinigend sind (5). In den kommenden Jahren könnte sich das Anwendungsspektrum der Tintenstrahl-Technologie vom Auftragen von Glasuren auch auf Metalle und Polymere erweitern, so dass sich Keramik möglicherweise auch mit eingebetteter Elektronik oder Solarzellen herstellen lässt. Die Fähigkeit dieses zeitlosen Materials, sich ständig neu zu erfinden, erscheint praktisch unbegrenzt.

65

OBERFLÄCHENRELIEFS THE WALLPAPER FACTORY ISLINGTON, NORD-LONDON, GROSSBRITANNIEN

ENTWURF: Chassay+Last FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: Shaws of Darwen KERAMISCHE BAUTEILE: über 500 im Schlickergießverfahren hergestellte, 825 × 595 × 50 mm große Elemente

1 – Ansicht Nordfassade mit Anordnung der Elemente.

Mit Keramik lässt sich Geschichte erlebbar

ten die Architekten Chassay+Last zwei

machen, wenn Verfahren und Techniken

Original-Druckstöcke aus Holz, die für die

handwerkliche Verfahren mit modernen

zum Einsatz kommen, die über Jahrhunder-

manuelle Bedruckung der Tapeten dienten.

Brenntechniken kombiniert. In den Ton wur-

te nahezu unverändert geblieben sind.

Bei dem Projekt arbeiteten sie mit Shaws

de das Tapetendesign per Hand als Relief

Beim Projekt der Wallpaper Factory dient

of Darwen zusammen, einem Unternehmen,

eingeschnitzt, wobei die Form des Druck-

die Keramik der Erinnerung an die Indust-

das im Jahr 1897 unter dem Namen Shaws

stocks aus Holz als Vorbild diente (4, 5).

riegeschichte des Standorts (1, 2, 3).

Glazed Brick Company gegründet wurde

Anhand dieser Vorlage wurden dann Gips-

Zu diesem Zweck setzte der Keramikher-

und damit auf eine ähnlich lange Tradition

formen hergestellt, mit denen die Keramik-

steller Shaws of Darwen bei der Produktion

wie Cole & Son zurückblicken kann.

elemente in ihrer endgültigen Gestalt im

der Elemente ein traditionelles, bereits seit

Die Produktion des Unternehmens entwi-

Schlickergießverfahren gefertigt wurden

Jahrhunderten praktiziertes Gießverfahren

ckelte sich im Lauf der Jahrzehnte bestän-

(6, 7, 8, 9). Vermutlich wurde der Schlicker-

ein. Zudem arbeiteten Keramikherstel-

dig weiter. Heute fertigt Shaws of Darwen

guss zwischen 1730 und 1750 in England er-

ler, Architekt und Fassadenbauer bei der

einerseits Sanitärkeramik, wie den elegan-

funden und entwickelte sich dann während

Entwicklung des Montagesystems eng

ten Spülstein Belfast, andererseits aber

der industriellen Revolution zu einem wich-

zusammen, so dass ein stabiler Untergrund

auch Terracotta und Fayencen für Anwen-

tigen industriellen Verfahren weiter.

für die eigens für das Projekt hergestellten

dungen in der Architektur. Letzteres Gebiet

Elemente entstand. Das System dient als

gliedert sich weiter in Erzeugnisse für

über 500 identischen, 825 × 595 mm großen

Vorhangfassade, wobei die keramischen

Neubauten und Restaurierungen – auch von

Fliesen in einer Dicke von 50 mm. Diese

Bauteile mit Hilfe von Stahlwinkeln und

Fassaden, die vom Unternehmen selbst im

wurden mit einer relativ fließfähigen Glasur

-stiften fixiert werden.

Lauf seiner nahezu 120-jährigen Tätigkeit

hergestellt, die von den höher gelegenen

hergestellt wurden. In den vergangenen 20

Stellen der Fliese ablaufen und sich an den

im Jahr 1863 gegründet und ist bekannt

Jahren verzeichneten Hersteller wie Shaws

tiefer gelegenen Stellen sammeln konnte.

für seine historischen Tapetendrucke.

of Darwen ein neu aufkommendes Inter-

So entstand ein Zusammenspiel von zwei

Die Fabrik befand sich in Islington, einem

esse an der Verwendung von Keramik für

Farbtönen, welches das Basrelief der Ober-

Stadtviertel, das zur damaligen Zeit für

Fassaden, etwa in den letzten zehn Jahren

fläche betont. Diese absichtsvoll variierte

seine Handdruckereien bekannt war. Als

dann auch eine steigende Nachfrage nach

Glasur weist zudem auf den Manufaktur-

Reminiszenz an diese Tradition beschaff-

Keramik-Sonderbauteilen.

Charakter der Keramikproduktion hin.

Das Unternehmen Cole & Son wurde

OBERFLÄCHENEFFEKTE

Für das Projekt wurden traditionelle

Der Fassadenabschnitt besteht aus

2 – Nordfassade und Vorderansicht des Gebäudes.

3 – Nordfassade auf Straßenebene.

4 – Das Basrelief-Muster ist einem historischen Druckstock aus Holz nachempfunden, der für die Bedruckung von Tapeten zum Einsatz kam.

5 – Detailansicht des Basrelief-Musters und der die Kanten betonenden Glasur.

6 – Der in Gipsformen gegossene Ton.

8 – Vor der Lieferung wurden die Elemente zur Probe verlegt, um eine genaue Passung zu gewährleisten.

7 – Auftragen der eigens für das Projekt hergestellten Glasur.

67

9 – Architekt und Hersteller entwickelten gemeinsam das verwendete Montagesystem.

FARBVARIATIONEN

ENTWURF: Sauerbruch Hutton FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: NBK Architectural

MUSEUM BRANDHORST MÜNCHEN, DEUTSCHLAND

Terracotta KERAMISCHE BAUTEILE: 36.000 extrudierte, 40 × 40 × 1.100 mm große Keramikstäbe in 23 Farben

1 – Detail der farbigen Stäbe und des Faltmetalls.

Zeitlos ist die Verwendung von Farben als

Aus größerer Entfernung erscheint die

Metallhülle ruht auf einer vertikalen Trag-

hervorstechendes Merkmal der Architektur.

Fassade homogen und eben, bei Annähe-

Mitte des 20. Jahrhunderts war ein Stand

rung lassen sich die intensiv gefärbten,

versehen, die auch den von der Straße

der Technik erreicht, der die Herstellung

40 × 40 × 1.100 mm messenden Stäbe im-

ausgehenden Lärm dämpft.

von Keramikglasuren in nahezu jedem

mer deutlicher voneinander unterscheiden

Farbton ermöglichte. Moderne Fertigungs-

(1, 2, 5). Die vertikal angeordneten Stäbe

eigenes Farbschema (3). Aus der Ferne

prozesse sorgen für höchste Farbtreue

sind um 42 mm von einer durchbrochenen,

erscheinen die Fassaden in homogenen

und-übereinstimmung auch bei sehr großen

horizontal gefalteten Metallhülle in wech-

neutralen Farben, bestehen jedoch aus

Produktionsmengen. Die Bauten von Sauer-

selnden Farbtönen abgesetzt. Tiefe und

drei Gruppen von je acht Farbtönen mit

bruch Hutton stellen unsere Wahrnehmung

Schichtung der Farbgebung dieses Systems

individuell unterschiedlichen Variationen

von Farben in den Mittelpunkt – bei mehre-

verleihen der Fassade Dynamik und erzeu-

von Helligkeit und Tönung. Zudem folgen

ren von ihnen realisierten Projekten kamen

gen je nach Standort und Bewegungsrich-

die Anordnungen der Stäbe einem prä-

glasierte Keramikelemente zum Einsatz.

tung des Betrachters wechselnde Aspekte

zise vorgegebenen Muster. Sauerbruch

und Schattenwürfe.

Hutton griffen auf den Erfahrungsschatz

Das Museum Brandhorst, mit 12.100 m2 Fläche 2009 zu Gesamtkosten von 46 Mio.

Bei den Stäben handelt es sich um ex-

konstruktion und ist mit einer Dämmung

Die Baukörper zeigen ein jeweils

des Keramikherstellers zurück, um eine

Euro fertiggestellt und an einer Seite des

trudierte quadratische Hohlprofile, die vom

optimale Einstellung der Glasur auf den

Münchner Museumsviertels gelegen, dient

Hersteller NBK Architectural Terracotta

gewünschten Farbton zu erzielen (4). So ist

der Ausstellung einer umfassenden Privat-

in einem auf mittlere Mengen ausgelegten

die Fassade das Ergebnis eines hochprä-

sammlung des späten 20. Jahrhunderts

industriellen Prozess gefertigt wurden.

zisen industriellen Fertigungsprozesses

und zeitgenössischer Kunst. Das Gebäude

Jeder Stab wird von zwei Bolzen gehalten,

und bewahrt doch ein mit dem keramischen

besteht aus drei einfachen, miteinander

die in die Keramik eingebettet und mit einer

Baustoff verbundenes handwerkliches

verschränkten Baukörpern, die einen ru-

Metall-Unterkonstruktion verbunden sind,

Moment. Aufgrund dieser Kombination aus

higen Hintergrund für die beeindruckende

indem die Bolzen durch vorgebohrte Löcher

Großserienfertigung, Farbgebung und hand-

polychrome Fassade bilden, die aus 36.000

durch die perforierte Hülle aus Metall ge-

werklicher Anmutung gilt die Keramik vielen

in 23 unterschiedlichen Farben glasierten

führt und durch eine handfest angezogene

als kongeniales Pendant zur ausgestellten

Keramikstäben besteht.

Mutter gesichert sind. Die durchbrochene

modernen Kunst.

OBERFLÄCHENEFFEKTE

3 – Jeder Baukörper zeigt eine jeweils eigene Farbgebung.

2 – Bei der Annäherung offenbaren sich die Farbtöne.

4 – Muster zur Prüfung der Farbgestaltung und der visuellen Wirkung.

5 – Aus der Entfernung lassen sich einzelne Farben kaum ausmachen.

69

INDIVIDUELLE GLASUREN ERWEITERUNGSBAU DES HOLBURNE MUSEUM BATH, SOMERSET, GROSSBRITANNIEN

ENTWURF: Eric Parry Architects FERTIGSTELLUNG: 2011 KERAMIKHERSTELLER: Shaws of Darwen KERAMISCHE BAUTEILE: mehr als sechs individuelle Elementtypen, bis zu 1 m lang und 55 mm dick

1 – Fassadenansicht Sydney Gardens.

2 – Grundriss des zweiten Obergeschosses.

Bei der Farbgestaltung, der Schaffung eines

Anschlüsse und Befestigungsmittel (4, 5).

kommt. Durch den Schlickerguss reduzierte

Eindrucks räumlicher Tiefe und der Variation

Die Fassade erscheint als bloße Anordnung

sich das Schwindmaß insgesamt auf etwa

der Glasurdicke arbeiten Architekten eng

ebener Tafeln und senkrecht verlaufender

4,6 %. Dennoch wurden alle Elemente pro-

mit Keramikherstellern zusammen, um ein

Schwerter, besteht jedoch tatsächlich aus

beweise trocken verlegt, so dass die Einhal-

Wechselspiel von hell und dunkel zu erzeu-

Dutzenden unterschiedlicher Formen,

tung der Toleranzen vor dem Transport zur

gen. So unterstreicht der Oberflächeneffekt

darunter drei verschiedenen Tafelabmes-

Baustelle gegeben war. Die Planung ging von

die formalen Eigenschaften der Keramik.

sungen, Ecklösungen, Schwertern und

einem überdurchschnittlich hohen Anteil an

Kappen (6).

Verschnitt aus.

Das Holburne Museum ist Weltkulturerbe und Endpunkt einer 600 m langen

Die großen Elemente mit einer Länge

Von besonderer Bedeutung war die

Sichtachse entlang der Great Pulteney

von bis zu 1 m wurden vom in Lancashire

eigens für das Projekt entwickelte Glasur,

Street, die von der klassischen georgiani-

ansässigen Unternehmen Shaws of Darwen

die auf der Oberfläche ein Wechselspiel der

schen Architektur des historischen Bath

hergestellt, das bereits bei vorhergehenden

Tiefen und Töne erzeugt. Die Glasurunter-

gesäumt wird. Es bildet das Entrée zu den

Projekten für Eric Parry Architects indivi-

schicht erscheint in einem dunkleren Farb-

noch heute ablesbaren Strukturen des letz-

duelle Keramik gefertigt hatte. Die Bauteile

ton, die Oberschicht enthält zur Aufhellung

ten Erholungs- und Freizeitgartens des Lan-

wurden im selben Prozess wie beispiels-

Titan. Beide Schichten wurden zusammen

des aus dem 18. Jahrhundert. Im Jahr 2002

weise die vom Unternehmen angebotenen

gebrannt. Neben der grünen Keramik spie-

gewann das Londoner Architekturbüro Eric

Spülbecken aus gebranntem Ton in einem

gelt die Vorhangfassade aus Glas das Grün

Parry Architects einen Wettbewerb zur Re-

industriellen Schlickergießverfahren unter

der Gärten und schafft dabei einen ver-

staurierung und Erweiterung des Museums.

Einsatz einer dicken Tonschlämme herge-

gleichbaren Eindruck räumlicher Tiefe. Da

Hervorstechendes Merkmal des nach langer

stellt. Dies ermöglichte ein komplexes Sys-

Keramikglasuren ebenfalls eine Art von Glas

Debatte 2008 genehmigten Entwurfs ist die

tem aus ineinander verschränkten Formen.

darstellen, machten sich die Architekten die

in einem schimmernden Grünton gehaltene

Mit ihren Wandstärken sind die Elemente

aus dem Zusammenspiel von Glas und Kera-

Fassade aus Keramik und Glas (1, 2, 3).

auch deutlich dicker als herkömmliche ex-

mik entstehenden Materialqualitäten zunut-

trudierte Bauteile: durchschnittlich 50 mm

ze – unter Bewahrung der jeweils eigenen

statt 8–11 mm (7).

Farbe und Transparenz und des Reflexions-

Ziel des Entwurfs war es, jeglichen Eindruck eines Rasters zu vermeiden und eine poetische, auf Baumstrukturen anspielende

Bei der Planung war die erhebliche

vermögens. Die handwerkliche Anmutung

Fassadengestaltung zu erzielen. Keramik-

Schwindverformung zu berücksichtigen,

des Ergebnisses wäre mit einem konventio-

„Schwerter“ verdecken alle vertikalen

zu der es bei Keramikbauteilen dieser Größe

nellen System nicht zu erzielen gewesen.

OBERFLÄCHENEFFEKTE

3 – Blick von den Sydney Gardens.

4 – Fassadendetail auf der Seite von Sydney Gardens.

6, 7 – Fertigungsprozess individueller Keramikbekleidungen bei Shaws of Darwen.

5 – Aufgelöste perspektivische Schnittdarstellung der Befestigung der Keramikelemente.

71

DREIDIMENSIONALE OBERFLÄCHEN

ENTWURF: Herzog & de Meuron FERTIGSTELLUNG: 2010 KERAMIKLIEFERANT: Agrob Buchtal GmbH KERAMISCHE BAUTEILE: Fläche von 1.300 m2 mit vier im Schlickerguss hergestellten sechseckigen Elementtypen mit 196 mm Kantenlänge und 12 mm

MUSEUM DER KULTUREN BASEL SCHWEIZ

1 – Schnitt mit dem neuen Dach und Ausstellungsraum.

Wandstärke

2 – Komplexe Geometrie der konstruktiven Form.

Glasuren mit Spiegeleffekt bieten neue

abstrakte Weise die das Gebäude umgeben-

vom deutschen Architekturkeramik-Spe-

Möglichkeiten der Gestaltung von Keramik-

den historischen Basler Dachlandschaften

zialisten Agrob Buchtal geliefert. Auch die

oberflächen. Das Gebäude des Museums

mit ihren Biberschwanzziegeln. Im Gegen-

sofort ins Auge fallende spiegelnde Glasur

der Kulturen Basel aus der Mitte des 19.

satz zum orangeroten Terracottafarbton der

wurde eigens für das Projekt entwickelt. Für

Jahrhunderts, im Herzen der mittelalter-

benachbarten Dächer nimmt die in einem

Agrob Buchtal ist dieses Vorgehen gängige

lichen Stadt auf dem Münsterhügel gele-

changierenden Grünton gehaltene Spiegel-

Praxis: Das Unternehmen konzipierte im

gen, galt es so zu erweitern, dass es einen

glasur jedoch explizit Bezug auf die traditio-

Lauf der letzten Jahrzehnte mehr als 15.000

Großteil der mehr als 300.000 Objekte des

nellen grünen Dachziegel des Münsters.

objektspezifische Glasurrezepturen.

Museums fassen konnte.

Das Dach des Münsters zieht den Blick des

Gefertigt wurden die Keramikfliesen in einem

Betrachters durch seine aus den Farben

modifizierten industriellen Schlickergieß-

für eine Aufstockung des Gebäudes, statt

Weiß, Rot, Gelb und Grün gebildeten Rhom-

verfahren unter Nutzung von Gipsformen,

einen Baukörper im historischen Innenhof

ben an; das Museum der Kulturen erhält da-

um die erforderliche Präzision zu gewähr-

zu planen (1). Sie entwarfen ein zusätz-

gegen durch das Zusammenspiel konvexer,

leisten.

liches Geschoss mit einer gefalteten Dach-

flacher und konkaver Keramikelemente eine

landschaft, welche die mittelalterlichen

dynamische Qualität, die je nach Standort,

Elemente (konvex, konkav und flach) sowie

Dachverläufe der Stadt auf moderne Weise

Lichteinfall und Witterungsbedingungen

ein trapezförmiges Endstück mit Kanten-

neu interpretiert (2, 3). Hervorstechendstes

variiert. Insgesamt vermittelt der Entwurf

längen von 196 mm und einer Wandstärke

Merkmal dieses Entwurfs sind die eigens

den Eindruck einer guten Einbettung in sein

von 12 mm (7, 8). Das Befestigungssystem

gefertigten Keramikelemente, die eine Flä-

Umfeld, sticht aber dennoch als herausra-

ermöglicht die individuelle Abnahme jedes

che von rund 1.300 m² bedecken (4, 5).

gendes architektonisches Werk hervor.

Herzog & de Meuron entschieden sich

Die dreidimensionalen, sechseckigen Keramikelemente interpretieren auf

OBERFLÄCHENEFFEKTE

Die Keramikelemente wurden individuell von Herzog & de Meuron geplant und

Die Formen umfassten drei sechseckige

einzelnen Elements, falls ein Zugang zur darunterliegenden wasserführenden Schicht erforderlich ist (6).

3 – Das Museum inmitten der historischen Tonziegel-Dachlandschaft von Basel.

4 – Einbaumuster und Elementschnitte.

6 – Die Keramikelemente sind einzeln am Montagesystem befestigt.

7 – Detail der Spiegeloptik mit dunkelgrüner Unterglasur.

5 – Der Erweiterungsbau vom Innenhof aus gesehen.

8 – Die Winkel und Formen der Elemente bewirken im Zusammenspiel mit der Spiegelglasur eine Streuung des Lichts.

73

GLASUREN MIT PERLGLANZEFFEKT

ENTWURF: COR asociados, Miguel Rodenas + Jesús Olivares FERTIGSTELLUNG: 2011 KERAMIKHERSTELLER: COR asociados KERAMISCHE BAUTEILE: 498 × 498 × 19 mm, 685 m2

MUCA KONZERTHALLE UND AUDITORIUM ALGUEÑA, ALICANTE, SPANIEN

1 – Grundriss erstes Obergeschoss.

2 – Massenmodell mit neuer Konzerthalle in Perlglanz-Optik und rekonstruiertem Bestandsbau.

Glasuren mit Perlglanzeffekt gehen ur-

Perlmutt-Fassade, die sich von ihrer Um-

Nachfolgend wurde der weiße Emailgrund

sprünglich auf das 12. Jahrhundert zurück.

gebung abhebt, dabei aber auch in einen

aufgetragen und bei 1.180 °C eingebrannt,

Größere Verbreitung fanden sie durch den

Dialog mit ihr tritt.

um die Elemente zu vitrifizieren. Schließ-

für seine grünen Perleffekt-Glasuren be-

Der Entwurf verfolgt das Ziel einer

lich wurde auf die Oberfläche eine dünne

kannten ungarischen Hersteller Zsolnay.

„Unschärfe“ mit lebendig wirkenden Ele-

Metallbeschichtung aufgebracht und bei

Sie wurden häufig in Art-Nouveau-Objek-

menten, deren Erscheinungsbild sich je

780 °C eingebrannt (6, 7). Die Fliesen wur-

ten eingesetzt, verloren dann jedoch an

nach Standort und Lichteinfall verändert (3,

den dann direkt auf die Betonkonstruktion

Bedeutung. In Algueña entdeckten und

4, 5). Die Entscheidung für Keramik ermög-

aufgeklebt (8, 9).

modifizierten die Architekten COR asocia-

lichte individuelle Anpassungen in erhebli-

dos, Miguel Rodenas und Jesús Olivares,

chem Umfang auch im Rahmen des vorge-

Prozess seit langem der Beschichtung von

eine alte Glasurtechnik, wie sie auch für

gebenen Budgets. In einem achtmonatigen

Fensterbänken aus Keramik mit grünem

Schmuckelemente in den Häusern ihrer

Forschungsprozess wurde der Glasurvor-

Grundton. Deren Produktion wurde nach

Großeltern verwendet wurde, um daraus

gang für die gewünschte Helligkeit, Dauer-

und nach eingestellt, da es im Fertigungs-

etwas Neues zu erschaffen.

haftigkeit und Farbgebung optimiert.

prozess häufig zum Bruch kam. In Koopera-

Algueña ist eine Kleinstadt mit 2.000

Die Architekten arbeiteten mit einem

In Spanien diente dieser chemische

tion mit dem Keramikhersteller entdeckten

Einwohnern, die vorwiegend von der Land-

kleinen Keramikhersteller zusammen,

COR asociados diesen Prozess neu und ent-

wirtschaft und von der Marmorindustrie

der über die erforderliche Erfahrung verfüg-

wickelten ihn weiter. Sie verwendeten eine

geprägt ist. Das Projekt mit einem Budget

te, um den Glasurvorgang kostengünstig zu

weiße Farbbasis, lösten die in der Fertigung

von nur ca. 560.000 Euro umfasste die

modifizieren. Als Material wurde ein frost-

bestehenden Probleme und veränderten

Rekonstruktion eines leer stehenden

beständiges Standard-Porzellan für den

den Perlglanzeffekt so, dass er einem mo-

Wachhauses aus den 1960er Jahren und

Außenbereich gewählt. Die Fliesen wurden

dernen Erscheinungsbild entsprach. Das

die Errichtung eines neuen, 350 m² großen

im herkömmlichen Trockenpressverfah-

Unternehmen vermarktet und vertreibt nun

Konzertsaals mit 230 Plätzen (1, 2). Zen-

ren hergestellt und bei 950 °C im traditi-

in diesem Verfahren hergestellte, individuell

traler Bestandteil des Projekts ist eine

onellen Dreifachbrand schrühgebrannt.

angepasste Fliesen für weitere Projekte.

OBERFLÄCHENEFFEKTE

3 – Erweiterung und Rekonstruktion sind vom historischen Bauwerk klar abgegrenzt.

75

4 – Durch ihre räumliche Anordnung, die sich über die ganze Fassade erstreckt, streuen die Fliesen das einfallende Licht und spiegeln den Himmel.

5 – Westfassade.

OBERFLÄCHENEFFEKTE

6, 7 – Auftragen der dünnen Metallschicht zwischen den Brennvorgängen.

8, 9 – Aufkleben der Fliesen auf die Unterkonstruktion.

77

ABZIEHBILDVERFAHREN ONE EAGLE PLACE LONDON, GROSSBRITANNIEN

ENTWURF: Eric Parry Architects FERTIGSTELLUNG: 2014 KERAMIKHERSTELLER: Shaws of Darwen KERAMISCHE BAUTEILE: 25 m langes, im Schlickergießverfahren hergestelltes Gesims aus 39 Abschnitten in 30 individuellen Designs

1 – Fassadenansicht zum Piccadilly.

2 – Detaillierung der Piccadilly-Fassade.

Die Keramikindustrie macht sich immer wie-

rungen. Dennoch offenbart es dem Betrach-

der Technologien aus anderen Branchen zu

ter eine moderne Interpretation des Orna-

bediente man sich einer Technik des Gla-

eigen; insbesondere gilt dies für den Druck.

ments in der Architektur (1).

surtransfers in einem „Abziehbild“-Ver-

Beim Entwurf der glasierten Elemente

So fand der im China der Song-Dynastie

Die gesamte Fassadenbekleidung be-

(960–1279) entwickelte und im 18. Jahr-

steht aus in einem Altweiß-Ton individuell

siebdruckähnlichen Vorgang Glasuren auf

hundert in Europa eingeführte Siebdruck

gefertigten Keramikelementen. Zur Her-

ein Substrat aufgedruckt, nachfolgend

bereits nach kurzer Zeit Verbreitung in der

stellung einer durchgehend abgedichteten

befeuchtet, auf das gebrannte Keramik-

Keramikindustrie. Er diente dem Aufbrin-

Oberfläche sind die Elemente mit Mörtelfu-

element aufgebracht und dann erneut ein-

gen von Glasuren auf die Keramik, welches

gen versehen und daher eher mit einer Mau-

gebrannt. Dieser Glasurtransfer ist ein für

zuvor ausschließlich per Hand erfolgte, und

erwerkswand als mit einer Vorhangfassade

die repetitive Herstellung präziser Glasur-

ist heute in einigen Bereichen der Branche

vergleichbar (2, 3, 4). Von besonderem Inter-

designs häufig genutztes Verfahren.

weit verbreitet. Inzwischen erkennen Archi-

esse ist das 25 m lange, in Zusammenarbeit

Das „Abziehbild“-Verfahren ist in der

tekten die Chancen, die dieser Prozess auch

mit dem Künstler Richard Deacon entwor-

Keramikindustrie weit verbreitet und findet

für Anwendungen auf ihrem Gebiet bietet.

fene, in lebhaften Farben gehaltene Gesims

sich auf nahezu allen mit Verzierungen ver-

One Eagle Place erstreckt sich mit

(5). Es unterteilt sich in 39 facettierte Ab-

sehenen Tellern, Schüsseln, Kaffeetassen

seiner Schauseite entlang des historischen

schnitte in 14 Formen, wobei jede Facette

oder Kitsch-Souvenirs. Erstmals angewen-

Piccadilly-Boulevards; die grelle Neonbe-

mit einer von 30 unterschiedlichen Glasuren

det wurde dieses Verfahren Mitte des 18.

leuchtung (heute LED) des Piccadilly Circus

versehen ist. Jeder Abschnitt besteht aus

Jahrhunderts, wird jedoch bis jetzt nur sel-

ist nur wenige Meter entfernt. Mit ihrem

zwei oder drei einzelnen Keramikelemen-

ten für Anwendungen in der Architektur ein-

hohen Anteil an verglasten Flächen reagiert

ten, die nur auf der Innenseite der Facetten

gesetzt. Bei One Eagle Place arbeiteten die

die Fassade auf die Nordausrichtung des

verfugt sind, so dass die optische Präsenz

Hersteller eng mit dem Künstler zusammen.

Gebäudes. Es nimmt das Raster und die

der Fugen auf ein Mindestmaß zurückge-

So konnten die Transferfarben exakt an den

Struktur der benachbarten klassizistischen

nommen ist. Von der Straße aus betrachtet

Entwurf angepasst werden (7). Ergebnis

Bestandsgebäude ebenso auf wie deren

wirken die Keramikelemente recht klein,

ist eine Polychromie, die – so Architekt Eric

Zahnfriese, Gesimsverläufe und Rustizie-

sie wiegen jedoch bis zu 200 kg (6)!

Parry – „sich mit einem Lächeln zeigt“.

OBERFLÄCHENEFFEKTE

fahren. Dazu wurden zunächst in einem

3 – Blick auf die Fassade zum Piccadilly.

4 – Piccadilly-Fassade im Anriss.

5 – Piccadilly-Fassade mit Keramikgesims von Richard Deacon.

6 – Gesims von Richard Deacon; Keramikblöcke in Trockenverlegung.

7 – Zur exakten Abstimmung der Farbgebung wurden zahlreiche Muster angefertigt.

79

HOCHLEISTUNGSOBERFLÄCHEN

ENTWURF: OAB, Carlos Ferrater und Xavier Martí Galí FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: Keramia Ceramicas KERAMISCHE BAUTEILE: Promenade auf 1,5 km belegt mit extrudierten kreisförmigen

WESTSTRAND-PROMENADE BENIDORM, SPANIEN

(430 × 15 mm) und dreieckigen Fliesen (120 × 15 mm) in 22 Farben

1 – Geometrie des Verlegemusters in Grundriss und Schnitt.

2 – Foto eines Entwurfsmodells.

Die neu geschaffene Strandpromenade

wurde entwickelt, das die für die Belegung

förmigen Fliesen haben einen Durchmesser

genießt in der vom Tourismus geprägten

der komplexen Oberfläche nötige Flexibi-

von 430 mm und eine Dicke von 15 mm,

„Betonhochburg“ eine hohe Wertschätzung.

lität gewährleistet. Dessen Kreisform ist

die dreieckigen Füllelemente eine Breite

Entworfen als „Welle“ aus Weißbeton,

richtungslos, so dass sie die nahtlose Ein-

von 120 mm. Die Fliesen wurden im Extru-

die über eine Distanz von 1,5 km mit einer

bettung in die Wellenform der Promenade

sionsverfahren hergestellt und in eigens

maximalen Breite von 30 m am Strand

ebenso ermöglicht wie die Mischung der

gefertigten Formen auf Maß geschnitten.

entlang mäandert, bietet die Promenade

unterschiedlichen Farbbänder (3, 4, 5, 6).

Als Tonmasse wurde eine Sondermischung

nicht nur Schutz vor den Meereswellen.

OAB zog das Instituto de Tecnología

verwendet, die nach dem Brennen eine

Sie ermöglicht auch die Sammlung des

Cerámica (ITC), ein Forschungsinstitut für

nahezu gefügedichte Struktur mit hohem

Regenwassers, eröffnet unterschiedliche

die spanische Keramikindustrie, bera-

mechanischem Widerstand bildet. Zur Her-

Aussichten auf das Meer, erschließt Tiefga-

tend für die spezifischen Anforderungen

stellung einer rutschfesten und verschmut-

ragen und benachbarte Straßen und bietet

hinzu: den intensiven Publikumsverkehr,

zungsbeständigen Oberfläche enthalten die

eine ganze Reihe von Freizeitbereichen. Der

die Rutschfestigkeit nasser Fliesen, die

Glasuren Tonerde, ein im festen Zustand

Entwurf vereint die örtliche Kultur mit lokal

korrosive Wirkung des Salzwassers sowie

vorliegendes Aluminiumoxid. Die Glasuren

verfügbaren Materialien und wird vor allem

den hohen Abrieb durch den Sand. Mittels

wurden mehrschichtig aufgebracht, um ein

von den als Pflasterung verlegten gebrann-

Prüfverfahren konnte das ITC für eine Reihe

lebhaftes und langlebiges Farbenspiel zu

ten Keramikfliesen in 22 Farben geprägt.

verfügbarer Erzeugnisse den mechanischen

gewährleisten. Eine Verlängerung der Brenn-

Zur Erfassung und Anpassung der

Widerstand (Bruchlast), die Rutschfestig-

dauer im höheren Temperaturbereich um 50

komplexen geometrischen Formen wurden

keit im nassen Zustand und deren Dauer-

% sorgte für eine Vitrifizierung der Tonmas-

Modelle aus Papier und Karton, aber auch

haftigkeit ermitteln. Auch der Abrieb durch

se und die Verbindung der Emailschichten

in Probestücken in Originalgröße mit einer

Sand und Wasser wurde berücksichtigt.

untereinander sowie mit der Tonmasse.1

Länge von 4,2 m und einem Gewicht von 250 kg angelegt (1, 2). Ein Keramikpflaster

OBERFLÄCHENEFFEKTE

Der Hersteller Keramia Ceramicas fertigte Fliesen in 22 Farbtönen. Die kreis-

1 Ferrater und Galí 2011.

3 – Promenade Benidorm, Blick nach Westen.

5 – Das Verlegemuster erstreckt sich über mehrere Wege.

4 – Promenade Benidorm, Blick nach Osten.

6 – Detail des Verlegemusters mit kreisrunden und dreieckigen Elementen.

81

TINTENSTRAHLDRUCK

1 – Cretaprint – eines der Systeme für das Aufbringen der Glasur mittels Tintenstrahltechnologie.

2, 3 – Das System verfügt über mehrere Druckköpfe, so dass sich die Glasur innerhalb kürzester Zeit applizieren lässt.

Bei handwerklich gefertigten Sonderer-

bekannten Festival von San Fermin Rever-

schwindigkeit moderner Fertigungsstraßen

zeugnissen werden Glasuren häufig manuell

enz erwiesen – durch Abbildungen auf dem

Schritt halten.

aufgebracht. Die im industriellen Maßstab

Boden, die unter Nutzung der Tintenstrahl-

üblichen Glasiervorgänge ähneln dagegen

technologie aufgedruckt wurden (1, 2, 3,

Verbesserung der Farbqualität und höheren

weitgehend der herkömmlichen Bedruckung

4). Da die Bilder nicht auf die Oberfläche

Druckauflösungen führen. Die Geschwin-

von Papier oder Textil. Glasieranlagen er-

aufgebracht, sondern direkt in die Glasur

digkeit von Singlepass-Druckern wird sich

möglichen den direkten Auftrag der Glasur

eingeschmolzen werden, sind sie sehr wi-

voraussichtlich erhöhen, so dass diese noch

auf die Fliesen beim Durchlauf durch die

derstandsfähig (5, 6, 7, 8). In ähnlicher Weise

konkurrenzfähiger zu konventionellen Gla-

Fertigungsstraße. In typischen, für die Her-

arbeitete der Keramikhersteller Ceracasa

sieranlagen werden. Bei der Weiterentwick-

stellung großer Mengen ausgelegten Pro-

mit der Brauerei Mahou San Miguel bei

lung der Tinten und der Datenübertragung

duktionsanlagen sind Variationen oder indi-

Wandbildern zu Werbezwecken zusammen,

sind jedoch erhebliche Herausforderungen

viduelle Glasuren bei kleineren Stückzahlen

die nicht verblassen und praktisch unver-

zu bewältigen. Am vielversprechendsten

äußerst schwierig umzusetzen. Individuelle

wüstlich sind. Sie bieten eine interessante

erscheinen hier Lösungen für das Aufbrin-

Glasuren entstehen meist durch Wechsel

Alternative zu der nach und nach verblas-

gen einer breiteren Palette von Materialien,

zwischen den Systemen für das Aufbringen

senden, derzeit wieder hoch geschätzten

darunter nicht nur Keramik, sondern auch

der Glasur oder Reduktion auf eine begrenz-

Werbung auf Brandwänden nach Art des

Metalle und Polymere.1 Die Bedruckung

Künftige Entwicklungen dürften zu einer

te Reihe von Mustern. Hierfür sind Umrüs-

frühen 19. Jahrhunderts (9, 10). Die Techno-

von Keramik-Gießmasse eröffnet die Mög-

tungen der Mechanik der Glasieranlagen

logie ist auch für die Massenfertigung von

lichkeit, Farbtöne auf Basis der Tonmasse

erforderlich.

Fliesen geeignet, die natürliche Materialien

herzustellen statt auf Grundlage der in den

wie Holz oder Naturstein nachbilden sollen.

Glasuren enthaltenen Pigmente. Metalle

Mit der Technologie des Tintenstrahldrucks, die in den vergangenen 15 Jahren

Auf üblichen Glasieranlagen lässt sich die

und Polymere könnten Keramikerzeugnisse

auch für die Dekoration von Keramikfliesen

komplexe Varietät, die jedes Stück Holz oder

mit neuartigen funktionalen Merkmalen

angepasst wurde, lassen sich digitale Bil-

Naturstein einzigartig macht, schwerlich

versehen. So ist denkbar, dass die Industrie-

der in individuellen Mustern abbilden, die

erzielen.

dadurch ebenso einfach reproduzierbar

Industrielle Tintenstrahldrucker nutzen

keramik als Markt für integrierte Schaltkreise erschlossen und mit eingebetteten

werden wie in Massenfertigung hergestellte

ein Verfahren mit nur einem Durchlauf durch

Designs. Großformatige, fotorealistische

die Fertigungsstraße zum Aufbringen der

versehen wird. Keramikfliesen oder -platten

Abbildungen können unter Wahrung aller der

Glasur. Separate Druckleisten für jede Farbe

könnten auch als Solarmodule, Anwesen-

Keramik innewohnenden Vorteile produziert

mit mindestens je zehn Druckköpfen sind

heitssensoren, Lautsprecher, Bildschirm-

werden. In dem im spanischen Pamplona

über der mit einer Geschwindigkeit von

anzeigen oder Ähnliches eingesetzt werden.

gelegenen Restaurant La Mandarra de

0,5–1 m/s laufenden Förderanlage montiert.

La Ramos wird dem für seinen Stierlauf

So kann Tintenstrahldruck mit der Ge-

OBERFLÄCHENEFFEKTE

Sensoren, Schaltern oder Akustikwandlern

1

Hutchings 2010.

4 – Restaurant La Mandarra de La Ramos im spanischen Pamplona.

5 – Detail der Druckauflösung.

6 – Die Bar verbildlicht Stadtsilhouetten, der Boden den berühmten Stierlauf.

8 – Jede Fliese ein Unikat, genau im Bild platziert.

9 – Gedruckte Wandbilder beleben eine Giebelwand.

7 – Gefertigt wie herkömmliche Fliesen, weisen sie die gleiche Widerstandsfähigkeit und Abriebfestigkeit auf.

10 – Die Kosten liegen erheblich niedriger als bei handgemalten Wandbildern – bei einem deutlich langlebigeren Ergebnis.

83

NANOBESCHICHTUNGEN

ENTWURF: Studio Daniel Libeskind FERTIGSTELLUNG: 2013 KERAMIKHERSTELLER: Casalgrande Padana S.p.A. KERAMISCHE BAUTEILE: 120 gepresste Steinzeugtafeln der Größe 600 × 1.200 mm

PINNACLE BOLOGNA, ITALIEN

1 – Schnitt mit Darstellung der verdeckten Unterkonstruktion aus Stahl.

Nanobeschichtungen auf Keramik haben

Keramikhersteller Casalgrande Padana die

Cortile del Priore dell’ex Maternità aus

großes Potenzial. Bereits in den 1960er

Installation Pinnacle, bei der die von Ca-

dem 17. Jahrhundert.

Jahren entdeckten Wissenschaftler die

salgrande Padana entwickelte Bios-Techno-

photokatalytischen Eigenschaften von

logie zur Selbstreinigung zum Einsatz kam

Titandioxid (TiO2), das bei Exposition ge-

(2, 3, 4, 5). Hier ist die Grundkonstruktion

die bei einer Temperatur von 1.235 °C

genüber Wasser und UV-Strahlung Gase

von Tafeln umgeben, die von Libeskind als

gebrannt wurden. Die Elemente sind über

freisetzt. Diese oxidierende Wirkung führt

Produktlinie für Casalgrande Padana ent-

nicht sichtbare Befestigungsmittel mit

zur Zersetzung nahezu aller organischen

worfen wurden – also eine Umkehrung der

einer Stahlunterkonstruktion und der

Verbindungen. Wasser trifft auf superhydro-

traditionellen Kooperationsbeziehung, bei

darunterliegenden Grundkonstruktion ver-

phile Oberflächen in einem kleinen Kontakt-

der Hersteller Produkte für Architekten kon-

bunden (1). Der Metalleffekt entsteht durch

winkel, breitet sich aus, maximiert seine

zipieren. Die Tafeln weisen eine leichte Bas-

die Sättigung der Glasur mit Metalloxiden,

Kontaktfläche und läuft sauber ab. Durch

relief-Struktur auf, die im Zusammenspiel

die zu einer verbesserten Kristallisation

die kombinierte Wirkung der Sonnenein-

mit einer eigens hergestellten Metallglasur

während des Brennvorgangs führt, und

strahlung und des Regenwassers entsteht

aus Edelstahl das Licht reflektiert und

durch das Schleifen der in der Glasur ent-

eine selbstreinigende Oberfläche.

streut. Der Architekt ließ sich hierbei von

haltenen Metallpartikel nach dem Brennen.

zahlreichen Quellen inspirieren: vom Was-

Im darauf folgenden Schritt wurde die vom

Water Design Conference über die Rolle des

ser, vom Licht, von Himmel und Horizont,

Unternehmen entwickelte, patentgeschütz-

Wassers im urbanen Kontext entwarf Da-

von der Sehnsucht nach Weite ... Aufgestellt

te Bios-Behandlung zur Herstellung einer

niel Libeskind in Zusammenarbeit mit dem

wurde die Installation in dem Ensemble des

selbstreinigenden Oberfläche durchgeführt.

Für die 2013 in Bologna veranstaltete

OBERFLÄCHENEFFEKTE

Pinnacle besteht aus 120 Steinzeugtafeln in den Abmessungen 600 × 1.200 mm,

3 – Metalloxide in der Glasur verleihen der Keramik eine metallene Anmutung.

2 – Die von Daniel Libeskind entworfenen Keramikelemente zeigen eine leichte Basrelief-Struktur.

4 – Die Installation im Cortile del Priore dell’ex Maternità.

5 – Die Keramikelemente wurden mit einer photokatalytischen Nanobeschichtung versehen.

85

KAPITEL 9

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

1 – Blick auf das Dach der Markthalle Santa Caterina in Barcelona.

2 – Keramikfassade des Muhammad Ali Center in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky.

In den vergangenen Jahren hat die zeitgenössische Architektur den Charakter des Ornaments neu interpretiert und sich dem zuvor lediglich in einer ästhetischen Dimension begriffenen „Muster“ erneut zugewandt, welches nun mittels komplexer, multivariabler Algorithmen erzeugt werden kann. Doch sind Mosaiken – ungeachtet der ihnen häufig zugeschriebenen Eigenschaft des „Historischen“ – ebenfalls noch immer weit verbreitet; zudem wird ihre weitere Entwicklung durch Roboter- und andere Technologien vorangetrieben. Auch im großen Maßstab der Architektur und der Städte von heute sind sie nach wie vor von großer Relevanz. Darüber hinaus erkunden Architekten die nunmehr höhere Belastbarkeit und Festigkeit keramischer Fliesen, die früher – sofern nicht vollflächig auf stabilem Untergrund verklebt – keinen weiteren Einsatzzweck hatten, da sie zu dünn und zu spröde waren. Heute lassen sich mit ihnen selbsttragende oder sogar statisch wirksame Konstruktionen herstellen, und das in jüngster Zeit erkannte Potenzial der Dimension der Tiefe verleiht Fliesenmustern eine neue Bedeutung. Die in diesem Kapitel versammelten Fallstudien gliedern sich in drei Teile: Zunächst werden mehrere Beispiele neuartiger, komplexer, von Architekten entworfener geometrischer Fliesenmuster vorgestellt. Darauf folgt, wie Mosaiken durch die digitale Technologie praktisch neu erfunden wurden. Den Schlusspunkt setzen Projekte, die belegen, wie Architekten bei der Konzeption dreidimensionaler Formen eine Vorreiterrolle einnehmen und so die Fliesenoberflächen um eine kühne dritte Dimension erweitern. Bei der Bekleidung von Oberflächen mit komplexen Formen kommt der Keramik von jeher eine wesentliche Rolle zu. Kleinformatige Fliesen, die auf eine komplexe Oberfläche aufgeklebt werden, bieten eine kostengünstige, vielseitig einsetzbare Lösung. Das aus dem lateinischen tessera – kleine, in Mosaik arbeiten verwendete Steinwürfel bezeichnend – abgeleitete „to tessellate“ (selten auch im Deutschen „tessel[l]ieren“) bezieht sich lediglich auf das Fliesen einer Oberfläche. Der lateinische Ursprung verweist jedoch darauf, dass eine solche Mosaikarbeit die Umsetzung eines bewusst geplanten Designs darstellt. Ein sehr augenfälliges Beispiel sind die im Goldenen Zeitalter des Islam verbauten Keramik fliesen in zwei- und dreidimensionalen Anordnungen auf den komplex gekrümmten Formen von Zwiebeltürmen und konsolenartigen Mihrabs (siehe Kapitel 2). Heute nutzen Architekten und Designer Instrumente und Verfahren wie das Scripting, die Programmierung und die parametrische Modellierung – daraus hat sich ein erneutes Interesse an komplexen Mosaikarbeiten entwickelt.

3 – Die von Kengo Kuma and Associates entworfene CCCloud nutzt Keramikelemente als konstruktive Bauteile.

4 - Die 2015 erstellte Installation von Martin Bechthold mit Forschern der Harvard Graduate School of Design konfiguriert einen selbsttragenden Prototypen aus grossformatigen Fliesen.

Mosaiken bestanden ursprünglich aus Kieselsteinen, wurden im Lauf der Jahrhunderte jedoch ebenso mit Keramik verbunden. Bereits im 19. Jahrhundert waren Hersteller in der Lage, größere Fliesen mit Mustern zu bedrucken, die ihnen das Aussehen kleinerer Mosaikfliesen verliehen. Heute müssen Mosaiken aber nicht notwendigerweise kleinteilig sein: Aus der digitalen Technologie ergeben sich neue Möglichkeiten der Gestaltung von an den urbanen Maßstab angepassten Arbeiten. Dabei repräsentiert eine ganze Tafel – oder auch Dutzende von Fliesen wie an der Markthalle Santa Caterina – ein einzelnes Pixel (1). Im Muhammad Ali Center in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky ist das sich über die gesamte Fassade erstreckende, aus farbigen Keramikelementen bestehende Bild aus größerer Entfernung klar erkennbar, löst sich jedoch bei der Annäherung in scheinbar zufällige Farbquadrate auf (2). Der englische Begriff „tile“ (für Fliese, Kachel) bezeichnet heute eine dünne Platte oder Tafel, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen kann. Sein Ursprung liegt im lateinischen tegula, das sich explizit auf einen gebrannten Dachziegel aus Keramik bezieht. Damit ist ein Bauteil gemeint, das auf einer Oberfläche – nicht notwendigerweise eben – angeordnet ist. Solche Keramik-Dachziegel boten genügend Flexibilität, um über Jahrhunderte für die Eindeckung gewölbter Dachkonstruktionen in Ostasien verwendet zu werden. Heute experimentieren Architekten sogar mit der Loslösung von Keramikfliesen von ihrem Untergrund und der Herstellung echter dreidimensionaler Strukturen (3). Großformatige Keramikplatten (4) mit Längen von über 3 m und einer Dicke von nur 3–5 mm lassen sich sogar biegen – eine konstruktive Eigenschaft, die zuvor bei Keramik völlig unbekannt war (siehe Kapitel 5). Dieses Kapitel bietet einen Querschnitt der heutigen Möglichkeiten der zwei- und dreidimensionalen Anordnung von Fliesen in Mosaiken und anderen Strukturen. Traditionelle Verfahren für Mosaikarbeiten werden im modernen Maßstab neu entdeckt und umgesetzt. Die Robotertechnik macht die Herstellung von Mosaiken nicht nur erneut zu einer wirtschaftlichen Alternative; sie schafft vielmehr auch die entscheidende Verbindung zwischen einer historischen Kunstform und dem digitalen Zeitalter. Die weiteren Beispiele verwenden Fliesen, deren Festigkeit und Stabilität ausreicht, um sie losgelöst von ihrem Untergrund zu installieren. Solche dreidimensionalen Anordnungen von Keramikelementen stellen ein neues Erkundungsfeld für Architekten und Designer dar.

87

KOMPLEXE GEOMETRIE

ENTWURF: Lily Jencks und Nathanael Dorent FERTIGSTELLUNG: 2013 KERAMIKHERSTELLER: Marazzi Group STATIK: Manja van de Worp, NOUS Engineering, London KERAMISCHE BAUTEILE: 2.950 gepresste Stein-

PULSATE PRIMROSE HILL, LONDON, GROSSBRITANNIEN

zeugelemente der Größe 100 × 600 × 5 mm

1 – Grundriss und Schnitt der wechselnden Boden- und Deckenhöhen.

2 – Fassade des Capitol Designer Studio.

Die komplexe Anordnung von Fliesen für die

Dazu wählten die Designer die vom

des Bodens setzt sich an den Wänden

Gestaltung von Oberflächen, die auf kom-

italienischen Hersteller Marazzi angebo-

vertikal fort und läuft an der Decke wieder

plizierten Algorithmen basieren, ist ebenso

tene Fliese Sistem N – quasi direkt aus

zusammen. Der intendierte Effekt verlangte

aufwendig wie Mosaikarbeiten. Projekte wie

dem Lager des Händlers. Die 100 × 600 ×

ein leichtes, der Neigung der Wände ent-

Pulsate belegen, dass dies dennoch wirt-

5 mm messenden Fliesen bestehen aus

sprechendes Gefälle des Bodens.

schaftlich realisierbar ist.

Porzellan-Feinsteinzeug. Sie wurden im

Das Muster hätte keinen Millimeter Abwei-

Trockenpressverfahren hergestellt und bei

chung der Unterkonstruktion aus Holz tole-

Hill in London ansässigen Fliesenvertrieb

über 1.200 °C gebrannt. Durch ihre Rutsch-

riert. Die Fliesen wurden auf herkömmliche

Capitol Designer Studio (CDS) entworfene

festigkeit und Schlagzähigkeit eignen sich

Weise aufgeklebt, erforderten jedoch ein

temporäre Installation. Sie stellt die tradi-

die Fliesen sowohl für Wände als auch für

hohes Maß an Präzision bei der vorherge-

tionelle Wahrnehmung keramischer Fliesen

Böden. Eine Palette aus vier Standardfar-

henden Markierung des Musters (6).

in Frage: Das komplexe Muster schafft eine

ben genügte zur Herstellung der wellen-

kontinuierliche Oberfläche aus Böden, Wän-

artigen Wirkung des Musters.

Pulsate ist eine für den in Primrose

den, Decken und Mobiliar (1, 2). Die Designer

Der Entwurf betont die geometrische

ließen sich von der Op-Art und der Gestalt-

Komplexität der kontinuierlichen Fliesenan-

psychologie inspirieren (3, 4, 5).

ordnungen: Das Fischgrät-Verlegemuster

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

3 – Mit einer erzwungenen Perspektive des Raums stellt das Muster die Wahrnehmung von Entfernungen durch den Betrachter in Frage.

4 – Der Blick in Gegenrichtung offenbart die erzwungene Perspektive.

5 – Die komplexe Geometrie schafft Kontinuität über die verschiedenen Oberflächen hinweg.

6 – Die visuelle Wirkung beruht auf der hohen Präzision der Fliesenanordnung.

89

KOMPLEXE MONTAGE

ENTWURF: Manuel Herz Architects FERTIGSTELLUNG: 2010 KERAMIKHERSTELLER: NBK Architectural

JÜDISCHES GEMEINDEZENTRUM MAINZ, DEUTSCHLAND

Terracotta KERAMIKBERATER: Niels Dietrich KERAMISCHE BAUTEILE: 17.000 extrudierte Elemente in den Abmessungen 150 × 100 × (600, 750, 900) mm

150 mm

100 mm

600–900 mm

1 – Schnitt und Ansicht des extrudierten Elements. 2 – Gebrannte, unglasierte extrudierte Elemente.

Die Feinheiten des dreidimensionalen Effekts

Die Architekten arbeiteten bei der Fertigung

zu können. Die Standardelemente wurden in

dieses Musters liegen primär in der Montage-

der 17.000, 600–900 mm langen Fassadenele-

Längen von 600, 750 und 900 mm hergestellt,

logik und ihrem Bezug auf die Gebäudeform

mente mit dem Hersteller NBK Architectural

um wahrnehmbare Fugenrhythmen zu ver-

begründet – statt wie bei zahlreichen ande-

Terracotta zusammen.

meiden. So waren jeweils nur das erste und

ren Keramiksystemen in der Farbgebung oder Anordnung der Elemente. Der Entwurf nimmt Bezug auf die Bedeu-

Eine einzige Extrusionsform kam zum

letzte Element einer Reihe Unikate, welche

Einsatz. Die dreieckigen Elemente sind

eine Nummerierung und individuelle Platzie-

150 mm breit und 100 mm hoch und zur Be-

rung erforderten.

tung des Schreibens in der jüdischen Tradition

festigung an der Unterkonstruktion an ihrer

und auf die Rolle der Stadt Mainz als Zent-

Basis mit T-förmigen Nuten versehen (1, 2).

Fassade eingeschnittenen Winkel war be-

rum für Talmud-Studien im Mittelalter. Die

Das Zusammenspiel dieser dreieckigen Ele-

grenzt, so dass auch von diesen „individuell“

Gebäudeform ist eine Abstraktion von fünf

mente mit der konzentrischen Geometrie

auf Maß geschnittenen Teilen mehrere Hun-

hebräischen Buchstaben, und die individuell

entlang der ebenen Außenwände lässt pers-

dert Stück produziert werden konnten (10,

gefertigte Fassade zeigt eine Gerichtetheit,

pektivische Illusionen entstehen.

11). Dennoch stellte die Unterscheidung und

welche der Handlung des Einschreibens

Nach dem Sieg im Wettbewerb im Jahr

Die Zahl der unterschiedlichen, in die

entsprechende Anbringung der individuell

entspricht. Die hinterlüftete Vorhangfas-

1999 erwies sich eine aufgetretene Projekt-

gefertigten Produkte auf der nur beschränkt

sade besteht aus eigens entworfenen ext-

verzögerung letztlich als vorteilhaft, da sie

Platz bietenden Baustelle inmitten der Stadt

rudierten Keramikelementen, die auf einer

einer intensiveren Kooperation von Archi-

eine logistische Herausforderung dar.

Aluminium-Unterkonstruktion befestigt sind.

tekt und Hersteller bei der Durchbildung

Letztere ist wiederum an der Beton-Tragkons-

der Fassade den Weg bahnte. Die Fenster

für die Fassadenelemente mit ihrer von

des Gebäudes sind von den äußeren Kanten

der Horizontalen zur Vertikalen wechseln-

parallel abgesetzt, erzeugen so konzentrische

den Abwinkelung erwies sich als schwie-

truktion befestigt. Ursprünglich hatten die Architekten Stahl

Die Planung eines Befestigungssystems

oder Beton als Material für die Fassade in

Fassadenlinien und erübrigen den Einsatz von

rig. Letztlich entschied man sich für eine

ihrer komplexen, individuellen Form ins Auge

um die Öffnungen verlaufenden angepassten

Aluminium-Unterkonstruktion, die rechtwink-

gefasst. Jedoch erwies sich der Werkstoff

Elementen (3). Zu Beginn jeder Reihe findet

lig zur Fassadengeometrie an den Betonwän-

Keramik als am besten geeignet – insbeson-

sich ein Element mit einem Winkel, der im

den angebracht wurde, mit einer Sekundär-

dere aufgrund der Anforderungen, die sich

Werk von NBK am Ausgang der extrudierten

struktur parallel zur Geometrie (4, 5, 6, 7).

aus dem extrem unregelmäßigen Muster

Elemente aus der Fertigungsstraße einge-

Die Keramikelemente wurden an der Sekun-

sowie der gewünschten Dauerhaftigkeit und

schnitten wurde (12). Nach Verlegung des ers-

därkonstruktion befestigt mit Aufhängungen,

würdevollen Ausstrahlung ergaben. Laut

ten Elements folgen die weiteren Standard-

die in Nuten auf der Rückseite geschoben

Manuel Herz „bot der Einsatz von Keramik

elemente in der Reihe, bis es zur Richtungs-

wurden. Aus Sicherheitsgründen wurde zu-

eine unglaubliche Effizienz, da ich mir den

änderung kommt. Das Endstück jeder Reihe

sätzlich Kleber verwendet (8, 9). Um eventuel-

Fertigungsprozess der Elemente selbst zu-

weist ebenfalls eine Abwinkelung auf, wurde

le Abweichungen des Rohbaus auszugleichen,

nutze machen konnte; alle Geometrien waren

jedoch auf der Baustelle zugeschnitten, um

wurde die Unterkonstruktion hochpräzise mit

aus einem einzigen Grundelement ableitbar“.

flexibel auf Toleranzabweichungen reagieren

Toleranzen von rund 5 mm montiert.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

3 – Fassadenabwicklung mit Verlegemuster. Die Farben stellen jeweils die unterschiedlichen Längen der Keramikelemente dar.

5 – Manuelles Anbringen von Befestigungsklemmen.

6 – Befestigung auf der Unterkonstruktion.

4 – Schnitt mit Befestigung der Keramikelemente, Aluminium-Unterkonstruktion, Dämmschicht und tragender Betonwand.

7 – Probemontage der fertigen Elemente.

91

8 – Montagevorgang mit sichtbarer Unterkonstruktion.

9 – Auf der Baustelle gelagerte, montagefertige Teile.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

10 – Auf unterschiedliche Längen zugeschnittene Elemente.

11 – Fertiggestellte Fassade.

12 – Muster des Herstellers. Detail der Montagefugen.

93

NICHTREPETITIVE ANORDNUNGEN

ENTWURF: 3LHD FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: Florim Ceramiche S.p.A. KERAMISCHE BAUTEILE: zugeschnitten aus 600 × 600 × 10 mm

ZAMET CENTER RIJEKA, KROATIEN

großen Standardfliesen

2 – Konfigurationsmuster der fünfeckigen Elemente und sechseckigen Anordnungen.

1 – Die unterschiedlichen Formen wurden aus Standard-Rechteckfliesen zugeschnitten. Diese sind auf den Treppen und an der Dachkante sichtbar.

Komplexe Fliesenanordnungen können zum

Keramik ist für alle Flächen geeignet:

3 – Schnittdetail des Wandaufbaus mit vormontierten Fassadentafeln für die Verkleidung.

Wasserstrahlverfahren aus durchgefärbten,

Ziel haben, den Eindruck eines gänzlich feh-

Für Dach und Wände war sein geringes

600 × 600 × 10 mm großen Fliesen zuge-

lenden Verlegemusters zu vermitteln.

Gewicht ausschlaggebend, für Böden und

schnitten. Die vom Hersteller als Standard

Beim Zamet Center, einem öffentlichen

Treppen seine Dauerhaftigkeit (1, 4, 5, 10).

angebotene strukturierte Oberfläche ent-

Gebäudekomplex im gleichnamigen Stadt-

Eine Natursteinbekleidung mit ähnlichem

sprach einem für den Außenbereich geeigne-

viertel von Rijeka, kombinierten die Architek-

Erscheinungsbild hätte eine etwa dreimal

ten Rutschfestigkeitsindex von R11.

ten Standardfliesen in mehreren Farben so

so große Wandstärke erfordert und höhere

mit einem Befestigungssystem, dass Dächer,

Kosten verursacht.

Wände und Böden von gefliesten Flächen mit nichtrepetitiver Anordnung überzogen sind.

Das ungerichtete Oberflächenmuster

3LHD entwarfen das Farbmuster in einem aufwendigen Prozess manuell, um die scheinbar zufällige Verteilung zu reali-

war unter Einsatz einer kostenfreien Soft-

sieren. Das System besteht aus jeweils vier

ware am besten mit der Form eines Fünfecks

fünfeckigen Fliesen, die mit einem Polyuret-

errichtete Zamet Center umfasst Großsport-

zu erzielen (2). Da Standarderzeugnisse ver-

hankleber auf einen sechseckigen Alumini-

hallen, Einkaufsmöglichkeiten, eine Biblio-

wendet werden sollten, fiel die Wahl auf den

umrahmen aufgeklebt wurden (8, 9). Die dar-

thek, Parkplätze und Büros der örtlichen

italienischen Hersteller Florim Ceramiche,

aus entstehenden Tafeln wurden mechanisch

Verwaltung. Die unterschiedlichen Nutzun-

der geeignete Farbkombinationen fertigen

an einer Unterkonstruktion befestigt (3). Für

gen werden durch eine Reihe von Bändern

und die Fliesen nach Entwurfsvorgaben zu-

die Verlegung der Boden- und Treppenfliesen

kenntlich gemacht, die sich über die wech-

schneiden konnte, und die von der Tochterge-

wurde herkömmlicher Mörtel auf Beton ver-

selvolle Topografie des Grundstücks ziehen,

sellschaft Floor Gres gefertigte Produktlinie

wendet. Aus der Vogelperspektive offenba-

in Anlehnung an das Bild der traditionellen

Architech in einer Palette von Grautönen.

ren die Fliesen auf der Plaza durch die Farb-

Trockenmauern der Region.

Die unterschiedlichen Formen wurden im

gebung den Namen „Zamet Centar“ (6, 7).

Das auf einem Grundstück von 12.000 m²

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

4, 5 – Die Verlegung der farbigen Fliesen wurde so geplant, dass an Fassade, Dach, Treppen und Böden nichtrepetitive Anordnungen entstanden.

95

6 – Lageplan mit Dachaufsicht. 7 – Dasselbe Keramik-Fliesensystem konnte für Dach, Wände, Böden, Treppen und das Leitsystem verwendet werden.

8 – Für jedes der Module aus vier Fünfecken wurde ein Aluminiumrahmen gefertigt.

9 – Die Keramikelemente wurden mit Fliesenkleber auf den Rahmen befestigt.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

10 – Die fünfeckigen Formen vereinen sich zu sechseckigen Strukturen.

97

FIGURATIVE URBANE MOSAIKEN

ENTWURF: Beyer Blinder Belle Architects & Planners FERTIGSTELLUNG: 2005 KERAMIKLIEFERANT: Agrob Buchtal GmbH FASSADENBERATER: Arup KERAMISCHE BAUTEILE: rund 10.000 extrudierte Steinzeugfliesen 300 × 600 mm

MUHAMMAD ALI CENTER LOUISVILLE, KENTUCKY, USA

2 – Darstellung des Verlegemusters.

1 – Bei der Annäherung auf dem Highway entfaltet sich sofort die Bildwirkung der Fassade.

3 – Schnittdetail des Befestigungssystems.

Die Kreation figürlicher Motive durch subtile

Zunächst waren andere Medien und Materi-

Zur Auswahl der geeignetsten Bilder

Anordnung einzelner Unifarben verlangt

alien wie LED oder Ätzglas erwogen worden,

aus der Sammlung wurden Fassadenmuster

hohe Sensibilität für Proportionen: Während

aus Kostengründen entschied man sich

hergestellt und aus der Entfernung betrach-

in Innenräumen meist nur mit kleinteiligen

jedoch für Keramik. Zur Visualisierung der

tet. Die Vorhangfassade ist auf einer Alu-

Elementen gearbeitet werden kann, erlaubt

Fassadenbilder wählten die Grafikdesigner

minium-Unterkonstruktion angebracht und

die Gebäudehülle wegen der variierenden

ein System ineinander übergehender farbi-

verwendet ein Standard-Keramiksystem

Betrachtungsdistanz wesentlich größere

ger und weißer Fliesenbänder (2).

mit acht Farben und Weiß (3). Verwendet

Module. Am Muhammad Ali Center kamen

Dabei sollte die Zahl der unterschiedlichen

wurden rund 10.000 extrudierte, 300 × 600

farbige Keramiktafeln zum Einsatz, die über

Farben möglichst gering gehalten werden.

mm große Steinzeugfliesen. Aus der Nähe

die gesamte Fassade Abbilder fotografi-

Die Fliesenbänder nehmen Bezug auf die

wirken diese wie ein abstraktes, zufälliges

scher Aufnahmen erzeugen (1). So künden

Bildtechnik des Fernsehens und reduzieren

Muster (4, 5), mit zunehmender Entfernung

bereits die Fassadenflächen des Gebäudes

die Zahl der farbigen Fliesen und individu-

verschmelzen die wechselnden Farben je-

weithin vom Zweck des Museums.

ellen Arrangements um 50 % (6). Die Bänder

doch zu einer Einheit und offenbaren iden-

Bei der Integration der von Howard

bestehen aus je vier Farben und zusätzlich

tifizierbare Bilder. Beim Vorbeifahren auf

Bingham stammenden Fotografien des

Weiß, die Farben reichen von warmen Blau-

dem nahegelegenen Highway verstärkt sich

Boxers arbeiteten die Architekten mit dem

und Grautönen bis hin zu warmen Orange-

diese Bildwirkung noch durch die Geschwin-

New Yorker Designbüro 2x4 Inc. zusammen.

und Rottönen.

digkeit der Bewegung.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

4 – Aus der Nähe vermittelt die Fassade den Eindruck einer abstrakten Anordnung farbiger Keramiktafeln.

5 – Die Farbtafeln verschmelzen zu Bildern von Muhammad Ali, die von dem Fotografen Howard Bingham aufgenommen wurden.

6 – Die farbigen Keramikelemente wechseln sich mit Bändern aus weißer Keramik ab, die einen einzigartigen optischen Eindruck erzeugen und den Anteil individuell gefertigter Elemente auf die Hälfte reduzieren.

99

URBANE MOSAIKEN AUF GEKRÜMMTEN OBERFLÄCHEN

ENTWURF: Enric Miralles und Benedetta Tagliabue, EMBT FERTIGSTELLUNG: 2005 KERAMIKHERSTELLER: Ceràmica Cumella KERAMISCHE BAUTEILE: 120.000 extrudierte sechseckige 150-mm-Steinzeugfliesen in 67 Farbtönen

MARKTHALLE SANTA CATERINA BARCELONA, SPANIEN

1 – Westansicht.

Das Farbenspiel der Lebensmittel in einer

Markträumen noch diverse andere Funkti-

(11). Zur Markierung der Position der Pixel

Markthalle kann vom Fliesenmuster auf

onen umfasst, ist das individuell gefertig-

wurde die Dachtopografie kartiert (4, 5).

dem Dach auch nach außen hin zum Aus-

te Mosaik: ein abstraktes Stillleben der im

Der Stahlkonstruktion des Dachs sind vier

druck gebracht werden. Keramikfliesen

Markt angebotenen Erzeugnisse (7, 8).

Holzschichten aufgelagert (6), deren kreuz-

stehen zudem in einer engen kulturellen

Das Mosaik besteht aus 120.000 sechs-

weise angeordnete Hölzer zur Anpassung

Verbindung zur Stadtgeschichte (1, 2, 13).

eckigen, 150 mm großen Steinzeugfliesen,

an den Dachflächenverlauf und Abstüt-

Dieses Mosaik im urbanen Kontext be-

die vom Hersteller Ceràmica Cumella pro-

zung der Keramikfliesen gebogen wurden.

steht aus Modulen von jeweils 37 großen

duziert wurden. Gruppen von 37 Fliesen

Wegen der dem Holz eigenen Verformung

Keramikfliesen, die zusammen jeweils ein

bilden jeweils ein größeres Sechseck, ein

erfolgte die Befestigung der Fliesen auf

„Pixel“ bilden.

„Pixel“ (3). Zum perfekten Abgleich mit dem

der Dichtungsbahn mittels eines elasti-

67 unterschiedliche Farbtöne umfassenden

schen Polyurethanklebers. Zudem wurden

erbaut und ist damit die älteste Markthalle

Bildentwurf führte der Keramikhersteller

mögliche Bewegungen der Fliesen durch

von Barcelona. Bis zum Jahr 1997 war das

eine Glasurstudie durch und fertigte dabei

ein größeres Fugenmaß von 5 mm und den

Gebäude so stark verfallen, dass lediglich

mehr als 300 Musterfliesen.

Einsatz eines elastischen Zements statt

Santa Caterina wurde im Jahr 1848

die drei weißen Bestandsfassaden erhal-

Die Fertigung erfolgte auf einer her-

eines steifen Mörtels kompensiert (12).

ten werden konnten. Das neue, wellen-

kömmlichen Extrusionsanlage. Nach Zu-

förmige Dach scheint über dem Gebäude

schnitt auf Länge wurde das endgültige

der doppelten Krümmung des Dachs sechs-

zu schweben, so dass der Innenbereich

Sechseck mittels einer speziellen Form

eckige Formen nicht zu realisieren waren,

von Zwischenwänden freigehalten werden

ausgestanzt (9, 10). Die Fliesen jedes Pixels

wurden gebrochene Fliesen im katalani-

und die historischen Mauern von ihnen

wurden vor dem Transport in ihren jewei-

schen Trencadis-Stil verwendet, wie er

geschützt wurden. Hervorstechendstes

ligen Positionen auf eine eigens vom Her-

sich in Barcelona und insbesondere in den

Merkmal des Projekts, das neben den

steller konstruierte Glasfasermatte geklebt

Werken von Antoni Gaudí findet.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

In den Randbereichen, in denen wegen

2 – Wellenform des Dachs.

3 – 37 Fliesen bilden im Muster des Gesamtbilds ein „Pixel“.

4 – Aufkleben der Matten mit den Fliesen auf die Dachkonstruktion.

5 – Auf geneigten Flächen wurden die Matten zur Verhinderung des Abrutschens während des Abbindens verankert.

101

6 – Dach in der Bauphase.

9 – Extrusion und Stanzung der sechseckigen Fliesen.

10 – Glasierte und zum Brennen im Ofen gestapelte Fliesen.

7 – Fliesenmuster als abstraktes Bild der in der Markthalle angebotenen Erzeugnisse.

8 – Detail der Planung des Farbmusters.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

11 – Aufkleben von Fliesen auf einer Glasfasermatte.

12 – Detailaufnahme der einzelnen Schichten: Stahl- und Holzkonstruktion, vier Schichten Holz, Dichtungsbahn und Fliesen.

13 – Luftaufnahme des Markthallendachs.

103

ROBOTERGESTÜTZTE MOSAIKHERSTELLUNG

ENTWURF: Eric Sealine FERTIGSTELLUNG: 2011 KERAMIKVERLEGUNG: Artaic KERAMISCHE BAUTEILE: mehr als 200.000 25 mm dicke Porzellanfliesen

IOWA STATE MURAL AMES, IOWA, USA

3 – Einbaufertige Stapel von 300 × 300 mm großen Modulen.

1 – Learning to Fly, Original-Ölgemälde des Künstlers Eric Sealine.

2 – Der Roboter von Artaic entnimmt Fliesen aus den Farbreihen und legt sie in dem 300 × 300 mm großen Gitterraster ab.

4 – Das aus Keramik hergestellte Wandbild ist eine Nachbildung des vom Künstler geschaffenen Originals.

Große Mosaikarbeiten waren seit jeher

dem Bild zu erzielen. Unter Nutzung von

Abstand zueinander, bis sie in ihrer Position

Ausdruck von Wohlstand, sind jedoch auf-

Fotos der Keramikerzeugnisse wird eine

zum Transport fixiert werden können.

grund ihrer Komplexität insbesondere in

fotorealistische Wiedergabe des endgülti-

den Industriestaaten zunehmend kosten-

gen Entwurfs erstellt, die der Nutzer dann

Fliese beansprucht ca. 860 Millisekunden,

intensiver geworden. Das Mosaik dieses

an den gewünschten finalen Entwurf anpas-

in diesem Fall also 22 Minuten pro Quad-

Schwimmbads besteht aus 200.000 25 mm

sen kann. Das System generiert schließlich

ratmeter. Der Prozess läuft etwa zehn Mal

dicken, unglasierten Porzellanfliesen, die

automatisch den für die Herstellung des

schneller als die manuelle Installation ab,

eine Fläche von 130 m² bedecken, und stellt

Mosaiks erforderlichen Robotercode.

bei der im Fall komplexer Verlegeplanun-

eine Nachbildung des von dem Künstler Eric

Bei der Vorfertigung im Werk wird das

Die robotergestützte Verlegung einer

gen pro Fliese durchschnittlich acht bis

Sealine geschaffenen Ölgemäldes Learning

Muster in Module von 300 × 300 mm auf-

neun Sekunden erforderlich sein können.

to Fly dar. Seine manuelle Herstellung

geteilt – das in der Branche übliche Maß

Ein Roboterarm der zweiten Generation

hätte jeden Kostenrahmen gesprengt (1).

für im Werk aufgebrachte Mosaikfliesen.

verkürzt diese Zeit auf ein Zehntel, also 86

Möglich wurde die Realisierung durch eine

Bei der Verlegung nimmt ein Gitterraster

Millisekunden pro Fliese.

Zusammenarbeit zwischen dem Künstler

144 Fliesen auf, nach Farben sortiert und

und einem Unternehmen, das die roboterge-

auf geneigten Transportvorrichtungen plat-

selbstklebende Trägerschicht (Matte oder

stützte Herstellung individueller Mosaiken

ziert, auf denen sie sich bei ihrer Bewegung

Folie) aufgebracht, und die Teile werden mit

anbietet (5).

in Richtung des Verlegeroboter-Systems

ihrer Position im Mosaik markiert (3).

ausrichten können. Ein mit einer pneu-

Der unproblematische Einbau kann von

einer im eigenen Haus entwickelten Soft-

matischen Saugvorrichtung versehener

ortsansässigen Fachfirmen ausgeführt wer-

ware, die ein Digitalbild auswertet und Pixel

Roboterarm legt die Fliesen in der vorgese-

den. Es entsteht eine genaue Nachbildung

in Fliesen „übersetzt“. Der Anwender wählt

henen Einbaulage auf dem Raster ab (2). Bei

des Digitalbilds in Form eines großmaß-

ein Material aus, und das System erzeugt

Entnahme einer Fliese rückt eine weitere

stäblichen keramischen Mosaiks (4).

nachfolgend Verweise auf die Palette ver-

Fliese an ihren Platz, so dass ein kontinuier-

fügbarer Fliesenfarben, um eine höchst-

licher Fertigungsablauf gesichert ist. Die

mögliche Übereinstimmung der Fliese mit

Gitterraster halten die Fliesen im richtigen

Bei Artaic beginnt dieser Prozess mit

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

Nach Abschluss der Verlegung wird eine

5 – Mehr als 200.000 individuell in Großserie produzierte Keramikfliesen bilden das Wandbild Learning to Fly.

105

FLÄCHEN MIT REGELMÄSSIGEM VIELECKMUSTER

ENTWURF: GGlab, Paulo Flores und XWG FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: Decorativa Tozeto, S.A. KERAMISCHE BAUTEILE: 520 extrudierte, zugeschnittene Elemente und 150 handgeformte Elemente

URBAN GUERRILLA VALENCIA, SPANIEN

2 – Perspektivdarstellung des Verlegemusters und der verschiedenen Elementtypen.

1 – Das Polystyrolpositiv der Bank bildet die Formen der individuell gefertigten Elemente ab.

3 – Perspektivdarstellung der Unterkonstruktion.

Komplexe Oberflächen werden für die

annähern: Ein Teil der Fläche entfaltete sich

formen hergestellt werden, die eine bessere

Verlegung von Fliesenmustern häufig in

und bildete eine Sitzbank (4).

Steuerung des Schwindmaßes von bis zu

eine Reihe von ebenen Flächen aufgeteilt.

Bei der Entwicklung der Elemente ar-

4 % ermöglichten (5). Gipsformen nehmen

Jedoch können Keramikfliesen auch selbst

beiteten die Designer eng mit dem Herstel-

Feuchtigkeit auf und sorgen für eine gleich-

so geformt werden, dass sie den Verlauf

ler Decorativa Tozeto zusammen. Die digi-

mäßige Trocknung des Materials über die

gekrümmter Flächen nachvollziehen.

tale Fläche wurde regelmäßig in 520 ebene

gesamte Fläche und auf beiden Element-

Bei Urban Guerrilla wurden von Designern

Dreiecke aufgeteilt, mit Ausnahme der

seiten. Alle Fliesen wurden in einem her-

aus Spanien, Mexiko, Großbritannien und

Bank, die 150 doppelt gekrümmte Flächen

kömmlichen Prozess gebrannt und mit einer

China beide Methoden angewandt. Ihr Ziel

erforderte. Die ebenen Fliesen wurden

goldfarbenen Metallglasur versehen.

bestand in einer Verknüpfung des digitalen

extrudiert und gebrannt. 456 Fliesen wur-

Entwurfs mit der Fertigung und darin,

den mit der Nasssäge in 14 verschiedene

auf CNC-Maschinen gefertigt. Die Trags-

über Tektonik und Materialität die digitale

Formen zugeschnitten; 64 der ebenen Flie-

truktur besteht aus Holzprofilen, die auf

Welt begreifbar zu machen. Die Installa-

sen waren Unikate. Für die Bank wurde ein

einer Fräse mit 2,5 Arbeitsachsen herge-

tion befand sich an einer Fassadenecke

aus expandiertem Polystyrol bestehendes

stellt wurden. Die Fliesen wurden auf eine

des Hauptsitzes des Colegio Territorial de

Positiv auf einer fünfachsigen Werkzeug-

Montageoberfläche aus Holz aufgeklebt (6).

Arquitectos de Valencia (CTAV; Verband

maschine gefräst (1, 2, 3).

Im Fall der Bank wurden die Fliesen auf das

der Architekten der Region Valencia), einer

Die 150 gekrümmten Fliesen wurden

Auch die Unterkonstruktion wurde

Polystyrolpositiv aufgebracht.

Stadt mit langer und lebendiger Keramik-

in ihrer Mehrzahl manuell als Einzelstücke

tradition. Das Zusammenspiel zwischen der

gefertigt, indem feuchter Ton direkt auf

eher kleinmaßstäblich war (7), betrachteten

Da die Installation nur temporär und

komplexen Oberfläche und der Metallglasur

das Polystyrolpositiv aufgebracht wur-

die Designer und Hersteller einen hybriden

beeinflusste den Lichteinfall und machte

de und nachfolgend antrocknen konnte.

Prozess aus herkömmlicher Fertigung und

den Raum heller und einladender. Die Form

Für Bereiche mit extremen Krümmungen

manueller Anpassung als am besten geeig-

sollte die Fassade dem menschlichen Maß

mussten ausgehend vom Polystyrol Gips-

net für das Projekt.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

4 – Die Installation an der Straße, mit flachen Elementen auf dem linken und oberen Teil sowie gekrümmten Elementen auf der Bank.

5 – Gipsformen für Elemente mit extremen Krümmungen.

6 – Die Keramikbauteile wurden auf einen CNCgefrästen, markierten Holzrahmen aufgebracht.

7 – Aufbau im Jahr 2009 am Außenbereich des Gebäudes des Colegio Territorial de Arquitectos de Valencia.

107

VORHANG AUS FLIESEN XINJIN ZHI MUSEUM CHENGDU, CHINA

ENTWURF: Kengo Kuma and Associates FERTIGSTELLUNG: 2011 STATIK: Oak Structural Design Office GEBÄUDETECHNIK: P. T. Morimura & Associates Ltd. KERAMISCHE BAUTEILE: traditionelle, handgefertigte Dachziegel in den Abmessungen 10 × 180 × (320, 390, 450) mm

1 – Nordansicht.

Keramikelemente lassen sich auch auf sehr

und Charakter (3). Die an Drahtseilen auf-

geringfügige Änderungen also eine Anpas-

unkonventionelle Weise anordnen. Am Fuß

gehängten Tonziegel dienen dem Sonnen-

sung an unterschiedliche Gegebenheiten.

des Bergs Laojunshan gelegen, heißt dies

schutz, erzeugen Schatten und lassen

Museum Pilger willkommen, die diese hei-

zugleich Licht durchscheinen (4).

lige Stätte des Taoismus besuchen (1, 2).

Die Keramikelemente sind 10 mm dick und

den an Transparenz. Im Haus führt eine

Charakteristisches Merkmal der Gebäude

180 mm breit. Zur Herstellung einer Ab-

spiralförmige Bewegung vom Dunklen ins

dieser Region mit reicher Geschichte sind

stufung entlang der Fassade wurden sie in

Helle und letztlich zu einer freien Aussicht

ihre traditionellen, mit grauen Tonziegeln

drei Längen von 320, 390 und 450 mm her-

auf den Berg Laojunshan. Während die

gedeckten Dächer. Diese bilden in ihrer

gestellt. Sie sind über kleine Löcher an den

Fliesen im Eingangsbereich praktisch eine

Gesamtheit beeindruckende, menschen-

Ecken mit Drahtschlaufen befestigt.

dunkle, massive Wand bilden, finden sich an

gemachte Landschaften, die mit der sie umgebenden Naturschönheit kontrastieren.

Die verschiedenen Fassaden sind ihrem

Der Wechsel der Fliesenanordnung führt zudem zu unterschiedlichen Gra-

den Fassadenseiten Lücken, so dass sowohl

jeweiligen Umfeld durch feine Variationen

Tageslichteinfall als auch eine teilweise Ver-

angepasst: Die Südseite ist durch eine ver-

schattung möglich sind (7, 8, 9). An der Seite

Taoismus Ausdruck verleihen und den Fokus

tikale Gliederung und Aufhängung in verän-

des Teehauses, wo ein zusätzlicher Sicht-

auf die diesem innewohnende natürliche

derlichen Winkeln gekennzeichnet.

schutz gewünscht war, verlaufen die Draht-

Balance lenken. Die Ziegel bestehen aus

So entsteht in jedem der reflektierenden

seile diagonal, und die Keramikelemente

lokalen Materialien und wurden in einem

Wasserbecken eine bestimmte Wirkung.

sind aufeinandergeschichtet (5, 6).

traditionellen Prozess manuell hergestellt.

Auf der Ostseite finden sich ein weiter

Die aus der handwerklichen Fertigung re-

Dachüberstand und eine Verdrehung der

derne Fertigung mit traditionellem Hand-

sultierenden Unebenheiten und die sich aus

Fassade, die damit die Dynamik der Straße

werk, industriell hergestellte und natürliche

dem Brennvorgang ergebenden Unregelmä-

aufnimmt. Die Nordfassade wirkt statisch

Materialien, Dunkelheit und Licht, Präzision

ßigkeiten der Oberfläche fallen sofort ins

und eben und öffnet sich auf den Vorplatz.

und Variation – durch neue Verfahren des

Auge und verleihen dem Material Struktur

Trotz identischen Bausystems ermöglichen

Einsatzes eines allgegenwärtigen Materials.

Der Entwurf sollte der Essenz des

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

Das Xinjin Zhi Museum verbindet mo-

2 – Explosionsaxonometrie des Raumprogramms und der Lage der vorgehängten Blenden.

3 – Traditionelle, handgefertigte keramische Dachziegel als Sonnenschutz vor dem Xinjin Zhi Museum.

4 – Bei Nacht kehrt sich die Sonnenschutzwirkung der Keramikelemente um, nun fällt Licht von innen nach außen.

109

5 – Zwei verschiedene Fliesenkonfigurationen am Teehaus.

6 – Befestigungsdetail mit den drei Konfigurationen der Keramikelemente.

7 – Innenwirkung mit Reflexionen im Wasserbecken und an den Glaswänden.

8 – Blick von Osten.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

9 – Der visuelle Effekt der vorgehängten Elemente spiegelt sich in den Wasserbecken.

111

DREIDIMENSIONALE SYSTEME

ENTWURF: Studio Odile Decq FERTIGSTELLUNG: 2012 KERAMIKHERSTELLER: Graniti Fiandre S.p.A. KERAMISCHE BAUTEILE: 140 gepresste großformatige Fliesen (3.000 × 1.500 × 3 mm)

3D×1 MAILAND, ITALIEN

1 – Von der Designerin erstellte Skizze des Installationskonzepts.

2 – Nahaufnahme der dünnen, großformatigen Fliesen und Tafelgliederungen.

Schon die Vorstellung einer 3 mm dicken

(1, 2, 3). Je nach Standort des Betrachters

Versagens werden die Fliesen so lange mit

und 3.000 mm langen und biegsamen Kera-

ergeben sich wechselnde Beziehungen zwi-

Druck beaufschlagt, bis sich die Luft durch

mikfliese würde wohl auf Erstaunen stoßen,

schen dem Körpervolumen und dem Nega-

die Tonmasse verflüchtigt hat. Jedoch ver-

weil dies der üblichen Wahrnehmung von

tivraum (4).

längert sich die für die Ausleitung der Luft

Keramik als sprödem Material zuwiderläuft.

Der Würfel wird von 31 in einem Ab-

erforderliche Zeit mit der Zunahme der

Für die Fuori Salone 2012 Milan Design

stand von 150 mm angeordneten Scheiben

Fläche und Dicke der Fliese. Dadurch wird

Week kooperierte der Keramikhersteller

gebildet. Eine einzelne Scheibe des 4,5 ×

der Prozess unwirtschaftlich, wenn man den

Fiandre mit der Architektin Odile Decq und

4,5 × 4,5 m großen Würfels besteht aus vier

Produktionsausstoß moderner Fertigungs-

präsentierte seine großformatige Keramik-

und einer halben 3.000 × 1.500 mm großen

straßen für die Fliesenherstellung betrach-

fliesenreihe „Maximum“. Innerhalb der ver-

weißen Fliesen, die jeweils eine Fläche von

tet. Daher messen gepresste Fliesen über-

gangenen zehn Jahre hat der technologische

4,5 m² einnehmen. Die gesamte Skulptur

wiegend weniger als 1 m. Einige Hersteller

Fortschritt es ermöglicht, über 3 m lange

enthält 140 Fliesen mit einer Gesamtfläche

haben jedoch spezielle Produktionsanlagen

Fliesen in Dicken von 3–5 mm zu produzie-

von 627 m². Aus dem Erfahrungsschatz des

entwickelt, die das herkömmliche Pressver-

ren. Diese sind so groß und dünn, dass sie

Herstellers wurde ein Raster aus Stütz-

fahren in der Form durch eine Verdichtung

sich ohne Bruch geringfügig biegen lassen.

stäben entwickelt, mit segmentweise

des trockenen Pulvers bei aufgelegten

auf einem Raster von 500 mm montierten

Gurtbändern ersetzt. Andere führen eine

Funktion der Fliese als Oberflächenbelag

Gewindestäben aus Stahl. Um diese herum

Vorverdichtung des trockenen Pulvers unter

lenkt der Entwurf die Aufmerksamkeit auf

wurden weiße Stahlrohre als Abstandhalter

einem solchen Gurtband durch, beenden

die quasi papierdünne Keramik und betont

angeordnet (5).

den Prozess dann jedoch mit einem zweiten

Durch die Aufhebung der klassischen

dabei zugleich ihre Nachgiebigkeit wie auch

Für im Pressverfahren hergestellte Flie-

Verdichtungsschritt unter Einsatz einer

ihre Festigkeit. Durch einen diagonalen

sen bestand bisher eine Größenbeschrän-

traditionellen Pressform. Dadurch eröffnen

Schnitt durch die Schichten und die Extrak-

kung, da es bei der Verdichtung des locker

sich neue Möglichkeiten für großformatige

tion eines imaginären konischen Körpers

gelagerten Pulvers zu Lufteinschlüssen in

Fliesen und räumliche Anordnungen mit

entsteht die dem Volumen eigene Dynamik

der Tonmasse kam. Zur Verhinderung dieses

vollständiger Loslösung vom Untergrund.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

3 – 3D×1 auf der Fuori Salone 2012 Milan Design Week.

5 – Gewindestäbe aus Stahl befinden sich im Inneren von weißen Stahl-Abstandhaltern.

4 – Aus dem regelmäßig geordneten Körper wurde eine konische Form geschnitten.

113

SELBSTTRAGENDE SYSTEME CASALGRANDE CERAMIC CLOUD (CCCLOUD) REGGIO EMILIA, ITALIEN

ENTWURF: Kengo Kuma and Associates FERTIGSTELLUNG: 2010 KERAMIKHERSTELLER: Casalgrande Padana S.p.A. KERAMISCHE BAUTEILE: 1.052 im Pressverfahren hergestellte, auf Länge geschnittene Fliesen der Größe 600 × 13 × 1.200 mm

1 – Süd- und Westansicht.

Keramik gilt als spröde und druckfest und

dann jedoch bei der Einfahrt in den Kreisver-

Nach der Positionierung der letzten Fliesen

daher für die Aufnahme von Zugkräften

kehr ihre Gesamtlänge von 45 m offenbart.

wurden alle Stäbe vorgespannt, um eine

recht ungeeignet. Neuartige Herstellungs-

Zudem verändert sich die Abwinkelung der

unterbrechungsfreie Lastübertragung zu

verfahren führen jedoch zu einer Verände-

Fliesen über die Länge der Installation,

sichern. Sobald die Druckkräfte einwirken,

rung der Materialeigenschaften – und damit

so dass der Betrachter beim Durchfahren

fungieren die Keramikbauteile im System als

zu neuen Erkenntnissen über ihre tragenden

des Kreisverkehrs einen sich verändernden

Haupttragelemente.

Funktionen. Die CCCloud kombiniert Stan-

Punkt der Transparenz erlebt (12, 13, 14).

dard-Keramikfliesen mit Stahlkonstruktio-

Zum Einsatz kamen von Casalgrande

Weder die beratenden Ingenieure noch die vor Ort tätigen Ingenieurbüros waren

nen und schafft so ein plastisches Werk der

Padana hergestellte weiße, unglasierte

in der Lage, Analysemodelle zu erstellen,

Keramikkunst, das keines tragenden Unter-

Standard-Steinzeugelemente. Die Kon-

die die komplexe, neuartige Konstruktion

grunds mehr bedarf.

struktion umfasst 526 Elemente, jeweils

vollständig erfassen konnten. Zur Prüfung

Durch den Bau eines Kreisverkehrs

aus zwei 600 × 13 mm großen gepressten

des Tragsystems wurden daher mehrere 3 m

vor dem Hauptsitz des Keramikherstellers

Fliesen in Längen von bis zu 1.200 mm be-

hohe und 7 m lange Muster hergestellt,

Casalgrande Padana entstand ein idealer

stehend. Strukturierte Rückseiten verbes-

die zunächst lediglich der Untersuchung des

Standort dafür (1, 2), welcher zugleich den

serten das Haftvermögen der Fliesen bei der

Bau- und Montagevorgangs dienten, dann

Beginn des für seine Keramikfliesen be-

Montage. Je zwei Fliesen wurden mittels

jedoch zunehmend zur Prüfung des Trag-

kannten Kreises Sassuolo markiert, indus-

einer Glasfasermatte und unter Einsatz von

verhaltens benutzt wurden. Die ermittelten

trielles Zentrum der Emilia Romagna. 300

Epoxidharz-Kleber zusammengefügt,

Werte wurden mit den Verformungen in den

Keramikfliesen-Hersteller machen diese

so dass auf beiden Seiten glatte Ober-

von den Ingenieuren erstellten Statikmo-

Region zu einem der weltweit größten Zen-

flächen entstanden (9). Zur Anbringung

dellen verglichen, in einem mehrfachen

tren der Keramikherstellung. Das Projekt

der Bleche der 30 × 30 mm messenden

Austausch zwischen digitaler Simulation

wurde mit Unterstützung der städtischen

Stahlprofile wurden mit der Kreissäge zwei

und realem Versuch. Mit den Mustern wurde

Behörden von Casalgrande Padana finan-

Schlitze seitlich in die Tafeln eingeschnitten

schließlich nachgewiesen, dass das System

ziert. Die Skulptur sollte mit dem Auto „er-

(10, 11). Die Stahlprofile verfügen über einen

seine Funktion erfüllt.

fahrbar“ sein. Gewählt wurde die Form eines

Hohlkern von 18 mm Durchmesser, durch

5 m hohen Keramik-„Vorhangs“, der sich

den ein Stab mit einem Durchmesser von 16

die genaue Ausführung des Fundaments.

über einem Wasserbecken erhebt. Sie ist

mm verläuft (7, 8). Letzterer wurde im Zuge

Bei den Keramiktafeln gab es keinerlei

an der Achse der Hauptstraße ausgerichtet,

der Verschiebung der Tafeln abschnittswei-

Fehlertoleranzen. Daher war die Lage

so dass sie während der Annäherung recht

se installiert, erstreckt sich jedoch über die

der vertikalen Stützen millimetergenau

dünn (mit einer Dicke von unter 2 m) wirkt,

gesamte Bauhöhe von 5 m (3, 4, 5, 6).

abzustimmen.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

Weiteren Zeitaufwand erforderte auch

2 – Diagonal betrachtet wirkt die Struktur geschlossen.

115

3 – Die vertikalen Stützen wurden zuerst installiert – mit sehr geringen Fehlertoleranzen.

4 – Die Tafeln wurden dann über die daran befestigten Hohlstäbe auf die vertikalen Stützen geschoben.

5, 6 – Durch die dünnen, vorgespannten Stahlprofile wirken auf die Keramiktafeln permanent Drucklasten ein.

7 – Schnitt und Ansichten der Keramiktafeln mit vertikalen Verbindern.

9 – Die Tafeln bestehen aus je zwei aufeinanderlaminierten Keramikelementen.

10 – In die laminierten Tafeln wurden Schlitze eingeschnitten.

MUSTER UND RÄUMLICHE ANORDNUNGEN

8 – In festem Winkel aufeinanderstoßende, die Stahlhülsen umgebende Tafeln.

11 – Zur Herstellung einer belastbaren Verbindung mit den tragenden vertikalen Profilen wurde Kleber aufgebracht.

12 – Die von Casalgrande Padana in Auftrag gegebene CCCloud markiert den Beginn des italienischen Zentrums der Keramikherstellung.

14 – Plan des Wasserbeckens und der CCCloud im Kreisverkehr.

13 – Beim Durchfahren des Kreisverkehrs offenbart die Skulptur offene Seitenansichten.

117

KAPITEL 10

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN Noch nie war der Bedarf für komfortable und dabei umweltgerechte gebaute Umgebungen so groß wie heute. Bereits seit langer Zeit sind Gebäude zur Aufrechterhaltung angenehmer Innenraumverhältnisse mit einer immer komplexeren technischen Infrastruktur ausgestattet. Die Bausysteme sind vielschichtiger geworden, um mit den strengeren Energie- und Sicherheitsnormen Schritt zu halten. Besonders zeigt sich dies bei der Bemessung und Konstruktion von Gebäudehüllen und -dächern, die sich von massiven Holz-, Naturstein- oder Mauerwerkswänden zu mehrschichtigen Anordnungen von Bauprodukten und Baustoffen gewandelt haben. Ihre Übereinanderlagerung und Verknüpfung mag zwar die normativen und betrieblichen Anforderungen erfüllen, die Demontage und Wiederverwendung werden jedoch nur in seltenen Fällen berücksichtigt und gestalten sich nur allzu oft sehr schwierig. Viel zu wenig Aufmerksamkeit genießen bisher die Materialsysteme selbst und der wesentliche Beitrag, den sie zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Nutzerkomfort und einer während des Lebenszyklus des Gebäudes möglichst geringen Umweltwirkung leisten können. Durch den Entwurf von Gebäudehüllen mit weniger, jedoch durchdachter angeordneten Materialsystemen verfügen Planer über das Potenzial, den derzeit überkomplexen Produkt- und Materialmix zu vereinfachen. Letztendliches Ziel könnte dabei eine neue Einfachheit des Bauens sein – die Planung hochleistungsfähiger und dabei doch demontierbarer Hüllen. Das vorliegende Kapitel stellt mehrere innovative Strategien dar, die verdeutlichen, welche Rolle Keramiksysteme bei der Forcierung dieser Entwicklung einnehmen können. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Tageslichteinfall und der Bauphysik sowie auf der Verbindung dieser beiden Aspekte. Keramik kommt bereits seit langer Zeit als Material zur Modulation der Luftfeuchtigkeit und thermischen Leistungsfähigkeit zum Einsatz. In Keramikbehältern wurde Wasser bereits vor Jahrhunderten gekühlt; diese nutzten das Prinzip der Verdunstungskühlung über die Wände des Gefäßes. Römische Ingenieure entwickelten Keramikkanäle zur Leitung von Warmluft, um so Böden und Wände von Bädern als Strahlungsheizung zu verwenden (1). Keramiköfen und die dafür verwendeten Kacheln haben über lange Zeiträume die Wärmeintensität des Holz- oder Kohlefeuers gesteuert und Innenbereiche auch bei kalter Witterung zuverlässig beheizt. Heute können Hersteller die Materialeigenschaften unmittelbar im Sinn einer optimierten Umwelteinwirkung beeinflussen. Computersimulationen erlauben die Leistungsparameter alternativer Lösungen rasch zu beurteilen. In den Fallstudien wird deutlich, dass der Musterbau und die Materialprüfung aber auch weiterhin entscheidende Bestandteile des Entwicklungs- und Entwurfsprozesses sind. Mit modernen Keramiksystemen lassen sich so eine Reihe hochinnovativer – doch erstaunlich einfacher – thermodynamischer Hüllen für Gebäude herstellen. Eine grundlegende Variable des Materials Keramik ist seine Porosität. Diese wirkt sich auf die immens wichtige Wasseraufnahme von Keramikelementen aus (und daher auf ihre Dauerhaftigkeit), beeinflusst ihren Wärmedurchlasswiderstand und ihre spezifische Dichte. Porosität macht auch eine direkte Absenkung der Umgebungstemperatur möglich, indem Verdunstungskälte entsteht, wenn die Keramik Wasser aufnimmt und anschließend – gegebenenfalls auch durch mechanische Belüftung unterstützt – austrocknet. Die richtige Porosität lässt sich sowohl über den Materialmix der Tonmasse als auch über die Brennstufen und -temperaturen steuern. Eine längere Brenndauer im Ofen bei höheren Temperaturen erzeugt dichtere, weniger poröse Keramik; dagegen erhöht sich die Porosität durch Zugabe von vermahlenen Keramikresten oder anderen Stoffen. In der Forschung wird darüber hinaus die Bedeutung von Ausbrennverfahren untersucht, bei denen Sägemehl, Schaumkunststoff oder andere brennbare Materialien dem Ton beigemischt werden (2). Während des Vorgangs verbrennt der entzündliche Zuschlag und hinterlässt kleine Hohlräume, welche die erwünschte schaumartige Materialstruktur erzeugen. Die Verdunstungskühlung mit Keramik ist kein neues Verfahren, der technologische Fortschritt ermöglicht heute jedoch die Übertragung dieses einfachen Wirkprinzips von kleinen, transportablen Gefäßen auf den Maßstab von Gebäuden und darüber hinaus. So wurde beispielsweise für die flächige keramische Kühlfassade des Sony Center in Tokio eine kühlende Wirkung auf das städtische Mikroklima in der Umgebung nachgewiesen.

Trier

470 mm Neapel

510 mm Pompeji

540 mm

1 – Römische Ziegelausführungen wurden so ausgeformt, dass ein Zwischenraum entstand, wenn das hervorstehende hintere Element zur Hälfte in eine Mauerwerkswand eingebettet wurde. Durch die Luftschicht geleitete Warmluft heizt den Ziegel auf, und die Nutzer des Raums nehmen die Abstrahlung von Wärme wahr.

2 – Poröse keramische Strukturen mit Poren im Millimeterbereich führen zu einer Erhöhung des Wärmedurchlasswiderstands und haben eine schalldämpfende Wirkung.

d = 20 mm

Auch Glasuren leisten einen wesentlichen Beitrag zu den thermodynamischen Eigenschaften. Auf diesem anspruchsvollen und rasch wachsenden Gebiet wurde eine enorme Vielfalt an Materialien mit einer ebenso breiten Palette an Eigenschaften entwickelt. Vielfach wirken sich diese auf die Interaktion von Keramikelementen mit Wärme, Wasser und Licht aus. Ein Beispiel hierfür sind reflektierende Glasuren in hellen Farben, die die Energieaufnahme aus der Sonneneinstrahlung deutlich reduzieren und somit die Möglichkeit einer Absenkung der Kühllasten bieten. Dies gilt insbesondere für auf geneigten Dächern befindliche Elemente, jedoch auch für Fassaden. Eine besondere Ausformung von keramischen Fassadenelementen kann zu einer Reduzierung der Wärmeströmung durch die Außenschichten beitragen, besonders wenn auf die der Sonneneinstrahlung ausgesetzten Flächen reflektierende, helle Glasuren aufgebracht werden. Erste Versuche mit massiven, ziegelähnlichen Elementen erbrachten eine Verringerung des Wärmestroms um 10–15 % im Vergleich zu herkömmlichen ebenen Elementen.1 Die genaue Größenordnung der erzielbaren Wirkungen unterscheidet sich je nach Elementform und klimatischen Verhältnissen, die Keramikhersteller können heute jedoch individuelle Formen produzieren, die für bestimmte Sonneneinstrahlungswerte und Standorte optimal geeignet sind. Dementsprechend wächst das Interesse an Keramiksystemen, mit denen sich eine Eigenverschattung realisieren lässt. Die Wirkung fällt allerdings voraussichtlich dann am größten aus, wenn die Elemente unmittelbar, also ohne hinterlüfteten Hohlraum, auf eine Mauerwerksschicht oder eine Betonwand aufgeklebt werden. Der augenfälligste Vorteil der Formbarkeit keramischer Bauteile besteht darin, dass sich mit ihnen das einfallende Tageslicht steuern lässt. Die einfache Individualisierung von Querschnitten sowie die Anpassung des Abstands von Sonnenschutzlamellen und ihrer Neigungswinkel bieten eine breite Palette an Entwurfsmöglichkeiten. Alternative Lösungen aus Metall erscheinen häufig „hochtechnisch“ und in gewisser Weise kalt. Keramische Sonnenschutzsysteme führen hingegen die Tradition einer optisch warm und einladend wirkenden Materialfamilie fort, die sich gut in die Landschaft und in den urbanen Kontext einfügt. Hierfür werden am häufigsten extrudierte Elemente eingesetzt. Mit farbigen Glasuren lässt sich ihr Vermögen zur Reflexion, Diffusion und Steuerung der Menge und Qualität des natürlichen Lichteinfalls noch erweitern. Die Langlebigkeit von Keramik bietet offenkundige Vorteile im Hinblick auf die Umweltwirkungen während des Lebenszyklus; andererseits wird ihr Nachteil häufig offenbar, wenn ältere geflieste Flächen als ästhetisch nicht mehr ansprechend wahrgenommen und daher trotz ihres noch guten technischen Zustands entfernt werden. Die Belastbarkeit und Stabilität des Materials ermöglicht theoretisch eine Wiederverwendung – hier ist die Branche gefragt, Mittel und Wege zu finden, um die Entfernung aufgeklebter Fliesen zu erleichtern. Bis dahin vermittelt der Rückgriff auf Bestände an nicht mehr produzierten Fliesenausführungen einen ersten Eindruck der vielfältigen Optionen, die aus der neuen „Komposition“ eines Gesamtmusters aus für sich genommen möglicherweise altmodisch oder unansehnlich erscheiANMERKUNG 1 Andreani, S. (R)evolving Brick. MDesS Thesis. Cambridge, MA: Harvard University Graduate School of Design, 2013.

nenden Fliesen erwachsen. Die Fallstudie Grão zeigt das erneute Interesse von Entwerfern und Künstlern an der Aneignung von Fliesen als „Fundstücke“. Das Projektbeispiel der Rekonstruktion eines nicht mehr genutzten Lagerhauses spielt mit unserer Wahrnehmung von Dachziegeln, indem Bestandsziegel einer neuen Funktion zugeführt werden. Damit wird einem ansonsten gewöhnlichen, allgegenwärtigen Bauprodukt nicht nur ein größerer Wert beigemessen, sondern auch sein Kontext und die mit keramischen Materialien üblicherweise verbundenen Assoziationen in Frage gestellt.

119

TEKTONIK AUS WIEDERVERWENDETEN ZIEGELN

ENTWURF: Arturo Franco FERTIGSTELLUNG: 2008 HERSTELLER DER ORIGINALEN DACHZIEGEL: Francisco Ramón Borja S. A. KERAMISCHE BAUTEILE: ca. 700 m2 wiederverwendete Dachziegel, Modell 5 A

HALLE 8B, VERWALTUNG EINES KULTURZENTRUMS MADRID, SPANIEN

2 – Dachziegel der Halle.

1 – Materialfluss.

Die Langlebigkeit von Keramik kommt auch

Arbeitsumfelds mit hohem akustischem und

zum Tragen, wenn eine Wiederverwendung

thermischem Komfort (3, 4, 5, 6).

in Bestandsgebäuden erwogen wird. Dabei

Der Entwurf war von den Dachziegeln

Für die Wandbekleidungen wurden die Dachziegel über ihre Länge halb durchgeschnitten. So reduzierte sich die Bau-

lassen sich Dachziegel im Gegensatz zu

inspiriert, die trotz ihrer langen Nutzungs-

aufgeklebten Fliesen einfach und schnell

dauer von etwa 60 Jahren insgesamt in

verfügbarer Ziegel und Maximierung des

abnehmen und weisen nahezu keine Mörtel-

gutem Zustand waren. Weitere ungenutzte

verfügbaren Innenraums. In einem Abstand

oder Kleberanhaftungen auf (1). Die Dach-

Bauteile wie Holzbalken und Fliesen wurden

von vier bis fünf Reihen wurden die zuge-

ziegeln eigene Form führt jedoch dazu, dass

im leeren Lagerhaus gestapelt – mit Aus-

schnittenen Ziegel über Stahlanker mit der

sie nur begrenzt für andere Anwendungen

sicht auf eine mögliche Wiederverwendung.

tragenden Wand verbunden. Freistehende

Der Dachziegel Modell 5 A wurde in

Trennwände wurden in Abständen von 2 m

einzusetzen sind (2).

tiefe bei gleichzeitiger Erhöhung der Zahl

Nach dem Umzug des Schlachthofs

Spanien über Jahrzehnte produziert. Die

mit Stahl-U-Profilen an der darüberliegen-

von Madrid an den Stadtrand blieb der alte,

Dachelemente wurden sorgfältig entfernt

den Stahlkonstruktion befestigt. Durch

im Jahr 1907 von Luis Bellido entworfene

und manuell sortiert (7, 8), lediglich ca. 0,5

die nur teilweise Einbettung der Ziegel in

Gebäudekomplex über nahezu 30 Jahre

m³ waren schadhaft und wurden vermahlen

Mörtel entstanden Sichtbeziehungen.

ungenutzt. Im Jahr 2005 entschied sich

und dem Mörtel beigemischt. Die verwend-

Die Herkunft der Ziegel wird erst auf

der Kunstbeirat der Stadt, das Gebäude

baren Dachziegel wurden auf der Baustelle

den zweiten Blick offenbar – ihre feine

zu renovieren und den Komplex in ein Kul-

gelagert und nachfolgend für nichttragende

Detailausbildung wirkt als Schmuckele-

turzentrum umzuwandeln. Im Gebäude 8B

Zwischenwände und Wandbekleidungen in

ment (9, 10). Zur Herstellung von Ecken mit

sollte die neue Verwaltung des Zentrums

den Innenräumen verwendet. Detailaus-

verzahnten Ziegelreihen wurde ein Über-

untergebracht werden. Die Baumaßnahmen

bildung und Anordnungsmuster wurden

lappstoß entwickelt, wie er sich ähnlich in

konzentrierten sich auf die Stabilisierung

direkt auf der Baustelle mit den Maurern

den ebenfalls verbauten Holzkonstruktio-

des Bauwerks, die Erneuerung der Dach-

abgestimmt. Die Ziegel wurden mit einem

nen findet.

konstruktion und die Herstellung eines

herkömmlichen Zementmörtel fixiert.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

3 – Wiederverwendete Dachziegel dienen als Innenwandverkleidung.

6

4 3 2 1

4 – Schnittansicht.

4 3 2 1

5 – Grundriss.

121

6 – Blendwand.

7 – Entnahme der Dachziegel.

8 – Lagerung von Ziegeln für den erneuten Einbau.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

9 – Außergewöhnlicher Ziegelverband.

10 – Erschließungsbereich.

123

GRÃO – KERAMIKPIXEL

ENTWURF: Pedrita KERAMIKHERSTELLER: verschiedene FERTIGSTELLUNG: 2012 KERAMISCHE BAUTEILE: 559 Fliesen 150 × 150 mm

JARDIM BOTÂNICO TROPICAL TRAVESSA DO MARTA PINTO BELÉM/LISSABON, PORTUGAL

1 – Lage.

2 – Elektronisches Bild des Fliesenmosaiks.

Nur allzu oft übersehen wird der weltweit

denden Fliesen erstellt (2). Für die Sicht-

existierende große Markt für gebrauchte

prüfung der Ergebnisse wurden die Tafeln

2007 im Nationalen Fliesenmuseum in Lis-

Keramikfliesen, Abfall- oder Restfliesen

manuell in der Werkstatt trocken verlegt

sabon eine Machbarkeitsstudie erstellt.

sowie Artikel zweiter Wahl, die im Lauf

(3, 4). Die Designer beschreiben diesen

Im Jahr 2012 folgte dann die Realisierung

der Zeit zu Raritäten werden können. Am

Prozess als zur Hälfte manuell und zur

des Bilds einer Moschusente an der Wand

häufigsten werden sie bei Ausbesserungs-

anderen Hälfte digital. Sodann wurden die

des Gebäudes des Jardim Botânico Tropi-

arbeiten eingesetzt. Die Architekten Pedro

Fliesen entweder nummeriert und für die

cal in Lissabon (5, 6). Das Bild setzt sich

Ferreira und Rita João, Gründer von Pedri-

herkömmliche Verlegung auf der Baustelle

aus sechs in der Werkstatt vorgefliesten,

ta, entwickelten ein Verfahren zur erneu-

verpackt oder für temporäre Installationen

auf der Baustelle montierten Tafeln zu-

ten Nutzung der Lagerbestände aus nicht

in Tafeln zusammengefasst. Die Fliesen

sammen, die aus insgesamt 559 Fliesen

mehr produzierten, industriell hergestell-

weisen ein Standardformat von 150 × 150

der Größe 150 × 150 mm bestehen.

ten Fliesen. Pedrita kooperierte mit dem

mm auf, wobei es bei unterschiedlichen

Diese bedecken eine Fläche von 4,5 ×

größten Wiederverkäufer von nicht mehr

Herstellern im Lauf der Jahrzehnte Ab-

5,5 m (7, 8). Das vom Ende der darauf

produzierten Fliesenbeständen, um aus

weichungen in einer Spanne von 3 mm gab

zulaufenden Gasse noch erkennbare

Fotos großmaßstäbliche Bilder entstehen

(149–152 mm), welche durch Anpassung

Bild zerfällt im Zuge der Annäherung des

zu lassen (1). Der Name des Projekts,

der Fugenbreiten aufgefangen wurden. Die

Betrachters visuell in die einzelnen Flie-

Grão, „Korn“, steht für die Körnung von

entstehenden Wandbilder sind erheblich

sen. Da das Bild aus Hunderten vor Ort

Fotografien. Eine jede wiederverwendete

kostenintensiver als herkömmliche Flie-

wiedergewonnener und heute nicht mehr

Fliese repräsentiert jeweils ein Pixel des

seninstallationen – nicht nur aufgrund

produzierter Fliesen besteht, erkennen

Großbilds.

ihres Entwurfsprozesses, sondern auch

viele Besucher das eine oder andere Motiv

wegen ihrer Zusammensetzung aus selte-

und verbinden das Bild so mit ihren per-

nen, nicht mehr hergestellten Fliesen.

sönlichen Erinnerungen.

Mit einer Standardsoftware wurde ein Digitalbild aus den Fotos der zu verwen-

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

Für das Projekt Grão wurde erstmals

3 – Probeverlegung.

4 – Muster.

5 – Nahaufnahme.

6 – Fertige Installation.

1 2 3 4

5

6 1 – Fliese 150 × 150 mm 2 – Metallanker 3 – Profil 40 × 40 mm aus verzinktem Stahl 4 – Polycarbonatplatte d = 8 mm 5 – Silikon 6 – U-Profil aus verzinktem Stahl 7 – Stahlschraube 10 mm 8 – Profil 40 × 40 mm aus verzinktem Stahl 9 – Blech 5 × 60 mm aus verzinktem Stahl

7

8

9 7 – Einbau auf der Baustelle.

8 – Installationssystem und -detail.

125

SONNENSCHUTZ IN MAUERWERKOPTIK

ENTWURF: Perkins+Will KERAMIKHERSTELLER: Boston Valley Terra Cotta FASSADENBERATER: Curtainwall Design Consulting (CDC)

STUDENT SERVICES BUILDING, UNIVERSITY OF TEXAS AT DALLAS DALLAS, TEXAS, USA

FERTIGSTELLUNG: 2010 KERAMISCHE BAUTEILE: neun verschiedene Ausführungen, insgesamt 3.756 Elemente, typisches Maß 1.821 × 157 × 49 mm

152 mm

157 m

m

89 mm 49 m

m

1.929 mm

1 – Fassadenschnitt mit Darstellung der Verschattungsstrategie.

2 – Typische Keramikelemente. Die Endstücke wurden vor dem Transport entfernt.

Keramikelemente sind eine besonders

um 50 % besser als der Durchschnitt aller

attraktive Lösung für außenliegende Ver-

Gebäude auf dem Campus abschneiden.

beit mit dem Unternehmen Boston Valley

schattungssysteme. Sie vermitteln stets

Es waren großflächig verglaste Bereiche

Terra Cotta so konzipiert, dass es unsicht-

eine warme, vom Technischen weit entfernte

erforderlich, die solaren Gewinne waren al-

bar den horizontal angeordneten Stab

Ästhetik, welche das häufig recht abweisen-

lerdings über eine effiziente Strategie für die

sowie die an den Enden befindlichen

de Erscheinungsbild außenliegender Son-

Außenverschattung genau zu steuern.

Aluminiumklemmen aufnehmen kann.

nenschutzlamellen verbessern kann (1). Im Sommer liegen die Temperaturen in

Von einem visuell leichten System aus

Das Hohlprofil wurde in Zusammenar-

So konnte eine höhere Tragfähigkeit

Vorspannstäben sind die in unterschied-

erzielt werden. Ein im Feuchtpressver-

Texas häufig über 37 °C und sinken im Winter

lichen Längen gefertigten extrudierten

fahren hergestelltes Endstück schließt

unter den Gefrierpunkt. Das Student Ser-

Keramikelemente mit Stahlauslegern abge-

das extrudierte Hohlprofil ab und verleiht

vices Building ist das erste auf dem Campus

hängt (2). Die Dichte der Lamellenanordnung

den Lamellen ihre ungewöhnlich massi-

errichtete Gebäude, das eine Platin-Zertifi-

variiert je nach Standort und entsprechend

ve, mauerwerksartige Anmutung (7, 8, 9).

zierung nach LEED-Standard erhielt. Es ver-

des Wunsches nach Sichtbeziehungen (3, 4,

Das maßgefertigte System zur vertikalen

mittelt einen Geist der Offenheit, bewahrt

5, 6). Auf den einzelnen Fassaden wurden

und horizontalen Aufhängung besteht aus

dabei jedoch ein mauerwerksähnliches Er-

jeweils eigene Lamellenmuster realisiert,

Edelstahl-Gewindestäben. Diese sind mit

scheinungsbild in Übereinstimmung mit sei-

die auf computergestützten Tageslichtsi-

kleinen Aluminiumklemmen verbunden,

nem Kontext. Eine weitere Aufgabe bestand

mulationen basieren. 76 % aller genutzten

die wiederum die Keramikelemente tragen.

in der Realisierung einer größtmöglichen

Räume verfügen über natürliches Tageslicht,

Die Stäbe wurden vorgespannt, um eine

Zahl an Arbeitsplätzen mit Blick direkt nach

93 % über Ausblicke in den Außenbereich.

seitliche Verformung unter Wind- und wei-

außen. Die erreichte Energieeffizienz sollte

Im Betrieb erwies sich die Energieeffizienz

teren seitlich angreifenden Lasten über die

um 41 % höher als die Vorgaben der US-Norm

um 63 % höher gegenüber dem Durchschnitt

gesamte Fassadenhöhe von 12 m zu redu-

ASHRAE 90.1 sein; zudem sollte der Neubau

aller Campusgebäude.

zieren (10).

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

3 – Lobby.

4 – Keramisches Lamellensystem am Studierendenzentrum.

5 – Grundriss Erdgeschoss.

0

127

30

6 – Das System verbindet Sonnenschutz mit offener Sicht auf den Außenbereich.

1 – Edelstahlstab 2 – Stranggepresstes Keramikelement 3 – Silikonprofil 4 – Aluminiumklammer 5 – Feuchtgepresste Keramikkappe

1 2 3 4 5

7 – Explosionszeichnung des Systems.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

8 – Fassadenausschnitt.

9 – Eckdetail.

10 – Vorspannstäbe bilden eine nahezu unsichtbare Tragkonstruktion.

129

LICHTMODULATION

ENTWURF: James Carpenter Design Associates Inc. (JCDA) FERTIGSTELLUNG: 2010

ERWEITERUNG DES ISRAEL MUSEUM JERUSALEM, ISRAEL

KERAMIKHERSTELLER: Moeding Keramikfassaden GmbH KERAMISCHE BAUTEILE: drei Profile für Verschattungselemente in Längen von 640–2.975 mm, typische Länge 1.440 mm, ca. 7.000 Elemente

48

m

m

50 mm

79 mm 68 mm

224 mm

50 mm 550 mm

1 – Explosionszeichnung des Systems.

1.290 mm

2 – Typisches Keramikelement.

Verschattung und Lichtführung durch in-

leistungsbeton favorisiert, sich jedoch

Alumeyer die Ausführungsplanung des kom-

dividuell geformte Lamellen lassen das

aufgrund des niedrigeren spezifischen Ge-

binierten Systems aus Keramik und Alumi-

Licht bei diesem Projekt geradezu zu einer

wichts und der Kostenvorteile für Keramik

nium. Die Ingenieure bei Moeding entwarfen

Skulptur werden. Im Bestandsgebäude

entschieden. Die leichten Schwankungen

eine individuell abgestimmte Tonmasse mit

des Museums, von Alfred Mansfeld ent-

in Farbe und Struktur schufen dabei eine

3 % Wasseraufnahmekapazität. Die Ele-

worfen und 1964 fertiggestellt, wurde

willkommene Verbindung des warmen Ma-

mente werden durch Aluminium-Endstücke

die Sonneneinstrahlung durch im oberen

terials mit der natürlichen Umgebung.

ergänzt, die über die Länge des innenlie-

Bereich eher klein dimensionierte Fenster-

Ausgehend von computergestütz-

genden Aluminiumprofils miteinander ver-

bänder reduziert. JCDA planten nun einen

ten Untersuchungen zur Erfassung der

bunden sind. Die Endstücke verfügen über

volltransparenten Glaspavillon, den sie mit

Strahlungsverläufe wurden Varianten

rechteckige Schlitzungen, die während des

einer Lamellenschicht umgaben, so dass

sichelförmiger Lamellenquerschnitte für

Einbaus ihren Einschub in entsprechende,

ein Teil der Sonneneinstrahlung zurückge-

die einzelnen Fassaden untersucht und

an den Rahmen befestigte Gegenstücke

worfen und der andere Teil auf die Decke

entworfen (4). Letztlich wurden zwei Aus-

ermöglichten. Dieses Vorgehen sorgt dafür,

umgeleitet wird. So entsteht eine indirekte

führungen keramischer Verschattungs-

dass die Lamellen je nach Fassadenaus-

Belichtung des Innenraums (1, 2, 3). Zumeist

elemente entwickelt: eine für die Ost- und

richtung stets im korrekten Winkel geneigt

befinden sich die Verschattungselemente

Westseite, die andere für die in Nord- und

sind (5, 6).

in einem Abstand von 1,5 m zur Glasfassade

Südrichtung weisenden Flächen. Die Quer-

und erlauben damit dem Sonnenlicht, farbi-

schnitte wurden so optimiert, dass ein für

reits vor dem Transport von Deutschland

ge Spuren der umgebenden Landschaft auf

den Extrusionsvorgang idealer Hohlkör-

nach Israel an den Sonnenschutzelementen

die Lamellen und das Glas zu zeichnen.

per entstand. Zudem wurden zusätzliche

angebracht. Die Endstücke boten dabei

Am Gebäudeeingang erweitert sich dieser

Keramikelemente für Wandbekleidungen

wirksamen Schutz vor Abplatzungen der

Zwischenraum zu einem halbumschlos-

konzipiert. Die Sonnenschutzelemente

Keramik, und die vormontierten Ele-

senen Raum, der ebenso von der warmen

sind relativ filigran und verfügen über eine

mente konnten auf der Baustelle rasch

Materialität der grauen glasierten Keramik

Spannweite von bis zu 2,9 m, so dass zur

an den Rahmen befestigt werden. Im

wie von der transparenten Verglasung ge-

Erhöhung der Trag fähigkeit stranggepress-

fertiggestellten Gebäude sorgen die sich

prägt ist.

Die Aluminiumbeschläge wurden be-

te Aluminiumprofile in die extrudierten

überlappenden Lamellen für ein weiches

Keramik-Hohlkörper eingebracht werden

Tageslicht mit indirekter Reflexion und

te Beherrschung von Transparenz und Licht.

mussten. Der deutsche Hersteller Moeding

einem sich auf der Keramikoberfläche vage

Zunächst hatten die Designer die Fertigung

Keramikfassaden erstellte in Zusammen-

abzeichnenden Abbild der Umgebung

von Lamellen aus faserbewehrtem Hoch-

arbeit mit JCDA und dem Aluminiumbauer

(7, 8, 9).

JCDA sind bekannt für ihre meisterhaf-

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

3 – Raum zwischen Keramik- und Glasschicht.

4 – Studie zum Strahlungsverlauf.

5 – Fassadenmuster im realen Maßstab.

6 – Ausschnitt Muster.

131

7 – Der Erweiterungsbau, Entwurf von JCDA.

8 – Grundriss Erdgeschoss.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

9 – Blick in den Innenraum.

133

PERFORIERTE PLATTE

KERAMIKHERSTELLUNG: lokal

SCHULBIBLIOTHEK GANDO, BURKINA FASO

ohne Böden in Durchmessern von bis zu

ENTWURF: Kéré Architecture FERTIGSTELLUNG: 2011 KERAMISCHE BAUTEILE: ca. 230 Tontöpfe 800 mm, Wandstärke 10–20 mm

3 – Transport auf die Baustelle. 5 – Abtrennen der Böden.

1 – Grundriss. 2 – Schnitte.

4 – Tontöpfe auf der Baustelle. 6 – Die Tontöpfe auf dem Weg zum Einbau.

In heißen Klimazonen führen Oberlichter zur

(1, 2). Das Wellblechdach überspannt das

schen 10 und 20 mm (3). Die Tontöpfe wur-

Belichtung von tiefen Innenräumen rasch zu

gesamte Gebäude, sorgt für Verschattung

den in der heißen Sonne getrocknet

einer Überhitzung durch Sonneneinstrah-

und schützt vor Nässe. Einige Dachberei-

und nicht gebrannt, was auch auf die vor

lung. Zudem können Sandstürme ihre Funk-

che sind mit einem transluzenten Material

Ort fehlenden Energiequellen zurückzu-

tion innerhalb kurzer Zeit beeinträchtigen.

eingedeckt, um den Tageslichteinfall in die

führen war.1 Auf der Baustelle wurden die

Das in Berlin ansässige Büro Kéré Archi-

Bibliothek zu steigern. Die für die Oberlich-

Böden entfernt (4, 5, 6) und die offenen

tecture hat als Lösung eine mehrschichtige

ter gefundene Lösung bedient sich statt der

Tonelemente auf der ebenen Betonschalung

Dachhülle entworfen, bei der die in die

Beschaffung kostenintensiver industrieller

mit dazwischenliegenden Bewehrungsstä-

Betondachplatte eingelassenen Öffnungen

Erzeugnisse der vor Ort bestehenden Töp-

ben angeordnet (7). Bei der Betonage der

durch ein mit Abstand darüber angeordne-

fertradition. Während der Betonage der

100 mm starken Betonplatte bildeten Ton

tes Metalldach abgeschirmt werden.

Betonplatte wurden Schalelemente aus

und Zement einen wirksamen Verbund, und

So wird ein indirekter Lichteinfall in den In-

Ton integriert, welche die Öffnungen um-

die Tontöpfe mussten als verlorene Schalung nicht entfernt werden (8). Innen er-

nenraum erzeugt. Das Gebäude ist Teil einer

schließen. Diese Oberlichter mussten nicht

Schulerweiterung, die vom selben Architek-

abgedichtet werden. In der Tageszeit bei

scheint der Ton als Auskleidung des sichtbar

turbüro entworfen und bereits fertiggestellt

Temperaturen bis 32 °C heizt sich die Dach-

belassenen Betons, mit dem seine glatte Struktur kontrastiert (9, 10). Dies ergibt eine

wurde. Die Bibliothek schließt eine Lücke

fläche aus Metall rasch auf und bewirkt

an der Ecke zwischen dem Bestandsge-

eine Aufwärtsbewegung der Luft durch die

höchst effiziente Konstellation – bei mini-

bäude und seinem Anbau und schützt den

Öffnungen. Diese Wirkung verbessert die

malem System- und Materialaufwand.

Schulhof vor dem Staubeintrag durch starke

Luftzirkulation und den thermischen Kom-

Winde.

fort in der Bibliothek.

Die tragenden Wände bestehen aus

Als Tonelemente wurden Segmente

verdichteten Tonblöcken, in das Betondach

traditioneller Töpfe verwendet, die vor Ort

sind in spielerischer Anordnung mit Tonele-

von Bewohnerinnen des Dorfes hergestellt

menten gestaltete Öffnungen eingelassen

wurden. Ihre Wandstärken liegen etwa zwi-

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

1 Nach der von uns verwendeten Definition ist sonnengetrockneter Ton keine Keramik im engeren Sinn. Die Fallstudie wurde dennoch in das Buch aufgenommen, da sich der fehlende Brennvorgang kaum auf Entwurf und Funktion auswirkt.

7 – Die Tontöpfe auf den Betonbewehrungen.

9 – Blick von außen während der Bauphase.

8 – Der gegossene Beton in Verbund mit den Tonelementen.

10 – Blick in den Innenraum.

135

KÜHLER HOHLRAUM PATIO 2.12, ANDALUCÍA TEAM, SOLAR DECATHLON EUROPE 2012, 2. PREIS, MADRID, SPANIEN

ENTWURF: Javier Terrados Cepeda KERAMIKHERSTELLER: Decorativa Tozeto S.A. FERTIGSTELLUNG: 2012 KERAMISCHE BAUTEILE: 432 extrudierte Terracotta elemente; 800 × 397 mm große Fliesen, Durchmesser 20 mm, Wanddicke 6 mm

20 mm 800 mm 397 mm

1 – Keramikelemente.

2 – CFD-Simulation der Luftströme im Inneren.

Eine Alternative zur Kühlung durch Wärme-

Das Gebäude wurde für einen Standort in

Fassadenelemente werden während der

austauschvorrichtungen bietet die natür-

Madrid konzipiert mit heißen, trockenen

Verdunstung des Wassers gekühlt, und die

liche Verdunstungskühlung in Verbindung

Sommern. Entscheidend war hier eine

niedrigere Temperatur ihrer Oberflächen

mit Wasserabsorbern aus poröser Keramik.

energieeffiziente Kühlung. Eine hinterlüf-

kühlt wiederum die Luft im Hohlraum. Am

Der Wettbewerb Solar Decathlon Europe

tete Fassade wurde mit eigens gefertigten

Boden des Hohlraums wird die Kaltluft

2012 bot Gelegenheit, dieses Prinzip an

Keramiktafeln verkleidet, die die einströ-

mechanisch in den Innenraum geleitet.

einem kleinmaßstäblichen Prototypen –

mende Luft kühlen und das traditionelle

Patio 2.12 – zu untersuchen. Der von vier

Prinzip der Wasserverdunstung nutzen. Der

raum angebrachten Temperatursensoren

spanischen Universitäten eingereichte

Einsatz wasser absorbierender Keramik ist

selbsttätig gesteuert. Luft wird nur dann

Beitrag wurde in dem internationalen Uni-

inspiriert vom botijo, einem zur Kühlung

in den Innenraum geleitet, wenn die Tem-

versitätswettbewerb um das ressourcen-

von Wasser verwendeten Trinkgefäß aus

peratur im Fassadenhohlraum niedriger

effizienteste Haus mit optimaler Nutzung

Keramik. Die Keramikwandung des botijo

als die Innenraumtemperatur ist. An hei-

der Solarenergie mit einem zweiten Preis

nimmt eine kleine Menge an Wasser auf, die

ßen Tagen kann daher Kaltluft auf nahezu

ausgezeichnet. Das Haus wurde in Zusam-

nachfolgend nach außen verdunstet. Die

natürliche Weise einzig unter Zuhilfenahme

menarbeit von 20 Forschern und 50 Stu-

für den Übergang des Wassers von der flüs-

von kleinen elektrischen Ventilatoren und

denten der Universitäten Sevilla, Granada,

sigen in die gasförmige Phase verbrauchte

Wasser bereitgestellt werden. Die Ablei-

Málaga und Jaén entworfen (1, 2).

Energie führt zu einer Absenkung der Tem-

tung der Warmluft aus dem Innenraum

peratur der Keramik und damit zu einer

findet über einen schräg angeordneten

Kühlung im Inneren des Gefäßes (8, 9).

mechanischen Entlüftungskanal als Solar-

Der Name des Projekts offenbart das Grundkonzept der Orientierung an der traditionellen mediterranen Hoftypologie.

Als Kern eines multifunktionalen

Das System wird von den im Hohl-

kamin statt.

Vier vorgefertigte Module sind um einen

Bekleidungssystems kommen individuell

multifunktionalen, umschlossenen Hof

gefertigte, extrudierte Terracottahohlkör-

die für die Verdunstung zur Verfügung

angeordnet (3, 4, 5), mit Wohnzimmer und

per zum Einsatz. An der Nordseite werden

stehende Oberfläche (10). Die dem belüf-

Küche auf der Nordseite, Schlafzimmer

die Fassadenelemente für die Verdun-

teten Hohlraum zugewandte Fläche der

und einem Technikraum auf der Südseite.

stungskühlung aktiviert und mit Mineral-

Keramiktafeln besteht aus poröser Terra-

Der Hof selbst bietet eine diffusionsoffene,

wolle gefüllt. Über eine am oberen Ende

cotta mit 10 % Wasseraufnahmekapazität

verglaste und verschattete Pufferzone,

befindliche Abtropfvorrichtung wird Feuch-

und sind mit einer wasserdichten Polyuret-

über die sämtliche Räume des nur knapp

tigkeit in das Innere der Tafel geleitet, die

hanbeschichtung versehen, um

70 m² großen Hauses verbunden sind (6, 7).

nachfolgend von der Keramik aufgenom-

die Einleitung von Feuchtigkeit in die im

men wird. Die zwischen den 800 mm langen

Hohlraum befindliche Luft zu verhin-

gehören eine Photovoltaikanlage, Vor-

extrudierten Elementen verlaufenden ho-

dern. Die Verdunstung findet daher wie

richtungen zur Steuerung des Wasser-

rizontalen Fugen der Fassadentafeln wer-

gewünscht zu einem Großteil auf der

verbrauchs, schichtenartig angeordnete

den durch ein eingelegtes Elastomerband

Außenseite statt, und die gekühlte Luft

Systeme zur Beeinflussung des Tageslicht-

überbrückt, so dass an den Nahtstellen

bleibt im Interesse eines höheren Innen-

einfalls sowie eine hybride Klimatisierung.

kein Wasser austreten kann. Die porösen

raumkomforts trocken.

Zu den umweltwirksamen Systemen

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

Eine tiefe Wellenstruktur vergrößert

3 – Blick auf die Nordfassade.

5 – Keramikbekleidung im Gebäudeinneren.

4 – Schnitt Nord-Süd.

137

10 – Westfassade mit eingearbeiteten Öffnungen.

139

ATMENDE SÄULEN SPANISCHER PAVILLON AUF DER EXPO 2008 SARAGOSSA, SPANIEN

ENTWURF: Mangado & Asociados S.L. NACHHALTIGKEITSBERATUNG: Iturralde y Sagüés Ingenieros, Fundación CENER-CIEMAT KERAMIKHERSTELLER: Decorativa Tozeto S.A. und Ceràmica Cumella TECHNISCHE BERATUNG FÜR KERAMIKBEFESTIGUNGSSYSTEM: Disset FERTIGSTELLUNG: 2008 KERAMISCHE BAUTEILE: 25.000 extrudierte

150 mm

Terracottaelemente; 14.000 halbkreisförmige Elemente 200 × 831 mm und 14.000 größere

1 – Keramikelemente mit Ausbruchprofilen für die Stabilität während des Trocknens und Brennens.

Elemente 310 × 831 mm 300 mm

Das Prinzip der Verdunstungskühlung

von in Gebäuden gespeichertem Trink-

extrudierte Elemente her. Geringfügige

kann auch im Freiraum eingesetzt werden,

wasser, ein Prinzip, das hier in größerem

Farbschwankungen gleichen das Erschei-

beispielsweise mittels Wasserbecken zur

Maßstab umgesetzt werden sollte. Das

nungsbild auf natürliche Weise an die Asso-

Absenkung der Temperaturen in der unmit-

Regenwasser wird auf dem Dach gesam-

ziation mit Bambus an. Für die Erhöhung der

telbaren Umgebung. Dieser Pavillon bedient

melt und durch die Säulen in das unter dem

Porosität auf 10 % wurden der Tonmasse

sich solcher Kühlbecken und darüber hinaus

Vordach gelegene Wasserbecken geleitet.

erneut vermahlene Keramikreste zugege-

eines innovativen Bereichs mit atmenden

Dieses Becken bildet zugleich das System

ben. Zur Kompensation des Schwindens um

Säulen (1, 2, 3, 10), der für die Besucher-

der Verdunstungskühlung für den östlichen

ca. 6 % wurden die Formen entsprechend

schlangen vor dem Pavillon angenehme

Bereich, wo es die Eingangspassage vom

vergrößert (z. B. 318 mm messende Formen

Bedingungen schaffen sollte.

Außen- in den Innenraum umgibt. Durch

für Elemente mit 300 mm Durchmesser).

am oberen Ende der Säulen angebrachte

Mehrere Extrusionsmatrizen wurden für die

niedrigem Energieverbrauch während des

Verneblerdüsen wird kontinuierlich ein

halbkreisförmigen Elemente mit außenlie-

Betriebs vor, beschränkte die zulässige

feiner Wasserschleier erzeugt, der auf der

gender Rippenstruktur gefertigt (6); innen

graue Energie auf 110 kWh/m2 und förderte

glatten Innenseite der extrudierten Terra-

angeordnete radiale Stützelemente wurden

damit den Einsatz lokaler Materialien mit

cottaelemente abläuft. Nach Befeuchtung

nach dem Brennen herausgebrochen (7).

hohem Recyclinganteil. Der Entwurf spielt

der gesamten Keramikoberfläche wird die

Der Brennprozess schritt äußerst langsam

auf einen Bambuswald an. Von extrudierten

Wasserzufuhr unterbrochen und Luft me-

voran und erstreckte sich über 56 Stunden

Terracottaelementen umhüllte Stahlsäulen

chanisch von oben nach unten in Richtung

bei Temperaturen von 960–1.030 °C.

stehen in einem engen Raster und stützen

der in den Keramikelementen befindlichen

Bei zahlreichen Elementen, insbesondere

ein großes Vordach, das für die Verschat-

Schlitze geleitet. Die Verkleidungselemen-

in vertikaler Position gebrannten, zeigten

tung des Gebäudes und der Wasserbecken

te sind mit Wasser gesättigt und verfügen

sich an den Endprofilen unsaubere Kanten,

sorgt (4). Am westlichen Rand dieses Au-

über eine relativ hohe Porosität, so dass

die mit einer Präzisionssäge nachbearbeitet

ßenbereichs sind die Säulen dichter gestellt

das Wasser verdunsten und die abwärts

wurden. Für eine höhere Witterungsbestän-

und werfen in den Nachmittagsstunden grö-

strömende Luft kühlen kann. Die gekühlte

digkeit wurde die Außenseite nach der Fer-

ßere Schatten. Für den an der Ostseite be-

Luft tritt auf Fußgängerebene über in die

tigung beschichtet.

findlichen Haupteingang entwarf das Team

Keramikelemente eingeschnittene Schlitze

für die Säulen eine atmende Verkleidung aus

aus und erzeugt eine kühlende Wirkung, die

möglichen die Anbringung mechanischer

Keramik, mit der die Außentemperatur lokal

für die sich im verschatteten Außenraum

Haken, mit denen sich die Keramikelemente

durch Verdunstungskühlung gesteuert wird.

befindenden Personen den Aufenthalts-

von den innenliegenden Stahlsäulen abhän-

Das ökologische Gesamtkonzept des

komfort erhöht. Nachdem die Keramikele-

gen lassen (8). Diese in Zusammenarbeit mit

Gebäudes wurde in Zusammenarbeit mit

mente wieder getrocknet sind, beginnt der

dem auf hinterlüftete Fassaden speziali-

dem in Navarro ansässigen Institut für bio-

Zyklus erneut mit der Wasserverneblung am

sierten Ingenieurbüro Disset entwickelten

klimatische Architektur des Zentrums für

oberen Ende (5).

Befestigungselemente sollten die Luft- und

Die Auslobung gab ein Gebäude mit

erneuerbare Energien (CENER) geplant.

Die Terracottaelemente sind 12-23 mm

An den Enden befindliche Schlitze er-

Wasserströmung im Zwischenraum zwi-

Den Ausgangspunkt bildete der Einsatz

dick und 831 mm lang. Beide Herstel-

schen dem Keramikelement und der Stahl-

poröser Terracottagefäße für die Kühlung

ler stellten zusammen pro Tag rund 100

säule nur minimal beeinträchtigen (9).

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

2 – Blick von Süden.

3 – Grundriss Eingangsgeschoss.

N

0 1 2

5

10 m

141

81,0 0,6

4 – Dichtes Säulenraster.

81,0

5 – CFD-Simulation des kühlenden Luftstroms.

17,8 30,0

21,9 30,0

6 – Schnitt einer Säule mit innenliegender Stahlkonstruktion und Entwässerungsrohr.

7 – Extrudiertes Element während der Fertigung.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

8 – Anschlussdetail.

9 – Explosionszeichnung der Säule.

10 – Eingangsbereich.

143

BIO SKIN

ENTWURF: Nikken Sekkei Ltd. (Tomohiko Yamanashi, Tatsuyu Hatori, Yoshito Ishihara, Norihisa Kawashima)

SONY RESEARCH AND DEVELOPMENT OFFICE TOKIO, JAPAN

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG: Nikken Sekkei Research Institute (NSRI), Katsumi Niwa KERAMIKHERSTELLER: Toto Ltd. FERTIGSTELLUNG: 2011 KERAMISCHE BAUTEILE: Elementgeometrie: Querschnitt 70 × 110 mm, Durchmesser 12 mm, typische

70 mm

Länge 1.800 mm; 9.504 extrudierte Rohrsegmente

110 mm

mit im Feuchtverfahren aufgeformten Endkappen

1.800 mm

1 – Typisches Keramikelement.

Dem Problem urbaner Wärmeinseln wird

eindeutige Vorteile: Das befeuchtete Kera-

gewöhnlich durch die Anlage von Grün-

miksystem führte zu einer um 5–9 °C niedri-

ovalen Querschnitt von 110 × 70 mm und

flächen und Schaffung von städtischen

geren Oberflächentemperatur. In computer-

wurden in 1,8 m langen Segmenten extru-

Belüftungskorridoren sowie die Planung

gestützten Strömungssimulationen (CFD),

diert. Die Tonmasse wurde durch Zugabe

von weißen Gebäudedächern begegnet.

die für die Größenordnung des realen Ge-

eines körnigen Zusatzmittels so modifiziert,

Verdunstungskühlung über eine extrem

bäudes durchgeführt wurden, wurden eine

dass ihr Wasseraufnahmevermögen auf

große Keramikoberfläche stellt einen neu-

um 10 °C niedrigere Oberflächentemperatur,

ca. 10 % anstieg. Der Nachteil einer hohen

artigen Ansatz dar. Das hier verwendete

eine um 1–2 °C niedrigere Temperatur in der

Wasseraufnahme in dem vorherrschenden

Fassadensystem ermöglicht dabei gleich-

Nähe der dahinter befindlichen Glasfassade

feuchten Klima liegt in einem erhöhten Ri-

zeitig eine Reduzierung des Gebäudeener-

sowie eine um 2 °C niedrigere Temperatur in

siko der Moos- und Schimmelbildung. Über

giebedarfs. Mit seiner geringen Tiefe soll

der unmittelbaren Umgebung des Gebäudes

ausreichende vertikale Abstände der Rohre

das Gebäude den aus der Bucht vor Tokio

prognostiziert. Von den Ingenieuren der

ist jedoch eine gute Belüftung gewährleis-

heranwehenden Winden kein Hindernis für

Firma Nikken während des Betriebs des

tet. Zur weiteren Verhinderung des Pflan-

das Eindringen ins Stadtgebiet bieten.

fertiggestellten Gebäudes durchgeführte

zenwuchses auf den Rohren wurde eine

Die Ostfassade verfügt über ein System von

Messungen bestätigten die thermischen

photokatalytische Beschichtung aus Titan-

mit Wasser gefüllten Keramikrohren, die

Vorteile der Keramikfassade. Dabei betrug

dioxid (TiO2) aufgebracht. Zur Erzielung ei-

als Brüstung für die Außenbalkone aufge-

die Temperaturdifferenz zwischen den BIO

ner für die horizontale Spannweite zwischen

doppelt sind: die BIO SKIN (1, 2, 3, 4). Das

SKIN-Bereichen und den nicht verschatte-

den Spannseilen ausreichenden Stabilität

Funktionsprinzip dieses Systems beruht

ten Zonen der Ostfassade 11,6 °C. Auch die

sind die Hohlrohre jeweils mit einem innen-

auf der Porosität der individuell gefertigten,

Temperaturen im unmittelbaren urbanen

liegenden Aluminiumprofil verstärkt. Beide

extrudierten Keramikrohre, die an heißen

Umfeld des Gebäudes lagen messbar niedri-

Materialien sind durch einen elastischen

Tagen eine kontrollierte Wasserverdunstung

ger, wobei die Quantifizierung hier aufgrund

Kleber miteinander verbunden. Rohrleitun-

ermöglichen und damit einen Schwall kühler

der neu gepflanzten Bäume schwierig war.

gen aus Edelstahl leiten das Wasser um die

Luft erzeugen, um die Lufttemperaturen in

Das System wird mit Regenwasser

Ecken und verbinden benachbarte horizon-

der Umgebung des Gebäudes abzusenken.

betrieben, das in unterirdischen Tanks ge-

tale Keramikelemente. Diese Eckverrohrung

speichert wird. Der Betriebsstrom wird von

ist mit entsprechend ausgeformten Kera-

tionellen japanischen Sonnenschutz sudare

vor Ort installierten Photovoltaikmodulen

mikkappen bedeckt, deren Farbgebung mit

abgeleitet – horizontalen Bambus- oder

erzeugt. Die horizontalen Rohre sind mit

den Keramikrohren übereinstimmt.

Holzlatten, die durch dünne Textilfäden

Befestigungsmitteln aus Edelstahl an hoch-

zusammengehalten werden und dem Son-

festen Spannseilen aus Stahl fixiert, die

Rohre installiert, welche die sich über

nenschutz außenliegender Verandabereiche

senkrecht entlang der Fassade abgehängt

eine Fläche von 140 × 120 m erstreckende

dienen. Bei einem Vergleich der Kühlkapazi-

sind (5, 6, 7). Die Abstände der Rohre (enger

Ostfassade verschatten (8, 9). Als urbaner

tät von mit Wasser gefüllten, porösen Kera-

im Brüstungsbereich, weniger dicht im Be-

Prototyp verbindet das Projekt erfolgreich

mikrohren mit einem System aus horizontal

reich des Blickfelds) unterstützen zudem

lokale Bezüge mit einem aus konzeptionel-

angeordneten Aluminiumlamellen an einem

die Steuerung der solaren Wärmegewinne,

ler Sicht sehr einfachen, jedoch technisch

Prototypen unter realitätsnahen Bedin-

indem sie einen Teil der direkten Sonnenein-

anspruchsvollen Ansatz zur Kühlung der

gungen ergaben sich für die Keramiklösung

strahlung fernhalten.

äußeren Raumgrenze eines Gebäudes (10).

Das BIO SKIN-System wurde vom tradi-

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

Die Keramikrohre verfügen über einen

Am Gebäude wurden mehr als 9.500

3 – Blick von Südosten.

2 – Lageplan und Schnitt mit Darstellung der Kühlwirkung.

4 – Grundriss Normalgeschoss.

145

110 mm

70 mm

7 – Fassadenschnitt und Elementdetail. Die extrudierten Keramikelemente sind auf einen Aluminiumkern aufgeklebt.

5 – Fassadenausschnitt.

8 – Explosionsdarstellung des Systems.

6 – Erste Muster.

THERMODYNAMISCHE HÜLLEN

9 – Nahaufnahme von innen.

10 – Teilansicht von außen.

147

KAPITEL 11

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Die in der heutigen Zeit sehr gefragte individuelle Anpassung der Form von Bauteilen lässt sich grundsätzlich auf zwei aufeinander bezogene, jedoch unterschiedliche Beweggründe zurückführen: zum einen auf die Entwurfästhetik und zum anderen auf das Ziel der Optimierung der Leistungsparameter von Gebäuden. Beim leistungsbasierten Ansatz wird versucht, ein bestimmtes Leistungsmerkmal (beispielsweise Tageslichteinfall, Be- und Entlüftung, Tragverhalten etc.) mittels einer strategischen Individualisierung zu optimieren. Trotz der unterschiedlichen Ausgangspunkte dieser beiden Vorgehensweisen wirken sich ihre Ergebnisse oft ähnlich auf die Planung von Fassaden, Dächern oder anderen Elementen des Gebäudes aus. In diesen Fällen müssen die konstitutiven Keramikmodule häufig in Form, Konfiguration und Ausführung variieren, so dass das Konzept eines standardisierten Teils nahezu vollständig in den Hintergrund tritt. Dies hat zu neuartigen Herangehensweisen an die Entwurfsplanung geführt, und in der Branche sind immer mehr Beteiligte hinzugekommen, die einen Beitrag zur Überwindung der Diskrepanz zwischen der Entwurfsidee und der Realität des Bauens leisten. Das Prinzip der Massenindividualisierung wurde vielfach als Erfüllung der seit jeher angestrebten individuellen Lösungen betrachtet. Dabei kommt der Begriff der „Masse“ bei der objektspezifischen Fertigung für Architekturanwendungen typischerweise gar nicht zum Tragen. Die Produktionsmengen liegen bei bestenfalls etwa zehntausend Elementen – also im Vergleich zur tatsächlichen Großserien-Massenproduktion noch immer sehr kleinen Stückzahlen. Anpassungen im Fertigungsprozess sind stets mit dem unauflösbaren Widerspruch der Vereinbarkeit mit dem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. In der Planung lässt sich mit geeigneten computergestützten Werkzeugen ein nahtloser Prozess erreichen, dies gilt jedoch nicht auf der Ebene der Fertigung. Hier müssen die Fixkosten für die Betriebsmittel und die Einrichtung durch größere Produktionschargen „finanziert“ werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rohstoffen liegt das Ausgangsmaterial für die Architekturkeramik in einer größeren Bandbreite an Zuständen vor – vom trockenen Tonpulver über feuchten Ton bis hin zur hochfließfähigen Gießmasse. Die Plastizität und Viskosität von Ton sind für die Festlegung der jeweils geeigneten Fertigungsprozesse entscheidend, die wiederum mit spezifischen fixen und variablen Kosten verbunden sind. Die Kosten der Glasur- und Brennverfahren hängen ebenfalls von den produzierten Stückzahlen ab. Die für Keramik typischen Produktionsprozesse bieten daher einzigartige Möglichkeiten der Intervention in mehreren Phasen – mit dem Ziel der Herstellung individualisierter Bauteile. Der Entwurf der Tonmasse, die Verfahren der Formgebung sowie die Bearbeitung im feuchten, lufttrockenen und gebrannten Zustand sind in Kapitel 3 behandelt. Alle genannten Faktoren tragen zu einem sehr vielseitigen und kostengünstigen Materialsystem bei, das den heutigen Erfordernissen der Herstellung individualisierter Formen entspricht.

1 – Eine Reihe individueller Schlickergießformen, gefertigt von Ceràmica Cumella.

2 – Individuell im Extrusionsverfahren hergestelltes, gekrümmtes Element im Werk von Ceràmica Cumella.

Unter den Fertigungsverfahren haben die „Feuchtverfahren“ eindeutig das größte Potenzial für die Individualisierung von Elementformen (1, 2, 3). Hierbei kommen relativ effiziente Extrusions- oder Stanztechniken zum Einsatz, die mit Nachbearbeitungsverfahren wie dem Schneiden, Biegen, Slumping oder Verschlämmen kombiniert werden. Die dafür benötigten Fertigungsausrüstungen weisen einen relativ geringen Komplexitätsgrad auf. Die für die Extrusion erforderlichen Matrizen lassen sich mit Werkzeugen herstellen, die in jeder gut ausgestatteten Metallwerkstatt zu finden sind. Zudem müssen Stanzwerkzeuge für plastischen Ton keinen hohen Drücken standhalten. In der Branche ist auch heute noch eine produktive Mischung aus handwerklichen und industriellen Verfahren anzutreffen, die sich für die Fertigung von objektspezifischen Chargen besonders gut eignet. Dabei werden oft computergesteuerte Öfen für das Brennen der Tonelemente verwendet, die zuvor auf relativ einfache Weise produziert wurden. Eine Automatisierung der formgebenden Produktionsanlagen ist noch nicht praktikabel. Der Großteil der Arbeit wird häufig von einfachen Maschinen (Strangpresse etc.) verrichtet, jedoch unterstützt von zwei oder mehreren hochqualifizierten Mitarbeitern, die die Grundformen in einem äußerst flexiblen Prozess nachbearbeiten. Die Palette von weiteren Bearbeitungsmöglichkeiten reicht von der Auftrennung über die Ritzung und den Zuschnitt bis hin zum Einbringen von Bohrungen im lufttrockenen oder gebrannten Zustand. Nach dem Brennvorgang sind dafür höhere Kräfte aufzubringen, wofür aufwändigere Ausrüstungen erforderlich sind. Andererseits entsteht dadurch der zusätzliche Vorteil einer höheren Präzision, da die Auswirkungen des Schwindens eliminiert werden. Bei einigen der dargestellten Projekte dienen individualisierte Keramikbauteile zur Herstellung einer Gebäudehülle mit Unikatcharakter, die auch eine objektspezifische Unterkonstruktion umfassen kann. In anderen Fällen werden einzelne Keramikelemente innerhalb eines standardisierten Bausystems aus Unterkonstruktionen und Verbindungselementen modifiziert. Häufig kommen CNC-Werkzeugmaschinen wie Lasersysteme oder Fräsen zum Einsatz, während die eigentliche Formgebung des keramischen Materials nach wie vor manuell erfolgt – zumindest auf einer bestimmten Prozessebene. Neue Möglichkeiten der individuellen Formanpassung mit aufwändigeren, digital gesteuerten Ausrüstungen zeichnen sich bereits ab und werden in Kapitel 12 behandelt.

3 – Im Schlickerguss hergestelltes Element mit komplexer Geometrie für den Einbau in die Sagrada Familia im spanischen Barcelona; Aufnahme aus der Werkstatt von Ceràmica Cumella.

149

COMPUTER GESTÜTZTES SLUMPING-VERFAHREN

ENTWURF: Enric Ruiz-Geli (Cloud 9) FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: Ceràmica Cumella KERAMISCHE BAUTEILE: 460 im SlumpingVerfahren hergestellte, glasierte Steinzeugelemente 600 × 25 × (500–1.400) mm

VILLA NURBS EMPURIABRAVA, SPANIEN

1 – Detail der von der Seilnetzkonstruktion abgehängten Keramiktafel.

Die Villa Nurbs gilt als Labor für die

Während der Fertigung wurde ein 600 ×

emplar jeder Form ein und dokumentierte

Möglichkeiten und Grenzen der Mas-

25 mm großes extrudiertes Element per

einen Katalog mit Werkszeichnungen sowie

senindividualisierung in der Architektur

Hand auf eine vorab digital ermittelte zwei-

digitale Dateien, um einen langfristigen,

für unterschiedliche Materialien. Drei

dimensionale Form zugeschnitten.

nachhaltigen Unterhalt der Keramik-Vor-

getrennte Wohnbereiche liegen um einen

Zu diesem Zweck dienten wasserstrahlge-

hangfassade zu sichern.

Swimmingpool. Vertikal ist das Gebäude

schnittene Aluminiumschablonen. Nachfol-

in drei Schichten aufgebaut. Eine spezielle

gend erhielten die Elemente im manuellen

tegisch für die Gestaltung dreidimensiona-

„Dreibein“-Konstruktion aus vorgespannten

Slumping-Verfahren über Formen aus

ler Keramikelemente eingesetzt.

Betonstützen verankert es im Baugrund.

expandiertem Polystyrol ihre endgültige

Die Detaillierung der Unterkonstruktion und

Die zweite Schicht vereint die drei Wohn-

Gestalt (3, 4). Die Formen wurden anhand

der Befestigungsmittel setzte dagegen eher

bereiche und wird von einer heterogenen

des vom Architekten erstellten digitalen

auf Standardelemente, mit denen die Kera-

Fassade umfangen, zu der unter anderem

Modells mit Hilfe einer CNC-Fräse mit drei

mikschalen über das regelmäßige Kabelnetz

die Vorhangwand aus Keramik gehört (2).

Arbeitsachsen gefertigt. Insgesamt wurden

verbunden wurden. Wenn auch Beschrän-

Sechs ETFE-Kissen bilden das Dach (7, 8).

60 Formen für 460 Elemente in Längen von

kungen im Kontext eines solchen Projekts

Die von Ceràmica Cumella hergestellten

500–1.400 mm hergestellt. Jeder der ins-

unangebracht erscheinen mögen, ermög-

vorgehängten Steinzeugelemente bekleiden

gesamt zwölf Formtypen wurde im Kanten-

lichte die Massenindividualisierung der

einen großen Teil der Fassade und werden

bereich mit einem Code gekennzeichnet –

Form doch ein relativ einfaches Vorgehen

von einer Seilnetzkonstruktion getragen.

so konnten die Anweisungen für den Einbau

bei der Montage und den Verzicht darauf,

Dabei dienen das Seilnetz umgebende

auf der Baustelle auf einfache Weise aus

jedes Element einzigartig zu gestalten. Eine

EPDM-Rohre an den Anschlussstellen der

farbcodierten Fassadenzeichnungen abge-

zweite Oberflächenbehandlung ermöglicht

Keramikelemente als Puffer (1).

leitet werden. Das für die Herstellung der

jedoch innerhalb des Systems die vollstän-

Grundplatten für das Slumping angewandte

dige Individualisierung in Bezug auf Form,

sprechend der relativen Krümmung der Fas-

Verfahren gewährleistete eine einheitliche

Oberflächengestaltung und Einbaustrategie

sade wurden die keramischen Bauteile an die

Bauteildicke (11). Das Schwinden des Mate-

(10, 13). Das Projekt Villa Nurbs profitiert

komplexe Gebäudeform angepasst (9).

rials führte zu einer Enddicke von 22 mm.

von der Synthese industrieller Produktion

Bei jedem der zwölf Typen nutzte man drei

Das angenommene Schwindmaß beruhte

mit handwerklicher Fertigung, bei der der

unterschiedliche Dimensionen der Individua-

einzig auf der Erfahrung des Keramikher-

Wunsch nach Individualisierung zur digita-

lisierung: die Ausformung des Randbereichs,

stellers. Nach der Endbehandlung wurden

len Herstellung projektspezifischer Arbeits-

die dreidimensionale Form und die Ober-

die Elemente vom Hersteller manuell

mittel führt (Formen und Schablonen).

flächenbehandlung. Die Elemente wurden

verpackt (6, 12). Durch die Flexibilität des

An der Schnittstelle zwischen den digital

in einem Slumping-Prozess hergestellt (5).

Keramikherstellers konnten logistische

hergestellten Ausrüstungen und dem Ma-

Aufgrund der industriellen Fertigung der

Hürden der individuellen Elementanpas-

terial selbst tritt ein handwerklicher Pro-

Elemente und des relativ niedrigen Wasser-

sung überwunden werden. Dies galt auch für

zess mit einem hohen Anteil an manuellen

gehalts der Tonmasse gibt es kaum Schwan-

die Verpackung und den Versand, die bei der

Arbeitsgängen an die Stelle der Industria-

kungen im Erscheinungsbild. Nach dem Bren-

Herstellung von Elementen in unterschied-

lisierung. Eine solche Verschmelzung von

nen wurde jedes Element individuell glasiert,

lichen Formen in der Regel einen Engpass

Automatisierung und Handarbeit ist typisch

zum Teil vom Künstler Frederic Amat (5).

darstellen. Der Hersteller lagerte ein Ex-

für die Arbeit mit Formvariation.

Durch Variationen der Elementform ent-

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Die Individualisierung wurde hier stra-

4 – Extrudiertes und zugeschnittenes Element vor dem Slumping.

5 – Der Künstler Frederic Amat beim Auftragen der Glasur auf die Keramikelemente.

2 – Keramik-Vorhangfassade der Villa Nurbs.

6 – Bauarbeiter befestigen die Keramikelemente an der Tragkonstruktion.

3 – Einzelne im Slumping-Verfahren auf Polystyrolformen gefertigte Keramikelemente.

151

8 – Dachansicht des Gebäudes mit ETFE-Kissen.

7 – Schnitt der Fassade mit Gesamtdarstellung der Formvarianten der Bauteile.

9 – Darstellung ausgewählter, an die relative Fassadenkrümmung angepassten Elementtypen.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

686

639

500

926

455

869

455

812

495

754

495

500

581

530

523

550

11 – Zur Verhinderung einer Wölbung während des Brennvorgangs sind alle Elemente mit Abstützungen versehen.

12 – Teilweise installierte Vorhangfassade.

10 – Fertiggestellte Vorhangfassade.

13 – Fertiggestelltes Projekt mit Keramik-Vorhangfassade.

153

PIXELIERUNG DES BAUKÖRPERS SPANISCHER PAVILLON, EXPO 2005 AICHI, JAPAN

ENTWURF: Foreign Office Architects (FOA), Farshid Moussavi und Alejandro Zaera-Polo FERTIGSTELLUNG: 2005 KERAMIKHERSTELLER: Ceràmica Cumella und Decorativa Tozeto S. A. KERAMISCHE BAUTEILE: im Feuchtpressverfahren hergestellte, glasierte Steinzeugfliesen der Größe 500 × 430 × 125 mm

1 – Abwicklung des Fassadensystems.

Der für die Expo 2005 im japanischen Aichi

Prozess kommt eine pneumatische Presse

Aufbringen unterschiedlicher Glasurfarben

errichtete spanische Pavillon wird von einer

zum Einsatz, die dem Einpressen des halb-

einbezogen, um Lösungen für die Detailaus-

Keramikfassade bestimmt, die das Element

feuchten Tons in eine zweiteilige Form dient

bildung zu finden, die beim eigentlichen

der Pergola neu interpretiert, welches wie-

(6). Die endgültige Formgebung der offenen

Pressvorgang nicht berücksichtigt werden

derum die Synthese der islamischen und

Elemente erfolgte in weiteren, nachgela-

konnten. Die individuell gefertigten Elemen-

jüdisch-christlichen Kultur symbolisiert,

gerten Prozessen (4). Vor dem Brennen – im

te wurden dann in einer Gesamtanordnung

von der die spanische Geschichte geprägt

lufttrockenen Zustand des Tons – wurde der

platziert, welche das einzelne Element in

ist (1, 2).

Boden des gepressten Elements entfernt,

seiner visuellen Wirkung zurücknimmt. Die

um seine endgültige Form herzustellen (7).

fertigen Elemente sind 500 × 430 × 125 mm

Der Innenraum des Pavillons besteht aus klein dimensionierten Räumen im Rand-

Nach dem Brennvorgang wurden die Ele-

groß und weisen eine Dicke von 12 mm auf.

bereich, die eine zentral angeordnete Gale-

mente zur Aufnahme der Befestigungsmittel

Mit Hilfe von Klemmen, welche in die in den

rie umgeben – eine Reminiszenz an gotische

für die Montage und Installation geschlitzt.

gebrannten Elementen verlaufenden Schlit-

Kathedralen und die Höfe von Wohnhäusern

Für die Herstellung der Fassade wurden

ze eingeklebt sind, wird eine mechanische

in der islamischen Kultur. Die Keramikfas-

rund 12.400 Stück produziert.

Verbindung zu einer vertikal verlaufenden

sade ist aus sechs hexagonalen Element-

Für dieses Projekt wurden also relativ

Unterkonstruktion aus Stahl geschaffen,

typen gebildet, jedes mit einem symmet-

große Stückzahlen an individualisierten

die die beiden Hälften des Systems mitei-

rischen Pendant versehen, um die innere

Bauteilen in Serie gefertigt. Da der Vor-

nander vereint (8, 9). Die Unregelmäßigkeit

und die äußere Sichtfläche zu bilden (3). Als

gang des Feuchtpressens bei niedrigeren

der sechs Elementtypen ergab im Zusam-

siebter Typ vervollständigt ein Eckelement

Drücken als das Pressen von trockenem Ton

menspiel mit der Palette an verwendeten

das System (5). Die individuell gefertigten

abläuft, können die Formen aus Materia-

Glasuren ein homogenes und sich dennoch

Elemente wurden von Ceràmica Cumella

lien wie Holz oder Weichstahl hergestellt

ständig wandelndes Muster. Glasuren in

produziert, einem spanischen Hersteller,

werden, was mit kürzeren Fertigungszeiten

lebendigen Farbtönen, darunter Rot, Ocker

der sich auf die individualisierte Produktion

und daher niedrigeren Kosten verbunden

und Braun, evozieren traditionelle Bilder von

von Keramik spezialisiert hat. Dabei wandte

ist. Für die Produktion großer Gruppen ähn-

Spanien. Ein noch stärkeres Symbol sind

das Unternehmen in Kooperation mit Deco-

licher Elemente wurden sechs individuelle

jedoch die Keramikelemente selbst,

rativa Tozeto S.A. ein Feuchtpressverfahren

Formen gefertigt. Hierbei wurden auch die

die buchstäblich aus nach Japan transpor-

an. Bei diesem in Kapitel 4 beschriebenen

Nachbearbeitung und das nachfolgende

tierter „spanischer Erde“ bestehen (10).

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

2 – Die räumliche Anordnung mehrfarbiger, im Pressverfahren hergestellter Keramikelemente erzeugt eine dynamische, „tief“ wirkende Fläche.

217 mm

250 mm

375 mm

3 – Detaildarstellung eines typischen Elements mit Ausbildung seines Anschlusses.

4 – Außenfassade mit Variationen des Elementtyps und der Farbgebung.

155

5 – Fertiggestellter Außenbereich des Pavillons. 6 – Die Fertigung der einzelnen Elemente erfolgte im Feuchtpressverfahren in einer zweigeteilten Form. 7 – Gepresste Elemente werden zur Einbringung von Öffnungen bearbeitet. 8 – Fertiges Einzelelement. 9 – Zur Herstellung der doppelseitigen Oberfläche werden zwei Hälften zusammengefügt.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

10 – Innenansicht des fertiggestellten Pavillons.

157

HOCHRELIEF-FLÄCHEN AUS SCHLICKERGUSSELEMENTEN

ENTWURF: Peter Lynch, Studio Metasus mit Ahlaiya Yung FERTIGSTELLUNG: 2009 KERAMIKHERSTELLER: handwerkliche Fertigung, Team aus ortsansässigen Handwerkern KERAMISCHE BAUTEILE: im Schlickergieß verfahren hergestellte Porzellanfliesen

VILLA FÜR EINEN INDUSTRIELLEN SHENZHEN, CHINA E

Halbfliese

Halbfliese

C

D

Viertelfliese

125 120

Typisches Maß der Fliesenkrümmung 112

70

A

Typische aufgeraute Öffnung zur Mörtelfixierung

45

E

D

R4 typ.

R23

C 71 75

B

R27

67

75

80

73

B B

B

B 87

4 typ B

Volle „Plus“-Fliese

146 150

A

Aufsicht

Endfliese (eben)

Untersicht

1 – Aufsicht und Untersicht eines einzelnen repräsentativen Bauteils mit profilierter Öffnung zur Herstellung eines mechanischen Verbunds nach Erhärtung des Mörtels.

Die Intention bei dieser Rekonstruktion der

lisierung kam beim Glasieren der Elemente

einem streng präskriptiven Ansatz und der

Innenräume einer Villa mit mehr als 450 m²

zum Tragen (4); bei jeder produzierten

Realisierung der endgültigen Form (8, 9).

Wohnfläche bestand in der Umsetzung neu-

Kleincharge kam es zu unerwarteten Farb-

Selbst für in ein und derselben Form herge-

er Ansätze für Handwerk, Geometrie und Or-

abweichungen, die für die bei diesem

stellte Erzeugnisse kann ein entsprechend

nament. Jeder Raum wird durch aus einem

Projekt gewählte handwerkliche Fertigung

qualifizierter Keramiker einen hohen Grad

bestimmten Material handwerklich gefer-

typisch sind. Die Gesamtanordnung des

an Konsistenz bei gleichzeitiger Varianz

tigte Elemente bestimmt. Für den mit im

Moduls wurde während der Installation

erzielen. Während des Schlickergusses

Schlickergießverfahren hergestellten Hoch-

festgelegt. Dabei ging man von den Unregel-

wirken sich die Zusammensetzung und

relief-Wandfliesen ausgestatteten Raum

mäßigkeiten der Glasurfärbung aus.

Menge der Gießmasse sowie die Zeitdauer

wurden Gruppen von vier geometrischen

Da Hochrelief-Oberflächen besondere

aus: Je länger die Masse in Kontakt mit

Modulen nestartig angeordnet, so dass sie

Sorgfalt während des Verfugens verlangen,

Luft ist, desto wahrscheinlicher ist eine

eine repetitive Abfolge mit unterschied-

wurde der Mörtel manuell aufgebracht (5).

Änderung ihrer Konsistenz; je häufiger die

lichen Kombinationen der Grundgeometrie

Eine enge Zusammenarbeit zwischen

bilden (1, 2). Das modulare Element wurde

dem Entwerfenden und dem Handwerker

Absorptionsvermögen. In einer Fertigungs-

mittels Handzeichnungen entworfen und

bei der Fertigung der Elemente bietet viele

umgebung für hohe Stückzahlen werden

nachfolgend in seiner Geometrie digitali-

Möglichkeiten, vor allem dann, wenn der

diese Parameter entsprechend gesteuert,

siert (3) und im 3D-Druck hergestellt.

Personalaufwand kein entscheidender Fak-

bei der handwerklichen Fertigung wird die

Die Form des gedruckten Musters wurde

tor der Herstellungskosten ist. Das Projekt

Qualitätssicherung hingegen vom Geschick

manuell kalibriert. Eine weitere Individua-

ist ein Beispiel für den Dialog zwischen

des Keramikers bestimmt (6, 7, 10).

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Gipsform verwendet wird, desto geringer ihr

Glasierte, im Schlickerguss hergestellte Keramikfliese

R80

R40

R20 R20

R13

R20

5

5

5

5 typ

2 – Schnitt eines einzelnen repräsentativen Bauteils mit Darstellung der profilierter Öffnung zur Herstellung eines mechanischen Verbunds nach Erhärtung des Mörtels.

14

23 31

Schnitt E-E durch Halbfliese

Typische aufgeraute Öffnung zur Mörtelfixierung

81

22

Schnitt D-D durch Halbfliese Typische aufgeraute Öffnung zur Mörtelfixierung

3 – Aus Knetmasse hergestelltes Musterelement.

4 – Ein als Prototyp gefertigtes Positiv diente als Muster zur Herstellung der Schlickergussformen für die eigentliche Produktion.

5 – Im Zusammenspiel mit einem leicht gekrümmten Untergrund erzeugen die Hochrelief-Fliesen im Untergeschoss der Villa einen dynamischen Beleuchtungseffekt.

159

6 – Panoramaansicht der Keramikoberflächen.

7 – Abwicklung des modularen Musters, die als Orientierung für den Einbau der Barelemente diente.

8 – Die Verlegung erfolgte vollständig manuell; Positionierung und Abstände wurden auch ohne Vorlagen genau eingehalten.

9 – Aufnahme während der Einbauphase mit modularen Varianten der einzelnen Elemente.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

10 – Effektvolle Ausführung im Barbereich.

161

INDIVIDUALISIERTE EXTRUSIONSELEMENTE FÜR KLEINE STÜCKZAHLEN

ENTWURF: Nathan Craven FERTIGSTELLUNG: 2005 KERAMIKHERSTELLER: handwerkliche Fertigung, Nathan Craven KERAMISCHE BAUTEILE: manuell extrudierte Steinzeugelemente, Einbaumaß 92 × 57 × 200 mm

KOSEMO BRICK, ARCHIE BRAY FOUNDATION HELENA, MONTANA, USA

1 – Installationsplan zur Gewährleistung der Verlegung im korrekten Muster.

Die Arbeiten des Keramikkünstlers Nathan

Je vier komplexe, ineinander ver-

bei dem Glasfritte zum Teil im Brennofen in

Craven loten das Potenzial von Keramik,

schränkte Elemente bilden ein zusam-

das extrudierte Hohlprofil gegossen wird.

hier manuell hergestellten Terracotta-

menhängendes rechteckiges Element, den

Während des Brennens schmilzt das Glas

elementen, im Kontext der Architektur

Brick („Mauerstein“) (10, 11). Während des

und bildet einen Verbund mit dem Keramik-

mittels großformatiger Installationen und

Fertigungsprozesses wird ein Tonbatzen

material. Durch einen kompatiblen Ausdeh-

Gebäudeapplikationen aus. Die temporäre

extrudiert, getrocknet und schrühgebrannt.

nungskoeffizienten verhält sich das Ele-

Installation besteht aus einer Serie ext-

Der gebrannte Ton wird nachfolgend mit

ment letztlich wie ein zusammenhängendes

rudierter Formteile (1). Wie schon u. a. am

einer Nasssäge in kürzere Teile festgelegter

Hybridbauteil.

Saragossa-Pavillon (siehe Kapitel 10) ge-

Länge zugeschnitten, welche dann einzeln

zeigt, ermöglicht das Extrusionsverfahren

glasiert werden (5). Wie bei den meisten

folgt ähnlichen Prozessparametern wie im

die Herstellung individualisierter Bauteile

extrudierten Keramikelementen weist der

industriellen Maßstab, so dass eine erwei-

mit durchlaufendem Querschnitt. Während

Kosemo Brick einen Hohlquerschnitt auf. Im

terte Anwendung der Techniken dieses Pro-

die Einzelanfertigung einer Matrize für

Gegensatz zu vielen vorgehängten Elemen-

jekts in einem größeren Maßstab durchaus

industrielle Fertigung zu Kosten von rund

ten für Anwendungen in der Architektur sind

denkbar ist (6). Der strategische Einsatz

2.000–10.000 USD führt, entstanden hier

seine Bestandteile jedoch mit einem zwei-

individualisierter Keramikelemente führt zu

nur niedrige Rüstkosten für die Herstellung

ten Material – Glas – kombiniert, um einen

architektonischen Möglichkeiten, die über

einer architektonischen Fassadeninstalla-

Wetterschutz zu gewährleisten.

die mit herkömmlichen Sonnenschutzlamel-

tion in den Abmessungen 2.390 × 2.590 × 140 mm (2, 3, 4).

Der umschlossene Block entsteht während eines zusätzlichen Brennvorgangs,

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Das manuelle Extrusionsverfahren

len erzielbaren Lösungen weit hinausgehen (7, 8, 9).

2 – Die zusammengefügten Bauteile.

3 – Extrusionsmatrizen werden mit vorhandenen Werkzeugen aus üblichen Materialien hergestellt. 4 – Herstellung der endgültigen Form.

5 – Nach dem Brennen werden die extrudierten Elemente mit der Nasssäge auf Länge geschnitten. 6 – Während des Einbaus.

163

7 – Wand nach Einbau.

8 – Ansicht von außen mit Lichtwirkung der gegossenen Glasfritte in den extrudierten Elementen.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

9 – Materialwirkung der fertigen Wand.

10 – Zeichnung der verschränkten Einzelelemente, die das Baumodul bilden.

11 – Wanddetail nach Einbau.

165

SYSTEMVARIATION

ENTWURF: Sauerbruch Hutton FERTIGSTELLUNG: 2013 KERAMIKHERSTELLER: NBK Architectural

BEHÖRDE FÜR STADTENTWICKLUNG UND UMWELT HAMBURG, DEUTSCHLAND

Terracotta KERAMISCHE BAUTEILE: extrudierte Terracottaelemente in unterschiedlichen Längen, in einer Reihe von Farben endbehandelt

1 – Lageplan.

2 – Luftaufnahme.

Dieses Projekt der Berliner Architekten

einen konkaven und konvexen Gebäudever-

Elemente sind hohl und bestehen aus zwei

Sauerbruch Hutton veranschaulicht die In-

lauf aufnehmen (8, 13, 14). Sonderbauteile

Schichten von je 10 mm und einem Luftzwi-

dividualisierung der Elementform beim Ex-

werden zu einer zweiten Fertigungsanlage

schenraum von ebenfalls 10 mm. In regel-

trusionsverfahren (1). Die Fassade aus 27.000

transportiert und dort manuell in einseitige

mäßigen Abständen sind Streben angeord-

Keramikelementen ist exemplarisch für die

Gipsformen abgeformt. Dabei liegen die

net, die den Bereich zwischen den beiden

Form- und Farbanpassung in der Produktion

Teile mit der endbehandelten Oberfläche an

Schichten stabilisieren. In das Hohlprofil

mittlerer bis hoher Stückzahlen (2, 3).

der Oberfläche der Form an, so dass eine

können bei Bedarf Bewehrungsstäbe ein-

Der Extrusionsprozess in Kombination

eventuell durch die Krümmung verursachte

gefügt werden. Jedes Element ist für sich

mit individueller Formanpassung ermög-

Materialverformung per Hand beseitigt wer-

genommen selbsttragend und lässt sich

lichte die Herstellung einer Anzahl von

den kann, ohne dass hierunter die sichtbare

ohne Beeinträchtigung des Gesamtsystems

objektspezifischen Querschnitten. Auch

Seite des Elements leidet. Dieser sekundäre

abnehmen und austauschen (9).

wenn extrudierte Fassadensysteme in vor-

Formgebungsprozess sichert die Einhaltung

ab definierten Formen verfügbar sind, wird

der Toleranzen des Gesamt-Bausystems,

den sind auf die Installation mit Hilfe der

häufig – wie bei den Systemen von NBK –

mit gewissen Schwankungen ist aber den-

NBK-Unterkonstruktion ausgerichtet (11).

eine objektspezifische Extrusionsmatrize

noch zu rechnen. Da die nachgelagerten

Im hier beschriebenen Projekt verfügt das

hergestellt. Die Vorlaufzeit für die Formen

manuellen Arbeitsschritte die Elementkos-

extrudierte Element über einen nicht sicht-

liegt bei etwa sechs Wochen. Da die Formen

ten wesentlich erhöhen, werden gewölbte

baren Kanal, so dass es eine Reihe von Ver-

so dimensioniert werden, dass das von der

Bauteile ausschließlich für exponierte Berei-

ankerungen aufnehmen kann, die in die Un-

Tonmasse abhängige Schwinden ausge-

che vorgegeben, in denen die Krümmung des

terkonstruktion am Gebäude integriert sind

glichen wird, sind alle Projektparameter

Gebäudes so stark ist, dass flache Bauteile

(12). Überlappungen der Elemente verbergen

bereits vor der Fertigung der Ausrüstung zu

nicht in Frage kommen. Vor dem Aufbrin-

die Verankerungen. In einigen Fällen dient

definieren.

gen der Glasur werden alle Elemente auf

ein stranggepresstes Bauteil aus Aluminium

ihre endgültige Länge zugeschnitten; dies

der Verstärkung des Keramik-Hohlprofils,

Ton über große Extruderschnecken durch

geschieht üblicherweise nach dem Schrühb-

insbesondere bei der Überbrückung von

die Matrize auf ein spezielles Förderband

rand mit einer CNC-gesteuerten Nasssäge,

Öffnungen oder einer Nahtstelle ohne Ab-

gepresst, das als Schutz für die Unterseite

so dass auch nach dem Schwinden enge

stützung (10). Das Fassadensystem besteht

des Elements dient und damit die Oberflä-

Toleranzen gewährleistet sind (4).

aus 2.044 Fertigelementen einschließlich

Während des Extrusionsvorgangs wird

chenkonsistenz gewährleistet (siehe nähere

Zur Sicherung der Konsistenz und Ho-

Alle von NBK hergestellten Fassa-

der Gebäudeumhüllung, der Fenster und

Ausführungen in Kapitel 4). Sekundäre Form-

mogenität des Erscheinungsbilds wird die

einbaufertigen Beschlägen für die Montage;

gebungsprozesse ermöglichen die Erfüllung

Glasur allseitig aufgebracht – auch an den

in der Regel werden die Keramikelemente

spezieller architektonischer Anforderungen,

Kanten, die ansonsten oft keiner Endbe-

vor der Installation am Gebäude auf den

darunter Ecklösungen und Elemente, die

handlung unterzogen werden. Die einzelnen

montierten Elementen angebracht (5, 6, 7).

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

3 – Mit seiner Fassadengestalt fügt sich das Gebäude gut in sein Umfeld ein.

4 – Eine Nasssäge dient dem Zuschnitt der extrudierten Elemente vor dem Glasieren. 5 – Keramikelemente werden auf der Baustelle für die Montage gestapelt. 6 – Vorgefertigte Fassadenelemente beim Heben in ihre Einbaulage.

7 – Mit minimalem Personalaufwand werden die Fassadenbauteile am Gebäude befestigt.

167

8 – Ausschnitt der fertigen Fassade mit regelmäßiger Krümmung.

9 – Nicht sichtbare Verbindung, die eine Abnahme einzelner Elemente ohne Beeinträchtigung der benachbarten Bauteile ermöglicht.

10 – Durch die eingebaute Bewehrung können die Keramikelemente Leerstellen in der Fassade überbrücken.

11 – Eingearbeitete Kanäle nehmen standardisierte Beschläge auf.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

12 – Schnittdetail mit Varianten der extrudierten Elemente.

13 – Fortlaufend gekrümmte horizontale Keramikelemente nehmen den dynamischen Fassadenverlauf auf.

14 – Ausschnitt mit gekrümmten Fassadenelementen.

169

DIGITALE REKONSTRUKTION REKONSTRUKTION DER KUPPELN DES ALBERTA LEGISLATURE BUILDING EDMONTON, ALBERTA, KANADA

ENTWURF: Allan Merrick Jeffers (Originalgebäude) KERAMIK- UND FASSADENBERATUNG: Building Science Engineering Ltd. FERTIGSTELLUNG: 2014 KERAMIKHERSTELLER: Gibbs and Canning (Originalgebäude); Boston Valley Terra Cotta (neue Elemente) KERAMISCHE BAUTEILE: extrudierte, gegossene und handgefertigte Terracottaelemente; ein typisches Randelement ist 600 × 305 × 535 mm groß; Quaderelemente weisen bei einer Höhe von 305 mm eine Tiefe von 50 oder 150 mm auf

1 – Zur computergestützten Modellierung der komplexen Elemente dienten erfasste 3D-Daten.

Terracottabekleidungen waren vom ausge-

Dauerhaftigkeit und Wasserdichtigkeit zu

Nach der Größenanpassung zur Berücksich-

henden 19. bis in das frühe 20. Jahrhundert

gewährleisten (7).

tigung des Schwindens des Tons um 8 %

weit verbreitet. Diese Fassaden erfordern

Boston Valley Terra Cotta (BVTC), einer

konnten die Flächendaten zur Planung von

vielfach eine grundlegende Instandsetzung

der beiden letzten Hersteller von Fassaden-

Werkzeugbahnen der CNC-Fräsmaschine

oder auch einen vollständigen Austausch.

elementen aus Terracotta in Nordamerika,

für die Herstellung der Formen und Muster

Ein digitaler Entwurfsprozess kann das

wurde mit der Reproduktion der mehr als

verwendet werden (3). Lediglich Schmuck-

bewährte Vorgehen vom analogen Entwurf

18.000 Fassadenelemente beauftragt.

elemente von besonderer Bedeutung wur-

zur Produktion unterstützen und beschleu-

Das neue Kuppeldach besteht aus einer

den manuell hergestellt – ähnlich der Fer-

nigen (1, 2).

135 mm dicken Spritzbetonschicht, die von

tigung im England des Jahres 1912 (4). Die

gekrümmten Stahlbauteilen getragen wird.

Tonzusammensetzung wurde so angepasst,

über zwei mit Terracotta verkleidete Kup-

Zur Montage der neuen Terracottafassade

dass auch im rauen Klima von Edmonton ein

peln. Das Material sollte der Optik des für

wurden Edelstahlanker eingebracht und eine

optimaler Frostwiderstand gegeben war.

die Obergeschosse verwendeten Sand-

38 mm starke, aufgesprühte Dämmung und

steins entsprechen. Die größere der beiden

Imprägnierung angebracht. Die eigens gefer-

tage an einem Muster in realer Größe unter

Kuppeln ist 54 m hoch, was eine minutiöse

tigten Stahlanker tragen das Eigengewicht

Einsatz einer Unterkonstruktion aus Holz

Baustellenvorbereitung erforderte (6).

der Verkleidung und sorgen für den richtigen

zur Prüfung der Passung, Farbpalette und

Bei einer ersten Instandsetzung 1987 waren

Abstand zwischen den Terracottaelementen

Fertigungstoleranzen, insbesondere der

das Aufwölben der Verkleidungselemente

und der darunterliegenden Dichtebene und

farblichen Übereinstimmung mit dem origi-

von der Stahlkonstruktion beseitigt und

tragenden Schicht. Dehnfugen erlauben eine

nalen Sandstein. Die Montage erfolgte auf

Stahlanker mit Epoxidkleber an den Rück-

differenzielle Verformung der Verkleidung

Grundlage detaillierter Verlegezeichnungen

seiten der Terracottaelemente befestigt

und der konstruktiven Bauteile.

mit Bezugspunkten und Angaben zu den

Das 1912 errichtete Gebäude verfügt

worden. Zusammen mit einer Abdichtung

Die Form eines Achtels der großen Kup-

BVTC plante im Werk eine Probemon-

Bauteilpositionen.

gegen eindringendes Wasser sorgten diese

pel wurde mit einem 3D-Laser erfasst,

Maßnahmen für eine Stabilisierung der

um daraus die vorhandene Gesamtgeomet-

die Möglichkeiten digitaler Arbeitsabläufe

Keramikverkleidung. Im Jahr 2012 begann

rie und Flächendaten für die einzelnen Ele-

bei der Unterstützung der oft mit großen

der Eigentümer mit umfassenderen Rekon-

mente abzuleiten. Die einzelnen Elemente

Herausforderungen verbundenen origi-

struktionsmaßnahmen und dem Austausch

wurden mit Hilfe der Software Rhinoceros

nalgetreuen Erhaltung von Terracotta-

der originalen Terracottaelemente gegen

modelliert. Eine Fugenbreite von 10 mm

Architektur. Einige Prozessschritte lassen

Nachbildungen; das Flächentragwerk der

gewährleistete eine gute Passung des

sich digitalisieren, jedoch beruht nach

größeren Kuppel wurde wiederhergestellt,

Gesamtsystems. Mit den digitalen Bauteil-

wie vor ein Großteil des Ablaufs, darunter

die Abdichtung ausgebessert und ein hin-

dateien erfolgte eine virtuelle Montage in

die eigentliche Abformung der Elemente,

terlüfteter Zwischenraum eingebaut, um

einem Gesamt-Digitalmodell der Kuppel.

auf handwerklicher Fertigung (5).

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Diese Rekonstruktion verdeutlicht

3 – Für die Herstellung der Formen kam eine CNC-Maschine mit 5 Arbeitsachsen zum Einsatz.

2 – Alberta Legislature Building nach abgeschlossener Rekonstruktion.

4 – Elemente mit großer dekorativer Wirkung wurden manuell gefertigt. Die verwendeten Formen wurden mit Hilfe computergestützter Technologien hergestellt.

6 – Große Kuppel während der Rekonstruktion.

7 – Installation von neuen Terracottaelementen mit Luftschicht und zusätzlicher konstruktiver Verstärkung.

5 – Abgeschlossene Rekonstruktion der Kuppel.

171

WINKELVARIATION

ENTWURF: Barkow Leibinger Architekten FERTIGSTELLUNG: 2008 KERAMIKHERSTELLER: NBK Architectural

TRUMPF BETRIEBSRESTAURANT DITZINGEN, DEUTSCHLAND

Terracotta KERAMISCHE BAUTEILE: im Feuchtpressverfahren hergestellte Terracottaelemente, 350 mm in der Diagonalen und 15–45 mm tief

2 – Detailansicht mit Anordnung der beiden Elementtypen.

3 – Detail des Werksprototypen mit Anordnung der konvexen und konkaven Elemente.

1 – Detailzeichnung der beiden Elementtypen.

Der auf dem Trumpf-Industriecampus

Die Keramikelemente wurden im

Elemente eingearbeiteten umlaufenden

errichtete Pavillon dient als Cafeteria für

Feuchtpressverfahren hergestellt (7, 8), die

Fugen zur Aufnahme überschüssiger Glasur

700 Personen und als Veranstaltungssaal

optische Differenzierung erfolgt durch ei-

wurden in enger Zusammenarbeit mit dem

mit 800 Plätzen; er bildet ein prominentes

nen veränderlichen Farbton der Glasur (3, 9).

Keramikhersteller entwickelt.

Gegenstück zur architektonischen Typo-

Die Module fügen sich jeweils in eine quad-

logie der umliegenden Industriebauten.

ratische Fläche mit einer Kantenlänge von

befestigungen auf die Elementrückseiten

Im Außenbereich wurden Aluminium-

Das Gebäude wird wesentlich von seiner

350 mm ein; ihre Tiefe variiert zwischen 15

aufgeklebt und mit Schrauben mit dem

„schwebenden“ wabenartigen Dachkon-

und 45 mm, so dass ein Hochrelief entsteht.

Untergrund verbunden. Dieses Vorgehen

struktion bestimmt, die sich über dem

Insgesamt wurden 12.000 Elemente herge-

ermöglichte eine trockene Verlegung.

stützenfreien Geschoss erstreckt. Die ge-

stellt, davon 5.000 für den Außen- und

Im Innenbereich sind die Elemente auf

schlossenen Abschnitte der ansonsten ver-

7.000 für den Innenbereich (5). Die außen

den Untergrund aufgeklebt und die

glasten Fassade sind mit individualisierten

angebrachten Elemente dienen als Vorhang-

Zwischenräume zur Herstellung einer dich-

Hochrelief-Keramikelementen verkleidet (4),

fassade, die Elemente in den Innenräumen

ten Oberfläche mit Mörtel verfugt.

die im Inneren auch die Trennwand zwischen

wurden direkt auf den Untergrund aufge-

Haupthalle und Küchenbereich bekleidet,

klebt (6). Die Keramikbauteile verfügen über

kelemente verleiht dem vorwiegend aus gro-

hier jedoch in einer anderen Farbpalette ih-

eine abgewinkelte Facettierung, die je nach

ßen ebenen Flächen bestehenden Interieur

rer Glasur, die sich in regelmäßiger Wieder-

Lichteinfall changiert. So entsteht eine

eine zusätzliche strukturelle Vielfalt (5).

holung im gesamten Gebäude wiederfindet.

dynamische Oberfläche, die man ansonsten

Die Keramikelemente dienen zur Identifizie-

nicht mit einer Keramikbekleidung verbin-

rung von funktionalen Bereichen im Zusam-

mikelementform bilden gemeinsam ein

den würde (10, 11). Die Facetten-Schnitt-

menklang mit der komplexen Dachkonstruk-

dreidimensionales Flächenmuster, dessen

punkte sind abgerundet, um die mit schar-

tion. Die ansonsten ebenen Innenwände und

optische Komplexität durch eine gezielte

fen Kanten verbundenen Spannungen zu

Außenfassaden werden damit um eine visu-

Farbgebung noch erhöht wird (1, 2).

reduzieren. Weitere Details wie die in die

ell wie strukturell komplexe Ebene ergänzt.

Eine konkave und eine konvexe Kera-

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Der Einsatz individualisierter Kerami-

4 – Das Betriebsrestaurant.

173

5 – Innenraum mit keramikverkleideter Wand und wabenförmigem Dachsystem.

6 – Während der Einbauphase.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

7 – Ein Tonstrang wird für den Pressvorgang vorbereitet. 8 – Eine zweiseitige Form dient zur Herstellung der einzelnen Elemente.

9 – Die strategische Anordnung farbiger Glasuren markiert Wechsel im Raumprogramm.

10 – Ansicht der Keramik-Vorhangfassade.

11 – Die Modulation konkaver und konvexer Elemente erzeugt zusätzliche Oberflächentiefe.

175

DEFINIERTE RAUTEN

ENTWURF: Pol Femenias FERTIGSTELLUNG: 2013 KERAMIKHERSTELLER: Ceràmica Cumella KERAMISCHE BAUTEILE: 14.256 extrudierte und glasierte Steinzeugelemente, bis zu

UMGESTALTUNG LA RIERA DE LA SALUT SANT FELIU DE LLOBREGAT, SPANIEN

0

m

m

20

0

m m

20

20

200 × 200 × 200 mm groß

20

134 mm

90,00°

45,00° 135,00°

134 mm

20 0

m

m

45,00° 135,00°

20 0

m

m

1 – Ansicht der drei unterschiedlichen Keramikelemente.

2 – Zeichnung der Elementanordnung.

In einem Arbeiterviertel – einem der am

ver Rhombus (1). Die Elemente wurden mit

einzigen Brennvorgang gefertigt, jedoch bei

dichtesten bebauten Gebiete von Sant

einer Wandstärke von 20 mm extrudiert und

einer im Vergleich zum üblichen Prozess

Feliu de Llobregat – gelegen, dient eine

mit einem Draht zugeschnitten (4).

höheren Temperatur von 1.240 °C (5).

Wand zur Abtrennung zwischen Park und

Mit acht Farbtönen sowie einer matten

Die montierten Bauteile sind weitge-

privaten Höfen von Häusern, die in der Um-

und einer glänzenden Glasur ergaben sich

hend selbsttragend – lediglich Stahlstäbe

gebung einer nunmehr abgerissenen Tex-

16 Oberflächenvarianten, wobei die Würfel

von 4 mm Durchmesser verbinden sie im

tilfabrik errichtet wurden (3). Als Reminis-

je nach Drehung offen oder geschlossen

Inneren (6). Mit aus der Umgebung entliehe-

zenz an das industrielle Erbe wurde für das

erscheinen (2). Die beiden Rhombentypen

nen Farbtönen fügt sich die Wand auf natür-

Projekt Keramik gewählt. Mit der niedrigst-

sind identisch in der Form und schaffen

liche Weise in ihr Umfeld ein (7, 8, 9, 10, 11,

möglichen Zahl an Elementen wurden über

Variation je nach Orientierung. Insgesamt

12). Aus nur zwei Elementtypen, drei Extru-

die Länge von 150 m die unterschiedlichen

wurden von Ceràmica Cumella 4.752 Würfel

sionsmatrizen und acht Farben entsteht ein

Höhen der Querwände und die wechselnden

(2.671 mit der geschlossenen und 2.081 mit

Objekt, das einen wesentlich komplexeren

topografischen Verhältnisse aufgenommen.

der offenen Seite angeordnet), 5.243 mas-

und individuelleren Eindruck vermittelt.

Für die Gitterwand wurden drei Bauteile

sive und 4.261 offene Rhomben produziert,

entwickelt: ein 200 × 200 × 200 mm mes-

die zusammen die Wandfläche von 420 m²

sender Würfel, ein hohler sowie ein massi-

bilden. Die Elemente wurden in einem

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

3 – Luftaufnahme der Keramikwand, die als Abtrennung der privaten Höfe vom öffentlichen Raum dient.

4 – Die Profile werden unmittelbar nach der Extrusion auf Länge geschnitten. 5 – Gestapelte Keramikelemente vor dem Brennen im Werk von Ceràmica Cumella.

6 – Zum Montageprozess gehört die Einbringung von regelmäßigen Bewehrungen.

7 – Typischer Abschnitt der Gesamtanordnung.

177

8 – Veränderliche Wandhöhen folgen dem Verlauf der Silhouette der benachbarten Gebäude.

9 – Unterschiedliche Ausrichtung der Elemente schafft zusätzliche optische Komplexität.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

10 – Farbvarianten steigern die Komplexität des Systems ohne zusätzliche Individualisierung der Form.

11 – Die Wand verläuft über eine Länge von 150 m entlang des Fußwegs.

12 – Die Keramikwand trennt den öffentlichen vom privaten Bereich und fügt sich dabei in die umgebende Architektur ein.

179

FERTIGUNG GESCHICHTETER STRUKTUREN

ENTWURF: Campos Costa Arquitectos FERTIGSTELLUNG: 2012 KERAMIKHERSTELLER: Ceràmica Cumella KERAMISCHE BAUTEILE: extrudierte, feuchtgepresste und gestanzte Steinzeugelemente

ERWEITERUNG DES OCEANÁRIO LISSABON, PORTUGAL

1 – Fassadenabwicklung der Südseite.

Eine erwünschte standardisierte Anmutung

prinzipien entstanden in enger Zusammen-

Schließlich wurden die in relativ kleiner Zahl

kann unter Umständen mehrere Individuali-

arbeit mit Ceràmica Cumella.

benötigten Eckelemente gepresst und per

sierungsschritte erfordern. Das 1998 errich-

Die Fassadenelemente wurden über-

tete Meeresaquarium wurde mit einem 2008

wiegend im Extrusionsverfahren hergestellt,

beauftragten und 2012 fertiggestellten Bau

mit einer speziellen Stanze in die Muschel-

auf die komplex geformten Elemente aufge-

erweitert, der ein unregelmäßiges Prisma

form zugeschnitten und nachfolgend in ihre

tragen. Der Brennvorgang und die Herstel-

auf sieben Pylonen bildet und mit mehr

endgültige Form gepresst (3, 4). Ziel der

lung der Glasur sind heute so präzise ge-

als 5.000 individuellen Keramikelementen

gemeinsamen Elemententwicklung war es,

steuert und homogen, dass Glasuren in zehn

verkleidet ist (1, 2).

bei hinterlüfteten Fassaden übliche Aufhän-

abgestuften Weißtönen ausgewählt werden

Ein repetitives Muschelmuster ruft

gungssysteme verwenden zu können (10).

konnten, um Farbvariationen zu erzielen (7).

Assoziationen von Fischschuppen oder sich

Die transparenten Sonnenschutzelemente

Je nach Tageszeit und Lichteinfall (9, 12, 13)

kräuselnden Meereswellen hervor, wie man

wurden extrudiert und im Slumping-Ver-

zeigt sich am Gebäude nun ein Welleneffekt

sie mit dem Aquarium verbindet, und ver-

fahren in ihre endgültige gekrümmte Form

in zarten Grün- und Gelbtönen (14).

weist damit auch auf die lange Tradition von

gebracht. Sie sind über Schrauben an der

Keramikfassaden in Lissabon. Im zweiten

innenliegenden Tragkonstruktion aus Stahl

Prozesses des Prototypenbaus in Zusam-

Obergeschoss geht das Erscheinungsbild

befestigt (11), was eine Bewegung der Ele-

menarbeit mit Ceràmica Cumella wurde von

von einer hinterlüfteten Fassade zu einem

mente je nach Grad der unterschiedlichen

tragenden Keramikelementen abgesehen

offenen Sonnenschutzschirm über, in-

thermischen Ausdehnung der Keramik

und stattdessen die hinterlüftete Fassade

spiriert von den Verschattungselementen

und des Stahls zulässt. Die opaken Ver-

und das Verschattungssystem realisiert.

islamischer Bauten in Nordafrika. Beide

schattungselemente, die einen Übergang

Das Büro Campos Costa machte die Erfah-

Systeme tragen zur Regulierung des Ge-

zwischen den beiden Systemen herstellen,

rung, dass nur in wenigen Industriebran-

bäudeklimas bei. Die Bauteile der hinterlüf-

bestehen aus zwei individuellen Formen (8).

chen die Bereitschaft für eine so enge Zu-

teten Fassaden, der Ecklösungen und der

Auch sie wurden extrudiert, ausgestanzt

sammenarbeit besteht, wie sie hier auf dem

transparenten und lichtundurchlässigen

und gepresst. Die Öffnungen zur Aufnahme

Gebiet der Keramik praktiziert worden ist.

Verschattungselemente mit ihren jeweils

des Befestigungssystems wurden manuell

unterschiedlichen Formen und Montage-

mit speziellen Lehren eingebracht.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Hand nachbearbeitet (5, 6). Die Glasur wurde im Airbrush-Verfahren

Im Ergebnis eines zeitaufwändigen

208

50

2 – Blick von innen durch die Fassade.

416

50

19

195

257

50

64 516

8 – Darstellung der beiden Hauptfassadenelemente. 3 – Ton wird vor der Formgebung extrudiert und ausgestanzt. 4 – Einzelnes Tonelement nach dem Pressvorgang. 5 – Eckelemente bestehen aus zwei Teilen, die im Werk per Hand zusammengefügt werden.

6 – Zur Gewährleistung der Formtreue verbleiben Sonderbauteile während der Trocknung auf einer Stützform. 7 – Die Modifikation des Glasurfarbtons erinnert an bei der handwerklichen Herstellung auftretende Abweichungen.

181

39

9 – Der fertiggestellte Erweiterungsbau erscheint als homogener Baukörper.

10 – Prototyp des standardisierten Beschlags für die Installation.

11 – Schnitt des typischen Fassadenaufbaus.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

12 – Der Erweiterungsbau.

13 – Manuell gefertigte Eckdetails ermöglichen eine kontinuierliche Fortführung zwischen den Fassadenseiten.

14 – Das Farbenspiel der Fassade ändert sich je nach Lichteinfall.

183

DISKRETISIERUNG VON VERBUNDFLÄCHEN

ENTWURF: Bierman Henket architecten FERTIGSTELLUNG: 2013 KERAMIKHERSTELLER: Royal Tichelaar Makkum KERAMISCHE BAUTEILE: im Feuchtpressverfahren hergestellte Terracottaelemente, 100 und 200 mm Kantenlänge im Quadrat, Glasur mit Farbverläufen

ERWEITERUNG MUSEUM DE FUNDATIE ZWOLLE, OVERIJSSEL, NIEDERLANDE

1 – Ansichtszeichnung einer typischen Anordnung der modularen Elemente.

2 – Einbau der Keramikelemente über einer Dichtungsbahn.

Das im Jahr 1841 errichtete Gerichtsgebäu-

„niedrige“ Seite auf, was bei einer Rotation

in Richtung Mitte eine Zufallskombination

de wurde 2005 in ein Museum umgewan-

um 90° zu einer Differenzierung führt

von kleinen und großen, gegeneinander

delt, nachdem es zuvor von 1977 bis in die

(1, 2). Für die 1.340 m² große elliptische

verdrehten Elementen mit einem Fugen-

frühen 1990er Jahre von der Planungsbe-

Fläche wurden zwei unterschiedliche, nach

abstand von etwa 5–10 mm auslegt wur-

hörde der Provinz genutzt worden war.

dem Zufallsprinzip angeordnete Elemente

den (8).

Mit der jüngsten Modernisierung und Er-

mit Kantenlängen von 20 bzw. 10 cm ver-

weiterung kam eine charakteristische gro-

wendet. Parallel verlaufende horizontale

und Asymmetrie konnte mit nur zwei indivi-

ße elliptische „Wolke“ hinzu, die über dem

Bänder waren wegen der Geometrie ausge-

duell gefertigten Elementtypen eine verän-

neoklassizistischen Bau aufsteigt. Der Er-

schlossen, entsprechende Abweichungen

derliche dreidimensionale Fläche erzeugt

weiterungsbau umfasst zwei Ausstellungs-

wurden durch Anpassung der Abstände

werden, die wegen des zufälligen Charak-

räume und bietet durch ein großes Fenster

zwischen den Elementen aufgenommen.

ters des Verlegeprozesses mit hoher Wahr-

eine einmalige Aussicht auf die Stadt (3).

Die Flächenaufteilung setzte am horizon-

scheinlichkeit keine sich wiederholenden

talen Meridian an, von dem aus vier kon-

Felder aufweist. Die Regelmäßigkeit der

Terracottaelementen verkleidet, die von

vergierende Quadranten gebildet wurden,

Grundgeometrie im Zusammenspiel mit

Royal Tichelaar Makkum, einem Hersteller

welche weiter in sechs horizontale Bänder

dem einheitlichen Verlegeschema er-

von Keramikelementen nach historischem

gegliedert sind (4, 5). Die Quadranten sind

möglichte es, die komplexe geometrische

Vorbild, gefertigt wurden. Die Glasur der

jeweils vertikal entlang des Meridians in

Fläche zu verkleiden, ohne dass hierfür die

Elemente zeigt einen blau-weißen Farb-

neun identische Abschnitte aufgeteilt.

Position jedes einzelnen Elements ange-

verlauf, passt sich damit visuell dem

Diese geometrische Gliederung ermöglicht

geben werden musste. Das Ergebnis setzt

Himmel an und erzeugt eine leicht changie-

eine relativ konsistente Verteilung der

die exzentrische Geometrie in Dialog mit

rende Oberfläche. Jedes der quadratischen

Keramikelemente; die Felder wurden nach

der Dachlandschaft der Umgebung und

Elemente zeigt nur in einer Richtung eine

einer Reihe von Faustregeln aufgefüllt

lässt sie vor dem Himmel zuweilen fast

Symmetrie und weist eine „hohe“ und eine

(7), indem ausgehend vom Randbereich

verschwinden (6, 9, 10).

Die „Wolke“ ist mit 55.000 gepressten

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

Durch die Verbindung von Modularität

3 – Schauseite des Museums aus Richtung der benachbarten Geschäfte.

4 – Vorderansicht mit verglaster Öffnung.

5 – Schnitt mit Darstellung der Beziehung zwischen Erweiterungsbau und Bestandsgebäude.

185

6 – Blick über den Kanal auf das Museumsgebäude.

7 – Einbau unter Berücksichtigung der Wechselbeziehungen der Teile und weiterer Parameter, die für eine natürliche Varianz im System sorgen.

8 – Geringfügige Variationen in den Abständen erlauben es den orthogonalen Elementen, der Krümmung zu folgen.

STRATEGIEN ZUR INDIVIDUALISIERUNG DER FORM

9 – Luftaufnahme kurz vor der Fertigstellung.

10 – Mit den Farbverläufen in der Glasur ähnelt sich der Erweiterungsbau dem Himmel an und belässt zugleich dem historischen Gebäude dessen Identität.

187

KAPITEL 12

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

Die Forschungs- und Entwurfstätigkeit im Bereich der Keramiksysteme stößt in immer neue Bereiche vor. Zwar liegt das Hauptinnovationsfeld der Keramikindustrie nach wie vor in der Entwicklung neuer Glasur- und Oberflächentechnologien, doch entwickeln Architekten, Produktdesigner, Innenarchitekten und Künstler parallel dazu innovative Formen und Verfahren zur Umsetzung neuer Ideen. Zudem hat die wissenschaftliche Forschung zur Konzeptualisierung neuer Anwendungs- und Innovationspotenziale bei Keramiksystemen geführt. Neu aufkommende Verfahren der Montage, Elementanordnung und digitalen Fertigung stellen die Dominanz der allgegenwärtigen Keramikfliese in Frage. Keramische Werkstoffe bieten das Potenzial für die Herstellung einer großen Vielfalt von Formen in unterschiedlichsten Bearbeitungsprozessen, die sich die Vorteile einer Reihe von Materialeigenschaften zunutze machen. Digitale und robotergestützte Fertigungsverfahren beeinflussen sowohl die handwerkliche Herstellung als auch die Produktion großer Stückzahlen. Mit ihnen werden neue Ideen in Bezug auf das computergestützte Entwerfen und die materielle Umsetzung erprobt (1). Die Keramikindustrie hat das Potenzial erkannt, das neu aufkommende Entwurfs- und Fertigungstechnologien aus einer neuen Perspektive auf keramische Werkstoffe für Modelle der Zusammenarbeit mit Forschern und Technologen bieten. Aus der Kooperation zwischen Industrie und Forschung sind neue Konzepte für die Keramik und ihre Anwendung in der Architektur hervorgegangen. Laufende Projekte an Hochschulen untersuchen die Schnittstelle zwischen innovativen Technologien und keramischen Materialsystemen. Die internationalen Vernetzungen der Industrie mit Entwurfs- und Forschungseinrichtungen lassen auf eine große Zukunft von Keramikanwendungen in der Architektur hoffen. Aus der Entwicklung marktfähiger Innovationen werden sich wiederum neue Chancen und Möglichkeiten für Entwurf und Planung ergeben.

1 – Gezielt angepasste automatisierte Prozesse bieten neues Potenzial für die Umsetzung innovativer Entwurfsideen.

Dieses Kapitel stellt eine Auswahl laufender Projekte und Studien vor, die an der Schwelle zur Machbarkeit stehen. Dabei wird Bezug genommen auf die Anwendungsmöglichkeiten sowie sinnvolle und tragfähige Forschungsschwerpunkte mit besonderer Relevanz für die Anwendung neuer Technologien und Systeme in Gebäuden. Viele der hier vorgestellten Fallstudien befinden sich noch in der Entwicklungsphase, jedoch haben die entsprechenden Systeme einen Reifegrad erreicht, der die realistische Prognose erlaubt, dass eine baupraktische Umsetzung zumindest technisch machbar ist. Aus innovativen Technologien entwickeln viele der Projekte und Studien neue Perspektiven für Konzepte zur Individualisierung von Keramikerzeugnissen in kleinen Stückzahlen. Alle Fallbeispiele untersuchen Entwurfsideen, Intentionen und Ausdrucksformen, die sich auf in Entstehung begriffene Verfahren und Materialien stützen und auf einem über Jahrhunderte entstandenen kollektiven Erfahrungsschatz mit keramischen Materialsystemen aufbauen.

189

ROBOTERVERLEGTE FLIESENMOSAIKEN

ENTWURF: M. Bechthold, N. King, P. Michalatos, A. Kane und A. Lee STATUS: laufende Forschungsstudie SPONSOR: ASCER Tile of Spain

DESIGN ROBOTICS GROUP AN DER GRADUATE SCHOOL OF DESIGN DER HARVARD UNIVERSITY

1 – Screenshot des auf der Software Rhinoceros basierenden integrierten Ablaufs vom Entwurf bis zur Produktion.

Die manuelle Verlegung komplexer Fliesen-

Mörtels. Bei Verwendung eines dunkleren

mosaiken ist in den Industriestaaten kaum

Mörtels und kleinerer Fliesen entstehen

Roboter im Werk stattfindet, umfasst

mehr wirtschaftlich durchführbar. Im hier

beispielsweise ein dichteres Fugenbild und

die Studie auch die Gliederung größerer

beschriebenen Projekt wird ein integrier-

ein insgesamt dunklerer Farbton (4).

Fliesenflächen in Tafeln, die im Werk her-

ter Ablauf vom Entwurf bis zur Produktion

In der Softwarekomponente können

Falls die Fliesenverlegung durch den

gestellt und manuell auf der Baustelle

entwickelt, indem eine Roboter-Arbeits-

Anwender Bilder hochladen, die nachfol-

eingebaut werden können (2). Die Verfugung

station eine hocheffiziente Fliesenverlegung

gend auf Grundlage von Farbtonwerten und

erfolgt nach der Installation aller vorge-

in wiedererkennbarem Muster erstellt (1).

ausgehend von den vom Anwender vorgege-

fliesten Tafeln (3). Mögliche Erweiterungen

Diese Studie unterscheidet sich von den

benen Fliesen diskretisiert werden.

umfassen die Verwendung von Fliesen in

zuvor dargestellten kommerziellen Ansät-

Die grafische Benutzeroberfläche ermög-

mehreren Farben, eine stochastische Be-

zen (siehe Kapitel 9) dahingehend, dass

licht die Prüfung und einfache Nachbearbei-

rechnung des Musters in Echtzeit sowie die

Fliesen in unterschiedlichen Abmessungen

tung und Änderung des Bilds. Ist ein zufrie-

Verlegung von Fliesen auf gekrümmten und

entsprechend den Angaben des Nutzers

denstellendes Ergebnis erzielt, dann dient

komplexen Oberflächen mit unregelmäßigen

verwendet werden können. Das Mosaikbild

dieselbe Software zur Erzeugung des Codes

Randverläufen.

entsteht durch unterschiedliche Farbtö-

für die Steuerung eines Industrieroboters

ne und Helligkeiten der Fliesen und des

mit sechs Arbeitsachsen (5).

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

2 – Verformungsanalysen der im Werk gefertigten Mosaiktafeln sorgen dafür, dass alle Module während des Einbaus auf der Baustelle intakt bleiben.

4 – Modulare Variationen ermöglichen eine wechselnde Dichte des Fugenbilds.

5 – Robotergestützte Fliesenverlegung mit pneumatischem Sauggreifer.

3 – Unter Einsatz eines Roboters gefertigter Mosaik-Prototyp.

191

INTEGRIERTES DESIGN-TO-ROBOTIC ÖKOSYSTEM

ENTWICKLUNG: M. Bechthold, N. King, A. Kane, J. Lavallee und andere STATUS: laufende Forschungsstudie SPONSOR: ASCER Tile of Spain UNTERSTÜTZT VON: Ceramic Program Office for the Arts, Harvard University

DESIGN ROBOTICS GROUP AN DER GRADUATE SCHOOL OF DESIGN DER HARVARD UNIVERSITY

Fertigung

Entwurf

Prozess

Tool Parameter

Formoptimierung

Ausführungsplanung

Dateivorbereitung

Verschattungsentwurf und Formermittlung

Unterteilung und Verdickung

Ausrichtung und Positionierung

Roboterbetätigte Formeinrichtung

Rhinoscript

Dornform Rhinoscript

- gewünschte Verschattung - Mindestbreite

Ergebnis

Grasshopper

Grasshopper - Position

- Länge - Dicke - Befestigungsverfahren

Optimale Verschattungsflächen

Validierung mittels DIVA-Software

- Skalierung

Produktion

- Lage

- Formabmessungen

- Rotation

- Dornhöhe

Einzelkomponenten

Optimale Platzierung

Roboterbewegung Individuelle Form

Nachbearbeitung Materialauftrag

Extrusionsdüse Grasshopper Script - vertikaler Versatz - Verschiebung

Roboterbewegung Gedruckte Komponente

Korrektur

Fräskopf Grasshopper Script - vertikaler Versatz - Verschiebung

Roboterbewegung Gefräste Komponente

Feedback Entwurf Feedback Fertigung

1 – Ablauf vom Entwurf bis zur robotergestützten Fertigung.

Diese Studie umfasst einen integrierten

der robotergestützten Fertigungsumge­

Position befindlichen Dorne, so dass die

Ansatz vom Entwurf bis zur Produktion von

bung ist modular aufgebaut und besteht

daraus entstehende Oberfläche das Ge­

individualisierten außenliegenden Son­

aus einer variablen Form, in der das ex­

wicht der feuchten Tonmasse aufnehmen

nenschutzlamellen. Das System erlaubt

trudierte Keramikelement entsteht. Die

kann. Die relative Steifigkeit des feuchten

eine Optimierung des Energieverbrauchs

Forscher entwickelten hierfür eigens ein

Tons unterstützt den allmählichen Über­

unter Erhaltung der gewünschten Sicht­

robotergestütztes 3D­System zum Tonauf­

gang zwischen den Positionen der Dorne,

beziehungen. Der Schwerpunkt liegt auf

trag, das feuchte Tonwülste gleichmäßig auf

so dass auf dem Endprodukt keine durch

der Massenindividualisierung der Lamellen

der Oberfläche der flexiblen Form verteilt.

die Dorne verursachten Einkerbungen

als solche. Ausgangspunkt ist die Annahme

Bei einem Einsatz im typischen industriel­

sichtbar sind. Ein noch ausgereifteres

eines sehr individuellen architektonischen

len Fertigungskontext ließe sich der letzt­

System würde die Möglichkeit bieten, die

Entwurfs. Fassaden mit unterschiedlichen

genannte Schritt ersetzen durch die Auf­

feuchte Tonmasse direkt über der Form in

Ausrichtungen in Bezug auf den Sonnenlauf

bringung flacher oder hohler extrudierter

der benötigten Breite zu extrudieren und

und eventuellen Neigungen erfordern einen

Elemente auf die variable Form unmittelbar

so noch schneller individualisierte Lamel­

hohen Anpassungsgrad der Verschattungs­

nach dem Extrusionsvorgang, also in ihrem

len herzustellen (3). Da mit diesem System

muster (1).

feuchten, noch flexiblen Zustand.

zusätzliche Kosten für die Fertigung von

Die eigens entwickelte Software dient

Der Formprototyp besteht aus einer

Elementen, die sich von Serie zu Serie

zudem der Vorbereitung für die roboter­

Reihe höhenverstellbarer, durch den Ro­

unterscheiden, vermieden werden können,

gestützte Fertigung, indem je nach kon­

boter platzierter Dorne. Zur Herstellung

entstehen daraus völlig neue Möglichkei­

struktiven und baulichen Vorgaben eine

einer kontinuierlichen Oberfläche dient eine

ten für Fassadensysteme aus Keramik (4).

höhere Dicke oder größere Segmentlänge

Interpolationsfläche (2). Der eigens ent­

Auch andere Keramikelemente lassen sich

der Lamellen gewählt wird. Das System

wickelte Mechanismus fixiert alle in ihrer

auf diese Weise herstellen.

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

2 – Die robotergestützt konfigurierte variable Oberfläche der Form wird für die Herstellung individualisierter Lamellen in ihre Position bewegt.

3 – Der prototypische Prozess umfasst eine automatisierte, robotergestützte Extrusion des Materials zur Herstellung der einzelnen individualisierten Keramikelemente.

4 – Abschnitt des Fassadenprototyps im realen Maßstab mit Abfolgen individualisierter Keramikbauteile.

193

THERMISCH AKTIVIERTE GEBÄUDEHÜLLE THE CENTER FOR ARCHITECTURE, SCIENCE AND ECOLOGY, RENSSELAER POLYTECHNIC INSTITUTE UND SKIDMORE, OWINGS & MERRILL (SOM)

DESIGNER: Jason Oliver Vollen RA, Associate Director, und Kelly Winn STATUS: laufende Forschungsstudie UNTERSTÜTZT DURCH: Forschungsstipendium AIA Upjohn, Nexus-NY, Dr. Shay Harrison und Tegula Tile

1 – Rendering eines repräsentativen Elements mit thermisch aktivierter Oberfläche und eingebautem Kühlkreis.

Am Center for Architecture, Science and

Farbgebung auf einer vertikalen Oberfläche

Ecology arbeiten Forscher am Entwurf des

zu erhöhen. Die Gesamtform der Keramik

Prototyps einer konsistenten Systemlö-

ist für eine maximale Eigenverschattung

sung für eine Gebäudehülle aus Keramik,

ausgelegt, gewährleistet jedoch auch

die sich den relativ einfachen Prozess des

hohe Sonneneinstrahlungswerte in den am

Entwurfs und der Fertigung individualisier-

höchsten gelegenen Teilen der Oberfläche.

ter Keramikelemente zunutze macht. Im

Die Geometrie ist an die jeweiligen Stand-

Rahmen des Hochleistungs-Mauerwerks-

ortverhältnisse anzupassen (4).

systems (High-performance Masonry Sys-

Für einen Einsatz in ariden Klimazonen

tem, HpMS) wurde ein Bauteil entwickelt,

mit erheblichen Schwankungen der

das eine Eigenverschattung der Fassade

Tagestemperaturen kann die eigentliche

aufgrund der Gesamtform und kleiner Ober-

Speichermasse des Bausystems durch

flächenvertiefungen ermöglicht (1).

die Integration von Phasenwechselmate-

In Simulationen wurde nachgewiesen,

rialien (PCM) erhöht werden (2). Bei ent-

dass eine Oberfläche mit Muldenstruktur

sprechender Anpassung an die jeweiligen

zur Steigerung der solaren Gesamtgewin-

klimatischen Bedingungen wird mit dieser

ne auf einer Kollektorfläche dienen kann,

Konstruktion eine Verschiebung der Tem-

da sich die Bandbreite möglicher Winkel

peraturerhöhung während der Tageszeit

erhöht, in denen die Sonneneinstrahlung

erreicht, indem die Solarenergie in den

direkt auftrifft (3). Der kleintechnische

PCM gespeichert wird. Ein integrierter

Versuch ergab, dass die Verbindung dieser

Flüssigkeitskühlkreislauf lässt sich für die

Struktur mit einer Einfärbung eine wirksame

Übertragung der so gewonnenen Wärme-

Maßnahme darstellt, um die Wärmegewinne

energie auf einen Wärmeaustauscher für die

im Sommer durch Eigenverschattung zu

Kühlung oder Speicherung in den Nacht-

reduzieren und im Winter durch eine dunkle

stunden nutzen.

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

2 – Im Gussverfahren hergestellte Prototypen von Fassadenelementen.

3 – In-situ-Rendering der thermisch aktivierten Gebäudehülle.

4 – Rendering-Detail der thermisch aktivierten Gebäudehülle.

195

KERAMIK-BETONVERBUNDSCHALE

DESIGNER: M. Bechthold, F. Raspall, Q. Su, M. Imbern, S. Andreani, A. Lee, K. Hinz und andere (Harvard GSD); A. Trummer (TU Graz) STATUS: laufende Forschungsstudie SPONSOR: ASCER Tile of Spain

MATERIAL PROCESSES AND SYSTEMS GROUP AN DER HARVARD UNIVERSITY UND DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT GRAZ

1 – Computergestützter statischer Nachweis des Prototyps der Schalenkonstruktion.

2 – Rendering der für die Entwicklung des ersten Prototypen vorgelegten Konzeptstudie.

Die tragende Verwendung von Keramik

Verdrehung des Gitters und bilden eine

durch die Anordnung der Keramikelemente

fand ihren Höhepunkt in den Arbeiten von

dichte, wasserabweisende Oberfläche (2).

gebildeten Kanäle gegossen. Durch Spalte

Rafael Guastavino und Eladio Dieste, hat

Die Abmessungen der Keramikbauteile

können Fertigungstoleranzen aufgenommen

sich seither jedoch kaum weiterentwickelt.

richten sich nach den Beschränkungen in

und geringfügige Abweichungen zwischen

Forscher an der Harvard University und der

der Fertigung, die sich aus dem Feucht-

der rein mathematischen Addition der Ele-

Technischen Universität Graz haben nun ein

press- oder Schlickergießverfahren erge-

mente und der Gesamt-Flächengeometrie

System für die Verwendung dreidimensional

ben. Beide Prozesse sind aufgrund ihrer

kompensiert werden.

geformter Keramikelemente im Verbund

niedrigen Rüstkosten für die Herstellung

mit Ultrahochleistungs-Faserbeton (UHFB)

kleinerer Stückzahlen von einigen Hundert

systemkompatiblen Elastomerband oder

für die Errichtung biegesteifer Tragschalen

Erzeugnissen geeignet (4). Ausgehend von

durch Betonage des UHFB in flexible, der

erarbeitet (1). Dabei stellen die Keramik-

einigen wenigen Grundannahmen lassen

Kanalform folgende Auskleidungsfolien

elemente die Schalung für zwei senkrecht

sich individuelle Elemente entwickeln,

abgedichtet. Eckanschlüsse aus Metall

zueinander angeordnete Betonrippen dar.

aus denen eine breite Palette an Gesamtfor-

sorgen für eine zuverlässige Verbindung der

Nach der Betonage der Rippen aus UHFB

men für die Schalenkonstruktion entsteht.

senkrechten Betonkanäle und der Kera-

sind alle Keramikelemente in eine biege-

Das Forscherteam entwickelte ein beson-

mikelemente an der Oberfläche und dabei

steife Flächenkonstruktion eingebunden,

deres Keramikelement, das eine Reihe von

gleichzeitig für eine ausreichende Schub-

die aus extrem steifen, dünnen Betonrippen

nicht abwickelbaren, größeren Flächen

tragfähigkeit. Das Hybridsystem aus Beton

und den zugehörigen, darauf angeordne-

bildet, die hyperbolischen Paraboloiden

und Keramik lässt sich für die Herstellung

ten Keramikbauteilen besteht; Letztere

ähneln, jedoch nur eine einzige Regelge-

einer breiten Palette ästhetisch anspre-

stabilisieren die Rippen, verhindern eine

rade aufweisen (5). Der UHFB wird in die

chender konstruktiver Formen einsetzen (3).

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

Die Spalte werden entweder mit einem

3 – System aus Keramikbauteilen auf der Messe CEVISAMA 2014 im spanischen Valencia.

5 – Installation des fertigen Systemprototypen.

4 – Im Schlickergießverfahren hergestellter Prototyp eines Keramikelements.

197

FOTOSENSITIVE BLUEWAREFLIESEN

DESIGNER: Tim Simpson und Sarah van Gameren STATUS: laufendes Forschungsvorhaben

STUDIO GLITHERO

1 – Von Glithero entworfenes System für die gleichmäßige Belichtung doppelt gekrümmter Flächen, z. B. von Vasen.

2 – Die Belichtungsmuster entstehen durch Licht, das durch zwischen zwei Glasscheiben gepresste Pflanzen hindurchscheint.

3 – Das Ergebnis erinnert an die von der Botanikerin Anna Atkins hergestellten Cyanotypien von Algen- und Pflanzenproben.

Gegründet im Jahr 2008, versucht das

lassen, führte ein erfolgreicher Versuch mit

Anordnungen von Pflanzen hergestellt, die

Designstudio Glithero in seinen Arbeiten

Gips zur Keramik; hier stieß das Atelier auf

zwischen Glasscheiben gepresst waren.

„die in einem Augenblick der Transformation

die ästhetische Parallele des berühmten

Diese wurden nachfolgend umgedreht,

liegende Vollkommenheit und Schönheit“

Delfter Blau. Die Herstellung von Cyano-

um spiegelverkehrte Muster zu erzeugen (2,

einzufangen. Für die Blueware-Kollektion

typien erfordert eine poröse Oberfläche,

3, 4). Dies Verfahren wurde auch auf Vasen

ließen Glithero sich von der Arbeit der eng-

weshalb glasierte Keramik oder Porzellan

angewandt und dafür ein besonderer Pro-

lischen Botanikerin Anna Atkins inspirie-

ungeeignet sind. Daher verwendete das

zess zur Steuerung der Belichtung der drei-

ren – eine der ersten Fotografinnen, die zur

Team unglasiertes Steingut (5). Keramik

dimensionalen Oberfläche entwickelt (1).

Dokumentation von Proben das Verfahren

kann jedoch chemische Substanzen bis

der Cyanotypie nutzte. Bei diesem Vorgang

weit in seine komplexe Porenstruktur hinein

wicklung, Lichtintensität, Feuchtigkeit oder

reagiert eine lichtempfindliche Lösung aus

aufnehmen und sie nachfolgend langsam

hohe mechanische Belastungen mit sich

Ammoniumeisencitrat und Kaliumferrocya-

freisetzen, was den Blaudruck im Lauf der

bringen, sind Cyanotypien nicht geeignet,

nid bei UV-Einstrahlung und bildet einen

Zeit zerstört. Der in mehr als einem Jahr

so dass Blueware-Objekte bisher vorwie-

cyanblauen Farbton. Das entstehende

entwickelte Beitrag von Glithero bestand in

gend als dekorative Elemente zur Innen-

Fotogramm überträgt die Konturen eines

einem Verfahren für das Trocknen und Ab-

raumgestaltung dienen. Im Lauf weiterer

Gegenstands direkt auf die fotosensitive

waschen der lichtempfindlichen Lösung von

Forschungen entwickelten Glithero 2013 die

Oberfläche. Cyanotypien wurden in Archi-

der Keramik.

Silverware. Die Designer gehen davon aus,

tektur und Technik vielfach zur Herstellung der originalen „Blaupausen“ eingesetzt. Bei der Suche nach weiteren Materialien, mit denen sich Blaudrucke herstellen

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

Bei der Fertigung großer Wandbilder

Für Anwendungen, die hohe Wärmeent-

dass sich das Verfahren nach einer Verbes-

aus Keramikfliesen wurden traditionel-

serung der Dauerhaftigkeit der Behandlung

le Techniken zur Herstellung der Muster

für eine breitere Palette von Anwendungen

verwendet: Die Aufnahmen wurden aus

in der Architektur nutzen lässt.

4 – Spiegelverkehrte Muster entstehen durch Umdrehen der Glasscheiben und Wiederholung des Vorgangs auf neuen, unbedruckten Fliesen.

5 – Der Blaudruck wird auf unglasierte Keramik aufgebracht.

199

SCHAUMKERAMIK

DESIGNER: Marjan van Aubel STATUS: laufende Forschungsstudie

EUROPEAN CERAMIC WORK CENTER JORIS LAARMAN STUDIO BV

1 – Auswahl von Schaumkeramik-Materialproben.

Die Herstellung einer Schaumstruktur mit

Marjan van Aubel ist eine niederländische

bei dem ein stabiler Schaumstoff entsteht,

dem Ziel, festen Werkstoffen neue Eigen-

Designerin mit einem Faible für die Wissen-

der sich im Vergleich zur festen Masse auf

schaften zu verleihen, findet breite Anwen-

schaft und einem familiären Hintergrund

etwa 300 % ausdehnt. Seine Dichte liegt

dung bei vielen Polymeren, Metallen und

im Bereich der Chemie. Während ihres Auf-

bei 300–400 kg/m2, also deutlich unter der

anderen Materialien. Trotz der Tatsache,

enthalts am European Ceramic Work Center

von Festkeramik (2). Die Struktur des Ma-

dass es auf dem Gebiet der technischen

entwickelte sie ein Verfahren zur Herstel-

terials besteht aus wärmedämmenden und

Keramik zu einer regen Forschungs- und

lung von Schäumen aus einer Mischung

wasserabweisenden, geschlossenzelligen

Entwicklungstätigkeit zur Herstellung von

von 5–25 % Kaolinit, 10–30 % Alkalimetall-

Poren (3). Eine Glasur steigert die Belast-

Schaumkeramik gekommen ist und An-

salzen und/oder Erdalkalisalzen, 40–75 %

barkeit und Festigkeit der Schaumstoffe.

wendungen wie Keramikfilter heute weit

Fritte sowie weiteren Ausgangsstoffen. Auf

Van Aubel realisierte erste Anwendungen

verbreitet sind, verzeichnete man bei aus

eine Trocknungsphase bei niedrigen Tempe-

für Möbel und Geschirr, jedoch ist auch die

Ton hergestellten Werkstoffen bei dersel-

raturen folgt der Brennvorgang im Ofen bei

Entwicklung von Bauprodukten und anderen

ben Fragestellung kaum Fortschritte (1).

Temperaturen zwischen 800 und 1.200 °C,

Objekten möglich (4, 5).

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

2 – Detail der Probe des geschäumten Materials mit sichtbaren Zelleigenschaften und Transluzenz.

3 – Schaumporzellan dient zur Herstellung eines funktionalen transluzenten Gefäßes.

4, 5 – Schaumporzellan für die Herstellung einer großformatigen Keramikskulptur.

201

ADDITIVE KERAMIKSYSTEME 1 – Roboter-Arbeitsstation mit sechs Achsen zur Herstellung von Prototypen großformatiger Flechtwerk-Fassadenelemente aus Keramik.

2 – Gedrucktes Fassadenelement zur Erzeugung spezieller Lichteffekte über eine kontrollierte Veränderung der Dichte (entwickelt von den Studierenden O. Mesa, H. Kim und J. Friedman an der Harvard GSD).

Von den additiven Fertigungstechnologien

zur Herstellung von Prototypen bis hin zu

begann mit einem Keramik-Druckverfah-

(AFT), die vor allem unter dem Begriff des

sehr großen Ausführungen beispielsweise für

ren. Dabei wurde im Vergleich zu ähnlichen

3D-Drucks gefasst werden, werden heute

die Herstellung von Gußmodellen in Gießerei-

Verfahren der Materialextrusion eine relativ

einige wenige, relativ weit entwickelte Pro-

en. Der Z-Printer, ein recht weit verbreitetes

hohe Oberflächenqualität erzielt. Weitere

zesse für die Fertigung von Funktionsbautei-

Binder-Jet-System für den Prototypenbau,

entwickelte Verfahren bedienen sich der

len oder Werkzeugen eingesetzt, darunter in

wird von der Firma 3D Systems/Z-Corp an-

automatischen Aufbringung von extrudiertem

der Medizintechnik und Luft- und Raumfahrt.

geboten. Mehrere andere Materialanbieter

Material. Mehrere Designer haben modifizier-

Ihre Potenziale entsprechen aktuellen Trends

haben Nachrüstsätze entwickelt, mit denen

te oder gezielt angepasste Desktop-Drucker

in Architektur und Produktdesign: zuneh-

sich das System für den Druck alternativer

entwickelt, mit denen sich Tonmassen und

mende Komplexität auf geometrischer wie

Materialien wie beispielsweise Keramik-

Tonschlämmen schichtweise zur Herstel-

funktionaler Ebene sowie Nachfrage nach

pulver ausstatten lässt. Der Entwurf einer

lung von gedruckten Keramikelementen

Individualisierung. Insbesondere keramische

vom Designer Jonathan Grinham konzipierten

verarbeiten lassen (5). So nutzt der Künstler

Materialien bieten hierfür eine Reihe von

Vase erfolgte mit Hilfe der Rhino-Plattform

Olivier van Herpt einen eigens konzipierten

Möglichkeiten.

für die Modellierung. Hergestellt wurde sie

Delta-Roboter für den Druck ausgefeilter,

von Shapeways, einem Unternehmen für den

funktionaler Keramikobjekte (6).

Von den zahlreichen AFT-Verfahren eignen sich einige Prozesse für aus Ton

webbasierten Auftragsdruck, das Einzeldru-

hergestellte Keramik. Insbesondere das

cke mit unterschiedlichen Materialien und

der Arbeitsgruppe Design Robotics an der

Binder-Jetting-Verfahren wurde bereits zu

unter Anwendung einer Reihe von AFT-Pro-

Harvard University entwickelten Prototypen

einer gewissen Marktreife entwickelt.

zessen anbietet (3, 4). Bei der Konzeption

der Sonnenschutzlamellen (1) beruhen we-

Bei diesem Vorgang erfolgt die kontrol-

von Keramikteilen für den 3D-Druck im

sentlich auf der Technologie des roboterge-

lierte Aufbringung eines flüssigen Binde-

Binder-Jetting-Verfahren sind besondere

stützten Materialauftrags. Als Erweiterung

mittels oder anderen Materials auf eine

Parameter zu berücksichtigen, darunter die

dieser Technologien wird im Y-förmigen

Pulverschicht, die in einer kontrollierten

minimale und maximale Wandstärke, die Be-

Druckprozess ein von einem Roboter (oder

Dicke auf eine Grundplatte aufgebracht

schränkung der Gesamt-Dickenschwankung,

auf andere Weise) gesteuertes Extrusions-

wird. Damit lassen sich schichtweise Ob-

das Bauvolumen und die Teileabmessungen,

system für den Druck von „Flechtwerk“-

jekte drucken, die nachfolgend feste Teile

die Gesamtdicke von Material und Glasur

Fassadensystemen im architektonischen

bilden. Das Verfahren entstand aus der

sowie die Strukturgröße. Das Binder-Jet-

Maßstab genutzt (2).

Entwicklung der Technologie des 2D-Tin-

ting-Verfahren ein am Markt verfügbarer

tenstrahldrucks und führte zur Prägung des

AFT-Prozess für Keramik. Kosten, Vorlauf-

Graduate School of Design entwickelten

Begriffs des 3D-Drucks, der heute in Bezug

zeiten und Prozessparameter hängen vom

Verfahren sollen Beschränkungen der An-

auf alle AFT-Prozesse verwendet wird. In

konkreten Projekt ab.

wendung gedruckter Keramikelemente in der

üblichen Anlagen für das Binder-Jetting

Im Kontext der Keramik wurden zudem

Die in diesem Kapitel vorgestellten, von

Mit diesem an der Harvard University

Architektur überwunden werden. Hierfür wird

wird das Bindemittel über herkömmliche

weitere AFT-Verfahren untersucht, insbe-

das herkömmliche schichtweise Vorgehen

Inkjet-Druckköpfe eingesprüht, die sich auf

sondere die automatische Materialextrusion.

durch einen Schichtenversatz umgangen.

einem zweiachsigen Portalsystem über die

Diese sind jedoch noch nicht bis zur Mark-

Studierende an der Rhode Island School of

Druckkammer bewegen. Die Aufbauschicht

treife entwickelt. Die Entwicklung des Con-

Design haben diese Technik weiterentwickelt

verbleibt dabei auf derselben Höhe, alle

tour Crafting, eines von Behrokh Khoshnevis

und eine Reihe von Beispielfassaden ent-

Bewegungen auf der Z-Achse vollziehen sich

an der University of Southern California

worfen, bei denen Systemvariationen der

in der Kammer selbst. Die Palette der verfüg-

entwickelten Verfahrens, mit dem sich heute

Verbesserung der Umwelteigenschaften der

baren Systeme reicht von kleinen Maschinen

aus Beton ganze Gebäude drucken lassen,

Fassade dienen (7).

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

3, 4 – Im Binder-Jetting-Verfahren hergestellte, am Computer entworfene Vase (Design: Jonathan Grinham).

5 – Angepasstes, vom Künstler Olivier van Herpt konzipiertes System zum Materialauftrag mit einer Delta-Roboter-Plattform, die eine Keramikvase druckt.

6 – Nach hochgenauem Materialauftrag kann das automatisierte System komplexe Muster erzeugen.

7 – Der gedruckte Fassadenabschnitt steuert Lichteinfall und Blickbeziehungen über eine kontrollierte Variation der Öffnungen (entworfen von den Studierenden C. Wang, H. Cheng und A. Baquerizo an der Rhode Island School of Design).

203

AUTOMATISIERTE MATERIALBEARBEITUNG

1 – Robotergestütztes Profilwalzverfahren zur Bearbeitung von Ton, entwickelt von Studierenden an der Graduate School of Design der Harvard University, zur Herstellung individualisierter Keramikbekleidungssysteme.

2 – Auf der Smart Geometry Conference im Jahr 2011 als Teil des Clusters Ceramics 2.0 ausgestellter Prototyp eines Keramikelements, das in einem Formgebungsverfahren mit robotergesteuertem Drahtschneiden gefertigt wurde.

Industrieroboter sind erstaunlich flexible

fasst wird, entstand aus der Entwicklung

von Materialschwankungen und eine hohe

Systeme – unabhängig davon, ob sie einzeln

angepasster Endeffektoren oder roboter-

Präzision hinaus könnten Materialeffekte

oder in Gruppen an Arbeitsstationen zum

gesteuerter Werkzeuge; dabei werden

und automatisierte Werkzeuge und Aus-

Einsatz kommen. Stellten die Workflows

bestehende Prozesse nachgebildet, jedoch

rüstungen genutzt werden, um effiziente,

und Kosten der Programmierung zuvor

zusätzliche Freiheitsgrade ermöglicht, bei-

handwerklich anmutende, jedoch in auto-

Hindernisse dar, so haben Designer heute

spielsweise beim Inline-Zuschnitt von Re-

matischen Prozessen entstehende Erzeug-

alle Möglichkeiten, die Materialbearbeitung

gelflächengeometrien mit dem Drahtschnei-

nisse zu produzieren. Das in den Abbildun-

auch auf Prozessseite gezielt zu steuern.

der (2). Bei anderen Forschungsvorhaben

gen 1 und 4 gezeigte Beispiel entstand in

Die Hersteller kleiner Stückzahlen an

wurden variable Beispiele für den Zuschnitt

ersten Versuchen bei der Entwicklung von

Keramikerzeugnissen nutzen zwar überwie-

mit Hilfe von Klingen oder das Ausstanzen

im robotergestützten Profilwalzverfahren

gend noch keine Industrieroboter, die inten-

als Mechanismus für die Herstellung von

gefertigten Fassadenelementen durch Stu-

sive Designforschung macht jedoch künfti-

Gruppen ähnlicher Teile untersucht.

dierende an der Harvard University Gradua-

ge Möglichkeiten für die robotergestützte

Robotergestützte Formgebung wurde

Fertigung keramischer Bauteile absehbar.

für die Herstellung von Keramikelementen

In ersten Forschungsstudien wurden die

erprobt. Dabei wird eine Tonplatte oder

interventionen werden Werkzeuge und Aus-

technische Machbarkeit und das Potenzial

-kugel der Roboter-Arbeitsstation zugeführt

rüstungen angepasst. So stellt die variable

der automatisierten Materialbearbeitung

und über die automatische Steuerung von

Extrusion eine hochinteressante Option für

für den Entwurf im Kontext der Architektur-

angepassten Endeffektoren so bearbei-

die Herstellung individueller Geometrien

keramik nachgewiesen. Hier sind als Ver-

tet, dass die gewünschte Geometrie oder

dar – bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung

fahrensschritte vor allem die Formgebung

Wirkung entsteht. Die endgültige Form ist

der Effizienz im Fertigungsprozess.

und der Zuschnitt zu nennen (1).

das Ergebnis des Zusammenspiels des

Typischerweise wird im ersten Schritt

te School of Design (5). Auch mittels strategischer Prozess-

Wie bereits in Kapitel 4 ausgeführt,

Verhaltens des Tons mit dem automatischen

bildet im Extrusionsverfahren eine feste

mit unterschiedlichen Automatisierungs-

Werkzeug. Optische Sensortechnik und

Matrize den maßgeblichen Formgebungs-

graden von zuvor manuellen oder fest vor-

andere bereits vorhandene Echtzeit-Regel-

mechanismus. In einer ersten Forschungs-

gegebenen Arbeitsgängen experimentiert.

kreise lassen den Schluss zu, dass die robo-

studie wurde gezeigt, dass die variable Ex-

Der robotergestützte Zuschnitt, der weit-

tergestützte Materialbearbeitung zukünftig

trusion – zumindest teilweise – auch durch

gehend als strategische Intervention in

weitestgehend plan- und vorhersagbar

eine Variabilität dieser Matrize ermöglicht

den industriellen Extrusionsprozess aufge-

werden dürfte (4). Über eine Reduzierung

werden kann (3).

SYSTEME IN ENTWICKLUNG

3 a, b, c – Eine automatisierte variable Extrusionsform ermöglicht Oberflächenvariationen und sichert dabei konstante Wandstärken und Detailausbildungen (entwickelt von N. King, C. Yurkovich und D. Jimenez an der Harvard GSD).

4 a, b – Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat Felix Raspall in Echtzeit arbeitende Material-Regelkreissysteme für die robotergestützte Bearbeitung von Tonmaterialien entwickelt.

5 – Von den Studierenden S. Cooke, B. Shin, R. Kotelova und P. Sprowls an der Harvard GSD hergestellter Prototyp eines Fassadenelements, gefertigt in einem robotergestützten Profilwalzverfahren.

205

PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN

Der Hauptteil dieses Buchs konzentriert sich auf innovative Ansätze für den Einsatz von Keramik als einem zentralen Element architektonischer und innenarchitektonischer Projekte. Vielfach haben Architekten und Designer eng mit Herstellern zusammengearbeitet, um individuelle, optimal an die Anforderungen des Projekts und an seinen Kontext angepasste Systeme herzustellen. Innovationen im Bereich der Keramik sind jedoch nicht auf die Umsetzung von Projekten beschränkt: Viele Produktdesigner und Hersteller kooperieren bei der Entwicklung und Fertigung wegweisender neuer Produkte, Prozesse und Technologien, die am Markt verfügbar sind. Die Welt der Keramikerzeugnisse wird beständig größer: Von Fliesen in „Übergrößen“ bis hin zu Nanobeschichtungen von Oberflächen ist nahezu alles möglich. Die in diesem Abschnitt vorgestellten Produkte sollen gerade nicht weit verbreitete Keramikelemente thematisieren, da diese dem Designer bereits bekannt sein dürften. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf weniger bekannten Erzeugnissen und Anwendungsmöglichkeiten. Zudem gehen einige der hier beschriebenen Produkte bewusst über die traditionelle Wahrnehmung von Keramik als Verkleidung hinaus und erkunden zum Beispiel die Chancen für die Realisierung von Möbeln aus Keramik. Zahlreiche dargestellte Oberflächenbehandlungen lassen sich praktisch unbegrenzt individualisieren – sofern kreative Designer zu einer engen Zusammenarbeit mit Herstellern bereit sind. Das 12. Kapitel war der zukunftsgerichteten Forschung im Keramikbereich gewidmet. Hier werden hingegen Produkte und Technologien vorgestellt, die bereits jetzt verfügbar, dem Durchschnittsanwender jedoch vielleicht noch nicht vertraut sind. Die hier vorgestellten Produkte erheben keinen Anspruch auf eine vollständige Darstellung innovativer Lösungen aus Keramik – dies würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Stattdessen erfolgte ihre Auswahl mit dem Ziel, die große Bandbreite und Vielfalt an verfügbaren Produkten und Technologien abzubilden. Ebenso sind die Erzeugnisse und Hersteller nur beispielhaft genannt und repräsentieren nicht das gesamte Spektrum an Produkten eines bestimmten Typs oder alle ihre Hersteller. Die Autoren geben für die hier aufgeführten Erzeugnisse keine Empfehlungen ab; die Darstellung soll lediglich die dem Designer zur Verfügung stehenden Optionen veranschaulichen.

FERTIGUNGSANLAGEN FÜR GROSSFORMATIGE FLIESEN Hersteller: Sacmi Imola S.C.; System Ceramics Für herkömmliche, im Trockenpressverfahren hergestellte Fliesen ergeben sich Größenbeschränkungen aus dem Prozess des Pressens zur Entfernung eingeschlossener Luft, der jenseits bestimmter Größengrenzen unwirtschaftlich wird. In jüngster Zeit haben zwei Unternehmen spezielle Fertigungsanlagen entwickelt, mit denen sich diese Beschränkungen überwinden lassen. Bei einer dieser Anlagen tritt an die Stelle des Pressens in der Form die Verdichtung des trockenen Pulvers unter aufgelegten Gurtbändern. Die andere Anlagenausführung sieht als letzten Prozessschritt der Fertigung eine Nachverdichtung vor, wobei eine herkömmliche Formenpresse zum Einsatz kommt.

GROSSFORMATIGE FLIESEN: NEOLITH, TECHLAM, MAXIMUM TheSize: Neolith; Levantina: Techlam; Fiandre: Maximum Großformatige, 3–5 mm dicke Fliesen über 1.000 × 3.000 mm werden heute von mehreren Unternehmen angeboten. In einer Ausführung ist als Verstärkung eine Glasfaserschicht aufgeklebt, welche die Zugfestigkeit des Produkts erhöht. Die vom Unternehmen TheSize hergestellte Fliese Neolith ist in den Größen 3.600 × 1.200 mm und 3.200 × 1.500 mm und in Dicken von 3, 5, 6 und 12 mm verfügbar. Das für die Fertigung verwendete Material besteht ausschließlich aus Ton, Feldspat, Quarz und Mineraloxiden; die Fliese verfügt über eine erstaunlich hohe Biegefähigkeit. Diese Fliesen lassen sich rasch und mit einem Minimum an Stößen und Mörtelfugen verlegen. Mit ihrer Flexibilität und Festigkeit sind sie auch für kreativere Anwendungen, wie die in Kapitel 9 dargestellte Installation 3Dx1, gut geeignet.

207

HOCHFESTES PORZELLAN: WASCHTISCH AUS SAPHIRKERAMIK Hersteller: LAUFEN Bathrooms AG Designer: Toan Nguyen Das Design von Waschtischen zeigt die bei den unterschiedlichen Schlickergießverfahren bestehenden Grenzen und Möglichkeiten. Die Fertigung erfolgt üblicherweise in großen Stückzahlen, die dennoch einen gewissen Anteil an manuellen Arbeitsschritten erfordern. Die Herstellung größerer ebener Flächen gestaltet sich eher schwierig, und für gekrümmte Kantenverläufe sind Radien von mindestens 7–8 mm erforderlich. Die LAUFEN Bathrooms AG hat ein spezielles Schlickergießverfahren entwickelt, bei dem die Gießmasse unter hohem Druck in Kunststoffformen eingespritzt wird. Die Keramikelemente können statt nach einer Stunde bereits nach etwa zehn Minuten entnommen werden. Zudem entwickelte das Unternehmen ein neues Keramikmaterial, SaphirKeramik, das die typische Festigkeit von Keramik um den Faktor 2 bis 3 übertrifft und über eine durchschnittliche Biegefestigkeit von etwa 120 MPa verfügt. Die verbesserten mechanischen Eigenschaften ermöglichen schärfer ausgebildete Ecken mit Biegeradien von lediglich 1–2 mm, äußerst geringe Wanddicken und filigrane Ausführungen, für deren Herstellung ansonsten Glas oder Stahl erforderlich wäre.

BIOAKTIVE KERAMIK: BIONICTILE Hersteller: Ceracasa In den 1960er Jahren entdeckten Wissenschaftler die fotokatalytischen Eigenschaften von Titandioxid (TiO2), das bei Einwirkung von Wasser und UV-Strahlung in die Gasphase übergeht. Die damit verbundene oxidierende Wirkung zersetzt praktisch alle organischen Verbindungen. In den 1990er Jahren kombinierte man in den Laboren des weltweit größten Herstellers von Sanitärerzeugnissen, des japanischen Unternehmens TOTO Ltd., die TiO2-Beschichtung mit einer superhydrophilen Oberfläche und dem patentgeschützten HYDROTECT, einer selbstreinigenden Oberfläche, die durch die Einwirkung von Sonnenlicht und Regenwasser aktiviert wird. Dieser Prozess lässt sich auch auf Glas und damit auf glasierte Keramik anwenden. In jüngster Zeit wurden auch erfolgreiche Versuche mit unglasierter Keramik durchgeführt. Die Oberflächenanmutung wird dadurch nicht beeinträchtigt, weshalb diese Option für eine Reihe von Standardprodukten geeignet ist. BIONICTILE reagiert mit dem in der Atmosphäre vorhandenen Stickoxid, das beim Menschen Gesundheitsprobleme hervorruft und den sauren Regen verursacht, und wandelt es in Nitrate um. Laut Produktdarstellung reduzieren fotokatalytische Fliesen im Vergleich zu herkömmlichen Erzeugnissen das Potenzial für die fotochemische Ozonbildung um 19 %.

PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN

IM SLUMPING-VERFAHREN HERGESTELLTE FLIESE: UP Hersteller: Aparici Beim Produkt UP dient das in Kapitel 4 beschriebene Slumping-Verfahren zur Fertigung dreidimensionaler Fliesensysteme. Da die Erzeugnisse aus herkömmlichen, im Pressverfahren hergestellten Fliesen zugeschnitten und während des Slumping-Prozesses erneut gebrannt werden, sind sie Bestandteil aller vom Hersteller angebotenen Kollektionen mit Produkten aus Porzellan. Sie sind mikroversiegelt und frostbeständig und daher auch für den Außenbereich geeignet. UP besteht aus der konvexen „Up“- und der gegenläufigen „Down“-Komponente, jeweils etwa 40 mm tief. Durch den Versatz von Reihungen entstehen wellenartige Muster, durch die abwechselnde Anordnung von „Up“- und „Down“-Komponenten rechtwinklig zueinander Flechtmuster. Die Produkte sind in der Regel 880–1.180 mm lang und 50–220 mm breit. Glasuren und Oberflächenbehandlungen können dem Endprodukt eine Holz- oder Natursteinoptik verleihen.

IM SLUMPING-VERFAHREN HERGESTELLTE FLIESE: STAR Hersteller: Porcelanico Auch beim Produkt STAR kommt das Slumping-Verfahren zum Einsatz. Die gepressten Fliesen werden zur Herstellung ihrer endgültigen Form nachgebrannt. STAR ist inspiriert von den modularen Skulpturen des Künstlers Erwin Hauer. Die Fliesen sind 600 × 600 mm groß und versetzt angeordnet, um den Eindruck ineinander verschränkter Tafeln zu schaffen. Für dramatische Effekte und zur Betonung der Tiefe lassen sie sich mit einer Hinterleuchtung kombinieren. Die Paneele sind für Anwendungen im Innen- und Außenbereich geeignet.

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TRANSLUZENTES PORZELLAN: SLIMMKER-LIGHT Hersteller: Inalco Die von Inalco entwickelte Technologie SlimmKer-Light ist eine der ersten Lösungen für die Fertigung einer dünnen, lichtdurchlässigen Fliese aus einer extrem reinen, weißen Tonmasse in Verbindung mit Brenntechniken mit hohem Vitrifizierungsgrad. Das fertige Produkt kann „durchleuchtet“ werden und kommt am besten in Verbindung mit künstlichen Lichtquellen zur Geltung. Die Wirkung der Transluzenz wird noch verstärkt durch ein poliertes Reliefmuster, welches das Licht auf der Oberfläche unterschiedlich streut und so leicht voneinander abweichende Farbtöne erzeugt. Bei Verwendung einer farbigen Lichtquelle erscheint das weiße Grundmaterial „eingefärbt“.

MODULARER KERAMIKOFEN Hersteller: La Castellamonte Designer: Adriano Design Die Verbindung von kontrollierter Strahlungswärme und Konvektion ist auch weiterhin das maßgebliche Funktionsprinzip beim Einsatz von Keramiköfen. Viele Keramiköfen bestehen in ihrem Inneren aus Keramikelementen, um einen möglichst großen Anteil der vom Feuer abgestrahlten Wärme zu speichern, und geben diese Wärme allmählich über mehrere Stunden in einer Kombination aus Strahlung und Konvektion ab. Die Keramik-Außenhülle dient zur weiteren Steuerung der Wärmeverteilung und kann dieselbe Vielfalt an glasierten Oberflächen aufweisen wie herkömmliche Fliesen. In manchen Fällen lassen sich Öfen an Zentralheizungsanlagen anschließen, was eine genaue Abstimmung der Temperaturführung ermöglicht. Das hier dargestellte System ist modular aufgebaut, so dass der Anwender daraus Komponenten in unterschiedlichen Höhen und Formen konfigurieren kann. Die Fertigung erfolgt im Schlickergießverfahren mit einer Tonmasse mit einem besonders hohen Gehalt an Tonerde. Die Glasuren werden nach dem ersten Schrühbrand manuell aufgetragen.

PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN

BERLINER OFENKACHELN Designer: Daniel Becker An historischen Kachelöfen finden sich häufig dekorative Basrelief-Kacheln. Die relativ dicke äußere Keramikverkleidung dient zur Speicherung und Abgabe der Wärme. Daniel Becker hat eine moderne Ofenkachel entworfen, die auf eine in Deutschland weit verbreitete, meist in Blau- und Brauntönen hergestellte Ausführung verweist. Die Kachel vergrößert die Oberfläche und erinnert andeutungsweise an das Motiv einer Pixelierung und an dreidimensionale Bilder. Auch lässt sie sich auf einfache Weise mit flachen Ausführungen kombinieren, um auf ausgedehnteren Oberflächen Akzente zu setzen.

KERAMOS-SCHRÄNKE Hersteller: La Castellamonte und Adriano Design Keramiköfen kommen der Größe von Möbeln nahe. Der modulare Schrank setzt dieses Grundprinzip logisch fort, mit einer Außenschale aus Keramik. Dabei werden typischerweise jeweils zwei Keramikelemente über ein Nut-und-Feder-System aus Holzverbindern aneinander angeschlossen. Türen, Einlegeböden und Beine sind aus Holz. Das spielzeugartige Erscheinungsbild wird durch Glasuren in leuchtenden Farben noch verstärkt. Die Keramikschalen werden im Schlickergießverfahren hergestellt und sind ohne scharfe Kanten konzipiert. Damit verleihen sie dem Charakter des Gießvorgangs und der Materialität unmittelbar Ausdruck im Kontrast zur geradlinigen Form der Türen.

IM INKJET-DRUCK HERGESTELLTE FLIESEN: EMOTILE Hersteller: Ceracasa Die Ausweitung der Inkjet-Technologie auf die Keramikindustrie erforderte ein hohes Maß an Präzision: Datenbereitstellungs-, Druck-, Tintenzufuhr- und Fliesentransportsysteme waren genauestens aufeinander abzustimmen – mit dem Ziel ihrer „Zusammenführung in einer robusten, zuverlässigen und präzisen, für den kontinuierlichen Betrieb in einer Fertigungsumgebung für Keramikerzeugnisse geeigneten Maschine mit minimalem Instandhaltungsaufwand“.1 Eine weitere Herausforderung bestand in der Entwicklung geeigneter Glasuren. Die komplexen rheologischen Eigenschaften von Flüssigkeiten, darunter die Viskosität und Oberflächenspannung, haben großen Einfluss auf die Bildung der Tintentröpfchen. Bestimmte Glasuren sind daher nur in eingeschränktem Maß druckbar. Insbesondere

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farbige Glasuren bestehen in der Regel entweder aus fein gemahlenen Pigmenten oder löslichen Metallverbindungen, die während des Brennvorgangs miteinander reagieren. Beim Tintenstrahldruck können Feststoffpartikel zu Veränderungen der Viskosität der Flüssigkeit führen, Druckköpfe blockieren oder Ablagerungen verursachen. Nach der Überwindung dieser technischen Schwierigkeiten können Hersteller wie Ceracasa massenindividualisierte Erzeugnisse anbieten. Der Anwender stellt das Bild bereit, definiert die Gesamtdimensionen sowie die Größe der Fliesen, alles weitere übernimmt der Hersteller.

PHYSIKALISCHE GASPHASENABSCHEIDUNG (PVD): METALLBESCHICHTUNGEN Hersteller: Emozzioni by Titanium Im Bereich der Nanotechnologie wird bei der physikalischen Gasphasenabscheidung (PVD) ein Material in einer dünnen Schicht aufgedampft. Dieser Prozess hat eher physikalischen als chemischen Charakter und beruht auf der Hochtemperatur-Vakuumverdampfung oder einem Plasma-Sprühverfahren. Durch den Auftrag unterschiedlicher Metalle und Legierungen lassen sich u. a. genau abgestimmte Metallfarbtöne und -effekte erzielen, indem die Lichtreflexionseigenschaften der jeweiligen Auftragsschichten gezielt angepasst werden. Wie bei den bioaktiven Materialien lassen sich Titanbeschichtungen aufbringen, darüber hinaus Gold- und Platinbeschichtungen. Durch Auswahl der Beschichtungen nach dem Prinzip der sogenannten Dünnschichtinterferenz lässt sich ein changierender Effekt erzeugen. Die physikalische Gasphasenabscheidung war zuvor ausschließlich für Hightech-Produkte oder in der wissenschaftlichen Forschung eingesetzt worden, gewann in den vergangenen Jahren jedoch auch in anderen Bereichen der industriellen Fertigung an Bedeutung. Ihre Anwendung auf Keramik durch Hersteller wie Emozzioni stellt eine weitere neue Abwandlung dieser Technologie dar.

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LASERGRAVUR Hersteller: Pamesa Auch CNC-Laserschneidemaschinen wurden ursprünglich für einen anderen Zweck entwickelt. Für Keramikfliesen mit hohem Individualisierungsgrad ermöglicht die Lasergravur neue Arten der Ornamentierung. Hersteller wie Pamesa bieten dieses Verfahren als Zweitoption an. In einem der Prozesse dient die Wärme des Lasers zur Erzeugung von Mikrorissen, die die Oberfläche der Keramik im Mikrometerbereich abtragen. Bei Hochglanzglasuren wird durch diesen Materialabtrag die polierte Schicht entfernt, und es entstehen feine Muster aus polierten und matten Stellen. Für den Laser werden Bitmaps, also Punktfelder, verwendet, um die mustererzeugenden Gradienten über die Punktdichte zu steuern. In einem zweiten Verfahren nimmt der Laser Einschnitte in die Keramik vor. Die entstehenden linearen Muster werden durch Vektordateien gesteuert. Ein drittes Verfahren kombiniert herkömmliches Glasurmaterial mit thermischen Absorbern, mit dem Laser als Wärmequelle für die hochgenaue Steuerung des Schmelzvorgangs.

RECYCLINGFLIESEN Hersteller: Porcelanosa, Royal Mosa, Fireclay, Daltile, Terra Green Ceramics Bei der handwerklichen und industriellen Herstellung von Keramikfliesen können sämtliche in der Produktion entstehenden Abfälle auf einfache Weise wiederverwertet werden. Viele Hersteller werben damit, ihre Abfälle aus der Produktion zu recyceln, ohne jedoch zu erwähnen, dass der Abfallanteil durch moderne Fertigungsausrüstungen ohnehin bereits so weit wie möglich reduziert wurde. Einige größere Hersteller sammeln sämtliche Produktionsabfälle auf hocheffiziente Weise und bereiten sie für einen neuen Fertigungszyklus auf. Porcelanosa bietet beispielsweise eine Porzellanfliese mit 95 % Recyclinganteil aus der Produktion an. Royal Mosa stellt Cradle-to-Cradle-zertifizierte Fliesen mit 21–45 % Recyclinganteil aus der Fertigung her. Dagegen ist die Wiederverwertung von Abfällen aus bereits verbauter Keramik weniger verbreitet. Vor dem Recycling sind sämtliche Anhaftungen von Mörtel und Kleber zu entfernen – ein kaum wirtschaftlich durchzuführender Prozessschritt. Dagegen ergibt sich für WC-Becken und andere Sanitärkeramikerzeugnisse eine höhere Sortenreinheit. Heute bieten mehrere Fliesenhersteller Keramikfliesen mit einem hohen Recyclinganteil aus nach ihrer Nutzungsdauer wiederverwerteter Keramik an. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen Fireclay stellt Fliesen mit 70 % Recyclinganteil her. Daltile bietet Keramikfliesen mit 10 % Recyclinganteil aus der Produktion und 30 % von nach der Nutzung wiederverwerteter Keramik an. Im Sortiment von Terra Green Ceramics findet sich eine Fliese aus neu gewonnenem Ton und 55 % Recyclingglas. VORMONTIERTE SYSTEME: FLEXBRICK Entwickler: Piera Ecocerámica, Cerámica Malpesa und Dr. Vicente Sarrablo Das Bausystem Flexbrick besteht aus einem Drahtgeflecht mit mechanisch mittels Haken befestigten extrudierten Keramikelementen. Die vorgefertigten Teile werden mit der Tragkonstruktion des Gebäudes verbunden. Das extrudierte Hohlprofil-Grundelement des

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Systems ist 243 × 97 mm groß und 30 mm dick. Sein Profil verfügt an der Seite über einen gefasten Kanal, der ein einfaches Eindrücken der Fliese in das flexible Stahlgeflecht ermöglicht. Nicht mit Fliesen belegte Module des Drahtgeflechts vermitteln die Wirkung einer durchbrochenen Vorhangwand. Die Elemente werden in der Regel vertikal als Fassadenbauteile abgehängt, lassen sich jedoch auch auf Dächern und anderen Flächen installieren. Ausführungen mit höherer Belastbarkeit sind auch für Anwendungen auf Böden geeignet.

VERBUNDSYSTEM AUS KERAMIK UND BETON: TERRACLAD Hersteller: Boston Valley Terra Cotta und andere Hersteller Als Alternative zur Aufklebung oder mechanischen Verbindung bietet sich die Einbettung spezieller Fliesenformen in Beton während der Betonage an. Das System TerraClad besteht aus eigens profilierten, für Betonfertigteiltafeln und andere Elemente konzipierten Keramikfliesen in Abmessungen bis zu 1.524 × 610 mm und in einer Dicke von 30 mm. Ein Schwalbenschwanzprofil auf der Rückseite soll einen dauerhaften Verbund mit dem Beton herstellen. Zur Ausbildung von Fensterbänken und anderen Details werden die flachen Profile durch extrudierte Hohlprofile ergänzt.

KERAMIKLAMELLEN-SYSTEM: SHAMAL Hersteller: Terreal Das System Shamal umfasst ein Sortiment individuell geformter Lamellen, die sich in Verbindung mit der Aluminiumkonstruktion des Systems für optimale Verschattungen konfigurieren lassen. Das extrudierte Terracotta-Hohlprofil wird mit einer breiten Palette von unglasierten oder glasierten Oberflächen angeboten. Die Systemkomponenten ermöglichen eine individuelle Anpassung von Lamellenabständen und Neigungswinkeln. Tabellarische Übersichten erleichtern zumindest die anfängliche Produktauswahl. Die maximale Profillänge liegt bei 1.290 mm, eine Spannweite, über die das Element ohne innenliegendes Metallprofil tragfähig ist.

PRODUKTE UND TECHNOLOGIEN

SOLAR-DACHZIEGEL: PANOTRON Hersteller: Gasser Ceramic Die angemessene visuelle Integration von Photovoltaik-Modulen kann den Planer vor Herausforderungen stellen – insbesondere bei mit Keramikziegeln eingedeckten Dächern, da die klein bemessenen Ziegel mit den relativ großen PV-Modulen nur eingeschränkt harmonieren. Gasser Ceramic bietet ein System an, bei dem ein kleines PV-Modul in einen eigens hierfür konzipierten, 450 × 255 mm großen Dachziegel aus Keramik eingebettet ist. Das System ist für Dachneigungen zwischen 17° und 60° geeignet und kann bis zu 70 W/m2 erzeugen. Zur Verlegung von Kabeln und Installation weiterer Systemkomponenten sind keine Durchbrüche erforderlich. Da die PV-Module bereits während der Nutzungsdauer der Dachziegel auszutauschen sind, ermöglicht das System eine Trennung der PV-Paneele von den Dachziegeln über eigens entwickelte mechanische Verbindungsmittel. Gebrauchte PV-Module können zum Recycling an das Unternehmen zurückgegeben werden.

GARDEROBE AUS KERAMIK: MILKY STAR Hersteller: POLI Keramik GmbH Designer: Pudelskern Bei vielen für Bäder bestimmten Fliesensortimenten sind Sonderelemente verfügbar, in die Seifenschalen und andere Ausstattungsdetails direkt eingearbeitet sind. Das Fliesensystem Milky Star überträgt dasselbe Prinzip auf den Wohnbereich. Es besteht aus einer einzelnen Grundfliese mit einer leichten Wölbung der Oberfläche und einer puzzleartig wirkenden Verzahnung. Dies ermöglicht eine höchst dekorative, strukturierte Oberfläche. Dieselbe Grundfliese wird auch mit einem integrierten Garderobenhaken angeboten. Die Formgebung leitet sich von auf Mikroskopaufnahmen sichtbaren Formen der Blume Ornithogalum dubium (Orangefarbener Milchstern) ab. Die Fliese wird zudem als Verkleidung für wärmeabstrahlende Wände und Keramiköfen verwendet.

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KERAMIK ZUR SCHALLDÄMPFUNG: AKUSTIKSCHINDEL Hersteller: Terreal Der Hersteller Terreal bietet Akustikschindeln als eines von mehreren Akustikpaneel-Systemen aus Keramik an. Diese Systeme bestehen aus extrudierten Keramikelementen, die mit mechanischen Mitteln an Metall-Unterkonstruktionen befestigt sind. Die Elemente sind perforiert und mit schalldämmender Mineralwolle gefüllt. Die Akustikpaneele lassen sich zur Anpassung der Akustik durch nicht durchbrochene Tafeln desselben Typs ergänzen. Die Akustikschindel ist 300 × 1.400 mm groß, mit einer Wanddicke von 70 mm und Durchbrüchen von 14 mm. Die Vorzüge von Keramik werden hier kombiniert mit der für hochfrequentierte öffentliche Innen- und Außenbereiche erforderlichen Schalldämpfung. FLIESE FÜR INDUSTRIELLE ANWENDUNGEN: ACIGRES Hersteller: Brancós Ceramics Acigres verbindet die Festigkeit von hochvitrifizierten Klinkersteinen mit den Eigenschaften säurebeständiger Fliesen. Daraus entsteht eine hohe Beständigkeit gegenüber Abrieb, thermischem Schock, Säure- und Alkalieinwirkung. Die Fliesen lassen sich mit einem säure beständigen Zweikomponenten-Epoxidkleber fixieren, so dass die gesamte Oberfläche eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Einwirkungen aggressiver chemischer Substanzen aufweist.

ANMERKUNG 1 Hutchings, Ian. „Ink-jet printing for the decoration of ceramic tiles: technology and opportunities“. In: Proceedings Qualicer, XI: Forum on Ceramic Tile, Castellón 2010.

MATERIAL-MIMIKRY: AGE WOOD, AGE BETON, AGE BLEND Hersteller: Pamesa Cerámica In diesem Fall dient die Inkjet-Technologie zum Auftrag individueller Glasurmuster, die jeder einzelnen Fliese eine jeweils eigene, holzartige Struktur verleihen. Neben Age Wood produziert der Hersteller die Ausführungen Age Beton, eine Betonnachbildung, und Age Blend, eine Fusion aus Holz- und Betonstrukturen.

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ANHANG

ÜBER DIE AUTOREN

MARTIN BECHTHOLD ist Professor für Architekturtechnologie an der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University und Assoziierter Professor am Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering. Zuvor war er Baumer Gastprofessor an der Ohio State University und Gastprofessor am Institut für Tragwerksentwurf der Technischen Universität Graz. An der GSD leitet er das Doktorandenprogramm und ist der Gründungsdirektor der dortigen Material Processes and Systems Group (MaPS). Bechthold ist Koautor von Structures (7. Aufl., Prentice Hall, 2013) und Digital Design and Manufacturing (Wiley, 2004) sowie Autor von Innovative Surface Structures (Taylor & Francis, 2008), eines Buches, welches die zunehmend enge Verbindung des konstruktiven Entwerfens mit digitalen Fertigungstechniken am Beispiel leichter Schalen- und Membrankonstruktionen thematisiert. Er ist international mit Vorlesungen und als Leiter von Workshops tätig. Seine Entwurfsforschungen im Bereich Keramik werden seit 2012 auf der jährlichen Messe CEVISAMA in Valencia präsentiert. Im Jahr 2014 erhielt er den ACADIA Innovative Research Award of Excellence. ANTHONY KANE ist am Institute for Sustainable Infrastructure in Washington, D. C. tätig und dort Vice President für Forschung und Entwicklung. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen die Nachhaltigkeit unserer gebauten Umwelt sowie fortgeschrittene Fertigungsverfahren. Er ist einer der Autoren des Werks Infrastructure Sustainability and Design (Hrsg. Spiro Pollalis u.a., Routledge, 2012) und hat Fachartikel für das International Symposium on Automation and Robotics in Construction (ISARC) publiziert. Seine Arbeiten wurden zudem in Fabricating the Future (Philip F. Yuan u.a., Tongji University Press, 2012) veröffentlicht. Kane war zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Material Processes and Systems Group an der Harvard University und lehrte am Boston Architectural College. NATHAN KING ist Assistenzprofessor für Architektur an der School of Architecture + Design der Virginia Tech sowie Stellvertretender Direktor für strategische Forschungsvorhaben am dortigen Center for Design Research. Er lehrte an der Harvard GSD und an der Rhode Island School of Design (RISD), wo er Mitbegründer des Glass Robotics Laboratory (GRL) war. Nach einer Ausbildung im Bereich Kunst und Kunstgeschichte erwarb King Master-Abschlüsse in Industriedesign und Architektur. Er promovierte an der Harvard GSD und war dort Gründungsmitglied der Design Robotics Group. Über seine wissenschaftliche Tätigkeit hinaus ist Nathan King Forschungsdirektor der MASS Design Group und arbeitet dort an der Entwicklung und Einführung innovativer Bautechnologien und Medizintechnik und Bewertungsmethoden für übergreifende Anwendungen unter Bedingungen knapper Ressourcen. King arbeitet zudem als Berater bei der Entwicklung von Forschungseinrichtungen und -programmen sowie Software im Bereich technologischer Innovationen in Kunst, Architektur, Design und Bildung.

ANHANG

NAMENREGISTER # 2x4 Inc. 98 3D Systems/Z Corp 202 3Dx1 112–113, 207 3LHD 94 A Aalto, Alvar 16 Acigres 216 Adler & Sullivan 16 Adriano Design 210–211 Age Beton 216 Age Blend 216 Age Wood 216 Agrob Buchtal GmbH 72, 98 AIA Upjohn 194 Alberta Legislature Building, Rekonstruktion der Kuppel, Edmonton 170–171 Ali, Muhammad 99 Allan Merrick Jeffers 170 Alumeyer 130 Amat, Frederic 150–151 Andreani, S. 196 Aparici 209 Aragonia-Projekt, Saragossa 49 Archäologiepark, Xanten 15 Architech, Floor Gres 94 Artaic 104 Arup 98 ASCER Tile of Spain 190, 192, 196 Atkins, Anna 198 B Baquerizo, A. 203 Barkow Leibinger 172 Bauhaus, Weimar 16 Bechthold, Martin 87, 190, 192, 196, 218 Becker, Daniel 211 Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg 9, 51, 166–169 Bellido, Luis 120 Bennett, Trew 35 Beyer Blinder Belle Architects & Planners 98 Bienenstock, Regionalbibliothek, Pécs 40 Bierman Henket Architects 184 Bingham, Howard 98, 99 BIO SKIN 144 BIONICTILE 208 Bios-Technologie zur Selbstreinigung 84 Blok, Maree 46 Boston Valley Terra Cotta (BVTC) 31, 126, 170, 214 Braas GmbH 54 Brancós Ceramics 216 Buck Creek Pottery 35, 36 Building Science Engineering Ltd. 170 C Campos Costa Arquitectos 180 Capitol Designer Studio (CDS) 88 Casa Batlló, Barcelona 54 Casalgrande Ceramic Cloud (CCCloud) 87, 114–117 Casalgrande Padana S.p.A. 84, 114, 117 Center for Architecture, Science and Ecology, Rensselaer Polytechnic Institute 194 Centre Georges Pompidou 17

Centro Ceramico, Bologna 58 Ceracasa 82, 208, 211, 212 Ceràmica Cumella 34, 100, 140, 149, 150, 154, 176, 177, 180 Ceràmica Elias 10 Cerámica Malpesa 213 CeraVent 52 Chassay+Last Architects 65, 66 Cheng, H. 203 Cole & Son 66 Colegio Territorial de Arquitectos de Valencia (CTAV) 106, 107 Contour Crafting 202 Cooke, S. 205 COR asociados 74 Cortile del Priore dell’ex Maternità, Bologna 84, 85 Craven, Nathan 162 Cretaprint 82 Curtainwall Design Consulting (CDC) 126 D Daltile 213 Deacon, Richard 78, 79 Decorativa Tozeto S.A. 106, 136, 140, 154 Decq, Odile, siehe Studio Odile Decq Design Robotics Group an der Graduate School of Design der Harvard University 190, 192, 202 Dieste, Eladio 16, 196 Dietrich, Niels 90 Disset 140 Djoser, Pharao 13 Djoser-Pyramide 13 Dorent, Nathanael 88 E Elfstedenmonument-Brücke 46 Emotile von Ceracasa 211 Emozzioni by Titanium 212 Ennead Architects 43 Enric Miralles und Benedetta Tagliabue (EMBT) 100 Eric Parry Architects 70, 78 Esteve, Ramón 47 European Ceramic Work Center 200 F Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V. 46 Ferrater, Carlos 80 Ferreira, Pedro 124 Fiandre 207 Fireclay 213 Flexbrick 11, 213 Floor Gres 94 Flores, Paulo 106 Florim Ceramiche S.p.A. 94 Foreign Office Architects (FOA) 154 Fotosensitive Blueware-Fliesen 198–199 Foto-Wandbild, Ausstellungsraum, Amsterdam 65 Francisco Ramón Borja S.A. 120 Franco, Arturo 61, 120 Friedman, J. 202 Fundación CENER-CIEMAT 140 G Galí, Xavier Martí 80 Gasser Ceramic 215 Gaudí, Antoni 11, 34, 54, 100 GGlab 106 Gibbs and Canning 170 Giraud Frères 17

Glithero, siehe Studio Glithero Graduate School of Design der Harvard University 87, 190, 192, 202, 204 Graniti Fiandre S.p.A. 112 Grão – Keramikpixel, Belém 119, 124–125 Grinham, Jonathan 34, 202, 203 Guaranty Building, Buffalo 16 Guastavino, Rafael 16, 196 Gymnasium Jaume I, Valencia 47 H Halle 8B, Verwaltung eines Kulturzentrums, Madrid 61, 120–123 Harrison, Shay 194 Hatori, Tatsuyu 144 Hauer, Erwin 209 Haus Stelling, Kopenhagen 16 Herz, Manuel, siehe Manuel Herz Herzog & de Meuron 65, 72 Herzog, Thomas 17 High-performance Masonry System (HpMS) 194 Hinz, K. 196 Holburne Museum, Erweiterungsbau, Bath 70–71 HYDROTECT 208 I Imbern, M. 196 Inalco 210 Instituto de Tecnología Cerámica (ITC), Castellón 25, 80 Integriertes Design-to-Robotic-Ökosystem 192–193 Iowa State Mural, Ames 104–105 IRCAM-Tonstudio 17 Ischtar-Tor von Babylon, Pergamonmuseum 14, 15 Ishihara, Yoshito 144 Israel Museum, Jerusalem 52, 130–133 Iturralde y Sagüés Ingenieros 140 J Jacobsen, Arne 16 James Carpenter Design Associates Inc. (JCDA) 130 Jardim Botânico Tropical, Lisbon 124 Jencks, Lily 88 Jimenez, D. 205 João, Rita 124 Joris Laarman Studio BV 200 Jüdisches Gemeindezentrum, Mainz 90–93 K Kane, Anthony 190, 192, 218 Kawashima, Norihisa 144 Kengo Kuma and Associates 87, 108, 114 Keramia Ceramicas 80 Keramik-Beton-Verbundschale 196–197 Keramikwerkstatt des Office of the Arts, Harvard University 35, 36 Keramos-Schränke 211 Kéré Architecture 134 Khoshnevis, Behrokh 202 Kim, H. 202 Kindergarten, Gandía 48, 49 King, Nathan 190, 192, 205, 218 Kongresszentrum, Zaragoza 55 Kosemo Brick, Archie Bray Foundation, Helena 30, 162–165 Kotelova, R. 205 Krobath, Barbara 55 Kulturzentrum, Madrid 120 Kuma, Kengo, siehe Kengo Kuma

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L La Castellamonte 210, 211 La Riera de la Salut, Umgestaltung, Saint Feliu de Llobregat 176–179 LAUFEN Bathrooms AG 34, 208 Learning to Fly (Sealine) 104 Lee, A. 190, 196 Levantina 207 Libeskind, Daniel, siehe Studio Daniel Libeskind Architect Longshan-Tempel, Taipei 15 Ludowici Roof Tile 54 Lugthart, Bas 46 Lynch, Peter 158 M Mahou San Miguel 82 Mangado & Asociados S.L. 140 Mangado, Francisco 43, 55, 140 Mansfeld, Alfred 130 Manuel Herz Architects 90 Marazzi Group 88 Markthalle Santa Caterina, Barcelona 54, 86, 87, 100–103 Material Processes and Systems Group an der Harvard University 196 Maximum Fiandre Extralite 112, 207 McGee Pavilion, Alfred University 31 Mesa, O. 202 Metasus, siehe Studio Metasus Michalatos, P. 190 Milky Star 215 Miralles, Enric, siehe Enric Miralles Moeding Keramikfassaden GmbH 17, 130 Moneo, Rafael 49 Morimura, P. T., siehe P. T. Morimura Moschee, St. Petersburg 9 Moussavi, Farshid 154 MUCA Konzerthalle und Auditorium, Algueña, Alicante 74–77 Muhammad Ali Center, Louisville 86, 87, 98–99 Museum Brandhorst, München 68–69 Museum de Fundatie, Erweiterung, Zwolle 184–187 Museum der Kulturen Basel 64, 72–73 N National Museum of American Jewish History, Philadelphia 43, 44 National Terra Cotta Society, USA 15 Nationales Fliesenmuseum, Lissabon 124 NBK Architectural Terracotta 31, 68–69, 90, 166–167, 172, 223 Neolith 207 New York Times Building 53 Nikken Sekkei Ltd. 9, 144 Nikken Sekkei Research Institute (NSRI) 144 Niwa, Katsumi 144 NOUS Engineering, London 88 O Oak Structural Design Office 108 Oceanário, Erweiterung, Lissabon 180–183 Office of Architecture Barcelona (OAB) 65, 80 Olivares, Jesús 74 One Eagle Place, London 78–79 Opernhaus, Sydney 16 P P. T. Morimura & Associates Ltd. 108 Pamesa Cerámica 213, 216 Panotron AG 215 Paredes Pedrosa Arquitectos 48

ANHANG

Paredes, Angela 49 Parry, Eric, siehe Eric Parry Patio 2.12 50, 136–139 Pedrita 124 Perkins+Will 126 Piano, Renzo, siehe Renzo Piano Picharchitects 11 Piera Ecocerámica 213 Pinnacle, Bologna 65, 84–85 Pol Femenias 176 POLI Keramik GmbH 215 Porcelanico 209 Porcelanosa 10, 39, 213 Pudelskern 215 Pulsate, Primrose Hill, London 88–89 R Raspall, F. 196, 205 Renzo Piano Building Workshop 17, 53 Restaurant La Mandarra de La Ramos, Pamplona 82, 83 Rhinoceros 170, 190 Rhode Island School of Design 202, 203 Richardson, Henry Hobson 16 Rodenas, Miguel 74 Royal Mosa 213 Royal Tichelaar Makkum 46, 184 Ruiz-Geli, Enric 150 S Sacmi Imola S.C. 207 Sagrada Família, Barcelona 34, 149 SaphirKeramik 208 Sarrablo, Vicente 213 Sauerbruch Hutton 9, 68, 166 Schaumkeramik 200–201 Schulbibliothek, Gando, Burkina Faso 134–135 Schule der Theresianerinnen, Barcelona 11 Sealine, Eric 104 Sever Hall, Harvard University 16 Shamal 214 Shapeways 202 Shaws Glazed Brick Company 66 Shaws of Darwen 66, 70, 71, 78 Shin, B. 205 Simpson, Tim 198 Sistem N, Fliese 88 Skidmore, Owings & Merrill (SOM) 194 SlimmKer-Light 210 Sony Gebäude, Osaka 9 Sony Research and Development Office, Tokyo 118, 144–147 Spanischer Pavillon, Expo 2005, Aichi 33, 154–157 Spanischer Pavillon, Expo 2008, Saragossa 30, 140–143, 162 Sprowls, P. 205 Stadtbibliothek Tweebronnen 16 Stadtteil Lohhof, München 17 STAR, Porcelánico 209 Student Services Building, University of Texas, Dallas 126–129 Studio Daniel Libeskind Architect 65, 84, 85 Studio Glithero 198 Studio Metasus 158 Studio Odile Decq 112 Su, Q. 196 Sullivan, Louis 15 System Ceramics 207 T Tagliabue, Benedetta 100 Techlam 207

Technische Universität München 17 Technische Universität Graz 196 Tegula Tile 194 Terra Green Ceramics 213 TerraClad 214 Terrados Cepeda, Javier 136 Terreal 214, 216 Thermisch aktivierte Gebäudehülle 194–195 TheSize 207 Tile Association, Großbritannien 46 Tile Council of North America 46 Toan, Nguyen 208 Török és Balázs Építészeti Kft 40 Toto Ltd. 144, 208 Trencadís-Fliese 54 Trummer, A. 196 Trumpf-Betriebsrestaurant 172–175 U University of Southern California 202 UP, Cerámicas Aparici 209 Urban Guerrilla, Valencia 106–107 Utzon, Jørn 16 V van Aubel, Marjan 200 van de Velde, Henry 16 van de Worp, Manja 88 van Gameren, Sarah 196 van Herpt, Olivier 202, 203 Venus von Dolní Věstonice 12 Villa für einen Industriellen, Shenzhen 158–161 Villa Nurbs, Empuriabrava 31, 150–153 Vollen, Jason Oliver 194 W Wallpaper Factory, Islington 64, 65, 66–67 Wang, C. 203 Weststrand-Promenade, Benidorm 65, 80–81 Wienerberger GmbH 54 Winn, Kelly 194 Wright, Frank Lloyd 16 X Xinjin Zhi Museum, Chengdu 108–111 XWG 106 Y Yamanashi, Tomohiko 144 Yung, Ahlaiya 158 Yurkovich, C. 205 Z Zaera-Polo, Alejandro 154 Zamet Center, Rijeka 94–97 Zentrum für Erneuerbare Energien (CENER) 140 Z-Printer 202 Zsolnay 74

SACHREGISTER # 3D-Druck 158, 202 A Abplatzungen 22, 47 Additive Fertigungstechnologien (AFT) 202–203 Akustik 53, 120, 216 Aluminium 48–49, 50–53, 61, 63, 90–91, 94, 96, 126, 130, 144, 146, 150, 166 Aluminiumoxid 80 Anagama 36 Ascheanflug 13 Außendämmung, außenliegende Dämmsysteme 48, 52 Automatisierung, automatisch 27–31, 33, 35, 38–39, 45, 104, 149, 150, 189, 193, 202, 203–205 B Badezimmer siehe Toilette Baguettes 30, 52 Basrelief 64, 66, 67, 85, 211 Brennöfen Anagama 36 Brennplan 37 computergesteuerte 8, 10, 14, 27, 37 Energieverbrauch 51, 56, 59, 62 Gesamtwirkungsgrad 59 holzbetriebene 36 mit durchziehender Flamme 15 Tunnelöfen 35, 37 Wagenöfen 36 C Chemikalienbeständigkeit 25 Cyanotypie 198 D Dachziegel 4–15, 19, 23, 33, 54–55, 60–61, 72, 87, 108–109, 119–122, 215 Dehnfuge 47–48 Demontage 43, 57, 118 Drehen auf der Töpferscheibe 35 Druckguss 34, 208 E Eckdetails 43, 128, 183 Ecklösungen 51–52 Email 74, 80 Entformungsschräge 32 Erstarrungsgestein 18 F Faserbewehrung 41, 63, 131 Feldspat 18, 22, 207 Festigkeit Biegefestigkeit 22, 41–42, 51–52, 208 Druckfestigkeit 22, 114 Kuppel 170, 171 Zugfestigkeit 18, 207 Fliesen abgerundete 41 aufgeklebte, verklebte 11, 38, 40, 43, 45–46, 48, 50–52, 60, 74, 86, 88, 106, 120 Bodenfliesen 10, 14, 30, 41–42, 46, 62, 64, 82, 88, 94 Enkaustik-Fliesen 64

Extrusion, extrudiert 21, 29–31, 141, 145, 163 gewölbte, gekrümmte 9, 15, 21, 31, 51–52, 54, 152, 166, 208 großformatige 41, 87, 112, 208 handgeformte 10, 106, 108 laminierte 41, 116 mechanisch fixierte, montierte, 43–44, 46, 49–50, 52, 60, 94 Mosaik 15, 40, 43, 46, 86–88, 98, 100, 104, 124, 190–191 Nutzungsdauer 60 Porosität 19-20, 22, 25, 41, 54, 59, 118, 140, 144 Recycling 8, 32, 34, 43, 44, 56, 57, 60, 61, 118, 119, 120, 121, 124, 213 Relief 14–15, 29, 64, 66–67, 84–85, 158–159, 172, 210–211 Schlickerguss 33–34 Struktur, Strukturierung 12, 24, 28–29, 38, 41, 64, 94, 216 Wand 10, 14, 30, 32, 41, 48, 50, 52, 55, 70, 72, 78, 82, 91, 94, 108, 119–122, 124, 130, 150, 158, 164–165, 172, 174, 176–179, 214 Form 51, 66–67, 72, 107, 150–151, 154, 156, 158-159, 174, 180, 192 Entwurf 31 Gips 15, 31–32, 34, 44, 51, 66-67, 72, 106–107, 158, 166, 198 konvex 21 Polystyrol 32, 63, 106, 150, 151 Frost-Tau-Wechsel 22, 46, 54 Frostwiderstand 20, 55, 65, 74, 170, 209 Fugenmasse 43, 46, 48 G Geschirr 35 Glas 9, 13, 20, 22, 59, 61, 62, 130, 131, 144, 162, 198 Glasur Abziehbildverfahren 78 Färbung 23–24 Metallglasur 65, 74, 84, 106, 212 photokatalytische 65, 84, 144 selbstreinigende 8, 65, 84, 208 Spiegelglasur, Glasuren mit Spiegeleffekt 64–65, 72–73 Struktur, Strukturierung 12, 24, 28–29, 38, 41, 64, 94 Zusammenspiel von zwei Farbtönen 66 Granit 18, 63 graue Energie 56, 58, 63, 140 H Hinterlüftete Fassaden 9, 11, 17, 31, 46, 48–53, 63, 90, 136, 140, 180 Dichtungsprofile 50 Fliesen 52, 90–91 graue Energie 63 Unterkonstruktion 52, 91 Hohlraumboden, Doppelboden 43–44, 61 Hydratation 18 hydrophil 65, 208 I Inkjet-Druck siehe Tintenstrahldruck Installation 17, 46, 87–88, 104, 106, 112, 114, 124-125, 154, 158, 162, 166, 190, 207, 215 K Kapillarwirkung 21 Kegeltemperatur 37 Keramikofen 210 Keramische Gefäße 12

in China 12, 14 der griechischen Antike 13 der Jungsteinzeit 12 Klebung 8, 40–43, 214 Korngröße 19, 21 L Lebenszyklus 57, 59, 60, 62–63 LEED 126 M Massenfertigung 8, 10–11, 17, 24, 35, 38–39, 82 Massenindividualisierung 148, 150, 192, 212 Maßkorrektur 28, 38 Maßtoleranzen 41 Matrize 29–30, 51, 140, 149, 162–163, 166–167, 176, 204 Mörtelfuge 8, 38, 40–43, 47, 101, 124, 158, 190 Mosaik 15, 40, 43, 46, 86–88, 98, 100, 104, 124, 190-191 N Nachbearbeitung 10, 26–27, 35, 38, 140, 149, 154, 180, 190 O Oberflächenbehandlung 25 Oberflächeneffekte 64 P Phasenwechselmaterialien 194 Photovoltaik 55, 136, 144, 215 Porosität 19–20, 22, 25, 41, 54, 59, 118, 140, 144 Porzellan 14, 19–20, 22, 35, 38, 41, 44, 61, 74, 88, 104, 158, 198, 201, 208–210, 213 Pressverfahren Extrusion, Strangpressung 17, 29–32, 40, 45, 90, 102, 140, 149, 162–163, 166, 177, 180, 192–193, 202, 204 Feuchtpressverfahren, plastisches Pressverfahren 26, 31–32, 154–155, 172, 180 Trockenpressung 17, 26, 28–32, 40, 50, 58, 62, 74, 88, 207 Produktion, Herstellung, Fertigung handwerklich 10–11, 16, 20, 24, 26–28, 30 Massenfertigung 10, 26–27 mittelständische 10, 26–27 Q Quarz 13, 18, 22, 207 R Rampentest 25 Recycling 8, 32, 34, 43–44, 56–57, 60–61, 118–121, 124, 213 Rekonstruktion 170–171 Robotergestützte Prozesse Extrusion 192, 202 Formgebung 204 Mosaiken 87, 104, 190 Technologien 27, 86, 188 Verlegung 190 Verpackung 39 Rohre 19, 52–53, 55, 112, 144 Rüstkosten 23, 28, 30–31, 35, 162, 196 Rutschfestigkeit 25, 28, 41–42, 55, 80, 88 S Sanitärkeramik 12, 23, 33–34, 38, 44–45, 61, 66, 208, 213 Schale 16, 196, 211 Schaumkeramik 118, 200–201 Schlämme 34, 70

221

Schlickerguss, Schlickergießen 33–34, 44, 51, 54, 66, 70, 72, 78, 149, 158–159, 196–197, 208, 210–211 Hohlkörper-Schlickergießen 33 mit vollständiger Verfestigung 33 Schneiden 31, 32 Schrühbrand 30, 74, 162, 166, 210 Schwinden 15, 21, 30, 140, 149–150, 166, 170 Sinterung 18, 30–32, 37 Slumping, Senken 29, 31-32, 51, 149–151, 180, 209 Sonnenschutzelemente, -lamellen 11, 30–31, 46, 52-53, 119, 126–127, 130, 180, 192, 202, 214 Sprödigkeit 18, 22, 86, 112 Steingut 19–20, 53, 198 Steinzeug 13, 19–20, 22, 42, 45, 51, 84, 88, 98, 100, 114, 150, 154, 162, 176, 180 T Tageslicht 119, 126, 130, 134, 136 Technische Keramik 9, 53, 200 Terracotta 15–17, 19–20, 22, 41, 50, 60, 64, 66, 136, 140, 162, 170–171, 184 Tessellieren 86 Tintenstrahldruck, Inkjet-Druck 17, 29, 38, 64-65, 82, 202, 211–212, 216 Toilette, Toilettenbecken, WC-Becken, Badezimmer 19, 34, 44, 61, 213 Ton 18–20 Abbauverfahren 58 Bewehrungen 20 Dichte 20 Farbe 20 Primärton 18 Recycling 59–61 Sedimentton 18 Tongruben 58 Tonplatten, Grundplatten 31, 150 Typen 18–20 Zusatzmittel 19–20 Tonmassen 19–23, 26, 28–29, 32–33, 44 Korngröße 21 lufttrocken 21 Schwinden 21–22 Töpferscheibe 12, 35 Töpferwaren, Töpferei 12, 14, 35 Trencadis 55, 100 Treppenstufen 21, 29–32 U Überformung, Einformung 35 Untergrund 42, 47–48, 60, 66, 86–87, 112, 158, 172 V Verbundfassade 11, 46, 50, 52 Verdunstungskühlung 9, 22, 50–51, 118, 136, 140, 144 Verschattungs- und Sichtschutzelemente siehe Sonnenschutzelemente verschränkt, verzahnt 70, 121, 164, 209 Vitrifizierung 18, 20, 22, 25, 74, 80 Vorfertigung 14, 40, 47, 104, 136, 166, 212 W Wärmeausdehnung, thermische Ausdehnung 48, 54, 180 Waschbecken, Waschtisch 19, 44–45, 61, 208 Wasserabsorber 136, 138 Wiederverwendung, Wiederverwertung siehe Recycling Windlast 41, 126

ANHANG

MEILENSTEINE DER NBK KERAMIK GMBH

1, 4, 6

2, 5, 7

3

1 Potsdamer Platz in Berlin 2 Central Saint Giles, London 3 Sitz der Europäischen Kommission, Berlaymont-Gebäude, Brüssel 4 Museum Brandhorst, München 5 Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg 6 King Abdullah University of Science and Technology, Königreich Saudi-Arabien (weltweit größtes Terracotta-Projekt, 140.000 m²) 7 111 West 57th Street (Steinway Tower), New York

Das Unternehmen NBK Architectural Terracotta ist weltweit tätig – die zentralen

Im Lauf der Firmengeschichte entstand

und fordern uns, mit der Entwicklung nicht

eine sehr umfangreiche Zahl an Projekten,

nur Schritt zu halten, sondern sie voranzu-

Herausforderungen und innovativen Ent-

die wir realisieren durften. Unsere ausge-

treiben. Weil wir das Lösen komplexer Auf-

wicklungen haben jedoch ihren Ausgang in

führten Bauvorhaben skizzieren die vielfäl-

gaben lieben, arbeiten wir daran mit Lei-

Europa genommen, wo Terracotta als Bau-

tigen Gestaltungsmöglichkeiten moderner

denschaft und Entschlossenheit. Kreativer

material eine sehr lange, durch vielfältige

Terracottafassaden und vermitteln einen

Motor sind unsere hochqualifizierten Mitar-

Gestaltungsansätze geprägte Tradition hat.

Eindruck, wie Handwerkskunst mit innova-

beiter, die sich flexibel und mit „Forscher-

Bis heute liegt unser besonderes Augen-

tiven Methoden und zukunftsorientierten

drang“ den Fragestellungen widmen: Sie

merk auf diesem Markt, auf dem wir uns

Ideen vereint werden kann. Denn es ist un-

sind offen für Neues und Ungewöhnliches,

seit Anfang der 1990er Jahre, seit der Ent-

ser Anspruch, tradierte Techniken und Fer-

lassen sich inspirieren von unkonventio-

wicklung großformatiger Keramik, intensiv

tigkeiten in eine Sprache zu übersetzen, die

nellen Ideen und visionären Vorstellungen;

engagieren.

den Anforderungen der zeitgenössischen

sie denken analytisch und pragmatisch, um

Architektur gerecht wird.

realisierbare Konzepte zu entwerfen; und

Erste herausragende Projekte wie der Potsdamer Platz in Berlin oder der Sitz der

Dazu trägt nicht zuletzt die kontinuierli-

sie sind ambitioniert, auch das scheinbar

Europäischen Kommission in Brüssel bilde-

che Ausweitung unseres Portfolios bei.

Unmögliche möglich zu machen. Denn gera-

ten für NBK den Anfang. Mit den politischen

Die Erwartungen an Qualität und Leistungs-

de dies macht den Reiz unserer Arbeit aus

Veränderungen jener Zeit dehnte sich der

fähigkeit, aber auch an Ästhetik und Vielsei-

Wirtschaftsraum in Richtung Osteuropa aus. tigkeit des Produkts steigen unaufhörlich

und spornt uns bei NBK immer wieder an, auf diesem Weg weiterzugehen.

ABBILDUNGSNACHWEIS

67

68 69

Alle nicht anders nachgewiesenen Abbildungen stammen von den Autoren. 9

11 12 13 15

16 17 18 23 24 27 31 32 34 35 36 37 40 42

43 44 45

46 47 49

52 53 54

55 58 61 65

66

Yury Asotov (2), T. Yamanashi + T. Hatori + Y. Ishihara + N. Kawashima/NIKKEN SEKKEI (3) Simon Garcia|arqfoto.com (6) Moravské Zemské Muzeum (1) © The Trustees of the British Museum. All rights reserved (2) bpk, Berlin/Vorderasiatisches Museum, Staatliche Museen, Berlin/Art Resource, New York (3), US National Terracotta Society (6) Boston Valley Terra Cotta (7, both photos) Marina Sartori (9) David Saladik, MASS Design Group (1) Justin Lavallee (7) Ceràmica Cumella (9) Justin Lavallee (3) Brad Feinknopf mit freundlicher Genehmigung von ikon.5 Architects (12) Toni Cumella, Ceràmica Cumella (15) Laufen Bathrooms AG (18), Jonathan Grinham (20 a-c) Kathy King (21), Buck Creek Pottery, Nelson County, VA (22) James Leynse (23), Buck Creek Pottery, Nelson County, VA (24) Kathy King (26, beide Fotos) Márta Nagy (1 links), Jószsef Sárkány (1 rechts) SATRA Technology Centre (5 rechts), ULTRAGRIP Project (http://www.youtube. com/user/itceramica/videos) (5 links) Kalinovsky (6 rechts) Porcelanosa (7), ITC/Javier Mira (8), Halkin Mason Photography/Shildan, Inc. (9) Mangado & Asociados (10 links), Bambalina/Francisco Mangado (10 rechts), © NBK Keramik/Andreas Lechtape (11) Bas Lugthart, Maree Blok, www.bloklugthart.nl (1) Xavier Mollá (3, beide Fotos) Paredes Pedrosa arquitectos (5, Zeichnungen), Luis Asín (5, Fotos), Terreal Terra Cotta (6) Gutjahr Systemtechnik GmbH (11) Terreal Terra Cotta (12), Felix Amtsberg (13, beide Fotos) Terreal Phoniceram (14), Ludowici Roof Tile (16 oben links), © Wienerberger AG: Model Alegra, Brand Koramic (16 oben rechts), Braas GmbH (16 unten) Barbara Krobath (17) TONDACH Gleinstätten AG (2, beide Fotos) Carlos Fernández Piñar (4), Fireclay Tile, www.fireclaytile.com (5) © Ceracasa (1), Agrob Buchtal (2), Macieh Gutowski, Chassay+Last Architects (3), Aleix Bagué (4), Aldo Magnani (5) Chassay+Last Architects (1)

70 71 72–73 74–77 78–79 80–81 82–83 85 87 88–89 90–93 94–97

98–99

100–103 104–105 106–107 108–111 112–113 114–117 119 120–123 124–125 126–129 130–133

134–135 136–139

140

145–147 150–153

Macieh Gutowski, Chassay+Last Architects (2, 6–9), Clay Perry (3–4), Shaws of Darwen (5) © Andreas Lechtape (1) © Annette Kisling/ Sauerbruch Hutton (2), © Andreas Lechtape (3), © Sauerbruch Hutton (4), © Koyupinar/Bayerische Staatsgemäldesammlungen (5) Eric Parry Architects (1–2) Hélène Binet (3–4), Eric Parry Architects (5), Grant Smith (6–7) Herzog & de Meuron (1, 4, 6–7), Agrob Buchtal (2, 3, 5, 8) COR asociados, Miguel Rodenas + Jesús Olivares (1–9) Eric Parry Architects (1–2, 4, 6), Dirk Lindner (3, 5), Shaws of Darwen (7) OAB (1–2), Aleix Bagué (3-6) Cretaprint (1–3), © Ceracasa (4–10) Aldo Magnani (2), Valeria Portinari (3), Enrico Geminiani (4–5) © Ted Wathen/Quadrant (2) Lily Jencks and Nathanael Dorent (1), Hufton+Crow (2–6) Manuel Herz Architects (1–10), Iwan Baan (11) Domagoj Blažević (1), 3LHD (2–3, 8–9), Damir Fabijanić (4–5, 7, 10) © Ted Wathen/Quadrant (1, 4), Beyer Blinder Belle Architects & Planners (3, 5-6) Miralles Tagliabue EMBT (1–2, 4–8, 12–13) Ceràmica Cumella (9–11) Eric Sealine (1), Artaic (2–5) Green Geometries Laboratory (1–7) Kengo Kuma and Associates (1–9) Studio Odile Decq (1–5) Kengo Kuma and Associates (1–14) Zach Seibold (2) Arturo Franco Arquitecto (1–2, 4–5, 7–9), Carlos Fernandez Piñar (3, 6, 10) Pedro Ferreira (1–8) Perkins+Will (1–2, 5, 7), Charles Davis Smith, AIA (3-4, 6, 8–10) James Carpenter Design Associates (1-2, 4, 8), Reid Freeman, James Carpenter Design Associates, © JCDA, Reid Freeman (3, 5, 9), Richard Kress, James Carpenter Design Associates, ©JCDA, Richard Kress (6), © Timothy Hursley (7) Diébédo Francis Kéré (1–10) Andalucía Team (1, 4, 7–9), Andalucía Team/Euroestudios (2), Ricardo Santonja (Solar Decathlon Europe 2012) (3, 6), Pedro M. Ugarte (Andalucía Team) (5, 10) © Mangado & Asociados (1, 3, 5-6, 9), © Roland Halbe Fotografie/2008 Mangado: Spanish Pavillon Expo Zaragoza/E (2, 10), © DecorativaCumella (7) T. Yamanashi + T. Hatori + Y. Ishihara + N. Kawashima/NIKKEN SEKKEI (2–10) Cloud 9 Architects (1, 7–8, 9, 11–12), Toni Cumella, Ceràmica Cumella (2–6, 10), Victor Llanos (13)

154–157

Foreign Office Architects (1, 3, 8–9), Satoru Mishima (2, 5, 10), Toni Cumella, Ceràmica Cumella (4, 6–7) 158–161 Peter Lynch (1–10) 162–165 Nathan Craven (1–11) 166–169 Sauerbruch Hutton (1, 12), © Wa Wettbewerbe aktuell (2), Jan Bitter (3), © Sauerbruch Hutton (5), Frank Kaltenbach, München (6–7, 10–11), Andreas Lechtape (8, 13–14) 170–171 Boston Valley Terra Cotta (1, 3–4, 7), Government of Alberta, Ministry of Infrastructure (2, 5, 6) 172–175 Barkow Leibinger (1–2, 6–8, 10), Amy Barkow (4, 5, 9), David Franck, Ostfildern (11) 176–179 Pol Femenias, FEM Architecture (1–2, 4–8, 10–11), Guillem Olivares/Marc Morales (3, 9, 12) 180–183 Campos Costa Arquitectos (1, 8), Daniel Malhao, Tile of Spain Awards (2, 9), Toni Cumella, Ceràmica Cumella (3–7, 14), Campos Costa Arquitectos (8, 11), Radek Brunecky, Tile of Spain Awards (12–13) 184–187 Bierman Henket Architects (2, 4–5, 7–8), Joep Jacobs (3, 6, 10), Pedro Sluiter (9) 189 Olga Mesa (1) 191 Amanda Lee (3) 194–195 Kelly Winn (1–4) 196–197 Andreas Trummer (1), Stefano Andreani (2), Felix Raspall (3), © DecorativaCumella (4), Bambolina (5) 198–199 Petr Krejčí (1-5) 200–201 Marjan van Aubel (1–5) 202–203 Heamin Kim (1), Jared Friedman (2), Jonathan Grinham (3-4), Olivier van Herpt (5–6), C. Wang, H. Cheng und A. Baquerizo (7) 204–205 Rosie Kotelova (1, 5), Cat Callaghan (2), Felix Raspall (4a, b) 207 THE SIZE (alle) 208 Laufen Bathrooms AG (Hochfestes Porzellan), © Ceracasa Cerámica (Bioaktive Keramik) 209 Cerámicas Aparici (UP), Land Porcelanico (STAR) 210 Inalco Cerámica (Transluzentes Porzellan), La Castellamonte Stufe-Italy (Modularer Keramikofen) 211 Daniel Becker (Berlin Ofenkacheln), La Castellamonte Stufe-Italy (Keramos-Schränke), © Ceracasa Cerámica (Inkjet-Druck), 212 Emozzioni by Titanium (Physikalische Gasphasenabscheidung) 213 Pamesa Cerámica (Lasergravur), Fireclay Tile, www.fireclaytile.com (Recyclingfliesen), Vicente Sarrablo (Vormontierte Systeme) 214 Boston Valley Terra Cotta (Verbundsystem), Terreal Terra Cotta (Keramiklamellen-System) 215 Panotron AG (Solar-Dachziegel), Markus Bstieler (Garderobe aus Keramik) 216 Terreal Terra Cotta (Keramik zur Schalldämpfung), Brancós Ceramics (Fliese für industrielle Anwendungen), Pamesa Ceramica (Material-Mimicry)