Karfreitagszauber: Wagners ‚Parsifal‘ und die europäische Lesekultur des Industriezeitalters (1857–1918) 3447121092, 9783447121095

Richard Wagner (1813–1883) spiegelte in seiner letzten Oper Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel sein Jahrhundert mit allen

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German Pages 326 [331] Year 2023

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Table of contents :
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Titelseiten
Inhalt
I Mythos, Gral und Meister
II Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht
Vorspiel
„Der allerheiligste Charfreitag“
Cherubinis ‚Abenceragen‘
Zur Kritik der Cosima-Tagebücher
Bibliotheken
Roms Glaube ohne Worte
Die verborgenen Quellen
Bibellektüre
Der Kosmos des ‚Parsifal‘
III ‚Parsifal‘-Publizistik
Vorbemerkung
Die autorisierten Erstdrucke
Die Genese des ‚Bayreuther Gedankens‘
Friedrich Nietzsche
Reaktionen auf die Uraufführung
Bibliophiles
,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900-1914)
Nach der Freigabe
Kriegsjahre
IV Literaturverzeichnis
Annotierte Bibliographie
Sonstige Literatur
Abbildungen
Personenregister
Recommend Papers

Karfreitagszauber: Wagners ‚Parsifal‘ und die europäische Lesekultur des Industriezeitalters (1857–1918)
 3447121092, 9783447121095

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eiträge zum Buch- und Bibliothekswesen

Arno Mentzel-Reuters

Karfreitagszauber Wagners ‚Parsifal‘ und die europäische Lesekultur des Industriezeitalters (1857–1918)

Harrassowitz Verlag

© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12109-5 - ISBN E-Book: 978-3-447-39465-9

Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen Herausgegeben von Michael Knoche und Sven Kuttner Band 71

2023

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12109-5 - ISBN E-Book: 978-3-447-39465-9

Arno Mentzel-Reuters

Karfreitagszauber Wagners ‚Parsifal‘ und die europäische Lesekultur des Industriezeitalters (1857–1918)

2023

Harrassowitz Verlag · Wiesbaden

© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12109-5 - ISBN E-Book: 978-3-447-39465-9

Abbildung auf dem Umschlag: Bernd Steiner ‚Karfreitag‘ (Stadttheater Bremen, 1914)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at https://dnb.dnb.de.

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter https://www.harrassowitz-verlag.de © Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung in elektronische Systeme. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Verarbeitung: Memminger MedienCentrum Printed in Germany ISSN 0408-8107 eISSN 2702-8097

ISBN 978-3-447-12109-5 eISBN 978-3-447-39465-9

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Wer so fragt, und vergebens fragt, der wird sich nach der Zukunft umsehen müssen; und sollte sein Blick in irgendwelcher Ferne gerade noch jenes ‚Volk‘ entdecken, welches seine eigne Geschichte aus den Zeichen der Wagnerschen Kunst herauslesen darf, so versteht er zuletzt auch, was Wagner diesem Volke sein wird: – etwas, das er uns allen nicht sein kann, nämlich nicht der Seher einer ­Zukunft, wie er uns vielleicht erscheinen möchte, sondern Deuter und Verklärer einer Vergangenheit. [Friedrich Nietzsche: Richard Wagner in Bayreuth.]

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Inhalt I  Mythos, Gral und Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II  Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorspiel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Der allerheiligste Charfreitag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cherubinis ‚Abenceragen‘ .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Kritik der Cosima-Tagebücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliotheken .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roms Glaube ohne Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verborgenen Quellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibellektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kosmos des ‚Parsifal‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 19 26 29 39 46 61 72 87

III ‚Parsifal‘-Publizistik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die autorisierten Erstdrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Genese des ‚Bayreuther Gedankens‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen auf die Uraufführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliophiles .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach der Freigabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriegsjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 121 124 138 159 165 174 183 214 224

IV Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Annotierte Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Sonstige Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12109-5 - ISBN E-Book: 978-3-447-39465-9

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I  Mythos, Gral und Meister Eine buchwissenschaftliche Untersuchung zu Wagners letztem Bühnenwerk ist nicht selbstverständlich: Ein Werk der Orchestermusik und der Bühne realisiert sich in der Aufführung, nicht im graphischen Reproduktionsmedium. Wenn hier zudem mit den Mitteln der Leseforschung gearbeitet werden soll, scheint die Unangemessenheit der Methodik auf der Hand zu liegen – zumal die Buch- und Leseforschung sich mit den Musikalia immer schwergetan hat, weil sie sich einen eigenen Weg durch die Medienkultur gesucht haben. Dabei wurden, als Wagner seine ersten Skizzen zum ‚Parsifal‘ machte, auch gedruckte Bücher und politische Pamphlete für Aufführungssituationen gemacht, nämlich für den Vortrag bei familiären oder politischen Leseabenden, wie sie nicht zuletzt Richard Wagner selbst (nicht immer zur Freude seiner Gäste) zeit seines Lebens gestaltete. Dennoch gilt: Der ‚Parsifal‘ entstand aus dem Lesehunger eines Autodidakten und mündete in eine Bücherflut, die in immer neuen Variationen seine besondere Stellung speziell auf der Bühne und allgemein in der Entwicklung, ja Sendung, der deutschen Kultur beleuchten sollte. Dieses Buch widmet sich beiden Phänomenen – der Entstehung des Sakralspiels und seiner publizistischen Betrachtung und Vermarktung, die nach Wagners Tod ungeahnte Dimensionen erreichte. Wagner und die Bücher, das war und blieb ein zwiespältiges Verhältnis. Seine weit schweifenden theoretischen Schriften lassen früh schon den Autodidakten erkennen, der hungrig nach allem Lesbaren griff, wo immer er es finden konnte; und er selbst sorgte sich ängstlich darum, dass und in welcher Gestalt seine ‚Gesammelten Schriften und Dichtungen‘ dem Volk präsentiert wurden, das er damit beglücken und anspornen wollte. Dabei griff er selbst nicht nur nach kulturell hochstehenden Publikationen, auch wenn seine Adepten dies glauben machen wollten. Oft benutzte er auch ephemeres Schrifttum und bediente sich apokrypher Quellen. Allerdings versuchte er das zu verleugnen und sich stattdessen auf schriftlose Inspiration zu berufen. Seine Bühnenwerke verleugnen daher die Bücher, ja die gesamte Schriftlichkeit, zugunsten von magischen Objekten und Symbolen. Mit diesem Zwiespalt von Lesehunger und Bücherverachtung stand Wagner in seiner Zeit nicht alleine. Der bürgerliche Intellektuelle und der bürgerliche Künstler des 19. Jahrhunderts lebten in einer Welt voller Bücher. Aber spätestens seit dem ‚Sturm und Drang‘ gaben viele von ihnen vor, diese staubige Bücherwelt zu hassen und stellten ihr ein Leben mit unmittelbarem Zugang zur Natur gegenüber. Parallel dazu war nicht das intellektuell erarbeitete und rational fundierte Wissen das höchste Ziel geistiger Tätigkeit, sondern die Erkenntnis eines irrationalen

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Mythos, Gral und Meister

‚Ur-Wissens‘. Man suchte es in den Anfängen der Menschheit. In der industrialisierten Welt des 19. und 20. Jahrhunderts schien sich nur ein fernes Echo erhalten zu haben in Form von Mythen, denen die naturferne und technologiegläubige Zivilisation empfindlich zusetzte. In dieser Vorstellung verbirgt sich das Paradox ­eines intellektuellen Schamanentums mitten im Industriezeitalter, dessen explizite Bücher- und Bildungsfeindlichkeit ohne Schnellpressen und Kleinschrifttum wirkungslos geblieben wäre. In mythischer Selbstverkleidung war Wagner altdeutsch der ‚Meister‘, aber sein reales Leben und Schaffen gestaltete sich nicht als Offenbarungszyklus, sondern als Ausfluss der Lesewut. Wagner erlangte sein Wissen, seine Motive und Erzählkerne wie jeder andere Zeitgenosse aus der Lektüre, primär aus Büchern. „Zu Hause treffe ich R. lesend“1, notierte die heimkehrende Cosima noch 1882. Wagner selbst litt durchaus an dieser Bindung an die Bücher, die er aber nie lösen konnte. Ich fühlte von je, und namentlich am Stärksten auch in der letzteren Zeit, das Bedürfnis, aus dem bloßen Bücher- und Gedankenleben, das für mich so verzehrend ist, herauszugehen um mich noch einmal in der Welt etwas umsehen zu können.2 So waren es die Schriften der Romantiker und der jungen Altgermanistik, die Richard Wagner auf das Mittelalter zurückzublicken lehrten. Wagner hat viel darangesetzt, diesen Zug seines Schaffens zu verschleiern und mehr noch daran gesetzt, die Herkunft mancher seiner philosophischen und literarischen Motive unkenntlich zu machen, schon vor seinem engsten Kreis, selbst vor seiner Cosima, vielleicht sogar vor sich selbst. Die Stilisierung des ‚Karfreitagserlebnisses‘ von 1857 zur mystischen Schau, der die Idee zu einem Weihfestspiel über Parzival/Parsifal entsprungen sein soll, gehört dazu.3 Er soll zeigen, dass das Werk ihm offenbart wurde, es erscheint als lebendiger Geist und nicht etwa als tötender Buchstabe gemäß der Unterscheidung, die der Apostel Paulus im zweiten Korintherbrief macht.4 Dieser neutestamentarischen Antagonismus war zwar von Paulus selbst nicht als radikale Ablehnung der Heiligen Schrift oder gar der Schriftlichkeit überhaupt gemeint, passte aber für Wagner und seine Zeitgenossen zu einer schwärmerischen und vor allem industrialisierungsfeindlichen Weltauslegung. Noch weniger wollte der Psalmist im Angesicht Gottes mit dem Vers 70,15 „non cognovi littera1 Cosima-Tagebücher 2, S. 1020 zum 10.10.1882. 2 Wagner SB Bd. 3, S. 296. 3 Vgl. dagegen Wolfgang Golther in seiner Einleitung zur Ausgabe des Briefwechsels Wagner-Mathilde Wesendonck (1908): „Vor ihm schwebte das Bild des Gekreuzigten; und Wehr und Waffen der philosophisch geklärten Weltkritik, der historisch geschärften Weltverachtung, die legte er still zur Seite. Der Dichter des Wotan, der Sänger des Siegfried, der Denker des Buddha, – er erfuhr an sich den schöpferisch bestimmenden Eindruck des heiligen Karfreitagswunders; er entwarf die erste Skizze des Dramas vom ‚Parzival‘ “ (Wagner BW Wesendonck, S. 18). 4 2 Cor 3,6.

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turam“ der­gleichen aussagen.5 Dennoch aber sind beide Bibelstellen zu Klassikern der Bildungsfeindlichkeit geworden. Lange vor den bibliophobischen Monologen in Goethes ‚Faust‘ über den „Bücherhauf, /den Würme nagen, Staub bedeckt“6 und vor der Romantik7 hat Wolfram von Eschenbach sich ihrer bedient. Das wurde von den frühen Germanisten als Zeugnis altdeutscher Ritterschaft mit Wohlwollen zur Kennt­nis genommen und musste umso mehr Wagner beeindrucken, der Wolframs ‚Par­zival‘ zu seinem letzten Bühnenwerk umgestaltete.8 Die Buchgelehrsamkeit wurde von Wolfram, so scheint es, geradezu zum Popanz gemacht, und wer in diesem deutschen Mittelalter das Gegenbild zur Industriegesellschaft suchte, musste es ihm wohl oder übel gleichtun. „Ritterschaft“ ist seine Sache („schildes ambet ist mîn art“), erklärt er im ‚Parzival‘ (Pz 115,11) und fügt untere Benutzung der seinen Zu­hörern aus der Liturgie wohl bekannten Psalmenstelle hinzu: Er, Wolfram, sei jemand, der an rittschaft nâch minnen zilt. […] swer des von mir geruoche, der zels ze keinem buoche. ine kann decheinen buochstab. dâ nement genuoge ir urhap: disiu âventiure vert âne der buoche stiure. (Pz. 115, 20; 24–30) Er legte im Prolog zu seinem zweiten Epos, dem ‚Willehalm‘, noch einmal nach: „Swaz an den buochen stât geschriben, / des bin ich künstelôs beliben“ (Wh 2,19–21). Mit diesen Bekenntnissen tut sich die Forschung bis heute schwer9, denn es schien unglaubhaft, dass Wolfram wirklich ein dezidierter Verächter der Bücher war – und ausgerechnet der Psalter diente im Mittelalter auch als erstes Lesebuch. Leicht konnte man sich darüber einigen, dass Wolfram eine Antithese zu Hartmann von

5 Es ist von der göttlichen Gerechtigkeit die Rede, für die der Psalmist keine Worte findet. In der Lutherbibel (Ps. 71,15): „Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit, täglich deine Wohltaten, die ich nicht alle zählen kann.“ 6 Faust V. 402 (Goethe MA 6,1 S. 546). Man beachte aber, daß Mephisto dagegen hält: „verachte nur Vernunft und Wissenschaft, / des Menschen allerhöchste Kraft,/ laß nur in Blend- und Zauberwerken /  dich von dem Lügengeist bestärken“ (V. 1851–1854). 7 Vgl. Hörisch, Erlösung, aber auch den (dort nicht genannten) stärker differenzierenden Aphorismus von Novalis: „Der Buchstabe ist – was ein Tempel oder Monument ist; ohne Bedeutung ist es freilich tot – (Über die Verwandlung des Geists in Buchstaben) Es gibt geistvolle Historiker des Buchstabens – philologische Antiquare. (Der Antiquar ist eigentlich ein Restaurator des Buchstabens – ein Auf­erwecker desselben. Nutzen des Buchstabens.)“ zitiert nach: Novalis, Fragmente und Studien Nr. 103, ed. Schulz S. 536. 8 Zusammenfassend: Buschinger, Mittelalter, S. 130–148. 9 Vgl. Bumke, Wolfram von Eschenbach S. 5–9. Noch immer im Zentrum der Diskussion steht der Aufsatz von Eggers, Non cognovi litteraturam.

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Aue setzen wollte, der im Prolog des ‚Armen Heinrich‘ über sich schrieb, dass er „so geleret was, / daz er an den bouchen las“ (AH 1–3)10 – aber was für uns heute als ironische Verzerrung eines Bekenntnisses zur Schriftlosigkeit mittels eines Zitates aus der Schrift erscheint, war dem Mittelalterforscher zu Wagners Zeit ein authentisches Zeugnis lebhafter Verachtung der Bücherwelt. Die Romantik nahm so etwas ernst! „Worte, Worte – und endlich Buchstaben und wieder Buchstaben, aber kein lebendiger Glaube!“ so leitet Wagner 1879 eine heftige Attacke gegen den Journalismus ein.11 Mit Ausnahme der ‚Meistersinger‘ und hier vor allem des Hans Sachs sind die Personen in Wagners Bühnenwerken ausnahmslos Analphabeten. Falls sie (wie Wotan und – durch ihn – Brünnhilde12) lesen können, so zeigen sie es nicht. Und selbst in den ‚Meistersingern‘ mit dem „alten Buch, vom Ahn vermacht“ oder der „Stadt- und Weltchronik“ ist nicht von ungefähr der Stadtschreiber der Inbe­griff des Dilettantismus und des Reaktionären13, ist der Buchstabe der Tabulatur tödlich, während Vögel, Holderbusch („Flieder“) und Träume von Liebe sprechen und das Dichten lehren, also jene Kunst, die alleine – nach Sachsens Schlussansprache – „deutsch und ächt“14 ist. Obwohl er selbst sein Wissen durch endlose Bücherstudien gewonnen hat, erscheint Wissen in Wagners Werken mündlich verankert und heißt darum oft auch „Kunde“. Immer muss jemand stehen bleiben und darüber berichten, wie alles war und gelegentlich auch wie alles wird15 – nachlesen kann man es in Wagners Bühnen­kosmos nicht. Tannhäuser und Wolfram zeichnen ihre Lieder nicht in Codices auf, König Heinrich spricht Recht durch Gottes Beistand, aber ohne Konsultation eines Corpus iuris. Tristan schreibt keine Liebesbriefe und führt auf Kareol kein Tagebuch für Isolde. Wotan ritzt zwar Runen in seinen Speer, aber niemand liest sie. Ein anderer Runenzauber

10 Fast wörtlich wiederholt im Iwein-Prolog: „ein rîter, der gelêret was, / unde ez an den buochen las“ (Iw 21 f.) 11 Wagner, SuD 10, S. 133 (‚Wollen wir hoffen?‘ von 1879). 12 Die es freilich aufgibt: „Gab’st du nun hin dein heiliges Wissen, / die Runen, die Wotan dich lehrte?“ (Wagner, SuD 2, S. 185). Diese Stelle aus ‚Siegfrieds Tod‘ wurde allerdings nicht in die ‚Götterdämmerung‘ übernommen. Ohnehin ist fraglich, ob Runen bei Wagner überhaupt Schrift sind. 13 Hierzu heißt es in der für die Adaptation des Gralsstoffes bedeutsamen ‚Wibelungen‘-Schrift (Erstdruck 1850): „Das Volk ist somit in seinem Dichten und Schaffen durchaus genial und wahrhaftig, wogegen der gelehrte Geschichtsschreiber […] ohne das Band der wesenhaften Volksallgemeinheit nach dem unmittelbaren Ausdrucke desselben zu erfassen, pedantisch unwahrhaftig ist, weil er den Gegenstand seiner eigenen Arbeit selbst nicht mit Geist und Herz zu verstehen vermag und daher, ohne es zu wissen, zu willkürlicher, subjektiver Spekulation hingetrieben wird. Nur das Volk versteht sich selbst […] während der gelehrte Schulmeister des Volkes sich vergeblich den Kopf zerbricht, um das, was das Volk eben ganz von selbst thut, zu begreifen.“ (Wagner, SuD 2, S. 123). 14 Sachs im ‚Meistersinger‘-Finale, vgl. Wagner, SuD 7, S. 270. Ähnlich Ludwig II. in einem Brief vom 7.10.1867, vgl. Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 4, S. 30. 15 Wagner, SuD 5, S. 261. Erda ist eine romantische Mystifikation dieser Seherin und des Ur-Wissens.

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zwingt das Gold zum Reif keiner kennt ihn; doch einer übt ihn leicht, der sel’ger Lieb’ entsagt16 Diese Runen sind nirgends aufgeschrieben, sie werden nirgends gelesen, die Rheintöchter wissen einfach durch ihren Vater davon. Überhaupt sind „Runen“ im Ring mystische Zauberwerke, aber kein Kommunikationsmittel. Auch ‚Parsifal‘ macht keine Ausnahme: Das einzige Mal, wo im ‚Bühnenweihfestspiel‘ von so etwas wie Schrift die Rede ist, gerät Gurnemanz, der sich stets mündlich artikulierende Garant des Wissens in der Gralswelt, geradezu ins Stammeln: ein sel’ger Schimmer da entfloß dem Grale; ein heilig’ Traumgesicht nun deutlich zu ihm spricht durch hell erschauter Wortezeichen Male17 Diese Stelle ist weniger schwülstig oder albern verkünstelt, als sie dem Leser zunächst erscheinen mag. Auch Wolfram von Eschenbach, Wagners Hauptvorlage, gibt sich hier betont umständlich: „von karacten ein epitafum“ erscheine auf dem Gral (Pz 470,24). Wolframs griechische Fremdwörter erzeugen gelehrte Mysti­fi­ kation. Der Erzähler scheint zu wissen, was ‚karacte‘ und ‚karactia‘ sind – aber woher hat er dieses Wissen – und weiß es auch der Zuhörer? Die Fremdwörter haben darüber hinaus – was Wolfram aber nicht unbedingt wissen konnte – etwas Archaisches, denn im Griechischen hieße dies wörtlich: „Eine (Grab-)Inschrift aus Ritzzeichen“ – und Wagners „Wortezeichen Male“ sind also eigentlich nichts anderes als eine blumige Übersetzung der Wolfram’schen Termini. Das ist hochgradige Büchergelehrsamkeit: griechische Fremdwörter aus einem mittelhochdeutschen Epos werden so übersetzt, dass sie noch chthonischer wirken als die Quelle. Man versteht sofort, dass Gurnemanz nicht aus alltäglichem profanen Umgang wissen kann, was Buchstaben und Inschriften sind. Er scheint sich die Begriffe für das Gralswunder geradezu zu erarbeiten, passende Termini besitzt er nicht dafür. Wie Gurnemanz sich (scheinbar) einer archaischen Sprache, fast der schon von Joseph Görres (1776–1848) und dem Düsseldorfer Gerichtspräsidenten Peter Franz Joseph Müller gesuchten ‚Ur-Sprache‘ bedient18, so erscheint auf dem Gral eine ‚heilige Ur-Schrift‘, die schon für Esoteriker wie Athanasius Kircher 16 Wagner, SuD 5, S. 228. 17 Wagner, SuD 10, S. 333. 18 Er fand 1815 deren reinsten Abglanz in der deutschen Sprache und wies damit Görres zurück, der in seiner ‚Mythengeschichte der asiatischen Welt‘, Bd. 1. Hinterasiatische Mythen, Heidelberg 1810, S. 611 die „Reste der Ursprache“ in China vermutete, wohin sie aus Indien gekommen sei. Wagner greift diese Debatte gelegentlich auf (vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 916 zum 26.3.1882), betont aber den Pazifismus der „Urbevölkerung“, die von „Eroberern“ unterworfen wurde, denen die „Ursprache

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(1602–1680) nur die altägyptischen Hieroglyphen („Wortezeichen“) gewesen sein konnte. Ihre Zeichen bilden keine Inschrift, sondern sind als fließende Vision oder Emanation zu denken („ein sel’ger Schimmer da entfloß dem Grale“), sie sind lebendig wie Mechthilds „fließendes Licht der Gottheit“ oder jene „Flammenschrift“, die Heinrich Heine in seiner Ballade ‚Belsazar‘ beschwört.19 Hier liegt die große Lüge verborgen, der sich der Geniekult des 19. Jahrhunderts nur zu gerne hingab. Dichtersanges Wundermacht schien der Schlüssel zu all dem zu sein. In Wahrheit aber stand hinter allem nur ein „altes Buch, vom Ahn vermacht“20. Schon für Novalis und Joseph Görres schienen Leben und Wissen, Volk und Dichtkunst zwar nicht mehr eins zu sein, wie bei jenem mythischen (bei Wagner meist namenlosen21) Urvolk der Arya. Ein morgentlicher Dialog mit Cosima, der von ihrer Begeisterung für Etymologisches ausging, enthüllt, wie sehr Wagners Vorstellungen von frühromantischen Vorstellungen bestimmt war: und wie ich R. sage, daß ich eine ungemeine Neigung dafür hätte, ja, sagt er, es gibt gleichsam einem jeden seinen Stammbaum, wenn man sich Rechenschaft gibt, woher man kommt, dadurch, daß man weiß, was man sagt. Und es stellt gewissermaßen die Niedrigen über den Adel, der, aus Eroberern bestehend, der Ursprache fremd war. Das bringt uns auf das Thema der Urbevölkerung; wenn ich auch wohl verstehe, daß die Zivilisationen von räuberischen Menschen gestiftet wurden, so leuchtet es mir doch nicht ganz ein, daß die Urbevölkerungen gut gewesen seien. R. sagt: „Doch, sie bebauten den Acker; und Humb[oldt] hat recht, wenn er behauptet, der Mensch, der die Sprache erfunden hat, müsse sanft gewesen sein.“22 Jetzt, am Ende seines Lebens, sah Wagner dieses Volk „in den kälteren Thälern der Hochgebirge des Himalaya, durch Viehzucht und Ackerbau sich ernährend“, aber doch noch näher bei einander, noch mit der Kraft der vermeintlich aus dem Volke strömenden Sage gezeichnet.23 Da Wagner sich als Vollstrecker dieser Urkraft sah, durfte er selbst nicht wie ein Bücherwurm, gar ein „Stadtschreiber“ erscheifremd war“. Hintergrund sind Ausführungen in ‚Heldenthum und Christenthum‘ (Wagner, SuD 10, S. 281). 19 Dafür gibt es ein Gegenstück bei Wolfram. Flegetanis, auf den Wolfram das von seinem Gewährsmann Kyot gewonnene Gralswissen zurückführt, sah am Sternenhimmel „verholenbæriu tougen“, also geheimnisvolle Geheimnisse, „dâ von er blûweclîche sprach“. (Pz 454,19 f.) 20 Wagner, SuD 7, S. 178. 21 Von der ‚arischen Race‘ spricht Wagner erst nach der Gobineau-Lektüre in dem Traktat ‚Heldenthum und Christenthum‘ (Wagner, SuD 10, S. 278, vgl. auch ebd. S. 281, wo aber das Urvolk wieder Opfer einer Unterwerfung wird). 22 Cosima-Tagebücher 2, S. 916 zum 26.3.1882. 23 Dies ist keine Erkenntnis der Spätschriften. Schon in den ‚Wibelungen‘ von 1848 heißt es: „Ihre Herkunft aus Osten ist den europäischen Völkern bis in die fernsten Zeiten im Gedächtniß geblieben: in der Sage, wenn auch noch so entstellt, bewahrte sich dieses Andenken.“ (Wagner, SuD 2, S. 115–116.)

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nen. Das ist aber Selbstinszenierung. So war ‚Parsifal‘, mehr noch als die anderen Bühnenwerke Wagners, eine der „Erfindungen der Intelligenz“24, ein Produkt von schier endloser Lektüre, über deren Ausmaße sich diejenigen, die darin eine Botschaft aus den Urgründen der Welt erahnen wollten, keine Vorstellung machten und auch gar nicht machen sollten. Dass seine willkürlichen Eingriffe „nur die Ausbeutungen, Ableitungen, ja Zersplitterungen, Verstümmelungen der großen Volkserfindungen“25 revidiere, war die Lüge, die im fingierten Gattungsnamen ‚Bühnenweihfestspiel‘ propagiert wird und dem Publikum durch die Illusion einer natur- und volksnahen Ursprünglichkeit die dahinter stehenden zeitgenössischen Interessen verschleierte und durch eine vordergründige Sakralisierung die ideologische und wirtschaftliche Vermarktung des Werkes in Bayreuth förderte. Diese allgemeinen bildungs- und buchfeindlichen Züge des romantischen Künstlertums verstärkten sich durch den Kontakt mit den mittelalterlichen Gralsromanen. Obschon aus heutiger Sicht die unter diesem Begriff zusammengefassten Werke unterschiedlicher nicht sein könnten, entstand doch bei ihrer Rezeption im 19. und frühen 20. Jahrhundert das Forschungskonstrukt einer über mehr als 1000 Jahre kohärenten ‚Gralssage‘. Es hat nicht unerheblich zu den grotesken und bizarren Debatten über ‚Parsifal‘ und den ihm (bzw. den Bayreuther Festspielen) zukommenden Status beigetragen, die ich im dritten Teil dieser Arbeit behandeln werde. Die mittelalterliche Überlieferung26 zeigt uns eine Gruppe von teils erotischgalanten, teils symbolistisch-asketischen Romanen, die über Motiv- und Textrezeption nur partiell vernetzt sind und die in keiner Weise auf die Konflikte hindeuten, die den zweiten Akt von Wagners Oper ausmachen. Hier breitet Wagner ohne jedes erkennbare mittelalterliche Vorbild seine eigene Fassung der ‚Gralssage‘ als individuelle Übersteigerung von Sexualphobien aus, die ohne ein Publikum der viktorianischen Epoche kaum als ‚Bühnenweihfestspiel‘ und religiöse Deutung der Welt Erfolg hätte haben können.27 Auch wenn zumindest für ‚Tristan und Isolde‘ wie den ‚Parsifal‘ die Anklänge an Schopenhauer auf der Hand28 liegen, ist der 24 „Nicht Ihr Intelligenten seid daher erfinderisch, sondern das Volk, weil es die Noth zur Erfindung treibt: alle großen Erfindungen sind die Thaten des Volkes, wogegen die Erfindungen der Intelligenz nur die Ausbeutungen, Ableitungen, ja Zersplitterungen, Verstümmelungen der großen Volkserfindungen sind. Nicht Ihr habt die Sprache erfunden, sondern das Volk; Ihr habt ihre sinnliche Schönheit nur verderben, ihre Kraft nur brechen, ihr inniges Verständniß nur verlieren, das Verlorene mühselig nur wieder erforschen können. Nicht Ihr seid die Erfinder der Religion, sondern das Volk; Ihr habt nur ihren innigen Ausdruck entstellen, den in ihr liegenden Himmel zur Hölle, die in ihr sich kundgebende Wahrheit zur Lüge machen können. Nicht Ihr seid die Erfinder des Staates, sondern das Volk“. Wagner in ‚Das Kunstwerk der Zukunft‘ (Wagner, SuD 3, S. 53). 25 Wagner, SuD 3, S. 53. Vgl. Anm. I 24. 26 Klassische Übersicht bei Birch-Hirschfeld und Loomis, den aktuellen Stand gibt Mertens, Gral. 27 Steinacker, Erlösung S. 120 spricht unter Berufung auf vorangehende Literatur gar vom „Versprechen eines nachgestellten Inzests“. 28 Vgl. Berger, Regenerationsfrage S. 12: „Sexuelle Begierde war, wie wir wissen, für Schopenhauer die zentrale Manifestation des noumenalen Willens in der Welt der Erscheinungen. Auch im ‚Parsifal‘ kann Sexualität verstanden werden als ein Sinnbild (pars pro toto) des Willens. Hier liegt der ent-

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Grundkonflikt schon lange vor der Schopenhauer-Lektüre für die Handlung des ‚Tannhäusers‘ konstitutiv. So lieferte Schopenhauer eher einen theoretischen Überbau für ein persönliches Problemfeld, das ich in Übernahme eines Ausdrucks der damaligen Psychiatrie als Wagners ‚Psychopathia sexualis‘ bezeichnen möchte. Es ist dies der Titel einer seinerzeit vielbeachteten Abhandlung des Gerichtsmediziners und Psychiaters Richard von Krafft-Ebing (1840–1902), die bis 1924 17 Auflagen erhielt. In der ersten Auflage von 1886 beschreibt Krafft-Ebing die krankhafte Steigerung des Geschlechtstriebs („Hyperästhesie“) als unmittelbare Folge des Ringens um Heiligkeit und Reinheit: Mit einer neuropathischen Constitution ist häufig ein krankhaft gesteigertes geschlechtliches Bedürfniss verbunden, und derlei Individuen tragen einen grossen theil ihres Lebens schwer unter der Last dieser constitutionellen Anomalie ihres Trieblebens. Die Gewalt des Sexualtriebs kann bei ihnen zeitweise geradezu die Bedeutung einer organischen Nöthigung gewinnen und die Willensfreiheit ernstlich gefährden. Die Nichtbefriedigung des Drangs kann hier eine wahre Brunst oder eine eine mit Angstempfindungen einhergehende psychische Situation herbeiführen, in welcher des Individuum dem Trieb erliegt und seine Zurechnungsfähigkeit zweifelhaft wird. 29 Darüber hinaus haben die Männerbündelei der Gralsritter und die partiell misogyn angelegte Gestalt der Kundry zu Spekulationen über eine kaum mehr latente Homosexualität angeregt, in die natürlich auch der denkbare Einfluss Ludwigs II. einbezogen wurde30. Dass wir es bei dieser Handlung des ‚Parsifal‘ nicht mit einem ‚uralten‘ Thema, sondern einem in die Vergangenheit projizierten Problem des ‚fin de siècle‘ zu tun haben, wird erkennbar aus der Dialektik des schönen Scheins und seiner Zerstörung, die dem Mittelalter völlig fremd war, und die im Wagner’schen Werk zum asketischen Angelpunkt wird, schon im ‚Tannhäuser‘ aber vor allem im ‚Parsifal‘: Dieser Gegengruß ist aber der Dank für den Traum und dessen Zerstörung zugleich, und die Askese, die Tannhäuser um der Freiheit willen auf sich nimmt, kehrt sich endlich gegen diese. Mit seinem Anruf der Jungfrau Maria zerstört er das Bild des Schönen, das mehr verspricht als bloß Gewesenes, und wenn der heilige Speer phantasmagorisch innehält über Parsifals Haupt, so nutzt er ihn zum Fluche: „In Trauer und Trümmer stürz’ er die scheidende Wert der sexuellen Enthaltsamkeit im Drama, das die Entsagung ins Zentrum seiner Vision von Erneuerung rückt – Entsagung als Selbstüberwindung und Wendung des Willens von egoistischer Begierde zum altruistischen Mitleid.“ 29 Krafft-Ebing, Psychopathia S. 48f., Text in späteren Auflagen erheblich verändert. – Vgl. auch den Bayreuther Apologeten Heinrich Porges, Begründung S. 294. 30 Eröffnet wurden diese Überlegungen von Hanns Fuchs 1903, vgl. Dreyfus, Impulse S. 204–211, Ross, Wagner S. 344–354.

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trügende Pracht!“ Es ist der Fluch jenes Rebellen, der in seiner Jugend die unvergessenen Bordelle stürmte.31 Wagners phantasmagorische Aneignung der ‚Gralssage‘ nimmt ihre Erzählkerne aus der im 19. Jahrhundert sehr lebendigen zeitgenössischen Forschung sowohl an den französischen wie an den deutschen Gralromanen des Mittelalters, die sich angesichts der immer stärker empfundenen Fremdheit in der sich industrialisierenden Welt auf die Suche nach dem machte, was zuvor – scheinbar – Mensch und Kosmos verbunden hatte. Die Rückkehr in den Schoß einer alleinseligmachenden Kirche war jedoch ausgeschlossen, auch wenn es sich um eine Heilsoption handelte, die im Mittelalter selbstverständlich und omnipräsent war. Wegen dieses religions­ geschichtlichen Defizits konnte die mittelalterliche Erzählwelt alleine nicht genügen; es musste auf eine vor-christliche, ja vor-geschichtliche Welt zurückgegriffen werden, die zudem den Vorteil bot, dass sie keine schriftliche Überlieferung hinterlassen hatte, die das eigene Wunschbild gestört hätte. Diese Forschung verstand sich ja auch nicht als Literaturwissenschaft, sondern als ‚Germanistik‘, d. h. der Kunde von der vermeintlich authentischen, nicht-entfremdeten Welt der germanischen Vorzeit, für die schon Joseph Görres mit der Fiktion des am Himalaya wohnenden wahren kulturschöpfenden Volkes (die ‚Arier‘) experimentierte und damit den Weg öffnete, sämtliche Religionen der Welt so zu montieren, wie man sie sich als Ursprung aller Kultur wünschte. Bemerkenswert ist, dass dieses intellektuelle Konstrukt nicht nur geglaubt wurde, sondern gerade wegen seiner Volte ins Pseudo-Religiöse unter den Eliten des Wilhelminischen Reiches fanatische Begeisterung auslöste. Für mindestens zwei Generationen von Germanisten nach Wagner war damit – ausgesprochen oder unausgesprochen – mediävistische Gralsforschung eigent­lich eine Auseinandersetzung mit Wagners ‚Parsifal‘. Die internationale Forschung hat seit dem frühen 19. Jahrhundert viel Zeit und Energie darauf verwendet, den Gral in seinen prähistorischen und vorschriftlichen Anfängen dingfest zu machen. Alle Versuche – gleich ob auf eine ‚arische‘ oder eine weniger spektakuläre ‚keltische‘ Ableitung zielend – führen uns zu halluzinatorischen Wunscherfüllungsphantasien32, die wir einer bronzezeitlichen Agrargesellschaft unterstellen, die aber mehr noch modernen Bedürfnissen entsprechen: Ein unter mancherlei Namen beschworenes Gefäß, das nie leer wird, und ein Speer, der nie im Kampf versagt, bilden den ersehnten Kontrast zu der allgegenwärtigen Bedrohung durch Hunger und Gewalt. Die bronzezeitliche Historizität dieser Konstrukte ist jedoch nicht beweisbar. Vielmehr muss die Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs aufgeboten werden, um diese Ableitung zu legitimieren. Sie greift aber ihrerseits wieder auf den Volksbegriff zurück, den die Mythenforscher seit Görres verwenden, verschleiert also abermals den Warencharakter der Kunst durch Ar31 Adorno, Musikalische Monographien S. 91. 32 Mertens, Gral S. 15.

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chaisierung. Begreift man eine jede Gralserzählung bis hin zu Wagners ‚Parsifal‘ unter diesen Voraussetzungen, kann der Diskurs den Prinzipien der Literaturgeschichte folgen. Begreift man aber den ‚Gralsmythos‘ als ursprüngliche kollektive Wahrheit und als Quelle eines esoterischen Wissens, ist der wissenschaftliche Diskurs außer Kraft gesetzt. Doch ganz gleich, wie man die Historizität bronzezeitlicher oder keltischer Traumbilder werten mag: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass vor dem altfranzösischen Dichter Chrétien de Troyes – d. h. im späten 12. Jahrhundert – das Wundergefäß mit der Geschichte des törichten Jünglings (Dümmlings) verbunden wurde, der zum Retter einer gestörten („verzauberten“) Gesellschaft aufsteigt. Der bretonische ‚Peredur‘ könnte zwar der Vorlage nahe kommen, der Chrétien de Troyes im 12. Jahrhundert die Gralsgeschichte entnahm – aber es war eine naive Märchengeschichte vom Typus der ‚goldenen Gans‘ oder der ‚Bienenkönigin‘ bei den Brüdern Grimm.33 Die Faszination um den Gral entstand in der galanten hochmittelalterlichen französischen Adelskultur aus dem ‚Perceval‘ Chrétiens de Troyes, der gerade kein Mythos ist, sondern ein erfolgreicher Roman, der dann unter Titeln wie ‚Perlesvaus‘ oder ‚Parzival‘ modernisiert und neu konzipiert wurde. Chrétien verwendet für das Wundergefäß, das zur Bewährungsprobe für seinen Helden wird, ein aus der südlichen Romania (d. h. Okzitanien oder Navarra) stammende Lehnwort ‚Graal‘ bzw. ‚Graus‘ – was nichts anderes bedeutet als ganz banal ‚Trinkgefäß‘34, auch wenn es im Norden Frankreichs geheimnisvoll klang.35 Wolfram von Eschenbach fand vor Wagners Augen jedoch wenig Gnade. Er tat etwas, was mit der Unmittelbarkeit des Erlebens unvereinbar war, die Wagner im Sinne der Romantik in seinem Gesamtkunstwerk anstrebte: Er relativierte das Mysterium des „heiliges Dings“. Das esoterische Geheimnis des Grals kann man wie Robert de Boron sehr nah an die Eucharistie rücken (‚mysterium fidei‘) oder aber mit beliebiger, ja sogar grotesker, Esoterik füllen. Letzteres tat Wolfram, indem er als Quelle eine verlorene (wo nicht fingierte) angevinischen Chronik anführte, die ihr Gralswissen von einem Halbjuden namens Flegetanis bezogen habe, der all dies in einer arabische Schrift in den Sternen gelesen haben wollte (Pz 453,20–455,1). Diese Angaben schaltet Wolfram in den Bericht über das Gespräch des Einsiedlers Trevrizent – der bis zur Unkenntlichkeit in Wagners Gurnemanz aufging – mit Parzival ein und verschachtelt damit den Zugang zum höheren Wissen. Als Bruder des Gralkönigs hätte Trevrizent selber keine Sternenschrift benötigt, er kannte Gral und Gralserzählungen aus eigener Anschauung. Dennoch läßt ihn Wolfram

33 Vgl. den Schluß des Märchens von der Bienenkönigin: „Da war der Zauber vorbei, alles war aus dem Schlafe erlöst und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder. Und der Dummling vermählte sich mit der jüngsten und liebsten Königstochter und ward König nach ihres Vaters Tod; seine zwei Brüder aber erhielten die beiden andern Schwestern.“ 34 So bereits Sterzenbach, Gral im Jahr 1908 (S. 18 f.), der allerdings eher von einem Tragaltar ausgeht. 35 Lejeune, Préfiguration du Graal.

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zu einem Buch greifen – nur um die zeitliche Dimension der Gesamthandlung zu erläutern, muss er seinen Psalter aus der Höhle holen. Diese einzigartige Verflechtung von vorsichtiger Ironie und Phantastik war nichts für Wagner. Gerade in der Karfreitagsszene ist alles anders als bei Wolfram. Dafür steht schon der Psalter, den Trevrizent in seiner Klause aufbewahrt. Es ist die Buchform, mit dem im Mittelalter das Lesen erlernt wurde, und übrigens das einzige Buch, das von Wolfram auf der Handlungsebene erwähnt wird.36 Wagners ‚Parsifal‘ hingegen kennt überhaupt keine Schriftlichkeit, und das ist signifikant für den Anspruch auf Offenbarung, den das ‚Bühnenweihfestspiel‘ erhebt. Die „Wortezeichenmale“ des Grals geben sich zwar als Emanation des christlichen λόγος, aber es ist nicht der Logos nach der rationalen abendländischen Tradition, sondern einer von Wagner erschaffenen privaten Gnosis. Was sich bei Wagner mystisch gibt, ist bei Licht betrachtet die Mystifizierung von eigenen Gedanken, die historisch-kritisch analysiert werden können. Daher sind sie nicht imstande, Anspruch auf Universalgeltung oder dogmatische Unfehlbarkeit zu erheben. Die ‚Parsifal‘-Rezeption hat dennoch vehement auf die Unfehlbarkeit des ‚Meisters‘ plädiert. Wagner hat sich, wider besseres Wissen, nicht dagegen gestellt, und der Erfolg gab ihm recht. Wagner vertrat öffentlich ganz energisch die Ansicht, dass die mythische Ebene seines Librettos in sich ruhe und jeder Interpretation entzogen sei.37 Volker Mertens hingegen betont, dass Wagner „Mythenelemente (Mytheme mit Lévy-Strauss, bzw. Mythologeme mit Kerényi) in andere Zusammenhänge einfügt, um dadurch neue Intentionen zu verwirklichen – ein Verfahren, das mit LeviStrauss als ‚Bricolage‘ bezeichnet werden kann.“38 Doch wird damit eine Heiligkeit des Bühnenwerks impliziert. Sie setzte, begünstigt durch Bismarcks Kulturkampf in den Jahren 1871–1878, eine Abwertung der Amtskirchen voraus, die nicht mehr als Instanz der Heiligsprechung anerkannt wurden39 und durch künstlerische Instanzen ersetzt werden sollten. Wagner wollte der Künstler und der Künder eines Urwissens sein, obschon er den ‚Parsifal‘ Tag für Tag aus der kontinuierlichen Lektüre und aus seinem individuellen Gestaltungswillen produzierte. Und obschon die Tagebücher seiner Frau Cosima überdeutlich zeigen, wie stolz er darauf war, ließ er seine Bayreuther Apostel etwas anderes verkünden. 36 Genau genommen erwähnt Wolfram drei Psalterien: je einen bei der Inkluse Sigune, bei dem Eremiten Trevrizent und bei der Königin Ginover, vgl. Pz 416, 25–27, 438,1 und 664,24. Hierzu mit weiteren Belegen aus der höfischen Dichtung Wolf, Psalter und Gebetbuch S. 143 f. 37 „Der Heilige, durch sein großes Herz, sieht, kann nur in Sinnbildern sprechen, den Sinnbildern der Religion, wer aber das Bild selbst nicht so sieht wie er, kann die Symbole nicht verstehen‘.“ (CosimaTagebücher 1, S. 172.) 38 Mertens, Die Grimms S. 120. 39 Die Ursache für die behauptete Erstarrung von Religion zur Amtskirche wurde – unter Aufnahme markionitischer Theorien – von Schopenhauer und nach ihm Wagner im Einfluß des ‚Alten Testaments’ gesehen, also im Judentum: „Er liest in Strauß‘ Leben Jesu und findet es im ganzen besser, als er es erwartet hatte, nur daß ‚sie unter Gott immer den jüdischen Weltschöpfer verstehen und nicht zugeben, daß das Göttliche sich hier offenbart hat‘.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 141).

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Der Erfolg muss einem bange machen, denn dem vom Text des Librettos völlig abgelösten dogmatischen Denken und dem darauf basierenden Bayreuther Schrifttum folgt schließlich auch Adolf Hitlers oft zitierten Erklärung40 aus dem Jahr 1936: Aus Parsifal baue ich mir meine Religion, Gottesdienst in feierlicher Form ohne theologisches Parteiengezänk. Mit einem brüderlichen Grundton der echten Liebe ohne Demuts-Theater und leeres Formelgeplapper. Ohne diese ekelhaften Kutten und Weiberröcke. Im Heldengewand allein kann man Gott dienen.41 Diese – wenn man es denn so nennen darf – Interpretation ist ebenso weit vom Libretto entfernt wie manche andere Deutung des Werkes und wäre auch, wie die meisten von ihnen, in Vergessenheit geraten, wenn ihr Urheber nicht auch das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts zu verantworten hätte. Wir sehen an vielen Stücken, die hier vorzustellen sind, dass die Verbindungen von Wagner zu Hitler vorhanden sind42, was aber Wagner nicht wirklich zum ‚Vordenker‘ Hitlers macht – ein Attribut, das selbst auf Houston Steward Chamberlain nur bedingt zutrifft. Der Grund dafür ist der humanistische Kern, den Wagners Werk bewahrt, auch wenn er an manchen Stellen von Wagner selbst in gefährlicher Weise bloßgelegt und bedroht wird. Die überlieferten Urteile von führenden Nationalsozialisten wie Rosenberg und Goebbels sind daher – mit Ausnahme Hitlers43 – auch eher verhalten.44 Insbesondere Goebbels zeigte sich auch öffentlich sehr distanziert45. Wieland Wagner seufzte 1942: „Wenn dem Führer etwas passiert, ist es sowieso aus“.46 Suchen wir über den ‚kirchlichen‘ Gehalt hinaus nach einem humanistischen Kern, so gerät man in einen Bereich, in dem ‚Parsifal‘ nicht mythische ‚Weltschau‘, sondern Dokument des Scheiterns einer hermetischen Gemeinschaft ist. Mit An-

40 Vgl. Engels, Wunde S. 48. 41 Frank, Im Angesicht des Galgens, S. 205. Ausführlicher zum Komplex Geiger, Hitler S. 162–166, der aber dieses Zitat nicht anspricht. 42 Hierzu moderat Ross, Wagner S. 620 f, Geiger, Hitler S. 157–161. 43 Zusammenfassend: Friedländer, Hitler und Wagner, S. 171–173; Hamann, Winifred Wagner S. 440–442; Syer, Parsifal on Stage S. 300–306, Berger, Regenerationsfrage S. 8. – Nike Wagner, Wagner Theater S. 224–226 vermutet eine Antipathie Hitlers gegen den ‚Parsifal’, weil er eine „konsequente Entkirchlichung“ gefordert habe. 44 „Mir zu fromm. Und zu pathetisch“ heißt es bei Joseph Goebbels, Tagebuch 21.7.1936; weiteres bei Hamann, Winifred Wagner, S. 440f. Vgl. auch Geiger, Hitler S. 137. – Goebbels hielt den ‚Führer‘ in dieser Frage für isoliert. So stöhnte er 1942, Hitler habe Wieland Wagner damit beauftragt, „einen zeitlosen Gralstempel zu entwerfen! Er will den ‚Parsifal‘ sozusagen gegen seine eigene Partei aufgeführt haben!!!! Jetzt und in den nächsten 20 Jahren wären noch gewisse Rücksichten nötig, später würde das Werk wie die ‚Matthäuspassion‘ zeitlos dastehen!“ (Goebbels, Tagebuch 15.6.1942, hier nach Hamann, Winifred Wagner S. 441.) 45 1933 sah man Hitler und Goebbels gemeinsam in der Bayreuther Aufführung der ‚Meistersinger‘, in derjenigen des ‚Parsifal‘ jedoch war Hitler alleine; vgl. Scheffler, Bayreuther Festspiele 1933, S. 25–64, bes. S. 39 (‚Meistersinger‘) und 44 (‚Parsifal’). 46 Hamann, Winifred Wagner, S. 441.

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leihen bei der Hegel’schen Geschichtsphilosophie unterstellte Wagner dem mythischen Erkenntnisprozess seines Helden und seines ‚Wissens‘ eine dreistufige Entwicklung47 mit erotischer Fixierung48 – und legte damit den Grundstein für seine psychologische Dramenstruktur, insbesondere jene des ‚Parsifal‘. Das ist zeitgebunden, wenn auch auf die Psychoanalyse Siegmund Freuds vorausweisend. Wie bereits im ‚Tannhäuser‘, an dem der alternde Wagner auch dreißig Jahre nach der Dresdner Uraufführung von 1848 noch herumlaborierte, kontrastiert der ‚Parsifal‘ Sexualität mit Spiritualität: Durch mangelnde Beherrschung der eigenen Sinnlichkeit geht dem Gralskönig mit dem Longinusspeer eine der beiden ihm anvertrauten Reliquien verloren; die mit ihm geschlagene Wunde wird zur endlosen Qual und gefährdet die Fortexistenz der Gralsgemeinschaft. Parsifal, ein fern der Zivilisa­tion aufgewachsener „reiner Tor“, gewinnt die Reliquie zurück, obschon es ihm zunächst niemand zutraut: Er sublimiert die Sexualität zur Erkenntnis des Kreislaufs von Leidenschaft und Leiden und wird so zum Erneuerer der Gralswelt. Seinen geistigen Schöpfer aber erhob er damit vom umstrittenen Neu-Töner zum Propheten einer neuen Spiritualität, die eine gereinigte Welt nach dem Industriezeitalter zu versprechen schien. Man hätte auch 1883 bereits bemerken können, dass der ‚Karfreitagszauber‘, der all dies erahnbar machte, für die Vorausahnung einer „entsündigten Natur“ einen bis dahin unbekannten technischen und personellen Aufwand verlangte. Schon aus diesem Grund muss man ihn der Industriekultur zurechnen, die er vorgeblich kritisiert. Auch die Flut von Traktaten, Schriften und Erläuterungsheften, die sich fast ausschließlich mit der Reinigung und Erneuerung von Kultur und Gesellschaft befassten, wäre ohne die neuartigen Schnell- und Rotationspressen nicht denkbar gewesen.

47 Dies geschieht eher beiläufig im Trinkspruch am Gedenktage des 300-jährigen Bestehens der königlichen musikalischen Kapelle in Dresden (1848): „die Periode, welche unsere Geschichtsschreiber als die dritte der Weltgeschichte bezeichnen, indem sie vom Zeitalter der Reformation beginnt, und bis auf unsere Tage führt; es ist dieß die Periode des zu immer deutlicherem Selbstbewußtsein sich entwickelnden Geistes der Menschheit: in ihr suchte sich mit sichererem Wissen der Menschengeist über seine Bestimmung und die fragliche Nothwendigkeit der bestehenden, natürlich gewachsenen Formen des Daseins auf Erden aufzuklären“ (Wagner, SuD 2, S. 229). Dass Hegel auch für den späten Wagner größere Bedeutung besass als allgemein angenommen, zeigt Drüner, Richard Wagner S. 392. 48 Hierzu ausführlich Ross, Wagner S. 327–354, der auch die homophilen Elemente der Gralswelt herausstellt.

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II  Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht Vorspiel ‚Parsifal‘ ist vielschichtiger und heterogener angelegt als die früheren WagnerOpern. Für die beinahe impressionistische musikalische Struktur ist dies mehrfach dargelegt worden. Es gilt jedoch auch für den Text und die parallel zum Werk sich entwickelnde Eigeninterpretation, die teils auf Text und Musik zurückwirkte, teils in einem abstrakten, weltanschaulichen Raum verblieb und die bei Vollendung der Partitur nicht zum Stillstand kam, sondern in die ‚Parsifal‘-Publizistik hineinreicht. Obschon Wagner zu allen Zeiten auf allen Ebenen arbeitete, also während der Textkonstitution durchaus auch an die Komposition dachte, läßt sich doch eine klare geschichtete Werkgenese beobachten. Das hat damit zu tun, dass er seine Werke dem Publikum als Ausdruck kollektiven Wissens und damit unanfechtbarer Wahrheit präsentieren wollte. Sie mussten also als Umsetzung eines unvordenklichen ‚Mythos‘ gestaltet werden1. Da er aber zu diesem gar keinen Zugang hatte (und es diesen vermutlich auch gar nicht gab), musste er mittelalterliche Romane zur Vorlage nehmen und diese so weit umschmelzen, dass sie die Erwartungen an einen ‚Mythos‘ erfüllten. Unter den zehn Bühnenwerken, die in den Bayreuther Kanon Aufnahme fanden, haben daher einzig die ‚Meistersinger‘ einen offenkundig selbstentwickelten Plot, alle anderen basieren auf mittelalterlichen Vorlagen, für die Wagner irgendwann aufgrund von intensiven mediävistischen Literaturstudien den Entschluss zu einer musikdramatischen Aufbereitung gefasst hatte. Erst wenn die Umschmelzung in einen privaten ‚Mythos‘ gewährleistet schien, konnte Wagner sich an die Auffüllung dieses ‚Mythos‘ mit seinen modernen Bedeutungskonstrukten machen, was auch noch kurz vor oder sogar erst während der Komposition weiter geführt wurde. Insofern sind Wagners eigene Werkdeutungen mit Vorsicht zu genießen, da sie in der Regel nachgeschobene Sinnkonstrukte bilden.2 Nora Eckert spricht sogar von einer „Amalgamierung der Quellen“: „Wagner voll1 Die Handlung von Wagners Bühnenwerken ist stets politisch aufgeladen und damit weit entfernt von der „Heterogenität als Essenz des Mythischen“, die Mertens, Die Grimms S. 121 für das Finale der ‚Götterdämmerung‘ reklamiert. 2 Vgl. Drüner, Richard Wagner S. 333 zu ‚Nibelungenlied‘ und ‚Parzival‘ als Vorlagen: „Mythos als Transport­mittel als Schutzschild für verdeckte Aussagen. Insofern hatte auch im 19. und 20. Jahrhundert Mythos als künstlerische Meinungsäußerung große Aktualität, um sich auch in intoleranten Gesellschaftssystemen ausdrücken zu können. Mythos als Schutzschild – selbst vor der Zensur. Das war für Wagner ein Thema. Denn es gab für ihn Gründe, Teile seiner Botschaft nicht offenzulegen.“

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Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht

zog, was Arbeit am Mythos seit jeher bedeutete. Er kleidete den mythischen Kern neu ein, während die urpsrüngliche Funktion des Mythos unangetastet blieb, nämlich Existenz zu begründen, de der Mensch nicht in der eigenen Hand glaubt, wie Hans Blumenberg meinte.“3 Der Entstehungsprozess des ‚Parsifal‘ verlief in einer für Wagner typischen Weise. Aus einem allgemeinen motivgeschichtlichen Interesse, das Wagner rückwirkend mit einem mythisierten autobiographischen Initialerlebnis markierte – nämlich dem ‚Karfreitagszauber‘ auf dem Wesendonck’schen ‚Asyl‘ – entstand eine dramatische Skizze, die vermutlich kaum mehr war als der Entschluss zu einer Oper in drei Akten. Die somit eröffnete erste Phase der Werkgenese bestand in einer Auseinandersetzung mit der gewählten Vorlage, allerdings nicht mittels des mittelalterlichen Originaltextes, sondern auf der Grundlage von Adaptationen des zeitgenössischen Buchmarktes. Die Quelle wurde dabei von Anfang an ‚wagnerisiert‘, d. h. es spielten Sehnsüchte, innere Konflikte und Interessen des ‚Dichterkomponisten‘ prägend mit hinein, wodurch Wagners einzelne Werke auch untereinander im Dialog bleiben konnten. In diese erste Phase gehören die Überlegungen, die Wagner 1858/59 mit Mathilde Wesendonck teilte, die ihn ihrerseits durch die Zusendung der zweiten Auflage von San Martes Ausgabe von Wolframs ‚Parcival‘ unterstützte.4 Im Brief vom 29./30. Mai 18595 kam es zu einem ersten, noch kaum dramatisierten Gesamtentwurf, in dem Wagner darum kämpfte, Wolfram hinter sich zu lassen und nach einer eigenen Version des Stoffs suchte. So feilte er an der gegenüber Wolfram von Eschenbach extrem reduzierten Zahl der auftretenden Personen. Die männlichen Rollen wurden, wie auch im ‚Tannhäuser‘ oder im ‚Ring‘ auf einen Heldentenor und einen Bariton ausgerichtet, von denen der Tenor das revolutionär-leidenschaftliche, der Bariton das schmerzhaft-weltentsagende Element vertrat und beide zusammen zu einem Spiegel von Wagners eigenem Innenleben wurden; hinzu kam eine Bass-Rolle als negatives Spiegelbild des Weltentsagenden (‚Schwarz-Alberich‘ gegen Wotan, Kling­sor gegen Amfortas). Bei den Frauenrollen verfuhr Wagner freier, aber zumindest im ‚Tannhäuser‘ und ‚Lohengrin‘ setzte er auf eine Polarisierung: Der heldenhaften Sopranistin stellte er gewöhnlich eine dämonische Figur gegenüber, deren Stimmlage meist der MezzoSopran war (Venus, Ortrud, Fricka). Im ‚Parsifal‘ wurden beide Pole in der Figur der Kundry vereinigt, wobei aber der positive Part, was für eine Oper eher untypisch ist, in das Verstummen münden sollte. Erst im August 1865 trat Wagner in eine neue, diesmal schon dramatisierte Adap­ ta­tionsphase ein. Im so genannten ‚Ersten Prosaentwurf‘, den er vom 27. bis 30. ­August für Cosima abfasste und am 31. August in einer leichten Überarbeitung an Ludwig II. sandte, konstruierte Wagner mit ersten Dialogen das, was er und sei3 Eckert, Parsifal 1914, S. 66. 4 Vgl. die Zusammenstellung RWSW 30, S. 13–17. 5 Wagner SB 11, S. 102–108, bes. S. 104–108 (entspricht RWSW 30, Nr. 12, S. 14–16).

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Vorspiel

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ne Adepten als ‚Sage‘ verstanden und von der sie behaupteten, sie sei durch Wagner aus der oralen Tradition ‚des Volkes‘ heraus präpariert worden – wohingegen die mittelalterlichen Autoren sie ‚verfälscht‘ hätten. Damit löste Wagner ein, was er schon sechs Jahre zuvor postuliert hatte: Wirklich, man muss nur einen solchen Stoff aus den ächten Zügen der Sage sich selbst so innig belebt haben, wie ich diess jetzt mit dieser Gralssage that, und dann einmal schnell übersehen, wie so ein Dichter, wie Wolfram, sich dasselbe darstellte […] um sogleich von der Unfähigkeit des Dichters schroff abgestossen zu werden.6 Statt von „ächten Zügen der Sage“ würde man in einer modernen Theatersprache vom ‚Plot‘ der Oper sprechen. Es ist für Wagner bezeichnend, dass er einen einmal gewonnenen Plot nur ungern und selten so gravierend wie im Falle der Umgestaltung von ‚Siegfrieds Tod‘ zur ‚Götterdämmerung‘ veränderte.7 Bei der Genese des ‚Parsifal‘ zog sich die Ausbildung des Plots von 1857 bis 1865 hin, wobei die Gralswelt und der ‚Karfreitagszauber‘ als Motive sehr früh feststanden, aber der zweite Akt, mithin die Konturen der Kundry und die Rolle des Heiligen Speers, lange unklar blieben. Wagner hat auch nie offengelegt, wie und unter welchen Einflüssen es zu der letztendlichen Ausformung kam. Sicher ist nur, dass mit dem 29. ­August 1865 alle wesentlichen Züge dieses Aktes, insbesondere die schizoide Figur der durch Keuschheit zu bezwingenden diabolischen Verführerin und dienenden Gralsbotin, vorlagen. Weltanschauliche Aspekte wirkten selbstverständlich von Anfang an mit, aber Wagner nahm die ‚mythische‘ Erzählweise ernst, d. h. er verzichtete in der Regel darauf, seine Figuren als Prediger oder Agitprop-Kommissare auftreten zu lassen – und wo er wie im ‚Lohengrin‘ oder den ‚Meistersingern‘ diese Zurückhaltung nicht wahrte, ist es stets zum Schaden der Werke gewesen. In den Selbstäußerungen ist er keineswegs so besonnen; wir werden sehen, wie er schon früh über ‚buddhistische‘ Anteile in der Figur des Kundry oder überhaupt im Erlösungskonzept des ‚Parsifal‘ doziert und eine Dialektik zwischen Buddhismus und Christentum diskutiert. Gleichzeitig sind aber auch andere Strömungen greifbar, denen er sich im Laufe seines Lebens zugewandt hat: Jungdeutsche Sinnlichkeit, Schopenhauersche Weltverneinung und die Vorahnung der kulturpessimistischen ‚Regenerationsschriften‘. Da all dies aus Wagners fortgesetzter Lektüre und seinen lebenslangen autodidaktischen Bemühungen floss, ist es auch ständig präsent und oft kaum zu differenzieren. Da ferner sein Weltbild bis zum Schluss nie wirklich fixiert war, sind sowohl

6 Wagner SB 11, S. 105, 30.5.1859 (=RWSW 30, Nr. 12 S. 15). 7 Mit Details konnte er aber selbst nach Veröffentlichung des Librettos noch intensiv ringen: „Er glaubt, er wird Titurel nicht mehr reden lassen nach dem Mysterium.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 39 zum 21.1.1878).

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seine Selbstäußerungen in Briefen oder gegenüber Cosima irrlichterlierend, als auch die Einflüsse, die daraus auf das Bühnenwerk wirkten. Sieben Monate nach dem ‚ersten Prosaentwurf ‘ und unmittelbar vor dem metrifizierten Libretto entstand am 23.2.1877 der so genannte ‚Zweite Prosa-Entwurf ‘, der in weiten Bereichen schon wörtliche Übereinstimmungen mit der Druckfassung aufweist. Mit deren Veröffentlichung im Herbst 1877 und mit dem Beginn der Komposition trat das Verhältnis zwischen ‚Mythos‘ und Selbstdeutung in eine neue Phase. Die musikalische Ausgestaltung mit ihrem Geflecht aus seminarrativen ‚Leitmotiven‘ und über die Orchesterstimmen mehrschichtig verteilten Anklängen und Selbstzitaten wird zu einer Deutungsinstanz, die noch über dem Libretto steht. Die ‚Leitmotive‘ steuern und vermitteln Deutungen. Sie werden über- und nebeneinander geschichtet, verbunden oder zertrennt, so dass sie selbst ohne eigentliche Bühnenhandlung einen inneren Bewusstseinsstrom erzeugen, der oft dramatischer wirkt als das auf der Bühne sichtbare Geschehen (ich denke hier vor allem an das Vorspiel zum dritten Akt und die die Verwandlungsmusik in Akt I und III). Dies erklärt, warum Wagner am Ende seines Lebens nur noch Symphonien komponieren wollte.8 Die Musik des ‚Parsifal‘ orientiert sich dabei an der ‚mythischen‘ Ebene des Textes und verhilft ihr bisweilen überhaupt erst zu einer suggestiven Überzeugungskraft, die das Libretto mit seinen mannigfaltigen Unzulänglichkeiten niemals erzielen könnte. Gleichzeitig aber, zumal in der angeheizten Stimmung der Abendgesellschaften im Haus ‚Wahnfried‘, drängte es Wagner und drängte man Wagner zur Ausdeutung seines Werks, die aber immer eine Selbstdarstellung, ein Rollenspiel des ‚Meisters‘ ist. Der ‚Mythos‘ musste dabei unangetastet, sein intellektuelles Zustandekommen verschleiert bleiben, damit er als ‚ächte Sage‘ durchgehen konnte, die nur dann als Quellenzeugnis und Faktenbeweis für den ideologischen Überbau herangezogen werden kann, wenn ihre Nicht-Ursprünglichkeit verborgen bleibt. Also immer dann, wenn Wagner Worte wie „unaussprechlich“, „ahnungsvoll“, „Geheimnis“ usw. verwendet, ist aufzuhorchen, weil hier eine Quelle verborgen wird, und es lohnt sich, in den Büchern, die er zu jener Zeit las, nach dieser Quelle zu suchen.

8 „In der Gondel meldet er mir, daß er seine Arbeit über Männliches und Weibliches doch machen würde und dann Symphonien, dann nichts Schriftliches mehr, nur die Biographie wolle er schreiben.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 1109 zum 9.2.1883).

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„Der allerheiligste Charfreitag“ Der Weg, der Wagner in den Hain des Heiligen Grals und zum ‚Karfreitagszauber‘ führte, begann schon lange bevor er sich mit diesen Sujets und ihren literarischen Vorbildern befasste. Im September 1852 schrieb der heimatlose Wagner aus Zürich an den in Paris lebenden Maler Ernst Benedikt Kietz (1816–1892) über die von ihm selbst als Nervenleiden empfundene Unruhe, die ihn nach Abschluss der Komposition der ‚Walküre‘ befallen habe. Sie sei auch durch rastlose Wanderungen in den Alpen bis hin zum Lago Maggiore nicht abgeklungen.9 Noch heftigere Unruhe habe ihn angesichts einer bevorstehenden Aufführung des ‚Tannhäuser‘ in Berlin befallen, deren unweigerliche Unvollkommenheit ihn schon plagte, ehe die ersten Proben begonnen hatten. Wir hören einen Wagner, der Schopenhauer noch nicht rezipiert hat10 und dem daher das philosophische Rüstzeug fehlt, um seine seelischen Probleme zu kosmologischen zu erheben. Er gibt sich noch als der an seiner Umwelt leidende jungdeutsche Schöpfer von Künstleropern, als den ihn bereits Hans Mayer beschrieben hat.11 Ich bin in der Nothwendigkeit, von unsrer heutigen Welt zu Grunde zu gehen; dieß weiß ich ich, und habe mich auch bereits vollkommen dahinein gefunden: es handelt sich mit daher nicht mehr darum zu genesen, sondern nur die Zeit meines Daseins mir noch erträglicher zu machen, und dieß kann ich nur durch künstlerische Arbeiten […]. Von unserem Lindemann12 begehre ich daher nicht Heilung, sondern nur Palliativmittel zur Ermöglichung meiner Existenz als Künstler […]13 Das hallt nach in den von keiner Hoffnung erleichterten Klagen des Amfortas im ersten Aufzug des ‚Parsifal‘.14 Unabhängig davon, wieviel daran inszeniert ist und wieviel echtes seelisches Leiden sich dahinter verbarg, erkennen wir zuverlässig die 9 Da die Wiedergabe der immensen Literatur zum Motiv des ‚Wanderers’ hier nicht möglich ist, verweise ich als Einführung auf „… ich bin ein Fremdling überall“. Wanderer-Zyklus, hg. von Sabine Borries. Berlin: Philharmonisches Orchester 1997. 10 Die Schopenhauer-Lektüre fällt in das Jahr 1854. Vgl. die Empfehlung an Hans von Bülow Wagner SB Bd. 6, S. 261 vom 26.10.1854. Vgl. auch Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 388, der „Ende September oder Anfang Oktober 1854“ für die Überbringung der Schriften durch Georg Herwegh annimmt. 11 Mayer, Entwicklung S. 20–25. Kritisch zu den jungdeutschen Bezügen Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 856. 12 Karl Lindemann, in Paris lebender Arzt, vgl. Wagner, Mein Leben, S. 517. Gegenüber Theodor Uhlig spricht Wagner am 11.3.1852 von „einem ungemein begabten und (trotz seiner Jugend) erfahrenen Wasserarzte Lindemann, als Flüchtling jetzt in Paris lebend“ (Wagner SB Bd. 4, S. 310), vgl. zusammenfassend Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 2, S. 494. 13 Wagner an Kietz, 7.9.1852, (Wagner SB Bd. 4, S. 455, ebenso Burk, Sammlung Burrell S. 263). 14 Die von Gurnemanz vergeblich erhoffte „Lind’rung“ ist möglicherweise noch ein spätes Echo auf Karl Lindemann. – Vager bei Hermand, Glanz und Elend S. 138: „Ganz im Zeichen der damaligen Naturheilkundevorstellungen und geht nicht auf Wolfram zurück.“

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– nicht nur für Wagners Briefe – typische Stilisierung einer Künstler-Existenz.15 Als Gegenbild entwirft Wagner einen Zufluchtsort, der sich – im Brief an Kietz noch unbewusst, in den Bühnenanweisungen des ‚Parsifal‘ später in vollem Bewusstsein des Spätromantikers16 – aus den klassischen Motiven eines seit der mittelalterlichen Literatur stets gegenwärtigen Topos des ‚Locus amoenus‘17 speist. Wagner erträumt sich eine heilende Landschaft mit See, einer Aue und geheiligten Tieren. Das ist gleichsam eine triviale, bürgerliche Form dessen, was er später als ‚Montsalvat‘ verklären wird. Dagegen denke ich daran, es mir zu ermöglichen, mir ein kleines Grundstück mit Garten und Viehzeug am Züricher See anzuschaffen; wenn’s gelingt, verspreche ich mir viel von der Pflege eines kleinen Besitzes, vor allem von Thieren. Ab und zu dann Excursionen, eine Bergbesteigung – wohl auch einmal ein Abstecher nach Paris. – Sonst bekommt mir die vorgeschriebene Diät recht gut; namentlich verschafft mir das Abendbad zu 22 Grad gewöhnlich eine gute Nacht; das Morgenbad kann ich nicht unter 18 Grad ertragen; befinde ich mich aber schlecht, wie jetzt, so nehme ich Abends sogar 24 Grad und des Morgens 21–22, weil kälter es mir die fieberhafte Aufregung der Nerven vermehrt.18 Das Gralsgebiet von Montsalvat ist eine Sakrallandschaft mit besonderer Achtung vor der Tier- und Pflanzenwelt („alle Kreatur“). Darauf weisen Gurnemanz und Kundry mehrfach hin. Die Grundsätze dieses Territoriums („Gralsgebote“ nennt sie Amfortas) gelten außerhalb nicht – weder in den fernsten Ländern, in denen die Gralsritter kämpfen, noch in der undefinierten Region, in der der junge Parsifal mit seiner Mutter lebte – und schon gar nicht in ‚Arabia‘ oder im üppigem ‚Heidenland‘, wo Kling­sors Garten liegt. Solche heiligen Haine, die in Europa schon lange vor der Christianisierung nachweisbar sind19, werden von Priestern bewacht, ggf. auch verteidigt, in ihnen aber herrscht Waffenverbot.20 Der junge Wagner kompo-

15 Vgl. August Kestner (1777–1853): Römische Studien, Berlin 1850, S. 115 f.: „Sowohl unter den Völkern des Alterthums, als auch im Mittelalter hielt das Menschenthum sich in Kraft. Heute haben die Formen der bürgerlichen Ordnung, zugleich mit der überbildeten und sich brüstenden Kultur […] einen so prosaischen Charakter, daß es dem Menschen weit mehr Mühe kostet ein Mensch zu sein, als vor Zeiten — ein Zustand, worunter Kunst und Künstler leiden.“ 16 Man vgl. die Naturbilder im ‚Heinrich von Ofterdingen‘ des Novalis oder Kleinformen wie Wilhelm Müllers Lied vom Lindenbaum (1823). 17 Curtius, Naturschilderung S. 82: „Der locus amoenus ist (… ) ein schöner beschatteter Naturausschnitt. Sein Minimum an Ausstattung besteht aus einem Baum (oder, mehreren Bäumen) und einer Wiese. Als drittes Element pflegt fast immer ein Bach oder Quell dabei zu sein. Dazu treten häufig viertens Vogelgesang und fünftens Blumen.“ Vgl. auch Thoss, Locus amoenus. 18 Wagner an Kietz, 7.9.1852 (Wagner SB Bd. 4, S. 455 = Burk, Sammlung Burrell S. 264). 19 Ihnen kam in der Geschichte der Naturbeherrschung durch den Menschen eine erhebliche ökologische wie soziale Bedeutung zu, vgl. Hüster-Plogmann, Fisch und Fischer S. 96. 20 Die Verbindung mit buddhistischen Büßerhainen, die Borchmeyer in Hübner/Borchmeyer, Brief-

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nierte in Königsberg einen Priesterchor für ein Schauspiel, das das zentrale Waldheiligtum der Prusen in Romowe auf die Bühne brachte.21 In Wolframs Epos sind nur einige der Elemente vorgeprägt, sein Gralsgebiet22 heißt Munsalvæsche – i. e. wilder Berg – und nicht Monsalvat. Auch der nach Linderung schmachtende Amfortas im See des Gralshaines sucht, wie der Holländer oder Tristan, ein „Palliativmittel zur Ermöglichung meiner Existenz als Künstler“; er ist ursprünglich eine Künstlernatur im Konflikt mit der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit und der wachsenden Selbstentfremdung. Das ist die triviale Geburt der Tragödie aus einem „Nervenleiden“, alles weitere ist literarische Überhöhung. Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen Natur, Tierliebe und die Hoffnung auf durch „vorgeschriebene Diät“ und Bäder zu gewinnende Regeneration – das werden dann auch die Hauptmotive von Wagners Spätschriften über eine ‚Regeneration‘ der Menschheit23. Doch bestätigte die Utopie seines letzten Bühnenwerks den von Schopenhauer beschriebenen Kreislauf der Selbstentfremdung, aus der es nur augenblicks- und ahnungsweise ein Entkommen geben kann: Wann aber äußerer Anlaß, oder innere Stimmung, uns plötzlich aus dem endlosen Strome des Wollens heraushebt, die Erkenntniß dem Sklavendienste des Willens entreißt […] wir sind, für jenen Augenblick, des schnöden Willensdranges entledigt, wir feiern den Sabbath der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht still.24 Der von der „Nervenkrankheit“ geplagte Wagner will im April 1857 ahnungsweise25 in jenem ihm von den Wesendoncks zur Verfügung gestellten „freundlichen heiteren Asyl“26 den ‚Karfreitagszauber‘ als Realisation des „Unschuldstages“27 erlebt haben, der ihn zum ersten Konzept einer musikdramatischen Behandlung der mittelalterlichen ‚Parzival‘-Dichtung Wolframs von Eschenbach angeregt habe. Auch wenn die Erzählung schon oft widerlegt wurde28, soll sie noch einmal geboten werden, um den Lügencharakter solcher genialischen Attitüden zu untermauern:

wechsel S. 218, Kienzle folgend, hervorhebt, ist weit hergeholt. Die Gralsritter sind kämpfende Brüder und keine büßenden Mönche. Vgl. auch Anm. 575. 21 Mentzel-Reuters, Heidenverschwörung S. 113–116. Die Kompositionsskizzen in: RWSW 15, S. XIX–XXI (Materialien), 177–179 (Komposition). 22 Vgl. hierzu Deinert, Ritter und Kosmos S. 94 f., Kratz, Parzival S. 595, und die Stellen Pz 225,19–22 und 250,20–25. 23 Berger, Regenerationsschriften S. 11. 24 WWV I, 3, § 38. Schopenhauer beschreibt diesen Zustand hymnisch und in spürbarer Annäherung an die mittelalterlichen Mystiker. 25 Wagner, Mein Leben, S. 561. 26 Brief von Mathilde Wesendonck an Minna Wagner vom 11.1.1857, Abdruck bei Burk, Sammlung Burrell S. 484 f. 27 Der Begriff fällt schon im ‚Ersten Prosaentwurf ‘ von 1865, vgl. Wagner SuD 11, S. 412 (zweifach!). Ähnlich Cosima-Tagebücher 2, S. 85 zum 19.4.1878. 28 Vgl. z. B. Schild, Wagner recht betrachtet S. 417.

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Nun brach auch schönes Frühlingswetter herein; am Karfreitag erwachte ich zum ersten Male in diesem Hause bei vollem Sonnenschein: das Gärtchen war ergrünt, die Vogel sangen, und endlich konnte ich mich auf die Zinne des Häuschens setzen, um der langersehnten verheißungsvollen Stille mich zu erfreuen. Hiervon erfüllt, sagte ich mir plötzlich, daß heute ja „Karfreitag“ sei, und entsann mich, wie bedeutungsvoll diese Mahnung mir schon einmal in Wolframs ‚Parzival‘ aufgefallen war. Seit jenem Aufenthalte in Marienbad, wo ich die ‚Meistersinger‘ und ‚Lohengrin‘ konzipierte, hatte ich mich nie wieder mit jenem Gedichte beschäftigt; jetzt trat sein idealer Gehalt in überwältigender Form an mich heran, und von dem KarfreitagsGedanken aus konzipierte ich schnell ein ganzes Drama, welches ich, in drei Akte geteilt, sofort mit wenigen Zügen flüchtig skizzierte.29 Bei Wolfram von Eschenbach gibt es keine Vision einer entsühnten Natur und eines Unschulds- oder Versöhnungstages. Hier verläuft der Karfreitag in bitterer Kälte und im Schnee30; allerdings fordert der fromme Kahenis von dem Helden des Romans, er solle an diesem Tag keinen Harnisch tragen (Pz 448,6). Dass Wagner am Karfreitag 1857, der auf den 10. April fiel, noch gar nicht im ‚Asyl‘ wohnte, und sich allenfalls zur Besichtigung dort aufgehalten haben kann, wurde bereits 1912 von Wilhelm Altmann moniert31 und ist seither immer wieder hervorgehoben worden.32 Martin Gregor-Dellin sah Wagner als Gefangenen seiner pathetischen Lügen, die er nicht aufgeben konnte, da er sie bereits in einem Brief vom 14.4.1865 dem bayerischen König präsentiert hatte: feierte ich doch an diesem Charfreitage den Empfängnistag meines Parzival […] Ich gedachte des sonnigen Charfreitags der ersten Empfängniss. Ein liebevolles zart-innig ergebens Frauenherz hatte mich damals in Schutz und Sorge genommen […]; ich hatte ein einzelnes Häuschen mit freundlichem Garten, in wundervoller Lage, mit herrlicher Aussicht auf den Züricher See und die Alpen, beziehen können. Ich sass – es war der este schöne Frühlingstag! – auf der Zinne meines Asyls; die Glocken läuteten, – die Vögel sangen, die ersten Blumen blicken zu mir auf. Da war, nach tiefer Entrückung, der Parzival empfangen!33 29 Wagner, Mein Leben S. 561. Fehlt RWSW 30. 30 Pz 449,1–5 und 458,30 f., der Kontrast zu Wagners Blütentraum besonders deutlich 455,25f: „er erkande ein stat, swie læge der snê / dâ liehte bluomen stuonden ê“. 31 Altmann, Entstehungsgeschichte S. 162 f. Er schlägt als Alternative den 2.4.1858 vor, allerdings als Datum eines Entwurfs zum nicht ausgeführten Auftritt Parzivals im ‚Tristan‘, der jedoch bereits für 1855 belegt ist, wie Altmann S. 162 selbst ausführt. Offenkundig um Harmonisierung bemühen sich die Anmerkung RWSW 30, S. 13 und Gregor Dellin im Kommentar zu dessen Wagner-Biographie S. 561. 32 Vgl. z. B. Eckert, Parsifal 1914 S. 63f oder Dumitriu, Gral S. 175. – Osthövener, Erlösung S. 175 spricht von einem „halbfiktiven Erlebnis“. 33 Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 417. Wagner SB 17, S. 124 f.

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1879 ließ der ‚Meister‘ gegenüber Cosima die Maske fallen: R. gedachte heute des Eindruckes, welcher ihm den Karfreitags-Zauber eingegeben; er lacht, und „eigentlich alles bei den Haaren herbeigezogen wie meine Liebschaften, denn es war kein Karfreitag, nichts, nur eine hübsche Stimmung in der Natur, von welcher ich mir sagte: So müßte es sein am Karfreitag“, habe er gedacht.34 Anstelle eines schriftlosen, visionären „Dichtertraums“ waren es wohl Bücherstudium und Literaturrezeption, die Wagner den Weg zu ‚Lohengrin‘ und einer weiteren, darüber hinausgehenden Gralsoper eröffneten. In seiner Autobiographie ‚Mein Leben‘ verrät er ein wenig darüber, wenn er über seine Vorbereitungen zu einem Erholungsurlaub im westböhmischen Marienbad im Jahr 1845 spricht. Er packte eine Reihe aktueller Bucherscheinungen ein und nahm infolgedessen als Lektüre die Literaturgeschichte von Gervinus mit, die Dichtungen Wolframs von Eschenbach, Parzival und Titurel, in den Übersetzungen von Simrock und San Marte, sowie das anonyme Epos vom Lohengrin mit der Einleitung von Görres.35 Doch auch hier ist manches geschönt. Im Zusammenhang mit der seinerzeit hochaktuellen Literaturgeschichte von Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) hat Wagner in seiner ‚Beethoven‘-Schrift von 1870 explizit seine Verachtung für solche Erläuterungen deutlich ausgedrückt.36 Die offizielle Lesart ist, dass er daneben das mittelhochdeutsche Epos des Wolfram von Eschenbach im Original las – die in den von ihm genannten Ausgaben überreich gebotene Kommentierung wurde von der Forschung keiner Beachtung gewürdigt. „Aus San Marte und Simrock schöpften lange Zeit alle nicht gelehrten Kreise ihr Wissen von Parzival und vom Gral“, urteilte jedoch schon Wolfgang Golther37. Doch sind die Publikationen von Simrock, Görres und San Marte keine einfachen Texteditionen oder Übersetzungen, sondern Zeugnisse einer noch im Entstehen begriffenen Fachwissenschaft und außerdem weltanschauliche Manifeste, die auf die zukünftige Germanistik ebenso einwirkten wie in Marienbad auf Wagner. Simrock (1802–1876)38 zum Beispiel bietet eine neuhochdeutsche Nachdichtung des ‚Parzival‘, die zwar bis in die 1960er Jahre stark verbreitet war, aber (schon um den Paarreim beizubehalten) stark von 34 Cosima-Tagebücher 2, S. 335 zum 22.4.1879. Diese Äußerung war vor der Veröffentlichung der Tagebücher unbekannt. 35 Wagner, Mein Leben S. 315, RWSW 30, S. 11. Hier nach der Paraphrase bei Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 226. 36 „Was ist die dramatische Handlung des Textes der Oper ‚Leonore‘ Anderes, als eine fast widerwärtige Abschwächung des in der Ouvertüre erlebten Drama’s, etwa wie ein langweilig erläuternder Kommentar von Gervinus zu einer Scene des Shakespeare?“ (vgl. Wagner, SuD 9, S. 105). 37 Golther, Parzival und der Gral S. 292. 38 Zu ihm vgl. Johannes Barth: Simrock, Karl Joseph, in: NDB 24 (2010), S. 447–449, Moser, Simrock.

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der Aussage des Originals abwich und überdies – wie übrigens auch Simrocks Bearbeitung der ‚Edda‘ – durch veraltete und eigenwillige Wortformen ein stilisiertes Altdeutsch verwendet, das Freunde dieser Nachdichtungen als besonders authentisch empfanden. San Marte, der eigentlich Adolph Schulz hieß39, tat dies nicht – oder jedenfalls nicht in dem Ausmaße, das Simrock kennzeichnet. Er präsentierte den mittelhochdeutschen Text erstmals vollständig in einem modernen Druck und fügte eine Versübersetzung bei, die durch Summarien (Kurzfassungen) zur erleichterten Orientierung angereichert wurde. Wagner hatte seine liebe Not mit dieser Vorlage, wie er nach der Lektüre von San Martes Übersetzung an Mathilde Wesendonck am 30.5.1859 aus Venedig mitteilte, freilich ohne die Probleme der Übersetzung als solche zu erkennen: Wirklich, man muss nur einen solchen Stoff aus den ächten Zügen der Sage sich selbst so innig belebt haben, wie ich diess jetzt mit dieser Gralssage that, und dann einmal schnell übersehen, wie so ein Dichter, wie Wolfram, sich dasselbe darstellte – was ich jetzt mit Durchblätterung Ihres Buches that – um sogleich von der Unfähigkeit des Dichters schroff abgestossen zu werden.40 Die vermeintliche eigene Überlegenheit suchte Wagner durch die Berufung auf die „ächten Züge […] dieser Gralssage“, die natürlich nur ihm zugänglich waren, zu erweisen. Dass er sich dabei von Anfang an auf Pfaden bewegte, die San Marte vorgebahnt hatte, ist aus dem abfälligen Kommentar nicht zu erkennen, wie sich Wagner ohnedies auch Mathilde gegenüber recht undankbar erwies, die ihm das Buch schließlich übergeben hatte. Die Beeinflussung durch San Marte ist sofort ersichtlich, wenn man die Übersetzung aufschlägt. San Marte hat den Teilen des Werkes Kolumnentitel gegeben, die sich wie die dramatis personae des künftigen Bühnenweihfestspiels lesen: „Gahmuret und Belakane“ – „Herzeleide“ – „Gurnemanz“ – „Konduiramur“ – „Amfortas“ – „Kundrie la sorcière“. Hinzu kommt – da die mit der Gawan-Handlung verbundenen Personen (Obilot, Antikonie, Orgeluse, Gramoflanz, Artus usw.) Wagner nicht interessierten – noch „Klinschor“. Bei den anderen zeigen bereits modernisierten Namensformen Wagners Abhängigkeit von San Marte: Herzeleide statt Herzeloyde, Amfortas statt Anfortas, Kundrie statt Cundrîe. Die Form Kling­sor statt des Wolfram’schen Clinschor hatte Wagner bereits früher kennengelernt.41

39 Adolph Schulz (1802–1893), gen. San Marte, Verwaltungsjurist in Bromberg und Magdeburg, Literaturhistoriker; vgl. Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. 3 (2003), S. 1681 f. Ausführlich zu unserem Problembereich Fiedler-Rauer, San Martes ‚Parcival’. 40 Wagner SB 11, S. 105 = RWSW 30, S. 15. 41 Die Namensform ‚Kling­sor‘ stammt aus der Tradition des Wartburgkriegs und damit aus praktisch unbeachteten Quellen des Tannhäusers: Johann August Zeune: Der Krieg auf der Wartburg, Berlin 1818 und das 1819 im Theater an der Wien uraufgeführte Schauspiel Heinrich von Oftderdingen oder die Minnesinger auf der Wartburg von Christoph Kuffner (1780–1843). Der von Gregor-Dellin im

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„Der allerheiligste Charfreitag“

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Für Wagners Neuinterpretation der Karfreitagsszene bereitete San Marte den Weg. Die Übersetzung der Mahnrede des grauen Pilgers Kahenis42 (Pz 448,1–20) gibt San Marte zwar ohne manipulative Absichten wieder, aber in seinem zeitgebundenen Verständnis und vor allem mit einem Vokabular, das von der evangelischen Frömmigkeit des frühen 19. Jahrhunderts geprägt ist: Da sprach der Herr mit grauem Haar: „Meint Gott Ihr, den die Magd gebar? Glaubt ihr, daß Mensch er ward, und nur Um unserthalb das Leid erfuhr, Weshalb wir heut das Fest begehn: So muß Euch schlecht der Harnisch stehn. Denn es ist der Charfeitag heut, Deß alle Welt sich hoch erfreut, Doch ihn begeh zerknirscht in Reue. Ward offenbar je größre Treue, Als welche Gott zu uns getragen, Den man um uns ans Kreuz geschlagen? Seid Ihr getauft, muß euer Herz In Jammer aufgehn drob und Schmerz. Er hat sein würdereiches Leben Für unsre Schuld dahingegeben, Da sonst die Menschheit wär’ verloren, Durch ihre Schuld zur Höll’ erkoren. Drum, wenn Ihr nicht ein Heide seid, So denket, Herr, an diese Zeit.“43 Wolframs Kahenis spricht nicht, wie Wagners Gurnemanz, von Waffen, sondern nur vom Harnisch, nicht von Blut, nicht von Reue, sondern von Bangen (Pz 448,9: „angest“). Gänzlich fremd ist Wolfram der für San Marte beherrschende Gedanke an Sühne; selbst in der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Schuld geht es nirgends darum, diese zu sühnen, sondern einzig darum, wieder auf Gott zu ver­ trauen. Kurz: Wagner lernte Wolfram vor allem in der Gestalt kennen, die San Marte geschaffen hatte. Der immense Einfluss, den die ebenfalls in Marienbad gelesene Gralsschrift des Joseph Görres auf den ‚Parsifal‘ nahm, soll hier nicht verschwiegen werden. Aber ihre Stunde kam erst bei der konkreten Ausgestaltung des ‚Bühnenweihfestspiels‘. Wir werden ihr ein eigenes Kapitel widmen. Kommentar zu Wagner, Mein Leben S. 223 f. und Buschinger, Mittelalter S. 33 genannte Christian Theodor Ludwig Lucas verwendet die Form Klinsor. 42 Der Name des grauen Pilgers wird erst später von Trevrizent erwähnt (Pz 457,10). 43 Parcival, übers. San Marte 2, S. 102.

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Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht

Cherubinis ‚Abenceragen‘ Dass die Konzeptarbeit am ‚Parsifal‘ mitunter noch trivialer verlief, offenbarte Wagner vermutlich unfreiwillig bei einer Abendgesellschaft in ‚Wahnfried‘, die von ihm wie stets vollkommen dominiert wurde.44 Weder Cosima, der wir den Bericht darüber verdanken, noch die restliche Zuhörerschaft wurden eingeweiht, warum Wagner bei solchen Anlässen sich mit diesem oder jenem Thema befasste. Am 13.1.1879 demonstrierte Wagner seiner Entourage, wie und aus welcher Quelle er die zweite Szene des dritten Aufzuges des ‚Parsifal‘ gestaltet hatte – was eben auch die Rolle des heiligen Speers erschloss, vielleicht sogar entschied, die Wagner aufgrund der Inkonsistenz seiner mittelalterlichen Vorlagen noch nicht hatte klären können. Offen bleibt, ob Wagner seiner Abendgesellschaft reinen Wein einschänkte und über die Motivzusammenhänge zwischen den ‚Abenceragen‘ (einer Oper von Cherubini) und dem ‚Parsifal‘ sprach, ehe man sich in antisemitistischen Betrachtungen verlor. Cosimas Bericht erweckt nicht den Eindruck, dass sie es verstand, zumal sie mehr an der Demütigung Hermann Levis und seines rabbinischen Vaters interessiert scheint. Dann liest er uns die Übersetzung des Textes der „Abencéragen“.45 Und darauf, später, wirklich nimmt er den 3ten Akt vor bis zur Anbetung des Speeres! … Von Gurnemanz sagt er, dieser sei sein Liebling (er möchte, er hätte ihn noch als Waffenmeister bezeichnet), er und ähnliche Gestalten wie H. Sachs, Kurwenal. Er sagt zu mir dann, wir würden dies besser unter uns vorgenommen haben – es war aber unsäglich! … Wie die andren Freunde sich entfernt, bleibt Freund Levi, und wie er uns meldet, daß sein Vater Rabbiner46 ist, so kommt das Gespräch wieder auf die Israeliten, darauf, daß sie zu früh in unsere Kulturzustände eingegriffen haben, daß das allgemein Menschliche, welches aus dem deutschen Wesen sich hätte entwickeln sollen, um dann auch dem Jüdischen zugute zu kommen, daß dies in seiner Entfaltung aufgehalten worden ist durch die frühzeitige Einmischung in unsere Angelegenheiten, bevor noch daß wir gewußt, wer wir seien. Der K[apell] 44 Peter Cornelius formulierte es am 24.1.1865 treffend: „Wagner weiß und glaubt es nicht, wie er anstrengt … Von sich sprechen, lesen, singen muß unser großer Freund, sonst ist ihm nicht wohl … Von dem Moment an, wo ich – nachmittags um 2 Uhr – bei ihm essse, ist an kein Loskommen mehr zu denken, das gelingt nur ausnahmsweise, und das ist ein Zustand, der mich umbringt. Und sagen kann ich ihm das nicht. Es wäre ungerecht, grausam – er versteht es nicht …“ Zitiert nach Kröplin, Richard Wagner-Chronik S. 348. 45 ‚Les Abencérages ou L’Étendard de Grenade‘ – eine 1813 in Gegenwart Napoleons I. uraufgeführte Oper von Luigi Cherubini mit einem Libretto von Victor Joseph Étienne de Jouy nach François René de Chateaubriand, dessen Vorlage wiederum Jean-Pierre Claris de Florians Novelle ‚Gonsalve de Cordoue‘ war. 46 Zu Benedikt Levi (1806–1899), dem Vater des Hofkapellmeisters, vgl. Wilke, Humanität, speziell zu dieser Szene aus den Cosima-Tagebücher ebd. S. 67 f.

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Cherubinis ‚Abenceragen‘

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m[eister] berichtet von einer großen Bewegung gegen die Juden auf allen Gebieten; in München wolle man sie aus dem Magistrat entfernen – er hofft, in 20 Jahren würden sie mit Stiel und Stumpf ausgerottet und das Publikum des „Ringes“ ein anderes Volk abgeben, wir „wissen es anders“! – Uns beiden wiedergegeben, sprechen R. und ich von dem merkwürdigen Zug einzelner Juden zu ihm, er sagt, wir bekommen in ‚Wahnfried‘ eine Synagoge! …47 Dieser Tagebucheintrag wird uns wegen seines antisemitischen Gehalts noch beschäftigen; wir sehen an der Gewichtung des Berichtes, dass Cosimas Interesse den antisemitischen Äußerungen galt und nicht der Genese des ‚Parsifal‘. Dabei ist es bemerkenswert, dass Wagner im Besitz eines deutschen Librettos der ‚Abencérages‘ war.48 Dieses Heft stellte zweifelsohne eine Seltenheit dar.49 Cosima teilt aber nicht mit, warum Wagner diesen 36 Jahre zuvor gedruckten Operntext vortrug, noch warum er anschließend die Karfreitagsszene aus dem zu diesem Zeitpunkt bereits seit vierundzwanzig Monaten gedruckt vorliegenden Libretto des ‚Parsifal‘ zum Besten gab. Dabei besteht ein genetischer Zusammenhang. Die Handlung des dritten Aufzuges, die dem Karfreitagszauber vorausgeht, ist eine Übernahme aus der Cherubini-Oper. Ob Wagner dies seinen Gästen erklärt hat, erfahren wir nicht. Wahrscheinlich hat er nicht erklärt, dass ihm die ‚Abencérages‘ die Lösung eines ungelösten dramatischen Problems geliefert haben: Die Funktion der Gralslanze. Man hat den dritten Akt des ‚Parsifal‘ im Lichte des neunten Buchs aus Wolframs ‚Parzival‘ gesehen, der Wagner für die Umsetzung auf der Bühne nur teilweise helfen konnte. Eine der gravierendsten Änderungen des ‚Parsifal‘ gegenüber der gesamten mittelalterlichen Überlieferung waren Entfremdung und Rückführung des Speeres von der Gralsburg. Chrétien hatte die Queste nach der auf der Gralsburg aufbewahrten blutenden Lanze nie ausgeführt; wir wissen nur, dass sie zur letzten Mission Gauvains werden und sich an die Befreiung des Wunderschlosses anschlie-

47 Cosima-Tagebücher 2, S. 290 zum 13.1.1879. Das Zitat ist ungekürzt. Die Punkte „unsäglich! …“ stammen von Cosima. 48 Schmidt, Abenceragen, S. 171: „Spontini brachte aus Paris das Manuscript der nicht gestochenen Partitur der ‚Abenceragen‘ mit, und übte die ihm von dem Componisten übertragene Befugnis, Längen zu kürzen, die wahrscheinlich der scenischen Wirkung der Oper geschadet hatten, mit kritischer Umsicht und grosser Discrction aus.“ 49 Der Katalog der heutigen ‚Wahnfried‘-Bibliothek führt den Titel nicht. Es exisitierten nach Ausweis der Library of Congress zwei Ausgaben des deutschen Textes: (1) Arien und Gesänge der grossen Oper in 3 Abtheilungen Die Abenceragen, oder, Das Feldpanier von Granada, zu Cherubini’s Musik nach Jouy, von C. Herklots. Berlin 1823, 48 S., und (2) Die Abenceragen [oder Das Feldpanier von Granada]. Leipzig: Peters [o.J.], 216 S. Zur Person des Übersetzers vgl. Joseph Kürschner: Herklots, Karl Alexander, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) 12 (1880), S. 115.

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ßen sollte50 – die aber nie ausgeführt wurde. Wolfram unterdrückte das Motiv einfach und schuf eine eigene Geschichte um die Gralslanze.51 In den Briefen von 1859–1860 an Mathilde Wesendonck, in denen Wagner zum ersten Mal etwas von seiner Gralskonzeption mitteilt, wird die die blutende Lanze nicht erwähnt.52 Auch im Herbst 1865 rätselte Wagner noch, wie er sie in sein Stück integrieren solle und schwankte zwischen der später tatsächlich ausgeführten Version und einer frei phantasierten Alternative, bei der die mächtige, Sieg verleihende Lanze erst noch für die Gralsritter zu gewinnen war.53 Aber im für Ludwig II. bestimmten ‚Ersten Prosa-Entwurf ‘54 findet sich dann die von Wagner ohne jede mittelalterliche Quelle geschaffene Heiltums-Szene mit dem vermummten fremden Ritter auf der Karfreitagsaue. Die Inspiration hierzu gab – zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 1859 und 1865 – Cherubinis wenig gespielter Oper: Almansor, Feldherr der in Granada herrschenden Abenceragen, hat in einer siegreichen Schlacht das Feldpanier verloren und ist deswegen verstoßen worden. Er kann sich durch ein Gottesurteil retten. Ein unbekannter Ritter erscheint mit einem verhüllten Panier als sein Kämpe. Almansors Widersacher, der Fahnenträger Alamir (ein Vertrauter des verräterischen Wesirs), wird von dem Unbekannten besiegt. Auf seinen Wink entfaltet sein Waffenträger die verhüllte Fahne über Almansor — es ist das verlorne Palladium Granada’s. Der Bitter öffnet nun das Visier seines Helms. Man erkennt den edlen Feind: Gonzalvo Von Cordova, der den Verrath des Veziers enthüllt, und den Mauren das, ihm von dem Fahnenträger Almansor’s in der Nacht nach der Schlacht überbrachte, heilige Panier wieder zustellt, wodurch Almansor’s Leben und Ehre erhalten ist. Der Schluss-Chor beginnt […]55 Hat die Abendgesellschaft in ‚Wahnfried‘, und hat unter ihren Teilnehmern insbesondere Cosima den Zusammenhang zwischen dieser Szene und dem dritten

50 Vgl. den Auftrag zur Gewinnung der Lanze Chrétien, Perc. V. 6164–6173. Wolfram, Pz 425,1–30 macht daraus eine Gralssuche. 51 Chrétien sagt Perc. 6168–6171, die Lanze werde einst das Königreich von Logres (d. h. das Artusreich) zerstören. Das sind die Motive des ‚schmerzhaften Streiches’ und des ‚wüsten Landes’, die aber in der späteren französischen Dichtung mit der Verwundung des Gralkönigs verbunden werden. Vgl. Berthelot, Atypic Grails S. 214. 52 Vgl. RWSW 30, S. 14–17. 53 Wagner, Das braune Buch S. 75f zum 2.9.1865. 54 „Da wird Parzival aus der Ferne langsam sich nähernd gewahrt: er ist in ganz schwarzer Waffenrüstung; gebeugten Hauptes, mit gesenktem Speere kommt er träumerisch heran, und läßt sich auf einem Rasensitze in der Nähe des Brunnens nieder. Er hat das Visir geschlossen. […] Parzival schweigt lange. Dann öffnet er den Helm, setzt ihn vom Haupte, stößt den Speer in den Boden, legt Schild und Schwert davor nieder, senkt sich darauf knieend hin, heftet sein Auge inbrünstig auf die blutige Lanzenspitze, und betet eifrig.“ (Wagner, SuD 11, S. 410f = RWSW 30, S. 75f.) 55 Schmidt, Abenceragen, S. 176.

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Zur Kritik der Cosima-Tagebücher

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Aufzug des ‚Parsifal‘, zwischen Cherubinis Feldpanier und der wiedergewonnenen Gralslanze verstanden? Man würde diesen schwerlich nachweisen können, wenn Wagner sie nicht indirekt durch seinen Vortrag bezeugt hätte. Eigentümlich ist aber, wie dies überliefert wird. Cosima schildert die Gespräche des Abends eigentlich recht ausführlich: Mit Levi, den er seit 1875 näher kannte56, spricht Wagner erst über seine neuen Arrangements für Beethovens ‚Pastorale‘, später über einzelne Figuren des ‚Parsifal‘Entwurfes und schließlich über die Rolle der Juden in der deutschen Kultur. In allen Teilgesprächen werden Wagners Thesen von Cosima genau festgehalten, die Erniedrigung Levis wird genau protokolliert; nur bei der dazwischen liegenden Deklamation der ‚Abenceragen‘ beschränkt sich Cosima auf das Faktum selbst. Wie oder warum Wagner auf die Idee kam, den Text der Cherubini-Oper zu deklamieren57 und wie er von dort zum ‚Parsifal‘ überleitete, bleibt unklar. Hat er einen Zusammenhang hergestellt, oder hat er ihn verschwiegen oder gar verleugnet? Was an veranlasste ihn zu der Seitenbemerkung an Cosima „wir würden dies besser unter uns vorgenommen haben – es war aber unsäglich!“ Im Kontext des Tagebuchs würde man es auf Levi und die Judenfrage beziehen. Vielleicht hat es Cosima sogar so verstanden. Aber es kann ebenso gut Selbstzweifel an der Enttarnung der Abhängigkeit des ‚Parsifal‘ von Cherubini bezogen werden. Indem wir Wagners Konstrukte auf ihre Quellen zurückführen, aus denen er zusammengebaut wurde, heben wir diese Trennung auf. Der ‚Mythos‘ ist genauso zeitverhaftet wie seine Deutungen. Die ‚mythische‘ Erzählweise, die doch eingeschlagen wurde, um dem Werk den Status einer unvordenklichen Offenbarung zu geben, schützte es aber paradoxerweise vor der tendenziösen und ideologieverhafteten Indoktrination, die die ‚Regenerationsschriften‘ unerträglich machen.

Zur Kritik der Cosima-Tagebücher Eine Frau ohne Schatten Hier ist es nun an der Zeit, einen Blick auf unsere Hauptquelle zur Entstehungsgeschichte des ‚Parsifal‘ zu werfen: auf die Tagebücher seiner Ehefrau Cosima, ohne die die heutige Wagner-Forschung nicht mehr denkbar wäre. Täuschungen und Verneblungen wie die biographische Lüge des ‚Karfreitagszauber‘ gehören zu Wagners Selbststilisierungen. Unsere wichtigsten Hilfsmittel zu ihrer Dekonstruktion 56 Vgl. Levis Bericht an seinen Vater vom 30.8.1875, abgedruckt im Bayreuther Programmheft ‚Parsifal‘ 1959, S. 6f. 57 Die Oper wird Cosima-Tagebücher 2, S. 289 zum 12.1.1879 schon einmal erwähnt, hier aber im Hinblick auf ihre Musik. Sonst gibt es im Wagner’schen Œuvre keine weitere Erwähnung des Werkes, wohl aber wiederholt Lob für Cherubini.

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sind die Selbstäußerungen des ‚Meisters‘ in Briefen, aber vor allem die von Cosima überlieferten Äußerungen. Wir haben grundsätzlich keinen Anlass, Cosima der Lüge oder der vorsätzlichen Täuschung zu zeihen. Damit wäre wenig zu gewinnen, denn es gab ja kein zu täuschendes Publikum58 – anders als bei der Publikation von Wagners ‚Sämtlichen Schriften und Briefen‘, wo von Cosima selbst oder in ihrem Auftrag das Bayreuther Bild des deutschen Titanen im Zweifelsfall auch gegen die Originale verteidigt wurde.59 Zur Lüge oder der absichtsvollen Verdrehung griffen erst spätere Biographen: der Deutschbalte Friedrich Glasenapp (1847–1915)60 für Richard, Richard Du Moulin Eckart (1864–1938)61 für Cosima Wagner. In beiden Fällen geschah dies mit Cosimas Hilfe und einer streng reglementierten Konsultation der Tagebücher. Sie blieben ansonsten bis 1976 für die Forschung unzugänglich, da die Autorin und ihre Tochter, die die Bände von ihr geerbt zu haben vorgab62, offenbar fürchteten, allzu viel Intimes könne daraus an die Öffentlichkeit gelangen. Diese Intimität hat wahrscheinlich auch eine quellenkritische Überprüfung der Aufzeichnungen verhindert: Dreißig Jahre nach der Veröffentlichung der ‚CosimaTagebücher‘ ist die Forschung von einer Quellenkritik der Tagebücher immer noch weit entfernt.63 Man kann und darf den persönlichen Anteil in diesen tagtäglichen Bekenntnissen zu ihrer Liebe durchaus respektieren, muss aber im Hinblick auf das, was daraus entstand, auch den hohen neurotischen Anteil in diesen Aufzeichnungen berücksichtigen. Wir sehen Tag für Tag mit Cosimas Augen und hören Cosimas Erinnerungen. Es hat dabei nicht den Anschein, als habe Wagner Cosima misstraut – trotz gelegentlicher Auseinandersetzungen über Cosimas Vater (Wagner empfand Liszt offenbar nicht nur musikalisch als konkurrierende Autorität) und über erotische Fragen. 58 „Gegen Abend fühlt sich R. so leidend, daß das düsterste Bild meiner Seele sich einprägt; möchte ich es verschweigen, möchte ich es mitteilen? Ich weiß es nicht. – Niemanden aber habe ich, dem ich es sage – außer diesem Blatte, und mir ist, als ob ich bald auch diesem Blatte nichts mehr sagen würde! …“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 474 zum 11.1.1880). 59 Eine (leider mühsam zu benutzende) Zusammenstellung des Briefwechsels mit Theodor Uhlig bietet Burk, Sammlung Burrell S. 763–798 im Kapitel „Cosimas Rotstift“. 60 Zu ihm Parr, As-Sociation S. 327. 61 Vgl. Hilmes, Herrin des Hügels S. 13 f. 62 Eva Chamberlain brachte 1911 unter ungeklärten Umständen die Tagebücher an sich und schloß sie vor ihrem Bruder Siegfried weg, dem sie doch nach Cosimas mehrfach wiederholter Aussage zugedacht waren. 63 2012 warnte Martin Geck, Richard Wagner, S. 8 vor der Anhäufung von Zitaten aus Cosimas Tagebüchern, die mehr verwirren als erklären: „Ihre Niederschriften … erfolgten offenbar in Intervallen von mehreren Tagen, wobei sie sich auf Vermerke aus einem kleinen Notizbuch stützte. Doch wie zuverlässig ist das alles? Und welche Äußerungen hat sie ohne erklärende Kontexte mitgeteilt, welche unterschlagen, welche verändert?“ So „darf man getrost von einer Parallelwelt Cosimas zu der Welt Wagners sprechen; und diese beiden Welten sind nicht einfach mit dem Argument zur Deckung zu bringen, Cosima habe sich als Sprachrohr Wagners verstanden.“

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Seine Angst war einzig, dass sie ihn verlassen könnte – was aufgrund seines Interesses an außerehelicher Zuwendung nicht auszuschließen war.64 Allerdings hat er auch nicht erwartet, dass sie zur Verwalterin seines künstlerischen Erbes werden würde – es war fest vereinbart, dass sie ihm nachsterben sollte.65 Cosimas Unterwerfung und Zurücknahme war dabei ihre Befreiung und ihre Macht.66 Sie erreichte, dass sich der Freundeskreis, in dem sich beide bewegten, radikal in ihrem Sinne veränderte. Für einen ehedem als Staatsfeind mit Zuchthaus bedrohten Aufwiegler und notorischen Bankrotteur wie Richard Wagner war es kaum selbstverständlich, dass der niedere Adel von Heinrich von Stein über Hans von Wolzogen bis hin zum Grafen Gobineau bei ihm aus- und einging, und bei den Festspielen oder bei Wagners Konzertreisen zugunsten der Festspiele selbst der Hochadel seine Aufwartung machte. Auch auf Reisen bestimmten nunmehr häufig adlige Kontakte das Bild.67 Wagner wurde von Großherzögen und vom deutschen Kaiser in Audien­zen empfangen. Manchmal fasst ihn angesichts des neuen Bayreuther Kreises das Grausen.68 Es ist nur Cosimas Stimme, die wir in den Tagebüchern hören, und auch diese schon bei der Niederschrift emotional gefiltert, sowohl durch Wagner, der gegenüber seiner Frau bestimmte Themen bevorzugte oder zurückhielt wie durch Cosima selbst, die nicht alles verstand und manches einfach anders bewertete, ganz zu schweigen davon, dass bestimmte Bereiche tabuisiert sind. Cosima wusste keineswegs immer, was ihren Gatten beschäftigte. Er teilte es ihr in einer Art Gnadenakt mit oder unterließ es. Das gilt zuvörderst – aber nicht nur – für Fragen der Erotik und der Sexualität. Obschon eines der Hauptthemen von Wagners Opern, haben sie in den Tagebüchern der Gattin fast keinen Raum.69 Man kann nur erahnen,

64 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 45 zum 12.2.1878 (Andeutungen über die Entdeckung des heimlichen Briefwechsels ihres Gatten mit Judith Gautier): „Das Leid, vor welchem mir bangte, blieb nicht aus“ mit der Situation vom 21.1.1878 (Cosima-Tagebücher 2, S. 38): „R. träumte von einem vollständigen Bruch zwischen uns“. 65 An der Ernsthaftigkeit, dieses Gelübde zu halten, kann kaum gezweifelt werden, vgl. die Schilderung Marek, Cosima Wagner S. 275–282; Mack, Vorwort zu: Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 8–11; Hilmes, Herrin des Hügels S. 223–233. 66 Vgl. die biographischen Hinweise bei Kesting, Gewissen S. 99. – Die Parallele zu Kundry, die im dritten Aufzug des ‚Parsifal‘ nicht mehr zu sagen hat als „Dienen – dienen“ ist oft benannt worden. 67 Manches klingt wie aus einem Operettenlibretto: „Am Nachmittag fahren wir mit Gf Tasca zu Fürstin Butera, deren Palazzo von großer Pracht und Reichtum zeugt.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 854) 68 „[…] ein Besuch von Dr. Schemann und Wolz[ogen] regt R. eher auf, er […] sagt, viel mehr Kritik müßte ausgeübt werden. ‚Ihr verknust euch so in Büchern, und überall ist anzugreifen. Z.B. die MilitärMusik; soll ich es ertragen, daß mein Sohn und jemand wie Stein nach dieser – – Musik marschieren. Konservatorien, Konzert-Anstalten, alles wäre vorzunehmen, statt dessen knaupeln wir ich weiß nicht was heraus.‘“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 950–951 zum 31.5.1882). 69 Hierzu Scholz, Missverständnis S. 145 f. Cosima selbst zum 1.6.1870: „Wie ich gestern vor dem Einschlafen mein Glück beschaute, fiel mir das Leiden andrer in den Sinn, mir schauderte, und wie ich schon lange dem sinnlichen Ausdruck der Liebe entsag, nahm ich mir vor, jedwede kleine Freude, ja nur Annehmlichkeit zu opfern, um dieses eine namenlose Glück in kleinlichster Münze abzuzahlen, R.’s Gedeihen zu erschauen und zu teilen!“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 238).

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dass sie für Richard eine größere Rolle spielten, als Cosima ihnen zugestehen will.70 Richards sexuelle Bedrängnis ist groß, aber er kann sie nur in Träumen und – nicht immer gelungenen – Witzen ausleben.71 Der nonnenhaften Cosima gegenüber sparte er zwar nicht mit Liebesbekundungen, und Cosima hat sie minuziös aufgezeichnet. Wie sich aber z. B. der Kontakt zu Judith Gautier gestaltete und was er sich dabei dachte, die ‚Blumenmädchen‘-­Sängerin Carrie Pringle 1883 in den Palazzo Vendramin nach Venedig einzuladen – das bleibt Gegenstand von Spekulationen.72 Sicher ist, dass Cosima nicht alle seine Andeutungen in vollem Umfang verstand, auch wenn sie nicht ahnungslos war: R. hatte wiederum keine gute Nacht, doch aber einen Traum von einer sehr schönen Gegend voller Blumen; vielleicht die Nachwirkung eines Briefes von Mme Gautier, welche uns nach Dinard einladet.73 Es geht hier nicht um Pikanterien und Sensationslust. Nicht nur ‚Tannhäuser‘ und ‚Tristan und Isolde‘, auch ‚Parsifal‘ ist eine „Geschlechtsoper“74, deren irdische Venus Judith Gautier war, und zwar, wie noch zu zeigen sein wird, keineswegs nur durch die immer zitierten Parfüms und Seidenstoffe, die sie auf seinen Wunsch hin in Paris für ihn besorgte75, sondern indem sie ihm überhaupt „Arabia“ und die „Blumenhaine“ – d. h. den Orient, wie sie und ihr Vater ihn sahen76 – erschloss. Für diese Welt hatte Cosima keinen Sinn; in ihren Tagebüchern ist das Heranwachsen der paradiesischen Gärten und der Wunderblumen nur schattenhaft zu erkennen.

70 Wagner „scherzt“ darüber angesichts eines Gespräches über Cosimas Lektüre von Goethes ‚Wilhelm Meisters Wanderjahre oder: Die Entsagenden‘: „Ich erzähle ihm, daß ich die Nacht noch den ‚Mann von 50 Jahren‘ gelesen und mit großer Rührung Hilarien’s Entschluß der Entsagung gewahrt. ‚Ja ja, ich weiß, du möchtest auch gern solch eine Entsagungs-Wirtschaft hier einführen, ich weiß, doch – –‘, er unterbrach den Scherz. Gewiß liegt es mir vor allem daran, alles Leidenschaftliche zu entfernen und in dieser Weise zu büßen, bis ich werde gut machen können.“ (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 137 zum 6.8.1869). 71 „Montag 27ten R. träumte, die Königin von Preußen gäbe sich ihm als seine Mutter zu erkennen! … ‚Gerechtigkeit ein schönes Wort, Geschlechtlichkeit wirkt immer fort‘, spricht er auf einmal lachend bei Tisch aus“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 955 zum 27.12.1875). 72 Vgl. Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 798. 73 Cosima-Tagebücher 2, S. 403–404 zum 4.9.1879. Judith verbrachte seit 1877 die Sommerzeit in Dinard in der Bretagne und ist dort 1917 auch gestorben. Die Verbindung zwischen Blumenfeldern und der Bretagne, die Cosima wie selbstverständlich erscheinen läßt, überzeugt allerdings nicht. 74 Thomas Mann: Leiden und Größe Richard Wagners, S. 404: „Das Kindliche mit dem Erhabenen zu vereinigen, mag großer Kunst auch sonst wohl gelungen sein; die Vereinigung aber des Märchentreuherzigen mit dem Ausgepichten, der Kunstgriff, das Höchstgeistige als Orgie des Sinnenrausches zu verwirklichen und ‚populär‘ zu machen, die Fähigkeit, das Tiefgroteske in Abendmahlsweihe und klingelnden Wandlungszauber zu kleiden, Kunst und Religion in einer Geschlechtsoper von größter Gewagtheit zu verkuppeln und derlei heilige Künstlerunheiligkeit mitten in Europa als Theater-Lourdes und Wundergrotte für die Glaubenslüsternheit einer mürben Spätwelt aufzutun – dies alles ist nur romantisch, es ist in der klassisch-humanen, der eigentlich vornehmen Kunstsphäre durchaus undenkbar.“ 75 Vgl. z. B. Gutman, Wagner S. 446 f. 76 Es ist die Verklärung und Verkennung des fin de siècle, wie sie Said, Orientalism analysiert.

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Zur Kritik der Cosima-Tagebücher

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Man braucht Cosima den Wunsch nach Wahrhaftigkeit nicht abzusprechen, muss aber in gleicher Weise herausstellen, dass sie zur objektiven Beobachtung Wagners gänzlich unfähig war und ihre Sehnsüchte und Wunschbilder allgegenwärtig sind. Dies wusste oder spürte auch Wagner selbst, weshalb er sich in ihrer Gegenwart anders benahm und äußerte als ohne sie77 und sie von seiner literarischen und musikalischen Arbeit sogar explizit ausschloss.78 Das veranschaulicht das Paradox seines Spätwerkes: Die Vollendung des ‚Rings‘ und des ‚Parsifal‘ wären ohne Cosima nicht denkbar.79 Drei schwerwiegende Fehlerquellen wohnen dem Tagebuch fast zwangsweise inne: die verkürzende Wiedergabe von Äußerungen und der Situationen, in denen sie gemacht wurden, die Auslassung infolge eigener Tabus oder von Tabus, die andere gegenüber der aufzeichnenden Person haben und schließlich – von der Tabuisierung nicht immer zu trennen – das schiere Nicht-Begreifen der Chronistin. Cosimas Eintragungen sind oft weitschweifig, die auftretenden Personen reden über Triviales ebenso wie Bedeutendes. Dann aber stehen mitten in einem Bericht schwerwiegende Aussagen völlig ohne Kontext. Manches bleibt vage oder wird nur umschrieben, weil Cosima es fürchtet, nicht versteht oder weil Richard es ihr erst gar nicht mitteilt. So entsteht ein problematisches Gesamtbild: Der Wagner dieser Tagebücher nörgelt und doziert, aber er flucht nicht und erzählt keine Zoten – andere Zeugnisse lassen hier stillschweigende Zensur erahnen. Das Äußerste, was Cosima mitteilt, sind despektierliche Witzchen, selbst über die Gralswelt des ‚Parsifal‘.80 Die Tagebücher reichen vom 1.1.1869 bis zu Wagners Tod am 12.2.1883. Schon das an Cosimas Kinder gerichtete Prooimion zeigt, dass sie in einer für Wagner völlig untypischen moralisierten Denkweise abgefasst sind, da Cosima sich unter das Diktat einer numinosen ‚Pflicht‘ begibt.81 Die Prinzipien ihres neuen Lebens an Wagners Seite werden in selbstverständlichen religiösen Termini beschrieben. Dies markiert weit über die eheliche Beziehung hinaus den Beginn eines neuen Umgangs mit der Person Richard Wagners. Sie steigt von der Position eines (wie arrogant und selbstverliebt auch immer) sich selbst suchenden Künstlers, der sich mit psychologischen und religiösen Fragen quälte, auf zu einem Heiland: 77 Die im Hinblick auf den ‚Parsifal‘ gern (und meist in schlüpfrigem Unterton) angeführte Affäre Wagners mit Judith Gautier hat hier ihre Wurzel. 78 „Nur von seiner Arbeit bemerkt R., daß er dabei allein sein müßte, ‚natürlich bist du da ganz in mir und bei mir, aber nicht individuell darfst du da mir entgegenkommen‘“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 145). 79 Am 4.8.1878 sagte er das selbst: „ ‚Du wußtest zu helfen!‘ sagt er mir; ‚alle meine Freunde meinten, mir sei nicht zu helfen, ich würde nichts mehr arbeiten, du aber hast gewußt, daß mir zu helfen sei, und halfst!‘“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 154 Anm.) 80 „Wiederum oben mit R. allein gespeist; ‚ich werde nun bald meine Monsieurs mit dem RadetzkyMarsch ablatschen lassen‘, sagt er lachend.“( Cosima-Tagebücher 2, S. 40 zum 25.1.1878). Eine grobe Verhöhnung des ‚Bühnenweihfestspiels’ wird hier von Cosima ohne Kommentar und ohne Hinweis auf ihre eigene Reaktion wiedergegeben. Gralshüter wie von Wolzogen oder Seidl hätten sie keinem Publizisten verziehen. 81 Cosima-Tagebücher 1, S. 21 zum 1.1.1869.

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Als die Sterne es fügten, daß Ereignisse, die ihr anderweitig erfahren werdet, den einzigen Freund, den Schutzgeist und Erretter meiner Seele, den Offenbarer alles Edlen und Wahren, einsam, verlassen, freudlos freundlos, in die Einsamkeit trieben, rief ich ihm zu: Ich komme zu dir und will mein höchstes heiligstes Glück darin finden, dir das Leben tragen [zu] helfen.82 In ihren Tagebüchern bereitete sich das spätere, nach Wagners Tod von Cosima geführte ‚Wahnfried‘ vor. Darum darf es niemanden wundern, dass sich dessen Denken auch schon in den Tagebüchern findet. Die Trennung zwischen der ipsissima vox des ‚Meisters‘ und der Stimme des werdenden Bayreuther Kreises ist hier bereits faktisch unmöglich. Infolge der von Cosima betriebenen gezielten Vernichtung anderer Quellen haben wir nur wenig Möglichkeiten, ihre eigene Darstellung zu kontrollieren. Ironischerweise sind damit wie bei der Isolierung von Jesus-Logien in der neutestamentlichen Textkritik das einzige stichhaltige Kriterium Formulierungen und Äußerungen, die aus dem berechenbaren herausfallen, also zum Beispiel dem Bayreuther Kult diametral widersprechen. Solchen Passagen kommt eine besondere Bedeutung zu, wie Dieter David Scholz herausgestellt hat: Gegen alle Vermutungen mancher Zweifler, es handele sich bei diesen Tagebüchern um nicht mehr als ein neu erschlossenes Medium stilisierter Selbstdarstellung der Autorin und idealisierter Darstellung ihres Mannes, kann man nur verweisen auf die oftmals geradezu naive Offen- und Treuherzigkeit, mit der die Diaristin einer Verklärung ihres Gatten und „Meisters“ zuweilen gar nicht so Förderliches zu Papier gebracht hat. Ganz zu schweigen von den von ihr festgehaltenen negativen Äußerungen ihres Mannes über sie selbst.83 Doch wenn auch von einer konsequenten redaktionellen Überarbeitung des Textes keine Rede sein kann, huldigt Cosima einem vorgegebenen Narrativ, versucht ein Paar vorzuführen, das frei von Missverständnissen ist, und zeichnet die Gespräche so auf, dass sie dokumentieren, wie sich beide bemühen, zur Manifestation ihres hohen Bundes beizutragen. Das gilt auch für weltanschauliche Fragen. Da wird zum Beispiel die Musik des ‚Karfreitagszaubers‘ (hier als „Elegie“ bezeichnet) durch Andeutungen und Verschweigen zum Abbild einer Seelenverschmelzung umgedeutet: Vor dem Abendbrot kommt er zu mir herauf, spricht mir von „der Elegie“ und daß er sie mir spielen wollte, er spielt sie mir auch, diese einzige Elegie, den Vorgang in Parsifal’s Seele, wo er noch ein Mal „ganz Mensch ist“, bevor er König wird! … „Du weißt gar nicht, was alles darin ist“, sagt er, ich: „Ich glaube doch!“ er: „O ja!“84 82 Cosima-Tagebücher 1, S. 21 zum 1.1.1869. 83 Scholz, Missverständnis S. 141. 84 Cosima-Tagebücher 2, S. 318 zum 20.3.1879.

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Und dennoch: Wagner befürchtete, missverstanden zu werden – und Cosima wurde beim Zuhören bisweilen von ihren eigenen Ängsten und Bedürfnissen überschwemmt. Er spricht sehr bewegt, nicht ganz mit seiner gewohnten Klarheit, die Stimme sehr angegriffen; und nachdem er sich wie gewöhnlich, wenn er anhaltend gesprochen, entfernt hat und wiederkehrt, sieht er sehr bleich aus, seine Hände sind kalt und feucht, und er hustet. Mir sagt er den Gedanken, den er aufgeschrieben: „Der Weg von der Religion zur Kunst schlecht, der von der Kunst zur Religion gut“, – er meint, ich würde es in dieser Kürze nicht verstehen; ich verstehe es, aber die Sorge und mit ihr der Schwarm der abergläubischen Vorstellungen, welche nur wie die Erinnyen im Tempel im Gehäuse des Herzens zeitweise schlummern, ist aufgescheucht, und erbarmungswürdig ist wohl dieser Zustand.85 Antisemitismus Dass Richards emotionale Befindlichkeiten keineswegs immer mit denen seiner Frau kongruent waren, wird nirgends deutlicher als bei den häufig zitierten86 antisemitischen Passagen der Tagebücher. Als Beispiel nehmen wir Wagners Ausfall vom 18.12.1881, den Cosima ohne tagespolitischen Zusammenhang überliefert: Dann erzählt er von einer neulichen Aufführung des ‚Nathan‘, wo bei der Stelle, Christus war auch ein Jude, ein Israelit im Parterre bravo gerufen habe. […].‘ Er sagt im heftigen Scherz, es sollten alle Juden in einer Aufführung des ‚Nathan‘ verbrennen.87 Jeder Leser ist bei dem letzten Satz ohne den Ereigniskontext seinen Assoziationen überlassen. Diese sind für uns – nach Ausschwitz – anders als für Leser des Jahres 1881. Um Missverständnisse abzuwenden: Der „heftige Scherz“ war auch 1881 ein Zeugnis der Menschenverachtung, über die sich Wagner zur gleichen Zeit ereifern konnte.88 Der „Scherz“ wird nicht erträglicher, wenn man aufdeckt, dass das „Verbrennen“ nicht aus Wagners abartiger Phantasie entsprang, sondern sich, wie George Marek bemerkt hat, auf den konkreten Brand im Wiener Ringtheater vom 8.12.1881 bezog.89 Das Verbrennen wird durch diese Kontextualisierung zu ei85 Cosima-Tagebücher 2, S. 475–476 zum 13.1.1880. Der dramatische Nachsatz legt aber nahe, daß sie Wagners Aphorismus nicht so interpretierte wie er. 86 Rose, Prophetie S. 295; Hermand, Glanz und Elend S. 136. 87 Cosima-Tagebücher 2, S. 852 zum 18.12.1881. 88 Ausgerechnet am Tag des Unglücks in Wien dozierte Wagner „über Fürsten und Große und ihre Grausamkeit“ mit dem Ausruf: „Diese Fähigkeit, die Menschen zu 1000 vor sich fallen zu sehen und eigentlich immer eine Art von guter Laune zu behalten, nachher in’s Ballett zu gehen“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 844). 89 Marek, Cosima Wagner S. 259.

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nem konkreten historischen Ereignis. Damit ist der Mythenbildung vorgebeugt – insbesondere der Stilisierung Wagners zu ‚Hitlers Propheten‘. Warum Cosima den Brand im Ringtheater nicht erwähnt, ist unklar. Dass das Ehepaar darüber gesprochen haben muß, ergibt sich aus einem Satz am Ende des Eintrags für den 17.12.1881, der zusammenhanglos und ohne Überleitung auf das Referat von völlig anders gelagerten Gesprächen über ‚1001 Nacht‘ folgt: „Daß 416 Israeliten bei dem Brand umkamen, steigert R.’s Teilnahme für das Unglück nicht.“90 Wagner griff also am Folgetag mit seiner Nathan-Bemerkung dieses frühere Gespräch auf. Cosima hat extrem komprimiert und damit das Bild des Gespräches (unbewusst?) manipuliert – mag sein zu Wagners Gunsten (indem sie die wirkliche Härte des „Scherzes“ abschwächte), mag sein zu seinen Ungunsten (indem sie die Äußerungen falsch montierte). Das können wir nicht entscheiden; doch kann die Passage nicht als ‚ipsissima vox‘ des ‚Meisters‘ durchgehen. Der zeitgeschichtliche Kontext macht ferner deutlich, dass hier nicht der dämonisch grinsende Prophet des Holocaust spricht, sondern ein verbitterter und hasserfüllter Nörgler. Dies macht Wagner – und auch seine Gesprächspartnerin – nicht sympathischer, erleichtert uns aber die kritische Distanz. Das mag auch für jenen merkwürdigen Abend des 13. Januars 1879 gelten, an dem Wagner vor dem Hofkapellmeister Hermann Levi und anderen nicht Genannten das Libretto zu Cherubinis Oper ‚Die Abenceragen‘ vortrug. Es war, wie bereits gezeigt, ein Schlüsselmoment für die Deutung des ‚Parsifal‘. Hier interessiert nur die antisemitische Seite dieses Gesprächs. Man hat die von Cosima aufgezeichneten unterwürfigen Äußerungen Hermann Levis91 in der ‚Judenfrage‘ häufig gerügt und schreckte auch nicht vor einer geradezu ehrenrührigen Diskriminierung von Levi zurück.92 Aber auch Wagner dozierte daß das allgemein Menschliche, welches aus dem deutschen Wesen sich hätte entwickeln sollen, um dann auch dem Jüdischen zugute zu kommen, daß dies in seiner Entfaltung aufgehalten worden ist durch die frühzeitige Einmi­ schung in unsere Angelegenheiten, bevor noch daß wir gewußt, wer wir seien.93

90 Cosima-Tagebücher 2, S. 852 zum 18.12.1881. Hier kann der Text nicht in Ordnung sein, da der bestimmte Artikel in „bei dem Brand“ ja reflexiv ist. 91 Hermann Levi (1839–1900), Münchner Hofkapellmeister und Dirigent der Uraufführung des ‚Parsifal’. Sohn des Wormser Oberrabiners, gehörte zum engsten Umfeld Richard Wagners. Zu ihm vgl. allgemein Imogen Fellinger, NDB 14 (1985), S. 396 f.; speziell zur Rolle des Juden Levi im Bayreuther Umfeld Dreyfus, Levi’s Shame und Scholz, Mißverständnis, S. 183–196 („Wagner und die Juden, Juden um Wagner, jüdische Wagnerianer“), sowie Fischer, Richard Wagners ‚Das Judentum in der Musik‘ S. 97f. 92 Levi berichtet „von einer großen Bewegung gegen die Juden auf allen Gebieten; in München wolle man sie aus dem Magistrat entfernen – er hofft, in 20 Jahren würden sie mit Stiel und Stumpf ausgerottet und das Publikum des ‚Ringes’ ein anderes Volk abgeben, wir ‚wissen es anders’!“Cosima-Tagebücher 2, S. 290 zum 13.1.1879. Vgl. Gay, Levi; kritisch hierzu Dreyfuss, Levi’s Shame, insbesondere S. 127 und 132 f. 93 Cosima-Tagebücher 2, S. 290 zum 13.1.1879.

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Solche bösartige Äußerungen Wagners über das ‚Judenthum‘ bekamen in Cosimas Berichten breiten Raum, und die Aufzeichnungen belegen, dass Cosima an solchen Gesprächen zeitlebens großen Anteil nahm; eine eher positivere Äußerung Wagners lieferte sie erst am Folgetag nach, wenn durch ein neuerliches Gespräch die Äußerung an Wichtigkeit gewonnen hatte.94 Wir sehen: Cosima hat die antisemitischen Äußerungen Wagners nicht erfunden, aber verständnisvoll begleitet und freudig niedergeschrieben – und er wusste genau, dass er mit möglichst kräftigen Tönen zu diesem Thema bei ihr punkten konnte. Dass und auf welche Weise (und wovon) sich Juden wie Levi von Wagner eine Befreiung versprachen, konnte sie nicht verstehen. Sie lieferte auch keine Erläuterungen des ‚Meisters‘ zu diesem heiklen Punkt. Levi hatte in dem abendlichen Gespräch das zynische Finale von Wagners ‚Judentum in der Musik‘ referiert, eben jene Sätze von der ‚Erlösung durch Vernichtung‘, die aus heutiger Sicht so unerträglich klingen.95 So wie es dort steht, war es von Wagner fraglos als Verhöhnung gemeint96 – aber es ging dennoch nicht um legalisierten Mord97, sondern um die Travestie eines von ihm sowohl auf seine Bühnengestalten98 wie auch auf sich bezogenen philosophischen Prinzips99, das durch Eduard Hartmanns Philosophie des Unbewussten von 1869100 und Philipp Mainländers 1876 publiziertes nihilistisches Manifest einer „Philosophie der Erlösung“ aktueller war denn je.101 Es handelte sich um die Überwindung des 94 „R. sagte gestern: Wenn ich noch einmal über die Juden schriebe, würde ich sagen, es sei nichts gegen sie einzuwenden, nur seien sie zu früh zu uns Deutschen getreten, wir seien nicht fest genug gewesen, um dieses Element in uns aufnehmen zu können“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 236–237 zum 22.11.1878, d. h. bezogen auf den 21.11.1878). Erst durch den Rückbezug eines neuen Gespräches wird diese Äußerung des Vortages erwähnenswert. 95 Wagner SuD Bd. 5, S. 85. 96 Den gleichen zynischen Witz machte Wagner in der Einleitung zu ‚Oper und Drama‘, jedoch ohne kollektive Verhetzung und nur auf die Person Mendelssohns bezogen: Der von Meyerbeers Oper verstörte Zuhörer erlange „die in der höchsten Spitze des Irrthumes ausgesprochene Vernichtung dieses Irrthumes, und diese Vernichtung heißt hier: der o f f e n k u n d i g e To d d e r O p e r , – der Tod, den Mendelssohn’s guter Engel besiegelte, als er seinem Schützlinge zur rechten Zeit die Augen zudrückte!“ (Wagner SuD Bd. 3, S. 230). Das eigentliche Anliegen ist – neben dem schäbigen Neid auf den Älteren, dem er musikalisch viel verdankt – die Bühnenkunst. Wagner nennt darum seine eigene Kunst eine Gestaltung, „die eben nur durch Vernichtung der sinnlichen Form der Gegenwart, also durch die Revolution zu gewinnen ist.“ (‚Eine Mitteilung an meine Freunde, Wagner‘, SuD 4, S. 309). 97 Vgl. Berger, Regenerationsfrage S. 8. Dagegen Hein, Viel Hitler S. 112–116. 98 „ ‚Vernichtung des ganzen Wesens, jedes irdischen Wunsches’, sagt R.“ über Kundry, (Cosima-Tagebücher 2, S. 303 zum 4.2.1879). Vgl. auch die Anm. 37 (Christentum), 66 (Frauenbild) und 463 („Vernichtungsklang der Pauke“). 99 Hierzu grundlegend der Abschnitt „Vom Tod“ in Wagners Skizze ‚Jesus von Nazareth‘ (Wagner, SuD 11, S. 299–308, insbesondere S. 302f). 100 Pauen, Dithyrambiker S. 81–85. 101 Nietzsche wies Cosima im Mai 1876 auf Mainländer hin. Zu Nietzsche Mainländer-Rezeption vgl. Dechner, Wille und Müller-Seyfarth, Voltaire. – Zu Mainländer (1841–1876) allgemein vgl. Lessing, Schopenhauer, Wagner, Nietzsche (1907); Rademacher:, Zerfall; Pauen, Dithyrambiker, S. 79–81; Eckert, Parsifal 1914 S. 225–229.

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Egoismus zugunsten eines durch den Tod und über den Tod hinaus wirksamen gemeinschaftlichen Fortschreitens. Nach der Schopenhauer-Lektüre war für Wagner der „Wille zum Leben“ an die Stelle des sozialistisch gemeinten ‚Egoismus‘ getreten. Für Nietzsche verband sich all dies zu einer Weltverneinung, die zwingend dem Ideal der „unbedingten Keuschheit“ gehorche, weshalb er in einer Notiz Wagner und Mainländer gemeinsam verwarf.102 Nichts desto trotz öffnete sich durch den hier verborgenen Zynismus der Weg in eine Denkrichtung, die auch noch die letzten humanistischen Schutzhüllen absprengen sollte. Dies geschah nicht erst 1933, sondern bereits in den dem ‚Bayreuther Gedanken‘ zugehörenden Traktaten von Wagners ‚Apostel‘ Hans von Wolzogen103. Die zweite Veröffentlichung des Traktates über das ‚Judenthum in der Musik‘ unter Wagners richtigem Namen – statt unter dem Pseudonym K. Freigedank – erfolgte 1869 in enger Abstimmung mit Cosima. Wagner war dabei keineswegs Cosimas Opfer104 – er trägt die volle Verantwortung für das Pamphlet und auch für die neuerliche Veröffentlichung, die er diesmal mit seinem Namen kennzeichnete. Aber die Beziehungsdynamik des Ehepaares Wagner begünstigte Äußerungen auf diesem Felde (sie trugen ihm Cosimas Bewunderung ein) und schwächte Impulse, anderen Positionen Raum zu gewähren. Das zeigt sich auch am Abend des 31.1.1879. Wieder allein mit Cosima, weicht Wagner ihr aus und greift zu einem mehr oder minder witzigen Scherz: „er sagt, wir bekommen in ‚Wahnfried‘ eine Synagoge!“ Der Satz ist in seiner Doppeldeutigkeit signifikant und wird es umso mehr, als Wagner anders als Cosima um die jüdischen Anleihen wusste, die er für den ‚Parsifal‘ machte. Ein bigottes Christentum war in den Kreisen, zu denen Wagner dank Cosimas Vermittlung aufsteigen konnte, ebenso selbstverständlich wie Deutschtümelei und Antisemitismus. Es gab also für Wagner durchaus Anknüpfungspunkte an diese neue Umgebung, aber sie verstärkte vor allem seine abstoßenden Seiten. Trotz der imposanten Hofhaltung, die Cosima in ‚Wahnfried‘ zu entfalten wusste, wurde Wagner innerlich einsamer. Außerdem wird sein Gemütszustand immer unberechenbarer. Cosimas Tagebuch dokumentiert furchtbare Wutausbrüche und spätere Reue.105 Er klagt es, wie diese Arbeit ihn anstrengt, und geht es durch die vergangenen Jahre, wie sie ihn angestrengt haben, wie er die Aufführung des ‚Rings‘ betrieben, dann die Proben, endlich die kummervolle Zeit nach den Aufführungen, und wie, um sich zu helfen und sich zu retten, er den ‚Parsifal‘ dichtete. – In der Frühe vertraut er mir es von neuem an, wie die ganze Welt, alle

102 Nietzsche, KSA 11, S. 252,5–14 (=26[383]): „Nachwirkungen des alten Gottes“. 103 Vgl. Wolzogens Traktat ‚Kunst und Kirche‘ von 1895, hierzu unten Anm. 213. 104 Marek, Cosima Wagner S. 238 will bei ihr eine Verhärtung des Antisemtismus während der Entstehungszeit des ‚Parsifal‘ feststellen. 105 Vgl. Marek, Cosima S. 265 mit einem schönen Beispiel.

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Bibliotheken

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Beziehungen, ihm gespenstisch seien, wie ihm alles entfallen, fremd geworden, „aber auch alles“. – – Dabei obsiegt doch noch immer die Heiterkeit.106 Dem letzten Satz sollte man mit Misstrauen begegnen. Dass Cosima das so sehen wollte, verwundert nicht. Wagners letzte Jahre sind aber von Klagen über Unverstandensein und Einsamkeit überschattet. Die Herzkrankheit tat ein Übriges: Ausbruchsmöglichkeiten gab es nur in der Kunst. Je schwächer und kränker Wagner wurde, desto deutlicher musste, schon zur Kompensation, sich im Alltag Cosima durchsetzen. Sie tat dies diskret, indem sie nach außen andere vorschob. Der Bayreuther Kreis begann sich zu formieren. Dies geschah unter Wagners Augen und mit seiner Zustimmung. Aber froh wurde er dieser neuen Situation nicht. Alternativen hatte er keine.107 Diese Zwangslage suchte Wagner, offenbar mit Cosimas tatkräftiger Unterstützung, durch Zurschaustellung eines übersteigerten Selbstbildes zu kompensieren. Diktierte er von 1865 bis 1880 die bis zum Jahre 1863 reichende Autobiographie ‚Mein Leben‘ immerhin noch selbst (allerdings unter Cosimas Redaktion), so überließ er die geplante Fortsetzung vollends der Gattin.108 Wohl auch zu diesem Zweck begann Cosima am 1.1.1869 ihre ‚Tagebücher‘.

Bibliotheken Wagners Büchersammlungen in Dresden und Bayreuth Bis zu seiner Flucht hatte Wagner in Dresden rund 200 Titel in 408 Bänden für seine Bibliothek zusammengetragen109. Sie dokumentieren seinen damaligen Horizont; und wenn er auch nirgends die Erwerbungsdaten seiner Bücher notierte110, so ist der Zeitraum, in der ihm diese Dresdener Bibliothek zur Verfügung stand (1842 bis 1849) derart knapp, dass dies weniger ins Gewicht fällt als bei der später in Tribschen begonnenen und nach ‚Wahnfried‘ überführten zweiten Bibliothek, die heute 2301 Bände umfasst111. 1849 nahm Wagners Schwager, der Verlagsbuchhändler Heinrich Brockhaus (1804–1874), die Dresdner Bibliothek als Pfand für ein 1846 aufgenommenes und

106 Cosima-Tagebücher 2, S. 854–855. 107 Vgl. die Darstellung bei Bauer, Bayreuther Festspiele 1, S. 134–137. 108 Vgl. den Brief an Ludwig II. vom 21./22. Juli 1865; hierüber Gregor-Dellin im Nachwort zu Wagner, Mein Leben S. 785. 109 Katalog bei Westernhagen, Bibliothek S. 84–113. 110 Zu recht beklagt bei Wapnewski, Tristan der Held S. 44. 111 Katalogisiert als ‚Wahnfried‘-Bibliothek und in einem Computerausdruck über das Internet zugänglich.

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nie zurückerstattetes Darlehen von 500 Talern.112 Trotz mehrerer Anläufe, in denen Wagner seine erste Frau Minna einschaltete, blieb die Bibliothek für den Komponisten unzugänglich im Besitz der der Familie Brockhaus. Einzige Ausnahme bildeten neun Bände der ‚Romans des Douze Pairs de France‘ (d. h. mit altfranzösischen Romanen), die Wagner in ‚Mein Leben‘ als besondere Erwerbung für seine Dresdener Bibliothek hervorhob113, und die – wahrscheinlich deshalb – Heinrich Brockhaus im April 1873 an Cosima zurückgab.114 Cosima ließ sie am 22. Mai 1873 (zu Wagners 60. Geburtstag) durch die Töchter Isolde und Eva dem früheren Besitzer überreichen, nennt aber in ihrem Tagebuch Heinrich Brockhaus nicht.115 Der schwerkranke Verleger116 war ihr zuwider; er wurde anlässlich der letzten persönlichen Begegnung mit Verachtung gestraft: „Hier auch hat einer unrechtes Gut sich angeeignet ---- nur Mitleiden kann hier übrig bleiben“.117 1974 übergab die Verlegerwitwe Susanne Brockhaus die ehemals Dresdner Bücher an die ‚Richard-Wagner-Stiftung‘ in Bayreuth. Sie werden heute zusammen mit der späteren Bayreuther Bibliothek im Haus ‚Wahnfried‘ aufbewahrt. Der Anteil mediävistischer Werke am Dresdener Buchbestand war enorm.118 Aus der Dresdener Bibliothek bedeutsam ist ein Exemplar des Neuen Testaments, das – wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Studien zu ‚Jesus von Nazareth‘ – viele Unterstreichungen enthielt.119 Nach der Flucht aus Dresden begann Wagner mit dem Neuaufbau einer Büchersammlung, der naturgemäß nur langsam vor sich ging. Aus Luzern bat er z. B. den Verleger Breitkopf um Noten. Sie beschämen mich völlig durch Ihre so freundliche Bereitwilligkeit, mir zur Completirung meiner kleinen Bibliothek behilflich zu sein.120 Nietzsche war als Bearbeiter für die Bibliothekssystematik in Tribschen vorgesehen.121 Dazu kam es nicht; nach der Verlagerung nach Bayreuth machte sich Wag112 Vgl. Wagner, Mein Leben S. 274f; von Westernhagen, Dresdener Bibliothek S. 65–83. 113 Wagner, Mein Leben S. 275. 114 Von Westernhagen, Dresdener Bibliothek S. 80 f., die Stücktitel genannt S. 81 Anm.  1. Heutige Signa­tur der ‚Wahnfried‘-Bibliothek: IV-b-2.17. 115 Cosima-Tagebücher 1,686 zum 22.5.1873 („aus R’s früherer Bibliothek“). 116 Er verstarb im November des Folgejahres. Vgl. Annemarie Meiner in NDB 2 (1955), S. 624 f. 117 Cosima-Tagebücher 1, S. 612 zum 14.12.1872. 118 Wagner, Mein Leben S. 274: „Am vorzüglichsten war hierin die altdeutsche Literatur vertreten und das ihr zunächst verwandte Mittelalterliche überhaupt“, danach Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 225; Schäfer-Hartmann, Literaturgeschichte S. 255 f. 119 Hinweis bei Wagner-Tagebuch, S. 114 Anm. 1. Bei von Westernhagen, Dresdener Bibliothek kein Exemplar des Neuen Testamentes verzeichnet. 120 BW Breitkopf, S. 223, 18.3.1869. Vorgang ebd. S. 219, 1.3.1869. 121 Cosima an Nietzsche: „Sie sprechen aber gar nicht mehr davon Tribschen wieder einmal zu besuchen – die Bibliothek ist noch immer zu ordnen und hat sich neulich um zwei Sanskrit-Bücher vermehrt von welchen wir gar nicht wissen was sie sind (Dr. Windisch thäte Noth).“ (BW Nietzsche, S. 56–57, S. 56, 5./6.2.1870).

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ner selbst daran: „R. ordnete heute die Bibliothek mit Lusch122 und ‚schimpfte‘ auf die ‚Vielschreiber‘, Lateiner etc.“123 Später müssen Cosima und die Wagnerianer, aber auch die Kinder „stauben und räumen“.124 1888 wurde ein Standortkatalog an­gelegt, dessen Systematik 1973 nach der Wiederaufstellung der Bibliothek im Haus ‚Wahnfried‘ rekonstruiert wurde. Es handelt sich um rund 2301 Bände. 1869 klag­te Wagner aus Tribschen anlässlich der Bestellung von Mozarts Symphonien bei Breitkopf & Härtel noch über Schwierigkeiten bei der Bindung seiner Bücher: nur habe ich die besondere Bitte, was nicht schon gut gebunden in Ihrem Magazin vorräthig ist, zuvor Ihrem Buchbinder zu gutem, elegantem Einbinden für mich zu übergeben, da ich in diesem Punkte hier elend daran bin. Ich wünsche Alles in collectiv-‚Einbänden‘ zu erhalten.125 In Bayreuth beschäftigte das Ehepaar einen lokalen Buchbinder.126 Die Bücherausstattung beschäftigte Wagner sogar im Traum.127 Der Stolz des Ehepaares über die eigene Büchersammlung ist deutlich zu spüren.128 Abends Geschichte der Sagenpoesie von Uhland, mit großem Interesse begonnen; Freude an unserer Bibliothek; da bei dem persischen Ferwer Uhland sich auf Görres bezieht, können wir gleich nachsehen.129 Manche Erwartungen an die Privatbibliothek waren allerdings überzogen: Dann besprachen wir das Vervollkommnen der Bibliothek für Siegfried, er will mit ihm wieder lateinisch lernen.130 Im Juni 1878 erklärt Wagner die Sammlung für abgeschlossen.131 Die Vorbereitung auf den ‚Parsifal‘ war systematisch verlaufen. 1866 bis 1871 hatte Charles Potvin in 122 Cosimas älteste Tochter Daniela von Bülow (160–1940), später verheiratet mit dem Maler Henry Thode (1857–1920), 1928 Mitunterzeichnerin des Gründungsmanifests des NS-‚Kampfbunds für deutsche Kultur‘. 123 Cosima-Tagebücher 1, S. 577 zum 26.9.1872, vgl. auch die Umräumarbeiten ebd. S. 662. 124 Cosima-Tagebücher 1, S. 831–833; 2, S. 335. 125 Wagner SB 21, S. 108. 126 Vgl. BW Schott, S. 178 (9.9.1874). Es handelt sich um Christian Senfft, vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 687 Anm. Weiteres bei Pabel/Feldmann, Luxus. 127 Cosima-Tagebücher 1, S. 687 zum 22.5.1873: „R. träumte von Einbänden und daß er zu dem Buchbinder sagte, daß es sich doch schön machen würde, wenn die Titel, anstatt golden, schwarz auf hellem Grund gedruckt würden, nun traf es sich, daß, wie ich das Buch von Burnouf zum Einbinden bestellte, ich auf den Einfall kam, den Namen des Autors und das Datum des Werkes schwarz machen zu lassen; dieses kleine Zusammentreffen macht uns viel Freude.“ 128 Vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 662, 670 und 699. Später räumen Cosima und von Wolzogen in der Bibliothek, vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 33–38 zum 3.–17.1.1878, möglicherweise auch schon Katalogisierungsarbeiten, deren mit Glasenapps Unterstützung erfolgter Abschluß Cosima-Tagebücher 2, S. 135 zum 11.7.1878 notiert wird. 129 Cosima-Tagebücher 1, S. 698 f. 130 Cosima-Tagebücher 1, S. 110. 131 Cosima-Tagebücher 2, S. 135 zum 11.7.1878.

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sechs Bänden die ‚Perceval‘-Erzählung von Chrétien de Troyes und seinen Fortsetzern publiziert, denen er in einem weiteren (1.) Band den prosaischen ‚Perlesvaus‘ voranstellt – Wagner erwarb sie alle.132 Nach Abschluss des ‚Parsifal‘-Librettos investierte er hier nicht mehr; maßgebliche Publikationen wie die Untersuchung von Birch-Hirschfeld (1877)133 fanden den Weg nach Bayreuth nicht.134 Es finden sich in der Bibliothek überhaupt nur noch vier Titel mit Erscheinungsjahr 1879 und zwei mit dem Erscheinungsjahr 1882, darunter der Klavierauszug zum ‚Parsifal‘ von Rubinstein.135 Die Bibliothek ist nur lückenhaft erhalten. Es fehlen mehrere Werke, die Cosima in den Tagebüchern erwähnt, z. B. der „Band der ‚Correspondence générale de Voltaire‘ … (Band VIII)“, aus dem Wagner am 23.12.1875 vorliest136, weitere Titel ließen sich mühelos aus den ‚Cosima-Tagebüchern‘ ergänzen. Literaturbeschaffung Von der Forschung gänzlich vernachlässig blieb die Frage, wie Wagner an all die Bücher und Notendrucke kam, von denen bei Cosima immer wieder die Rede ist. Wagner studierte zusammen mit ihr am 10.11.1871 den Auktionskatalog für die Bibliothek Ludwig Uhlands (1787–1862), am 31.12.1871 lasen sie bereits „die Rede J. Grimm’s über Schiller; welche mit andren sehr interessanten Sachen aus Uhland’s Bibliothek für R. angekommen ist.“137 Eine nicht unbedeutende Zugangsform waren Bettelbriefe. So schrieb Wagner an Schott: Ich sprach zu seiner Zeit an den seligen Herrn Fr. Schott den Wunsch aus, daß er mir für meine Bibliothek einen Prachtabdruck, wie der [!] für den König von Bayern – mindestens von meinen in seinem Verlag erschienenen Partituren verehren möge. Er erwiederte hierauf sogleich mit der Zusage,

132 Perlesvaus ed. Potvin, Bibliothek ‚Wahnfried‘ II-b-3.14(1–6). 133 Birch-Hirschfeld, Sage vom Gral. 134 Daß ‚Parsifal‘ den altfranzösischen Prosaroman ‚Perlesvaus’ voraussetzt, läßt sich an vielen Motivübernahmen erkennen, insbesondere dem Gedanken, daß der Gralsheld für die Gralsburg noch andere Heiligtümer als den Gral erkämpfen muß. Allerdings sind diese Übernahmen bereits im Entwurf von 1865 vorgeprägt, können also durch Potvins Edition von 1866 nur konkretisiert worden sein. 135 Signatur I-a-4.22 der ‚Wahnfried‘-Bibliothek. 136 Cosima-Tagebücher 1, S. 955. Vorhanden ist eine siebenbändige Werkausgabe unter der Signatur III-a-5.6(1–7). 137 Cosima-Tagebücher 1, S. 475 zum 1.1.1872. Die Zerschlagung von Uhlands Bibliothek begann mit einer Stiftung der Bibliothek an die Universitätsbibliothek Tübingen durch Emilie Uhland, vgl. das Verzeichniß der Geschenke aus der Bibliothek Ludwig Uhland’s, in: Zuwachsverzeichnis der Königlichen Universitätsbibliothek Tübingen 18 (1872), S. 23–57. Die Dubletten wurden von der Bibliothek verkauft. Einzelheiten bei Folter, Dichter- und Germanistenbibliotheken S. 197.

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das für die Wiener Weltausstellung zubereitete Prachtexemplar des ‚Rheingold‘ sofort nach dem Schluß der Ausstellung mir überlassen zu wollen.138 oder am 2.2.1878 an einen ungenannten Adressaten: Liebster Freund! Ich glaube, Sie sind mit einer Musik-Leihanstalt verwandt? Wollen Sie nicht so gut sein, Brahms’ Symphonie in Partitur und Klavierauszug139, gegen Zusicherung der entsprechenden Leihgebühren, auf kurze Zeit mir zu verschaffen? Ich erfahre am Ende doch gar nicht mehr von der Welt, und hier ist so etwas nicht zu haben. – Seien Sie mir immer gut, und bevor ich sterbe, bekommen Sie noch etwas Hübsches von mir in Ihren Musikverlag. Jetzt brauche ich nur immer noch so viel Geld wie möglich, denn ich habe viel zu decken! Der 1e Act von Parsifal ist in der Composition fertig. Mit besten Grüßen Ihr ergebener Richard Wagner140 An welchen Musikverleger auch immer Wagners Brief gerichtet war, er blieb nicht ohne Erfolg. Zum 6.2.1878 notiert Cosima: R. hat sich den „Trompeter von Säckingen“ (60te Auflage) kommen lassen, und auch die Symphonie von Brahms, welche in Wien und Leipzig mit ungeheurem Erfolg gegeben worden ist.141 Neben der Partitur von Brahms wurde also ein Schauspiel ausgeliehen. Den ‚Trompeter von Säckingen‘ von Viktor Scheffel142 wird Wagner in den Kunstschriften der

138 BW Schott, S. 177, 16.8.1874. Zur Vorgeschichte und zum späteren Schicksal des Buches ebd. S. 157 (30.3.1873), insbesondere Anm. 447: „Dieses in Wien ausgestellt gewesene Exemplar der Partitur erhielt mit einem Briefe Wagners Joh. Brahms am 26. Juni 1875.“ 139 Vgl. die Anm. Cosima-Tagebücher 2, S. 1137: „2. Symphonie in D-dur von Johannes Brahms (1833– 1897), unter Hans Richter am 30. Dez. 1877 in Wien uraufgeführt, vgl. 3. Febr. 1879.“ 140 Burk, Sammlung Burrell S. 816 Nr. C 23. Zu den Finanznöten vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 42 zum gleichen Tag (Ludwig II. gewährt Tantiemen zur Deckung des Defizits). Wagners Brief wird nicht erwähnt. 141 Cosima-Tagebücher 2, S. 43. 142 Daß es sich nicht um die Oper des elsässischen Komponisten Viktor Ernst Nessler (1841–1890) handelte, ergibt sich zwingend aus der Angabe der „60te Auflage“ bei Cosima-Tagebücher 2, S. 43 bzw. Wagner, SuD 10, S. 78. Allein im Jahr 1878 erschienen bei Bonz in Stuttgart die 67.–72. Auflage der populären Dichtung. Die Partitur der 1884 uraufgeführten Oper (Text: Rudolf Bunge nach Scheffel) erschien im gleichen Jahr bei Schuberth in Leipzig.

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nächsten Zeit dreifach – und jedes Mal mit Abscheu – erwähnen.143 Über Brahms schimpft Wagner wiederholt in kleinem Kreis sehr abfällig, öffentlich in eher unverständlicher Ironie.144 Ein Jahr nach der Ausleihe, am 3.2.1879 spielte er mit Rubinstein die Symphonie vierhändig am Klavier145 – d. h. er hatte sie entweder noch nicht zurückgegeben oder aber ein anderes Exemplar aus dem Handapparat zu Rubin­steins Buch über Brahms.146 Benutzung öffentlicher Bibliotheken In Dresden war Wagner als Benutzer der Königlichen Hofbibliothek registriert.147 Bibliophile Interessen zeigt er jedoch praktisch nicht.148 An Theodor Uhlig schrieb er während der Arbeit an den ‚Nibelungen‘: Schon in Dresden gab ich mir alle erdenkliche Mühe, ein buch zu kaufen, das aber nirgends im buchhandel mehr existirte. Ich fand es endlich auf der königl. bibliothek. Es ist ein dünnes kleinoktav- oder gar duodez-bändchen und heißt: „Die Wölsungasaga“ – aus dem altnordischen übersetzt von H. von der Hagen. Es macht dieß einen theil der (ich glaube) altnordischen „Ritterromane“ aus, die Hagen – wenn ich nicht irre – 1812 bis 1816 in Breslau herausgab. Dieses buch brauche ich jetzt zu einer abermaligen kurzen durchsicht: hier ist es keine möglichkeit, es zu bekommen. Es hilft daher nichts, bester freund, Du wirst mir wohl den gefallen thun müssen, dieß buch von der königl. bibliothek Dir zu leihen, und mir es dann auf eine ganz kurze zeit hieher zu schicken. Du packst es vielleicht mit noch etwas zusammen (Figaro?), und ich schicke es Dir dann – spätestens nach 14 tagen – mit Deinen Raussebüchern zugleich zurück. Versteht sich, alles durch die post. – Meine Musikalien können – wenn Du mit der Durchsicht fertig bist – sehr gut mit fracht gehen. – Ich denke, bei dem buche hast Du gar nichts zu riskiren: denn – im allerschlimmsten falle, es ginge verloren, oder es fiele veruntreuung vor, so hättest Du der bibliothek immer eben nur für diesen Verlust gut zu stehen, d. h. den preis des buches zu bezahlen.149 143 Vgl. Wagner, SuD 10, S. 78, 139 und 146. 144 Vgl. Wagner, SuD 10, S. 126 und 239. 145 Cosima-Tagebücher 2, S. 303. 146 „Abends bringt Rub. Kompositionen von Herrn Brahms und spielt uns ein Konzert vor“ (vgl. Cosima-­Tagebücher 2, S. 407) in Verbindung mit „weil Herr Rub. Händel’s Werk für seine Arbeit über Brahms braucht“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 426). 147 Häufige Dresdener Bibliotheksbesuche erwähnt Glasenapp, Leben Richard Wagners 2, S. 126. 148 „Er habe gar nicht die Bücher-Manie, und nun er seine Sammlung habe, kaufe er eigentlich keine Bücher mehr“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 135 zum 11.7.1878). Eine Ausnahme bildet der Besuch in der Bamberger Staatsbibliothek (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 712). 149 Wagner SB Bd. 4, S. 173–174. – Friedrich Heinrich von der Hagen, Nordische Heldenromane 4 (1815) wurde als wichtige – und schmerzlich vermißte – Quelle auch am 24.2.1869 aus Trischen gegenüber König Ludwig genannt: „sehr wichtig, eine Uebersetzung der Völsungasaga, welche ich auf

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1861 schrieb Richard aus Wien an Minna: Zwar drängt es mich sehr hier fort, und an meine Arbeit zu kommen; doch hat sich’s gefunden, dass ich hier einige Tage gut noch verschwenden kann durch Benutzung und Studium einiger Bücher, die ich von der hiesigen Bibliothek bekommen kann. Somit wäre diess kein absoluter Zeitverlust!150 In der Wiener Hofbibliothek wurde u. a. die ‚Wagenseil-Chronik‘ von 1697 für die ‚Meistersinger‘ benutzt, wozu allerdings Peter Cornelius beim Leiter der Bibliothek eine Sondergenehmigung erbetteln musste.151 Auch in den Bayreuther Jahren stand mit der Münchner Hofbibliothek eine Weltbibliothek für die Literaturversorgung zur Verfügung. Für die ‚Wibelungen‘ suchte Wagner dort nach Literatur über das „Ur-Königtum der Deutschen“.152 Wagner konnte sogar Zimelien wie den Erstdruck der für Kaiser Maximilian I. geschaffenen Holzschnitte des ‚Weißkunig‘153 nach ‚Wahnfried‘ entleihen: das herrliche Werk von H. Burgkmair, ‚Der Weißkunig‘, mir aus der k. Bibliothek in München geliehen.154 Für Wagner selbst scheint gleichzeitig ein Band von Louis Jacolliot (1837–1890) entliehen worden zu sein, der französischer Konsul in Kalkutta war und sich mit spekulativen Ableitungen des ‚Neuen Testaments‘ aus indischen Quellen befaßte, wie der Gleichsetzung von ‚Christus‘ mit ‚Krishna‘, da er nach der Kreuzigung in Indien als ‚Christna‘ weitergelebt habe. Cosima erwähnte den Band am 10. und wieder am 13.3.1881 mit der vagen Titelangabe „Indien“. Es wird sich also um ‚La bible dans l’Inde. vie de Iezeus Christna‘155 oder um die ‚Voyage aux pays des éléphants‘156 gehandelt haben, auf die sicher am 2.7.1881 angespielt wird.157 Der schon von den Zeitgenossen hart kritisierte Autor ist jedenfalls nicht in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek vertreten. Er hat Wagner gleichwohl stark beschäftigt.158 So heißt es 1881

der Dresdener Bibliothek auftrieb, und die sich jedenfalls auch in der Münchener Bibliothek finden wird.“ (BW Ludwig II. Bd. 2, S. 263). 150 Wagner SB Bd. 13, S. 312. 151 Wagner, Mein Leben S. 684. 152 Wagner, Mein Leben S. 390. 153 Marx Treitzsaurwein: Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten, Herausgegeben aus dem Manuscripte der kaiserl. königl. Hofbibliothek, Wien, auf Kosten Joseph Kurzböckens, kaiserl. königl. illyrisch- und aller orientalischen Sprachen Hofbuchdruckern und Buchhändlern, Wien 1775. 154 Cosima-Tagebücher 2, S. 709 zum 11.3.1881. 155 6 Paris 1876, BSB München, Exeg. 1349 h. 156 Paris 1876, BSB München, It.sing. 1440 d. 157 Cosima-Tagebücher 2, S. 755. 158 Gregor-Dellin im Kommentar der Cosima-Tagebücher 2, S. 1236.

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Gobineau’s Buch, das er liest, macht ihm weniger Freude als Jacolliot, dies sei ‚grüne Weide‘159 Woher das Exemplar der ‚Tentation de Saint Antoine‘ von Gustave Flaubert stammte, dessen Lektüre Wagner am 7.6.1880 verärgert abbrach160, ist nicht überliefert, in die ‚Wahnfried‘-Bibliothek gelangte es jedenfalls nicht. Zumindest in späteren Jahren vermittelte Hermann Levi Bände der Bayerischen Staatsbibliothek aus München nach Bayreuth.161

Roms Glaube ohne Worte Der ‚Erste Prosaentwurf ‘ von 1865 Aufgrund einer Anfrage Ludwigs II. notierte Wagner die erste Vollskizze zum ‚Parsifal‘, den so genannten ersten Prosaentwurf 162, in den Letzten Tagen des A ­ ugusts 1865. Gegenüber der ersten erhaltenen Skizze – der brieflichen Mitteilung von 1859 an Mathilde Wesendonck – wurde das Bühnengeschehen erheblich präziser beschrieben. Wagner hatte inzwischen sowohl die Lebensform der Gralsritter wie die Figur der Kundry und sogar die Rolle des Heiligen Speers als komplementäres Heiltum neben dem Gral konzipiert.163 1859 war das alles noch offen, Wagner hatte sich zunächst nur mit dem Gralskönig beschäftigt, der noch lange nach Wolfram von Eschenbach ‚Anfortas‘ hieß und ihn Tristan gegenübergestellt.164 In einem Brief an Mathilde vom 10.8.1860 begann für ihn die Entwicklung der Gralsbotin, in der letztlich alle Frauen aus Wolframs Epos zusammenfließen sollten. Zunächst war sie kaum mehr als einer Hexe mit einer vagen Analogie zu Ahasver.165 Ihr Doppelleben und die Botschaft des ‚Karfreitagszaubers‘ wurden im ‚Ersten Prosaent159 Cosima-Tagebücher 2, S. 712 zum 18.3.1881. Das Zitat von Faust V. 1830–1833 (Goethe MA 6,1 S. 584) macht Gobineaus Werk zu einer „dürren Heide“, wo man „von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt“ wird. 160 Cosima-Tagebücher 2, S. 540 zum 7.6.1880. 161 Vgl. BWCL Nr. 337 S. 462: „Liebe Frau Meisterin! Das Schröder’sche Buch ist in der Staatsbibliothek, aber ich kann es erst in 8 Tagen bekommen, da es ein Professor entliehen hat. Vielleicht dient Ihnen bis dahin beifolgendes Buch von Müller, das ich mir bei seinem Erscheinen […] gekauft hatte, das ich aber nicht bis zu Ende gelesen habe, weil es für meine Verhältnisse zu gelehrt ist.“ Cosima hatte sich von Schroeder ‚Indiens Literatur und Cultur in historischer Entwicklung. Ein Cyklus von 50 Vorlesungen, zugl. als Handbuch der indischen Literaturgeschichte, nebst zahlr., in dt. Übers. mitgeteilten Proben aus indischen Schriftwerken‘ (Leipzig 1887) gewünscht; sie erhielt es dann auch mit Sendung vom 15.1.1889 (Brief Nr. 342, S. 469, Signatur der BSB München: A.or. 4194). 162 Wagner-Tagebuch, S. 52. Wagner SuD 11, S. 365–413. 163 Schild, Wagner recht betrachtet S. 437–440. 164 Steinacker, Erlösung S. 106f, Schild, Wagner recht betrachtet S. 433. 165 Wagner SuD 11, S. 404. Zur Deutung Kienzle, Weltüberwindungswerk S. 158f, Engels, Wunde S. 48.

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wurf ‘ von 1865 festgelegt, auch der (nach Joseph Görres gestaltete) Kuppelraum des Graltempels war bereits vorhanden, die ‚Gralsmesse‘ darin aber noch sehr rudimentär. Diesem Problem suchte Wagner noch 1865 zu begegnen, indem er gleichsam verdeckte Ermittlungen aufnahm und sich unter Zusicherung des Schweigens bei Petrus (Anton) Hamp, einem Benediktinerbruder aus St. Bonifaz in München, über Gestalt und Symbolik der katholischen Messe informierte, die er zum Modell für seine Gralsliturgie erhob.166 Auch hierauf bezog sich Friedrich Nietzsche, wenn er gegen den ‚Parsifal‘ als „Roms Glaube ohne Worte“ polemisierte.167 Es fehlten Wagner allerdings noch einige Details, insbesondere die biblische Ableitung Kundrys, die mit „stets wechselnden Wiedergeburten“ eher in einem buddhistischen Kontext erschien. Den Speer gewinnt Parzival (noch heißt er so), indem er ihn Kling­sor „entreißt“.168 Im Finale enthüllt Anfortas selbst den Gral und übergibt ihn dann an Parzival. 169 Auf den Tod der Kundry aber steigt auch hier schon „eine weiße Taube … aus der Kuppel herab“ und kreist über Parzival.170 Was in den Folgejahren geschah, ist nicht dokumentiert. Wir können indirekt erschließen, dass das Sujet Wagner weiter beschäftigte. Wagner kam damit keineswegs zur Ruhe. 1866 bis 1871 publizierte Charles Potvin in sechs Bänden die ‚Perceval‘-Erzählung von Chrétien de Troyes und seinen Fortsetzern, denen er in einem weiteren (1.) Band den prosaischen ‚Perlesvaus‘ voranstellte – Wagner erwarb sie alle.171 Spätere maßgebliche Publikationen jedoch, namentlich die Untersuchung von Adolph Birch-Hirschfeld von 1877, fanden nicht mehr den Weg nach Bayreuth.172 Bis 1877 blieb Wagners eigenes das Werk dann scheinbar unberührt liegen. Was im folgenden Kapitel an verdeckten Quellen und an verleugnetem Literaturstudium aufgedeckt oder vermutet werden kann, muss während dieser Jahre gesucht und rezipiert worden sein, auch wenn wir die durchsuchten und benutzten Quellen nicht 166 Küppers, Gottesdienst, S. 38–40; Konrad, Münchner G’schichten, S. 42–46. Der zur altkatholischen Kirche konvertierte Hamp veröffentlichte seine Erinnerungen 1904 anonym. – Nicht überzeugend scheint mir die These von Rohls, Wagner S. 79, Wagner orientiere sich nicht an der katholischen Messe, sondern an der Schilderung der essenischen Mahzeiten, die Gfrörer, Urchristenthum 1, S. 286–297 nach dem Bericht des Philo für die Sekte der Therapeuten beschreibt (die für Gfrörer mit den Essenern identisch ist). Allenfalls die deutliche Betonung des Chorgesangs (z. B. a.a.O. S. 290) bei diesen Mahlzeiten könnte ausgestrahlt haben. 167 Nietzsche, KSA 5, S. 204, unter der Überschrift „Wagner als Apostel der Keuschheit“ sowie nochmals in ‚Nietzsche contra Wagner‘ (KSA 6, S. 429). Allerdings stellt Wagner essentielle Elemente der katholischen Abendmahlslehre auf den Kopf, vgl. Steinacker, Erlösung S. 117, bes. Anm. 384. 168 RWSW 30, S. 75. 169 Wagner SuD 11, S. 413. 170 RWSW 30, S. 77. 171 Vgl. Anm. II 132. 172 ‚Parsifal‘ hat mit dem ‚Perlesvaus’ gemein, daß der Gralsheld für die Gralsburg noch andere Heiligtümer als den Gral erkämpfen muß. Allerdings sind diese Übernahmen bereits im ‚Ersten Prosaentwurf ‘ vorgeprägt, können also durch Potvins Edition von 1866 allenfalls konkretisiert worden sein.

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kennen. Da wir ab 1869 über Wagners tägliche Agenda gut informiert sind, können wir die ‚dunklen Jahre‘ auf 1860–1869 eingrenzen, wobei natürlich alle Studien, die der ‚Erste Prosaentwurf ‘ voraussetzt, auch vor 1865 zu datieren sind – auch wenn eine wiederholte Lektüre natürlich nicht ausgeschlossen werden kann. Jedenfalls ist am 23.2.1877 bei Abfassung des ‚Zweiten Prosaentwurfs‘ das Stück bereits nahe am späteren Libretto. Kundrys Annäherung an Lilith ist vollzogen – Kling­sor ruft sie als „Namenlose, Urteufelin! Herodias warst du und was noch? Sie nennen dich Kundry!“173 Der Gewinn des Speeres vollzieht sich aber noch nicht ganz in seiner endgültigen Form: Kling­sor „schleudert den Speer auf Parzival: Dieser fängt ihn mit seiner Hand auf“174. Der König und Mathilde waren stumme Adepten, die keine oder wenige Fragen an den ‚Meister‘ stellten; infolgedessen beschränken sich seine Mitteilungen auf das, was Wagner sie von sich aus wissen lassen will. Von Mathilde erwartete er ein stummes Zuhören wie von Brünnhilde bei Wotans Erzählungen im zweiten Akt der ‚Walküre‘175, als ein ewiger Selbstspiegel, der ihm nach Belieben zur Verfügung stehen sollte.176 Während Ludwig für ‚Neuschwanstein‘ und ‚Falkenstein‘ durch präzise Angaben zu der bildhaften Umsetzung der mittelalterlichen Epik macht177, verhält er sich Wagner gegenüber äußerst zurückhaltend, ja devot; gelegentlich ­äußert er Verwunderung – so vor allem über die Rolle des Kusses im zweiten Akt178, läßt sich aber anscheinend von Wagner abwimmeln. Mit Cosima wurde das anders. Als Wagner das lang geplante Werk – zunächst im ‚Zweiten Prosaentwurf ‘, dann ab dem 14.3.1877 im metrifizierten Libretto und schließlich auch musikalisch – zu Papier brachte, residierte er bereits in seinem ­neuen ‚Asyl‘, dessen Name ‚Wahnfried‘ war179 – eine teutonische Umschreibung für Schopenhauers Metapher vom Stillstehen des Rades, auf das Ixion geflochten ist180. Hier ist er nicht nur in dauerhafter Gesellschaft Cosimas, die seine Äußerungen und Handlungen protokolliert, sondern auch einer Art von Hofstaat, der

173 RWSW 30, S. 81. „Sie“ meint die Gralsritter. 174 RWSW 30, S. 84. 175 Brünnhilde: „Zu Wotan’s Willen sprichst du, / sag’st du mir was du willst: / wer – bin ich, / wär‘ ich dein Wille nicht?“ Wotan darauf: „Zu mir nur rath‘ ich / red‘ ich zu dir.“ (Wagner, SuD 6, S. 37). 176 „Doch lassen Sie sich andeuten, und hören Sie so zu, wie Brünnhilde dem Wotan zuhörte.“ Wagner SB 12, S. 238, im August 1860 aus Paris. 177 Baumgartner, Königliche Träume S. 97, Rösch, Burgschloss S. 44–74. 178 Vgl. Ludwigs Brief an Wagner vom 5.9.1865: „Nur eine Frage erlaube ich mir an meinen geliebten Freund bezüglich des ‚Parcival‘ zu richten. – Warum wird unser Held erst durch Cundry’s Kuß bekehrt, warum wird ihm dadurch seine göttliche Sendung klar? erst von diesem Augenblicke an kann er sich in die Seele des Anfortas versetzen, kann er sein namenloses Elend begreifen, mit ihm fühlen!“ (BW Ludwig II. 1, S. 170). Wagners ausweichende Antwort: „Das ist ein furchtbares Geheimniss“ (BW Ludwig II. 1, S. 174 = Wagner SB 17, S. 268). 179 Zum Hausnamen Mayer, Entwicklung S. 7. – Der ‚Wahnmonolog‘ des Hans Sachs ist die einzige Szene in Wagners Werk, in der ein Lesender und ein Buch auf der Bühne sind. 180 Vgl. Anm. II 24. Hierzu umfassend Feger, Ixion.

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ihn beschäftigte, lenkte, abschirmte und durch die ‚Bayreuther Blätter‘ nach außen durch massive Wagner-Apotheose und -Exegese vermarktet. Von ‚Wahnfried‘ nach ‚Monsalvat‘ (1872/73) Darum schloss die tagtägliche Inszenierung des Künsterlebens in ‚Wahnfried‘ auch den Umgang mit Büchern ein.181 Cosimas Tagebücher bringen diese Szene immer wieder: Das Paar war für kurze oder längere Zeit getrennt, beim Wiedersehen traf Cosima den Komponisten „lesend“ – wobei sie in der Regel auch mitteilte, was er gerade las. Daraus entspann sich ein Lehrgespräch, das Richard half, sich seiner eigenen Positionen zu versichern. Nachdem R. gearbeitet hat, treffe ich ihn abends ‚Oedipus‘ lesend, die Übersetzung mit dem Text vergleichend; „das paßt zu den persischen Decken“, sagt er, „das ist ein Schwall der Schönheit – auf ewig verschwunden – wir sind Barbaren“. Wir kommen dann auf die Scene der Oresteia zu sprechen!182 Eine weitere Standardsituation in ‚Wahnfried‘ bildete die abendliche gemeinsame Lektüre. Abends wieder in „J. Caesar“; wir nehmen uns vor, immer von diesen göttlichen Dingen sehr wenig auf einmal zu lesen, um jedes Wort uns einzuprägen.183 Oder: Abends lesen wir zusammen im Gfrörer’schen Buche das Kapitel von den Engeln und Teufeln.184 Ziel solcher Lektüre war vordergründig eine Unterweisung („durch den Mann, durch den Dichter solle die Frau zu Philosophie kommen“ erklärte Wagner 1869185), aber die Unterwürfige wußte durchaus ihre Macht auszuspielen. Insofern war Cosimas eigene Lektüre zwar erwünscht, wurde aber durch die stützende Exegese des ‚Meister‘ eingefasst: 181 Wagner unterschied in einem Brief von 1854 zwischen „Arbeit“ und „Lektüre“: „Unter Arbeit verstehe ich aber nie ‚lesen‘ – was ich fast gar nicht mehr kann, so widerwärtig ist mir’s: sondern jetzt – componiren.“ Brief an Julie Ritter im Januar 1854 (Wagner SB Bd. 6, S. 56). Ähnlich aus Dresden an Carl Gaillard, 5.6.1845 (Wagner-B FreundeZeitgen, S. 57). 182 Cosima-Tagebücher 1, S. 870 f. zum 18.11.1874. 183 Cosima-Tagebücher 1, S. 814 zum 3.5.1874. 184 Cosima-Tagebücher 1, S. 886 zum 8.1.1875. Es handelt sich um Gfrörer, Geschichte des Urchristenthums 1,1,5 (S. 352–421), darin S. 396–398 über Lilith als „Samaels Kebsweib“, d. h. „des Teufels Braut“. 185 Vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 23 zum 2.1.1879: „Später – an die Biographie anknüpfend – frag ich ihn, ob ich Schopenhauer lesen sollte; er rät mir davon ab; durch den Mann, durch den Dichter solle die Frau zu Philosophie kommen. Vollkommenes Verständnis meinerseits.“ Zu Cosimas Minderwertigkeitskomplexen Scholz, Mißverständnis S. 143–146.

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Gestern las ich eine Broschüre des Theologen Overbeck, die Pr[ofessor] Nietzsche mir geschickt; sie bringt R. und mich auf Religions-Gespräche: „Die Katholiken haben ganz recht, wenn sie sagen, die h. Bücher dürfen von den Profanen nicht gelesen werden, denn Religion ist für die, die nicht lesen und schreiben können. Aber sie hatten so schändlichen Mißbrauch mit der Deutung getrieben, daß Luther einzig auf die h. Bücher sich berufen konnte. Freilich hat er auch damit der Wissenschaft und der Kritik die Türe geöffnet, Christus wird aber deshalb doch bestehen.“186 Die Inhalte der gemeinsamen Lektüre bestimmte Richard Wagner meistens allein. Gegen den Vorwurf, das nicht zu lesen, was er mir empfiehlt, mußte ich mich dadurch rechtfertigen, daß, seitdem ich Kinder habe, ich eigentlich gar nicht mehr zum Lesen komme und heute, als ich im „Oedipus“ las, ich mir es förmlich vorwarf, das ich nicht lieber noch einmal nach den Kleinen sah.187 Als ganz ungewöhnliche Ausnahme erscheint es da, dass 1880 im Falle Gobineau Cosima voranging, ihren Ehemann überhaupt erst auf den Grafen aufmerksam machte und auch die Abfolge bestimmte, in der Richard dessen Werke las – allerdings nicht immer mit gleicher Begeisterung und Zustimmung.188 Cosima fiel bei gemeinsamer Lektüre die Rolle der Vorleserin zu, soweit ihr Augenleiden es zuließ: Nach Tisch wollte R. aus seinen Skizzen etwas vorspielen, kam jedoch nicht in die Stimmung. Ich schlug vor, seinen Entwurf zum Parzival zu lesen, und tat es unter Tränen-Unterbrechungen. Ich empfand es innig, wie läuternd und veredelnd das Erhabene auf uns wirkt! R. ward die Sache völlig neu, und mit großer Ergriffenheit hörte er zu. Wir wurden durch den Besuch des Augenarztes unterbrochen, großes Glück über seine Freude über die Besserung des Übels […]189 Versagten Cosimas Augen den Dienst, so sprang Richard ein.190 Seine Sternstunden bildeten aber dramatische Deklamationen und Rezitationen aus Büchern vor Gästen191, die allerdings auch in seine gefürchteten weltanschaulichen Betrachtungen und in Ausbrüchen gegen vermeintliche Feinde münden konnten. So auch

186 Cosima-Tagebücher 1, S. 415 zum 17.7.1871. 187 Cosima-Tagebücher 1, S. 121 zum 3.7.1869. 188 Eugène, Wagner et Gobineau, S. 99–102. 189 Cosima-Tagebücher 1, S. 124 zum 8.7.1869. 190 Später wurde sie fast blind. Am 8.1.1888 schrieb sie an Ludwig Schemann: „meine Augen aber sind so elend geworden, daß ich gar nichts mehr für mich lesen kann.“ (Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 134). 191 Vgl. aber Cosima-Tagebücher 2, S. 727 zum 15.4.1881: „R. erklärt sich aber von diesen Abenden, wo er immer alles, was ihn beschäftigt, äußerlich vortragen muß, sehr angegriffen.“

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am 20. Juni 1870. Wagner räsoniert über Rebellion und Religion, schließlich über Amerika, das er für „unproduktiv“ erklärt. Und dann: „Den Parcival werde ich doch noch machen“, sagt R. am Abend; „die Religionen werden ewig durch die Kunst, wo sie keine Kunst hervorbringen, also nicht fähig sind, den Gebildetsten wie den Gemeinen zu befriedigen, so sind sie vergänglich (Mohammedanismus).“192 Doch auch im Sommer 1872 lag die Komposition des ‚Parsifal‘ noch in weiter Ferne. Wagner schloss damals die ‚Götterdämmerung‘ ab und beaufsichtigte die Bauarbeiten für das Festspielhaus. Zusammen mit Cosima reiste er wegen der finanziellen Unterstützung der Festspiele viel durch Deutschland. Gleichzeitig bereiteten beide Cosimas Konversion zum Protestantismus vor, gegen die Liszt sich wehrte. Da er um Aussöhnung in dieser strittigen Frage bemüht war, weilte er häufiger zu Besuch. In dieser sehr angespannten Stimmung studierte Wagner vom 6. bis zum 11. Juni Liszts neueste Komposition – das ‚Christus-Oratorium‘. Er und Cosima bekundeten ihr Entsetzen in Worten, die Nietzsches spätere Zurückweisung des ‚Parsifal‘ vorwegnehmen: daß man sich so der Errungenschaften einer großen edlen Kunst begeben kann, um das Pfaffengeplärr nachzumachen, das ist doch ein Zeichen der Verarmung des Geistes“, sagt R. – Wir sind traurig über diese Entwicklung des Vaters.193 Aber so einfach war es nicht. Durch den offenen Streit mit dem Freund und Schwiegervater war Wagner in eine Konkurrenzsituation geraten, der er sich kaum gewachsen zeigte. Der ‚Parsifal‘ wurde auch darum interessant, weil er für Wagner kompetitiv zu Liszts musikalischem Schaffen stand. Schon im Brief an Mathilde Wesendonck hat er das am 30. Mai 1859 deutlich formuliert. Nach der Skizzierung der noch ungelösten dramatischen Konzeption des ‚Parsifal‘ ruft er aus: „Heute nehme ich Abschied von diesem unsinnigen Vorhaben; das mag Geibel machen und Liszt mag’s componiren!“194 Aus Liszt’scher Sicht sahen die Dinge sogar noch weit ungünstiger für Wagner aus. Er nahm die bedeutendsten Motive des ‚Parsifal‘ durchaus für sich in Anspruch, so äußerte er sich gegenüber seinem Sekretär Göllerich über das Gralsthema und die Verheißung des Toren: „Das sind uns sehr wohl bekannte Intervalle, die ich oft 192 Cosima-Tagebücher 1, S. 537. 193 Cosima-Tagebücher 1, S. 530. Ähnlich am 9.6.: „Abends wiederum den ‚Christus‘ vorgenommen, mit großer zunehmender Trauer. Eine große Begabung ist hier gänzlich fast vernichtet worden.“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 533). Es sind die gleichen Vorwürfe, die Nietzsche später Wagner wegen des ‚Parsifal‘ machen wird. Zu Wagners zwiepältiger Haltung zum Christus-Oratorium vgl. ferner Hanjo Kesting in der Einleitung zum BW Liszt, S. 45. 194 Wagner SB Bd. 11, S. 107. Zu diesem Zeitpunkt plante Liszt schon seit sechs Jahren ein Christus-Oratorium; ausgeführt hat er es im Wesentlichen 1863–1867. Die Uraufführung fand 1873 in Wien statt.

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und oft geschrieben habe, auch in der ‚Elisabeth‘.“195 Nach der gleichen Quelle soll Wagner Liszt gegenüber gesagt haben: „Na, du wirst schauen, wie ich dich bestohlen habe“ und danach auf dem Klavier das ‚Excelsior‘-Thema aus dem Präludium der ‚Glocken von Straßburg‘196 angestimmt haben.197 Liszt soll darauf allerdings erwidert haben, es handle sich um katholische Intonationen, „die auch ich nicht erfunden habe.“198 Die Zuspitzung erfolgte jedoch im Jahr 1872. Am 14. Juli sieht man Richard und Cosima im Gegenzug zusammen in einer kleinen Kirche, mit vieler Rührung gemeinschaftlich mit den Hummelbauern Choräle gesungen; aus solcher Gemeinsamkeit entspringt die Andacht, denn was man empfindet, indem man die armen Leute sieht, und was mir der singende Gottesdienst eingab, ist Gebet199 notiert Cosima, wohl kaum ahnend, dass sie damit – allerdings in der ihr eigenen religiösen Sichtweise – ein Prinzip des ersten Aufzuges des ‚Parsifal‘ vorwegnimmt. Am 24. Juli kommt Wagner selbst auf sein ungeschriebenes Werk zu sprechen:

195 Göllerich, Liszt, S. 22. 196 Franz Liszt: Die Glocken des Strassburger Münsters. Gedicht von H. W. Longfellow für Bariton-­ Solo, Chor und Orchester. Leipzig, Schuberth, 1875, Pl. 5291, 50 S. – In einem gemeinsam mit Wagner gestalteten Konzert in Budapest am 18.3.1875 dirigierte Liszt das Werk in Gegenwart des Freundes. Das Gedicht von Henry Wadsworth Longfellow (1807–1882) schildert den Kampf der Engel und der Turmglocken mit Lucifer, der das Kreuz vom Straßburger Münster herunterreißen will. 197 Vgl. Hanjo Kesting, Vorwort zu BW Liszt, S. 46: „Ein besonders aufschlußreiches Beispiel dafür ist Liszts kleine Komposition Am Grabe Richard Wagners: Grabgesang und Huldigung für den in Venedig verstorbenen Freund, von Liszt datiert auf den 22. Mai 1883, Wagners siebzigsten Geburtstag. Sie beginnt mit dem durch übermäßige Dreiklänge verzerrten Anfangsmotiv aus ‚Parsifal‘ (oder, wenn man so will, mit einem Selbstzitat Liszts aus den ‚Glocken des Straßburger Münsters‘) und klingt aus mit den Glockenquarten der ‚Parsifal‘-Verwandlungsmusik (die Liszt übrigens auch ein Jahr zuvor in seiner Geburtstagsdepesche an Wagner im Notenbild zitiert). Auf das Manuskriptblatt schrieb Liszt: ‚Wagner erinnerte mich einst an die Ähnlichkeit seines Parsifal-Motivs mit einem früher geschriebenen – ‚Excelsior – (Einleitung zu den Glocken von Strassburg)‘. Möge diese Erinnerung hiermit verbleiben. Er hat das Große und Hehre in der Kunst der Jetztzeit vollbracht.‘ – Zweideutige Sätze! Indem sie Wagners Größe beschwören, erinnern sie zugleich an sein kompositorisches Abhängigkeitsverhältnis von Liszt.“ – Vorsichtige Andeutungen über eine Nähe des ‚Parsifal‘ zu Liszt ‚Dante-Symphonie‘ macht Chamberlain in einem Brief an Cosima, vgl. BW CC S. 147. 198 Göllerich, Liszt S. 23. Ist Nietzsches Polemik gegen das Ave-Glockenbimmeln und Roms Glaube ohne Worte ein Seitenhieb auf genau diese Ansicht? Wagner selbst fürchtete, das ‚Abendmahlmotiv‘ des ‚Parsifal‘ könne als Plagiat aus dem ‚Excelsior‘-Thema verstanden werden, vgl. die beschönigende Version der Cosima-Tagebücher zum 28.11.1877 (1, S. 1100): „R. arbeitet an dem ‚Grals-Marsch‘, er hat die Kristall-Glocken gestrichen; er sah noch die ‚Glocken v. Straßburg‘ des Vaters sich an, um zu sehen, ob er kein ‚Plagiat‘ begeht.“ Ausführlich Kinderman, Challenge S. 22f. – Das Motiv der Gralsglocken findet sich auch im ‚Perlesvaus‘, vgl. Gietmann, Gralbuch S. 363, dort jedoch aufgrund eines Mißverständnisses, da altfrz. „araine“ zwar wörtlich „klingendes Metall“ bedeutet, aber meist im Sinne von Trompeten gemeint ist, so auch übersetzt von Strubel, Perlesvaus S. 1000 f. 199 Cosima-Tagebücher 1, S. 548.

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R. sagte mir zu Tisch: „Weiß Gott, wenn es mir gut geht, es dauert nicht zu lang und ich beginne den Parzival.“200 Das Grals-Thema arbeitete vor Cosimas Übertritt zum Lutherischen Bekenntnis insgeheim in Wagner weiter. Am 25.8.1872, einem Sonntag, beauftragte Wagner die Bayreuther Buchhandlung Giessel, ihm ein Exemplar der Textausgabe des mittelhochdeutschen ‚Lohengrin‘ zuzusenden (‚Lohengrin. Ein altteutsches Gedicht‘)201, die der rheinische Publizist Joseph Görres (1776–1848) zusammen mit Ferdinand Gloeckle202 im Jahr 1813 veranstaltet hatte. Er kannte dieses Buch natürlich schon von der Arbeit am ‚Lohengrin‘203, aber er hatte es nicht in seiner Bibliothek, und daher war es Cosima noch unbekannt.204 Nach erfolgter Lieferung las er Cosima am 16.9.1872 daraus vor und dozierte am Folgetag auch darüber.205 Die Vorrede zu Lohengrin von Görres fesselt ihn sehr, „wie seltsam“, sagt er, „daß ich gerade jetzt dies wieder treffen und lesen muß, da mich die Gedanken über römische und deutsche Welt so beschäftigen“.206 Am 19.9. wird die Lektüre fortgesetzt, vielleicht kommt man mit dem Werk auch schon zu Ende.207 Cosima berichtet einige Wochen später darüber an Friedrich Nietzsche, da sie Ähnlichkeiten zu griechischen Mysterien entdeckt haben will.208 Einige Monate später war Liszt in ‚Wahnfried‘ zu Gast und spielte aus seinem ‚Christus-Oratorium‘ vor, der zu Cosimas Überraschung allerdings unter den Fingern des Vaters ganz anders klingt als in Richards Version.209 Liszt ist jedoch 200 Cosima-Tagebücher 1, S. 552. 201 Wagner SB 24, S. 253 Nr. 307. Das Bändchen hat die Signatur II-b-4.43 in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek. 202 Ernst Emmerling: Der Literat Ferdinand Gloeckle aus Ingelheim, in: Mainzer Zeitschrift 44/45 (1949/50), S. 128–133. 203 Wagners erste Lektüre des Bändchens fand im Juli 1845 während des Aufenthaltes in Marienbad statt, wohin er es zusammen mit San Martes ‚Parzival‘-Bearbeitung mitgenommen hatte. Vgl. Wagner, Mein Leben S. 315, Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 226. 204 Cosima-Tagebücher 1, S. 573 zum 16.9.1872. 205 Cosima-Tagebücher 1, S. 573 zum 16./17.9.1872. 206 Cosima-Tagebücher 1, S. 574; mit „römisch“ meint Wagner den Katholizismus. Ebd. S. 576, heißt es zum 19.9.: „R. kehrt ziemlich spät heim, doch können wir noch etwas in Görres’ Vorrede lesen, die mich – namentlich, da sie mir ganz unbekannt war – äußerst fesselt.“ 207 Cosima-Tagebücher 1, S. 575 zum 19.9.1872. Am 31.6.1875 beginnt Wagner mit Görres ‚Geschichte der christlichen Mystik‘, vgl. ebd. S. 920. 208 „Jetzt hat mich die Vorrede von Görres zu Lohengrin, ganz ungemein gefesselt, den Zusammenhang der Gral’s Sage mit den griechischen Mysterien, und überhaupt ihr Leben und Weben durch alle Völkerschaften, und Zeiträumen, hat meine Phantasie ganz erfüllt; ich entsann mich dabei [an] mehreres das Sie mir über den Ursprung des Christenthum gesagt haben; es scheint dass das Sagenhafte des Christenthums von einer ganz anderen Seite als seine Ethik kommt, und auch seine Organisation stammt wieder von ganz andrer Gegend.“ Cosima Wagner an Nietzsche, 15.10.1872, vgl. Nietzsche, KSB 2, 4 (1978), S. 98 Nr. 368. 209 16.10.1872, vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 581.

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nicht des ‚Christus‘ wegen gekommen: Er wendete sich abermals vergeblich gegen Cosimas bevorstehende Konversion. Trotz dieses gespannten Verhältnisses reisten die Wagners ein Jahr später im Mai 1873 zur Uraufführung des ‚Christus‘ nach Weimar.210 Mit dem Werk konnte Wagner sich jedoch nie anfreunden. Noch im Oktober 1882 polemisierte er dagegen.211 Am 29.10.1872 kam er auf den ‚Parsifal‘ zu sprechen, aber es war nur ein Auszug mitten aus seinen schwelenden Gedanken. Die Rolle der Lanze ist – es wird darüber noch zu handeln sein – das große ungelöste Problem212, auch jetzt weiß er noch nicht, wie er damit umgehen soll: Am Nachmittag sagte mir R., er habe über die blutige Lanze in Parzival nachgedacht und sei dabei auf die Mysterien geführt worden, „sehr richtig hatten die Griechen dem Volk all seinen Aberglauben gelassen und bloß daran schöne Feste geknüpft, und mit weisem Sinn die Mysterien für die Eingeweihten gelassen; ungefähr hat die katholische Kirche auch so gehandelt, und es ist ihr nicht vorzuwerfen, daß sie dem südlichen italienischen Volk das Blut des h. Januarius, die Marienfeste u.s.w. läßt, schlimm ist nur gewesen, daß das römische Imperium sich dahinter stellte und Politik damit trieb. Produktiv ist der kritische Geist im Christentum gewesen, der römische hat nur die Erscheinung zu einer Machtfrage benutzt“.213 Cosima kämpft derweil mit ihren Schuldgefühlen gegenüber dem Vater und dem verlassenen Ehemann („Tiefes Sinnen; wer hilft? Gebet und Andacht.“214) Am 31. Oktober ist es endlich soweit: um 10 Uhr morgens wird Cosimas Konversion vollzogen, zunächst formell im Dekanat, dann in die Sakristei, wo ich mit R. das h. Abendmahl nehme; erschütternder Akt, meine ganze Seele bebt, unser Dekan spricht aus tiefster Seele, R. ist innig gerührt; wie schön ist doch die Religion – welche Macht könnte eine solche Stimmung in unser Ohr bringen? Wir sind alle in gehobener feierlicher Andacht – „Gott ist die Liebe“, wiederholt der Dekan, oh möchte ich in solcher Stimmung sterben, könnte man darin beharren bis an des Lebens Ende! Als wir uns umarmten, R. und ich, war es mir, als ob jetzt erst unser Bund geschlossen wäre, jetzt erst wir vereint wären in Christus; oh möchte ich wie ein neuer Mensch von diesem feierlichsten Akt erstanden sein, oh möchte ich das Lei-

210 Vgl. den Bericht Cosima-Tagebücher 1, S. 689. 211 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 1029 zum 23.10.1882: „R. beginnt: ‚Christus kann man nicht malen, aber in Tönen kann man ihn wiedergeben.‘ – Ich sage, daß ich es von so hoher künstlerischer, bedeutungsvoller Besonnenheit von ihm fände, die Gestalt Chr. aufgegeben zu haben und dafür Parsifal geschaffen; ‚von einem Tenoristen Chr. gegeben, pfui T.‘, sagt R.“ 212 Vgl. den ersten Prosa-Entwurf, in: Wagner-Tagebuch, S. 75. 213 Cosima-Tagebücher 1, S. 586–587. 214 Cosima-Tagebücher 1, S. 587, zum 30.10.1872.

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den lieben, für mich suchen, die Freude spenden! Ich bin glücklich, denn ich verlange es, der christlichen Gemeinde anzugehören, mich als Christin zu fühlen und zu betätigen, dies ist mir gewährt, und dankenden und reuigen Herzens nehme ich die Gnade an. Es ist mir fast bedeutender wohl gewesen, mit R. zum h. Abendmahl zu gehen als zum Trauungsaltar – - o wie gütig ist doch das Schicksal gegen mich, wie könnte ich das je verdienen! Alles ist Gnade; Gnade der Liebe, Gnade des Himmels – - – 215 Ein paar Tage später, am 2. November, kommt R. auf unser heiliges Ereignis zu sprechen: „Wie war das doch schön in diesem kleinen Raum der Sakristei, wie mächtig, wie eines Löwen Stimme, aus der Höhle kommend, erklang die Stimme unsres Dekans; wie könnte man das ersetzen, was in einem erweckt wurde, wenn das unsäglich ergreifende: Dies ist mein Leib, ausgesprochen wird.“ Auch die monotone Art der Liturgie ging ihm zu Herzen; „fast möchte ich sagen – wenn ich hier das Wort nicht scheute -, daß alles einen künstlerischen Eindruck machte – ja selbst die kleinen Verrichtungen des Weineingießens u.s.w.216 Am 7.11. lasen beide Minnelieder von Kaiser Heinrich VI. und Wolfram von Eschenbach (wohl in der Ausgabe Friedrich von der Hagens) und Wagner erklärt: „Man muß zuweilen in diese Welt blicken, um zu wissen, wohin man gehört.“217 Am folgenden Tag beklagte Wagner, dass ihm die Ruhe fehle, „um schöne Studien zu treiben (wie Mittelhochdeutsch)“.218 Etwa einen Monat später hielt sich das Paar auf Werbetournée für die Festspielfinanzierung in Bremen auf: Im Dom empfangen wir einen tiefen Eindruck; es ist Kommunion, und ein schöner ergreifender Choral wird in der alten Kirche dazu gesungen; die Orgel ertönt und „die Träne quillt“.219 Danach verschwanden die auf den ‚Parsifal‘ vorausdeutenden Motive für längere Zeit. Erst am 6. August des Folgejahres, nachdem sich das Paar in Bamberg von Franz Liszt verabschiedet hatte (und Wagner wegen Cosimas Trauer „sich in den leidenschaftlichen Ausbrüchen, die mir bei jedem Wiedersehen des Vaters bevorstehen“, erging220), besichtigten Richard und Cosima den Bamberger Dom und am Folgetag die ihm gegenüberliegende Staatsbibliothek:

215 Cosima-Tagebücher 1, S. 587–588. 216 Cosima-Tagebücher 1, S. 589. 217 Cosima-Tagebücher 1, S. 594. 218 Cosima-Tagebücher 1, S. 594. 219 Cosima-Tagebücher 1, S. 609, zum 8.12.1872. 220 Cosima-Tagebücher 1, S. 712. Am 30.11.1882, elf Wochen vor Wagners Tod, kam es wegen Liszt „zum schwersten Zerwürfnis zwischen Richard und Cosima“ (Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 833).

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große Freude an den alten Manuskripten, noch mehr aber an den Dürer’schen Zeichnungen, namentlich das Portrait des Kaisers Maxim[ilians] und ein Christus erregen unsere Bewunderung; hatten mich gestern das Kruzifix aus dem 14ten Jahrhundert in dem Dom und die Grabstätte Heinrich II. tief ergriffen, so treten die Tränen uns in die Augen bei dem Anblick dieser Zeichnung.221 Am 15. und 16. August wurde der ‚Parcival‘ wieder Thema: „wird er ihn schreiben dürfen? Dies ist mein Fragen, dies mein Flehen!“222 Ende Oktober 1873 – Liszt hat gerade die Bitte zurückgezogen, Cosima möge ihn in Pest besuchen – las Cosima ‚de la matière‘ von Liszts Gefährtin Fürstin Wittgenstein, stellte Fragen und lenkte das Gespräch mit ihrem Mann zu dem Mystiker Meister Eckhart, und er beginnt eine Predigt desselben, die uns im höchsten Grade einnimmt. Alles nach innen gewendet, die schweigende Seele, darin Gott das verborgene Wort spricht!223 Das trug noch tagelang nach. Am 27.10., nach der Lektüre in einer Luther-Biographie, die insbesondere Cosima noch lange beschäftigen sollte224, „Das Schweigen aller Vorstellung bringt die beseligende Ruhe der Seele hervor, zu dieser Ruhe zu kommen ist Christus der Weg“, sagt R. – In seiner Frömmigkeit verstockt sein (Luther) – herrliche glaubensselige Wesen.225 Am 28.10. holte Wagner zur Welterklärung aus: Über Buddhismus und Christentum mit R. gesprochen, die Anschauung der Welt viel größer im Buddhismus, der aber kein Monument wie die Evangelien hat, wo das Göttliche förmlich historisch in unser Bewußtsein tritt. Der Vorzug des Buddhismus war, daß er sich an den Brahmanismus anlehnte, von welchem die Dogmen förmlich da eintreten können, wo die Wissenschaft Lücken zeigt, so weit sind ihre Symbole. Die christliche Lehre aber lehnt sich an die jüdische Religion, und das ist ihr Unheil. Das Leiden Christus’ erregt uns tiefer als das Mitleiden Buddha’s, wir leiden mit, und werden zu Buddhas, durch die Betrachtung. Christus will leiden, leidet und erlöst uns, Buddha schauet und bemitleidet, lehrt, wie wir zur Erlösung kommen.226

221 Cosima-Tagebücher 1, S. 712. 222 Cosima-Tagebücher 1, S. 715. 223 Cosima-Tagebücher 1, S. 743 zum 26.10.1873. 224 Noch bis zum 11. Januar 1874. Es handelt sich um: Moritz Meurer, Luther´s Leben aus den Quellen erzählt; Leipzig: Justus Naumann´s Buchhandlung; 3. überarb. Aufl. 1870. 225 Cosima-Tagebücher 1, S. 744. 226 Cosima-Tagebücher 1, S. 744, vgl. ebd. S. 754f.

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Eine ähnliche Äußerung über Christus und Buddha fiel am 22.11.; am 23. folgte dann der bekannte, jedoch meist nicht in diesem Zusammenhang zitierte Satz: „R. sagt, mit dem 70. Jahre schreibt er Parcival, mit dem 80. die Sieger, ich sage mit 65 und 70.“227 Im folgenden versuchte sich Wagner im Kulturvergleich, über die pedantische Ausarbeitung der Inder, ihre Einteilungen, Kreise u.s.w. […] Die Griechen haben auch diese Pedanterie, wie mir scheint, gehabt, sie ist wie die Arithmetik der Musik; das Christentum, die Mystiker kennen das nicht in diesem Grad. Es ist, als ob diese Hülfe notwendig sei, gleichsam des Tauchers Apparat, um in die Tiefe zu kommen.228 Die für moderne Ohren kaum erträglichen Windungen und assoziativen kulturgeschichtlichen Phantasmen bildeten den Nährboden für den ‚Parsifal‘ und gleichermaßen die späteren ‚Regenerationsschriften‘. Cosima war wohl auch nicht immer in der Lage, ihrem ‚Meister‘ zu folgen. Schließlich notiert sie nur mehr Stichworte. Die Regelung aller Handlungen durch Riten – wirkliche Religion und Ausscheidung des menschlichen Lebens vom tierischen. Natürlicher Hang der Deutschen zu Korporationen, welche die individuelle Freiheit beschränken. Noch einmal auf das Formelle zurückgekommen, wie der menschliche Geist der Schranke bedürfe.229 So war es wohl eher untertrieben, wenn Wagner ein Jahr später an König Ludwig berichtete: „Und dieser Parzival, mein holder König, er sei Ihnen gelobt! Schon liegt Alles zu den Studien bereit.“230 „R. liest eine Geschichte der Templer“ (1875–1877) Der Gedanke an eine historische Verortung, die für ‚Tannhäuser und ‚Lohengrin‘ und erst recht die ‚Meistersinger‘ leicht zu greifen ist, scheint für den ‚Parsifal‘ gänzlich unpassend. Er wird meist mit dem ‚Ring‘ in Zusammenhang gebracht, allenfalls mit dem ‚Tristan‘. Diese Werke sind von historischen Bezügen zwar nicht frei, aber in ihrer Mythisierung radikaler durchgeführt als das ‚Bühnenweihfestspiel‘. Mit Cornwall oder dem Rhein werden zwar geographische Orientierungspunkte genannt, aber keinerlei Ansatzpunkte für eine zeitliche Lokalisierung der Handlung gemacht. Für den ‚Ring‘ ist das ja schon aufgrund des gewählten Personals unmöglich; beim ‚Tristan‘ wird es von Wagner schlichtweg verweigert. Für den ‚Parsifal‘ wählte er jedoch einen anderen Weg:

227 Cosima-Tagebücher 1, S. 755. 228 Cosima-Tagebücher 1, S. 755–756. 229 Cosima-Tagebücher 1, S. 756, zum 25.11.1873. 230 BW Ludwig II. Bd. 3, S. 51.

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Ort der Handlung: auf dem Gebiete und in der Burg der Gralshüter ‚Mon­ salvat‘; Gegend im Charakter der nördlichen Gebirge des gothischen Spa­ nien’s. Sodann: Kling­sor’s Zauberschloß, am Südabhange derselben Gebirge, dem arabischen Spanien zugewandt anzunehmen. – Die Tracht der Gralsritter und Knappen ähnlich der des Templerordens: weiße Waffenröcke und Mäntel; statt des rothen Kreuzes jedoch eine schwebende Taube auf Wappen und Mäntel gestickt.231 Monsalvat liegt also nicht wirklich „in Spanien“, sondern in einer „Gegend im Charakter der nördlichen Gebirge des gothischen Spaniens“, auch von Kling­sors Schloss heißt es nur, seine Lage sei „am Südabhange derselben Gebirge, dem arabischen Spanien zugewandt anzunehmen“232, ebenso wenig sind die Gralsritter ‚Templer‘ oder, mit Wolfram von Eschenbach, ‚Templeisen‘ – sie sehen nur fast genauso aus. Dennoch geht dies weiter als die Nennung des Rheins im ‚Ring‘ oder Kornwalls im ‚Tristan‘: Wir erhalten räumliche und zeitliche Vorgaben, die – als Hinweis auf den höheren Sinn – in sich gebrochen sind. Es sind Hinweise darauf, dass es – moderne Interpreten vergessen das um die Inszenierbarkeit der Musikdramen willen allzu rasch – neben und vor dem sensus mysticus einen sensus historicus gibt. Die Gralsgemeinschaft wurde von Wagner als ein spanischer Ritterorden nach dem Vorbild der Templer konzipiert. Seine Literaturstudien der siebziger Jahre lassen erkennen, dass es ihm über die romantischen Anspielungen des ‚Ersten Prosaentwurfs‘ hinaus mit dieser historischen Verortung ernst war; seine Hinweise auf das „gothische“ und das „arabische“ Spanien sowie die Templer sind weder zufällig noch oberflächlich.233 Er hat sich, soweit er das mit den ihm zu Gebote stehenden Sprachkenntnissen tun konnte, intensiv damit beschäftigt. Cosimas Tagebücher belegen dies im Detail, auch wenn sie vermutlich den Zusammenhang dieser Literaturstudien mit dem ‚Parsifal‘ nicht bemerkte. 1875 wurde der konkrete Rahmen für die Umgestaltung des ‚Ersten Prosaentwurfs‘ abgesteckt. Für den Zeitraum vom dritten bis sechsten April ist Wagner mit einer Geschichte der spanischen Mauren beschäftigt.234 Am 15. Mai heißt es dann in Cosimas Tagebuch: „Er denkt viel an den Parzival, will seine Lektüren auf dieses Ziel richten. Gott segne ihn!“ Im Herbst finden wir das Paar bei intensiven WolframStudien. Vorübergehend wird dem – sonst von Wagner eher heftig kritisierten235 – Dichter ein milderes Urteil zuteil: 231 Wagner, SuD 10, S. 324. 232 Vgl. auch Yu, Kundry S. 84. 233 Vgl. die Notiz von Cosima zum 27.1.1877: „R. spricht von den Namen und Parzival; wie seinen Alten nennen? Gurnemanz geht nicht, arabisch, gotisch muß gebildet werden.“ Cosima-Tagebücher 1, S. 1028. 234 Dozy: Geschichte der Mauren; heutige Signatur der Wagner-Bibliothek: IV-a-4.3(1–2). 235 Bötticher, ‚Parsifal‘ und ‚Parzival‘ kehrt später das Urteil um; Wolframs Werk sei „in ästhetischer wie in ethischer Beziehung eine grobe Mißhandlung des ‚Parzival’ “ (S. 70).

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Abends in Parzival gelesen, Freude über den großen Dichter; R. glaubt, daß der Fischer König ein Mißverständnis des Worts pêcheur ist, und daß es der sündige König heißt, also Amfortas236 Was genau die beiden lasen, erfahren wir an dieser Stelle nicht. In der ‚Wahnfried‘Bibliothek befindet sich wieder ein Exemplar der Ausgabe von San Marte237, es gab aber auch die gereimte Übersetzung von Karl Simrock238 und die hochaktuelle dreibändige Ausgabe des mittelhochdeutschen Originals von Karl Bartsch von 1870/71.239 abends San-Marte über Parcival, R. kommt zu der Einsicht, daß die Bil­ dung des Grals ganz abseits von der Kirche wie eine friedsame Loslösung von ihr war.240 Das war Wagners Horizont zwischen dem ersten Prosaentwurf von August 1865 und dem zweiten vom Februar 1877, dem alsbald (14.3.–19.4.) die im November des gleichen Jahres gedruckte Versfassung folgte.241 Während der Arbeit an der Partitur nahm er kleinere Änderungen am Text vor242, die aber keine Sinnänderungen beinhalteten. Diese Beschäftigung, die durch Meister Eckhart ergänzt wurde243, dauerte einige Tage an, bis sie unter dem Druck der äußeren Sorgen nachließ: „Wie wir gefrühstückt hatten, las R. mir das schöne Kapitel von Trevrizent im ‚Parzival‘ vor244 und sagte, wir müssen den Morgen wahrnehmen, der Tag bringt doch nur Nöte, und wirklich häufen sich die Sorgen.“245 Wagners Quellenstudien gehen indes weiter. So hören wir über den 11.11.1875: „R. hat die bretonischen Sagen aufgegeben, liest mit Interesse ‚Die Mauren in Spanien‘ von Dozy“.246 Diese Rückkehr zu Dozy ist be236 Cosima-Tagebücher 1, S. 938, vgl. auch ebd. S. 932: „Parzival Mimi vorgelesen; heftige Rührung“ (zum 27.9.1875). ‚Mimi‘ ist Marie von Schleinitz (geb. von Buch, 1842–1912), die mit ihrem Mann, dem preußischen Hausminister Alexander von Schleinitz, bereits am Vortag zu Gast war. 237 Signatur II-b-4. 16(1) 238 Signatur II-a-3. 1(5). 239 II-b-2. 1(9–11). 240 Cosima-Tagebücher 1, S. 932 zum 2.9.1875. San Marte schließt die Einleitung zu seiner Versübertragung des ‚Parzival‘ mit den Worten: „Kein Wunder daher, wenn der ritterliche Dichter, […] die von der Priesterschaft ihm roh und abgerissen überlieferten Glaubenssätze phantastisch zu einer symbolischen, allegorischen mystischen Offenbarung des Glaubens verarbeitete, und nach seinen ritterlichen Begriffen sich ein Reich Gottes bildete, und darin schwärmte, wie wir in den Gedichten es im Königthum des heiligen Grals und im Reiche des Priesters Johannes sichtbarlich dargestellt finden.“ (San Marte, Leben und Dichten 1, S. LIX). 241 Einzelheiten bei Altmann, Entstehungsgeschichte. 242 Zusammengestellt bei Wolzogen, ‚Parsifal‘-Varianten. 243 Vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 937. 244 D. h. die Karfreitagsszene im 9. Buch des ‚Parzival‘. 245 Cosima-Tagebücher 1, S. 939. 246 Cosima-Tagebücher 1, S. 948. – Über die „bretonischen Sagen“ schrieb Wagner am 10.8.1860 an Mathilde Wesendonck: „In einem Band des Gr. v. Villemarqué ‚Les contes des anciens Bretons‘,

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merkenswert. Die Lektüre im April muss also insoweit positiv verlaufen sein, dass Wagner eine neuerliche Beschäftigung für sinnvoll hielt.247 Aber was suchte er dort? Nur sporadisch kam Cosima auf ‚Parzival‘ zurück, wie die zukünftige Oper noch immer hieß, so etwa am 2. Februar 1876: „Doch denkt R. hin und wieder an Parzival; der Name Gurnemanz geht ihm durch den Kopf“248, am 16.2. entstand das Lied der ‚Blumenmädchen‘. Zum 3. bis 6. April 1876 notierte Cosima, anscheinend ohne den Kontext zu erkennen: „Immer Unterricht, Besorgungen, Geschäfte. Sorge um Wohnung, R. (… ) liest eine Geschichte der Templer“249 und am 10. April wieder: „R. beschäftigt sich mit dem Templerorden.“250 Das Buch, das Wagner in Händen hielt, war, wie aus der erhaltenen Bibliothek von ‚Wahnfried‘ leicht zu ersehen, die zweite Auflage des Standardwerks von Ferdinand Wilcke251, die freilich die spanischen Belange wenig behandelt, dafür aber ausführlich die dem Templerorden unterstellten Verirrungen. All diese Versuche und Studien waren zielgerichtet, aber Wagner ließ Cosima offenbar über seine Absichten im Unklaren. Nietzsche gegenüber war Wagner offenbar mitteilsamer. Wir wissen das nur durch einen Zufall. Am 27. August 1876 reiste Nietzsche nach den Festspielen „mit Edouard Schuré, der zufällig den gleichen Zug benutzte, nach Basel ab. Während der Fahrt erzählte er Schuré von seinen wenigen Gesprächen mit Richard Wagner: ‚Er sagte mir, er wolle noch Universalgeschichte wiederlesen, bevor er die Dichtung des Parzival schreibe.‘252“ Am 27. Januar 1877 war es endlich soweit, dass Wagner seinen Entschluss, das Werk wirklich auszuführen, auch gegenüber Cosima aussprach: Die Kirche wußte früher, was mit dem Genie anfangen, wenn sie verschwindet, verschwindet auch das letzte Genie-Spital.“ Dann ruft er mir [zu]: „Ich will dir etwas nicht sagen.“ „O sag es.“ „Ich beginne den Parzival und laß nicht eher von ihm, als er fertig ist“, – worauf ich vor Freude laut lachen muß.253

worin ich, nach dem ‚Mabinogion‘, die ältesten Gestaltungen der später von französischen Dichtern behandelten Sagen z. B. von Artus, Parcival, Tristan u.s.w. fand, traf ich auch auf das Gedicht von Erec und Enide, welches ich nach einer mittelalterlichen deutschen Bearbeitung in meiner ehemaligen Dresdener Bibliothek noch ‚besitze‘ – ohne es gelesen zu haben.“ (Wagner SB Bd. 12, S. 239). 247 Für den 1.–14.1.1876 wird das Werk als „Geschichte der Araber“ bezeichnet (Cosima-Tagebücher 1, S. 961–965, Dozy genannt S. 965). Man vgl. aber auch Murphy, History of the Mahometan Empire von 1816; heutige Signatur in der Bibliothek: I-c-4.13. Am 13.1.1876 wurde Gibbon, Life of Mahomet gelesen, das nicht in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek vorhanden ist; in welcher Ausgabe ist daher unklar, der Erstdruck erfolgte 1805 in Leominster „Printed by S. Wilder for J. Whiting, Lancaster“. 248 Cosima-Tagebücher 1, S. 968. 249 Cosima-Tagebücher 1, S. 978. 250 Cosima-Tagebücher 1, S. 979. 251 Wilcke, Templerherren, heutige Signatur in der Bibliothek: IV-c-1.17(1–2). 252 Westernhagen S. 485. Hier nach Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 728. 253 Cosima-Tagebücher 1, S. 1027.

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Nunmehr folgte nach dem lange zurückliegenden ‚Ersten Prosaentwurf ‘ von ­August 1865 im Februar 1877 der zweite, der alsbald (14.3.–19.4.) versifiziert und so im November des gleichen Jahres gedruckt wurde.254

Die verborgenen Quellen Die Gralsschrift des Joseph Görres In Wagners Geburtsjahr 1813 veröffentlichte Jacob Grimm (1785–1863) seine „Gedanken über Mythos, Epos und Geschichte“ im ‚Deutschen Museum‘. Volker Mertens hat unlängst auf die Bedeutung dieser Schrift aus „der Frühzeit der Germanistik“ für Wagners „reltiv unbefangenen“ Umgang mit mythischen Elementen und „mit sprachlichen Klängen“ hingewiesen. Im Jahr 1813 edierte ferner Ferdinand Gloeckle das dem späten 13. Jahrhundert zuzurechnende ‚Lohengrin‘-Epos nach einer Handschrift, die sich damals noch in der Biblioteca Apostolica Vaticana255 befand und heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg unter der Signatur cpg 364 aufbewahrt wird und auf den Blättern 113r–151v eben diese Dichtung überliefert. Dass der ca. 350 Seiten umfassende Band „den Brüdern Grimm in Cassel zugeeignet“ wurde, war demnach wohl kein Zufall. Joseph Görres fügte Gloeckles Textabdruck eine ‚Einleitung über den Dichtungskreis des heiligen Grales‘ bei, deren 94 Seiten in römischen Ziffern gezählt waren.256 Der Zusammenhang zwischen dem philologisch ambitionierten, wenngleich sehr fehlerhaften, Textabdruck257 und Görres‘ Traktat ist minimal: Weder zitiert Görres den ‚Lohengrin‘ ausführlich, noch bemüht die Edition die ihr vorangestellten Darlegungen. Die Schrift von Görres bildete nicht nur die wichtigste Quelle des ‚Lohengrin‘, sondern fast mehr noch des ‚Parsifal‘; sie beeinflusste in einer krausen Mischung von Geschichtsforschung, freischaffender Poesie und früher Mythenforschung Wagners theoretisches Schrifttum258 und lenkte frühzeitig die Erforschung der 254 Einzelheiten bei Altmann, Entstehungsgeschichte. 255 Die Handschrift wurde 1816 zusammen mit 846 anderen deutschsprachigen Handschriften wieder nach Heidelberg zurückgegeben. Zur Handschrift Bartsch, altdeutschen Handschriften S. 108 Nr. 191; Cramer, Lohengrin, S. 14. 256 S. XCVII–CVI enthalten den Abdruck eines Handschriftenfragments zum Versepos ‚Lohengrin‘. 257 Als Görres die Handschrift in Heidelberg selbst in Augenschein nahm, äußerte er sich entsetzt über die Qualität von Gloeckles Transskription, vgl. Michaela Eser: Augsburger Nibelungenlied und -klage: Edition und Untersuchung der Nibelungenhandschrift b, Regensburg 2016 (Editio Bavarica 2), S. 61. 258 Vgl. Wagners Wibelungen (18590), Wagner SuD 2, S. 115–155. Hier wird die Verwandlung des germanischen Königshorts, wie er im ‚Nibelungenlied‘ thematisiert ist, in den Heiligen Gral beschrieben – ein Prozess, den Wagner der Stauferzeit, ja überhaupt der Partei der Ghibellinen zuschreibt. Dieser Schrift liegt ohne Quellenangabe zugrunde die Studie Göttling, Nibelungen und Ghibelinen; vgl. etwa ebd. S. 6: „In dieser Beziehung ist der heilige Gral der verklärte Nibelungenhort

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Gralsdichtungen weg von literaturgeschichtlichen zu sagengeschichtlichen Frage­ stellungen, die das gesamte hier zu behandelnde Schrifttum prägten. Darüber hinaus begründete er die Tradition einer um den Gral errichteten Kulturphiloso­phie259 und lieferte natürlich auch die Begründung für die Umbenennung des Helden von Parzival in Parsifal, zu der sich Wagner am 14. März 1877, also in allerletzer Mi­ nute, entschloss.260 Wir wissen nicht, ob es allein Spiel des Zufalls ist, daß selbst der Name des Helden Parcifal auf ganz ungezwunge Weise aus dem Arabischen sich ableiten läßt: Parsi oder Parseh Fal, d.i. der reine oder arme Dumme, oder thumbe in der Sprache des Gedichts261 Görres ging von einer ursprünglichen, einheitlichen Gralssage aus, die erst durch die mittelalterlichen Dichter und aufgrund historisch divergierender Entwicklungen262 in zwei „Dichterschulen“ (S. LIX) zertrennt wurde: Der Parcival, der Titurel und der Lohengrin sind in naher Sippschaft zu einer poetischen Familie verknüpft; in dem Kreise, den sie bilden, ist der Titurel die Mitte, Siegel, Kleinod und Edelstein, worin Anfang im Parcival und Ende im Lohengrin, beide in gleicher Runde zusammenlaufen. […] Alle drei Dichtungen sind in ihrem Wesentlichen von einer Quelle, ja von einem Buche ausgegangen. Wolfram von Eschenbach nimmt ganz ausdrücklich als und beide bilden die schönste, fortschreitende Heldenerziehung, wie kein anderes Volk aufzuweisen hat in den Werken des Dichtergeistes, als unser teutsches. Denn wer die Sage vom heiligen Gral für ausländischen, nicht teutschen Ursprungs hält, hält auch die Begeisterung, die in uns für das Christentum entbrannte, für ausländisch.“ – Zu Karl Wilhelm Göttling (1793–1869) vgl. Conrad Bursian in: ADB 9 (1879), S. 487–489. 259 Vgl. Rosenkranz, Göthe S. 31f: „Der Graldienst ist eigentlich ein häretischer Cultus gewesen, aus dem Schooß der großen Secten der Bogomilen, Katharer, Paulicianer u.s.f. hervorgegangen. Insofern ist das Christenthum im Gral nicht das orthodoxe der Römisch-katholischen Kirche, was wohl zu beachten, und muß sich auch von dem Occident, von Montsalvatsch über Arles, in den Orient zu dem mystischen Priesterkönige Johannes zurückflüchten. Den phänomenologischen Zug des ‚Parcival‘, stufenweise sich die Welt, die ihm als ein räthselhaftes Wunder lockt, zu erobern, von der Natur zur Cultur, von der Einsamkeit zur Geselligkeit, von der unbedingten Vertiefung in die eigene Individualität zum Gehorsam gegen die Gesetze allgemeiner Bildung überzugehen, hat Göthe im höchsten Grade besessen und daher auch nach verschiedenen Seiten hin theils in seinem ‚Faust‘, theils in seinem ‚Wilhelm Meister‘ ausgeprägt.“ 260 Vgl. Cosima-Tagebuch 1, S. 1038: „Und Parsifal wird er heißen.“ Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 740. 261 Görres, Lohengrin S. VI. Den philologischen Einspruch von Judith Gautier fegte Wagner hinweg, vgl. zusammenfassend Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 740. 262 Görres, Lohengrin S. LVIIf. liefert die Hintergründe dieser Divergenzen: „es bestand ein Gemeinschaftliches, aber jede Nation entwickelte sich doch in eigenthümlicher, selbständiger Weise auf ihrem Wege fort. Das Gemeinschaftliche zeigt sich am Titurel und Parcival, die […] ausser jenem griechischen Elemente […] den Stammessagen jener Völkerschaften, bretonischen, welschen und spaniscehn Chroniken aufgesetzt erscheint. Das Eigenthümliche aber hat besonders an dem Gegensatz sich kund gegeben, der gleich eben im Dichtungskreise des Grales eingetreten.“

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Urbild, dem er den Parcival und Titurel nachgebildet, ein Buch des Provenzalen Kyot. Es ist kaum zu bezweifeln, daß im französischen Gedichte beide im Teutschen genannten Werke zu einem Ganzen verbunden waren. […] Eschenbach hatte den Parcival zuerst gesondert für sich bearbeitet, später erst entschloß er sich das Ganze zu behandeln […]263 Görres ist sich sicher, noch Weiteres über diese Gralsdichtung des Kyot herausfinden zu können.264 Die engere Gralsgeschichte leitet Görres aus vermuteten byzantinischen Quellen ab. Er deutete zum Beispiel den im ‚Jüngeren Titurel‘ detailreich beschriebenen Graltempel als Nachbildung der Hagia Sophia (S. XVII–XXII). Görres folgte damit der zu seiner Zeit herrschenden Interpretation des romanischen Baustils als „neugriechisch“ (d. h. byzantinisch).265 Während Ludwig II. in seinen Schlossprojekten an dieser Stilzuweisung für den Graltempel festhielt266, ließ Wagner im ‚Parsifal‘ diese Frage offen und erklärte sich erst 1880 mit der Wahl des Doms von Siena als Vorbild für die Bayreuther Inszenierung für eine gotische Lösung267. In den Illustrationen zum ‚Parsifal‘ blieb die byzantinische Lösung vorherrschend, soweit sie sich vom Bayreuther Bühnenbild lösen konnten. Durch die im ‚Jüngeren Titurel‘ geschilderte Verlegung des Grals nach Indien konnte Görres Parallelen zu den ‚Alexanderromanen‘ ziehen, und nannte darunter auch „die uralten Wunderthiere des Orients“ (S. XXX).268 In dieser „Sage“ sei ein historischer Kern aufbewahrt, der über die Frühzeit des Christentums informiere: „Ueber die Mittel, die man in den ersten Jahrhunderten zu diesem Zwecke angewandt, schweigt größten theils die Geschichte, hier hat sie uns die Dichtung, wie immer das Merkwürdigste was je geschehen, aufbewahrt.“ (S. XLI). Görres wollte in der Genealogie des Gralsgeschlechts das Überlieferungserbe einer „Priesterschule“ als „des Oberdruiden im Lande Chartrain im Mittelpunkte Galliens“, mithin im „nordwestlichen Frankreich“ sehen (S. XLIV), die bald nach Spanien ausstrahl263 Görres, Lohengrin S. LIX. 264 In der heutigen Forschung gilt Kyot als Fiktion. 265 Görres, Lohengrin S. XXXIX f.: ”Wie jener Tempel des Grales, so sind Kirchen und Baptisterien der früheren Zeit vor der Entstehung der gothischen Baukunst in neugriechischem Style gebaut; jene Kirche in Grales (Arles) die man dem Titurel zufolge beim Zuge des Grals nach Indien dem Plane seines Tempels gemäß gebaut, war keineswegs die einzige, die in jenem Geiste hervorgegangen, von Ravenna bis zum Rheine und über den Tanais hinaus hat er in vielfältigen Bauwerken Italiens, Frankreichs und Teutschlands Spuren zurückgelassen.“ 266 Baumgartner, Königliche Träume S. 95–77; Rösch, Burgschloss S. 95–109. In diesem Zusammenhang ist die anonyme Beschreibung des Graltempels nach Albrechts ‚Jüngerem Titurel‘ von Interesse, die für Ludwig II. angelegt wurde, vgl. den Abdruck bei Rösch, Burgschloss S. 389 f. 267 „Dann aber Besuch des Domes! R. zu Tränen hingerissen, der größte Eindruck, den er gehabt von einem Gebäude. Ich möchte das Vorspiel zu Parsifal unter der Kuppel hören!“ Cosima Tagebücher 2, S. 585 zum 21.8.1880, hierzu Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 790f. 268 Görres, Lohengrin S. XXXVI f.: „Wir halten aber dafür, daß die Sage, entstanden im griechischen Exarchat, auch zunächst in griechischer Sprache aufgefaßt worden, und in dieser Form mit den andern bisher bezeichneten Elementen an den Araber gekommen sey.”

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te. Sie habe unter pythagoräischem Einfluss gestanden und ein Leben geführt, das dem der Gralsritter entsprach. Aus dieser „Priesterschule“ sei auch die ‚Historia Regum Britannorum‘ des Geoffrey of Monmouth gespeist worden (S. XLVI). All dies werde zu Unrecht als leere Mönchserdichtung verworfen, ohne den großen welthistorischen Sinn dieser alten Erinnerung zu ahnden, die das früheste ist, auf das alle meuropäischen Völker sich zu entsinnen wissen, und unmittelbar bei ihnen an die Ueberlieferung von der großen Fluth sich schließt.269 Nun bewies Görres in einem etymologischen Gewaltritt, dass der Ortsname Carelund im altfranzösischen ‚Roman de Brut‘ gleich Lund, damit gleich dem indischen Jsapura, gleich Aspurg oder Asgard ist. Weitere indisch-griechisch-nordische Analogien zu dieser einen ersten „Götterstadt“ folgten, „selbst das Etzelburg der Nibelungen ist As-il-purg, oer Isa-Ila-pura, die Erdenstadt der Götter“ (S. L). Die Urheimat der Gralssage schien damit entdeckt, aber auch die vorgeschichtliche Identität von germanischer und indischer Mythologie. Im ‚Lohengrin‘ konnte Wagner mit diesem bizarren Schatz noch nichts anfangen. Er beliess die Gralsburg schlicht „in fernem Land“. Durch die Lektüre von Schopenhauer kam es jedoch später zur Beschäftigung mit indischer Überlieferung, und so konnte der alternde Wagner die gemeinsame Urheimat von Christentum und Buddhismus an den Hängen des Himalayas vermuten270, woran Leopold von Schroeder271 und andere die These vom Gral als Zentrum der arischen Urreligion knüpften. Schroeders Schüler Viktor Junk (1875–1948)272 führte dieses Theorem mit mediävistischen Mitteln weiter und galt zumindest im Bayreuther Kreis als unwiderlegbare Autorität.273 Dem ‚Buddhismus‘ Wagners und der Wagnerianer haftete wesentlich ein antisemitischer Zug an, weil er auf die Konstruktion eines von hebräischen Elementen und dem ‚Alten Testament‘ befreiten ‚Christentums‘ abzielte.274 Erst mit dem Nachweis, dass sämtliche Gralsmotive rein keltisch-kymrischen Ursprungs sind, wie wir ihn insbesondere Roger Sherman Loomis (1887– 1966) verdanken, wurde dieser Sumpf ausgetrocknet.275 In seiner mehrbändigen spekulativen Darstellung der Geschichte der christlichen Mystik griff Görres den Gralsmythus noch einmal auf. Er stellte ihn unter den Ge-

269 Görres, Lohengrin S. XLVIX. 270 In ‚Religion und Kunst‘ von 1880, vgl. Wagner, SuD 10, S. 226. 271 Zur Person: Franz, Religion des Grals S. 148–154. 272 Zu ihm vgl. ÖBL 3 (1962), S. 152f. Unter Altgermanisten machte Junk sich einen Namen durch Editionen der Dichtungen Rudolfs von Ems. 273 Franz, Religion des Grals S. 152 Anm. 366, ebd. S. 157 f. zur Bayreuther Rezeption, insbesondere durch Karl Schirmeisen. 274 Borchmeyer, Nirwana S. 19. 275 Vgl. Loomis, Grail.

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gensatz von Christentums und Islam276, und so konnte Wagner seine Gralsburg auf einem Höhenkamm zwischen dem christlichen und dem maurischen Spanien verorten. Aus diesem ‚clash of cultures‘ ging für Görres die Kunst der Gotik hervor (die er freilich nicht so nennt); ihre Kennzeichen waren für ihn Tempelbauten mit Kuppel, Spitzbögen und Rosetten. Sämtliche Künste flossen in der neuen christlichen Mystik zusammen: Der überkuppelte neue Tempel baute sich fast körperlos zu den Klängen einer neugeschaffenen Musik auf – für Wagner eine unschätzbare Anleitung zur ‚Verwandlungsmusik‘ im ersten und im dritten Aufzug: Und sie nahmen die einfachen Grundformen antiker Baukunst, den gleichseitigen und den ablangen Würfel, und den Kreis in einfacher Säule ausgezogen, in die Rotunde sich erhebend, oder in die Kuppel aufgewölbt; und wie sie ihren Spruch darüber ausgesprochen, war der neue anstrebende Geist in sie eingekehrt, und sie waren in einem neuen Leben sprossend worden. […] Und es füllen sich nun bald die inneren Räume dieser Gotteshäuser mit Choralgesang und Orgelklang; denn auch die Musik ist den andern Künsten in ihrer Steigung gefolgt, seit mit der Erfindung des Contrapunktes auch das Gesetz reicherer Harmonie in sie eingetreten: ein Gesetz, in dem sich fortan in großer harmonischer Analytik die Tonwerke erbauen; wie im Gesetze des entsprechenden geometrischen Contrapunktes jene Bauwerke entstanden. Alles aber, was in dieser Weise jene Zeit gewollt und erstrebt und theilweise ausgeführt, hat sich in der Dichtung des Titurel sinnbildlich ausgedrückt; und der Gralstempel, wie er sich in ihm erbaut, und mit allem Reichthum der Kunst des Weltalters sich ausgeziert, ist zugleich Symbol der Kirche und der Gesellschaft, wie sie, in ihm sich ausgestaltet.277 Görres lag zwar völlig falsch, als er dieser späten Stufe der deutschen Gralsdichtung – Albrecht dichtete den ‚Jüngeren Titurel‘ fast 100 Jahre nach Wolfram von Eschenbach – Informationen über deren mythologische Urform entnehmen wollte, die bei Wolfram oder gar den noch älteren altfranzösischen Texten gänzlich fehlten. Doch läßt sich die Innenarchitektur des Graltempels aus dem ‚Jüngeren Titurel‘ literaturgeschichtlich durchaus als kosmologische Komposition deuten, die sich gleichermaßen in Raum und Zeit erstreckt und mit den Gestirnen und den Zeichen der Heilsgeschichte gebildet wurde.278 Den Zusammenhang zwischen Albrechts Graltempel, der seinerzeit in Deutschland noch jungen gotischen Architektur und der Lichtphilosophie des (Ps.-)Dionysius Areopagites hat Görres also 276 Görres, Mystik 1, S. 259f. Ich zitiere die erste Ausgabe, die sich auch in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek befindet, heutige Signatur: I-c-1.16(1–5). 277 Görres, Mystik 1, S. 261–263. 278 Görres, Mystik 1, S. 263f. Zur modernen Forschung vgl. Zatloukal, Salvaterre und Brokmann, Graltempel S. 92f.

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richtig erfasst. Der Wagner von 1872–1877 konnte hier das Programm seines Gesamtkunstwerks wiederfinden, mehr noch: Er konnte die Erschaffung des Graltempels aus Tönen umsetzen.279 Als Zentrum aller Mystik sieht Görres jedoch nicht den allegorischen Tempelbau, sondern den Paradiesgarten, dessen hymnische Beschreibung – wie bei Novalis – Kling­sors Garten und die Karfreitagsaue vereint und mit der Einöde kontrastiert, die durch den „Fluch der Verwerfung“ (d. h. die Verbannung aus dem Paradies280) hervorgerufen wurde: Die wahre Mystik findet sich also schon in so früher Zeit, wie durch sich selbst, so durch die falsche bekräftigt; und so ist in dieser ihrer Wahrheit der alte Paradiesesgarten dort am Quellbrunn oben auf der Höhe, der seine Wasser in alle Welt entsendet, wieder angepflanzt worden, jener Wildniß zum Gegensatze, die der Fluch hervorgerufen. Nicht Cyclopenmauern umhegen diesen Garten, nur von seidenem Faden ist er umzogen; nicht ein schwüler Sumpf breitet sich seuchehauchend um jenen Giftbaum aus, wie Smaragd ist seine Grüne um den Baum des Lebens in seiner Mitte ausgegossen, und Glanz ruht auf ihm, wie auf jenem die tödtende Mofette. Blumen und Büsche und Blüthenbäume aller Art drängen sich in diesem Garten; die einen in Demuth an der Erde rankend, die anderen reiches Gezweige um sich breitend, noch andere hoch in die Lüfte ragend. […] Alle aber haben sie die Blumenaugen auf die eine und dieselbe Sonne hingerichtet, und wie sie sich in ihren Strahlen sonnen; so erglühen sie auch ihr in reicher Farbe, füllen ihr die Kelche mit ihren Düften, keimen und wachsen und wachen und schlafen nur ihr allein, und in Winters Mitte ist, wie durch Zauber, in ihnen ein geistiger Frühling erblüht, der keinem Wechsel und Wandel unterliegt, weil jene ewige Sonne weder auf- noch untergeht.281 Görres setzt den ‚Jüngeren Titurel‘, der „die Niederkunft des Heiligen und sein Einleuchten in die irdische Nacht“ feiere, als poetisches Pendant auf eine Stufe mit 279 Aus ganz anderer Richtung kommend, ist Ernst Bloch wohl als erster hierauf gestoßen: „Diese Stufung will die dynamische Zeitkunst par excellence […] in hieratische Raumbildung überwechseln lassen, in die besonders bewegungsfreie eines byzantinischen Zentralbaus mit Kuppel. Der Klang soll […], indem der dynamische Rhythmus vor einem choralnäheren, auch dem des langsamen Marsches zurücktritt, vor allem jedoch durch die geschichteten Stimmgruppen sich in lauter RaumSymmetrien umtauschen lassen. Amphion taucht mythisch auf, der Theben gemäß den Harmonien seines Gesangs aufbaute“, Bloch, Paradoxa S. 316. Vgl. auch Kunze, Raumvorstellungen S. 18f, der für Wagners Musik generell und das Bayreuther Theater speziell vom „musikalischen Aufbau von Zeitlosigkeit und utpoischer Lokalisierung“ spricht. 280 Görres, Mystik 1, S. 168. 281 Görres, Mystik 1, S. 180f. Weitere Beispiele aus der christlichen Legende ebd. S. 220, 242, 335–337. Letztere Stelle schildert einen heiligen Hain, in dem ein Hase sich zutraulich den Pilgernden nähert. Im Perlesvaus befindet sich ein solcher ‚locus amoenus‘ gleich im Vorhof der Gralsburg:ein Baum, ein Brunnen, der Boden bedeckt mit „del plus beles fleurs del monde“ (Perlesvaus S. 1000–1002).

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Thomas von Aquin, den er selber nicht als Vertreter der rationalen, sondern sehr wohl der mystischen Gottsuche interpretierte.282 Émile Souvestres ‚Peronnik‘ In seinem letzten Lebensjahr gab der französische Bühnen- und Romanschriftsteller Émile Souvestre (1806–1854) ein reich illustriertes Bändchen mit dem Titel ‚Le Foyer Breton. Traditions populaires‘ heraus, das auf den S. 192–215 ‚Peronnik l’idiot‘ brachte, den Souvestre selbst in einer nachgestellten ‚Note‘ mit dem altfranzösischen Gralroman der ‚Queste du saint Graal‘ in Verbindung brachte, die er zusammen mit dem ‚Peronnik‘ aus einer bretonischen Originalfassung des ‚Peredur‘ ableitet283. Obschon sich keine Verbindung zwischen Souvestre und Wagner nachweisen lässt und das ‚Foyer Breton‘ auch in keiner der Wagner-Bibliotheken nachgewiesen werden kann, gibt es verblüffende Parallelen zwischen dem ‚Peronnik‘ und dem ‚Parsifal‘. Sie wurden 1914 von Josef Dostal-Winkler publiziert, dessen ‚Sagenforschung‘ sich im Umfeld Leopold von Schroeders und Victor Junks284 bewegte: Was die Stoffgeschichte des Parsifaldramas betrifft, ist es nun merkwürdig genug, daß Wagner auch mit dem bretonischen Gralmärchen […] sich insofern in mehrfacher Übereinstimmung befindet, als er zwei Hauptmotive der Handlung augenscheinlich völlig neu einführte und dazu noch besonders hervorhob, und zwar: 1. die Gewinnung der Lanze; 2. die Begegnung Parsifals mit den Blumenmädchen.285 Dostal-Winkler versuchte freilich nicht, den ‚Peronnik‘ als eine von Wagner verleugnete Quelle nachzuweisen286, sondern sah in der Übereinstimmung des Wagner’schen Plot mit dem bretonischen ‚Peronnik‘-Märchen den Nachweis, daß das Genie des ‚Meisters‘ den Urkern der arischen Gralserzählung aufgedeckt habe. Sobald man allerdings an den Ursprünglichkeit des ‚Peronnik‘ zweifelt, wird es auch wahrscheinlicher, dass Wagner ihn als direkte Quelle nutzte. Das beginnt bereits mit dem bemerkenswerten Namenszusatz ‚l’idiot‘. Für Souvestre ist das wortwörtlich gemeint; Peronnik ist ein Töpel wie Cervantes‘ Sancho Pansa oder Voltaires Candide, an den im übrigen auch die orientalischen Abenteuer im Schlussteil der ‚Peronnik‘-Erzählung erinnern. Das Dümmlings-Motiv erscheint

282 Görres, Mystik 1, S. 267f. 283 Souvestre, Foyer Breton S. 212–216. Zum ‚Peredur‘ vgl. Mertens, Gral S. 15–24, zur ‚Queste du saint Graal‘ (einem Teil des so genannten ‚Prosa-Lancelot‘) ebd. S. 104–124. 284 Junk, Gralsage S. 56–63. 285 Dostal-Winkler, Heimat S. 8 f. 286 Dostal-Winkler, Heimat S. 11: „Uns kam es nur darauf an, auf die Motivverwandschaft mit Wagners ‚Parsifal‘ hinzuweisen, ohne jedoch damit voreilig behaupten zu wollen, daß Wagner, der sich zwar wiederholt in Paris aufgehalten, von dem bretonischen Märchen Kenntnis haben mußte. Vielleicht dürfte ein zwingender, d. h. direkter Nachweis in dieser Richtung auch kaum gelingen.“

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in keiner anderen ‚Gralserzählung‘ so ausgeprägt wie hier. Aus der Perspektive des von Görres ausgerufenen ‚fal parsi‘ war das eine Steilvorlage. Wir erinnern uns, daß Wagner erst 1865 mit dem ‚Ersten Prosaentwurf ‘ zu einer Entscheidung über die Rolle der Lanze kam. Neben der schließlich ausgeführten Variante, daß der heilige Speer von Amfortas verloren und von Parsifal zurückgewonnen wird, erwog er zuvor eine andere, nach der der Speer ein noch zu erringendes Wunderzeichen war: Bei Übergabe des Grales ist den Rittern auch die Lanze verheissen: nur müsse sie erst durch schwere Kämpfe gewonnen werden. Würde sie einst dem Grale beigesellt sein, so würde die Ritterschaft dann nichts mehr anfechten können. Kling­sor hat diese Lanze aufgefunden, und verwahrt sie, theils ihres starken Zaubers wegen, da sie auch den Heiligsten zu verwunden im Stande ist, wenn noch irgend ein Fehl an ihm haftet, theils um sie der Gralsschaft vorzuenthalten, weil sie durch ihren Gewinn unbesieglich sein würde.287 Das ist die Situation im ‚Peronnik‘. Hier sind ein Wundergfäß („bassin d’or“) und die „lance de diamant“ in der Gewalt eines Riesen und Zauberers, der durch die Lanze unbesiegbar ist; nach bestandener Aventiure wird Peronnik im übrigen mit ihr als Waffe die ganze Welt erobern. Für den Weg zur Lanze benötigt Peronnik eine ‚böse Blume, die lacht‘ und die in einem Wundergarten wächst.288 In einem weiteren Garten trifft er auf die kostbare Speisen und singende Blumen, die ihn festhalten wollen und sogar beim Namen rufen, um ihren Reigen anzuführen. Le vallon qu’il traversait était semblable à un jardin rempli de fruits, de fleurs et de fontaines; mais les fontaines étaient de vins et de liqueurs délicieuses, les fleurs chantaient avec des voix aussi douces que les chérubins de paradis, et les fruits venaient s’offrir d’eux-mêmes […] de belles jeunes filles, qui sortaient du bain et qui dansaient sur l’herbe, l’appelaient par son nom et l’invitaient à conduire le bal.289 In seiner Not schlägt Peronnik das Kreuzeszeichen, aber anders als im ‚Parsifal‘ ist es wirkungslos. Erst das Spiel auf einer wohl bei Schikaneder entlehnten „sifflet de sureau“ (Pfeife aus Holunderholz) und weitere Ablenkungsmanöver retten ihn, er entkommt zum Fluss vor dem Zauberschloss von Kerglas, vor dem er auf eine gelb gekleidete Frau trifft, die versichert, sie habe ihn hier erwartet („Je t’attendais“), um mit ihm, den sie einen „pauvre innocent“ nennt, über den Fluss zu setzen und ihm zu helfen („servir“). Ihr Name sei „la Peste“.290 Durch die Unterstützung von ‚La 287 Wagner-Tagebuch, S. 76 zum 2.9.1865. 288 Souvestre, Foyer Breton S. 203: „Il y avaait là des roses des toutes couleurs, des genêts d’Espagne, des chèvrefeuilles rouges, et, pardessus le tout, s’élevait une fleur merveilleuse qui riait.“ 289 Souvestre, Foyer Breton S. 205 f. 290 Souvestre, Foyer Breton S. 206 f.

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Peste‘ und der lachenden Blume gelingt es Peronnik, den riesenhaften Zauberer zu töten. Er kann das Goldgefäß und die Diamantlanze an sich nehmen, dann aber bricht alles donnernd zusammen291 und Peronnik findet sich mit den Heiltümern mitten im heimischen Wald wieder. Im ‚Peronnik‘ vorgeprägt sind das exaggerierte Torenmotiv, einzelne Elemente der Kundry (lachende Höllenrose, auf Peronnik wartende Frau, Anrede Peronniks als „innocent“), der Verführungstanz der Blumenmädchen, der Einsatz des Kreuzeszeichens und der Zusammenbruch des Zauberschlosses. Natürlich gibt es auch viele Motive und Nebenwege, die nicht auf den ‚Parsifal‘ bezogen werden können. Es braucht uns hier nicht zu interessieren, auf welcher Basis Souvestre zu seiner Erzählung kam und welchen Wert sie für die Suche nach einem ‚Ur-Perceval‘ hat (vermutlich keine). Schon die zeitgenössische Romanistik zeigte sich skeptisch, ob es sich überhaupt um ein ‚Volksmärchen‘ handelt: Selbstverständlich ist dieser Märchenforschung auch das bretonische Märchen von Peronnik […] nicht unbekannt geblieben. Wenn er bis jetzt aber bei der Behandlung des Dümmlingsmotivs trotzdem nicht herangezogen worden ist, die bisherige Forschung vielmehr sich auf die insularen Fassungen beschränkt hat, so geschah es wegen der etwas fragwürdigen folkloristischen Echtheit dieses litterarisch aufgeputzten Souvestre’schen Märchens, das man seiner Glaubwürdigkeit nach neben den anrüchigen Villemarquéschen Barzas-Breiz292 stellen möchte und man kann auf die Gründe gespannt sein, mit denen Junk seinen Versuch rechtfertigen wird.293 Auch Josef Dostal-Winkler räumte ein, dass der ‚Peronnik‘ „von Seiten E. Souvestres ‚nicht ohne künstlerische Feile‘ geblieben ist“.294 Insofern können die Parallelen zum ‚Bühnenweihfestspiel‘ nicht aus dem Urgrund der Gralssage abgeleitet werden, sondern müssen auf intellektueller Rezeption beruhen, die freilich nur erschlossen, aber nicht heuristisch belegt werden kann. ‚Arcana Judaica‘ Was der Version der Gralsgeschichte im ‚Peronnik‘ gänzlich fehlte, war der Versuch einer Verführung und ihre Zurückweisung, die aber in Wagners Ausgestaltung der Kundry als einem Konglomerat unchristlicher weiblicher Dämonie zentral und weit mehr darstellte als Besessenheit295. Ihre Leidensgeschichte wird von Kling­sor 291 Souvestre, Foyer Breton, S. 209: “un éclat terrible se fit entendre, le palais disparut, et Peronnik se retrouva au milieu de la forêt, muni des deux talismans.” 292 Théodore Hersart La Villemarqué publizierte 1839 eine von ihm ‚Barzas-Breiz‘ genannte Sammlung bretonischer ‚Gesänge‘. 293 Foerster, Mabinogion S. 193. 294 Dostal-Winkler, Heimat S. 11. 295 Vgl. Eckert, Parsifal 1914, S. 181: „In jedem der drei ‚Parsifal‘-Akte begegnet uns Kundry in veränderter Gestalt. Als sei alles, was über die Frau zu sagen ist, in dieser Figur vereint.“

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explizit mit anderen dämonischen Frauengestalten in Verbindung gebracht. Sie war demnach schon vor der Passion Christi „Urteufelin, Höllenrose“ und wurde nicht etwa erst (wie es in der Rezeption meist infolge einer Verbindung zur Ahasver-Legende behauptet wird) durch die Verspottung Christi verdammt.296 Kundrys ursprüngliche Namenlosigkeit ist ein schützender Euphemismus: Den Namen einer „Urteufelin“ spricht man ebenso wenig aus wie den Namen des Herrn. Um wen es sich handelt, wird von Kling­sor klar gesagt: Sie ist „des Teufels Braut“. In der rabbinischen Tradition ist das Lilith297, die mit dem gestürzten Erzengel Samael zusammenlebt298, der in Webers ‚Freischütz‘ als Waldgeist Samiel firmiert. Am griffigsten wird dies in einer volkstümlichen Erzählung im ‚Zohar‘ berichtet.299 In der Malerei der Präraffaeliten spielte sie eine gewisse Rolle300. Die deutsche Bühne kannte Lilith durch Goethes ‚Faust‘, der sie als „Adams erste Frau“ und Männerverführerin vorstellte301, und – einmal mehr als ‚Namenlose‘ – als ‚Königin der Nacht‘302 aus Schikaneders und Mozarts ‚Zauberflöte‘. Vermutlich machte sich Wagner, inspiriert durch Goethes Verse in der ‚Walpurgisnacht‘, auf die Suche nach Lilith. Es hat allerdings keinen Sinn, über mögliche Informanten zu spekulieren – es gab in Wagners Umfeld hinreichend jüdische Kontakte, durch die er sich über Lilith informieren konnte und dabei auch in der Lage waren, mehr über die von Goethe nur sehr allgemein zitierte Passage 147b– 149a des hebräischen bzw. aramäischen Erstdrucks des ‚Zohar‘303 mitzuteilen. Allerdings war ein gewisses Studium des ‚Zohar‘ dabei erforderlich: Die Erzählung findet sich nämlich nicht in dessen eigentlichem Text, sondern in dem Apparat, der klammerförmig um ihn herum gruppiert wurde. Das sind die so genannten ‚Sitrei Torah‘ (‚Geheimnisse der Torah‘). Sie gehören als eine „Zoheric composition“ zu

296 Jacobs, Konstruktion S. 63 läßt sich zu einer weder aus Wagners Libretto noch seinen sonstigen Äußerungen gedeckten Phantasie hinreißen: „Kundry ist eine allegorische Schöpfung. In ihr spiegeln sich die weiblichen Sehnsüchte nach dem starken, ihre weibliche Schönheit bewundernden potenten Mann einerseits und dem sensiblen, ihre Seele liebenden Mann andererseits. Begonnen hat Kundrys Konflikt zur Zeit Jesu. Sie hatte von einem Messias gehört, der die Menschen erlösen kann, und sich auf die Suche nach ihm gemacht. Am Kreuz erblickt sie Jesus, einen Mann, der aus Liebe zu den Menschen sich in einer sichtbar schwachen, sterbenden, ‚impotenten‘ (machtlosen) Situation befindet. Ihre Erwartungen vom starken Mann waren enttäuscht […] Verblüfft von der Enttäuschung ihrer eigenen Erwartungen brach sie in Lachen aus.“ 297 Allgemein zu ihr: HWdA 5, S. 1302–1304, Giehrl, Conversationslexikon, S. 197–201, Bar-Itzhak, Lilith, S. 332–335. Weitere Literatur im Folgenden. 298 Stemberger, Judaica minora 2, S. 602–624; Dan, Samael, Lilith; Blau, Samael. 299 Zohar 1, 148a-b. 300 Dante Gabriel Rossetti (1828–1882), Lady Lilith (1868) vgl. Trattner, Liliths Kinder S. 34–37. Bei dem ebd. S. 37 beschriebenen Gemälde ‚Lilith‘ von John Colliers (1892) ist eine Beeinflussung durch Wagner nicht mehr auszuschließen. 301 Faust V. 4120–4123. 302 Patai, Hebrew Goddess S. 128. 303 Sēfer ha-zōhar, 3 Teile, Mantua 1558–1560, die Seitenzählung gilt als kanonische Zitierform auch für Übersetzungen.

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den meist unbeachteten Kleintexten der spätmittelalterlichen Kompilation304, die aber gleichwohl in das breite Narrativ ‚jüdischer Folklore‘ gerechnet werden305, deren Verbreitung und Rezeption in der epehemeren Literatur nicht erforscht ist.306 Die ‚Sitrei Torah‘ berichten Folgendes: Der in der jüdischen wie christlichen Bibel­ exegese in der Regel als Kampf mit Gott verstandene Bericht über einen Angriff auf den Erzvater Jakob am Jabbok (Gen 32,23–33 bzw. Hos 12,4–5) wird hier uminterpretiert: Jakob steigt in den Herrschaftsbereich des Oberteufels Sammael und seiner Lebensgefährtin Lilith, die hier als Verführerin auftritt; Jakob widersteht der Verführung und besiegt den von ihr herbeigerufenen Sammael im Kampf. Die Verführungsszene des zweiten Aktes zeigt bei den „liebkosenden Bewegungen“, die Kundry nach Wagners Bühnenanweisung „ausführt, die er [i. e. Parsifal] mit dem Folgenden307 bezeichnet“ sogar eine gewisse textliche Nähe zu den ‚Sitrei Torah‘ – von einem regelrechten Zitat zu sprechen wäre allerdings übertrieben. In den ‚Sitrei Torah‘ heißt es an entsprechender Stelle über Lilith: She adorns herself with many ornaments like a despicable harlot, and takes up her position at the crossroads to seduce the sons of man. When a fool approaches her, she grabs him, kisses him, and pours him wine of dregs of viper’s gall. As soon as he drinks it, he goes astray after her. When she sees that he has gone astray after her from the path of truth, she divests herself of all ornaments which she put on for that fool. Her ornaments for the seduction of the sons of man are: her hair is long and red like the rose, her cheeks are white and red, from her ears hang six ornaments, Egyptian cords and all ornaments of the Land of the East hang from her nape. Her mouth is set like a narrow door, comely in its decor; her tongue is sharp like a sword, her words are smooth like oil, her lips red like a rose and sweetened by all the sweetness of the world. She is dressed in scarlet, and adorned with forty ornaments less one. Yon fool goes astray her and drinks from the cup of wine and commits with her fornications and strays after her. What does she thereupon do? She leaves him asleep on the couch, flies up to heaven, denounces him, takes her 304 In der englischen Übersetzung der ‚Pritzker Edition‘ von Joel Hecker, Bd. 11, S. 289–325, d. h. als eigener Text und abgelöst von dem Haupttext von [147b–149a]. Die Passage zu Jacob und Lilith S. 314–317. Ich zitiere nach Patai, Hebrew Goddess, S. 233f, wo der Text leichter zugänglich ist, aber auch des kommentierenden Charakters beraubt. Die Pritzker Edition wurde kontiniuierlich verglichen. 305 Patai, Hebrew Goddess S. 13. 306 Trattner, Liliths Kinder S. 34f untersucht die Rezpetion in der englischen Literatur des frühen 19. Jahrhunderts, die wohl kaum immer auf den aramäischen Orginaltext zurückgriff, sondern auf wie auch immer geartete Bearbeitungen oder Vermittlungen. 307 Wagner SuD 10, S. 359f: „Ja! Diese Stimme! So rief sie ihm; – / und diesen Blick, – deutlich erkenn’ ich ihn, – / auch diesen, der ihm so friedlos lachte. / Die Lippe – ja – so zuckte sie ihm: – / so neigte sich der Nacken, -/ so hob sich kühn das Haupt; – / so flatterten lachend die Locken, / so schlang um den Hals sich der Arm – / so schmeichelte weich die Wange – ! / Mit aller Schmerzen Qual im Bund / das Heil der Seele / entküßte ihm der Mund! -“

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leave, and descends. That fool awakens and deems he can make sport with her as before, but she removes her ornaments and turns into a menacing figure. She stands before him clothed in garments of flaming fire, inspiring terror and making body and soul tremble, full of frightening eyes, in her hand a drawn sword dripping bitter drops. And she kills that fool and casts him into Gehenna.308 […] Jacob went to her and came to her place … and saw all the ornaments of her house, but escaped from her, whereupon her male, Samael, attacked him and fought him but could not prevail upon him.309 Da aber vermutlich der Nachweis einer direkten Rezeption nicht gelingen wird, müssen wir eine andere Vermittlung annehmen, die jedoch dunkel bleibt.

Bibellektüre Das Bild des Erlösers im ‚Parsifal‘310 ist konsequent auf den leidenden Gottesknecht zugeschnitten, den Jesaja zeichnete311, und damit ‚jüdischer‘ als Wagner sich je hätte eingestehen können und von allen Elementen eines historischen Jesus von Nazareth gesäubert312. Seine eigene Gottessicht formulierte Wagner – durchaus mit dem Vokabular des 1877 publizierten ‚Parsifal‘-Librettos – in einem an Hans von Wolzogen gerichteten Schreiben aus Neapel vom Januar 1880: Fast fürchte ich, es möge uns schwer werden mit unsren Freunden und Gönnern zu einem Einverständniß darüber zu gelangen, was uns für alle Zukunft der wahrhaft erkannte, von aller alexandrinisch-judaisch-römisch 308 Zohar I 248a-b Sitrei Torah, zitiert nach Patai, Hebrew Goddess, S. 233f. Bei Eisenmenger, Entdecktes Judentum 2, S. 424–426 verkürzt sich das auf zwei Bemerkung: „Sie (die Lilis …) verlässet den Führer (das ist Ehemann) ihrer Jugend und fähret herab und huhret mit den Kindern der Menschen“ und auf S. 426: „Die Weisen der Sitten schreiben in ihren Büchern, dass die Teuffelin Lilis, welche ferne von uns sey, sich zu den Manns-Personen leget und die Gestalt machet als wann die Manns-Person mit einer Frauen oder Jungfrauen zu thun hätte.“ 309 Patai, Hebrew Goddess, S. 234 nach Zohar I 248b Sitrei Torah. 310 Vgl. hierzu zusammenfassend Schild, Wagner recht betrachtet S. 444: „Der Heiland kann – als sündenlos-göttlich – überhaupt nicht leiden, sondern nur mitleiden! Deshalb ist einerseits die Klage über Amfortas konsequent: so wird nach dem Glauben der Christen auch am Jüngsten Tage der Weltenrichter über die Sündenschuld der Menschen klagen und anklagend auf seine Wunden weisen!“ 311 Vgl. Jes 53,4 f: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ 312 Steinacker, Erlösung S. 123f.

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despotischen Verunstaltung gereinigte und erlöste, unvergleichlich erhaben einfache Erlöser in der historisch erfaßbaren Gestalt des Jesus von Nazareth bedeutet und ist. Dennoch, indem wir Kirche, Christentum, ja die ganze Erscheinung des Christentum’s in der Geschichte schonungslos daran geben, sollen unsere Freunde immer wissen, daß dieß jenes Christus’ willen geschieht, den wir in seiner vollen Reinheit, seiner absoluten Unvergleichlichkeit und Kenntlichkeit wegen, uns erhalten wollen, um – wie vielleicht die sonstigen erhabensten Produkte des menschlichen Kunst- und WissensGeistes – ihn mit hinüberzutragen in jene furchtbaren Zeiten, welche dem nothwendigen Untergange alles jetzt Bestehenden folgen dürften.313 Verglichen mit seinen früheren Positionen vollzieht sich in den Entwürfen zum Libretto des ‚Parsifal‘ und dann in diesem selbst eine Hinwendung zu dem, „was er früher höhnisch verurteilt hatte: die vermeintliche Weltablehnung des Christentums“.314 Aber trotz der beschworenen Christlichkeit und der unverkennbaren Hinwendung zur Religiosität315, die zumindest Nietzsche entsetzte, handelt es sich um ein gewalttätig verändertes Christentum. Auferstehung316 oder Weltgericht kommen in der verdüsterten und säkularisierten Apokalyptik nicht vor oder sind in die Heilsgeschichte projiziert: „Der Leib, den er zur Sühn’ uns bot,/ er lebt in uns durch seinen Tod“ bzw. „O Strafe, Strafe ohnegleichen/ des – ach! – gekränkten Gnadenreichen!“ In gewisser Weise ist auch auf eine Personalisierung verzichtet; es ist vom Heiland („des Heilands Klage da vernehm’ ich“), meist jedoch vom „Erlöser“ oder „Erlösungshelden“ die Rede, einmal heißt er „der Göttliche“ (… „weint ob der Menschheit Schmach“), selten direkt „Gott“ („durch Gottes Liebesopfer rein und heil“ bzw. „so rief die Gottesklage furchtbar laut mir in die Seele“), schließlich noch „der Herr des Grales“ – was freilich, wie schon der Königsberger Prediger Johannes Hermann Wallfisch 1905 feststellte, mit einem auf die Bibel bezogenen Christentum nichts mehr zu tun hat.317 Amfortas nennt ihn „All-

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Wagner-BW Künstler, S. 386f. Steinacker, Erlösung S. 109. Steinacker, Erlösung S. 110–113. Bemerkenswert die Notiz, die Wagner in Tribschen am 16.9.1867 nach dem Aufbruch Cosimas nach München verfaßte: „Wie der Lebenskreis sich immer enger zieht: alles Blut nach dem Herzen. In Liebe zu sterben. Die Glieder erbleichen. Das Leben fällt von mir ab. – Was Liebe ist kann ein Mann nur in meinem Alter erfahren: das Grab des Lebens. – So lange noch lebt mir die Welt, als das Hirn dem Herzen gehorcht. Wie müde bin ich! – Christus nach dem Tode noch 40 Tage auf der Erde wandelnd, – den Seinen dann u. wann erscheinend, traut zu ihnen sich gesellend. Der rührendste Zug in der Gründung einer Religion.“ (Wagner-Tagebuch, S. 107) 317 Wallfisch, Bibel-Christentum S. 9: „Was sollen wir Kinder der Reformation, die Bibel in der Hand, mit dem Gral anfangen -?! Dies legendarische, ‚heilige‘ Schale ist bestenfalls die Schale eines schalen, kernlosen Christentums: Und ebenso ist es mit dem legendarischen ‚heiligen‘ Speer. Dieser Kultus, selbst wenn es sich um echte Reliquien handelte, ist uns Bibelchristen fern und fremd.“ Ebd. S. 14 „Und die christlichen Momente darin – Abendmahl, Erlöser, Blut Christi, Glauben Erlösung …?

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erbarmer“. Einen personalen Namen hat dieser Gott nicht. Dass es sich dennoch um eine Adaptation Jesu handelt, ergibt sich aus den zahlreichen Anspielungen auf die Passionsgeschichte: der Kelch des letzten Liebesmahles und die (modifizierten) Einsetzungsworte der Eucharistie318, die Speerwunde und schließlich im ‚Karfreitagszauber‘ der einzige Hinweis auf eine Kreuzigung.319 Die Passionsgeschichte ist auf das letzte Liebesmahl und die „blut’gen Tränen“, die aus der am Kreuz gestochenen Wunde fließen, reduziert.320 Diese Wunde lokalisierte Wagner entgegen dem Johannes-Evangelium (Joh 19,33–37)321 nicht in der Herzgegend: notierte er doch über den Gral, es werde darin das Blut aufbewahrt, welches durch die Lanzenspitze „dem Schenkel“ des Heilands entfloss.322 Das mag zum einen eine Freud’sche Fehlleistung gewesen sein, zum anderen stellte es eine Verbindung her, die Wagner für seine Adaptation des leidenden ‚Fischer-Königs‘ der mittelalterlichen Gralromane benötigte: eine Verbindung zu Telephos von Teuthranien, der der Tragödie des Euripides nach von Achilleus am Schenkel (d. h. den Genitalien) verwundet wurde und nur durch Rost von dessen Lanze geheilt werden konnte.323 Andere Elemente des Leidens und Sterbens Christi sind ganz ausgeblendet: kein Verrat, kein Prozeß, keine Geißelung, keine Dornenkrone, kein Gang nach Golgatha, keine Nägel, keine Mutter unter dem Kreuz, keine Grablegung. Auferstehung und Himmelfahrt werden nicht angesprochen, aber da Amfortas vom toten Titurel annimmt, daß dieser jetzt im göttlichen Glanz den Erlöser selbst erschaut, sind sie stillschweigend vorausgesetzt.

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Diese täuschen mich nicht. In diesem Missbrauch biblischer Heiligtümer – darin liegt eine wirkliche Entweihung, nämlich die der Kirche und des Evangeliums!“ In ‚Religion und Kunst‘: „sein eigenes Fleisch und Blut gab er, als letztes höchstes Sühnungsopfer für alles sündhaft vergossene Blut und geschlachtete Fleisch dahin, und reichte dafür seinen Jüngern Wein und Brot zum täglichen Mahle: – ‚solches allein genießet zu meinem Angedenken.‘ Dieses das einzige Heilamt des christlichen Glaubens: mit seiner Pflege ist alle Lehre des Erlösers ausgeübt.“ (Wagner, SuD 10, S. 230) Parallel hierzu in ‚Religion und Kunst‘: „Hiermit war dann auch die Gestalt des Göttlichen in anthropomorphistischer Weise von selbst gegeben: es war der zu qualvollem Leiden am Kreuze ausgespannte Leib des höchsten Inbegriffes aller mitleidvollen Liebe selbst. Ein unwiderstehlich zu wiederum höchstem Mitleiden, zur Anbetung des Leidens und zur Nachahmung durch Brechung alles selbstsüchtigen Willens hinreißendes – Symbol? – nein: Bild, wirkliches Abbild. In ihm und seiner Wirkung auf das menschliche Gemüth liegt der ganze Zauber, durch welchen die Kirche sich zunächst die griechisch-römische Welt zu eigen machte.“ (Wagner, SuD 10, S. 215) Kritisch hierzu Steinacker, Erlösung S. 115. Zur Deutung der Stelle für die mittelalterliche Gnosis und die Gralsvorstellungen vgl. Burdach, Gral S. 2–17. ‚Braunes Buch‘ zum 2.9.1865 (Wagner-Tagebuch S. 75). Vgl. Wagner, SuD 10, S. 358: „Die Wunde! – / Sie brennt in meinem Herzen.“ – Allgemein zur Stelle vgl. Steward, Theft S. 618. Vgl. Overbeck, Bildwerke S. 298f, zur Heilung ebd. S. 304–308; die zu Wagners Lebzeiten bekannten Fragmente des Euripides gibt Vogel, Scenen S. 88–96.

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Noch deutlicher wird die Dreifaltigkeit324 reduziert, wenn auch nicht aufgehoben. Ein ‚Vater‘ des Erlösers kommt allerdings nicht vor325, dementsprechend auch kein Weltschöpfer.326 Die Taube ist primär des „Heilands holder Bote“. Der Hin­weis darauf, dass „sel’ger Tröstung Liebesgeist“ die Wandlung von Blut und Leib in Wein und Brot vornimmt, enthält allerdings einen Bezug zum Pfingsthymnus ‚Veni creator spiritus‘ (und so erscheint die Taube im Schlußtableau des dritten Aufzuges). Im Vergleich zu den oft beschworenen Leiden des Erlösers sind jene des Titelhelden banal. Auch der aus Hochmut gestürzte Amfortas, so furchtbar sein Los herausgestellt wird, scheint zunächst wie eine Karikatur des Heilands. Wie Amfortas als Hüter des Grales das Liebesmahl vollziehen muss, so ist seine Wunde der seinen gleich, geschlagen von desselben Speeres Streich, der dort dem Erlöser die Wunde stach327 In die rituelle Erneuerung dieses Opferleidens wird er von seinem Vater Titurel getrieben, „dem einst die Engel sich neigten“, und den der leidende Sohn in der Vision des dritten Aufzuges „in göttlichem Glanz“ gleich nebem dem Erlöser selbst erschaut. Titurel ist also wie der zornige Vatergott, der seinen Sohn in den Opfertod sendet oder aber (gleichsam als Präfiguration des Leidens Christi) Abraham, der sich anschickt, seinen Sohn Isaak zu schlachten. Als dritte Person, deren gnostische Auffassung als weibliche Potenz der Dreieinigkeit Wagner aus Gfrörers Darstellung kannte328, kommt aufgrund des eingeschränkten Rollenplans nur Kundry infrage. Das mag irritieren, aber ihre gespaltene Position ist genau, was die Gnosis der heiligen Weisheit (Ἁγία Σοφία) zuweist: sie ist durch den Sündenfall zerrissen 324 „R. teilt mir immer viel aus dem Buche Gfrörer’s mit, welches ihn unendlich interessiert; z. B. unter andrem die Definition der Dreieinigkeit, welche kurz vor Christus’ Geburt aufgestellt worden war – Gott, der Vater, männlich; der h. Geist weiblich; der Heiland die Welt, daraus entstanden; Wille, Vorstellung und Welt, die Trennung der Geschlechter als Entstehung der Welt.“ (CosimaTagebücher 1, S. 886 zum 6.1.1875). 325 Vgl. in ‚Religion und Kunst‘ (Wagner, SuD 10, S. 216, zitiert Anm. II 377), ausführlicher in einer späten, von Wagner unter dem Titel ‚Metaphysik, Kunst und Relgion, Moral, Christentum‘ veröffentlichten Aphorismensammlung: „Unter Gott sucht sich der Mensch genau genommen das Wesen vorzustellen, welches den Leiden des Daseins (der Welt) nicht unterworfen ist, somit über der Welt steht – dieß ist nun Jesus (Buddha), der die Welt überwindet. – Der Welten-Schöpfer ist nie wahrhaft geläufig gewesen und geglaubt worden.“ (Wagner, SuD 12, S. 338). Hier greift Wagner spätantike gnostische bzw. marcionitische Positionen auf, in denen der Gott der Genesis (der ‚Demiurg‘) zum Verursacher allen Weltübels wird. Noch krasser äußert er sich mündlich: „Die Esel, die nicht an Gott glauben und die denken, daß eine solche Erscheinung wie die Jesu von N. und des großen schaffenden Genius auf dem gewöhnlichen natürlichen Prozeß vor sich geht! Die nicht fühlen, daß da ein besondrer Drang waltet, eine erhabene Not, welche immer doch zum Guten führt. Man muß nur nicht an den alten Juden-Gott dabei denken“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 114 zum 11.6.1878, während der Kompostion des zweiten Aufzuges.) 326 Vgl. Anm. I 39. 327 Wagner SuD 10, S. 342. 328 Vgl. oben Anm. 324.

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und teils bei Gott in einem Glanz- und Lichtmeer (πλήρωμα), teils in der Materie (ὕλη) zerstreut. Aufgabe des Erlösers und seiner Jünger ist die Auslösung der verstreuten göttlichen Sophia aus der Materie und ihre Rückführung zu Gott. Dies ist durch Askese329 zu erreichen: Aus der verführerischen Kundry inmitten der ‚Blumenmädchen‘330 wird die dienende Kundry auf der Karfreitagsaue und aus der dahinschwindenden Büßerin die herabsteigende Taube des Schlusstableaus. Wagner kannte das gesangliche Sujet der Auflehnung des Sohnes gegen den Vater sicherlich aus Beethovens Oratorium ‚Christus am Ölberg‘.331 Es wurde zu den dramatischen Höhepunkten des ‚Bühnenweihfestspiels‘: „Erbarmen! Erbarmen! Du Allerbarmer, ach Erbarmen!“ Auf dem tiefsten Punkt seiner Demütigung muss Amfortas den „Herrn des Grales“ so anflehen, nachdem Titurel als der leibliche Vater kategorisch jedes Erbarmen verweigert hat und ihn auf den mitleidigen Tor vertröstete: „Du büß‘ im Dienste deine Schuld.“ Grundlage für dieses sehr spezifische ‚Christentum‘ war das ‚Leben Jesu‘332 von Ernest Renan (1823–1892), dessen Werke Wagner kontinuierlich ab August 1870 studierte, weil sie ihm über David Friedrich Strauß hinaus einen Zugang zu den Evangelien zu eröffnen schienen.333 Hier war es ausnahmsweise nicht Cosima, sondern Glasenapp, der Wagners Monolog nach einer abendlichen gemeinsamen Lektüre Renans festhielt: Immer über gewisse Wendungen, Ausdrücke und Auffassungen des modernen Pariser Gelehrten lächelnd, fand er doch andererseits, daß der Autor den Begriff des ‚Gott-Vater‘ gut entwickelt334 und die, ‚unification‘ Jesu mit 329 Vgl. die differenzierte Analyse bei Strecker, Verlagsgefährte S. 314–319. 330 Bemerkenswert, wie Pierre Boulez, Chemins S. 3 diese Frauengestalten de-sexualisiert: „Les Fillesfleurs, ces tentations dans le jardin, nous apparaissent ègalement comme des personnifications un peu simples, et unilatérales, de la faute métaphisique, du péché contre Dieu, la seule chasteté ne pouvant prétendre à ce rôle unique dans la rupture avec le sacré.“ 331 Beethoven, Opus 85 (1803, rev. 1804), der Text stammt von Franz Xaver Huber (1755–1814). Wagner leitete schon 1846 eine Aufführung des Oratoriums, vgl. den Brief an Johann Schneider vom 22. Januar 1846 (Wagner-B FreundeZeitgenossen, S. 62). In der Erläuterung zum ‚Parsifal‘-Vorspiel wird der Ölberg auch direkt angesprochen: „Da noch einmal aus Schauern der Einsamkeit erbebt die Klage des liebenden Mitleides: das Bangen, der heilige Angstschweiß des Ölberges, das göttliche Schmerzensleiden des Golgatha – der Leib erbleicht, das Blut entfließt und glüht nun mit himmlischer Segensgluth im Kelche auf “ (Wagner, SuD 12, S. 347). Motive in der ersten Christus-Arie bei Beethoven nehmen die Ausbrüche des Amfortas im ersten und dritten Aufzug voweg: „O Vater! tief gebeugt und kläglich / fleht dein Sohn hinauf zu dir! / Deiner Macht ist alles möglich, / nimm den Leidenskelch von mir!“ 332 ‚Vie de Jésus‘ ist der erste Band von Ernest Renan: Histoire des origines de christianisme, 7 Bde, 1863–1883. 333 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 522 zum 17.4.1880: „nachher liest R. mir aus Renan: ‚Vie de Jésus‘ vor, das Kapitel XVII (?) ‚De l’établissement définitif de la doctrine sur l’avénement du royaume de Dieu‘, welches uns beiden einen wahrhaft großen Eindruck macht. R. sagt: ‚Er liebt Jesus, während Strauß es nicht tut.‘ “ 334 Vgl. hierzu Cosima-Tagebücher 2, S. 114 zum 10.6.1878, wo der Zusammenhang der Renan-Lektüre mit der Komposition des ‚Parsifal‘ deutlich wird: „Wir wandern im Garten; R. erzählt mir

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Gott schön dargestellt habe.335 „Die Esel“, rief er einmal in seiner drastischen Weise, „die nicht an Gott glauben und der Meinung sind, daß eine Erscheinung, wie die Jesu, und wiederum die des schaffenden Genius, nach dem gewöhnlichen natürlichen Prozeß vor sich gehe! die nicht fühlen, daß da ein besonderer Drang waltet, eine erhabene Not, welche doch immer zum Guten führt! Man muß nur nicht an den alten Judengott dabei denken! Das könnte der Erfolg unserer heutigen Kritik sein, uns Jesus ganz rein wiederzugeben, denn von wie vielem muß man auch in den Evangelien abstrahieren. Ich muß gestehen, daß Renan der erste ist, der in etwas der Hauptsache, dem eigentlichen Kernpunkt sich nähert, aber auch er hat den ‚Gott‘ nicht erkannt. Ich muß“, fügte er dann halb ernst, halb scherzend hinzu, „ich muß durchaus einmal meine ‚Theologie‘ schreiben.“336 Allerdings verband er diese moderne Sicht mit einem sehr altertümlichen Text, nämlich der Fassung der Luther-Bibel in Johann Muthmanns ‚evangelischer Deutschen Original-Bibel‘ von 1774, die Wagner in ‚Wahnfried‘ zur Verfügung stand.337 Hierzu bemerkt Cosima: R. immer zufrieden mit der Lektüre des ‚Paulus‘ von Renan, sagt mir am Morgen, er habe aber immer das Bedürfnis, in der Übersetzung von Luther nachzusehen; wer noch ein Deutscher sei, dem sei die Sprache darin so traut, lieber als im Griechischen sähe er in diesem Luther’schen Text nach.338 Wie immer, wenn Wagner einen Sündenbock suchte, war es das Judentum, das dafür herhalten musste. Die jüdischen Anteile des aktuellen Christentums waren die Verfälschung, das ‚echte‘, ‚wahre‘ (und damit auch: ‚deutsche‘) Christentum hatte damit nichts gemein. Die Spuren dieses echten Christentums konnte man noch da finden, wo das falsche Christentum verdammte – also in den Ketzern. Der Maßstab für die Echtheit war leicht zu gewinnen: die Ablehnung des Jüdischen, kurz:

von dem ‚Leben Jesu‘ von Renan, welches ihm nicht mißfällt, er findet u. a., daß er den Begriff des Gott-Vater sehr schön dargestellt hat. – Dann zweiter Akt bis zum Kuß! Die Schönheit einzelner Themen erkennt man nur ganz bei öfterem Anhören, bei den ersten Malen ist man zu erschüttert, die künstlerische Freude wird einem, und zwar wachsend, nachher.“ 335 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 115 zum 11.6.1878: „Dann liest er mir die schönen Seiten (von p. 73 an) in Renan über die Unifikation von Jesus mit Gott. Bei R. arbeitet dieses Thema weiter, diesen Gott, der in uns wohnt, nennt er ‚das angeborene Gegengift gegen den Willen‘ “ [Anmerkung am Rand:] „der gar nicht der Faustische Gott ist, der nach außen nichts bewegen kann, denn mit unserem Gott verschreibt man sich nicht dem Teufel.“ 336 Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 123, verkürzt auch Cosima-Tagebücher 2, S. 230 zum 15.11.1878. 337 Zwei Bände, Züllichau 1741; der Luther’schen Übersetzung ist jeweils der hebräische bzw. griechische Originalwortlaut gegenübergestellt. ‚Wahnfried‘-Signatur: III-b-4. 25(1–2). Die ‚Luther-Bibel‘ wird hier nach dieser Ausgabe zitiert, allerdings mit modernisierter Orthographie. 338 Cosima-Tagebücher 2, S. 94 zum 16.5.1878.

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des Alten Testamentes. Und so konnte Wagner, falls er es nicht ohnehin wusste, bei Schopenhauer nachlesen, dass die christlichen Häretiker dem Buddhismus (und damit der vermeintlichen Ur-Religion) näherstanden als die Amtskirchen.339 Die Lektüre von Sismondi340, die ich jetzt mit den Mädchen vornehme, bringt das Gespräch vor dem Abendbrot, wie R. eben mit seiner 2. PartiturSeite fertig ist, auf die Frage der Ketzer und ihrer so tiefen Ansichten, den unserigen so sich nähernden: „Ich glaube“, sagt R., „mit dem bewußten Leiden sind wir der Sache nahegekommen.“341 Römerbrief Das Vorspiel zum ersten Akt gibt nach Wagners eigener Erläuterung die paulinischen Kardinaltugenden nach 1 Kor 13,13 wieder, wobei ihre Reihenfolge umgekehrt wird.342 Mit diesem Brief hat Wagner sich nachweislich beschäftigt343, aber mehr noch mit dem Paulusbrief an die Römer. Der „feierliche Morgenweckruf der Posaunen“ , mit dem der erste Akt eröffnet wird, ist zwar zunächst einmal eine biographische Reminiszenz an Wagners Aufenthalt in Hohenschwangau 1865344, zum anderen aber das traditionelle Predigtthema zum ersten Adventssonntag345:

339 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung IV,41 und besonders IV,48, wo unter Berufung auf das Ketzertum die Ablehnung des Alten Testaments zugunsten des „weltverneinenden“ Neuen Testaments als verbürgte Wahrheit dargestellt ist. Zu biblischen Quellen vgl. Flink, Seelenwanderungslehre, S. 51–56. 340 Simonde de Sismondi: Histoire des républiques italiennes du moyen âge, 12 Bde, 4Bruxelles 1826, ‚Wahnfried‘-Bibliothek, IV-a-4.4(1–12). 341 Cosima-Tagebücher 2, S. 826 zum 14.11.1881. Man beachte, wie Cosima von „den unsrigen Ansichten“ ausgeht und daran die Ketzer-Tradition mißt, während Wagner umgekehrt für sich feststellt, man sei „der Sache nahegekommen“ (also dem Denken der Ketzer). Cosima wähnt sich im Besitz der Wahrheit, Wagner möchte etwas rekonstruieren. 342 „Liebe – Glaube: – Hoffen?“, Wagner, SuD 12, S. 347 gegen 1 Kor 13,13: „Glaube, Hoffnung, Liebe“. Gutman, Wagner S. 456 will darin Wagners Hybris erkennen, allerdings heißt es auch schon in Beethovens ‚Ölberg‘-Oratorium: „O Heil euch, ihr Erlösten, / euch winket Seligkeit, / wenn ihr getreu in Liebe, / in Glaub’ und Hoffnung seid.“ 343 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 94 zum 15.5.1878: „ ‚Paulus‘ von Renan erfreut ihn, und er liest mir in der Luther’schen Übersetzung die erste Epistel an die Corinther mit seinen herrlichen Akzenten vor. Selig vergeht der Abend; jede Verstimmung, welche die Welt bringt, kommt zum Schweigen, der Wahn ist in Frieden, und in Liebe schließen wir den Tag.“ 344 „Am Sonntag, dem 12. November, ließ Wagner den König durch eine Morgenmusik wecken, zu der eine Abteilung von zehn Bläsern auf den Türmen von Hohenschwangau postiert worden war; sie stimmten Punkt sieben Uhr den Weckruf aus dem zweiten Akt Lohengrin an“ (Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 554). 345 Hierauf wies erstmals hin Edmund von Hagen, Morgenweckruf, S. 28. Die Schrift versteht sich und den Weckruf als einen „Ruf zur Freiheit, und zwar ein Ruf zur vollen Selbstständigkeit und Selbstherrlichkeit des Geistes […] Füwahr, die Zeit ist da, aus dem Schlafe zu erwachen und stets wach zu bleiben“ (S. 3). Grundlage dieser programmatischen Schrift ist die Philosophie Eduard von Hartmanns, der Wagner allerdings nicht nahestand.

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Und weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf; sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wirs glaubten (Röm 13,11) Wagner kannte die Stelle wo nicht schon aus dem Gottesdienst, so sicher aus den Vertonungen von Bach oder Mendelssohn346 zum Advents-Choral von Philipp Nicolai (1556–1608) ‚Wacht auf! Ruft uns die Stimme‘.347 Nach einer Wolfram-Lesung mit Cosima sagt Wagner am 2.10.1875: „wir müssen den Morgen wahrnehmen, der Tag bringt doch nur Nöte, und wirklich häufen sich die Sorgen.“348 Eine erläuternde Vorlage für diese Szene konnte Wagner in einem von Hoffmann von Fallers­ leben edierten Band mit deutschsprachigen mittelalterlichen Predigten ‚in adventu Domini‘ finden: Hora est iam nos de somno surgere. Disiv wort, min uil lieben, sprichet S. Paulus, der sueze lerære unde ein lichtuaz der cristenheit. Er sprichet also: sin ist cît, daz wir uf stên uon dem slafe, unde redet reht als ein man, der die naht geslafen hat mit sin werchlivten, der wechet si unde heizet si uf sten, so er den tach sichte349 Der Morgenweckruf taucht erst im ‚Zweiten Prosaentwurf‘ von 1877 auf.350 Die ausgeführte Szene ist der zitierten Predigt nahe genug, um eine Abhängigkeit anzunehmen: Im mittelalterlichen Text ist es Paulus, der als Handwerker seine Arbeiter weckt, um mit ihnen zu beten, zur Arbeit anzuleiten und sie zu unterweisen. Im Gralsgebiet ist es Gurnemanz, der die Knappen weckt, um mit ihnen zu beten, sie zum Dienst am kranken König anzuleiten und sie zu unterweisen. Die Prophezeiung, die der Gral an Amfortas richtet, ist ebenfalls durch den ‚Römerbrief ‘ inspiriert:

346 Die Bedeutung von Mendelssohns ‚Paulus‘-Oratorium für den ‚Parsifal‘ sollte man hoch einschätzen, formulierte doch Wagner in einer Besprechung einer Aufführung von 1843 faktisch schon die kunst-theologische Konzeption, die er dem ‚Parsifal‘ zugrunde legte: „Zu bedauern ist es einzig, daß ein solches Oratorium nicht völlig unserem protestantischen Kirchencultus einverleibt werden kann, weil dadurch erst seine wahre Bedeutung in aller Gläubigen Herzen übergehen würde, während ohne diese Grundlage und zumal im Konzertsaale es uns mehr oder weniger nur als ein Kunstwerk ernster Gattung entgegentritt und seine eigentliche religiöse Wirksamkeit bei weitem nicht so hervortreten kann, wie dieß unter den Verhältnissen der Fall sein würde, unter denen Seb. Bach seine Oratorien der Gemeinde vorführte.“ (Wagner, SuD 12, S. 148). 347 BWV 645 bzw. in Mendelssohns ‚Paulus‘ der Choral Nr. 16. Dieser geht aber gerade nicht auf Rm 13,11 zurück, sondern auf die verwandten Stellen Is 52,8 Mt 25,1–13 zusammen mit I Thess 5,6–8, die ihrerseits für den Eingang des ‚Parsifal‘ keine Bedeutung haben. 348 Cosima-Tagebücher 1, S. 939. Ähnlich Wotan am Ende des ‚Rheingolds‘. 349 Hoffmann von Fallersleben, Fundgruben, S. 110 Nr. 22. Der Band war in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek allerdings nicht enthalten. 350 Vgl. RWSW 30, S.77.

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Denn wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man siehet, ist nicht Hoffnung: denn wie kann man des hoffen, das man siehet? So wir aber des hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld. (Röm 8,24–25) Auch Gurnemanz kennt das Sendschreiben an die Römer, wenn er zu Kundry sagt „Das Böse bannt, wer’s mit Gutem vergillt“: Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem (Röm 12,21)351 Insofern verwundert es wohl nicht, daß auch das ‚Mitleiden‘ unabhängig von jeder buddhistischen Beeinflussung im ‚Römerbrief ‘ verankert ist: Derselbe Geist gibt Zeugnis unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. (Röm 8,16–17) Auch im ‚Karfreitagszauber‘ greift Gurnemanz auf den ‚Römerbrief ‘ zurück, was bereits von Glasenapp bemerkt wurde.352 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit, ohn ihren Willen: sondern um des willen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur frei werden wird von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Kreatur sehnet sich mit uns, und ängstet sich noch immerdar.353 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft und warten auf unsers Leibes Erlösung. (Röm 8,19–23) Das 19. Jahrhundert entwarf ein eigenes Paulus-Bild, in dem der ‚Römerbrief ‘ eine besondere Rolle spielte.354 Wagner hatte die dreibändige ‚Histoire des origines du Christianisme‘ von Ernest Renan in seine Bibliothek eingestellt355, deren dritter Band Paulus gewidmet ist, ebenso wie die gegen David Strauss und Lagarde gerichtete Kritik des Nietzsche-Freundes Overbeck.356 Dieser hielt die „asketische Lebensbetrachtung“ für ein wesentliches Merkmal des Christentums und stellt fest, dass

351 Parallelen zu Buddha weist Leopold von Schroeder, Buddhismus und Christentum S. 14 auf. 352 Glasenapp, Leben Richard Wagners 6, S. 254. 353 Dieser Satz zitiert von Geck, Wagner S. 255 mit Bezug auf Tristan. 354 Vgl. hierzu Havemann, Apostel der Rache, S. 71–88. 355 Wahnfried-Signatur I-c-2.16. Zum Werk Havemann, Apostel der Rache S. 75 f. 356 Overbeck, Ueber die Christlichkeit (Wahnfried-Signatur I-c-2.12).

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der weltverneinende Charakter dem Christenthum jedenfalls schon seit dem apostolischen Zeitalter eignet und z. B. in der schärfsten Form bei dem vom Lichte der Geschichte am hellsten beleuchteten Apostel, Paulus, vorliegt357 Das ergibt sich wiederum aus dem ‚Römerbrief ‘: Aber fleischlich gesinnet sein, ist der Tod: und geistlich gesinnet sein, ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott: sintemal es dem Gesetz Gottes nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht. Die aber fleischlich sind, mögen Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich (Röm 8,6–9) Edmund von Hagen hat Kundrys Schlaf mit dem Morgenweckruf, dem Traumgesicht des betenden Amfortas und Titurels Auferweckung im Schlussbild in Verbindung gebracht und spricht von einem „die ganze ‚Parsifal‘-Dichtung durchziehenden Wechselspiele von Schlafen und Wachen“.358 Gnosis Die Änderungen, die Wagner gegenüber Wolfram von Eschenbach vornahm, müssen durch den religionsgeschichtlichen Diskurs des 19.  Jahrhunderts kontex­ tua­li­siert werden, den Ferdinand Christian Baur (1792–1860) und die von ihm begründete (evangelische) ‚Tübinger Schule‘ ausgelöst hatte. Diese bildete keine einheitliche Gruppe. Schon ihre namhaftesten Vertreter, die weit in die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der Zeit hineinwirkten, opponierten gegeneinander: Ludwig Feuerbach (1804–1872) und David Friedrich Strauß (1808–1874), deren Hauptwerke der junge Wagner mit Eifer gelesen hatte.359 Andere traten gegen die Popularisierung der Religionskritik namentlich bei Strauß auf und wirkten im engeren Bereich des Glaubens und der Bibelforschung wie der Stuttgarter, später Freiburger, Gelehrte August Friedrich Gfrörer (1803–1861), der die Erstauflage seiner ‚Kritischen Geschichte des Urchristenthums‘ von 1831 „als Zeichen der Hochachtung“ Baur widmete, sowie als jüngerer Vertreter Franz Overbeck (1837–1905)360, Nietzsche Freund und Basler Professorenkollege, der mit

357 Overbeck, Ueber die Christlichkeit S. 50. 358 Von Hagen, Morgenweckruf S. 23f. Daran ist gegen Borchmeyer in Hübner/Borchmeyer, Briefwechsel S. 218 auch für Kundrys Existenz vor der Gralsbotin festzuhalten, da sie selber sagt: „Kenntest du den Fluch, / der mich durch Schlaf und Wachen, / durch Tod und Leben, / Pein und Lachen, / zu neuem Leiden neu gestählt, / endlos durch das Dasein quält!“ (Wagner, SuD 10, S. 360) 359 Mayer, geistige Entwicklung S. 18 f.; Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 205 und S. 292; Drüner, Wagner S. 206. 360 Hubert Cancik, Overbeck, Franz Camill, in: Neue Deutsche Biographie (NDB) 19, Berlin 1999, S. 724 f. Hermann-Peter Eberlein, Flamme bin ich sicherlich! Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und ihre Freunde, Köln 1999.

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Richard und vor allem Cosima Wagner in Briefkontakt stand, sie gelegentlich besuchte und ihnen auch seine Schriften zusandte.361 So sehr aber die Vertreter der ‚Tübinger Schule‘ von einander differierten und sich sogar bekämpften, so war ihnen die Beschäftigung mit den frühen Häretikern und den Widersprüchen der Evangelien untereinander gemeinsam, beginnend mit Abtrennung der Frühchristen vom Judentum und der Wiederentdeckung des spätantiken Häretikers Marcions362 und weiterer gnostischer Lehren, was bei Hans von Wolzogen (1848–1938)363 in rassistischer Popularisierung in das Postulat eines von hebräischen Einflüssen zu reinigenden ‚arischen‘ oder ‚deutschen‘ Christentums mündete364 – Wolzogen blieb bis zu seinem Tod (1938) ein Verfechter dieser ‚deutschen‘ Religion.365 Der von Overbeck erkannte Bruch zwischen der Institution Urkirche und den frühchristlichen Gemeinden eröffnete für spirituelle Schwarmgeister wie Richard Wagner die Möglichkeit, aus beliebigen Fragmenten ein ‚wahres‘ Christentum zu montieren, da die kanonischen Schriften des ‚Neuen Testaments‘ gleichermaßen durch jüdische wie frühkirchliche Elemente kontaminiert schienen und damit keinen Zugang zum Heil mehr boten. Zu den Quellen, die eine erneuerte Spiritualität liefern sollten, gehörten neben den wenigen zu diesem Zeitpunkt bekannten neutestamentlichen Apokryphen alle greifbaren fernöstliche Lehren und sonstigen esoterischen Texte. Wagner bereitet damit den Boden für das ‚arische‘ Christentum und die Ausweitung seiner kunsttheoretisch angelegten Aperçus über eine gegen Gobineaus Pessimismus entwickelte kulturelle ‚Regeneration‘366 zu einem antisemitischen Grundmodell, dessen Adepten den ‚Meister ‘ später wiederum als politisches Aushängeschild nutzten.367 Gerade mit seinem ‚Bühnenweihfestspiel‘ wollte Wagner einer bereinigten ‚christlichen‘ Religiosität zum Durchbruch verhelfen, die sich der alttestamentarischen Wurzeln des Christentums vollständig entledigt hatte.368

361 Cosima-Tagebücher 1, S. 415 (17.7.1871), 710 (28.7.1873) u. ö. – Am 4.1.1874 besucht Overbeck Richard und Cosima zum ersten Mal in Bayreuth (ebd. S. 775). 362 Baur, Gnosis (1835), Ritschl, Marcion (1846) und Volckmar, Marcion (1852). 363 Vgl. Schüler, Bayreuther Kreis S. 86–92; Franz, Religion des GralsS. 97–111, Müller, Bayreuther Kreis S. 141–178. 364 Wolzogen, Kunst und Kirche S. 49–55. 365 Vgl. Wolzogen, Deutscher Jesusglauben. 366 Steinacker, Erlösung S. 124f. 367 Vgl. Bermbach, Richard Wagner in Deutschland S. 67–178; Rohls, Wagner S. 81. 368 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 483 zu Wagners Lektüre von ‚Les églises‘ von Ernest Renan am 23.1.1880: „Nur die Erwähnung von Marcion interessiert ihn (daß er das Neue vom Alten Testament trennen wollte).“ Das Erstaunen in dieser Notiz geht auf Cosima; Wagner beschäftigte sich schon länger mit Marcion, wie der Tagebuch- Eintrag vom 3.7.1874 belegt: „R. sprach neulich von der Ketzerei der Marcioniten, welche darin bestand, ein Urwesen nicht ganz gut und nicht ganz böse anzunehmen; Bewunderung dieser sinnreichen Form der Erkenntnis.“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 832).

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Dieses Ziel formulierte er in einem Brief an Hans von Wolzogen vom Januar 1880.369 Die moderne Forschung versucht häufig, unter Verweis auf die darin eingeschlossenen ‚buddhistischen‘ Elemente die Oper aus der von den im ‚Bayreuther Kreis‘ versammelten Wagnerianer propagierten antisemitischen Verortung zu befreien.370 Das geht aber fehl. Die vor 1945 bekannten Reste gnostischer Überlieferung371 schienen diese Vorgehensweise zu rechtfertigten, zumal noch keine klare Trennung zwischen spätantiken gnostischen Systemen und dem Manichäertum etabliert war372, das als Bindeglied zwischen christlichen und indischen Vorstellungen (Wiedergeburt) und durch die ‚signacula‘ genannten ethischen Anforderungen an die ‚Auserwählten‘ oder ‚Reinen‘ für den ‚Parsifal‘ konstitutiv wurden373 und auch die eigentümliche Verbindung des Wagner’schen Karfreitagszaubers mit den Vorschriften für den jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur begründen374. Die christliche Dreifaltigkeit löste sich, wie das Libretto des ‚Parsifal‘ belegt, unter dem Einfluss jungdeutschen Denkens auf und näherte sich einer Art frommen Atheismus an.375 Ein ‚Vater‘ des bei Wagner meist namenlosen Heilands und Er-

369 Wagner BW Künstler S. 386f. 370 Vgl. das Schwerpunktheft ‚Wagner und der Buddhismus‘ der Zeitschrift wagnerspectrum 3,2 (2007) oder Buschinger, Mitleid. 371 Vor der Entdeckung der Bibliothek von Nag Hammadi im Jahr 1945 basierten die Kenntnisse zur Gnosis auf den Häresiologien der Kirchenväter und einigen wenigen gnostischen Originaltexten, vor allem eine unter dem Namen ‚Pistis Sophia‘ bekannte koptische Schrift, die 1851 erstmals ediert wurde aber erst 1905 auch in deutscher Übersetzung zugänglich wurde. 372 Zu Wagners Lebezeiten maßgeblich waren die Abhandlungen von Ferdinand Christian Baur und Gustav Flügel. Es ist kaum zu vermuten, dass Wagner diese Fachliteratur benutzte; für Mani stand ihm aber der darauf basierende Artikel in der von seinem Schwager redigierten und vertriebenen ‚Brockhaus‘-Encyclopädie zur Verfügung: Manichäer, in: 11Brockhaus 9 (1866), S. 800 f. 373 Vgl. 11Brockhaus 9 (1866), S. 810: „Die Auserwählten sollten drei Kennzeichen (ein ‚signaculum sinus‘, ‚oris‘ und ‚manus‘) haben, d. h. sich des Weins, des Fleisches sowie aller thierischen Nahrung, der Ehe, des Beischlafs, der Musik, des Besitzes irdischer Güter und jeder Üppigkeit, dabei aber auch des Kriegs, der Arbeit und jeder Beschädigung der Pflanzenwelt, ja selbst des Pflückens der Baumfrüchte enthalten, kein Thier, Ungeziefer ausgenommen, tödten und ihr Leben der frommen Betrachtung widmen. Mehr war den Zuhörern oder Unvollkommenen erlaubt …“ 374 „Auch soll euch das ein ewiges Recht sein: am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr euren Leib kasteien und kein Werk tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremder unter euch. Denn an diesem Tage geschieht eure Versöhnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn. […] Es soll aber solche Versöhnung tun ein Priester, den man geweiht und des Hand man gefüllt hat zum Priester an seines Vaters Statt; und er soll die leinenen Kleider antun, die heiligen Kleider, und soll also versöhnen das heiligste Heiligtum und die Hütte des Stifts und den Altar und die Priester und alles Volk der Gemeinde. Das soll euch ein ewiges Recht sein, dass ihr die Kinder Israel versöhnt von allen ihren Sünden.“ (Lev 16,29–34) 375 Vgl. Kienzle, Weltüberwindungswerk, S. 82–90.

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lösers376 kommt weder im ‚Parsifal‘ noch in den Spätschriften vor377, dementsprechend auch kein Weltenschöpfer.378 Mit dem Ausdruck „alexandrinisch-judaischrömisch“ nimmt Wagner direkten Bezug auf den ersten Band der ‚Geschichte des Urchristenthums‘ des Stuttgarter Gelehrten und Bibliothekars August Friedrich Gfrörer, die 1838 in zweiter Auflage erschien und 1875 im Vorfeld des ‚Parsifal‘Librettos von Wagner intensiv studiert wurde.379 In seinen kulturkritischen Spätschriften, die während der Komposition bzw. nach Vollendung des ‚Parsifal‘ entstanden, griff Wagner außerdem unter kritischer Betrachung der Schriften des Orientalisten Ernest Renan (1823–1892)380 weitere spätantike gnostische bzw. marcionitische Positionen auf, die den Schöpfergott der ‚Genesis‘ (den Demiurgen der Gnosis) zum Verursacher allen Weltübels erklären381, und vermengte sie mit Entlehnungen bei Schopenhauer.382 Dennoch gelang es Wagner offenbar nicht, aus diesen Quellen alleine ein gnostisches Erlösungsdrama zu erschaffen, denn wenn er auch die Erniedrigungen der weiblichen Gotteskraft Sophia zur Hure in der materiellen Welt und ihre Erlösung durch den ‚Menschensohn‘ in der Figur der Kundry 376 Vgl. Wagners Essay ‚Publikum und Popularität‘ (1878): „Noch besteht das Christenthum; seine ältesten kirchlichen Institutionen bestehen selbst mit einer Festigkeit, die manchen um die StaatsKultur Bemühten sogar desperat und feig macht. […] Die Wissenschaft macht den Gott-Schöpfer immer unmöglicher; der von Jesus uns geoffenbarte Gott ist uns aber von Beginn der Kirche an durch die Theologen aus einer erhabensten Ersichtlichkeit zu einem immer unverständlicheren Probleme gemacht worden. Dass der Gott unseres Heilandes uns aus dem Stammgotte Israel’s erklärt werden sollte, ist eine der schrecklichsten Verwirrungen der Weltgeschichte; sie hat sich zu allen Zeiten gerächt, und rächt sich heute durch den immer unumwundener sich aussprechenden Atheismus der gröbsten wie der feinsten Geister. Wir müssen es erleben, dass der Christengott in leere Kirchen verwiesen wird, während dem Jehova immer stolzere Tempel mitten unter uns erbaut werden.“ (Wagner SuD 10, S. 86.) 377 Vgl. Wagners Traktat ‚Religion und Kunst‘ (1880): „Jener Gott wurde durch die Kunst gerichtet: der Jehova im feurigen Busche, selbst auch der weißbärtige ehrwürdige Greis, welcher etwa als Vater segnend auf seinen Sohn aus den Wolken herabblickte, wollte, auch von meisterhaftester Künstlerhand dargestellt, der gläubigen Seele nicht viel sagen; während der leidende Gott am Kreuze, das ‚Haupt voll Blut und Wunden‘, selbst in der rohesten künstlerischen Wiedergebung, noch jeder Zeit uns mit schwärmerischer Regung erfüllt.“ (Wagner SuD 10, S. 216). 378 Vgl. Anm. I 39. 379 Vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 886 zum 6.1.1875: „R. teilt mir immer viel aus dem Buche Gfrörer’s mit, welches ihn unendlich interessiert; z. B. unter andrem die Definition der Dreieinigkeit, welche kurz vor Christus’ Geburt aufgestellt worden war – Gott, der Vater, männlich; der h. Geist weiblich; der Heiland die Welt, daraus entstanden; Wille, Vorstellung und Welt, die Trennung der Geschlechter als Entstehung der Welt.“ Vgl. auch Drüner, Wagner, S. 816. Er vermutet Anm. 847, „dass die Beschäftigung mit Theosophie und mit den religionshistorischen Werken Gfrörers auf die Zeichnung der Kundry auch hier Einfluss genommen hat“. 380 Wagner las die deutsche Übersetzung von 1870. 381 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 114 zum 11.6.1878, also während der Kompostion des zweiten Aufzuges des ‚Parsifal‘ (zitiert Anm. II 325). 382 Vgl. Rohls, Wagner S. 82: „Wagners Christentum ist ein Karfreitags- und Abendmahlschristentum. Es ist ein Christentum, dessen Mittelpunkt der Gedanke der Erlösung der Menschheit, und nicht nur der Menschheit, sondern der gesamten Natur durch das Mitleid ist. Es ist also tatsächlich Schopenhauer, der ihm das Christentum erschlossen hat.“

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Bibellektüre

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aufgriff, so fehlte in den gnostischen Quellen eine bühnentaugliche Umsetzung dieses heilsgeschichtlichen Dramas. Es war vermutlich, wie bereits vermerkt, die Figur der Lilith in Goethes ‚Faust‘, die Wagner auf die jüdische Folklore aufmerksam machte und ihm den Plot für den zweiten Akt des ‚Parsifal‘ lieferte. Herodias und Maria Magdalena In die Figur der Kundry sind auch biblische Elemente eingeflossen. Die Anspielungen auf verschiedene Frauenfiguren bei Wolfram von Eschenbach sind dagegen nur Arabesken: Inmitten von Wagners eigenen Walkürenphantasien („­Gundryggia“) finden wir die zum ‚Wilden Heer‘ der deutschen Volkssage versetzte ehemals bibli­ sche Herodias. Übersteigert wird diese dämonische Seite Kundrys schließlich durch die Verwandlung in eine verstummende Maria Magdalena, die im Anblick des Grals erlischt – und im gleichen Augenblick in Form einer Taube aus dem Pleroma wieder herabsteigt.383 Damit wird sie als wiederaufgestiegene Achamoth erkennbar.384 Diese komplexen Umformungen verbergen sich hinter Kling­sors Ausruf „Herodias warst du und was noch?“385 Herodias galt schon in der Patristik als Inbegriff der Hure386, sie war außerdem diejenige, die die ratlose Salome anstiftete, das Haupt des Täufers von Herodes zu verlangen (Mt 14,8). Eine (erst von Oscar Wilde auf Salome übertragene) Legende macht sie zum Opfer eines unbändigen sexuellen Verlangens zu Johannes den Täufer, dessen abgeschlagenes Haupt sie küsste, dann aber in den leeren Raum fortgeblasen wurde.387 Dieser Bezug macht im Kontext des Dramas durchaus Probleme. Soll man sich das Lachen Kundrys über „Ihn“ in Gestalt der Herodias vorstellen?388 Anna-Christine Brade erinnerte an die Verhöhnung des Gekreuzigten durch die

383 „Aus der Kuppel schwebt eine weiße Taube herab und verweilt über Parsifals Haupte. Dieser schwenkt den ‚Gral‘ sanft vor der aufblickenden Ritterschaft. – Kundry sinkt, mit dem Blicke zu ihm auf, langsam vor Parsifal entseelt zu Boden.“ Wagner SuD 10, S. 375. 384 Bei der Gralsenthüllung im ersten Akt erscheint bezeichnenderweise keine Taube, auch wenn die Chöre es Wagner SuD 10, S. 340 herbeisehnen: „Der Glaube lebt, / die Taube schwebt, / des Heilands holder Bote“. 385 Wagner SuD 10, S. 346. 386 Ein harsches Urteil über Herodias fällte z. B. der 451 gestorbene Kirchenvater Petrus Chrysologus in seiner ‚Collectio sermonum‘, Sermo 173 (Corpus Chirstianoum. Series Latina 24,2,3). 387 Vgl. Bötticher, ‚Parzival‘ und ‚Parsifal‘ S. 67: „Da erhob sich das Haupt, fing heftig an zu blasen und trieb die Herodias in den leeren Raum, in welchem sie nun vom Fluche gebannt, ewig trauernd umherschweben muß. Die deutsche Version der Sage reiht dann die Herodias in das wilde Heer, in welches auch alle altdeutschen Gottheiten vom Christenthum verwiesen wurden. Wir sehen, daß von dieser Sage herzlich wenig bei Wagner übrig geblieben ist – eigentlich nur der Name. Wagner hat für den Johannes den Heiland selbst gesetzt, und die Pointe des Fluches liegt weniger in dem Umherirren als in dem Lachen, das sie ewig verfolgen soll zur Strafe dafür, daß sie den Heiland verlacht hat.“ 388 Keineswegs als Vorlage gelten kann Wolframs Geschichte der Cunneware, die ein Gelöbnis abgelegt hat, nur in Gegenwart des besten Ritters zu lachen, vgl. hierzu Nyholm, Cunneware und Philipowski, Cunneware.

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Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten389: „mit dem Lachen einer Frau wird gleichermaßen der Spott der Juden über Christus als auch das Verlachen des Mannes durch die Frau bezeichnet“.390 Allerdings verspotten auch die römischen Soldaten den Gekreuzigten und da Wagner gerne den Bach-Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ zitierte391, sollte diese mit der Dornenkrönung einhergehende Verhöhnung durch die Soldateska in Mt 27,27–30 bzw. Joh 19,1–3 als Vorbild denkbar sein. Hiermit verliert die von Brade unterstellte „Konnotation antisemitischer Inhalte“ ihre Evidenz. Doch wird nirgends gesagt, bei welcher Gelegenheit Kundry den Erlöser verlachte. Von der Sache her und durch Motivübernahmen gestützt würde ich eher an die Begegnungen Jesu mit Besessenen denken, insbesondere dem tobsüchtigen Besessenen von Gerasa (Mk 5,1–20), der schreit und mit Steinen schlägt und den Namen „Legion“ trägt oder mehr noch den epileptischen Jüngling in Mk 9,14–29.392 Dieser verhält sich ähnlich wie Kundry: „er schäumt und knirscht mit den Zähnen und verdorrt“ (d. h. liegt starr). Nach der Austreibung des Geistes liegt der Junge, „als wäre er tot, daß auch viele sagten: Er ist tot. Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf; und er stand auf“ (Mk 9,26f). So findet Gurnemanz auch Kundry jedes Mal wieder, wenn sie in Kling­sors Gewalt war: „erstarrt, leblos, wie tot“. Die biblische Herodias führte im mittelalterlichen Aberglauben ein besonderes Eigen­leben: Sie galt als „nächtliche Dämonenführerein […] Anführerin der wilden Jagd oder der Hexenfahrt oder als Urheberin des Wirbelwinds“393 und war damit ein Gegenbild zur jüdischen Lilith. Kundry gehört also zu den „wilden Weibern“, was Wagner auch an der Beschreibung des Äußeren, insbesondere dem Schlangengürtel, deutlich macht.394 Mit antisemitischen Ressentiments hat dies nichts zu tun, auch wenn Heinrich Heine die Herodias als „du tote Jüdin“ anspricht.395 Mar389 390 391 392

Mt 27,41, Mk 15,31 und Lk 23,35. Brade, Kundry S. 69. Vgl. etwa Wagner, SuD 10, S. 216, vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 796 und ebd. wieder S. 797. Vgl. z. B. die Regieanweisung: „Kundry hat sich, in wüthender Unruhe, oft heftig umgewendet.“ (Wagner, SuD 10, S. 333). Zum ‚Teufelslachen‘ vgl. Hexenhammer 2,10 S. 112 oder, in der rabbinischen Tradition: „Was vor einen Nutzen hat dieser gottlose König (der Sammael) darvon / daß er seine Gottlosigkeit alle Tage mit seinen Dienern […] an den Menschen übet / so gar daß sie lachen / (wann sie jemand verführen) und ihre Stimme von Ferne gehört wird“ (Eisenmenger, Entdecktes Judenthum 2, S. 434). 393 Darauf verweist bereits Bötticher, ‚Parzival‘ und ‚Parsifal‘ S. 67. Details bei Bächthold-Stäubli, Handwörterbuch 3 (1930/31), Sp. 1790f. Ausführlicher Grimm, Deutsche Mythologie, 1, S. 260– 266, Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie, 1, S. 146f. 394 Bächthold-Stäubli, Handwörterbuch 9 (1938/41) Sp. 984–986. 395 Atta Troll Caput 20, vgl. Heine, Werke 1, S. 403. Brade, Kundry S. 70f. möchte mit vagen Parallelen zwischen Wagners Beschreibung der „äußeren Erscheinung“ des Juden (man beachte den Singular!) und den Regieanweisungen zu Kundry letztere als unverkennbaren Inbegriff des Jüdischen entlarven. Zwar sagt Wagner im ‚Judenthum in der Musik‘ „wir wünschen unwillkürlich mit einem so aussehenden Menschen Nichts gemein zu haben.“ (Wagner, SuD 5, S. 69) und Gurnemanz zu den Knappen ‚Nichts hat sie mit euch gemein‘, aber damit enden auch alle Parallelen; völlig haltlos sind die Bezüge zwischen Wagners Beschreibung der fremdartigen Sprache der Juden (womit er wohl

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tin Delrio, dessen frühneuzeitliches Hexenkompendium Wagner schon zur Frage der Frau Venus im ‚Tannhäuser‘ konsultierte, berichtet über Hexenritte cum Diana vel Herodiade, cum nec ulla sit Diana Dea, vel superstes Numen, nec Herodias illa saltatricula ullibi in terris equitet, in inferno cruciata396 Es kann bei den wenigen Anspielungen des ‚Parsifal‘-Textes nicht entschieden werden, ob Wagner dafür nochmals die historischen Originalwerke konsultierte oder sich auf poetische Quellen stützte, die eben diese Quellen bereits verarbeitet haben. Wie schon für den ‚Tannhäuser‘ konnte er solcherlei dem Venusberg-Kapitel von Ludwig Bechstein und den Dichtungen Heinrich Heines (hier dem ‚Atta Troll‘397) entnehmen. Manche nennen auch die Frau Hulda oder Frau Venus Herodias, des Herodes Tochter, die Johannis des Täufers Haupt forderte und zu ewiger Wanderung verflucht ward gleich dem laufenden Juden.398

Der Kosmos des ‚Parsifal‘ Nordisches Der ‚Hexenritt‘399, den die um Gurnemanz versammelten Knappen schildern, bildet dem Hintergrund für einen zweiten, offenbar von Wagner künstlich gebildeten (und als Hauptnamen verworfenen), ‚altgermanischen‘ Namen Kundrys: Gun­ dryggia 400 – Hexen sind christianisierte, sind konvertierte Walküren. das Jiddische karikieren wollte) und Kundrys exaltierter Sprechweise, die sie keineswegs „in ihrem Gestammel der Lächerlichkeit preis[gibt]“ (S. 73). Abgesehen davon, daß Kundry am Prozeß der Erlösung für den Erlöser zentral beteiligt ist, verkennt Brade schon, wie alle, die den gleichen Nachweis versuchen, wie sehr sich Gurnemanz für Kundry einsetzt und sie vor den Schikanen der Knappen und dem Wutausbruch Parsifals beschützt („schuf sie euch Schaden je?“ – „gut thut sie dann und recht sicherlich“ – „Was that dir das Weib? Es sagte wahr / denn nie lügt Kundry“ Wagner SuD 10, S.  329f., 337). 396 Delrio, Disquisitiones, S. 78,2 C (lib. II qu. XVI). 397 In den Capites 18–20 wird die wilde Jagd beschrieben, die von Herodias, Diana und der Fee Abunde angeführt wird. Hierauf verweist ohne genauere Angaben Buschinger, Mittelalter Richard Wagners S. 144. 398 Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 391. 399 Hier nur die wichtigsten Elemente der Beschreibung durch die beiden Knappen: „Wie fliegen der Teufelsmähre die Mähnen! / […] / Die Mähre taumelt. / Flog sie durch die Luft? / Jetzt kriecht sie am Boden hin. / Mit den Mähnen fegt sie das Moos.“ Vgl. Wagner, SuD 10, S. 326. Sogar die Heuschrecke (‚saltricula‘) könnte im Wechsel von Flug und am Boden Kriechen abgeformt sein. 400 Wagner SuD 10, S. 340 zitiert Kling­sor den Namen: „Gundryggia dort, Kundry hier“. – Durch unglückliche Formulierungen erweckt Buschinger, Mittelalter S. 144 den Eindruck, die Form „Gundryggia“ sei aus Heines ‚Atta Troll‘ entnommen. Dem ist aber nicht so; Vorbild für Kundry ist auch nicht „eine folkloristische Figur, die […] unter den Zügen einer unheilvollen Teufelin er-

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Mittwoch 14ten R. dichtet am Bühnenweihspiel; bei Tisch sagt er mir, „sie wird Gundrigia, Strickerin des Krieges heißen“, dann aber meint er, wird er bei „Kundry“ bleiben.401 Die etymologische Herleitung von Wolframs Namen Cundrîe aus dem Kunstnamen ‚Gundryggia‘ ist sprachgeschichtlich dilettantisch und auf keinen Fall haltbar.402 Volker Mertens nimmt an, dass Wagner zwei Bezeichnungen für Walküren, die er bei Jacob Grimm fand, kombiniert habe, nämlich den Namen Gunnr/Gudhr und die allgemeine Bezeichnung ‚örlög drygia‘, die Kampftreibende.403 Mehr aber als zur Walküre macht Wagner sie zu einer der damit verwandten Disen oder Fylgior (Begleiterinnen) oder Hamingior (Schicksalslenkerinnen). Eine solche Frau ist eine Art persönlicher Fluch- oder Schutzgeist. Sie begleitet den Helden von Geburt an als Schatten oder Tier (oft in Vogelgestalt), warnt ihn prophetisch und schützt ihn oder führt ihn in die Irre. Erst in der Todesstunde wird sie sich von Angesicht zu Angesicht zeigen. Dem Gefallenen naht sie sich im Grab mit einem Becher voll Met, nach dessen Genuss sie sich ihm hingeben und ihn nach Walhall bringen kann, wo sie seine Gefährtin bleibt. Diese Form der Nornen beschäftigte die Gelehrten schon am Ende des 18. Jahrhunderts404, sie verband sich literarisch mit Phantasien um Succuben und Lilith, die bei den Kirchenvätern Lamia genannt wurde. August Ernst Langbein hatte in seinem satirischen Gedicht ‚Lilith. Eine jüdische Fabel‘ Liliths Verweigerung zur sexuellen Unterwerfung thematisiert. Gott verdammte hier die entflohene Ehefrau zum Hexensabbat.405 Wagner hatte auch für den ‚Ring‘ Elemente der Fylgior und Hamingior übernommen, etwa für die Todesverkündung an Siegmund.406 Tatsächlich hat auch Kundry etwas von einer solchen Gefährtin: Sie „sah das Kind an seiner Mutter Brust, / sein

scheint“, sondern die Trias der Abunde-Diana-Herodias, die alle in Kundry zusammenfließen. Vgl. Löffler, Kundry (1878). 401 Cosima-Tagebücher 1, S. 1037f. 402 Wolzogen, Leitfaden S. 13 behauptet, den Namen in der Edda mit der Bedeutung „Kampf rüsten“ gefunden zu haben, danach Löffler, Kundry S. 100 f. Das ist jedoch falsch, wie schon Wechssler, Sage vom Gral S. 189 nachweisen konnte. Vgl. auch Bötticher, ‚Parzival‘ und ‚Parsifal‘ S. 68: „Gundryggia ist ein Phantasiename des Meisters, den er in Ermangelung eines für seine Zwecke geeigneten altdeutschen Mythus ‚schuf ‘, um in den ‚Bayreuther Blättern‘ nicht blos als Sagenverbesserer, sondern auch als Mythenschöpfer gefeiert zu werden.“ 403 Mertens, Gangesland S. 76. 404 Gräter, Nordische Blumen S. 70–73 (1789), Thormod Legis, Runen S. 191f. (1828). 405 „Da zürnte Gott: ‚So rase hin! / Du magst, mit Geisterschwärmen, / Hinfort bei Nacht, als Unholdin, / Im öden Luftraum lärmen!‘ — / Nun reitet sie zum Walpurgstanz / Von Jahr zu Jahr, mit Krall’ und Schwanz / Und flammenrothem Schnabel, / Auf einer Ofengabel.“ August Ernst Langbein: Sämmtliche Schriften 1. ²Stuttgart: Scheible 1841, S. 59. 406 Wagner, SuD 6, S. 51.

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erstes Lallen lacht mir noch im Ohr“407, sie ist „wie ein wildes Thier“ bei seinem Eindringen in den Gralsbereich zugegeben und beschützt ihn, als er zusammenbricht. Zu den geheimen Bezügen auf den ‚Ring‘, gehört auch Kling­sors Beschwörung der schlafenden Kundry, die sich in ihren Bildern bis in einzelne Wortefolgen hinein mit der Beschwörung der Walkürenmutter Erda durch den Wanderer zu Beginn des dritten Aufzuges des Siegfried deckt. In beiden Fällen soll ein „ewiges Weib“ … „aus langem Schlafe“ geweckt werden (Wanderer). Die Bannformel ist „Herauf! Hierher! Zu mir!“ (Kling­sor) bzw. beim Wanderer: Ich rufe dich auf: herauf! herauf! Aus nebliger Gruft, aus nächt’gem Grunde herauf!408 Wotans Ziel ist es „daß ich nun Kunde gewänne“, denn „Kundiger gibt es keine als dich.“409 Das Wortspiel Kundry-Kunde verwendet Wagner gerne, auch wenn er auf eine direkte Etymologie verzichtet: „nie lügt Kundry, doch sah sie viel“ bescheinigt ihr Gurnemanz. Sie selbst sagt zu Parsifal: „Was zog dich her, wenn nicht der Kunde Wunsch?“410 Umgekehrt ist es Herzeleides Absicht, „Kunde“ – und damit auch den eigenen Namen – von Parsifal fernzuhalten: „nie sollte Kunde zu dir hergelangen“.411 Zu Kundrys ‚Walküreneigenschaften‘ gehört also gerade die Wissensvermittlung, wie bei Brünnhilde im dritten Aufzug des ‚Siegfried‘.412 Sieg­fried hält sie sogar für seine Mutter („So starb nicht meine Mutter? / Schlief die Minnige nur?“413) In einem Land ohne Wiederkehr, das Kling­sors Reich ja auch ist, gibt sich die Dise Kundry zu erkennen und bietet ihm an, durch „ihr volles Liebesumfangen  […] Gottheit erlangen“ zu können.414 Damit aber endet der Ausflug in die Welt der ‚Edda‘, denn „eritis sicut deus“ ist das Versprochen der biblischen Schlange. Anders als Brünnhilde kann Kundry nicht den Status einer Erlöserin annehmen. Sie wird darum auf eine andere biblische Ableitung projiziert: die der bekehrten 407 408 409 410 411 412

Wagner, SuD 10, S. 356. Wagner SuD Bd. 6, S. 152. Wagner SuD 6 S. 153. Wagner SuD 10, S. 356. Wagner SuD 10, S. 256. Wagner reimte 1882 an Amalie Materna, Sängerin beider Rolle in Bayreuth in Abwandlung von Kling­sors Namensbeschwörung: „Brünnhilde dort, Kundry hier, / überall des Werkes Zier!“ (Wagner, SuD 16, S. 232) 413 Wagner SuD 6, S. 167. 414 Wagner SuD 10, S. 361. Vgl. auch Cosimas Kommentar zu einer konzertanten Aufführung des noch unfertigen zweiten Aktes in ‚Wahnfried‘: „Die Scene zwischen Parsifal und Kundry bis zum Aufschrei des ersteren: Amfortas! Unsäglich ergreifend; ‚ein Augenblick dämonischen Versenkens‘, wie R. die Takte bezeichnet, welche den Kuß Kundry’s begleiten und worin das tödliche, wie Gift sich schlängelnde Motiv der Liebessehnsucht vernichtend wirkt. Dies, die zärtlich schmerzlichen Klänge der Herzeleide, die hoheitsvolle Weise, durch welche Kundry die Befreiung von dem Druck der Reue verkündet […].“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 108 zum 4.6.1878).

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Sünderin Maria Magdalena, die in der Literatur um 1900 ein besonderes Eigenleben führte und darum auch ohne Worte für das Publikum des ‚Parsifal‘ sofort identifizierbar war.415 Wagner beschäftigte sich mit dieser Figur lange vor dem ersten Konzept zum ‚Parsifal‘, wie Eliza Wille berichtete: Es wollte mir auch nicht gefallen, daß uns Wagner einmal mit seiner feurigen Lebendigkeit ausmalte, wie der „Prophet von Nazareth“ von der sündigen Magdalena in irdischer Liebe geliebt, in ergreifender Schönheit auf der Bühne darzustellen sei. – Ich sah ihn staunend an und verließ das Zimmer. Ich würde dieses nicht erwähnen, wenn nicht viele Jahre später, in Umgestaltung der Persönlichkeit, Wagners damalige Idee zur Ausführung gekommen wäre. In dem letzten Geschenke seines Genius, im ‚Parsifal‘, dem ritterlichen Priester, und in der von der Gewalt böser Mächte frei gewordenen Kundry findet sich dasjenige wieder, was er im Jahre 1852 schon in seinen Gedanken trug. -– Aus Maria Magdalena trieb Christus sieben böse Geister aus, aber auch noch andere Frauen in seiner Umgebung waren von sieben bösen Geistern geheilt worden (Lk 8, 2). Diese Austreibung wird im Evangelium nicht weiter ausgemalt, doch gab es ja andere Schilderungen solcher Exorzismen, die Kundrys Hysterie vorzeichnen und bis ins Wagners letzte schriftliche Aufzeichnung nachwirken: Gleich wohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik.416 Maria bzw. die in der Tradition (zu Unrecht) mit ihr identifizierte Büßerin aus der voraufgehenden Perikope (Lk 7,36–50) diente für die Bussszene im dritten Aufzug als Vorbild. Die berichtet von einer Prostituierte, die Jesu Füße mit ihren Tränen und ihren Haaren wusch und anschließend mit Öl salbte. Orientalismus Die Zeichnung der negativ besetzten Charaktere wie Kling­sor oder Kundry folgte einem im ‚fin de siècle‘ fest verwurzelten Orientalismus.417 Auch wenn die klassische Darstellung von Edward W. Said umstritten und partiell als polemisch gelten kann418, umreißt sie doch die Hintergründe der Topoi, die im ‚fin de siècle‘ die literarische Darstellung eines üppigen und sexuell aufgeladenen geheimnisvollen 415 Glang-Tossing, Maria Magdalena, S. 31–37 weist auf die Zusammensetzung des Magdalenenbildes aus vier verschiedenen Frauengestalten hin (Maria von Magdala, die namenlose Süderin, Maria von Bethanien und die spätantike Heilige Maria Aegyptiaca). 416 Vgl. ‚Über das Weibliche im Menschlichen‘ (Wagner, SuD 12, hier S. 343). 417 Immer noch lesenswert ist die Übersicht im Kapitel „Byzanz“ bei Praz, Liebe, Tod und Teufel, S. 251–353. Vgl. auch Syndram, Der erfundene Orient, S. 324–341. 418 Zur Kritik vgl. Tarling, Orientalismus S. IX f., Osterhammel, Said S. 601–605.

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‚Orients‘ prägten. Maßgeblich hierfür waren das erzählerische Werk Théophile Gautiers (1811–1872) und der Roman ‚Salammbô‘ von Gustave Flaubert (1862). Sie folgten darin dem Vorbild Victor Hugos419. In der Oper nahm diese Welt phantastische Dimensionen an. Henry Purcell hatte ‚Dido and Aeneas‘ komponiert, Mozart brachte die ‚Entführung aus dem Serail‘, es folgten Opern von Luigi Cherubini (‚Alexander in Indien‘, ‚Die Abenceragen‘), Berlioz (‚Die Trojaner‘) und Guiseppe Verdi (‚Nabucco‘, ‚Aida‘). Die Höhepunkte dieser Entwicklung standen bei Wagners Tod 1883 noch aus: 1891 Richard Strauss mit ‚Salome‘, Jules Massenet brachte 1891 in ‚Le Mage‘ Zarathustra auf die Bühne, und Puccini 1904 ‚Madame Butterfly‘. Weniger bekannt wurden die Bühnenversionen zu Flauberts ‚Salammbô‘, etwa 1863 von Modest Mussorgsky (unvollendet) oder 1890 von Ernest Reyer (1823–1909).420 Reyer hatte schon zuvor ‚orientalische‘ Themen behandelt, sich aber auch – in klarem Kontrast zu Wagner – sich für seinen ‚Sigurd‘ der ‚Edda‘ als Vorlage zugewandt. Massenets ‚Cleopâtre‘ kam 1914 – zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten – auf die Bühne. Verglichen mit dieser Entwicklung ist der Orientalismus des ‚Parsifal‘ eher zurückgenommen, selbst wenn man die ‚buddhistischen‘ Elemente – die wir noch gesondert betrachten werden – einrechnet. Wagner bediente sich im Setting des Gegensatzes von christlichem und maurischen Spanien; das hatte er bei Görres als Konstituente der Gralswelt vorgefunden. Wie Görres hatte er die Handlungsstränge vor Augen, die Wolfram von Eschenbach um Gahmuret, den Vater des Parzival wob, und so ließ Wagner Kundry mehrfach von „Arabia“ sprechen, von wo auch Wagners Gamuret seinen Sohn „sterbend grüßte“. Aber außer der Zuschreibung einer diffusen medizinischen Kompetenz hat Wagner über dieses Arabien wenig zu sagen421. Für die Figur des Kling­sor verwandte er insgeheim das Klischee und Zerrbild des arabischen Zauberers, wie er nach ‚Tausendundeine Nacht‘ auch bei Christoph Martin Wieland (1733–1813) und in den Märchen von Wilhelm Hauff (etwa der Zauberer Kaschnnur in ‚Kalif Storch‘, 1829) auftritt, während Wolframs Zauberer Clinschor vermutlich eher in der bretonischen Merlin-Tradition steht. Er lebt allerdings in Neapel, hat aber keine orientalischen Züge.422 Allerdings zeigte sich die ganze Verachtung Wagners gegenüber seinen Quellen und hier speziell des realen Orients, als er – zunächst von der phantastischen Ableitung des Namens durch Görres begeistert – von Judith Gautier darauf gestoßen 419 „Les couleurs orientales sont venues comme d’elles mêmes empreindre toutes ses pensées, toutes ses reveries; et ses reveries et ses pensées se sont trouvées tour à tour, et Presque sans l’avoir voulu, hébraïques, turques, grecques, persanes, arabes, espagnoles même: car l’Espagne c’est encore l’orient; l’Espagne est à demi africaine, l’Afrique est à demi asiatique.“ Victor Hugo, Les Orientales, 5Paris: Charles Gosselin 1829, S. IX f. 420 Zu Reyer vgl. Huebner, French Opera S. 169–194. 421 Yu, Kundry füllt, wie viele vor ihr, diese Lücken durch Versatzstücke aus Wolfram von Eschenbach auf. 422 Mozarts Sarastro und seine Priester des Weisheitetempels dienten eher als Vorbilder für Titurel und die Gralsrittergemeinschaft.

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wird, dass ‚fal parsi‘ weder Arabisch noch Farsi ist und folglich auch in beiden Sprachen durchaus nicht „tör’ger Reiner“ bedeutet.423 Er muss zwar einräumen, dass er als Ausrede einen „Arabi-Dialekt“ erfunden habe: „Was kümmert’s mich, was die arabischen Worte in Wirklichkeit bedeuten, und ich meine, unter meinem zukünftigen Publikum werden nicht gar so viele Orientalisten sein!“424 Dass er damit in gewisser Weise recht behalten sollte, belegt der Kommentar von Oskar Eichberg425 von 1882, der nicht einmal wirklich einräumen möchte, dass es sich bei ‚fal parsi‘ um einen Neologismus handelte.426 Die ‚Blumenmädchen‘, die Parsifal im zweiten Akt umgarnen, konnten auf eine Episode im so genannten ‚Straßburger Alexander‘427 zurückgeführt werden, einer im späten 12. Jahrhundert entstandenen phantasiereichen Erweiterung des eine Generation zuvor entstandenen ‚Alexanderlieds‘ des Pfaffen Lambrecht.428 Wagner kannte die griechische und französische ‚Alexander‘-Tradition durch die populäre deutsche Bearbeitung von Heinrich Weismann (1808–1890).429 Für die Verführungsszene des zweiten Aktes nahm Robert Petsch eine Verführungsszene aus dem Epos ‚Barlaam und Josaphat‘ des Rudolf von Ems430 als Vorlage an.431 Bei durchaus vorhandenen Parallelen wären jedoch erhebliche Abweichungen zu konstatieren, die den von Wagner nie bestätigten Zusammenhang fraglich machen. Wundergärten und Verführungsszenen sind allerdings auch in der nachmittelalterlichen Alexanderliteratur häufig, wie nicht zuletzt die Bearbeitung persischer Erzählungen in einem Jugendwerk von Wagners letzter Muse Judith Gautier (1845–1917) beweist. Es erschien bereits 1869 in einer Zeitschrift, aber erst 1886 als Monographie.432 Judith war zeitweise mit Catulle Mendès433 verheiratet, der ebenfalls unter die französischen Wagnerianer zu rechnen ist. Sie versorgte Wagner

423 Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 740. 424 Von Gautier selbst publiziert Gautier, Parsifal 1893 S. 84, wohl danach Wagner, BW Gautier dt. (Übers. Schuh) S. 175 f., Brief vom 24.12.1877. Die Passage fehlt in der originalsprachlichen Edition von Guichard (Wagner BW Gautier). 425 Berliner Komponist und Musikschriftsteller (1845–1898), gab u. a. für den Allgemeinen Richard Wagner-Verein das ‚Bayreuther Taschenbuch mit Kalendarium‘ 1893 und 1894 heraus. 426 Eichberg, Parsifal S. 26f Anm. 17 mit dem gequälten Argument, Wagner habe den „günstigen Zufall“ nutzen können, daß „der Name Parsifal in der Sprache eines Volksstammes, der den Gralsrittern wenn auch nur in feindlicher Weise, immerhin so nahe stand – eine für den Helden so charakteristische deutung findet“. 427 Pfaffe Lamprecht, Alexanderroman, V. 5157–5358. Zur Episode selbst Tomasek, Die Welt der Blumenmädchen, S. 43–56. Weitere Literatur bei Yu, Kundry S. 95 Anm. 35. 428 Yu, Kundry S. 89–94. 429 Yu, Kundry S. 90 f. Vgl. das Exemplar der Weismann-Ausgabe: ‚Wahnfried‘-Bibliothek II-b-2.6(1–2). 430 Classen, Kontakte; Toral-Niehoff, Legende. 431 Petsch, Quellenkunde. 432 Judith Gautier, Iskender. Histoire Persanne: die Erstveröffentlichung erfolgte 1869 im Feuilleton der Zeitschrift La Liberté, als Monographie Paris 1886 (²1894), vgl. dies., Œuvres complètes 1, S. 235–387. 433 Zu ihm vgl. Simms, Jews S. 1–80, zu seiner Ehe und ihrem Scheitern ebd., S. 21–23.

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nicht nur mit der einschlägigen französischen Literatur über den Buddhismus434, sondern gab in ihrem Roman ‚Iskender‘ durch die Schilderung von Paradiesgärten voller mächtiger, erotischer und bedrohlicher Frauen435 ein beredtes Zeugnis für die Interessen, die sie mit dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ verbanden.436 Das läßt umgekehrt erahnen, was Wagner über die aus Paris gelieferten Parfums hinaus von Judith Gautier gewann: ein erotisiertes Bild des Orients437 und eine neue Variante einer selbstbewussten erotischen Frau.438 Frühe und Schwarze Romantik Wagner durchlebte sein Jahrhundert mit allen Höhen und Tiefen. Es war das Jahrhundert, in dem sich Deutschland nicht nur zu einer politischen Einheit neu organisierte, sondern auch den konfliktreichen Weg von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft ging. Am Anfang dieses Jahrhunderts standen Mozarts Oper ‚Die Zauberflöte‘ und Carl Maria von Webers ‚Der Freischütz‘. Wie die ‚Zauberflöte‘ den Gegensatz eines von Männern bestimmten Weisheitstempels und einer dämonischer ‚Ur-Teufelin‘ thematisierte, brachte Johann Friedrich Kind (1768–1843) im Libretto für den ‚Freischütz‘ das ‚Wilde Heer‘ und den Ober-Teufel Samiel auf die Bühne, gegen den am Ende der weise Eremit antritt, um die bürgerliche Ordnung wiederherzustellen. Er lenkt nicht nur wie später Parsifal eine Waffe von ihrem tödlichen Lauf ab (nämlich von Agathe bzw. der sie repäsentierenden weißen Taube)439, sondern nimmt mit väterlichen Ermahnungen und in der Stimmlage Wagners Gurnemanz vorweg. Theodor W. Adorno (1903–1969) sprach in seinem 1952 erstmals vollständig publizierten ‚Versuch über Wagner’ von der ‚Phantasmagorie‘ bei Wagner, also einem Analogon zur Scheinwelt im zweiten Teil des ‚Faust‘, die mit dem Tod des Euphorion und der Auflösung der Helena in sich zusammenfällt. Für Adorno war die Vorspiegelung einer metaphysischen Offenbarung, einer nicht-entfremdeten Na-

434 Mertens, Gangesland S. 65 f. 435 Vgl. die Geschichte der Calmali im Paradiesgarten (Gautier, Œuvres complètes 1, S. 352–355): Sie ist frisch wie eine Blume; sie liebt Iskender, er bleibt bei ihr, will dann aber doch weg, aber sie will ihn nicht gehen lassen, sie schreit mit einer „voix terrible“ (Gautier, Œuvres complètes 1, S. 354), ruft seinen Namen (den er ihr nicht genannt hat), plötzlich verschwinden Palast und Mädchen, Iskender befindet sich in einer verödeten Ebene. 436 In einem 1879 abgefaßten Gedicht beschreibt Judith Gautier Wagner als „celui qui créa la lumière et la flamme, / Les étoiles, la mer, les roses, le printemps.“ Vgl. Hartman, French Literary Wagnerism, S. 23–26. 437 Wie fast immer im Abendland entstand dieses Orientbild auch bei Théophile und Judith Gautier mehr als Spiegel eigener (z.T. verdrängter) Sehnsüchte denn als empirisches Abbild einer geographischen Region. Zu Judiths Vater Said, Orientalism S. 99–102. 438 Für die er jedoch keine andere Bestimmung weiß als den (Liebes-)Tod. In seinem letzten Traktat ‚Über das Weibliche im Menschlichen‘, der die Regenerationsschriften abschließen sollte und erstmals in Wagner SuD 12, S. 343–345 gedruckt wurde, befasste er sich mit dieser Frage. 439 Weber/Kind, Freischütz S. 108.

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turbegegnung durch den tönenden Erlösungsrausch Wagner’scher Musik genau eine solche Phantasmagorie440: Die Verdeckung der Produktion durch die Erscheinung des Produkts ist das Formgesetz Richard Wagners. Das Produkt präsentiert sich als sich selbst Produzierendes. […] Wagners Opern tendieren zum Blendwerk, wie Schopenhauer die ‚Außenseite der schlechten Ware‘ nennt: zur Phantasmagorie.441 Er leitet dies, seinem geschichtsphilosophischen Hintergrund gemäß, aus den Produktionsverhältnissen der modernen Industriegesellschaft ab: Phantasmagorie konstituiert sich, indem die Moderne unterm Zwang der eigenen Fessel in ihren neuesten Produkten dem längst Gewesenen sich annähert. Jeder Schritt vorwärts ist ihr zugleich einer ins Urvergangene. Die fortschreitende bürgerliche Gesellschaft bedarf ihrer eigenen illusionären Verdeckung, um fortzubestehen. Sie wagt dem Neuen anders nicht ins Auge zu sehen, als indem sie als alt es wiedererkennt.442 Mit dieser emotionalen Überwältigung des Zuhörers verschleiert das ‚Gesamtkunstwerk‘, dass die Wagner’sche Kunst eine Ware war und ist, die unter den Bedingungen der industrialisierten Welt produziert und vermarktet wird und gar nicht andes hätte entstehen können. Ihr Konsument erkauft die Illusion einer nicht-entfremdeten, d. h. vermeintlich vor-industriellen, „echten“ Welterfahrung, ganz als sei Wagner das von Novalis beschworene ‚geheime Zauberwort‘ bekannt, die Aufhebung des verkehrten Wesens von „Zahlen und Figuren“443 in der Industriegesellschaft bewirken könne. Da es diese mystische Wiederherstellung aber nicht gab, blieb die wortwörtliche ‚Ent-Täuschung‘ und ‚Enttarnung‘ immer auch Vernichtung, sowohl des ‚falschen Wesens‘ wie der daran geknüpften Illusionen. Es hat nicht nur Goethes ‚Faust II‘, sondern auch die Oper die Selbst-Entzaube­ rung solcher Phantasmagorien immer wieder thematisiert, etwa in der 1825 ur­ auf­geführte Zauberoper ‚Alcidor‘ des von Wagner verehrten Gaspare Spontini (1774–1851).444 Sie setzte mehrfach solche Trugbilder ein und zertrümmerte sie effekt­voll. Darunter gehörte auch, was im Zusammenhang mit dem ‚Parsifal‘ besonders erwäh­nenswert erscheint, das magische Requisit einer ‚Schale der Un­sterb­ lichkeit‘445, die ihre Verheissung nicht erfüllt: Als Selaide aus Treue zu Alcidor auf die Unsterblichkeit verzichtet, den Trank daraus verweigert und ihren Inhalt ins 440 Das sechste Kapitel ‚Phantasmagorie‘ wurde bereits im Jahr 1939 veröffentlicht und in die Gesamtausgabefast unverändert übernommen. 441 Adorno, Musikalische Monographien S. 82. 442 Adorno, Musikalische Monographien S. 90 f. 443 Novalis, Wenn nicht mehr …, ed. Schulz S. 85. Vgl. auch Görner, Romantik S. 141–144. 444 Wagner, Erinnerungen an Spontini (1872), Wagner-SuD Bd. 5, S. 86–104. Zu Spontini allgemein vgl. Anne Henrike Wasmuth in NDB 24 (2010), S. 740f, Engel, Wagner und Spontini. 445 Spontini, Alcidor. Vgl. besonders den dritten Aufzug. Wagner traf mit Gaspare Spontini zusammen,

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Feuer gießt, geht das in den Wolken erbaute blumengeschmückte Zauberschloß Almovars zugrunde446. Neben den Elementen der romantischen Zauberopern bemühte Wagner mit dem Sänger Heinrich von Oferdingen aus dem ‚Wartburgkrieg‘ und seinen Antipoden Wolfram und Klingsohr die Welt der romantischen Künstlerromane von Novalis und Tieck, die ihre Helden auf die Suche nach dem Kyffhäuser als dem Sitz des einstigen und künftigen Kaisers ausssandten – hier noch Friedrich II., der Wagner in einer skizzierten ‚Manfred‘-Oper (‚Die Sarazenin‘447) und mehr noch in der ‚Wibelungen‘-Schrift beschäftigte. Grundlegend bei dieser Suche war – Wagner sollte es später im Lichte der Gnosis deuten – das Gefühl einer Fremdheit in der Welt; sie wurde bald als Pilgerschaft (Ofterdingen, Wotan, Parsifal) bald als Fluch (Holländer448, Siegmund, Kundry449) gedeutet. Doch wenn auch die überwiegende Zahl der Wagner’schen Bühnenfiguren eine Sehnsucht nach ‚Erlösung‘ teilen, bleibt in der Regel unklar, worin die schlußendliche ‚Erlösung‘ bestehen soll450, wohingegen Wagner die zu Erlösenden in aller Regel den Tod finden ließ451, den er als Eingang ins Pleroma kaschierte. In der jüdisch-christlichen Kulturtradition gilt der Fremdling als alterwürdige Allegorie für den Menschen schlechthin. Aus dem Paradies vertrieben, lebt er auf dieser Erde als Fremder unter Fremden. Ein Exilierter, der von ‚Heimkehr‘ träumt.452 Auch in seiner eigenen biographischen Erinnerung war für Wagner ‚Heimat‘ etwas Fernes und Unerreichbares.453 Sie hatte, da es nicht nur ein individuelles, sondern ein breitere Kreise erfassendes Sentiment war, auch eine politische Komponente; gleichzeitig wirkte sich die von der Romantik vorangetriebene Entdeckung und Erder ‚Alcidor‘ als Meilenstein in seiner musikdramatischen Entwicklung benannte (vgl. Wagner, Mein Leben, S. 300). 446 Die Regieanweisung am Ende des 2. Aktes des ‚Parsifal‘ (Wagner-SuD Bd. 10, S. 363) nimmt fast wörtlich vorweg Spontini, Alcidor S. 60: „Ein furchtbarer Schall ertönt. Der Pallast bricht klirrend zusamen. Die Wolken theilen sich. Almovar und sein Gefolge verschwinden auf einer, Selaide und Oriane auf der andern Seite (…) Die Scene verwandelt sich in eine schauerliche Wüstenei.“ Vgl. auch die ähnliche Szenenanweisung des jungen Wagner in seinen ‚Feen‘ Wagner-SuD Bd. 11, S. 9f. 447 Wagner-SuD Bd. 11, S. 230–263. 448 Wagner-SuD Bd. 1, S. 263. 449 „R. findet Ähnlichkeit in dem Wesen Wotan’s und Kundry’s, beide sehnten sich nach Erlösung und bäumten sich gegen sie [auf]; Kundry in der Scene mit P., Wotan mit Siegfried“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 108 zum 4.6.1878). 450 Steinacker, Erlösung S. 105: „Es bleibt offen, was Erlösung heißt, wer wovon erlöst wiird und was mit denen geschehen soll, die übrig bleiben.“ 451 Dies trifft auf den Holländer, Tannhäuser, Siegfried und Wotan zu, wohingegen Amfortas dieser Weg verwehrt wird. 452 Best, Blaue Blume S. 16. 453 „Mit Trauer bedenkt R., daß er – wohl die Familie, doch keine Heimat habe, seine alte Sehnsucht, soll sie nie befriedigt werden?“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 510 zum 12.4.1872). Vgl. auch Steinacker, Religion S. 31.

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kundung des Gefühls- und Seelenlebens aus454 – bei Wagner vor allem durch musikalische Nachbildung der Emotionen, bei Nietzsche und mehr noch in der akademischen Psychiatrie eines Richard von Krafft-Ebing durch zergliedernde Analyse. Die scheiternde Heimatsuche, wie sie Wagner schon im ‚Fliegenden Holländer‘ und (vielleicht unter Wagners Einfluss) Mathilde Wesendonck in ihrem Gedicht ‚Im Treibhaus‘455 thematisierten, schloss die Vernichtung ein456 – Vernichtung des leidenden Helden, der geradezu danach sucht, und Vernichtung der ihn ‚erlösenden‘ Frau.457 Dies ist in jüngeren Interpretationen, angeleitet durch Wagners antisemitische Äußerungen458, die Cosima penibel protokollierte459, mit dem Verbrechen des Holocaust vermischt worden.460 Für Kundry leitete man das aus dieser mißverständlichen Äußerung ab:461: Ich begleite ihn hinunter, er spielt mir die Salbung Parsifal’s durch Titurel462 mit dem wunderbaren Kanon und die Taufe von Kundry mit dem Vernichtungsklang der Pauke; ‚Vernichtung des ganzen Wesens, jedes irdischen Wunsches‘, sagt R.463 So wie das Lebensziel unabhängiger Frauen nur der Tod als ‚Vernichtung‘ des irdischen Daseins sein konnte, die sich allenfalls noch als Rückkehr in ein überir­di­sches und übersinnliches Pleroma verklären ließ, blieb nach der Auflösung der christli-

454 Görner, Romantik S. 191–197. 455 „Wohl weiß ich es, arme Pflanze, / ein Geschicke teilen wir, / ob umstrahlt von Licht und Glanze /  unsere Heimat ist nicht hier“, vgl. Wagner, Fünf Gedichte S. *17f. 456 Wagner, Fünf Gedichte S. 30: „Sanft an deiner Brust verglühen / und dann sinken in die Gruft.“ – Allgemein: Steinacker, Erlösung S. 46–49. 457 Nach Wagners Verständnis ist das romantische Erlösungsprinzip ‚Erlösung durch Vernichtung‘ das Schicksal des ‚Weibes‘: „Das offene Bekenntniß dieser Vernichtung ist dann das thätige Opfer der letzten Hingebung des Weibes: sein Stolz geht so mit Bewußtsein in das Einzige auf, was es zu empfinden vermag, was es fühlen und denken kann, ja, was es selbst ist, – in die Liebe zu diesem Manne.“ (Wagner SuD Bd. 3, S. 317). 458 Vgl. Anm. II 96. 459 Die Bausteine zu diesem abgründigen Konglomerat aus romantischem Erlösungsideal und Antisemitismus behandelt allgemein Rose, Prophetie. Vgl. in diesem Band die Anm. 37 (Christentum und ‚Vernichtung‘), 66 (Kundry und Rolle der Frau) und schließlich 96 (Mendelssohn). 460 Vgl. Zelinski, Richard Wagner, kritisch dazu Bauer, Bayreuther Festspiele 2, S. 361f. Vgl. Anm. II 96–98. – Brade, Kundry S. 74–77 bemüht sich um eine Bestimmung der gemeinten Paukenwirbel in der Partitur, schließt aber die „Vernichtung des ganzen Wesens, jedes irdischen Wunsches“ mit einer Ausschwitz-Antizipation kurz. Von mangelnder theologischer Kenntnis zeugen ihre in die gleiche Richtung zielenden Überlegungen zu Wagners Kennzeichnung des a-moll-Akkords als „Schrecken der Heiligkeit“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 872 zum 12.1.1882). Wagner verwendet hier ein­mal mehr ein alttestamentliches Motiv, vgl. Ex 33,20 oder Jes. 6,5. 461 Gregor-Dellin vermerkt in einer Fußnote, daß sich die Angaben auf die Orchesterskizze beziehen, „in der Partitur läßt RW die Pauke weg und setzt statt dessen Violoncello und Kontrabaß!“ (vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 303 Anm. 905). 462 Irrtümlich für Gurnemanz. 463 Cosima-Tagebücher 2, S. 303 zum 4.2.1879.

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chen Sündenlehre auch für den leidenden Heiland nichts mehr als ‚Vernichtung‘.464 Hier handle es sich, schrieb Wagner 1851 in der Skizze zu dem nie ausgeführten Drama ‚Jesus von Nazareth‘ in der ‚Mitteilung an meine Freunde‘, um die Sehnsucht eines Menschen, der aus einer schlechten, ehrlosen Sinnlichkeit sich eben nach einer edleren, seiner geläuterten Natur entsprechenden Wahrnehmbarkeit sehnt. Der Tod ist hier nur das Moment der Verzweiflung; er ist der Zerstörungsakt, den wir an uns ausüben, weil wir ihn – als Einzelne – nicht an den schlechten Zuständen der uns zwingenden Welt ausüben können. Der Akt der wirklichen Vernichtung der äußeren, wahrnehmbaren Bande jener ehrlosen Sinnlichkeit ist aber die uns obliegende gesunde Kundgebung dieses, bisher auf die Selbstvernichtung gerichteten Dranges. – Es reizte mich nun, die Natur Jesus‘, wie sie unserem, der Bewegung des Lebens zugewandten Bewußtsein deutlich geworden ist, in der Weise darzuthun, daß das Selbstopfer Jesus’ nur die unvollkommene Äußerung desjenigen menschlichen Triebes sei, der das Individuum zur Empörung gegen eine lieblose Allgemeinheit drängt465 Die auch im ‚Parsifal‘ nach gegenseitiger Vernichtung strebenden Gegensatzpaare „Krieg und Poesie, Abendland und Morgenland, Christentum und Heidentum, männliches und weibliches Prinzip“ sind nach Wolfgang Frühwald konstitutiv für den Roman des Novalis.466 Mit der Suche nach der ‚Blauen Blume‘ wollte Novalis die Dialektik seines ­Künstler-­Helden Heinrich von Ofterdingen auflösen, die (in der Johannisnacht!) mit ­einem Traum von dieser Blume begann.467 Der Dichter-Zauberer Klingsohr ist bei Novalis Protagonist und Vater der geliebten, verlorenen und wiedergeborenen Mathilde. Die Wunderblumen sind im ‚Heinrich von Ofterdingen‘ noch nicht von der Karfreitagsaue geschieden, beide bilden zusammen den magischen Garten der Erlösung468. Ihre Polarisierung erzwang die Vernichtung der einen und die Verklärung der anderen Erscheinung. Aus der naiven Erzählung wurde eine aggressive Phantasmagorie.

464 „Sonntag 21ten. Am Morgen sprechen wir wiederum über Sokrates; ‚über diese Moral konnte es das Christentum nicht bringen – das Christentum erzeugte die Extase, die völlige Vernichtung der Welt, was aber inmitten der Welt hervorgebracht werden kann, kann niemals höher als Sokrates gehen. […]‘ “ (Cosima-Tagebücher 1, S. 172.) 465 Wagner SuD Bd. 4, S. 332. 466 Novalis, Heinrich von Ofterdingen, ed. Frühwald S. 234. 467 Novalis, Heinrich von Ofterdingen S. 11f. 468 Nicht nur in der visionären Traumgestalt, sondern auch im ersten Kapitel des zweiten Buches, das den Titel „Die Erfüllung“ tragen sollte, wird die Blumenwelt thematisiert. Obschon es zu Wagners Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde, weist es auf den ‚Parsifal‘ voraus. Es wird eingeleitet durch ein langes Gedicht (‚Astralis‘), das motivisch Wagners die ‚Wunderblumen‘ und die Ambivalenz von Raum und Zeit im Gralsgebiet behandelt, vgl. Novalis, Heinrich von Ofterdingen S. 157f.

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Was bei Novalis noch Hardenberg ein Märchenland, „eine Welt der Musik und des Nachdenkens“469 war, wurde unter den Befreiungskriegen und erst recht der bürgerlichen Revolution von 1848 politisiert, sank aber nach deren Scheitern wieder ins Private zurück. Das kunstvolle und absichtvoll künstliche Märchen eines Novalis oder Tieck wurde zunächst in reale historische Kontexte geschrieben und dann mythisiert. Aus dieser politischen wie persönlichen Unerfülltheit entstanden in der deutschnationalen Kunstszene die Träume von einem erneuerten Christentum470, einem nahenden 1000-jährigen Reich, überhaupt einer bevorstehenden Zeit der Vollendung.471 Das ‚Mittelalter‘ und mehr noch der ‚Mythos‘ waren nicht mehr der Rahmen für die Poesie, sondern der Garant vergangener Größe.472 Buddhistische Lektüre Die verkrampften Bemühungen, nach der Trennung von Mathilde Wesendonck in seinen Briefen ein normales – wie er es nannte – „Geplaudre“ anzuschlagen und abgeklärt zu wirken, vermögen nicht unbedingt zu überzeugen. Sein eigentliches Anliegen in dem bereits mehrfach zitierten Brief an Mathilde, dessen zweiter Bogen auf den 10.8.1860 datierte, war die Konstruktion einer Linie quer durch seine Werke vom ‚Tannhäuser‘, auf dessen Übersetzung für die Pariser Aufführung er gerade wartete, über ‚Lohengrin‘ und ‚Tristan‘ hin zu ‚Parzival‘: Viel ist wieder der Parzival in mir wach gewesen; ich sehe immer mehr und heller darin; wenn Alles einmal ganz reif in mir ist, muss die Ausführung dieser Dichtung ein unerhörter Genuss für mich werden. Aber da können noch gute Jahre darüber hin gehen! Auch möchte ich’s einmal bei der Dichtung allein bewenden lassen. Ich halte mir’s fern, so lange ich kann, und beschäftige mich damit nur, wenn mir’s mit aller Gewalt kommt!473 Als Grundzug dieser Linie sieht er die tiefsinnige Annahme der Seelenwanderung.474 Diese Vorstellung mache die fleckenlose Reinheit des Lohengrin einfach daraus erklärlich, dass er die Fortsetzung Parzifals – der die Reinheit sich erst erkämpfte – ist.475 Hierdurch würden auch die geplanten ‚Sieger‘ in diese Werkkette hintreten. Gleichzeitig aber hat Wagner die „fabelhaft wilde Gralsbotin“476 (der Name Kundry fällt noch nicht) näher konzipiert und kann der Briefpartnerin 469 Best, Blaue Blume S. 15. 470 „Das neue, säkularisierte Gottesreich soll im Gemüt entstehen: als Werk nicht eines christlichen Gottes, sondern eines vielgesichtigen, verflüssigenden Geistes.” Best, Blaue Blume S. 29f. 471 Best, Blaue Blume S. 48f. 472 Vgl. auch Steinacker, Erlösung S. 133: „Der Text des ‚Parsifal‘, ob symbolisch gemeint oder nicht, hält keiner Säkularisierung Stand.“ 473 Wagner SB Bd. 12, S. 237. 474 Wagner SB Bd. 12, S. 236. 475 Wagner SB Bd. 12, S. 237. 476 Wagner SB Bd. 12, S. 237.

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mitteilen, daß er sich dazu entschlossen hat, sie „ein und dasselbe Wesen mit dem verführerischen Weibe des zweiten Actes“ sein zu lassen.477 Nur die tiefsinnige Annahme der Seelenwanderung konnte mir den trostreichen Punkt zeigen, auf welchen endlich Alles zur gleichen Höhe der Erlösung zusammenläuft, nachdem die verschiedenen Lebensläufe, welche in der Zeit getrennt neben einander laufen, ausser der Zeit sich verständnissvoll berührt haben.478 Wagner hatte zu diesem Zeitpunkt nicht das Bedürfnis, dieser „schönen buddhistischen Annahme“479 etwas beizugeben, das sie mit den mittelalterlichen Romanen, die er überarbeitete, verbinden konnte. Er las vielmehr Hersart de la Villemarques ‚Contes populaires des anciens Bretons, précédés d’un Essai sur l’origine des épopées chevaleresques de la table-ronde‘ (1–2, Paris 1842), aus dem er Mathilde über die Handlung von Hartmanns ‚Erec und Enite‘ berichtete.480 Nur gelegentlich brach sich bei Wagner die Überzeugung Bahn, dass der endlose Kreislauf von Begehren und Leiden – den er nach Schopenhauer als ‚Willen zum Leben‘ apostrophierte – überwunden werden könne. Das Schicksal Kundrys hat insbesondere in neueren Inszenierungen Widerspruch hervorgerufen, es scheint unerträglich, dass die einzige größere weibliche Rolle im Verstummen, ja in der Auflösung endet.481 Man wäre mit einer Neuauflage des Verlöschens sicher zurechtgekommen, wenn nicht Kundry mit diesem Weg aus dem Elend alleine stünde und nur den Männern eine höhere Form der Erlösung vorbehalten gewesen wäre. Senta, Elisabeth, Isolde und Brünnhilde teilten ihren Tod mit dem Geliebten, aber Kundry stirbt, wie sie von Welt zu Welt gelebt hat: einsam und traurig. Die Verklärung, die um sie herum aufklingt, gilt nicht ihr, und es wird ihr Tod auch nicht mit einer Verklärung versehen wie jener der Isolde. Eine gewisse Selbstkritik äußerte Wagner in den letzten Zeilen, die er in seinem Leben niederschrieb: Hier ist es, wo das Weib selbst über das natürliche Gattungsgesetz erhoben wird, welchem es andererseits nach der Annahme selbst der weisesten Gesetzgeber so stark unterworfen blieb, daß z. B. der Buddha es von der Mög477 478 479 480

Wagner SB Bd. 12, S. 237–241. Wagner SB Bd. 12, S. 236. Wagner SB Bd. 12, S. 236. Wagner SB Bd. 12, S. 239. Müller, Erec geht zu weit, wenn er daraus eine „ungeschriebene Oper“ machen will. Wagner erzählt lediglich die Handlung, wie er oft aus den Büchern berichtete, in denen er las. 481 Vgl. auch Cosimas Gesprächsnotiz vom 30.12.1873: „Abends Gespräch mit R. über Religion; Nirwana nur negativ in Bezug auf unsere Welt, gewiß aber ein Positives, dem wir sein werden, wie wir es jetzt sind“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 771). Deutlicher formuliert es Bloch, Paradoxa S. 314: „die Verbindung Eros-Nirwana, sogar Nirwana-Brahma […] ist in diesem Schlußgesang einmalig, gerade als keine Verneinung des Willens zum Leben, trotz musiziertem Schopenhauer. […] Wagnersche Musik findet kein Nirwana ohne Glut.“

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lichkeit der Heiligwerdung ausgeschlossen gehalten wissen wollte. Es ist ein schöner Zug der Legende, welcher auch den Siegreich-Vollendeten zur Aufnahme des Weibes sich bestimmen läßt. Gleich wohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik.482 Allerdings sollte nach Wagners Vorstellungen gerade diese Geschichte in einer späteren Oper verwertet werden – den ‚Siegern‘483, die in der jüngeren ‚Parsifal‘Forschung als zusätzliche Quelle des ‚Bühnenweihfestspiels‘ angesehen und gegen seine ‚christlichen‘ Anteile ausgespielt werden. Wagner selbst hat das ganz sicher nicht so gesehen.484 Die Konzentration auf solche Elemente führt aber keineswegs zu einer Befreiung aus der vom Bayreuther Kreis propagierten ideologischen Verortung, wie Udo Bermbach485 und andere Wagnerforscher vermuten. Das Konstrukt eines ‚arischen Christus‘486 beruht ja gerade darauf, im Gefolge der Romantik unerwünschte Züge des Christentums als ‚jüdisch‘ zu diffamieren und den verbleibenden Torso willkürlich mit ‚Buddhistischem‘ (oder was man dazu erklärte) wieder aufzufüllen und sich dazu durch die Behauptung zu legitimieren, dass alle wahre Kultur von ‚­Ariern‘ stamme. Aus diesem Amalgam sollte – explizit spätestens seit der Gralsschrift des Joseph Görres487 – die ursprüngliche Religion der ins Industal projizierten ursprünglichen Hochkultur488 zurückgewonnen werden: Die neuesten wissenschaftlichen Forschungen haben es auch als ganz unwiderleglich begründet, daß der ursprüngliche Gedanke des Christenthums seine Heimath in Indien hat: die ungeheure Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, diesen reinen, durchaus weltverachtenden und dem Willen zum Leben abgewandten Gedanken auf den fruchtlosen Stamm des Judenthums zu pfropfen, hat einzig alle die Widersprüche verursacht, die bis heute das Christenthum so traurig entstellt und fast unkenntlich gemacht haben.489 Dieser Ansatz galt bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als wissenschaftlich und begründete noch die vom ‚SS-Ahnenerbe‘ finanzierte Tibet-Expedition 1938/39. 482 ‚Über das Weibliche im Menschlichen‘ (Wagner, SuD 12, S. 343). Vgl. Anm. II 145 und II 173. 483 Die aus dem Jahr 1856 stammende Skizze zu diesem Werk Wagner SuD 11, S. 325. Zu den Einflüssen dieses Projektes auf andere Werke vgl. Osthoff, Buddha-Projekt. 484 „R. beschloß unser Abendgespräch über das Christentum mit der Bemerkung, daß der ‚Parsifal‘ gewiß sein letztes Werk zu sein habe, in dieser Ritterschaft des Grales sei der Gedanke der Gemeinde ausgedrückt. ‚Die Sieger‘ könnten nur in unbedeutender, schwächlicher Weise das wiederholen.“ Cosima-Tagebücher 2, S. 925. 485 Bermbach, Richard Wagner in Deutschland, S. 191. Vgl. dagegen Borchmeyer, Nirwana S. 19. 486 Vgl. Franz, Religion des Grals S. 161. 487 Görres, Lohengrin S. Lf. 488 So Wagner, ‚Religion und Kunst‘ (1880), Wagner, SuD 10, S. 226. Vgl. auch Anm. I 22f. 489 Wagner an August Röckel, Arpil 1855 (Wagner SB Bd. 7, S. 130).

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Zu seinen markantesten Vertretern gehörte der Leipziger Religionsphilosoph Rudolf Seydel (1835–1892), der – ausgehend von Schopenhauer-Studien – sich mit ‚Die Buddhalegende und das Leben Jesu nach den Evangelien‘ (1882, ²1897) bzw. kompakt ‚Buddha und Christus‘ (1884) befasste. Einer seiner führenden Vertreter wurde der zum Bayreuther Kreis gehörende Wiener Indologe (und ChamberlainIntimus) Leopold von Schroeder (1851 – 1920) – übrigens der glühendste Verfechter einer ‚indischen‘ Interpretation des ‚Parsifal‘.490 Obschon also in der Rezeption der buddhistische Anteil im ‚Parsifal‘ hoch veranschlagt wird, ist die erkennbare Quellenbasis schmal. Die Bibliothek in ‚Wahnfried‘ enthält nur sechs Titel, die dem Buddhismus zugeordnet werden können, es sind, der Forschungslage entsprechend, mehrere englisch- bzw. französischsprachige Werke darunter. Zwei Quellenwerke sind zu nennen: der ‚Lotus de la bonne loi‘ in der französischen Übersetzung durch Eugène Burnouf491 und die englische Ausgabe der ‚Sutta nipāta‘ durch Coomāra Swāmy.492 Nach Danielle Buschinger ist Burnouf, neben den mittelalterlichen Quellen, eine wichtige Quelle Wagners. Es ist nicht notwendig, zu Schopenhauers Philosophie zu greifen, der auch manche Elemente seiner Philosophie dem Buddhismus entlehnt hat, mit einigen wichtigen Unterschieden, ja Dissonanzen: Im Unterschied zu Schopenhauer lobt der Buddhismus die Verneinung des Willens zum Leben nicht.493 Und zumindest dem späten Wagner ging es um eine Überwindung Schopenhauers. Die philosophische Grundlage des Mitleids mit Tieren, die sich im Buddhismus unmittelbar aus der Gewissheit ergibt, dass auch sie wiedergeborene Seelen in sich tragen, ist bei Wagner diffus. Er führt eine biographische Begebenheit an, die dieses Empfinden in ihm auslöste: Am 1.10.1858 will er in Venedig erlebt haben, wie ein Händler einem Huhn den Kopf abriss: „Der grässliche Schrei des Thieres, und das klägliche, schwächere Jammern während der Bewältigung, drang mit Entsetzen in meine Seele“494 – aber man wird hier ein ähnliches Konstrukt wie im angeblichen ‚Karfreitagserlebnis‘ im ‚Asyl‘ der Wesendoncks vermuten dürfen. Eine Wiedergeburt als Tier ist bei Wagner nirgends thematisiert. Dass wirklich buddhistische Vorlagen die Schwanenszene des ersten Aktes inspiriert haben, ist

490 Vgl. Anm. II 306. 491 Burnouf, Lotus de la bonne loi (Signatur III-a-5. 1). Dem Grundlagenwerk von Burnoff, Introduction, S. 184f entnahm Wagner nach eigener Aussage den Stoff zu ‚Die Sieger‘, vgl. Wagners Brief an König Ludwig II. vom 31.5.1865, dem er ein Exemplar des Buches beilegte. 492 Sutta Nipāta or Dialogues and Discourses of Gotama Buddha by Mutu Coomāra Swāmy, London 1874 (Signatur: III-b-3. 26). 493 Buschinger, Mittelalter S. 147 f. 494 Wagner BW Wesendonck, S. 50, 1.10.1858.

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schwer nachzuweisen: Volker Mertens hat einige Parallelen im ‚Rāmāyana‘495 aufgewiesen, die aber nur einzelne Elemente der ‚Parsifal‘-Handlung vorwegnehmen.496 Unverkennbar wirkte, worauf zuletzt ebenfalls Buschinger hingeweisen hat497, die in letzterer Sammlung enthaltene ‚Padhāna-Sutta‘ mit der Legende vom Kampf zwischen Siddharta Gautama und Māra 498 auf den zweiten Akt des ‚Parsifal‘ ein: Der Dämon Devaputra Māra versucht, Siddharta durch das Versprechen von Weltherrschaft und Luxus für sich zu gewinnen. Als er scheitert, sendet er seine drei Töchter Lust, Unzufriedenheit und Gier499 doch auch ihnen widersteht der Bodhisattva. Daraufhin schleudert Māra einen Diskus gegen ihn, der ihn vernichten soll, doch er bleibt schwebend über dessen Haupt stehen; Māra stürzt zu Boden, Donner und Flammen schlagen auf. Bei einem weiteren Versuch verwandelt Māra seine Töchter in sechshunderte schöne Frauen, die jedoch von Siddharta abgewiesen werden.500 Doch muss man zugeben, dass hier eher nebensächliche Elemente aus den ‚Buddha-Legenden‘ versammelt sind; bei weitem wichtiger – und ohne Gegenstück im ‚Parsifal‘ – sind in dieser Erzählung die finalen ‚neun Überschüttungen‘ (Wind, Regen, Steine, Waffen, glühende Kohlen, Asche, Sand, Schmutz und Finsternis501), mit denen Māra den Bodhisattva vom Bodhi-Baumes vertreiben will, ehe dieser zum Buddha wird. Der Diskus ist nur ein Detail502 unter den auf sehr mannigfaltige Weise am Erleuchteten scheiternden Waffen und Überschüttungen, aber es ist plausibel, daß sich Wagner bei der nicht vor 1874 möglichen Lektüre der ‚Padhāna-Sutta‘ zu einer Änderung am ‚Parsifal‘ inspirieren ließ, denn im ‚Ersten Prosaentwurf ‘ schleudert Kling­sor die Lanze noch nicht, sondern Parzival „entreißt sie dem Ritter“.503 Kling­

495 Le Maha-Bharata, poème épique de Krishna-Dwaipayana, plus communément appelé Véda- Vyasa c’est-á-dire le compilateur et l’ordonnateur des Védas, traduit complètement pour la première fois du sanscrit en francais par Hippolyte Fauche. 10 Bde, Paris 1863–1870, Signatur der ‚Wahnfried‘-Bibliothek: III-a-5.4(1–10, wohin sie laut Mertens, Gangesland S. 72 Anm. 56 durch Judith Gautier kamen. 496 Mertens, Gangesland S. 71–73. Es handelt sich vor allem um heilige Tiere, die aber – was Mertens verschweigt – auch in Hainen westlicher Naturreligionen vorkommen. Wenn dann eine – Wagner nicht unbedingt bekannte – Erzählung aus der Klage eines Reiherweibchens um seinen erlegten Partner ein episches Versmaß entsteht läßt, so steht sie damit poetisch auf einem höheren Niveau als die bloße Vorführung des Leidens durch Gurnemanz, der von einer Klage des Weibchens gar nichts sagt. 497 Die These wurde 1891 erstmals erhoben von Heckel, ‚Jesus von Nazareth‘. Hier nach Buschinger, Mittelalter S. 142 unter Hinweis auf Oldenberg, Buddha, der zwar S. 59f von Māra berichtet, jedoch nicht auf die Buddha-Legenden eingeht, und im übrigen natürlich als Quelle zum ‚Parsifal‘ nicht infrage kommt. 498 Carus, Devil S. 104–115. 499 Ratī, Aratī, Tanhā bedeutet laut Buschinger, Mittelalter S. 142: „Begierde, Unruhe und Verlangen“. 500 Engels, Wunde S. 54 glaubt, die Sutta als Quelle für die Blumenmädchen den mittelalterlichen Quellen vorziehen zu müssen, weil im Zauberschloß (Engels irrtümlich: „Zaubergarten“) des Clinschor bei Wolfram ja nur 400 adlige Damen gefangen seien. 501 Carus, Devil S. 111. 502 So schon Mertens, Gangesland S. 73 f. 503 Wagner SuD 11, S. 409.

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sors Zauberschloss ist 1865 pauschal von „Teufelinnen“ bewohnt504, eine davon ist die auf das Rad der Wiedergeburt gefesselte Kundry, die einen Mann treffen muss, der sich von ihr nicht verführen läßt. Deshalb hat Kling­sor sie in seiner Gewalt.505 Die Begriffe, in denen Wagner Kundry umschreibt, sind fraglos buddhistisch, aber der Zyklus der Wiedergeburten gilt 1865 wie auch später im Libretto nur für Kundry506, die im übrigen sich über ihr Wiedergängerdasein vollkommen im Klaren ist. Auch die Auseinandersetzung zwischen Kling­sor und Parsifal ist eine ganz andere als in der ‚Padhāna-Sutta‘, die ja gerade keine zentrale Verführerin kennt. Antisemitische Lektüre Wagner verfolgte dieses zu seiner Zeit florierende Genre aufmerksam. In abendlicher guter Laune bezeichnete er sich bisweilen sogar als Begründer dieser Bewegung.507 Das ist aber Selbstüberschätzung. Rüdiger Görner hat erst unlängst herausgestellt, dass antisemitische ‚Entgleisungen‘ zu den Phänomenen gehörte, die die Romantik in Deutschland von Anfang begleiteten. „Die Romantik kennt keine gefährlich misstönendere ‚Kammermusik‘ als das antisemitische Gegeifere, das Schule machte und an Rabiatheit weit über das hinausging, was man als ‚übliche Form‘ antijüdischen Verhaltens in bürgerlichen Kreisen im übrigen Europa beobachten konnte.“508 So arbeiteten Wagners Bayreuther Adepten sogar dort weiter, wo er selbst an seine Grenzen stieß. Das diffuse Gefühl, dass ‚Juden‘ mehr und mehr Schlüsselpositionen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben Deutschlands besetzten und ‚das Deutsche‘ dabei in Defensive, wo möglich gar Bedeutungslosigkeit gerate, trug Wagner zweifelsohne um. Gerade bei ihm sind die Grenzen zwischen den Begriffen ‚Moderne‘ und ‚Judentum‘ bis zur Unkenntlichkeit verwischt.509 Die Gründe dafür sind psychologische. Wagner quälten in den späten Jahren Albträume. Juden bedrängten ihn, die zu Gewürm wurden510, zwei Jüdinnen wurden gar sexuell zu-

504 Wagner SuD 11, S. 367. 505 Wagner SuD 11, S. 404. 506 Das Verhältnis Lohengrin-Parzival, über das Nietzsche angesichts des Keuschheitsideals des Spätwerks hämisch witzelte, dachte sich Wagner schon in einem Brief an Mathilde Wesendonck vom August 1860 im Sinne einer Wiedergeburt: „Nach der schönen buddhistischen Annahme wird die fleckenlose Reinheit des Lohengrin einfach daraus erklärlich, daB er die Fortsetzung Parzivals – der die Reinheit sich erst erkämpfte – ist“. Vgl. auch Osthoff, Buddha-Projekt S. 199. 507 Vgl. Cosima-Tagebücher 2 S. 424: „ich lese eine sehr gute Rede des Pfarrers Stoecker über das Judentum. R. ist für völlige Ausweisung. Wir lachen darüber, dass wirklich, wie es scheint, sein Aufsatz über die Juden den Anfang dieses Kampfes gemacht hat.“ Adolf Stoecker (1835–1909) war preußischer Landtagsabgeordneter und ab 1879 im Reichstag Führer der ultrakonservativen Kreuzzeitungspartei. 508 Görner, Romantik S. 46. 509 Am deutlichsten in dem Essay ‚Modern‘ (Wagner, SuD 10, S. 54–60). 510 Cosima-Tagebücher 2, S. 766. Hein, Viel Hitler S. 113 kürzt den ersten Teil des Traumes heraus, der die erotische Konnotation des Ganzen beinhaltet.

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dringlich511; andere Jüdinnen verhöhnten ihn512 – und so teilte er im Schlaf Alberichs Schicksal oder kämpfte in Kling­sors Garten. Zu allem Überfluss geriet Wagner seinerseits in antisemitisches Kreuzfeuer. Es gab zeitgenössische Kritiken, die Wagner zum „Judenbengel“ machten, ihn als „Rabbi von Bayreuth“ verhöhnten und darauf verwiesen, dass er ein kleiner „Reformator mit der grossen, jedenfalls nicht germanischen Nase“ sei.513 Im August und September 1879 las er ein Pamphlet mit dem Titel ‚Das Alte Testament. Der-von-Schiloh. Für jeden Wahrheitsliebenden dem wirklichen Inhalte nach zum ersten Male verständlich ausgeschrieben‘, von H. Haug, Berlin: Grieben 1872.514 Cosima dokumentierte, dass er erst fasziniert war: Er lese „mit großer Erregung, das jüdische Wesen eröffnet sich ihm immer mehr“515, aber schon bald berichtete er Wolzogen und Cosima „von dem ‚verrückten‘ Buch des Herrn Haug, allerhand sehr Wunderliches. R. sagt, er könne nicht viel davon lesen, er wolle aber fortfahren. Er will seine Gedanken über Religion noch einmal niederschreiben.“516 Einen Tag später: „Er arbeitet am Vormittag, nachdem er gelesen hat in Haug’s ‚Altem Testament‘, welches er aufzugeben beinahe gesonnen ist, es sei zu verrückt.“517 Er kapitulierte am 9.9. schließlich tatsächlich: Gleich nach dem Abendessen hatte mir R. das Résumé des Buches von Haug vorgelesen; er verläßt die Lektüre trotz des Vergnügens, welches er an manchem der Einfälle findet. (Die Juden als „rechnende Raubtiere“ z. B. gefällt ihm sehr.) „Das ist wieder ein Deutscher“, sagt R., „mit den originellsten, tiefsten Gedanken, aber verrückt.“518 Wagner erwähnte Haugs Buch ein paar Wochen später noch einmal (zum letzten Mal) wegen einer Anspielung auf die ‚Edda‘, es war damit für ihn erledigt. Glasenapp referierte im sechsten Band seiner Wagner-Biographie Cosimas Noti­zen, jedoch ohne sie als Quelle zu nennen, so dass er (wie so oft) den Anschein er­weckt, ein Augenzeuge gewesen zu sein, der er aber nach Cosimas Tagebuch ganz sicher nicht war. Doch übernahm er den vernichtenden Satz, Haug sei verrückt, nicht und fügte – Haugs Pamphlet stand ihm also zur Verfügung – seitenlange Exzerp511 Cosima-Tagebücher 1,740 zum 15.10.1873. 512 Cosima-Tagebücher 2,376 zum 3.7.1873. 513 Tappert, Spiegel S. 38, Lemmata „Jude“ und „Judenbengel“. Auch Caroline von Sayn-Wittgenstein vermutete eine jüdische Abstammung: „Years before the Geyer and the Leipsic Judengasse story came out she unhesitatingly pronounced Richard Wagner of Semitic origin; she also had her doubts about Berlioz and others.“ (Huneker, Liszt S. 20). Weiteres Material bei Brener, Wagner and the Jews S. 295 f. 514 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 399 und S. 402. In der ‚Wahnfried‘-Bibliothek unter der Signatur I-c-2.13. 515 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 402 zum 1.9.1879. 516 Cosima-Tagebücher 2, S. 403 zum 2.9.1879. 517 Cosima-Tagebücher 2, S. 404 zum 3.9.1879. 518 Cosima-Tagebücher 2, S. 406 zum 9.9.1879. Haugs „Verrücktheit“ ist seine Kernthese: daß die germanischen („nordischen“) Völker vom Nordpol, die Juden jedoch vom Südpol stammten.

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te an, die zeigen sollen, was Wagner aus dem Werk dann doch für erwägenswert gehalten habe.519 Im Zentrum stand die Diffamierung der Juden als „rechnendes Raub­tier“ – einen Ausdruck, den Wagner tatsächlich übernahm, allerdings für eine Ge­neralkritik an der instrumentellen (d. h.: kapitalistischen) Vernunft, die auf der Vergeltungslehre des Alten Testaments beruhe und insbesondere die Vivi­ sektion begünstige.520 Dieser Gedankengang mag wenig überzeugend sein, aber er mündete jedenfalls nicht in einen Aufruf zur Judenverfolgung, sondern zum Vegetarismus. Eine ähnliche Verzerrung erzielte Glasenapp – in direktem Widerspruch zu der grundsätz­ lich positiven Meinung, die Wagner in ‚Religion und Kunst‘ vom Sozialismus hatte521 – in einer Attacke auf die „raffiniertesten, intelligentesten Formen des sozialis­tisch destillierten Meuchelmordes, der statt Blut nur noch den Schweiß des Zehrfiebers riecht“.522 Wie Glasenapp zu der Behauptung kam, diese Zitate hätten Wagner besonders angesprochen, berichtet er nicht. Vielleicht war es Wunschdenken. Cosimas Tagebücher verweisen nicht darauf. Möglicherweise hat Glasenapp Wagners Handexemplar benutzt.523 Heute verlorene Broschüren aus der ‚Wahnfried‘-Bibliothek stammten von Bernhard Förster (1843–1889), dem Schwager Friedrich Nietzsches524 und Verfasser einer Schrift über die ‚Parsifal‘-Uraufführung. Förster wollte in Südamerika ein bes­se­res Deutschland errichten. 1880 richtete er eine Petition gegen die Judenemanzipation an Bismarck. Hans von Wolzogen war als Förderer dieser Initiative tätig; er suchte insbesondere Personen des öffentlichen Lebens zu gewinnen. Bei

519 „Nichtsdestoweniger treffen wir in demselben Buche neben jenen ausschweifenden Exzentrizitäten auf Geistesblitze eines unabhängigen historisch-kritischen Denkens, die sich mit den eigenen Gedanken des Meisters über die Grundlagen unserer, auf Eroberung und Gewalttätigkeit beruhenden modernen Ständeordnungen und Staatsverfassungen – von Oper und Drama bis in die letzte Zeit – auf das unmittelbarste berühren.“ (Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 233). 520 Das Mitleid sei „nun verschollen; das alte Testament hat heut’ zu Tage gesiegt, und aus dem reißenden ist das ‚rechnende‘ Raubthier geworden. Unser Glaube heißt: das Thier ist nützlich, namentlich wenn es, unserm Schutze vertrauend, sich uns ergiebt“ (Wagner, SuD 10, S. 203). 521 Vgl. Wagner, SuD 10, S. 240f. 522 Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 233; es handelt sich um ein Zitat aus Haugs Einleitung (S. XLIf.). 523 ‚Wahnfried‘-Signatur I-c-2.13. 524 Zu ihm Salmi, Sucht.

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Hans von Bülow hatte er Erfolg.525 Wagner jedoch unterschrieb nicht.526 Und, als ob das nicht genug wäre: Dr. Förster schickt einen Aufruf zur Gründung einer anti-semitischen Zeitung, R. erzählt, daß er von Neapel aus ihm geschrieben habe: „Sehen Sie, ob Sie in Fürst Bismarck’s Kram passen“, – - und Sie scheinen in den Kram zu passen, denn Sie adoptieren sein ganzes Programm. „Wir Bayreuther mit unseren Ideen werden sehr einsam bleiben.“527 Försters Panegyrik für ihn nimmt Wagner mit einer Mischung von Misstrauen und Selbstverliebtheit entgegen, die Dogmatisierung jedenfalls macht ihm Angst: Er liest heute in der kleinen Schrift von B. Förster, bedenklich über manches (er sagt u. a.: „Man wirft so einen Gedanken hin wie ich über Bach und die deutsche Sprache, die machen daraus eine unveräußerliche, feste Sache, nun haben wir’s“), aber auch erfreut durch einiges, wie z. B. daß Walhalls Burg zum Grals-Tempel wurde.528 Während Wagner an ‚Heldenthum und Christenthum‘ arbeitete, teilte er – sicher nicht ohne Berechnung – dem über Försters Umtriebe besorgten529 Deutsch-Juden Angelo Neumann mit: 525 Nach Cosima-Tagebücher 2, S. 564 zum 7.7.1880 begründete Wagner seine Verweigerung mit der Unterwürfigkeit gegen Bismarck und der grundsätzlichen Sinnlosigkeit solcher Aktionen. – Zu Wagners massiver Ablehnung Bismarcks vgl. Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 770. Hans von Wolzogen teilte diese Haltung definitiv nicht. Er schrieb am 12.9.1880 an Hans von Bülow: „Daß ich Sie mittelbar veranlaßt habe, die Förster’sche Petition mitzuunterschreiben, sollte mich, nach Ihrer Darstellung dieser Angelegenheit, eigentlich mit dem Gefühle großer Verantwortlichkeit belasten. Obwohl ich nun durchaus und von Anfang an über die Folgen wie über die Erfolglosigkeit der Sache Ihre Meinung völlig getheilt habe, so möchte ich doch offen gestehen, daß ich unbesorgt bleibe, in der Überzeugung von der wohl für uns Beide gleicherweise dringend empfundenen Nothwendigkeit des ,Farbe-Bekennens’, welches zumal für einen Mann solcher idealer Thaten, wie Sie für uns gethan, immer und durch alle argen äußeren Folgen hindurch eine wohlthätige Erleichterung und moralische Freude bleiben wird.“ Abdruck bei Bülow, Briefe 7 S. 31–33. 526 Cosima-Tagebücher 2, S. 564 zum 7.7.1880. Glasenapp übernimmt die rein formale Interpretation von Wagners Ablehnung: „So sehr jedoch die darin kundgegebene nationale Sorge mit der seinigen zusammentraf, so verdienstlich das Unternehmen des feurigen Agitators an sich war: so unmöglich fiel es ihm andererseits, diese in den üblichen devoten Formen gehaltene – Adresse mit seinem Namen zu decken. Er teilte sich daher an Dr. Förster in dem Sinne mit, daß er seit dem Schicksal der Petition in der Vivisektionsfrage es sich vorgenommen habe, nie wieder eine Petition zu unterzeichnen. Dazu war er nach allen vorausgegangenen Erfahrungen in bezug auf den Empfänger des Schriftstückes im voraus nur allzusehr von ihrer Erfolglosigkeit überzeugt.“ (Glasenapp, Leben Richard Wagners 6, S. 369) 527 Cosima-Tagebücher 2, S. 672 zum 22.1.1881. Ähnlich die Bemerkung vom 14.1.1881 (CosimaTagebücher 2, S. 664): „Eine Broschüre von Pr. Dühring gegen die Juden ist wahrhaft entsetzlich durch den Stil.“ Sie bezieht sich auf Karl Eugen Dühring, Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Kulturfrage, Karlsruhe u. Leipzig 1881. Dühring arbeitet eng mit Förster zusammen. 528 Cosima-Tagebücher 2, S. 1093 zum 17.1.1883. 529 „Dr Neumann schreibt an mich, daß Gefahr im Anzug wäre, daß die Juden den ‚Ring‘ in Berlin

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Der gegenwärtigen ‚antisemitischen‘ Bewegung stehe ich vollständig fern: ein nächstens in den ‚Bayreuther Blättern‘ erscheinender Aufsatz von mir wird dies in einer Weise bekunden, daß Geistvollen es sogar unmöglich werden dürfte, mich mit jener Bewegung in Beziehung zu bringen.530 Man muss sich, um Wagners Ausfälle gegen das Judentum einordnen zu können, vor Augen führen, dass er – anders als die moderne Wagner-Forschung – Försters Schriften aufmerksam gelesen hatte. Wagners Antisemitismus wird damit nicht „harmlos“ – das war er nicht, weil er Agitatoren wie Förster die Möglichkeit gab, Wagner als prominenten Zeugen für ihre Hetzreden anzuführen – aber erheb­lich relativiert.531 Den größten Eklat – und im Hinblick auf die weitere Entwicklung solchen Gedankengutes zum Nationalsozialismus sehr wichtigen Eklat – gab es im Jahre 1880, als Förster einen neuheidnischen Artikel für die ‚Bayreuther Blätter‘ einreichte. So hatte der Berliner Kunsthistoriker Dr. Bernhard Förster in einem sonst trefflichen Vortrag über ‚Richard Wagner als Begründer eines deutschen Nationalstils, mit vergleichenden Blicken auf die Kulturen anderer indogermanischer Nationen‘ darauf hingewiesen, daß unsere germanischen Vorfahren, kaum mit dem Römerreich in Verbindung getreten, ihre ureigne Religion zugunsten des Christentums, und noch dazu in der entstellten Form des Byzantinismus, aufgegeben hätten und damit sich selbst untreu geworden wären. Verboten und vernichtet sei dadurch der lebendige Glaube an die Insassen des heidnischen Götterhimmels, die Bewohner von Walhall, gewesen; aber was als Glaube verboten war, habe sich als Sage fortgesetzt; was der Priester nicht mehr lehren durfte, die Mutter am heimischen Herd ihren Kindern erzählt. In seinem mannhaften Bestreben, dem Arier zu geben, was des Ariers sei und seinem schöpferischen Geiste das ihm Gehörige zu vindizieren, war der Redner soweit gegangen, selbst die Evangelien allzu ausschließlich und in zu kräftig verwerfenden Worten in ihrem Inhalt als indische Weisheit anzusprechen; hatte dann aber, infolge der Streichung eini­ger weniger, dem Inhalt nicht besuchten; R. rät ihm, Berlin aufzugeben und nach London gleich zu gehen; die Bürgerschaft hat kein Geld, der Adel und der Hof werden Hülsen’s wegen ausbleiben und die Juden der Agitation wegen.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 699 zum 23.2.1881) 530 Gedruckt Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 441 mit der Anmerkung, es sei „nicht leicht zu vergegenwärtigen, was sich Neumann dabei gedacht und was er nach seiner Auffassung der Dinge sich davon verhofft habe“; vgl. mit anderer Intention Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 769. 531 Förster, Verhältnis S. 16f.: „vielmehr haben sie sich stets in ihrer Rolle, als fremdartiger Sonderling, als undeutscher Gast, als ewig wandernder Jude gefallen. Sie sind also mit einem Wort Parasiten geworden. (Heiterkeit und Beifall.) Der Ausdruck ist hart, aber nicht zu umgehen. Dieses Parasiten­ thum ist für beide Theile nicht ehrenvoll und angenehm. Der Organismus, der von Parasiten behaftet ist, freut sich deren nicht und der Parasit wird gemisshandelt, verfolgt und gering geachtet. (Lauter, anhaltender Beifall.).“ Auch Wagner verwendete die Parasitenmetapher im handschriftlichen Tagebuch für König Ludwig (Erstdruck BW Ludwig II. 4, S. 19). In die gedruckte Bearbeitung „Was ist deutsch?“ wurde diese Passage nicht übernommen und hat auch nirgends sonst eine Parallele.

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des Ganzen nach nebensächlicher Zeilen durch Wolzogen, sein Manuskript zurückgefordert, weit die Abweichungen der Auffassungen zu groß seien.532 Wagner teilte Wolzogen aus Italien mit, dass er zwar ungern Förster „verlieren“ wolle, dass er aber unbedingt an der christlichen Einbindung der Blätter festhalten wolle.533 Die 1880 beschworene „alexandrinisch-judaisch-römischen-despotischen Ver­un­ stal­tung“534 des Christentums stammte dabei von Förster und wurde von Wagner ver­fremdend zitiert. Indirekt spielte der Brief auch auf ‚Parsifal‘ an, indem von einem „wahrhaft erkannten … gereinigten und erlösten Erlöser“ die Rede ist, über dessen Rolle er sich mit Wagnerianern vom Schlage Försters nicht einigen könne. Eine besondere Rolle spielte Försters Amerika-Projekt – der 1887 in die Tat umgesetzte Versuch, eine deutschnationale und ‚wagnerianisch‘ gestimmte Kolonie in Para­guay aufzubauen.535 Das Scheitern dieser Unternehmung trieb Förster in den Selbst­mord. Er hatte Wagner mehrfach ohne Erfolg zur Teilnahme aufgefordert. Dieser spielte zwar mit dem Gedanken an Auswanderung, aber nur nach Nordamerika, und zwar vor allem, weil er sich dort ein grandioses Jahreseinkommen erhoffte.536 Es macht wenig Sinn, solche Widersprüche in die eine oder andere Richtung auflösen zu wollen.537 1878 las Wagner eine anonyme Schrift, die ihm das Exordium für den Beitrag ‚Modern‘ im ersten Jahrgang der ‚Bayreuther Blätter‘ verschaffte. Wagner zitiert seine Quelle in nicht nachvollziehbarer Weise: „In einer kürzlich mir zugesandten Flugschrift wird ‚eine bedeutende jüdische Stimme‘ herangezogen, welche sich in folgender Weise vernehmen läßt.“538 Bei der Flugschrift handelte es sich um den Essay ‚Die Juden im deutschen Staats- und Volksleben‘ von Hilarius Bankberger539, der 1879 zunächst anonym in der ‚Deutschen Reichs-Post‘ (einer christlichen Wiener Zeitung) erschien und alsbald ebenfalls anonym als Separatdruck von 49 Seiten, den „der Verfasser ihm geschickt“ hatte – Cosima kannte den Namen des Autors anscheinend nicht540, auch wenn sie sich am 26.2.1878 mit ihrem Mann über die Broschüre unterhielt.541

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Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 298. Abdruck bei Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 6, S. 298f. Wagner-B Künstler, S. 386. Vgl. Förster, Colonien. – Die Doppelnummer Mai/Juni des Jahrgangs 10 (1887) der ‚Bayreuther Blätter‘ enthielt nach ihrer letzten Seite (128) den „Aufruf!“ Försters an die „Herren Lehrer und Geistlichen“ zur Unterstützung der Kolonie, der auch eine sich über ein Doppelblatt sich erstreckende Karte des erworbenen Landes beigefügt war. 536 Vgl. Julian Seaman, Wagner’s Proposed Migration to U.S., In: The New York Times, 6. Dec. 1931. 537 So schon 1978 Wolf Rosenberg, Versuch über einen Janusgeist, bes. S. 41 f. 538 Wagner, SuD 10, S. 54. 539 Pseudonym von Franz Perrot (1835–1891), Journalist und Reichtagsmitglied, vgl. Ulrich Wyrwa in: Benz, Handbuch des Antisemitismus 2/2 (2009), S. 626f. 540 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 50 zum 25.2.1878. 541 Cosima-Tagebücher 2, S. 50 zum 26.2.1878. Erst in der vierten Auflage von 1879 mit nunmehr 114 Seiten wurde der Autor auf dem Titelblatt genannt.

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Das von Wagner als Motto für seinen neuen Beitrag zu den ‚Bayreuther Blättern‘542 verwendete Zitat über die jüdische Presse als Weltmacht findet sich darin selbst wieder nur als Zitat543 aus einer Hetzschrift des Johann de le Roi von 1871544, der den bis zu Wagner durchgeschleiften Ausdruck „eine bedeutende jüdische Stimme“ prägte, über deren Identität Bankberger und Wagner ganz sicher keine Vorstellung hatten und in ihrer Verblendung wohl auch gar nicht suchten.545 Stefanie Hein hat mit einigem Recht die Existenz dieser „jüdischen Stimme“ in Zweifel gezogen.546 Wagner selbst tat dies nicht, und so tut man sich schwer damit, den wenig erbaulichen Traktat einzuordnen, da er eine fiktionale Quelle als Beleg für eine vermeintlich reale Bedrohung bekämpft. Der Typus des ‚jüdischen‘ Intellektuellen wurde in den ‚Meistersingern‘ in der Gestalt des Sixtus Beckmesser karikiert. In ähnlicher Weise haben antisemitische Klischees die Figuren von Alberich547, Loge, Mime und Kling­sor beeinflusst, ohne dass sie damit zur Personifikation ‚des Juden‘ oder des ‚Judentums‘ wurden oder auch nur werden sollten.548 Diese Uneindeutigkeit hat nicht nur die moderne Forschung, sondern bereits die antisemitische Publizistik der Wagnerzeit verwirrt.549

542 Wagner, Modern, in: Wagner SuD 10, S. 54–60, das Zitat S. 54. Der Aufsatz wurde am 12.3.1878 abgeschlossen, vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 57. 543 Bankberger, Volksleben S. 45. 544 De le Roi, Stephan Schultz S. 198, als Quelle genannt bei Bankberger, Volksleben S. 2. Daß Wagner nicht den Originaltext von De le Roi selbst gelesen hat, ergibt sich aus dem Hinweis auf eine „Flugschrift“ als Quelle. 545 Insofern ist Wagners Verwunderung echt, wenn auch von Ressentiments verzerrt: „Ich hatte so etwas noch nicht gelesen, sondern vermeint, unsere jüdischen Mitbürger hörten nicht gern von solchen Dingen sprechen.“ (Wagner, SuD 10, S. 54). 546 Hein, Kunstprogramm S. 223 f. Sie verweist mit Recht auf den parallelen Fall der ‚Protokolle der Weisen von Zion‘, durchschaut aber das Zitateknäuel in Wagners Traktat nicht und setzt die „jüdische Stimme“ und die von Wagner angeführte Flugschrift in eins. Damit wird Wagner zum Fälscher der „jüdischen Stimme“. 547 Vgl. die Beschreibung Alberichs mit „Krötengestalt“ und seiner „Stimme Gekrächz“ durch die Rheintöchter (Wagner SuD 5 S. 207) mit folgendem Satz aus dem ‚Judenthum in der Musik‘: „Der Jude […] fällt uns im gemeinen Leben zunächst durch seine äußere Erscheinung auf, die, gleichviel welcher europäischen Nationalität wir angehören, etwas dieser Nationalität unangenehm Fremdartiges hat: wir wünschen unwillkürlich mit einem so aussehenden Menschen Nichts gemein zu haben. […] Steigert der Jude seine Sprechweise, in der er sich uns nur mit lächerlich wirkender Leidenschaftlichkeit, nie aber mit sympathisch berührender Leidenschaft zu erkennen geben kann, gar zum Gesang, so wird er uns damit geradesweges unausstehlich.“ (Wagner, SuD 5, S. 69f.) 548 Vgl. aber dagegen Wagners Ausführungen Cosima-Tagebücher 2, S. 52: „Vergleich zwischen Alberich und Kling­sor; R. erzählt mir, daß er einst völlige Sympathie mit Alberich gehabt, der die Sehnsucht des Häßlichen nach dem Schönen repräsentiere. In Alberich die Naivität der unchristlichen Welt, in Kling­sor das Eigentümliche, welches das Christentum in die Welt gebracht; er glaubt nicht an das Gute, ganz wie die Jesuiten“, die Wagner ebenso fürchtete wie die Juden. 549 Weininger, Geschlecht S. 414. Der 1902 in Wien promovierte Autor (1880–1903) war konvertierter Deutsch-Jude, vgl. Le Rider, Weininger bzw. Ross, Wagner S. 304–306. Er warf wirft Wagner gar vor er sei „von einem Beisatz von Judentum, selbst in seiner Kunst, nicht freizusprechen“, was aber nicht als „kleinpsychologische Herabsetzung des großen Mannes“ verstanden werden dürfe (S. 415),

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Doch gerade weil Wagner als Leser antisemitischen Schrifttums diese Strömung kannte und weil er hoffte, darauf Einfluss nehmen zu können, muss man seine eigenen Äußerungen neben dieses Schrifttum halten. Kein Judenwitz war Wagner zu dumm oder zu gehässig. Stillhalten oder Taktieren war nicht seine Art – und er hat auch hier seine Meinung laut, bisweilen wie ein Marktschreier, gesagt und publiziert. Doch zeichneten sich vor den wahrhaft abgründigen Hetzwerken – nicht nur Försters, sondern auch des deutschen Orientalisten Adolf Wahrmund (1827–1913), der sich mehrfach direkt auf Wagner berief – deutliche Unterschiede ab.550 Wahrmund forderte geradewegs die Vertreibung der Juden aus Europa.551 Wagner wollte allenfalls selbst auswandern; im Zentrum seiner Betrachtungen stand aber eigentlich seine Musik – d. h. das, was er für die alleinige „deutsche Kunst“ hielt. Ihre Verbreitung sollte die anvisierten Probleme lösen – und diesem Programm konnten sich, was Förster und Wahrmund nie widerfuhr, auch Angehörige des jüdischen Bürgertums wie Porges, Levi und später selbst Gustav Mahler anschließen.552 Die Verengung des Denkens und der Verlust der Humanität darin gehörte nach Bayreuth; und sie kam schleichend, wurde aber durchaus von Kritikern beobachtet. 1888 dirigierte mit Mottl erstmals ein „christlicher“ Dirigent den ‚Parsifal‘, da Hermann Levi erkrankt war. Dies fand in der rechten Presse ein begeistertes Echo. Felix Weingartner, ein Bayreuther Dissident553, setzte sich vergebens zur Wehr:

dennoch war Wagner für ihn „der größte Mensch seit Christus“ und ‚Parsifal‘ (dessen Aufführung er 1902 besucht hatte) die „tiefste Dichtung der Weltliteratur“ (S. 467). 550 Wahrmund, Nomadentum S. X: „Nationales, durch das Evangelium Christi ethisch gewordenes Leben auf neu gesicherter bäuerlicher Grundlage, kräftige Persönlichkeiten, und deren Kraft zusammengefasst durch die Hand eines starken Königthums, — die verbürgen uns den Sieg über den dämonischen Ansturm des semitischen Nomadenthums, den wir heute erleben, wie über allen Asiatismus, welchen Namen er auch tragen möge.“ – Wahrmund rezensierte in den ‚Bayreuther Blättern‘ rassistisches Schriftgut, vgl. z. B. 6 (1883), S. 77–83, wo er sich, verglichen mit dem „Nomandentum“ geradezu zahm gibt und in der Mitleidsphilsophie die Lösung aller menschlichen Probleme sieht. 551 „Ausscheidung dieser jüdischen Nomaden aus unserer Mitte“, Wahrmund, Nomadentum S. 234. Den Gedanken, damit möglicherweise eine „Selbstausrottung“ der Juden zu initiieren, lehnt er zynisch als „freilich unmenschlich“ ab (S. 235). 552 Hermann Levi am 13.4.1882 an den widerstrebenden Vater über Wagner: „Auch sein Kampf gegen das, was er ‚Judentum‘ in der Musik und in der modernen Literatur nennt, entspringt den edelsten Motiven, und daß er kein kleinliches Risches hegt, wie etwa ein Landjunker oder ein protestantischer Mucker, beweist sein Verhalten zu mir, Joseph Rubinstein und seine frühere intime Beziehung zu Tausig“ (Levi, Briefe S. 9). 553 Vgl. Weingartner, Bayreuth S. 12: „In dem sicheren Gefühle, dass eine selbstständige Entfaltung seiner Kräfte ‚unter den obwaltenden Umständen‘ in Bayreuth unmöglich sei, und dass dienen, d. h. sich selbst untreu werden, und dafür in demüthiger Unterwürfigkeit auf Gnadenbezeugungen harren, niemals und an keinem Orte meine Sache ist, habe ich Bayreuth vor Schluss der Festspiele 1886 verlassen und seitdem jeden Schritt sorgfältig vermieden, der mir als Versuch einer Annäherung hätte ausgedeutet werden können. Ich habe dafür auch den Vorzug, Bayreuth als freier, unabhängiger Künstler gegenüberzustehen und durch nichts am Aussprechen meiner innersten Gedanken verhindert zu sein. Freilich ist das heutzutage ein undankbares Unternehmen.“

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ich selbst war Zeuge der überschwänglichsten Lobes und Dankesbezeugungen, die Frau Wagner Levi nach manchen besonders gelungenen ParsifalVorstellungen spendete. Warum also plötzlich dieser Umschwung? — Weil Levi Jude ist? — War er das 1882 nicht auch und hat er desshalb weniger gut dirigirt? — Man mag der semitischen Rasse feindlich oder freundlich gegenüberstehen; man mag aus nationalen, künstlerischen, ethischen und ästhetischen Gründen sich zu ihr stellen, wie man will: stets aber ist es kleinlich und unwürdig, diese Stellungnahme prinzipiell auf ein einzelnes Individuum aus keinem anderen Grunde als eben nur dem der Verschiedenheit der Rassen zu übertragen.554 Vivisektionsschrifttum Wagner entwickelte hohen theoretischen Aufwand, um das, was ihm widerwärtig schien, für sich und andere hinwegzudiskutieren. Aus Paris ließ er Mathilde Wesendonck wissen: So wäre alle furchtbare Tragik des Lebens nur in dem Auseinanderliegen in Zeit und Raum zu finden: da aber Zeit und Raum nur unsre Anschauungsweisen sind, ausserdem aber keine Realität haben, so müsste dem vollkommen Hellsehenden auch der höchste tragische Schmerz nur aus dem Irrthum des Individuums erklärt werden können: ich glaube, es ist so!555 Zwei Jahre früher allerdings schrieb er in einem geheimen Tagebuch an dieselbe über einen Eindruck, den er nicht auflösen konnte: Vor kurzem fiel mein Blick von der Strasse in den Laden eines Geflügelhändlers; gedankenlos übersah ich die aufgeschichtete, sauber und appetitlich hergerichtete Ware, als, während seitwärts Einer damit beschäftigt war, ein Huhn zu rupfen, ein Andrer soeben in einen Käfig griff, ein lebendes Huhn erfasste und ihm den Kopf abriss. Der grässliche Schrei des Thieres, und das klägliche, schwächere Jammern während der Bewältigung, drang mit Entsetzen in meine Seele. – Ich bin diesen so oft schon erlebten Eindruck seitdem nicht wieder los geworden.556 Sein Räsonieren versucht, den traumatischen Anblick zu überhöhen und gelangt so dazu, Mathilde gegenüber einen Teil seines ‚Parzival‘-Projektes auszusprechen557:

554 Weingartner, Bayreuth S. 16. 555 Wagner SB Bd. 12, Nr. 195, hier S. 236. 556 Wagner BW Wesendonck, S. 49–50, am 1.10.1858, ein Auszug RWSW 30, S. 13 f. Vgl. auch Schild, Wagner recht betrachtet S. 418 f. 557 Der Tagebuch-Eintrag ist allerdings vor allem von einer Beschäftigung mit dem Opern-Projekt ‚Die Sieger‘ beschäftigt.

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[…] Wenn daher dieses Leiden einen Zweck haben kann, so ist dies ein­zig durch Erweckung des Mitleidens im Menschen, der dadurch das verfehl­te Dasein des Thieres in sich aufnimmt, und zum Erlöser der Welt wird, in­ dem er überhaupt den Irrthum alles Daseins erkennt. (Diese Bedeutung wird Dir einmal aus dem dritten Akte des ‚Parzival‘, am Charfreitagsmorgen, klar werden.)558 Das Leiden der Tiere hat Wagner allerdings nicht erst durch das Erlebnis in Venedig oder gar durch die Lektüre Schopenhauers betroffen gemacht. Schon in den ‚Feen‘ wird das gebrochene Auge des erlegten Wilds beschworen. Im Kommentar zu Webers ‚Freischütz‘ von 1841 heißt es ähnlich über Max: Seitdem er liebt, ist er nicht mehr der rauhe, unerbittliche Jäger, der beim Abschlachten des Wildes sich am Blute berauschte; sein Mädchen hat ihn das Göttliche der Schöpfung zu erkennen, und die geheimnißvoll aus der Waldstille zu ihm redenden Stimmen zu vernehmen gelehrt. Jetzt fühlt er sich oft vom Mitleid ergriffen, wenn leicht und zierlich das Reh durch die Gebüsche hüpft; dann erfüllt er mit widerwilligem Zagen seine Berufspflicht, und er kann weinen, wenn er die Thräne im Auge des gemordeten edlen Wildes zu seinen Füßen gewahrt.559 Eine Skizze zu ‚Kunst und Religion‘ aus dem Jahr 1848 notiert bereits: „Mensch zum Thiere. (Fleischer – Jäger.) Unkünstlerische Lieblosigkeit gegen die Thiere, in denen wir nur Waaren für die Industrie erblicken.“560 „Alle den Göttern heilige Thiere“ läßt Wagner im Entwurf einer Pantomime zum Tannhäuser-Bacchanal auftreten.561 Solche frühen – und in ihrer motivischen Herkunft eindeutig okzidentale – Belege widerlegen die Vermutung von Suneson, es handle sich um die Übernahme einer buddhistischen Legende.562 Auch spätere Wiederholungen solcher Szenen berühren ihn und Cosima stark.563

558 Brief vom 1.10.1858, kam ungeöffnet an Wagner zurück. Abdruck: Wagner BW Wesendonck, S. 49 f., ein Auszug RWSW 30, S. 13 f. Nicht abgedruckt bei Wagner SB 10, Nr. 54. Zum Brief vgl. Kommentar ebd. S. 455 sowie Schild, Wagner recht betrachtet S. 418 f. 559 Wagner, SuD 1, S. 209. 560 Wagner, SuD 12, S. 250. 561 Vgl. Wagner, SuD 11, S. 415. 562 Suneson, Geisteswelt, S. 92–94. Die Parallele zur angeführten Legende besteht nur in dem allgemeinen Mitleid mit Tieren und der Zurechtweisung des Schützen; Devadatta (ein Vetter des Siddharta Gautama) heilt sogar eine vom Pfeil verletzte Gans und schilt den Schützen. 563 „Freude an dem Haus, am Garten, abends spazieren gegangen mit R., wiederum außerhalb der Welt. Nur die Tiere machen Not, einen armen Hahn hörten wir schreien, wie er geschlachtet wurde, und konnten es nicht überwinden.“ (Cosima-Tagebücher 1, S. 823, 29.5.1874). „so spricht die Klage der Thiere, der Lüfte, das Wuthgeheul der Orkane zu dem sinnenden Manne“ (aus der Schrift ‚Beethoven‘ Wagner, SuD 9, S. 74).

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Dass Wagners offenes Eintreten für ein Verbot der Vivisektion hier seine Wurzeln hat, ist unbestreitbar, doch darf man den Einfluss dieser politischen Strömung auf sein Spätwerk nicht überschätzen.564 Dass die Ermahnungen des Gurnemanz darauf zurückzuführen sind, hat er sogar vehement bestritten: Ich bin dazu bestimmt gewesen, immer in Prosa (im Leben) auszuführen, was ich dichtete, die Scene mit dem Schwan, man wird glauben, sie sei aus meiner Ansicht über die Vivisektion entstanden!565 Wie immer versteigt er sich, zumal sich die Vivisektion scheinbar mühelos als eine aus der Judenemanzipation566 entstandene Teufelei darstellen ließ: R. erhielt den Brief einer Frau aus Wiesbaden, welche ihm ein Buch über Vivisektion schickt und ihn in schönen Ausdrücken bittet, gegen die Roheit mit einzuschreiten; sie glaubt, daß das Überhandnehmen derselben der Anzahl von jüdischen Ärzten zuzuschreiben ist. R. tief ergriffen und empört: Wenn er ein junger Mann wäre, würde er nicht ruhen, bis er eine Agita­ tion gegen diese Barbarei zu Stande gebracht hätte. An dem Mitleid mit den Tieren wäre Religion anzuknüpfen; Mensch zu Mensch sei schon schwierig, sie seien so boshaft, ein jeder wehrte sich, und die erhabene Lehre des Christentums kaum anzuwenden; bei den geduldigen stillen Wesen, da könnte man beginnen, und wer gegen Tiere mitleidig wäre, würde gewiß auch gegen Menschen nicht hart sein. „Wir wollen noch einmal eine Religion predigen, du und ich.“567 Man hat Wagners gegen Mathilde gemachte Ankündigung stets für bare Münze genommen. In Wahrheit aber löst der ausgeführte dritte Akt dieses Versprechen nicht ein. Im Walde vom Tier lernen die Gralsritter Kräuter und Wurzeln568 zu suchen – sie sind also auch ohne Gralsspeisung Vegetarier569, doch von Mitlei­den 564 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 397 zum 14.8.1879: „Er schreibt an H. v. Weber, schickt 100 Mark dem Verein und spricht seinen Gedanken aus der Belebung der Religion durch die Liebe zu den Tieren, die Liebe zu den Menschen sei z. B. den Herrn Vivisektoren gegenüber ein wenig schwer.“ 565 Cosima-Tagebücher 2, S. 684 zum 6.2.1881. Hierauf verweist auch Gregor-Dellin im Kommentar zu Wagner, Mein Leben S. 866 Anm. 378. 566 Dies dürfte durch den Erfolg verursacht sein, den Louis Traube an der Berliner Charité mit Tierversuchen machte, die auch seinen Sohn Ludwig gegen ihn aufbrachten. 567 Cosima-Tagebücher 2, S. 390 zum 31.7.1879. 568 Die Formel „Kräuter und Wurzeln“ hat Wagner wörtlich aus Simrocks ‚Parzival‘-Übertragung entnommen, vgl. Wolfram, Parzival (ed. Simrock) 1, S. 581. Im Original heißt es über Trevrizent und Parzival Pz. 485,20f: „der wirt gruop im würzelîn: / daz muose ir beste spîse sîn“ bzw. 486,3 „sî wuoschen würze unde ir krût“. 569 Dieses scheinbar auf die Regenerationsschriften verweisende Motiv stammt aus der mhd. Vorlage (Pz 486,3), es hat außerdem im ‚Parsifal‘ keine weitere Bedeutung. Das entspricht aber Wagners eigentlicher Gesinnung: „Man spricht von Portraits, und in heitrer Laune sagt er: Man solle ihn und mich darstellen, wie ich ihm den Apfel des Vegetarianismus anbiete. Ich sage: Seitdem ich ihn auf das heftigste gegen Nietzsche über dieses Thema hätte eifern hören, hätte ich nicht mehr den Mut,

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ist keine Rede. Auch auf der Karfreitagsaue werden explizit nur die Blumen be­ han­delt („Halm und Blume auf den Auen, / was all da blüht und bald erstirbt“), die Tie­re sind allenfalls in allgemeinen Begriffen wie alle Kreatur und entsündigte Na­tur impliziert. Ihr Leiden wird vielmehr im ersten Akt thematisiert und zwar rein anklagend gegen den „Mörder“ Parsifal. Dieser erkennt daraus seine Schuld, aber keinen Irrtum.570 Gegenüber dem ‚zweiten Prosaentwurf ‘ unterdrückte Wagner sogar eine direkte Aufforderung zum Mitleiden mit dem Tier und fügte stattdessen den Schuldvorwurf ein.571 Der wurde im Folgenden noch gesteigert. Wenn Parsifal auf die Nachricht von Herzeleides Tod Kundry tätlich angeht, sah der Prosaentwurf vor, dass Gurnemanz ihn mit den Worten zurückhält: „Willst du hier wieder Unrecht thun? Was that dir das Weib? Sie sagte gewiß die Wahrheit, denn Kundry lügt nie und weiß viel!“572 Die Versfassung wurde drastischer: Verrückter Knabe! Wieder Gewalt? Was that dir das Weib? Es sagte wahr. Denn nie lügt Kundry, doch sah sie viel.573 Erkenntnis und Ablehnung der Gewalt steigerten sich im zweiten Aufzug, wo der „Mord“ an der Mutter in Parallele zum Mord am Schwan gesetzt wurde („Dein Sohn mußte dich morden“), doch nahm außer Gurnemanz niemand mehr Bezug auf den Schwan.574 Wagner schwächte die aus der buddhistischen bzw. schopenhauer’schen Mitleidslehre abgeleitete Motivation der Schwanen-Szene ab und ließ Gurnemanz stattdessen gegen Gewalt und auf Sakrileg klagen. Wenn die Heiligkeit der Tiere im Grals­bezirk auch an indische Vorstellungen anzuknüpfen scheint, so wird sie doch nirgends im ‚Parsifal‘ mit der Wiedergeburtslehre verknüpft. Die Szene gibt vielmehr die typischen (romantischen) Vorstellungen eines geweihten Haines wieder575:

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Vegetarierin zu sein; R. erzählt: ‚Ja, wie er kam, nichts bei uns aß, sagte: ‚Ich bin Vegetarier‘, ‚Sie sind ein Esel‘, sagte ich. ‘ “ (Cosima-Tagebücher 2, S. 872 zum 14.1.1882). So Wagner selbst in einem nachgelassenen Aphorismus: „Dogma des Mitleids gegen die Thiere kann sich nur auf ein Schuldgefühl gründen: daß wir Thiere zur Selbsterhaltung vertilgen müssen, da wir andrerseits die Thiere als uns so verwandt, nur unschuldig, erkennen müssen, soll uns der Schuld unseres Daseins inne werden lassen, eine Schuld, die wir nur durch Mitleid im Großen und Größten mildern können.“ (Wagner, SuD 12, S. 338–339). Dort läßt er Gurnemanz noch sagen: „ob ihm der edle Vogel nicht leid thue, der nun mit blutbeflecktem Gefieder stumm und sterbend vor ihm läge? u.s.w.“ (vgl. Wagner, SuD 11, S. 401). Wagner, SuD 11, S. 402. Wagner, SuD 10, S. 338. Gurnemanz macht nur eine sehr allgemein gehaltenen Anspielung: „laß’ du hier künftig die Schwäne in Ruh’ “ (Wagner, SuD 10, S. 345) bzw. „Der ist’s, der einst den Schwan erlegt“ (Wagner, SuD 10, S. 366). So wird er – um nur ein Beispiel zu zitieren – von Johannes Voigt für die Ureinwohner Altpreußens beschrieben: „Gewiß ist, daß es überall im Lande heilige Wälder und heilige Haine gab, in denen kein Baum gefällt, kein abgestorbenes Holz hinweggetragen, kein Thier erlegt werden durfte, denn jeder

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Du konntest morden? Hier im heil’gen Walde, deß’ stiller Frieden dich umfing? Des Haines Thiere nahten dir nicht zahm, grüßten dich freundlich und fromm? Aus den Zweigen, was sangen die Vöglein dir? Was that dir der treue Schwan? Sein Weibchen zu suchen flog er auf, mit ihm zu kreisen über dem See, den so er herrlich weih’te zum heilenden Bad576 Auch das Friedensgebot in diesem Haine hat altgermanische Vorbilder, etwa im Hain der Erdmutter Nerthus bei Tacitus.577 Natürlich war der Schwan zunächst einmal eine Anspielung auf den Schwanenritter und auf die Sinn- und Klangwelt des Lohengrin. In den ‚deutschen Sagen‘ der Gebrüder Grimm geht der Erzählung vom ‚Ritter mit dem Schwan‘578 die Geschichte eines heidnischen Königs von Tongern voraus, in der beim Anblick schwimmender Schwäne „ein Diener, der Bogenschütze war, spannte und … einen Pfeil“ abschoss. „Aber er fehlte den Schwan, der erschrockene Vogel hob sich in die Luft, und flüchtete sich in der schönen Germana Schoß. Froh über dieses Wunder, und weil der Schwan ein Vogel guter Bedeutung ist …“, nahm sie das Tier mit sich und trug fortan den Namen Swana. Dieser Schwan führte, als sie zur Witwe wurde, den römischem Held Salvius Brabon in einem Kahn nach Kleve. Dort erkannte das Tier seine Heimat, „schlug die Flügel, erhob sich in die Lüfte und flog zum Graben“, um sich füttern zu lassen. Salvius sprang „an Land; er hielt den Bogen gespannt und dachte den Schwan zu schießen, falls er ihn erreichen konnte. Wie er nun weiter ging, und den Vogel im Schlossgraben fand, legte er den Pfeil auf und zielte.“579 Ludwig II., den Richard und Cosima als „Parzival“ titulierten580, wird die Schwanenszene des ‚Parsifal‘ als Hommage an seine eigene Schwanen-Obsession verstanden

Baum, jeder Zweig und alles, was darin lebte, wardt für heilig geachtet.“ (Voigt, Geschichte PReußens 5, S. 596). Ähnliches konnte Wagner in der Allgemeinen Encyclopädie von Ersch und Gruber unter dem Stichwort ‚Hain‘ nachlesen (II. Section, Theil 1, Leipzig: Gleditsch 1818, S. 200–204). 576 Wagner, SuD 10, S. 335. Das Adjektiv „heilenden“ in der Partitur gestrichen, vgl. RWSW 30, S. 99 V. 258. 577 Vgl. Tacitus, Germania 40,2–4: „est in insula Oceani castum nemus, dicatumque in eo vehiculum, veste contectum; attingere uni sacerdoti concessum. is adesse penetrali deam intellegit vectamque bubus feminis multa cum veneratione prosequitur. laeti tunc dies, festa loca, quaecumque adventu hospitioque dignatur. non bella ineunt, non arma sumunt; clausum omne ferrum; pax et quies tunc tantum nota, tunc tantum amata, donec idem sacerdos satiatam conversatione mortalium deam templo reddat.” 578 Grimm, Sagen Nr. 534 S. 291–304. 579 Grimm, Sagen Nr. 534 S. 288f. Vgl. auch die Nacherzählung bei Görres, Lohengrin S. LXIX. 580 Wagner sah sich selbst als Titurel, vgl. sein Telegramm an den König vom 16.4.1881 (BW Ludwig II. 3, S. 205).

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Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht

haben. Da Ludwig und das Ehepaar Wagner überdies die Burg Hohenschwangau als ‚Montsalvat‘ bezeichneten581, ist es wohl kein Zufall, dass die Szenenanweisungen für den ersten Akt sehr genau der dortigen Landschaft entsprechen582 und die Verwandlungsmusik den (heute durch den Großparkplatz entstellten) Fußweg vom Alpsee zur Burg beschrieb.583 Der jüdische Publizist Paulus Cassel, dessen ‚Parsifal‘-Interpretation Hans von Wolzogen in den ‚Bayreuther Blättern‘ des Jahres 1881 missgelaunt zurückwies, hat ein kleines Heft über den „Schwan in Sage und Leben“ verfasst, das 1863 in zweiter Auflage erschien. Er konstatiert die allgemeine Bewunderung, die dieses Tier zu allen Zeiten erregte. Schon bei Aristoteles und Aelian erscheine der Schwan wegen seiner engelgleichen Farbe als rein und mutig.584 Er behandelt dann unsystematisch den Schwan in Sparta (Leda), die Schwanjungfrauen, den Schwanenritter und den Schwanengesang. Daran ist bemerkenswert, dass Wagner alle diese Motive in seinen Bühnenwerken aufgriff: Leda und den Schwan im Bacchanal des Tannhäuser (Pariser Fassung)585, die Schwanenjungfrauen im weitgediehenen, aber nie vollendeten Entwurf zu ‚Wieland der Schmied‘.586 Einen singenden Schwan sahen der Prosaentwurf und die Kompostionsskizze zum Lohengrin vor587; den sterbenden (jedoch nicht singenden) Schwan bringt abschließend der ‚Parsifal‘. Sprachlich aber hat sich Wagner ganz wo anders bedient. Joseph Kewer588 gehört nicht zu den bekanntesten Dichtern der Wagnerzeit. Er stellt Schwanengesang und fliegenden Pfeil nebeneinander, um damit zu schließen, daß der wahre Brand im Herzen entfacht sei. Es schwamm auf grüner Welle Ein Schwan und sang ein Lied; Kaum war das Lied geendet, Als schon der Schwan verschied. Aufschwang sich eine Lerche 581 Vgl. z. B. Ludwigs Brief vom 24.6.1869: „in der geliebten Burg Hohenschwangau, die mir durch Sie, Theuerster, zu Montsalvat, zu Walhall wurde“ (BW Ludwig II. Bd. 2, S. 276), wo Ludwig auch „von den Ufern des poesieumwehten Alpsees“ (ebd. S. 277) spricht. 582 Zur Anlage des Schlosses vgl. Baumgartner, Königliche Träume S. 68–70. 583 Da Hohenschwangau keinen Sakralraum umschließt, konnte es trotz dieser Ähnlichkeit für Ludwig auf Dauer nicht ausreichen. Doch auch das zunächst ‚Tannhäuser‘ und ‚Lohengrin‘ verpflichtete Neuschwanstein ließ sich nur bedingt zur Gralsburg umrüsten, so daß das vom Schwanenkult der Füssener Alpen losgelöste Projekt Falkenstein entstand, vgl. Baumgartner, Königliche Träume S. 109–130, Rösch, Burgschloss, S. 21–31. 584 Belege bei Cassel, Schwan S. XVII. 585 Wagner, SuD 2, S. 5. 586 Wagner, SuD 3, S. 180–184 und 202–206; in der Tiergestalt ist Schwanhilde (wie Ada in den ‚Feen‘) wieder die Jagdbeute Wielands. Sie ist durch einen Speerstich am linken Flügel verwundet (S. 181). In die Geschichte ihrer Eltern fließt die Leda-Sage ein (S. 182). 587 „Leb wohl du wilde Wasserfluth …“, vgl. Wagner SuD 12, S. 355. 588 Justizrat, geb. 1810, Todesjahr nicht nachgewiesen.

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Der Kosmos des ‚Parsifal‘

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In Lieb‘ und Liederlust: Da flog der Pfeil des Todes Ihr in die zarte Brust. Was echo, Schwan und Lerche! O, eitler Bilderscherz! Mir brannt’ im Busen das Feuer, Mich traf der Pfeil ins Herz.589 Bemerkenswert wenig hat Jacob Grimm in seiner ‚Deutschen Mythologie‘ über den Schwan zu sagen.590 Erst in einer Rezension der ‚Lohengrin‘-Edition von Görres widmet er sich ausführlicher dem Schwanenmotiv, das er mythologisch mit der Gralstaube verbinden möchte.591 Wirklich aufschlussreich für das Verständnis des ‚Parsifal‘ ist jedoch eine mittelalterliche Quelle, nämlich das Buch der Natur von Konrad von Megenberg: Fugit penam in cerebro, daz spricht: er fleuht des tôdes pein in dem hirn mit seinem süezem gesang, wie daz sei, daz daz herz indes leid592 Aus dieser Begründung für den Schwanengesang entsteht durch das Wortspiel mit dem Namen ein Bild von der sterbenden Mutter, die einen „stillen Tod“ herbeisehnt: der Gram ihr zehrte den Schmerz, um stillen Tod sie warb: ihr brach das Leid das Herz, und – Herzeleide – starb. -– Dies ist auch der Grund für das Zurückdrängen einer Lehre vom Mitleid mit den Tieren. Ins Zentrum des Geschehens rückt die Schuld am Tod der Mutter, deren volles Bewusstsein Parsifal erst im zweiten Aufzug erlangen wird. Hinzu kommt, dass die Gralsritter selber mit der Heiligkeit der Tiere in Konflikt geraten, wenn sie Kundry als „wildes Thier“ verunglimpfen, was sie zwar geschickt mit dem Hinweis „Sind die Thiere hier nicht heilig?593“ kontert, aber dennoch des Schutzes durch 589 Kewer, Gedichte S. 96 („Bilder“). 590 Grimm, Deutsche Mythologie 3, S. 354 bietet fast nur Übersetzungen. 591 Grimm, Kleine Schriften 6, S. 134–143, hier S. 140: „der altdeutsche oder provincielle name des schwans ist aber alp, elb, d.i. der weisze, olor, er ist ein alfur (licht) elfe, in andern mythen der mit himmlischer hilfe gesandte weisze ritter, oder der tafelrunder Helyas le blanc; Helias heiszt aber auch einigemal der schwanenritter. Weil sich aber auch schwan und taube (d.i. weisze taube, reiner geist) oft vertreten, z. B. im Friedrich von Schwaben, der als Wielandt höchst merkwürdig mit dem altnord. Völundr eins ist, Angelburg die schwanenjungfrau als taube wegfliegt; so ist nun auch die taube auch des grals wappen, und vogel der arche Noah, nachdem Noah früher den schwarzen teufelsvogel, d.i. den raben hatte ausfliegen lassen.“ 592 Konrad von Megenberg, Buch der Natur S. 174 Nr. 14. 593 Wagner SuD 10, S. 329.

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Ein ‚Bühnenweihfestspiel‘ entsteht

Gurnemanz bedarf. Hier greift Wagner verkürzend auf, was Wolfram Pz. 312,15– 314,10 breit ausmalt: die Gralsbotin Cundrie „was niht frouwenlîch gevar“, sondern mit Haaren wie Schweineborsten, Hundenase und vorstehenden Eckzähnen wie ein Eber, Ohren wie ein Bär, Hände wie aus Affenhaut, Fingernägel wie Löwenkrallen. Ebenso zusammengedrängt wird Wolframs Hinweis auf Cundries immense Bildung (mit der sie das restlichen Personal des Romans problemlos ausstechen konnte): Sie spricht Latein, Arabisch und Französisch und hat den Cursus der Artes liberales durchlaufen, in Rhetorik („Dialektik“), Geometrie und Astronomie ist sie besonders ausgewiesen (vgl. Pz 312,19–25). Wie sich bei Wolfram im monströsen Äußeren der Cundrie die Angst vor weiblicher Gelehrtheit Bahn bricht, so haben wir auch bei Wagner Zeitbezüge zu konstatieren. Er verwischt die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Pflanze nicht zufällig oder einfach aufgrund einer persönlichen Obsession. Die Ausdehnung des Mitleids auf die Schöpfung, wiewohl gleichermaßen in östlichen und westlichen Traditionen vorgeprägt, entspringt einem aktuellen Bedürfnis, oder besser: einer tiefliegenden Verunsicherung, nämlich an anxiety generated by scientific discourses, biological and sociomedical, which served to dismantle conventional notions of „the human“ as radically as did the Gothic which arose in response to them. Evolutionsm, criminal anthropology, degeneration theory, sexology, pre-Freudian psychology – all articulated new models of the human as abhuman, as bodily ambiguated or otherwise discontinous in identity. The end-of-century Gothic is a genre thoroughly imbricated with biology and social medicine; sometimes borrowing conceptual remodelings of human physical identity, as it did from the interrelated discourses of evolutionism, degeneration, and entropy; sometimes borrowing spatial remodelings of the human subject, as it did from the psychologies of the unconscious.594 Es ist also auch hier bereits die Vorliebe des ‚fin de siècle‘ für degenerierte Körper spürbar, wie sie Kelly Hurley in der angelsächsischen Literatur im Schlepptau der Evolutionstheorie nachgewiesen hat – etwa bei Thomas Henry Huxley oder Herbert George („H. G.“) Wells.595 Wagners Opernwelt steht am Anfang dieser Entwicklung, wiewohl er im Ring bereits die volle Klaviatur der Degeneration ins Spiel bringt, etwa in den Riesen oder den Nibelungen. Gerade der Tarnhelm, wie ihn Wagner verwendet, ist das Vehikel zur Auflösung von Körper und Identität, und immer führt dies zur Zerstörung der Humanität (gipfelnd in der Vergewaltigung Brünnhildes durch den als Gunther verkleideten Siegfried). Am Ende kann nur das Feuer die Unordnung bereinigen. In Wagners Hasstiraden auf ‚den Juden‘ kommt das gleiche degenerative Menschenbild zum Vorschein. Das antisemitische Feind594 Hurley, Gothic Body S. 5. 595 Huxley (1825–1895), Wells (1866–1946). Vgl. zu beiden Hurley, Gothic Body S. 55–59.

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Der Kosmos des ‚Parsifal‘

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bild dient zur Ausgrenzung und Abwehr; der Hass wäre nicht so lodernd, wenn er nicht durch Extrapolation eigener Persönlichkeitsanteile entstanden wäre. Im ‚Parsifal‘ sind die Körper scheinbar intakter, denn wir treffen weder auf kreischende, noch übelriechende, noch missgestaltete Personen – selbst da nicht, wo Wolfram von Eschenbach sie vorgibt.596 „Ruination of the human body“ als „abhumanness“ schlechthin597, finden wir nicht nur an der triebhaften Tierfrau Kundry und den verwelkenden ‚Blumenmädchen‘, sondern auch an dem Kastraten Kling­ sor und dem in Verwesung befindlichen Amfortas. Herzeleide ist in einer Metamorphose zum Schwan begriffen, der Gottfried des ‚Lohengrin‘ dient als Vorbild. Titurel kann zwar dank des Grales nicht sterben, aber zusehends zerfallen kann er sehr wohl, er ist geradezu ein Untoter. Selbst die sonstigen „Reinen“ im Dienste des Grales sind fragwürdig durch ihre Androgynität. Die jüngeren Mitglieder der hermetischen Männergesellschaft artikulieren sich in Stimmlagen, die – das musste der Bühnenprofi Wagner doch wissen – fast immer weibliche Besetzungen nach sich ziehen: und selbst wenn es den Kostümschneidern gelingt, die weiblichen Körperformen vergessen zu machen, kann man das Timbre nicht maskulinisieren. So spiegelt die Heiligkeit der Tiere letztlich die Unheiligkeit der Menschen. Dieser hat seinen Platz als Ebenbild des Schöpfers verloren und muss, da er selbst keine Trennlinie zu den Bestien mehr ziehen kann, die Bestien in das Postulat der Humanität mit einbeziehen.

596 Die Mißgestaltung der Gralsbotin Cundrie und ihres Bruder Malcreatiure werden durch Drogenmißbrauch der Mutter erklärt. Obschon Wagner Kundrys Häßlichkeit für den ersten Akt übernimmt, wirkt sie im Vergleich zu den körperlichen Mängeln der Nibelungen Alberich und Mime „normal“, ebenso verhält es sich mit Kling­sor, der im Vergleich mit dem schrillen Beckmesser sonor wirkt. 597 Hurley, Gothic Body S. 3 bzw. 11.

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III ‚Parsifal‘-Publizistik Vorbemerkung Keine andere Oper hat eine publizistische Tätigkeit angeregt, die mit jener zum ‚Parsifal‘ in den vier Jahrzehnten nach der Veröffentlichung des Librettos im Jahre 1877 vergleichbar wäre. 1882 stöhnte bereits der anonyme Autor eines ‚Epilogs zum ‚Parsifal‘ in der einundvierzigsten Ausgabe des nationalliberalen Blattes ‚die Grenzboten‘: Über Parsifal, das Textbuch und sein Verhältnis zur Dichtung Wolframs von Eschenbach, über Ausstattung und Inszenierung des Werkes, über Dekorationen, Kostüme, Ritter und Blumenmädchen hat man seit Jahren so viel Tinte verschrieben, daß es vermessenes Beginnen wäre, darauf zurückkommen zu wollen. Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß fast in allen diesen ästhetisierenden Betrachtungen die Hauptsache jeder Oper, die Musik, verhältnismäßig geringe Beachtung […] gefunden hat.1 Das hier angesprochene Schrifttum ist extrem politisiert und verstellte oft den Blick auf musikalische Fragen. An dieser Entwicklung hatte Richard Wagner mit seinen Spätschriften großen Anteil. Ihnen schlug seitens der Zeitgenossen ein breites publizistisches Interesse entgegen. Zum Medium dieser Publizistik wurde vor allem der Zeitungs- oder Zeitschriftenbeitrag2, wobei die von Wagner selbst begründeten ‚Bayreuther Blätter‘3 einen zentralen Platz einnahmen. Daneben blühten aber auch ephemere monographische Druckerzeugnisse. Sie fanden in der inzwischen uferlosen Wagnerliteratur kaum Berücksichtigung.4 Hier ist die bereits vor etlichen Jahren von Erdmute Lapp5 beschriebene Nachweis- und Beschaffungsproblematik zu berücksichtigen. Die umfassenden internationalen 1 Epilog zum ‚Parsifal‘ S. 184. 2 Vgl. bei Zelinski, Richard Wagner den Faksimileteil S. 23–277, wo überwiegend Zeitungsausschnitte und Zeitschriftenartikel, Monographien hingegen nur gelegentlich durch Titelblatt und Beispielseiten vertreten sind. Eine ältere Dokumentation über zeitgenössische Berichte gibt – mit ganz anderer Zielsetzung – Eggert, Parsifal vor 50 Jahren (Widmung: „Dem Hause ‚Wahnfried‘ in Treue!“) 3 Cicora, Parsifal-Reception. Zur Publikation allgemein Hein, Viel Hitler. Das in seinen Urteilen bisweilen einseitge Buch ist durch seinen mächtigen Materialienteil (S. 189–551) von hohem Wert. 4 Erste, aber in der Auswahl zu enge Versuche wagen Eckert, Parsifal 1914 und Thorau, Semantisierte Sinnlichkeit S. 167–175 (Tabelle „Die Leitfaden-Literatur im Überblick“). 5 Lapp, Nachweis, S. 36–40; daran anschließend Mentzel-Reuters, Elf Jahre, S. 71–80, hier S. 72 f.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Digitalisierungsprojekte haben diese Situation zwar erheblich entschärft, doch sind immer noch enorme Lücken zu beklagen. Die Untersuchung dieses Schrifttums folgt einem neuen Forschungsansatz, der sich primär an der Werk-Rezeption6 und einer „medienhistorisch unterfütterten Rezeptionsgeschichte“ orientiert, wie sie Thomas Gräfe in einer Rezension angemahnt hat.7 Die immense Breitenwirkung des ‚Parsifal‘ war nicht selbstverständlich. Wagner hatte sich bislang als Kunst- und Theaterkritiker betätigt und weder durch seine Bühnenwerke noch durch seine Publizistik Kompetenzen in religiösen oder überhaupt allgemeinen weltanschaulichen Fragen nachgewiesen.8 Einzig die ‚Meistersinger von Nürnberg‘ sakralisierten im Finale durch die Verklärung der „heil’gen deutschen Kunst“ ihren politischen Ästhetizismus und präsentierten – anders als die in einer Katastrophe endenden voraufgehenden Werke9 wie ‚Lohengrin‘, ‚Tristan und Isolde‘ oder gar der ‚Götterdämmerung‘ – nunmehr die Vision einer Erneuerung verlorener Idealität. War diese hier noch weltlich gefasst, so erregte ‚Parsifal‘ mit seiner Wendung ins Religiöse ein gesteigertes Interesse. In der Opernwelt waren (und sind) schmale Text- oder Programmhefte mit knappen Erläuterungen verbreitet, die den Rollentext mit kurzen, inhaltlich kaum selbständig zu nennenden, einführenden Texten als Verständnishilfen präsentierten. Das Schrifttum zum ‚Parsifal‘ ging bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung des noch nicht komponierten Librettos weit darüber hinaus. Die Diskussion galt dem Textbuch und dem, was man daraus zu lesen glaubte, und schwankte zwischen Zeitkritik und mythisierter Anthropologie. Selbst wer die Umgestaltung der ‚Parzival‘-Handlung und die neue Gestaltung der Gralswelt kritisierte, trug zu diesem Erfolg bei. Zum Standardwerk jedoch, an dem sich die Kommentatoren messen lassen mußten, wurde Wolzogens ‚Leitfaden‘, der noch vor der Bayreuther Uraufführung 1882 und erst recht der Veröffentlichung der fertigen gestochenen Partitur im Dezember 188310 erschien. Selbst wer danach ein einfaches Textbuch herausgab, musste, wie zuvor Wolzogen, einen eigenen Katalog der sogenannten

6 Hierzu allgemein Floros, Parsifal-Rezeption S. 14–57; hier werden neben Auszügen aus Nietzsches Werken primär Zeitungsbeiträge herangezogen. 7 Gräfe, Völkische Bewegung. 8 Prüfer, Werk von Bayreuth S. 398 will bereits den ‚Fliegenden Holländer‘ „nicht im Künsterlerischen, sondern im Religiös-Ethischen“ verankert sehen. 9 Wagners Schlagwort hierzu ist ‚Erlösung durch Vernichtung‘. Vgl. den Abschnitt ‚Frühe und schwarze Romantik‘. 10 Zu Text- und Druckgeschichte sowie den Varianten der einzelnen Textfassungen allgemein vgl. RWSW 30, S. 9.

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Vorbemerkung

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„Leitmotive“11 aufsetzen, die ihrer Zielsetzung nach den normativen Charakter des ‚Leitfadens‘ bestätigten.12 Es war folgerichtig, in der Diskussion um ein solches Werk auch Erbauungsschriften medial zu adaptieren und für laikale Bewegungen zu nutzen. Das ephemere Schrifttum entwickelte sich ja im späten 18. Jahrhundert primär aus der Theologie13 und wandelte sich nach der französischen Revolution bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zur tagesaktuellen politischen Kampfschrift. Nach 1870 flossen beide wieder zusammen zu jenen weltanschaulich geprägten Broschüren, die trotz ihrer kurzlebigen Aktualität einen bedeutenden Teil des bürgerlichen Lektürepensums ausmachten. Durch die kostensenkenden Schnellpressen wurde diese Entwicklung enorm beflügelt. So konnten Autoren es sich auch leisten, ihre Darlegungen im Selbstverlag zu publizieren. Eine qualitätssichernde Kontrolle fand kaum statt.14 Wagner trug erheblich dazu bei, dass der ‚Parsifal‘ von dieser Entwicklung erfasst wurde. Indem er das Aufführungsverbot außerhalb Bayreuths durchsetzte, lenkte er die Phantasie von dem schwer erreichbaren Bühnenwerk in die Welt der Pamphlete, der Graphik und des Buch-Drucks. Als Folge blieb auf der einen Seite selbst nach der Freigabe die szenische Gestaltung des Graltempels auf allen Bühnen weiterhin nur als Adaptation des inzwischen eigentlich längst historisierten Bayreuther Bühnenbildes vorstellbar; auch in Bayreuth selbst galt dieses Bild noch 1925 als sakrosankt.15 Auf der anderen Seite hatten in Literatur und Graphik der Jugendstil und der Impressionismus über dreißig Jahre hinweg bereits neue und zeitgemäßere Formen entwickelt, die aber eher für graphische Schmuckelemente auf Umschlagsoder Titelseiten hergenommen werden durften, insbesondere von Notendrucken und Klavierauszügen und bei den künstlerisch selbständigen bibliophilen Drucken.

11 Der Terminus selbst wie die Funktion der Leitmotive waren schon früh ebenso umstritten wie die Frage, ob Wagner auf ältere Vorbilder zugriff; vgl. etwa Sternfeld, Entstehung und an neuerer Literatur: Mauser, Leitmotiv und Thorau, Sinnlichkeit. 12 Thorau, Sinnlichkeit S. 157–281 versucht die stufenweise Entwicklung der von ihm als „wagnerianische Gattung“ bezeichneten „Leitfaden-Literatur“ zu skizzieren, die von ‚Ring‘ und ‚Parsifal‘ ausgehend auf die älteren Werke des ‚Meisters‘ rückprojeziert wurde. Dabei sucht man in diesen Opern nach den ‚Leitmotiven‘ und „drängt … der Musik die Benennungsmethode auf, und zwar produktions- wie rezeptionsästhetisch“ (S. 179, dort exemplarisch an ‚Tannhäuser‘-Interpretationen vorgeführt). Thorau geht von einem musikalischen „Popularisierungs- und Simplifizierungsprozeß“ aus (S. 176). Das gipfelte in regelrechten Motivkatalogen (Original-Beispiele in Abbildungen S. 228–238). Vermöge dieser Literatur wird der Rezipient zum „Mitwisser des tiefsten Geheimnisses“ (S. 256) im Sinne von Wagners „Programm zur Publikumserziehung“ (S. 265), mithin zum „Bayreuthpilger“. 13 Vgl. Lapp, Nachweis. 14 Das kirchliche Imprimatur beinhaltet – bei aller berechtigten Kritik an möglicher Bevormundung – auch eine rationale Qualitätsprüfung. 15 Bauer, Geschichte der Bayreuther Festspiele 1, S. 418–422, zu der voraufgehenden Erneuerung des Blumengartens ebd. S. 380–382.

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‚Parsifal‘-Publizistik

In ihnen vollzog sich unterschwellig auch eine Weiterentwicklung des HandlungsNarrativs über Wagners Intentionen hinaus oder sogar von ihnen weg.16

Die autorisierten Erstdrucke Wagner und der Schott-Verlag Die Rechte am ‚Parsifal‘ übertrug Wagner – mit Ausnahme des für Bayreuth reklamierten Aufführungsrechtes – an den Verlag ‚B. Schott’s Söhne‘. Er hatte offizielle Niederlassungen in Mainz, London, Paris und Brüssel. Die Firma war 1874 aus Familienbesitz testamentarisch an Ludwig Strecker (1853–1943)17, gen. der Ältere, übergegangen. Er setzte die bereits etablierten Beziehungen zu Wagner fort. Er zeigte sich dem dem stets um Mittel verlegenen Komponisten gegenüber mit einem Honorar von 100.000 Mark18 sehr großzügig19, erwartete jedoch auch ein Mindestmaß an operativer Freiheit. Wagner ging keineswegs unvorbereitet in die Verlagsverhandlungen um den ‚Parsifal‘ hinein. Er hatte sich vor dem Abschluss hinsichtlich der internationalen Lage bei den Aufführungsrechten für theatralische Werke und konzertanter Darbietungen gut informiert: Es handelt sich mir vor Allem darum, eine theatralische Aufführung des ‚Parsifal‘ außer in Bayreuth zu verhindern. Da Frankreich und Italien mit Deutschland in Cartel stehen, Belgien und England aber durch Ihre Firma besorgt sind, ist es besonders Holland, welches mir Sorge erweckt, weil dort irgend ein Entrepreneur sich einen Spaß erlauben dürfte. Suchen Sie daher, ich bitte, mein Eigenthumsrecht – im Betreff der Bewilligung von theatralischen Aufführungen – sicher zu stellen, wohl auch etwa Dänemark und Schweden dabei berücksichtigend, – so steht der Herausgabe auch der Partitur nichts entgegen, und eröffne ich Ihnen hierfür insofern einen ergiebigen 16 Vgl. Eckert, Parsifal 1914, S. 124: „Die Verbindung von Leib, der vorzugsweise als Seelenbild begriffen wurde, und Pflanze war im Jugendstil eng verwoben.“ 17 Strecker, Verlagsgefährte S. 275–282. 18 Wagner erhob diese Forderung in einem Brief vom 30.8.1881: „Den Kaufpreis hierfür setze ich mit hunderttausend Mark und Streichung meiner noch an Sie bestehenden Schulden. Sie boten mir nach einem drei Jahre lang betriebenen Verkauf des Klavierauszuges für meine ausschließliche Rechnung für den Weiterbetrieb desselben 40000 Mark an. Nun wünsche ich, daß Sie diese 40000 Mark mir jetzt, bei Überlassung des Eigenthumsrechtes, auszahlen, und willige dagegen darein, daß Sie den Rest von 60000 M. mir in 3 Jahresraten von Ende December 1882 an nachträglich zukommen lassen.“ (Wagner-BW Schott, S. 227), vgl. auch Strecker, Verlagsgefährte S. 309. 19 Vgl. die anekdotische Schilderung bei Strecker, Verlagsgefährte S. 310–312 über einen Besuch seines Vaters Ludwig Strecker d. Ä. in ‚Wahnfried‘. Die parallele Schilderung Cosima-Tagebücher 2, S. 792 f. zum 8.9.1881 ist dem gegenüber weniger lebhaft. Wagner habe „es bereut, eine Nachforderung von 15.000 M. gemacht zu haben“, heißt es am Schluß.

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Die autorisierten Erstdrucke

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Vertrieb, als ich erkläre, gegen Aufführungen einzelner, größerer oder kleinerer Theile der Partitur in Konzerten nichts einwenden zu wollen, sowie auch Honoraren hierfür meinerseits gern zu entsagen. Somit würde ich Ihnen das unbeschränkte Eigenthumsrecht ‚der Melodie‘ zugleich sichern […]20 Im Vertrag vom 16.9.1881 vereinbarten Wagner und der Verlag, daß „das Aufführungsrecht von ‚Parsifal‘ den Bühnen gegenüber […] Herrn Richard Wagner vorbehalten“ bleiben solle, „während er Concert-Instituten gegenüber auf dasselbe ausdrücklich zu Gunsten der Firma B. Schott’s Söhne verzichtet.“21 Auf dieser Grundlage genehmigte der Verlag 1884 konzertante Aufführungen des Werkes in London und Berlin 22, gegen die Cosima vorging und eine Modifikation des Verlagsvertrages erwirkte, mit der „dieses Recht, soweit es sich auf Gesamtaufführungen des Werkes als Oratorium oder auf nur wenig gekürzte Vorstellungen in Concertform bezieht, an die Erben Wagner zurückgegeben wird.“23 Im Gegenzug verzichteten Cosima und Siegfried auf die letzte Honorar-Rate von 15.000 Mark für den ‚Parsifal‘. Das ungewöhnlich hohe Honorar, das Strecker für den ‚Parsifal‘ zahlte, zwang den Verlag zu einer aggressiven Verkaufspolitik, wobei Gewinn wegen der Wagner’schen Vorbehalte bei der Gesamtpartitur nur durch Klavierauszüge und Einzelbearbeitungen (vor allem für das Pianoforte) zu erzielen waren. Auch die Verbreitung französischer und englischer Textbücher ging primär auf die Interessen des Verlages zurück. Zusammen mit dem Aufführungsverbot bildete sich auf diese Weise eine eigene Verbreitungsstruktur, die die Musik von der Bühnenhandlung trennte und somit eine von Wagners Intentionen gelöste religiöse Rezeption (als quasi-­ Oratorium) förderte. Das ‚Parsifal‘-Libretto von 1877 Mehrere Jahre vor den ersten Kompositionsskizzen, am 19.4.1877, schloss Wagner den Text des ‚Bühnenweihfestspiels‘ ab – spätere Korrekturen blieben marginal.24 Im Dezember 1877 erschien das Libretto dann schon im Druck. Eine englische und eine französische Übersetzung waren in Planung, lagen aber erst 1879 vor.25 Das

20 Brief an Ludwig Strecker vom 8.9.1881, vgl. Wagner-BW Schott, S. 226f. Strecker, Verlagsgefährte S. 308f. 21 Strecker, Verlagsgefährte S. 319. 22 Strecker, Verlagsgefährte S. 320. 23 Strecker, Verlagsgefährte S. 319. 24 Die Entwicklung des Textes ausführlich dokumentiert RWSW 30, die Zitate aus den Cosima-Tagebüchern sind hier jedoch noch aus zweiter Hand und müssen nach dem vollständigen Abdruck von 1976/77 ergänzt werden. 25 Wagner: Parsifal, by H. L. and F. Corder.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Textbuch wurde für drei Mark verkauft, für 3,60 erhielt man dasselbe „eleg. geb. in engl. Leinwand“.26 Bislang hatte Wagner seine Libretti auf eigene Kosten drucken lassen27 und seine prekäre finanzielle Situation damit weiter verschlechtert. Die erste Ausgabe des ‚Parsifal‘-Textes aber wurde komplett von Strecker finanziert und sollte nicht zuletzt die immensen Schulden des Komponisten beim Verlag tilgen helfen.28 Die Verhandlungen verkomplizierten sich, da der notorisch mit Geldsorgen belastete Komponist Altschulden und Tantiemen für noch ungedruckte Werke gegeneinander verrechnete und gleichzeitig über eine französische und englische Ausgabe des ‚Parsifal‘-Textes verhandelte. Doch auch für die deutsche Ausgabe wünschte er sich – möglicherweise nach dem Vorbild Jacob Grimms29 – einen Druck in Antiqua-Schrift: „Wie sehr ich lateinische Typen liebe, fürchte ich doch (namentlich auch im Interesse des Verlegers) die Impopularität solchen Druckes. Wenn also mit deutschen Lettern, dann aber bitte groß, breit und vornehm!“30 Der Satz wurde von F. A. Brockhaus in Leipzig gestaltet. Am 7.12. trafen die Probebögen in Bayreuth ein und Wagner zeigte sich entsetzt. Ich bin ganz außer mir über den mehr als grotesken Ausfall des Druckes des ‚Parsifal‘. Ich bat (für die Antiqua) nur um etwas größeren Druck und etwas gesperrteren Raum zwischen den Zeilen als bei dem Ring des Nibelungen. Bitte! Sehen Sie sich die Geschmacklosigkeit dieses Satzes an! Der Text wie für ein Blindeninstitut, und die scenischen Bemerkungen dagegen in grellster Kleinheit. Nun dazu noch — dieses Format bei so furchtbaren Lettern, wozu wenigstens Folio verwendet werden müßte! — Dagegen dieses aller26 Angaben auf S. II (d. h.: im Anhang) der Duodez-Ausgabe von 1879. Übereinstimmend: Kayser/ Haupt, Bücher-Lexikon, S. 816. Dort ist neben den beiden Textdrucken nur die Übersetzung von Corder genannt. 27 Den Text der Ring-Dichtung veröffentlichte Wagner 1853 auf eigene Kosten in einer Auflage von 30 Exemplaren, vgl. Wagner-B Breitkopf, S. 54 Anm. 102, auch ‚Mein Leben‘ erschien zunächst als Privatdruck, vgl. hierzu das Nachwort in Wagner, Mein Leben S. 778–780. 28 Vgl. etwa Cosima Wagner am 12.11.1877 an Ludwig Strecker d. Ä.: „Da mein Mann nun nicht weiß, wie er Sie für diese fehlenden Werke entschädigen soll, so kommt mein Mann auf Ihren ersten Vorschlag zurück, der Überlassung des ‚Parsifal‘ als Dichtung (nicht Text) für 5000 Mark, welche Sie dann so freundlich wären, von seiner Schuld zu streichen.“ (Wagner-B Schott, S. 211 Nr. 218). 29 So vermutet von Westernhagen, Dresdener Bibliothek S. 33. 30 Wagner-B Schott, S. 214 Nr. 223 vom 24.11.1877. – Vgl. auch Breig, Überlegungen, S. 309–311 die „Äußerungen Richard Wagners zur Typographie seiner Textdrucke“. Danach hat Wagner schon für den Ring des Nibelungen und 1858 für den Tristan um die Verwendung der Antiqua gebeten: „Ich weiß, daß zur Convention geworden ist, nur wissenschaftliche Werke mit lateinischen Lettern drucken zu lassen“ (ebd. S. 310, nach: Richard Wagners Briefwechsel mit seinen Verlegern 1, S. 122.) Als Bismarck den Druck von Nietzsches ‚Unzeitgemäßen Betrachtungen‘ in Antiqua missbilligte, polterte Wagner gegen ihn los (vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 289 Anm. ** zum 12.1.1879). Zum AntiquaStreit insgesamt und zur fortschreitenden chauvenistischen Interpretation der Fraktur vgl. Wehde, Typographische Kultur, S. 216–245.

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winzigste Octav! — Mir thut dies so leid, daß ich es gar nicht sagen kann. Ich wünschte wahrlich, Sie ließen den ganzen Satz zusammenbrechen. Alles ist geschmacklos: so diese Riesenlettern für die Namen im Texte, dieses Auseinanderhalten, so daß auf einer Seite oft nur etwa 40 Worte stehen! — Die Paginaüberschriften mit dem zierlichen Querstrich darunter dürften nun wohl schon complett hinwegfallen! — Kurz ich weiß nicht, wie es anfangen, um dieses typographische Geschmackswerk der Firma Brockhaus zu retten! — Welches Format soll nur zu dieser Fettschrift passen? — Ich bitte, beruhigen Sie mich und suchen Sie freundlich alles Erdenkliche zu thun, um mir diesen Ärger, den ‚Parsifal‘ so erscheinen zu sehen, zu ersparen!31 Der so diskreditierte Satz ist folgendermaßen: die Seite misst 9 x 6 Zoll32 und umfasst maximal 28 Textzeilen, Personennamen zentriert auf eigener Zeile in Versalien 12 pt., Rollentext mit abgesetztem Versende 14 pt, Regieanweisungen auf eigener Zeile zentriert 8 pt. Die Klage über zu wenige Worte auf einer Seite ist völlig übertrieben, selbst bei der extrem textarmen Seite 49 aus der Blumen­mäd­chenSzene werden 33 Worte gesprochen, 19 weitere entfallen auf Namen und Regie. Die komplett mit Text bedruckte Seite 53 bringt es auf 165 Wörter. Der Text wurde über sechs Lagen à 16 Seiten verteilt, wobei von der sechsten Lage nur die erste Seite noch Text enthielt (ab „Gesegnet sei dein Leiden“), die restlichen sieben Blätter der Lage enthalten Verlagswerbung für Notendrucke von Werken des ‚Meisters‘. Eine leicht veränderte Separatausgabe33 konnte Wagner als persönliches Geschenk verwenden. Strecker kannte Wagners Ausbrüche offenbar bereits recht gut. Jedenfalls reagierte er nicht auf dessen Angriffe und ließ auch den Druck weiterlaufen. Am 14.12.1877 kam denn auch nach der Zustellung der Aushänger eine gänzlich andere Reaktion aus Bayreuth auf seinen Schreibtisch: Sie haben meine Telegramme u.s.w. mit sachkundigem Ernste unbeach­tet gelassen, und das war gut […]. Einstweilen, da ich die Ausstattung fertig sah, hat sich meine Opposition gegen dieselbe gelegt, und, wiewohl ich der Fir­ma Brockhaus mancherlei Ausstellungen zu machen hätte, muß ich 31 Wagner-B Schott, S. 215f., Nr. 226 vom 7.12.1877. 32 22,8 x 15,2 cm, also Groß-Oktav. 33 Vgl. die Beschreibung eines Exemplars bei Drüner, Katalog 70, S. 97 f. „Vom letzten Druckbogen wurden vor der Bindung die 7 letzten Bll. entfernt, sodass Wagners Geschenkexemplaren der gesamte Werbungs-Anhang des Verlegers Schott fehlt (und somit die Freunde des Komponisten durch die auch kommerzielle Seite des Bühnenweihfestspiels nicht gestört wurden). Stattdessen wurde dem Exemplar zwischen Vorsatz und Vortitel ein Zusatzblatt mit dem Namen des Empfängers eingefügt; das Papier ist das Gleiche wie das der Vorsatzblätter, doch ist es gering kleinformatiger und längs gefaltet. Das heißt, dass das Papier dazu vom Verlag oder vom Buchbinder nach ‚Wahnfried‘ ging, dort nach Wagners Anweisung beschriftet und dann gefaltet an den Verlag oder den Binder und von dort anscheinend direkt an die Empfänger ging.“

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doch in der Her­stellung des ‚Parsifal‘ namentlich die Intention des Verlegers rühmend an­erkennen. Gott gebe, daß die Correcturen noch genau beachtet worden seien!34 Noch im Rückzug konnte Wagner nicht auf bösartige Hiebe gegen Brockhaus verzichten. Diese hatten allerdings sehr wahrscheinlich wenig mit dem Satz des ‚Parsifal‘ zu tun, aber viel mit Familienzwist. Friedrich (1800–1865) und Hermann Brockhaus (1806–1877), beide Söhne des Firmengründers Friedrich Arnold (1773– 1823), waren durch Heirat mit Luise (1807–1872) bzw. Otilie Wagner (1811–1883) zweifach mit dem Komponisten verschwägert35, sie hatten wie ihr Schwager Heinrich (1804–1874) Wagner künstlerisch und finanziell unterstützt, gerieten aber wegen seiner mangelnden Zahlungsmoral immer häufiger mit ihm aneinander. Heinrich hatte 1849 nach Wagners Flucht aus Dresden zur Sicherung der immensen Schulden des Komponisten dessen Dresdener Bibliothek einbehalten36, die auch frühe Partituren enthielt. Diese gab Heinrich 1852 an Wagner zurück, Brockhaus behielt aber die Bibliothek selbst nach einer Wiederannäherung im Jahre 187337, da der ‚Meister‘ seine Schulden niemals bezahlte. Das Verhältnis zu diesem Familienzweig blieb gespannt. 1882, während der ersten Bayreuther ‚Parsifal‘-Aufführungen, versteckte sich Wagner, um nicht seinem Neffen Friedrich Arnold Brockhaus und dessen Schwester zu begegnen.38 Die Auslieferung des gedruckten Librettos erfolgte Ende 1877; Wagner erhielt am 17.12. fünfzig Freiexemplare – zwanzig mehr als erbeten.39 „Während die musikalischen Umrisse des Werks bereits hervortraten, empfingen um die Jahreswende unter anderen Ludwig II. und Franz Liszt die abgeschlossene Dichtung des ‚Parsifal‘. Bei Nietzsche traf das Textbuch am 3. Januar 1878 ein.“40

34 Wagner-B Schott, S. 216 f. Nr. 229. 35 Brockhaus, Firma, S. 52 und 60. 36 Von Westernhagen, Dresdener Bibliothek S. 65–83: „Wagners Beziehungen zur Familie Brockhaus und die Schicksale seiner Bibliothek“. 37 So schien es 1966 aufgrund der Notizen von Heinrich Brockhaus, vgl. von Westernhagen, Dresdener Bibliothek S. 81f. Nach der Veröffentlichung von Cosimas Tagebüchern muß man hier wohl differenzieren: „Überraschender und erschreckender Besuch des Herrn Heinrich Brockhaus“, heißt es dort zum 28.10.1873 (Cosima-Tagebücher 1, S. 745) und zum 29.10.: „Abendbrot mit Heinrich Brockhaus eingenommen, wobei sich R. über meine Gabe, zu Tauben zu sprechen, freut.“ (ebd.) 38 Cosima-Tagebücher 2, S. 989 zum 12.8.1882; es handelte sich um Friedrich Arnold Brockhaus d. J. (1838–1895), Sohn von Hermann Brockhaus und Wagners Schwester Otilie. 39 Wagner-B Schott, S. 218 Nr. 231. 40 Nietzsche berichtet danach durchaus kritisch, aber mit positivem Resumée über die Lektüre in ­einem Brief an Reinhart von Seydlitz (den späteren Präsidenten des Münchner Wagner-Vereins) vom 4.1.1878, vgl. Nietzsche, KSB, Abt. 2,5 (1980), S. 300 Nr. 678, zum Vorgang Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 748.

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Der Zweitdruck von 1879 und erste Notendrucke Weit weniger aufwändig kam die zweite Ausgabe des Textbuches daher. Der Buchblock maß nunmehr 6,5x4,5 Zoll (16,5x11 cm); verwendet wurden vier Bögen à 16 Seiten.41 Gedruckt wurde wieder bei Brockhaus, der Preis lag bei 0,80 bzw. 1,40 für die gebundene Ausgabe.42 Die Textpräsentation ist schmucklos in einer 10 – bzw. für die Regieanweisungen: 8 pt. – Antiqua; es gibt keinerlei textliche Unterschiede gegenüber der Erstausgabe. Der Druck von 1879 blieb die maßgebliche Vorlage für spätere kaiserzeitliche Ausgaben des Schott-Verlages, die nach 1894 bei Philipp von Zabern in neuem, aber seiten- und zeilengetreuem Satz gedruckt wurden.43 Aufgrund des von Wagner verfügten Aufführungsmonopols bildeten bis 1914 die von Schott herausgebrachten Drucke den einzigen Zugang zum Werk außerhalb des Festspielhauses und der Festspiele. Diesem exklusiven Charakter trug die Textedition von Julius Burghold44 Rechnung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Ausgabe mit Motiven“45 herausgebracht wurde.46 Er fügte dem weiterhin in Antiqua gesetzten Text eine äußere Spalte hinzu, in denen durch Schlagworte wie „Demuth- u. Gral-M.“ oder „Parsifal-M.“ die 37 „hauptsächlichsten Leitmotive“ markiert waren, so wie sie im Klangkörper der Partitur auftreten.47 Die zeitliche Erstreckung der Motive wird durch senkrechte Schlängellinien neben dem Text markiert. Im hinteren Deckel findet sich ein ausklappbarer Bogen mit einer idealtypischen Notation der Motive, „damit der Leser die Noten stets vor Augen haben kann. Die Motive sind alphabetisch geordnet.“ So entstand die Miniatur eines Klavierauszuges, sei es für das Mitlesen bei einer Privataufführung mit Klavierbegleitung oder zur Erinnerung des in Bayreuth Gehörten.

41 Auf dem ersten Blatt der neuen Lage findet sich verso der Reklamant „Parsifal“ mit der Lagennummer. 42 Ausgabe 1879 S. II (d. h. im Anschluß an den Text). 43 Zum Vergleich habe ich eine undatierte Ausgabe herangezogen, die mit ebenfalls undatierten ‚Meistersingern‘ von Schott und dem auf 1905 datierten Textbuch des ‚Tristan‘ von Breitkopf und Härtel zusammengebunden ist. Ein Besitzeintrag von 1907 gibt dabei einen zuverläsigen Terminus ante quem. Die Orthographie aller drei Textbücher entspricht nicht den Verfügungen der II. Orthographischen Konferenz von 1901 bzw. Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 7Leipzig, Wien: Bibliographisches Institut 1902 (vgl.: Thor, Irniss, Heilthum, Char-Freitag). Die Preise für die Textbücher sind gegenüber 1877 bzw. 1879 unverändert (Angaben auf S. I hinter dem Textbuch). 44 Verstarb 1923, vgl. Ludwig Fulda: Julius Burghold. Ein Gedenkblatt, Frankfurt a M.: Hauser 1925. 45 Bezeichnung auf dem vorderen Umschlagdeckel. 46 Parallel erschien eine gleich aufgebaute, Textausgabe zum ‚Ring des Nibelungen‘: Der Ring des Nibelungen. Mit Leitmotiven und Notenbeispielen herausgegeben von Julius Burghold. Einführung von Wilhelm Altmann, mit aufklappbaren Bogen, Mainz: Verlag B. Schott´s Söhne, ohne Jahr [EA 1913]. Sie wurde zum Klassiker und liegt jetzt in der 9. Auflage (2004) vor (Atlantis Musikbuch, PiperSchott 8229). 47 Das Vorspiel schrumpft so auf die Wortketten „Abendmahl-, Gral-, Glaubens-, Abendmahl-, (Bruchstücke mit) Wehmuth-, Sündenqual, Abendmahl-M.“ zusammen (Wagner, Parsifal, ed. Burghold S. 5).

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Burgholds Ausgabe wurde durch ein kleineres Heft „mit einer Einführung von Prof. Dr. Wilh. Altmann“ (1869–1952)48 abgelöst, das auf das Jahr 1912 datiert ist, und mit einem eher steifen Bekenntnis zum Bayreuther Aufführungsmonopol endet. Diese Ausgabe verwendet erstmalig konsequent die Fraktur, bleibt aber im Text der Erstausgabe verpflichtet – was leicht daran zu erkennen ist, dass die in der Partitur getilgte Regieanweisung „Titurel, für diesen Augenblick wieder belebt, erhebt sich segnend im Sarge“ im Schlusstableau erhalten blieb.49 Altmann richtet sich an das Publikum in den Konzertsälen, das einen Überblick suchte, aber das Werk nicht vollständig zu hören bekam, und so spricht er etwa davon, dass das Vorspiel „in zahlreichen Bearbeitungen bald erschienen ist“ (S. XVII). Dann gibt er das komplette Programm der Musikalienausgaben: zunächst der Karfreitagszauber, der selbst im Konzertsaal, losgelöst von dem szenischen Bild, eine hochergreifende Wirkung ausübt. Von der Blumenmädchenszene pflegen alle, die sie auch nur im Konzertsaal gehört haben, zu schwärmen. Die beiden wunderbar packenden Abendmahlszenen der Gralsritter sind mit Recht bei geistlichen Konzerten sehr häufig auf dem Programm. Die Verwandlungsmusiken, bei denen die Glocken eine ziemliche Rolle spielen, sollten noch weit öfter in Konzerten erklingen50 Im Vergleich der Wagner’schen Opern untereinander nennt Altmann den ‚Tristan‘ das „konsequenteste Produkt seiner Reformideen“, die ‚Meistersinger‘ „durch ihren ungemein melodischen Reichtum … wohl … Wagners Meisterwerk. Grandioser ist freilich die ‚Götterdämmerung‘, abgeklärter der tiefreligiöse ‚Parsifal‘“ (S. XI). Obschon das sehr oberflächliche Etiketten sind, zeigt sich eine deutliche Ferne zum Bayreuther Kult. So vergisst Altmann auch nicht den Hinweis, dass das von Wagner als Gralsmotiv („Der Glaube lebt“) verwendete ‚Dresdner Amen‘ auch im ersten Satz von Mendelssohns ‚Reformations-Symphonie‘51 „verarbeitet“52 wurde.

48 Zu ihm vgl. Philipp Losch in: Neue Deutsche Biographie (NDB) 1 (1953), S. 226 f. Schüler von Leopold von Ranke, bis 1900 zahlreiche mediävistische Veröffentlichungen, dann Musikbibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin, 1915–1925 ebendort Abteilungsleiter. Herausgeber der ersten Richard-Wagner-Briefausgabe: Richard Wagners Briefe nach Zeitfolge und Inhalt. Ein Beitrag zur Lebensgeschichte des Meisters, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1905, vgl. die wohlwollende und partiell gegen Cosimas restriktive Archivpraxis opponierende Besprechung von Arthur Seidl in: RichardWagner Jahrbuch 1 (1906), S. 503–509. 49 RWSW 30, S. 134 nach V. 1278. Bei Wolzogen, ‚Parsifal‘-Varianten nicht aufgeführt. 50 Altmann, Entstehungsgeschichte S. XVII. 51 Felix Mendelssohn Bartholdy, Symphonie Nr. 5 d-moll op. 107. 52 Altmann, Parsifal S. XVIII. – Zum Motiv, das Wagner auch in der Jugendoper ‚Das Liebesverbot‘ von 1835 und in der Romerzählung im ‚Tannhäuser‘ (1848) verwendet, vgl. Carl Johann Perl: Das Dresdner Amen, in: Der Zwinger 4 (1920), H. 1, S. 12, Clemens Brinkmann: Das Dresdner Amen, in: Bruckner-Jahrbuch 1997–2000 (2002), S. 67–94, die schon früher gestellte Frage, ob im ‚Parsifal‘ ein Mendelssohn-Plagiat auftrete, behandelt Egon Voss: Wagners Parsifal. Das Spiel von der Macht der Schuldgefühle, in: Csampai /Holland (Hg.): ‚Parsifal‘ S. 9–18, hier S. 16–18.

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Parallel wurden im Sommer 1882 ein für 20 Mark zu erwerbender „Clavierauszug ohne Text von R[ichard] Kleinmichel“ – und der im lithographischen Umdruckverfahren hergestellte „vollständ. Clavierauszug m. Text von Josef Rubinstein“53 für 30 Mark angeboten; er erschien in einer Auflage von 1000 Exemplaren, von einer gestochenen Ausgabe wurden nur 20 Exemplare hergestellt54, deren erstes Wagner am 4.5.1882 erhielt.55 Das Titelblatt wurde in gebrochener Schrift gestaltet, aber schon das Personenverzeichnis griff wieder auf die Antiqua zurück, ebenso der Text unterhalb der Notenlinien. Dies blieb auch für künftige Klavierauszüge bestimmend, die sich einen Wettkampf um die kunstvolle Gestaltung des Werktitels in gebrochenen Lettern lieferten, insbesondere auf dem Titelblatt, aber bei Richard Kleinmichels (1846–1901) vollständigem Klavierauszug sogar als goldgeprägte Vignette mit Strahlenkranz auf dem Vorderdeckel (1915). Dieses Schmuckelement wurde bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts verwendet. Nur der Auszug von Kleinmichel verzichtete darauf. Den Eindruck eines Quasi-Oratoriums beförderten die für Klavier eingerichteten Einzelszenen. Liszts Klavierbearbeitung des Einzugs der Gralsritter aus dem ersten Akt konnte man bei Schott für 1,75 bestellen.56 Rubinstein hatte als „musikalische Bilder“ bearbeitet „I. Parsifal und die Zaubermädchen, II. Charfreitagszauber“, und auch Engelbert Humperdinck57 (1854–1921) steuerte „für Pianoforte zu 4 Händen“ 12 Szenen bei, die gesamt als „Tonsätze“ für 20 Mark und einzeln für 1,25 bis 3,25 erstanden werden konnten58 und die später von Alfred Hertz (1872– 1940) für das Pianola eingerichtet wurden. Die Einrichtung der Höhepunkte für weniger geübte Hände übernahm der Berliner Organist und erste Herausgeber der Wesendonck-Briefe, Albert Heintz (1822–1911).59 Er gestaltete zu jedem Aufzug 53 Josef Rubinstein (1847–1884), russisch-jüdischer Pianist, Musiklehrer von Wagners Kindern. Zu ihm Baedeker, Schmerzen; Hein, Viel Hitler S. 83. 54 Vgl. Altmann, Entstehungsgeschichte S. 167 f.; WWV Nr. 111 (‚Parsifal‘), XI. 55 Cosima-Tagebücher 2, S. 941 zum 4.5.1882, Altmann, Entstehungsgeschichte S. 168 nennt das Absendedatum (1.5.1882). 56 Franz Liszt: Feierlicher Marsch zum heiligen Gral aus ‚Parsifal‘, Werk ohne Opuszahl, wurde unter dem Eindruck Uraufführung noch im Spätsommer 1882 komponiert, vgl.: Franz Liszt’s Musikalische Werke. Serie IV, Band 1, hg. von August Stradal, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1922, S. 136–141, oder Franz Liszt: Complete piano transcriptions from Wagner’s operas, Mintova: Dover 1981, S. 154–158. 57 Zu Humperdinck vgl. Heussner, Horst in: NDB 10 (1974), S. 58 f., Baker/Remy, Biographical Dictionary 1, S. 422 f. Humperdinck während der ‚Parsifal‘-Komposition Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 818 f.; Selbstdarstellung: Humperdinck, Parsifal-Skizzen. 58 Im einzelnen: Vorspiel (2 M.), Amfortas (1,50), Das Heilthum (1,-), Der Schwan (1,25), Einzug in die Gralsburg (2,25), Das Liebesmahl (2,25), Kling­sor und Parsifal (2,75), Die Blumenmädchen (3,25), Herzeleide (1,25), Charfreitagszauber (2,-), Titurels’s Todtenfeier (1,75), Die Erlösung (2,-). Vgl. Schotts Werbeanhang zur ‚Parsifal‘-Ausgabe 1879 (1883), S. I. und ‚Parsifal and the Pianola‘, in: The Atlantic Monthly Advertiser 1904 February, S. 41. 59 Heintz hatte am Berliner königlichen Institut für Kirchenmusik studiert und wirkte als Organist an der 1960 abgerissenen neugotischen Petrikirche im Süden der Berliner Spreeinsel; daneben veröffentlichte er Einführungen zu Wagners Bühnenwerken, u. a. zu ‚Lohengrin‘ (1894) und dem ‚Ring‘ (1893). Er gab die ‚Briefe Richard Wagner’s an Otto Wesendonck‘ heraus (1898) und publizierte im

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jeweils ein Heft unter dem Titel ‚Angereihte Stücke aus ‚Parsifal‘ ‘, die von Schott für M. 2 bzw. 2,75 vertrieben wurden. Er richtete ferner den ‚Charfreitagszauber‘ als ‚Episode‘ für Pianoforte und Violine ein (M 1,75), konkurrierend zur ‚Paraphrase‘ desselben Stücks durch Emil Mahr (M 1,75).60 Friedrich von Wickede (1834–1904) gestaltete eine „Auswahl von Melodien und Motiven“ als „leichte Bearbeitung“.61 Damit waren die beliebtesten Abschnitte des Werkes in unterschiedlich schweren Klavierfassungen zugänglich. Für Orchester standen auf der Angebotsliste: das Vorspiel für 20 Mark als Partitur, die Orchesterstimmen für 9,25, der „Charfreitagszauber“ in der Partitur für 20 M., die Orchesterstimmen für 7,25; die „Verwandlungsmusik und Schluss-Scene des I. Actes für Orchester und Chor zum Concert-Vortrage eingerichtet“ (Partitur 30 M., Orchesterstimmen 17,-, Chorstimmen 1,75).62 Besonders letztere Fassung, die aus dem dramatischen Geschehen eine Art ‚Gralsmesse‘ herausschälte, war geeignet, die Rezeption des in toto noch gar nicht publizierten Werkes in eine bestimmte Richtung zu prägen. In den Einzelbearbeitungen stach aber der Blumenmädchenchor als Höhepunkt hervor. Diese Ausformungen kaiserzeitlichen Merchandisings wurden im Umfeld der Bayreuther Festspiele von 1882 entwickelt.63 Strecker berichtete am 25.8.1882 Wagner über die Aktivitäten in seinem Hause: Herr Levi schreibt heute, Sie wünschten, daß wir vor der Partitur einzelne Orchesterstücke herausbrächten. Wir haben zunächst eine Separat-Ausgabe des ‚Vorspiels‘ vorgesehen, an der man seit gestern – dem Eintreffen der Partitur – arbeitet. Ferner hat Herr Rubinstein in Bayreuth begonnen, sein ‚Blumenmädchenbild‘ zu orchestrieren, das auch in Angriff genommen wird, sobald wir das Manuskript haben. Zu weiteren Bearbeitungen konnten wir aber keine Aufträge geben, weil uns die Partitur noch fehlte, ohne die doch keine Arbeit richtig gemacht werden kann. Anträge von Arrangeurs hätten wir schon genug: z. B. hat der bekannte Arrangeur Stasny64 die Kühnheit gehabt, nach dem Klavierauszug den Schluß des I. Aktes zu bearbeiten, wir ‚Bayreuther Taschenbuch‘ und der ‚Allgemeinen Musik-Zeitung‘ über Wagner und seine Familie, vgl. Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 1, S. 492 bzw. Bd. 2, 329 und 502. 60 Violinist und Concertmeister, verstarb 1913 als Dozent am New England Conservatory of Music in Boston, vgl. den Nachruf in: The Violinist 16/17 (1913), S. 41. 61 Vgl. Burckhard Egdorf: Das Potpourri und Richard Wagner. Analysen 2: Tristan und Isolde, Die Meistersinger von Nürnberg, Der Ring des Nibelungen, Parsifal, Das Liebesmahl der Apostel sowie Potpourris aus mehreren Bühnenwerken, Fernwald: Muth, 2012 (Forum Musikwissenschaft 2c). 62 Angaben nach dem Werbeanhang zur Ausgabe 1879 (1883), S. II. 63 Nach der Uraufführung kamen neben Postkarten mit nachgestellten Szenen auch Devotionalien aller Art hinzu bis hin zu Gralskannen und elektrisch beleuchtetem Gralskelch. Beispiele und Bilder in: Baumstark/Koch, Der Gral S. 99–100 und 194 f. 64 Ludwig Stasny (1823–1883), tschechischer Musiker, zuletzt Kapellmeister im Palmengarten zu Frankfurt a.M., fertigte populäre Polkas und Orchester-Arrangements zu verschiedenen Opern, u. a. zum ‚Ring‘. Vgl. Siebert, Palmengarten, S. 9, 11 und 18.

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wollten aber trotz seines Drängens die Herausgabe nicht unternehmen, weil uns die Sache bedenklich schien. Angenehm wäre es mir, wenn Sie Wünsche oder Ratschläge bezüglich der Ihnen günstig dünkenden Einzel-Orchesterstücke mitteilen wollten. Was den Zeitpunkt des Erscheinens dieser Stücke betrifft, so ist nur der des ‚Vorspiels‘ einigermaßen zu fixieren: spätestens 15. Oktober, und wenn man uns von Bayreuth die ausgeschriebenen, gespielten (sehr wesentlich!) Stimmen geben könnte, werden wir wohl noch früher fertig.65 Wagners Anwort fiel denkbar knapp aus: „Wegen der Herausgabe einzelner Stücke der Partitur des ‚Parsifal‘ verweise ich Sie einzig an KM. Levi und ersuche Sie jede andere Anerbietung (Stasny!!!) abzuweisen.“66 Die Übersetzung durch Judith Gautier Die schon vor Drucklegung des deutschen Textes vom Verlag gewünschte französische Übersetzung wurde auf Wagners mehrfach geäußerten Wunsch Judith Gautier in Paris anvertraut, „die damals Strecker nahestand“ (wie sich des Verlagsleiters Streckers gleichnamiger Sohn erinnerte). Schott ließ 1878 in Paris eine Prosa-Fassung des Librettos67 drucken, die Jules de Brayer (1837–1916) erarbeitet hatte. Er war Mitherausgeber der ‚Revue Wagnerienne‘, wirkte 1882 an der Organsiation der Festspiele mit und hatte Wagner im gleichen Jahr in Palermo mit Renoir bekannt gemacht.68 Brayer sprach von einer „traduction analytique“; aber seine Arbeit fand trotz lobender Erwähnung im Editorial der ‚Bayreuther Blätter‘69 wenig öffentliche Anerkennung. Wagner glaubte nicht, dass es eine adäquate französische Wiedergabe geben könne. Da Judith kein Deutsch sprach, musste Cosima eine Vor-Übersetzung anfertigen, die dann poetisch bearbeitet werden sollte.70 Wagner äußerte sich Judith gegenüber in einem vertraulichen Brief wenig schmeichelhaft über die Vorlage: Cosima n’a fait (de là cette roideur!) que chercher des expressions – sobres à mourir! – Pour des choses naïves, dont le sens même est inconnu aux Fran65 Wagner-B Schott, S. 237, Nr. 261. 66 Wagner-B Schott, S. 238, Nr. 262. 67 Pistone, Gautier S. 149 und 155. 68 Lockspeiser, Renoir 1, S. 92. 69 Hans von Wolzogen: Im neuen Jahre, in: Bayreuther Blätter 2 (1878), S. 1–11, hier S. 7: „Abgesehen von der Wirkung der Dichtungen als solcher, welche z. B. auch bereits Uebertragungen des ‚Parsifal‘ in das Französische (von Jules de Brayer) und in das Spanische (von D. Joaquin Marsillach) veranlasst hat, — abgesehen davon ist vielmehr eben bei den Romanen bisweilen ein ganz intensives Interesse für die, wenn man so sagen will, theoretischen Gedanken des deutschen Künstlers zu bemerken.“ 70 Vgl. Guichards zusammenfassende Anmerkung Nr. 3 bei BW Gautier S. 252, der alle diesbezüglichen Briefe Richards und Cosimas nennt. Allgemein Pistone, Gautier S. 150–153.

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çais. […] C.[osima] n’a voulu que faire comprendre à peu près ce dont il s’agit, tout en supposant que cela devait être bien autrement arrangé pour le faire goûter aux Français ‚comme Poësie‘. Il me semble, que vous ayez cruellement souffert en lissant ces pages, étant obligée de la prendre pour poësie! – Toujours serait-il très bien, si vous vous entendez fort franchement avec elle.71 Diese Übersetzung wurde entgegen der Vereinbarungen mit Schott72 zunächst nicht gedruckt, obschon sie rechtzeitig zur Uraufführung 1882 vorlag: Cosima erhielt den Text bereits im Oktober 1881 und bedachte ihn mit Anerkennung73; später bezeichnete sie ihn aber gerade heraus als unsingbar: Sie habe allerdings nur an ein litterarisches Produkt gedacht, dessen Herausgabe von Werth für die vielen Fremden bei den Aufführungen sein würde, und nicht gewußt, daß es sich hier auch um eine Adoption [!] der Worte auf die Musik handle. Ich glaube, daß Beides: eine gute und eine französisch zu singende Übersetzung kaum zu vereinigen sind.74 Damit schien die Frage einer autorisierten französischen Übersetzung erledigt. Erst elf Jahre nach der Uraufführung gab Judith in Eigenregie den Text auf „papier velin“75 in den Druck; beigegeben war eine Zeichnung von Paul Baudry (1828– 1886)76, die zeigte, wie Parsifal sich mit seinem Bogen gegen einen anfliegenden Adler zur Wehr setzt.77 Die Vorrede betonte die französische78 und kymrische Abkunft der Grals- und Percevalgeschichte und ergänzte die Spekulationen um Gral und Speer um eine neue Variante: Judith übernahm nicht nur aus dem ‚Wartburgkrieg‘ die Behauptung, der Gral sei ein Edelstein, den Luzifer bei seinem Sturz aus der Krone verloren habe, sondern ließ zusätzlich den Speer jene Waffe sein, mit der der Erzengel Michael dies bewirkte.79 Sie referierte auch französische KreuzfahrerErzählungen um die Passionsreliquie und der Auffindung des (Genueser) Grals 1102 bei der Eroberung von Caesarea80 und betonte die Parallele des Graltempel

71 BW Gautier S. 68, Brief vom 27.11.1877. 72 In einem Brief vom 23.9.1881, der die Überweisung von 40.000 Mark Honorar ankündigt, beklagt Ludwig Strecker namens des Verlages, man habe die Vorlagen für die Publikation von Wagners Jugendwerken nicht erhalten, „auch die Übersetzung ‚Parsifal‘ in französischer Sprache nicht“ (Strecker, Verlagsgefährte S. 312). 73 Vgl. Wagner-B Schott, S. 229 Nr. 248. 74 Wagner-B Schott, S. 230 Nr. 250 vom 11.12.1881. 75 De Gourmant, Gautier S. 30. 76 Vgl. Ephrussi, Paul Baudry. 77 Bezogen auf einen Dialog des ersten Aufzugs (Wagner SuD 10, S. 336): „Gurnemanz: ‚Wer gab dir den Bogen?‘ Parsifal: ‚Den schuf ich mir selbst, / vom Forst die wilden Adler zu verscheuchen.‘ “ 78 So auch mit Nachdruck Hippeau, Parsifal S. 27 f. 79 Wagner, Parsifal, ed. Gautier S. II f. 80 Schleinitz, Bayreuther Bühnenweihfestspiel S. 41 f.; Wechssler, Sage vom Heiligen Gral, S. 129 Anm. 38.

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„au temple de Salomon à Jérusalem“81. Dieser historischen Ableitung stellte sie die symbolistische Neuschöpfung Wagners als eines „génie“ gegenüber.82 An diesem Referat von gralsmythischen Thesen ist hervorzuheben, dass es ganz und gar das Gegenteil von dem ausführte, was zur gleichen Zeit in Bayreuth propagiert wurde. Schon 1882 fügte Gautier außerdem in ihre Nacherzählung der ‚Parsifal‘-Handlung einen direkten Bezug auf Joseph von Arimathäa ein, der so nicht im Sinne Wagners gewesen sein kann.83 Die ‚Parsifal‘-Kommentierung durch Judith Gautier erlaubte keine antisemitischen Vorstellungen. Sie plante ihrerseits sogar einen Bar-Kochba-Roman84, der aber anscheinend nicht erschienen ist85 – und aus der Themenstellung ist natürlich noch nicht zwingend zu erkennen, wie das Judentum darin behandelt werden sollte. Allerdings zeigen die sonstigen Beschäftigungen mit Orientalia und gelegentliche Bezüge auf jüdisch-hebräische Momente keinerlei negative Konnotationen. In der Unterhaltungszeitschrift ‚La Tradition‘ veröffentlichte sie 1889 drei kurze ‚Légendes de l’antiquité juive‘86, die sie in der fokloristischen Legendensammlung eines „juif de Francfort, nommé Abraham Tendlau87“ gelesen hat.88

81 Wagner, Parsifal, ed. Gautier S. III. 82 Wagner, Parsifal, ed. Gautier S. VIII f.: „Et cependant le Graal, dont il s’agit aujourd’hui, est autre. Porté par les mains souveraines du Génie, il resplendit, d’une lueur nouvelle et merveilleuse, dans le ciel de l’art; sa splendeur s’infuse, comme un sang de lumière, dans le cœur des nouveaux poètes, sous ses rayonnements s’épanouissent une foi robuste, un mysticisme passionné, qui font tendre vers lui les âmes et les intelligences; il est le symbole de toute beauté, de toute noblesse, de toute pureté, il est l’emblème de l’amour, du dévouement, de l’héroïsme, de l’infinie bonté, compatissante à tous, qui s’étend de l’homme à la bête et descend jusqu’à la fleur. Le Graal, c’est la coupe levée vers l’idéal, dans laquelle jaillit le sang de tous ceux qu’ont déchiré les griffes des chimères; c’est l’ineffable calice, où s’écrase et ruisselle la vendange de tous les rêves!“ 83 „Le roi, en silence, s’est relevé, il ouvre la châsse d’or et en tire l’antique relique: cette coupe de cristal dans laquelle Joseph d’Arimathie recueillit jadis le sang du Christ: le Miraculeux Graal !“ Gautier, Richard Wagner et son Œuvre S. 159. 84 Vgl. die Verlagsanzeige „ouvrages du même auteur“ gegenüber dem Titelblatt von ‚Les peuples étranges‘, Paris: Charpentier 1879, wo neben dem Iskender auch ein Bar-Kokeba als „sous presse“ angekündigt wird. 85 Kein Nachweis im Katalog der Bibliothèque Nationale Paris. Die in ‚Les peuples étranges‘ zusammengefaßten Abhandlungen zeugen von der Weltoffenheit der Autorin, die mit dem rassistischen Kulturpessimus eines Gobineau unvereinbar ist, der zur gleichen Zeit den alternden Wagner beschäftigte. Es werden die Urmenschen – und die bei diesen unterstellte Gleichberechtigung der Frauen –, vor allem aber die chinesische Kultur und weitere orientalistische Themen behandelt. 86 Gautier, Légendes. 87 Abraham Moses Tendlau (1802–1878). 88 Gautier wählte aus Tendlau, Buch der Sagen drei Kurzerählungen: S. 181 (Der erste Weinberg) S. 47 (Alexander vor der Pforte des Garten Eden), S. 33 (Hanina ben Theradion).

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Sonstige Übertragungen Schott druckte die Gautier-Übersetzung nicht, vielmehr gewann man hierfür den in Périgueux (Dordogne) geborenen französischen Musikkritiker Alfred Ernst (1860–1898)89, der weitere Bühnenwerke von Wagner ins Französische übertrug (‚Tannhäuser‘, ‚Tristan‘, ‚Meistersinger‘, ‚Ring‘) und sich auch grundsätzlich zu dieser Tätigkeit äußerte.90 Er beschäftigte sich intensiv mit Wagners archaischem, von seinen Quellen geprägten Sprachstil und verlangte „une exacte construction syntactique“.91 Das gebotene Libretto liest sich gut und ist auch den Anforderungen einer musikalischen Darbietung gewachsen. Man wagte sich daher auch an eine separate Publikation des Librettos. Um 1910 erschien eine dreisprachige Taschenpartitur mit seiner Übersetzung, parallel als dreibändige und als einbändige Ausgabe, jeweils mit dem ausdrücklichen Vermerk, dass sie nicht für Aufführungen des Werkes verwendet werden dürfe. 1913 gab es auch den Klavierauszug von Klindworth mit dem Text von Ernst. Da Schott in Frankreich keine Niederlassung hatte, übernahmen die Editions Max Eschig in Paris diesen Part. Englische Übersetzungen besorgten nicht nur der vom Komponistenehepaar mehrfach empfohlene Alfred Forman (1840–1925), sondern auch der von ihnen abgelehnte Komponist Frederick Corder (1852–1932). Er arbeitete, wie schon bei der Übertragung des ‚Rings‘, mit seiner Frau Henriette Walford zusammen; ihre zunächst von Schott verwendete zweisprachige Ausgabe wurde für die Metropolitain Opera in New York nachgedruckt und fand Aufnahme in die Reihe der ‚Grand Opera Librettos‘ der in Philadelphia ansässigen Oliver Ditson Company92. Während die Ausgabe der MET eine vierseitige Inhaltsangabe von Charles Henry Meltzer93 enthielt, brachte die Ditson Company eine zweiseitige Analyse mit den Rubriken „The Genesis of the Drama“ – „The Story of the Drama“ – „Publishers‘ Note“. Letztere leitet eine Tafel der „Leading Motives (Leitmotiven) of the Drama“ (S. 4–7) ein. Ein genaues Erscheinungsjahr läßt sich nicht ermitteln. Schott verwendete in der mehrsprachigen Partitur eine englische Textfassung von Margaret Glyn. Bemerkenswert ist die zweisprachige Ausgabe, die von dem Harvard-Absolventen George Turner Phelps (1867–1920)94 im Jahr 1904 vorgelegt wurde. Sie nennt Wagner nicht auf dem Titelblatt und entnimmt den deutschen Text dem Klavierauszug von Rubinstein. Eine Katalogisierung der Leitmotive wird 89 Alfred Ernst (1860–1898). 90 Alfred Ernst: Sur les traductions de Wagner, in: Revue blanche, 1894, Novembre, Paris: Camproger 1894, 8 S. Ders.: L’Art de Richard Wagner. 91 Ernst, L’Art de Richard Wagner S. 67. 92 Der Gründer, Oliver Ditson (1811–1888), kaufte mehrere Musikverlage auf und wurde der bedeutendtse Musikverleger der USA. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Charles Healy Ditson (1845– 1929) das Unternehmen. 93 Meltzer, Charles Henry, 1853–1936. Er brachte parallel eine eigene Textausgabe bei der New Yorker J. S. Ogilvie Publishing Company heraus, in deren Vorwort er – wie im Heft der MET – die französischen Quellen betont und die Gralsritter als „Knight-Templars“ bezeichnet. 94 Hanaford/Hines, WhO’s who, S. 247; Harvard Alumni Bulletin 22 (1919/20) S. 551.

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nicht versucht. Der Text wird von tabellarischen Aufschlüsselungen mehrstimmiger Szenen durchsetzt, z. B. im Finale: „Orchestra 9 bars. (Allmähliche sanfte Erleuchtung des „Grales“.) Orchestra 3 bars. (Zunehmende Dämmerung in der Tiefe bei wachsendem Lichtscheine aus der Höhe.) Orchestra 4 bars. { Aus der höchsten Höhe {sop 1 2 – unison ---- |Höchsten |Heiles |Wunder! Aus der mittleren Höhe {alt 1 2 --- |Höchsten |Heiles |Wun- |der!“ Diese Verschachtelung wird infolge der Komplexität der Stimmlagen recht unübersichtlich: Die hier angedeutete erste Klammer umschließt 23 mehrfach teilgeklammerte Zeilen. Es folgt eine zweite Klammer mit 10 Zeilen. Seine szenische Interpretation lieferte Phelps in einem Aufsatz in der avantgardistischen Zeitschrift ‚The Poet Lore‘ nach, in dem er die amerikanischen ‚Parsifal‘-Aufführungen bespricht, die im Bayreuther Kreis als „Gralsraub“ angepran­­gert wurden.95 Hier wird deutlich, dass die Übertragung nicht bloß einer enthu­siasti­schen Verbreitung des Wagner’schen Librettos diente, sondern der Unterstüt­zung für die von Bayreuth so vehement bekämpften amerikanischen Bemühungen um den ‚Parsifal‘96 – auch wenn die englischsprachigen Aufführungen nicht Phelps Text verwendeten, sondern jenen von Margaret Glyn aus Schotts mehrsprachiger Partitur. Die Qualität der konkurrierenden Übersetzungen schwankte.97 Als Beispiel diene die an Amfortas gerichtete Weissagung: „Durch Mitleid wissend, / der reine Tor /  harre sein / den ich erkor“.98 Die zeitgenössische Wagnerforschung zitierte meist nach Corder: „by pity lightened / a guiless fool / wait for him / my chosen tool”.99 Die Wanderaufführungen der Savage Company verwendeten – ohne Quellen­an­ gabe – den Text der dreibändigen mehrsprachigen Orchester-Partitur von Margaret 95 Phelps, Staging. 96 Vgl. ‚Parsifal‘ ed. Phelps S. 7: „This text is offered not as perfect, but as practicable; not in emotional worship, but in enthusiasm compelled by unsparing analysis of a concrete art work, the product of a mind gifted with marvelous creative imagination.“ 97 Zur Kritik an diesen Übersetzungen vgl. Huckel, Parsifal S. xiv: „The mere translations of the words of Parsifal, as given in the English texts of H. and F. Corder and M. H. Glyn, do not adequately represent the full value of the drama. Those versions were under the necessity of a strictly literal translation, which was further hampered in order to make the English words fit the music, and the result was far from satisfactory. The literal translation also unfortunately over-emphasizes certain parts and phrases in the drama which are somewhat harsh, but which at Bayreuth become much modified and refined, and are, therefore, so represented in this version.“ 98 RWSW 30, S. 98 V. 227–230, keine Varianten. 99 Zitiert bei Elson, Modern Music, S. 306 und Gurney, Study S. 29.

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Glyn: „By ruth his knowledge, / the blameless fool / him await / my chosen one”100, der sprachlich und melodisch kaum überzeugt. Ernest Newman (1868–1959), später Verfasser der detailreichsten Wagner-Biographie überhaupt101, versuchte sich 1914 in poetischen Formeln: „Made wise through pity / the blameless fool / wait for him / my own is he.“102 Phelps kommt in Sinn und Sangbarkeit dem Original wohl am nächsten: „Through pity knowing / the virigin fool / wait thou him / whom I shall call”.103

Die Genese des ‚Bayreuther Gedankens‘ Wagners ‚Regenerationsschriften‘ Wagner rückte allerdings nur unwillig von dem Grundsatz ab, sein mythisierendes Werk nicht selbst zu analysieren. In Gesprächen machte er, schon während der Komposition, immer wieder Andeutungen, aber eine Gesamtinterpretation legte er niemals vor. So muss auch offen bleiben, wie eng er sich den Bezug der Essays aus den Jahren 1877–1883 zum ‚Parsifal‘ gedacht hat. Dabei handelt es sich zunächst um das Grundsatzpapier ‚Religion und Kunst‘104 im dritten Jahrgang der ‚Bayreuther Blätter‘ (1880), dem er in späteren Heften Nachträge folgen ließ: ‚Was nützt diese Erkenntnis?‘ im gleichen Jahrgang, sowie als „Ausführungen zu ‚Religion und Kunst‘“ im folgenden Jahrgang (1881): ‚Erkenne dich selbst‘ und ‚Heldenthum und Christenthum‘. Diese im Kern von Schopenhauer ausgehenden Traktate werden unter dem Sammelbegriff der ‚Regenerationsschriften‘ zusammengefasst.105 Unter ihnen nimmt ‚Heldenthum und Christenthum‘ eine Sonderstellung ein, weil darin die bisherigen Darlegungen durch Rassenlehre des Grafen Gobineau massiv relativiert werden.106 Sie können nur eingeschränkt als nachgeschobene Interpretationshilfen zum ‚Parsifal‘ betrachtet werden.107 Zum Beispiel hat die Sexualität, die man mit einigem Recht als Wagners Zentralthema seit dem ‚Tannhäuser‘, wenn nicht schon dem ‚Fliegenden Holländer‘108 bezeichnen kann, in diesem theoretischen Schrifttum 100 Orchesterpartitur 1, S. 137 f. 101 Newman, Life. Zum ‚Parsifal‘ vgl. Newman, Wagner Operas, S. 635–723. 102 Singer, Klavierauszug S. 40. 103 ‚Parsifal‘ ed. Phelps S. 22, die erste Zeile hier irrtümlich deutsch. 104 Hierzu zusammenfassend Berger, Regenerationsfrage S. 6–8. 105 Erste Gesamtveröffentlichung: WSD 10, S. 211–285. 106 Berger, Regenerationsfrage S. 10–12. 107 Berger, Regenerationsfrage S. 13: „Der Rassismus der letzten Fortsetzung ist […] ein Stolperstein auf dem Weg, die Regenerationsschriften und die Oper als Ausdruck einer kohärenten ethischen Anschauung aufzufassen.“ 108 Zur Vorgeschichte bei ‚Tannhäuser‘ und ‚Tristan‘ vgl. Furness, Wagner and Literature, S. 35–59; speziell zum ‚Parsifal‘ auch Winterbourne, A Pagan Spoiled und McGlathery, Erotic Love.

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Die Genese des ‚Bayreuther Gedankens‘

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praktisch keinen Raum. Es konzentriert sich auf die Absicht, den ‚Parsifal‘ für eine kulturpolitische Mission einzusetzen, die sich mehr und mehr an das Festspielhaus in Bayreuth knüpfte – ohne dass jedoch die jährlichen ‚Wagner-Festspiele‘, wie sie bis heute bestehen, schon als Programm feststanden. Diesem Zweck diente die Gründung einer eigenen Zeitschrift – der ‚Bayreuther Blätter‘. Wagner hatte sich schon 1849 eine solches Organ gewünscht, um seine kunstpolitischen Ideen zu verbreiten, sie sollte damals den Titel ‚Für Kunst und Leben‘ tragen.109 Dieses Projekt suchte er mehrfach mit unterschiedlichen Redakteuren zu realisieren, scheiterte jedoch an ökonomischen und zwischenmenschlichen Problemen – zuletzt, als die finanzielle Seite sich erheblich verbessert hatte, am Zerwürfnis mit Friedrich Nietzsche.110 Im Januar 1878 erschien endlich das erste Hefte der nunmehr schlicht als ‚Bayreuther Blätter‘ betitelten Monatsschrift, die damit schon rein zeitlich direkt neben dem Erstdruck des ‚Parsifal‘ stand. Das Titelblatt betonte, die Zeitschrift werde „unter Mitwirkung Richard Wagner’s redigirt von Hans von Wolzogen“. Wagner bestritt zusammen mit von Wolzogen und Heinrich Porges (1837–1900)111 den größten Teil der ersten zwölf Lieferungen. Auch wenn er sich allmählich zurückzog, brachte er sich doch immer wieder mit umfänglichen Einlassungen ein; ‚Religion und Kunst‘ z. B. bildete das komplette Oktoberheft des Jahrgangs 1880. Anders als die Bayreuther Selbstbespiegelung später glauben machen wollte, war das Verhältnis der Redakteure zum ‚Meister‘ nicht ohne Spannungen. Wagner räsonierte gelegentlich darüber, die ‚Blätter‘ einzustellen oder sich von Einzelpersonen oder dem ganzen Team zu trennen. Abends spricht R. über seine Parteigänger, die wie gemacht seien, um die Gedanken, die er ausspricht, der Lächerlichkeit preiszugeben. (Er nimmt Stein aus). Er sagt zu Jouk[owksy], daß er niemals daran gedacht haben würde, daß die Blätter mehr als zwei Jahre dauern würden; er überlegt es sich, wie es mit Wolz[ogen] werden soll. Und schließlich beklagt er es laut, daß er ‚Wahnfried‘ gegründet, auch die Festspiele scheinen ihm absurd!112 Er tat es nicht, und es ist die Frage zu stellen, wieviel Einfluss Cosima in dieser Phase des ‚Bayreuther Gedankens‘ hatte. Hier wäre neben Cosimas Tagebüchern ihre Korrespondenz zu sichten, die jedoch bislang nicht kritisch aufgearbeitet wurde.

109 Hein, Viel Hitler S. 17. 110 Hein, Viel Hitler S. 21–30 mit weiterführenden Literaturangaben. 111 Hein, Viel Hitler S. 81 f. und Robert Münster in NDB 2 (1955), S. 636: „P. war einer der treuesten jüd. Mitstreiter Wagners und wurde von diesem, auch seiner Schriften wegen, hoch geschätzt.“ Seine Notizen im Klavierauszug des ‚Parsifal‘ zur Uraufführung editiert RWSW 30, S. 165–229. 112 Cosima-Tagebücher 2, S. 1110 zum 10.2.1883. Der Passus „über seine Parteigänger“ wurde im Manuskript bemerkenswerterweise von fremder Hand abgeändert in „einige seiner“. Hier sieht man den Gegensatz zwischen Wagner in seiner letzten Lebensphase und den Bayreuther Adepten in aller Schärfe.

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Vorerst bleiben also jene Tagebucheinträge von besonderem Interesse, in denen sich Wagners Kritik widerspiegelt. Ende April 1879 heißt es: R. liest die B. Bl., freut sich über die drei: Glase[napp], Wolz[ogen], Schemann, ärgert sich über den Druckfehler aus der alten Ausgabe vom ‚Kunstwerk der Zukunft‘: himmlische Schönheit für sinnliche (er meint, abends darauf zurückkommend, daß Glasenapp ihn beibehalten, könnte einen an allem irre machen). Nur der Musiker fehle noch in unserem Bund, um die Kritik der modernen Musik zu schreiben.113 Das klingt bei unvoreingenommener Lektüre wie ein durchgängiges Lob, das nur durch einen Druckfehler getrübt wurde.114 Doch hält der Eintrag der quellenkritischen Prüfung nicht stand. Sicher ist, dass Wagner die Aprilnummer des zweiten Jahrgangs (1879) der ‚Bayreuther Blätter‘ las, denn nur dieses Heft besteht aus genau drei Beiträgen, die Glasenapp, Schemann und von Wolzogen verfasst haben; die früheren oder späteren Nummern sind anders zusammengesetzt. Glasenapp beschäftigte sich in einer über den Jahrgang verstreuten Artikelserie mit den ‚Kunstschriften Richard Wagner’s aus dem Jahre 1849‘, zu denen auch ‚Das Kunstwerk der Zukunft‘ gehört. Dieses wurde jedoch erst in der Juni-Nummer der ‚Blätter‘ behandelt; im April ging es um ‚Die Kunst und die Revolution‘.115 Im Grunde war Glasenapps Vorgehen in dieser Serie anspruchslos: Er gab unter Einschaltung umfangreicher Zitate verkürzende Inhaltsangaben und betonte dabei, dass es Wagner auch in den Revolutionsjahren primär um die Kunst (und nicht um Politik) gegangen sei. Es sind, wenn man so will, Vorübungen für die große Wagner-Biographie, die noch stärker dem Zweck diente, den Fürsten-Schreck von 1848 zum guten deutschen Geist im Sinne des ‚Meistersinger‘-Finales umzudeuten. Die von Wagner monierte Entstellung von „sinnlich“ zu „himmlisch“ betrifft seine Einstellung zur jungdeutschen Sinnlichkeit und ist für den frühen Bayreuther Kreis symptomatisch – genau so wurde interpretatorisch mit dem erotischen Potential im ‚Parsifal‘ verfahren. Wagners heftige Empörung über das hier waltende Unverständnis („könnte einen an allem irre machen“) verdient also gerade deshalb besonderes Augenmerk. Aber leider hat die stille Post – Cosima zitiert Wagner, der Glasenapp zitiert, der wiederum Wagner zitiert – ganze Arbeit geleistet. Denn das von Wagner beanstandete Zitat findet sich in Glasenapps Artikelserie überhaupt nicht. Allein im sechsten Band seiner Wagner-Biographie (Leipzig 1905)116 kommt es vor, aber das kann Wagner nicht gelesen haben, zumal die Passage dort korrekt

113 Cosima-Tagebücher 2, S. 337 zum 27.4.1879. 114 Vgl. Franz, Religion des Grals S. 115. 115 Diese spricht in einem anderen Zusammenhang auch einmal von „sinnlicher Schönheit“ (vgl. Wagner, SuD 3, S. 16), doch verkürzt Glasenapp den Gedankengang zwischen Wagner, SuD 3, S.12 und S. 17 ganz extrem, vgl. Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 95. 116 Glasenapp, Leben Richard Wagners 6, S. 405 Anm. 10.

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widergegeben ist. Und damit nicht genug. Der Erstdruck von ‚Das Kunstwerk der Zukunft‘ hat überhaupt keinen Fehler im Satz, durch welchen „himmlische“ statt „sinnliche“ zu lesen wäre.117 Cosimas Bericht enthält also drei Unstimmigkeiten: − Im Aprilheft von 1879 beschäftigt sich Glasenapp mit ‚Die Kunst und die Revolution‘, nicht mit ‚Das Kunstwerk der Zukunft‘. − Glasenapp zitiert weder im Aprilheft noch in späteren Teilen der Artikelserie eine Textpassage, in der Wagner von „sinnlicher Schönheit“ spricht, infolgedessen verunstaltet er dieses Zitat auch nicht. − Im Erstdruck von Das Kunstwerk der Zukunft steht nicht „himmlische“, sondern korrekt „sinnliche Schönheit“. Die ersten beiden Punkte ließen sich durch die Annahme erklären, dass Wagner beim Lesen des gedruckten Aprilheftes sich eines Manuskriptes oder Korrekturabzuges zum Juni-Heft erinnerte, in dem Glasenapp über ‚Das Kunstwerk der Zukunft‘ handelte, und dass in diesem das verfälschte Zitat noch enthalten war, dann von Glasenapp aber aufgrund von Wagners Kritik noch vor der Auslieferung des Juni-Heftes getilgt wurde. Doch ist der dritte Punkt mit dieser Hypothese nicht aus dem Wege zu räumen. Wagner scheint tatsächlich geglaubt zu haben, Glasenapp habe hier aus Unverständnis oder ganz naiv einen Druckfehler übernommen. Am Original hat Wagner dies aber nicht geprüft (sonst hätte er wissen müssen, dass es sich anders verhielt). Möglicherweise handelte es sich bei der Verunglimpfung der Erstausgabe um eine Schutzbehauptung Glasenapps, der eine eigene Fehlleistung (lapsus Freudianus oder Emendation?) dem Setzer von 1850 unterschob. Ganz gleich, wie es sich genau verhielt: Cosimas verkürzte Erzählung verschleiert den Versuch, Wagners Denken im Sinne der späteren ‚Bayreuther Theologie‘ umzustilisieren, und verharmlost Wagners Intervention. Man braucht ihr dabei keine finstere Absicht zu unterstellen; wahrscheinlich ist der Eintrag in Hast und ohne langes Bedenken verfasst worden. Aber gerade die subjektive Ehrlichkeit macht die Sache schwierig, da man gar nicht auf die Idee kommt, im Erstdruck und in den ‚Bayreuther Blättern‘ nachzuschlagen. So ist auch die Klage zu betrachten, mit der nach Cosima die Erörterung des Aprilheftes von 1881 schloss. Das klare Lob der ‚Bayreuther Blätter‘ und ihrer drei Autoren wird durch den Hinweis auf das Desiderat eines Musikers, der „die Kritik der modernen Musik zu schreiben“ hätte, stark eingeschränkt. Sowohl Sche­mann wie von Wolzogen versuchten in ihren Beiträgen immer wieder, sich dem ‚Meister‘ als Musikkritiker in seinem Sinne zu empfehlen. Sie fanden offenkundig nicht seine Anerkennung. Joseph Rubinstein bemühte sich dann im achten Heft des ersten Jahrgangs von 1878118, diese Lücke durch einen Beitrag über Robert Schu­ mann zu füllen. 117 Richard Wagner: Das Kunstwerk der Zukunft (1850), S. 19. 118 Joseph Rubinstein: Über die Schumann’sche Musik, in: Bayreuther Blätter 2 (1878), S. 217–229.

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In der Märznummer des gleichen Jahrgangs begann der vom König zum Musikdirektor erhobene Chorleiter Porges seine Artikelreihe ‚Über die Begründung der Kunst durch die Religion‘119, in der zwar ‚Parsifal‘ nicht zitiert wird, die aber in der Suche nach einer neuen philosophischen Religiosität thematisiert, die aus der Kunst entspringen müsse. Hier werden Ansprüche markiert, die Wagner intensiv mit Cosima diskutierte120 und 1880 selbst in ‚Religion und Kunst‘ übernahm.121 Das Christentum erscheint bei Porges als höchste Verkörperung menschlicher Kultur, insofern es „Thätigkeit und Leiden“ als ethisches Prinzip verfolge und die „Kunst des Genius“ ermögliche, die, so wird es angedeutet, diejenige Richard Wagners ist.122 Die Vergötterung ‚des Meisters‘ und seines noch gar nicht vollendeten und daher nicht beim Namen gerufenen neuen Bühnenwerkes ist hier ohne jeden antisemitischen Akzent. Es sei dahingestellt, ob wirklich nur zufällig auf den Seiten hinter den ersten Darlegungen des jüdischstämmigen Porges Wagner selbst in einem ‚Modern‘ betitelten Essay dagegen polemisiert, daß das „liberale Judentum“ sich durch den Journalismus verbreite und sich anschicke „alle originalen Anlagen seiner deutschen Mitbürgerschaft gänzlich“ zu ruinieren.123 Nun ist es kaum zu klären, wieviel Porges aus Gesprächen mit Wagner entwickelte und wieviel als seine eigene Geistesleistung anzusehen ist, wie auch umgekehrt ein nachvollziehbarer Bezug zwischen Wagners Ausfällen in ‚Modern‘ und dem Text des ‚Parsifal‘ fehlt. An Essays wie ‚Publikum und Popularität‘, ‚Das Publikum in Zeit und Raum‘ schließt sich ‚Ein Rückblick auf die Bühnenfestspiele des Jahres 1876‘ (also die Uraufführung des ‚Rings des Nibelungen‘ in Bayreuth) an, wodurch alle diese Texte eher rückverweisend wirken, auch wenn sie parallel zum Libretto oder wenigstens der Komposition des ‚Parsifal‘ entstanden.124 Es darf aber nicht übersehen werden, dass Wagner in dieser Zeit mit Konzertreisen, Empfängen und organisatorischen Fragen aller Art befasst war, die ganz deutlich in den keineswegs immer leicht zu verstehenden Essays nachwirkten und die Eindrücke des Librettos überlagern konnten. Erst der leicht konfuse, aber als persönliche Erklärung durch-

119 Porges, Begründung. 120 Cosima-Tagebücher 2, S. 204 f. zum 20. und 21.10.1878. 121 Vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 537 zum 21.6.1872 (wie Anm. 192). 122 Porges, Begründung S. 294. 123 Richard Wagner: Modern, in: Bayreuther Blätter 12 (1878), S. 59–63, das Zitat nach dem Neudruck Wagner SuD 10, S. 54–60, hier S. 58. Zu Wagners sonstigen Publikationen in den ‚Bayeuther Blättern‘ vgl. Hein, Viel Hitler S. 103–110. Dort wird allerdings das Wagner prägende Paradoxon nicht erkannt: Hätte Wagner seine eigenen Maximen befolgt, hätte er Porges nicht als Vordenker seiner Kunsttheorie auftreten lassen dürfen, vom Einsatz als Chorleiter (und Hermann Levis als Dirigent!) des ‚Parsifal‘ ganz zu schweigen. Die rechte Publizistik der zwanziger und frühen dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts brandmarkte Wagners Musik daher als Ausdruck einer „orientalischen“ Dekadenz, Einzelheiten bei Dahm, Topos, S. 256–263. 124 Sämtliche genannten Aufsätze publiziert in den ersten beiden Jahrgängen der ‚Bayreuther Blätter‘ 1878–1879, wieder abgedruckt Wagner SuD 10, S. 61–117.

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Die Genese des ‚Bayreuther Gedankens‘

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aus aufschlussreiche Aufsatz ‚Wollen wir hoffen?‘ von 1879125 erwähnt das neue Bühnenwerk, da er in einen unvermittelten Appell zur finanziellen Unterstützung der angedachten Uraufführung mündet. Im Schlusswort heißt es: Daß ich selbst die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe, bezeuge ich dadurch, daß ich die Musik zu meinem ‚Parsifal‘ in diesen Tagen vollenden konnte. Wie die beglückende Gunst meines erhabenen Wohltäters mich einst zu der Entwerfung dieses Werkes begeisterte, hat mich jetzt das noch nicht mir verlorene Vertrauen auf den deutschen Geist bei seiner Ausführung erwärmt.126 Zuvor aber ergeht sich der Traktat weitschweifig in einem Kaleidoskop aus persönlichen Anekdoten, weltgeschichtlichen Betrachtungen über Cromwell und Luther127 und Räsonnements über die Rolle des Christentums. Wagner spätere Beiträge zu den ‚Bayreuther Blättern‘ entfernen sich noch von seinem Bühnenwerk. Dennoch gelten für viele Forscher diese als ‚Regenerationsschriften‘ betitelten und im zehnten Band der ‚Gesammelten Schriften und Dichtungen‘ dem Libretto des ‚Parsifal‘ vorangestellten kulturpolitischen Essays quasi als authentische Interpretationsanleitung. Arthur Seidl formulierte paradigmatisch: „Die Schrift ‚Religion und Kunst‘ und der ‚Parsifal‘ gehören zusammen.“128 ‚Religion und Kunst‘129 war zunächst der Versuch, sich die Gedanken von Porges anzueignen und durch Reminiszenzen aus Feuerbach130 und Schopenhauer zu adeln.131 Den Plan zu einem Religionsessay trug Wagner also schon länger mit 125 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 121–135; Wagner SuD 10, S. 118–136. Die Entstehung dieses Essays war von großen Zweifeln begleitet, vgl. etwa Cosima-Tagebücher 2, S. 256 zum 12.12.1878: „Er arbeitet jetzt an seinem Aufsatz, es sei eigentlich Unsinn alles, was man noch sage, doch wolle er es wegen Wolzogen tun.“ 126 Wagner SuD 10, S. 136. 127 „Luther hatte viel Not mit der Buchdruckerei: er mußte den Teufel der Vieldruckerei um ihn herum durch den Beelzebub der Vielschreiberei abzuwehren suchen, um am Ende doch zu finden, daß für dieses Volk, um welches er sich so unsäglich abgemüht hatte, bei Lichte besehen, ein Papst gerade recht wäre. Worte, Worte – und endlich Buchstaben und wieder Buchstaben, aber kein lebendiger Glaube! Doch es kam noch zum Zeitungsschreiben und – was viel schrecklicher ist – zum Zeitungslesen.“ (Wagner SuD 10, S. 133). 128 Seidl, Parsifal S. 96. 129 Bayreuther Blätter 3 (1880), S. 269–300 (die gesamte Oktoberlieferung), Wagner SuD 10, S. 211–253. 130 Feuerbachs ‚Heilige Familie‘ rückte für Wagner durch die Lektüre von August Gfrörer, Urchristentum wieder näher: „Mittwoch 6ten R. teilt mir immer viel aus dem Buche Gfrörer’s mit, welches ihn unendlich interessiert; z. B. unter andrem die Definition der Dreieinigkeit, welche kurz vor Christus’ Geburt aufgestellt worden war – Gott, der Vater, männlich; der h. Geist weiblich; der Heiland die Welt, daraus entstanden; Wille, Vorstellung und Welt, die Trennung der Geschlechter als Entstehung der Welt.“ Cosima-Tagebücher 1, S. 886. 131 Die Polemik gegen einen väterlichen Schöpfer ‚Jehova‘ bei Wagner SuD 10, S. 215 f. greift zwar das Thema eines vom jüdischen Erbe „befreiten“ ursprünglichen Christentums auf, das den leidenden Heiland zu thematisieren habe und dessen durch Abstoßen des Alten Testaments entstandenen Lücken aus dem Buddhismus aufgefüllt werden. Es kehrt sich aber dennoch nicht in diese Rich-

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sich herum.132 Die konkreten Inhalte egaben sich aus einer erneuten Lektüre von Renan133 und Schopenhauer134 zu Beginn des Jahres 1880. Wagner gelangte darin zum wiederholten Male zur Diagnose eines weltgeschichtlichen Verfalls.135 ‚Religion und Kunst‘ schließt mit der düsteren Vision eines durch Technikwahn und Hochrüstung verursachten kulturvernichtenden Krieges.136 Natürlich behandelt Wagner hier ein altes Thema, nämlich jenes der Holländer-Arie137 oder der ‚Götterdämmerung‘: Die Welt, wie sie ist, ist faul und muss zerstört werden. Erst nach dem Weltenbrand kann eine neue, bessere Welt entstehen, deren Beschaffenheit man vielleicht ahnungsvoll in Töne setzen, aber nicht in Worten ausformulieren kann. Die ‚Tonkunst‘ ist daher nach Wagner bei der Überwindung der erstarrten Religion am weitesten fortgeschritten, „die Affinitäten einer Beethoven’schen Symphonie zu einer reinsten, christlichen Offenbarung zu entblühenden Religion“ könne nachgewiesen werden.138 Der Nachtrag ‚Was nützt diese Erkenntnis?‘139 setzte hier wieder ein und enthüllt schrittweise – gegen Schopenhauers Pessimismus – den Gedanken einer ‚Regene­ ra­tion‘ der Kultur durch (Wagners) Kunst und will die Leserschaft darauf verpflichten.140 Im kleineren Kreise sprach er nunmehr von der Entwicklung ehtischer tung, sondern stellt dagegen – hierin Feuerbach folgend – den dritten Part der „heiligen Familie“: die Gottesmutter. 132 „Er will seine Gedanken über Religion noch einmal niederschreiben“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 403 zum 2.9.1879). 133 Renans Histoire des origines du Christianisme in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek unter der Signatur I-c-2.16(1–7). Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 490 zum 12.2.1880. 134 Vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 513 zum 28.3.1880. 135 In Wagners eigener Zusammenfassung an König Ludwig II. zeigt sich, daß im März 1880 von einem fertigen Weltbild keine Rede sein konnte: „Es dünkt mich nämlich, dass ich der elend entartenden Menschheit den Grund ihrer Entartung, und ihren Erlöser Christus deutlich machen könnte. In verschiedenen meiner Aufsätze für die ‚Bayreuther Blätter‘ hat mein huldreichster Freund wohl schon die mich ernstlich einnehmende Neigung zur Erörterung jener Erkenntnisse wahrgenommen […]. Ein noch ungelöstes Problem blieb mir bisher der Grund der, mit dem Eintritte der eigentlichen Geschichte, an dem Menschengeschlechte wahrnehmbaren Degeneration, was endlich auf einen vorgeschichtlichen Zustand hindeutet, in welchem sich dieses Geschlecht zu seiner wahrhaften Blüthe entwickelt hatte.“ Diesen Grund will er jetzt in der „Thierfolter“ gefunden haben (BW Ludwig II. Bd. 3, S. 174). 136 Wagner SuD 10, S. 262 f. Es gibt in ‚Religion und Kunst‘ keine antisemitischen Ausfälle – bis auf eine beiläufige vulgärsozialistische Phrase: „so gab Erschlaffung und Verfall der herrschenden Geschlechter doch auch das Mittel zu einer allmählichen Verwischung des barbarischen Anscheines solcher ungleichen Besitzes-Vertheilung: das Geld, für welches endlich Grund und Boden den verschuldeten Eigenthümern abgekauft werden konnte, gab dem Käufer dasselbe Recht wie dem einstigen Eroberer, und über den Besitz der Welt verständigt sich jetzt der Jude mit dem Junker, während der Jurist mit dem Jesuiten über das Recht im Allgemeinen ein Abkommen zu treffen sucht.“ (Wagner, SuD 10, S. 233 f.) 137 „Nur eine Hoffnung soll mir bleiben, / nur eine unerschüttert steh’n: /so lang’ der Erde Keime treiben, / so muß sie doch zu Grunde geh’n.“ (Wagner, SuD 1, S. 261). 138 Wagner, SuD 10, S. 222f. 139 Bayreuther Blätter 3 (1880), S. 333–341, Wagner SuD 10, S. 253–263. 140 Unverkennbar ist die Absicht, das Finale des ‚Parsifal‘ für diese Idee nutzbar zu machen. Wagner

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Prinzipien.141 Diese weder ungewöhnlichen noch originellen und zumindest in der Prophezeiung eines grauenvollen Krieges berechtigten Ausführungen gaben die politische und philosophische Meinung eines Künstlers des Industriezeitalters wieder, der sich an den Weltthemen, die er anging, insgesamt jedoch gewaltig verhob. Manche Gedanken – nicht zuletzt der dezidierte Pazifismus142 – klangen bereits im ‚Parsifal‘ an. Doch spielte die Frage des Eigentums und der Ausbeutung, die Wagner im ‚Ring‘ und wieder in seinen letzten Aufsätzen zentral behandelte, im ‚Bühnenweihfestspiel‘ keine Rolle. Wagner schloss zwei weitere Nachträge an, die diese Unsicherheit noch verschärften. Es handelt sich um ‚Erkenne dich selbst‘143 und ‚Heldenthum und Christen­ thum‘.144 Über der Arbeit an einem fünften Essays mit dem Titel ‚Über das Weibliche im Menschlichen‘145 verstarb Wagner mitten in einer bemerkenswerten Hin­wendung zur weiblichen Emanzipation (die im ‚Parsifal‘ kaum wirksam war). Doch gab es beileibe keine generelle Hinwendung zu emenzipatorischen Gedanken. In ‚Erkenne dich selbst‘ brach Wagners Antisemitismus durch, verbunden mit mas­siver Kritik am Privateigentum. Sage und Dichtung hätten seit je den Fluch „des Geldes und seines Wertes als allvermögender Kulturmacht“ dargestellt, der „ver­hängnisvolle Ring des Nibelungen“ wird denn auch direkt angesprochen.146 All dies hatte Wagner schon einmal zuvor geschrieben, dann aber kündigte er eine neue Sicht der Dinge an, bei der er sich mit der Begrifflichkeit noch sehr schwer tat – bzw. noch gar nicht durchdrungen hatte, was gemeint war: Dennoch liegt der gegenwärtigen Bewegung offenbar ein innerliches Motiv zum Grunde […]. Wir glaubten zuvor dieses Motiv als das Wiedererwachen eines dem deutschen Volke verloren gegangenen Instinktes erkennen zu dürfen. Man spricht von dem Antagonismus der Racen. In diesem Sinne wäre uns eine neue Einkehr zur Selbsterkenntniss veranlasst, da wir uns

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behauptet aber, daß der Regenerationsgedanke ihm erst bei der Niederschrift von ‚Religion und Kunst‘ gekommen sei: d. h. die Regenerationsschriften setzen ‚Parsifal‘ voraus, aber setzt ‚Parsifal‘ den Inhalt der Schriften voraus oder sollen die mythischen Konstellationen des ‚Parsifal‘ auf die pessimistische Kulturgeschichte rückprojeziert werden? „mit Wolzogen wird abends über die erweiterten Blätter gesprochen, für welche R. als Basis seine Auffassung des Verfalles der Menschheit wünscht und das Dringen auf Gründung einer Ethik; geistig würden die Menschen immer ungleich sein, aber man könnte auf eine größere moralische Gleichheit zielen. Wir würden nichts erreichen, wir könnten aber vorbereiten.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 627 zum 29.11.1880). Vgl. in ‚Religion und Kunst‘ (WagnerSuD 10, S. 251f): Als Mittel für einen „besseren Zustand der zukünftigen Menschheit ist die Gewalt vollständig ausgeschlossen.“ Bayreuther Blätter 4 (1881), S. 33–41, Wagner SuD 10, S. 263–274. Bayreuther Blätter 4 (1881), S. 249–258, Wagner SuD 10, S. 275–285. Erstdruck: Wagner SuD 12, S. 343–345. Zum geplanten Traktat vgl. die Anm. 2383 von GregorDellin in Cosima-Tagebücher 2, S. 1251, Gutman, Richard Wagner, S. 505–508, Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 838 f. Wagner SuD 10, S. 268.

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denn deutlich zu machen hätten, in welchem Verhältnisse hier bestimmte menschliche Geschlechts-Arten zu einander stehen möchten. Hier müsste denn wohl zunächst erkannt werden, dass, wenn wir von einer deutschen ‚Race‘ reden wollten, diese mit einer so ungemein ausgesprochenen und unverändert erhaltenen, wie der jüdischen, verglichen, sehr schwer, ja fast kaum, mit Bestimmtheit zu spezifiziren sei. Wenn die Gelehrten sich darüber unterhalten, ob gemischte oder rein bewahrte Racen für die Ausbildung der Menschheit werthvoller seien, so kommt es für die Entscheidung wohl nur darauf an, was wir unter einer fortschrittlichen Ausbildung der Menschheit verstehen.147 Wagner führte sein bisheriges Denken (und damit den Grundansatz des ‚Parsifal‘) explizit auf Schopenhauer zurück und setzt hinzu, dass er – offenbar als Versuch der Überwindung des Pessimismus – nach einer „Anleitung zur Erforschung der Möglichkeit einer Erlösung dieser selben Welt“ gesucht habe. Diese Möglichkeit habe er symbolisch als „Seufzer des tiefsten Mitleides, wie wir ihn am Kreuze auf Golgatha einst vernahmen“148 gefasst. Indirekt räumte er damit ein, dass er beim Abfassen des ‚Parsifal‘ keine wirkliche Vorstellung davon hatte, wie dem Elend, das er dort beschreibt, zu entkommen sei und sich vielmehr der „Irrniß und der Leiden Pfade“149 keineswegs entwunden wähnen durfte. Der Weg des Heiles, den ‚Parsifal‘ suchte, war noch nicht gefunden150 – erst jetzt sei Hoffnung, „jene Pfade uns erdämmern zu sehen“: In der Rassenlehre des Grafen Gobineau. Doch wurde er mit dieser neuen Sicht am Ende nicht glücklich. Die Begegnung mit dem Grafen Gobineau 1880, drei Jahre nach der Publikation des ‚Parsifal‘-Librettos, machte Cosima ihren Gemahl, der an der Komposition des ‚Bühnenweihfestspiels‘ arbeitete, auf die Erzählungen des Grafen Gobienau (1816–1882) aufmerksam.151 Wagner las zunächst ‚La Renaissance. Scènes historiques‘ (1877) und dann andere belletristischen Werke. Die Lektüre war intensiv und führte zur persönlichen Kontaktaufnahme. Den ‚Essai sur l’inégalité des races humaines‘ (1853–1855) lernten die Wagners zunächst nicht im Original kennen, sondern über die kritische Schrift von Friedrich August Pott152, der zwar an der Rassenlehre nicht grundsätzlich zweifelte, aber gleichbe147 Wagner, SuD 10, S. 269. 148 Zur Einführung der Arbeit des Grafen Gobineau Ein Urteil über die jetzige Weltlage, Wagner, SuD 10, S. 33–35, hier S. 35. Originaldruck: Bayreuther Blätter 4 (1881), S. 123 (in der Orthographie abweichend). 149 Wagner, SuD 10, S. 367. 150 „Den Weg des Heiles nie zu finden, in pfadlosen Irren / jagt’ ein wilder Fluch mich umher“ (Wagner, SuD 10, S. 367), Partitur: „trieb ein wilder Fluch …“. 151 Eugène, Wagner et Gobineau S. 99. 152 Wahnfried-Signatur IV-c-4.15.

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rechtigt „klimatische und geographische Verhältnisse … von Gewicht für die Ent­ wickelung der Völker“153 annahm. Gobineau vermittelte die Zusendung eines Exem­ plars154 durch seinen Freund Adelbert von Keller (1812–1883), Altgermanist und Oberbibliothekar an der Tübinger Universitätsbibliothek.155 Schließlich fuhr Go­bi­ neau im Mai 1881 nach Bayreuth und begleitete später das Ehepaar Wagner auf eine Reise nach Italien. Es kam immer wieder zu Disputen zwischen den beiden Welterklärern; sie waren sich keineswegs einig, blickten aber beide auf lange Jahre des Unverstandenseins zurück und konnten sich wohl auf dieser Ebene austauschen.156 Fakt bleibt aber, dass der alternde Wagner Gobineaus Essay für gut befand. Da diese Lektüre die Komposition des ‚Parsifal‘ begleitete, sah sich Robert Gutman legitimiert, dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ eine rassistische Bedeutungsebene zu unterstellen.157 Dem ist heftig widersprochen worden, insbesondere von Martin Gregor-­Dellin158, der u. a. darauf verwies, dass der Text des ‚Parsifal‘ zum Zeitpunkt der Gobineau-Lektüre längst fertig war und dass das Treffen Wagners mit Gobineau im Mai 1881 keineswegs harmonisch verlief, sondern zu Streit über nationale Eigenheiten und vor allem über die Rolle des Christentums führte. Die Auseinandersetzung gipfelt in einem Wagnerschen Wutausbruch: „Bei Tisch explodiert er förmlich zu Gunsten des Christlichen gegenüber dem Racengedanken.“159 Doch hindert dieser Streit beide nicht daran, zusammen zum letzten ‚Ring‘-Zyklus nach Berlin zu reisen und noch bis zum 4. Juni in Bayreuth in der Villa ‚Wahnfried‘ gemeinsam zu logieren. Die Begegnung zermürbte den kranken Wagner zusehends, und die Einsicht in seine nachlassender Schaffenskraft ließ Wagner an einern Verzicht auf die Kontrolle über die ‚Bayreuther Blätter‘ und ihre Mission einer Welterklärung nachdenken. Er arbeitet an seiner Partitur. Abends kommt Freund Wolz. R. sagt, er möchte gern die B. Bl., wie man das Kind vom Nabel abschneidet, freigeben.

153 Pott S. 53. 154 Wahnfried-Signatur IV-a-5.2(1–4. Vgl. Gobineau an Cosima, 13.2.1881 (Wagner, BW Gobineau Nr. 9, S. 70); Glasenapp, Leben Richard Wagners 6, S. 436. 155 Zu ihm vgl. W. Theodor Elwert, in: NDB 11 (1977), S. 427. 156 Eugène, Wagner et Gobineau S. 171–177. 157 Gutman, Wagner S. 469–478. 158 Vgl. Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 769: „zwar hat er sich fragwürdigste Gedanken gemacht über die Vermischung ‚höherer‘ und ‚niederer‘ Rassen und die Erlösung der ‚niederen‘ – aber der ‚Parsifal‘ war längst fertig, sein Werk blieb davon gänzlich unberührt, und die fatalistische Lehre vom Untergang der ‚kulturtragenden‘ arischen Rasse befriedigte ihn von Anfang an nicht, sondern forderte ihn zum Widerspruch heraus.“ 159 Cosima-Tagebücher 2, S. 744 zum 18.5.1881. Dazu Gregor-Dellin: „Auch in Anbetracht dieser Differenzen wird der vermutete Einfluß Gobineaus immer fadenscheiniger, und was sich daran knüpft, auch. Man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, als sei eine bestimmte Art von WagnerKritik auf eine Konstruktion hereingefallen, die von Glasenapp und Chamberlain stammt und ganz anderen Zwecken dienen sollte und auch gedient hat. Noch immer haben ja die Wagnerianer die besten Argumente – gegen Wagner geliefert“ (Gregor-Dellin, Richard Wagner, S. 796).

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Dann: „Gobineau sagt, die Germanen waren die letzte Karte, welche die Natur auszuspielen hatte, ‚Parsifal‘ ist meine letzte Karte.“160 In diesen Stoßseufzer ist viel hineingelesen worden, insbesondere daß Wagner selbst hier dem ‚Parsifal‘ rassistisches Potential zuschreibe. Das ist jedoch sicher nicht gemeint. Er vergleicht nur seine eigene Situation mit der erschöpften Natur in Gobineaus Rassen-System, weil er erkannt hat, dass er nach dem ‚Parsifal‘ kein Werk mehr zustande bringen wird.161 Was er zu sagen hatte, musste er in dieses letzte Werk hineinlegen, selbst auf die Gefahr hin, dass er damit den hermeneutisch zulässigen Rahmen überstrapazierte. Und auch Gobineau selbst hat den ‚Parsifal‘ nicht als Bein von seinem Bein angesehen. In den Briefen an Cosima bekundete er stets artiges Interesse für den Fortgang der Vorbereitungen zur Uraufführung und beklagte sich, wenn sie ihm einmal nichts darüber schrieb162, aber nirgends äußert er sich zum Inhalt der Oper. Er erlaubte sich allerdings eine mediävistische Lektüreempfehlung für den ‚Meister‘: Dites aussi à votre mari que je crois pourtant qu’il lirait avec intérêt: ‚Les romans de la Table Ronde et les contes des anciens Bretons‘ par le vicomte Hersart de La Villemarqué (Didier, éditeur, 35 quai des Augustins). Je lui recommande tout ce qui touche à ‚Perceval le Gallois‘ et à ‚Peredur‘.163 Einzig mit den Kostümen der Blumenmädchen beschäftigt er sich ausführlich.164 An die Ableitung des Namens ‚Parzival‘ aus ‚fal parsi‘ glaubt er ebenso wenig wie Judith Gautier, aber diese Meinung teilte er nur dem Komponisten und WagnerÜbersetzer Arigo Boïto (1842–1918)165 mit, während er sie Wagner gegenüber verschwieg.166 Nach Gobineaus Abreise aus Bayreuth am 7.6.1881 beschäftigte sich Wagner weiterhin intensiv mit dessen Schriften.167 Es entstanden nebeneinander die Partitur des zweiten Aktes des ‚Parsifal‘ und die Schrift ‚Heldentum und Christentum‘, in der der ‚Racengedanke‘ in Wagners Publizistik eingeführt wird. 160 Cosima-Tagebücher 2, S. 718 zum 29.3.1881. 161 Ähnlich Scholz, Racen S. 51f. – Das gleiche Motiv der künstlerischen Erschöpfung klingt an im dem vorwurfsvollen Geburtstagsgedicht, das Wagner am 25.8.1882 an König Ludwig telegraphierte. Da der König nicht zur ‚Parsifal‘-Uraufführung gekommen war, montierte Wagner aus ‚Ring‘und ‚Parsifal‘-Versen folgenden Spruch: „Verschmähtest du des Grales Labe, /sie war mein Alles Dir zur Gabe. / Sei nun der Arme nicht verachtet, / der Dir nur gönnen, nicht geben mehr kann.“ (Wagner, SuD 12, S. 398 bzw. BW Ludwig II. 3, S. 246). 162 Vgl. Wagner BW Gobineau S. 61, 115, 164, 176, 187, 189, 192, 194, 196, 210 f., 216, 218, 220. 163 Gobineau an Cosima, 26.1.1881 (Wagner BW Gobineau S. 55 f.) Beide Titel finden sich in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek: IV-b-3.13 bzw. IV-b-3.11(1–2. 164 Brief an Cosima vom 12.8.1881 (vgl. BW Gobineau Nr. 44 S. 161 f.) 165 Vgl. zu ihm die Monographie von Emanuele D’Angelo. 166 Eugène, Wagner et Gobineau S. 98 f. Anm. 3. 167 Vgl. die Zeittafel bei Eugène, Wagner et Gobineau S. 100.

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Als erstes Stück dieser neuen Denkrichtung publizierte Wagner in der Doppelnummer Mai/Juni des vierten Jahrgangs der ‚Bayreuther Blätter‘ von 1881 eine Einleitung zu Gobineaus ‚Ein Urteil über die jetzige Weltlage‘168, in der er erklärte, wie er Gobineaus Werk über die Ungleichheit der Rassen für sich entdeckte, und dass er es nunmehr für seine theoretische Arbeit nutzbar machen will.169 Fanden wir nun aber aus den Beweisführungen Schopenhauer’s für die Verwerflichkeit der Welt selbst die Anleitung zur Erforschung der Möglichkeit einer Erlösung dieser selben Welt heraus, so stünde vielleicht nicht minder zu hoffen, daß wir in dem Chaos von Impotenz und Unweisheit, welches unser neuer Freund uns aufdeckt, sobald wir es, gegen jedes Vorurtheil schonungslos, durchdringen, selbst einen Weiser auffänden, der uns aus dem Verfalle aufblicken ließe. Vielleicht wäre dieser Weiser nicht ein sichtbarer, wohl aber ein hörbarer, – etwa ein Seufzer des tiefsten Mitleides, wie wir ihn am Kreuze auf Golgatha einst vernahmen, und der uns aus unserer eigenen Seele hervordringt. Meine Freunde wissen, was ich von diesem hörbaren Seufzer ableite, und ahnen die Pfade, die sich mir öffnen. Nur aber auf dem Wege, den uns so unerschrockene Geister, wie der Verfasser des folgenden Aufsatzes, führen, dürfen wir hoffen, jene Pfade uns erdämmern zu sehen.170 Einerseits versucht sich Wagner hier selbst daran, den ‚Parsifal‘ auf die Pfade Gobineaus umzulenken. Allerdings ist in diesen Sätzen auch schon die Kritik – oder besser gesagt: der Versuch einer Überwindung – des Gobineau’schen Systems enthalten. Sie werden in den Metaphern vom „Seufzer“ (des Heilands) aus dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ gewonnen, das damit einen retrospektiven Interpretationsversuch erfährt, denn dem Wagner von 1877, der den ‚Parsifal‘-Text niederschrieb, waren die trüben Denkmuster des Grafen noch nicht zur Kenntnis gelangt. Wagner mochte den vermeintlichen Sieg über Schopenhauers Pessimismus nicht an Gobineaus welthistorischen Fatalismus opfern. Die Möglichkeit einer Überwindung habe er (im ‚Parsifal‘) symbolisch als „Seufzer des tiefsten Mitleides, wie 168 Vgl. Anm. III 148. – Zur Entstehung der Vorrede vgl. Cosima-Tagebücher 2, S. 729: „R. hat seine Einführung der Arbeit des Gfen Gobineau begonnen. Wir gehen im Hofgarten spazieren, immer die Besen??? Abschied von den Nachbarn Staff. Gespräch hierüber. Abends Freund Wolzogen, immer viel Racen-Gespräche.“ 169 „Nur ist es gerade mir aufgegangen, dass, wie ich für die richtige Darstellung meiner künstlerischen Arbeiten erst mit den beabsichtigten Bühnenfestspielen in dem hierfür besonders erfundenen und ausgeführten Bühnenfestspiel-Hause in Bayreuth einen Boden zu gewinnen hatte, auch für die Kunst überhaupt, für ihre richtige Stellung in der Welt, erst ein neuer Boden gewonnen werden muss, welcher für das erste nicht der Kunst selbst, sondern eben der Welt, der sie zu innigem Verständnisse geboten werden soll, zu entnehmen sein kann.“ (Bayreuther Blätter 4.1881, S. 122 = Wagner, SuD 10, S. 33 f). 170 Wagner, SuD 10, S. 35, Originaldruck: Bayreuther Blätter 4 (1881), S. 123.

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wir ihn am Kreuze auf Golgatha einst vernahmen“ gefasst. Indirekt räumte er damit ein, dass der Text des ‚Parsifal‘ keine wirkliche Vorstellung davon vermittelt, wie dem Welt-Elend zu entkommen sei – erst jetzt sei Hoffnung, „jene Pfade uns erdämmern zu sehen“. Dass es sich wirklich um eine Ergänzung, beinahe Korrektur handelt, wird in ‚Heldentum und Christentum‘ entwickelt. Dieser Essay unternimmt den Versuch, Gobineaus pessimistische Rassenlehre auf das Wagnersche Kunstkonzept anzuwenden; gleich im zweiten Absatz stellte Wagner „das ungemein durchgear­bei­te­te Bild, welches Graf Gobineau von diesem Hergange des Verfalles der menschli­chen Geschlechter […] darbietet“ vor.171 Wagner ging dabei mit den Begriffen „Volk“, „Deutsche“ und „Rasse“ sehr ungeschickt um, weil sie in dieser Konstellation für ihn neu waren. ‚Heldentum und Christentum‘ ist der Versuch einer nachträglichen Neu- oder Uminterpretation, vielleicht auch nur eines Abgleichs. Wagner benutzt sein eigenes Werk als Leitfaden in der Auseinandersetzung mit den Lehren Gobineaus. Bei der Betrachtung des Wertes des „Blutes“, d. h. nunmehr der „Qualität der Rasse, für die Befähigung zur Ausübung solches heiligen Heldentumes“ fährt das Schiff auf ein Riff: Das Blut des Heilandes, von seinem Haupte, aus seinen Wunden am Kreuze fließend, – wer wollte frevelnd fragen, ob es der weißen, oder welcher Race sonst angehörte? Wenn wir es göttlich nennen, so dürfte seinem Quelle ahnungsvoll einzig in Dem, was wir als die Einheit der menschlichen Gattung ausmachend bezeichneten, zu nahen sein, nämlich in der Fähigkeit zu bewußtem Leiden. […] Fanden wir nun dem Blute der sogenannten weißen Race die Fähigkeit des bewußten Leidens in besonderem Grade zu eigen, so müssen wir jetzt im Blute des Heilandes den Inbegriff des bewußt wollenden Leidens selbst erkennen, das als göttliches Mitleiden durch die ganze menschliche Gattung, als Urquell derselben, sich ergießt.172 Hiervon ausgehend spitzte sich Wagners Denken in seinen letzten Lebenstagen auf das ‚Weibliche im Menschlichen‘ zu. Er wollte damit Religion und Kunst um einen letzten Essay anreichern. Über der Arbeit an diesem Thema verstarb er. Daher ist über eine darin verborgene Kehrtwende in seinem Denken spekuliert worden, ja, man glaubte sich sicher, sie (wie immer, wenn man einen anderen Wagner sucht, als den, den die Quellen zeigen) im Konzept der nie ausgeführten ‚buddhistischen‘ Oper ‚Die Sieger‘ vorgeformt zu sehen.173 Es ist aber nach wie vor die Beschäfti171 Wagner SuD 10, S. 275. 172 Wagner, SuD 10, S. 280–281. 173 Den Stoff zitiert Wagner im vorletzten Satz des Essays: „ daß z. B. der Buddha es [d. h. das Weib] von der Möglichkeit der Heiligwerdung ausgeschlossen gehalten wissen wollte. Es ist ein schöner Zug der Legende, welcher auch den Siegreich-Vollendeten zur Aufnahme des Weibes sich bestimmen

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gung mit Motiven des ‚Parsifal‘. Die vielzitierten Sterbesätze „Gleich wohl geht der Prozess der Emanzipation des Weibes nur unter ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik“174 wurden zwar stets auf Kundry bezogen, aber wegen der „Zuckun­ gen“, nicht etwa wegen der Emanzipation. Wagners letzte Gedanken könnten aber auch eine Reflexion über die Schlussszene des ‚Parsifal‘ sein, wo Kundry als erste Frau den Gral erblickt, dabei jedoch verstirbt. Jedoch handelt es sich auch hier um eine nachträgliche Interpretation, die keinesfalls zwingend mit dem lange vorher abgeschlossenen Werk in eins fällt. Ludwig Schemanns ‚Beitrag zum Verständnisse‘ Der zweite Jahrgang der ‚Bayreuther Blätter‘ wurde durch eine umfangreiche Untersuchung des Göttinger Bibliothekars und späteren Rasseschriftstellers Ludwig Schemann (1852–1938)175 über „die Gral- und Parzivalsage in ihren hauptsächlichsten dichterischen Verarbeitungen“ angereichert. Schemann gehörte in den achtziger Jahren zum engeren ‚Wahnfried‘-Kreis und traf bei den Wagners auch den Grafen Gobineau, um dessen Werk er sich später so bemühte. Auch 1879 erfuhren seine Studien durch Cosima besondere Unterstützung. In ihrem Tagebuch berichtet sie von einer Anfrage einer Katholikin, welche mich um den ‚Parsifal‘ für eine Klosterschwester gebeten, welche Literatur-Unterricht im Kloster gibt. Ich schickte ihr die Aufsätze von Dr. Schemann.176 Wagner, der auf die Aufsätze keineswegs euphorisch reagierte und später besonders Schemanns Studie über Cherubini verwarf177, wurde mit der ganzen Angelegenheit offenbar nicht befasst. Bei ihm kam Schemann zunächst nicht gut an; Wagner sah sich vor allem im Hinblick auf seine Wolfram-Rezeption missverstanden.178 Schemanns Untersuchung umfasst 49 Druckseiten und ist dreiteilig. Der erste Teil befasst sich erwartungsgemäß hauptsächlich mit Wolfram von Eschenbach, der zweite mit Wagners Libretto und der dritte mit der „Bedeutung des ‚Parsifal‘ für unsere Zeit und unser Leben“ (S. 106–116). Die literaturgeschichtlichen Betrachtungen, die wie der Rest mit wenigen und keineswegs das wahre Ausmass der

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läßt.“ ( Wagner, SuD 12, S. 343) Im Christentum war ein radikaler Ausschluß der Frau nur in extremen Häresien ein Thema. Wagner, SuD 12, S. 343. Zur Person Becker, Wege ins Dritte Reich 2, S. 101–123; Eugène, Wagner et Gobineau S. 188 f.; Franz, Religion des Grals S. 111–118. Schemanns Schriften verzeichnet Hein, Viel Hitler S. 207. Cosima-Tagebücher 2, S. 429 zum 23.10.1879. Vgl. z. B. Cosima-Tagebücher 2, S. 881 zum 29.1.1882 und S. 895 zum 22.2.1882. Gemeint ist Schemanns Aufsatz ‚Kunst und Künstler‘ in: Bayreuther Blätter 5 (1882). „Der Aufsatz von Dr. Schemann im 3ten Heft machte ihm keine Freude; er sagt: Er würde ebenso gut sein Drama geschrieben haben, auch wenn das Gedicht von Wolfram gar nicht vorhanden gewesen wäre, aus einem Volksbuche wie dem ‚Tannhäuser‘.“(Cosima-Tagebücher 2, S. 323 zum 28.3.1879, vgl. auch ebd. S. 369 zum 20.6.1879: „pedantisch“).

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‚Parsifal‘-Publizistik

Übernahmen aus fremden Werken abdeckenden Fußnoten garniert sind, suggerieren eine hohe Fachkenntnis, biegen sich aber die Quellen nach Belieben zurecht. Das kann durch die Substitution einer oral tradierten, somit allen literarischen Zeugnissen voraufgehenden und zugrundeliegenden, ‚Sage‘ leicht geschehen. Den altfranzösischen Gralsromanen gönnt Schemann „einen flüchtigen Blick“ von drei Seiten179, in denen er späte bretonische Lieddichtungen als frühen Formen des Gralsromans umdeutet, während Chrétien de Troyes mit einigen Phrasen abgetan wird. Wolframs Wildenberg (‚Munsalvaesche‘) wird – das wusste man längst besser – ohne Kommentar zu Wagners „Berg der Rettung“ (‚Mons Salvationis‘) umgedeutet, wo die Geheimnisse des Grals und des Glaubens im Zuge einer Paraphrase von Lohengrins ‚Gralserzählung‘ „im Heiligthume eines kostbaren Tempels […] nur einem ‚auserwählten Priesterthum‘ ihre Segnungen zu Theile werden“ lassen.180 Wolframs Anliegen sei ein „Ideal religiös-ethischer Erziehung“ gewesen.181 Mit Gawans Aventiuren tut sich Schemann schwerer. Er will eine „dämonische Gewalt“ der Frauen dieses Handlungsstrangs erkennen, aber glücklicherweise „entziehen sich unserer Betrachtung die mancherlei anderen Episoden“ 182, die nicht dem weihevollen Bild entsprechen, das Schemann entwirft. Umso überraschender, dass er hervorhebt, wie fern Wolfram „alles Moralisiren“183 liege. Die Vorstellung des Bühnenweihfestspiels ergeht sich in einer mit fragmentierten Zitaten gespickten Inhaltsangabe, wobei er den inzestuösen Teil der Verführungsszene unterschlägt. An Wagners Text vorbei geht die Behauptung, Kundry habe „einst den Heiland mit dem Kreuze gesehen“ – das Libretto berichtet nur, dass sie „ihn“ sah und nicht, unter welchen Umständen – das Verführungsangebot wird auf „weinen“ verengt. Verengungen bestimmen auch den Bericht über den dritten Aufzug; Parsifal weihe „Kundry durch die Taufe zur Bekennerin Christi“184 – hier wird Wagners subtiler Umgang mit dem Gottesnamen („Heiland, Erlöser“) plump unterlaufen. Interessant, wenn auch kaum haltbar, ist die Gruppierung der Personen, die Schemann vornimmt: „Einzig die Vertreter des Heiligen und des Bösen stehen sich gegenüber, die um den Menschen (Parsifal, Kundry) kämpfen.“185 Kundry wird ausführlich behandelt und als „typische Vertreterin der sündigen

179 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 17–19. 180 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 22. „Geheimnisse des Glaubens“ gibt es bei Wolfram nicht, und das „auserwählte Priesterthum“ wird zwar von Schemann gesperrt gedruckt und in Anführungszeichen gesetzt, aber ohne Quellenangabe – und eine solche wird man im laizistischen ‚Parzival‘ auch kaum finden. 181 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 47. Wagner war damit nicht einverstanden, er sagte zu Cosima, man solle in Wolfram „den Erzähler im Stil des Ariost, ja Byron’s, hervorheben, anstatt ewig und immer die alte Märe des Tiefsinnes vorzubringen.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 149 zum 29.7.1878). 182 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 51. 183 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 53. 184 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 70. 185 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 70f.

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Menschheit“ charakterisiert, also letztendlich positiv.186 In breiter Sperrung wird schließlich „der Grundgedanke des ‚Parsifal‘“ festgelegt: Der Fluch, der auf dem Dasein ruht und auf Quelle und Bedigung alles Daseins, der sinnlichen Leibe, wird überwunden für die Gesammtheit durch das Opfer des Erlösers, der für die Menschheit litt, und der Auserlesenen, die seiner Spur folgen, besiegt vom Einzelnen durch Aufopferung im Dienste des Mitmenschen187 Im letzten Teil will Schemann Richard Wagner als Erzieher vorstellen, der angetreten sei, „ein Volk sittlich zu veredeln“, indem er Schopenhauers Philosophie „zur vertieften Wirkung […] wieder zum Leben verholfen“ habe.188 Es sei unverkennbar, „dass Schopenhauer’s Philosophie der Erlösung in Wagner ihren grössten, ihren wahrhaften Interpreten gefunden hat“.189 Der Verfall des Christentums wird beschworen, und, ohne dass Schemann sich lange mit konkreten Nachweisen aufhält, auf „die Symptome der Möglichkeit eines neuen Christenthums“ hingewiesen, in einer Zeit, wo es in Wahrheit Noth thäte, dass alle christlichen Elemente, nur im Sinne von ‚antijüdisch‘, sich zusammenthäten, um zu verhindern, dass nicht bald Leben und Lehre ganz jüdisch werde. Schopenhauer hat auch hier die Bahn gebrochen, indem er zeigte, dass erst der alte Judengott, der sich in die ihm fremde christliche Welt eingeschlichen habe, zu vernichten sei, ehe ein neues, a-jehovanisches Christentum wieder zur leitenden Kulturmacht werden könne. 190 Schemanns Schlußplädoyer richtet sich an die deutsche Jugend: Wird der ‚Parsifal‘ da wirken, wo ein junges Leben sich am Scheideweg findet; wird der deutsche Jüngling aus dem Bilde des jugendlichen Thoren und des Erlösungshelden sich ein Ideal entnehmen? Soll es immer nur deutsche Jünglinge in der Dichtung geben? Müssen sich die reinen ‚Schwärmer‘ ewig verlachen lassen, in denen doch noch ein wahrhaftiger und treuer deutscher Sinn so gerne seinen Wohnsitz nimmt? 191 Es fehlt auch nicht an einer überdrehten Propaganda für die – zum Zeitpunkt der Publikation darniederliegenden – Festspiele:

186 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 73–75. Franz, Religion des Grals S. 113 f. spricht von einer „Vermenschlichung“ des christlichen Erlösungsbegriffs. 187 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 77. 188 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 109. 189 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 111. 190 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 113. 191 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 115.

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Uns bietet sich als idealer Vereinigungspunkt der neue Kunsttempel, an dessen Pforten für den Reinen mit Flammenschrift geschrieben steht: ‚Tretet ein, auch hier sind Götter!‘ Prüfe sich denn ein Jeder, dass er nicht zum Tempel­schänder in diesem Heilightum werde! Dort vor der geweihten Bühne lassen wir den erhabenen Sinn des der edelsten Gottesworte uns leiblich vor Augen führen und in eigenes Leben übergehen. Dort werde uns der Gral zum schützenden Talisman gegen die Noth der Zeit, zum Kleinod der Reinheit und Unschuld […] Der Meister hat ihn uns errungen und gerettet vor dem Ansturm des Bösen; nun gilt es, seine Segnungen zu verbreiten und zu vertheidigen wider eine Welt! 192 Diese Apotheose scheint Wagner gefallen zu haben, zumindest lobte er, wie an anderer Stelle diskutiert, bei der Lektüre der Aprilnummer der ‚Bayreuther Blätter‘ von 1879 sein Autorenteam zumindest grundsätzlich.193 Die Bedeutung von Schemanns aufgeblasenem Traktat ist einmal darin zu sehen, daß er einen klaren Kontrast zu Wagners zeitgleichen eigenen Schriften markiert, und zum zweiten, daß selbst dieser entschiedene Antisemit nirgends im ‚Parsifal‘ einen Aufruf zum Progrom findet, sondern Kundry als Allegorie der sündigen Menschheit versteht. Wolzogens ‚Leitfaden‘ und weitere Schriften Die ‚Bayreuther Blätter‘ begründeten die Monopolisierung der musikalischen Analyse des ‚Parsifal‘ durch Hans von Wolzogen (1848–1938).194 Er verband seine Herausgeberschaft dieses von Wagner eingerichteten publizistischen Organs mit monographischen Veröffentlichungen, in denen er neben einer theologischen vor allem eine musiktheoretische Deutung präsentierte, obschon er selbst kein Musiker war. Wagners Haltung ihm gegenüber war ambivalent, doch überwog bei gelegentlicher heftiger Verärgerung195 die (allerdings nie uneingeschränkt geäußerte) positive Haltung: Erst neuerdings habe ich mir in Hans von Wolzogen den Einen erworben, der die ideelle Bedeutung meines Wirkens vollkommen ermisst und der Förderung derselben sich als seiner einzigen Lebensaufgabe mit voller Bestimmtheit gewidmet hat. Die ästhetische und soziale Seite meines Kunstwirkens ist durch ihn sehr bestimmt vertreten; ich kann ihn dereinst, wenn es sich um die Reinerhaltung meiner Tendenz handelt, getrost als mein ‚alter ego‘ fungiren lassen. Der Musiker und der Dramatiker fehlen mir dagegen noch gänzlich. Ich kenne keinen Dirigenten, dem ich die richtige Aufführung mei192 Bayreuther Blätter 2 (1879), S. 116. 193 Vgl. Anm. III 113. 194 Zur Person Hein, Viel Hitler, S. 44–47; Hilmes, Herrin des Hügels, S. 280–282; Bermbach, Bayreuther Theologie, S. 105–156, hier S. 138–156, Franz, Religion des Grals, S. 97–110. 195 Vgl. Anm. III 112 f.

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ner Musik zutrauen könnte, und keinen singenden Darsteller, dem ich, ohne ihn meinerseits selbst von Takt zu That, von Phrase zu Phrase anzuleiten, die richtige Wiedergabe meiner dramatischen Gestalten zumuthen würde.196 1882, rechtzeitig zur Uraufführung, erschien Wolzogens „thematischer Leitfaden durch die Musik des ‚Parsifal‘“197 in Großoktav. Er erfreute sich schon während seiner Abfassung der Protektion durch Cosima Wagner. Das ergibt sich etwa daraus, dass Cosima und Wolzogen schon 1878 in Abwesenheit des ‚Meisters‘ Wolzogens erste ‚Parsifal‘-Aufsätze198 besprachen und eine gemeinsame Gesamtinterpretation entwarfen, in der „R.[ichard] als der P.[arsifal] dargestellt wird, der wie P. seine Lanze, sein Ideal, unentweiht durch die Irre führte. Dann zu R. hinuntergeeilt, der in Voltaire liest“199. Sie verschaffte dem Publizisten einen Vorsprung vor allen Konkurrenten, indem sie ihm ohne Absprache mit dem Schott-Verlag die Korrekturbögen der Partitur zuspielte und dies post festum zu legitimieren suchte.200 Ludwig II. erhielt Wolzogens ‚Leitfaden‘ nach eigenen Angaben am 3.4.1882 (Karfreitag) und gehörte zu den ersten Bewunderern.201 Das Werk blieb populär, es erlebte 1911 bereits die 20. Auflage (zuzüglich einer englischen Übersetzung). Ältere Publikationen, wie die Erläuterungen von Oskar Eichberg202, wurden beiseitegedrängt. Diese Monopolisierung der musikalischen ‚Parsifal‘-Interpretation macht Wolzogen zum „Erklärer des Erklärers“.203 Dabei verwendete er einen offensichtlichen Mangel als Grundlage eines sehr wohl wirkungsvollen methodischen Ansatzes. Er kam 196 BW Ludwig II. Bd. 3, S. 146. 197 Zum ‚Leitfaden‘ und seiner Rezeption vgl. Thorau, Semantisierte Sinnlichkeit. 198 Wolzogen, Bühnenweihfestspiel. Wagners Reaktion wird erst nach der Veröffentlichung in den ‚Bayreuther Blättern‘ greifbar: „Nachmittags gehen wir aus, R. und ich, zu Wolzogen, dessen Aufsatz ‚Bühnenweihfestspiel‘ R. sehr gefallen hat, nur bemerkt R. zu mir, daß er zu weit ging, indem er Parsifal ein Abbild des Heilandes nennt: ‚Ich habe an den Heiland dabei gar nicht gedacht.‘ “ (Cosima-Tagebücher 2, S. 205 zum 20.10.1878). Vgl. zu dieser oft zitierten Stelle u. a. Buschinger, Mittelalter, S. 139. 199 Cosima-Tagebücher 2, S. 110 zum 6.6.1878. Wagner nahm diese Treffen nicht ernst: „Freund Wolzogen liest mir einige Aufsätze vor, R. lacht über unser Konventikel.“ (Cosima-Tagebücher 2, S. 120 zum 18.6.1878). 200 Vgl. den Brief Cosimas an Ludwig Strecker, den Leiter des Schott-Verlages, vom 11.12.1881: „Baron Wolzogen erbat sich wohl bei Ihnen die Correcturbogen des ‚Parsifal‘ für sein projektirtes Werk? Sie dürfen bei ihm – das brauche ich nicht hinzuzufügen, – vor jeder Indiskretion sicher sein, und wie nahe dieser Vertreter seiner Sache meinem Manne steht, brauche ich auch ebenfalls wohl nicht zu sagen“, zitiert nach: BW Schott S. 230f. 201 „Mit regstem Interesse las ich Wolzogens neuestes Werk über Parcifal, das ich am heiligen Charfreitag erhielt, an welchem Tage ich auch in Ihre hehre, wundervolle Dichtung mich neu versenkte, am Ufer des See’s, nahe der Hütte, am murmelnden Quell, von Blumen umduftet, was mich, aus der Kirche zurückgekehrt, in wohlthuende, weihevolle Stimmung versetzte.“ (BW Ludwig II. 3, S. 238). 202 Erwähnt bei Eggert, Parsifal vor 50 Jahren S. 47. Zum Werk vgl. Thorau, Sinnlichkeit S. 168: „Erläuterung von Sage und Dichtung, enthält Anhang, der die Musik auf 23 im Klaviersatz angegebene Motive reduziert. Maxime (gegen Wolzogen und Heintz): je weniger Motive und Namen, desto besser“. 203 Thorau, Sinnlichkeit, S. 116–123.

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nicht über ein rudimentäres Klavierspiel hinaus, auf musiktheoretischem Gebiet hatte er nur elementare Kenntnisse. Die ausdeutende, melodischmotivische Analyse aus der Lektüre des Klavierauszuges heraus war für ihn der einzige intellektuelle Zugang zur musikalischen Schicht des Werks. Für die Beschreibung harmonischer und formaler Aspekte fehlte ihm ebenso die Kompetenz wie zur Lektüre der Partitur. Wolzogen war sich dessen allerdings völlig bewußt.204 Diese Inkompetenz kehrte er um in eine philologische Methodik: Was Wilhelm Grimm205 exemplarisch in seiner ‚deutschen Mythologie‘ vorgeführt hatte – die überkommenen Quellen auf Motive hin zu untersuchen und zu ordnen – übertrug Wolzogen auf die Musik. Die strukturale Analyse des Mythos (wie Lévy-Strauss es später formulierte), die Wagner in den musikalischen Motiven als einer Zwitterschicht aus Dichtung und Musik versinnlicht hatte, übersetzte Wolzogen zurück in die Sprache der Mythologen und Germanisten. Wolzogens Analyse machte Wagners Musik buchstäblich zum „philologischen Kommentar“ des Dramas, wie Nietzsche schreibt, und kehrte die „symbolische Interpretation“, die Wagner der musikalischen Schicht eingeschrieben hatte, als etikettierende Zergliederung nach außen.206 Die Umwandlung von Musikanalyse in Philologie blieb ein beständig nachge­ ahmtes Erfolgsrezept in der ‚Parsifal‘-Publizistik, da auch die Rezipienten durch das kaiserzeitliche Schulwesen besser auf philologische als auf Fragestellungen der Harmonielehre oder der Musiktheorie vorbereitet waren und sie schon allein durch die Frage nach der semantischen Absolutheit der Musik überfordert waren, wohingegen das Nachrechnen und Wiedererkennen von Erzähl- und Tonmotiven Orien­ tierungspunkte im „endlos Töne-Geleis207“ der Wagner’schen Musik setzen half. Obschon es sich um die Erläuterungen zur musikalischen Textur einer Oper handelt, wollte Wolzogen dem Leser die weltgeschichtliche Dimension des Werkes vor Augen führen, indem er mit der Autorität des Herausgebers der (1873 erstmals publizierten) deutschsprachigen Ausgabe der ‚Edda‘ die europäische Kulturge­schich­ te erst arisierte, dann ohne weitere Klärung germanisierte und im gleichen Atem­ zug eindeutschte:

204 Thorau, Semantisierte Sinnlichkeit S. 121. 205 Gemeint ist Jacob Grimm. 206 Thorau, Semantisierte Sinnlichkeit S. 122. Zitiert wird Nietzsche, KSA 8, S. 541 Fragment Nr. 30[111] über das Verhältnis von Drama und Musik bei Wagner: „Es ist eine symbolische Interpretation hinzugetreten, eine Art philologischen Commentars, welche die immer freie Phantasie des Verstehens mit Bann belegt – tyrannisch! Musik ist die Sprache des Erklärers, der aber fortwährend redet und uns keine Zeit läßt; überdies in einer schweren Sprache, die wieder eine Erklärung fordert.“ 207 Stolzing in den ‚Meistersingern‘ (Wagner, SuD 7, S. 161).

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Die ‚Stoffe‘ Wagner’s […] sind weit älter als die nur verworren und zerstückelt auf uns gekommenen skaldischen Fassungen alter Glaubens- und SagenErinnerung im Nordlande; gar nicht zu reden von den epischen Bearbeitungen durch die ritterlichen und bürgerlichen Singer des 13. Jahrhunderts in Deutschland. Ihre Grundzüge sind schon mit den arischen Wandervölkern aus Asien herübergekommen und seitdem in immer neuen Wandelungen und Zusammenfassungen der recht eigentlich erworbene Besitz des germanischen, insbesondere des deutschen Volkes geworden. Denn während die Eddalieder […] nachweislich auf Einführungen aus Deutschland selbst beruhen, so sind andererseits keltisch-französische Sagenbildungen, wie die des Tristan und des Parsifal, erst in deutscher Dichtung zur vollendeten, ethischen Verwerthung des in ihnen geborgenen allgemein-menschlichen Stoffes, und so zu unserem Nationalgute geworden. Ursprünglich aber war der ganze an die Völker des westlichen Europas vertheilte Sagenstoff bereits wesentlich arisch-germanisches Gut; und jeder deutsche Dichter, der wieder danach, als nach einem unserem Volksgeiste eigenthümlichen Grundgebilde poetischer Phantasie griff, suchte dieses Gut nur von Neuem und um so inniger uns zu eigen zu geben.208 Die Suche nach den Splittern aus dieser vermeintlich einheitlichen Tradition wurde fortan zur Suche nach dem Grundgehalt arischen Wesens. Dass Wagner in erheblichem Maße auf ganz anderer Quellengrundlage arbeitete, hat von Wolzogen nicht gesehen oder nicht sehen wollen, auch wenn er ihn als „dichtender Neubildner“ einstuft. Ein nach Wolfram’s Zeit dichtender Neubildner des alten Stoffes durfte Parsifal und den Gral nicht mehr trennen; auch er musste in dem Gral den Inbegriff tiefster Religiosität darstellen, – aber nunmehr derjenigen tiefsten Religiosität, wie sie in einem wahrhaftigen Christengemüthe unserer Zeit bei erleuchteter Geisteskraft zur vollen Entwickelung zu kommen vermag. Was im Sinne des damit bezeichneten religiösen Ideals aus Wolfram’s Dichtung oder aus irgend anderen Spuren und Fassungen des alten Stoffes für das neue musikalische Drama zu verwerthen war, das fügte sich dem Dichter Wagner zu dem Baue seiner nun völlig frei aus der Idee heraus geschaffenen religiösen Tragödie, Bühnenweihfestspiel genannt, zusammen.209 Diese Philologisierung ermöglichte es Wolzogen aber auch, die Oper in ein weltanschauliches Manifest umzumünzen und sich selbst als ‚Apostel‘ des ‚Meisters‘ zu deklarieren – wobei der ‚Meister‘-Titel hier nicht als Element altdeutscher Handwerkertradition sondern neutestamentlich erscheint, nämlich als Übersetzung 208 Wolzogen, Leitfaden S. 3f. 209 Wolzogen, Leitfaden S. 4f.

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der Anrede ‚Rabbi‘ (griech. διδάσκαλος), die in der zeitgenössischen Fassung der ‚Luther-Bibel‘210 mit ‚Meister‘ wiedergegeben wird (z. B. Mk 48,35). In einer Art ‚Evangelium des Grales‘211 wird die von Wolzogen unverhohlen thematisierte „Germanisierung der Religion“212 realisiert – und damit die Opernaufführung zum Gottesdienst. In dessen Namen versteigt sich dann der ‚Apostel‘ in einer 1895 erstmals publizierten und bis in die 30er Jahre nachgedruckten Schrift (‚Kunst und Kirche‘) zum Größenwahnsinn, indem er aus dem an die Jünger gerichteten Herrenwort Ihr, die ihr mir seid nachgefolget in der Wiedergeburt, […] werdet auch sitzen auf zwölf Stühlen, und richten die zwölf Geschlechte Israel (Mt 19,28) „die Lebensfrage des Christentums“ am Rande einer „nicht mehr vermeidlichen tragischen Gewalttat“ gegen die jüdische Bevölkerung (oder was er dafür hielt) konstruiert Wenn dann also die allzu große, schon heute kaum mehr erträgliche und mehr Kampfgenossen werbende Notwehr unseres Volkes, endlich doch einmal zu jenem neuen – gewiß beiden Teilen heilsamen – ‚Exodus‘ der Fremden führte: so will ich nur wünschen, daß diese nicht mehr vermeidliche, tragische Gewalttat, schrecklich wie alle Gewalttaten, zum mindestens doch mehr eine Folge des israelitischen, als des christlich-deutschen Nichtwiedergeborenseins sein möge. – Was? Ich will es wünschen!? – Wie man sich in dieser schauerlichen Frage unsrer innern und äußern Existenz doch fortdauernd, Schritt auf Schritt, vor Abgründe geraten sieht! […] Und so wünsche ich […] gerade ihnen von Herzen – die Wiedergeburt – die Heiligung – die Erlösung -- 213 Wagner hatte im ‚Judenthum in der Musik‘ das Krebsgeschwür des gewalttätigen Antisemitismus noch in eine Kapsel aus humanistischer und bildungsbürgerlicher Tradition gebunden. Insofern muss offen bleiben, inwieweit das romantische Erlösungsideal seiner Opern und damit des ‚Parsifal‘ hier als Tarnung missbraucht wurde und wie weit die bösartige Krankheit fortgeschritten war.214 Bei Wolzogen ist die Kapsel bereits aufgebrochen – 30 Jahre vor ‚Mein Kampf ‘ und 47 Jahre vor der ‚Wannsee-Konferenz‘. Wolzogen weiß, dass er einem schauerlichen Verbrechen den Weg bereitet, und er sagt es auch – aber mehr als Zynismus kann der Bayreuther ‚Apostel‘ an dieser Stelle nicht aufbringen. Nicht von ungefähr richtet er seinen Essay ‚Kunst und Kirche‘ an Houston Stewart Chamberlain, der 1888 durch Cosima 210 Gemeint ist die in der ‚Wahnfried‘-Bibliothek vorrätige Fassung der ‚Evangelischen deutschen Original-Bibel‘ von 1741. 211 So Mösch, Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit S. 368 f. 212 Vgl. ‚Germanisierung der Religion‘ in: Wolzogen, Zum deutschen Glauben, S. 139–156. Mösch, Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit S. 368–374. Bermbach, Richard Wagner in Deutschland S. 272–275. 213 Wolzogen, Kunst und Kirche S. 50 f. 214 Vgl. Friedländer, Hitler S. 170, Berger, Regenerationsfrage S 9.

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Friedrich Nietzsche

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in den ‚Wahnfried‘-Zirkel geholt worden war und gerade seine Monographie über Richard Wagner veröffentlichte.

Friedrich Nietzsche Das Verhältnis zwischen Friedrich Nietzsche und dem Ehepaar Wagner ist oft und aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt worden.215 Nietzsche hat keinen Zweifel daran gelassen, dass der ‚Parsifal‘ im Zerwürfnis eine große Rolle gespielt hat; die Forschung hat jedoch ihrerseits diese Sichtweise als tendenziös entlarvt.216 Über den tatsächlichen Anteil der Oper am Zerbrechen der Freundschaft wird daher nach wie vor spekuliert. Es begann fast moderat. In das für Nietzsche bestimmte Widmungsexemplar des Librettos von 1877 notierte Wagner einen ironischen Gruß: Herzlichsten Gruss und Wunsch seinem theuren Freunde Friedrich Nietzsche Richard Wagner (Oberkirchenrath: zur freundlichen Mittheilung an Professor Overbeck.)217 Wagner zeigte seine Vertrautheit mit den kritischen Ansätzen von Nietzsches Freund Franz Overbeck (1837–1905)218, der die Diskontinuität modernen Kirchenlebens zum Frühchristentum herausstrich219, und machte sich selbst scherzhaft zum Element der evangelischen Landesverfassung.220 Zunächst nahm Nietzsche das wohl nicht übel auf, auch wenn er offenbar keinen Oberkirchenrat am Werk 215 Allgemein: Scholz, Mißverständnis S. 231–243. Zum Zerwürfnis: Gutman, Wagner S. 406–408; Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 726–732. Janz, Nietzsche 2, S. 128 will eine tiefenpsychologische Verbindung durch einen Kuß von Lou Andreas-Salomé im Jahr 1882 (noch vor der Bayreuther Uraufführung) als Grundlage der ‚Parsifal‘-Polemik ausmachen: „Nietzsche lebte Wagners musikdramatischen Visionen sehr nahe, so nahe, daß er sie fliehen, sie bekämpfen mußte, um nicht an ihnen zugrunde zu gehen.“ Köhler, Nietzsche S. 158–175 leitet Nietzsches „Haß auf Wagner“ von Nachforschungen des Komponisten über Nietzsches Sexualleben ab. 216 Scholz, Deutsches Mißverständnis S. 243: „Parsifal war also nicht Auslöser, sondern nur die letzte Bestätigung und Begründung für Nietzsches innerlich lange vorbereiteten, wo nicht vollzogenen Bruch mit Wagner.“ 217 Vgl. Borchmeyer/Salarquarda, Nietzsche und Wagner 1, S. 296. Nietzsche zitiert diese Widmung in ‚Ecce HomO’ in der Polemik gegen Wagner, unterschlug aber den Verweis auf Overbeck, vgl. Nietzsche KSA 6, S. 327. Kommentar bei Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 754. 218 Zu ihm vgl. Hubert Cancik: Overbeck, Franz Camill, in: NDB 19 (1999), S. 724 f. Hermann-Peter Eberlein: Flamme bin ich sicherlich! Friedrich Nietzsche, Franz Overbeck und ihre Freunde, Köln 1999. 219 In einem ähnlichen Wortspiel tituliert Nietzsche 1887 den Freund „als ‚Kirchenvater‘ “, vgl. Janz, Nietzsches Leben, Bd. 2, S. 542. 220 Zu Geschichte und Aufgaben eines Oberkirchenrats vgl. Philipp Zorn: Lehrbuch des Kirchenrechts, Stuttgart 1888, S. 366–369.

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sah, sondern den „Geist der Gegenreformation“. Am 4.1.1878 schrieb er nach der ersten Lektüre an den Maler und Schriftsteller Reinhart von Seydlitz in Salzburg: Gestern kam, von Wagner gesandt, der ‚Parsifal‘ in mein Haus. Eindruck des ersten Lesens: mehr Liszt, als Wagner, Geist der Gegenreformation; mir, der ich zu sehr an das Griechische, menschlich Allgemeine gewöhnt bin, ist Alles zu christlich zeitlich beschränkt; lauter phantastische Psychologie; kein Fleisch und viel zu viel Blut (namentlich beim Abendmahl geht es mir zu vollblütig her), dann mag ich hysterische Frauenzimmer nicht; Vieles, was für das innere Auge erträglich ist, wird bei der Aufführung kaum auszuhalten sein: denken Sie Sich unsere Schauspieler betend, zitternd und mit verzückten Hälsen. Auch das Innere der Gralsburg kann auf der Bühne nicht wirkungsvoll sein, ebensowenig der verwundete Schwan. Alle diese schönen Erfindungen gehören in’s Epos und, wie gesagt, für’s innere Auge. Die Sprache klingt wie eine Übersetzung aus einer fremden Zunge. Aber die Situationen und ihre Aufeinanderfolge — ist das nicht von der höchsten Poesie? Ist es nicht eine letzte Herausforderung der Musik?221 Obschon er diese Kritikpunkte beibehielt, verschwand in späteren Stellungnahmen die Ausgewogenheit der Einschätzung. In leicht verklausulierter Form findet sich bereits im ersten Buch des ‚Zarathustra‘ von 1883 ein massiver Angriff.222 Expressis verbis trat Nietzsche 1886 in ‚Jenseits von Gut und Böse‘ in einem polemischen Gedicht im Stile von Goethes Mephisto223 gegen den ‚Parsifal‘ auf, das auf mehreren Ebenen operiert, indem es einmal bereits früher geäußerte Kritik an der ‚Psychopathia sexualis‘ des ‚Bühnenweihfestspiels‘ wiederholt, andererseits aber auf Wagners tiefsitzende Eifersucht gegen Liszt anspielte. Wagner sei auf dem „Weg nach Rom“, spottet Nietzsche – was ironisch vortäuschte, dass er wie Liszt 1865 in Rom die niederen Weihen anstrebe und den Titel eines Abbé tragen werde – und wechselt dann in die Versform:

221 Nietzsche, KSB Abt. 2,5, S. 300 Nr. 678. 222 „Die Keuschheit ist bei einigen eine Tugend, aber bei vielen beinahe ein Laster. Diese enthalten sich wohl: aber die Hündin Sinnlichkeit blickt mit Neid aus allem, was sie tun. Noch in die Höhen ihrer Tugend und bis in den kalten Geist hinein folgt ihnen dies Getier und sein Unfrieden. Und wie artig weiß die Hündin Sinnlichkeit um ein Stück Geist zu betteln, wenn ihr ein Stück Fleisch versagt wird. Ihr liebt Trauerspiele und alles, was das Herz zerbricht? Aber ich bin mißtrauisch gegen eure Hündin. Ihr habt mir zu grausame Augen und blickt lüstern nach Leidenden. Hat sich nicht nur eure Wollust verkleidet und heißt sich Mitleiden? Und auch dies Gleichnis gebe ich euch: nicht wenige, die ihren Teufel austreiben wollten, fuhren dabei selber in die Säue.“ (Nietzsche, KSA 4, S. 69). 223 Vgl. konkret Goethes Faust II, V. 11261–64: „Wer läugnet’s! Jedem edlen Ohr / Kommt das Geklingel widrig vor. / Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel / Umnebelnd heitern Abendhimmel“.

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– Ist das noch deutsch?224 – Aus deutschem Herzen kam dies schwüle Kreischen? Und deutschen Leibs ist dies Sich-selbst-Zerfleischen? Deutsch ist dies Priester-Händespreizen, Dies weihrauch-düftelnde Sinne-Reizen? Und deutsch dies Stocken, Stürzen, Taumeln, Dies ungewisse225 Bimbambaumeln? Dies Nonnen-Äugeln, Ave-Glocken-Bimmeln, Dies ganze falsch verzückte Himmel-Überhimmeln? – Ist Das noch deutsch? – Erwägt! Noch steht ihr an der Pforte: – Denn was ihr hört, ist Rom – Roms Glaube ohne Worte!226 Für den Verkünder einer ‚Philosophie des Antichrist‘227 ist die aus Luthers Blickwinkel formulierte Warnung vor „Roms Glauben ohne Worte“ wenig überzeugend. Kaum glaubhaft, dass Nietzsche hier den Sohn eines evangelischen Pfarrers herauskehrt, der sich über Zölibat und liturgischen Pomp empört. Die Bosheit ist daher nicht im konfessionellen, sondern im persönlichen Bereich zu suchen: Mit dem „Ave-Glocken-Bimmeln“ bezieht Nietzsche sich auf Wagners Liszt-Plagiate bei der Gralsmusik.228 Liszt eigenes ‚Ave Maria‘ gehört zu ‚Die Glocken von Rom‘ (1862).229 Es folgten Verdikte in ‚Der Fall Wagner’ (1888) und schließlich230 in den nur mehr als Probedruck231 erschienenen gesammelten Essays ‚Nietzsche contra Wagner’ (1889)232, die in ‚Wahnfried‘ wütend beobachtet wurden.233 In ‚Zur Genealogie der 224 Den Aufsatz ‚Was ist deutsch?‘ hatte Wagner 1865 begonnen und in den ‚Bayreuther Blättern‘ veröffentlicht: 1 (1878), S. 29–42 = Wagner, SuD 10, S. 36–53. 225 „zuckersüße“ Nietzsche, KSA 6, S. 429. 226 Nietzsche, KSA 5, S. 204, unter der Überschrift ‚Wagner als Apostel der Keuschheit‘ nochmals in ‚Nietzsche contra Wagner‘ KSA 6, S. 429. 227 Nietzsche, KSA 6, S. 203. 228 Vgl. Anm. II 196. 229 Vgl. Arnold, Liszt Companion S. 148. 230 Es muß in diesem Zusammenhang offen bleiben, inwieweit auch die dazwischen liegenden Spätschriften von 1888/89 – ‚Götzen-Dämmerung‘, ‚Der Antichrist‘ und ‚Ecce homo‘ – als Attacke gegen die Bayreuther Suche nach einer neuen Religiosität zu sehen sind. 231 Vgl. die bei Janz, Nietzsche-Biographie Bd. 3, S. 313–331 abgedruckten Briefe vom Januar und Februar 1889, in denen Franz Overbeck für den erkrankten Autor mit dem Verleger Naumann verhandelt. 232 Diese Parallele zieht Heller, Ethics im Kapitel „Nietzsche and Parsifal” (S. 11–91), hier S. 50–68 mit dem Versuch einer direkten Parallelisierung; weitergeführt bei Brian Hyer: Parsifal hystérique, in: Opera quartely 22 (2006), S. 269–320, hier S. 269: „Nietzsche’s genealogy of morals can thus be read as an allegory of Parsifal, one that draws on the same image reservoir and whose dramatis personae – slaves, nobles, priests – doubles as a cast list for the music-drama.” 233 Wagners letzte überlieferte Äußerung über Nietzsche in Cosima-Tagbeücher 2, S. 1105 zum 3.2.1883: „der ganze Mensch sei ihm widerwärtig“. Ausfälle Cosimas gegen ihn sind häufig, z. B. am 9.9.1900 anläßlich der Nachricht von Nietzsches Tod gegenüber Felix Mottl, vgl. Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 544 f.

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Moral‘ schließen die ‚Parsifal‘-Betrachtungen mit einem Rückblick auf Wagners gesamte Publizistik: Und nicht nur mit den ‚Parsifal‘-Posaunen von der Bühne herab – in der trüben, ebenso unfreien als ratlosen Schriftstellerei seiner letzten Jahre gibt es hundert Stellen, in denen sich ein heimlicher Wunsch und Wille, ein verzagter, unsicherer, uneingeständlicher Wille verrät, ganz eigentlich Umkehr, Bekehrung, Verneinung, Christentum, Mittelalter zu predigen und seinen Jüngern zu sagen „es ist nichts! sucht das Heil woanders!“ sogar das ‚Blut des Erlösers‘ wird einmal angerufen …234 So nähern sich Nietzsches eigene Aperçus mit ihren Nachträgen, Ergänzungen und Wiederholungen Wagners weltanschaulichen Artikelserien in den ‚Bayreuther Blättern‘ durchaus an; wenn ‚Der Antichrist‘ von wenigen, eventuell noch gar nicht geborenen Lesern spricht – „erst das Übermorgen gehört mir“235 -, kokettiert sein Verfasser mit den Charaktermerkmalen der Ephemeriden, die sich in den geringen Auflagen und der Selbstbeteiligung an den Kosten der Drucklegung niederschlug.236 Ganz anders als die sonstige ‚Parsifal‘-Publizistik, die sich in Vergleichen mit den mittelalterlichen Vorlagen und dem vermeintlichen ‚Gralsmythos‘ erschöpfte, konzentrierte sich Nietzsche auf die im ‚Parsifal‘ propagierte Sexualfeindlichkeit, die er am moralischen Zurückweichen noch hinter Luther237 festmachte, also in die Vorstellungswelt der mittelalterlichen Kirche: Ist der Haß auf das Leben bei ihm Herr geworden, wie bei Flaubert? … Denn der ‚Parsifal‘ ist ein Werk der Tücke, der Rachsucht, der heimlichen Giftmischerei gegen die Voraussetzungen des Lebens, ein schlechtes Werk. – Die Predigt der Keuschheit bleibt eine Aufreizung zur Widernatur: ich verachte Jedermann, der den ‚Parsifal‘ nicht als Attentat auf die Sittlichkeit empfindet. – 238

234 Nietzsche, KSA 5, S. 360 f. 235 Nietzsche, KSA 6, S. 167. 236 Hierzu Janz, Nietzsche-Biographie Bd. 2, S. 355 f., 448 f., 488 u. ö., zur Drucklegung des Fall Wagner Bd. 3, S. 291–293. 237 Vgl. Nietzsche in ‚Zur Genealogie der Moral‘ (KSA 5, S. 358 f.): „Denn zwischen Keuschheit und Sinnlichkeit giebt es keinen nothwendigen Gegensatz; jede gute Ehe, jede eigentliche Herzensliebschaft ist über diesen Gegensatz hinaus. Wagner hätte, wie mir scheint, wohlgethan, diese angenehme Thatsächlichkeit seinen Deutschen mit Hülfe einer holden und tapferen Luther-Komödie wieder einmal zu Gemüthe zu führen, denn es giebt und gab unter den Deutschen immer viele Verleumder der Sinnlichkeit; und Luthers Verdienst ist vielleicht in Nichts größer als gerade darin, den Muth zu seiner Sinnlichkeit gehabt zu haben (– man hiess sie damals, zart genug, die ‚evangelische Freiheit‘ …)“ – Zu Wagners Dramenentwurf ‚Luthers Hochzeit‘ und überhaupt Nietzsches Kritik vgl. Gregor-Dellin, Richard Wagner S. 743–745. 238 ‚Nietzsche contra Wagner‘, vgl. Nietzsche, KSA 6, S. 431.

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Solche harschen Töne irritierten selbst den kleinen Verehrer-Kreis, für den Nietzsche schrieb. Am 24.6.1889 schrieb Heinrich Hengster aus Wien an Franz Overbeck: .

Dagegen schien mir N. in ‚Jenseits von Gut und Böse‘ sowie in der ‚Genealogie der Moral‘ zu weit zu gehen, insbesondere machte ein Mitglied unseres Kreises bemerklich, daß N. dem ‚Parsifal‘, dessen Tendenz er so vernichtend kritisirt hatte, doch in Ansehung seiner Form-Vollendung und technischen Meisterschaft hätte Gerechtigkeit widerfahren lassen sollen. Ich wandte mich daher mit der Bitte an den Verfasser, uns über diese Schwierigkeit hinwegzuhelfen. Die darauf erfolgende Antwort gab zu, daß hier eine innere Schwierigkeit zu überwinden sei, verwies aber im Übrigen auf die damals unter der Presse befindliche Schrift ‚Der Fall Wagner’.239 Erst aus der Veröffentlichung des gesamten Briefwechsels ging hervor, dass Nietzsche daraufhin die „erste Nachschrift“ zum ‚Fall Wagner’ an den Verleger Naumann sandte, in der er erklärte: Die Musik als Circe … Sein letztes Werk ist hierin sein grösstes Meisterstück. Der ‚Parsifal‘ wird in der Kunst der Verführung ewig seinen Rang behalten, als der Geniestreich der Verführung … Ich bewundere dies Werk, ich möchte es selbst gemacht haben; in Ermangelung davon verstehe ich es … Wagner war nie besser inspirirt als am Ende. Das Raffinement im Bündniss von Schönheit und Krankheit geht hier so weit, dass es über Wagner’s frühere Kunst gleichsam Schatten legt: – sie erscheint zu hell, zu gesund. Versteht ihr das? Die Gesundheit, die Helligkeit als Schatten wirkend? als Einwand beinahe? […] Ihr findet nirgends eine angenehmere Art, euren Geist zu entnerven, eure Männlichkeit unter einem Rosengebüsche zu vergessen … Ah dieser alte Zauberer240! Dieser Kling­sor aller Kling­sore!241 Das war ein satirisches Lob und geschah vermutlich in Kenntnis von Wagners geheimen Phantasien, die er einmal gegenüber Cosima geäußert hatte: 239 Zitiert nach Janz, Nietzsche-Biographie Bd. 3, S. 335. Hengsters Brief an Nietzsche vom 26.7.1888 abgedruckt Nietzsche, Briefwechsel 3,6 S. 346; das Konzept zu Nietzsches sehr knapper Antwort ebd. 3,7 S. 376 f. Nr. 1077. Einen weiteren Verehrer-Brief zugunsten des ‚Parsifal‘ erwähnt Nietzsche gegenüber Carl Fuchs, 29.7.1888, gedruckt ebd. S. 374 f. Nr. 1075, Z. 30–39 und gegenüber der Mutter am 2.8.1888, gedruckt ebd. S. 381, Nr. 1080, Z. 33–38. 240 Vgl. Das Kapitel ‚Der Zauberer‘ im vierten Buch von ‚Also sprach Zarathustra‘, wo Zarathustra dem jammernden Zauberer antwortet: „du bist etwas von einem Büßer des Geistes! Ich errate dich wohl: du wurdest der Bezauberer aller, aber gegen dich hast du keine Lüge und List mehr übrig – du selber bist dir entzaubert! Du erntetest den Ekel ein, als deine eine Wahrheit. Kein Wort ist mehr an dir echt, aber dein Mund: nämlich der Ekel, der an deinem Munde klebt.“ – – „Wer bist du doch!“ schrie hier der alte Zauberer mit einer trotzigen Stimme, „wer darf also zu mir reden, dem Größten, der heute lebt?“ (Nietzsche, KSA 4, S. 318). 241 Nietzsche, KSA 6 S. 43, vgl. auch KSA 6, S. 16, Z. 18 (‚Der Fall Wagner‘), KSA 4, S. 313–320 und 370–375 (‚Zarathustra‘, 4. Teil) sowie KSA 5,S. 389 Z. 23 (‚Genealogie der Moral’, III,20).

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Abends sagt mir R. plötzlich halb scherzend: „Ich möchte gern noch einen Zauberer kennenlernen, mir ist nämlich das Zaubern begreiflich, es ist mir manchmal, als könnte ich es, wie z. B. unter gewissen Umständen über einen großen Raum springen. Und mein Musik-Machen ist eigentlich ein Zaubern, denn mechanisch und ruhig kann ich gar nicht musizieren […]“242 Eine eher versöhnliche Stimmlage blieb vertraulichen Mitteilungen vorbehalten, mit deren Veröffentlichung Nietzsche nicht rechnen konnte.243 Die Zeitgenossen wollten den Gegensatz, den Wagner und Nietzsche selbst als unüberbrückbar empfanden, nicht akzeptieren. Friedrich Lienhard (1865–1929)244, später Herausgeber der national-konservativen Kulturzeitschrift ‚Der Türmer‘ hielt um die Jahreswende 1913/1914 in Colmar als Einleitung in eine der nach dem Auslaufen des Urheberschutzes möglich gewordenen ‚Parsifal‘-Vorstellung zwei Vorträge ‚Rheingold und Gral‘ und ‚Parsifal und Zarathustra‘, die 1914 unter dem Titel des zweiten Vortrages in Stuttgart gedruckt wurden. Lienhard „rechnet sich nicht zu den Gralforschern, sondern zu den Gralsuchern“ (S. 15 Anm.) und betont daher die Bedeutung des persönlichen Erlebens gegenüber dem Fachwissen. Am ‚Parsifal‘ hob er nicht die Verbindung zu ‚Volk‘ und ‚Mythus‘ hervor, sondern die Schöpfung des Individuums.245 Hans von Wolzogen griff die Schrift auf und paraphrasierte sie in den ‚Bayreuther Blättern‘.246 Ohne sich sonderlich um ein Gesamtbild zu scheren, reihte Lienhard biographische und spekulative Assoziationen zu Wagner und Nietzsche aneinander und kam zu dem wenig überraschenden Schluss: „Wir achten den taghellen Scharfschützen Zarathustra; aber wir lieben Parsifal“ (S. 40). Die spätmittelalterlichen Mystiker besang er als „die Genies des Herzens, die Gralsritter“. Auch wenn er dieses Werk selbst mit keinem Wort erwähnt, läßt doch die Verlagsanzeige am Ende des Heftes keinen Zweifel daran, dass es sich bei ‚Parsifal und Zarathustra‘ auch um eine Werbeaktion für Lienhards jüngsten Roman ‚Der Spielmann‘ handelt247, der ‚Titanic‘Untergang, den als Gralsberg interpretierten Montserrat248 und Elisabeth von Thü242 Cosima-Tagebücher 1, S. 461 zum 19.11.1871. Vgl. auch Kesting, Gewissen S. 109. 243 Vgl. dern Brief an Peter Gast (d.i. Heinrich Köselitz) vom 21.1.1887, Nietzsche-Briefwechsel 3,6 S. 11f. Nr. 793, Z. 37–59 über das ‚Parsifal‘-Vorspiel, gipfelnd in dem Schlußsatz: „Ob je ein Maler einen so schwermüthigen Blick der Liebe gemalt hat als W. mit den letzten Accenten seines Vorspiels?“ 244 Zur Person: Franz, Religion des Grals S. 214–237. 245 In der hybriden Form des „genialen Menschen“, vgl. Lienhard, Parsifal und Zarathustra S. 4 f. Anm. *. Gerade wegen der verbalen Anlehnung an die völkische Vorstellungswelt ist dieses Bekenntnis zum individuellen Charakter auch der als „Mythus“ auftretenden Literatur hervorzuheben. 246 Hans von Wolzogen: Parsifal und Zarathustra, in: Bayreuther Blätter 37 (1914), S. 227–230 und ders.: Deutschlands europäische Sendung, in: Bayreuther Blätter 38 (1915), S. 65 f. Vgl. Franz, Religion des Grals S. 232 Anm. 407. 247 Zum Roman vgl. Franz, Religion des Grals S. 217–220. 248 Zu Lienhards Quellen und der Unhaltbarkeit dieser Gleichsetzung überhaupt vgl. Heinermann, Mythus.

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Reaktionen auf die Uraufführung

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ringen in eine Handlung bringt und dabei die ‚Gralssuche‘ zum Gegenstand der Erzählung macht. Wagner und Nietzsche sind hier nur schmückendes Beiwerk. Gerade darum ist es aber ein interessantes Dokument für die Einbettung des aus den Bayreuther Ansprüchen gelösten ‚Parsifal‘ in die von Lienhard propagierte diffuse ‚Heimatkunstbewegung‘.

Reaktionen auf die Uraufführung Die Uraufführung des ‚Parsifal‘249 zog eine große Zahl von Berichten und Kommentaren nach sich, von denen wir hier nur eine Auswahl berücksichtigen können.250 Die Kritik fiel nicht immer positiv aus. Bemerkenswert ist der anonyme, wohl aus katholischer Feder stammenden Epilog zum ‚Parsifal‘, der in der nationalliberalen Zeitschrift ‚Die Grenzboten‘, erschien. In einer Fußnote erklärt die Redak­ tion, sie habe einen Beitrag von Hermann Kretzschmar (1848–1924) erwartet, der aber nicht vollständig vorgelegt worden sei, es werde daher ein „Aufsatz aus andrer Feder“ vorgelegt, „der vollständig unsern eignen Anschauungen entspricht“.251 Als Verfasser wurde Heinrich Ehrlich (1822–1899)252 in Berlin vermutet253, der bereits für die illustrierte Zeitschrift der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart ‚Über Land und Meer‘ im Jahrgang 1882 eine ähnliche negative Kritik abgegeben hatte. Text und Musik werden in diesem Beitrag gleichermaßen als wirr und effektsuchend bezeichnet; mit treffsicherer Hand wird die Blumenmädchenszene als „Pendant“ zum dritten Akt von Meyerbeers ‚Robert der Teufel‘ bezeichnet – und zwar als unterlegene Variante.254 Doch auch zur ‚Parsifal‘-Publizistik äußert sich der Anonymus, einmal mit der eingangs zitierten Rückschau auf die bisherigen Publikationen, zum anderen im Hinblick auf die Berichterstattung zur Uraufführung: „Was man von Bayreuth aus über den massenhaften Besuch der Vorstellungen schrieb, war erlogen. Das Haus war, mit Ausnahme der letzten Aufführung, nie vollständig gefüllt; kaum waren je mehr als zwei Drittel der Plätze besetzt …“255 249 Hierzu detailfreudig Bauer, Bayreuther Festspiele 1, S. 158–181, der unverdrossen die „Spiritualisierung des Theaters, das einer materialistisch gewordenen Welt das Kunstwerk als eine Alternative entgegenstellt“, betont (S. 180). 250 Die Tagespresse ist ausgewertet bei Großmann-Vendrey, Bayreuth und bei Eggert, ‚Parsifal‘ vor 50 Jahren. 251 Epilog zum ‚Parsifal‘ S. 183 Anm. **. 252 Zu ihm vgl. Gustav Adolf Trumpff, in: NDB 4 (1959), S. 363. 253 Tappert, Spiegel der Kritik, S. 49. 254 Epilog zum ‚Parsifal‘ S. 233. – Bei Meyerbeer erscheinen tote Nonnen in der Gestalt von begehrenswerten Verführerinnen, ihre Anführerin Hélena raubt Robert einen Kuß; durch einen Zweig vom Grab der heiligen Rosalie verschwinden alle wieder in ihren Gräbern. 255 Epilog zum ‚Parsifal‘ S. 189.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Noch im Jahr der Uraufführung ließ auch der zuweilen als ‚ältester Wagnerianer‘ bezeichnete Musikkritiker und Komponist Richard Pohl256 seine sieben ‚Bayreuther Briefe‘ erscheinen, und zwar im ‚Musikalischen Wochenblatt‘, im Jahr darauf dann als Schlusskapitel seiner dem bayerischen König „in tiefer Ehrfurcht und Ergebenheit“ gewidmeten Studien und Kritiken zu Wagner.257 Pohl diskutierte die bereits vorliegenden Schriften von Porges und Kretschmar und konstatierte sodann beim Publikum Unverständnis. Er stellte, damit wohl Vorbild für Nietzsches spätere Polemik – das ‚Bühnenweihfestspiel‘ in den Gegensatz zu Bizets ‚Carmen‘, plädierte aber für das Bayreuther Aufführungsmonopol. Er sprach von einem „esoterischen Moment“ in der Oper. „Das absolut Neue im ‚Parsifal‘ ist die hohe religiöse Weihe, der reine christliche Geist, der aus ihm spricht“.258 Pohl konnte darauf verweisen, dass Wagner schon vor langer Zeit an ein Drama über Jesus gedacht habe, und erhoffte nach dem ‚Parsifal‘ dessen Ausführung.259 Eher im Stile von Erweckungsromanen schilderte Houston Steward Chamberlain in seiner Autobiographie den Besuch der Bayreuther Uraufführung.260 In ähnlichem Sinn äußerte sich Gustav Mahler brieflich261. Paul Lindaus262 ‚Bayreuther Briefe vom reinen Thoren‘, die er 1882 in der ‚Kölnischen Zeitung‘ und 1883 auch als Monographie veröffentlichte, stehen dem Bayreuther Festspielbetrieb und dem Werk kritischer gegenüber263 und er spielt genüsslich die bereits vorliegenden ersten Produkte der ‚Parsifal‘-Publizistik gegeneinander aus: Wolzogen hört aus dem ersten Motive in der Einleitung zum dritten Aufzuge die ‚Oede‘ heraus, Heintz264 die ‚Bedrängnis‘; bei der Taufe und der Blumenau erklingt ein Motiv, das Wolzogen als ‚Entsühnung‘, Heintz aber als ‚Kampfesnot‘ enträthselt – was doch offenbarlich nicht ganz dasselbe zu bedeuten hat.265 256 Zu ihm (1826–1896) vgl. MGG 10 (1962), S. 1374, MGG online (Leonie Denzinger, 2018, article?id=mgg10244). 257 Widmung: Pohl, Wagner, S. V-VIII. 258 Pohl, Wagner, S. 326. 259 Pohl, Wagner, S. 349. 260 Vgl. Allen, Weihe des Hauses. 261 Vgl. Anm. III 288. 262 Düsseldorfer, Meininger und später Berliner Theaterleiter und Journalist (1839–1919), der auch Filmdrehbücher schrieb. Zu ihm vgl. Gertraude Wilhelm, in: NDB 14 (1985), S. 573–575. 263 Lindau, Briefe S. 46: „ ‚Parsifal‘ aber als Wagners Meisterwerk hinzustellen, ist eine Übertreibung, deren sich auch die wildesten Parteigänger, auch die reinsten Thoren nicht schuldig machen sollten.“ Noch deutlicher die Schlußworte Lindau, Briefe S. 60, wo es zu einem Seitenhieb auf die „Regenerationsschriften“ kommt: „und er hat gar nichts dagegen einzuwenden, wenn unsere ganze niederträchtige Cultur zerstampft und zerstört wird“ und dann heißt: „Sobald er also den Mund aufthtut, wird es empfindsamen Seelen etwas schwül: ‚Man weiß nicht, was das noch werden mag.‘ Diesmal ist alles ziemlich glatt verlaufen, Wagner hat durch seinen Mund nicht verdorben, was er durch die Feder errungen, und dessen wollen wir uns freuen.“ 264 Zu Albert Heintz vgl. Anm. III 59. 265 Lindau, Briefe S. 51.

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Reaktionen auf die Uraufführung

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Der Kommentar der Alexandra von Schleinitz Wie wenig die Unterstützer der Bayreuther Idee in den Anfängen ideologisch festgelegt waren, zeigt sich am Beispiel der Alexandra von Schleinitz (1842–1901)266, deren Gedächtnis in der heutigen Wagner-Gemeinde allerdings ausgelöscht ist. 1872 machte sie erstmals auf sich aufmerksam, als sie in Zürich einen offenen Brief zugunsten des Frauenstudiums veröffentlichte.267 Sie verfasste zwei Monographien über Wagner’sche Werke: 1882 über den ‚Parsifal‘ und 1891 eine weitaus tiefer schürfende über den ‚Tannhäuser‘.268 Beide wenden sich an ein gebildetes, aber nicht akademisches Publikum, beide versuchen, die mediävistischen Hintergründe der Bühnenwerke zu verdeutlichen und ihnen damit eine historische Dimension zu verleihen, wobei der ‚Parsifal‘-Traktat ein geläutertes Christentum als Remedium für die Übel der Moderne empfiehlt.269 Es stellt – anders als die meisten Beiträge der ‚Bayreuther Blätter‘ – den ‚keltischen‘ Ursprung der Gral- und Artussagen heraus. Ludwig II. zeigte sich von der Schrift begeistert, verwechselte ihre Verfasserin allerdings mit Gräfin Marie von Schleinitz (1842–1912)270. Ludwig schrieb kurz nach der Auslieferung am 26.11.1882 an Wagner: „Unter den vielen Werken, die über ‚Parcifal‘ erschienen, ist das der Frau von Schleinitz sehr hervor zu heben; es war mir ganz unbekannt, daß diese Dame so trefflich zu schreiben versteht.“271 Wagners Reaktion fiel verhaltener aus, als er am 10.1.1883 erwiderte: „Noch einen Irrthum möchte ich berichtigen, in welchen mein königlicher Herr – sehr erklärlicher Weise – gerieth: jene Schrift über mich und Parsifal, welche Ihren gnädigen Beifall gewann, stammt von einer Nichte des Grafen Schleinitz her, einer tief angelegten enthusiastischen Natur.“272 Die oberlehrerhafte Korrektur der Verwechslung war der eine Punkt, der andere aber die leicht ambivalente Charakterisierung von deren Nichte Alexandra mit einer Formulierung, die er sonst nur für seine Schwester Klara (1807–1875) verwendete.273 Nach Wagners Tod blieb Alexandra von Schleinitz engagiertes Mitglied der Wagner-Gemeinde. Die ‚Tannhäuser‘-Schrift von 1891 ist trotz ihres populärwissen266 Vgl. DBE 8 (2007), S. 898; Pataky, Lexikon deutscher Frauen 2, S. 244–245. Einen kitschigen Nachruf veröffentlichte Hans von Wolzogen, Bayreuther Blätter 24 (1901) S. 173. 267 Alexandra von Schleinitz: Offenen Brief einer Studirenden an die Gegner der ‚Studentinnen‘ unter den Studenten, Zürich: Orell Füssli Druck, 1872 (20 S.), ein anonymes Echo: Die Zulassung jugner Damen zum academischen Studium, in: Zeitung für das höhere Unterrichtswesen Deutschlands 1 (1872) S. 172 f. – Zur Debatte insgesamt Weiershausen, Wissenschaft und Weiblichkeit, S. 19–59. 268 Schleinitz, Bayreuther Bühnenweihfestspiel (1882) und Schleinitz, Wagner’s Tannhäuser (1891). 269 Diese Orientierung gipfelte in ihrem Übertritt zum Katholizismus. Dieser wurde öffentlich gewürdigt durch eine Notiz in der ‚Semaine Catholique de la Suisse‘ 1893, S. 339. 270 Zu ihr und ihrer Rolle bei der gesellschaftlichen Emanzipation von Wagners Werk Wilhelmy, Berliner Salon, S. 274–281 und 820–829. 271 BW Ludwig II. Bd. 3, S. 255. 272 BW Ludwig II. Bd. 3, S. 259. 273 Wagner über Klara: „Ich weiss, sie versteht mich: sie ist eine enthusiastische Natur in etwas vernachlässigter Schale“ (Wagner BW Wesendonck, S. 35, 17.8.1858). Zu Klara vgl. auch Wagner, Mein Leben S. 550.

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schaftlichen Tons nicht nur eine der gründlichsten Analysen, die dieses Libretto erfahren hat, sondern als historische und literaturgeschichtliche Quellenanalyse bis heute kaum übertroffen.274 Der Band ist „dem Hause ‚Wahnfried‘ in Liebe und Verehrung zugeeignet“275, Cosima erwähnte Begegnungen mit der Verfasserin in ihren Briefen, 1892 sogar mit dem vertraulichen Namen „Lex“.276 Dennoch nahm Alexandra von Schleinitz keinen Anteil an der fatalen Entwicklung des ‚Bayreuther Kreises‘. Ihre bedeutendste Publikation war eine 1881 publizierte Kampfschrift ‚Wider die Judenverfolger‘277, die als direkte Erwiderung auf eine nunmehr als Monographie gedruckte anonyme Sammlung von Aufsätzen konzipiert war, die in der national-liberalen Zeitschrift ‚Die Grenzboten. Zeitschrift/ für Politik, Literatur und Kunst‘278 des gleichen Verlages veröffentlicht worden war; als Verfasser gilt heute der Bismarck-Panegyriker und Antisemit Moritz Busch (1821–1899).279 Von Schleinitz nahm auf Wagner nie direkt Bezug, wechselte aber zu Beginn des letzten Drittels plötzlich in einen Wagner’schen Tonfall und führte bei offenkundiger Imitation der ersten ‚Rheingold‘-Szene aus: Zeigen sich die Juden als hartherzige, filzige Wucherer, als betrügerische, raffinirte Geldmacher und Speculanten, so erweisen sich die christlichen Arier als blutberauschte, hirnverbrannte Fanatiker, als rohe Raub- und Mordgesellen, zu grausam rasender Doppelwuth aufgestachelt durch blöden Aberglauben und ruchlos neidische Gier nach den goldfunkelnden, der lüsternen Phantasie zauberhaft vorgaukelnden Judenschätzen.280 274 Beachtlich der Abdruck mitteldeutscher und lateinischer Quellentexte im Anhang (S. 226–235); zur deutschen Ludwigsvita vgl. Weigelt, Thüringische Landeschronik. 275 Schleinitz, Tannhäuser, Widmungsblatt nach dem Titel. 276 Brief an Bodo von dem Knesebeck, 4.11.1892, in: Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 308, Identifizierung von ‚Lex‘ durch den Hg. ebd. S. 812. Am 1.3.1900 hatte sie gegenüber Chamberlain erwähnt, „unsere einzigen Schleinitzens“ aus Meran in München getroffen zu haben, vgl. BW CC, S. 590. 277 Schleinitz, An die Judenverfolger. Der Name Wagner fällt in diesem Beitrag nicht – obschon ‚der Meister‘ sich doch für den Initiator des nach 1868 neu entfachten Antisemitismus hielt. Schleinitz wendete sich gegen Lasalle (dessen Schlagwort nach Schleinitz S. 6 f.: „Der Jude wird verbrannt!“) und zieht mit beißendem Spott gegen germanophile Ängste zu Felde: „Wo ist denn der Anlaß zu so großen Befürchtungen? Wahrlich, wir Germanen hätten alle Ursache uns zu schämen, wenn es richtig wäre, daß eine derartige kleine Minorität, wie die von den im deutschen Reich ansässigen Juden gebildet wird, in der That den germanischen Geist unterjochen und gefährden und das germanische Volksthum in seiner Existenz zu bedrohen vermöchte.“ (S. 22f.) 278 Die zeitweilig von Gustav Freytag redigierte Zeitschrift kann nicht als grundweg antisemitisch gelten. Einige Jahre später distanzierte sich ein ebenfalls anonymer Beiträger von diesen Artikeln: Die antisemtische Episode, in: Die Grenzgänger 43,1 (1884), S. 38- 42, hier S. 40. 279 Die anonymen Beiträge erschienen auch gesammelt als Monographie: Israel und die Gojim. Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage, Leipzig: Grunow 1880. Zu Busch vgl. Marion Neiss: Busch, Moritz, in: Handbuch des Antisemitismus, hg. von Wolfgang Benz, Bd. 2,1, Berlin [u. a.]: de Gruyter 2009, S. 114f. 280 Schleinitz, Judenverfolger S. 46. Die Ähnlichkeit basiert nicht auf direkten Zitaten, sondern Anspielungen. „Gier“, „Lüsternheit“ und das Verlangen nach Schätzen sind Attribute von Alberich: „Durch des Ringes Gold / errät seine Gier / wo neuer Schimmer in Schachten sich birgt“ (Wagner,

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Begleitpublikationen zur Bayreuther Inszenierung Wagners Verfügung, dass es außerhalb des Festspielhauses keine szenische Aufführung des ‚Parsifal‘ geben dürfe, mag (wie seine Anhänger immer wieder versichert haben) rein künstlerischer Natur gewesen sein und ohne finanzielle Hintergedanken. Dennoch aber sicherte es dem Festspielhaus ein Alleinstellungsmerkmal, das zuverlässiger war als die – teils berechtigte, teils (etwa für die Wiener Bühne unter Gustav Mahler) unzutreffende281 – Behauptung, dass Wagners Werke die herkömmliche Bühnenpraxis überforderten; die nach der Freigabe 1914 und bis zum Kriegsausbruch in den großen europäischen Häusern gegebenen Inszenierungen ließen ja sogar partiell die Bayreuther Bühne angestaubt wirken. Mit dem Bayreuther Sonderstatus einher ging eine reiche Zahl von Publikationen, deren vornehmster Zweck es war, das ‚Parsifal‘-Erlebnis von Bayreuth mit nach Hause nehmen zu können und die Einzigartigkeit des Erlebnisses wach zu halten. Dazu zählten auch die seit 1882 florierenden Stadtführer durch Bayreuth.282 Der Leipziger Verleger Schloemp versuchte 1882 mit einer ganzen Serie von Publikationen und Devotionalien, sich die Uraufführung des ‚Parsifal‘ und damit die zweiten Bayreuther Festspiele nutzbar zu machen. Er bot neben Wagner-Portraits und Wagner-Büsten auch zwei Publikationen zum ‚Bühnenweihfestspiel‘ an: den Kommentar von Oskar Eichberg und eine mit 20 Mark hochpreisige Leinenkassette mit Goldprägung, die neun Lichtdrucke nach Entwürfen für die Uraufführung enthielt. Sie war von A. Naumann gestaltet. Das Produktionsverfahren war kompliziert, da ja etwas gezeigt werden sollte, das es zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht gab. In naiver und keineswegs detailgetreuer Weise gestaltete „C. Ritter, Professor am Städel’schen Kunstinstitut in Frankfurt a. M.“ neun Szenenbilder, die der „königl. Bayer. U. kais. Russ. Hof-Photograph“ Josef Albert auf postkartengroßen starken Karton bannte. Das die Bilder zusammenfassende kurze Vorwort von Hans von Wolzogen bekräftigte dessen Deutungshoheit und brachte es für alle verständlich auf den Punkt: Es waren Memorabilien, fast schon Pilgerabzeichen. Mögen denn auch diese Blätter dem Besucher Bayreuth’s ein willkommenes Andenken an erhebende Stunden, denen aber, welche sie fern von Bayreuth erblicken, eine Aufforderung werden, eine Stätte selbst aufzusuchen, wo lebendige Gesammtkunst in reinstem Glanze dem Volke sich kundthut.

SuD 5, S. 238), aber auch von Wotan. Sprachlich nähert sich Schleinitz – was sie sonst nicht tut – der Aischy­los­-Übertragung von Johann Gustav Droysen an. Es war wohl auch diese Lektüre, die Wagners künstliche Sprache befeuerte. Seine Bühnentexte klangen schon für Nietzsche „wie eine Übersetzung aus einer fremden Zunge“, vgl. Nietzsches Brief an von Seydlitz vom 4.1.1878 (wie Anm. 40). Zu Wagners Aischylos-Rezeption insgesamt Furness, Literature S. 71–75; Müller, Promethie-Trilogie, zum Einfluß von Droysens Übersetzung auf Wagner vgl. Ewans, Wagner and Aeschylus. 281 So anerkennend selbst der Bayreuther Panegyriker Klampfl, Darsteller S. 11. 282 Frühe Beispiele nennt Eggert, Parsifal vor 50 Jahren S. 47–49.

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Später geriet dieses Schriftgut unter den Zwang des ‚Parsifal-Schutzes‘ – also der Bemühungen, das nach geltendem Urheberrecht am 13.2.1913 – also dem 30. Todestag des ‚Meisters‘ – auslaufende Monopol durch eine Gesetzesnovelle zu verlängern. Wenn Eduard Klämpfl 1908 die aktuellen Darsteller des Bayreuther ‚Parsifal‘ auf 102 Seiten mit zahlreichen Lichtbildtafeln verewigte, so wies seine Einleitung auf diesen drohenden Einschnitt ausdrücklich hin und markierte seinen Standpunkt – auch wenn er Ejnar Forchhammer (1868–1928) als den Sänger der Titelpartie in den Amsterdamer Aufführungen kurz erwähnte. Den amerikanischen ‚Gralsraub‘ erwähnte er aber erst gar nicht. Dabei ist das Heft eine sonst unscheinbare Dankesgabe an die Sänger und eine unkritische Hommage an die Festspielleitung. Bayreuther Schrifttum nach Wagners Tod (1883) Ein von Cosima konzipiertes und durch Heinrich von Stein und Carl Friedrich von Glasenapp betreutes ‚Wagner-Lexikon‘ öffnete auf über 980 Seiten kurz nach Wagners Tod283 das Tor zur ‚Bayreuther Weltanschauung‘. Es stellte durch aphorismenhafte Auszüge aus Wagners Schriften erstmals dessen (von ihm schwerlich so empfundene) ‚Philosophie‘ zusammen. Dabei sind die einzelnen Artikel zwar tatsächlich aus Wagners Schriften gezogen, aber in Form eines Ragouts aus vierzig Jahren publizistischer Tätigkeit, wobei der erste Absatz aus den achtziger, der anschließende aus den fünfziger Jahren stammen kann.284 Ein übriges tat Heinrich von Stein als Herausgeber des zehnten, nunmehr postumen, Bandes der ‚Gesammelten Schriften und Dichtungen‘ (inhaltich identisch mit dem zehnten Band der ‚Sämtlichen Schriften und Dichtungen‘) – und zwar auf Cosimas Weisung.285 Sie verweigerte sich dem Ansinnen von Steins, den Text des ‚Parsifal‘ in der bis 1882 entwickelten und realisierten Bühnenfassung abzudrucken, sondern bestand auf der Wiedergabe des Textes nach dem vor der Komposition veröffentlichten Erstdruck von 1877. Die anonyme „Vorbemerkung“ des zehnten Bandes der ‚Gesammelten Schriften und Dichtungen‘ log sogar nachgerade, wenn sie behauptete, man folge der üblichen chronologischen Ordnung der Werkausgabe, denn dann hätte der ‚Parsifal‘-Text als Produkt des Jahres 1877 vor ‚Wollen wir hoffen?‘ (1879) und die ‚Regenerationsschriften‘ aus den ‚Bayreuther Blättern‘ gestellt werden müssen, wie es Heinrich von Stein ursprünglich auch geplant hatte. 283 Vgl. das Vorwort zu Glasenapp/von Stein, Wagner-Lexikon, S. X: „Diese Arbeit war bestimmt, dem Meister zu seinem siebzigsten Geburtstage dargebracht zu werden. Wir legen sie heute an seinem Grabe nieder.“ Der 70. Geburtstag wäre auf den 22.5.1883 gefallen, Wagner verstarb aber bereits am 13.2.1883. 284 Vgl. die redaktionelle Anmerkung auf der Rückseite des Titelblattes: „Die Mehrzahl der Citate ist, mit dankenswerther Bewilligung des Verlegers, Herrn E. W. Fritzsch in Leipzig, den ‚Gesammelten Schriften und Dichtungen‘ entnommen; deren Bände sind am Rande der Seite durch römische Ziffern angeführt, wogegen die Jahreszahlen die Jahrgänge der ‚Bayreuther Blätter‘ bezeichnen.“ 285 Zur Herausgeberschaft und zu den vergeblichen Versuchen von Steins, den Band authentischer zu gestalten vgl. Bernauer, Heinrich von Stein, S. 196–204.

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Der Band bringt insgesamt jene Schriften, die für die Cosima-Clique das Bayreuther Vermächtnis begründen […] und wird zur Bibel der ‚Wahnfried‘Ideologie. Aus den buchstabengetreu, jedoch geistlos gelesenen Schriften und den museal bewahrten Inszenierungen ließen Witwe und ‚Wahnfried‘Clique einen scheinlebendigen Wagner aufsteigen, einen Schemen, den sie zur Bildung ihres eigenen Wagnerismus brauchten. An dieser ideologischen Konstruktion hatte Stein, der Wagner in den letzten Monaten am nächsten stand, durch die Zusammenstellung des Lexikons und als Herausgeber des 10. Bandes der Schriften einen nicht geringen Anteil. Am Disput um den ‚Parsifal‘ zeigte sich allerdings ein Dissens, der nicht nur äußerliche Dinge betrifft: Stein ging es um ein Kunstwerk und Kunsterlebnis; deshalb sollte der ‚Parsifal‘ in der Aufführungsfassung an den Anfang des Buches zu stehen kommen. Für die ‚Wahnfried‘-Clique hingegen mündete die ‚Regenerations‘-Lehre in das Musikdrama, das damit zum Mittel ihrer Propaganda instrumentalisiert wurde. Ästhetisches steht hier gegen ideologisches Bewußtsein; aber Stein fühlte sich dem Meister verpflichtet und verehrte Cosima blind, so daß er es nicht wagte, aufzubegehren und sich aus den Fängen ‚Wahnfrieds‘ zu befreien.286 Es ist dennoch unzulässig, die frühen Bayreuther Festspiele mit dem Erscheinungsbild gleichzusetzen, das sie in Cosimas späten Jahren oder gar nach ihrem Tod im Jahr 1930 boten. Die frühen Bayreuther Spiele standen nicht unter dem Zeichen eines grassierenden Antisemitismus. Dafür stand nicht nur Alexandra von Schleinitz, auch sonst erschienen jüdische Intellektuelle wie der Musiker Gustav Mahler (1860–1911) oder der Handschriftenforscher Ludwig Traube (1861–1907)287 jahrelang als Gäste, bis sie beide sich unter dem Druck aus ‚Wahnfried‘ von dem ursprünglich als Weihe288 empfundenen Bühnenereignis abkehrten. Mögen die Gründe für Mahlers Erschütterung während seines ersten Festspielbesuchs auch teilweise sexualpathologischer Natur gewesen sein, so spielte doch auch die Suche nach einer inneren Erneuerung eine Rolle.289 1894 hielt er sich auf Cosimas Einladung hin in Bayreuth auf und konnte aus der Wagnerschen Familienloge

286 Bernauer, Heinrich von Stein S. 200. 287 Ludwig Traube war klassischer Philologe und Paläograph und als solcher Begründer der mittellateinischen Forschung. Indirekt ergab sich in seiner Jugend eine Verbindung zu Richard und Cosima während eines Italienaufenthaltes 1880, vgl. Posselt, Traube S. 491 Anm. 24. Zu Traubes nach 1900 gewandelten Verhältnis zu Bayreuth vgl. Franz Boll in Traube, Vorlesungen und Abhandlungen 1, S. XXIII f. 288 „Als ich, keines Wortes fähig, aus dem Festspielhaus hinaustrat, da wußte ich, daß mir das Größte, Schmerzlichste aufgegangen war, und daß ich es unentweiht mit mir durch mein Leben tragen werde.“ Gustav Mahler im Juli 1883 an Friedrich Löhr in: Mahler-Briefe S. 47, vgl. auch Fischer, Mahler, S. 151 f. 289 So Fischer, Mahler S. 137–139.

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u. a. den ‚Parsifal‘ anschauen.290 Mahler hielt noch jahrelang den Kontakt zur Familie des ‚Meisters‘, und ermöglichte u. a. 1899 eine Aufführung von Siegfried Wagners Oper ‚Der Bärenhäuter‘ in Wien, die jedoch den Bruch mit ‚Wahnfried‘ und anschließende antisemitische Verunglimpfungen durch Cosima zur Folge hatte.291 Vergleichbar mit den Motiven Gustav Mahlers machte nicht nur mediävistisches Interesse den jungen Philologen Ludwig Traube zum Besucher der Bayreuther Festspiele: sein gleichnamiger Vater Ludwig Traube (1818–1876) war ein berühmter Pathologe an der Berliner Charité und hatte seine bis heute anerkannten Forschungsergebnisse auf Tierexeperimente gegründet.292 Dagegen lehnte sich der Sohn auf, wenngleich er die väterliche Freundschaft mit Theodor Mommsen (1817–1903) als Arbeitsgemeinschaft fortsetzte und ohne das immense Vermögen des Vaters beruflich gescheitert wäre, da er sich in München massiver antisemitischer Diskriminierung ausgesetzt sah.293 Traube korrespondierte mit dem ‚Wahnfried‘-Apologeten Wolfgang Golther und besuchte mindestens 1888 noch die Festspiele.294 Als Religion oder Weihe scheint er den ‚Parsifal‘ nicht verstanden zu haben: Ironisierend benannte er seinen Pudel nach dem reinen Toren.295 Später kehrte Traube sich von Bayreuth ab; seine Agoraphobie hätte es ihm ohnehin unmöglich gemacht, größere Menschenversammlungen zu ertragen.296 Schon vor Cosimas Rückzug von der Festspielleitung im Jahr 1906 entstand unter der Schirmherrschaft des Hauses ‚Wahnfried‘ ein auf den ‚Parsifal‘ bezogenes halb- bzw. pseudowissenschaftliches Schrifttum um zivilisatorische Dekadenz und Regeneration durch die Besinnung auf eine vermeintliche vorgeschichtliche Religion, deren letzte Blüten nach dem Verlust der vorgeschichtlichen Ganzheitlichkeit im Christentum und im Buddhismus erblickt wurden.297 Aus ihnen sollte die Religiosität der Zukunft destilliert werden, wobei einmal mehr Neukonstruktion

290 Fischer, Mahler S. 306–309. 291 Fischer, Mahler S. 308 f., als Grund wird Siegfrieds Dirigat bei der letzten Aufführung angegeben, das „zu einer Verstimmung zwischen Mahler und Siegfried“ geführt habe. 292 Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1721–1724; H. Boruttau: Ludwig Traube und die Geschichte der experimentellen Pathologie in Deutschland, in: Zeitschrift für die experimentelle Pathologie und Therapie 20 (1919), S. 144–148. Marianne Brüning: Ludwig (Louis) Traube. Arzt und Hochschullehrer. Begründer der experimentellen Pathologie, Berlin: Hentrich & Hentrich 2008. 293 Vgl. hierzu Ludwig Traube: Rückblick auf meine Lehrthätigkeit, hg. von Gabriel Silagi. München: Arbeo-Gesellschaft 1988. 294 Zu Golther vgl. Parr, As-Sociation S. 340. In Traubes Bibliothek hat sich das Juli-Heft der ‚Bayreuther Blätter‘ erhalten, das als Gabe an die Festspielbesucher verteilt wurde (München, Bibliothek der Monumenta Germaniae Historica Mn 99280). Es enthält an ‚Parsifal‘-Schrifttum den Beitrag von Arthur Seidl: R. Wagner’s Parsifal und Schopenhauer’s Nirwâna, vgl. ‚Bayreuther Blätter‘ 11 (1888), S. IX und 278–306. 295 Boll, Einleitung S. XXIII. 296 Boll, Einleitung S. XXII-XXIV, Posselt, Traube S. 497 f. 297 „Ganz erhaben stand der Buddhist da. R. spricht von dem Jammer, daß die jüdische Religion dem Christentum aufgepfropft worden ist und dieselbe ganz verdorben hat.“ Cosima-Tagebücher 1, S. 210.

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als Wiederherstellung des Ursprünglichen ausgegeben wurde. Ursprung und Multiplikatoren der Veröffentlichungen waren die zahlreichen Festabende und Feierstunden, die die örtlichen Wagner-Vereine veranstalteten.298 Man nehme z. B. den Leipziger Wagner-Gedenkabend des Jahres 1908, den die ‚Bayreuther Blätter‘ ausführlich schildern: Leipzig. Eine Richard Wagner-Gedächtnisfeier veranstaltete anlässlich der 25. Wiederkehr von Richard Wagners Todestag, zum Besten der Bayreuther Stipendienstiftung die Ortsgruppe Leipzig der Internationalen Musikgesellschaft zusammen mit dem Verein Leipziger Musiklehrerinnen am 9. Feb­ruar. Nachdem Herr Professor Dr. A. Prüfer299 die Anwesenden begrüsst und mit kurzen Worten der segensreichen Einrichtung der Rich. Wagner-Stipendienstiftung gedacht hatte, ergriff der Musikschriftsteller Arthur Smolian300 das Wort zu seinem Vortrage ‚Parsifal und seine ethische Bedeutung‘. Der Redner entwickelte die Entstehungsgeschichte des Werkes, gab eine eingehende Inhaltsangabe und Erläuterung des Weihefestspiels und legte schließlich dessen ethische Bedeutung im Anschluss an Chamberlain301 und Wagners Schrift ‚Religion und Kunst‘ dar […]. Zum Schluss seines Vortrages ging der Redner näher auf die Musik zu ‚Parsifal‘ ein. Als Ecksteine auf dem Gebiete der religiösen Musik bezeichnete er Palestrina, Bach, Beethoven und Wagner. Der Redner unterstützte seine Ausführungen durch die Wiedergabe der Verwandlungsmusik, des Charfreitagszaubers und, als Ausklang der Feier, des Vorspiels am Flügel. Ferner sang Herr Martin Oberdörfer302, von Herrn Smolian am Klavier begleitet, die Klage des Amfortas.303 Die Vermengung von individuellem religiösem Bedürfnis und konstruierter kollektiver Kulturgeschichte gipfelte jedoch in den Schriften des Indologen Leopold von Schroeder (1851–1920).304 Er war ein enger Freund Houston Steward Chamberlains. Er begründete eine ‚mythologische Schule‘ in Wien, die durch Motivforschungen in Mythen, Märchen und Legenden eine Kontinuität der deutschen Kultur (wie sie sie verstand) seit der indogermanischen Zeit zu beweisen und damit 298 Thorau, Sinnlichkeit S.263 f. 299 Arthur Prüfer (1868–1944) promovierter Jurist und Musikwissenschaftler, 1895 musikwissenschaftliche Habilitation, 1902 apl. Professor in Leipzig, zahlreiche Lehrveranstaltungen über Wagner, z. B. 1928 Vorlesung und Übung über den ‚Parsifal‘. Der 1924 publizierte Vortrag ”Parsifal und der Kulturgedanke der Regeneration” sucht einen theosophischen Zugang zum Werk. Vgl. http:// www.uni-leipzig.de/~musik/wiki/index.php/Arthur_Pr%C3%BCfer. 300 Artur Smolian (1856–1911) publizierte kommentierte Textbücher zum ‚Rienzi‘ (1905) und zum ‚Ring‘ (1901); der ‚Parsifal‘-Vortrag blieb anscheinend ungedruckt. 301 Zu Chamberlains ‚Parsifal‘-Deutung vgl. Allen, Weihe des Hauses. 302 Martin Oberdörfer (1865–1925), Leipziger Verleger, Konzertsänger und Komponist. 303 Bayreuther Blätter 31 (1908), S. 164. 304 Zu ihm vgl. Rolf Parr: Interdiskursive As-Sociation. Studien zu literarisch-kulturellen Gruppierungen zwischen Vormärz und Weimarer Republik, Tübingen: Niemeyer 2000, S. 340.

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die ursprüngliche arische Religion zu rekonstruieren und wiederzubeleben suchte. Höhepunkt war der in ansprechender Typographie und auf hochwertigem Papier gedruckte Band über ‚Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth‘ von 1911305. Die Bayreuther Festspiele wurden von Schroeder als neue arische Weihespiele frenetisch begrüßt. Er verstieg sich zu der Ansicht, dass das Bühnengeschehen des ‚Parsifal‘ wieder die vorgeschichtliche und ursprüngliche – für ihn demnach ‚arische‘ – Religion wahrhaftig erfassbar mache.306 Diesem Band vorauf ging eine vor allem den vermeintlichen Quellen Wolframs von Eschenbach gewidmete Akademieschrift, die den Gral als Behälter des himmlischen Soma interpretierte.307

Bibliophiles Hugo L. Braune Über das Leben des Malers und Lithographen Hugo L. Braune (1872–?) ist wenig bekannt, nicht einmal sein Todesjahr konnte sicher ermittelt werden. 308 Neben seinen Wagner-Illustrationen schuf er 1912 für Breitkopf & Härtel Bilder zu Felix Dahns ‚Gesammelten Werken‘ und zu Sagen- und Märchenbüchern. Er versuchte, die Bayreuther Bühnenkonzeption in Graphiken umzusetzen. 1906–1910 schuf er zu allen in Bayreuth zugelassenen Bühnenwerken Wagners Mappen im Format 36x30 cm mit jeweils einem Titelblatt und 10 farbigen Tafeln.309 Weitere Publikationen beschäftigten sich mit Scheffels ‚Ekkehard‘ und Dietrich von Bern. Die ausdrucksstarken Jugendstilillustrationen sind in ornamentale Schmuckrahmen gefasst und teils mit Untertiteln versehen. Die 10 Szenen, die Braune aus der Handlung des ‚Parsifal‘ herausgriff, sind ungewöhnlich verteilt, da dem ersten und dem dritten Aufzug jeweils drei, dem zweiten aber vier Bilder gewidmet sind. Der Zyklus beginnt mit einer monumental gedachten Ansicht der im Morgenlicht strahlenden Gralsburg, gegen die der betende Gurnemanz und die Knappen verschwindend klein wirken; auf wenige Striche und Punkte reduziert ist der links auf einer Brücke der herannahende Zug des Amfortas reduziert (Taf. 1). Das Vorbild für diese Szene ist unzweifelhaft das

305 306 307 308

Hierzu auch Ross, Wagner S. 306. Zum Ganzen Mösch, Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit S. 366–368. Leopold von Schroeder: Die Wurzeln der Sage vom heiligen Gral. Schüler der Kunstgewerbeschule in Leipzig und der Weimar Kunstakademie, später in München, seit 1908 in Berlin, vgl. Vollmer I, 303, Thieme/Becker 4, Sp. 551, AKL, Bd. 14, 1996, S. 15. Nach 1924 gibt es keine Quellen mehr; es wird vermutet, daß er im zweiten Weltkrieg gefallen ist. 309 Bassett, The Nibelung’s Ring S. VI datiert den Zyklus zum Ring auf 1924. Offenbar benutzte er eine spätere Ausgabe.

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Walhall aus der Bayreuther Inszenierung des ‚Rheingolds‘.310 War dort im Bühnenbildentwurf Josef Hoffmanns von 1876 eine Art gründerzeitliche ‚Hagia Sophia‘ angestrebt, so ähnelte die tatsächliche Ausführung eher einem überdimensionierten ‚Pantheon‘.311 Braune zog Tambour und Außenkuppel in die Länge, wodurch eine Mischung aus Florentiner Dom und Kloster Ettal entstand; auf dem Tambour waren als Reminiszenz aus dem ‚Jüngeren Titurel‘ geflügelte Engelsgestalten zu erkennen. Die Größenverhältnisse zwischen Mauern, Türmen und dem Kuppelbau waren grotesk; einzig die verschwimmenden Konturen und die impressionistische Gestaltung der Brücke, über die Amfortas zieht, bewahrten das Bild vor der Lächerlichkeit. Diese Brücke taucht in der Verbildlichung der Verwandlungsmusik des dritten Aufzugs in Taf. 9 wieder auf, wo sie der von Engeln umschwebte Parsifal überquert, während Gurnemanz und Kundry hinter ihm in die Knie gesunken sind. Sie entstammt aber nicht dem Bayreuther Repertoire, sondern ist – wie auch die massiven Gebäude um den Graltempel herum – eine Adaptation des imposanten Zugangs zur Kreuzfahrerburg ‚Crac des Chevaliers‘ in Syrien, der auch ganz deutlich für eine Aquatinta-Radierung von Otto Fischer (1870–1947)312 Pate stand, die Parsifal vor einem hoch zu Berge gelegenen Graltempel im Stil der ‚Hagia Sophia‘ zeigt. Den Innenraum des Graltempels (Taf. 3) gestaltet Braune klar nach dem Bayreuther Originalbühnenbild; im Schlusstableau verschwimmen die Architekturelemente zu Schemen. Den Vordergrund füllt Parsifal mit einem naturalistischen, aber kitschig-knallroten, Gralskelch. Diese überzogene süßliche Religiosität kontrastiert mit einer lasziven Zurschaustellung weiblicher Körper; Kundrys Beschwörung (Taf. 4) läßt sie in völliger Nackt­heit mit geöffneten Schenkeln auf einer Wolke emporsteigen, ähnlich schwül geraten die Verführungsbilder (Taf. 4: ‚Blumennmädchen‘, Taf. 5: ‚Kundry und Parsifal‘), die an Edward Burne-Jones erinnern. Als Idee bemerkenswert, wenngleich wenig ansprechend ausgeführt, ist die Gestaltung der Kundry und Parsifal umgebenden Blumen mit Blüten aus Schamlippen und Andeutungen von Frauengesichtern und weiblichen Körpern im Erdreich. Ulrich Drüner attestiert dem Bildern eine antisemitische und gegen die ‚Moderne‘ gerichtete Tendenz.313

310 Vgl. Die Szene als Modell S. 31 Abb. 10 (Entwurf von Josef Hoffmann 1876) und S. 39 Abb. 5 (Bühnenmodell 1896). 311 Bauer, Reinster Idealismus glaubt, Hoffmann entwerfe fernab von „historischen Vorbildern im Sinne des Historismus […] ein archaisches architektonsiches Gebilde, dessen Umrisse und Strukturen nur zu erahnen sind und das sich in den Weiten des Himmels verliert“ (S. 30). Es handelt sich jedoch um einen stilistischen Vorgriff auf Adaptationen der ‚Hagia Sophia‘ bzw. des ‚Pantheons‘ im Sakralbau der wilhelminischen Zeit, z. B. der ‚Alten Synagoge‘ in Essen oder dem ‚Völkerschlachtdenkmal‘ in Leipzig, beide von 1913. Die ebenfalls 1913 errichtete ‚Nibelungenhalle‘ am Drachenfels bei Königswinter nahm unmittelbar das Bühnenbild zur Vorlage. 312 Zu ihm Thieme/Becker 12, 39. 313 Drüner, Schöpfer und Zerstörer, Taf. XIV f. (vor S. 151).

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‚Parsifal‘-Publizistik

Franz Stassen Das wohl aufwändigste bibliophile Werk der ‚Parsifal‘-Rezeption gestaltete Franz Stassen (1869–1949)314, ein homosexueller Graphiker und Buchillustrator aus Hanau, der später in Berlin wirkte. Er gehörte der Zeichenschule Hanau und der Akademie Berlin an, publizierte immer wieder zusammen mit Hans von Wolzogen bei der Berliner Verlagsanstalt für Vaterländische Geschichte und Kunst315, der er in der Verherrlichung eines germanisierten Christus nahe stand, und galt als Freund Siegfried Wagners, dessen Sohn Wieland Wagner er Zeichenunterricht erteilte.316 In diesen Zusammenhang gehört sein Engagement im so genannten ‚Werdandi‘Bund, dem führenden Zusammenschluss deutscher Intellektueller mit völkischen Interessen. Stassen amtierte als zweiter Vorsitzender.317 1899 hatte Stassen bei Fischer & Franke ein erstes Mappenwerk zu ‚Tristan und Isolde‘ vorgelegt, dessen zwölf Tafeln 1900 durch Breitkopf & Härtel in eine auf Japanpapier gedruckte Luxusausgabe des Klavierauszugs von Hans von Bülow eingelegt wurden. Zu Glasenapps Versuch, Siegfried Wagner als würdigen Nachfolger seines Vaters zu verklären, steuerte Stassen 177 Illustrationen und Bildrahmen bei.318 Sie sind durchweg naturalistisch, erreichen aber nicht die Qualität der ‚Parsifal‘-Mappe. Im Rahmen zu einer Wald-Szene zu Siegfried Wagners ‚Kobold‘ taucht der gekreuzigte Christus wieder auf, den Stassen in der 5. Tafel zum ‚Parsifal‘ (‚Amfortas‘) verwendete. Mit 120 Graphiken im Format 80x60 überbot das Bildwerk zum ‚Ring des Nibelungen‘, das Stassen ab 1914 vorlegte, jenes zum ‚Parsifal‘ in jeder Hinsicht.319 Bereits 1930 wurde Stassen Mitglied der NSDAP. Er entwarf u. a. Wandteppiche nach Motiven aus der ‚Edda‘ für Hitlers ‚Neue Reichskanzlei‘, die allerdings rasch wieder abgehängt und im Kellergeschoß gelagert wurden, wo sie 1945 verbrannten. 1939 verlieh ihm der ‚Führer‘ den Professorentitel und ließ ihn im August 1944 in die von ihm und Goebbels aufgestellte ‚Gottbegnadeten-Liste‘ aufnehmen, die die nach ihrem Verständnis größten deutschen Künstler verzeichnete.320 Michael von Soden beurteilt ihn vorsichtig, verurteilt ihn aber nicht:

314 Zu ihm vgl. Huckvale S. 23 f., Thieme/Becker 31, 488 f. Klee, Kulturlexikon S. 585; Parr, As-Sociation S. 180–198, 344 f.; Meyer, Transcendence; Kinderman, Parsifal S. 293, Ross, Wagner S. 240 f. u. ö. 315 Ein feste Burg ist unser Gott, Wolzogen, Die Edda (1919), Wolzogen, Beowulf – Gudrun (1920), Wolzogen, Söhne Armins ( 1922), alles jeweils mit Federzeichnungen von Franz Stassen. 316 Parr, As-Sociation S. 345. 317 Vgl. Parr, As-Sociation S. 344 f. Stassen steuerte Bildbeigaben bei zu ‚Werdandi. Monatsschrift für deutsche Kunst und Wesensart‘ 1 (1908) – 5 (1912), die fortgeführt wurde als ‚Werdandi-Jahrbuch‘ 1912–1913. Vgl. auch Spanger, Beethoven. 318 Glasenapp, Siegfried Wagner und seine Kunst, vgl. etwa das Kapitel „Der Bärenhäuter als Sonnenheld in Mythus und Märchen“ (1, S. 54–58). 319 Vgl. Stassen, Ring des Nibelungen. Dieses Werk ist „Frau Cosima Wagner, der Hohen Hüterin Bayreuths, in Ehrfurcht gewidmet“. 320 Vgl. Haas, Gottbegnadeten-Liste.

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Franz Stassen war zwar ein sehr belesener Mann, dennoch aber ein naiver Träumer geblieben. Er liebte das Schöne und Große. Das fand er in Mythos und Religion, Märchen und Sage, Geschichte und Gedicht. Er war auf Ursprünge und Umgreifendes aus, sah die Zukunft in der Vergangenheit und lebte von Bildern. Auf Eigenes ist er nicht gestoßen, alles stammt von anderen. Kritisches Reflektieren gehörte nicht zu seinen starken Seiten. Seine Zeit verstand er nicht.321 Das Tafelwerk zum ‚Parsifal‘ erschien in zwei Ausgaben, die sich nicht inhaltlich, sondern qualitativ unterschieden. Die Graphiken sind jeweils im Format 46,5 x 36 cm, der Satzspiegel ist 41 x 31 cm. Jedem Graphikkarton geht ein montiertes transparentes Textblatt mit einem rot und schwarz gedruckten Zitat aus dem Libretto voraus, das umgeschlagen werden muss, um die Graphik zu betrachten. Die Titelblätter der beiden Ausgaben sind in rot und schwarz gedruckt, sie unterscheiden sich durch die abweichende Verlagsangabe unterhalb des Autorennamens und einen Copyright-Vermerk am unteren Rand links. An Sonderausstattung verfügt die Erstausgabe (Berlin: Fischer & Franke) von 1902 über eine mit Seide bezogene Mappe, auf der der blutgefüllte Gral vor einer Aureole und auf stilisierten Wolken zu sehen ist und einem farbigen Vorsatzblatt, auf dem Hirsch und Hirschkuh um einen Brunnen stehen, über dem ein Schwan auffliegt und in der obersten Höhe eine Taube in goldener Aureole herabsteigt; den Hintergrund bildet ein zur Mitte hin offener stilisierter Wald voller Vögel. Die einzelnen Tafeln sind in der Erstausgabe in dezenten Erdtönen teilkoloriert, während der Nachdruck strikt schwarzweiße Bildtafeln verwendet. Anstelle der Waldszene hat der zweite Druck (Berlin, Leipzig: Behr von 1914) ein Gedicht von Hans von Wolzogen über den Satz „Zum Raum wird hier die Zeit“; es ist im Gegensatz zu den Wagner-Texten in Fraktur gedruckt. Die Szenerie der Illustrationen ist der Bayreuther Inszenierung nachempfunden, soweit man das nach den Postkarten beurteilen kann, aber in den Details sowohl bei den Personen wie der Landschaft kunstvoller und nicht von der Theaterrequisite geprägt. Die Innenarchitektur des Graltempels, von dem immer nur Segmente als Hintergrund der Illustrationen gezeigt werden, ist eindeutig der Bayreuther Bühne nachempfunden, aber bei effektvoll gesteigerten Dimensionen. Die Außenansicht erinnert eher an eine überdimensionale Version der ‚Befreiungshalle‘ bei Kelheim. In der Gesamterscheinung ist der stilistische Einfluß von Edward Burne-Jones (1833–1898) und Aubrey Beards­ley (1872–1898) erkennbar, wobei Stassen auf Grotesken verzichtet und sich offenkundig nicht als Träger der ‚décadance‘, sondern einer die Dekadenz überwindenden ‚Regeneration‘ unter dem Leitbild des germanischen Christus versteht. Stassen verwendet orientalistische, aber keine antisemitischen Stereotype. Kling­ 321 Vgl. Soden, Stassen. 

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sor z. B. ist durch einen breiten Schnurbart und einen Turban in der Manier eines Großwesirs abgebildet. Die Neuausgabe von 1914 steht natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Freigabe des Werkes für alle Bühnen. Angesichts der persönlichen Freundschaft des Künstlers mit Siegfried Wagner könnte man denken, dass Stassen Sympathie für die Bayreuther Ansprüche empfand. Wenn dem so war, so bezog doch die Mappe zu dieser Frage nirgends Stellung; die in der Ausstattung vereinfachte Neuauflage ließ sogar eine Spekulation auf gesteigertes Interesse an dem nunmehr frei verfügbaren ‚Bühnenweihfestspiel‘ und damit Hoffnung auf neue Käuferschichten schließen. Stassen ist bemüht, die Identität von Parsifal und Christus herauszuarbeiten. Über den meisten Bildern liegt eine düstre, schwüle, bisweilen drastische Atmosphäre, die bei darüber gelegtem Pergamentblatt durch das grelle Rot eine besondere – durchaus blutige – Dramatik erhalten. In diesem Zustand erscheint das Werk vor allem kalligraphisch, da die Bilder durch das halbtransparente Pergamentpapier in den Hintergrund treten; erst wenn man die durchsichtigen Textseiten aufschlägt, tritt einem die Graphik vor das Auge. Stassen konnte Teile dieses Werkes an viele andere Verlage verkaufen, etwa für den Klavierauszug von Klindworth; einzelne Schmuckelemente fanden Eingang sowohl in Klavierauszüge wie Libretti. Die Ikonographie wurde – allerdings in vergröberter Form – zur Verklärung Hitlers als ‚Lichtgestalt‘ imitiert322, so wie er selbst Hitler als ‚Retter‘ apostrophierte323. Willy Pogány Den bibliophilen Höhepunkt der ‚Parsifal‘-Publizistik bildete ‚Parsifal or The Legend of the Holy Grail Presented by Willy Pogány‘, das 1912 in London bei Harrap erschien.324 Hier traf freilich Wagners Werk auf eine veränderte soziale und politische Umgebung, in deren Sinne die sehr freie epische Nachdichtung gehalten ist, die Thomas William Hazen Rolleston (1857–1920)325 beisteuerte. Der Gedanke des Gottsuchers und der Judith Gautier geschuldete Orientalismus rückten Wagners deutsches ‚Bühnenweihfestspiel‘ in die Nähe der im gebildeten britischen Bürgertum populären kosmopolitischen Weisheitsliteratur. Willy Pogány (1882–1955)326 war ein ungarischer Buchkünstler und Bühnendekorateur, der nach dem Studium in München und Paris bis 1914 in London arbeitete und sich anschließend nach New York wandte. Er wurde vor allem durch Illustrationen zu Kinder- und Märchenbüchern und die illustrierte Ausgabe der ‚Rubái322 Kinderman, Parsifal S. 293–296, Geiger S. 163–165. 323 Hamann, Winifred Wagner S. 211. 324 Reproduktion aller Bildelemente unter: < https://d.lib.rochester.edu/camelot/publication/poganyparsifal , 2023.06.10>. 325 Zu ihm vgl. Sources Webster’s Unabridge Bibliography, S. 366. 326 Eigentlich Vilmos András Pogany. Zur Person: Thieme/Becker 27 (1933), S. 186; Vollmer 3 (1956), S. 605; Dalby, Golden Age und Menges, Pogany.

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yát‘ von Omar Khayyám bekannt327, die auch das Vorbild der ‚Parsifal‘-Gestaltung abgab. Sie erfreute sich um die Jahrhundertwende vor allem im englischsprachigen Raum großer Beliebtheit und erfuhr mehrere Übersetzungen und Editionen.328 Pogány trat in direkte Konkurrenz zu der bibliophilen Ausgabe, die der amerikanischen Buchkünstler Elihu Vedder (1836–1923)329 1884–1886 geschaffen hatte. Vedder hatte den Text kalligraphisch gestaltet und in 56 Zeichnungen eingebettet, die mit einem damals neuartigen photomechanischen Druckverfahren als ganzseitige Tafeln auf starkes Büttenpapier übertragen wurden.330 Die erste Auflage war innerhalb weniger Tage ausverkauft und erzielte auch um 1912 noch Höchstpreise.331 Pogánys ‚Rubáiyát‘ trat gegen dieses Erfolgsprodukt mit 24 montierten ganzsei­ tige Farbtafeln und in einem Block geschnittene Textseiten mit zahlreichen Text­ vignetten und Textumrahmungen in mehrfarbigem Druck an. Für die Schrift wählte er einen orientalisierenden handschriftlichen Duktus. Der Buchblock hat das Format 26,5 x 20,5 cm2 (10,5x8 Inch) und umfasst 88 ungezählte Blätter aus Karton. Der von Pogány gestaltete Ganzledereinband ist marron-braun, blind- und goldgeprägt mit Kopfgoldschnitt. Als Schriftfarbe wählte er – wie später im ‚Parsifal‘ – hellbraun, während der Buchschmuck in Pastelltönen gehalten ist, insbesondere Rosa, Braun, Türkis, Violett, Grau und einem hellen Grün. 1911 folgte in Zusammenarbeit mit Rolleston die erste Wagner-Bearbeitung – eine epische Neufassung des ‚Tannhäuser‘332, 1912 der ‚Parsifal‘, 1913 ein ‚Lohengrin‘.333 Sie ähneln sich sehr stark in Aufmachung und Konzept. ‚Parsifal‘ ist die aufwändigste Produktion in dieser Trilogie. Der Buchblock aller drei Wagner-Produktionen misst 27,5 x 19 cm² (d. h. 11x7,5Inch). Wir haben im ‚Parsifal‘ 98 ungezählte Blatt (‚Tannhäuser‘ und ‚Lohengrin‘ jeweils 90) mit zahlreichen Textvignetten und Textumrahmungen in mehrfarbigem Druck, 16 montierte Farbtafeln und eine Reihe von farbigen, ganzseitigen Abbildungen. Es gab verschiedene Verlegereinbände; die limitierte Ausgabe (525 Exemplare für England und die USA) hat ein seidenes Leseband sowie einen Pergamentbezug mit Goldprägung. Diese zeigt einen Heiland vor dem Schriftzug „IHS“. Das Jesus-Anagramm findet sich auch auf dem roten Kunstleder der Normalausgabe, 327 London: Harrap 1909, 21913, 31917 und zahlreiche spätere Auflagen. Die Erstausgabe erzielt auf dem aktuellen Antiquariatsmarkt Preise von bis zu 1800 US-Dollar. Sie ist die einzige mit 24 montierten Tafeln, die späteren haben 16, 12 oder nur 8. Besonders verbreitet ist die Ausgabe von 1930 mit 16 montierten Tafeln. 328 Zur angelsächsischen Rezeption der Dichtung vgl. die Kommentierung in der Ausgabe Hazeldine, Sufism. 329 Vgl. Mantle Fielding’s Dictionary S. 972. 330 Vgl. Dillenberger, Between Faith and Doubt. 331 Ein extrem kostbar gebundes Exemplar wurde in Paris von einem Amerikaner für £ 405 auf einer Auktion im März 1912 versteigert, der es jedoch nie erhielt, da es mit der ‚Titanic‘ verschifft wurde. Vgl. Mentzel-Reuters, Das schöne Buch, S. 100 f. 332 Pogány, Tannhäuser. 333 Pogány, Lohengrin.

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dahinter steht ein langgezogener Kelch (aber keine Heilandsfigur). Beiden Ausgaben gemeinsam ist der Kopfgoldschnitt bei unbeschnittenen anderen Kanten. Der limitierten Ausgabe lag eine von Pogány signierte geätzte Tafel in einem Umschlag mit eigener Titelei bei („etched plate for limited edition of ‚Parsifal‘ by Willy Pogany“). Die Tafel zeigte Wagner mit Wotan und reitender Brünnhilde auf einem Felsen, zu seinen Füßen eine Harfenistin und eine Tänzerin (beide nackt), am Fuß des Felsens ein Spielmann mit Laute. Sechs montierte farbige Illustrationen und sechs Kupferstiche fanden 1914 Verwendung in einem ‚Parsifal-Calendar for 1915‘ (London, Paris: Liberty Co.), den Bildern gegenüber fand sich jeweils eine Monatstafel mit Wochentagen und einem thematischen sechszeiligen Gedicht. Eine einleitende Textseite erklärte dem Leser, dass es sich bei der Legende von Kelch und Speer („cup and spear“) um indische, ja „oldest aryan mythology“ handle, von der „Outlines or fragments“ in die legendarische Literatur von „Ireland, Wales and Britanny“ gekommen seien; ein Barde – „probably a Breton whose name we shall never know“ – habe dies dann christianisiert. Als Analogon wurden auf dem deutschen Markt durch den Kunstverlag M. Munk in Wien jährliche ‚Richard Wagner-Kalender‘ herausgebracht.334 1914 erschien für das kommende Jahr 1915 erstmals ein separater ‚Parsifal-Kalender‘ mit „12 ganzseitigen Farbillustrationen und Buchschmuck von Willi Pogány sowie Notenbeispielen“ auf insgesamt 27 ungezählten Blatt, zu denen der Musikschriftsteller Richard Specht (1870–1932)335 Verse beisteuerte. Weitere ‚Parsifal-Kalender‘ erschienen für die Jahre 1916–1920 und 1921.336 Die Wahl von Specht als Autor der Textbeigaben bewies die Ferne des gesamten Unternehmens zur Bayreuther Welt, denn Specht hatte 1913 die erste Biographie von Gustav Mahler veröffentlicht und sich damit nicht nur für einen jüdischen Musiker eingesetzt, sondern auch eine in Bayreuth gänzlich abgelehnte Form der musikalischen Wagner-Rezeption propagiert.337 334 Richard Wagner Kalender (für das Jahr 1914). 335 Specht musste das Architekturstudium wegen eines Augenleidens abbrechen, war im kaufmännischen Bereich tätig und studierte dann Klavier und Musiktheorie in Wien. Seit 1891 trat er als Lyriker hervor und wurde 1898 Musikkritiker in verschiedenen Wiener Zeitungen und Zeitschriften. Er gehörte zum Dichterkreis ‚Jung-Wien‘ (wie Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Robert Musil und Arthur Schnitzler), wurde 1909 Mitherausgeber von ‚Der Merker. Österreichische Zeitschrift für Musik und Theater‘, 1925 Professor an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Specht veröffentlichte Monographien über Brahms, Mahler, Puccini und Richard Strauss; im Jahr 1914 brachte er bei Wallishauser in Wien ein eigenes Textheft zum ‚Parsifal‘ heraus, das mehrfach nachgedruckt wurde (zuletzt Leipzig, Wien: Universal-Edition 1941). 336 Die vier Seiten von Blatt [1]-[2] sind mit den Monatstafeln (Tag, Wochentagskürzel, Hauptheiliger) bestückt, mit Bl. [3] setzt der ‚Parsifal‘-Teil ein. Für den letzten Kalender (1921) weist die Deutsche National-Bibliothek einen Verkaufspreis von 35 Reichsmark nach, vgl. . 337 Vgl. etwa Specht, Mahler S. 133 wo Mahlers Wirken in Wien mit jenem von Wagner in Bayreuth verglichen wird. Andeutungen über antisemitische Angriffe auf Mahler S. 37 und 76 f. Distanzierungen von Bayreuth belegen auch die bei Zelinski, Wagner S. 119 abgedruckten Textproben aus der von Specht mitherausgegebenen Zeitschrift ‚Der Merker‘.

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Die Bilder der deutschen Kalender sind Neuschöpfungen, die sich stärker an das Opernlibretto anlehnen, ihre Verwandtschaft mit dem englischen Produkt ist aber unverkennbar.338 Im Textteil sind kurze prägnante Zitate aus dem Libretto mit Spechts Versen kombiniert, die als Erläuterung und Deutung des Geschehens gedacht sind. Auf Blatt [14r] scheint die Darstellung des die nackte Kundry heraufbeschwörenden Zauberers antisemitische Klischees zu bedienen: Kling­sor hat eine krumme Knollennase und trägt eine an einen Judenhut erinnernde Kopfbedeckung oder Kapuze. Die Verse, die Specht [19r] der Gestalt des Kling­sor widmet, verzichten auf Verunglimpfungen und beziehen sich einzig auf die auch durch Kastration nicht zu beendende Triebknechtschaft des Kling­sor.339 Als Parallele ist Blatt [52r] des englischen Bandes heranzuziehen: hier kehrt uns Kling­sor den Rücken zu, er trägt das gleiche graue Gewand, die Kapuze ist auf den Rücken gerutscht, auf dem Kopf trägt er eine Art Hexenhut – nicht unähnlich der Kopfbedeckung des Zauberers Gandalf in Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens ‚Lord of the Rings‘. Kundry ist auf dieser älteren Zeichnung bekleidet. Die Zaubergeräte auf diesem Bild scheinen wertvoller als jene im ‚Parsifal-Kalender‘, sind aber hier wie dort leicht antikisiertorientalisch. Die durch wenige Elemente angedeutete Architektur könnte auf beiden Bildern maurisch sein, wenn nicht im Kalender eindeutige Tierbilder auf den Säulenkapitellen eher an eine ins Bizarre verzerrte (Neu-)Gotik denken ließen. [44v] zeigt in einer Tuschezeichnung den um Aufnahme in die Gralsgemeinschaft bemühten Kling­sor im Profil: Er trägt eine Mönchskutte, einen dunklen bis zur Brust reichenden Bart, hat stechende Augen und eine scharfe Hakennase – orientalisiert, aber nicht eindeutig ‚jüdisch‘. Bilder des Verführers oder der Verführung sind mit satanischen Symbolen behaftet; Luzifer ist am Werk, aber der gefallene Erste Engel trägt unzweifelhaft abendländische Gesichtszüge: [2v] in ‚Parsifal or the Legend of the Holy Grail‘ erscheint er als stark behaarter nackter ‚Wilder Mann‘, der Kundry an sich zieht und über dem zusammengebrochenen Amfortas ein Herz durchstößt, [42r] finden wir eine Schlangen- und Drachenbrut, im Kalender [13v] beim Durchstoßen eines Herzens und [20r] den von Parsifal gebannten Geist – eine Variation der expressiveren Durchführung des gleichen Themas auf Blatt [70r] von ‚Parsifal or the Legend of the Holy Grail‘. In beiden Fällen ist Kling­sor nackt, mit hochgereckten Armen und geballter Faust. Eine direkte Zuweisung von Kling­ sor in einen antisemitischen Kontext findet nicht statt, allenfalls wird der Orientalismus des ‚fin de siècle‘ spürbar, der ‚orientalische‘ Menschen als Inbegriff von

338 Der mit der Lanze ein Herz durchbohrende muskulöse und glattrasierte Kling­sor mit nackter Kundry (Bl. 13v) ist eine Variante des Motivs in der Rolleston-Bearbeitung (2v), wo jedoch Kling­sor urwüchsiger wirkt, Kundry aufrecht steht und zu Kling­sors Füßen ein nur mit der Krone bekleideter Amfortas sitzt. 339 Die Verführbarkeit des Amfortas wird 9r wortreich mit Unerfahrenheit und Überheblichkeit begründet.

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materialistischer Sinnlichkeit und moralischer Verworfenheit denunziert und sich dennoch an Üppigkeit und Prunk weidet. Die Sammelbilder für Liebig’s Fleisch-Extract Eine populäre Form nahm ‚Parsifal‘ im Rahmen der Sammelalben an, die ab 1872 bis 1975 von der ‚Liebig’s Extrakt Company Ltd.‘ mit Sitz in Antwerpen vertrieben wurden.340 Die Produktion hatte ihren Sitz in Fray Bentos am Unterlauf des Rio Uruguay, von wo zahlreiche ‚Zweig-Etablissements‘ beliefert wurden. Die mit kurzen Erläuterungen auf der Rückseite ergänzten Bilder wurden als kostenlose Zugabe zu dem hochwertigen Markenartikel in Serien zu meist sechs Chromolithographien im Format Bildformat 7,7x11,7 cm abgegeben, die Sammelalben mussten, wie in solchen Werbeaktionen üblich, separat erworben werden. Insgesamt entstanden fast 1900 Serien mit Themen aus allen denkbaren Kultur- und Wissensbereichen in deutscher, englischer, italienischer, niederländischer und französischer Sprache. Der Erschließung dieser bis heute begehrten Sammlerobjekte sind mehrere Katalogwerke341 gewidmet, das bekannteste stammt aus der Philatelie-Handlung Sanguinetti in Mailand. Die Reihe ist wegen ihrer großen Popularität bemerkenswert; hinsichtlich der vor 1902 konzipierten342 ‚Parsifal‘-Sequenz kommt hinzu, dass die Zeichner vor Ablaufen der Schutzfrist und ohne den Segen Bayreuths arbeiten mussten, also eine Szene zu gestalten hatten, die keine urheberrechtlichen Ansprüche hervorrufen konnte. Dabei ging allerdings jede spirituelle Tiefe verloren – die angesichts des auf jeder Karte am linken Bildrand sichtbaren Gefäßes mit dem Fleischextrakt ohnehin schwer zu retten gewesen wäre. Dem Gesamtziel der Sammelbilder – die Schaffung eines bunten, unbeschwerten und interessanten Panoramas – erfüllen die Kärtchen aber sehr wohl. Sie bildeten zu ihrer Zeit vermutlich den am weitesten verbreiteten Bilderzyklus zum ‚Bühnenweihfestspiel‘. Die sechs Chromolithographien zu ‚Parsifal‘ wurden von Liebich & Kuntze in Leipzig nach Entwürfen von Fiorenza Parker, der Ehefrau des Kostüm- und Maskenbildners Alfredo Edel (1856–1912), ausgeführt. Das Ehepaar zeichnete für einen großen Teil der frühen Liebig-Bilder verantwortlich.343 Sie sind in ihrer Szenerie nicht überraschend: (1) Amfortas am See, (2) Gurnemanz, Parsifal in den Gralstempel führend, (3) Parsifal mit Kundry im Blumengarten, (4) Parsifal hat den von Kling­sor geworfenen Speer gefangen, (5) Aufbruch zur Gralsburg am Karfreitag, (6) Heilung der Wunde. Jede Karte ist mit einem Textzitat unterhalb des 340 Der Chemieprofessor Justus von Liebig (1803–1873) hatte die Rechte am Extract wie an seinem Namen an den Unternehmer und Ingenieur Georg Christian Gilbert veräußert. Vgl. Jussen (Hg.): Liebig’s Sammelbilder; Lorenz, Fleischextrakt S. 114f. 341 Figurine e menú Liebig, Nummer S 788. 342 Lorenz, Fleischextrakt S. 130 datiert die Ausgabe der Serie auf 1904. Die Beschlüsse der Orthographischen Konferenz von 1901 sind auf den Karten noch nicht umgesetzt: „Extract“, „Verständniss“, „räthselhaftes“, „Charfreitag“, „Thor“. 343 Lorenz, Fleischextrakt S. 19–22.

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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Bildes und einer in Petit gesetzten Szenenbeschreibung auf der Rückseite versehen, außerdem natürlich mit einer Abbildung des Keramiktopfs mit dem Fleischextrakt und auf der Rückseite einem großzügigen Werbetext sowie der als Wasserzeichen in Blau über die ganze Karte verlaufenden Unterschrift des Justus von Liebig. Der Begleittext erlaubte sich einige Abweichungen vom Libretto: Der Gral ist ein Smaragd (Karte 1344)und die Gralsritter heißen (wie bei Wolfram) „Templeisen“ (Karte 2). Bemerkenswert ist die von den Bayreuther Standards vollkommen abweichende Gestaltung des Gralstempels. Seine Fassade wirkt wie ein klassizistischer Nachbau einer frühchristlichen Basilika mit Kuppel (Vignette auf Karte 1), der Innenraum wie eine Freimaurerloge mit ebenfalls klassizistischer Säulenrunde mit Vorhängen in zartem Rosé und einer leeren weißen Nische mit Altarvorbau; die Tische sind längs wie im Speisesaal eines Schnelldampfers aufgereiht. Die architektonischen Elemente des Zaubergartens bedienen alle orientalistischen Klischees, wie sie Alfredo Edel auch in seinem bekanntesten Werk verwendet, dem Plakat zu ‚Le Mage‘ von Jules Massenet (1891). Die Kostüme entsprechen nicht den Vorgaben aus Bayreuth, sondern scheinen einem eher schlecht ausgestatteten Opernfundus zu entstammen. Die Gralsritter tragen leuchtend rote Kappen; der recht feminine Parsifal trägt in der Gralsburg einen Fellumhang, im Zauberschloss eine frühneuzeitliche Turnierrüstung, am Karfreitag das Gewand eines ottonischen Adligen (seine Rüstung nebst Schwert wurde unordentlich am linken Bildrand abgelegt), während Gurnemanz das Gewand eines zeitgenössischen Papstes ausgeliehen haben könnte. Kundry sehen wir zunächst in einem unordentlichen Hemd mit Bolero-Jacke, dann im stilechten Haremskostüm und am Karfreitag endlich mit hochgebundenem Haar in einer Franziskanerkutte.

,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914) Jüdische Deutungen In diametralem Gegensatz zu Richard Wagner, aber dennoch immer wieder mit ihm und seinen Themenkreisen beschäftigt, war Paulus Cassel (1821–1892), ein zum lutherischen Bekenntnis konvertierter jüdischer Gelehrter (Geburtsname: Selig Cassel). Er handelte über die mittelalterliche Überlieferung der TannhäuserLegende, über den Schwanenritter und über den Gral, setzte sich 1881 aber auch kritisch mit Wagners Antisemitismus auseinander.345

344 Karte 6 zeigt ihn als Kelch mit blauer Cuppa (Saphirglas?). Auf das glühende Blut wird verzichtet. Es heißt lediglich, daß „der Gral in Glorienbeleuchtung erglüht“. 345 Cassel, Judengott. – Zur Person: Jensen, Doppelgänger S. 186, 250 und 340.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Richard Sternfeld (1858–1926), außerordentlicher Professor für Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität und nach dem Tode Heinrich von Steins Herausgeber der ‚Sämtlichen Schriften‘ Wagners, war „einer der wenigen Juden, die zum Bayreuther Kreis zählten“.346 Er hatte sich bereits 1904 in ‚Westermanns Monatsheften‘ für das Bayreuther Monopol eingesetzt347, und dies häufiger, u. a. an gleicher Stelle im Jahr 1912, wiederholt.348 Nietzsches Polemik gegen den ‚Parsifal‘ wies er zurück.349 Das ‚Parsifal‘-Schrifttum und die angeheizte Debatte betrachtete er jedoch als wenig zweckdienlich und empfahl statt dessen die Lektüre der eigentlichen Dichtung.350 Mit diesem Versuch, den Streit zugunsten einer erbaulichen Lektüre der ‚Dichtung‘ selbst aufzubrechen, korreliert ein 1914 herausgebrachtes Heftchen mit Dokumenten zum ‚Parsifal‘, die nicht in den ‚Sämtlichen Schriften‘ enthalten sind. Damit förderte Sternfeld allerdings nebenbei den Verlag Breitkopf & Härtel, der es sich zunutze machte, dass nicht nur die Aufführungsrechte, sondern auch die Nachdruckrechte frei wurden. Der Verlag suchte mehr als alle anderen aus den neuen Möglichkeiten Kapital zu schlagen. Das gesamte Heftchen ist in Fraktur gesetzt. Es enthielt neben einem einseitigen Vorwort und wenigen textkritischen Anmerkungen (die vor allem Unterschiede zwischen Erstdruck und Partitur betrafen), den Text des Erstdrucks, den an Ludwig II. gerichteten ‚Ersten Prosaentwurf‘ von 1865351, mehrere Rundschreiben an die die Mitglieder des Patronatsvereins (177–1882), das offene Schreiben an Herrn Friedrich Schön in Worms (1882), die Programmatische Erläuterung des Vorspiels (1882), und zum Schluß den Rückblick auf die Uraufführung (‚Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth‘, 1882). Sternfeld gibt an, er habe „aus Richard Wagners Schriften die Stücke zusammengestellt, die sich auf sein letztes Drama, das ‚Bühnenweihfestspiel‘ ‚Parsifal‘, beziehen.“ (S. IV).

346 Bermbach, Wagner in Deutschland S. 429. 347 Sternfeld, Einführung S. 714 f. 348 Sternfeld, Parsifal-Frage. 349 Sternfeld, Nietzsche und ‚Parsifal’, in: Der Tag, vom 26.11.1912. Vgl. Krummel, Nietzsche S. 619 f. Nr. 1599. 350 Sternfeld, Einführung S. 714 f.: „Das deutsche Publikum ist in den letzten Jahren mit Zeitungs­ notizen, die sich auf Wagners ‚Parsifal‘ bezogen, geradezu überschwemmt worden, und was sich im vergangenen Winter in Amerika Übles ereignet hat, wird noch in aller Leser Gedächtnis sein. Man könnte daraus folgern, daß die Kenntnis des letzten Dramas des Bayreuther Meisters in den gebildeten Kreisen durch diese öffentlichen Erörterungen gefördert […] hervorgegangen sei. Ein solcher Schluß wird aber einem guten Beobachter unserer Öffentlichkeit optimistisch erscheinen, denn ihm ist es zur Gewißheit geworden; je mehr über eine Sache geschrieben und gelesen wird, desto weniger wird die Sache selbst ruhig und ausgiebig geprüft […]. So mögen auch die folgenden Zeilen ganz allein den Zweck haben, von dem Lärm und Streit […] auf die Sache selbst den Blick zu lenken und durch einige Fingerzeige zur Lektüre der ‚Parsifal‘-Dichtung anzuregen. Von der genauen Kenntnis des Dramas, bis zu dem Wunsche, es nun dort zu schauen, wo es allein nach dem Vermächtnisse seines Meisters gegeben werden soll, wird dann nur noch ein Schritt sein“. 351 Wagner-Tagebuch, S.  52

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Auch die im gleichen Jahr erscheinende ‚Parsifal‘-Deutung des in Ausschwitz ermordeten jüdischen Musikschriftstellers Willi Aron352 (1889–1943) strebte nach einer neuen Kunst in einer christusbezogenen, überkonfessionellen Religiosität. Die Gralsimaginationen des neuen Jahrhunderts waren keineswegs allesamt völkisch, obschon der mythologische Eklektizismus, wie ihn Görres begründet hatte, als wissenschaftliche Methode unangefochten blieb. Sie führte den protestantischen Theologen Willy Staerk353 1903 sogar dazu, bei Wolfram von Eschenbach eine integrative Botschaft zu erkennen: Das geistige Band, das Orient und Occident in der religiösen Vorstellungswelt einigt, zieht auch die phantastischen Gebilde keltischen Aberglaubens in seinen Zauberkreis und macht das Heidentum zum Träger des christlichen Erlösungsglaubens. Semitische und arische Mythologie schliessen einen Bund und helfen einander, einem kindlich-frommen Geschlechte sein Verlangen nach greifbaren Realitäten des Heils zu befriedigen. So wird der Mythos vom Gral ein Spiegelbild der das christliche Mittelalter beherrschenden volkstümlichen religiösen und kirchlichen Ideale, in dessen gläubiges Anschauen der romantische Sinn sich versenkt354 [.] Staerks Essay über den „Ursprung der Gralslegende“ ist der dezidierteste Versuch, jüdische Studien für die Interpretation zu nutzen. Staerk promovierte 1894 in Leipzig zum Lizentiaten der protestantische Theologie über das Buch ‚Deuterono­ mion‘355; er publizierte 1905 in der ‚Sammlung Göschen‘ über die Entstehung des Alten Testamentes, über jüdisch-aramäische Papyri und die „Ebed Jahwe-Lieder in Jesaja 40 ff.“ Lex Cosima (1901) Als „Gralsraub“356 bezeichneten Cosima und ihr Umfeld die aus ihrer Sicht illegalen Aufführungen des ‚Parsifal‘ im Ausland357, aber schon im Jahr 1901 zeichnete sich mit der Eröffnung des als Wagner-Theater gedachten ‚Prinzregententheaters‘

352 Zu Aron (1889- ca. 1944) vgl. Schindler, Dresdener Liste S. 37–40; er war Germanist, Pianist und Opernregisseur in Regensburg, Aachen und Dortmund, der vor allem wegen seiner Wagner-Inszenierungen Anerkennung fand. Er schloß sich 1933 dem Kulturbund Deutscher Juden an und wurde 1943 nach Auschwitz deportiert. Zum Werk vgl. Thorau, Sinnlichkeit, S. 175: „erscheint als einzelnen[!] Führer zur Freigabe des ‚Parsifal‘, behält trotz der Popularisierungswelle inhaltlich und methodisch ein erstaunliches Niveau, ohne Simplifizierung und Benennungszwang, gibt eine den Textbüchern mit Motivangaben verwandte Übersichtsdarstellung des Werkes“. 353 W. Staerk (1866–1946). Vgl. Staerk, Autobiographie. 354 Staerk, Grallegende S. 54. Er ging von den literaturgeschichtlichen Arbeiten von Birch-Hirschfeld und Wechssler aus. 355 Lebenslauf bei Staerk, Beiträge zur Kritik des Deuteronomions S. 46. 356 Vgl. Wündisch, Urheberrecht; auch ders., Gralsraub. 357 Vgl. Syer, Parsifal on Stage S. 281–292 (1903–14: Interest in Parsifal Grows).

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in München eine massive Konkurrenz für das Bayreuther Festspielhaus ab358, dessen Alleinstellungsmerkmal damit wegzufallen drohte und das umso energischer an seiner letzten Trumpfkarte festhalten musste, dem Privileg einer ‚Parsifal‘-Aufführung. Doch das Urheberrecht setzte auch diesem Kernstück wagnerianischer Identitätspflege eine enge Frist: Dreißig Jahre nach seinem Tod, mit Auslaufen des Jahres 1913, würde der ‚Parsifal‘, wie alle anderen Werke des ‚Meisters‘, urheberrechtsfrei werden. Im Jahr 1898 begannen die Beratungen im Deutschen Reichstag über eine Novelle des Urheberschutzgesetzes vom 11. Juni 1870, dessen § 52 Abs. 1 die Dauer der Schutzfrist auf 30 Jahre nach dem Tod des Urhebers festgesetzt hatte.359 Es wurde, nicht zuletzt unter Berufung auf das Schicksal des ‚Parsifal‘ eine Verlängerung auf 50 Jahre erwogen und zusätzlich eine Klausel, nach der es dem Autor gestattet sein sollte, die Aufführung eines Werkes unabänderlich an eine Aufführungsstätte zu binden. Dies schien insofern aussichtsreich, als 1894 entsprechende Eingaben gegen die extrem kurze zehnjährige Schutzfrist im Kaiserreich Österreich erfolgreich gewesen waren.360 Cosima versuchte über mehrere Kanäle, die Abgeordneten des Reichstages und des zuständigen Parlamentsausschusses für sich zu gewinnen.361 Das wurde später vor allem von sozialdemokratischer Seite durch den Abgeordneten Heinrich Dietz als Manipulationsversuch attackiert.362 In den abschließenden Debatten des Reichstages im Jahr 1901 wurde offen auf die wirtschaftlichen Interessen der Familie Wagner Bezug genommen, der Versuch einer Sonderregelung speziell für den ‚Parsifal‘ mit dem „giftigen Schlagwort“363 einer ‚Lex Cosima‘ oder ‚Lex Parsifal‘ belegt, und damit der Warencharakter des ‚Bühnenweihfestspiels‘ und der Bayreuther Festspiele schonungslos offengelegt.364 Während der aus einer jüdischen Familie stammende, konvertierte Abgeordnete der Freikonservativen Partei Otto Arendt (1854–1936) wegen der nationalen Bedeutung der Oper „selbst ein Spezialgesetz“ begrüßen wollte, „um es zu ermögli358 Hilmes, Herrin des Hügels S. 316–318. 359 Rehbinder S. 92. Strecker, Verlagsgefährte S. 322 f. mit einer ausführlichen Einlassung zur Geschichte des Urheberrechts. 360 Denkschrift (Übereinkommen zwischen dem Reiche und Österreich-Ungarn). Aktenstück des Deutschen Reichstages Nr. 699, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 10. Legislaturperiode 1. Session 1899/1900, 6. Anlageband, S. 4280–4282. 361 Hilmes, Herrin des Hügels S. 318 f. 362 Hilmes, Herrin des Hügels S. 319 f. 363 Strecker, Verlagsgefährte S. 322. Vgl. auch ebd. S. 325. 364 So auch der Abgeordnete Albert Traeger aus der Freisinnigen Partei: „Ja, ich glaube sehr gern, daß der Dichter, Komponist im Rausche der Begeisterung, in der Erregung des Schaffens, an nichts weiter denkt als an das Werk, welches er hervorbringen will. Wenn aber das Werk fertig vorliegt, dann hat er das und zwar sehr gerechtfertigte Bestreben, das Werk auch an den Mann zubringen; denn davon lebt er ja größtentheils, es ist ja sein Beruf, und die Erträgnisse des Berufs müssen ihm eben die Ausübung dieses Berufs ermöglichen. Jeder andere Arbeiter, Schöpfer, von dem wird ganz selbstverständlich angenommen: der Mann thut es nicht umsonst. Warum soll der Dichter, der Komponist das umsonst thun?“ (75. Sitzung der Session 1900/01 der Reichstagsprotokolle, S. 2171).

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chen, dass der ‚Parsifal‘ und damit die Existenzfähigkeit des Wagnertheaters noch auf längere Zeit erhalten bliebe“365 sprach sich sein Kollege Eugen Richter (1838– 1906) von der ‚Freisinnigen Volkspartei‘ dagegen aus: Noch Eines! Jüngst erwiderte mir Einer, der sonst der Sache ganz fern stand, als ich ihm die Absicht und den Beschluß der Kommission mittheilte, was, dann soll der ‚Parsifal‘ von Wagner auch noch so und so viel Dezennien nur in Bayreuth aufgeführt werden dürfen, denn die Erben gestatten nur die Aufführung in Bayreuth, sie gestatten sie nicht einmal in München? Und dieses Recht, das meines Erachtens in sich nicht begründet ist (sehr richtig! links), sondern nur eine industrielle Unterlage hat im Interesse von Bayreuth, will man auf diese Weise künstlich noch verlängern auch durch eine solche Bestimmung.366 Als der Reichstag am 2.5.1901 mit 123 zu 107 Stimmen die Verlängerung der Schutzfrist ablehnte367, richtete Cosima, die die Leitung der Festspiele bereits an Siegfried Wagner übergeben hatte, ein öffentliches Schreiben an „die Mitglieder des Deutschen Reichstages“ (9.5.1901)368, um sich von den Vorwürfen zu distanzieren und eine neuerliche Beratung zu verlangen, die jedoch nicht erfolgte. Sie hob auf die Förderung Wagners durch Ludwig II. ab, ohne die seine Werke vermutlich erfolglos geblieben wären: Der unmittelbare Erfolg und die schnelle Verbreitung sind nicht der Maßstab für den Wert eines Werkes, für seine dereinstige Stellung und für das Narecht seines Autors und dessen Nachkommen auf seine späteren Erträgnisse. Gesetzt aber, daß die genannten Werke auch in Zukunft nur spärliche Aufführungen zu gewärtigen hätten, um so mehr erfordert die Gerechtigkeit gegen den Komponisten und seine Nachkommen die verlängerte Schutzfrist.369 Cosima bemüht sich, dem an anderer Stelle von Wagner gerne bemühten Topos des Dichtergenies als Vollstrecker des Volkes zu entkräften, der von den ‚Freisinnigen‘ gegen die Schutzfristverlängerung angeführt wurde: Um die Allgemeinheit als Erbin und Miteigenthümerin des geistigen Eigenthums zu rechtfertigen, braucht man ein wunderschönes Wort, man sagt nämlich: der schaffende Dichter, der schaffende Komponist erhält so viel Anregung aus seinem Volke heraus, daß er nothwendig verpflichtet ist, 365 77. Sitzung der Session 1900/01 der Reichstagsprotokolle, S. 2227. 366 77. Sitzung der Session 1900/01 der Reichstagsprotokolle, S. 2218. 367 Wündisch, Urheberrecht S. 94. 368 Cosima Wagner, Zweites Leben S. 576–582. Vgl. Hilmes, Herrin des Hügels S. 321 f. 369 Cosima Wagner, Zweites Leben S. 577.

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seinen Theil dem Volke so bald als möglich wieder zurückzugeben. Meine Herren, befindet sich denn der dramatische Dichter, befindet sich denn der Komponist in einer andern Lage als jeder unter uns?370 Cosima räumte zwar ein, dass „der Dichter […] aus der Volkssage, der Komponist aus der Volksweise“ schöpfe, „er gibt es aber in der geschlossenen Gestalt des Kunstwerkes dem Volke zurück ; das ist geistiger Austausch.“ Sie stellt diesem – zweifellos im Lichte der glücklosen mittleren Lebensjahre ihres Ehemanns – aber den „materiellen Austausch zwischen Volk und Künstler“ gegenüber, der davon ausgehe, dass es sich um „ gemeinnützige Werke […], die keine Aussicht auf unmittelbaren Gewinn haben“ handle.371 Und so kam es dann zu dem pathetischen Glaubensbekenntnis, das von nun an gebetsmühlenartig von den Befürwortern eins möglichst fristlosen ‚Parsifal‘-Schutzes wiederholt werden wird: Richard Wagners Wunsch und Wille war es, daß sein Theater einzig auf dem Hügel zu Bayreuth stehe und daß einzig in diesem Hause sein BühnenweihFestspiel ‚Parsifal‘ aufgeführt werde. Dies ist sein Vermächtnis an die deutsche Nation.372 Daher erklärte sie sich bereit, namens ihrer Familie „die Verzichtleistung auf die Erträgnisse der verlängerten Schutzfrist“ zu erklären, „um den endgültigen Schutz für ‚Parsifal‘ zu erlangen.“ Unter den wenigen Stimmen der Publizistik, die sich mit der Reichstagsmehrheit solidarisierten, war der österreichische Musikkritiker Richard Batka (1868–1922)373, der sich 1903 im ‚Kunstwart‘ für ein Ende der Schutzfrist und gegen die Stimmungsmache des ‚Parsifal-Bunds‘ aussprach. 374 1906 ließ der Tod des Abgeordneten Eugen Richter neue Hoffnung aufkeimen; der von Cosima aktivierte Reichskanzler Bernhard von Bülow (1849–1929)375 forderte neuerlich eine Ausdehnung der Schutzfrist auf 60 Jahre, die jedoch nicht zuletzt 370 Albert Traeger, 86. Sitzung der Session 1900/01 der Reichstagsprotokolle, S. 2502. Cosima schreibt diese Äußerung irrtümlich Richter zu (Cosima Wagner, Zweites Leben S. 578). 371 Cosima Wagner, Zweites Leben S. 578. 372 Cosima Wagner, Zweites Leben S. 581. 373 ÖBL 1 (1957), S. 53. 374 Vgl. das anonyme Referat in: Die Musik 2 (1902/03), S. 452: „Nach Batka singt der ‚Parsifal-Bund‘ das alte Starenlied von 1882 weiter, statt seine Leier auf die Tonart des 20. Jahrhunderts einzustimmen‘. Freilich ist auch Batka eigentlich nicht für die Freigabe; er sagt: ‚Mag Goethe seinen Faust der Welt überwiesen haben; Wagner hat seinen Parsifal kaum aus flüchtiger Laune auf Bayreuth beschränkt gewünscht; er wusste vermutlich, warum er das that.‘ Trotzdem besitzt die Freigabe sehr schlimme Seiten: wenn sie auch für unbemittelte Kunstfreunde Vorteile mit sich brächte, die Nachteile für alle würden grösser sein. Wenn man mit Parsifal eine Ausnahme macht, wer kann ermessen, in welcher Weise diese Thatsache künftighin ausgenützt werden könnte! Doch nützen solche Betrachtungen nichts. ‚Der romantische Traum des grossen Idealisten, der Nation auf die Dauer ein Kunstwert zu hinterlassen, zu dem sie aus allen Gauen hinpilgert, einmal muss er zu Ende gehen!‘ “ 375 Zu ihm Winzen, Bülow.

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an den Einwänden des ‚Börsenvereins des deutschen Buchhandels‘ scheiterte, der seinen Mitgliedern die Einnahmen aus den schutzrechtsfreien Nachdrucken nicht vorenthalten wollte.376 Nicht direkt von Bayreuth gesteuert, aber doch im Sinne der Festspiele, wirkte ab 1913 der ‚Parsifal-Schutzbund‘. Schon im Vorjahr hatte Hermann Bahr377 einen „‚Parsifal-Schutz‘ ohne Ausnahmegesetz“ gefordert. Man setzte keine Hoffnungen mehr in die allgemeine politische Willensbildung, sondern suchte einen nationalen Notstand um das einzige ‚Bühnenweihfestspiel‘ zu konstruieren: Der Wechsel von der Forderung nach Verlängerung der Schutzfrist zur Forderung nach einem ewigen droit moral für ‚Parsifal‘ war ein geschickter Schachzug, um die Bedenken gegen die Familie Wagner und ihre Kulturpolitik auszuräumen. Konnte man doch damit dem Vorwurf entgegnen, es ginge der Familie um „pekuniäre Spekulationen“ oder „Habsucht“; denn durch die Vergabe der Aufführungsrechte an andere Orte hätte die Familie Wagner nachweislich erhebliche Summen verdienen können.378 Conried und Savage (‚Gralsräuber‘ I) Doch hatte es sich längst herausgestellt, dass die Freigabe des ‚Parsifal‘ auf deutschen Bühnen keineswegs die einzige – vielleicht nicht einmal die größte – Bedrohung für den Bayreuther Kult war: Am Heiligen Abend 1903 wurde ‚Parsifal‘ originalsprachlich an der der New Yorker ‚Metropolitan Opera‘ durch Heinrich Conried379 unter der Leitung des jüdischen Dirigenten Alfred Hertz (1872–1942)380 aufgeführt, sodann in verschiedenen Sprachen (deutsch, englisch und französisch)381 und ab 1904 auf zahlreichen nordamerikanischen Bühnen in englischer Sprache durch die ‚Henry W. Savage Company‘382 (Uraufführung in Boston).383 Auf einem Opern376 377 378 379

Wündisch S. 93. Rehbinder S. 94. Zu ihm (1863–1934) vgl. Benay/ Pfabigan (Hg.), Hermann Bahr. Rehbinder S. 95 unter Zitation von Bie, Parsifalfrage S. 1601 und Bahr, Parsifalschutz S. 35. Dem Österreicher Heinrich Conried (1855–1909), der 1903 die Leitung der Metropolitan übernahm, wurde die ‚Parsifal‘-Aufführung von Zeitgenossen als eines seiner größten Verdienste angerechnet, vgl. Encyclopedia Americana 1918–1920, New York, Chicago: Encyclopedia Americana, hier 7 (1918) S. 53,6. Einzelheiten über die Aufführung und ihre Vorgeschichte bei Krehbiel, Chapters of Opera S. 320–335; Bühnenbilder bei Krehbiel, A Book of Operas nach S. 272 (Graltempel) und nach S. 286 (Blumengarten). 380 Zur tendenziösen Beurteilung der Dirigentenleistung durch Felix Mottl vgl. Hilmes, Herrin des Hügels S. 328 f., das positive Urteil der zeitgenössischen Presse angerissen im Kommentar zu Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 857. 381 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 175; die dort dokumentierte Behauptung, Catulle Mendès habe den französischen Text eingerichtet, basiert auf einer Verwechslung mit Judith Gautier, der geschiedenen Frau des Mendès. 382 Begründet von Henry Wilson Savage (1859–1927), der einige seiner Bühnenproduktionen auch verfilmte (z. B. Léhars Lustige Witwe 1907/1908). Zu ihm vgl. McPherson, The Savage Innocents. 383 Bibliographie der Zeitungsartikel zu dieser Aufführung bei Bornemann-Quecke S. 386 f.

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schiff, das die amerikanische Ostküste entlangfuhr, wurde ebenfalls ‚Parsifal‘ gegeben, es gab auch ‚Parsifal‘ als Singspiel (mit gesprochenen Passagen) und sogar Aufführungen als Schauspiel.384 Johannes Hermann Wallfisch fürchtete gar, dass die Freigabe des ‚Bühnenweihfestspiels‘ Aufführungen „in Festspiel-Kirchen“ zur Folge haben könne. Es sei nicht etwa den Katholiken, sondern Protestanten das Ungeheuerliche vorbehalten geblieben, Wagners ‚Parsifal‘ in die Kirche ein-, in ihr aufführen zu wollen! Prostestanten – !385 Für den Kölner Bühnenzeichner Hans Wildermann entstand das Horrorbild, dass „Neger und Chinesen sich gegenseitig laut das ‚Parsifal‘-Gedicht vorlesen“.386 Nach zeitgenössischen Zählungen387 wurde Conrieds Inszenierung in New York 130 mal aufgeführt388, während es Savage in 28,5 Wochen auf ganze 224 Aufführungen brachte – und damit ebenso oft wie Wagners eigene Bayreuther Inszenie­ rung überhaupt zwischen 1882 und 1933 gespielt wurde.389 Der Umgangs­ton zwischen Conried und Savage war rau390, nach vergleichsweise kurzer Zeit ging aber das öffent­liche Interesse am amerikanischen ‚Parsifal‘ verloren391, auch wenn Conried 1904 während der Weltausstellung in St. Louis ein Gastspiel „in einem besonderen ‚Parsifal‘-Tempel in Mitten garantiert echter Bayreuther Atmosphäre, geraden Weges aus Bayreuth importiert“392 mit 10 Aufführungen ankündigte.393 In direkter Auseinandersetzung mit dem Haus ‚Wahnfried‘ betonte Conried jedoch den sä­ kularen Charakter des ‚Parsifal‘, der nirgends biblische Figuren oder gar Christus selbst auftreten lasse und daher nicht als primär religiöse Veranstal­tung gelten dürfe.394 Cosimas Versuch, gerichtlich gegen Conried vorzugehen, scheiterte; selbst die Nutzung der 1902 vom Schott-Verlag herausgebrachten mehr­spra­chigen Taschen­ partituren konnte nicht gegen die Met vorgebracht werden: Nur die großen Partituren unterlagen der von Wagner verfügten Verbreitungs- und Nutzungskontrolle.395

384 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 176 f. 385 Wallfisch, Bibel-Christentum S. 5. 386 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 173. Zu Wildermann vgl. Anm. III 520. 387 Vgl. Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 174. 388 Moses, Life of Heinrich Conried S. 232–254. 389 Syer, Parsifal on Stage S. 283–285. 390 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 174. 391 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 180–182 unter Berufung auf die ‚Kölnische Zeitung‘ und sicher nicht frei von Häme. 392 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 180. 393 Vgl. die Meldung ‚Parsifal maybe presented at Fair. Negotiations in Progress for Ten Performances of Great Opera at Exposition in the Fall‘, in: The St. Louis Republic, 24.2.1904 (Titelseite). 394 Moses, Life of Heinrich Conried S. 238 f. 395 „Der Verfasser erfuhr selbst, sehr viel später, durch einen damaligen amerikanischen Dirigenten, daß man sich zwei große Originalpartituren ohne Schwierigkeiten habe verschaffen können und weitere Angebote erhalten habe, auf die man verzichten konnte.“ Strecker, Verlagsgefährte S. 328. Vgl. auch Hilmes, Herrin des Hügels S. 327.

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Die ‚Savage Company‘ gab daher ein Textheft heraus, das bei den Aufführungen für 25 Cent erworben werden konnte. Ohne Hinweis auf die Urheberschaft oder die Rechte des Schott-Verlags wurde der Text von Maragret Glyn aus der dreibändigen Orchesterpartitur nachgedruckt. Ralph Edmunds steuerte eine zweiseitige Einführung bei. Eine Vignette auf dem Umschlag zeigte Speer, Kelch und Taube, sechs unsignierte Stiche dokumentierten die Kostüme der fünf Hauptpersonen und eines Blumenmädchens mit dem jeweils zugehörigen Leitmotiv. Bemerkenswert ist das Bildnis des fäusteballenden Kling­sors auf S. 31, dessen Kostüm ebenso gut einem Pharisäer aus den neutestamentlichen Szenen von David Wark Griffiths Stummfilm ‚Intolerance‘ aus dem Jahr 1916396 gehören könnte. George Turner Phelps verlieh der amerikanischen Interpretation eine eigene Stimme sowohl durch seine Textedition wie durch einen Aufsatz in ‚Poet Lore. A Quarterly Magazine of Letters‘.397 Ihm lag sicher daran, die Nähe der Inszenierung zum Bayreuther Vorbild zu verschleiern, wenn er betonte, dass Wagner’s imagination was singularly Greek: not necessarily in un-Teutonic demand of beauty or of subtle exquisiteness, in detail; but in its power of selecting and combining detail into a unity so concrete, so simple in effect that, although his complex of elaborated parts is on the scale of inexhaustible German scholarship, and his concrete unit requires some six hours of attention and memory for a single whole impression, yet the one object in all the world of art with which his Parsifal is comparable is of the finest flower of Greek imagination, the Parthenon.398 Die führende Stimme der amerikanischen ‚Parsifal‘-Rezeption war jedoch der Musikkritiker Henry Edward Krehbiel (1857–1927).399 Er wirkte als Musikkritiker am New Yorker ‚Tribune‘ und anderen populären amerikanischen Unterhaltungszeitschriften und gehörte der internationalen Jury der Pariser Weltausstellung von 1900 an. 1891 publizierte er ‚Studies in the Wagnerian Drama‘, die sich nur mit dem reiferen Werken – ‚Tristan‘, ‚Meistersinger‘, ‚Ring‘ und ‚Parsifal‘ – befassten. Das Kapitel 5 war dem ‚Parsifal‘ gewidmet (S. 162–198). Zunächst schloss sich Krehbiel der auch im deutschen Sprachraum verbreiteten mythologischen („arischen“) Grund­deutung an: The Holy Grail and the Seeker after it are both relics of what, long before Christianity was in existence, was a universal possession among Aryan peoples. Each has a multitude of prototypes among the mythological apparatus and personages of the peoples of the Indo-European family.400 396 Zum Film vgl. Drew, ‚Intolerance‘. 397 Zur Zeitschrift vgl. den Artikel über ihre Mitbegründerin Charlotte E. Porter: Bernstein, Porter. 398 Phelps, Staging S. 97 f. 399 Vgl. Baker/Remy, Biographical Dictionary 1, S. 484. 400 Krehbiel, Wagnerian Drama S. 169 f.

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Doch im Hinblick auf Wagners willkürliche Ansetzung des Heldennamens wechselt er seine Haltung: In making the change Wagner exercised a poet’s privilege for an obvious purpose – he made the name an index of his hero’s moral character.401 Der ursprüngliche Name wird von Krehbiel aus dem Walisischen abgeleitet und die Oper nunmehr im Lichte der kymrischen Dichtungen – insbesondere des ‚Peredur‘ – gesehen, aber auch König Salomo und Perseus werden als Parallelmythen herangezogen. Das Ergebnis dieser Überlegungen führt aber doch zu einer „christlichen“ Botschaft: We have seen that they are all relics of a time antedating Christianity; but that fact only adds interest to them, for even in their pagan guises they show those potential attributes which adapted them to receive the lofty symbolism which they acquired under the influence of Christianity.402 Kundry wird als Wagners Neuschöpfung aus mythischen Vorlagen vorgestellt („Wagner united both attributes in his creation“403). Aus der biblischen Herodias (die Krehbiel mit Salome verwechselt), sei etwas anderes geworden: „In Wagner she becomes a Wandering Jewess. She saw Christ staggering under the burden of the Cross and laughed.”404 Derartige Überlegungen scheinen kaum originell, aber Krehbiel führt sie zu einem ganz anderen Ziel, als es Wolzogen oder Seidl taten. Das Gesamtkonzept findet nämlich keine Billigung: I cannot but question the right of ‚Parsifal‘ to be considered as in any sense a reflex of the religious feeling of to-day. It is beautiful in much of its symbolism, and it is profound; but it is too persistently medieval in its dramatic manifestations to satisfy the intelligence of the nineteenth century. The adoration of the relics of Christ’s passion, and the idea that all human virtues are summed up in celibate chastity, were products of an age whose theories and practices as regards sex relationship can have no echo in modern civilization.405 Nach einem solchen skeptischen Urteil sollte man nicht erwarten, dass sich ihr Autor noch weiter mit dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ beschäftigte. Doch das Gegenteil war der Fall.

401 Krehbiel, Wagnerian Drama S. 170. 402 Krehbiel, Wagnerian Drama S. 186. 403 Krehbiel, Wagnerian Drama S. 195. 404 Diese nicht nur bei Krehbiel zu findende Deutung ist nicht auf den Text zu gründen, der weder von einer Jüdin noch von einer Begegnung unter dem Kreuz spricht, sondern ganz vage bleibt: „Ich sah Ihn – Ihn – / und lachte. / Da traf mich sein Blick.“ (Wagner, SuD 10, S. 360). 405 Krehbiel, Wagnerian Drama S. 198.

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Krehbiel verfaßte nicht nur eine Einleitung zu Kufferaths englischer Textausgabe, sondern auch zu den Editionen der ‚Aeolian Company‘ für ihre mechanischen Orgeln und das ‚Pianola‘. 1920 publiziert er sogar eine eigene Übersetzung des Librettos. 1909, bereits im Lichte der New Yorker Aufführung des ‚Parsifal‘406, erweiterte sich sein Urteil – ohne dass er im Grundsatz Zugeständnisse machte: It is plain that they might have been wrought into a drama substantially like that which was the poet-composer’s last gift to art without loss of either dignity or beauty. Then his drama would have been like a glorified fairy play, imposing and of gracious loveliness, and there would have been nothing to quarrel about. But Wagner was a philosopher of a sort, and a sincere believer in the idea that the theatre might be made to occupy the same place in the modem world that it did in the classic. It was to replace the Church and teach by direct preachments as well as allegory the philosophical notions which he thought essential to the salvation of humanity.407 Diesen überzogenen Anspruch führt Krehbiel auf Wagners Beschäftigung mit dem Buddhismus zurück. Die amerikanischen Aufführungen waren partiell von einem anderen Geist getragen als die Bayreuther. Im Jahr 1920 erfand James Huneker das Adjektiv „parsiphallic“408; Henry Miller hat in seiner 1936 erstmals veröffentlichten Novellensammlung ‚Black Spring‘ die zentrale Rolle der Sexualität im ‚Parsifal‘ mit der schwülen Atmosphäre auf den Stehplätzen der Metropolitan Opera in Verbindung gebracht: Eines Abends stand ich auf der Galerie der Metropolitan Opera in New York. Das Haus war ausverkauft […] Ich konnte nur ein kleines Bruchstück der Szene sehen […] Aber ich konnte die Musik hören, Wagners ‚Parsifal‘ […] Teile der Oper sind langweilig, langweiliger als alles, was je geschrieben worden ist. Aber andere Teile sind von großartiger Erhabenheit, und gerade während dieser Teile passierte mir etwas Peinliches, weil ich wie eine Sardine eingequetscht war – ich bekam eine Erektion. Die Frau, gegen die ich gepreßt stand, mußte auch etwas von der erhabenen Musik des heiligen Grals gespürt haben. Wir waren beide in Hitze […]. Während des ganzen letzten Aktes waren wir in himmlischer Seligkeit vereint. Es war schön und erhaben, näher an Boccaccio als an Dante, aber trotzdem schön und erhaben.409

406 Deren Umstände er in Chapters of Opera (1909), S. 320–335 ausführlich schilderte. 407 Krehbiel, A Book of Operas S. 286–288 (dazwischen eine Bildtafel). 408 Huneker, Painted Veils S. 282: „I fancy you prefer the parsiphallic repulse of Kundry, when Wagner had become antinatural, denying womanhood, thanks to his epicene patron”; ohne Quellenangabe zitiert bei Gutman, Wagner S. 486. 409 Miller, Frühling S. 175.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Hugo Nolthenius (‚Gralsräuber‘ II) In Europa folgten 1905 erste Aufführungen in Amsterdam410 und am 13.2.1913 – zehn Monate vor Auslaufen der Schutzfrist im Reich – in Zürich.411 Der Maler, Schriftsteller und ausgebildete Cellist Gustav Gamper (1873–1948)412 gestaltete das Bühnenbild und zusammen mit dem Züricher Musikjournalisten Eduard Trapp († 1934) das acht Seiten umfassende schmucklose Programmheft.413 Der Amsterdamer Aufführung, die sich gegen Bayreuther Ansprüche dadurch zu verwahren wusste, dass sie keinen offenen Kartenverkauf anbot, sondern nur für die Mitglieder des örtlichen Wagner-Vereins zugänglich war, gingen ein – trotz aller Schnörkel – ehrenrühriger Briefwechsel zwischen Ejnar Forchhammer, dem Sänger des Parsifal, und Cosima voraus. Obschon Cosima die Vernichtung ihrer Briefe anmahnte und jene von Forchhammer selbst verbrannte, gab der Sänger diese zusammen mit einer Dokumentation der aus Bayreuth gesteuerten Pressekampagne gegen die Aufführung, noch im Jahr 1905 in Druck.414 Als Begleitpublikation und Programmheft erschien ein 73-seitiges Textbuch mit einer in Petit gesetzten niederländischen Einführung von Hugo Nolthenius415, der – ausgehend von Wagners Erläuterung zum ‚Parsifal‘-Vorspiel – eine Kurzfassung der Entstehungsgeschichte, die Grals-Erzählung aus dem ‚Lohengrin‘ und eine mit Übernahmen aus Wolframs ‚Parzival‘ und eigenen Phantasien („Titurel, uit Salvaterra in Biscaya“416) aufgelängte Deutung des Grals und einer fast wörtlichen Prosa-Nacherzählung der Monologe des Gurnemanz, die Wagners gewundene Erzählweise noch enigmatischer macht.417 Kundry wird zu een andere Herodias, die gelachen heeft toen zij het hoofd van Johannes op den schotel droeg. Maar Kundry heeft aan Jezus aan het kruis uitgelachen418

410 Hierzu ausführlich das niederländische Pendant zu Glasenapp: Hartog, Wagner S. 298–303. Vgl. auch Hilmes, Herrin des Hügels S. 329–332. 411 Theater in Zürich, S. 74–77 mit Abbildung des zwar von Bayreuth abgeleiteten, aber in der Formensprache des Jugendstils gehaltenen Graltempels aus der Schluß-Szene sowie der recht alpinen Szenerie des ersten Bildes (S. 77 oben) bzw. des Zaubergartens. Vgl. auch Hanke, Erstaufführung. 412 Vgl. Karin Marti-Weissbach: Gustav Gamper, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.8.2005, (9.8.2020). 413 Nachdruck bei Hanke, Erstaufführung S. 38–41. 414 Forchhammer, Bayreuth. 415 Komponist und Gymnasiallehrer (1848–1929), Dirigent des Wagnervereins zu Utrecht 1888–1891, übersetzte Wolzogens ‚R. Wagner und die Tierwelt‘ ins Holländische (Richard Wagner en de wereld der dieren, bijdrage tot eene levensgeschiedenis, vrij naar het Hoogduitsch door Hugo Nolthenius, Amsterdam: van Munster 1890); Präsident der Holländischen Vegetarischen Gesellschaft, vgl. The Animal’s defender and zoophilist 23 (1903), S. 68. 416 Nolthenius, S. 13. 417 Vgl. z. B. die Schilderung von Kling­sors Selbstkastration: „Niet bij machte in zich zelven de zonden te dooden, sloeg hij aan sich zelven misdadig de schendende hand“ (Nolthenius S. 14). 418 Nolthenius S. 15.

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Beide Aussagen sind so nicht durch das Libretto gedeckt, sondern eigene Phan­ta­sie. Nach solchen allgemeinen Erläuterungen folgt Nolthenius der Bühnen­hand­lung. Der ‚Karfreitagszauber‘ schrumpft auf den Satz dass „alles, woud en weide baadt in gelukkige weelde, door de bekoringsmacht van den Goeden Vrijdag; de van zonden verloste natuur heeft heden haar onschuldsdag verworven.“419 Nolthenius be­tont freilich, dass alles dies von den üblichen Opern-Sujets abweicht, es sei darum nicht ein beliebiges geweihtes Werk, sondern „het meest gewijde van allen tijden, het is voor ons het gewijde werk“420 – ein Bekenntnis, mit dem versucht wird, den aus Bayreuth erhobenen Vorwürfen der Schändung und des ‚Gralsraubs‘ durch glühende Gläubigkeit zu begegnen.421 Moritz Wirth Obschon (oder vielleicht: weil) der Reichstag sich nicht zu einer ‚Lex Cosima‘ durchringen konnte, blieb die in Deutschland publizierte Meinung vorrangig auf Seiten des Festspielhauses. Nur wenige äußerten sich zugunsten einer Öffnung des ‚Parsifal‘ für fremde Bühnen. Zu diesen gehörte der Leipziger Privatgelehrte Moritz Wirth (1849–1917).422 Wirth trat gleichermaßen als politisierender Musikschriftsteller423, Spiritist und Nationalökonom424 auf, bei allem aber als – in Bayreuth nicht unbedingt gern gesehener – Wagnerianer, der sich unter anderem dafür einsetzte, Nietzsches Kampfschrift ‚Nietzsche contra Wagner’ mit ihrem ‚Parsifal‘-kritischen Abschnitt „Wagner als Apostel der Keuschheit“425 „zur Zeit der Bayreuther Feste in 800–1000 Exemplaren erscheinen zu lassen“426. Sein Verhältnis zum Antisemitismus wirkte auf die Zeitgenossen undurchsichtig, ja widersprüchlich.427 419 Nolthenius, S. 18. 420 Nolthenius, S. 19. 421 Seine grundsätzliche Verbundenheit zu den Festspielen hatte Nolthenius in der Kleinschrift ‚Bayreuth 1891‘. Utrecht: Beijers [1891]. 60 S. bewiesen. 422 Zu Wirth vgl. Schüler, Bayreuther Kreis, S. 147 f. (unterschätzt die Auseinandersetzungen mit Wolzogen und den Festspielen); Großmann-Vendrey, Bayreuth, S. 62 und 71, Karbaum, Studien, S. 21. 423 Im Jahr der Uraufführung des ‚Parsifal‘ publizierte Wirth ein fast 400 Seiten umfassendes Werk mit dem bemerkenswerten Titel: ‚Bismarck, Wagner, Rodbertus, drei deutsche Meister. Betrachtungen über ihr Wirken und die Zukunft ihrer Werke‘. (Mit einem Beitrage: Das moderne Elend und die moderne Uebervölkerung. Ein Wort gegen Kolonien. Von Max Schippe), Leipzig: Mutze 1883 (²1885). Bismarck wurde als Vertreter für die Politik, Wagner für die Kunst und der Nationalökonom Karl Rodbertus (1805–1875) für die Wirtschaft aufgeführt. 424 Eine abfällige Bemerkung von Karl Marx über ihn im ersten Band des ‚Kapitals‘, in: Karl Marx/ Friedrich Engels Werke, Bd. 23, 21Berlin: Dietz 2005, S. 91. Friedrich Engels nannte ihn einen unheilkündenden Vogel und bösen Freund, vgl. den Brief an Conrad Schmidt, 5.8.1890, hier nach Schirmacher, German socialist philosophy S. 239. 425 Nietzsche, KSA 6 S. 413–445, hier S. 429–431. 426 Vgl. den Briefwechsel von Franz Overbeck vom Februar 1889, in: Janz, Nietzsche-Biographie Bd. 3, S. 323–329, hier S. 325. 427 Wirth pflegte jahrelang intensive Kontakte zu jüdischen Verbänden, gehörte aber der antisemitischen Deutsch-Socialen Partei an, aus der er 1893 ausgeschlossen wurde, vgl. Deutsche Antisemiten-­

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Wirth war der erste, der zu einer Diskussion über die ‚Parsifal‘-Freigabe aufrief, aber zunächst auf wenig Resonanz stieß.428 Später forderte er zwar keine völlige Freigabe, aber doch die Gewährung von Aufführungsrechten an fünf weitere eigens zu nominierende Wagner-Theater. Damit trat er erstmals 1902 an die Öffentlichkeit.429 Er wollte Wagners demokratischer oder volkspädagogischer Absicht nachkommen, die er durch die Beschränkung auf Bayreuth gefährdet sah. Hierüber hielt er zahlreiche Vorträge, die dann in einer Schriftreihe „Parsifal im neuen Lichte“ zusammengefasst und als dramaturgisches, die Musik ausführlich diskutierendes Gesamtkonzept publiziert werden sollten, das sich vor allem gegen Wolzogens ‚Leitfaden‘ richtete. Da Wirth 1914 verstarb, konnte nur Heft 1 erscheinen, das neben der Forderung nach weiteren Festspielhäusern und einem Traktat über den „drohenden Untergang Bayreuths und seine Errettung durch den Berliner Geist“ (S. 4–27) Traktate über das Vorspiel, eine allgemeine „Erläuterung des ‚Parsifal‘“ und eine Betrachtung über den Gralskönig Titurel enthält. Vom zweiten Heft erschien lediglich der Traktat „Graltempel und Kling­sorturm“ separat. Bemerkenswert ist die Kritik, die Wirth an Wagners Kunstkonzept übte. Unter Berufung auf eine Ausführung Wagners gegenüber dem Musikkritiker Hanslick430, in der er seine Werke als „Kunstwerk der höchstens Bildungsperiode“ und „im Bewußtsein producirt“ bezeichnete, erklärte Wirth es für widersinnig, dass Wagner dennoch gleichzeitig verlangte, seine Werke „bewußtlos“ (d. h. ohne rationale Kritik und Heranziehung der Bildung) zu rezipieren.431 Somit suchte Wirth eine „Neubegründung des Wagnertums auf dem Boden der schöpferischen Rezeptivität“.432 Nimmt man die geschwollene Terminologie zurück, so wird der Affront gegen den Wagner’schen Geniebegriff erst wirklich deutlich: „denn auch sein Riesengeist besaß nicht diejenige Fülle der Reflexion, die nötig gewesen wäre, seiner Produktivität die Wage[!] zu halten.“433 Wirths Interpretation orientierte sich am Bühnengeschehen und der ästhetischen Realisierung des Keuschheitsdramas und verzichtete auf antisemitische Invektiven, obschon Wirth dem antisemitischen Schrifttum nicht

Chronik 1888 bis 1894, S. 168–170, ebendort S. 77 f. auch zu antisemitischer Polemik gegen Richard Wagner. 428 Seidl, ‚Parsifal‘-Schutz S. 143 f. 429 Moritz Wirth: Die Lösung der ‚Parsifal‘-Frage, in: Musikalisches Wochenblatt 1902 IX 11 mit dem Vorschlag einer Münchner Parsifal-Lizenz. Der Aufsatz fand auch in den USA Beachtung, vgl. die Kurzanzeige in: New England Conservatory Magazine 9 (1902), S. 71. 430 „Schlagen Sie die Kraft der Reflexion nicht zu gering an; das bewußtlos producirte Kunstwerk gehört Perioden an, die von der unseren fernabliegen: das Kunstwerk der höchsten Bildungs-Periode kann nicht anders als im Bewußtsein produzirt werden. Die christliche Dichtung des Mittelalters z. B. war diese unmittelbare, bewußtlose: das vollgültige Kunstwerk wurde aber damals nicht geschaffen, das war Goethe in unserer Zeit der Objektivität vorbehalten.“ (Richard Wagner an Freunde und Zeitgenossen. Berlin: Schuster & Loeffler, 1909, S. 79). 431 Wirth, Parsifal S. 11–15. 432 Wirth, Parsifal S. 22. 433 Wirth, Parsifal S. 27.

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unbedingt fern stand.434 Mit Wirths Tod 1917 verlor sein provokativer Einsatz für ein anderes Bayreuth an Bedeutung. Arthur Seidl Die drohende urheberrechtliche Freigabe des ‚Parsifal‘ wurde außerhalb Bayreuths vor allem durch den Musikjournalisten Arthur Seidl435 (1863–1928) kritisiert, der 1898–1899 am Friedrich-Nietzsche-Archiv arbeitete und ab 1899 in Fortführung der gescheiterten Gesamtausgabe von Peter Gast die erste abgeschlossene Nietzsche-Ausgabe in acht Bänden bei Schuster & Loeffler in Leipzig herausgab.436 Er darf nicht verwechselt werden mit Anton Seidl (1850–1898), der zunächst zum engeren Bayreuther Kreis gehörte, später aber in Ungnade fiel, da er konzertante ‚Parsifal‘-Aufführungen in New York leitete.437 Als keineswegs unumstrittener Archivar des Nietzsche-Nachlasses geriet Arthur Seidl durch die Verteidigung von Elisabeth Förster-Nietzsche (1846–1935) und ihren eigenmächtigen Umgang mit dem Vermächtnis ihres erkrankten Bruders in Konflikt mit Rudolf Steiner438 und wechselte 1899 zu den ‚Münchner Neuesten Nachrichten‘. Ab 1903 wirkte er als Dramaturg am Hoftheater in Dessau und versah ab 1904 einen Lehrauftrag am Konservatorium in Leipzig. Seine musiktheoretischen Ansichten publizierte er in einer Monographie mit dem Titel ‚Vom Musikalisch-Erhabenen. Ein Beitrag zur Aesthetik der Tonkunst‘ (Leipzig: C. F. Kahnt 1887, ²1907); er beschäftigte sich auch intensiv mit der neueren Musik, so mit Mahler, Strauss und Pfitzner. Im dreizehnten Jahrgang der ‚Bayreuther Blätter‘ (1890) äußerte er sich unter dem Titel ‚Jesus der Arier – Christentum oder Buddhismus?‘ (S. 45–65) zur Kernfrage der Bayreuther ‚Theologie‘. Seine musikkritischen Essays zu Wagner und zur Wagner-Rezeption, die er in verschiedenen Journalen veröffentlicht oder als Vorträge verbreitet hatte, erschienen 1901–1902 in drei Bänden als ‚Wagneriana. Kritische 434 Vgl. Wirths Resumée am Ende des Vorwortes zu Zöllner, Beiträge zur deutschen Judenfrage (1894), S. XXII f., wo mit Moses Mendelssohn die Möglichkeit einer Aussöhnung zwischen Christen und Juden diskutiert wird, die aber dem „Grundsatz der Thatsächlichkeit“ folgen müsse: „Einzig an der ehernen Hand dieses Grundsatzes wird das Judenthum über diejenigen Mängel seines Wesens hinausgelangen können, die es bisher zum ruhelosen Wanderer durch die Länder der Erde und die Herzen der Völker gemacht haben. Und einzig durch die strenge Befolgung dieses Grundsatzes wird der arische, insbesondere aber der deutsche Antisemitismus es vermeiden können, dass er an Stelle der Befreiung der Welt von der auf ihr lastenden Judenherrschaft nichts weiter erreicht als eine neue und recht gefährliche Entartung des eigenen Volkes.“ Zum antisemtischen Spiritisten Friedrich Zöllner (1834–1882) vgl. Julius Petzholdt in Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft 1883, H. 1, S. 1–7. 435 Frankenstein, Arthur Seidl; Hein, Viel Hitler S. 85 f. Franz, Religion des Grals S. 140–148. 436 Hoffmann, Nietzsche-Archiv S. 37–39. 437 Finck / Krehbiel: Anton Seidl. Verwechslung beider Seidls z. B. bei Drüner, Judenfiguren S. 143, der den „Philologen Arthur Seidl, ein Intimus der Familie Wagner in den letzten Lebensjahren des Meisters“ als Zeugen benennt. Der „Intimus“ war Anton Seidl. 438 Hoffmann, Nietzsche-Archiv S. 377–406.

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Ästhetik‘, denen 1914 eine Sammlung von weiteren drei Bänden ‚Neue Wagneriana‘ folgte. In den ersten Band nahm er ein Bekenntnis zu einer zum „germanischen Christentum“439 pervertierten evangelischen Staatskirche auf: Es ist schon viel über Bonifazius’ verhängnisvollen Irrtum geredet und geschrieben worden, der ihn trotz seiner liebevollen Neigung für das germanische Wesen es versäumen liess, gleich zu Anfang eine deutsche Landeskirche zu gründen, in deren Kirchensprache dann kein Wort Latein je erklungen sein würde.440 Dafür konstruierte Seidl in Wolframs ‚Parzival‘ einen dialektischen Gegensatz von germanischem Sieg-Frieden und christlicher Leidensmystik, die in einen „neuen Frieden“ aufzulösen sei, wie ihn der Einsiedler Trevrizent (d. h. der bei Wagner in der Figur des Gurnemanz aufgegangene Bruder des Anfortas) in seinem Namen trage: so bedeutet dem Dichter auch der äussere Besitz der Gralswürde im letzten Grunde doch nur symbolisch das innere, geistige Gut, das der Held sich erworben, den grossen ‚Trevrezent‘: d. h. etwa ‚neuen Frieden‘, den er durch Sieg – ein zweiter ‚Siegfried‘ – sich, aber auch der unter ihrem kranken Könige an einem tiefen, inneren Zwiespalte leidenden Gralsgemeinde, d. i. der ganzen germanischen, abendländischen Christenheit wiederum errungen!441 Für Seidl war Luther der Vollstrecker einer germanischen – d. h. romfeindlichen – Religion.442 1896 – ausdrücklich zu Schopenhauers 107. Geburtstag – setzte Seidl einen Vortrag hinzu, der den zunächst nur latenten antisemitischen Zug dieser Geschichtsklitterung offenlegte: ‚Zur Entjudung des Christentums‘. Dieser Text bildete dann den Abschluss des ersten Bandes der ‚Wagneriana‘.443 Seidl vereinnahmte gleich auf der ersten Seiten den ‚Deutschen Protestantenverein‘ für seine antisemitische Linie.444 Zitate von Schopenhauer und vor allem Wagners antisemitischen Äußerungen bildeten die Richtschnur, da er sich einer „israelitischen Propaganda“ glaubte erwehren zu müssen, indem er über die aktuelle historische Forschungslage aufklärte. Jene belegte nicht nur, dass Christus weit wahrscheinlicher von arischer Herkunft gewesen sein dürfte, sondern auch, dass die geistigen, religions-philosophischen Voraussetzungen seiner Lehre weit mehr als auf jüdische, auf indische Wurzeln und Quellen zurückführen. 439 Seidl, Wagneriana I, S. 485. 440 Seidl, Wagneriana I, S. 453. 441 Seidl, Wagneriana I, S. 472. 442 Vgl. hierzu Mösch, Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit S. 365. 443 Arthur Seidl: Zur Entjudung des Christentums (1895), in: ders., Wagneriana 1, S. 496–505. 444 Der Hinweis auf die Historizität des ‚Alten Testaments‘ bedeutet noch kein Bekenntnis zum ‚germanisches Christentum‘, vgl. Kinzig, Harnack S. 204–206.

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Unter den Zeugen für diese Ansicht traten Wagner und die ‚Bayreuther Blätter‘ zunächst noch gleichberechtigt neben dem Leipziger Theologen Rudolf Seydel (1835–1892) auf, später beherrschte Wagner allein das Bild. Inhaltlich wurde eine gängige Polemik aufgetischt: Dort ein rächender, zürnender, drohender Nationalgott, hier ein Gott der Güte, der Liebe und des Friedens für die ganze Welt, ein ‚lieber Vater‘ des Heilandes, dessen frohe Kinder wir alle sein, dessen Erben auch wir dereinst werden sollen. Dort ein platt optimistisches ‚Und siehe da, es war alles sehr gut‘ gegenüber einer Welt des Leidens und der Unvollkommenheiten, die u. a. ein Schopenhauer kaum ganz ohne Grund die schlechteste der möglichen Welten nennen konnte; hier, im neuen Testamente, hierfür der durchaus pessimistische Begriff des ‚irdischen Jammerthals‘, der ‚Eitelkeit der Welt‘ und der ‚Pilgrimschaft hienieden‘, welchen Anschauungen noch das ringende: ‚Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir‘ und das verzweifelte ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!‘445 zur Seite treten. Im alten Bund ferner die grosse ‚Aktion‘ gegen die Völker der Erde, welche Israel nicht dienstbar sein wollen; im Evangelium die heilige, tiefe ‚Passion‘ des der äusseren Macht willig unterliegenden, dafür aber innerlich über sie triumphierenden Helden!446 In diesem Kontext steht Arthur Seidls Beitrag zu den ‚Bayreuther Blättern‘ von 1888, der 1914 in einer Monographie nachgedruckt wurde, diesmal zusammen mit einer kurzen Entgegnung auf den evangelischen Pfarrer Carl Jatho aus Köln (1851–1913)447, der in Wagners ‚Bühnenweihfestspiel‘ Unterstützung für seinen eigenen Pantheismus gesucht hatte. Beide Artikel wurden (vermutlich im Umfeld der Freigabe des ‚Parsifal‘) in einem neuen und ästhetisch sehr ansprechenden Satz präsentiert448, und im gleichen Jahr noch einmal in den dreibändigen ‚Neuen Wagneriana‘ (Regensburg 1914) nachgedruckt. Seidl gilt für Sandra Franz als „der Erste und bislang Einzige der hier behandelten Bayreuther Exegeten, der den ‚Parsifal‘ explizit und in typisch dualistischer Manier als die Darstellung des ‚stätigen Widerstreites und Gegensatzes zwischen Judenund Christenthum‘ deutete“449, wobei er in Kundry „die Vertreterin des jüdischen (und im Gegensatze zum Geiste wahren Christenthums heidnisch-sinnlichen) Prinzipes“ bzw. „die jüdische Zivilisation“ und damit den „Geist der Bejahung des Willens, des Egoismus“ sah450, der der japhetische (d. h. nicht-semitische, arische) 445 Mk 15,34 = Mt 27,46, hier zitiert der Gekreuzigte selbst das ‚Alte Testament‘ (Ps 22,2). 446 Seidl, Wagneriana I, S. 501. 447 Zu ihm vgl. Hans Hohlwein, in: NDB 10 (1974), S. 367. Siegfried Kuttner: Pfarrer Carl Jatho, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 52 (2003), S. 212–224. 448 Seidl, ‚Parsifal‘ (1914). Zur Datierung vgl. Anm. IV 163. 449 Franz, Religion des Grals S. 141, das Zitat aus Seidl, R. Wagner’s ‚Parsifal‘ S. 302. 450 Seidl, R. Wagner’s ‚Parsifal‘ S. 299 bzw. 300 = Seidl, ‚Parsifal‘ S. 46 bzw. 48.

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Erlöser entgegentrete.451 Zumindest für alle, die anders als Seidl selbst den weiteren Lauf der Geschichte kennen, ist die kritische Distanzierung vom Begriff des Antisemitismus, die er solchen Überlegungen vorschaltet, wenig überzeugend: Haben ihm diess seine vielen Feinde natürlich als krassesten, verwerflichsten ‚Antisemitismus‘ verschrien, so genügt doch schon ein klarer Blick auf Wagner’s ganze Geistesanschauung und deren wahre Tendenz, um einzusehen, wie wenig es sich bei dieser Richtung um jenen anstössigen Parteibegriff – unter dem man doch gegnerischerseits gewöhnlich: agressiv-gewaltsame Racenunterdrückung zu verstehen pflegt – handeln kann, wie sehr im Gegentheile diese Frage lediglich auf religiösem, ethischem, künstlerischem Gebiete zum Austrag kommt, also eine rein geistige bleibt und bleiben muss.452 Mit dem Übertritt aus der Bayreuther Sphäre an das Weimarer Nietzsche-Archiv veränderte sich Seidls Haltung zu Cosima und dem Bayreuther Kreis.453 So erhob er z. B. die Forderung, die Nation solle „nicht zum ‚Parsifal‘ sondern zur „Kunst-Esoterik“ erzogen werden454, aber in der Frage des ‚Parsifal‘-Schutzes blieb er ein Bundesgenosse von enormer Produktivität. Er nahm an allen Fehden zu diesem Thema teil und setzte sich nachhaltig für den Erhalt des Bayreuther Privilegs ein. Schon 1901 hatte er in der von ihm selbst herausgegebenen ‚Die Gesellschaft. Münchner Halbmonatsschrift für Kunst und Kultur‘ einen unerbittlichen Widerstand gegen die Aufhebung des Privilegs angekündigt: wir werden fortab nun keine Ruhe mehr geben, bis nicht die volle wünschenswerte Klarheit geschaffen, die notwendige ‚Novelle‘ zum unglückseligen neuen Urheberrechts-Gesetze noch mit durchgesetzt und der ‚Parsifal‘, dem letzten unantastbaren Willen seines Schöpfers gemäß, für Bayreuth dauernd (nicht nur bis 1913) gesichert erscheinen wird.455 Er betonte, dass sein Engagement für eine Ausdehnung der Urheberrechtsfrist auf 50 Jahre allen Künstlern zugute komme, und dass man der Familie Wagner keine kommerziellen Interessen unterstellen dürfe, ja, „daß in die Privat-Tasche der Familie hier (mit Ausnahme der gesetzlichen Tantièmen allenfalls) rein gar nichts

451 Floros, ‚Parsifal‘-Rezeption S. 27; vgl. auch Franz, Religion des Grals S. 158f. 452 Seidl, R. Wagner’s ‚Parsifal‘ S. 298 = Seidl, ‚Parsifal‘ S. 44. 453 Vgl. Seidl, Am Scheidewege; ders.: Richard Wagner und Friedrich Nietzsche (= Neue Wagneriana 3, S. 317–371) und schließlich ders., Nachklänge zum Cosima-§, S. 76 (über die in den ‚Wagneriana‘ zusammengfaßten Artikel): „Ich selber teile ja heute durchaus nicht mehr alle die dort niedergelegten Anschauungen“. 454 Arthur Seidl in: Die Gesellschaft 1902, Heft 10, vgl. die Zusammenfasung in ‚Die Musik‘ 2 (1902/03), H. 1 S. 449. 455 Seidl, Nachklänge zum Cosima-§, S. 74.

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fließt !“456 Diesen von nun an gebetsmühlenartig wiederholten Thesen stellte er sein Bekenntnis zum ‚Parsifal‘-Bund zur Seite, der 1902 gegründet wurde, um das Aufführungsrecht des ‚Parsifal‘ durch ein Ausnahmegesetz auf Bayreuth zu beschränken, um dem deutschen Volke und den ausländischen Freunden und Bewunderern deutscher Kunst un deutschen Geistes das Weihe-Festspiel in der Reinheit, wie allein Bayreuth sie gewähren kann, zu sichern und zu erhalten. Die Mitglieder sollen einen freiwilligen Beitrag zahlen und in ihren Kreisen für das Verständnis des ‚Parsifal‘ wirken. Der Bund würde aus seinen Mitteln Freikarten nach Bayreuth gewähren, Vorträge über ‚Parsifal‘ veranstalten und überhaupt seinen Gedanken, den Schutz des ‚Parsifal‘ in alle Kreise des deutschen Volkes zu tragen sich bemühen. – So zu lesen in einer ganzen Reihe von Zeitungen.457 Seidl stellt sich auch Gegenargumenten, die er aber mit Glaubenssätzen beseitigt: Gewiß könnte der ‚Parsifal‘ auch anderweitig noch ganz anständig ‚aufgeführt‘ werden. Allein dies ist das große Geheimnis von Bayreuth: Hier führt man den ‚Parsifal‘ nicht auf, hier ‚erlebt‘ man ihn – die Theater-Vorstellung wird zum Kulturerlebnis Kraft der so ganz anderen, eigenartigen Voraussetzungen und der jeder üblichen Bühnenpraxis oder Alltags-Atmosphäre durchaus entrückten Bedingungen.458 Auffällig ist die kontinuierliche Verneinung kommerzieller Interessen, und die Betonung einer exklusiven Minorität, für die ‚Parsifal‘ in Bayreuth gegeben werde.459 Im Zentrum dieser und zahlreicher ähnlicher Darlegungen stehen Wagners briefliche, als testamentarisch gewertete, Äußerungen darüber, dass der ‚Parsifal‘ nur in Bayreuth aufzuführen sei, sowie – etwas allgemeiner – der Gattungsbegriff des ‚Bühnenweihfestspiels‘, das eine Profanierung nicht erdulden dürfe. Gegen dieses Argument hat Heinrich Conried, der Initiator des New Yorker ‚Gralsraubs‘, ebenso klug wie vergebens argumentiert: I wish to assert most emphatically that Wagner has introduced no Biblical characters and no sacred incidents – more particularly, neither the Baptism of Christ nor the Last Supper – in ‘Parsifal.’ Nor did the master call that work a ‘sacred’ or ‘religious’ play. He described it as a ‘Bühnenweihfestspiel.’ It is not easy to find an accurate equivalent in English for this complex word. The root ‘weih’ in connection with ‘Bühne’ indicates that, through this drama, the stage is to be ‘dedicated’; but in an artistic, not a religious, way.

456 Seidl, Nachklänge zum Cosima-§, S. 79. 457 Seidl, ‚Parsifal‘-Bund, S. 270. 458 Seidl, ‚Parsifal‘-Bund, S. 271. 459 Seidl, ‚Parsifal‘-Bund, S. 272 f.

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‚Parsifal‘-Publizistik

A striking analogy may be seen in Beethoven’s Overture, ‘Zur Weihe des Hauses.’ The German word ‘Weihe’ suggests an exaltation of spirit, with a much wider significance than is conveyed by the English ‘holy,’ or ‘sacred.’ In certain compound words (as, for instance, in ‘Kirchweih’), ‘weih,’ or ‘weihe’ even, concerns profane things, such as drinking and dancing. But, by no straining, can the addition of ‘weih’ to ‘Bühnenfestspiel’ (anglicized ‘Festival Play’) justify one in assuming that Wagner intended his music-drama to be accepted as ‘religious.’ The nearest approach to a correct (albeit clumsy) translation of ‘Bühnenweihfestspiel’ might be ‘dedicational festival play.’ 460 Dostal-Winkler und der ‚Peronnik‘ Eine positive Haltung zur Freigabe des Werkes nahm Josef Dostal-Winkler ein. Er wirkte als Professor am ‚k.k. Staats-Gymnasiums mit deutscher Unterrichtssprache‘ im ostmährischen Kremsier (Kroměříž), in dessen Programmheft er „am Schlusse des Schuljahres 1913/1914“ den ersten Teil seiner Untersuchungen zur ‚Gralssage‘ publizierte: Dreißig Jahre sind seit Richard Wagners Tod verflossen, sein letztes Werk sollte freiwerden und wurde frei. Und wir erlebten – und Millionen Kunstbegeisterte mit uns – alle, alle erlebten überall in und außer deutschen Landen das Mysterium seines ‚Parsifal‘.461 Dostal-Winkler, der später über ‚Lichtenberg und Kant‘ (1924) publizierte, folgte Leopold von Schroeders sagengeschichtlicher Methodik462 und gewann einen 13-seitigen Beitrag seines Lehrmeisters für die im Mai 1914 herausgekommene monographische Ausgabe, in dem Leopold von Schroeder über ‚Das bretonische Gralmärchen – der Angelpunkt einer fruchtbaren Hypothese‘ handelte (S. 12–25). Dabei ging es um sein Lieblingsthema, den ‚arischen Bechermythus‘, den er nicht nur im ‚bretonischen Märchen‘, sondern auch in einer Erzählung „der OdschiwbäIndianer“, der ‚Edda‘ und natürlich im ‚Parsifal‘ wiedererkennen will. Dabei gibt er dem ‚Märchen‘ hinsichtlich seiner Authentizität bei weitem dem Vorrang.463 Auch

460 Conrieds Stellungnahme gegen die Ansprüche von Cosima Wagner vom 24.11.1903, zitiert nach Moses, Life of Heinrich Conried S. 239. 461 Dostal-Winkler, Heimat S. 3. 462 Er konnte auf die Nacherzählung aus einer kruden Kompilation zurückgreifen, vgl. Talwinkler, Wunschland S. 1–54. 463 „Denn im Anfang war der Mythos; und das Märchen – ein Kind des Augenblicks, unter Wirkung der Affekte des Wunsches und der Furcht entstanden – ist nach den ethnologischen Zeugnissen wie nach den psychologischen Merkmalen als die ursprünglichste Mythen- und Dichtungsform erkannt worden“, von Schroeder in: Dostal-Winkler, Heimat S. 14.

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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Dostal ist von dem gemeinsamen sagenkundlichen ‚arischen‘ Ansatz so überzeugt, dass er Kritik allenfalls am ‚christlichen‘ Anteil464 des ‚Parsifal‘ zulässt: es hat […] den versöhnlichen Grundgedanken der Wolframschen Dichtung durch die starrste Askese ersetzt. Als ‚religiöses Mysterium‘ ist es nicht nur nach Nietzsches Ansicht mißraten; es grenzt besonders im III. Akte hart an das Oberammergauer Passionsspiel – und ein ganz moderner ‚Parsifalketzer‘ bezeichnet wie das Thema so die Parsifalmusik mit der endlosen Melodik und Chromatik gar als eine ‚Wagnersche Alterserscheinung‘ […].465 Die Überschneidungen zwischen ‚Peronnik‘ und ‚Parsifal‘ können für Dostal nicht rezeptionsgeschichtlich erklärt werden. Sie bedeuten, „daß aber Wagner den weiten Blick für die wesen- und wurzelhafte Zusammengehörigkeit der verschiedenen, von ihm dramatisch behandelten Stoffe und Grundmotive gehabt hat“.466 Im dritten Teil seiner Untersuchungen verliert sich Dostal ganz in der assoziativen Motivforschung, indem er die Idee eines ‚Heilskönigs‘ von Artus, Barbarossa im Kyffhäuser und zahllosen weiteren Beispielen mit dem ‚reichen König‘ in der Dichtung Chretiens467 verbindet, die allesamt auf eine arische Urform zurückgehen sollen. Man könnte das als missgeleiteten Enthusiasmus abtun, wenn es nicht dem Zweck diente, die Existenz einer durch Vermischung zersetzten alten Hochkultur nachzuweisen. Zwar hält sich Dostal mit Zivilisationskritik zurück, nur ansatzweise ist bei ihm die Rede davon, dass mit der Rückgewinnung (wo nicht: Rückzüchtung) dieser Hochkultur eine ‚Regeneration‘ der Menschheit erzielt werden könne.468 Das haben aber andere in den ‚Gralsmythus‘ hineinprojiziert, dessen Genese hier scheinbar unumstößlich aufgewiesen wurde. Die ‚Neue Zeitschrift für Musik‘ Ganze 45 Einzelbeiträge zur Frage des ‚Parsifal‘-Schutzes versammelte der 79. Jahrgang der ‚Neuen Zeitschrift für Musik‘ auf das Jahr 1912, der damit zu einer Dokumentation über die vornehmlich zugunsten der Bayreuther Seite geführten Beiträge in der Presse wurde. Hier ein typisches, ungekürztes Beispiel für die Berichterstattung.

464 Dostal-Winkler, Heimat S. 7: „trotz Nietzsche und anderen Wagnerverketzerern haben wir das Christliche im Weihefestspiel nicht als Tendenz, sondern auch bloß als künstlerisches Symbol aufzufassen“. 465 Dostal-Winkler, Heimat S. 8. 466 Dostal-Winkler, Heimat S. 11. 467 Mertens, Gral S. 34 f. 468 Vgl. Dostal-Winkler, Heimat S. 5: Mit dem ‚Faust‘ habe „der ‚Parsifal‘-Stoff die gigantische Weltanschauungsdramatik gemeinsam […], den Kampf des Übermenschenwillens mit dem Allzumenschlichen, die Tragödie des göttlichen Ethos im chaosentstammenden Kosmos.“

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‚Parsifal‘-Publizistik

Königsberg. Parsifal für Bayreuth. Am 28. Sept. sprach Oberpräsidialrat Graf Lambsdorff469 im Gymnasium ‚Friedrichskolleg‘ in einer vom Rich. Wagnerverband deutscher Frauen und dem Akademischen Rich. WagnerVerein veranstalteten Versammlung über die Berechtigung der Parsifalschutzfrage und ihre Aussicht auf Erfolg. „Zuerst wies Redner darauf hin, daß Rich. Wagners klare Äußerung in einem Briefe 1880 an König Ludwig II. entscheidend sei. Allen anders lautenden Wünschen von Freunden und Nichtfreunden gegenüber sei zu bedenken, daß die Familie Wagner von den Festspielen keinen materiellen Nutzen habe. Das deutsche Volk dürfe auch nicht, wie es das Ausland leider tut, alle Rücksichtnahme auf den deutschen Wagner außer acht lassen. Wohl habe die Allgemeinheit ein Anrecht auf ein Kunstwerk, aber es verbleibe dem Autor immerhin ein vor Verunstaltungen schützendes Eigentumsrecht; Zusätze, Einflüsse, Übermalungen bei Bildern usw. dürften nicht stattfinden. Eine derartige Verunstaltung Parsifals, der nur in Bayreuth den Intentionen des Meisters gemäß zur Aufführung kommen könne, sei bei seiner Darstellung in den Theatern unausbleiblich gewiß. Durch einen alle Kunstwerke allgemein betreffenden Zusatz zu § 29 des Reichsgesetzbuches werde eine lex Parsifal vermieden. Das Urheberrecht, nicht das Verlagsrecht, bedürfe hierin einer Änderung. Unter Hinweis auf den ähnlichen Denkmal- und Naturschutz beanspruchte Redner, daß auf Grund des Gutachtens eines künstlerischen Beirates noch vor Ablauf der dreißigjährigen Schutzfrist Parsifal noch auf längere Zeit geschützt werden könne durch kaiserlichen Erlaß, wenn und da sonst das Kunstwerk entwürdigender Verunstaltung anheimfalle. Zu einer Resolution kam es nicht — sollte es auch nicht kommen. Man wollte und sollte sich nur zur Sache äußern. Die sich anschließende lange Diskussion gestaltete sich sehr bewegt.470 Die weiteren Beiträge sind vollständig in der annotierten Bibliographie verzeichnet. Von der ‚Aeolian Grand‘ zum Film Die Kommerzialisierung wurde um die Jahrhundertwende durch neue Medien beschleunigt, die allerdings nicht mehr als Publizistik im engeren Sinne gelten können. ‚Parsifal‘ war sowohl bei den Musikaufzeichnungen wie im Film praktisch von der ersten Stunde an mit dabei. Diese Medien wurden vor allem in den USA verbreitet. Zusammen mit den Aufführungen des ‚Gralsraubs‘ vermittelten sie westlich des Atlantiks für Wagners letztes Werk eine Präsenz, die es in Europa infolge des Bayreuther Aufführungsprivilegs nicht erreichen konnte. 469 Vermutlicher Druck: Georg Lambsdorff: Ist die ‚Parsifal‘-Schutz-Bewegung berechtigt und hat sie aussicht auf Erfolg? (1912). 470 Neue Zeitschrift für Musik 79 (1912), S. 608.

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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Mithilfe ihrer mechanischen Orgeln und Harmonia, ab 1895 auch mit mechanischen Klavieren (u. a. ab 1897 mit dem Pianola), erschloss die 1887 gegründete ‚Aeolian Company‘ einen völlig neuen Musikmarkt. Die Musik wurde erstmals nicht durch Druckwerke, sondern durch Datenträger verbreitet. Diese bestanden aus Papierrollen, die um eine Metallspule gewickelt werden. Für jeden zu spielenden Ton sind Perforationen eingestanzt.471 Die Spule wird die in das Abspielgerät eingelegt; ihren Ablauf kann man durch eine geschlossene Glasscheibe verfolgen. Der Luftstrom wird hinter der Scheibe durch das Papier geführt und über eingestanzte Schlitze geregelt. Die Werbung rühmte das Abspielsystem als kulturelle Großtat: The Aeolian not only satisfies the critical taste of the musically cultured; it cultivates and educates those who are generally considered unmusical. It can be played by any one who is without a technical knowledge of music, and it frequently happens that such people are naturally better musicians than those who have acquired the digital skill necessary to play the piano or kindred instruments.472 Man ging für die ‚Aeolian Orchestrelle‘ noch einen Schritt weiter und annotierte die durchlaufende Papierrolle mit Hinweisen auf Tempi und Orchesterstimmen: Even with this comprehensive, responsive instrument under his control — veritably under his baton—the player may lack the intimate knowledge of orchestration that would enable him to produce the best renditions of good music. To provide this knowledge of orchestration The Aeolian Company has introduced orchestrated music-rolls. In addition to the perforated notes, these rolls have special markings to indicate interpretation. The markings in every case follow the composer’s own orchestration. Where he intended that a passage should be played by the strings, the word „strings“ is printed. Where the horns come in, even for half a bar, they are indicated, and so with the flutes, brasses, and reeds. Where the whole volume of the orchestra is called for, as in Weber’s „Oberon“ overture, which contains the most surprising and loudest crash in all music, the word „Tutti“ is printed, meaning all. As the roll unfolds in the playing, the eye of the performer catches these different designations and by means of the draw-stops he calls upon the different orchestral families to produce the proper effects, just as the conductor of a full orchestra signals with his baton now to the strings, now to the brasses, etc.473

471 Das Prinzip wird durch Abbildungen erläutert bei Kobbé, Lohengrin, S. 34 u. ö. Zum Autor (1857– 1917), der u. a. eine Wagnerbiographie verfasste, vgl. Baker/Remy, Biographical Dictionary 1, S. 472. 472 Mundsey’s Magazine 15 (1898), March. Advertising section. 473 An Orchestra in The Home. Another Advance in the Principle of the Orchestrelle, in: The Smart Set 15 (1905), Heft 4, Advertizer S. [1]-[3].

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‚Parsifal‘-Publizistik

Aber auch die frühen Einspielungen für die ältere ‚Aeolian Grand‘ hatten Hinweise auf Tempi und Dynamik. Die ‚Aeolian Grand‘ war die damals modernste und erfolgreichste mechanische Konzertorgel. Aus der Produktion vom 12.5.1891 liegen mir als Einspielungen auf 25 cm breiten Papierstreifen vor: „Vorspiel“, „Act I: March and Consecration of the Grail“ und „Act II: Scene of the Flowers“.474 Eine ganzseitige Werbung der ‚Aeolian Co.‘ von 1898 listet das beinahe 100 Stücke umfassende Wagner-Repertoire für die Aeolian auf und macht deutlich, welchen hohen Stellenwert Wagner im Gesamtprogramm einnahm: It is a significant fact that among the owners of Aeolians Wagner is the most popular of all the composers, and of all the pieces that have been published for the instrument the Tannhauser overture has had the largest sale.475 Alfred Hertz (1872–1942)476, der in Frankfurt geborene jüdische Dirigent des New Yorker ‚Parsifal‘ von 1903 richtete im Folgejahr auf der Grundlage von Humperdincks vierhändiger Klaviertransskription fast das gesamte Werk für das ‚Metrostyle Pianola‘ ein; von ihm stammte auch die Bearbeitungen für die große ‚Aeolian Organ‘, die der über 500 Seiten umfassende Gesamtkatalog des Unternehmens 1919 verzeichnete477. Ein Agent der ‚Orchestrelle Co.‘ (der europäischen Tochter der ‚Aeolian Company‘) lud Engelbert Humperdinck zu einer Vorführung auf der ‚Orchestrelle‘ in der Berliner Vertretung. Der anfänglich skeptische Humperdinck ließ sich begeistern und verfasste ein Empfehlungsschreiben an Cosima Wagner. Deren Reaktion ist nicht überliefert (sie dürfte allerdings aufgrund der Beteiligung von Hertz kaum positiv gewesen sein478). Das Schreiben wurde jedoch von der ‚Aeolian Co.‘ werbewirksam eingesetzt.479

474 Die Anzeige der Aeolian Co. in Mundsey’s Magazine 15 (1898), March. Advertising section nennt zusätzlich (ohne Angabe des Aufzugs: „Herzliede[!]; Der Schwan“. Am 21.1.1902 wurden die ‚Aeolian Grand‘-Versionen der ‚Blumenmädchen-Szene‘ und das Vorspiel zusammen mit Tschaikowskis ‚Pathétique‘ am Vassar College in Poughkeepsie, NY auf einer ‚Orchestrelle‘ öffentlich aufgeführt, vgl. The Vassar Miscellany 32 (1902), October S. 230. 475 Mundsey’s Magazine 15 (1898), March. Advertising section. ‚Tannhäuser‘ ist mit 17 Stücken Spitzenreiter, es folgt ‚Lohengrin‘ mit 13, die Einzeldramen des ‚Rings‘ kommen jeweils auf 2–4 Stücke. Zum Repertoire gehören nicht nur die Ouvertüre und der „Warrior’s March“ aus dem ‚Rienzi‘, sondern auch die ‚Faust-Ouvertüre‘. 476 Zu Hertz vgl. Baker/Remy, Biographical Dictionary 1, S. 393. – Hertzens Nachlass befindet sich im Musikarchiv der University of California in Berkeley. 477 Es wurden insgesamt 9 Rollen angeboten, vgl. The Aeolian Pipe Organ and Its Music, S. 443–447, allen voran ein Potpourri zur Oper von Samuel Prowse Warren (1841–1915), Sohn eines kanadischen Orgelbauers und Komponist. 478 Baker/Remy, Biographical Dictionary 1, S. 393 über die Konsequenzen der szenischen ‚Parsifal‘Auf­führung in New York: „Because of this ‚desecration‘ not only Bayreuth but all German operahouses have been barred to him.“ Humperdinck muss anderer Meinung gewesen sein; jedenfalls fand 1910 die Welturaufführung seiner Oper ‚Die Königskinder‘ an der MET unter der Leitung von Hertz statt. 479 Humperdincks Brief in englischer Übersetzung bei Jung, Artistic Triumphs S. 42.

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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Die Werbung im Magazin ‚The Smart Set‘ von 1905 verkündete bereits den Zugang zum ganzen ‚Parsifal‘: „The music of ‚Parsifal‘ in the orchestrated rolls, tells the whole story of the guileless fool.“480 Um einerseits vom amerikanischen Hype zu profitieren, andererseits aber die Bayreuther Regeln einzuhalten481, hatte Felix Mottl die Leitung der New Yorker Aufführung abgelehnt; er spielte aber am 2.6.1907 einige Partien aus dem ‚Parsifal‘ für das Reproduktionsklavier ‚Welte-Mignon‘ der Firma ‚Welte und Söhne‘ (Freiburg/ New York) ein, nämlich: „Vorspiel“, „Karfreitagszauber“, „Verwandlungsscenen“.482 Doch griff das neue Medium des Films bereits nach dem ‚Parsifal‘. Hervorzuheben ist die von der ‚Edison Manufactoring Company‘ vertriebene zwanzig Minunten dauernde Verfilmung der Oper aus dem Jahre 1904.483 Regie führte Edwin S. Porter, Darsteller waren Robert Whittier (Parsifal) und Adeleide Fitz-Allen (Kundry). Der Preis einer Filmkopie lag bei 1234,34 Mark.484 Eine Ankündigung in der Presse lautet: ‚Parsifal‘ im Kino. Während man bei uns in Deutschland sich darüber streitet, ob der ‚Parsifal‘ für die Bühne freigegeben oder Bayreuth verbleiben soll, sind die rührigen Amerikaner bereits an eine ganz andere Frage der Popularisierung des ‚Parsifal‘ herangegangen. Sie machen sich jetzt daran, den ‚Parsifal‘ kinematographisch zu verwerten. Die Szenerie soll ganz nach dem Bayreuther Vorbilde ausgestattet werden, um eine möglichst getreue Nachbildung der Uraufführung des ‚Parsifal‘ im Kino geben zu können. Den erwartungsvollen Besuchern werden zehn großartige Bilder versprochen, in denen sich die ganze Handlung abspielt, und zur Darstellung der Hauptrollen will man erstklassige Schauspieler engagieren. Natürlich wird die begleitende Musik der Wagnerischen „Oper“ entnommen sein. Hübsch ist, wie die „Deutsche Musikerzeitung“ bemerkt, die Anmerkung in der Ankündigung, dass die Aufnahme „dichterisch und weihevoll“ vor sich gegangen sei.485

480 An Orchestra in The Home S. [3]. 481 Das Verhältnis zwischen Cosima und Mottl war seit den Münchner Wagner-Festspielen stark beeinträchtigt, Mottl dirigiert aber dennoch in Bayreuth den ‚Tristan‘. Vgl. Cosimas Brief an Blandine vom 19.10.1908, in: Cosima Wagner, Das zweite Leben S. 710 f. 482 Welte-Mignon-Reproduktionsrollen Nr. 1346, 1350 und 1354. Olga Zeise (1864–1945) fügte 1914 als Nr. 3018 „Sketches on Themes of Forest-Weaving from Parsifal“ hinzu. Angaben nach: Verzeichnis der Welte-Mignon-Reproduktionsrollen, [Datenbank des] Augustinermuseum. Museum für Kunst und Kultur am Oberrhein, Freiburg [. 493 Wündisch, Urheberrecht S. 82. 494 ‚Richard Wagner. Eine Filmbiographie anläßlich des 100. Geburtstages des großen Meisters‘ von William Wauer und Carl Froelich (1913) mit Guiseppe Becce als Wagner. Es werden von allen Wagner-Opern Kurzfassungen eingeblendet. 495 Guiseppe Becce (1877–1973) war nicht nur Darsteller der Titelrolle sondern steuerte auch die Filmmusik bei. Er arbeitete später u. a. mit Leni Rieffenstahl zusammen (‚Das blaue Licht‘, 1932, ‚Tiefland‘ 1940–1944, Freigabe 1954).

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‚Parsifal‘-Publizistik

Chamberlains ‚Parsifal-Märchen‘ Neben der Behandlung in seinem ‚Wagner‘-Buch von 1895 und der ideologischen Verformung in der 1905 erstmals publizierten ‚Arischen Weltanschauung‘ hat Houston Steward Chamberlain mit dem ‚Parsifal-Märchen‘ dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ auch eine literarische Bearbeitung gewidmet, die in ihrer märchenhaften Einkleidung die antiseimitische Rigorosität seines Weltbilds verbirgt.496 Er berichtet im Vorwort zur zweiten Auflage von 1913497 kurz über die Vorgeschichte: Diese drei Erzählungen sind zuerst in den ‚Bayreuther Blättern‘ erschienen (Jahrgänge 1892, 1893, 1894). Zu Weihnachten 1899 veranlaßte eine hohe Gönnerin eine Prachtausgabe in beschränkter Anzahl, die seit lange vergriffen ist. Auf vielfachen Wunsch erscheint jetzt dieser Neudruck des inzwischen gründlich umgearbeiteten Textes. Ursprünglich waren die Parsifal-Märchen für ein begabtes, sinniges Kind geschrieben, Manfred Graf Gravina 498, jetzt Kapitänleutnant in der Königl. Italienischen Marine. Bayreuth, Herbst 1913. Bei der „hohen Gönnerin“ handelte es sich um Marie Gräfin Zichy499. Offiziell widmete Chamberlain die ‚Prachtausgabe‘ allerdings „Ihrer Königlichen Hoheit der Durchlauchtigsten Frau Erbgrossherzogin Elisabeth von Oldenburg“500, die in späteren Ausgaben keine Erwähnung mehr fand501 – wie umgekehrt Graf Gravina erst ab der 2. Auflage als ursprünglicher Adressat auftrat und in der 4. Auflage von 496 Außerhalb der Märchenwelt formuliert Chamberlain unzweideutig. Vgl. Chamberlain, Kant, S. 854 f. „Um Kant zu verstehen, müssen wir also vor allem die ganze schwere Last an angeerbten und angelernten jüdischen Vorstellungen ein für allemal von uns abwälzen; Kant’s Religionslehre, so wissenschaftlich nüchtern sie auch auftritt, ist ein wahrer Jungbrunnen, aus dem wir gebadet und endlich – nach Jahrtausenden! – von den semitischen Wahngedanken gereinigt hervorgehen.“ 497 Zu dieser Auflage mit 1000 Exemplaren Vanselow, Werk Nr. 38, Bohnenkamp BW Kassner/Camberlain S. 493, zur 4. Aufl. 1923 Vanselow, Werk Nr. 97. 498 1883–1932, das älteste Kind der Eheleute Biagio und Blandine Gravina, die in Internaten aufgewachsene Tochter von Cosima und Hans von Bülow. Manfredi Gravina vertauschte später die militärische Karriere gegen eine diplomatische und amtierte 1929 bis 1932 als Hoher Kommissar des Völkerbundes in der Freien Stadt Danzig, wo er auch starb. 499 Bohnenkamp, BW Kassner/Chamberlain S. 492f., zur Gräfin (1868–1930), geb. Gräfin Wimpffen, in erster Ehe verheiratet mit dem k.u.k. Gesandten in Bayern, Graf Theodor Zichy de Zich et Vásonkeő (1847 – 1927), 1905 in zweiter Ehe mit dem Maler und Kunstsammler Julius Vegh von Vereb (1870– 1951), ebd. S. 64, Bermbach, Chamberlain S. 206 und 304, Fritz, Chamberlain S. 370 und 399. 500 Elisabeth zu Mecklenburg, seit Juni 1900 Großherzogin v. Oldenburg (1869–1955), vgl. Fritz, Chamberlain S. 242–244. 501 Chamberlain trieb ein merkwürdiges Versteckspiel mit den ‚Patinnen‘ des Werkes („drei edle Frauen“); sie werden nur im Vorwort der ‚Prachtausgabe‘ von 1900 erwähnt, aber nur Elisabeth von Oldenburg namentlich; „die beiden anderen Namen sollen nicht genannt werden, weder derjenige der wollenden, schaffenden, gestaltenden Freundeskraft, noch derjenige der erlauchten Frau, welcher Liebe und Verehrung die kleine Gabe als Festgeschenk zugedacht haben.“ Da aus anderen Quellen Maria Gräfin Zichy als Förderin bekannt ist, wird es sich bei der dritten Person um Maria Gräfin Oettingen-Wallerstein (1861–1913, geb. Waldbott von Bassenheim) handeln, in deren Salon Chamberlain verkehrte (vgl. Bermbach, Chamberlain S. 206).

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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1923 als einzige Referenzperson verblieb. Diese limitierte Vorzugsausgabe erschien in der Münchner Verlagsanstalt Bruckmann, die später als Förderer Hitlers und der NSDAP hervortrat502 und bereits 1897 Ottmar G. Flüggen503 ‚Parsival. Szenenweise Erläuterung der Handlung‘ mit 16 Seiten herausgebracht hatte, sich aber vorläufig vor allem durch den Vertrieb von Chamberlains Werken positionierte504. Die ‚Prachtausgabe‘ des ‚Parsifal-Märchens‘ erhielt eine Auflage von 330 Exemplaren, von denen die ersten 30 auf „alt-japanischem Büttenpapier“ gedruckt wurden; das zweifarbige Titelblatt zierte eine Schmuckinitiale „P“[arsifal-Märchen] in Golddruck, als Schrift diente eine moderne Bastarda. Das Werk besteht aus drei Novellen, die die Handlung des ‚Bühnenweihfestspiels‘ aus der Erinnerung Revue passieren lassen.505 Udo Bermbach betonte, wie sehr der Stil dieser Märchen die sakralisierenden Tendenzen des ‚Parsifal‘-Verständnisses von Bayreuth aufnahm, wie sehr Chamberlain hier an jenem ‚Tempeldienst‘ mitwirkte, der den Bayreuthianern der Jahrhundertwende und der Jahre bis in das Dritte Reich hinein ihren sektiererischen Anstrich verpasste.506 Die drei „Märchen“ orientieren sich an den christlichen Hochfesten und wollen die zehn Jahre umreissen, die dem Gralskönig Parsifal nach Chamberlains Vorstellung vergönnt sind: „Parsifal’s Christbescherung, ein Weihnachtsmärchen“, „Parsifal’s Gebet, ein Ostermärchen“ und „Parsifal’s Tod, ein Pfingstmärchen“. Mit seiner kalendarischen Verortung bewegt er sich bereits außerhalb der Bilderwelt der Oper, die von allen kirchlichen Feiertagen ja nur den Karfreitag gelten ließ. Inhaltlich ist das Werk anspruchslos. Es verherrlicht neben dem Titelhelden dessen Pferd Allat (das bei Wagner nie erwähnt wird), betont insgesamt den Wert der Tierliebe und konstruiert schließlich in Lohengrin einen Vollender der ‚Reinheit‘ und damit einen Über-Parsifal. Selbst als Gralskönig mochte Chamberlain Herzeleides Kind die Mitschuld am Tod der Mutter nicht vergeben. Diese kultische Askese steht in merkwürdigem Kontrast zu der Welt der Münchner literarischen Salons, aus der seine ‚Patinnen‘ stammten, die alsbald auch durch Affären und Scheidungen von sich reden machten. Vielleicht ist dies der Grund, warum Chamberlain sie ab der dritten Auflage nicht mehr im Vorwort erwähnte.

502 Görtemaker, Hofstaat S. 84–87. 503 Münchner Theaterkritiker (1840–1902). Sein Hauptwerk war das ‚Biographische Bühnen-Lexikon der deutschen Theater: von Beginn der deutschen Schauspielkunst bis zur Gegenwart zusammengestellt‘ (1892, ebenfalls bei Bruckmann). 504 Fritz, Chamberlain S. 189. 505 Allen, Weihe des Hauses S. 261. Bermbach, Chamberlain S. 300 f. 506 Bermbach, Chamberlain S. 300.

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‚Parsifal‘-Publizistik

Gerhart Hauptmanns ‚Parsival‘ In einer merkwürdigen, wenngleich nicht intendierten, Wechselwirkung zu Chamberlains ‚Parsifal-Märchen‘ steht die 1914 veröffentlichte Jugend-Erzählung ‚Parsival‘ von Gerhart Hauptmann (1862–1946). Hauptmann befand sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere, war aber doch schon Träger zahlreicher Auszeichnungen und Preise. Auch er fokussierte das Verhältnis seines Helden zur Mutter und maß ihm die Hauptschuld an ihrem Tod bei, ließ ihn aber gleichzeitig auf der Suche nach dem Vater – hier: der Fischerkönig – umherirren.507 Der Sohn Lohengrin wurde von Hauptmann wie bei Chamberlain als Kontrast aufgebaut; ja Hauptmann widmete ihm eine zweite Erzählung, die ein Jahr vor dem ‚Parsival‘ erschien (1913). Beide wurden zusammen als ‚Gralphan­ta­ sien‘ bezeichnet. Obschon die Abhängigkeit von Wagners ‚Bühnenweihfestspiel‘ überall erkennbar ist, sucht Hauptmann sich doch durch Übernahme von mittelalterlichen Erzählelementen zu distanzieren (etwa durch die Wiedereinführung der Blancheflour anstelle der Kundry) und kommt zu einer eigenen, sprachlich und bildlich unabhängigen Gestaltung.508 Die Gestalt des Gralssuchers wird universell, weil nicht nur der Titelheld, sondern auch zahlreiche Nebenfiguren darin ihren Lebensinhalt finden. Neben den üblichen Orten aus der ‚Perceval‘/‘Parzival‘-Handlung führt Hauptmann den Titelhelden sogar in eine Bibliothek. Da sagte Blancheflour: das sollt ihr nirgends anders als hier in der alten Bibliothek meines Schlosses tun, wo auch die Handschriften über den heiligen Gral zu finden sind, die auch meinen Oheim Gornemant zu seinem Zuge ins heilige Land veranlaßten. Er saß vergraben in diese Handschriften, nicht nur ein Jahr, sondern Jahre lang, und Nächte durch konnten die Wächter auf den Türmen und in den Gassen der Stadt das Licht im Söllerfenster hier oben sehen, wo der einsame Mann dem Geheimnis des Grales nachforschte. Ich kann keinen Buchstaben lesen, sagte da Parsival. Um so besser, sprach Blancheflour, dann will ich euch vorlesen.509 Damit hat sich Hauptmann weit von Wagner entfernt – auch wenn es sich bei diesen Handschriften nicht um Wissensliteratur, sondern (im fernen Nachhall der Poesie eines Heinrich von Ofertingen) um romantische Herzerwärmung und sublimierte Erotik handelt, die sich beim Studium eines aus der Bibliothek geholten „Pergaments“ Bahn bricht:

507 Vgl. Dussère, Hauptmann’s ‚Parsival‘. 508 Dieses Vorgehen findet eine Parallele in dem Versdrama ‚The Birth of Parsival‘ von Robert Calverly Trevalyan von 1905, vgl. Brown, Forster’s ‚Parsifal‘ S. 30 f. 509 Hauptmann, Parsival, 9. Kapitel, S. 86 f.

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,Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘ (1900–1914)

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Es waren da gewisse Mysterien, Blancheflour ebenso neu, wie Parsival, weshalb sie beide gemeinsam, fast Wange an Wange, ihre Gesichter über die Schrift beugten. Oft waren sie gar nicht ernst, und die Buchstaben wurden unter den Tränen, die sie lachten und unter dem Geringel seiner und ihrer Locken, die sich über dem Buche vermischten, unsichtbar.510 In der Bibliothek des Gornemant treffen die Königin und Parsival jedoch auf Vertreter einer orientalischen Weisheit, indem Hauptmann hier Wolframs Andeutungen über die arabische Herkunft des Gralswissens mit der romantischen Synthese des Morgen- und Abendlandes verbindet, wie sie Novalis vorschwebte. Mit beidem: der offenen Erotik und dem Ethnopluralismus rückt Hauptmann gänzlich von Wagner ab, die Erzählung wird geradezu zum ‚Anti-Parsifal‘: […] die Königin fürhte ihn in die Bibliothek, die ein sehr weitläufiges, altes Gewölbe war. Es waren da, von Buchgelehrten bewacht, viele kostbare Codices aufgespeichert. Ein würdiger Weißbart verbeugte sich vor der Königin und führte das Paar in einen abgelegenen und kapellenartigen Raum, der von sonderbaren Ampeln, wie man sie in Moscheen sieht, mystisch erleuchtet wurde. Hier erhob sich ein alter, würdiger Araber in grünem Turban, mit langem, weißen Bart, von einem mit einer Leselampe besonders erhellten grünen Tisch, wo er eine alte arabische Handschrift aufgeschlagen hatte. 511 Parsival hält den Gelehrten fast „für den lieben Gott“, doch sagte der Buchgelehrte, wie es sich hier um einen arabischen Forscher und Weisen handele, der seit mehr als siebzig Jahren alle vorhandenen Pergamente nach dem tiefen Geheimnies des Grals durchforsche, ein Geheimnis, das er mit der Bibel der Mohammedaner, dem heiligen Koran, in Einklang setzen wolle.512 Angesichts der Publikationsflut zu ‚Parsifal‘ und den darin ausgeformten Spekulationen gerade des Jahres 1914 kommt der Reaktion von Königin und Parsival eine werkübergreifende Dimension zu: Sowohl Blancheflour als Parsival sank der Mut, als man ihnen die endlosen Bücherreihen zeigte, deren Bände alle vom heiligen Gral handelten. Man hätte, um durchzukommen, sicherlich mehrere hundert Jahre gebraucht, wenn man Tage und Nächte einzig und allein auf Lesen verwendet hätte.513

510 Hauptmann, Parsival, 10. Kapitel, S. 91 f. 511 Hauptmann, Parsival, 10. Kapitel, S. 94 f. 512 Hauptmann, Parsival, 10. Kapitel, S. 95. 513 Hauptmann, Parsival, 10. Kapitel, S. 95 f.

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Doch die Akzeptanz der intellektuellen Abkunft der ‚Gralsgeheimnisse‘ führt auch Hauptmann nicht aus der mystischen Grundhaltung heraus. Der Weg zum Gral kann nicht durch Wissen und Rationalität gefunden werden. Derselbe Araber, diesmal mit weißem Turban, wird es Parsival später am Grab der Blancheflour erläutern: Was mich betrifft, ich bin heute hundertundzwanzig Jahre alt, älter als wie die Sterndeuter voraussagten und wenn Blancheflour noch ein Jahr gelebt hätte, so hätte ich sie mit verbundenen Augen den Weg zum Gral zu führen gewußt. Denn, mußt du wissen, sie grübelte, seit du fort bist, nur immer über den Weg zum Gral, leider nicht aus dem reinen Grunde, das heilige Wunder des Herrn zu finden, sondern, armer Parsival, um dich wiederzusehn. Ich wußte es aus den Planeten, aber ich habe es Blancheflour nie gesagt, du würdest am dritten Tage nach ihrem Tode, ohne den Gral gefunden zu haben, zurückkehren.514 ‚Parsival‘ ist ein Jugendbuch, das Hauptmann „meinem zwölfjährigen Sohn Benvenuto515 gewidmet“ hat; die Illustrationen zur Erstausgabe besorgte Ferdinand Staeger (1800–1976)516, der bis 1908 vornehmlich in Böhmen tätig war, anschließend aber nach München übersiedelte. Später wird er sich mit Kriegs- und Landser-Bildern an den ‚Großen Deutschen Kunstausstellungen‘ im Münchner ‚Haus der Deutschen Kunst‘ beteiligen. Die unübersichtlichen ganzseitigen Rätselbilder zu Hauptmanns Erzählung zeigen den Einfluss oder wenigstens die Kenntnis der Gralswelten von Franz Stassen und Will Pogány, entfernt auch Aubrey Beardsley. Hauptmann grenzte sich schon durch die Schreibweise des Namens von Wagner ab. Anstelle der Erotik bestimmen Selbstfindungs- und Elternkonflikte die Handlungen der Personen, allerdings bleiben sie im Nirgendwo verortet, die Gralssuche wird zu einem esoterischen Ritual.

Nach der Freigabe Programmhefte des Jahres 1914 Die Freigabe der Oper bewirkte, dass ‚Parsifal‘ an allen größeren Theatern der Höhepunkt der Spielsaison des Jahres 1914 wurde. Wie zuvor die ‚Gralsräuber‘ sahen sich auch diese Häuser verpflichtet, die Neuinszenierung mit besonderer Weihe und religiösem Ernst anzugehen, wobei die qualitative Äquivalenz zur Bayreuther Bühne ebenso betont wurde wie der pädagogisch-ästhetische Impuls, den man sich 514 Hauptmann, Parsival, 14. Kapitel, S. 126. 515 1900–1965 516 Wessely, Staeger; Kinz, Malerei, S. 319.

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von der Aufführung versprach. Bremen und Köln verzichteten wohl nicht zuletzt deshalb auf Werbung in ihren Programmheften. Die meisten Einführungsessays bewegten sich nah an der Bayreuther Publizistik. Es wurde zumeist ein Abriss der Entstehungsgeschichte gegeben, dem die Präsentation der Leitmotive (nach Wolzogen) und eine Skizze der Handlung folgten. Die Betonung christlicher oder sagengeschichtlicher (meist keltischer) Motive schwankte, meist wurde allerdings die Moderne – insbesondere alles, was mit einer ‚Psychopathia sexualis‘ verbunden werden konnte – vollständig ausgeblendet. Das Heft des Bremer Stadttheaters, dessen ‚Parsifal‘-Premiere unmittelbar auf den 1.1.1914 angesetzt war517, wurde mit Texten des Zürcher Journalisten Eduard Trapp angereichert, der in seiner Heimatstadt bereits 1913 über den ‚Parsifal‘ geschrieben hatte. Doch wo er im Begleittext vergleichsweise konventionell blieb, wagte der künstlerische Gestalter mehr. Es handelte sich um den Niederösterreicher Bernd Steiner (1884–1933), der als Bühnenbildner des Theaters tätig war und auch das Plakat für die Internationale Kunstausstellung der Kunsthalle Bremen 1914 geschaffen hatte518, das die gleiche goldene Jungendstiltype (Grotesk) für den Text verwendete wie der Umschlag des ‚Parsifal‘-Heftes. Die szenischen Entwürfe waren impressionistisch, besonders der Graltempel (S. 23) hatte alles Gotische verloren und wirkte als großer „Saal, der sein Licht durch eine offene Kuppel empfängt“519, also wie ein karg ausgestattetes Pantheon ohne Portikus. In den Bereich der Moderne wagte sich auch der bis 1913 in Köln wirkende Bühnenmaler Hans Wildermann.520 Er hatte schon in jungen Jahren eine Szenenfolge zum ‚Parsifal‘ gezeichnet, die aber erst 1922 veröffentlicht wurde.521 Für das Programmheft der Kölner Erstaufführung entwarf er zwei Stiche: Eine Engelserscheinung mit Taube, Speer und Gral für den Umschlag und einen Gralstempel für die Rückseite des Titelblatts. Der Tempel wurde vermutlich nach dem Vorbild der ‚Sala Ottagona‘ aus der ‚Domus aurea‘ in Rom gestaltet: Das Bild zeigt einen Kuppelraum mit 517 Damit war Bremen nicht allein; bereits um Mitternacht hatte die erste Vorstellung im Gran Teatre del Liceu in Barcelona begonnen, in Deutschland folgten im Laufe des Tages Charlottenburg, Breslau und Kiel, in der Donaumonarchie Prag und Budapest. Vgl. Walter Scharfenecker: Vor 100 Jahren: „Parsifal“ aus dem Bayreuther Verlies befreit, Neue Musikzeitung (nmz) online, 27.11.2013 . Zu wei­ te­ren frühen Aufführungen Syer, Parsifal on Stage S. 293–296. 518 Nach einer schweren Verwundung im Ersten Weltkrieg kehrte er nach Wien zurück, um in den 20. Jahren wieder in Norddeutschland zu arbeiten, u. a. für den Norddeutschen Lloyd. 1920 erregte er Aufsehen mit einem antisemitischen Wahlplakat für die Christlichsoziale Partei bei den österreichischen Nationalratswahlen. Vgl. Ch. Maryška: Steiner, Bernd, in: ÖBL 13 (2007–2010), S. 167f. 519 So Trapp ohne Hinweis darauf, daß die Szene hier vom Bayreuther Vorbild abweicht. 520 Bühnenbildner und Zeichner (1884–1954), 1907–1911 am Kölner Stadttheater. 1926 Professor an der Kunstakademie in Breslau. Seit dieser Zeit publizierte er bei dem Regensburger Musikbuchverleger Gustav Bosse (1884–1943), der sich 1933 in den Dienst des Nationalsozialismus stellte. 521 Wildermann, Parsifal. Vgl. Rückseite des Titelblatts: „Die Parsifal-Zeichnungen Hans Wildermann’s entstanden in den Jahren 1904 und 1905, im 21. Lebensjahr des Künstlers.“ Der 1914 für die Kölner Aufführung geschaffene Stich des Graltempels ist nicht darunter.

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Lichtauge und Altarkonche, in deren Abschluss eine nicht identifizierbare Kultfigur aufgestellt ist. Die nach Bayreuther Vorbild im Halbkreis arrangierten Tische der Gralsritter umschließen einen Marmorboden mit einem Dodekagramm; als Motto ist dem Stich die Zeile „Dem Heiltum baute er das Heiligtum“ beige­ge­ben. Den Text des Heftes schrieb der Komponist und Musikschriftsteller Otto Neit­zel (1852–1920).522 Er hatte schon 1904 eine Einführung in Wagners Opern veröffentlicht, die dem Libretto folgend unter Einbindung von Musikbeispielen eine Interpretation der Handlung vornahm und insofern weitgehend textimmanent blieb, aber ab und zu doch die zugrunde liegende Ideologie durchblitzen ließ.523 Mit der Figur der Kundry tat er sich im Heft der Kölner Aufführung schwerer als in seinem Opernführer, sie war für ihn „nur noch mehr Buhlerin, darauf erpicht, eine Stunde Lust von dem jugendstrotzenden Knaben zu gewinnen. Sie zermartert ihr Hirn in kühnsten Gespinsten [.] Unterdes meint es der Himmel gnädiger mit ihr, als sie es nach ihren letzten krausen Gedankensprüngen und logischen Schlingfallen verdiente“524; und aus solchen Beobachtungen entwickelte Neitzel tatsächlich seine eigene mysogyne ‚Psychopathia sexualis‘: Man wird jeden Zug der Kundry als weiblich verstehen, ohne sie doch als den Typus des Weibes zu bezeichnen. Wohl ist sie der Typus der Frivolität, eine Doppelnatur zwischen Erlösungssehnsucht und immer wieder emporlodernder Lasterhaftigkeit. So ist sie eher die überlebensgroße Ausartung des Weibes im guten wie im bösen Sinne, ungemein menschlich-weiblich, aber eben doch ein Ausnahmetypus, wie ihn die Kunst gebraucht, um die Abgründe der Seele zu enthüllen und um die scharfen Gegensätze zu zeichnen, deren Ausgleichung die Hauptaufgabe jedes Dramas bildet.525 Dazu im Gegensatz steht für Neitzel „der alte kernige Tempelwart Gurnemanz! Ist er nicht das personifizierte Gralsrittertum im gutbürgerlichen Sinne?“526 Das Nürnberger Stadttheater brachte ein großformatiges Heft heraus, dessen Seiten wie bei einer Illustrierten mit Werbung durchsetzt waren: Neben einer Korsettfabrik und Hotels warben auch ein Grammophon-Spezialhaus mit ‚Parsifal‘-Einspielungen und der „k. u. k. Hoflieferant Gg. Leykauf, geg. der Lorenzkirche“ mit Merchandising: „Original-Gralskelche … Parsifal-Figuren (echt Bronze) … ParsifalGralsglocken, genau abgestimmt, geben das Gals-Motiv … Parsifal-Brochen“ (Broschen). Ein bombastisches Titelblatt verkündete unter einer Bordüre mit WagnerVignette in einer 11 pt.-Fraktur die „Parsifal-Festspiele im Stadttheater Nürnberg“. 522 Vgl. Hans Engel: Otto Neitzel, in: Pommersche Lebensbilder 1 (1934), S. 391–394. 523 So heißt es bei Neitzel, Richard Wagners Opern S. 286 über Kundry: „Das heroisch keusche Parsifal-­ Motiv ertheilt ihr darauf die rechte Antwort. Ihren Gesang durchzieht girrend das lüstern gestaltete Sorge-Motiv.“ 524 Neitzel, Zur Aufführung S. 10. 525 Neitzel, Zur Aufführung S. 11. 526 Neitzel, Zur Aufführung S. 15.

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Die mit Künstler-Portraits angereicherten Textbeigaben stammten von Theatermitarbeitern, zum Beispiel dem Bühnenbildner F. Weil und dem Kapellmeister Robert Heger. Die Handlungsbeschreibung, der eine minimalistische Werkgeschichte angehängt ist, wurde mit „C. W.“ gezeichnet. Weils Bericht über „Die Vorarbeiten zu ‚Parsifal‘“ sind von besonderem Interesse, da sie die Hintergründe der Inszenierung erkennen lassen. Weil betonte, es sei ein Märchen, „daß nur Bayreuth im Stande ist, die für ‚Parsifal‘ nötige Stimmung zu erzeugen.“ Er glaubte sogar, die Gralsglocken mit neuer Technik klangvoller eingerichtet zu haben und auch die Wandeldekoration mittels neuer Motoren und „durch das Einschalten von Widerständen nach dem Sang der Musik“ eindrucksvoller geben zu können. „10.000 Blumen wurden angefertigt, die beim Einsturz des Zaubergarten[!] die Luft durchwirbeln und für die eine besondere Fallvorrichtung konstruiert werden mußte“. Das Dresdener Hoftheater stellte die zweite Hälfte der Spielzeit 1913/14 seines Opernhauses unter das Zeichen Richard Wagners. Neben dem ‚Parsifal‘ gab man den kompletten ‚Ring‘. Das Programmheft zu ‚Parsifal‘ präsentierte einen Aufsatz des Dresdner Musikkritikers und Komponisten Eugen Thari (1870–1925)527 über die Leitmotive der Oper und zahlreiche Künstler- und Kostümbilder, die im Photo­studio aufgenommen wurden. Die Bilder lassen eine an Bayreuth orientierte steife tableauartige Personenregie vermuten, die „erhaben“ wirken sollte. Die aufwändige Ausstattung wird durch sehr aufdringliche Werbung ermöglicht. Eine Übersicht über die neuen deutschen Inszenierungen versuchte der Mannheimer Theaterwissenschaftler Ernst Leopold Stahl (1882–1945) für ‚Velhagens & Klasings Monatshefte‘ in der Märznummer 1914. Er, der zwei Jahre später den ‚Verband zur Förderung des deutschen Theaterkultur‘ mitbegründen sollte528, redete hier einer modernen Inszenierung das Wort: „Richard Wagner ist im Zeitalter der His­torienmalerei groß geworden, deren Stil sich auch den Theaterdekorationen dieser Periode allzu deutlich aufprägte“529, der die amerikanischen Inszenierungen auch alle gefolgt seien, wohingegen Zürich einen Neuanfang gewagt habe.530 Er gibt farbige Illustrationen aus Berlin und Köln, die auch die dortigen Inszenierungen als deutlich wagemutiger erkennen lassen als die zeitgleiche Bayreuther Traditionsauf­ führung. Ein mit „P. W.“ signierter Beitrag aus der Redaktion demonstriert dies an der aktuellen Inszenierung im ‚Deutschen Theater‘ in Berlin-Charlottenburg531, die sich in den Kostümen und dem Bühnenbild stark dem Jugendstil zugewandt hatte. Das eindrucksvollste Druckwerk entstand für die ‚Parsifal‘-Premiere des ‚Théâtre de la Monnaie‘ in Brüssel. Es hatte mit einem bejubelten ‚Lohengrin‘ unter Hans 527 Thari setzte sich 1906 für Arbeitergesangvereine ein und forderte eine höhere Bewertung zeitgenössischer („lebender“) Komponisten, z. B. im Aufsatz Pianisten-Programme, in: Die Musik 4 (1904/05), S. 101–107. Später veröffentlichte er lobende Rezensionen der Opern von Korngold und Strauss. 528 Vgl. Stolzenberg, Stahl. 529 Stahl, Inszenierung S. 324. 530 Stahl, Inszenierung S. 326. 531 W., Parsifal in Berlin.

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Richter im Jahr 1870532 und mehr noch mit der Welturaufführung des ‚Fervaal‘ von Vincent d’Indy (1851–1931)533 am 12. März 1897 seinen Ruf als Zentrum des westeuropäischen Wagnérisme herausgestrichen und ab 1900 unter der gemeinsamen Leitung von Maurice Kufferath534 und Guillaume Guidé (1859–1917)535 weiterentwickelt. Ein achtzehnköpfiges Komitee unter Leitung des belgischen Kultusministers und späteren Premierministers Prosper Poullet (1868–1937)536 begleitete die beiden Direktoren bei der Brüsseler ‚Parsifal‘-Premiere; es wurde ein aufwändiges Begleitheft im Quartformat erstellt und eine von Godefroid Devreese (1861–1941)537 gestaltete Gedenkmedaille mit 75 mm Durchmesser geprägt, die auf der Vorderseite Parsifal mit dem Kelch und auf der Rückseite mit den Blumen­ mädchen zeigte. Das bei J. B. Goosens in Brüssel verlegte Heft stellt eine bibliographische Besonderheit dar: Es sollte von seinen Besitzern zerlegt werden. Es setzte sich zusammen aus einem 27-seitigen Aufsatz von Kufferath über den ‚Parsifal‘ und 25 Bildtafeln mit Portraits und Szenenbildern der Brüsseler Inszenierung. Ein lose beiliegendes Blatt erläuterte, wie diese Teile durch den Buchbinder in die 1914 bei Breitkopf & Härtel erschienene ‚Partition française‘ mit dem Text von Gautier und Kufferath eingebunden werden sollten. Die Titelei des Gedenkheftes sollte zur Titelei des neuen Gesamtwerkes werden, während das Titelblatt der Partitur erst hinter dem Aufsatz von Kufferath zu platzieren war. Kufferaths Einleitung war sorgfältig recherchiert und präsentierte im wesentlichen Äußerungen Wagners über sein Werk, soweit sie 1914 durch die Bayreuther Forschung bereits publiziert waren. Weder bei der Deutung des Grals noch der Personen ging Kufferath eigene Wege. Auf den letzten Seiten bekannte er sich zu einer moderaten Freigabe der Oper, indem er sie zwar auf allen Bühnen, aber nur für besondere, dem Repertoire enthobene, Anlässe reservieren wollte. Die photographierten Einzelszenen lassen in den Bühnenbildern impressionistische Einflüsse erkennen. Der Graltempel hat die durch Bayreuth standardisierten drei Säulenbögen hinter dem Altar verloren, wir sehen eine arkadengezierte Kuppel über einer quadratischen Halle. Während die Szene des ‚Karfreitagszaubers ‘ sich 532 Glasenapp, Leben Richard Wagners 4, S. 319 f. 533 Zum Einfluß des ‚Parsifal‘ auf diese Oper vgl. Thomson, Vincent d’Indy S. 47 f. 534 1852–1919, belgischer Musikkritiker, Dirigent und Cellist, ab 1900 Direktor des Théâtre de la Monnaie in Brüssel. Zu ihm vgl. MGG 7 (1958), Sp. 1869f, MGG online (Albert Van der Linden, article?id=mgg07600); zum Wagnérisme in Brüssel: Manuel Couvreur: La monnaie wagnérienne, Bruxelles: Univ. libre de Bruxelles, 1998. 535 Stefaan Verdeghem: ‚Le poète du hautbois‘. Guillaume Guidé (1859–1917), in: The Double Reed 31 (2008), S. 121–124. 536 Katholischer Abgeordneter und Anhänger des ‚mouvement flamand‘, 1925/26 Premier einer Koalition aus Katholiken und Sozialisten. 537 Jugenstilkünstler, der bereits 1909 eine Medaille mit den Portraits von Kufferath und Guidé geschaffen hatte. Das Exemplar der ‚Parsifal‘-Medaille des Britischen Museums träge die Signatur 2004,0506.6.

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eng an die steife Bayreuther Sakralität anlehnte, ließ die Beschwörung der Kundry durch Kling­sor den Einfluss des zeitgenössischen Stummfilms erahnen. Insgesamt zeigte sich, wie Kufferath auch andeutete, die Inszenierung moderner und lebendiger als das Bayreuther Original. Ein frei verfügbares und preiswertes Programmheft für das französisch sprechende Publikum brachte die Pariser Wochenzeitschrift ‚La Petite Illustration‘ zum 3. Januar 1914 heraus, die sich gleichermaßen an die Besucher der Pariser wie der Brüsseler Premieren richtete. Auf 17 Bögen wurde das Libretto in der von Kufferath und Gautier erstellten französischen Fassung in 6  pt. und zweispaltig für die Gesangstexte abgedruckt und mit Photographien bzw. Photogravuren aus den Inszenierungen in Bayreuth, Paris und Brüssel angereichert; der liberale Journalist Gérard Harry (1856–1931)538 aus Brüssel steuerte eine 1 1/3 Seiten umfassende Einleitung bei, die dreispaltig gesetzt wurde. Wagners Absicht sei es, so Harry, de mettre directement en scène Jésus effectuant, par le renoncement et le martyre, la rédemption d’une humanité egoïste et dépravé, et cette rédemption devenant visible par la purification finale de la pécheresse Marie-Madeleine et par les egs du saint sang régénateur á la société.539 Während Parsifal ohne weitere Erklärung als „Jésus redivivus“ angesprochen wurde, erschien Kundry als „incarnation de l’éternel démon feminin“.540 In vieler Hinsicht war diese Deutung politischer als jene von Kufferath: Wagners Regenerationslehre war ins Soziale übersetzt und mit religiös verbrämter Misogynie verbunden worden. Einen qualitativen Meilenstein erreichte die Pariser Opéra Garnier nicht nur durch ihre am 4.1.1914 anlaufende prachtvolle Neuinszenierung, sondern auch durch die Präsentation eines von Horace Kaplan völlig neu bearbeiteten Textes541, der als „première traduction littérale“ auftrat, ohne damit allerdings die Fassung von Kufferath und Gautier verdrängen zu können. Die Hefte aus Brüssel und Paris waren, ohne dass die Herausgeber das ahnen konnten, Dokumente einer zum Untergang bestimmten Kultursynthese. Am 4. August 1914, sieben Monate nach den ‚Parsifal‘-Premieren in Paris und Brüssel, überfielen die deutschen Truppen Belgien und machten auf lange Zeit jede Affinität zur deutschen Kultur unmöglich.

538 Zu ihm (1856–1931) vgl. Bitsch, La Belgique S. 276. 539 Harry, La légende S. 2. 540 Harry, La légende S. 2. 541 Pistone, Gautier S. 156.

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Franz Faßbaender Der Münsteraner Philologe und Oberlehrer am Städtischen Realgymnasium542 trat 1901 durch eine Neuausgabe der für Schulen gedachten ‚Weltgeschichte für die katholische Jugend‘ (1–7, Münster 1827, ²1832) von Joseph Annegarn (1794–1843) hervor, die während des 19. Jahrhunderts bereits fünf Bearbeitungen erlebt hatte; die letzte davon hatte Faßbaender selbst mit seinem Schulkollegen am Realgymnasium Joseph Baders 1898 als in Leder gebundene dreibändige Ausgabe bei Theiss in Münster verlegt. Hier erschien auch die einbändige Schulbearbeitung von 1901, für die nur mehr Faßbaender verantwortlich zeichnete. Schon 1892 hatte er ebenfalls für den Schulgebrauch eine ‚kleine lateinische Sprachhilfe‘ bei Aschendorff veröffentlicht. In den zwanziger Jahren publizierte er ein Schulheft zu Goethes ‚Faust‘ und zum neueren Schauspiel.543 Sein Beitrag ‚Parsifal als Schullektüre‘ in den ‚­Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Litteratur und für Pädagogik‘ ist auch durch die Freigabe des ‚Parsifal‘ inspiriert und steht in einer längeren Kette von Fachpublikationen und ernsthafter Schulpraxis; 1920 erschien sogar eine monographische Würdigung der Oper. Faßbaender gibt zu verstehen, dass ‚Parsifal‘ zwar nun freigegeben sei, doch umso mehr folgt daraus die Verpflichtung der Schule, das wunderbarste Werk Wagners in den Bereich ihrer Lehraufgaben hineinzuziehen, weniger natürlich das Tondrama, als vielmehr das Wortdrama.544 Obschon die Interpretation, die der Schulmann auf vier Druckseiten entfaltet, sich eher unkritisch an der sexualfeindlichen Linie des Bühnengeschehens entlangbewegt545, verweist er auf seine pädagogischen Erfahrungen und möchte das Wagner’sche Libretto zwischen der klassischen Schullektüre platzieren: Ein Versuch, den der Unterzeichnete gemacht hat, lohnte sich ganz außergewöhnlich durch die dankbare Teilnahme und freudige Begeisterung seiner Schüler. Dann auch die Dichtung ‚Parsifal‘ trägt den Stempel klassischer Größe. Feiert doch in ihrem Glanze die Kunst Weimars im Zeitalter des Realismus gewissermaßen ihre Wiederauferstehung, in einem Seelengemäl-

542 Die Ernennung zum ordentlichen Realgymnasiallehrer erfolgte am 25. Mai 1892, vgl. das AmtsBlatt der Königlich-Preußischen Regierung zu Minden 1892 nr. 443 S. 220. Vgl. auch Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1 (1925), Sp. 215. 543 Faßbaender, Franz: Ibsen – Sudermann – Hauptmann. Ein Puppenheim – Die Ehre – Die versunkene Glocke. Literarische Würdigung drei neuerer Dramen nebst einer allgemeinen Einführung in die moderne dramatische Literatur, Münster: Aschendorff 1926. 544 Faßbaender, Schullektüre S. 295. 545 Faßbaender, Schullektüre S. 297: „Parsifals Mitleid mit dem Tier ist die Vorstufe seines Mitleidens mit dem Menschen. Dieses Mitleiden wird im ersten Akt erregt, im zweiten Akt zum Wissen erweitert, im dritten Akt zum heiltatvollen Handeln erhöht.“

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de, das durch die philosophisch-religiöse Weihe seines Inhaltes an Goethes ‚Faust‘ gemahnt und daher eine Platz an der Sonne beanspruchen darf.546 Man möchte dieses Votum, das Wagner sicher hoch erfreut hätte, als Einzelmeinung aus dem Bereich des Bildungsbürgertums so stehen lassen und sich nicht weiter vorstellen, wie die Münsteraner Untersekunda die bisweilen doch holprigen Verse deklamiert. Dass mit dem vermutlich folgenlosen Vorstoß doch mehr intendiert war, belegt eine Fußnote: Der Oberlehrer hatte sich bei Houston Steward Chamberlain „von Haus Wahnfried aus seine Übereinstimmung mit der von mir vorgetragenen Auffassung freundlichst“ mitteilen lassen.547 Chamberlain, seit 1908 Cosimas Schwiegersohn und seit 1909 in Bayreuth ansässig, schien als Autor einer eine Abhandlung über das Leben und die Werke Goethes (1912) und natürlich seines Wagner-Buches, der geeignete Experte – aber der katholische Lehrer hätte doch mehr Vorsicht gegenüber Schriften wie der ‚Arischen Weltanschauung‘ (München: Bruckmann 1905) wahren können. Wolfgang Golther Die reichsdeutsche ‚Parsifal‘-Rezeption läßt sich an Wolfgang Golther (1863– 1945)548 besonders gut dokumentieren. Das als Kunstwerk der Zukunft gedachte ‚Bühnenweihfestspiel‘ wurde zum wiederbelebten atavistischen Ritual. Die Kunst tritt hier nicht (wie von Wagner gefordert) in die Lücke, die die stürzende Religion hinterläßt, sondern weicht selber vor einer künstlichen Religion. Golther war 1892–1932 Dozent für mittelalterliche Literatur an der Universität Rostock, seit 1907 hauptamtlich Leiter der Universitätsbibliothek, 1910 sogar Rektor der Universität. Seine altgermanistischen Leistungen sind keineswegs unbedeutend549, müssen jedoch in ihrem ideologischen Kontext gesehen werden. Er hat ein ‚Handbuch der Germanischen Mythologie‘ herausgegeben (Originalausgabe von 1908) und 1936 eine griffige Auswahl aus Wagners Schriften im Sinne des ‚Dritten Reiches‘ ediert.550 Mit der Gralslegende (oder was er dafür hielt) beschäftigte er sich schon lange.551 1882, unmittelbar nach der Uraufführung des ‚Parsifal‘, publizierte er eine Studie mit dem Titel ‚Der heilige Gral, eine mythisch-ethische Dichtung‘, die sich als begeisterte Begrüßung des neuen ‚Bühnenweihfestspiels‘ verstand und Wagner frenetisch als Erneuerer verlorener arischer Kulthandlungen feierte. Ziel der Darlegung aber, so die Vorbemerkung, sei „ein kleiner Beitrag zur Erkenntniß der vielbelästerten Bayreuther Religionsanschauungen, der Religion 546 Faßbaender, Schullektüre S. 295. 547 Faßbaender, Schullektüre S. 295, Anm. 1. 548 Vgl. NDB 6, S. 626, Parr, As-Sociation S. 328, Buddrus/Fritzlar S. 164f. 549 Etwa seine Entdeckung der Münchner Fragmente der ‚Titurel‘-Dichtung Wolframs von Eschenbach, vgl. Bumke, Wolfram von Eschenbach S. 418. 550 Golther, Richard Wagner. Der Band schließt S. 279 mit einem Zitat aus Hitlers ‚Mein Kampf ‘. 551 Seine Rektoratsrede vom 28.2.1910 galt dem Thema „Die Gralssage bei Wolfram von Eschenbach“.

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des Meisters und seiner Jünger“.552 Hauptsächlich befasst sich Golther damit, dass und wie Wagner auf Wolframs und Albrechts Gralsepen aufbaut, und will darin „die Sehnsucht nach dem entschwundenen Heiltum, die Hoffnung einer bessern Welt“ wirksam sehen. Nur ganz zu Beginn erklärt er sich, ohne den Namen zu nennen, als Anhänger von Schroeders „Sage vom Gral, dem heiligen Gefäß, liegt ein Mythus zu Grunde, und zwar […] ein allgemein arischer, indogermanischer, der sich noch recht wol[!] bis zur Wiege der Arier, zum Wunderland Indien zurück verfolgen läßt.“553 Es handle sich um einen allgemeinen „Gewitter- oder Regen­ mythus“, der zu einer „förmlichen Sage von der Herabkunft eines heiligen Trankes der Götter“ geworden sei.554 1885 übersandte er ein Exemplar dieses Heftchens an den Münchner Mittellateiner Ludwig Traube555, der damals an seiner Habilitation über die Dichter der Karolingerzeit arbeitete. Golther notierte auf die Titelseite der Gabe ein Gedicht von fragwürdiger Qualität. Es ist, wie eilige Korrekturen mit dem Radiergummi zeigen, rasch hingekritzelt, und dürfte auf irgendein persönliches Gespräch zwischen dem Donator und dem Beschenkten zurückgehen, das wir nicht mehr rekonstruieren können, in dem es aber um Golthers Weg zu Wagner gegangen sein dürfte: Alles, was je wollt er, Konnt der kleine Golther Doch dieses war die Trauer Er wollt nur Schopenhauer Noch ward die Trauer getrag’ner Er wollt auch Richard Wagner, W. G. s./l. L.T. 25. Jun. 1885556 Golther war zu diesem Zeitpunkt Vorstandsmitglied eines in München residierenden, Wagner verehrenden, „Ordens vom Gral“, dessen Vortragsveranstaltungen in den ‚Bayreuther Blättern‘ angezeigt wurden.557 552 Golther, Der heilige Gral S. 6. 553 Golther, Der heilige Gral S. 7. 554 Golther, Der heilige Gral S. 7. 555 Zu ihm vgl. Anm. III 287. 556 D. h.: „Wolfgang Golther seinem lieben Ludwig Traube“; abgedruckt nach dem Autograph auf dem Titelblatt des Widmungsexemplars von Golther, Der heilige Gral (München, MGH-Bibliothek Nb 36026). Das „je“ in der ersten Zeile ist nachträglich eingefügt, die ersten Buchstaben von „Schopenhauer“ stehen auf einer radierten Fläche, d. h. das Gedicht entstand spontan bei der Niederschrift. 557 So z. B. ‚Bayreuther Blätter‘ 10 (1887) S. 128. Golther hatte zum vierten Todestag Richard Wagners eine Rede über die Aufführung des Tristan gehalten. Dem ‚Orden‘ gehörte u. a. Engelbert Humperdinck an. Weiteres zum ‚Orden‘ bei Glasenapp, Leben Richard Wagners 6, S. 320, 339, 404 und 437; über seine rosenkreuzerisch anmutende innere Verfassung vgl. das Deutsche Biographische Jahrbuch des Verbandes Deutscher Wissenschaftlicher Körperschaften 1921, S. 147 (über Humperdinck): „Junge Musiker, Künstler und Studenten hatten sich zu einer Vereinigung zusammengetan, um das Verständnis für die Kunst R. Wagners und Bayreuth zu vertiefen. Der ‚Orden vom Gral‘ nahm nur gesinnungstreue Mitglieder auf, die durch Vorträge und gehaltvolle Gespräche den Bay-

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Die persönliche Art der Widmung läßt keinen Zweifel daran, dass Golther an Traubes Judentum zumindest zu diesem Zeitpunkt keinen Anstoß nahm. In Golthers Schrift von 1885 wird auch keine ‚Rassenfrage‘ thematisiert. Die Ableitung des Grals von den Ariern ist zwar als eine Art historischer Tatsache hingestellt; das Urvolk lediglich als „edler Stamm der Arjà“ zitiert, ohne dass hier daraus weitere Schlüsse gezogen wurden – nur dass eben das Bekenntnis zur „Religion des Meisters und seiner Jünger“ alle Widerwärtigkeiten des Bayreuther Kreises hinzuträgt, die Golther nicht ausspricht. Damit unterscheidet er sich jedoch auch wiederum vom Gralsschrifttum eines Jörg Lanz von Liebenfels558, den Susanne Franz als Erfinder des Begriffs der ‚Ariosophie‘ ausmacht und der im Jahr 1900 in einer „Neubegründung“ des seiner Meinung nach von einer „Rassekultreligion“ getragenen Templerordens ein Gralsreich entstehen lassen wollte.559 Im Jahr 1933 beteiligte Golther sich zusammen mit dem Hamburger Maler und Zeichner Werner Knoth (1895–1981) an einer 74-seitigen Broschüre über „Bayreuth im Dritten Reich. Ein Buch des Dankes und der Erinnerung“ mit dem Beitrag „Bayreuth im neuen Deutschland“. Der Siebzigjährige spricht auch hier die „Rassenfrage“ nicht an. Er bemängelte im Rückblick die Ablehnung des ‚Parsifal‘Schutzes durch den Reichstag und stieß sich mehr noch an der Freigabe des ‚Parsifal‘ für fremde Bühnen. „Die amtlichen Stellen des alten Deutschlands hatten kein Verständnis für die kulturpolitische Bedeutung Bayreuths“.560 Golther trägt die Anliegen der Festspielleitung an „das neue Reich“ heran. Während der „seelischen Verelendung der letzten Jahrzehnte“ sei die Jugend dem Kunstwerk Wagners entfremdet worden, aber Cosima, Siegfried und Winifred Wagner hätten es echt und treu bewahrt. „Die deutsche Jugend muß zum Kunstwerk Richard Wagners erzogen werden“, fordert Golther.561 Und: „Ein Machtwort des Führers würde

reuther Gedanken nach Kräften zu verwirklichen suchten. H. ward ‚Ritter vom Gral‘, er bestand die hierzu vorgeschriebenen strengen Prüfungen.“ 558 Eigentlich Adolf Joseph Lanz (1874–1954). Zur Person Ekkehard Hieronimus: Jörg Lanz von Liebenfels. In: Puschner/Schmitz/Ulbricht, Handbuch, S. 131–146. 559 Franz, Religion des Grals S. 316–334. Die ebd. S. 321 Anm. 473 versuchte Annäherung Golthers an Lanz aufgrund der Benutzung der reimenden ‚Parzival‘-Übertragung von Wilhelm Hertz ist simplifizierend („Sie war im völkischen Lager offenbar beliebt.“) Das Reimwerk von Hertz (1835–1902) ersetzte die als altertümlich empfundene Fassung von San Marte, mit der Wagner gearbeitet hatte, und blieb bis in die 1970er Jahre populär. Es wurde allenfalls durch die Prosa-Übertragung des bekennenden Nationalsozialisten Wilhelm Stapel verdrängt (Wolfram von Eschenbach: Parzival, übertragen von Wilhelm Stapel, Hamburg: Hanseatische Verl.-Anst. 1937), der im gleichen Verlag zuvor mit Schriften wie: Die Kirche Christi und der Staat Hitlers (1933) hervortrat. 560 Wolfgang Golther: Bayreuth im neuen Deutschland, in: Bayreuth im Dritten Reich, S. 7–12, hier S. 7. 561 Golther, Bayreuth S. 8. Was das heißt, erläutert im gleichen Heft Siegfried Scheffler: Bayreuther Festspiele 1933, S. 25–64, hier S, 29: „So wird die Erziehung zum Festspiel zur grundlegenden Erkenntnis dafür, daß wahre Kunst fordern muß, um zu gewähren, Gehorsam verlangt, um sich zu verschenken. Dieser Hinweis erscheint im Zeitalter des Tonfilms und des Rundfunks nicht überflüssig.“ Hier wirkt nicht nur Bolschewismus-Kritik (S. 30), sondern auch die Angst vor neuen Medien.

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dem ‚Bühnenweihfestspiel‘ die ihm einzig gebührende Stellung in der Welt“562 zurückgeben – nämlich das Aufführungsprivileg für Bayreuth. Golthers Bekenntnis zu den neuen Herren basiert auf der Hoffnung, diese auf den Dienst für die Bayreuther Sache zu verpflichten. Es kam anders – nicht nur in der Frage des Aufführungsmonopols.

Kriegsjahre 1914 hätte das Jahr des ‚Parsifal‘ werden können – es wurde aber das Jahr des Kriegsausbruchs, der die internationale Rezeption des ‚Bühnenweihfestspiels‘ sofort zum Erliegen brachte. Der drohende Kriegsausbruch sprengte beinahe die Bayreuther ‚Parsifal‘-Aufführung vom 1. August 1914, die Karl Muck gegen alle Vernunft noch angesetzt hatte und trotz der während der Pause verkündeten bayerischen Mobilmachung bis zum Schlussakkord zelebrierte563. Durch den Tod Judith Gautiers 1917 verlor der französische Wagnérisme seine bedeutendste Förderin. Doch auch im Bereich der Entente war das dezidiert pazifistische Werk plötzlich nicht mehr zeitgemäß. Die bislang so reiche Bibliographie wird dürftig. Spechts ‚Parsifal‘-Kalender erschienen weiterhin Jahr für Jahr. Chamberlain veröffentlichte die dritte Auflage seines ‚Parsifal-Märchens‘ und beteiligte sich vor allem an der deutschen Kriegspropaganda gegen seine britische Heimat, die ihn deshalb expatriierte564. Die 1914 erstmals erschienene Einführung von Max Koch (1855–1931) erlebte 1915 eine zweite Auflage; schließlich brachte Hans Lebede565 1915 seine Einzeluntersuchungen zu Wagners Bühnenwerken in einer neuen Gesamtedition heraus, deren zweiter Band auch den ‚Parsifal‘ behandelte. In den ‚Bayreuther Blättern‘ des Jahres 1915 erschien eine Untersuchung von Otto Mensendieck, die sich die Umlenkung der Gralsforschung von der nachzeichnenden Mythologie in eine tiefenpsychologische Richtung zum Ziel setzte.566 Hans von Wolzogen war mit diesem neuen Ansatz vermutlich nicht zufrieden und emp562 Golther, Bayreuth S. 9. 563 Bauer, Bayreuther Festspiele 1, S. 397. 564 Bermbach, Chamberlain S. 387–452, Bauer, Bayreuther Festpsiele 1, S. 399–401. 565 Hans Lebede (1883–1948), Germanist, edierte u. a. Goethe und Tieck. Später trat in den Dienst der NS-Propaganda. 1934 schrieb er das Drehbuch zu dem UFA-Kurzdokumentarfilm „Bayreuth bereitet sich auf die Fetsspiele vor“ (Regie Rudolf Schaad, 29 Min.). Gabe eine Auswahl aus Wagners theoretischen Schriften heraus: Wagner, Richard: Oper und Drama. Das Judentum in der Musik. In Auswahl herausgegeben von Dr. Hans Lebede. Dresden: Ehlermann 1935 (Schrifttum für den Musikunterricht). Lebede war einer der Beiträger in: Richard Wagner ein Kämpfer und sein Werk. Festschrift der NS.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ für die Gäste der Bayreuther Kriegsfestspiele 1942 [Vorwort: Robert Ley]. Bayreuth, Richard-Wagner-Festspiele, 1942. 566 Zu Autor und Aufsatz vgl. Franz, Religion des Grals S. 154–156.

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Kriegsjahre

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fahl in einem Editorial als Ergänzung den sich daran anschließenden Beitrag von Karl Schirmeisen (1868–1958), der sich schon 1909 mit einer Untersuchung über ‚Die arischen Göttergestalten‘ hervorgetan hatte, und 1931 mit seinem Hauptwerk ‚Mythos und Prähistorie. Untersuchungen über die Stufen der Mythenbildung‘ hervortrat.567 Hieran wiederum schloss sich der Beitrag eines ausgewiesenen Anthroposophen und Waldorfpädagogen an: Erich Schwebsch568 untersuchte im Geiste Rudolf Steiners ‚Kling­sor und die Heilige Lanze‘569, und setzt dabei einen dezidiert antisemitischen Akzent. Wenn Nora Eckert ihre kenntnisreichen Untersuchungen zum ‚Parsifal‘ und seinen ideologischen Einschlüssen570 mit dem Ansatz beginnt, dass Kriegsausbruch und Freigabe des ‚Parsifal‘ für die Bühne „einen gemeinsamen ideologischen Nenner, nämlich in der Vermischung mit Religiösem und der Sakralisierung des Denkens“ hatten, „die dem ‚Parsifal‘ innewohnt, seine Rezeption prägte, und die das Kriegsereignis kommentierend begleitete“571, so erscheint der Kriegsausbruch im Hinblick auf die Oper weit mehr als ein jäher Abbruch denn als ihre Vollstreckung. Vielleicht sind die in der Figur der Kundry eingefangene „Angst des Mannes vor der Frau“572 und die Männerbündelei der Gralsritter als mentale Vorbereitung der hemmungslosen Kriegsbegeisterung lesbar, aber ihre Freisetzung in den oft benannten ‚Stahlgewittern‘ machte die Oper entweder vorerst entbehrlich oder aber riss den Schleier der Phantasmagorie von ihr ab, mit dem sie ihr unhaltbares Heilsversprechen umkleidete. Die Kriegsfolgen rissen auch die Bayreuther Festspiele beinahe in den Abgrund; ihr Überleben verdankten sie nicht zuletzt Adolf Hitler und der NSDAP573. Für den ‚Parsifal‘ wurden ab 1925 nach und nach Bühnenbild und Inszenierung erneuert, die bislang den Status der Uraufführung beibehalten hatten574. Diese Entwicklung zog sich allerdings noch durch die gesamte NS-Zeit575 und fand erst in Wieland Wagners abstrakter Nachkriegs-Inszenierung einen vorläufigen Abschluss576.

567 Franz, Religion des Grals S. 156–158. 568 (1889–1953). Hg. der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. 1950 Sekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Vgl. Christoph Wiechert, E. S., in der Online-Dokumentation der ‚anthroposophischen Forschungsstelle Kulturimpuls‘: 569 Franz, Religion des Grals S. 158–160. 570 Die Interpretation des ‚Parsifal‘, wie sie Eckert vornimmt, deckt sich weitgehend mit dem Ansatz, den Adolf Vogl 1914 präsentierte. Eckerst streift Vogls „tiefe Schau in die Mysterien des Bühnenweihfestspiels“ S. 59 und 103 leider nur kurz. 571 Eckert, Parsifal 1914 S. 7. 572 Eckert, Parsifal 1914, S. 176–200. 573 Hamann, Winifred Wagner S. 63–73; Bauer, Bayreuther Festspiele 1, S. 402–404. 574 Bauer, Bayreuther Festspiele 1, S. 418–422. 575 Hamann, Winifred Wagner S. 270–278, 370f, Geiger, Hitler, bes. S. 159. 576 Vgl. (stellvertend für viele andere Titel): Panofsky, Wieland Wagner S. 61–63; Bauer, Bayreuther Festspiele 2, S. 19–28.

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Es wäre allerdings verfehlt, wollte man die ‚Parsifal‘-Rezeption damit als abgeschlossen betrachten. Über den unmittelbaren Erfolg der Oper hinaus setzte sich das politisch aufgeladene Gralschrifttum fort, für das das ‚Bühnenweihfestspiel‘ einen assoziativen Anker bildete. Es wurde am Beispiel von Wolfgang Golther gezeigt, wie es sich im akademischen Bereich bis in das ‚Dritte Reich‘ fortsetzte. Sandra Franz hat auf breiterer basis die völkische Rezeption der Weimarer Zeit und des Nationalsozialismus untersucht. Diese Renaissance des ‚Parsifal‘ ging durchaus auch mit neuen publizistischen Anstrengungen einher, die jedoch infolge des Absterbens der internationalen Begeisterung auf Deutschland beschränkt und von der Entwicklung gelenkt blieben, die die Bayreuther Festspiele unter Winifred Wagner nahmen.

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IV Literaturverzeichnis Annotierte Bibliographie Im Folgenden werden die bis 1918 einschließlich erschienenen Textausgaben und die erläuternden monographischen Publikationen einschließlich der Streitschriften um den ‚Parsifal‘-Schutz verzeichnet; spätere Ausgaben und Kommentare werden, soweit benutzt, in der sonstigen Literatur aufgeführt. Aufsätze in Fachzeitschriften und vor allem die zeitgleichen Musikalien sind in enger Auswahl gegeben. Für die Vervollständigung der Titelaufnahmen wurden verschiedenen Bibliothekskataloge, vor allem die Kataloge der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig, der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Bibliothèque Nationale de Paris herangezogen. Zeitgenössische Preisangaben wurden übernommen, soweit sie auf den Umschlägen oder in Verlagsverzeichnissen angegeben waren. Bei den Musikalien wurde Vollständigkeit nur hinsichtlich des aus Anlass der Uraufführung 1882 zusammen mit der zweiten Textausgabe vertriebenen Verlagsverzeichnisses des Schott-Verlages angestrebt. Eine Übersicht über die ca. 1909 im Buchhandel erhältlichen Musikalien gibt František Pazdírek. Wie in Bibliographien üblich, sind Titel, deren Aufnahme auf Autopsie beruht, mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet. Autopsie bedeutet in diesem Fall, dass ein Exemplar des Originals oder ein Digitalisat vorgelegen hat. [Autorisierte Textausgaben] *Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner, Mainz [u. a.]: Schott 1877, 81 S. [Erstdruck in Großoktav1] *Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner, Mainz [u. a.]: Schott 1879, 62 S. [Zweitdruck] [Werkausgabe. Von Cosima Wagner autorisierte Textausgabe] Wagner, Richard: Gesammelte Schriften und Dichtungen. Bd. 1–10, Leipzig: Fritzsch 1871–1883. [Bd. 1–9 hg. von Richard Wagner, Bd. 10 hg. von Heinrich von Stein, darin S. 324–375: Parsifal]. – 2. Aufl. 1888. VII, 293; 275; 322; 346; 270; 283; 297; 342; 346; 346 S. u. 6 Falttaf.; 383 S. Grüne Leinenbände mit schwarzgoldenem Prägedruck. – 3. Aufl. – Band 1 – 10 in 5 Büchern. Bd. 1/2 (1887): VII, 293 u. 275 S., Bd. 3/4 (1887/88): 322, 346 S.; Bd. 5/6 (1888): 270, 283 S.; Bd. 7/8 (1888): 297, 342 S.; Bd. 9/10 (1888): 346, VI, 383 S. – Braune Leinenbände, ornamentierte Deckel, Goldprägung, Buchschnitt blau-rot marmoriert, Lesebändchen.

1 Vgl. Wilpert/Gühring, Erstausgaben, S. 1536, Wagner Nr. 36.

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Literaturverzeichnis

– 4. Aufl. Leipzig: Siegel’s Verlagsbuchhandlung (R. Linnemann) 1907. Titel- und Einbandzeichnung von Walter Tiemann. 23 cm. Preise: –– In 10 Bänden: brosch. M. 20, – in Leinen M. 30, – in Liebhaber-Pergament-Bänden (d. h. Halbperg.) mit Goldschnitt in Kartonschuber M. 40, –– In 5 Bänden. VII,291,273 S.; 320, 344 S.; 268,281 S.; 295, 340 S.; 344, 375 S. Leinen, in Kartonschuber: M. 26, *Wagner, Richard: [Wagner SuD] Sämtliche Schriften und Dichtungen. Volksausgabe, Bände 1–16, Leipzig: Breitkopf & Härtel, o.J. [1911], [Bd. 1–10 seitenidentisch mit den Gesammelten Schriften und Dichtungen] [Nicht autorisierte Werkausgaben] Wagner, Richard: Gesammelte Schriften und Dichtungen in zehn Bänden (in 6 Büchern) / hg., mit Einleitung, Anmerkungen und Register versehen von Wolfgang Golther. Berlin [u. a.]: Bong [1914] (Goldene Klassiker-Bibliothek). – 10 Bände in 6 Büchern, Goldschnitt Wagner, Richard: Gesammelte Schriften. in 14 Bd. (in 5 Büchern). Autobiographisches, Dichtungen (Opern), Musikgeschichte / hg. von Julius Kapp. – Leipzig: Hesse & Becker, 1914. – Leinen. XV, 244 S.; 339, .229 S.; 336, 232 S. 17 Abb.: 18 cm [Zeitgenössische Bibliographien] Hofmeister, Friedrich: Monatsberichte neuer Musikalien, musikalischer Schriften und Abbildungen, Leipzig: Hofmeister, 8. Folge 54 (1882) – 79 (1907) [online unter: http:// www.hofmeister.rhul.ac.uk/2008/index.html] Pazdírek, František: Universalhandbuch der Musikliteratur aller Völker, 34 Bde, 1904– 1910, Eintrag Wagner / Parsifal in: 32 (1908?), S. 62 f, 68, 373, 408 [Schott 1882] „In demselben Verlage erschien“, Schott: Mainz 1882, S. I–XV, ‚Parsifal‘ S. I– II (S. II–VIII: ‚Ring des Nibelungen‘, S. VIII–XII: ‚‚Die Meistersinger von Nürnberg‘, XII f.: ‚Fünf Gedichte‘, XIII–XIV kleinere Werke, XV–[XVI] sonstige Anzeigen. [Schott 1900] „Textbücher“ (‚Ring‘, ‚Meistersinger‘ ‚Parsifal‘), [Mainz: Schott 1894], 25 S. [S. 2–4 Musikalien zu ‚Rienzi‘-‚Lohengrin‘ , S. 5–11 ‚Meistersinger‘, S. 12–20 ‚Ring des Nibelungen‘, S. 21–23 ‚Parsifal‘, S. 23–[26] kleinere Werke], auf S. [26] als Druck von F. A. Brockhaus, Leipzig gekennzeichnet [Schott 1900a] „Textbücher“ (S. 1 ‚Ring‘, ‚Meistersinger‘ ‚Parsifal‘), Mainz: Schott [1894], 25 S. [S. 2–4 Musikalien zu ‚Rienzi‘-‚Tristan und Isolde‘ , S. 5–11 ‚Meistersinger‘, S. 12– 22 ‚Ring des Nibelungen‘, S. 23–26 ‚Parsifal‘, S. 26–28 kleinere Werke] [Partitur] Wagner, Richard: Parsifal. Faksimile nach dem Autograph der vollständigen Partitur2, München: Drei Masken Verlag 1925, 340 S., 36 cm [Pergamenteinband, Druck durch C. G. Röder in Leipzig, einmalige Auflage von 530 Exemplaren, 500 für den Handel, numeriert I–XC bzw. 1–410. Auflage größtenteils vernichtet]

2 Heute Bayreuth, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, NA A III o (damals Familienbesitz).

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Annotierte Bibliographie

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Wagner, Richard: Parsifal. Faksimile3 der autographen Partitur aus dem Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth, Kommentar Ulrich Konrad, Kassel [u. a.]: Bärenreiter 2020 (Documenta musicologica II,56 = Bärenreiter Facsimile), 374, 14, XX S., 42,5 x 31,4 cm, BVK02418 *Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Mainz: Schott 1883, 377 S. VN 23571 [Originalpartitur, Nachdruck mit ersetzter Titelei: Partitura, Urtext, hg. von Istvan Mariassy, Budapest: Könemann 1993] *Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Orchester-Partitur, English Translation by Margaret Glyn. Version Française par Alfred Ernst, Mainz, London, Brüssel und Paris: Schott [ ca. 1905], 3 Bände mit 2 Bl., 330 bzw. 336 bzw. 233 S. VN 27200 (Titelei) bzw. 27200a-c (Einzelbände), Vorspiel später auch mit paralleler VN 27108 [Goldgepr. roter OLn mit goldgepr. ‚Parsifal‘-Vignette in gotischer Schrift. 19,5 x 14,5 cm. Urheberrechtsvermerk auf dem Titelblatt: „Eigenthum der Verleger B. Schotts Söhne … diese Partitur darf nicht zu Aufführungen benutzt werden“.] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihespiel. Version française par Alfred Ernst. English Translation by Margaret Glyn. Orchester-Partitur, in einem Band, Mainz, London, Brüssel und Paris: Schott [ca. 1905], 2 Bl., 899 S. [Goldgepr. roter OLn mit goldgepr. ‚Parsifal‘-Vignette in gotischer Schrift. 19,5 x 14,5 cm. Urheberrechtsvermerk auf dem Titelblatt: „Eigenthum der Verleger B. Schotts Söhne … diese Partitur darf nicht zu Aufführungen benutzt werden“.] Wagner, Richard, Parsifal. Parsifal. Partition complète chant et piano par Otto Singer. Version française de J[udith] Gautier et M[aurice] Kufferath Leipzig: Breitkopf & Härtel 1914 (Richard Wagner, drames musicaux), IV, 297 S., 28 x 20 cm. – Einbandtitel: Parsifal. Édition française [Grüner Leinenumschlag mit Goldprägung und einem montierten Jugendstilmotiv ‚Gralserhebung‘, 3 Figuren mit rotem Gral auf blauem Grund] [Pozza, Partitur] Wagner, Richard: Parsifal, dramma mistico in tre atti di Riccardo Wagner, traduzione ritmica di Giovanni Pozza 4 dal testo originale tedesco, Milano: G. Ricordi, [19--?], [467 S. Partitur]; Text auf ital. und deutsch [Klavierauszüge] [Gunsbourg] Parsifal. Drame mystique en trois actes. Version française de Raoul Gunsbourg5, musique de Richard Wagner. Partition chant et piano, transcrite par Louis Narici, Paris: Choudens, [1914], 329 S. [Kleinmichel, 1883] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihspiel, Klavierauszug zu zwei Händen ohne Gesang von Richard Kleinmichel, Mainz: Schott [1883], 269 S. Platte 23612 – 20 M. [zahlreiche spätere Ausgaben] [Kleinmichel 1890] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihspiel, vollständiger Kla­ vier­auszug, erleichterte Bearbeitung, With an English translation by H. & F. Corder [deut­scher und englischer Text], London: Schott [1890?], 279 S. [Platte 23701] – M 15. –

3 Bayreuth, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung NA A III o (Gesamtpartitur) und NA A III n (Vorspiel mit Konzertschluss). 4 Giovanni Pozza (1852–1914), italienischer Theaterkritiker und Übersetzer zahlreicher Libretti, u. a. von Wagner und Gluck. 5 1859–1955. Leiter der Aufführungen in Monte Carlo 1914. Vgl. Pistone, Gautier S. 156.

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Literaturverzeichnis

[Kleinmichel 1892] Wagner, Richard: Parsifal. Version française de Victor Wilder6. Partition pour Chant et Piano reduite par R. Kleinmichel, Paris: Schott 1892, 279 S. Pl. VN 25053 *[Kleinmichel, 1911] Richard Wagner: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Klavierauszug zu zwei Händen Klavierauszug zu zwei Händen mit Hinzufügung des Gesangstextes und der scenischen Bemerkungen von Richard Kleinmichel, London, Brüssel und Paris: Schott [1911], 162 S. [enth.: montiertes Porträt-Frontispiz von Richard Wagner, 6 Bühnenbildern des Festspielhauses „Bayreuth“, sowie Wilhelm Altmann: Zur Geschichte der Entstehung, Veröffentlichung und Aufführung von Richard Wagner’s Parsifal (2 S.) vom Juni 1911] [Klindworth/Ernst] Parsifal7. Drame sacré de Richard Wagner ; version française de Alfred Ernst, partition pour chant et piano par K. Klindworth, Mainz, Leipzig, Bruxelles [u. a.]: Schott ; Paris: M. Eschig [1913], 277 S., 28 cm *[Klindworth/Glyn] Richard Wagner: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, vollständiger Klavierauszug, erleichterte Bearbeitung von Karl Klindworth / Parsifal. A Stage-Consacrating Festival-Play. English Translation by Margaret Glyn. Complete Vocal Score in a Facilitated Arrangement by Karl Klindworth. Mainz, London, Brüssel, Paris: Schott`Söhne, 1902, 277 S. Verlegereinband rot mit Goldprägung, Titelzug mit Fleuronnée, Titelseite mit figürlicher Umrahmung (Engel, Taube) aus Franz Stassens Tafelwerk bei Fischer/Berlin. – Lizenzausgabe: New York: G. Schirmer 19048, 277 S. Platte 27071 *[Klindworth] Richard Wagner: Wagners Werke. Parsifal, vollständiger Klavierauszug von Karl Klindworth; mit 1 montierten Porträt Richard Wagners, 6 Bühnenbildern des Festspielhauses Bayreuth auf Tafeln sowie einer Einführung (2 Seiten): Zur Geschichte der Entstehung, Veröffentlichung und Aufführung von Richard Wagner’s ‚Parsifal‘ von Prof. Dr. Wilh. Altmann (Juni 1911). London, Brüssel und Paris: Schott 1911, 319 S. [Klindworth-Ernst] Richard Wagner: Parsifal, drame sacré, Version française de Alfred Ernst, Paris: Eschig [ca. 1905], 277 S. [Pergamenteinband mit Goldprägung „Ernst – Klindworth“ und Vignette (Schriftzug ‚Parsifal‘ auf goldener Sonne)] [Mottl] Richard Wagner: Parsifal. Klavierauszug mit Text, Felix Mottl, Leipzig: Peters [1914] (Edition Peters 9808), 272 S. [Rubinstein] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihspiel, vom Orchester für das Klavier übertragen von Joseph Rubinstein, Mainz: Schott 1882, 261 S. VN 23406 *[Singer, engl.] Richard Wagner: Sämtliche Musikdramen XI. Parsifal, vollständiger Klavierauszug mit Text, von Otto Singer. Einführung, Inhalts- und Motivangaben von Carl Waack9, [English Translation by Ernest Newman], Leipzig: Breitkopf & Härtel 1914 (Edition Breitkopf 4511), VII, 297 S. [Einleitung von Waack vorn montiert auf anderem Papier S. I–VII, Umschlagvignette mit Stich von Franz Stassen] 6 Victor Wilder (1835–1892). Belgischer Dichter (1835–1892), arbeitete als Musikschriftsteller (u. a. über Mozart) und Übersetzer von Libretti. Vgl. Pistone, Gautier S. 155. 7 Pistone, Gautier S. 156 mit abweichenden Erscheinungsjahren, ich folge der BN Paris. 8 Copyright-Vermerk auf Bl. [IVb], d. h. gegenüber von S. 1: „Copyright, 1902, by B. Schott’s Söhne, Mainz. Copyright assigned to G. Schirmer, New York, 1904. Notice: This Edition is not to be sold outside of the United States and Canada.“ 9 1861–1922, verfasste ‚Einführungen mit Motivangaben‘ zu Wagners Werken, zunächst als Einzeldarstellungen, dann monographisch: ‚Richard Wagner: Ein Erfüller und Vollender deutscher Kunst‘ (Leipzig: Breitkopf & Härtel 1918). Außerdem publizierte er ‚Von Andree bis Zeppelin. Das Luftschiff im Dienste der Polarforschung‘ (Rostock Volckmann 1910).

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[Singer, frz.] Richard Wagner: Parsifal. Partition complète chant et piano par Otto Singer. Version française de J[udith] Gautier et M[aurice] Kufferath. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1914 (Richard Wagner, drames musicaux). – IV, 297 S. PN R.W. 11.E.E [Texte in Deutsch/Französisch. Farbige Umschlagillustration des Jugendstil] [Spicker] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Kleiner Klavier-Auszug mit beigefügtem deutschen Text und Angabe der Motive, zusammengestellt von Max Spicker. Mainz: Schott 1904. 68 S. [„Einzel-Ausgabe“] [Taubmann] Richard Wagner: Parsifal, Klavierauszug zu zwei Händen mit beigefügtem Text. Von Otto Taubmann. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1914. 170 S. [Einführung, Inhalts- und Motivangaben von Carl Waack] [Vaccaro] Richard Wagner: Parsifal. Dramma mistico in tre atti, rappresentato per la prima volta al Teatro di Bayreuth il 26 luglio 1882. Traduzione ritmica dal testo originale tedesco di Giovanni Vaccaro. Riduzione per Pianoforte solo. Sesto San Giovanni: Madella, 1914. 59 S. [Zanardini] Richard Wagner: Parsifal. Dramma mistico in tre atti, rappresentato per la prima volta al Teatro di Bayreuth il 26 luglio 1882. Traduzione ritmica dal testo originale tedesco di A. Zanardini. Milano: Ricordi [ca. 1884], 410 S. [Klavierauszug mit Singstimmen] [Einzelszenen / Orchester] Sandre, Gustave10: Epithalame sur des motifs de Parsifal de Richard Wagner pour petit Orchestre et Orgue, Londres, Bruxelles, Mayence, Paris: Schott [ca. 1910 ](No 26232), Partition net. M 1,50, Parties séparées et Orgue net M 3,Steinbach, Emil: Kling­sor’s Zaubergarten u. die Blumenmädchen, aus ‚Parsifal‘, für Orchester zum Concertvortrag eingerichtet. **n. Mainz: Schott 1887, Partitur Mk 30 Stimmen Mk 14. Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Vorspiel für Orchester, Partitur, Mainz: Schott [1882], 17 S. [Erster Separatdruck des Vorspiels von den Platten der Gesamtpartitur von 1883] *Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Vorspiel für Orchester, Partitur, Mainz: Schott [190?], 17 S. VN 27108 [Separatdruck des Vorspiels von den Platten der dreisprachigen Gesamtpartitur mit der VN 27100a] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Vorspiel, für Orchester (mit ad lib. angefügtem Schluss des III. Aufzuges), Mainz, B. Schott’s Söhne [18??], 1 Taf., 29 S. Wagner, Richard: Charfreitags-Zauber aus Parsifal, für Orchester zum Concertgebrauche eingerichtet, Mainz: B. Schotts Söhne [1882], 1 Taf., 15 S., Partitur M 20, Orchesterstimmen M. 7,25 (Pl.Nr. 23605) Wagner, Richard: Parsifal. Verwandlungs-Musik und Schluss-Scene des 1ten. Aktes für Orchester und Chor zum Conzertvortrage eingerichtet. Mainz: Schott [1882]. 61 gest. S. (Pl.Nr. 23979) Partitur Mk 30, Orchester-Stimmen Mk 17, Chorstimmen Mk 1,75 Wagner, Richard: Schluss des III. Aufzuges allein aus ‚Parsifal‘ für Orchester, Mainz: Schott. 1890, Stimmen. Mk 8, -

10 1843–1916.

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Literaturverzeichnis

[Einzelszenen / Pianoforte] Beyer, Ferdinand: Op. 36. Rèpertoire des jeunes Pianistes No. 123, Mayence: Schott [1883]. – M 1,25 Op. 112. Beyer, Ferdinand: Revue mélodique. Collection de petites Fantaisies instructives sur des Motifs d’Opéras favoris p. Piano à 4 Mains, continué par V. Beyer. No. 71. Wagner, Parsifal. Mainz, Schott 1882. Mk 1,75. Cramer, Henri11: Parsifal de R. Wagner, London, Mayence, Bruxelles: Schott (V.Nr. 190, PN 23538) [vor 190112] (Potpourris sur les motifs d’operas favoris 190). – 13 S. [M. 1,50] Ab­folge: „Zusammenströmen der Blumenmädchen“, „Komm holder Knabe“, „Wein und Brod des letzten Mahles“, „Nehmet vom Brod“, „Selig im Glauben“, „Zum letzten Liebesmahle“, „Ich sah das Kind“, „Gesegnet seist du Reiner“, „Wie dünkt mich doch die Aue“, „Du siehst, das ist nicht so“. Gobbaerts, Louis13: ‚Parsifal‘ von Wagner. Transcription für Pianoforte (Op. 149). Mainz: Schott 1883, M. 1,50 Heintz, Albert14: Angereihte Stücke aus ‚Parsifal‘ von Richard Wagner für Pianoforte. In 3 Heften. Mainz: Schott [1882]), VN 2359 27x34 cm. Heft 1. Erster Aufzug, 13 S. M. 2,- Heft 2. Zweiter Aufzug. 15 S. M. 2,25 – Heft 3. Dritter Aufzug. M. 2, Humperdinck, Engelbert: Vorspiel zu ‚Parsifal‘ für Pianoforte zu 4 Händen bearb. Mainz: Schott 1882, Mk 2. Humperdinck, Engelbert: Rich. Wagner’s, ‚Parsifal‘. In Tonsätzen für Pianoforte zu 4 Hdn. Mainz: Schott [1883]15, Charfreitags-Zauber. Mk 2. Das Heilthum. Mk 1. Herzeleide. Mk 1,25. Der Schwan. Mk 1.25. Einzug in die Gralsburg. Mk 2,25. Das Liebesmahl. Mk 2,25 Humperdinck, Engelbert: Rich. Wagner’s, ‚Parsifal‘. In Tonsätzen für Pianoforte zu 4 Händen. Mainz: Schott 1884, complett Mk 20. [ No. 1. Vorspiel. Mk 2,25. – 2. Amfortas. Mk 1,50. – 3. Das Heilthum. Mk 1. – 4. Der Schwan. Mk 1,25. – 5. Einzug in die Gralsburg. Mk 2,25. – 6. Das Liebesmahl. Mk 2,25. – 7. Kling­sor u. Parsifal. Mk 2,75. – 8. Das Blumenmädchen. Mk 3,25. – 9. Herzeleide. Mk 1,25. – 10. Charfreitagszauber. Mk 2. – 11. Titurel’s Todtenfeier. Mk 1,75. – 12. Die Erlösung. Mk 2.] Klindworth, Karl: Parsifal.Vorspiel. /Prelude, für Klavier bearbeitet, Mainz: Schott, 1902 Liszt, Franz: Feierlicher Marsch zum heiligen Gral aus dem Bühnenweihfestspiel ‚Par­sifal‘ von Richard Wagner für Pianoforte componirt, Mainz: Schott [1883], 11 S. M. 1,75. [dass. zu vier Händen M. 2,25] Mertke, Eduard: Op. 19. Concert-Paraphrase für Pianoforte über ‚Parsifal‘ von Wagner. Hannover: Steingräber 1884. – M. 2. -

11 Vgl. die Analyse bei Egdorf Bd.2, S. 295–301. Heinrich (Henri, Henry) Cramer war ein häufig verwendetes Pseudonym, vgl. Pougin, Supplément S. 213. Um den bei Reissmann, Handlexikon S. 95 genannten H. Cramer (1818–1877) kann es sich nicht handeln. – In ähnlicher Aufmachung im gleichen Verlag erschienen auch Potpourris zu allen anderen Wagner-Opern (außer dem ‚Rienzi‘) sowie zu populären Opern überhaupt (Zusammenstellung der „Potpourris sur les motifs d’operas favoris par Henri Cramer“ S. 1). 12 Die Rechtschreibung zeigt noch keinen Einfluß der Zweiten Orthographischen Konferenz von 1901. 13 Belgischer Konzertpianist und Komponist (1859–1955). 14 Vgl. Anm. III 59. 15 Hier nach der Erscheinungsabfolge der Lieferungen von Februar und Juni 1883.

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Rubinstein, Joseph16: Musikalische Bilder aus R. Wagner’s Parsifal, für das Pianoforte … zu vier Händen. Erstes Bild: Parsifal und die Zaubermädchen … Frau Richard Wagner, geb. Liszt verehrungsvoll zugeeignet; Zweites Bild: Charfreitags-Zauber … Herrn Dr. Franz Liszt in Verehrung zugeeignet. Mainz: Schott (Pl.Nr. 23491/V.Nr. 23515) [ca. 1882/1890]. 15 gest. S., 11 lithogr. S. Wagner, Richard: Parsifal. Vorspiel für Pianoforte zu 4 Händen /bearb. von E. Humperdinck. Original-Ausgabe, Mainz: Schott [1882], 15 S. – M 2,Wagner, Richard: Parsifal. Vorspiel. Erleichterte Bearbeitung von Albert Heintz17, Mainz: Schott [1883] – M 1,50 Wagner, Richard: Parsifal. Posvatna hra scenicka, Praha: Barvitius [ca. 1915] (Edice Gloria. Populární vydání cenných hudebnin, čislo 77.–78), 11 S. [Melodienfolge. Ausgabe für Klavier zu 2 Händen, ohne Text] Wickede, Friedrich von18: Melodien und Motive aus ‚Parsifal‘ (R. Wagner). Leichte Bearbeitung, Mainz: Schott 1882. M 2,25 [Einzelszenen / Violine und Pianoforte] Grützmacher, Leopold19: Drei Stücke: 1. In Kling­sor’s Zaubergarten (Parsifal und die Blumenmädchen) M. 2,275, 2. Kundry’s Erzählung, M. 2, -, 3. Die Blumenaue (Charfreitagszauber) M. 2,25, Mainz: Schott [1883], S VN 0300314 Heintz, Albert20: Charfreitagsmusik: Episode aus R. Wagner’s Parsifal für Pianoforte u. Violine gesetzt, Mainz [u. a.]: Schott [1883], 7 S. Heintz, Albert: Gebet Gebet des Amfortas aus ‚Parsifal‘ für Violine und Pianoforte bearb. Mainz: Schott, 1887. Mk 1,75 Mahr; Emil21: Charfreitagszauber von R. Wagner. Paraphrase für Violine mit Pianofortebeglietung, Mainz u. a.: Schott, 1883, 7 S. M. 1,75 Steinbach, F.: Vorspiel Parsifal für Pianoforte, Harmonium, Violine und Violoncello arrangirt. Mainz: Schott 1884, Mk 3,50. Wilhelmj, August:22 Paraphrase über ‚Parsifal‘ von Wagner für Violine mit Pianoforte. Mainz: Schott 1884 (Bearbeitete Compositionen für Violine. Mit Orchester), 13 S. (Pl. 23733b.) M 2,50 [mit Orchesterbegleitung, Partitur: M 1,50, Orchesterstimmen M. 3,75]23 [Einzelszenen / sonstiges] Heintz, Albert: Gebet des Amfortas (Baryton): „Mein Vater! Hochgesegneter der Helden“ zum Einzelvortrag eingerichtet, mit deutschem u. engl. Text. Mainz: Schott 1887, Mk 0,75

16 1847–1884. 17 Vgl. Anm. III 59. 18 1834–1904. Analyse bei Egdorf Bd. 2, S. 343–348. 19 Cellist und Komponist in Weimar (1835–1900). 20 Vgl. Anm. III 59. 21 Vgl. Anm. III 60. Er musizierte zusammen mit August Wilhelmj zu Glucks Geburtstag am 2.7.1876 im Haus ‚Wahnfried‘, vgl. Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 5, S. 396. 22 Violinvirtuose und Pädagoge (1845–1908), von Wagner hoch geschätzt (vgl. z. B. Cosima-Tagebücher 2, S. 332), sollte für das gescheiterte Projekt einer Stilbildungsschule in Bayreuth gewonnen werden (vgl. Glasenapp, Leben Richard Wagners Bd. 5, S. 396). 23 Hofmeisters Musikalisch-literarischer Monatsbericht 1884, S. 88 nennt einen Preis von M. 2,50.

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Literaturverzeichnis

Heintz, Albert: Gebet des Amfortas aus ‚Parsifal‘ für Violine und Orgel bearb. Mainz: Schott 1887, Mk 1,75. Hänlein, Albrecht: Vorspiel zu Parsifal für Orgel zum Concert-Vortrag, Mainz: Schott 1883, Mk 1,25 *Jacobowsky, Hermann24: Fragment aus R. Wagner’s ‚Parsifal‘, für 4 Violoncelle. London, Mainz: Schott , 1894 S VN 25745. – 10 S. – RM 1,75 [‚Glaubensmotiv‘ aus dem Vorspiel zum ersten Akt – Karfreitag – ‚Selig im Glauben‘] Lemare, Edwin H.: Charfreitags-Musik. Good Friday music, transcribed for the organ, Mainz: B. Schott’s Söhne [ca. 1899], 11 S. Oertel, Louis: Vorspiel zum Bühnenweih-Festspiel ‚Parsifal‘ für Militair-Musik arrangirt, Hannover: Oertel [1883], 19 S. für große Militär-(Infanterie-)Musik. Partitur und Stimmen, Mk 9; für kl Militär-(Harmonie-) Musik. Partitur und Stimmen Mk 8 ; für große Blechmusik. Partitur und Stimmen Mk 8. Reinhard, August: Richard Wagner – Duos für Harmonium und Pianoforte über Themata aus seinen Opern u. Bühnenfestspielen übertragen. Berlin: Simon 1894 – 6. Vorspiel zu ‚Parsifal‘. Mk 2,50. 7. Charfreitagszauber aus ‚Parsifal‘. Mk 1,75. *Schmidt, Heinrich25: Zehn Tonbilder mit Text aus Parsifal von Richard Wagner, für Harmonium (Orgel oder Klavier), (Violine oder Violoncello nach Belieben), bearb. von Heinrich Schmitt, Inhalt: 1. Gurnemanz erzählt den Knappen von Titurel. 2. Gurnemanz‘ Verweis an Parsifal. 3. Vor der Enthüllung des Grals. 4. Die Enthüllung des Grals und das Liebesmahl. 5. Kundry erzählt Parsifal von seiner Mutter Herzeleide. 6. Parsifals Verzückung. 7. Karfreitagszauber. 8. Titurels Totenfeier. 9. Amfortas‘ Flehen. 10. Schlußmusik: Höchsten Hediles Wunder! Erlösung dem Erlöser! Regensburg: Coppenrath/Pawelek, [1913]26, 14 S.  *Schmid, Richard: Gralsfeier. Feast of the Holy Grail from the First Act of ‚Parsifal‘, arranged for Men’s Voices with Accompaniment of Piano and Harmonium, edited (English Translation) by Theodore Baker27, arr. by Richard Schmid, Boston, Mass.: Boston Music Company 1905 (B. M. Co. 1191), 34 S. [spätere Ausgabe s. Volbach, Fritz] *Schuëcker, Edmund28: Die bedeutendsten Stellen für Harfe aus Richard Wagner’s ‚Der Ring des Nibelungen‘ – ‚Die Meistersinger von Nürnberg‘ und ‚Parsifal‘. Mit genauer Fingersatz- und Pedalbezeichnung, Mainz: Schott [ca. 1900]. – Heft II: ‚Meistersinger‘ – ‚Götterdämmerung‘ – ‚Parsifal‘, 53 S. (S. VN 24761–2) [VI. ‚Parsifal‘ S. 46–53]- M 5,*Volbach, Fritz29: Gralsfeier. Feast of the Holy Grail from the First Act of ‚Parsifal‘ for Mixed Voices, with Accompaniment of Piano and Harmonium, edited (English Trans-

24 Berliner Cellist (1846-?). Arrangierte auch andere Werke von Wagner für Violoncello. 25 1874–1935, wirkte 1904 königlicher Seminarlehrer in Bayreuth. Musikalisches Hauptwerk: Die Orgel unserer Zeit in Wort und Bild. Ein Hand- und Lehrbuch der Orgelbaukunde mit … dem einschlägigen akustischen Teil in Wort und Bild und einem Verzeichnis klassischer und moderner Kompositionen für Orgel, München: Oldenbourg, 1904, 3 Tafeln, 90 Textillustrationen und Verzeichnis von Orgelkompositionen, 139 S., 22 cm, Leineneinband im Jugendstil (letzter Nachdruck 2015). 26 Datierung des Geleitworts S. 2. Das Heft wurde als „hervorragende Novität“ angezeigt in Musica divina. Monatsschrift für Kirchenmusik, hg. von der Schola Austriaca, Wien 2 (1914), S. 63. 27 1851–1934. 28 1860–1911, arbeitete u. a. in Wien bei Gustav Mahler, später in Pittsburgh und New York. Vgl. H. Reitterer in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 11 (1999), S. 286 f. 29 1861–1940.

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lation) by Theodore Baker30, arr. by F. Volbach, copyright 1907 by G. Schirmer Jr., Boston, Mass.: Boston Music Company 1907 (B.M. Co. 1497), 34 S. Net, 50 cent. [frühere Ausgabe s. Schmid, Richard] Westbrook, William Joseph31: Arrangements for the Organ. No. 47. Wagner, Rich., Charfreitagsmusik (Parsifal). Mainz: Schott 1891, Mk 1. [Einspielungen der Aeolian Company bis 1898 ] *Wagner, Richard: Parsifal Vorspiel. New York: The Aeolian Co. 1891 (Aeolian Grand 30225) *Wagner, Richard: Parsifal. Act I. March and Consecration of the Grail. New York: The Aeolian Co. 1891 (Aeolian Grand 30220) *Wagner, Richard: Parsifal -- Act II. Scene of the Flowers. New York: The Aeolian Co. 1891 (Aeolian Grand 30221) Wagner, Richard: Parsifal. Herzeleide. New York: The Aeolian Co. 1891 (Aeolian Grand 30222) Wagner, Richard: Parsifal.Der Schwan. New York: The Aeolian Co. 1891 (Aeolian Grand 30223) Wagner, Richard: Parsifal. Nr. 1 Vorspiel. Arr. For 4 hands by E[ngelbert] Humperdinck [by Alfred Hertz]. New York: The Aeolian Co. [1904] (Metrostyle 64663) [sonstige Textausgaben] *[Altmann] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, mit einer Einführung von Wilhelm Altmann, Mainz, Leipzig, London, Brüssel, Paris: Schott [1912], XVIII, 66 S. *[Burghold] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, Text mit den hauptsächlichsten Leitmotiven und Notenbeispielen hg. Von Julius Burghold, Mainz: Schott [ca. 1905], 60 S. [Beilage: 1 Tafel mit Leitmotiven] *[Denk] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, mit einer Einführung von Max Denk32, München: Birk 1914, 92 S., Preis 50 Pfg. [Einleitung S. 3–34] *[Golther] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, hg. von Wolfgang Golther, Wien: Tempsky, Leipzig: Freytag 1914 (Freytags Sammlung ausgewählter Dichtungen. Mit Einleitungen und Anmerkungen), 123 S. [Einleitung S. 1–48] [Hartmann] Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner. Neu herausgegeben mit einer Einführung und mit wichtigen, in den Text aufgenommenen Notenbeispielen versehen von Georg Hartmann. Berlin: Ahn & Simrock, (1914). 92 S.

30 1851–1934. 31 1831–1894, britischer Komponist und Organist bei St. Bartholomew’s in Sydenham, promovierte in Oxford. 32 Organist an der Münchner Kgl. Herzogs-Spital-Hofkirche, vgl. die Notiz über seine Ernennung in: Musica sacra. Monatschrift für Kirchenmusik und Liturgie 41 (1908), S. 148, und allgemein als Münchner Komponist bezeichnet, vgl. Die Musik 13 (1914), S. 188 und 318.

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Literaturverzeichnis

*[Kapp] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen [Textbuch33], hg. von Julius Kapp34, Leipzig: Hesse & Becker [1914] (Hesses Volksbücherei 877), 51 S. [Einleitung 5–935] Preis: 20 Pf. *[Kapp] Wagner, Richard: Tristan und Isolde – Die Meistersinger von Nürnberg – Parsifal. Hg. von Julius Kapp. Leipzig: Hesse & Becker [nicht nach 191536], 231 S. (Dichtungen 3) [Parsifal S. 183–231, darin Einleitung des Herausgebers S. 185–189; Satz bis auf die herausgenommene Lagenzählung und die veränderte Seitenzählung mit der Einzelausgabe identisch. Einband Hardcover mit Vignette] *[Koch] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, mit Einführung hg. von Max Koch37, Leipzig: Amelang 1914, XX, 78 S. [Einleitung S. III-XX38] *[Kruse] Wagner, Richard: Parsifal. Vollständiges Opernbuch, hg. Georg Richard Kruse39 (Opernbücher 75 Leipzig: Reclam 1910 (Reclams Universalbibliothek 5640 = Opernbücher 75), 79 S. [Kommentar S. 3–9, zahlreiche Auflagen bis 1942, textlich unverändert] [Kühn] Richard Wagner: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen. Textbuch mit Motiven. Bearb.v. Edmund E. F. Kühn. Berlin: Globus, ca. 1910, 49 S., Notenbeispiele auf Falttafel [Kühn] Richard Wagners Musikdramen. Der Ring des Nibelungen, Parsifal, Die Feen, Das Liebesverbot, Die Hochzeit. Durchges., mit den ursprünglichen Fassungen verglichen, mit Eineitung sowie den hauptsächlichen Motiven und Notenbeispielen versehen nebst einem Anhang und einer Zeittafafel aus Wagners Leben, hg. v. Edmund E. F. Kühn. – Berlin: Globus [1910], 376 S.

33 Zusatz auf dem Papierumschlag. 34 Kapp (1883–1962), Musikschriftsteller und Dramaturg, Mitglied der NSdAP. Zu ihm vgl. Klee, Kulturlexion zum Dritten Reich S. 295. 35 Kapps Kommentar betont Wagners Unabhängigkeit von den Quellen, er ziele „auf allgemein menschliche Grundlage“. Zum Aufführungsmonopol steht er kritisch: „Wagner bestimmte seinen Schwanengesang ausschließlich für das Bayreuther Festspielhaus und lieferte ihn nicht an das Theater aus. Daß hierdurch sein Werk jedoch zum Privileg Weniger, mit materiellen Gütern Gesegneter werde, wie es in Bayreuth später der Fall war, dürfte jedoch schwerlich in seinen Intentionen gelegen haben“ (S. 5 f.) – Bemerkenswert: S. (53) Werbung für die Ausgabe von „Parzival und Titurel. Rittergedichte von Wolfram von Eschenbach. Übersetzt von Karl Simrock“ (=Hesses Volksbücherei 374–383) mit einer vierseitigen Inhaltsangabe des Parzival, die „bereits die Möglichkeit eines Vergleiches zwischen Wolframs Stoffreichtum und Wagners Neu-Schöpfung“ gebe. 36 Das mir vorliegende Exemplar enthält eine Widmung aus dem Jahr 1915; im Worldcat sind Datierungen 1910–1915 aufzufinden. 37 Professor der Philologie in Breslau, Literaturwissenschaftler (1855–1931), Hg. zahlreicher Dramatiker, darunter Shakespeare und August von Platen. Koch, Max: Richard Wagner, 1–3, Berlin: Ernst Hofmann Verlag, Berlin 1907–1918 (Eine Sammlung von Biographien 55/56, 60/61, 63–65). 38 15,5x10 cm. Fraktur. Roter Verlegereinband mit eingeprägtem Jugendstilornament auf dem VD, Rücken mit Goldprägung. – In Gegnerschaft zu den Reichtstagsbeschlüssen gegen die „Lex Cosima“, aber bereits in Erwartung von Aufführungen außerhalb Bayreuths; die Hoffnung wird auf eine „vom Bayreuther Geist durchwehte Aufführung“ gesetzt. 39 Kapellmeister und Musikschriftsteller (1856–1944), nach verschiedenen Stationen (u. a. Dresden, Milwaukee, Bern und St. Gallen) 1900 Umzug nach Berlin, seit 1903 hauptsächlich als Redakteur der musikbezogenen Publikationen des Reclam-Verlages tätig. Herausgeber von Lortzings Briefen, verfaßte neben Reclams Opernführer Monographien über Schubert, Meyerbeer und Otto Nicolai.

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*[Lebede] Wagner, Richard: Parsifal. Mit Einleitung und Anhang hg. v. Hans Lebede. 6 Leipzig [u. a.]: Ehlermann 1914 (Richard Wagners Musikdramen 1140), 76 S. [Einleitung mit Notenbeispielen S. 3–2441, Anhang S. 66–76 mit Auszügen aus Wolframs ‚Parzival‘ in der Übersetzung von San Marte] *[Lichtenberg] Wagner, Richard: Parsifal, mit Szenenbildern aus Bayreuth und Bildern nach Aufführungen des Deutschen Opernhauses in der Inszenierung von Georg Hartmann, hg. von der Richard-Wagner-Gesellschaft mit einem Nachwort von [Ludwig] von Lichtenberg, Berlin: Borngräber [ca. 1914]42 *[Mode] Wagner, Richard: Parsifal. Berlin: S. Mode [nach 191443] (Mode’s Operntexte 125), X, 42 S. Einleitung von F[riedrich] R[ommel] und J[ohannes] S[cholte]44 [Mörike] Wagner, Richard: Parsifal. Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen, hg. von Eduard Mörike. Halle: Hendel 1914 (Hendels Operntexte 41), 70 S. *[Nolthenius] Wagner, Richard: Parsifal. Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen. R. Wagner, Maatschappij tot Bevoerdering der Tonkunst Afd. Amsterdam, Dir. Willem Mengelberg, Amsterdam: Maatschappij [1902], 73 S. [S. 1–21 Einleitung in holländischer Sprache durch Hugo Nolthenius] *[Reuschel] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, illustriert nach Gemälden und Zeichnungen zeitgenössischer Meister, hg. und eingeleitet von Karl Reuschel45, Leipzig: Meulenhoff 1914 (Meulenhoff-Ausgaben. Geschichte, Kunst, Literatur), 88 S. *[Schnaß] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Einführung und Erläuterungen von Franz Schnaß46. Nürnberg: Koch [1920] (Kochs Deutsche Klassikerausgaben. Billigste Schulausgaben 66) [Literatur S. 3–4, Einführung S. 5–28, Erläuterungen S. 96–115] *[Specht] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, eingeleitet und mit Angabe von Notenbeispielen hg. von Richard Specht. Wien: Wallishausser’sche K.u.K. HofBuchhandlung (Adolph W. Künast) [1914], 61 Seiten, 1 aufklappbares Notenblatt. [„Die Einleitung sowie die Zusammenstellung der Notenbeispiele sind Eigentum des Verlages“, Titelblatt mit Motiv von Grete Wolf]

40 Originalumschlag zeigt teils Vignette mit Lyra, teils die Semper-Oper. Parallel in anderem Umschlag in ‚Deutsche Schulausgaben‘ des gleichen Verlags. 41 Deutung weitgehend von Wolzogen abhängig. 42 Bemerkenswerter Versuch, trotz des Bekenntnisses zum ‚Parsifal-Schutz‘ Einfluß auf die ab 1914 möglichen Aufführungen außerhalb Bayreuths zu nehmen; Lichtenberg resümiert im Nachwort alle Argumente für Bayreuth und läßt auch Photographien der dortigen Bühnenbilder einrücken; auf den letzten Seite des Nachwortes wird gegen die im Buch dokumentierte Berliner Aufführung abwertende Kritik geäußert (S. 91–94) – ein seltsamer Vorgang. 43 Zur Reihe vgl. Balestrini. Der Druck wird genannt S. 247, 255 und 281. Die Umschlaggestaltung entspricht dem S. 109 dokumentierten und auf 1914 datierten Typ; auch in den Werbeanzeigen taucht der ‚Parsifal‘ erstmals im „achten Stadium“ (Balestrini S. 105) auf. 44 Auflösung der Namenssiglen bei Balestrini S. 249. 45 Germanist (1872–1924). 46 Studienrat (Deutsch und Erdkunde), geb. 1889, Verfasser von schulpädogigschen Schriften und von Jugendbüchern. Bemerkenswert: Nationalsozialistische Heimat- und Erdkunde mit Einschluß der Geopolitik und des vaterländischen Gesamtunterrichts. Osterwieck [u. a.]: Zickfeldt 1934 (Die nationalsozialistische Erziehungsidee im Schulunterricht. Doppelbd.) – S. 10 klare Kritik an Wagners Qualität als Dichter.

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Literaturverzeichnis

*[Sternfeld] Wagner, Richard: Parsifal. Dichtung – Entwurf – Schriften, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1914, IV, 100 S. [Einleitung S. IV und Anm. S. 97–100 von R(ichard) Sternfeld; Preis: RM 1,50; Reprint Wiesbaden: Sändig 1973] [Tschinkel] Lohengrin. Parsifal von Richard Wagner, hg. von A. Bernt / J. Tschinkel. Mit einer Einführung von Hans Lebede. Wien Manzsche k. u. k. Hof – Verlags- und Universitätsbuchhandlung 1914 (Neuere Dichter für die studierende Jugend), 126 S. *[Wildermann] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Mit den 30 Zeichnungen von Hans Wildermann, Regensburg: Bosse47 1922. 108 S., 2 Bll. mit 30 ganzseitigen Ill. [aus den Jahren 1904/05. Nach S. 108 4 S. Bibliographie der Werke Wildermanns] [Wolffson] Wagner, Richard: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Textdichtung, Liebhaberdruck. Leipzig: Helios-Verlag Franz A. Wolffson, 1914. 77 Seiten, mit einer beigebundenen Original-Radierung Wagners von I. L. Raab48. Goldgeprägter Original-Pergamentband mit Kopfgoldschnitt und Lesebändchen. 300 handschriftl. numerierte Ex. [Übersetzungen] Brayer, Jules de: Essai de traduction analytique sur le ‚Parsifal‘, pièce d’inauguration theâtrale de Richard Wagner, Paris: Bureau du Progrès artistique 1879, 64 S. 49  *Brayer, Jules de: Parsifal. Pièce d’inauguration theâtrale, [Richard Wagner, traduction de Jules de Brayer], in: Revue des chefs-d’oeuvre et curiosités littéraires 1, Paris: Bureau de la Revue des chefs d’œuvre 1883, S. 376–413 [Titel im Inhaltsverzeichnis: Parsifal. Poème dramatique de Richard Wagner] *[Corder] Wagner, Richard: Parsifal, a festival drama, translated into English in exact concordance with the original by H[enrietta] L. and F[rederick] Corder, Mayence: B. Schott’s Söhne 1879, 62 S. *[Corder, MET] Parsifal. A Festival-Drama by Richard Wagner, translated into English in exact accordance with the original H[enrietta] L. and F[rederick] Corder, New York: Rullman [1903], 43 S. [Zahlr. spätere Nachdrucke, die Erstausgabe kostete 35 c., spätere Ausgaben 50 c.] *[Corder, Ditson] – Wagner, Richard: Parsifal. A Festival Drama (Ein Bühnenweihfestspiel). German and English Text and the Music of the Leading Motives, translated by H[enriette] L. and F[rederic] Corder, Philadelphia: Ditson Co. [ca. 1905] (Grand Opera Librettos), 44 S. Price 40 Cent. [Delpit] Les Operas de Wagner: traduit par [Jean-]A[rthur] Delpit50, Tome I: Tannhaeuser, Lohengrin, Parsifal, Paris: Chamuel, Bordeaux: Delmas, 1896, 286 S. [Forman] Wagner, Richard: Parsifal in English verse, from the German of Richard Wagner, by Alfred Forman, printed for the Translator by Private Subscription and Issue, with the consent of Messrs. Schott & Co., London: [Privatdruck], 1899, XV, 71 S. [70 Ex., eine Verlagsausgabe erschien London: Macmillan 1899]

47 Gustav Bosse (1884–1943), Regensburger Verleger, stand dem Nationalsozialismus nahe. Die enge Zusammenarbeit mit Wildermann belegen die Verlagsanzeigen am Ende des Bandes. 48 Johann Leonhard Raab (1825–1894), Münchner Graphiker. 49 Nach F. S. Fétis: Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la Musique, Supplement et Complément 2 (1880), S. 655 erschien eine parallele Ausgabe im Schott-Verlag Paris. 50 Vgl. Pistone, Gautier S. 156.

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*[Gautier] Wagner, Richard: Parsifal. Poème, Traduction de Judith Gautier, Paris: Colin 1893, 84 gez. S. – Mit einem Kupfer von Paul Baudry und Reproduktionen von Wagners eigenhändigen Musikskizzen für J. G. – Enth.: Vorwort von Judith Gautier, S. I– IX, S. 83–84 Note (Auszüge aus dem Briefwechsel Gautiers mit Wagners) [Gautier 1914] Wagner, Richard: Parsifal. Poème, Traduction de Judith Gautier, nouvelle édition siuvie de la correspondance de Mme Judith Gautier avec Wagner à propos de la traduction de Parsifal, Paris: Colin 1914, 141 S. [Gautier/Kufferath] Parsifal, drame sacré de Richard Wagner. Version française de Judith Gautier et Maurice Kufferath. (La Petite Illustration. Série Théâtre. 3 janvier 1914. Revue), 32 S. [Glyn] Parsifal: a sacred festival-drama = Parsifal: ein Bühnenweihfestspiel / by = von Richard Wagner ; translated by M.H. Glyn51, London ; Schott & Co. [19--?], 62 S [Englisch-Deutscher Text in Paralleldruck] *[Jackson] Parsifal. A Festival Music Drama by Richard Wagner. The English Version by John P. Jackson, New York: Edward Schuberth & Co., 1892, [2], IV, 20 S., [4] Taf. [Mr. B. J. Lang’s second private performance of the music of Wagner’s Parsifal at Boston Music Hall. Wednesday, May 4, 1892]. S. I-IV [Jackson:] The Story of The Grail, mit einem engl. Gedicht von Hermann von Lingg52 (S. I) [Kaplan] Parsifal, festival dramatique. Première traduction littérale française (texte intégral) par Horace Kaplan, Paris: Grande Librairie de l’Opéra 1914, 79 S. [Kilpi] Parsifal. Kertomus Graalin ritarista … [ins Finnische übers. von] Volter Kilpi, Volter53, Helsingissä: Kustannusosakeyhtiö Otava [1902], 120 S. *Kufferath, Maurice: The Parsifal of Richard Wagner, translated from the French54 of Maurice Kufferath, New York: Tait [1892], 300 S., 16 Taf.55 *Kufferath, Maurice: The Parsifal of Richard Wagner, translated from the French56 of Maurice Kufferath, introduction by H[enry] E[dward] Krehbiel, New York: Holt 1904, XIV, 291 S. mit 8 Taf.57 [Lang] Mr. B[enjamin] J[ohnson] Lang’s58 private performance of the music of Wagner’s Parsifal at Symphony Hall, Boston, Tuesday, January 6, 1903, Boston [: s.n., 1903], 63, 63 [d.i. 106] S., deutscher und englischer Text in Paraleldruck in doppelter Zählung, [Printed by Thomas Todd, Boston] Auf der Rückseite des Umschlags Hinweise auf die Kürzungen in der Partitur während der Aufführung

51 Glyn, Margaret Henrietta 1865–1956. 52 Hermann Ritter von Lingg (1820–1905), Dichter und Arzt, vgl. Günter Häntzschel in: NDB 14 (1985), S. 623 f. 53 Kilpi, Volter, 1874–1939. 54 Die Übertragung von Judith Gautier. 55 Anton Seidl gewidmet „in recognition of his earnest efforts to inspire his fellow beings with a higher knowledge of and deeper reverence fort he genius of Richard Wagner“ (ungezähltes Blatt hinter der Titelei). Tafeln mit Bildern aus der Bayreuther Aufführung. 56 Vgl. Anm. IV 54. 57 Die Tafeln mit Bildern „from Parsifal at the Metropolitan Opera House New York“ mit CopyrightVermerk „1903 by Pach Bros.“ 58 1837–1909, amerikanischer Dirigent, Komponist und Pianist. 1891 beteiligte er sich mit dem Orchester der New York MET an einer konzertanten Aufführung des ‚Parsifal‘ durch Alfred Hertz in Boston.

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Literaturverzeichnis

[Legis] Wagner. Traduction, avec une introduction et des notes. [Joseph-DominiqueAldebert Pineton,] Le Comte de Chambrun59 et Stanislas Legis. Illustrations par Jacques Wagrez,  2 Bde, Paris: C. Lévy 189560 *[Meltzer] Parsifal. The Story of This Solemn Festival Play, Containing also the libretto of Parsifal, translated into English from Wagner’s authorized text, New York: J. S. Ogilvie Publishing Company, 1903 [S. 3–15: Foreword, Charles Henry Meltzer61, S. 97–127: „What some critics say” (Presseecho)] [Morsier] Parsifal de Richard Wagner [Übers.:] Émilie de Morsier, Paris: Fischbacher, 1893, VII, 89 S.  *Marsillach [Lleonart] 62, Joaquín: Parsifal. Peregrinación a la Meca del porvenir, Barcelona: Giró 188263, 35 S. [Offoel, Jacques d’64] L’Anneau du Nibelung et Parsifal. Traduction nouvelle en prose rythmée exactement adaptée au texte musical allemand, Paris: Fischbacher 1895, 319 S.65 *[Péralté] Péralté, Lotus66: L’ésotérisme de Parsifal. L’ésotérisme de la vieille légende celtique du cycle d’Artus, suivis d’une traduction littérale du Parsifal de Richard Wagner, Paris: Perrin 1914, 218 S. [S. 1–110 Einleitung, 111–218 Übersetzung] *[Phelps] Parsifal. An English Text for the Score by George Turner Phelps together with the German Poem, Boston: Badger Gorham Press 1904, 85 S. [Deutscher Text nach dem Klavierauszug von Rubinstein] [Pozza, Text] Parsifal, dramma mistico in tre atti di Riccardo Wagner, traduzione ritmica di Giovanni Pozza dal testo originale tedesco, Milano: G. Ricordi, 1913, 56 S. Prezzo netto Cent. 50 [Textheft ohne Beigaben] [Prod’Homme] Richard Wagner, Parsifal, festival scénique sacré en 3 actes. Traduction en prose par M. J[acques]-G[abriel] Prod’Homme, avec introduction et analyse de l’œuvre, Paris: Muller [s. d.67], 48 S. (Original und synpotische frz. Prosafassung)68 [²Paris: Delagrave 1922, 54 S.] [Roudié] Richard Wagner: Parsifal, drame sacré en trois actes et sept tableaux, traduction de Émile Roudié69, P.-V. Stock, 1914, 89 S. [Kleinformat]

59 1821–1899. 60 Pistone, Gautier S. 155. 61 Vgl. Anm. IV 93. 62 Joaquin Marsillach (1859–1883), katalanischer Musikschriftsteller. Er gehörte 1882 einer spanischen Delegation bei den Bayreuther Festspielen an. 63 Im Stil der ‚Bayreuther Briefe‘ geschrieben. 64 1862–1906. Übersetzer von Liedtexten für Kompositionen von Beethoven und Schubert, Musik­ journalist. 65 Zu dieser Übertragung Pistone, Gautier S. 155. 66 Baronin Elvezia Païni-Gazotti, spätere Péralté (1862–1953), Malerin und Schriftstellerin, die seit 1913 zum Kreis um Rudolf Steiner gehörte. Wichtigstes Werk: La Magie et le Mystère de la Femme, Paris 1928 (Widmung an Rudolf Steiner). Sie legte auch eine Übersetzung der ‚Ring‘-Tetralogie vor. Vgl.: Lotus de Païni (1862–1953) et les trois totémisations, in: René Guénon, lectures et enjeux. Politica Hermetica 16 (2002), S. 211–250. 67 Die Angabe „1880“ bei Pistone, Gautier S. 155 und die Auflösung des Vornamens zu „Jacques-­ Georges“ ist vermutlich falsch; richtig ist Jacques-Gabriel Prod’Homme (1871–1956), so dass mit einer Erstpublikation um 1914 zu rechnen ist. 68 Pistone, Gautier S. 155. 69 1877–1953. Vgl. Pistone, Gautier S. 156.

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*[Savage] An English Translation of Parsifal, the Sacred Festival Drama by Richard Wagner, weith Representations of Principal Characters and Motifsa, produced by Henry W[ilson] Savage, [Boston: Savage Company] 1904–5, 56 S. [verwendet die Übersetzung von Margaret Glyn] *[Wilder] Parsifal. Poème et musique de Richard Wagner. Version française de Victor Wilder 70, Paris, P. Schott & cie; [ ca. 1885], 60 S. [Bildertafeln] *Braune, Hugo L.: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner. In Bildern dargestellt von Hugo L. Braune. Leipzig: Siegel’s Muikalienhandlung R. Linnemann [1908], Titel und 10 Farbtafeln (Richard Wagner’s Bühnenwerke in Bildern dargestellt). 35,5x30 cm, Bilder 25x20 cm Brückner, Max: Bayreuther Bühnenbilder. Parsifal. Greiz: G. Henning’s graph. Kunstanstalt, (um 1900). 8 farblithographische, auf festem Karton montierte Abb. in Leinenflügelmappe mit Goldprägung 71 *Fischer, Otto72: Parsifal vor Gralsburg. Aquatinta-Radierung 34x27 cm. Berlin: O. Felsing [ca. 1900] Kranich, -: Bühnenfestspielhaus, Bayreuther. Dekorationen zu ‚Parsifal‘, ‚Tristan und Isolde‘ und ‚Die Meistersinger v. Nürnberg‘ Bayreuth: Giessel 1889, 13 Bl., photogr. aufgenommen v. Kranich.) In Leinwand-Mappe Mk 10 n.; einzelnes Blatt Mk 1 n. Leeke, August Ferdinand73: Richard Wagner-Werk. Ein Bildercyclus von Ferdinand Leeke. Neue Folge: Tristan und Isolde, Parsifal, Die Meistersinger. 15 Bilder [Kupferätzung, s-w]. Mit Text von Franz Muncker. München: Hanfstaengl. 1895, 49,5 x 37 cm. Titel, 2 Bl. 3 S. Text. 15 Tafeln an Falzen. Ganzleinenband mit reich verziertem, rot-schwarzem kalligraphischen Deckeltitel und goldumrahmter Deckelillustration, dreiseitigem Goldschnitt, ornamentalen, goldgeprägten Brokatpapiervorsätzen. Enth. 4 Tafeln zu ‚Parsifal‘. Preis in Prachtband: 45 M. Leeke, August Ferdinand: Richard Wagner Kalender 1914. 12 Illustrationen von Ferd[inand] Leeke. Wien: Munk 1913, unpaginiert. 27 ungez. Bl. mit 12 Taf. Rot-goldener Deckeltitel mit Gralssymbol *Leeke, August Ferdinand: Richard Wagner. 12 Illustrationen von Ferd[inand] Leeke. [Wien]: [Munk] [ca. 1915], unpaginiert. Rot-silberer Deckeltitel mit Gralssymbol, Vorsatz mit Verlagssignet, imitiert wie die Seitenumrahmungen die Brokatpapiervorsätze aus den früheren Leeke-Publikationen. 49,3 x 36,6 cm. – Je zwei Seiten Noten und eine montierte Farbtafel zu: Die Feen, Rienzi, Der fliegende Holländer, Tannhäuser,

70 Zu ihm vgl. Anm. III 6. 71 Format 23 x 28 cm; Legende aller acht Tafeln: „Erste und einzig authorisierte farbige Reproduktion der Bühnenbilder im Festspielhaus zu Bayreuth. Die Entwürfe zu denselben sind von den Herren P. Jou­kowsky und Gebrüder Max und Gotthold Brückner, ausgeführt für das Festspielhaus von den Letztgenannten.“ 72 Otto Fischer (1870–1944), Maler, Zeichner und Graphiker, zuletzt in Dresden. 73 Ferdinand August Leeke (*1859–1937) seit 1882 an der Akademie der Bildenden Künste München. Die 55 Gemälde zu Wagners Werken entstanden im Zeitraum von 1889 bis 1898 im Auftrag von Siegfried Wagner; ein Großteil der Originale ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Zur Person vgl. Thieme/Becker 21/22, S. 543.

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Literaturverzeichnis

Lohengrin, Tristan, Meistersinger, Götterdämmerung, Walküre, Siegfried, Rheingold, Parsifal [Bl. 24 f., 24: Parsifal reitet über die Karfreitagsaue] * Naumann, A.: Parsifal. Scenische Bilder nach den für die Bayreuther Aufführung gefertigten Decorations- und Costümsskizzen der Herren Gebr. [Max und Gotthold] Brückner und P[aul von] Joukovksy. Neun Lichtdrucke von Naumann & Schroeder, einzig autorisierte Ausgabe, Leipzig: Schloemp 1882, 11 Bl. in Leinwandmappe mit Golddruck, 20 Mark, einzelne Bl. 3 M.74 [²1883, später: Leipzig: Unflad 1886, 20 M.75] Pogány, Willy: Parsifal Calendar for 1915, London, Paris: Liberty Co. 1914, 30 S., 12 Taf., 24 x 17,15 cm *Pogány, Willy: Richard Wagner Parsifal, Kalender für 1915, Ill. von Willy Pogàny[!], Verse von Richard Specht, Wien: Munk: [1914]: 30 S., 12 Taf. zahlr. Ill., Notenbeisp. 31 x 26 cm *Ritter, C.: Richard Wagner’s Parsifal. Neun Scenenbilder, gemalt von C. Ritter, mit einem Vorwort von Hans v. Wolzogen, in Lichtdruck ausgef. von Josef Albert, Bayreuth: Heuschmann 1886 [²1888], 2 Blätter, 9 auf Karton montierte Lichtdrucke in dunkelgrüner Leinenflügelmappe mit Goldprägung; Format 18 x 10,5cm *Stassen, Franz: Parsifal. 15 Bilder zu Richard Wagner’s Bühnenweihfestspiel, Berlin: Fischer & Franke 1901, 15 Taf. in losen Blättern in Seidenmappe, 46 x 36 cm *Stassen, Franz: Parsifal. Titelblatt mit einem einleitenden Text von Hans von Wolzogen, 15 Bilder zu Richard Wagner’s Bühnenweihfestspiel, Berlin, Leipzig: B. Behrs Verlag Friedrich Feddersen 1914, 16 Tafeln in losen Blättern in Pergamentpappe. 46,5 x 36 cm Xilografia raffigurante alcune scene delle rappresentazioni di ‚Tannhäuser‘ e ‚Parsifal‘ di Richard Wagner al teatro di Bayreuth. Incisione originale tratta da ‚Il Teatro Illustrato‘. Milano: Sonzogno, Settembre 1891, 6 montierte Tafeln im Passepartout, Format 33 x 47 cm [‚Parsifal‘ auf Taf. 4: „Kundry che lava i piedi a Parsifal“, und Taf. 6: „Parsifal e le fanciulle dei fiori dal ‚Parsifal’“] [Entwürfe, Aussprüche] Lindner, Edwin: Richard Wagner über ‚Parsifal‘. Aussprüche des Meisters über sein Werk. Aus seinen Briefen und Schriften sowie anderen Werken zusammengestellt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von Edwin Lindner. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1913 (Breitkopf & Härtels Musikbücher), XLVIII, 221 S. [Preis: RM 5,00]. *Wagner, Richard: Entwürfe zu: Die Meistersinger von Nürnberg, Tristan und Isolde, Parsifal. Mit einer Einführung von Hans von Wolzogen, Leipzig: Siegel’s Musikalien­ handlung 1907, 200 S.76 Darin: Einleitung S. 5–46 (zu ‚Parsifal‘ S. 36–46), ‚Parzival‘ (‚Erster Prosaentwurf ‘ von 1865) S. 167–200

74 Preisangabe im Werk Bl. 3. Vgl. auch die Bücheranzeige bei Eggert, Parsifal vor 50 Jahren S. 49. 75 Ca. 18 x 12 cm. 1 Blatt, 9 auf Karton montierte Lichtdrucke. Beige Leinenflügelmappe mit Goldprägung. Vgl. Karl Georgs Schlagwort-Katalog. Verzeichnis der Bücher und Landkarten in sachlicher Anordnung 1883–1887, Hannover: Cruse 1889, S. 1009. 76 „Titel und Einband zeichnete Walther Tiemann … Leipzig“ (1876–1951) im Stil der Volksausgabe von Wagners Schriften. Tiemann arbeitet u. a. für Insel, Rowohlt, S. Fischer, Rütten & Löning und Albert Langen. Er war 1920–1940 Direktor der Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, nochmals kommissarisch 1946. Er wurde 1944 von Hitler in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Gebrauchsgraphiker und Entwurfszeichner aufgenommen, vgl. Klee, Kulturlexikon, S. 615.

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[Epische Nacherzählungen] *Chamberlain, Houston Stewart: Parsifal-Märchen, München: Bruckmann 1900, 63 S. [Vorzugsausgabe in goldgepr. Orig.-Ganzleder, 36 Bütten-Blättern mit schmuckvoll goldfarbener Verzierung auf beiden Deckeln, Innentitel mit goldgedruckter Versalie, schöngestaltete Kapitelanfänge in dreifarbiger Ausführung, innen fadengeheftet, ca. 20 x 24 cm, paginiert bis Seite 63. Erschien Weihnachten 1899 in 330 Ex.] – ²1913, 84 S., 1000 num. Ex. – ³1916, 74 S. – 41923, 70 S. *Fynes, Randle77: Parsifal and Tristan und Isolde. The Stories of Richard Wagner’s Dramas, told in English by Randle Fynes and Louis N. Parker78, London: Smith, Elder & Co. 1914: 88 S. 1 sh. and sixpence [Parsifal by Randle Fynes, S. 1–67] *Gautier, Judith: Richard Wagner et son œuvre poétique depuis ‘Rienzi‘ jusqu’à ‘Parsifal‘, Paris: Charavay 1882, 190 S. [‘Parsifal‘: S. 139–185] *Hauptmann, Gerhart: Parsival, Berlin: Ullstein, 1914 (Ullstein Jugend-Bücher 14), 141 S., 3 Farbtafeln u. 9 ganzseitigen Illustrationen von Ferdinand Staeger, Pappband mit Goldprägung und montiertem farbigen Deckelbild Hauptmann, Gerhart: Parsival, authorized translation by [Philip Henry] Oakley Williams, New York: MacMillan 1915, [6], 117, [7] S. *Pogány, Willy: Parsifal or the legend of the Holy Grail, retold from Ancient Sources with Acknowledgement to the Parsifal of Richard Wagner by T. W. Rolleston, presented by Willy Pogány, London: George G. Harrap & Co. Ltd. [1912], 125 S. : Quartformat mit 16 farbigen Tafeln *McSpadden, J. Walker: Parsifal, retold from the Opera of Richard Wagner by J. Walker McSpadden79, London: George G. Harrap & Company [ca. 1910], 61 S. Kleinformat 14 x 8, Einband Leder mit eingestanztem Titelschild, monitiertes farbiges Frontispiz: Parsifal auf der Karfreitagsaue von Willy Pogány Thurnam, Rowland: Parsifal. The Story of Wagner’s Opera, London: Catholic Truth Society 1914 (Publications of the Catholic Truth Society 99), 24 S.80 Vanhaute, Delfien J. A.81: Parsifal. Wondersage in acht zangen, Brugge: Kerlinga 1913, 92 S. Vaucaire, Maurice82: Le vrai roman de Parsifal, ³Paris: Ollendorff, [1913], xi, 306 S. 77 Eigentlich: Sir Randle Fynes Wilson Holme (1864–1957), vgl. T.J. Carty: A Dictionary of Literary Pseudonyms in the English Language, ²London: Routledge, 2015 (Ebook). Holme, Randle F.: Some Things I have done. Autobiographical reminiscences. With illustrations, including portraits London: Hepburn 1949. Teilnehmer an einer Brasilien-Expedition mit seinem Bruder 1885, juristischer Abschluß in Oxford 1887, anschließend Expedition durch Labrador; ab 1891 als Rechtsanwalt tätig. 1941 Erhebung in den Adelsstand, Fellow der Royal Geographical Society. Vgl. (nach: The Gazette 27.4.1995). Veröffentlichte: The Ring of the Nibelung by Richard Wagner. A new Rendering in English Verse by Randle Fynes, London: Smith, Elder & Co. 1913, IX, 206 S. 78 Parker, Louis Napoleon (1853–1944), englischer Dramatiker und Übersetzer, trat auch als Komponist hervor, sprach fließend Italienisch, Französisch und Deutsch. 79 1874–1960, Verfasser von Jugendbüchern, z. B. Robin Hood and his merry outlaws (EA 1904) oder The Book of Holidays (EA 1917), aber auch von Nacherzählungen aus der Oper (Opera Synopses EA 1911). Hg. einer siebenbändigen Dumas-Ausgabe (New York: Century 1909). 80 Howey/Reimer, Bibliography A–2765, S. 444. Zum Gehalt vgl. A. H. W. Smith: A Supplementary Bibliography of Twentieth Century Arthurian Literature Arthurian Literature 13 (1995), S. 157–188: „concludes with a recommendation to pray for Wagner’s soul; otherwise unremarkable“ (S. 185). 81 Geb. 1860. Abbé, flämischer Dichter. 82 1863–1918, verfaßte Gedichte, Romane, Theaterstücke und Libretti. Das ‚Parsifal‘-Buch erläutert in

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Literaturverzeichnis

[Parodie] [Godleski, Carl83:] Allschlaraffia’s Sieg. Ballet-Pantomime von R. Stumm der Ausdrucksvolle (Carl Godlewski). Musik von R. Parsifal der reine Thor (Rud. Raimann84.) [Klavierauszug], [Wien?]: Privatdruck 1900, 19 S. [VN R.R. 1] Germanicus, E. F.: Parsifal der reine Thor, oder die Ritter vom Salvator. Grosse Bayreuther Bühnenweihfestspiel-Komödie in 5 Abtheilungen [= Parsifal der reine Thor, oder die Ritter vom Salvator], München München – Pollner 1883, 54 S.85 [Allgemeine Kommentare] *Aldrich, Richard86: A guide to Parsifal, the music drama of Richard Wagner; its origin, story, and music, Boston: O. Ditson Company 1904, XVIII, 73 S. Alaleona, Domenico87: Parsifal. Iniziazione al dramma sinfonico; conferenza tenuta in Roma alla Sala Costanzi il 31 dicembre 1913, vigilia della prima rappresentazione del ‚Parsifal‘ in Italia, Vasta: L’Arte de la Stampa 1914, 23 S.: Notenbeispiele *Altmann, Wilhelm: Zur Entstehungsgeschichte des ‚Parsifal‘, in: Richard-Wagner-Jahrbuch 4 (1912), S. 162–168 *Aron, Willhelm: Richard Wagners ‘Parsifal‘. Textliche und thematische Erläuterung, Breslau: Becher 1914, 48 S. Preis 20 Pfg. Bard, Paul: Wagners ‚Parsifal‘ nach seinem religiösen Werte gewürdigt, Schwerin: Bahn 1912, 30 S.88 Barini, Giorgio89: La légende de Parsifal en Italie, in: FranceItalie 1,8 (1914), S. 147–164 Bastianelli, Gianetto90: Il ‚Parsifal‘ di Wagner, Firenze: Gonelli 1913, 80 S. Benedict, Carl S.: Richard Wagner’s Parsifal in its human-ethical significance. A Lecture delivered on Nov. 25th. 1912. Bayreuth / London [1913], 33 S. Bernstorff, Werner von: Erwiderung auf Oberkirchenrat a. D. D. P. Bard’s ‘Wagner’s Parsifal‘, Rostock: Adler 1913, 34 S. Brayer, Jules de: Le ‚Parsifal‘ de Richard Wagner, in: La vie artistique, septembre 1882, S. 34f Broesel, Wilhelm: Kundry. Ein Beitrag zur Auffassung der weiblichen Gestalt in Richard Wagner’s Parsifal. Leipzig: Wild 1899, 26 S. Preis M. 0,40.

der Einleitung auf der Grundlage von Judith Gautier die Unterschiede zwqischen den französischen Gralepen und Wolfram von Eschenbach sowie Wagners Eingriffe. Die Nacherzählung folgt Wolfram 83 1862–1949, zunächst im Circus, ab 1893 Choreograph des Ballets an der Wiener Oper. 84 1861–1913, ungarischer Komponist, ab 1894 1. Kapellmeister des Theaters in der Wiener Josefstadt. Vgl. Österreichisches Biographishes Lexikon 8 (Lfg. 40, 1983), S. 392 f. 85 Uninspirierter Klamauk anläßlich des Starkbieranstichs auf dem Münchner Salvatorberg, attackiert die Bayreuther Festspiele als Selbstbereicherung. Am Schluß wird „wie im Traum nach bekannter Melodie ‚Ich weiß nicht, was soll es bedeuten‘ “ gesungen. 86 Aldrich, Richard, 1863–1937. 87 Domenico Alaleona (1881–1928), römischer Komponist und Musikwissenschaftler, vgl. MGG 1 (1949–1951), S. 277f; MGG online (John C. G. Waterhouse, article?id=mgg00192). 88 Als Lektüre empfohlen Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz S. 9. 89 Italienischer Musikkritiker (1864–1944), zu ihm MGG 15 (1973), S. 478. 90 Zu ihm (1883–1927) vgl. MGG 15 (1973), S.  540; MGG online (Mauro Mastropasqua, article?id=mgg01077).

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Burbach, F.: Wagners ‚Parsifal‘ und die Religion des Mitleids, Langensalza: Beyer 1914 (Musikalisches Magazin. Heft 62), 35 S. [Erstdruck in: Blätter für Haus- und Kirchenmusik 18 (1913/14), S. 129–145, 146–151, 163–175]. Chop, Max (M. Charles): Vademecum für Wagnerfreunde. Führer durch Rich. Wagner’s Tondramen (m. über 40 Notenbeispielen), Leipzig: Rossberg 1893, complett Mk 8.; geb. Mk 10 *n. [einzeln: – 7. Parsifal. Mk 1,20] *Chop, Max: Richard Wagners ‚Parsifal‘. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen, geschichtlich, szenisch und musikalisch analysiert, mit zahlreichen Notenbeispielen, Leipzig: Reclam [1906] (Reclams Universal-Bibliothek 4805 = Erläuterungen zu Meisterwerken der Tonkunst 9), 93 S. Cleather, Alice Leighton: ‘Lohengrin’ and ‘Parsifal’, described and interpreted in Accordance with Wagner’s Own Writings, Alice Leighton Cleather & Basil Crump, London: Methuen & Co, 1904, 184 S. [2. Ausgabe 1913, 3. Ausgabe 1914] *Duffield, Howard: Parsifal, the Guileless Fool, New York: Dodd, Mead & Co. 1904, 86 S.91 *Eggert, Walther: Parsifal vor 50 Jahren. Ein Bayreuther Zeitbild, Bayreuth: Gießel 1932, 80 S. [Dokumentation zeitgenössischer Berichte und Zeitungsartikel] Epilog zum ‚Parsifal‘, in: Die Grenzboten 41 (1882), H. 4, S. 182–193 u. 232–241 Ernst, Alfred: L’Art de Richard Wagner. L’Œuvre poétique, Paris: Plon 1893 [S. 483–541 unter ständigem Vergleich zur Personnage früherer Werke zum ‚Parsifal‘] Espanyol, Michel Doménech: ‚Parsifal‘ de Wagner. L’Apothéose musicale de la Religion Catholique. Révélations démonstratives de la signification et simbolisme musical de cette oeuvre (De l’Association Wagnérienne de Barcelone). Traduit du catalan par Jules Villeneau, Barcelona: Fidel Giro 1902, 278 S. Faßbaender, Franz: Richard Wagners ‚Parsifal‘ als Schullektüre, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Litteratur und für Pädagogik 20 (1914), Ausg. 40, S. 292–304 Flüggen, Ottmar G.: Parsival. Szenenweise Erläuterung der Handlung. München: Bruckmann 1897. 16 S. Ford, Mary Hanford Finney92: The legends of Parsifal, New York: Caldwell 1904, 102 S. *Fuchs, Hanns93: Richard Wagner und die Homosexualität, Berlin: Barsdorf 1903, VIII, 278 S. [zu ‚Parsifal‘ S. 243–270] Gautier, Judith: Richard Wagner und seine Dichtung von ‚Rienzi‘ bis zu ‚Parsifal‘. Mit Bewilligung der Verfasserin übersetzt von Louise Wester. Mit einem Autograph Richard Wagner’s, Minden i. Westf., J. Bruns‘ Verlag, 1883, 84 S. Gautier, Judith: Richard Wagner and his poetical work from Rienzi to Parsifal, translated with the author’s special permission by L.S.J., Boston: A. Williams, 1883, 173 S. *Gatty, Charles T.: The sacred festival drama of Parsifal. The argument, the musical drama, and the mystery, by Charles T. Gatty, [Libretto by Amhurst Webber], London: Schott 1894 *Gilman, Lawrence: ‘Parsifal‘ and its significance, in: North American review 178 (1904), S. 70–74. 91 Der Verfasser wird auf dem Titelblatt als „minister of the Old First Presbyterian Church in the City of New York“ bezeichnet. Kundry wird als das negative weibliche Prinzip verstanden. 92 geb. 1856. – Sie zitiert den deutschen Originaltext. Auf eine Inhaltsangabe der Oper folgt eine umsichtige Übersicht über die Narrative der altfranzösischen Dichtungen, Wolframs und Walter Maps. 93 1881–1909, zu ihm vgl. Morris, Homosexuality, Dreyfus, Impulse S. 204–211 und Ross, Wagner S. 352 f.

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Literaturverzeichnis

Gurney, Alfred: ‘Parsifal‘, a festival play by Richard Wagner. A study, London: Kegan Paul & Co. 1888, 67 S.94 Gutenhaag, Max: Zur Einführung in Richard Wagners Bühnenweihfestspiel ‚Parsifal‘, Leipzig: Fritsch 188395. Pr. M. 0,60. Hagen, Edmund von96: Die Bedeutung des Morgenweckrufes in Richard Wagner’s Bühnenweihfestspiele ‚Parsifal‘. Berlin: Barth 1882, 62 S. Hamp, Petrus [Anton]: Ein Blick in die Geisteswerkstatt Richard Wagners. Von einem alten geistlichen Freunde des Meisters von Bayreuth, zur Erinnerung an dessen Schwanengesang – den Parzival, Berlin: Böhler 1904 *Harry, Gérard: La légende et le sens de ‚Parsifal‘, in: La Petite Illustration. Série Théâtre. 3 janvier 1914. Revue *Haweis, Hugh Reginald97: Parsifal. Story and Analysis of Wagner’s Great Opera, New York and London: Funk & Wagnalls 1909, 68 S. Hébert, Marcel98: ‚Tétralogie‘, ‚Tristan et Iseult‘, ‚Parsifal‘, trois moments de la pensée de Richard Wagner, Paris: Fischbacher, 1894, 70 S. Hébert, Marcel: Das religiöse Gefühl im Werke Richard Wagners: ‚Jesus von Nazareth‘, ‚Tetralogie‘, ‚Tristan und Isolde‘, ‚Parsifal‘, mit einer Einleitung von Hans Paul Freiherrn v. Wolzogen ; übersetzt von A. Brunnemann, München: Schupp, 1895, 164  S. (Translation of Le sentiment religieux dans l’oeuvre de Richard Wagner, dt.) *Heckel, Karl: ‚Jesus von Nazareth‘ – Buddha (‚Die Sieger‘) – ‚Parsifal‘. Eine Studie, in: ‚Bay­reuther Blätter‘ 14 (1891), S.5–1999

94 Gurney, Alfred, 1845–1898. – Das Bändchen schließt mit einem 1888 in Bayreuth abgefaßten Gedicht; „for God and man in Christ are one / and God man’s heritage.“ (S. 67). 95 Thorau, Sinnlichkeit, S. 168: „auf der Schwelle zur reinen Handlungserläuterung, Musikbeschreibung reduziert auf eine Kurzfassung von Wagners programmatischer Erläuterung des Vorspiels“. 96 1850–1907, Kulturphilosoph, stand in brieflichem Kontakt mit Wahnfried; Verfasser zahlreicher Kommentare zu Wagners Bühnenwerken, z. B. Beiträge zur Einsicht in das Wesen der Wagner’schen Kunst: gesammelte Aufsätze, Berlin: Barth 1883, vgl. aber auch: Kritische betrachtung der wichtigsten Grundlehren des Christenthums, Hannover: Schüssler 1881; Die Welt als Raum und Materie. Mit einer Einleitung über die Natur des Urwesens, Berlin Selbstverl. 1899. 97 1838–1901, Reverend der angelikanischen Kirche, Verfasser einer populären Kirchengeschichte. Veröffentlichte My Musical Life. London: Allen 1884. Das Parsifal-Bändchen geht auf den Besuch der Bayreuther Festspiele von 1883 zurück. S. 6 spricht er von einer persönlichen Begegnung mit Wagner („one delightful evening in 1876“). In den Cosima Tagebüchern wird er nicht erwähnt. Haweis versteht den ‚Parsifal‘ als Drama einer Gottessuche, schildert die mittelalterlichen Quellen, so wie er sie versteht. Das ‚Dresdener Amen‘ versteht er als Zitat aus Mendelssohns Reformationssymphonie (S. 18), besteht aber darauf, daß es „no interpreter“ erfordere, die „emotional keynotes“ des Werkes zu begreifen (S. 18 f.) Kundry versteht er als „Herodias’ daughter […] filled with remorse“ (S. 19) Die Deutung gibt sich konventionell-christlich und vermeidet die Konfrontation mit Wagners unorthodoxen Elementen. Das Festspielhaus erscheint Haweis als „truly the Montsalvat of the modern drama – a spot purified and sacred to the highest aims“ (S. 40), dementsprechend verwahrt er sich gegen die Bezeichnung „Oper“ (S. 52) und gegen den Gedanken einer Freigabe der Aufführungsrechte: „I would as soon see the Oberammergau play at a musci hall […] At Bayreuth we came on a pilgrimage“ (S. 53). 98 Hébert, Marcel, 1851–1916. 99 Heckel (1858–1923) sucht im Sinne seiner Preisschrift (Karl Heckel: Die Idee der Wiedergeburt. Preisgekrönt. Leipzig: Spohr 1889) eine „buddhistische“ Interpretation der Kundry und der Überwindung Kling­sors durch Parsifal. Verfaßte später Monographien und Editionen zu Nietzsche, Wagner, Hugo Wolf. Vgl. auch Karl Heckel, Die Bühnenfestspiele in Bayreuth, authentischer Beitrag zur Geschichte

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*Hippeau, Edmond: ‘Parsifal‘ et l’opera Wagnérien, avec les principeaux motifs des drames lyriques de Richard Wagner, Paris: Fischbacher 1883, 92 S.100 Preis: Fr. 2,50101 *Hohberger, Curt Richard: Werden und Schicksale von Wagners ‚Parsifal‘, Leipzig: Mayer 1913, 140 S. Huckel, Oliver102: Parsifal, retold in the spirit of the Bayreuth interpretation, New York: Crowell 1903 *Irvine, David: ‘Parsifal‘ and Wagner’s Christianity, London: Grevel, 1899, 418 S.103 *Kalbeck, Max: Richard Wagner’s Parsifal. Erste Aufführung am 26. Juli 1882 in Bayreuth  /  besprochen von Max Kalbeck, ²Breslau: Schletter’sche Buchhandlung (E. Franck) 1883, 76 S. Kirsten, Rudolf: Streifzüge durch die musikalische Deklamation in Richard Wagners ‚Parsifal‘. Beilage zu dem Jahresbericht des Königlichen Realgymnasiums zu Annaberg, 1907, 63 S. Klocke, E.: Richard Wagners ‚Parsifal‘ an der Hand des Textbuches erklärt. Leipzig: Johannes Wörner 1913, 80 S. *Kloss, Erich: Zum 25jährigen Jubiläum des Bühnenweihfestspiels ‚Parsifal‘, in: Blätter für Huas- und Kirchenmusik 11 (1906/07), S. 162–164. Knosp, Gaston104: ‘Parsifal‘, drame sacré de Richard Wagner. Guide analytique et thématique, Bruxelles: Schott frères, Paris: Fischbacher 1913 *Kögel, Fritz105: Zum ästhetischen Verständnisse des ‚Parsifal‘, in: Bayreuther Blätter 7 (1884), S. 97–113 *Kufferath, Maurice: ‘Parsifal‘ de Richard Wagner. Légende, drame, partition, Paris: Fischbacher 1890, 290 S. Kufferath, Maurice: Le Theatre de Richard Wagner de ‘Tannhaeuser‘ à ‘Parsifal‘. Essaies de critique littéraire, ésthétique et musicale. Parsifal. 2e édition, Paris: Fischbacher, Bruxelles: Schott, Leipzig: 1890, 291 S. [*2. Aufl. 1893, 302 S.] Lebede, Hans: Richard Wagners Musikdramen. Quellen / Entstehung / Aufbau. Eine Ein­f ührung. Mit Titelportrait, Abb. u. vielen Notenbeispielen 2 Bde. in 1. 168, 124 S., Dresden, Ehlermann 1916 [(1.) Rienzi – Der fliegende Holländer – Tannhäuser – Lohengrin – Die Meistersinger von Nürnberg – Tristan und Isolde. Zweiter (2.) Der Ring der Nibelungen – Parsifal] *Lienhard, Friedrich: Parsifal und Zarathustra. Vortrag von Friedrich Lienhard. 2. Aufl. Stuttgart: Greiner & Pfeiffer 1914, 46 S. ihrer Entstehung und Entwicklung, Leipzig 1891. Sein Verhältnis zum Bayreuther Kreis war distanziert, vgl. den Brief Cosima Wagners vom 27.2.1889 in: Das zweite Leben, S. 471 f. 100 Schön S. 60 zur Götterdämerung: „En voulant trop de clarté, trop de rigueur dans l’expression, les commentateurs n’aboutissent qu’à augmenter l’obscurité. M. de Wolzogen, entre autres, à force de vouloir tout expliquer, finit par ne rien expliquer du tout.“ 101 Bayreuther Blätter 18 (1895), Statistische Beilage 1894/5, S. 15. 102 1864–1940. 103 Vgl. die Rezension durch George Bernhard Shaw: Recent Wagner Books, in: Daily Chronicle, 8.6.1899. 104 1874–1942. 105 Fritz Kögel (1860–1904), promovierte 1883 in Halle über „Die körperlichen Gestalten der Poesie“, 1886 Monogrpahie über Hermann Lotzes Ästhetik; arbeitete im Vertrieb der Mannesmann AG, durch Vermittlung von Cosima Wagner 1891 Mitarbeiter des Nietzsche-Archivs Naumburg und Hg. von Nietzsche-Werken. Vgl. Janz, Biographie 3,160, insbes. Anm. 248.

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Literaturverzeichnis

*Löffler, Johann Heinrich: Kundry in Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal, in: Bayreuther Blätter 1 (1878), S. 96–103 und 117–129106 *Löffler, Johann Heinrich: Parsifal-Nachklänge, in: Bayreuther Blätter 6 (1883), S. 61–67; 7 (1884), S. 254–265; 8 (1885), S. 27–30 Lorenz, Alfred: Parsifal als Übermensch, in: Die Musik 1 (1901/02), S. 1876–1882 Lubosch, Wilhelm: Kundry und der dritte Akt des ‚Parsifal‘, in: Die Musik 1 (1901/02), S. 1883–1892 *Maushagen, Hubert: Richard Wagners ‚Parsifal‘, Bielefeld [u. a.]: Velhagen & Klasing ca. 1914 (Volksbücher der Musik 112), 32 S. *Naumann, Friedrich: Die Romantik des ‚Parsifal‘, in: Die Zeit. Nationalsoziale Wochenschrift 1 (1901), S. 689–696. Navarra, Ugo: Note illustrative al Parsifal, di Riccardo Wagner, Milano: E. Bruciati, 1914, 96 S. [2. Aufl. unter dem Titel: Parsifal guida attraverso il poema e la musica. Milano: Bottega di poesia, 1924 (I fascicoli musicali, scelti da Giovanni Da Nova)] *Neitzel, Otto: Richard Wagners Opern in Text, Musik und Scene erläutert. ³Stuttgart [u. a.]: Cotta 1904 (Der Führer durch die Oper des Theaters der Gegenwart 1,3), 332 S. [zu ‚Parsifal‘ S. 265–294]. *Newton, R. Heber: Parsifal. An Ehtical and Spiritual Interpretation, Oscawana-on-Hudson, NY: Upland Farms Alliance 1904, 66 S. *Nietzsche, Friedrich: Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift, dem letztveröffentlichten „Jenseits von Gut und Böse“ zur Ergänzung und Verdeutlichung beigegeben, Leipzig: Neumann 1887, XIV, 182 S. *Nietzsche, Friedrich: Der Fall Wagner. Ein Musikanten-Problem, Leipzig: Neumann 1888, 4 Bl., 58 S. *Nietzsche, Friedrich: Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines Psychologen, Leipzig: Neumann 1889, 41 S. Nohl, Ludwig107: Der ‚Parsifal‘. (Aus: Correspondenzbl. für die württ. Gelehrten- u. Realschulen.) Tübingen: Fues 1884, Mk 0,60 Parsifal. Organ zum Zwecke der Erreichung der Richard Wagner’schen Kunst-Ideale, Hg.: Alexander Ortony. Chef-Red.: Emerich Kastner. Wien: Josef Heinrich Holzwarth. Erschienen: 1 (1884)–2 (1885) Erschien halbjährl. M 2,50 Parsifal. Leipziger Musik-, Theater- und Kunst-Zeitung. ([Ab 3.1886:] Leipziger Musikund Kunstzeitung. Früher ‚Parsifal‘.) Redakteur: Edwin Schloemp. [Aufgegangen in „Kunstwart“.] Wien, Leipzig: Edwin Schloemp. Erschienen: 1 (1884)–5 (1888) *Parsons, Albert Ross: The Finding of Christ through Art, or: Richard Wagner as Theologian, New York & London: Putnam 1890, 113 S. Parsons, Albert Ross: Parsifal. Der Weg zu Christus durch die Kunst, eine Wagner-Studie von Albert Ross Parsons, aus dem Englichen nach der zweiten Auflage übersetzt von Dr. Reinhold Freiherr von Lichtenberg, Berlin: Zillmann 1897, 212 S. Péralté, Lotus: L’esoterisme de ‘Parsifal‘. L’esoterisme de la vieille legende celtique du cycle d’Artus. Suivis d’une traduction litterale du Parsifal de Richard Wagner. Paris: Perrin, 1914. 318 S.

106 Zu ihm und diesem Aufsatz Franz, Religion des Grals S. 128–134. Wagners Reaktionen S. 132. 107 1831–1885. Publizierte eine Wagner Biographie (1888).

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*Pfohl, Ferdinand: ‚Parsifal‘. Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner, textlich und musikalisch erläutert, Leipzig: Seemann 1901 (Opernführer 69–70)108 Pfordten, Hermann von der: Handlung u. Dichtung der Bühnenwerke Rich. Wagner’s, nach ihren Grundlagen in Sage und Geschichte dargestellt v. H.P. 1–3. u. 10. (Schluss-) Heft. Berlin: Trowitzsch & Sohn 1889, 10. ‚Parsifal‘. Mk 0,50 *Pfordten, Hermann von der: Handlung u. Dichtung der Bühnenwerke Rich. Wagner’s, nach ihren Grundlagen in Sage und Geschichte dargestellt. Berlin: Trowitzsch & Sohn 1893, 394 S. [21899, 394 S.; 31902, 394 S.; 41908, 356 S.; 51911, 356 S.] *Pochhammer, Adolph109: Richard Wagner, ‚Parsifal‘. Ein Bühnenweihfestspiel, Frankfurt: Bechold 1898 (Der Musikführer 134–135)110. *Porges, Heinrich: Über die Begründung der Kunst durch die Religion, in: Bayreuther Blätter 1 (1878), S. 53–58, 92–95, 286–295 *Portig, Gustav: Richard Wagner’s ‚Ring des Nibelungen‘ und ‚Parsifal‘ [Aus Schafhäutl’s Nachlass], Heilbronn: Henninger 1882 (Zeitfragen des Christlichen Volkslebens 7,4), 47 S. *Prüfer, Arthur: Parsifal und der Kulturgedanke der Regeneration, Leipzig: Kistner & Siegel 1924, 64 S. Reuß, Theodor111: Parsifal und das enthüllte Grals-Geheimnis / von Ur-Uter, als Ms. gedruckt, Schmiedeberg, Bz. Halle: Baumann 1914, 46 S.112 *Richard Wagner. Illustrierte Blätter für Wagner’sche Musik, Kunst und Literatur. Hg. von A. Schlesinger u. M. Patkiewicz. Red. von Eduard Klämpfl. Wien. Jg. 1, 1908/09. [Mehr nicht erschienen.] Preis: 1 M[ark], 1.20 K[ronen] – Darin Titelblatt mit Stich „Parsifal kehrt mit dem heiligen Speer zur Gralsburg zurück“, S. 401–432: Spezialheft Parsifal = Nr. 18, Wien, 15. Juni 1909, mit folgenden Beiträgen: – ‚Parsifal‘. Die Entstehung des Werkes und der Stoff der dramatischen Dichtung, S. 401–404 – Gral und Parsifal in Wagners dramatischer Behandlung, S. 404f. – Chop, Max: Die ‚Parsifal‘-Musik, erläutert von Max Chop, S. 406–416 – Destranges, Étienne: Kundry, nach Étienne Destranges, S. 416 f. – Einiges über die ‚Parsifal‘-Proben. Aus Emerich Kastners Richard-Wagner-Archiv, S. 418 f. – Die Dekorationen und Kostüme im ‚Parsifal‘, S. 420–422 – Klämpfl, Eduard: Die ‚Parsifal‘-Aufführungen in Bayreuth und ihre Darsteller 1882– 1909. Eine Zusammenstellung, S. 422–426 – ‚Parsifal‘ außerhalb Bayreuths, S. 426–432 Schirmeisen, Karl: Die Mythenwelt des ‚Parsifal‘, in: Bayreuther Blätter 38 (1915), S. 191–196

108 Ohne Kommentar erwähnt Thorau, Sinnlichkeit, S. 173. 109 Lehrte lt. Bayreuther Blätter 30 (1907), stat. Beilage für 1906 am Aachener Konservatorium. 110 Vgl. Verzeichnis der im deutchen Buchhandel neu erschienenen und neu aufgelegten Bücher, Landkarten, Zeitschriften etc. 1898, 1. Halbjahr, 2. Teil: Register […], Leipzig: Hinrichs 1898 (Hinrichs’ Halbjahrskatalog 200), S. 124. – Ohne Kommentar erwähnt Thorau, Sinnlichkeit, S. 171. 111 1855–1923, bayerischer Opernsänger, Esoteriker und Theosoph. Mitglied verschiedener esoterischer Orden. 112 Titelaufnahme nach der Deutschen Bibliothek. Es kuriseren verschiedene digitale Textfassungen im Internet.

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Literaturverzeichnis

Schlaeger, Eduard113: Die Bedeutung des Wagner’schen ‚Parsifal‘ in und für unsere Zeit. Minden: Bruns 1884, Mk 0,50 *Schlaeger, Eduard: The significance of Wagner’s ‚Parsifal‘ in and for our times. Translated by Miss Coleman. Minden: Bruns 1884, 23 S. *Schleinitz, Alexandra von: Wagner’s Tannhäuser und Sängerkrieg auf der Wartburg. Sage, Dichtung und Geschichte, Meran: Ellmenreich 1891 Schmitz, Eugen: Wagners ‚Parsifal‘ als religiöses Kunstwerk, in: Hochland. Monatsschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst 7 (1910) *Schuré, Édouard: Parsifal, in: Revue Wagnérienne 1 (1885), S. 270–281114 Schwebsch, Erich: Kling­sor und die Heilige Lanze, in: Bayreuther Blätter 38 (1915), S. 196–202 Schwerin, Claudius von: Richard Wagners Frauengestalten. Brünnhilde, Kundry. Leipzig: Reinboth, 1902 *Seidl, Arthur: Richard Wagners ‚Parsifal‘ und Schopenhauers ‚Nirwana‘, in: Bayreuther Blätter 11 (1888), S. 277–306 *Sternfeld, Richard: Wagners ‚Parsifal‘. Eine Einführung in das Bayreuther Bühnenweihfestspiel, in: Westermanns Monatshefte 96 (1904), S. 714–720 [mit Abb. des Bayreuther Graltempels] Torrefranca, Fausto: Il dramma wagneriano e l’umanità del Parsifal. L’anima musicale del Viandante, in: Rassegna contemporanea 8 (1914) ser. 2, Rom 1914 I 10 Uhlig, Kurt Siegfried: Richard Wagners ‚Parsifal‘. Einführung in den Ideengehalt der Dichtung, Leipzig: Barth, 1913, 49 S. Vianna da Motta, José115: Zur Einführung in Richard Wagners Bühnenweihfestspiel ‚Parsifal‘. Uebersicht des Sagenstoffes, Geschichte der Entstehung des Dramas, Erläuterung der Dichtung. Bayreuth: Nierenheim & Bayerlein 1897, 23 S. Vogl, Adolf: ‚Parsifal‘. Tiefe Schau in die Mysterien des Bühnenweihfestspiels von Adolf Vogl, mit drei Gravüren, Kundry in den drei Stufen ihrer Entwicklung: als Büßerin, als Verführerin, als Erlöste, dargestellt von Kammersängerin Berta Morena, München: Schmidt 1914, 113 S. Wallfisch, Johannes Hermann: ‚Parsifal‘ im Kino, in: Neue Zeitschrift für Musik 79 (1912/13), S. 593 und 734, ebenfalls in: Tägliche Rundschau Nr. 42, 5.1.1913, S. 593–601. Wallfisch, Johannes Hermann: Rich. Wagner’s ‚Parsifal‘ und das Bibel-Christentum, ²Königsberg: Harmonie-Verlag116 1913, 23 S.

113 1828–1895. Schlaeger lebte ab 1850 in den USA, kehrte aber 1871 nach der Reichsgründung wieder zurück und lebte in Berlin, ab 182 in Dresden. In den ‚Bayreuther Blättern‘ äußerte er sich mehrfach deutschnational und antisemitisch, vgl. Hein, Viel Hitler S. 153, 160 und S. 164. In seiner ‚Parsifal‘Schrift sucht er Parallelen zwischen dem späten Wagner und dem amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson (1803–1882) nachzuweisen. 114 S. 277–279 Inhaltsangabe, anschließend erklärt Schuré die Musik des ‚Parsifal‘ als „supérieure à toutes les œuvres de Wagner“ (S. 279), hebt die Qualität des Librettos hervor und zeigt besonders von dem „magicien-eunuque“ Kling­sor und seiner „bizzarrerie inestétique“ fasziniert. Den Gedanken dr entsühnten Natur findet Schuré „noble et beau“, äußert aber Zweifel daran, daß die Verführungsszene des zweiten Aktes der Urpsrung umfassenden Weltwissens sein könne – das werde allenfalls den „théoriciens du pessimisme“ gefallen. Das Gesamtwerk falle morbide und altersmüde aus. 115 1868–1948, Schüler von Franz Liszt. Zu ihm vgl. Trindade, Vianna. 116 Vgl. Anm. IV 486.

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Weinreich’s Führer durch alle Opern. ‚Parsifal‘. Bühnenweihfestspiel von R. Wagner. München: Weinreich 1889, 20 S., Mk. 0,40 *Wirth, Moritz: ‚Parsifal‘ in neuem Lichte. 1. Heft. Mit Notenbeispielen und dem Ritt der Kundry in Partitur. Von Moritz Wirth, Leipzig: Mutze 1914, 133 S. [mehr nicht erschienen]117. Wilmshurst, Walter Leslie: ‚Parsifal‘. A Study of Wagner’s Music Drama, London: Lund, Humphries, 1922 [Erstveröffentlichung als Zeitschriftenbeitrag 1914] *Wossidlo, Walther118: Richard Wagner, ‘Parsifal‘. Populärer Führer durch Poesie und Musik, Leipzig: Rühle & Wendling [1899119] (Wossidlo’s Opern-Bibliothek 11), 30 S. Preis: 20 Pfg. *Wolzogen, Hans von: Beiträge zur Kritik des modernen Kunstgeschmacks. 5. Bühnenweihfestspiel, in: Bayreuther Blätter 1 (1878) S. 295–302 *Wolzogen, Hans von: ‚Parsifal‘, ein thematischer Leitfaden durch Dichtung und Musik nebst einem Vorworte über den Sagenstoff des Wagnerschen Dramas, Leipzig: Schloemp 1–41882, (Führer durch Richard Wagners Musikdramen 7), 80 S. [8Leipzig: Reinboth 1889, 20Leipzig: Esseger 1911] Wolzogen, Hans von: Thematic guide through the music of ‘Parsifal‘, with a preface concerning the traditional material of the Wagnerian drama, translation by J. H. Cornell120, 7 New York: G. Schirmer, [ca. 1891], 100 S. *Wolzogen, Hans von: A Key to ‘Parsifal‘ with Thematic Musical Illustrations, translated by William Ashton Ellis121 from the German of Hans von Wolzogen by admission of the Author and the German Publisher Herr Louis Oertel122, Hannover, London: Chappell & Co., [1889], IV, 80 S. [Einleitung des Übersetzers S. I-IV]. *Wolzogen, Hans von: ‚Parsifal‘-Varianten. Eine Übersicht, in: Wagner-Jahrbuch 4 (1912), S. 168–183 *Wolzogen, Hans von: Zum deutschen Glauben. Die Religion des Mitleidens und 13 andere Beiträge, Leipzig: Xenien-Verlag 1913, 313 S. *Zschorlich, Paul: Parsifalomanie, in: Die Zeit. Nationalsoziale Wochenschrift 1 (1902), S. 724–729 [Gral und Gralslegende] Bötticher, Gotthold: ‚Parsifal‘ und ‚Parzival‘, in: Preußische Jahrbücher 5 (1882), S. 46–76 Dostal-Winkler, Josef: Die Heimat der Gralssage. Vom Standpunkte der Völkerpsychologie und vergleichenden Mythenforschung. Kremsier: Gusek 1915 *Eichberg, Oskar: Parsifal. Einführung in die Dichtungen Wolframs von Eschenbach und Richard Wagners. Nebst einer Zusammenstellung der hauptsächlichsten Motive in 117 Kritische Auseinandersetzung mit dem von Bayreuth und namentlich von Wolzogen gesteuerten Wagnertum, Plädoyer für eine neue Berliner Linie. 118 Im Jahr 1862 geboren (LOC). 119 Vgl. Verzeichnis der im deutchen Buchhandel neu erschienenen und neu aufgelegten Bücher, Landkarten, Zeitschriften etc. 1898, 1. Halbjahr, 2. Teil: Register […], Leipzig: Hinrichs 1898 (Hinrichs’ Halbjahrskatalog 200), S. 124. 120 Cornell, J. H. 1828–1894. 121 Ellis, William Ashton, 1852–1919. 122 1825–1892, Leiter des Hoftheaters in Hannover, ab 1880 Leiter der Karl-Oertel-Musikalienhandlung mit Notendruckerei.

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Literaturverzeichnis

Wagners Parsifal, Leipzig: Schloemp 1882, Broschur 1,50 M., Leinen 2 M.123, 48 S. Text u. 8 S. Notenbeispiele *Görres, Joseph: Über den Dichtungskreis des Heiligen Grales, in: Lohengrin, ein altteutsches Gedicht. Nach der Abschrift des Vaticanischen Manuscriptes von Ferdinand Gloeckle hg. von Joseph Görres, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1813, CVI, 192 S. *Golther, Wolfgang: Der heilige Gral. Eine mythisch-ethische Dichtung, Stuttgart: Lemppenau 1882, 16 S. *Golther, Wolfgang: Parsifal und der Gral in deutscher Sage des Mittelalters und der Neuzeit, München: Callwey 1908 (Sonderabdruck aus: Walhalla 4. Buch), 39 S.  *Golther, Wolfgang: Parsival und der Gral in deutscher Sage des Mittelalters und der Neuzeit, Leipzig: Xenien [1910124] (Xenien-Bücher 5), 62 S.  Golther, Wolfgang: Parzival und der Gral in deutscher Sage des Mittelalters und der Neuzeit, München: Callwey 1908 Golther, Wolfgang: Parzival und der Gral in der Dichtung des Mittelalters und der Neuzeit, Stuttgart: Metzler, 1925, 371 S. Golz, Bruno: Wagner und Wolfram. Eine Kritik des ‚Parsifal‘. Leipzig: Voigtländer, 1921 (Schriften der Fichte-Gesellschaft; Deutscher Geist ; 4). 46 S. Guhr, Richard125: Das Gralsmysterium und der esoterische Schlüssel zum ‚Parsifal‘, Dresden: [Privatdruck] 1913126 Heintz, Albert: Richard Wagners Bühnenweihfestspiel ‚Parsifal‘. Nach Sagenstoff und musikalischer Entwickelung in den Motiven dargestellt, Charlottenburg: Verl. Der Allg. Musik-Zeitung 1882127 Heintz, Albert: ‚Parsifal‘ by Richard Wagner. Its Origin in the Old Legends and its Musical Motives Explained in the Order of their Development. Translated by Constance Bache, London: Novello & Co. [1883], 51 S. *Hemmes, E.: Richard Wagners ‚Parsifal‘. Aufbau und Gedankenwelt des Bühnenweihfestspieles unter Berücksichtigung der Quellen, dargestellt von E. Hemmes S. J., Mainz: Kirchheim 1914, 59 S.128 Hohberger, Curt Richard: Die Entstehungsgeschichte von Wagners ‚Parsifal‘ auf philologisch-historischer Grundlage, Leipzig: Mayer 1914 [Diss. Univ. Greifswald, Jahresverz. der Dt. Hochschulschriften U 14.3666]

123 Preisangabe bei Naumann, Scenische Bilder Bl. 3. 124 Vgl. S. 5 Anm.: „Die Arbeit ist ein Universitätsvortrag, den Prof. Dr. Golther im Jahr 1910 in Rostock gehalten hat“. Das gelegentlich angegebene Erscheinungsjahr 1913 ist durch ein Missverständnis des Ausdblicks auf das Ende der Schutzfrist auf S. 62 entstanden: „1913 sind hundert Jahre seit Richard Wagners Geburt verflossen. Soll dieser heilige Gedenktag des deutschen Volkes dadurch gefeiert werden, daß man den letzten Willen des Meisters durch Freigabe des Grales an Kling­sors Reich öffentlich verhöhnt?“ 125 Ruth Stummann-Bowert: Ein Leben für Richard Wagner. Richard Guhr. Maler und Bildhauer 1873 bis 1956, Fritzlar: Museum 1988 (Veröffentlichungen der Stiftung Museum Fritzlar 2). 126 Die Schrift propagierte vollkommene sexuelle Askese und erfuhr eine harsche Entgegnung, vgl. Reuß, Grals-Geheimnis. 127 Thorau, Sinnlichkeit, S. 168: „Rückkehr zur musiktheoretisch orientierten Beschreibung; Einbeziehung von Harmonik und Instrumentation“, vgl. auch ebd. S. 267 f. 128 Thorau, Sinnlichkeit S. 175: „eine verbale Motivdarstellung innerhalb von Gesamtcharakterisierungen der Akte […] Mit Einleitung und Anhang“.

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*Junk, Victor: Gralsage und Graldichtung des Mittelalters, Wien: Akademie 1911 (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Phil.-Hist. Kl. 168,4)129 Mensendieck, Otto Heinrich Leopold: Die Gral-Parzivalsage und Richard Wagner’s ‚Parsifal‘, in: Bayreuther Blätter 38 (1915), S. 149–190 Morsier, Émilie de130: ‚Parsifal‘ de Richard Wagner, ou, L’idée de la rédemption, suivi d’une étude sur la genèse de ‚Parsifal‘. Préface d’Edouard Schuré131, Paris: Fischbacher, 11893, *²1914, LII, 77 S. Muncker, Franz: Die Gralssage bei einigen Dichtern der neuren Literatur, München: Franz, 1902 (Sitzungsberichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften), S. 325–382. *Müller, H. F.: Parzival und Parsifal. Vortrag, Heidelberg: Winter 1883 (Sammlung von Vorträgen 10,9–10), 52 S.132 Reuß, Theodor: Parsifal und das enthüllte Grals-Geheimnis von Ur-Uter / I.N.R.I., Halle: Baumann 1920 [Manuskript von 1914] Rhodes, Helen K.: Legend of the Holy Grail and the ‘Parsifal‘ of Richard Wagner, New York, S. C. Glass, 1903, 60 S. *Schemann, Ludwig: Die Gral- und die Parzival-Sage in ihren hauptsächlichen dichterischen Verarbeitungen. Ein Beitrag zum Verständnisse des Bühnenweihfestspieles Parsifal, in: ‚Bayreuther Blätter‘ 2 (1879), S. 12–28 (I.1); 47–54 (I.2); 66–78 (II) und S. 106–116 (III) *Schroeder, Leopold von: Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth, München: Lehmann 1911, 266 S. *Schroeder, Leopold von: Die Wurzeln der Sage vom Heiligen Gral, Wien: Hölder 1910 (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil.-Hist. Kl. 166,2), 98 S. *Steiner, Rudolf: Die okkulten Wahrheiten alter Mythen und Sagen. Griechische und germanische Mythologie – Richard Wagner im Lichte der Geisteswissenschaft. Sechzehn Vorträge, gehalten in Berlin, Köln und Nürnberg in den Jahren 1904, 1905 und 1907 (Hörernotizen), die Herausgabe besorgte Helmuth von Wartburg, Dornach: Steiner Verl. 1999 (Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe 92) [zum ‚Parsifal‘ S. 123–180: 3.–4 Vortrag, Vortrag Köln 3.12.1905] *Wechssler, Eduard: Die Sage vom Heiligen Gral in ihrer Entwicklung bis auf Richard Wagners ‚Parsifal‘, Halle: Niemeyer 1898.

129 Das Werk wurde stark beachtet, vgl. z. B. G. Bötticher in: Jahresbericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen Philologie 33.1911 (1913), S. 101 f. 130 Émilie de Morsier (1843–1896), geb. Naville, aus Genf, Pazifistin, Frauenrechtlerin und Theosophin, seit 1864 verheiratet mit dem Pariser Bankier Gustave de Morsier. Seit 1867 Mitglied der ‚Ligue internationale de la paix et de la liberté‘, seit 1870 auch der ‚Société pour l’arbitrage entre les nations’. Vgl. die biographische Vorrede von Édouard Schuré Émilie de Morsier: La mission de la femme. Discours et fragments, Paris 1897, S. I-XXX, darin zu Parsifal S. XXI f.; Käppeli, Émilie de Morsier. 131 Edouard Schuré (1841–1929), Schriftsteller und Theosoph; zunächst Bewunderer von Wagner und in engerem Kontakt mit Nietzsche, ab 1870 wachsende Entfremdung (Le drame musical. Richard Wagner, son œuvre et son idée, 2 Bände, 1875). Ab 1880 theosopische Neuausrichtung, ab 1906 Kontakt zu Rudolf Steiner. 132 Kayser, Vollständiges Bücher-Lexicon 24 (1887), S. 328.

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Literaturverzeichnis

[‚Parsifal‘ in Bayreuth] Davidsohn, George133: Bayreuther Briefe. Augenblicksbilder aus den Tagen der Patronatsaufführungen des ‚Parsifal‘. Leipzig: Schloemp Mk 1. Davidsohn, George: Bayreuther Briefe. Augenblicksbilder aus den Tagen des ‚Parsifal‘. ²Leipzig: Schloemp 1882, 54 S. Davidsohn, George: Die Aufführung des ‚Parsifal‘, in: Berliner Börsen-Courier Nr. 361 vom 27 Juli 1882. Drönewolf, Otto: Eine ‚Parsifal‘-Aufführung in Bayreuth. Bayreuth: Heuschmann 1894, 37 S., Mk 1 Förster, Bernhard: ‚Parsifal‘-Nachklänge. Allerhand Gedanken über deutsche Cultur, Wissenschaft, Kunst, Gesellschaft von Mehreren empfunden, aufgezeichnet von Bernhard Förster, Leipzig: Fritsch in Komm. 1883134, 90 S. Förster, Bernhard: Richard Wagner in seiner nationalen Bedeutung und seiner Wirkung auf das deutsche Culturleben, Leipzig: Fock 1886, 90 S. [2. Aufl. von ders., ParsifalNachklänge] Goldstein, Max: Richard Wagner’s ‚Parsifal‘. Briefe aus Bayreuth. Berlin: Freund & Jeckel 1882 M 1. – Kalbeck, Max: Rich. Wagner’s ‚Parsifal‘. 1. Aufführung am 26. Juli 1882 zu Bayreuth, besprochen. gr. 8. Breslau: Schletter 1882. Mk 1,50 *Klämpfl, Eduard: Richard Wagners ‚Parsifal‘ und seine Bayreuther Darsteller, Wien, Huber & Lahme Nachfg., 1908, 102 S. *Körber, Wolfgang: ‚Parsifal‘-Nachklänge. Bekenntnisse eines Neulings, in: Bayreuther Blätter 6 (1883), S. 264- 272 *Lindau, Paul135: Bayreuther Briefe vom reinen Thoren. Parsifal von Richard Wagner, von Paul Lindau, 4Breslau: Schottländer 1888, 60 S. Lindau, Paul: Richard Wagner. ‚Tannhaeuser‘ à Paris, ‚L’anneau du Nibelung‘ à Bayreuth et à Berlin, ‚Parsifal‘ à Bayreuth, La mort de R. Wagner, traduit en français par Johannès Weber, Paris: L. Westhausser, 1887, 239 S, [„Les articles réunis dans ce volume ont paru d’abord dan divers journaux.“] *Phelps, George Turner: On the Staging of ‚Parsifal‘, in: Poet Lore 15 (1904), Heft 4 S. 97–108 *Pohl, Richard: Parsifal. Bayreuther Briefe an E. W. Fritzsch, Redakteur des Musikalischen Wochenblatts (1882), in: Pohl, Richard: Richard Wagner. Studien und Kritiken. Leipzig: Schlicke 1883 (Gesammelte Schriften über Musik und Musiker von Richard Pohl 1), S. 323–349 *Schleinitz, Alexandra von: Das Bayreuther Bühnenweihfestspiel. Erläuterungen zur Parzivalsage und zum Gralmythus, von A. v. Schleinitz. Berlin Stuhr 1882, 141 S. [2. Aufl. 1894 unter dem Titel: Wagners Parsifal].

133 1836—1897, Chefredakteur des Berliner Börsen-Couriers, Vorsitzender des Berliner Wagner-Vereins. Vgl. auch Davidsohn, Aufführung. 134 Mit Widmung an Hans von Wolzogen. Zusammenstellung mehrerer älterer Vorträge: Das Kunstwerk der Zukunft, Kunst und Kultur der „Idealisten“, Das „Bühnen-Weihefestspiel“, Sänger und Held, Kampf gegen die Vivisection, Empfehlung des Vegetarismus, Die sociale Frage, Neu-Germanien. – Zum Kontext Ferrari Zumbini, Wurzeln des Bösen S. 440 Anm. 72, Bermbach, Urwald; Franz, Religion des Grals S. 134–139. 135 Lindau, Paul, 1839–1919.

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Seitz, Rudolf: ‚Parsifal‘: Costümstudien zu Richard Wagner’s Oper; Lichtdrucke nach den im Besitze der Verlagshandlung befindlichen XVIII Original-Aquarellen. München: A.Ackermann 1882. Gr.- Fol. 1 Bl., mit 18 mont. Lichtdrucken auf 5 Tafeln, HLwd. Zt.136 *Tappert, Wilhelm137: Für und Wider. Eine Blumenlese aus den Berichten über die Aufführungen des Bühnenweihfestspiels ‚Parsifal‘, Berlin: Barth 1882, 50 S. *Waddell, P. Hately: The ‚Parsifal‘ of Richard Wagner at Bayreuth 1894, Edinburgh and London: Blackwood 1894, 77 S. Wild, Friedrich: Bayreuth 1897. Praktisches Handbuch für Festspielbesucher, Leipzig [u. a.]: Wild 1897, darin: Robert West: ‚Parsifal‘, litterarisches Essay, S.77–93 Wilder, Victor: Parsifal, in: Le Ménestrel 49 (1883), S. 273–275 *Wolzogen, Hans von: ‚Parsifal‘-Nachklänge, in: Bayreuther Blätter 6 (1883), S. 57–67 Wolzogen, Hans von: Zur Einführung in die Bayreuther Festspieldramen 1886. ‚Tristan‘ und ‚Parsifal‘. Ihre Entstehung und ihre Bedeutung. Mit 2 Notenbeilagen. Leipzig: Schloemp 1886, 51 S. und 11 S. Noten. Preis: cart. 1 M. *Zabel, Eugen: Das ‚Bühnenweihfestspiel‘ in Baireuth. In: Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart, hg. von Rudolf von Gotschall 2 (1882), S. 430–447138 Zabel, Eugen: Zum ‚Bühnenweihfestspiel‘ in Baireuth, in: Blätter für literarische Unterhaltung, hg. von Rudolf von Gotschall, Nr. 33 vom 17.8.1882, S. 513 [‚Gralsraub‘ und ‚Parsifal-Schutz‘] Adler, Felix: Prof. Guido, Ein Bayreuther Protest. Zur ‚Parsifal‘-Frage, in: Neue Freie Presse 1.11.1903139 Americus: ‚Parsifal‘ in New York, in: Neue Zeitschrift für Musik 1904, 1–4140 *Bahr, Hermann: Parsifalschutz ohne Ausnahmegesetz, Berlin & Leipzig: Schuster und Löffler 1912, 1. bis 5. Aufl., 44 S.. – Preis: M. 0,60 [Sammlung bereits publizierter Zeit­ schrif­t en­artikel]141 Batka, Richard: ‚Lex Parsifal‘, in: Der Kunstwart 1903, Nr. 10–11

136 Rudolf Ritter von Seitz (1842–1910) gründete 1878 mit Gabriel von Seidl ein Atelier für Innendekoration. Ab 1888 lehrte er als Professor an der Kunstakademie in München. Quelle: Antiquariat Johannes Müller, Salzburg. 137 Wilhelm Tappert (1830–1907), vgl. MGG 13 (1966), S. 112, MGG online (Ludwig Holtmeier, article?id=mgg12702, 8.7.2023). 138 Bayreuth-kritische Betrachtung, die eine nüchterne Distanz zu Wagner und seinem Werk hält ohne es abzulehnen. Zabel schrieb später einen Roman über Wagner (Eugen Zabel: Der Meister, Berlin: Borngräber 1914). 139 Vgl. die Anzeige in ‚Die Musik‘ 2 (1902/03), S. 377: „Er redet der Amsterdamer ‚Parsifal‘-Auffübrung im Konzertsaal das Wort, thut anschliessend hieran dar, dass Wagners Kunst hinaus ins Weite wolle, und man das Erbe Wagners nicht örtlich abgrenzen könne, ohne sich an dem Geist der Zeit schwer zu versündigen. Wagners Kunstwerk richtet sich an alle. Darum gebt Parsifal an die Grossen und Kleinen, an die Reichen und Armen, an die Nahen und Entfernten. So dient man dem Geiste und nicht dem Götzenglauben.” 140 „Americus berichtet über die New Yorker ‚Parsifal‘-Aufführung, die nach ihm ‚über alle Erwartung künstlerisch und erfolgreich ausgefallen‘ ist.“ (Anzeige in: Die Musik 3 (1903/4), S. 445) 141 Rezension von Wolfgang Golther, in: Die Musik 12,1 (1912/13), S. 169. Schlechtes Digitalisat der ÖNB Wien http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-buch?apm=0&aid=77 . Als Lektüre empfohlen Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz S. 9.

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Literaturverzeichnis

Beetschen, Alfred142: Hier Bayreuth, – hier Parsifal! Berlin 1902, Schmuckblatt mit einem Gedicht aus 8 Stanzen („Der Welt die Bühne! Flattern aller Orten / Der deutschen Kunst vielteures Banner soll“), auf Vorderseite in der linken Spalte in Form einer IInitiale(?) ein Stich „Parsifal vor der Gralsburg“ nach der Aquatinta-Radierung von Otto Fischer (1870–1947) Bekker, Paul: ‚Parsifal-Schutz‘? Frankfurt a. M.: Frankfurter Societäts-Druckerei, 1912, 20 S. [Nachdruck aus: Frankfurter Zeitung, 1. Morgenblatt vom 11. Aug. und 14. Sept. 1912] Br., Rud. M.: Neue Beiträge zur ‚Parsifal‘-Frage, in: Tägliche Rundschau, Berlin 1903, Nr. 201 [Leserbrief]143 Conrad, Michael Georg: Wagners Geist und Kunst in Bayreuth, München-Schwabing: Bonsels 1906, 99 S., [darin S. 67–99: „Der Gralsraub-Prozeß“]. David, Constantin J.: ‚Lex Parsifal‘ – eine prinzipielle Kulturfrage, in: Der Weckruf, Januar 1913, S. 11–15 Draber, Hermann Wilhelm144: Die Bayreuther Stipendienstiftung, in: Neue Zeitschrift für Musik (Leipzig) 79 (1912), S. 282 f. Frankenstein, Ludwig: Ein ernstes Wort in zwölfer Stunde. Zur Denkschrift des ‚Parsifal‘Schutzbundes, in: Allgemeine Musikzeitung, 1913 II 7 Forchhammer, Ejnar145: Bayreuth und die ‚Parsifal‘-Auführung in Amsterdam, Berlin: Hegner 1905, 59 S.

142 Schweizer Literat und Organist (1864–1924), 1886 Organist und Musikdirektor in St. Gallen, ab 1900 in Deutschland für verschiedene illustrierte Zeitschriften tätig, verfaßte u. a. Ein reiner Thor. Bayreuther Festspiel-Roman, Berlin: Otto Janke, 1895, 245 S. [2. Aufl. 1901] 143 „Neue Beiträge zur ,Parsifal‘-Frage“: Die Veröffentlichung der interessanten Zuschrift eines Musikers, Rud. M. Br., die ohne Zweifel allgemeine Verbreitung verdient. Der Verfasser weist einleitend auf ,Weimar‘ und ,Bayreuth‘ als zwei kunstgeschichtliche Tatsachen hin, die im deutschen Geistesleben des 19. Jahrhunderts zwei Marksteine von ewiger Bedeutung darstellen. Näher eingehend auf die unvergleichliche Willensleistung, die sich dem In- und Ausland in der Wagnerschen Schöpfung von Bayreuth kundgibt, verlangt er von uns, von den Nutzniesserm des dort aufgespeicherten künstlerischen Kapitals, das Gefühl der Verpflichtung, des Dankes. Und diesen Dank sollten wir, meint er, abtragen, indem wir – das deutsche Volk – in würdiger Weise auf die Erhaltung von Bayreuth bedacht sind und diese Pflicht von den Wagnerschen Erben übernehmen. „Man spricht von Eigennutz der Familie Wagner, von ungeheuren Tantiemen, goldenen Bergen, und von Rieseneinnahmen in Bayreuth. Wie töricht und erbämrlich zugleich! Nur leichtfertige Oberflächlichkeit oder nichtsnutzige Bosheit vermag die 13 mageren Jahre voll bitterster Sorgen und Nöte zu übersehen, die Zeiten, da wohlgezählt ein paar Dutzend Zuhörer im Bayreuther Haus sassen, zu vergessen. Wenn jetzt fette Jahre kommen und hier und da eine gute Ernte verzeichnet werden darf (die nur wieder der Festspielkasse zufliesst!), so ist’s den Säern und Schnittern zu gönnen, das ist nicht mehr wie recht und billig. Wahrlich, wäre die Familie Wagner nicht uneigennützig, handelte sie nicht im Sinne des grossen Toten, sie könnte Bayreuth Bayreuth sein lassen und die Hallen schliessen. Jeder Apotheker, der eine neue Pille, jeder Chemiker, der ein neues Kopfschmerzpulver oder ein helleres Licht erfunden hat, darf reich werden; der Familie Wagner gönnt man’s nicht . . . Das Haus Cotta kann mit den ,Memoiren Bismarcks‘ Millionen verdienen, aber die Familie Wagner darf nicht 20000 Fr. Tantiemen aus Frankreich oder sonst irgendwoher erhalten, ohne das es der Welt hämisch verkündet wird. Es ist Zeit, das Volk über ein solch beschämendes Gebaren aufzuklären und eine Sache mit dem ruhigen Takt zu behandeln, der ihr gebührt.“ (Anzeige in: Die Musik 3 (1903/4), S. 139. 144 Berliner Journalist und Übersetzer, 1878–1942. 145 Dänischer Tenor (1886–1928), Amsterdamer Parsifal-Darsteller.

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Annotierte Bibliographie

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Karpath, Ludwig: ‚Parsifal‘ für Bayreuth, in: Rheinische Musik- und Theaterzeitung (Köln) 9 (1910), Nr. 42146 Kleefeld, Wilhelm: Bayreuth und das Wagnererbe. Gedenkblatt zum zwanzigjährigen ‚Parsifal‘-Jubiläum, in: Westermanns Monatshefte 93 (1902/03), S. 127–143 Kühn, Oswald: Richard Strauß und die ‚Lex Parsifal‘, in: Neue Musik-Zeitung (Stuttgart), 33,24 (1912)147 Laser, Arthur: ‚Parsifal‘ in New York, in: Neue Musik-Zeitung, Stuttgart, 1903, 8–9148 Laser, Arthur: Über die bevorstehende ‚Parsifal‘-Aufführung in New-York, in: Neue Musik-Zeitung Stuttgart 1903, 3–5149 Lessmann, Otto: ‚Parsifal‘ in Amsterdam, in: Allgemeine Musik-Zeitung (Charlottenburg) 1905, Nr. 7–11150 Lambsdorff, Georg: Ist die ‚Parsifal‘-Schutz-Bewegung berechtigt, und hat sie Aussicht auf Erfolg? Magdeburg: [Selbstverlag? Druck:] Bänsch [ca. 1912]151. *[Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz] Lichtenberg, Reinhold von152: Mehr Schutz dem geistigen Eigentum! Der Kampf um das Schicksal des ‚Parsifal‘, dargestellt von R. Frhr. v. Lichtenberg und L[udwig] Müller v. Hausen153. Mit Federzeichnungen von Franz Stassen, Berlin: Curtius [1913], 135 S. Lorenz, H.: Die Schutzfrist der Urheberrechtsgesetzgebung, in: , in: Allgemeine MusikZeitung (Berlin) 39 (1912), Nr. 34/35154 Marsop, Paul: Protest gegen die Amsterdamer ‚Parsifal‘-Aufführung, in: Beilage zur Neuen Musik-Zeitung, 1905, Februar155 Mey, Curt: Schutz dem Bühnenweihefestspiel ‚Parsifal‘. Ein Mahnwort an den Deutschen Michel, in: Die Musik 1 (1901/02), S. 489–499, 586–594 Parsifal für Bayreuth?, in: Neue Zeitschrift für Musik (Leipzig) 79 (1912) I. Prüfer, Arthur S. 267 II. Püringer, August156 S. 281 f. III. Seidl, Arthur S. 322 f.

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Titelanzeige in: Die Musik 10,3 (1910/11), S. 301. Titel-Anzeige in: Die Musik 12,1 (1912/13), S. 288. Kurz-Anzeige in: Die Musik 3,3 (1903/4), S. 55. Kurz-Anzeige in: Die Musik 3,2 (1903/4), S. 278. „erklärt sich für die holländische Püarsifal-Aufführung“ (Kurz-Anzeige in: Die Musik 4,3 (1904/5), S. 208.). In keiner Bibliothek nachweisbar, Angaben nach Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz S. 9 und passim. Lichtenberg, Reinhold Frh. von (1865–1927). Zu ihm: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, 5 (1970), S. 185: „Neben zahlreichen kunsthistorischen Studien vor allem zur antiken Kultur, trat er publizist. für die dt.-völk. Interessen ein“. Lebensdaten unklar: ca. 1850- ca.1930; 1912 Begründer und Vorsitzender des „Verbandes gegen die Überhebung des Judentums“, in dessen Verlag er 1919/1920 unter dem Pseudonym „Gottfried zur Beek“ eine 1933 an den NSDAP-Verlag Eher übergegangene Übersetzung der berüchtigten ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ herausgab, vgl.: ‚Die Geheimnisse der Weisen von Zion‘, hg. von Gottfried zur Beek, 21München: Eher 1936. Zu dieser Fälschung allgemein Tilly, Protokolle. Anzeige in: Die Musik 12,1 (1912/13), S. 292. „führt neue Scharen ins Feld“ (Kurz-Anzeige in: Die Musik 4,3 (1904/5), S. 286). Dresdener Musikkritiker. Zu seinem Antisemitismus vgl. Hein, Viel Hitler S. 130–132.

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Literaturverzeichnis



IV. [Stellungnahme der Bayreuther Stipendienstiftung gegen Draber, Stipendienstiftung] S. 342 f. V. Wirth, Moriz S. 409 f. VI. Draber, Hermann Wilhelm S. 410 f. VII. B., Gustav Adolf (Hamburg) S. 421 VIII. Leipziger Volkszeitung S. 421–423 IX. Berliner Tagblatt S. 423 X. Anhaltinischer Staats-Anzeiger (Leserbrief von Arthur Seidl) S. 423 f. XI. Rheinisch Westfälsiche Zeitung (Essen) S. 424 f. XII. Bayerische Rundschau (Kulmbach) S. 425 f. XIII. Leipziger Neueste Nachrichten S. 426 XIV. Vossische Zeitung S. 426 XV. Niese, Theo (Berlin) S. 441 XVI. ‚Argus‘ S. 461 XVII. Günther, Felix (Wien) S. 461 f. XVIII. Zimmermann, Friedrich (Chemnitz) S. 462 XIX. Challier sen., Ernst S. 462 XX. Holstein (Diakon, Leipzig-Mockau) S. 463 XXI. Seidl, Arthur S. 463 XXII. „-rg.“ S. 473 f. XXIII. Berger, Karl (Kapellmeister, Berlin) S. 474 f. XXIV. Fuchs, J.: Bayreuther Monarchie S. 475 f. XXV. Hülsen-Haeseler, Georg von S. 476 XXVI. Seebach, Nikolaus von S. 476 f. XXVIII. Draber, Hermann Wilhelm S. 489 f. XXIX. Weingartner, Felix S. 490–492 XXX. Püringer, August S. 492 f. XXXI. Schaub, Hans F. S. 509 f. XXXII. Seidl, Arthur S. 510 f. XXXIII. Singer, Kurt S. 511  XXXIV. Kohler, Josef: Parsifal und das Autorrecht S. 511 f. XXXV. Förster-Nietzsche, Elisabeth S. 512 f. XXXVI. Challier sen., Ernst S. 513 XXXVII. „Ein Laienbesucher der Festspiele“ S. 532–536 XXXVIII. Servaes, Franz S. 537 XXXIX. [Redaktion] S. 537–538 XL. Püringer, August S. 538 XLI. [Redaktion] S. 538 XLII. Crommelin, Armand S. 549 f. XLIII. Wolzogen, Hans von S. 550 f. XLIV. Zimmermann, Friedrich (Chemnitz) S. 551 f. XLV. Schellenberg, Ernst Ludwig (Weimar) S. 552 XLVI. Fortner, Erich S. 581–584 Parsifal in Amerika, in: Der Tag 6.5.1903157 157 „Der Artikel ,Parsifal in Amerika‘ enthält eine scharfe Spitze gegen die ‚Monopoliserung‘ des ,Par-

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‚Parsifal‘ in Amsterdam, in: Signale für die musikalische Welt (Leipzig), 1905, Nr. 42/43158 Puccini über Wagners ‚Parsifal‘, in: Neue Zeitschrift für Musik (Leipzig) 79 (1912), S. 241159 Riegler, Wolfgang: ‚Parsifal-Schutz‘. Bayreuth: Ellwanger [1912], 13 S. [1 Bl. lose beiliegend: Nachtrag. Eine neue Form des ‚Parsifal‘-Gesetzes]. Schön, Friedrich: ‚Parsifal‘ und Urheberrecht. Eine Kulturfrage, Leipzig: Siegel 1912, 39 S.160 Schönberg, Arnold / Prüfer, Arthur / Draber, Hermann Wilhelm: [Diskussion] ‚Parsifal‘ und Urheberrecht, in: Neue Zeitschrift für Musik (Leipzig) 79 (1912), S. 173–175 (Schön­berg), S. 190 (Leserbrief von Prüfer), S. 221 f (Draber). 161 Seidl, Arthur: Am Scheidewege. Ein Bekenntnis als Entgegnung, in: Deutsche Kultur (Berlin) 1905, Nr. 2162 Seidl, Arthur: Nachklänge zum Cosima-§, in: Die Gesellschaft. Münchner Halbmonatsschrift für Kunst und Kultur 17 (1901), S. 74–81 Seidl, Arthur: ‚Parsifal-Schutz‘ – ein Zyklus (1912/13), in: Seidl, Neue Wagneriana 3, S. 143–316 *Seidl, Arthur: Richard Wagners ‚Parsifal‘. Zwei Abhandlungen, Regensburg: Bosse 1914163, 122 S. [enth.: (a) Richard Wagners ‚Parsifal‘ und Schopenhauers ‚Nirwana‘; (b) Parsifal und der ‚Fall Jatho‘. – Beide nachgedruckt in Seidl, Neue Wagneriana 1, S. 62–163 bzw. 245–268] Seidl, Arthur: Von und zum ‚Parsifal-Bund‘, in: Die Gesellschaft. Münchner Halbmonatsschrift für Kunst und Kultur 18 (1902), S. 270–274164 Singer, Kurt: Ein Wort zur ‚Parsifal‘-Frage, in: Allgemeine Musik-Zeitung (Berlin) 39 (1912), Nr. 34/35

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sifal‘. Er findet es ganz in der Ordnung, dass unsere Landsleute drüben ,.ihre rechtliche Freiheit dahin ausnutzen, ein Werk für sich zu acquirieren, das für andere civilisierte Länder an Ketten angeschmiedet ruht‘. Er sieht in der Möglichkeit, dass ein von hoher Ethik und rellgiöser Tendenz getragenes Werk, wie der ‚Parsifal‘, bildend und erziehend auch auf die weniger Begüterten einwirken kann, einen ungeheuren idealen Nutzen, der jegliche sentimentale Opposition reichlich aufwiegt.“ (Anzeige in: Die Musik 2,4 (1903), S. 149) „Die vielbesprochene Erstaufführung findet in dem Artikel ‚Parsifal in Amsterdam‘ ihre Rezension, die die grossen Verdienste Viotta’s rückhaltslos anerkennt“ (Anzeige in: Die Musik 4,4 (1904/5), S. 370). Puccini äußert sich zugunsten des Bayreuther Privilegs und bezeichnet die von ihm besuchte New Yorker Aufführung als „Profanation“. Als Lektüre empfohlen bei Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz S. 9. Ausführlicher Bericht über die Diskussion in: Die Musik 11,3 (1911/12), S. 299 f. So „betitelt Arthur Seidl einen Aufsatz, in dem er vom Standpunkte eines, der sich mit Nietzsche von der ‚Parsifal‘-Kultur Wagners losgerungen und dabei doch gegen die Amsterdamer ‚Parsifal‘Aufführung vollbewusst protestiert hat, den Unterschied zieht zwischen dem unveränderbaren Bayreuther Standpunkt der einen und den andern, die sich ‚in asketischer Selbstprüfung wie ernstgestimmter Selbstzucht vom Wagner-Kulte entfernt und selbstverantwortlich weiter fortentwickelt haben.‘ “ (Anzeige in: Die Musik 4,4 (1904/5), S. 370). Das Heft ist undatiert, aber S. 124 wird nach einem Zitat aus dem zweiten Vortrag von 1911 angegben, er habe „vor drei Jahren“ mit diesen Worten geendet. Zusammenfassung: „Arthur Seidl spricht hier ‚Von und zum Parsifalbund‘. Er findet trotz wesentlicher Zustimmung zu den Bestrebungen des Bundes dreierlei ‚Bedenklichkeiten‘: 1. es möge kein unfruchtbarer ‚Bund‘ werden; 2. die Nation soll nicht zum Parsifal, sondern zur „Kunst-Esoterik“ erzogen werden; 3. wie soll die Anerkennung des Reservat-Gesetzes durch das Ausland zustande gebracht werden?“ (Die Musik 2 (1902/03), S. 449.

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Literaturverzeichnis

Smolian, Arthur: ‚Parsifal‘ in New York, in: Neue musikalische Presse 1903, Nr. 117.165 Spanuth, August: Zur Frage der ‚Parsifal‘-Aufführungen, in: Signale für die musikalische Welt (Berlin) 1909, Nr. 9–18166 Sternfeld, Richard: ‚Parsifal‘-Frage und ‚Parsifal-Schutz‘, Braunschweig [u. a.]: Westermann 1912, 8 S. [Sonderdruck aus: Westermanns Monatshefte 1912, Heft 11, S. 419–424]167 Storck, Karl: Bayreuth und ‚Parsifal‘, in: Der Türmer 1903, Nr. 9.168 Tabenelli, N.: La questione del ‚Parsifal‘ in America, in: Rivista musicale Italiana (Turin) 1905, Nr. 2 Trapp, Eduard: Parsifal, ein Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner. Zu den Aufführungen im Zürcher Stadttheater, Zürich: Stadttheater 1913, 35 S. [Illustrationen von Gustav Gamper] Wallaschek, Richard: Der ‚Parsifal‘ und Bayreuth, in: Die Zeit (Wien), 18.2.1905169 Weber-Robine, Friedrich: Der ‚Parsifal-Schutz‘ – eine Ehrung des Meisters? Berlin: Theater-Archiv-Verlag 1913, 25 S. Wirth, Moriz: Die Lösung der ‚Parsifal‘-Frage, in: Musikalisches Wochenblatt 1902, Nr. 36–39170 [Frühe Programmhefte] *Bernard, Gabriel171: Le Wagner de ‚Parsifal‘. Orneé de planches hors-texte, reproduisant les Décors et Costumes créés pour les représentations de Parsifal données à l’Opéra de Paris. Autographes et nombreux portraits satiriques dans le texte. Paris: Méricant 1914, Preis: 5 Fr.172 (Les maîtres et les chefs-d’œuvre), 320 S., 18 Taf. [2. Aufl. unter dem Titel: 165 Der Aufsatz „klingt aus in die Worte: ‚Mögen uns Deutschen denn ‚Parsifal‘ und die ‚Bayreuther Bühnenfestspiele‘ noch langehin ein unantastbares, weihe volles Erbgut bleiben, und jeder Deutsche betätige bei seiner Stellungnahme gegenüber der New-Yorker Parsifalangelegenheit dankestreu die Sieglindenworte: für ihn, den wir liebten, – rett‘ ich das liebste!“ (Anzeige in: Die Musik … 166 „wendet sich … gegen die Bestrebungen, das Freiwerden des ‚Parsifal‘ im Jahre 1914 zu verhindern.“ (Kurzanzeige in: Die Musik 9,3 (1909), S. 322). 167 Als Lektüre empfohlen bei Lichtenberg/Müller von Hausen, Mehr Schutz S. 9. 168 „Seine Ansicht prägt sich aus in den Worten: ‚Der Geist des Begründers belebt, der Buchstabe – und sei es der einer noch so ernst aufgefassten Überlieferung – aber tötet!“ (Anzeige in: Die Musik 2,4 (1902/3, S. 388) 169 „richtet … warnende und eindringliche Worte an die, welche den ‚Parsifal‘ durchaus auf Bayreuth beschränkt wissen wollen. Er weist darauf hin, dass Bayreuth nicht das ideale Publikum besitzt, das Wagner verlangte, dass der Genuss des Werkes dem ganzen Volk ebenso nützen würde wie Bachs und anderer Werke nützen, weil sie nicht an bestimmte Zeiten und Orte gekettet sind. Er sagt, die Zeiten hätten sich geändert; der Wille Wagners käme durch die Befolgung nach dem Wort vielleicht doch nicht zum wünschenswerten Ausdruck!“ 170 „Der ‚Parsifal‘ soll durch eine ‚Aufsichtsbehörde‘ jenen Städten freigegeben werden, die imstande sind, die für eine im Sinne Wagners gehaltene Aufführung notwendigen Vorbedingungen nachzuweisen.“ (Die Musik 2,2 1902/03, S. 279). 171 Der Katalog der Bibliothèque Nationale de Paris vermerkt keine Lebensdaten. Nach der Werbung innerhalb des Bandes verfaßte Gabriel Bernard musikkritische Esaays, lyrische Dramen und ein Ballett ‚Philotis‘ mit Musik von Philippe Gaubert. 172 Rezension in: T.P.’s Weekly, Volume 23, edited by Thomas Power O’Connor & Holbrook Jackson, 6.2.1914, Nr. 587, S. 166, Mittelspalte: „ […] The recent Paris performances called forth a remarkable illustrated book by Gabriel Bernard, entitled ‘Le Wagner de ‚Parsifal‘ (Mericant, 29, Avenue de Chatillon, Paris, 5 francs). To some extent it is based upon the famous ‚Life‘ by Houston Stewart

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Annotierte Bibliographie

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Richard Wagner, son œuvre, sa vie romanesque et aventureuse. Nouvelle édition de „Le Wagner de Parsifal”, revue et corrigée. Paris: Tallandier 1933, 256 S.] Deutsches Opernhaus Charlottenburg, [Glucks ‚Iphigenie in Aulis‘, Wagners ‚Parsifal‘], Berlin: Boll 1914, 28 S. Höfler, Alois: Der Festspiel-Cyklus. ‚Tristan‘ – ‚Meistersinger‘ – ‚Parsifal‘ und der Cyklus der Cyklen. Vortrag gehalten am 10. December 1887 im Wiener akademischen WagnerVereine. Wien: Gutmann 1888. – M 0,50 Kastner, Emerich: Bühnenfestspiele zu Bayreuth 1884. Ein Handbüchlein für ‚Parsifal‘Pilger. (m. Holzschn-Portr.) Wien: Perles 1884, Mk 0,60 *Kufferath, Maurice: En Commémoration de la Première Représentation de ‚Parsifal‘ au Théatre Royal de la Monnaie à Bruxelles, le 2 Janvier 1914, [Introd. par M. Kufferath], Bruxelles: Théatre de la Monnaie 1914, 17, [23 Taf. mit Portraits und Szenen aus der Aufführung], V S. *Neitzel, Otto: Zur Aufführung des ‚Parsifal‘ in Cöln. Eine Einführung in das ‚Bühnenweihfestspiel‘. Köln: Kölner Verlags-Anstalt 1914. 20 S., 1 Titelvignette (Taube, Engel mit Gral), 1 ganzseitige Abbildung von H[ans] Wildermann173 (Gralstempel) und 2 S. Notenbeispiele („Motivtafel zum ‚Parsifal‘ “) ‚Parsifal‘-Festspiele im Stadttheater Nürnberg, Nürnberg: Stadtthater 1914, 16 S. *Stahl, Ernst Leopold: Die Inszenierung des ‚Parsifal‘, in: Velhagen & Klasings Monatshefte 28 (1913/14), H. 7, S. 321–330 *Thari, Eugen: Zu Richard Wagners ‚Parsifal‘, in: Königliches Hof-Theater Dresden: Parsifal‘, Dresden: Wiesenthal 1914, 60 S., hier S. 3–24 (zahlr. Portraits aus der Aufführung)174 Trapp, Eduard: Festaufführungen ‚Parsifal‘, Bremen: Stadttheater 1914, 40 S. Mit Ill. von Bernd Steiner175 W., P.: ‚Parsifal‘ in Berlin, in: Velhagen & Klasings Monatshefte 28 (1913/14), H. 7, S. 331–334

Chamberlain, but it contains much interesting original discussion, particulars and pictures of the Paris production, and a whole gallery of caricatures of the composer […]”, mit dem Gesamturteil: „the Paris opera seems to have gone beyond Bayreuth in beauty”. 173 Zu ihm vgl. Anm. IV 520. 174 Kritischer Ansatz: „So wenig nun die Lektüre von Wolfram von Eschenbachs Parzival uns wesentliches beizubringen vermag zum Verständnis der Wagnerschen Parsifal-Dichtung, so wenig kann es zum Verständnis des musikalischen Teiles des Dramas beitragen, wenn wir den historischen Quellen der Musik nachgehen. Nicht daß wir wissen, wieviel Wagner bei seiner Parsifal-Musik der Kirchenmusik Liszts, den letzten Quartetten Beethovens, liturgischen Einflüssen und seinen eigenen Werken verdankt, hilft uns zum Verstehen, sondern daß wir die Musik erleben, und zwar, wie sie Wagner selbst erlebt hat, als einen Teil des Dramas, dessen wesentlichsten Bestandteil sie als Künderin des Gefühlslebens aller Handelnden bildet.“ (S. 7). 175 Vgl. Anm. IV 518.

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Literaturverzeichnis

Sonstige Literatur Titel aus der ‚Annotierten Bibliographie‘ werden nicht wiederholt. Soweit Siglen verwendet werden, sind diese in […] angegeben. Für die Ausgaben von Wagners Schriften wurden zum Teil die Siglen der CD-Rom-Ausgabe ‚Werke, Schriften und Briefe‘ (hg. von Sven Friedrich, 2004) übernommen. [ADB] Allgemeine deutsche Biographie Adorno, Theodor W.: Die musikalischen Monographien: Wagner, Mahler, Berg Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1896 (Gesammelte Schriften in 20 Bänden 13) [Aeolina Pipe Organ] The Aeolian Pipe Organ and Ist Music. New York: The Aeolian Co. 1919 Allen, Roger: Die Weihe des Hauses (The Consecration of the House): Houston Stewart Chamberlain and the early reception of ‚Parsifal‘, in: Kinderman/Syer (Hg.), A companion to Wagner’s ‚Parsifal‘ (2005), S. 245–276 Andre, Pamela: Christ and Wagner. The Religion of Cosima, in: Journal of Religious History 14, 4 (1984), S. 419 – 431 Arnold, Ben: The Liszt Companion, Alexandria, VA & Westport, CT: Alexander Stret & Greenwood 2002 Auswahl Maurerischer Gesänge zum Gebrauch der Loge Eleusis zur Verschwiegenheit in Baireuth, Bayreuth: Birner 1823 Baedeker, Peer: Aller Schmerzen Ende. Joseph Rubinstein 1847–1884, in: Parsifal. Programmheft II, hg. von Wolfgang Wagner, Bayreuth: Festspielleitung 1984, S. 1–14 Balestrini, Daniel Patrick: Hermann Mendel und Gustav Modes Operntextbibliothek. Zur Popularisierung der Oper im Industriezeitalter, Mainz: Are Edition 2009 (Schriften zur Musikwissenschaft 17) Bankberger, Hilarius: Die Juden im deutschen Staats- und Volksleben. 2Frankfurt: Verlag der Deutschen Reichs-Post 1878 (Separat-Abdruck aus der Deutschen Reichs-Post) Bar-Itzhak, Hayar: Lilith, in: Encyclopedia of Jewish Folklore and Traditions, London [u. a.] 1 (2013), S. 332–335 Bartsch, Karl: Die altdeutschen Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg. Heidelberg 1887 (Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg 1) Bassett, Peter: The Nibelung’s ring. A Guide to Wagner’s ‚Der Ring des Nibelungen‘, Kent Town, S. Aust.: Wakefield Press 2003 Bauer, Hans-Joachim: Richard Wagner. Einführungen in sämtliche Kompositionen, Hildesheim: Olms 2004 Bauer, Jeffrey Peter: Women and the Changing Concept of Salvation in the Operas of Richard Wagner, Anif [u. a.]: Müller-Speiser 1994 (Wort und Musik 20) Bauer, Oswald Georg: Die Geschichte der Bayreuther Festspiele, Band I: 1850–1950 und Band II: 1951–2000, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2016 Bauer, Oswald Georg: Reinster Idealismus und unzulängliche Realisierung, in: Die Szene als Modell (2006), S. 17–36 Baumgartner, Georg: Königliche Träume. Ludwig II. und seine Bauten, München: Hugen­ dubel 1981

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Sonstige Literatur

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© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12109-5 - ISBN E-Book: 978-3-447-39465-9

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Literaturverzeichnis

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Sonstige Literatur

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Literaturverzeichnis

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