Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung: Gesammelte Aufsätze 9783666359972, 9783647359977, 3525359977, 9783525359976


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German Pages [324] Year 1980

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Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung: Gesammelte Aufsätze
 9783666359972, 9783647359977, 3525359977, 9783525359976

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KRITISCHE STUDIE N ZUR GESCHICHTSWISSENSCHAF T

Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler Band 41 Richard Tilly Kapital, Staa t und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierun g

GÖTTINGEN

VANDENHOECK & RUPRECHT · 198 0

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung Gesammelte Aufsätz e

von RICHARD TILLY

GÖTTINGEN . VANDENHOEC K & RUPRECHT · 1980 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

CIP-Kurztitelaufnahme de r Deutsche n Bibliothe k Tilly, Richard H . [Sammlung] Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisie rung: ges . Aufsätz e vo n Richar d Tilly. - Göttingen: Vanden hoeck un d Ruprecht , 1980. (Kritische Studie n zu r Geschichtswissenschaft ; Bd . 41) ISBN 3-525-35997-7

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttinge n 1980. - Printe d i n Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigun g de s Verlages is t e s nicht gestattet , da s Buch ode r Teile daraus au f foto - ode r akustomechamsche m Weg e z u vervielfältigen . - Satz un d Druck: Guide-Druck , Tübingen . - Bindearbeit: Huber t & Co., Göttinge n

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Inhalt Vorwort 7

/. Kapitalmobilisierung, Banke n un d Staa t i n de r deutsche n Industrialisierung 1. Finanzielle Institutionen , Staa t un d Industrialisierung : Rheinland und Preußen im internationalen Vergleich 1

5

2. Banken un d Industrialisierun g i n Deutschland , 1850-1870: Ein Überblick 2

9

3. Die politische Ökonomi e de r Finanzpoliti k un d di e Industrialisierung Preußens, 1815-1866 5

5

4. Die Industrialisierun g de s Ruhrgebiets un d da s Proble m der Kapitalmobilisierung 6

5

5. Zur Entwicklung des Kapitalmarktes im 19. Jahrhundert

77

II. Großunternehmen i n de r deutsche n Industrialisierun g 6. Das Wachstu m de r Großunternehme n i n Deutschland sei t de r Mitt e des 19. Jahrhunderts

95

7. Kapital un d Kapitaliste n de s Schaaffhausen'sche n Bankvereins , 1895-1899 11

4

8. Externes Wachstum industrieller Großunternehmen, 1880-1913 12

6

III. Soziale un d ideologisch e Aspekt e de r Industrialisierun g 9. Unruhen und Proteste in Deutschland im 19. Jahrhundert

143

10. Sozialer Protest als Gegenstand historischer Forschung 17

5

11. Los von England : Problem e de s Nationalismus i n de r deutsche n Wirtschaftsgeschichte 19

7 5

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IV. Kritik un d Program m 12. Soll un d Haben I: Probleme de r wirtschaftlichen Entwicklun g in der neueren deutschen Wirtschaftshistoriographie 21

0

13. Soll un d Haben II: Wiederbegegnung mit der deutsche n Wirtschafts- und Sozialgeschichte 22

8

Abkürzungsverzeichnis 25

2

Anmerkungen 25

3

Verzeichnis der ersten Druckorte Sachregister 31

312 3

6 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Vorwort In de r vorliegende n Aufsatzsammlung werde n Beiträg e zu r Industrialisierungsge schichte Deutschland s abgedruckt , di e scho n a n andere n Stelle n erschiene n sin d z. T. i n Englisch, z.T . i n Deutsch. Nu r der Aufsatz „Externe s Wachstum" und der Literaturbericht „Sol l und Haben II" erscheint hier zum ersten Mal. Doch konnte ich mich überzeugen , da ß ei n geschlossene s deutsche s Angebo t diese r z.T . weni g zu gänglichen Aufsätz e nun zweckmäßig sei. Vielleicht ist es nicht überflüssig z u sagen, daß sie auf keinen Fall als Versuch der Vorlage eines abgerundeten Lebenswerkes verstanden werden sollen, sondern als ausgewählte Beiträge zur deutschen Wirtschafts und Sozialgeschichte. Ich glaube, in ihnen gewisse vereinigende Grundtendenzen und Leitgedanken erkennen zu können, di e möglicherweise de m Leser zunächst verborgen bleiben könnten. Zur Erleichterung de r Einordnung de r Beiträge seien daher an dieser Stelle einig e diese r Leitgedanke n kur z vorgestellt . Aus dem Titel des Buches geht der Gegenstand de r Beiträge hinreichend deutlic h hervor. Sie sind fast ausschließlich dem Industrialisierungsprozeß im 19. Jahrhundert gewidmet. Wer sich mit der deutschen Industrialisierungsgeschichte beschäftigt, wir d auch wohl kaum einen anderen Zeitraum als Mittelpunkt setzen können. Dafür sprechen z u viel e Indizien , beispielsweis e di e wohlbegründbar e Schätzun g Hennings , wonach 1800 62 und 1900 nur noch 38 % der beschäftigten Bevölkerung Deutschlands vom primären Wirtschaftssekto r lebte . Freilic h gehöre n wichtig e „Weichenstellun gen" de s Industrialisierungsprozesses , z. Β . die Anfäng e de r preußische n Agrarre formen, dem 18. Jahrhundert an (vgl. Nr. 12-13) und bestimmte Auswirkungen der spezifischen „verspäteten " Form der deutschen Industrialisierung (wie z. B . die Rolle der Bürokratie) sind noch in der Geschichte des 20. Jahrhunderts registrierbar. Diese stellen aber die zentrale Bedeutung des 19. Jahrunderts als Industrialisierungszeitalter nicht in Frage. In mehreren Hinsichten ist die Industrialisierung eine „Sattelzeit" (Koselleck) gewesen: hinsichtlich des Wachstums des Wohlstands der Massen der Bevölkerung, hinsichtlic h de r Entwicklung eine r bipolarisierte n Klassengesellschaft , hin sichtlich de r Entwicklun g Deutschland s zu r Großmacht . Trot z de s spezialisierte n Charakters vieler der hier vorgelegten Beiträge, sind sie als Teile dieses komplexeren und umfassenderen Prozesse s de r Industrialisierun g z u verstehen . Umstrittener als die Koppelung Industrialisierung und 19. Jahrhundert ist wohl die Einteilung diese s Jahrhundert s i n verschieden e Industrialisierungsphasen . E s gib t z. B. die Einteilung in Frühindustrialisierung (1780e r bis 1840e r Jahre), „Take-Off " oder Industriell e Revolutio n (1840e r bi s 1870e r Jahre) und Hochindustrialisierun g (1870er Jahre bis 1914). In den folgenden Beiträgen (insbesondere Nr. 1-5 und 9-10) wird auc h weitgehen d a n dieser Periodisierung festgehalten . Hiernac h wurde n ent scheidende Weichen der deutschen Industrialisierung in der „Take-Off" Periode zwischen 1840 und 1870 gestellt: die Führungsstellung de s vom Eisenbahnbau zunächs t 7 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

stark angezogenen schwerindustrielle n Komplexes, de r Aufbau eine s industriell en gagierten mit dem Kapitalmarkt eng zusammenarbeitenden „Universalbanksystems" , die politische Zusammenarbeit zwische n Unternehmertum einerseit s mit staatliche r Bürokratie un d „Junkertum " andererseits , schließlic h di e Entwicklun g eine s z. Τ . vom Eisenbahnbau, abe r auch z. Τ . von eisenbahnunabhängigen, gewinnträchtige n zwischenstaatlichen Handelsbeziehunge n vorangetriebene n nationale n „deutschen " Marktes. Mit der Gründerkrise von 1873-1874 und der Depression der 1870e r Jahre setzt dan n di e „Hochindustrialisierung " ein . Als einig e de r folgende n Beiträg e erstmal s niedergeschriebe n wurde n (1963-66), erschien e s uns wichtig, di e industriellen Errungenschafte n de r Zeit vor der Reichsgründung hervorzuheben. Im Nachhinein sind allerdings Zweifel an der Fundiertheit der skizzierten Periodisierung aufgekommen; erstens , weil sich diese Periodisierung an dem unverhältnismäßig gu t dokumentierten Aufschwung des schwerindustriellen Sektors un d de r Aktienbanke n orientier t un d wichtig e Entwicklunge n i m Agrar- , Bau- und gewerblichen Konsumgütersekto r wahrscheinlic h unterschätzt ; zweitens , weil sie unterschiedliche regionale Verläufe- insbesondere die Vorläuferrolle von Regionen wie Sachsen oder Wuppertal - vermengt und verwischt (vgl . abe r Nr. 1 und 11-13), und drittens, weil für die Zeit nach 1870 die Bezeichnung „Hochindustriali sierung" ein e Homogenität de r Entwicklung suggeriert , di e den historischen Tatsa chen einfach nich t gerecht wird (z. Β . denkt man in diesem Zusammenhang zwangs­ läufig a n de n Unterschie d zwische n de r „Stockungsspanne " de r Unterperiod e 1874-94 und de r „Aufschwungsspanne " zwische n 1895 und 1913). Durch neuere konjunkturhistorische Arbeiten ist nun die Periodisierungsfrage ne u aufgerollt worden ; die Diskussion läuf t weite r und die Argumentationslücken bzw . -Widersprüche in unseren Aufsätzen bleiben vorläufig ohn e Lösung. Eines sei hier jedoch angemerkt: Die Fragestellung mu ß die Periodisierung bestimmen ; je umfassender und komplexer die gestellte Frage, desto länger die zur adäquaten Beantwortun g erforderliche Periode. Will man z. Β. die Entwicklung der Klassenbarrieren zwische n Adel bzw. Großgrundbesitz und Bourgeoisie einerseits und zwischen diesen und der sich vermehrenden Arbeiterbevölkerun g andererseit s verfolgen, s o ist der Rückgrif f auf das 18. Jahrhundert zu m Verständnis ihrer unterschiedlichen Teilhab e an Macht und Vermögen im 19. Jahrhundert und somit ihres Verhaltens (z. Β . in Krisenzeiten) absolut notwendig . Dagege n reich t zu r Erklärun g ökonomische r Sachverhalt e wi e z. B . de r konjunkturellen Roll e de r Schwerindustrie di e Kenntni s der letzte n zwe i Drittel des 19. Jahrhunderts voll aus. Daß dabei für verschiedene Phänomene unterschiedliche Zäsuren „richtig" sein können, bedarf hier wohl keiner weiteren Erläuterung. Die folgenden Aufsätz e wollen meh r als beschreiben; si e versuchen Teilerklärun gen des Phänomens „Industrialisierung" z u formulieren und zu überprüfen. Al s „erklärende" Faktoren (des allerdings mehr impliziten denn expliziten „Modells") stehen Investition, Geldkapital bzw. Banken und Staat im Mittelpunkt (vgl. Nr. 1-8). Dieser Ansatz ist aber nicht unproblematisch, weshalb auch an dieser Stelle darauf eingegan gen wird . Industrialisierun g wir d al s Prozeß ungleichgewichtige n Wachstum s ver standen, de r vo n Investitionsschübe n i n neue n Industriesektore n diskontinuierlic h 8 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

vorangetrieben wird. Gemäß der o. a . Periodisierung für Deutschland, nimmt vor allem die Eisenbahninvestition seit ca. 1840 und bis in die 1870er Jahre eine Führungsstelle ein. Für die folgende Phas e der Hochindustrialisierung is t kein so eindeutige r „Führer" feststellbar ; Eisenbahne n trate n a n Bedeutung zurück , wurde n durc h di e neuen Sektoren Elektrizitä t un d Chemie , durc h Straßenbahnanlage n un d insbeson dere durc h Gebäudeinvestitione n i n diese r Leitfunktio n kollekti v ersetzt . Indessen stellt sich insgesamt die Erklärungskraft der Investition für die Industrialisierung als unbefriedigend heraus, blieb doch der eigentliche Industriesektor hinsichtlich des Investitionsausmaßes hinte r Landwirtschaft un d Bausektor zurück- beson ders in den entscheidenden frühindustriellen un d Take-Off-Phasen - während kapi talsparende Innovatione n i m 19. Jahrundert rech t bedeutsa m waren . Di e Relativie rung der Bedeutung der Industrieinvestition als tragende Kraft der Industrialisierung läßt sic h auf de n Geld- und Bankensektor - dessen Entwicklungsfunktion j a in der Mobilisierung von Ersparnissen zur Investitionsfinanzierung gesehe n werden kann übertragen. Die Relativierung wird noch gestützt durch Ergebniss e der neueren unternehmensgeschichtlichen Forschun g - die nämlich einen recht hohen Selbst- bzw . Innenfinanzierungsgrad i m 19. Jahrhundert dokumentiere n (vgl . Nr . 5, 6 und 13). Damit ist jedoch keineswegs die Frage nach der Rolle des Geld- und Bankensystems im Industrialisierungsprozeß negativ entschieden. Drei Argumente sprechen für eine „Relativierung der Relativierung". Erstens , spielten Privatbankiers und dann die von ihnen gegründeten Aktienbanken bei der Entwicklung der Eisenbahnen in der wichtigen Take-Off-Phase ein e dominierende Rolle, nicht nur als Kapitalvermittler sondern auch als Organisatoren (vgl. Nr. 1-2 und 5). Diese Eisenbahnunternehmen haben die Industriekonjunktur jener Phase bestimmt und waren dabei „finanzierungsintensiv" . Zweitens, war der deutsche Kapitalmarkt in der Hochindustrialisierungsphase i m internationalen Vergleich relativ stark auf den Kapitalbedarf de r „Großindustrie" aus gerichtet, industriell e Großunternehme n ihrerseit s zunehmend i n ihrem Wachstu m von diese m Mark t abhängig . Hierdurc h wurd e wahrscheinlic h di e Integratio n un d Konzentration de r deutsche n Schwerindustri e geförder t (vgl . Nr. 6). Drittens, ha t das Geld- und Bankensystem unabhängi g vo n der direkten Investitionsfinanzierun g den Gang der Industrialisierung durc h ihre Rolle im Zahlungsverkehr un d - besonders in Krisenzeiten - als Vermögensverwalter beeinflußt . Ein e Bilanz dieser positiven und der vorhin erwähnten skeptischen Argumente kann aufgrund der hier vorgelegten Beiträge noch nicht ausgestellt werden, abe r eindeutig läßt sich sagen, daß die Darstellung der deutschen Industrialisierungsgeschicht e ohn e das Kapitel „Banken " unvollständig sei n müßte . Die folgende n Beiträg e arbeite n eng e Beziehunge n zwische n Bankensekto r un d Staat heraus, abe r der staatliche Beitra g zu r Industrialisierun g wir d dami t natürlic h nicht erschöpft. Es kann z. Β . gezeigt werden, daß der preußische Staat einen prägenden Einfluß au f di e Entwicklung de s deutschen Bankensystem s mittel s des Verbots und dann sei t 1847 durch die faktische staatlich e Monopole der Banknotenemissio n (= Preußische Bank , 1847-1875) gehabt hat , d a hierdurc h zwa r gewiss e Enwick lungschancen blockier t abe r auc h di e Entwicklun g de s Giralgelde s - und de r Universalbankgeschäftsweisen überhaupt-geförder t worde n sind (vgl. Nr. 1 und2). 9 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Außerdem hat der Staat durch geldpolitische Maßnahmen - oder deren Unterlassung - die gesamtwirtschaftliche Konjunktu r oder auch die regionalen Entwicklungsdiffe renzen stark steuern können; möglicherweise hat er dabei Fehler begangen, wichtig e Entwicklungschancen verpaßt (vgl. Nr. 4). Aber der Staat beeinflußte auch auf anderen Wegen die Struktur und das Tempo der Industrialisierung. I n den folgenden Beiträgen wird vor allem der Verantwortung de s preußischen Staates für die sogenannte „Infrastrukturinvestition" i n de r Frühindustrialisierun g ein e negativ e Roll e zuge schrieben: finanzpolitisch e Sparmaßnahme n un d Verzögerun g vo n Konzessionie rung z. Β . hielten di e Errichtung de s modernen Eisenbahnnetze s nach dieser Inter ­ pretation au f (vgl . Nr . 3). Zur Beurteilung diese r Interpretatio n is t der Vergleich mit plausiblen hypotheti ­ schen Alternative n notwendig . Dabe i mu ß abe r ei n wichtige r Punk t mit beachte t werden: Hier werden die wirtschaftspolitischen Handlunge n des Staates nicht einfach beschrieben, sonder n au s eine r historische n Interpretatio n de r preußischen Sozial struktur abgeleitet . De r Staat und die staatliche Bürokrati e sind als Instrumente de r adligen, en g mit Großgrundbesit z verbundene n Familie n anzusehen . Dies e stellte n eine soziale Klasse dar, die sich von Industrialisierungsförderung kau m Vorteile versprechen konnt e und daher die Verwendung de r Machtmittel de s Staates für diese n Zweck zunächst bremste. Erst in den 1840er Jahren werden Umrisse eines modus vivendi zwischen bürgerlichen Interessen an Industrieförderung un d den Interessen des von Adlige n un d Großgrundbesitzer n dominierte n Staate s deutlich , ein e Annähe rung, de r durch die gemeinsame Befürchtung soziale r Unruhen und Revolution ge holfen wurde . Gegen den Hintergrund diese s - hier nur oberflächlich skizzierte n - sozio-politischen Kontextes , werden ein e ganze Reihe von wirtschaftspolitisch relevante n Ent wicklungen ers t verständlich, z. Β . die o. e . Geld- und Bankpolitik, di e Agrarrefor ­ men, di e Handels- und die Eisenbahnpolitik. Freilic h bedar f di e Skizze de r histori ­ schen Vertiefun g - z. Β . hinsichtlich de r relative n Klassenunabhängigkei t un d de s Handlungsspielraumes der staatlichen Bürokratie - aber der springende Punkt ist hier eine methodische Überlegung, di e sich durch die folgenden Beiträge hindurch zieht : der Versuch, Lehre n au s der preußisch-deutschen Industrialisierungsgeschicht e fü r die Gegenwart zu ziehen, darf nicht bloß den Staat als deus ex machina in die Analyse einsetzen, sonder n mu ß ih n auc h erklären . Damit berühre n wi r ei n weitere s Anliege n diese s Bandes: sozial e un d politisch e Folgen der Industrialisierung z u beschreiben und - zumindest im Ansatz - zu erklä ren. Ih r Platz i n den folgenden Beiträge n wird ungefähr mi t den im Titel stehende n Worten „Staat " un d „Protest " angedeutet . Dies e Beiträg e berühre n di e anfang s er wähnten dre i Folgeerscheinunge n de r Industrialisierung : Massenwohlstand , Klas senbarrieren und Großmachtstatus. Eine Interpretation der deutschen Industrialisie rung, i n de r langfristi g anhaltende n Wohlstandssteigerun g Klassenbarriere n festig t bzw. akzeptierba r macht , Protestpotentia l dämpf t un d di e Grundlag e de s Groß machtstatus liefert, ist zwar denkbar, wird aber nicht durch unsere Interpretation von Staat un d Protes t gestützt . Unbestreitba r is t zwa r di e Wohlstandssteigerun g i m 19. Jahrhunden, abe r auch die Tatsache, daß (a) die Geschichte desselben Jahrhun 10 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

derts mit Protestbewegunge n reichlic h bestück t ist ; un d da ß (b ) dies e Bewegun g schwerlich mi t eine r di e Industrialisierun g begleitende n Verarmun g direk t erklär t werden können (vgl. Nr. 9 und 10). Vielmehr ist es erforderlich, hier das Phänomen der Herausbildun g soziale r Klasse n i n di e Interpretatio n miteinzubeziehen . Ma n kann behaupten, daß Protestbewegungen- im 19. Jahrhundert fast ausschließlich von Gruppen aus den unteren Schichten getragen - nicht nur Unzufriedenheit mi t Begleiterscheinungen de r Industrialisierun g widerspiegeln , sonder n auc h ein e kollektiv e Fähigkeit, die im Staat verkörperten oder vom Staat geschützten, organisierten Interessen herauszufordern bzw . zu bekämpfen. Diese z. Τ . von wachsendem Wohlstand geförderte Aktionsfähigkeit , ha t wiederholt ei n Zusammenrücken un d eine Zusammenarbeit der sonst teilweise miteinander in Konflikt stehenden Eliten verursacht, am dramatischsten i n de r Revolutio n vo n 1848-1849. Die Zusammenarbei t ha t dan n nicht nur die Entwicklung effektiverer Repressionsmittel und somit das Zurückschlagen von Protestbewegungen ermöglicht , sonder n langfristi g di e Grundlage fü r ein e breiter fundierte Demokratie nach amerikanischem oder englischen Muster dauerhaft geschwächt. Möglicherweis e wa r de r Versuch de r politischen Isolierun g ei n Grun d für die Durchsetzung des klassenbewußten Marxismus in Teilen der deutschen Arbeiterbewegung, was dialektischerweise die bereits o. e . Zusammenarbeit zwischen alter und neue r Elit e anhaltend weite r stärkte . Auf diese Weise und eng im Zusammenhang mit Protestaktionen entstand die spezifisch deutsche Variante von Klassen an und für sich. Es wäre hier interessant zu fragen - aber es ist weder in den folgenden Beiträgen noch, soweit ich sehe, in der allgemeinen historische n Literatu r bislan g generel l auszumache n - ob und inwiefern di e erwähnte Zusammenarbei t alte r un d neue r Elite n di e Grundlag e eine r staatliche n Wirtschaftspolitik abgegebe n hat und erklären kann, o b und warum dies e mehr zugunsten oder zuungunsten des industriellen Wachstums orientiert gewesen ist. Das ist eine Frage, di e uns an die Wirtschaftsgeschichte zurückverweist , di e auch a n einige unserer Thesen zur Rolle des Staates in der Industrialisierung erinnert. Freilich ist dies eine Frage, die sich nur partiell und an einzelnen Beispielen beantworten läßt. Aber es ist ein Grundanliegen unsere r Beiträge, da ß derartige, di e Verschränkung zwische n Ökonomie und sozio-politischer Situation hervorhebende Fragen in der Wirtschaftsund Sozialgeschicht e de r Industrialisierun g gestell t werde n müssen . Im Sinn e de r letzte n Bemerkun g kan n nu n di e methodisch e Ausrichtun g diese s Bandes eingeordnet werden. Obwoh l i n den historiographischen Literaturübersich ten (vgl. Kap . 12 und 13) immer wiede r meh r bewußte Theorieanwendung vo n der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte gefordert wird, ist gleichzeitig vor einer allzu engen, rein ökonomischen Fragestellung zu warnen. In unseren Beiträgen wird meist deskripti v gearbeitet , abe r möglichs t mit eine m deutliche n sozial - ode r wirt schaftswissenschaftlichen Theoriebezug , häufig mit der straffenden Hilfe der Quantifizierung. S o ist jedenfalls da s methodische Ziel des Bandes zu sehen: hauptsächlic h von ökonomischen Sachverhalte n geleitet e Fragestellungen, möglichs t mit Theori e und möglichst quantitativ, abe r möglichst Fragestellungen, di e für eine Rückkoppelung der Wirtschaftsgeschichte a n Probleme des sozialen und politischen Wandels of fen sind . E s bleibt de m Lese r nu n überlassen , Diskrepanze n zwische n diese n Ab 11 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Sichtserklärungen - in diesem Falle teilweise nachträglich formulier t - und der Ausführung festzustellen . An dieser Stelle möchte ich mich für die Anregungen, Kritik und Geduld der Herausgeber dieser Schriftenreihe, vor allem Herrn H.-U. Wehle r und Herrn J . Kocka , herzlich danken. Für Formulierungshilfe un d kritische Fragen bin ich den Mitarbeitern de s Institut s fü r Wirtschafts - un d Sozialgeschicht e i n Münster , insbesonder e Herrn R. Fremdling , Herr n G . Hohors t und Herrn T. Pierenkempe r seh r verbunden. Fü r sauber e un d grammatisc h verbessert e maschinengeschrieben e Versione n meiner nich t imme r kla r verständliche n Vorlage n ware n dankenswerterweis e Fra u C. Böhm e un d Frau U . Schmid t verantwortlich . Daß ich nicht immer bereit war, ihre n Ratschlägen zu folgen, ma g manche Unzulänglichkeiten des vorliegenden Bandes erklären, vielleicht gleichzeitig auf eine durch zwölf Jahr e i n Münster erworben e westfälisch e Sturhei t hindeuten . Münster, Janua r 1979

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Richard Tilly

I. Kapitalmobilisierung, Banke n und Staat in der deutschen Industrialisierun g

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

1. Finanzielle Institutionen, Staa t und Industrialisierung: Rheinland und Preußen im internationalen Vergleich Die Geschichte der kapitalistischen Volkswirtschaften kan n nicht ohne Würdigung der Finanzierungsinstitutionen, di e ihr e Entwicklun g mitgetrage n haben , verstande n werden. Empirisch e Arbeiten deuten auf eine n engen quantitativen Zusammenhan g zwischen realwirtschaftlicher un d finanzieller Entwicklun g hin 1. Das Studium der finanziellen Entwicklung kan n zweifellos unser Verständnis des dahinter verborgenen realen Prozesses vertiefen, se i es nur deshalb, weil die Wirtschaft ebe n mittels finan zieller Größe n un d Ström e funktioniert . Ei n solche s Studiu m sollt e abe r auc h di e Kausalbeziehungen zwischen finanziellen un d realökonomischen Entwicklungen beleuchten und überprüfen, ob und bis zu welchem Grade jene die letzteren „induziert " hat. Viele s sprich t dafür , realwirtschaftliche n Einflüsse n Prioritä t einzuräumen . D. h. , Finanzierungsinstitutionen entwickeln sich als Reaktion auf die Nachfrage des realökonomischen Systems, während Veränderungen in diesem Bereich selten auf den Finanzsektor allei n zurückzuführe n sind . Im Rahmen dieses Beitrags können solche Verallgemeinerungen freilich nicht ausführlich überprüft werden. Wir stehen hier ja nicht vor der einfachen Wahl zwischen sich gegenseiti g ausschließende n Interpretationen . E s wäre sicher töricht, beispiels weise z u behaupten, da ß unterschiedliche finanziell e Institutione n überhaup t kein e unterschiedlichen realökonomischen Änderungen hervorrufen könnten. Die eigentliche Aufgabe lieg t vielmehr in der konkreten Erforschun g de r Mechanismen, di e die finanziellen un d reale n Sektore n i n de r Entwicklun g verknüpfen . Möglicherweis e können auc h di e Resultat e diese r Untersuchun g einige s zu m Verständni s de r Pro bleme ökonomisch rückständiger Länder beitragen, denn hier ist die Frage der Beziehungen zwischen finanzieller Entwicklung und Wirtschaftsentwicklung vo n aktueller Bedeutung.

Theoretische Erwägunge n Die Entwicklung des Finanzsystems impliziert das Wachstum im Volumen und in der Mannigfaltigkeit de r verfügbare n finanzielle n Dienstleistungen . Diese s Wachstu m kann wechselweise sowohl in der Form des sich ändernden Angebots an finanzielle n Instrumenten als auch in den verschiedenen Finanzinstitutionen, di e dieses Angebot schaffen, gesehe n werden . Di e Erforschun g de r Entwicklun g de s Finanzsystem s 15 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sollte deshalb Veränderungen der Qualität und der Quantität verfügbarer finanzielle r Dienstleistungen (wi e beispielsweis e di e indirekte n Kreditbedingunge n ode r da s Zinsniveau un d die Zinssätze) an Hand der Finanzierungsinstrumente untersuchen , die finanzielle Dienstleistungen verfügbar machen; sie sollte schließlich auch die Analyse der Struktur der Institutionen selbst, z. B . ihre Ursprünge, Mittel und Entscheidungsorgane miterfassen . Die Einzelheiten bzw . Mechanisme n de r Entwicklung eine s modernen Finanzsy stems sind vor allem wegen ihrer wirtschaftlichen Funktio n interessant . Diese r Beitrag vertritt den Standpunkt, da ß die primäre ökonomische Funktion von Finanzierungsinstitutionen darin liegt, laufend e Ersparniss e und i n der Vergangenheit ange sammeltes Vermögen z u mobilisieren , u m si e produktiveren Verwendunge n zuzu führen. I n dynamischen Tauschwirtschafte n sin d nämlich einzeln e Sparer und Ver mögensbesitzer nich t notwendigerweis e di e effizienteste n Investoren . Di e Diskre panz zwischen Sparen und Investition mag dargestellt werden durch das Gefälle zwi schen den marginalen Erträgen einer Investition in traditionellen Wirtschaftszweige n wie etw a der Landwirtschaf t einerseit s und den Erträgen i n relativ neue n Branche n wie de m gewerblichen Bereic h andererseits . Finanzierungsinstitutionen trage n zu m Abbau diese s Gefälle s bei , inde m si e die Investitionsmöglichkeite n fü r Spare r un d Vermögensbesitzer sowie die Finanzierungsquellen fü r potentielle Kreditnehmer er weitern. Durc h di e Vergrößerung de s Informationsflusses zwische n Vermögensbe sitzern und potentiellen Kreditnehmern, führt die Tätigkeit der Finanzierungsinstitutionen zu höheren Zinssätzen und anderen Vorteilen (wie Liquidität oder Sicherheit) für di e Besitzer überschüssige r Kapitalmittel , währen d si e andererseit s de n Kredit nehmern ein billigeres bzw. breiteres Angebot an Finanzierungsmitteln für neue Investitionen - im Vergleich zur hypothetischen Alternative - zukommen läßt . Finanzierungsinstitutionen werde n au f dies e Weis e z u wichtige n Verbindungsglieder n zwi schen de n Leistunge n de r Vergangenheit un d de n Möglichkeiten de r Zukunft . Die Rolle der Finanzierungsinstitutionen i m Entwicklungsprozeß hat verschiedene Aspekte. Erstens können Finanzierungsinstitutionen vorhandene s Sachvermögen i n produktivere Kanäle umleiten. Dies kann als ein Prozeß betrachtet werden, in dem die Besitzer vo n Vermöge n veranlaß t werden , Grundbesitz , überschüssig e Lagerbe stände und Hort e von Edelmetalle n gege n Schuldschein e de r Finanzierungsinstitu tionen z u tauschen . Vie l sprich t fü r di e Annahme , da ß Finanzierungsinstitutione n solche Vermögensbestände eine r produktivere n Nutzun g zuführe n könne n al s ihr e ursprünglichen Besitzer 2. Da s klarste historische Beispie l fü r diese s Phänomen wa r die Ersetzung von Warengeld (Münzgeld) durch verbrieftes Geld (Banknoten, Buch geld) in mehreren Ländern im 19. Jahrhundert. Die Einführung von verbrieftem Geld erlaubte den Finanzierungsinstitutionen, da s auf diese Weise freigesetzte Münzgel d zu benutzen , u m Import e z u tätige n un d de n Produzenten vo n Investitionsgüter n Konsumgüter anzubieten . Au f diese m Weg e empfinge n Volkswirtschafte n eine n einmaligen Antrieb , de r deutlich au f eine Veränderung i m Finanzsystem zurückzu führen war. 3 Zweitens können Finanzierungsinstitutionen di e Verbindung zwische n laufende n Ersparnissen un d den Investitione n i m Zeitablauf verbessern . Ceteris paribu s kann 16 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ein Anstieg der Vielfalt und des Volumens von Sparmöglichkeiten durchaus zu einem Anstieg des Anteils freiwilliger Ersparniss e am laufenden Einkomme n führen und so das Niveau nichtinflatorisc h wirkende r neuer Investitionen anheben. Von noch größerer Bedeutung ist zweifellos die Möglichkeit, durch Finanzierungsinstitutionen di e Allokation der laufenden Ersparnisse für alternative Investitionen faktisch zu verbessern; ein e wachsende Summe von Ersparnisse n wir d i n der Form von Forderunge n gegen Finanzierungsinstitutione n gehalten , währen d di e letzteren , vermutlic h mi t überlegener Informatio n un d Motivation ausgestattet , produktiver e Verwendunge n für die überschüssigen Mittel, finden, al s die ursprünglichen Sparer es gekonnt hätten. Eine der zentralen Leistungen des Finanzsystems in marktorientierten Volkswirt schaften is t di e Schaffung neuer , a n Bedeutun g zunehmender , finanzielle r Anlage möglichkeiten. Historisc h wa r dies e Entwicklun g mi t Instrumente n wi e Hypothe ken, Aktien , privaten und staatlichen Schuldverschreibungen, Wechseln , Banknote n und Buchgeld verbunden. Man kann sagen, daß diese Vermögensarten ein Spektrum bilden, das vom Bankgeld bis zur Hypothek reicht und den Vermögensbesitzern verschiedene Kombinationen von Liquidität, Sicherheit und Rentabilität anbietet. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit wurden diese Instrumente geschaffen, u m Ersparnisse von privaten Sparern auf Finanzierungsinstitutionen z u übertragen. Von besonderem Interesse ist jedoch die liquide oder ,Geld'-seite des Spektrums wegen ihrer engen Verbindung zu laufenden Ausgabe n und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Kreditschöpfung, Preisinflation , de s ,Zwangssparens' und der für notwendig gehaltenen öffentlich-staatliche n Kontrollen . In frühen Stadie n der Industrialisierung hiel t die Bevölkerung relati v viel Geld im Verhältnis z u andere n Vermögensarten , un d de r Anteil de s Geldbestandes, de r au s Warengeld bestand, war ebenfalls relativ hoch. Im Zuge der Industrialisierung sanken beide Anteile.4 Warengeld wurde durch Forderungen an staatliche und private Finanzierungsinstitutionen ersetz t un d ergänz t al s ein e Konsequen z de r wachsende n Kommerzialisierung de r ökonomischen Aktivitäten , begleitet von einem zunehmenden öffentlichen Vertrauen in den "Geldcharakter" solche r Forderungen. Wo Finanzierungsinstitutionen ihr e Verpflichtunge n gege n di e Münzgeldhort e de r Bevölke rung tauschen , finde t ei n interne r Transfe r vo n freiwillige n Ersparnisse n statt . W o aber die Finanzierungsinstitutionen de m Warengeldangebot ein e Nettovermehrun g hinzufügen, ereigne t sic h zweierlei : (1) wird de r Anstie g de s Geldangebots fü r di e Gesamtwirtschaft praktisc h kostenlos - im Gegensatz zur Verausgabung reale r Ressourcen, di e wesentlich is t bei der Beschaffung neue n Münzgeldes; (2) diese Schaffung vo n Kaufkraf t wirkt , wen n ih r nich t durc h ein e entsprechend e Zurücknahm e von Forderungen anderswo begegnet wird, wie eine Besteuerung der von der Bevölkerung gehaltenen Bargeldkasse, entweder indem sie das Preisniveau anhebt oder sein Absinken hindert und gibt so den Finanzierungsinstitutionen ein e technisch-strategische Position i m Entwicklungsprozeß . Sind ökonomische Ressourcen einigermaßen mobil, so können Finanzierungsinstitutionen durch Kaufkraftschöpfung Ressource n von einer Nutzart in eine andere umlenken. Dies ist der Zusammenhang, de r die Phänomene Kreditschöpfung, Zwangs sparen, Innovatio n un d Entwicklun g aneinanderkettet. 5 Indesse n sollt e die Bedeu 17

2 Tilly , Kapital

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tung dieses Faktors nicht überschätzt werden. Finanzierungsinstitutionen müsse n mit profitablen Investitionsmöglichkeite n konfrontier t sein , währen d au f de r andere n Seite ihre Fähigkeit, solche Gelegenheiten zu nutzen, durch gesetzmäßige Einschränkungen - z . Β . die Notwendigkeit , di e Konvertibilitä t ihre r Schuldinstrument e i n Warengeld aufrechtzuerhalte n - begrenzt ist . Darübe r hinau s hängt di e Bedeutun g der Kreditschöpfun g - die übrigen s nich t au f gewinnmaximierend e Firme n be schränkt ist - gänzlich von dem Zweck ab, zu dem die neu geschaffene Kaufkraft ver wendet wird. Staaten haben beispielsweise seit vorindustriellen Zeiten umfangreichen Gebrauch vo n der Kreditschöpfung gemacht , u m so unproduktive Aktivitäte n wi e Kriegsführung oder Denkmalsbauten zu finanzieren. Kreditschöpfun g biete t ein Mittel zu r ökonomische n Entwicklung , abe r keine Garantie. 6 Schließlich können Finanzierungsinstitutionen eine n Beitrag zur Entwicklung lie fern, indem sie unternehmerische Initiative zur Gründung von neuen oder zur Reorganisation von bereits bestehenden Unternehmen hervorbringen. Unternehmerisch e Initiative wäre von jeder engen Definition der Finanzierungsfunktion ausgeschlossen . Trotzdem gibt es verschiedene Argumente für ihre Aufnahme. Ersten s haben Finanzierungsinstitutionen, insbesonder e Banken , generel l Beziehunge n z u zahlreiche n Firmen au f verschiedene n Produktions - un d Verteilungsstufen un d ebens o z u ver schiedenen Sektoren der Wirtschaft. Si e mögen sich auf diese Weise in einer besseren Position befinden , di e Notwendigkeit ode r Möglichkeit neue r Kombinatione n pro duktiver Ressource n ode r neue r Produkt e z u erkennen , al s einzelne Unternehmer , deren Horizont e au f spezifisch e Firme n un d Produktionsprozess e eingeeng t sind . Zweitens könne n etabliert e Finanzierungsinstitutione n vermög e ihrer quer über die Sektoren un d Firmen reichende n Verbindunge n Anbiete r un d Märkte fü r neu e Unternehmungen beschaffen, häufi g schneller , als jene neuen Firmen sie ohne Hilfe hätten bekomme n können. 7

Der historisch e Hintergrund : Englan d un d Deutschlan d Die Entwicklung de s Finanzsystems de r verschiedenen kapitalisitische n Volkswirt schaften währen d der frühen Stadie n der Industrialisierung zeigt e Unterschiede, di e durch verschiedene Entwicklungsnotwendigkeiten beding t waren. Zumindest ist das eine These, fü r di e seh r viel e wirtschaftshistorisch e Fakte n sprechen . Ma n könnt e hinzufügen, da ß die s ebenfall s di e Ansich t de r klassische n politische n Ökonome n war, die ja in der Frühphase der Industrialisierung wirkten . Jedoc h ist hier nicht der Ort für einen allgemeinen Überblick, de r die Vielfalt de r Finanzierungssysteme ode r deren Deutung durch die Ökonomen erfassen könnte . Hier ist als Illustration ledig lich die Einordnung der Erfahrung eines Gebietes - des preußischen Rheinlandes - in historische Perspektive beabsichtigt. Für diesen Zweck dürfte ein Vergleich der englischen un d deutschen Entwicklun g ausreichen . England. Die Entwicklung de s englischen Finanzsystems spiegelt den Charakter der frühen englische n Industrialisierung . Die englisch e industriell e Revolutio n basiert e 18 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

zum größten Teil auf Konsumgüterindustrien, besonder s Textilien. Der Fixkapital bedarf solcher Industrien war gering im Vergleich zu den Bedürfnissen an Umlaufkapital und konnte zum großen Teil aus den von den einzelnen Firmen akkumulierte n Gewinnen finanzier t werden . Entsprechend bestan d die Hauptaufgabe de r englische n Finanzierungsinstitutione n darin, Kaufleute und Fabrikanten mit kurzfristigen Kredite n und Zahlungsmitteln zu versorgen - in Schumpeter'scher Terminologie : da s wachsende ,laufend e Geschäft ' des Landes z u finanzieren. 8 Der finanzielle Sektor, der sich zwischen 1760 und den 1830er Jahren entfaltete, um diese Aufgab e z u erfüllen , wie s zwe i Hauptbestandteil e auf : de n Londone r Geld markt und die „Landbanken" („country banks"). Die finanziellen Transaktionen, zu denen der Binnen- und Außenhandel des Landes Anlaß gab, wurden zunehmend auf den Londoner Geldmarkt konzentriert. Im Mittelpunkt des Londoner Marktes stand die Bank von England. Kraft ihrer Größe, ihres Londoner Monopols auf Notenemission und ihrer engen Beziehungen z u den Staatsfinanzen wa r die Bank von England faktisch di e Zentralbank de r Regierung, obwoh l si e sich abgeneig t zeigte , di e Verpflichtungen eine r Zentralbank anzuerkennen. 1826 wurde das Gesetz gelockert, das anderen Gesellschaften al s der Bank von England und Partnerschaften vo n mehr als sechs Personen verbot, Banknoten zu emittieren. 1833 unterstützte die Gesetzgebung weiter das Wachstum von Aktienbanken mit und ohne Notenemissionsrechten. Aber die Direktoren der Bank von England - die Elite der englischen Finanzwelt - wurden durch solche Übergriffe auf ihre Privilegien aufgeschreckt und verfolgten nun eine aggressivere Politik, die die Gründung von Filialen in der Provinz sowie die wiederholt erhobene Forderung nach gesetzlichen Beschränkungen für die anderen Banken einschloß. Ihr e Anstrengungen wurde n mi t dem nominalen Erfol g de r ,Ban k Charte r Act' von 1844 gekrönt, die das Wachstum der rivalisierenden Notenzirkulation bremste und ein e Erneuerung de s Monopols der Bank vo n Englan d anstrebte . Aber obwohl der ,Act ' de n fortdauernden Vorran g der Bank von England im englischen Finanzwesen sicherte, ist ihre Bedeutung oft übertrieben worden; tatsächlich wurde sie durch di e Entwicklun g de r Depositenbanke n un d de n steigende n Gebrauc h vo n Schecks al s Zahlungsmitte l i n de r englische n Wirtschaft zunehmen d zurückge drängt.9 Bis 1800 bestand der Rest des Londoner Geldmarktes aus Privatbankiers. Zu diesen kamen nach 1800 jene Spezialisten, di e mit Wechseln handelten, di e Wechselmakler („Bill Brokers"), und von den 1830e r Jahren an, die Aktiendepositenbanken. Dies e Institutionen stellten über den Londoner Geldmarkt das Bindeglied zwischen Außenund Β innen Wirtschaft Englands dar und gaben die Impulse weiter, welche sie von Änderungen der Diskont- und Kreditpolitik der Bank von England zunächst empfingen . Jedoch befan d sic h wahrscheinlic h de r größt e Tei l de s Bankgeschäftes England s während der klassischen Periode der industriellen Revolution in den Händen von Banken, di e über da s Land außerhal b London s verstreut ware n - bei den Landbanke n („Country Banks"). Die englische industriell e Entwicklun g rie f j a eine n Bedar f a n Zahlungsmitteln und Kredit hervor, den weder die Bank von England noch die königliche Münzanstalt befriedigen konnt e oder wollte. Die Landbanken, die von Einzel-

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personen ode r kleine n Partnerschafte n betriebe n wurden , begegnete n diese r Nach frage durch Emissionen eigener Schuldscheine, welche für den Inhaber bei Präsentation in Münze oder Note der Bank von England jederzeit konvertierbar waren . Di e Funktion diese r Banke n bestan d primä r nich t darin , Innovatione n i m Schumpe ter'schen Sinn zu finanzieren, sonder n Zahlungsmittel zu m Zweck der Aktivierun g freiwilliger Ersparniss e zu schaffen un d die Effizienz z u steigern, mi t der „laufend e Geschäfte" finanzier t wurden. 10 Die Erfüllun g ihre r Funktione n hin g fü r di e Landbanke n i n wachsende m Maß e vom Londoner Geldmarkt ab. Landbanken, die in ländlichen Gebieten arbeiteten, wo die Ersparnisse die lokalen Investitionsmöglichkeiten überstiegen , legte n ihre Überschüsse in Londo n an , inde m si e be i ihre n Londone r Geschäftspartner n Guthabe n aufbauten; Landbanke n in gewerblichen Gebieten, wo die Möglichkeiten der Kreditvergabe die lokalen Mittel überstiegen, „blickte n nach London für kurzfristigen Kre dit zu r Diskontierun g vo n Wechsel n ode r zu m Kau f besondere r Zahlungsmittel" . Und, „wenn Geld knapp war, wandten sich die Landbanken i m allgemeinen an London, genauso wie Londoner Firmen, sich an die Bank von England, als den Geldverleiher der letzten Instanz, wandten"11. Zusammenfassend kan n die englische Finanzgeschichte während der frühen Stadie n der Industrialisierung al s ein kontinuierlicher Prozeß der Anpassung a n sich wandelnde realökonomische Bedürfniss e charakteri siert werden. Privilegien und politische Eingriffe beinträchtigten zwar die erforderli che Anpassung, abe r verhinderten sie letztlich nicht. Die Entwicklung der Landbanken und des Londoner Wechselhandels während der industriellen Revolution und die Entwicklung der Depositenbanken gegen Ende der industriellen Revolution sind gute Beispiele für di e Anpassung a n vorhandene Bedürfnisse - im Verlauf dere r traditionelle Interessen und offizielle politische Ziele umgangen wurden. 12 . Eine erfolgreiche Anpassung de s Finanzsystems fördert e di e englisch e Industrialisierun g un d bahnt e auch den Weg für die internationale finanzielle Rolle, die England während der zweiten Hälfte de s 19. Jahrhunderts spiele n sollte . Deutschland. Deutschland s wirtschaftlich e un d finanziell e Entwicklun g i m 19. Jahrhundert stell t i n manche r Hinsich t eine n scharfe n Kontras t zu r englische n dar. Sie ist als hervorragendes Beispiel für die Vorteile eines „späten Starts" des Industrialisierungsprozesses zitier t worden. 13. Deutschlan d vollzo g de n industrielle n Übergang (Take-Off ) seh r viel rasche r als England , primä r wege n seine r Fähigkeit , kostspielige Zwischenschritt e i n de r Entwicklun g eine r industrielle n organisatori schen und technischen Struktur zu überspringen- Schritte, die zunächst in England ausgearbeitet wurden. Ferner, so lautet das Argument, erforderte eine schnelle Entwicklung i m Eisenbahnzeitalte r mit ihre m Schwerpunk t i n de r Produktionsgütererzeu gung ein weit aktiveres Finanzierungssystem, als es die englische industrielle Revolution ausgezeichne t hatte . Akkumuliert e Gewinn e i n de n Innovationssektore n un d freiwillige Ersparnisse, die außerhalb dieser Sektoren verfügbar waren, reichten nicht aus, u m die Investitionsnachfrage z u befriedigen . Diese Interpretation ha t vieles für sich. Es ist z. Β . klar, da ß die Eisenbahnen di e deutsche industrielle Struktur in einem weit größeren Umfang formten , al s sie es in 20 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

England taten.14 Obwohl e s Belege für eine beachtliche industrielle Expansion wäh rend der der 1830er Jahre gibt, war doch der Wendepunkt sicher ein Ergebnis des Eisenbahnbaus un d la g erst i n den 1840e r Jahren. 15 Di e Roll e des Eisenbahnbaus al s zündender Funke beim Durchbruch der Entwicklung i n diesen Jahren scheint außer Zweifel z u stehen. Bezeichnenderweise ergänzte n die deutschen Staaten - verglichen mit Frankreich - während der 1840er Jahre ihr Eisenbahnnetz um mehr als den doppelten Umfang. 16 Nac h vorsichtigen Schätzunge n könne n allei n die deutschen Ausgaben für den Eisenbahnbau während der 1840er Jahre nicht geringer gewesen sein als 20 Mill . Taler pr o Jahr , d . h . zwische n 1 und 2 % des geschätzten Volkseinkom mens. 17 Die Nachfrag e nac h produktive n Ressourcen , di e au s vom Eisenbahnba u profitierenden Wirtschaftssektore n wi e der Eisenindustri e stammte , stimuliert e da s Wachstum ebenfalls , währen d di e Aussichte n au f Eisenbahntransport e un d redu zierte Betriebsmittel - und Energiekosten in derartigen Sektoren zu weiteren Investitionen i n „fortschrittlicher " Richtun g ermutigten . Dies e Statistiken gebe n nicht die bedeutsame Tatsache wieder, da ß die Schwerindustrie in Deutschland zu dieser Zeit bereits mit modernsten groß betrieblich orientierten Organisationstechniken wie Aktiengesellschaften un d integrierten Eisenwerke n experimentiert e - Techniken, di e in höchst bedeutsame r Weis e di e deutsch e Schwerindustri e gege n End e des 19. Jahrhunderts von ihren nichtintegrierten englische n Rivalen unterschieden.18 Es ist wichtig zu betonen, daß ihre Entwicklung ganz klar der Periode vor 1870 zugeordnet werden muß . Systematische, historische Arbeiten über die Rolle der Finanzierungsinstitutione n in der Industrialisierung Deutschland s sind Mangelware. 19 Das allgemeine Bild, da s wir haben , kan n kur z zusammgenfefaß t werden . Währen d de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts bestan d di e deutsch e Finanzwel t zu m große n Teil au s private n Bankfirmen, di e i n den wichtigsten deutsche n Handelszentre n konzentrier t waren . Diese Banken waren keine Notenbanken, sonder n Handelshäuser, di e Bankfunktio nen entwickelt hatte n - sie nahmen Einlage n entgegen, stellte n Handelskredit e un d Zahlungmittel bereit und zeichneten und plazierten Staatspapiere- in Verbindung mit ihren Geschäfte n al s Handels-, Speditions - un d Reedereiunternehmen . Bi s zu de n 1830er Jahren lag ihre Hauptaufgabe nicht in der Sicherung eines adäquaten Angebots an Ersparnissen , sonder n darin , ein e angemessen e Verwendun g de r verfügbare n Überschüsse zu finden, Überschüsse, die von Rentiers und Kaufleuten kamen und die nicht zuletzt durch die niedrigen und sinkenden Zinssätze sowie die deutschen Kapitalexporte jene r Jahre reflektier t waren. 20 Das Aufkommen de r Eisenbahnen in den 1840er Jahren stellte die Relevanz dieses Banksystems in Frage. Die Eisenbahnen entwickelten ei n enormes Kapitalbedürfnis, das durch Vermittler finanziert werde n mußte. Über die direkte Nachfrage nach Kapitalmitteln hinau s eröffnete n di e Eisenbahne n neu e Produktionsmöglichkeiten , großbetriebliche, integriert e Bergbau - un d metallverarbeitend e „Konzerne " einge schlossen, di e nicht au s den in jenen Industrie n akkumulierte n Reserve n finanzier t werden konnten . De r Verkauf ausländische r Staats- und Eisenbahnpapier e i n deut schen Finanzzentren während der 1830er und 1840er Jahre zeigt, daß das Hauptproblem nicht so sehr in der Höhe des aggregierten Ersparnisstroms lag, sondern in seiner 21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Verteilung.21 In vielen Fällen verlangte die Lösung: (a) Benutzung der Organisationsform der Aktiengesellschaft al s ein Mittel, Ersparniss e zu mobilisieren; (b ) die Entwicklung von Gründungs- und Emissionstechniken durch private Bankiers, um diese Mobilisierung z u unterstützen; un d (c ) die Schaffung vo n Aktienbanken , daz u be stimmt, die Gründungs- und Investitionstätigkeit in noch größerem Maßstab fortzusetzen. Um diesen Anforderungen z u genügen, konnten Erfahrungen aus Frankreich nutzbar gemacht werden, denn genau in dem Moment, i n dem die Eisenbahnen sich als erfolgreic h z u erweise n beganne n un d Investitione n i n neu e Formen vo n Indu strieunternehmen profitabe l wurden , demonstrierte n französische Unternehmer di e enormen Möglichkeiten de r kombinierten Gründungs - und Investitionsbankgesell schaft durc h finanzielle Erfolge , di e sie mit dem Pariser ,Credit Mobilier ' erzielten . Diese Bank, 1852 gegründet, stellt e ein Modell dar, an dem sich einige in den 1850e r Jahren gegründeten deutsche Aktienbanken orientiere n konnten. Diese Banken waren mit umfänglichen Kapitalie n ausgestattet , di e sie befähigten, Zwischenfinanzie rungen für Unternehmensgesellschaften bereitzustellen , während sie die Papiere solcher Unternehmen zusammen mit anderen Banken bei Rentiers oder schon etablierten Kunden aus der Industrie plazierten, di e freie Mittel besaßen und für sie Anlagemöglichkeiten suchten. Zur selben Zeit bauten sie die traditionelle Bankfunktion aus, Kunden mit kurzfristigen Kredite n entsprechend deren Bedarf a n Umlaufkapital z u versorgen. Sie emittierten keine Noten, aber mittels Überziehungskrediten der Kontokorrentbeziehungen un d Bankakzepten ware n si e in der Lage, Zahlungsmittel z u schaffen, di e sehr wirksame Substitute für Banknoten darstellte. Diese Fähigkeit zu r Kreditschöpfung setzt e die Banken so in den Stand, ihre Kunden mit Umlaufmittel n zu versorgen, währen d ih r umfangreiches Kapita l un d ihre engen Beziehungen zu m Kapitalmarkt ihne n erlaubten , au f direkt e Weis e Möglichkeite n zu r Schuldfristen transformierung etc . zu eröffnen - und vermutlich billiger, al s jene Kunden sie allein hätten erreichen können. Das einzigartige Merkmal diese r Bankeinrichtung bestan d darin, daß der mit laufender Kreditschöpfung verbunden e Inflationsdruck sozusage n durch ein e unmittelbar folgend e Mobilisierun g freiwillige r Ersparniss e aufgefange n werden konnte. 22 Die Entwicklun g diese r Banke n tru g vie l zu r Intensitä t de s Aufschwunge s de r 1850er Jahre bei, und obwohl dem Boom 1857 ein Zusammenbruch und eine Depression, die bis in die 1860er Jahre andauerte, folgten, überlebten die meisten Banken. So waren die Merkmale, di e so charakteristisch fü r da s deutsche Bankwesen nac h 1870 werden sollten - nämlich die Vermischung von kurzfristiger un d langfristiger Finan zierungsstützen un d die eng e Verbindung z u Industrieunternehme n - schon in de n Jahrzehnten davo r entwickel t worden . Die Rheinprovinz. Für die Zeit vor 1870 ist jedoch eine Beschreibung der deutschen Entwicklung in „nationalen" Dimensionen irreführend. So stark waren die regionalen Differenzen i n dieser Zeit, da ß di e aggregiert e Betrachtungsweis e unbeding t durc h Untersuchungen spezielle r Regionen - wie die Rheinprovinz - zu ergänzen ist . Di e Tatsache, daß das vorkaiserliche Deutschland aus etwa dreißig souveränen Staaten bestand, ist zweifellos ein Argument gegen vorschnelle Verallgemeinerungen. Sie ist je22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

doch nicht das einzige. Das mittelalterlich-frühneuzeitliche Erb e war in einigen Gebieten Deutschlands nicht so stark ausgeprägt wie in anderen, und die natürlichen, für die neuen industriellen Techniken brauchbaren Ressourcen waren ebenfalls ungleic h verteilt. Al s Folge davon variierte das wirtschaftliche Entwicklungstemp o einzelne r Gebiete beträchtlich. So ist es möglich, gewisse Regionen zu identifizieren, i n denen die Entwicklung besonders rasch verlief und von wo aus Impulse für die Entwicklung der umliegenden , wenige r dynamische n Regione n gegebe n wurden . Die Rheinprovinz - oder genauer: bestimmte Zentren innerhalb der Provinz, wie Wuppertal ode r der niederrheinische Raum um Krefeld - war ein solches Zentrum. In vielerlei Hin sicht kann man sie als das wichtigste dieser Zentren betrachten, nicht nur wegen des in rheinischen Fabriken- und Handelsstädten direkt erzielten Fortschritts, sondern auch indirekt wegen der Entwicklung der Schwerindustrie im nahe gelegenen Ruhrtal. Die Ursachen für die besondere Dynamik der Rheinprovinz mögen in der Zeit des frühen Mittelalters gesuch t werden , besonder s in den günstigen Entwicklungsbedingunge n des Rheinhandels . Sein e Bedeutun g i m 16. und 17. Jahrhundert wurd e durc h die Verbindung mit der ökonomichen Expansio n Hollands, zu der Zeit Europas dynamischster Wirtschaft, erhöht . Wachsender Handel und die ihn begleitende Bewegung von Kapital, technischen Fertigkeiten und modernen Einstellungen ermutigte n zu Kapitalakkumulatio n un d Innovatio n i m Rheinland . Politisch e Zersplitterun g (während de s 17. Jahrhunderts teilten sich nicht weniger als acht souveräne Mächte das Gebiet der späteren Rheinprovinz) begünstigte die Ausnutzung diese r Möglichkeiten, denn in diesem Entwicklungsstadium trug eine Vielzahl von schwachen Herrschern - wegen ihrer Unfähigkeit, da s Wachstum neu entstehender Gruppen von Kapitalisten zu regulieren oder zu unterdrücken - stärker zur ökonomischen Entwick lung bei , al s ein e Zersplitterun g de s Markte s si e beeinträchtigte. 23 A m End e de s 18. Jahrhunderts gab der sich ausbreitende Einfluß der französischen Revolution der Entwicklung des Rheinlands einen zusätzlichen Anstoß, indem er die Auflösung feu daler Relikte beschleunigte. Die Zerstörung de r städtischen Zünfte , di e Beseitigun g feudaler Beschränkunge n de s Erwerb s vo n un d de r Verfügungsmöglichkei t übe r Grundeigentum, di e Säkularisierung de s kirchlichen Grundbesitze s und die Einführung des französischen Wirtschaftsrecht s ware n positive Faktoren, die eindeutig di e negativen Aspekt e de r französischen Herrschaf t überwogen. 24 Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresse s 1815, die formal die Napoleonisch e Kriege beendeten, gin g di e politische Kontroll e de s Rheinlands au f da s (Hohenzol lern'sche) Königreich Preußen über. Was die rheinische industrielle Entwicklung betraf, war dieser Wechsel keinesfalls günstig . Um 1815 waren im Rheinland Kaufleut e und Fabrikanten zu dominierenden sozialen und politischen Einflußfaktoren gewor den. In Preußen wurde dagegen die Macht hauptsächlich durch den Landadel, vor allem die Junker, ausgeübt. Sie eroberten die meisten Schlüsselpositionen in der Spitze der preußischen Militär - un d Zivilverwaltung , un d di e offiziell e Politi k - die nac h 1815 das Rheinland mitbetraf - tendierte dazu, di e politischen un d wirtschaftliche n Interessen de r Junker widerzuspiegeln. 25 Wenigstens bis zum Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts schlossen diese Interessen die industrielle Entwicklung des Rheinlands nicht ein. Der Aufbau der preu23 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ßischen Politik stand im Widerspruch zu den Bedürfnissen und Wünschen rheinischer Wirtschaftsführer, dere n Zuwachs an Macht und Einfluß in lokalen Angelegenheiten sich ganz und gar im Gegensatz zu ihrem unbedeutenden Stimmgewicht bei der Ausgestaltung de r nationale n Politi k befand . Die preußische Machtstruktur wa r sicher kein monolitisches Ganzes . Nach Her kunft und Ausbildung waren die Mitglieder der Bürokratie zum großen Teil bürger lich. Darüber hinaus, und zum Teil wegen ihrer Herkunft, ware n sie einem nicht den Junkern zurechenbaren Druck, besonders von Seiten der aufsteigenden Wirtschafts gesellschaft ausgesetzt, der den Interessen der Junker nicht unbedingt entsprach. Der Träger der preußischen Politik im 19. Jahrhundert-die Bürokratie-war bis zu einem gewissen Grad e ein unabhängiges Elemen t in der Formulierung de r Politik un d ein Schiedsrichter widerstreitende r Klasseninteressen. 26 „Unabhängigkeit" der Bürokratie bedeutete jedoch nicht, daß die Regierungspolitik die rheinische wirtschaftliche Entwicklun g begünstigte . Man könnte die wohlbekannte Vorliebe preußischer Zivilbeamte r fü r di e Lehr e der klassischen politischen Ökonomie - Smithianismus, wie sie genannt wurde - bemühen, um die Abgeneigtheit der Regierung z u erklären, i n lokale industrielle Angelegenheiten, z . Β . in den Ar ­ beitsmarkt, einzugreifen. 27 E s ist ebenfalls wahr, daß ihr Widerwille, da s zu tun, die Kapitalakkumulation un d die ökonomische Entwicklung i m Rheinland durchaus gefördert haben mag. Aber diese „Laissez-Faire-Politik" spiegelte weniger die Prinzipien, di e von de n preußischen Staatsdiener n geschätz t wurden , al s die Dynamik un d Kraft de r kapitalistichen Gesellschaf t i m Rheinland . Preußische Beamte an Ort und Stelle erkannten zweifellos ihr e Unfähigkeit, eine n Prozeß umzukehren, der über Generationen hin Triebkraft gesammelt hatte, eine Erkenntnis, die durch Belohnungen - sogar Bestechungen - angeregt und ihnen durch Drohungen vo n lokale n Kapitalistengruppe n nahegebrach t wurden. 28 I n größere m politischen Rahmen- und besonders wo es um Förderung neuer industrieller Interessen ging - erwies sich die Bürokratie als bemerkenswert wenig flexibel. Die s war besonders dort der Fall, w o politische Fragen die Interessen der Junker direkt berühr ten. Di e offizielle preußisch e Geld - un d Bankpolitik wa r ei n solcher Punkt. Bi s sie 1848 mit der Revolution konfrontiert war , verweigerte die preußische Regierung di e Erlaubnis zur Gründung von privat betriebenen Aktienbanken. Dies stand im scharfen Gegensatz zu der Gunst, die sie durch die Landschaften und durch die Tätigkeiten der zwei staatliche n Finanzierungsinstitutionen , de r Königlichen Ban k un d Preußi schen Seehandlung , de n agrarische n Kreditinstitutione n erwies , dere n bevorzugt e Nutznießer der grundbesitzende Adel war. 29 Der Widerstand gegen die Modernisierung de s Banksystems hatt e verschiedene Gründe : Die Furch t vo r Inflation , di e Furch t vo r eine r eigenständige n „Geldmacht" , di e Furcht vor einer Schmälerung de r Gewinne der staalichen Finanzierungsinstitutio nen und die Furcht vor einem Anstieg der Kosten der landwirtschaftlichen Kredite . Die hemmende Rolle der preußischen Bürokratie zeigte sich auch in der staatlichen Eisenbahnpolitik. Anfang s sahe n di e Junker un d ihr e Bürokratie keine n Bedar f fü r Eienbahnen und legten den rheinischen Eisenbahnunternehmern zahlreich e gesetzliche und administrative Hindernise in den Weg. Die Bildung von frühen Gesellschaf 24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ten wurde um mehr als zehn Jahre verzögert; nicht wegen technischer Schwierigkei ten, sonder n wege n de r Unfähigkei t un d Abneigun g de r Regierung , z u eine r Ent scheidung hinsichtlic h de r wirtschaftlichen un d politischen Implikatione n z u gelan gen. 30 So läßt sich belegen, daß die Junkeraristrokratie und die Bürokratie gegen Eisenbahnunternehmer deshal b Widerstand leisteten , wei l diese durch Umleitung de r Ersparnisse zu einer Verteuerung der Kreditbedingungen für Staat und Grundbesitzer hätte führen können. 31 Der Widerstand blieb jedoch nicht von Dauer. Schon in den 1840er Jahren began n di e Regierung sowoh l di e militärische Bedeutun g vo n Eisen bahntransporten z u erkennen , al s auch di e Gewinne un d di e wachsend e Kontroll e über das Schienennetz zu schätzen, was zu einer aktiveren Unterstützung der Gesellschaften führe n sollte . Abe r de r rasch e Aufba u de s - in Preuße n bahnbrechende n rheinischen Eisenbahnnetzes in den 1840er Jahren blieb ganz deutlich das Werk lokaler Geschäftsinitiative, ein e Leistung, di e nicht mittels , sonder n trot z eine r feindli chen und widerstrebenden Staatsregierung erreicht wurde. Die Revolution von 1848 beseitigte einen Teil der politischen Spannung, die zwischen der von den Junkern dominierten Regierun g un d den rheinische n Wirtschaftsführer n geherrsch t hatte . Die rheinische Bourgeosie begann, di e Junker und die Bürokratie al s wertvolle Verbündete gegen das wachsende Industrieproletariat anzusehe n und war bereit, ihre weiter gespannten politische n Ambitione n gege n di e unmittelbare n Vorteil e de r Stabilitä t aufzurechnen. Die Junker erkannten ihrerseits den Nutzen, der aus der wirtschaftli chen Kraft der rheinischen Unternehmer für ihre eigenen politischen und ökonomischen Vorhaben z u gewinne n war. 32 Auc h di e Regierung fördert e jetz t aktive r da s Wachstum kapitalistische r Großunternehmen , beispielsweis e durc h Lockerun g de r Reglementierungen i m Bergbau und durch erleichterten Zugan g zu Gründungskon zessionen für Aktiengesellschaften. Im internationalen Vergleich blieb jedoch ein Unterschied zwischen Preußen und anderen industrialisierenden Länder n bestehen. Sogar unter dem Liberalismus der „Neuen Ära" der 1860er Jahre blieb der Unterschied zwischen der nachrangigen politischen Bedeutung von Unternehmern in Preußen und ihrer führenden Rolle auf der amerikanischen, ja sogar der englichen Szene sehr groß. Die di e preußisch e Regierun g tragend e Herrschaftsstruktu r verhindert e zwa r ein e Entwicklung im Rheinland nicht, aber sie bedeutet doch, daß eine beachtliche potentielle Antriebsquell e de s Wachstums - nämlich ihr e politische Hebelwirkun g - den rheinischen Wirtschaftsführer n i n eine m wichtige n Stadiu m de r Entwicklun g ihre r regionalen Wirtschaf t versag t blieb . Die s festzustellen heißt , di e Bedeutung de s im Rheinland erreichten Fortschritts zu unterstreichen, denn dadurch wird die Stoßkraft jener nichtstaatlichen Antriebsquellen , di e den Wandel förderten, u m so deutlicher. Statistiken über zwei Phänomene - die Einführung der Dampfkraft un d das Wachstum des Eisenbahnkapitals - vermittelt eine grobe Vorstellung der quantitativen Größenordnung de r Leistun g i m Rheinland, insbesonder e i n Relatio n zu r allgemeine n preußischen Entwicklung. 33 183 7 wurde von 206 Dampfmaschinen berichtet , di e in rheinischen Fabrike n un d Bergwerke n mi t eine r Energieerzeugun g vo n ungefäh r 4 400 Pferdestärken betrieben wurden; in Gesamtpreußen existierten 421 solcher Maschinen mit 7 500 PS. Im Rheinland war die Zahl der Maschinen pro Kopf der Bevölkerung etwa doppelt so hoch wie in Westfalen, de r nächst gut ausgestatteten preußi25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

schen Provinz, und dreimal so hoch wie im nationalen Durchschnitt. Nach Energiekraft pr o Kopf gemessen, wa r die Position des Rheinlands 1837 sogar noch stärker . Um 1855 verfügte das Rheinland über 1023 in Fabriken und Bergwerken arbeitende n Dampfmaschinen mit insgesamt nahezu 31 000 PS, während die entsprechenden Zahlen für Preußen 3050 und fast 62000 lauteten. Sowohl hinsichtlich der Maschinen als auch der Pferdestärken pro Kopf war das Rheinland immer noch bei weitem die am besten ausgerüstete Provinz Preußens, obwohl sein Vorsprung gegenüber den anderen Teilen Preußens, geringfügig schrumpfte : Die Pferdestärken pro Kopf betrugen beispielsweise nur unbedeutend weniger als das Dreifache des nationalen Durchschnitt s und nicht ganz das Doppelte derjenigen Westfalens. Zur selben Zeit war die Ausstattung des Rheinlands mit Dampfkraft pr o Kopf ungefähr doppelt so stark wie die des Zollvereins al s ganzem . Eisenbahninvestitionen stellen einen weiteren aufschlußreichen Indikator dar. 1845 hatten jene Eisenbahngesellschaften, di e von rheinischen Geschäftsleuten gegründe t und kontrolliert wurden und primär im Rheinland lokalisier t waren , Ausgabe n von rund 26 Millionen Taler n getätigt ode r sic h daz u verpflichtet , da s ware n etw a di e Hälfte aller preußischen Ausgaben für Eisenbahnen bis zu diesem Zeitpunkt. Das Eisenbahnkapital pro Kopf betrug im Rheinland mehr als 9 Taler oder etwa das Dreifache des nationalen Durchschnitts.34 Um 1858 hatten die kumulierten gesamten Ausgaben der rheinischen Eisenbahnen knapp 70 Millionen Taler oder 25 % der gesamten preußischen Ausgabe n erreicht . A m Eisenbahnkapita l pr o Kopf gemessen , wa r der rheinische Vorsprun g reduzier t worden , obwoh l da s Rheinland noc h u m meh r al s 50% reicher ausgestatte t wa r al s Gesamtpreußen. De r Pioniercharakter de s rheini schen Eisenbahnbaus muß jedoch hervorgehoben werden: In dieser Hinsicht sind die Zahlen fü r 1845 von höchste r Relevanz . In knappen Worten: Das Rheinland kann als ein Schrittmacher-Zentrum des Wandels innerhal b de r größere n un d sic h langsame r entwickelnde n preußische n Wirt schaft identifizier t werden . Die s zum Teil wegen des Ausmaßes, in dem die preußische industrielle Entwicklung i n rheinischen Textilgebieten un d in den Bergwerksre vieren und metallverarbeitenden Gebieten von Saar, Wurm und südlicher Ruhr lokalisiert war . De r i m Rheinlan d erreicht e industriell e Fortschrit t tru g abe r auc h an derswo i n Preußen zu r Entwicklung bei . Insbesonder e war die rasche Entwicklun g der Schwerindustrie im nördlichen Ruhrgebiet nach 1850 in hohem Maße eine Funktion de s Kapitals, de r unternehmerische n Initiativ e un d de r Nachfrag e nac h Kohl e und Eisen und Transportleistungen, di e die rheinischen Fabrikations- und Handelszentren hervorbrachten. Zur selben Zeit verschaffte der sich vom Rheinland her über dessen Grenzen ausbreitende Eisenbahnbau den Ruhrunternehmen „extern e Vorteile" (external economies ) und beschleunigt e s o weiter di e Entwicklun g de r Region . Der Erfolg des Rheinlands bei der Anwendung neuer Techniken und der Lösung von Problemen der sozialen und industriellen Organisation lieferte schließlich seinen weniger fortschrittlichen preußischen und deutschen Nachbarn instruktive Beispiele für die Vorteile - und Nachteil e - der Industriegesellschaft . Die ökonomische Entwicklung des Rheinlands von 1870 war darüber hinaus in einem allgemeineren Sinn e besonders wichtig. Si e stellt da s klarste Beispie l eine r Lö26 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sung des großen Widerspruchs i m Deutschland des 19. Jahrhunderts dar: Zwischen der wachsenden Bedeutung des Industriekapitalismus und der fortdauernden politi schen un d sozialen Macht der traditionalen herrschende n Klassen . Hinsichtlic h de r politischen un d soziale n Konsequenze n wa r di e Lösun g keinesfall s ideal , abe r si e zeigte die Fähigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems, dort , w o es Fuß gefaß t hatte, sic h einer Vielfalt vo n verschiedenen politische n „Superstrukturen " anzupas sen. Sie zeigte auch, daß Industrialisierung keineswegs mit einer konservativen autoritären soziale n un d politischen Ordnun g inkompatibe l war . Die Entwicklung finan zieller Institutionen im preußischen Rheinland illustriert beide der hier angesprochenen Themen: Den Entwicklungsbeitrag jene r Institutionen un d die Rolle des Staates in der preußischen Industrialisierung. Hier kann allerdings nur kurz auf einige Ergebnisse eine r a n andere r Stelle veröffentlichten Arbei t eingegange n werden . Durch die restriktive Geld- und Bankpolitik des preußischen Staates in der Rheinprovinz mußt e dor t au f einig e Entwicklungsmechanisme n verzichte t werden , wi e z. Β . auf eine einheitliche und stabile Metallgeldwährung ode r ein expansives System von Notenbanken, die in anderen Ländern mit Erfolg erprobt wurden.35 Infolge dieser Restriktione n wuch s de r Metallgeldbestan d Preußen s währen d de r kritische n Phase der Frühindustrialisierung besonders langsam. Der preußische Bestand an Metallgeld wuch s z. Β . während der 1820e r und 1830e r Jahre mit einer jährliche n Zu wachsrate von 1 bis 1,5 % pro Jahr, der englische Bestand dagegen um 5 bis 6 % und der französische (1803-1845) um mehr als 2 %. 36 Angesichts dieser Lücke mobilisierten und organisierten rheinische Kaufleute und Bankiers ihre eigenen Zahlungsmittel, z. T. durch Import von Metallgeld aus dem Ausland, z. Τ. durch Vereinbarungen über die Wechselkurse de r verschiedenen Münzsorten , z.T . durc h di e Entwicklun g vo n Surrogaten für Metallgeld i n Form von Handelswechseln ode r Noten der in angrenzenden nicht-preußischen Ländern gegründeten Banken. Am Beispiel der Geschichte der Preußischen Bank und deren Vorläufer - der Königlichen Bank zu Berlin - kann diese These weiter gestützt werden, denn diese Institutionen hatten durch Filialen in der Rheinprovinz bedeutende Einflußmöglichkeiten besessen , die sie jedoch nicht zur Förderung der dortigen Industrialisierung voll einsetzten. Im Ganzen betrachtet fing diese Institution erst in den 1830er Jahren an, sich expansiv zu verhalten, aber Nutznießer blieben in der Hauptsache der Staat und die etablierten Großkaufleute vo r allem Berlins. I n den krisenhafte n 1840e r Jahren wurd e di e Preußisch e Ban k a n di e Stelle der nunmehr kapitalschwache n Königliche n Ban k gesetzt , abe r als Ersatz fü r die von Unternehmerkreisen erwünschten Aktienbanken mit Notenemissionsrechten blieb si e hinter de n Erwartungen de r Wirtschaft zurück . I n der Kris e von 1846-48 griff si e äußerst vorsichtig ei n und lie ß sogar einige der größten rheinische n Unter nehmen praktisch zusammenbrechen (Stinnes und Schaaffhausen z . Β.) . In den dar­ auffolgenden Jahre n benutzte die Preußische Bank ihr Quasi-Monopol de r Notenemission u m z u expandieren . Jedoc h wa r nich t nu r di e Deckungsrelatio n zwische n Bargeldreserven un d Notenemissio n diese r Ban k wesentlic h höher al s di e andere r zeitgenössischer Banken (und insbesondere die der Notenbanken, deren Operationen innerhalb Preußen s si e z u verhinder n bemüh t war) , wa s de n Netto-Kreditschöp fungseffekt ihre r Expansion minderte, sondern ihre Kreditvergabe war an einem we27 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sentlich beschränkteren Kreis von Unternehmen orientiert als die der Banken, de wegen dieses Monopols nicht expandieren konnten. Somit wurde die Mobilisierung von Ersparnissen un d Vermögen zugunste n kreditmittelsuchende r Unternehme n η der Rheinprovinz durch einige weitere Maßnahmen direkt benachteiligt: hinsichtlich der Zahl der Filialen und der Volumen ihrer Aktivität sowi e hinsichtlich der Sicherheitsbedingungen wa r di e Rheinprovin z di e relati v a m stärkste n benachteiligt e Provin z Preußens. Zur Überwindun g diese r Restriktione n konnte n rheinisch e Unternehme n Hilfs mittel entwickeln: es war möglich, Kredit durch die „Emission" von eigenen Schuldinstrumenten z u „schöpfen" . W o das Interesse an der Ausnutzung realwirtschaftli cher Möglichkeiten star k genug entwickelt war, mußt e diese nicht durch den Mangel an einer bestimmten monetäre n oder finanziellen Institutio n unterbleiben . Insofer n sollten die einzelnen historischen Forme n der finanziellen Institutione n nich t überbewertet werden . Ebensoweni g kan n man i n der Entwicklun g vo n Geldsurrogate n zur Erleichterun g de r Kreditschöpfun g allei n ein e zwingende Beziehung zu r Indu strialisierung sehen , den n solch e Instrument e wi e Banknoten , Scheck s ode r Han delswechsel, di e al s „Geld " umliefen , könne n zu r Förderun g nichtindustrielle r Zwecke eingesetzt werden - und wurden es auch. Dennoch ist es in unserem Zusammenhang wichti g festzustellen , da ß gewisse institutionell e Mechanismen de r Finanzierung, di e wegen ihrer Kosten und Ertragsverteilung vom Staat hätten am ehesten installiert werde n können , i m Falle der preußischen Rheinprovin z i m 19. Jahrhundert zunächs t unterbliebe n un d mi t wahrscheinlich höhere n Koste n un d deutliche r Verspätung von den Industrie- und Handelsunternehmen der Provinz selbst entwik kelt wurden. Es ist daher nicht abwegig, hier ein Entwicklungshindernis zu sehen, das in einer für di e Modernisierung de r Wirtschaft keinesweg s nur positiven z u beurtei lenden politischen Situation begründet war. Die Entwicklung der Finanzierungsinstitutionen i n de r preußische n Rheinprovin z i m 19. Jahrhundert erlaub t somi t einig e wichtige Schlüsse über die spezielle Rolle finanzieller Institutione n im Industrialisierungsprozeß sowi e übe r di e Rolle des Staates in der preußischen Industrialiserung .

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2. Banken und Industrialisierung in Deutschland, 1815-1870: ein Überblick Während de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts hinkt e di e industrielle Entwicklun g der deutschen Staate n mi t einem beträchtlichen Abstan d hinte r der Englands , Frank reichs un d Belgien s nach . Dies e relativ e Rückständigkei t ha t Wissenschaftle r veran laßt, Deutschland s rasch e ökonomische Expansio n gege n End e des 19. Jahrhunderts als ei n Beispie l fü r di e „Vorteil e de r Rückständigkeit " darzustellen. 1 Ohne Zweife l gib t e s ein e Anzah l plausible r Gründ e fü r Deutschland s Rückstän digkeit z u Anfan g de s Jahrhunderts. Ein e de r wichtigste n Ursache n wa r dabe i gan z offensichtlich di e politisch e Zersplitterung . 1815 bestand „Deutschland " au s nich t weniger al s 38 souveränen Staaten , vo n dene n einig e wi e Preuße n ode r Bayer n ver gleichsweise gro ß un d mächtig, di e meisten abe r klei n un d unbedeuten d waren . Zer splitterung behindert e di e Herausbildung eine s einheitlichen deutsche n Marktes , be günstigte die Fortexistenz eine r Anzahl überflüssiger un d unproduktiver Regierungs apparate, un d schränkt e di e Machtpositio n deutsche r Staate n i n ihre r Handelsbezie hung mi t nichtdeutsche n Länder n ein . Die Wurzeln de r deutschen Rückständigkei t lage n jedoch weder allein noch primä r im politische n Bereich . Deutschland s Sozialstruktu r entsprac h keinesweg s de n Er fordernissen de r Industrialisierung. Siche r hatte di e französische Herrschaf t i m west lichen Gebie t zwische n 1790 und 1815 zu eine r Anzah l wichtige r institutionelle r Verbesserungen wi e de r Abschaffun g de r feudalistische n Beschränkunge n de s Grundeigentums, de m Abba u de r Mach t de r Zünft e un d de r Rationalisierun g de s Wirtschaftsrechts geführt . Indesse n bliebe n trot z solche r Reforme n di e soziale n un d ökonomischen Fessel n de r traditionel l verfaßte n Gesellschaf t i n de n meiste n deut schen Staate n stark . Übe r di e Revolutio n vo n 1848 hinaus engte n di e städtische n Zünfte, de r Grundadel, di e Kirchen und nicht zuletzt die staatliche Bürokratie die fü r Innovation un d Wachstu m s o dringen d notwendig e Mobilitä t de r Ressource n ein . Dennoch ga b e s zwischen 1815 und 1850 Fortschritte. Vo n 1815 bis in di e 1840e r Jahre vollzog sic h die Entwicklun g langsam , jedoc h erkennbar . I n Preußen, Sachse n und einigen andere n Teilen Deutschland s zeigt e sich ein e entschiedene institutionell e und technisch e Reorganisatio n de r Landwirtschaft : Gemeinde - un d Ödlan d wurd e eingehegt, Frücht e wie Rüben und Kartoffeln wurde n jetz t verstärkt angebau t und ef fizientere Anbau - un d Züchtungsmethode n wurde n eingeführt. 2 De r gewerblich e Sektor, insbesonder e di e Textilindustrie , wuch s ebenfall s z. Τ . dank de s Einflusse s ausländischer Nachfrage , z . Τ . dank de r durch den Zollverein vorangetriebene n Ver ­ größerung de s binnendeutsche n Marktes . Diese s Wachstu m wa r i n beträchtliche m Ausmaß vo n de n traditionelle n Heimarbeiterindustrie n getragen , abe r i n de r Ent -

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wicklung de s Maschinenbau s (besonder s i n Textilindustriezentren ) sowi e i n de r wachsenden Nutzun g de r Dampfkraft zeigte n sich wichtige Ansätze der Modernität 3 . Diese Expansio n setzt e sic h i n de n 1840e r Jahren fort , wurd e abe r i n ihre r Wirkun g auf die deutsche Wirtschaft vo n der Ausbreitung de r Eisenbahnen überlagert . De r Eisenbahnbau i n de n 1840e r Jahren markiert e nu n de n entscheidende n Wendepunk t nach W . W . Rosto w de r „Take-Off " - in de r industrielle n Entwicklun g Deutsch lands. 4 Nac h „konservativen " Schätzunge n betruge n di e Ausgabe n fü r de n Ba u de r Eisenbahnen wahrscheinlic h u m di e 20 Mill . Thaler pr o Jahr i n de n 1840e r Jahre n und dami t zwische n ei n un d zwe i Prozen t de s (ebenfalls geschätzten ) Volkseinkom mens. 5 Darüber hinaus stimulierte der Eisenbahnbau direkt e Investitionen in den Zuliefererbranchen, währen d i n anderen Industrie n die Aussicht auf billigere und zuver lässigere Transportmöglichkeiten z u Investitione n ermutigte . Die s wurd e besonder s im Wirtschaftsboo m de r 1850e r Jahre spürbar . Zwische n 1850 und 1857 wurden i n Preußen beispielsweis e 94 Industriegesellschaften gegründet , di e zusammen übe r ei n eingezahltes Kapita l von meh r al s 84 Mill . Thaler verfügten. Währen d derselbe n Pe riode entstanden i n Sachsen 61 solcher Gesellschaften mi t eine m eingezahlte n Kapita l bis zu m Jahr e 1860 von ungefäh r 9 Mill . Thalern. 6 Zusätzliches Material zur frühen industriellen Entwicklun g bring t die Tabelle 1; sie stützt da s Argument , da ß di e Grundlage n de r deutsche n Industriemach t i n de r Zei t vor 1870 gelegt worde n sind . Tabelle 1: Ausgewählte Indikatore n de s industrielle n Wachstum s in Deutschlan d 1840-70 Jahr

1840 1850 1860 1870

Roheisen EisenbahnSteinkohle Dampfmaschinen a netz Output Konsumption Output Konsumptio n Zahl P . S . (Km) (Tonnen) pro Kopf (Kg ) (Mill.Tonn) pr o Kopf (Kg )

469 5 856 11088 19000

172 982 211639 545299 1 391 124

8.5

10.9 19.3 35.9

3.2 11 5.2 17 12.3 33 26.4 61

1 1 7 8

1416 b 26354 10 113 c 184649

b c

I n Zollvereinsstaaten . 1846 . c 1861 . Quellen: Eisenbahnnetz : Benaerts, S . 346-7; Steinkohle und Roheisen: Spiethoff, Bd . 2, Tabellen 13 und 20 und begleitende n „Erläuterunge n z u de n Tafeln". Dampfmaschinen : Benaerts , S. 376-8. a

b

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Finanzielle Institutione n un d ihr e Evolutio n Traditionelle Element e Die Entfaltung de r deutschen Finanzierungsinstitutionen währen d der ersten Hälft e des 19. Jahrhunderts spiegelt e di e fortwirkend e Stärk e de r „traditionelle n Gesell schaft". Die s wird durch die Bedeutung illustriert, di e man zu jener Zeit den preußischen landwirtschaftliche n Kreditinstitutionen , de n Landschaften , beimaß . I m 18. Jahrhundert mi t de r Unterstützun g Friedrich s de s Große n in s Lebe n gerufen , schufen sie eine kollektive Haftung für die Verschuldung von begüterten Grundbesitzern. Si e gaben zinstragend e Pfandbrief e heraus , für dere n Sicherhei t si e nach dem Wert de r kreditnehmenden Güte r garantierten . Nac h 1815 - vielleicht durc h de n Fortfall rechtlicher Einschränkunge n i m Verkeh r mit adlige n Güter n stimulier t wuchs die Zirkulation der Pfandbriefe an. Damit stieg der Kapitalzufluß in die preußische - speziell die ostpreußische - Landwirtschaft. Nac h einschlägigen Quelle n betrug 1815 der Wert aller zirkulierenden preußischen Pfandbriefe nahezu 64 Mill. Thaler. Im Jahre 1835 belief sich die Zirkulation schon auf mehr als 100 Mill. Thaler - eine Summe, di e die Verbindlichkeiten jede r anderen preußische n Finanzierungsinstitu tion beträchtlic h überstie g un d nahez u Zweidritte l de r Höh e de r gesamte n preußi schen Staatsschulden ausmachte. In den folgenden Jahrzehnten hielt dieses Wachstum an, wen n auc h mi t deutlicher Verlangsamung. 7 Das Gewicht der historischen Vergangenheit spiegelt sich auch in den bevorzugten Positionen, di e die deutschen Königreich e und Fürstentümer nach wie vor - wenigstens bis etwa zu r Jahrhundertmitte - auf den deutsche n Kapitalmärkte n genossen . Das Vertrauen des Sparers in die Fähigkeiten der Regierung, Steuern aus ihren Untertanen herauszupressen, war allemal größer, als sein Glaube an die potentielle Ertragskraft vo n Industrieunternehmen. 8 I n einem gewissen Sinne kam darin eine rational e Entscheidung der Sparer und Finanziers zwischen Investitionsalternativen zu m Ausdruck. Investitionen in Industrieunternehmen schienen wohl auch nicht sehr vielversprechend, mangels stützender Unternehmungen in benachbarten Bereichen und weil es wede r ei n Reservoi r technische r Fähigkeiten , noc h gu t entwickelt e heimische Märkte gab. Allerdings trug der Staat zu dieser Bevorzugung staatlicher Anleihen seitens de r Kapitaliste n bei . Di e deutsche n Regierunge n verzögerte n absichtlic h da s Wachstum industrielle r Kreditnehmer , inde m si e Aktiengesellschaften einengende n Bestimmungen unterwarfen, di e den Zugang zum Börsenhandel sowie zu staatlichen Fonds begrenzten. Der Erfolg der deutschen Regierungen bei der Mobilisierung von Finanzmitteln währen d dieser Periode, zeigt sich unter anderem im Kursanstieg de r Staatspapiere und der (realisierten) Umschuldungen trotz sinkender Zinssätze in den 1820er Jahren. Die Attraktivität staatlicher Effekte für den deutschen Sparer offenbart sich auc h i n de r ansehnliche n Placierun g ausländische r Staatspapier e i n Berlin un d Frankfurt währen d jene r Jahre. 9 Der Markt für kurzfristige s Kapita l zu r Finanzierung de s interregionalen un d internationalen Handels bildete ein drittes traditionelles Element des sich entfaltende n Finanzierungssystems i n Deutschland. Wenigsten s währen d de s ersten Dirttel s de s 31 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Jahrhunderts stellt e die mit Handel verbundene Kapitalakkumulatio n zweifello s ei nen de r wichtigste n Finanzsapekt e de r ökonomische n Entwicklun g Deutschland s dar. Einige Historiker berichten mit Bezug auf die 1820er und 1830er Jahre von einem Überfluß an Kapital im Handelssektor, der in sinkenden Profitraten zutag e trat.10 Als Kontrast zu dieser Zeit wurden die 1840er Jahre gesehen: der Eisenbahnbau und die ihn begleitende n Investitione n beganne n i n stärkere m Maß e einträglich e Engage ments für überschüssiges Kapital zu schaffen un d es auf diese Weise anzuziehen; dies geschah direkt durch den Verkauf von Eisenbahnpapieren an Kaufleute und auf indirektem Wege durch eine von Eisenbahnen induzierte Ausdehnung de s Handelsvolumens. Diese Interpretation wir d bis zu einem gewissen Grad e gestützt durch Daten zur „Deutschen " Handelsbilanz : si e wa r nämlic h i n den 1820e r und 1830e r Jahren durchweg aktiv und wendete sich in den 1840er Jahren ins Gegenteil. 11 Tatsächlich ist es allerding s unmöglich , de n Kapitalflu ß vo m Hande l i n di e neue n Gewerbe - un d Transportsektoren z u verfolgen. Di e Bedürfnisse alle r Sektoren wuchse n nach 1840 bedeutend un d e s bleibt i n jedem Fal l schwierig , zwische n „Handels- " und „Indu strie"-Kapital i m ökonomischen Sinn e diese r Termin i z u unterscheiden. 12 Trotz solcher Ungewissheit legt die Existenz von „Handelskapital" sowie jener anderen traditionellen Elemente, die mit der Agrar- und Staatsfinanzierung verbunde n waren, den Schluß nahe, daß es in den frühen Stadien der deutschen Industrialisierung offensichtlich ein e beträchtliche „vorindustrielle" Akkumulation von relativ liquidem Kapital gegeben hat. Das Problem des „Kapitalmangels", mit dem die deutsche Wirtschaft z u der Zeit konfrontiert worde n sei , erscheint au f diese Weise relativiert ehe r ein Proble m de r Verteilungsstruktu r de r Ersparnisse . D . h . nicht , da ß überhaup t keine Probleme existieren. So leisteten in Preußen in den 1840er Jahren beispielsweise der Landadel und Teile der Bürokratie entschieden Widerstand gegen einen Kapital transfer von der Landwirtschaft un d dem staatlichen Sektor zur Industrie.13 Es bleibt jedenfalls zu vermuten, daß in jener Periode in Deutschland für gewisse Zwecke Kapital leicht verfügbar war. Daß es für industrielle Zwecke wenigstens bis etwa 1840 nicht so leicht mobilisiert werden konnte, mag auf Marktunvollkommenheiten au f der Angebotsseite hindeuten. Es könnte jedoch ebenso anzeigen, daß die Nachfrage nach industriellem Kapita l schwac h war. 14 Beid e Schlußfolgerungen sin d plausibel . Wen n die Leistungstüchtigkeit de s deutschen monetäre n Systems abgeschätzt werde n soll , müssen dahe r beid e Möglichkeiten i m Aug e behalte n werden . Staatliche Institutione n , In gewissem Sinne müssen die staatlichen Institutionen zu den traditionellen Elementen de s deutschen Finanzsystem s gezähl t werden . Zumindes t bi s zu r Jahrhundert mitte blieb der Staat ein Instrument konservativer Interessen - in Preußen: der Junkerklasse - , die selbst wenig Interesse an industrieller Entwicklung hatte . I n der Tat betrieben die Staaten häufig ein e Politik, di e direkt den Bedürfnissen de r Industrialisierung zuwiderlief. 15 De n deutlichsten Ausdruc k fande n dies e staatlichen Restrik tionen in offiziellen Kontrolle n des Geldangebots und bei der Erteilung von Konzes32 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sionen zu r Gründun g vo n Aktiengesellschaften . (Di e finanzielle n Implikatione n de r Fiskalpolitik - d. h . die Verwaltung de r laufenden Staatshaushalt e und der Schulden werden hie r auße r ach t gelassen. ) E s is t bezeichnend , da ß di e meiste n Regierunge n Erweiterungen un d Verbesserunge n de s Münzwesens langsa m un d sorgfälti g betrie ben, währen d di e Benutzun g vo n Metallgeldsurrogate n staatlicherseit s ehe r streng e Beschränkung al s Unterstützun g erfuhr . Di e staatlich e Konzessionierun g vo n Ak tiengesellschaften, seie n e s Industrie- , Handels - ode r Finanzierungsunternehmen , wurden ähnlic h restrikti v gehandhabt , bi s 1870 im Norddeutsche n Bun d ei n Geset z Gründungen freistellte . Von größte r Wichtigkei t ware n Maßnahme n un d Institutionen , di e ein e Verbin dung zu m Wachstu m de s Zahlungsmittelumlaufs aufwiesen . De r Zahlungsmittelbe stand umfaßt e Münzgeld , staatliche s Papiergel d un d Banknoten . Da s Wachstu m de s Geldbestandes hätte einen bedeutenden Einflu ß sowoh l au f das Volumen al s auch au f die Struktur de r insgesamt i n der Wirtschaft getätigte n Zahlunge n habe n können . E s mag auc h zusätzlic h indirekt e strategisch e Auswirkunge n durc h Beeinflussun g de r Wachstumsrate de r Geldsubstitute gehab t haben . Di e Verantwortung fü r da s Münz wesen la g i n de n meiste n deutsche n Staate n letzte n Ende s be i de n Finanz - ode r Schatzministerien, obwoh l di e Münzanstalt zweifello s einig e Unabhängigkeit i n die ser Hinsicht genossen . I n Preußen bestimmt e da s Finanzministerium di e Einführun g neuer Münze n (un d de n Versuc h alt e einzuziehen) . E s versuchte, di e Zusammenset zung de r Münzzirkulation dadurc h z u beeinflussen , da ß bestimmt e Abgabe n nu r i n bestimmten Münzsorte n gezahl t werde n konnten. 1 6 Da s Finanzministeriu m wa r auch verantwortlic h fü r di e Zirkulatio n de s staatliche n Papiergeldes , di e e s durc h seine Einnahme n un d Ausgabe n z u reguliere n versuchte .

Notenbanken: da s Zentralbankwese n Die aktiv e Rolle , welch e di e Finanzministe r i n de n meiste n deutsche n Staate n wäh rend de r erste n Hälft e de s Jahrhundert s spielten , spiegel t di e traditionell e Vorherr schaft vo n fiskalische n Gesichtspunkte n gegenübe r geld - und bankpolitische n Ziele n der Regierungen. Dies e Interessenlag e kann vielleich t auc h die relativ gering e Bedeu tung de r Banknotenzirkulatio n i n diese n Jahre n erklären . Modern e Notenbanke n entstanden zuerst in den 1830e r Jahren. Di e erste Bank diese r Art in Deutschland wa r die Bayerisch e Hypotheken - un d Wechselbank , di e ihre Ermächtigun g zu r Notene mission durc h di e bayerisch e Monarchi e i m Jahre 1835 erhielt. Di e zweite Ban k wa r die Ban k vo n Leipzig , di e 1838 als ei n Vorläufe r de r Ban k vo n Sachse n gegründe t wurde. Vo m Standpunk t de s industriellen Wachstum s jene r wi e auc h de r folgende n Jahre, erschein t jedoc h di e Bedeutung diese r beide n Banke n beträchtlic h geringe r al s die der 1846 gegründeten Preußische n Bank . Di e Preußische Bank entstan d au s eine r Neuorganisation de r alten Königliche n Ban k z u Berlin au f Aktienbasis, di e nun auc h Noten emittierte . Si e übernahm all e Aktiva un d Passiv a de r ältere n Institutio n sowi e einen ansehnlichen Teil ihrer konservativen Arbeitsweis e und Anschauung. 17 Wi e di e meisten europäische n Notenbanke n jene r Zeit befan d si e sic h in privatem Eigentum , 3 Tilly , Kapital

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aber di e bürokratisch e Kontroll e ihre r Arbeitsweis e wurd e straf f aufrechterhalten . Das Eigenkapital de r Bank wurd e anfangs au f 10 Millionen Tha l er festgesetzt un d di e Notenemissionsrechte au f maximal 15 Millionen Thaler begrenzt. 1856 veranlaßte di e wachsende Zirkulatio n vo n Note n nichtpreußische r Banke n i n Preuße n di e Regie rung, da s statutgemäß e Limi t de r Notenzirkulatio n aufzuheben . Die s wurd e durc h weitere gesetzgeberische Maßnahme n unterstützt , di e die Nachfrage nac h den Note n der Preußische n Ban k i m Vergleic h z u de r nac h andere n Zahlungsmittel n verstärkt e (z. Β . in de m si e fü r all e Zahlunge n a n di e Regierun g akzeptier t wurden) . End e de r 1850er Jahre nahme n di e Note n de r Ban k ein e beherrschend e Stellun g innerhal b de r Papierzirkulation Preußen s ein. 18

Andere Notenbanke n Das Wachstu m de r Preußische n Ban k befriedigt e nich t di e gesamt e Nachfrag e nac h Bankdienstleistungen. Unternehmer , di e innerhalb Preußen s - oder innerhal b Sach sens, w o ähnlich e Bedingunge n herrschte n - keine Konzessio n fü r ein e Notenban k erhielten, gründete n sie in anderen deutschen Staaten. Sowohl Preußen, al s auch Sach sen ware n zu m Tei l vo n Staate n umgeben , di e beflisse n de m Ersuche n konzessions hungriger Geschäftsleut e zu r Gründun g vo n Notenbanke n nachkamen . Anfangen d mit de r Dessaue r Bank , di e sic h 1847 - der preußische n wi e de r sächsische n Grenz e n a h e - etablierte , entstan d ein e Reihe von Notenbanken i n de n Nachbarstaaten . U m die Zirkulation ihre r Note n z u fördern , druckte n si e sie mit preußischen un d sächsi schen Benennungen . Einig e diese r Banke n wurde n bezeichnenderweis e vo n preußi schen un d sächsische n Unternehmer n gegründet , wi e etw a di e Bank fü r Süddeutsch land i n Darmstad t 1855 und di e international e Ban k i n Luxembourg 1856 , die beid e von de n rheinpreußischen Finanziers , Gusta v Mevissen un d den Oppenheim s errich tet wurden. 1 9 Viele der Banken außerhal b Preußens un d Sachsens brachte n allerding s weder Thalernoten i n Umlauf noc h zeigten si e irgendeine erkennbare enge Beziehun g zur Finanzierungsnachfrag e de r preußischen un d sächsische n Industriegebiete . Dor t wurden si e indesse n al s eine Bedrohung de r etablierte n preußische n un d sächsische n Notenbanken angesehen, die ernst genug schien, um die Regierungen diese r Staaten i n den 1850e r Jahre n z u Gesetze n z u veranlassen , di e de n Gebrauc h „ausländischer " Banknoten verboten . 1856 konzessionierte auc h di e preußische Regierun g di e Grün dung von sieben neuen Notenbanken al s Aktiengesellschaften; gleichzeitig abe r nah m sie ein e Expansio n de r Preußische n Ban k vor . Näherungsweise wird das Wachstum de s Notenumlaufs preußischer und deutsche r Notenbanken i n den Tabellen 4 und 5 dargestellt. Tabell e 3 illustriert ihr e Bedeutun g insgesamt: i n Norddeutschlan d ga b e s 1865 30 Notenbanken (Norddeutschlan d be deutet: Frankfurt/Mai n un d all e Orte nördlich davon ) zusätzlich z u de n preußische n und sächsichen , di e ei n nachgewiesene s eingezahlte s Kapita l (mi t Reserven ) vo n na hezu 63 Mill . Thalern insgesamt , eine n Notenumlau f vo n 60 Mill . Thalern un d ge samt Aktiv a vo n zusamme n nahez u 150 Mill . Thalern repräsentierten . Obwoh l of fensichtlich wichtig , sin d dies e Banke n regelmäßi g vo n Historiker n übersehe n wor -

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den, z. Τ. wohl deshalb, weil die Reichsbank, die 1875 durch Umwandlung der Preu­ ßischen Ban k errichte t wurde , di e meisten vo n ihne n übernahm . Pnvatbankiers Zwischen 1815 und 1870 waren di e bedeutendste n Finanzierungsinstitutione n di e Privatbankiers. Si e bestritte n eine n wesentliche n Antei l de s Zahlungsverkehr s de r Wirtschaft, schufe n di e entscheidend e Verbindun g zwische n Sparer n un d Investi tionsmöglichkeiten un d regten die unternehmerische Initiativ e an. Diese drei Funk tionen waren en g miteinander verbunden. Obwoh l Privatbankier s von der Notenemission sowie von jeder anderen legalen Geldschöpfungsmöglichkeit ausgeschlosse n waren, gewährte n si e Konto-Korrent- un d Akzeptkredite, di e in ihrer Wirkung di e Zahlungsmittelmenge anwachsen ließen. Zusammen mit dem Kapital und Depositen schuf diese Kreditschöpfungsfähigkeit di e Basis für ihre unternehmerische und investitionsfördernde Bankaktivität. Schließlic h war die Rolle der Privatbankiers als Kreditschöpfer wichtig , wie l sie die Effektivität de r staatlichen Kontrolle des Geldangebotes aufweichte . Die Evolution des privaten Bankgeschäftes in Deutschland nach 1815 spiegelt ganz allgemein das Muster der ökonomischen Entwicklung. Von 1815 bis etwa 1840 waren die meisten wichtigen privaten Bankfirmen räumlic h konzentriert um die alten kommerziellen und politischen Zentren Deutschlands wie: Hamburg, Leipzig, Berlin und vor allem Frankfurt/Main. Kleiner e Industrie- und Handelszentren hatten zwar ihre Privatbankiers, abe r sie waren, mi t Ausnahme von einigen Häuser n in Köln, Augsburg un d Breslau , nu r vo n lokale r Bedeutung. 20 I m Gegensat z z u de n englische n Bankiers, di e sich aus den verschiedensten Branche n und Berufen rekrutierten , ent stammen praktisch all e wichtigen (un d die meisten unbedeutenden ) deutschen Ban kiers dem Bereic h de s Handels. Der Übergang vo m allgemeinen Handels - zum speziellen Bankgeschäf t wa r nicht so sehr mit der Ausdehnung vo n Handel un d Industrie verbunden, al s vielmehr mit den finanziellen Bedürfnisse n de r europäischen und insbesondere der deutschen Regierungen. Di e prominenteste n Bankhäuse r - die Rothschild s un d Bethmann s i n Frankfurt, di e Schicklers in Berlin, Parish und Heine in Hamburg - verdankten ihre Reputation und einen Großteil ihres Vermögens erfolgreichem Operiere n im staatlichen Zahlungs- und Anleihengeschäft. 21 Während der Jahrzehnte nach 1815 waren die Beiträge der Privatbankiers zur Entwicklung neuer Methoden des Handels mit Staatspapieren sehr wichtig, d a diese Methoden später bei der Finanzierung der industriellen Entwicklung sehr nützlich wurden. Diese Bankiers wandelten kurzfristige Schulde n in verbriefte Verbindlichkeite n um, plazierten solche Papiere mit Profit und kombinierten diese mit Geld- und Kapitalmarktoperationen i n Wertpapieren , di e bereit s plaziert waren . Der Erfolg des Geschäftes mit den Staatsschulden nac h 1815 wirkte hemmend auf das Interesse deutscher Privatbankiers an industriellen Engagements , zumal die geographische Trennung de r Finanzierungsinstitutionen vo n den industriellen Zentre n 35 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

starke Elemente der Unsicherheit un d des Risikos in diesen neue n Bereic h brachte . Mit Blick auf den Vorsprung anderer euorpäischer Industrieller (besonders der englischen) in den , Wachstumsindustrien' jener Zeit muß man zugeben, da ß in der ,konservativen' Verhaltensweis e diese r Privatbankier s industrielle n Anlage n gegenübe r viel Weisheit und Rationalität lag. 22 In jedem Fall blieb die Hergabe von Bankkrediten für industrielle Zwecke vor den 1840er Jahren ein vergleichsweise lokales Phänomen und au f di e sic h im „ stato nascendi " de r Industrialisierun g befindliche n Regione n selbst begrenzt . Die rheinischen Bankiers , di e durch kein e Tradition staatliche r Fi nanzgeschäfte belastet - und eben auch nicht begünstigt- waren, liefern bezeichnen derweise dafü r di e herausragenden Beispiel e i n diese r Periode. 23 Es ist faktisch unmöglich , da s Wachstum des deutschen privaten Bankgeschäfts i n aussagefähigen quantitative n Begriffe n darzustellen . Bei m gegenwärtige n Stan d de s Wissens kann man diesbezüglich über Deutschland als ganzes überhaupt nichts sagen. Wenn man jedoch gewisse offizielle Zahlen als in etwa richtig akzeptiert und eine Anzahl von gewagten Annahmen macht, ist es möglich, versuchsweise einige Aussagen für einen wichtigen Teil Deutschlands, nämlich Preußen, aufzustellen. Tabelle 2 stellt einen solche n Versuc h dar . Wen n di e Bedingunge n i n Berli n al s typisc h fü r gan z Preußen angesehen werden dürfen, dann können rund 60 % der gezählten Geldinsti tutionen seit den 1840er Jahren als vollentwickelte Banken identifiziert werde n - eine Tatsache, die bei jedem internationalen Vergleich, de r diese Zahlen heranzieht, mit beachtet werden sollte.24 Die Zahlen liefern nicht mehr als einen extrem groben Index des Bankwachstums. Nimm t ma n die Beschäftigten pr o Bank, könnt e man gut und gern de n Schluß ziehen , da ß es fast überhaup t kein e Veränderung währen d de r Periode gegebe n hat . Tabelle 2: Geschätzte Zahle n vo n private n Bankhäuser n un d Geldinstitutione n in Preußen , 1820/21 bis 1861 Region Rheinprovinz Berlin Preußischer Staa t Einwohner pr o Institutio n

1820/21

1843

1849

1861

50 60 330 33000

93 80 424 35000

102 107 439 37000

141 165 642 29000

Quellen: Benaerts, S . 136, 268; Tilly , Financial Institutions; Spangenthal, S . 7. Klare Beleg e hinsichtlic h de r Ursprüng e de r Kapitalmitte l de r Banke n gib t e s kaum. 25 Zuverlässig e Schätzungen de r durchschnittliche n Kapitalisierun g private r Bankhäuser existieren für diese Periode fast gar nicht. Daten über die Berliner Banken für die späten 1850e r Jahre vermitteln die Vorstellung vo n einem durchschnittliche n Kapital von etwa 400 000 Thalern, und wenn man die anderen Geldinstitutionen dor t einbezieht, sink t dies e Zah l au f ungefäh r 290000 Thaler.26 Auch die letzte Zahl ist wahrscheinlich für ganz Preußen noch zu hoch. Nach einer 1845 vorgenommenen Schätzung war das Rheinland, Preußens am weitesten entwik 36 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

kelte Provinz mit einem privaten Bankkapital von insgesamt 20 Mill. Thalern ausgestattet.27 Dies würde (je nach Definition eines Privatbankiers) ein Durchschnittskapital vo n zwische n 200000 und 300000 Thalern bedeuten . Insgesamt gesehen nahmen die Privatbankiers u m die Jahrhundertmitte wegen ihrer Zahl und Kapitalstärke wohl den führenden Plat z im preußischen - und vermutlich i m deutsche n - finanziellen Syste m ein .

Die Kreditbanken un d andere Institutione n Eine der bedeutendsten Entwicklungen im Finanzsektor vor 1870 war die Etablierung der Aktien-Kreditbanken . Ih r Erscheine n beanspruch t wenige r wege n ihre r Wirk samkeit in dieser Periode Aufmerksamkeit, sonder n weil sie die Vorläufer jener deutschen ,Großbanken ' darstellten , di e i n den folgenden Jahre n da s deutsche Banksy stem gepräg t haben. 28 Die Geschichte der deutschen Kreditbanke n beginn t 1848 mit der Gründung de s Schaaffhausen'schen Bankverein s in Köln. Der Bankverein, der aus einem der ältesten und größte n Bankhäuse r de s Rheinlandes , A . Schaaffhause n & Co., hervorging , muß eher als ein Nebenprodukt der Krise von 1847 und der Revolution von 1848 denn als der erste bewußte Entwicklungsschritt eine s neuen Typs von Finanzierungsinsti tutionen angesehen werden. Gleichwohl war er die erste Aktienbank in Deutschland, sein Erfolg in den folgenden Jahren lieferte einen augenfälligen Beweis für den Nutzen des Universalbankunternehmens i n For m de r Aktiengesellschaft. 29 Preußens konservative Regierung konzessionierte bis 1870 nur diese eine Bank. Indessen führte die geschäftliche Nachfrage nach solchen Banken, stimuliert durch den finanziellen Erfol g des französischen Credi t Mobilier nach 1852 und gepaart mit der Bereitschaft de r Regierunge n andere r deutsche r Staaten , liberal e Konzessione n z u vergeben, zu r Gründung vo n Kreditbanke n außerhal b Preußens i n den 1850e r Jahren. Das erst e un d bedeutendst e Beispie l wa r di e Ban k fü r Hande l un d Industri e z u Darmstadt (Darmstädte r Bank) , di e vo n eine m Konsortiu m vo n rheinische n un d französischen Finanzier s im Jahre 1853 errichtet wurde.30 Andere folgten, abe r nicht alle waren erfolgreich; denn der Dauererfolg de s Investitionsgeschäftes de r Banken und damit ist mehr als die bloße Belebung des Börsenhandels gemeint- hing von der Erschließung produktiverer Anlagemöglichkeiten ab , die ja nicht immer dort verfüg bar waren , w o di e Kreditbanke n arbeiteten . Di e epochemachend e Gründun g de r Darmstädter Ban k gerie t in den 1850e r Jahren i n Schwierigkeiten, welch e aus ihren Investitionen i n süddeutschen Unternehme n herrührte ; danach beschränkt e si e sich auf Geschäfte mit erstklassigen Papieren.31 Trotz solcher Rückzüge waren die Banken dennoch etabliert . Die Möglichkeit de r Gründun g vo n Aktienbanke n i n andere n deutsche n Staate n dämpfte nicht den Wunsch, solche Institutionen auc h in Preußen selbst einzuführen . Angesichts de r Weigerung de r Regierung, Banke n al s Aktiengesellschaften z u kon 37 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 3: Aktiva un d Passiv a preußische r un d sonstige r norddeutsche r Noten- un d Kreditbanke n 1865 a Institutionen

Preußische Bank Preußische Notenbanken, insgesamt Preußische Kreditbanken Norddeutsche Notenbanken, insgesamt Norddeutsche Kreditbanken, insgesamt Norddeutsche Banken insgesamt Reihe 6 minus Reihe 1

Zahl

Passiva Aktiva Bar- Kontokorr.- Gesamt- Kontokorr.- Ak- Noten- Kapigeld- Debitorenb aktiva Kreditorenc zepte umlauf tal reserv.

1

61.8

19.3

177.8

17.0

125.2

20.7

7

4.2

6.0

24.2

7.3

7.2

9.7

4

1.1

29.5

42.8

10.8

32

89.1

63.9

318.0

35.7

10

4.1

48.1

86.3

20.3

11.6

42

93.2

112.0

404.3

56.0

11.6

185.9

131,2

41

31.4

92.7

226.5

39.0

11.6

60.7

110.5

7.7

20.6 185.9

85.2 46.0

„Norddeutsch " mein t Frankfurt/Mai n un d alle s nördlic h davon . Überschätzung , d a Bankdebitoren eingeschlosse n sind . c Überschätzung , d a Bankkreditore n eingeschlosse n sind . Quellen: J. Elster , Di e Banken Norddeutschlands im Jahre 1865 und während des Krieges 1866, in: Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, VII (1867), S. 74-80; Jahresbericht de r Industrie - un d Handelskamme r i n Darmstadt , 1865, Darmstadt 1866. a

b

zessionieren, benutzte n preußisch e Gründe r di e Rechtsfor m de r Kommanditgesell schaft au f Aktien. 3 2 Die erste wichtige Kommanditbank wa r die Disconto-Gesellschaft vo n Berlin. Ur sprünglich vo n de m rheinische n Unternehme r Davi d Hanseman n 1851 nach de m Modell de r Comptoi r D'Escompt e gegründet , wurd e si e 1856 umorganisiert un d er weitert, u m Gründungs - und Anlagegeschäften nachzugehen. 33 Ander e Gesellschaf ten dieser Art wurden bald errichtet. Allein 1856 etablierten sich 8 Kommanditbanken in Preußen mi t eine m gesamte n Nominalkapita l vo n rund 70 Mill . Thalern, vo n de m ein Drittel währen d desselbe n Jahre s eingezahl t wurde. 3 4 Gründe r i n andere n Teile n Deutschlands tate n e s den preußische n gleich , inde m si e etw a - genaue Zahle n sin d nicht verfügbar - zusätzliche 10 bis 12 Kreditbanken i n der Form de r Kommanditge sellschaft au f Aktie n in s Lebe n riefen. Um di e Mitte der 1860e r Jahre wa r di e Position de r Kreditbanken i n der Form de r Aktiengesellschaft un d der Kommanditgesellschaft au f Aktien stark gefestigt, obwoh l

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sie noch nicht die vorherrschende Stellung erreicht hatten, die sie im Gefolge des Wegfalls de r Konzessionierungspflich t fü r Aktiengesellschafte n un d des Gründerboom s der 1870e r Jahre erringen konnten. Ihr e quantitative Bedeutung gegen Ende der Periode ist in Tabelle 3 zusammengefaßt, di e aber auch einige aggregierte Bilanzdate n für andere Aktienbanken mit enthält. Für Preußen muß in dieser Zeit die Summe der Aktiva der Kreditbanken ungefähr 10 % dessen betragen haben, worüber die Privatbanken verfügten. 35 De r Weg zum Großbanken-Status war noch weit, abe r die Kreditbanken konnten schon als ein fester Bestandteil de r deutschen Finanzwelt gelten . Die von den Bankinstitutionen bereitgestellte n finanziellen Dienstleistunge n wur den ergänz t durc h di e Aktivitäten vo n Versicherungsunternehmen, Sparkassen , Ef fektenmärkten un d eine m Hee r andere r Individue n un d Institutionen . Leider findet sic h hier nicht der Raum für ein e umfassende Diskussio n ihre r Entwicklung, so daß die folgenden Verallgemeinerungen genügen müssen. Die Effektenbörsen - die Berliner war darunter die bedeutendste - unterstützten de n Prozeß der Kapitalmobilisierung, inde m sie den Wertpapiermarkt ausweiteten und die Liquidität der Wertpapierinhaber, die Banken eingeschlossen, steigerten. In Deutschland lag die Situation jedoch anders als in England und einigen andere n Ländern; die Bereitstellung von Gründungs- und Emissionsmöglichkeiten durc h Bankiers und Banken sowie dere n Engagemen t i m Wertpapiermark t i m allgemeine n reduziert e di e relativ e Bedeutung de r Effektenbörsen fü r di e Kanalisierung de s Kapitals in die Industrie. 36 Den passiven Charakte r de r Effektenbörsen spiegel t der zeitliche Abstand zwische n Gründung von Industriegesellschaften un d der Notierung ihre r Aktien a n den offi ziellen Wertpapierbörsen in Berlin oder Frankfurt. Bis zu den 1870er Jahren blieb die Mehrzahl solche r Anteilspapier e unnotier t un d bewegt e sic h nu r innerhal b de s Fi nanznetzes der Privatbankiers und Kreditbanken. Die eigentliche Bedeutung der Effektenbörsen la g vor 1870 in der Erweiterung des Kreises der Interessenten vor allem für Eisenbahn - wie auc h fü r staatlich e un d ander e nichtstaatlich e Papiere . Versicherungsgesellschaften versorgte n Bankier s un d Banken mi t zusätzlichen fi nanziellen Mitteln und wurden in manchen Fällen von diesen mit solchen Intentionen ins Lebe n gerufen. 37 Sparkasse n mobilisierte n ebenfall s bedeutend e Sparsummen, aber mit einer bemerkenswerte n Ausnahm e (Davi d Hansemann s Aachene r Verein ) mußten sie ihr Aktivgeschäft zunächs t au f den Vertrieb von Staatspapieren und Hy potheken au f sicher e Immobilie n beschränken. 38 Quantitati v scheine n sowoh l di e Versicherungsgesellschaften al s auch die Sparkassen von geringerer Bedeutung gewesen zu sein, wenn man sie mit dem übrigen Bankensystem vergleicht. Außerdem waren sie in weit größerem Ausmaß vom Umfang der freiwilligen Ersparniss e abhängig als Banken, ihre Entwicklung scheint also eher ein Produkt als eine Ursache des Wirtschaftswachstums gewese n z u sein . Das Geldvolumen un d die Geldpoliti k Wie i n andere n industrialisierende n Länder n i m 19. Jahrhundert stellt e auc h i n Deutschland die staatliche Kontrolle des Geldangebotes ein wichtiges politisches Ziel 39 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

dar. In Deutschland wurde, genau wie anderswo, dieses Ziel nicht vollkommen realisiert. Welche Lehren sind aus dieser Erfahrung zu ziehen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen vorher drei andere beantwortet werden: Wie war es um die Beschaffenheit de s Münzwesen s un d de s Geldumlauf s bestellt ? Welch e Maßnahme n wurden ergriffen, u m beide zu kontrollieren? Und letztlich: gibt es Klarheit hinsichtlich de r Effektivitä t diese r Maßnahme n un d de r si e ausführenden Institutionen ? Das Münzwese n Während de r erste n Hälft e de s Jahrhundert s bildet e da s Metallgeld , da s vo n de n Münzanstalten der verschiedenen deutschen Staaten bereitgestellt wurde, die wichtigste Komponent e de s Geldbestandes. Theoretisc h befande n sic h di e meisten Staate n auf einem bimetallischen Standard, aber faktisch herrschte der Silber-Standard vor. In jedem Fall bedeutete ,Bargeld' Metallgeld, entweder Gold oder Silber (und für Kleingeldstücke Kupfer) . Ander e Zahlungsmitte l wurde n al s Geldsurrogat e betrachtet . Diese Unterscheidung war in der Theorie schärfer als in der Praxis, aber dennoch eine Realität, die sich deutlich während der Krisen 1830 und 1848 zeigte, als Besitzer anderer Geldarte n versuchten , e s gege n Metallgel d z u tauschen . I n einzelne n Teile n Deutschlands wurden sowohl die Menge als auch die Qualität der von den Regierungen in Umlauf gebrachte n Münzen zu m Gegenstand wiederholter Beschwerden . I m Fall Preuße n ode r doc h gewisser preußische r Regione n wi e de m Rheinland könnt e man von einem Metallgeldmangel sprechen , de r direkt in Beziehung zu r Weigerun g der Regierung stand, weiteres Metallgeld bereitzustellen. Einen Beleg hierfür stellt die Häufigkeit de r Beschwerden über diesen Mangel dar, wenn diese auch schwer zu bewerten sind. Ein stichhaltiger Beweis scheint sich im weitverbreiteten Gebrauc h ausländischer Münzen im preußischen Rheinland zu finden; allerding s wurde dies in bestimmtem Ausma ß kompensier t durc h di e Zirkulation preußische r Münze n außer halb Preußens. Eine zusätzliche Komplikation bereitet hier die Tatsache, daß Preußen und einig e andere norddeutsche Staaten 1838 einen Bund zu r Vereinheitlichung de s Münzgeldumlaufes gründeten , der 1857 um die süddeutschen Staaten erweitert wur de. Dami t is t e s unmöglich, ein e eindeutig e Bilan z aufzustellen . Preisschwankungen der verschiedenen zirkulierenden Münzen liefern wahrscheinlich einen besseren Beleg für die mangelnde Elastizität des Angebotes an Zahlungsmitteln, al s e s Beschwerde n fü r dere n absolut e quantitativ e Knapphei t tun . Di e Aus tauschverhältnisse de r Münze n untereinande r unterlage n starke r Fluktuation. Zeit genossen argumentierte n (wi e auc h di e Kriti k a m internationale n Syste m flexible r Wechselkurse), daß die Unsicherheit übe r den Wert der verschiedenen Geldforme n das Vertrauen de r Geschäftswelt , de n Hande l un d da s Niveau de r wirtschaftliche n Aktivität stört. Dieses kritische Urteil war nicht ganz falsch. Solche Instabilitäten der Wechselkurse waren jedoch wenigstens zum Teil eine notwendige Begleiterscheinung unterschiedlicher regionale r wirtschaftliche r Entwicklun g unte r Abwesenhei t ent wickelter un d gu t integrierte r Bankeinrichtungen. 39 In einigen deutschen Staaten emittierten die Regierungen Papiergeld - konvertibles 40 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

wie auc h inkonvertibles. I n Preußen wurde es zu einem wichtigen Teil der zirkulierenden Zahlungsmittel (vgl . Tabell e 4). Trotzdem muß hier darüber hinaus das Angebot von staatlichem Papiergeld - genau wie das offizielle Angebo t von Metallgeld als relativ knapp charakterisiert werden. Diese Behauptung wäre freilich ei n weiteres Mal von der Beweiskraft der Beschwerdehäufigkeit un d von der Prämie abhängig, die solches Gel d gegenübe r de m Metallgeld gelegentlic h eintrug. 40 Preußische Geschäftsleute benutzten jedoch das Papiergeld ihrer deutschen Nachbarn, währen d dies e ihrerseits preußisches Gel d gebrauchten , s o daß es schwer ist , allgemeingültige Aussage n z u machen. Einig e Daten über den näherungsweisen Be trag solche n Gelde s in gan z Deutschlan d bring t Tabelle 5. Die Bedeutung de r Zirkulation vo n Noten de r Preußischen Ban k al s ein Teil de r preußischen Zahlungsmittel kann nicht bezweifelt werden . 1855 repräsentierten ihr e Noten mehr als 10 % des geschätzten preußischen Geldumlaufs, 1865 betrug der Anteil mehr als 40 % (vgl. Tabelle 3). Die Bedeutung der Preußischen Bank für die Entwicklung der Kontrollfunktion de r Zentralbank betrifft jedoch eine ganz andere Frage. Einig e Autore n beobachte n ein e ,enge ' quantitativ e Beziehun g zwische n de r Geldzirkulation de r Bank und dem allgemeinen Niveau de r finanziellen Aktivität. 41 Daraus schließen sie, daß die Ausleih- und Rediskontierungsaktivität der Preußischen Bank di e allgemeine Expansionsrate des Geldvolumens ,determinierte'. Si e erkläre n dies durch di e bevorzugte Position, welche die Noten der Preußischen Bank als begehrtes Substitut des Metallgeldes unter den zeitgenössischen Liquiditätspräferenze n einzunehmen schien. Dies wiederum erklärt man mit ihrer Rückendeckung durch die preußische Regierung und der riesigen Akkumulation von Metallgeld, die hinter den Noten stand. Die preußische Bank hielt die Bargeldreserve des Systems während die Kreditschöpfung - so glaubte man - durch andere Finanzierungsinstitutionen i n systematischer Weis e vo n de r Leichtigkei t abhing , mi t de r si e jen e Reserve n abrufe n konnten, sobal d sie gebraucht wurden. I n Wirklichkeit sin d die Daten viel z u grob, um irgendeine Hypothese über Kausalbeziehungen stützen zu können. Die verfügbaren jährlichen Daten über Börsenkurse, Zinssätze und das direkte Material über eine Handvoll anderer Finanzierungsinstitutionen sin d kaum vollständig genug, um statistische Tes t z u erlauben . Darübe r hinau s lege n diejenige n Assoziationen , di e ma n wirklich herauslesen kann, allenfalls den Schluß auf eine Interdependenz nahe.42 Wegen eine r ganze n Anzah l verschiedene r Gründ e wünscht e di e Leitun g de r Preußi schen Bank und ihre Vorgesetzten i n der Regierung zweifello s de n Wachtstumsprozeß de s Geldvolumens z u kontrollieren , abe r es ist mi t den gegenwärtigen Belege n unmöglich, da s Ausmaß ihres Erfolges in dieser Hinsicht zu bestimmen, wenigsten s nicht fü r di e Zeit vor 1870.43 Einige zeitgenössisch e Beobachte r möge n di e Bedeutun g de r Kontrolle , di e di e Preußische Bank ausübte, übertrieben haben, weil sie in der Monopolstellung diese r Bank ein Hindernis gegen die Realisierung eines befriedigenderen Tempo s der finanziellen und ökonomischen Entwicklun g sahen . Sie kritisierten di e Bank sowohl hinsichtlich ihre s aggregativen Nettobeitrage s zu m Geldangebo t un d zum Kreditvolu men, als auch auf der Ebene ihrer Kreditpolitik. Die relativ konservativen Deckungsvorschriften für die Noten durch Metallgeldreserven - 5 0 % der Notenpassiva war das 41 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Normalminimum - begrenzte ihre Expansion.44 Wichtiger waren aber die Regeln, di e die Richtun g ihre r Ausleihtätigkei t bestimmten . Si e ga b Darlehe n fas t ausschließlic h an privat e Bankier s un d diskontiert e nu r dere n Wechsel , ode r Wechsel , welch e di e Unterschrift eine s Bankiers trugen. Ausnahm e von dieser Praxis bildeten bezeichnen derweise di e Darlehns - un d Diskontierungsdienste , di e di e Ban k de n Landjunker n und dere n kommerzielle n Repräsentante n i n de n östliche n Provinze n Preußen s zu r Verfügung stellte. 45 Angesichts der engen Bindung der Bank an die Regierung un d ihrer bürokratischen Verwaltun g ma g die s eine weise und sicher e Politik gewese n sein , aber sie bremste den Beitrag de r Bank zur Entwicklungsförderung. Zeitgenosse n ver glichen si e negativ mi t de r nun entgangene n Alternativ e vo n private n Notenbanken , zu dessen Verhinderung sie ja unter anderem ausersehen war. Si e erreichte bei weite m Tabelle 4: Geschätzter Geldumlau f i n Preuße n 1835-65 (in Millione n Thalern ) Geldart Bargeld i m Umlau f Bargeld i n Banke n Staatspapiergeld Banknoten

1835

1845

1855

1865

105 5a 17 0

110 12a 18 0

115 20b 21 45d

155 70c 15

122

128

181

130

130d

I n Königlich e Ban k z u Berlin . I n Preußische Bank . c I n Preußische Ban k plu s Bargeldreserv e de r sechs andere n i n Preußen zugelassene n Noten banken. d Gesamtumlau f de r Preußischen Ban k plu s Umlauf de r sechs anderen Notenbanke n Preußens .

a

b

Quellen un d Schätzverfahren : Bargeld: Di e Schätzung fü r 1835 stammt vo n J . G. Hoffmann, Di e Lehre vo m Geld, Berli n 1838, bes. S . 172-3, wo eine Schätzun g fü r 1835 oder 1836 angegeben wird , di e sich au f Ausmünzung abzüglic h geschätzt e Export e bzw . zuzüglich geschätzt e Import e vo n Münzen be zieht. Di e Schätzung fü r 1855 baut au f Daten i n C. J. Bergius, Ein e Deutsc h ode r Preußisch e Münzreform? auf . Diese r liege n Münzstatistike n zu - bzw. abzüglich geschätzt e Ex - und Im porte von Münzen zugrunde . Di e Zahl für 1845 ist ein Durchschnitt de r Schätzung für 1835 und 1855; Daten aus Bergius für 1853 wurden auf 1855 und 1865 extrapoliert unte r Zuhilfenahme de r Ausmünzungsdaten be i K . Helfferich , Beiträg e zu r Geschicht e de r deutsche n Geldreform , Leipzig 1898, S. 99, und der Annahme, daß die Ausmünzung ein e jährliche Konstant e war. Von dieser Summ e wurde n di e Bestände de r Preußischen Ban k abgezogen . Staatspapiergeld: All e Zahlen von C. J. Bergius, Geschicht e des Preußischen Papiergeldes , Zeit schrift f. d. ges. Staatswiss. 1870. Seine Zahlen beziehe n sic h aber auf die zinslosen Schulde n des preußischen Staate s un d berücksichtigen nich t de n - wahrscheinlich bedeutende n - Teil diese s Papieres, de r sich i n Besitz staatliche r Behörde n un d Unternehmen befand . Vgl . hierzu C . J. Bergius, Preußisch e Zustände , Münste r 1844, S. 122. Banknoten: Di e Schätzung fü r 1855 schließt folgende s ein : 1) den Durchschnittsumlauf de r Preußischen Bank, wi e in: C. Schauer, Di e Preußische Bank, Halle 1912, S. 41 und F. Thorwärt , Die Entwicklun g de s Banknotenumlaufs i n Deutschland 1851-1880, Jahrbücher f . Nationalö konomie un d Statistik, 1883 S. 212-3; 2) der geschätzte Umlauf vo n nichtpreußischen Bankno ten i n Preußen, wi e in Thorwärt, S . 200 und M. F. R. vo n Delbrück, Lebenserinnerunge n . . . 1817-1867, II , S. 29-32. Die Zahl fü r 1865 wurde Elste r entnommen .

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nicht di e Mass e de r Kreditnehmer , di e Aktiennotenbanke n wahrscheinlic h erreich t hätten. Die s bedeutete , da ß Kredite , di e für neu e Zwecke ode r von neuen , unbekan ten Unternehmern benötig t wurden, seltene r gegeben werde n konnten. 4 6 De r einen gende Charakte r alle r Operationen de r Preußischen Ban k spiegelt e sic h in der wach senden Zirkulatio n ausländische r Banknote n innerhal b Preußens . Nac h zeitgenössi schen Schätzunge n überschrit t dies e Zirkulation i n den 1850e r Jahren di e der Preußi schen Bank . Nac h 1856 nahm di e Bedeutun g de r ausländische n Zirkulatio n infolg e gesetzlicher Behinderunge n un d eine r gewisse n Expansio n de r Preußische n Ban k ab. 4 7 Ma n könnt e jedoc h argumentieren , da ß de r Einfluß de r ausländische n Notene missionen i m Inner n i n stärkere m Maß e fortgewirk t hatte , wei l di e Expansio n de r Preußischen Ban k ein e direkte Reaktio n au f di e Konkurrenzdrohung, di e jene Emis sionen repräsentier t hatten , darstellte .

Statistische Schätzunge n Schätzungen de s Geldumlaufs sin d in dieser Periode sowoh l für gan z Deutschland al s auch für einzelne Staaten notwendigerweise seh r grob. Die Seltenheit und geringe Zuverlässigkeit relevante r Date n stelle n a n sic h scho n Problem e genu g dar ; si e werde n aber potenziert durch Schwierigkeite n i n der Interpretation de r vorhandenen Statisti ken (z. B . durch di e Frage, ob bei der angegebenen Zirkulatio n staatliche n Papiergel des di e Beständ e de r staatliche n Institutione n selbs t mi t eingeschlosse n sin d ode r nicht). Di e Zahle n i n de n Tabelle n 4 und 5 müssen dahe r mi t Vorsich t interpretier t werden. Diese Tabellen zeige n zwe i wichtige Grundzüge : Wachstu m de s Geldumlaufs un d relatives Wachstu m i n de r Benutzun g vo n Metallgeldsubstituten . Dies e letztere , wichtigere Erscheinun g offenbar t sic h i m wachsende n Antei l vo n Banknote n a m ge Tahelle 5: Geschätzter Geldumlau f i n Deutschlan d 1845-75 (Millionen Thalern ) 1845

1855

1865

1875

Münzgeld i m Umlau f Münzgeld i n Banke n Staatspapiergeld Banknoten

140 a

180 a

190 a

85 36 191

203 60 300

Zusammen

185

289

415

820

15 24c 6

30 54 55

460 b

überträg t die Relation zwische n Bargeldumlauf un d Bargeldreserven de r Banken in Preußen auf Deutschland . b Aus : Helfferich . c unterstellt , daß der preußische Anteil an Staatspapiergeldumlauf i n Deutschland dem preußischen Anteil a n Münzgeldumlauf gleic h kam . Quellen: Wie Tabelle 4, plus H. Paasche, Di e neueste Entwicklung der Banknoten- und Papiergeldzirkulation in den hauptsächlichsten Kulturländern der Gegenwart, in: Jahrbuch für Nationalökonomie un d Statistik, 1878.

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samten Geldvolume n un d i n der di e begleitenden Verschiebun g de r Metallgeldhal tung von Nichtbanke n z u de n Banken . Ma n mu ß jedoch daran erinnern , da ß diese Tabellen nu r de n nominalen Geldumlau f beschreiben. 48 Faktisc h gewan n währen d der Periode zwischen 1815 und 1870 eine Anzahl von Finanzierungsinstrumenten, die als Substitute fü r nominal e Geldarte n dienten , a n Bekannt- un d Beliebtheit. Bevo r Schlüsse auf die wirtschaftliche Bedeutung des Geldumlaufs gezogen werden, müssen daher di e Entwicklunge n diese r Geld, Substitute' mit beachte t werden . Geldsubstitute un d Kreditschöpfun g Staatliche Kontrolle über die Qualität und Quantität de s Geldumlaufs stimuliert die Entwicklung anderer Zahlungsmittel. Am frühesten und vor 1870 am wichtigsten waren die Instrumente, di e Privatbankiers anboten. Die Effektivität de r Privatbankier s als Finanzvermittler wuch s mit dem Gewicht ihre r eigenen Mittel , abe r ihre größt e Bedeutung beruhte gerade auf ihrer Fähigkeit, die Mittel anderer Wirtschaftssubjekt e zu mobilisieren, insbesondere durch die Emission von Zahlungsmitteln, die Geldcharakter behielten. I n vielen Teilen Deutschlands war die Kreditschöpfung durc h Banken mi t de r Benutzun g vo n Wechsel n verbunde n un d vo r 1815 bereits relati v gu t durchgesetzt. Da s deutsch e Syste m de s Wechselumlauf s unterschie d sic h jedoc h durch ein interessantes und bezeichnendes Merkmal vom englischen und dem anderer Länder, i n denen ei n solches System existierte . Deutsch e Geschäftsleut e benutzte n sehr häufig Trockenwechsel , da s bedeutet, Gläubige r zoge n dies e nicht auf Schuld ner, u m sie dann bei ihren Banken z u diskontieren ode r anderen Geschäftsleute n i n Zahlung z u geben ; stattdesse n wa r e s be i deutsche n Kaufleute n un d Industrielle n Brauch, Wechse l direk t au f ihr e Banken z u ziehe n gege n Deposite n ode r Oberzie hungskredite und die Wechsel selbst - mit oder ohne Unterschrift de s Bankiers - für Zahlungen z u benutzen . Da s Syste m glic h au f dies e Weis e eine m moderne n mi t Scheck arbeitenden System mit der Ausnahme, daß die Wechsel Zinsen trugen. Schon 1833 betrachtete Friedrich Harkor t dies als eines der eher zweifelhaften Charakteri stika de r deutschen Finanzierungsgewohnheiten . I n Schlesien hatte n di e vo n Eich borns au s Bresla u un d ander e Breslaue r Bankier s sei t de m 18. Jahrhundert lokal e Kundschaft mi t einer ,Bankwechsel'-Währun g versorgt . I n kommerzielle n Zentre n wie Berlin un d Leipzi g stellt e diese Erscheinung ebenfall s eine n vertraute n Teil de s täglichen Geschäfts dar. 49 Sie sicherte den Privatbankiers einen bedeutenden Platz im Wirtschaftsleben. Zusätzlich stellte n Bankier s ,Girogeld' fü r Zahlungen , a n dene n zwei oder mehrere ihrer eigenen Kunden beteiligt waren, zur Verfügung, ein e weitere Möglichkeit de r Kreditschöpfung, d a die Banken selbst geschaffene Guthabe n über tragen konnten. 50 Di e Verbindlichkeite n ode r Zahlungsversprechen , di e Bankier s schufen, waren in einem anderen Zahlungsmittel einlösbar, gewöhnlich in Metallgeld; nach 1848 konnten zeitweise auch Schatzwechsel de s Staates und Noten der Preußischen Bank für diesen Zweck benutzt werden. In technischer Hinsicht lag hauptsächlich darin die Grenze für die Kreditschöpfungsfähigkeit de r Banken. Allerdings stellten die meisten Verbindlichkeite n de r privaten Banke n nich t Sichtverbindlichkeite n 44 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

wie etw a Banknote n dar . Wechsel , di e au f ein e Bank gezoge n wurden , ware n i n alle r Regel i n de r Zukunf t i n Bargel d einlösbar . I m Falle vo n Überziehunge n wurde n di e Banken soga r gewöhnlich gewarnt. 5 1 Die s gab den Banken größer e Flexibilität i n Bezug au f ihr e Aktiva , begrenzt e abe r zugleic h di e Liquiditä t ode r Verfügbarkei t ihre r Guthaben fü r diejenigen , di e si e hielten . De r Zins , de n dies e Guthabe n eintrugen , stellte somi t ei n Ma ß ihre s „Nichtgeldcharakters " dar . Während de r 1850e r Jahre wurd e di e Kreditschöpfung mittel s auf Banke n gezoge ner Wechsel durc h zwei Entwicklunge n ergänz t und soga r teilweise ersetzt : durch di e Ausdehnung de r Notenemissionen, besonder s i n und u m Preußen un d Sachsen ; un d durch de n zunehmende n Gebrauc h vo n Bankakzepten . Währen d de s Großteil s de r 1850er Jahre ware n noc h di e Notenemissionen wichtiger , abe r in den folgenden Jah ren gewanne n Akzept e zunehmen d a n Bedeutung . Di e Unterschrif t eine s Bankier s gab Handelswechsel , di e Handels- ode r Industrieunternehme n aufeinande r gezoge n hatten, größer e Umlauffähigkeit und , wa s wichtiger war , machte n si e annehmbar fü r eine Diskontierung be i der Preußischen Bank, dere n wachsendes Netz von Zweigstellen sowoh l Ursach e al s auch Folg e de s Gebrauchs vo n Akzepte n war. 5 2 Dies e Praxi s band di e Banke n enge r a n di e Diskontierungseinrichtunge n de r Preußische n Bank . Insofern wa r das Volumen des Kreditangebots der Banken abhängig von der Substitution der Noten durch Bankakzepte un d die Preußische Bank hielt in der Tat die Reserven de r Privatbanken . Zeitgenosse n erkannte n diese s Elemen t de r Interdependen z vor 1870, und auch das simultane Wachstum von Diskontierungsvolumen de r Preußischen Ban k un d private n Bankakzepte n untermauer n diese n Zusammenhang . Doc h aus Gründen, di e weiter oben dargelegt werden, läß t sich die Behauptung, di e Politi k der Preußischen Bank reguliere die Kreditschöpfung de r Privatbanken wirksam , nich t eindeutig belegen . Die Kreditschöpfun g de r Privatbanke n vo r 1870 war mi t Sicherhei t vo n große r Wichtigkeit fü r die wirtschaftliche Entwicklun g i n Preußen. Tabell e 6 präsentiert ei nige Schätzunge n ihre r quantitative n Bedeutung . Ei n Vergleic h mi t Tabell e 4 zeigt, daß die Sichtguthaben be i Banken u m die Jahrhundertmitte, j a möglicherweise scho n früher, di e wichtigst e Komponent e de s Geldbestande s darstellten . Darübe r hinau s war de r Anteil der unternehmerischen Bedürfnisse , di e durch dies e Banken befriedig t wurden - was größer e Relevanz fü r industrielle s Wachstu m hatt e - ohne Zweifel u m vieles höher . Tabelle 6 schließt ebenfall s di e Sichtverbindlichkeite n de r Aktien-Kreditbanke n ein, di e scho n vo r 1870 zunehmende Bedeutun g gwonne n hatten . Di e Erfahrunge n der Privatbanken be i der Entwicklung vo n Geldsubstituten un d bei der Verwendun g der von ihnen mobilisierte n finanzielle n Ressource n blie b vo n andauernde r Wichtig keit, wei l si e dies e Erfahrun g be i de r Festlegun g de r Geschäftspraxe n de r deutsche n Aktien-Kredtibanken nutze n konnten. 53 Spiethof f betrachte t j a di e Akzept e un d Kreditorenkonten de r Kreditbanke n al s di e „Banknot e de r nicht-zettelausgebende n Anstalten". 54 Schließlich enthäl t Tabell e 6 die zinstragende n Schuldverschreibunge n de r Land schaften, di e Pfandbriefe . E s gib t Beleg e fü r di e Vermutung, da ß dies e Instrument e trotz ihres relativ hohen Nennwerts weithi n al s Zahlungsmittel ode r doch wenigsten s

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Tabelle 6: Geschätzter Umlau f vo n Geldsurrogate n i n Preuße n 1835-65

Institutionen Privatbankiersa Kreditbanken Landschaftend

1835

1845

50

130

100

110

1855 215 10b 125

1865 480 20c 125

Kontokorrentkreditore n plu s Akzepte . Kreditore n plu s Akzept e de s Schaaffhau sen' schen Bankverein s un d de r Disconto-Gesell schaft, Berlin . c Wi e i n b) plus Schlesischer Bankverei n un d Berline r Handelsgesellschaft . d Pfandbriefumlauf . Quellen un d Schätzverfahren : Für Privatbankiers wurde n folgend e Quelle n un d Annahmen verwendet : 1. Geldsurrogate sin d der Summ e von Debitore n un d Akzepte n gleich . 2. Das durchschnittliche Kapital pro Bankhaus in der Rheinprovinz (in allen vier Jahren) und in Berlin (u m 1857 oder 1859) galt fü r all e preußisch e Bankhäuser . 3. Das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Kapita l pro Bankhaus in der Rheinprovinz und i n Berli n blie b konstan t übe r di e Periode 1835 bis 1865. 4. Das geschätzte Verhältnis zwischen Kapita l und Geldsurrogaten fü r rheinische Bankhäuse r galt fü r all e preußische n Bankhäuser . E s betrug 1:1,4. 5. Das geschätzte Kapita l pro Bankhaus i n Preußen betru g 1835 100000 , 184 5 200000, 185 5 300000 und 1865 500000 Thaler. Di e Zahlen für di e Rheinprovinz un d Berli n wurden au f Preußen extrapoliert mittels des Quotienten der Summe der Firmen in beiden Regionen und Preußen insgesamt . 6. Quellen: Bilanzdaten für Sal. Oppenheim jr. &Cie. (Oppenheim Hausarchiv Nr. 85 und 90); W. Dähritz, Denkschrif t zu m fünfzigjährigen Bestehe n de r Essener Credit-Anstalt , Esse n 1922, S. 54-55; W. Kurzrock, 200 Jahre von der Heydt-Kersten & Söhne, Elberfeld 1954, S. 19-20; R. Poppelreute r u . G . Witzel , Barme r Bank-Verein . Hinsberg , Fische r & Co., 1867-1917, Essen 1918, S. 2, 22; A. Krüger, Da s Kölner Bankiergewerbe vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1875, Essen 1925, S. 53, 58, 65, 71, 75, 79, 82; L. Kluitmann, De r gewerbliche Geld-und Kapitalverkehr im Ruhrgebiet im 19. Jahrhundert, Bonn 1931, S. 106; G. Ekkerty J. H. Stein, Werde n und Wachsen eines Kölner Bankhauses in 150 Jahren, Berlin 1941, S. 27, 83-84; R. Wichelhaus , Bankhau s Johann Wichelhau s Peter s Sohn, Elberfel d 1930, S. 63-69; H. Bräutigam, Da s Bankiergewerbe des Regierungs-Bezirks Aachen vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1933. Inaugural-Diss. Univ. Köl n 1949, S. 34. Kapitalschätzungen fü r Berline r Bankier s wurden Date n i n Oppenhei m Hausarchiv , Nr . 93, zitiert i n Anm. 24, entnommen. Für Kreditbanken: Bilanzdaten für 1855 und 1865: Berliner Handelsgesellschaft... und Anhang 1 . .. 74-80 . Für die Landschaften: Daten zum Pfandbriefumlauf sin d von Dieterici, S. 570-75. Die Angaben für das Jahr 1865 stammen von W. Hoffmann u . a., Da s Wachstum der deutschen Wirt schaft sei t de r Mitte de s 19. Jahrhunderts, Heidelber g 1965, S. 742.

a

b

als Liquiditätsreserve betrachte t und benutzt wurden. 5 5 Dies galt besonders für Berli n und die östlichen Provinzen Preußens, obwohl jene Finanzierungsinstrumente i n die ser Hinsicht i n der zweiten Jahrhunderthälfte a n Bedeutung verlore n z u habe n schei nen. Sie wurden hier mit aufgenommen, u m das Bild der Entwicklung vo n Geld„sub stituten" abzurunde n un d auc h u m di e Behauptun g z u stützen , da ß dies e Entwick lung keinesweg s da s Produk t de r industrielle n Bedrüfniss e allei n gewese n ist . 46

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Industnefinanzierung un d die Rolle de r Banke n Geldsubstitute wurden entwickelt um die Kreditvergabe zu fördern, besonders die an Industrieunternehmen. E s stellt sich in diesem Zusammenhang di e Frage: welche fi nanziellen Bedürfnisse hatte die deutsche Industrie in dieser Periode? Und weiter: inwiefern konnten Geldinstitute diese Bedürfnisse befriedigen? Der folgende Abschnitt versucht da s allerdings seh r lückenhafte Materia l hierz u zusammenzufassen . Die finanzielle Geschichte der deutschen Industrie zwischen 1815 und 1840 wirft ähnliche begriffliche un d statistische Probleme auf wie jene, auf die man bei der Diskussion de r Finanzgeschicht e de r englische n industrielle n Revolutio n stieß . Währen d dieser Periode vollzog sich ein Großteil der industriellen Innovationen und Entwick lung in der Form von schrittweisen techniche n Verbesserungen un d Ausdehnunge n der Kapazität , di e inter n au s de n laufende n Profite n finanzier t werde n konnten . Trotzdem blieb die ausgiebige Nutzung von Krediten - die man von Bankiers, Kaufleuten, Verwandten und Freunden erhielt - charakteristisch, denn die Anhäufung von Profiten erfolgt e unregelmäßig un d fiel nich t immer mit dem Auftreten vo n Investitionschancen zusammen. Eine Inanspruchnahme von Banken- oder Handelskrediten zur Finanzierun g „normaler " Vorgäng e (d . h . etw a Transport vo n Rohmaterialie n von Hafenstädten zu Manufakturzentren i m Innern des Landes) „entlastete" die Mittel der einzelnen Firmen und hielt sie verfügbar für das, was man Schumpeter'sche Innovationen nenne n kann. 56 Deswegen könne n die üblichen Hinweise auf die insgesamt gesehe n allmählic h fortschreitend e Entwicklun g un d Gewinnakkumulatio n i n keiner Weise die Frage nach de r Finanzierung de r Investitionen entscheiden . Nac h 1840 verminderten sich die Ungewissheiten au f dem Kapitalmarkt. Di e Eisenbahnen und ei n Guttei l de r schwerindustrielle n Unternehmen , di e i m Gefolge ihre s Baue s entstanden ode r ihn begleiteten, ware n z u eine m wei t größere n Umfan g a n extern e Finanzierung gekoppelt , al s e s früher e Type n vo n Wirtschaftsunternehmer n i n Deutschland je waren. Von diesem Zeitpunkt an - um in der Schumpeter'schen Terminologie z u bleibe n - liefen ökonomisch e Entwicklung , Innovatio n un d Kredit schöpfung deutlic h synchron . Vor 1840 wurde der Prozeß der industriellen Entwicklun g weitgehend von Unternehmen getragen, die als Familienfirmen ode r private Partnerschaften organisiert waren. Freilic h ga b es Ausnahmen, z . Β . die staatlich kontrollierte n Bergwerksunter ­ nehmen, aber sogar in diesem Bereich war der Einfluß privater Firmen erheblich, und, was Innovation und Entwicklung betrifft , vielleich t entscheidend. In den 1820er und 1830er Jahren begrenzte das Vorherrschen der Unternehmensform der privaten Handelsgesellschaft - beispielsweise in der Textilindustrie - die Entwicklung eine s nationalen Industriekapitalmarktes . De r „deutsch e Kapitalmarkt " bestan d z u jene r Zei t aus einer Anzahl nu r locker miteinander verbundene r lokaler Märkte , di e selbst auf einem eher persönlichen und direkten Kontakt zwischen den einzelnen Geschäftsleu ten basierten. Unternehmer- und Firmengeschichten diese r Ära betonen im wesentlichen übereinstimmend - und in den meisten Fällen ohne Zweifel mit Recht - den persönlichen un d familiäre n Charakte r de r Industriefinanzierung. 57 Dieses Finanzierungsnetz war jedoch beträchtlich flexibler und wachstumsträchti47 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ger, al s Historike r i m allgemeine n erkann t haben . Di e Großkaufleut e un d größere n Industrieunternehmen de r meiste n Industrie n gewährte n ihre n Kunde n Kredit e i n maßgeblichem Umfang . Beleg e übe r di e quantitativ e Bedeutun g solche r Kredit e fü r die Gläubiger- si e machten häufig nich t weniger al s 50 % der Aktiva eine r wohletab lierten Firma au s - deuten au f die Wichtigkeit hin , di e eine Finanzierung au s dem lau fenden Geschäf t selbs t fü r de n Schuldner habe n konnte , obwoh l dami t Beleg e für di e Lage des Schuldners nich t ersetz t werden können. 5 8 Darübe r hinau s wisse n wir , da ß in vielen Industrien die Einführung gewisse r Schlüsselinnovationen - zum Beispiel die Dampfmaschine - maBgeblich von der Gewährung eine s Lieferantenkredits abhing. 5 9 Das technische Mittel, welche s die Benutzung diese r Handelskredite begleitet e un d ermöglichte, wa r de r Wechsel . Durc h Indossamen t konnt e ei n Kreditgebe r eine n Wechsel a n ein e dritte Parte i weiterleiten . Dies e Praxi s konnt e ohn e End e weiterge führt werden , obwoh l sech s ode r siebe n Indossament s pr o Wechse l wahrscheinlic h typisch waren. 6 0 Gewiß wurde der auf dem Gebrauch von Wechseln basierend e Han delskredit währen d diese r Period e zu m größte n Tei l vo n jene n benutzt , di e einande r persönlich kannte n ode r übe r gemeinsam e Bekanntschafte n Kontakt e hatten . Den noch sollt e angemerk t werden , da ß sowoh l di e Praxis de s Wechsel-Indossaments al s auch di e wohletablierten gesetzliche n un d geschäftliche n Traditione n un d Vorschrif ten über den Gebrauch vo n Wechseln de n Umfang un d die Wirksamkeit persönliche r Verbindungen al s Basis der Kreditschöpfung beträchtlic h erweiterte . De r alte Spruch, die Benutzung vo n Wechseln mache jeden Geschäftsmann z u einem Bankier, läß t sich auf dies e Weis e au f di e deutsch e wi e au f di e englisch e Erfahrun g anwenden. 6 1 Grundhypotheken stellte n ei n weitere s Instrumen t de r Kapitalmobilisierun g dar , das sowohl vo r 1840 als auch danac h vo n einige r Bedeutun g war . Wi e i n de n meiste n wenig entwickelte n Länder n wa r Grundbesitz , o b erschlosse n ode r unerschlossen , eine begehrt e For m de r Vermögenshaltung . Di e durc h Immobilie n gesicherte n For derungen bote n größer e Sicherhei t al s mobiler e Vermögensforme n wi e etw a Aktien , Obligationen ode r Schuldschein e einzelne r Geschäftsleut e un d Firmen . Ei n Indu strieller, de r irgendein e Vergrößerun g seine s Betriebe s finanziere n wollte , konnt e mittels hypothekarisch gesicherte r Belastun g seine r Immobilien , Kredit e - in einige n Fällen seh r bedeutend e Summe n - bekommen. Diese s immobil e Vermöge n konnt e eine Werkstat t ode r ein e Mühle, abe r genausogu t Eigentu m a n Lan d ode r Gebäude n in de r Stad t ode r au f de m Lan d sein , da s überhaup t keine n direkte n kommerzielle n Zwecken diente. 62 Diese s wa r de r Hauptgrund , de r hinte r de m wiederholte n Ersu chenpreußischer Wirtschaftsführe r i n den 1830e r und 1840e r Jahren stand , di e Grün dungen vo n Hypothekenbanke n z u genehmigen : nich t wege n de r Bedeutun g land wirtschaftlicher Investitionen , obwoh l dies eines der Motive war , sonder n wei l Fabri kanten un d Kaufleut e Immobilie n al s Sicherhei t fü r kommerziell e un d industriell e Darlehen i n seh r große m Umfan g benötigten . 1847 berichtete ei n Artikel i m preußischen Handels-Archiv , da ß im Jahre 1845 allein i m Rheinlan d neu e Hypotheke n i m Wer t vo n 33,7 Mill . Thalern un d i m Jahr e 1846 von 30,4 Mill . Thalern registrier t worde n waren . De r Artike l ho b hervor , da ß ein beachtliche r Antei l diese r Summe n Sicherheite n fü r Darlehe n repräsentierte , di e an Fabrikanten un d Kaufleute gegebe n worde n waren. 6 3 Di e auf diese Weise erreicht e

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„Monetarisierung" eines Teils des Grundvermögens, war vermutlich nicht so wichtig oder so durchgreifend, wi e diejenige, die durch die Pfandbriefe und die Landschaften in Ostpreußen bewirk t wurde , abe r Hypotheken waren zweifello s Instrument e de r Industriefinanzierung vo n eine r Größenordnung , di e nich t vernachlässig t werde n kann. Nach 1848 wurden solche Finanzierungstechniken verbessert , un d häufiger ange wandt, abe r allmählich wurden sie in ihrer Bedeutung durch die Gründung von Aktiengesellschaften un d durch die Kapitalmobilisierung mittels des Verkaufs von Aktien, Obligationen und Teilschuldverschreibungen übertroffen. 64 Aktiengesellschafte n waren zunächst zweifellos von externen Finanzquellen abhängig. Im großen und ganzen traten solche Gesellschaften jedoc h nicht direkt an die allgemeine Öffentlichkei t heran; sie nahmen gewöhnlich die Dienste von Finanzvermittlern, hauptsächlic h der Banken i n Anspruch . Kredit- un d Gründungsgeschäft e Die vereinzelten Belege , di e es z. Β . für rheinisch e Bankier s gibt , lasse n vermuten , daß sic h di e Forderunge n au s Darlehe n un d sonstige n ausgeliehene n Beträge n de r Bankiers im Rheinland in den 1840er Jahren auf 30 bis 35 Mill, in den 1850er Jahren auf 50 bis 60 Mill, und in den 1860e r Jahren auf 120 bis 130 Mill. Thaler beliefen. 65 Verallgemeinert für Gesamtpreußen ergäb e die auf diesem Sample basierende Schätzung di e folgenden Summe n a n Forderungen de r Banken au s Darlehen un d sonstigen ausgeliehenen Beträgen: in den 1840erJahren 100 bis 120 Mill.; in den 1850er Jahren 140 bis 160 Mill, und in den 1860e r Jahren nahe an 400 Mill. Thaler. Die Zahlen für die 1840er und 1850er Jahre können mit einer Schätzung des Wertes des gesamten umlaufenden un d fixen Kapital s in der Textilindustrie de s Zollvereins um die Jahrhundertmitte vergliche n werden : e s betrug 190 Mill. Thaler.66 Der Großteil des Kredits, der von privaten Banken (und von den Kreditbanken, die ihre „Nachfolger " wurden ) gewähr t wurde , wa r anscheinen d kurzfristige r Natur , weil dies e Form de s Kredites in der Tradition de s Bankgeschäftes lag , un d weil da s umlaufende Kapita l - im Verhältnis zum fixen Kapita l - in der deutschen Wirtschaf t vor 1870 von große r Bedeutun g war. 67 E s is t jedoc h wichtig , di e Flexibilitä t de r Bankpolitik i n diesem Punkt hervorzuheben. Häufi g mußte n die Banken erkennen , daß sie dabei waren, di e Akkumulation vo n fixem Kapita l z u finanzieren. Währen d der 1830e r Jahre nahmen beispielsweise jene Eisen- und Maschinenwerke im RheinRuhr-Kreis, die Gutehoffnungshütte, ei n umfassendes Modernisierungsprogramm in Angriff, das zum Teil mit Krediten finanziert wurde, die sie von ihren zwei Hausbankiers, A. Schaaffhause n un d von der Heydt-Kersten un d Söhne erhielten. Zwische n 1829 und 1839 wurde ein Guthaben gegenübe r ihren Banken i n eine Schuldposition von nahez u 100000 Thalern umgewandelt . I n den 1840e r Jahren erntet e di e Gute hoffnungshütte di e Erträg e ihre r Investitione n un d u m 1849 hatte si e wiede r ein e Gläubigerposition.68 Weiter e Beispiel e könnte n zitier t werden , abe r leider is t ein e quantitative Verallgemeinerun g nich t möglich . Aktiengesellschafte n verhalfe n de n 49

4 Tilly , Kapital

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Banken z u noc h größere r Flexibilität , den n di e Möglichkeiten , laufend e Schulde n vermittels de r Emissio n neue r Wertpapier e z u fundieren , ware n fü r solch e Gesell schaften bedeutsame r al s für privat e Firmen . In den 1840e r Jahren schuldet e z . B . di e Rheinische Eisenbahngesellschar t ihre n Banken regelmäßi g zwische n 300000 und 400000 Thalern (z u eine m Zeitpunk t schuldete die Gesellschaft allei n den Oppenheims von Köln mehr als 300 000 Thaler); mit diese n Mittel n wurd e da s Bauprogram m de r Gesellschaf t vorangetrieben . U m 1845 hatte jedoc h ein e Ausgabe vo n Obligatione n (Schuldverschreibungen ) dies e Schuld i n ein beachtliches Guthaben verwandelt. 69 185 5 bewegten ein e fehlgeschla gene Aktienemission un d günstiger e Aussichte n eine r weitere n Sal. Oppenheim Jr. und Cie., von der Heydt-Kersten und Söhne und den Schaaffhausen'schen Bankver ein dazu, der AG für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation z u Stolberg einen laufenden Rechnuneskredit vo n insgesam t 700000 Thalern einzuräumen. 70 Die Flexibilitä t de r Kreditpoliti k de r Banke n hin g mi t ihre r Funktio n al s Grün dungs- und Emissionsinstitutionen zusammen . Ihre relativ umfangreichen Kapitalie n und engen Beziehungen zum Kapitalmarkt setzten sie in den Stand, die Schuldsalden der Aktiengesellschaften unte r ihren Kunde n mi t eine m gewissen Gleichmu t z u betrachten und erlaubten ihnen , Möglichkeite n de r Schuldfundierung d . h. , Transfor mation kurzfristiger Schulde n in langfristige Verpflichtungen bzw . i n Aktien, direk t anzubieten. Di e Einzigartigkeit de s deutschen Mischbanksystem s la g in der Unmit telbarkeit de s Fundierungsgeschäftes. Ander s als die englischen sahe n die deutsche n Banken das Fundierungsgeschäft al s eine ihrer Hauptobliegenheiten an . Wie Schum peter schrieb : Sie . . . „stellten dies e „Industrie" - ode r „Gründer"-Banke n di e Ma schinerie hierfür selbst . Si e besorgten di e notwendigen Emissione n vo n Aktien un d Obligationen, halfe n dami t de m Unternehmen, sein e kurzfristigen Schulde n z u til gen, un d beschafften ih m zusätzliche Mittel. U m das auszuführen, erklärte n sie sich bereit, die Aktien oder Obligationen auf eigene Rechnung zu übernehmen, und zwar nicht nur , wen n si e dies e plaziere n konnten , sonder n auc h i n ihre m übliche n Ge schäftsgang. Dahe r konnten si e Entwicklungen abwarten , ch e sie der Öffentlichkei t ein Angebot machten , un d sogar in vielen Fälle n ein Aktienpaket fü r sic h behalten . Wenn sie dann endlich die erworbenen Wertpapier e plazierten, finanzierte n si e wiederum die Transaktionen de r privaten Investoren , s o daß, wenigstens zeitweilig, di e ganze Transaktion nich t meh r bedeutet e al s eine Verschiebung de r Aktiva" 71 . Schumpeters Beschreibun g diese s Geschäftstyp s bezo g sic h au f di e ausgereift e Form, die von den deutschen Großbanken gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwik kelt wurde, aber alle ihre wesentlichen Element e waren bis zu einem gewissen Grad e schon i n de r Praxi s de r Privatbankier s vo r 1870 gegenwärtig. Das deutsche Gründungs- und Emissionsgeschäft umfaßt e auch ein unternehmerisches Element von großer Wichtigkeit. In einigen Fällen entdeckten die Banken zuerst neue Investitionsmöglichkeiten un d schlugen die Methoden vor, sie zu nutzen. Noch bedeutsamer ware n jedoc h unternehmerisch e Aufgaben , di e direk t mi t finanzielle n Problemen verbunde n waren . Häufi g gewanne n interessiert e Bankier s staatlich e Unterstützung und Billigung für die Projekte anderer. Dann mußten sie einen Markt für neu e Papiere schaffen. Schließlic h wa r es wesentlich fü r sie , sicherzustellen, da ß 50 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

die Finanzierungs- und sonstige Politik von neu gegründeten oder erweiterten Unternehmen fortlaufen d ihre eigenen Bankinteresse n begünstige n ode r doch wenigsten s nicht durchkreuze n würde . Die erste n bedeutende n Beispiel e deutsche r Gründungsgeschäft e durc h Banke n findet man im Zusammenhang mit den Eisenbahnen. Von Anfang an waren rheinische Bankiers an der Gründung und Finanzierung der rheinischen Eisenbahn-Gesellschaf t beteiligt - die bei ihrer Eröffnung 1837 das größte Unternehmen Preußens war. Die Bereitstellung von laufenden Krediten und Börsendiensten durch die Banken hielt die Gesellschaft währen d de r schwere n 1830e r un d 1840e r Anfangsjahr e übe r Wasser . Die Banken belohnten sich selbst mit Gewinnen aus den Gründungs- und Aktiengeschäften, währen d si e außerdem ihre Einflußmöglichkeite n i n der Gesellschaft auf rechterhielten, inde m sie bedeutende Aktienpakete mi t den entsprechenden Stimm rechten hielten oder an sich brachten und außerdem strategisch e Management-Posi tionen besetzt hielten.72 Dieses Muster wurde bei der Entwicklung anderer Eisenbahnen wiederholt. Leipzige r Bankiers spielten bei der Gründung und Finanzierung de r ersten sächsischen Eisenbahnen, der Leipzig-Dresdner und der Magdeburger-Leipziger Strecke eine führende Rolle. 73 In Schlesien war die Beteiligung der Banken weniger auffallend, abe r die von Eichborns und andere Breslauer Bankiers engagierten sich doch in der Organisation und Finanzierung der Eisenbahnen, indem sie, wie ihre Kollegen i m Westen , al s einflußreiche Direktore n lokale r Gesellschafte n fungierten. 74 Banken waren im Rheinland, in Sachsen, Schlesien, Berlin und anderswo gleichzeitig an der Gründung von Versicherungsgesellschaften beteiligt . Durch die Besetzung der leitende n Poste n i n dere n Verwaltungsräten ode r Direktione n kettete n si e jene Gesellschaften möglichs t en g a n ihr e eigene n finanzielle n un d unternehmerische n Zielsetzungen. Au f ähnlich e Weise übernahme n si e die Führung be i de r Gründun g von Aktienbanken. 75 Schließlich waren Privatbanken im rheinisch-westfälischen Gebie t und in Schlesien auch erfolgreich bei der Gründung und Förderung von Industrieaktiengesellschaften . Der Kölne r Bergwerksverei n (1849), der Hörde r Bergwerks - un d Hüttenverei n (1852), Phönix (1852), die AG für Bergbau , Blei - un d Zinkfabrikation z u Stolber g (1852), der Bochumer Verein (1855) und die Kölnische Maschinenbau AG (1856) sind Beispiele vo n Unternehmen , di e durc h rheinisch e Bankier s mit in s Lebe n gerufe n wurden. I n den 1850er und 1860e r Jahren traten hier Berliner Bankiers ebenfalls auf den Plan. In Schlesien waren von Eichborn und Co. mit einer Anzahl von Bergwerksgesellschaften un d eisenverarbeitenden Unternehme n finanziell verflochten , obwoh l ihre Beziehungen z u Aktiengesellschaften hauptsächlic h au f eine kleine Anzahl vo n Textilfirmen konzentrier t waren. 76 Die quantitative Gesamtwirkung de r Rolle, die die Banken spielten, sollt e jedoch nicht überschätzt werden; der gewerbliche Sektor wurde, im Ggensatz zu den Eisenbahnen, nicht durch Aktiengesellschaften beherrscht . Trotzdem besaßen zumeist die Aktiengesellschaften di e modernste Ausstattung und Organisation in fast allen Branchen de s produzierende n Gewerbes . I n de r Roheisenproduktio n erzeugte n z. Β . schon in den 1850er Jahren eine Handvoll Aktiengesellschaften de n Großteil des Gesamtoutputs.77 Darüber hinaus enthielt die Ausgabe und Plazierung der Papiere von 51 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Gesellschaften de s Industriesektors ein stärkeres Element des unternehmerischen En gagements un d unternehmerische r Risikobereitschaf t al s be i de n Eisenbahnen , we nigstens i n de n 1850e r Jahren . Di e meiste n Eisenbahnpapier e konnte n u m di e Jahr hundertmitte zu m Börsenhandel zugelasse n werden , während di e Papiere der meiste n Industriegesellschaften bi s in di e 1870e r Jahre priva t untergebrach t werde n mußten . Zweifellos wa r e s für di e Finanzwelt schwieriger , sic h eine Meinung übe r di e Bonitä t der Papiere von Industrieunternehme n z u bilde n al s die verschiedenen Eisenbahnpa piere z u beurteilen ; darübe r hinau s ware n di e letztere n of t mi t Zins - ode r Dividen dengarantien fü r ein e festgelegt e Zah l vo n Jahre n ausgezeichnet , di e i n viele n Fälle n vom Staat selbst gegebe n wurden . Di e Papiere der Industriegesellschaften ware n hin gegen nich t mi t solche n Garantie n versehen ; si e repräsentierten , kurzgesprochen , Kapital, da s i n eine m ausgeprägte n Sin n Risikokapita l darstellte . S o waren di e Techniken un d Verfahren , di e vo n de n deutsche n Banke n be i de r Unterbringun g diese r Papiere angewendet wurden, den n auc h besonders wichtig, nich t nur für di e beteilig ten Unternehmen, sonder n auch , wei l si e sowohl de n Bankier s al s auch de n Investo ren Erfahrun g i n der Handhabung eine r neuen Art von Finanzanlagen vermittelten. 78

Zusammenfassung un d Schlußfolgerunge n Die Grundlagen fü r die deutsche industrielle Entwicklung wurde n i m Eisenbahnzeit alter gelegt. Da s Minimum a n notwendigem Kapita l i n den charakteristischen Wachs tumsindustrien de r Period e überstie g üblicherweis e di e akkumulierte n Finanzmitte l der Einzelunternehmer. A b ungefähr 1840 könnte man von eine r relative n Knapphei t verfügbarer Ersparniss e fü r industriell e Zweck e i n Deutschlan d sprechen . Angesam melte Ersparniss e ware n besonder s i m Handelssekto r vorhanden , abe r e s bedurft e machtvoller institutionelle r Mechanismen , u m si e industrielle r Verwendun g zugäng lich z u machen . Dies e Mechanisme n wurde n z u eine m große n Tei l vo m Bankensy stem bereitgestellt . Vor 1870 waren di e Privatbankiers - die selbst wesentlich e Zentren de r Akkumula tion vo n Handelskapita l darstellte n - die bedeutendste n Institutione n de r Kapital mobilisierung i n Deutschland . Deutsch e Privatbanke n gehörte n z u de n erste n euro päischen Finanzinstitutionen , di e Deposite n mi t Gründungs - un d Emissionsbank funktionen kombinierte n - was späte r al s da s „gemischte " ode r Universalbankge schäft bezeichne t wurde . E s hatte zwei Aspekte : ersten s den unternehmerischen ode r Gründungsaspekt, durc h de n Banken , inde m si e neu e Unternehme n gründete n un d sie mit ihrer eigene n Kreditwürdigkei t identifizierten , erfolgreic h Ersparniss e a n sic h zogen, di e neue n Unternehme n nich t direk t verfügba r gemach t worde n wären ; un d zweitens de n Fundierungs - ode r Fristverwandlungsaspekt , durc h de n laufend e ode r kurzfristige Kredite , di e vo n de n Banke n (i m Rahme n ihre r meh r konventionelle n Funktion al s Geschäftsbanken) gewähr t worde n waren , leichte r i n langfristig e Anla gepapiere umgewandelt werde n konnten. E s ist sehr wichtig z u beachten, daß der Bei trag der deutschen Bankier s zu r Kapitalmobilisierun g nich t nu r au f de r Angebotssei te, sonder n ebenfall s au f de r Nachfrageseit e z u sehe n ist : inde m si e sich nämlic h be i

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der Gründung und im Folgegeschäft so eng an die Industrieunternehmen banden, verstärkten di e Banke n di e Nachfrag e nac h investierbare n Mitteln , j a repräsentierte n diese soga r teilweise . Das unternehmerisch e ode r Universalbankgeschäft bracht e Kreditschöpfun g mi t sich. Die Formen der Kreditschöpfung i n Deutschland unterschieden sich jedoch von denen in England und verschiedenen andere n Ländern. Deutschland verließ sich zunächst viel weniger auf Banknotenemission - außer zeitweise in den 1850e r Jahren und Depositen. Stattdessen benutzten die deutschen Banken und Bankiers Wechsel, Bankakzepte und Giralgeld zur Kreditschöpfung. Ein e Anzahl verschiedener Faktoren trug zu dieser Situation bei, aber den bedeutsamsten Einfluß übte wohl die staatliche Politi k aus . Die am ostelbischen Landadel orientierte Regierung Preußen s verfolgte eine unter verschiedenen Aspekte n restriktiv e Geldpolitik . Vo r alle m zeigt e si e sic h nich t ge willt, dem Wachstum der privat arbeitenden Notenbanken freien Lauf zu lassen. Ihre Antwort auf die Nachfrage nach einer umfangreichen Notenzirkulation und die damit verbundenen Mittel der Kreditschöpfung i n den 1840er Jahren, war die Umwandlung der alten Königlichen Bank zu Berlin in eine moderne Notenzentralbank, di e Preußische Bank. Nac h 1846 besaß diese Bank faktisch ei n Monopol de r Notenausgabe in Preußen, ei n Monopol, da s sie allmählich i n den 1860e r Jahren und später au f gan z Deutschland ausdehnte . Die Expansio n de r Preußische n Ban k (hinsichtlic h de s ausgeweitete n Notenum laufs und der Zahl der Zweigstellen in den 1850er und 1860er Jahren) stellte einen der wirksamsten Faktoren dar, die hinter dem wachsenden Gebrauch von Bankakzepten als ei n Mitte l de r Kreditschöpfun g i n de r Geschäftswel t standen . Ihr e Bedeutun g sollte jedoc h nich t di e i m wesentliche n hindernd e Roll e verstecken , di e si e für di e Entwicklung de s deutschen Finanzsystem s spielte . Das faktische Monopo l de r Notenausgabe wirkte sich in dem allgemeinen Sinn restriktiv aus, daß ihre Bargeldreserven im Verhältnis zum Notenumlauf seh r viel höher waren als es bei anderen Notenbanken zu jener Zeit üblich war. Ihr restriktiver Charakter zeigte sich auch in den Arten von Sicherheiten, die sie verlangte und in den Typen von Darlehen, die sie gewährte: si e vermied konsequen t jede s Risiko un d arbeitet e nich t mit Kreditnehmer n zu sammen, die von privaten Bankiers keine Mittel hätten erhalten können. Kurz, sie erfüllte nicht in dem Umfang die Bedürfnisse, wie ein auf Konkurrenz basierendes, privater Kontroll e un d Initiativ e aufgebaute s Notenbanksyste m e s hätte. Die am deutlichsten sichtbar e und wichtigste Konsequen z der Politik de r Preußischen Ban k la g i n de r Prägun g derjenige n Forme n vo n Kreditschöpfung , di e i n Deutschland vorherrschend wurden. In den 1850er Jahren reizte ihre Politik in Preußen zur Benutzung von Banknoten an, die in den an Preußen grenzenden deutsche n Staaten ausgegeben worden waren. Wa s aber wichtiger erscheint : Während der ganzen Periode unterstützte ihre Politik die Entwicklung de r Kreditschöpfung mi t Hilfe von Handelswechseln, Tratten und der Giralgeldschöpfung. Dies e Geldsurrogate aktivierten Buchgeldguthaben oder Uberziehungskredite, die im Rahmen des Kreditgeschäftes de r Banke n geschaffe n wurden . Geschäftsleut e nutzten dies e Substitut e i n sehr großen Umfang, u m Zahlungen untereinander zu erledigen. Für einen Großteil 53 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

von Transaktionen waren sie praktisch identisch mit Geld. Es ist richtig, daß ihre Zirkulation un d ihr Gebrauch bi s zu einem gewissen Maß e von der Verfügbarkeit vo n Metallgeld, staatliche m Papiergeld und Noten der Preußischen Bank abhing, wei l es Zeiten und Orte gab, wo „Geldsubstitute" ungeeignet waren und weil die Verfügbarkeit solche r Geldsurrogat e a n de r Expansio n de r Bargeldreserv e gebunde n war . Trotzdem war der Grad der Elastitzitat in der Benutzung solcher Substitute ein e der Tatsachen, die zeitgenössische Beobachter am meisten beeindruckte. Abgesehen von massenhaften Vertrauenszusammenbrüche n führt e normalerweis e di e Begrenzun g des konventionellen Geldangebot s zu einem relativ wachsenden Gebrauch von Substituten.79 Ein letzter Aspekt der Benutzung vo n Geldsubstituten verdien t erwähn t z u wer den. Die Entwicklung solcher Substitute als Zahlungsmittel durch die deutschen Privatbankiers un d Aktienbanke n wa r a n ihr e Aktivgeschäfte , d . h . ihre Gründungs und Investitionstätigkeiten gebunden. Wechsel und Akzepte waren weniger geeignet, eine plötzliche und unvorhergesehene Nachfrage nach Mitteln der Banken hervorzurufen als bei den Sichtdepositen, wie sie von anderen Banksystemen benutzt wurden . Jene Instrumente eigneten sich gut für eine Kredit- und Investitionspolitik, di e zu bedeutenden Anhäufunge n vo n relativ illiquiden Aktiv a führen konnt e - und das auch tat. Ma n könnt e dahe r de n Schlu ß ziehen , da ß di e staatlich e Regierungspoliti k i n Preußen - wenn auch unwissentlich - zu einer institutionellen Entwicklun g beitrug , die au s anderen Gründe n de n deutsche n Fortschrittsbedürfnisse n seh r entsprach .

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3. Die politische Ökonomie der Finanzpolitik und die Indutrialisierung Preußens , 1815-1866 „Stets benötigte das Kapital den Staat, um seine Profitinteressen i m größte n Maßstab e durchsetze n z u können . Niemal s war es imstande, ohne den Rückhalt a n den öffentlichen Fi nanzen sein e wirtschaftliche , gesellschaftlich e un d politi schen Machtpositione n z u behaupten. " Rudolf Goldscheid 1

I. Um 1815 war Preuße n ei n industriell rückständige s Land ; Mitt e de r 1860er Jahre da gegen hatt e e s eine n beachtliche n Industrialisierungsgra d erreicht , d.h . Preußen s Wirtschaft hatt e den ,Take-Off' vollzogen . Diese r Wendepunkt de r Entwicklung la g etwa u m 1840 und wa r auf s engst e mi t de m Eisenbahnba u gekoppelt. 2 Vor 1840 kam die industrielle Investitionstätigkeit i n Preußen nur zögernd in Gang . Die Kombinatio n vo n unzulängliche n Märkte n un d eine m Mange l a n wichtige n Inputs (wie technische n Kenntnissen ) machte n Industrieinvestitione n - besonders i n den Branchen , i n dene n Europa s industriell e Führungsmacht , England , bereit s spe zialisiert w a r - z u risikoreic h und/ode r z u wenig rentabe l fü r di e meisten potentielle n Investoren. Dies e zogen e s daher vor , i n Grundbesitz, Handelsunternehmunge n un d ausländische Staatspapier e z u investieren. 3 Nac h Ansich t führende r preußische r Un ternehmer setzt e die industrielle Entwicklun g de s Landes öffentliche Investitione n i n Flußverbesserungen, Straßen- , Kanal - un d Eisenbahnbau , Banke n un d ander e Ein richtungen voraus , kurz i n jene Infrastrukturinvestitionen, di e externe Erträge schaf fen konnte n un d s o private Investitionen , beispielsweis e i n metallverarbeitend e Un ternehmen, profitable r mache n würden . Theoretisc h hätte n solche öffentlichen Inve stitionen durc h Kürzun g andere r Staatsausgaben , durc h Besteuerun g unproduktive n Konsums und/ode r durc h Kreditaufnahm e finanzier t werde n können . Di e techni schen Fertigkeiten , di e solch e Investitione n verlangten , ware n entwede r i m Land e verfügbar ode r konnte n leich t vo m Auslan d übernomme n werden . Soga r di e entste hende „politisch e Ökonomie " i n Preuße n spiegelt e i n ihrer Interpretatio n de r engli schen Klassike r dies e Bedingunge n wide r un d rie f nac h staatliche r Unterstützung. 4 Der Wille , di e Mitte l un d di e technologisch e Grundlag e fü r ei n Program m öffentli cher Investitionen ware n als o vorhanden: Man könnt e wahrhaftig vo n einer Fülle von „Vorteilen de r Rückständigkeit " i n Preuße n nac h 1815 sprechen. Doch bliebe n dies e Möglichkeite n bi s i n di e 1840e r Jahr e weitgehen d ungenutzt . Die preußische Regierun g tätigt e ihrerseits wenig e industrielle Investitione n un d bo t privaten Unternehmer n kau m Ermutigung , selbs t solch e Investitione n durchzufüh -

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ren. 5 Diese s preußische Bil d biete t eine n scharfe n Kontras t z u jene m ansehnliche n Programm de r „interne n Verbesserungen" , da s in de n Vereinigten Staate n nac h 1815 ausgeführt wurd e und auch , u m ei n näherliegende s Beispie l z u nehmen, z u den staat lich unterstützte n Investitione n i m unabhängige n Belgie n 1830. 6 Ers t nac h de n An fangserfolgen einige r privater Eisenbahnunternehmeri n de n späten 1830e r Jahren be gann der Eisenbahnbau auc h in Preußen beträchtlich z u expandieren un d erhielt staat liche Unterstützun g au f breite r Basis . De r Eisenbahnboo m de r 1840e r Jahr e setzt e sich i n de n 1850e r Jahre n fort ; auc h di e staatlich e Unterstützun g hiel t an . Darübe r hinaus wurd e e r i n de n Jahre n nac h 1850 von eine m Investitionsstro m i n Bergbau und metallverarbeitend e Unternehme n begleitet , wovo n ei n Großtei l zweifello s durch de n Eisenbahnba u induzier t worde n war. 7 In den 1860e r Jahren wa r die durc h Schwerindustrie un d Großunternehme n geprägt e Basi s de r preußische n Industri e schon gelegt .

II. Die These diese s Aufsatzes lautet : Die Finanzpolitik de r preußischen Regierun g träg t einen bedeutende n Tei l de r Verantwortung fü r da s hier skizziert e Entwicklungsmu ster, si e wa r bi s i n di e 1840e r Jahr e ei n Elemen t de r Rückständigkei t un d danac h ei n Wachstumsstimulus. E s soll gezeig t werden , da ß di e Finanzpoliti k de r preußische n Regierung i n diese r Zei t wachstumsbewußte r wurde , zude m solle n Gründ e zu r Dis kussion gestell t werden , waru m diese r Wechse l stattfand . Di e ökonomische n Aus wirkungen diese r Veränderunge n werde n hie r nich t behandelt . Da s o.a . Zita t vo n Goldscheid stell t siche r ein e drastisch e Vereinfachun g dar , erfaß t abe r de n Ker n de s Kausalzusammenhanges, nac h de m hie r gefrag t werde n soll : E s behandelt de n Staa t und sein e Finanzpoliti k al s eine n ehe r abhängige n Fakto r i m sozio-ökonomische n Prozeß. I m Gegensat z z u jene n Abhandlungen , di e vo n de r Vorstellun g eine s auto nomen Staate s i m 19. Jahrhundert ausgehen , müßt e ein e Analys e de r preußische n Entwicklung sinnvollerweis e di e Klassenbasi s diese s Staate s betonen. 8 Ein e solch e Analyse könnt e ferne r Finanzwissenschaftler n al s hilfreich e Erinnerun g dara n die nen, da ß das Feld der öffentlichen Finanze n ein e wichtige sozialpolitische Dimensio n umfaßt, di e allzuhäufi g pe r Annahm e wegdefinier t wird. 9 Preußens zögernd e Ausnutzun g de r Möglichkeiten fü r staatlich e Investitione n vo r den 1840e r Jahre n hatt e sein e Ursach e i n de r soziale n un d politische n Struktu r de s Landes. Vo r 1848 stellte Preuße n ein e absolut e Monarchi e dar , dere n Politi k durc h eine Koalitio n vo n König , Landade l un d Bürokrati e kontrollier t wurden . Di e domi nierende Position der Aristokratie, besonder s der Junker, i n den ostelbischen Provin zen basiert e au f solche n Institutione n wi e de r herrschaftliche n Gerichtsbarkei t un d Polizeigewalt. Di e Junke r übte n abe r auc h au f de r nationale n Eben e maßgebliche n Einfluß aus , indem sie die wichtigsten Ministerie n wi e auch viele führende Positione n der zivile n un d militärische n Bürokrati e au s ihre n Reihe n besetzten. 10 Nebe n ihre m Interesse a n de r Regierun g selbst , gal t ih r Interess e ihre m Grundbesitz , de r Quell e sowohl ihre s Einkommen s al s auch ihre r politischen un d soziale n Vormachtstellung .

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Bis z u den 1840er Jahren zeigten sie dagegen weni g Neigung zu r Förderung de r indu striellen Entwicklun g - abgesehen vo n de n Impulsen , di e sic h au s de r Verbesserun g der Ertragskraf t ihre r Güte r ergaben . Di e preußisch e Regierungspoliti k tendiert e dazu, ehe r di e Sichtweis e diese r Junke r z u teilen , al s die de s von politische r Mitwir kung ausgeschlossene n Bürgertums . Di e Gründun g de s Zollverein s wa r di e groß e Ausnahme von dieser Regel un d kann zu einem großen Teil aus den Zuammenhänge n preußisch-deutscher Machtpoliti k erklär t werden. 1 1 Diese politische Konstellatio n berührt e di e Wirtschaftspolitik i n mehrfache r Hin sicht. Staatlich e Regelunge n de r Geld - un d Bankinstitutione n i n Preußen bliebe n bi s 1870 relativ vorsichti g un d konservativ , obwoh l gewiss e Erleichterunge n i n de n 1840er Jahren und 1850e r Jahren zugelasse n wurden. Bürokratisch e Kontrolle n blök kierten Innovatione n i m Bergba u (hauptsächlic h Kohle) , bi s 1851 die Refor m de r Bergverfassung begann . Di e vo n private n Unternehmergruppe n initiierte n Eisen bahnprojekte de r frühe n 1830e r Jahr e wurde n durc h di e mißtrauisch e Regierun g i n der Sorg e u m wohlerworben e agrarisch e un d bürokratisch e Interesse n verzögert. 12 In de r Finanzpoliti k wa r di e Verkettun g zwische n allgemeine r Staatspoliti k un d wirtschaftspolitischer Praxi s noch direkter. Sei t spätestens 1806 (dem Jahr der preußischen Niederlag e be i Jena ) wa r di e Frag e nac h eine r konstitutionelle n Bindun g de r preußischen Monarchi e erhobe n un d mi t de r Frag e de r Besteuerun g verquick t wor den. Di e Finanzierun g de s Napoleonische n Kriege s verlangt e größer e Staatseinnah men, diese aber wiederum ein e höhere Steuerbelastung. Preußisch e Staatsmänne r wi e Hardenberg glaubten , da ß e s möglich sei , höher e Steuer n z u erheben , wen n ma n si e mit de m Verspreche n eine r konstitutionelle n Staatsverfassun g verknüpfte . Währen d der Napoleonische n Krieg e enthielte n di e Edikt e vo n 1811 und 1815 in spezifische r Weise dies e Versprechen . Si e wurde n auc h i n de r Nachkriegszei t noc h durc h ein e Reihe von Edikten bekräftigt, di e mehrere Steuerreformen miteinschlossen . Vo n zen traler Bedeutung in diesem Zusammenhang wa r das Gesetz oder Edikt von 17. Januar 1820. Es berichtete über Umfang un d Zusammensetzung de r Staatsschulden un d wa r - wie di e frühere n ode r erwähnte n Edikt e - dazu bestimmt , di e Kreditchance n de s Staates z u verbessern. 13 Da s wichtigst e abe r war , da ß dadurc h ein e „gesetzliche " Obergrenze de r Schulden festgesetz t wurde . De r Kron e wurde untersagt , ohn e Kon sultation de r quasi-parlamentarische n Körperschaf t de r Vereinigte n Ständ e dies e Grenze z u überschreiten , noc h irgendein e neu e direkt e Steue r einzuführen. 14 Di e Vereinigten Ständ e waren i m Prinzip eine nationale Version de r Provinzialstände (di e einigermaßen regelmäßi g tagten ) un d repräsentierte n wi e dies e „di e Ständ e de s Rei ches": de n Landadel , di e Grun d besitzende n Bauer n un d di e städtisch e Bourgoisie . Sie stellte n gewi ß kei n seh r radikale s politische s Instrumen t dar , dennoc h sa h di e preußische Monarchi e in ihrer Stärkung Konzessione n zugunste n von „Demokratie" , die um jeden Prei s vermieden werde n mußten . E s sollte nich t vergesse n werden , da ß dieser Standpunkt von Preußens konservativen Verbündeten Österreic h und Rußlan d (der „Heilige n Allianz" ) beeinfluß t un d unterstütz t wurde . I n jede m Fal l wa r eine s der wichtigsten Ergebnis e in diesem Zuammenhang de r Versuch de r Regierung, wäh rend der folgenden Jahre ihre Einnahme n un d Ausgaben einzuschränke n un d z u ver schleiern. Ei n weitere s Ergebni s stellt e di e wachsend e Tenden z vo n liberale n un d

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konservativen Politiker n dar , di e Steuerreform mi t der konstitutionellen Staatsverfas sung gleichzusetzen . Interessanterweis e habe n einige Politiker, wi e etwa Davi d Han semann, di e Steuerrefor m al s einen gute n politischen Ansatzpunk t gesehen , mi t de m die generelle Ide e einer konstitutionellen Staatsverfassun g a m Lebe n erhalte n werde n könne. Au s dieser Sicht wurde sie eher als Mittel denn als Ziel behandelt. 15 Wichti g is t hier aber die Tatsache, da ß eine die Industrialisierung begünstigend e Finanzpolitik z u den größte n Opfer n diese r Verknüpfun g mi t de n verfassungspolitische n Ziele n zähl te. So wurde die generelle Abneigung unte r der herrschenden Klass e Preußens gegen über industrielle r Entwicklun g au f de m Gebie t de r Finanzpoliti k verstärkt . Das sozio-politisch e Umfel d wandelt e sic h merklic h i n de n 1840e r Jahren . Viel e Faktoren ware n dafü r verantwortlich , nich t zuletz t di e Thronbesteigung eine s neue n Königs. Da s Resulta t wa r ein e positivere staatlich e Einstellun g gegenübe r industriel ler Entwicklung, 16 wi e die Eisenbahnpoliti k deutlic h illustriert . Nachde m di e Regie rung i n de n 1830e r Jahre n di e vo n bürgerliche n Unternehmer n entwickelte n Eisen bahnpläne zurückgewiesen hatten , began n ma n jetzt auch Vorteile (besonders für mi litärische Operationen ) i n de r Förderun g jene r Plän e z u sehen . Ein e Politi k de r Sub ventionierung un d Zinsgarantie n began n (1842), sogar di e Möglichkei t eine s Staats bahnsystems wurd e ernsthaf t erwogen . Di e Beteiligun g a n de r Finanzierun g de r Ei senbahnen verlangt e jedoch,da ß de r Staa t Mitte l au s andere n Verwendunge n abzo g und/oder bedeutende neue Einkommensquellen erschloß . De r erste Weg stieß beson ders innerhalb de r zivilen un d militärischen Bürokrati e auf Ablehnung. Ei n wichtige r Pol der Opposition war beispielsweise das Postministerium, da s für bestimmte Güter arten nahez u ei n Monopo l de s inländische n Speditionsgeschäfte s besa ß un d dahe r eine Reduktio n seine r Einnahme n sowi e generel l seine r Bedeutun g al s ein e wahr scheinliche Konsequen z de r Entwicklun g vo n Eisenbahne n fürchtete. 17 De r zweit e Weg wa r fü r di e Monarchi e mi t unwillkommene n politische n Zugeständnisse n ver bunden, den n di e Vereinigte n Stande , besonder s ih r bürgerliche r Teil , zeigte n sic h nicht gewillt , di e neuen Ausgabenplän e de r Regierun g z u unterstütze n ode r auc h nu r zu billigen , e s sei den n unte r de r Bedingung , da ß di e Kron e gewiss e verfassungsmä ßige Kontrollen ausdrücklich anerkannt e und akzeptierte. I n der Tat erwog di e Regierung dies e Möglichkei t i n de n 1840e r Jahre n un d gin g s o weit , 1847 die Vereinigte n Stände einzuberufen; ei n Kompromi ß konnt e jedoch nicht erzielt werden . Di e Regie rung weigert e sich , da s Prinzip eine r gesetzlic h fixierte n Überprüfun g de r Finanzan gelegenheiten zuzugestehen , selbs t nich t i n de r eingeschränkte n Form , wi e si e vo n den Stände n vorgeschlage n wurde . Di e letztere n weigerte n sic h infolgedessen , ge plante Steuerreformen z u unterstützen ode r di e beabsichtigte staatlich e Kreditnahm e gutzuheißen. 18 Die Blockierun g de r gegensätzliche n Ziel e de r Staatsorgan e setzt e sic h for t bi s i n das Jahr 1848 und wa r sicherlich eine r de r Faktoren, di e die revolutionären Verände rungen vo n 1848/49 bedingt haben . Di e Führe r de s Bürgertums un d i n besondere m Maße di e Unternehmer sahe n i n de r verbreiteten Angs t vo r eine r Revolt e de r Arbei tenden un d Arme n ei n Druckmittel , u m a n der Mach t un d Autoritä t de r Junker (be sonders i n de r Armee ) teilzuhaben . Währen d bürgerlich e politisch e Ziel e entspre chend beschnitte n wurden , erkannte n di e Verfechter de s Adel s innerhal b de r Regie -

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rung die Nützlichkeit einer Vereinigung mit bürgerlichen Gruppen und zementierten diesen Verbund mit einigen konstitutionellen Verzierungen sowie mit einer progressiveren Finanz - un d Wirtschaftspolitik . Au f dies e Weis e wurd e 1850 eine verfas sungsmäßige Bindun g de r Regierung eingeführ t un d ei n großangelegtes Ausgaben und Kreditaufnahmeprogramm fü r die Eisenbahnen eingeleitet. 19 Grundlegende politische - und so auch fiskalische - Kontroversen fehlte n bi s in die 1860e r Jahre, al s Bismarck und die Krone wegen des Militärbudgets mit dem Haus der Abgeordneten in Konflikt gerieten. Die Regierung demonstrierte die Unvollkommenheit der gesetzlichen konstitutionellen Beschränkungen ihrer Macht, indem sie ohne legislative Zustimmung zu ihrem Haushalt weiterregierte. Ihr e relative liberale Wirtschaftspoliti k und die Unterstützung industrielle r Unternehmer machte nun jedoch ihre politische Unnachgiebigkeit wei t erträgliche r al s in den 1840e r Jahren. 20 III. Die vorangegangene Skizze legt den Schluß nahe, daß soziale und politische Faktoren zwischen 1815 und 1866 die Finanzpolitik i n Preuße n star k beeinflußten . Ein e genauere Untersuchung de s empirischen Material s soll nu n diese Schlußfolgerung an hand der veröffentlichten staatliche n Finanzberichte und der Meinung der Zeitgenossen weite r prüfen . Die erst e Kategori e von Belegen kan n nac h dre i Hauptgesichts punkten geglieder t werden : (1) Ausgaben un d Einahme n insgesamt ; (2) die Zuam mensetzung vo n Ausgaben un d Einnahmen ; un d (3) die Bedeutun g de r staatliche n Verschuldung. Die staatlichen Finanzstatistike n sin d sowohl in quantitative r al s auch in qualita tiver Hinsicht nich t sehr zuverlässig. Paradoxerweis e stelle n jedoch ihre Schwächen selbst eine wichtige Illustratio n de r politischen Seit e der öffentlichen Finanze n dar . Frei von verfassungsmäßigen ode r rechtlichen Kontrolle n veröffentlicht e di e Regierung fiskalisch e Informatione n nur , wen n finanzielle r ode r politische r Druc k si e dazu zwang . Zwische n 1815 und 1847 wurden nur fünf Budget s veröffentlicht; da nach erschienen si e jährlich, abe r sie blieben immer nur sehr approximativer Natur . Vor 1848 berichteten viele staatliche Abteilungen (z. B. die Post) nur über ihre Nettoeinnahmen, schlossen damit alle Erhebungskosten aus und unterschätzten somit den wahren Betrag staatlicher Ausgaben. Außerde m erschiene n di e Ausgaben der durch Verschuldung mobilisierte n Mitte l i n Preußen nicht generell in den veröffentlichte n Haushalten - die sich auf die Disposition übe r erwartete laufende Einnahmen bezogen. Schließlich besaß der Staat Vermögen, das Einkommen erzielte, welches ebenfalls nicht in den veröffentlichten Budget s erschien. Die s führte z u weiteren finanzielle n Unterbewertungen, besonders , wen n auc h nich t ausschließlich , fü r di e Zei t vo r 1848.21 Friedrich von Reden, ein sorgfältiger Statistiker, berichtete 1856, daß die veröffentlichten Zahle n für die Jahre bis 1841 die jährlichen staatliche n Einnahme n um wenigstens 60% unterschätzten.22 Die Kriti k vo n Zeitgenossen wi e Euge n Richte r und Carl Bergius noch in den 1860er Jahren läßt vermuten, daß eine vollständige und klare finanzielle Berichterstattun g sic h in Preußen nu r langsam durchsetzen konnte , mit oder ohn e Verfassung. 23 59 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 1 beginnt mit der statistischen Darstellun g diese r lückenhaften Daten . Wei l veröffentlichte Haushalt e ausgegliche n waren , wir d hie r nu r ein e Zahl für di e Ausga ben - die geborgt e Gelde r ausschließ t - geboten. Wege n de r „Geldillusion " wurde n die gesamten Staatsausgabe n hauptsächlic h i n der Form vo n laufenden Preise n disku tiert, un d es ist diese Statistik, di e am klarsten die sich verändernden Verhältnisse spie gelt (obwohl gründlicher e Kritike r Ausgabe n auc h au f den Kop f der Bevölkerung be zogen). Fü r die Gesamtausgaben is t die erste nennenswerte Aufwärtsverschiebun g i n den 1840er Jahren z u beobachten , abe r der weitaus dramatischste Anstie g finde t zwi schen 1849 und 1856 statt. Pr o Kop f de r Bevölkerun g berechnet , beobachte t ma n i n den 1840e r Jahren ein e Verminderung de r Ausgaben un d i n de n 1850e r Jahren ihre n bedeutendsten Anstieg . I n konstanten Preise n (vo n 1913) zeigen sic h dieselben Wen depunkte, obwoh l hie r fü r di e frühe n 1850e r Jahr e ei n Rückgan g z u registriere n is t und die 1860er Jahre stärker hervortreten al s nach den anderen Berechnungen. E s mag hinzugefügt werden , da ß Zahle n fü r da s Volkseinkomme n vo n 1851 an verfügba r sind; sie ergeben, da ß für di e 1850e r und 1860e r Jahre nahez u kein e Veränderung de s Anteils de r Staatsausgabe n a m Volkseinkomme n registrier t werde n kann . Hierau s wird klar , da ß die Bedeutung de r angewachsenen Staatsausgabe n nich t in ihrem abso luten Umfan g liegt , sonder n da ß es notwendig ist , eine n Blic k au f di e Zusammenset zung de r Ausgabe n un d Einnahme n z u werfen . Für verstärkt e Haushaltszuweisunge n fü r Zweck e de r industrielle n Entwicklun g konnten entwede r di e Gesamteinnahme n angehobe n ode r ne u verteil t werden . Di e Tabelle 1 und 2 demonstrieren, da ß beid e Faktore n wirksa m waren , mi t eine r Kon Tabelle 1: Staatsausgaben i n Preußen , insgesam t un d pr o Kopf , in laufende n Preise n un d i n Preise n vo n 1913, 1821-186 6 Ausgaben 1. Insgesamt i n lauf. Preisen (Mill. Thaler) 2. Insgesamt i n 1913 Preisen (Mill. Thaler) 3. Pro Kop f i n lauf. Preisen (Thaler) 4. Pro Kop f i n 1913 Preisen (Thaler)

1821

1829

1838

1847

1849

1853

1856

1866

82

83

86

93

94

103

127

158

96

105

110

96

134

112

120

176

7,5

6,5

5,9

5,8

5,7

6,1

7,3

8,1

8,8

8,4

7,5

6,0

8,1

6,6

6,9

7,0

Quellen: C . Bergius, Preußisch e Zustände, Münster 1844, S. 20-41; F. v. Reden, Finanz-Stati stik, Darmstad t 1852, S. 80, 96-99, 334-43; A. Wagner, Finanzwissenschaft , Leipzi g 1910, IV, S. 49-54; D. Hansemann, Preußen und Frankreich, Leipzi g 1833, S. 111-99, 2\2-A9\ Schwartz u. Strutz, L , Tei l 1, Anhang XXVI; Teil 2, Anhang XXXVI; Teil 3, Anhang XIII; Teil 4, Anhang LXX L

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Tabelle 2: Zusammensetzung de r Staatsausgabe n i n Preußen , 1821-1866 (in % aller Ausgaben ) Ausgabensparte Militär Schulden Erwerb a Verwaltung

1821

1829

1838

1847

1849

1856

1866

27 13 16 44

26 14 16 44

31 13 16 40

28 8 19 44

29 8 27 36

27 11 30 32

29 11 31 29

Schließ t Ausgabe n fü r Bergwerke , Domänenlände r und Wälder, Eisenbahnen , di e Post und Ausgaben de s Ministeriums fü r Hande l un d öffentliche Arbeite n ein . Quelle: Vgl . Tab . 1.

a

zentration sowoh l de s Anstiegs al s auch de r Umverteilung i n der Periode nac h 1847. Es verdient nochmals hervorgehoben z u werden, daß es sich bei der Umverteilung u m einen schmerzliche n Proze ß handelte , desse n Konfliktträchtigkei t allerding s i n Pe rioden eine s rapiden Wachstums de r Gesamteinnahmen wenige r schar f zutage trat. I n den 1830er Jahren wurden zu m Beispiel öffentliche Ausgabe n fü r Eisenbahnen wege n der Prioritä t de r Militärausgabe n ode r de s Einflusse s de r Pos t blockiert , jedoc h sta gnierten in dieser Zeit die Ausgaben gan z allgemein. Faß t man die Einnahmenseite in s Auge, s o läßt sich interessanterweise ein e fortdauernde - in der Tat nach 1849 ansteigende - Bedeutung de r nich t steuerliche n Einnahme n beobachten . Wi e Gusta v Schmoller und , wa s vielleicht wichtige r ist , zeitgenössisch e Kritike r bemerkten , wa r dies Ausdruc k de r Unabhängigkei t de r Kron e vo n verfassungsmäßige n fiskalische n Kontrollen sowi e zugleic h ei n Mittel , dies e Unabhängigkei t weiterhi n z u behaup ten. 24 Ei n Tei l diese r Einnahme n repräsentiert e di e Übertragun g wahre r „Produk tionskosten", eine n wichtigen Tei l stellten abe r versteckte Steuern dar . Ih r hartnäcki ges Fortbestehe n relativier t auc h zusamme n mi t de m Wiederaufstie g vo n Militär ausgaben i n den 1860e r Jahren di e Bedeutung de r Verfassungsänderungen nac h 1848. Eine nähere Prüfung de r Einnahme n leg t die Vermutung nahe , da ß einige wichtig e Änderungen mi t der Entwicklung de r Verfassungssituation de r Regierung i n Preußen verbunden waren . Nac h de n Steuerreforme n (1818-1821), die de n Napoleonische n Tabelle 3: Steuern un d nichtsteuerlich e Einnahme n de s preußische n Staates , 1821-1866 (in %)

Steuerliche Einnahmen Nichtsteuerliche Einnahmen a

1821

1829

1838

1847

1849

1856

1866

65

65

66

66

65

56

49

34

35

34

34

35

44

51

Schließ t Einnahmen ein, die z. T. steuerlichen Charakter hatten, wie z. B. Einnahmen aus den Bergwerken. Quelle: Vgl . Tab . 1.

a

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Kriegen folgten , ändert e sic h bi s i n di e 1840e r Jahr e di e staatlich e Finanzpoliti k i m wesentlichen nicht . Da s Gesetz vom 17. Januar 1820 behinderte di e Kreditaufnahm e wie auch eine Änderung de r direkten Steuern. Einnahme n au s indirekten Stuern wur den kau m al s expansionsfähi g angesehen , einerseit s wege n ihre r niedrige n Einkom menselastizität, andererseit s ware n si e de n wirtschaftsvertragliche n Bestimmunge n (Zollverein) unterworfen. 25 Zwe i grundlegend e Voraussetzunge n fü r di e Erhöhun g der Steuereinnahmen waren : (1) eine Umverteilung de r Grundsteuer n (di e Preußen s neuere un d fortschrittlichst e Provinzen , Rheinlan d un d Westfalen , relati v schwe r traf) un d (2) die Schaffung eine r Einkommenssteuer; beid e Alternativen konnte n un ter den politischen Spannunge n vo r 1848 nicht realisier t werden. 2 6 Nac h de r Revolu tion wurd e 1851 eine neue Einkommenssteue r eingeführt , di e sowohl meh r Einnah men erbracht e al s auc h al s gerechte r angesehe n wurde , nich t zuletz t deswegen , wei l sie für diejenigen, di e über ein gewisses Minimum hinau s Einkommenssteuer zahlten , das Wahlrech t mi t sic h brachte. 27 186 1 wurde di e alt e Grundsteuer , lang e Zei t ei n Zankapfel, nac h eine r ausgedehnte n öffentliche n Debatt e modernisier t un d ihr e Las t zugunsten de r industrialisierte n Gebiet e Preußen s umverteilt . Tabell e 4 zeigt grob , wie sic h di e Steuerlas t i n Übereinstimmun g mi t de r Anerkennun g eine r neue n „Ba lance de r soziale n Kräfte " innerhal b Preußen s verschob . Bürgerlich e Reforme r un d besonders Kritike r unte r de n Unternehmer n hatte n forta n weni g a n der Steuerstruk tur auszusetzen , obwoh l si e weiterhin fortfuhren , di e Ausgabenpolitik de s Staates z u kritisieren. Adolp f Wagner s anerkennende r Rückblic k au f di e Finanzgeschicht e Preußens i n diese r Period e mißbilligt e nu r di e Tatsache, da ß di e „niedere n Klassen " einen extre m hohe n Antei l de r Steuerlas t z u trage n hatten . Au f dies e Weis e kündet e sich bereit s di e informell e Allian z zwische n de r politische n Mach t de s Grundadel s und de m Reichtu m de r Wirtschaftsbürge r nac h 1848 an. 2 8 Kurzfristig hin g de r Umfan g de r Staatausgabe n natürlic h nich t notwendigerweis e allein vo n de n i m Haushal t antizipierte n Einnahme n ab . Di e Regierun g konnt e ihr e Ausgaben verbergen , Papiergel d ode r Zentralbanknoten drucke n und , wa s am wich tigsten war , a m Kapitalmark t Gel d aufnehmen . Au s diese m Grun d un d wei l di e Haushalte au s geborgte m Gel d finanziert e Ausgabe n ausschlossen , is t ei n Blic k au f die Zahle n zu r Staatsverschuldun g hilfreich . Tabell e 5 gibt di e Beschränkunge n de r preußischen Finanzpoliti k vo r 1848 und gewachsen e Möglichkeite n i n de n Jahre n Tabelle 4: Verteilung de r preußische n Grundsteuer , 1821-1838 und 1864 (in % der Gesamtgrundsteuereinnahmen )

Ostprovinzen a Westprovinzen b

1821-38

1864

25 75

39 61

Pommern , Posen , Brandenbur g un d Preußen . Schlesien , Sachsen , Rheinlan d un d Westfalen . Quellen: J. G . Hoffmann, Di e Lehre von den Steuern, Berlin 1840, S. 129;Schwartz u.Strutz, I, Teil 4, S. 1114. a

b

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Tabelle 5: Preußische Staatsschulden , 1820-65* (Millionen Thaler ) Jahr

X

Papiergeld

1820 1833 1848 1855 1865

206,6 163,8 138,1 227,7 258,7

11,2 17,7 30,8 20,8 15,8

Notenumlauf a

0,7 10,5 63,4

Gesamt 217,8 181,5 169,6 259,0 347,9

* Schließt eine n Teil der Staatsverschuldung aus , da die Passiva einiger Staatsinstitutionen wi e z.B. di e Seehandlung hie r nich t erfaß t werden . a Abzüglic h de r Bargeldbestände de r Preußischen Bank . Quellen: Richter , S . 30-63; C. Schauer, Di e preussische Bank , Hall e 1912, S. 41. unmittelbar danac h wieder. 2 9 Dies e Befunde , di e weite r durc h di e in de n Tabellen 1 und 2 implizit enthaltenen Zahlen über den Schuldendienst gestütz t werden, bekräfti gen die Bedeutung de s Jahres 1848 als einen Wendepunkt i n der preußischen Finanz geschichte. Unterlage n übe r die staatliche Kreditaufnahm e spiegel n de n hohen Antei l produktiver Ausgaben : Gu t di e Hälfte (105 Mill. Taler) de r zwische n 1848 und 1864 gezeichneten staatliche n Anleihe n i m Wer t vo n nahez u 200 Mill . Talern flo ß i n da s Eisenbahnsystem. 30 Dies e Möglichkei t de r Kreditaufnahm e un d di e Art de r Finanz politik generel l ware n en g mi t de r Kreditwürdigkei t de s Staates verbunden. Di e Re formen vo n 1818 bis 1821 und die Politik de r Sparsamkeit, di e bis in die 1840er Jahr e dominierte, ware n i n der schwachen Kreditwürdigkei t de s Staates zwischen 1815 und 1820 begründet. Durc h Begrenzun g de r Ausgabe n un d ein e zurückhaltend e Schul denpolitik wa r de r Staat jedoch i n der Lage, bi s zu de n 1830er Jahren eine n seh r soli den Kreditstatus aufzubauen. 31 Ausgabe n für Eisenbahnen un d Unsicherheit über das Budget führten u m 1846 zu einem scharfen Sinke n des Kurses der preußischen Staats papiere i m Vergleic h mi t de n Papiere n andere r europäische r Staaten. 32 Nac h de r Re volution vo n 1848 klärte sic h di e Lage , un d di e vo n eine r gesetzgebende n „Volks" kammer anerkannte Kreditaufnahm e konnt e jetzt zu verbesserten Bedingun gen durchgeführt werden , besonder s d a die Gelder in großem Umfang e i n den Eisen bahnbau flossen . I n de n 1850e r Jahre n wurd e di e expandierend e Kreditaufnahm e fortgesetzt, währen d zugleic h di e Kreditbedingunge n fü r de n preußische n Staa t so wohl i m Vergleich z u dem Berliner Diskontsatz al s auch im Vergleich zu r Realverzin sung ausländische r Staatsanleihe n relati v stabi l blieben . I n de n 1860e r Jahren borgt e die Regierun g beträchtlich e Beträg e fü r militärisch e Zweck e gege n de n Protes t bür gerlicher Kreis e und gege n den Wille n de s Hauses de r Abgeordneten , wobe i di e vor übergehende Verschlechterung de r Kreditbedingunge n - angesichts de s Krieges - relativ mäßi g war. 3 3

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IV. Die zentrale These dieses Aufsatzes läßt sich wie folgt zusammenfassen: Vor 1848 verfehlte die preußische Regierung weitgehend die Möglichkeiten, öffentliche Ausgabe n für wachstumsinduzierend e Investitione n z u nutzen . Vo n ungefäh r 1840 bis 1848 wuchs das Interesse an der Industrialisierung, abe r ihre Förderung schien auf unwillkommene demokratische Zugeständniss e hinauszulaufen, di e der Regierungsgewal t verfassungsmäßige Fessel n anlege n wollten . S o entstand ein e institutionell geschaf fene , zeitliche Verzögerung' oder ,Lücke' zwischen Ökonomischen Bedingungen und staatlichem Handeln. Die Revolution von 1848 beseitigte diese Lücke, indem sie die Interessen der Bourgeoisie mit denen der Aristokratie und Bürokratie gegen die aufkommende Arbeiterklasse verschmolz. Danach expandierte n di e Ausgaben fü r produktive Zwecke, um in den 1860er Jahren ein konstantes Niveau zu erreichen. Im engeren finanzwirtschaftlichen Sinn e ließe sich hieraus die Lehre ziehen, daß Staatsausgabenerhöhungen von Veränderungen auf der Einnahmeseite abhängen. Im weiteren Sinne folgt darau s jedoc h di e Erkenntnis , da ß Wirtschaftspolitik , insbesonder e Fi nanzpolitik, ein e bedeutsame sozio-politische Dimension hat. Die Lehre für speziell den Historiker schließlich besteht darin, daß der Staat - und hier in besonderem Maße der preußische Staat des 19. Jahrhunderts - als ein vermittelnder Faktor im Prozeß der sozialen un d wirtschaftliche n Entwicklun g interpretier t werde n kann .

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4. Die Industrialisierung de s Ruhrgebiets und das Problem der Kapitalmobilisierun g Wenige Kapite l de r deutsche n Wirtschaftsgeschicht e sin d s o wichtig wi e di e Indu strialisierung de s Ruhrgebiets. Kenntniss e dieses Vorganges sin d nicht nu r notwendig, um die Industrialisierung Deutschlands zu verstehen; sie können außerdem noch das generelle Problem der wirtschaftlichen Rückständigkei t beleuchten, ein Problem, das heute de n meisten Länder n de r Erd e zu schaffe n macht . Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit einem Aspekt dieses Industrialisierungsprozesses, nämlich mit dem Problem der Kapitalmobilisierung zur Finanzierung des frühen industriellen Wachstums in der kritischen Periode von etwa 1830 bis 1880. Er vertritt die These, da ß di e Bedeutung de s Kapital s - hier al s Geldmitte l zu m Investitions zweck verstande n - als Wachstumsdeterminante be i de r Frühindustrialisierun g de s Ruhrgebietes relativ gering war. Diese These muß selbstverständlich weiter unten belegt werden , abe r es gibt zwei grundlegende Argumente dafür , di e schon hier angeführt werde n sollen . Erstens implizier t „Kapitalmangel " i m Prinzi p da s Vorhandensein eine r starke n und (seitens der Investoren) unbefriedigten Kapitalnachfrage . Da s bedeutet wieder um, daß jene anderen Faktoren nicht fehlen dürfen, die für eine gewinnbringende Kapitalanlage Vorausetzun g sin d - gelernte un d ungelernt e Arbeitskräfte , Rohstoffe , Transportmöglichkeiten un d „las t but no t least" , Absatzmärkte. Untersuchunge n über Entwicklungslände r habe n z.B . ergeben , da ß da s Vorhandensein vo n solche n Faktoren di e Möglichkeiten eine r zusätzlichen Kapitalaufnahm e i n einer Wirtschaf t eng begrenzt. 1 I m Falle des Ruhrgebiets müsse n wi r deshalb fragen, o b diese komplementären Wachstumsfaktore n ausreichen d vorhande n waren . Zweitens ist eindeutig, da ß die Industrialisierung de s Ruhrgebiets, die in den 40er Jahren de s 19. Jahrhunderts „begann" , nich t a m Anfan g de r Industrialisierun g Deutschlands stand; dies bedeutete wiederum, daß die neue Industrie an der Ruhr die Möglichkeit hatte , au f di e Geldmitte l anderer , bereit s stärke r industrialisierte r Ge biete der deutsche n un d der nichtdeutsche n Wirtschaf t zurückzugreifen . I. Eine finanzgeschichtlich e Darstellun g de s Ruhrgebiet s dürft e kau m a n de r Famili e Krupp vorbeigehen , un d ic h möcht e soga r mi t eine r Betrachtun g diese r Kanonen Dynastie beginnen. Bekanntlich hat Friedrich Krupp im Jahre 1812 die moderne Geschichte diese r Firm a eingeleitet . Wenig e Jahr e danac h (1816) betrug Krupp s Ver schuldung be i Verwandten un d Freunde n bereit s 30 000 Thaler. Dies e Summe , ei n Maßstab der damaligen Kreditwürdigkei t de r Firma, is t kaum zu unterschätzen: si e 65

5 Tilly , Kapital

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entspricht i n heutiger Währung vielleicht etwa 2-3 Millionen DM. Wir dürfen dabe i nicht vergessen, daß die Krupps alteingesessene und wohlhabende Kaufleute mi t vielen reichen Freunden und Verwandten waren. 2 Alfred Krupp , der die Firma im Jahre 1826 übernahm, konnt e mit den gleichen lokalen und familienverbundenen Quelle n rechnen. Obwohl er sehr oft den Mangel an liquiden Mitteln beklagte (und darin von seinen Historikern noch übertroffen wird) , zeigt eine genauere Überprüfung de r Firmengeschichte, da ß a) da s „objektive Risiko" der Investition der Firma sehr groß war, s o daß Krupps Schwierigkeiten be i der Geldbeschaffung nich t nur die mangelnde Risikobereitschaf t der Kapitalgebe r reflektierten ; b) di e Firma noch weit schwierigere Probleme zu lösen hatte, z. Β. die Anwerbung und Ausbildung vo n Arbeitskräften, ein e genaue Erforschung de r Kundenwünsch e oder der Aufbau eine r Stammkundschaft. Dies e Probleme erklären, warum z. Β . der Kölner Bankie r Herstat t di e Kruppsche n Bankaufträg e unattrakti v fand , den n di e Diskontierung und Einbeziehung der vielen kleinen Wechselbeträge der kleinen und zerstreuten Kruppsche n Kundschaf t wa r wirklic h weni g einträglich. 3 Von eigentlich finanziellen Probleme n kann bei Krupp erst von den 60er Jahren an gesprochen werden , al s di e technisch e un d wirtschaftlich e Leistungsfähigkei t de r Firma bereit s erwiese n war . De r beinah e vollständig e Zusammenbruc h de r Firm a nach 1873 liefert ei n Schulbeispiel fü r die geschichtliche Bedeutung un d di e Konsequenzen des Kapitalmangels, selbs t wenn wir nicht übersehen dürfen, da ß er in diesem Falle auch mit der besonderen Persönlichkeit Alfred Krupps zusammenhing. Die Paralysierung de r Firma nach einer Periode schnellen Wachstums war eindeutig eine Folge vo n Liquiditätsmangel ; diese r wa r seinerseit s ei n Anzeichen dafür , da ß de r „traditionelle Wachstums-Plafonds" - der seit den 1830er Jahren eindeutig die Grenzen de s „Kapitalaufnahmevermögens " setzt e - überschritten worde n war. 4 Die Schwierigkeite n de s Kruppsche n Unternehmen s vo r 1850 sind m.E . reprä sentativ für das ganze Ruhrgebiet. Fast nirgends in der Industrie waren die Voraussetzungen für eine gewinnbringende Kapitalanlage vorhanden. Wir stellenz. B . fest, daß die Verkehrsmittel al s bedeutendes Investitionshindernis angesehen wurden und daß die Handelskammer eine r Stad t wi e Mühlhei m a n der Ruh r sic h intensi v u m dere n Verbesserung bemühte . Für die Verbesserungsvorschläge, di e sie im Jahre 1840 vorbrachte - eine Verdoppelung der sog. Wegegelder, die Gründung einer neuen Aktiengesellschaft fü r Chausseen , der Bau und Ausbau von weiteren Straße n un d Brücken usw. - , war zwar Kapita l unerläßlich ; di e Vorschläge ware n abe r vor allem deshal b problematisch, wei l si e grundsätzlich e politisch e Entscheidunge n implizierten . E s galt z. Β. , die einander gegenüberstehenden Interessen der Grundeigentümer, die von den Änderunge n i m Verkehrsnetz Nutze n zogen , mit de n Interesse n dere r i n Ein klang z u bringen , di e davo n Nachteil e erwarte n mußten . Solch e Änderungsplän e stießen soga r gelegentlic h au f gewaltsame n Widerstand , z . Β . bei de n Mühlheime r Kohlenträgern un d de n benachteiligte n Mühlheime r Grundeigentümer n i m Jahr e 1838. Die Überwindung diese r Opposition erwies sich als sehr viel schwieriger als die Aufbringung de r Koste n fü r di e Verbesserungen. 5 Die neuen Industrieunternehmer sahen sich aber auch noch anderen, weit schwer66 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

wiegenderen Probleme n gegenüber : E s galt , sowoh l Stammlieferante n al s auc h Stammkunden z u finden, dere n Reaktio n mi t einiger Sicherheit vorauszusehe n wa ren. Es galt, wi e bei Krupp, tüchtige Arbeiter und Vorarbeiter zu finden. Vielleich t hatte Dortmunds Bürgermeister Brügmann diese Schwierigkeiten i m Auge, als er im Jahre 1833, seine Stad t entschuldigend , schrieb : „Fabrike n gedeihe n bekanntlic h nicht in einer Ackerstadt" 6. Vo n entscheidender Bedeutung war schließlich die Haltung des preußischen Staates. Um nur ein Beispiel zu zitieren, gelang es in der Ruhrindustrie erst durch die Ermäßigung der Bergwerksangaben und durch den Abbau des bevormundenden Direktionsprinzips in den Reformgesetzen von 1851 und 1865, eine stärkere Investitionsneigun g freizusetzen. 7 Noch bedeutender als diese Schwierigkeiten und institutionellen Hemmnisse ist für unsere Überlegung aber die Tatsache, daß Geldkapital im Ruhrgebiet und seiner westfälischen Umgebun g i n der ersten Hälfte de s 19. Jahrhunderts relati v reichlich vor handen war. Dies wird uns nicht weiter erstaunen, wenn wir bedenken, daß Deutschland zu dieser Zeit als Ganzes überhaupt als Land des Kapitalüberschusses galt. 7a Für Westfalen z. Β . haben wir relativ detaillierte Angaben über die Anfänge der Sparkassen, und diese zeigen ziemlich eindeutig , da ß das Hauptproblem de r Sparkassen z u dieser Zeit der Mangel a n Möglichkeiten zu r Unterbringung de r Spargelder war . In den 30er Jahren gingen sogar einige neugegründete Sparkassen wegen „zu großer Liquidität" wieder ein , und auch die Zurückweisung vo n Spargeldern kam häufig vor . Auf Anfrag e de r preußischen Regierung, o b die geplante Gründung eine r Sparkasse weiter fortgeschritte n sei , antwortet e di e Stadt Hage n i m Jahre 1833: „Wir sind alle - auf Erfahrung gestützt - einstimmig der Ansicht, daß die Ausführung hauptsächlich a n der Schwierigkeit de s Unterbringens de r Gelde r scheiter n würde . Denn wer einigermaßen Sicherheit zu leisten imstande ist, kann Geld genug erhalten, was hauptsächlich de m Umstande zuzuschreibe n ist , da ß wegen Sterben s mehrere r Kreditzweige Kapitalie n au s de m Hande l bezoge n un d verzinslic h untergebrach t werden."8 Was für ein e industriereiche Stadt wie Hagen zutreffen konnte , traf für die Ruhrstädte u m so mehr zu. S o schrieb Bochum s Bürgermeiste r i m Jahre 1834: „Das Bedürfnis will auch hier nicht sehr dringend erscheinen, indem der hiesige Ort eine Ackerstadt ist , wo Viehzucht eine n Haupternährungszweig mi t abgibt, un d die städtische Armenkasse zur Verpflegung de r Armen ausreichende Fonds besitzt, mehr also fü r Fabrikorter , di e Einrichtun g de r Sparkasse n sic h notwendi g darstelle n dürfte."9 In diese m Zusammenhan g sin d noc h zwe i weiter e Aspekt e de r Geschicht e de r Sparkassen erwähnenswert : 1. Die öffentliche Diskussion über die Sparkassen und ihre Aufgaben erwähnte nur selten einen möglichen Beitrag zur Finanzierung des industriellen Wachstums und betonte stat t desse n ihre sozialpädagogische Bedeutung , d a si e di e ärmere n Bevölke rungsschichten zu m Sparen ermuntern sollten. 10 Darin kommt m. E . die relativ geringe Bedeutung solcher monetärer Institutionen in den Frühphasen der Industriali67 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sierung zum Ausdruck. Allerdings zeigt diese Haltung auch den Konservatismus der preußischen Geldpolitik, denn eine Liberalisierung der Leihbestimmungen de r Sparkassen hätte zweifellos eine wesentliche Ausweitung der Sparkassengeschäfte bedeu tet. Die Sparkassen konnten zunächst z. Β . weder zweite Hypotheken beleihen noch Handelswechsel diskontieren . Un d da der Staat für die ersten Jahrzehnte den mehrmals erbetenen Übergang der Haftung vo n der Sparkassenverwaltung au f die städtischen Verwaltungen nicht erlaubte, konnte das Aktivgeschäft nu r mit äußerster Vorsicht betriege n werden. 11 2. Es muß betont werden, da ß in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts das Gewicht der Sparkassen in Westfalen und besonders im Ruhrgebiet stark zunahm. Dieses Wachstu m wurd e z. Τ . durch ein e Lockerun g de r ebe n erwähnte n Leihbe stimmungen gefördert , abe r noc h mehr durch di e Vermehrung vo n relati v sichere n Investitionsmöglichkeiten (z. Β . Hypotheken, kommunal e Obligationen und Wert­ papiere der Eisenbahngesellschaften) , di e den industriellen „Take-Off " diese r Jahre begleiteten. Bedeutsa m ist dabei, daß die mobilisierten Ersparniss e besonders an der Ruhr noc h schnelle r zunahme n al s die schwerindustriell e Produktion . I n den 50e r und 60er Jahren stiegen z . Β . die durchschnittlichen Spareinlagen in den Ruhrkreisen Bochum und Dortmund von etwa 360 000 Thaler auf rund 7,4 Millionen Thaler - ein Wachstum von 1.900 %! Die Tabellen 1 und 2 bieten einen Beleg für diese Beobachtung, di e noch durch die Feststellung unterstütz t wird, daß zwischen 1839 und 1869 die durchschnittliche n Spareinlage n de r Sparkasse n i n de r Provin z Westfale n vo n 204000 auf run d 36 Millionen Thaler , de r Anteil de r westfälischen Spareinlage n a n der Summe für ganz Preußen von 3,4 auf 30,4 % gestiegen sind. Dies erinnert uns an die oft übersehene Tatsache, daß schnelles Wachstum sowoh l vermögensbildend al s auch vermögensverzehrend wirkte und sich somit zu einem beträchtlichen Teil - ganz abgesehen vo n der Wiederinvestitio n de r Gewinne - selbst finanziert. 12 Wir dürfen natürlich die Bedeutung der Sparkassen nicht überschätzen. Sie spielten keine groß e Roll e be i de r Finanzierun g de s Aufbau s de r Ruhrindustrie . Ihr e Ge schichte kann abe r in diese m Zusammenhan g Hinweis e geben , wei l si e in gewisse n Beziehungen typisc h ist. Wenden wir uns nämlich anderen Unternehmen zu, so finden wir im großen ganzen die dargelegte Interpretation bestätigt. Das größte FinanzTabelle 1: Wachstumsindikatoren, Wachstu m in % Jahre 1830-40 1840-50 1850-60 186C-70 187C-80

Steinkohlenerzeugung*

Roheisenerzeugung*

Spareinlagen pr o Kopf i n Westfale n

74 68 162 171 90

85 82 1085 165

263 348 285

* Im Oberbergamtsbezirk Dortmund . Quellen: Marchand, Säkularstatisti k de r deutschen Eisenindustrie, S. 70, 75; Bruder, 68 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 2: Spareinlagen pr o Kop f i n Thaler n

Westfalen Dortmund

1843

1849

1858

1871

0,5 0,8

1,5 3,9

6,5 14,9

25,0 34,8

Quelle: Bruder .

unternehmen in der Provinz Westfalen z . Β. , das Münster'sche Contor der Königlichen Bank, sah sich bei der Suche nach Anlagemöglichkeiten ähnliche n Schwierigkeiten wie die Sparkasse gegenüber. Im Jahre 1827 argumentierte der Berliner Direktor der Bank (Struwe) gegen die Errichtung einer Prov. Hilfs-Kasse in Westfalen wege n des „allgemeine n verhältnismäßi g niedrige n Zinsfuße s sowi e de r Tatsache, da ß di e Lombards de r Hauptban k un d de r Bankkontor e imme r wenige r i n Anspruc h ge nommen werden und überall wenig Wechsel zum Diskontieren vorkommen". 13 Fast 20 Jahre später konnte eine Gruppe bedeutender westfälische r Unternehme r (unte r ihnen der allgegenwärtige Fritz Harkort) auf die „bekannte Tatsache" hinweisen, daß das Münster'sch e Conto r de n niedrigste n Zinssat z Preußen s hatt e un d infolg e de r damit implizierten begrenzten Anlagemöglichkeiten i n Westfalen Kapita l in anderen Provinzen, besonder s i m Rheinland, anlegte. 14 Diese r interregionale Kapitalexpor t war zur Zeit der Harkort'schen Klage eine schon fest eingebürgerte Praxis geworden wir finde n scho n für di e 20er un d 30e r Jahre Hinweis e darauf. 15 Ein Grund für den chronischen "Kapitalüberschuß" des westfälischen Banken„sy stems" in der ersten Hälfte de s 19. Jahrhunderts liegt darin, daß bestimmte Kategorien von Kapitalaufnehmer n vo n diese m „System " vollständi g ausgeschlosse n wur den.16 Die wenigen Privatbankiers in den kleinen westfälischen Städte n wie Münster hatte kein e Interess e daran , di e industrielle n Unternehme r i m Regierungsbezir k Arnsberg zu finanzieren, un d diese Unternehmen wandten sich dann an die größeren Bankhäuser i n Köln und Elberfeld. 17 Di e Königliche Ban k tru g zu dieser Situatio n bei, inde m si e di e Wechseldiskontierun g normalerweis e au f jen e beschränkte , di e Wechsel mi t de n Unterschriften vo n drei soliden Bankier s ode r Handlungshäuser n vorlegten. Im Jahre 1831 stand fest, daß das Münster'sche Contor in ganz Westfalen (dessen Bevölkerung immerhin die Millionengrenze überschritt) nur 34 Kaufleute als genügend „solide " bezeichnen konnte, um eine Kreditgewährung aufgrun d vo n nur zwei (statt der üblichen drei) Unterschriften zu rechtfertigen, un d zwar nur bis zu einem Höchstbetrag vo n 178000 Thalern. Die s gal t al s Liberalismus! 18 Da s Ausma ß dieser Beschränkung können wir daraus ersehen, daß von den genannten Unternehmern alle- mit wenigen Ausnahmen - fern der Industriezentren wohnten. Keiner dieser Kaufleute stammte aus Städten des Ruhrgebiets und nur 4 aus damaligen Industriestädten (Iserlohn , Altena und Barmen). So schlug die Stadt Soest, wo keine solchen Unternehmer waren, eine Liste von „Kreditwürdigen" vor, die für Sparkassenkredite in Betracht kamen. 84 angesehene Bürger (bei einer Bevölkerung von 7000) wurden genannt, und man wird kau m annehmen, daß eine Liste, bei der es nur um Sparkassenkredite ging , übermäßi g hoh e Risike n einschloß 19. Di e Politik de r Preußische n 69 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Bank wa r offensichtlich noc h nicht auf die Bedürfnisse de r Industrialisierung einge stellt. In den 50er Jahren wurden einige Zweigstellen der Preußischen Bank im Ruhrgebiet gegründet. Aber zu dieser Zeit hatte im allgemeinen bereits eine neue Phase der Geschichte de r Ruhrindustri e begonnen . Das Fazit dieser Überlegungen kann vielleicht in der folgenden Frage zuammengefaßt werden: Welches wären wohl die Konsequenzen eine r bedeutend größeren Expansion des westfälischen Banksektors gewesen als der tatsächlich erfolgten? Unsere gezwungenermaßen spekulativ e - Antwort lautet : Eine rein quantitativ e Expansio n hätte zu eine r entsprechen d größere n Kapitalmobilisierun g un d dami t z u größere n Kapitalexporten aus Westfalen geführt und die Entwicklung der lokalen Industrie nur am Rand e berührt. 20 IL Wie bedeutend oder unbedeutend das Vorhandensein von Kapital für das Wachstum in Westfalen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch gewesen sein mag, so sind sich di e Historiker i m allgemeinen dari n einig , da ß die Kapitalmobilisierung i n de r zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein ernsthaftes Problem darstellte. So wird es an dieser Stelle nützlich sein, einen kurzen Blick auf die Finanzgeschichte des Ruhrgebiets von etw a 1850 bis 1880 zu werfen . Historiker, die an der Rolle des Kapitals bei dem Aufbau der Ruhrindustrie interessiert sind, stehen vor dem doppelten Quellenproblem, da ß die staatliche Verwaltung im 19. Jahrhundert di e genaue n Dimensione n diese s Zusammenhang s nich t unter suchte und daß Unternehmer von sich aus wenig Auskunft hierübe r gaben. Auch der Wen derjenigen Angaben, über die wir verfügen, wird oft dadurch gemindert, daß die Kapitalabnutzung bzw . -abschreibun g nich t gena u zu klären ist . Wi r müssen in der Tat feststellen, daß nicht einmal alle Unternehmer jener Zeit Abschreibungen berück sichtigten. Schließlich muß hier auf eine methodische Schwierigkeit unserer Analyse hingewiesen werden. E s ist üblich, de n Kapitalbedarf durc h vergleichende Angaben über das zu verschiedene n Zeitpunkte n i n industriellen Unternehmunge n investiert e Kapita l darzustellen. Jedoch ist es nicht klar- abgesehen von den bereits angedeuteten Quel lenproblemen - , ob die Netto-Investition den eigentlichen Strom des Kapitalbedarfs, d. h . die Nachfrage nach Finanzierungsmitteln während einer bestimmten Zeitperiode, richtig darstellt. Jahresabschlüsse müssen nicht unbedingt die im Laufe eines Jahres beanspruchten Kredit e reflektieren, un d dennoch müssen wir diese berücksichtigen, um zu einer richtigen Beurteilung der Leistung der finanziellen Institutione n z u gelangen. Gerad e solche Daten sin d abe r schwer z u mobilisieren . Trotz dieser Schwierigkeiten sollen hier einige der wenigen uns bekannten Angaben über Kapitalbedar f i m Ruhrgebiet nac h 1850 angeführt werden . Ein Münsteraner Student , Hans-Jürge n Kinkel , ha t versucht, di e Kapitalbildun g im Ruhrgebiet zwische n 1830 und 1880 zu schätzen, inde m e r die Akten des Dort munder Oberbergamtes verwertete, di e sich nun im Staatsarchiv Münste r befinden . 70 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Seine Schätzungen basiere n au f eine r Auswah l vo n Größe n un d Beziehungen ; Wer t pro Ku x de r Bergwerksgewerkschaften, Zah l de r sog . Großgewerkschafte n al s Pro zentsatz alle r Gewerkschaften ; Antei l de r i m Hütten - un d Maschinenbauwese n Be schäftigten al s Schlüssel zum Anteil am Gesamtkapital; Dampfmaschinen; schließlic h bekannte Angabe n übe r da s Kapita l de r i m Ruhrgebie t zwische n 1840 und 1860 gegründeten Aktiengesellschaften . Di e Ergebnis e seine r Berechnunge n werde n i n Ta belle 3 in etwa s ergänzte r For m wiedergegeben . Tabelle 3: Das i n de r Schwerindustri e de r Ruh r angelegt e Kapital , 1840-1870 in Millione n Thaler n (geschätzt ) Jahr

1840 1850 1860 1870

Bergbau AG Gewerkschaften

1,5 3,5 30 —

— 2,5-3,0

70

Hütten- u . SchwerMaschinen- industrie bau zus. 1,0-1,5

3,0

Eisenbahngesellsch.

Gesamt

— 13 30 —

2 , 5 - 3, 0 22,0-22,5

1,5-3,0 9,0-9,5

100 220

130 —

Quellen: H.-J. Kinkel, Kapitalbildun g und Finanzierungsprobleme im Ruhrgebiet, 1830-1880, Dipl.-Arbeit (WISO) Münster 1968; W. Däbritz, Denkschrif t zu m Bestehen der Essener Creditanstalt, Esse n 1922, S. 34—40; L. Klnitmann, Der gewerbliche Geld- und Kapitalverkehr im Ruhrgebiet, Bon n 1931. Kinkel hatte keine Schätzung für die Zeit nach 1860 gewagt. Für diese Zeit ist es tatsächlich schwierig , Zahle n herzuleiten , di e da s Ruhrgebiet vo m Res t Preußen s abhe ben. Abe r wen n wi r fü r di e Jahre vo n 1860 bis 1870 vom selbe n Verhältni s zwische n neuem Kapital und zusätzlichen Bergwerksarbeitern ausgehen , das die 50er Jahre charakterisierte (etw a 5 500 Thaler), dann betrüg e die Summe von „schwere m industriel lem" Kapital , da s in den 60er Jahren gebilde t wurde , ungefäh r 120 Millionen Thaler . (Wegen de s beobachteten Produktivtätswachstums un d der relativen Beschäftigungs zunahme nach 1860 im Metall- und Maschinenbausektor is t diese Schätzung bestimm t zu niedrig) . Schließlich besitze n wi r Angaben fü r die Gründerzeit von 1871 bis 1874, aus denen hervorgeht, da ß etwa 180 Millionen Mark für Neugründungen, Kapitaler höhungen un d Umgründunge n vo n Aktiengesellschafte n de s Ruhrgebiet s emittier t worden waren. Dies e Summe dürfte rund ein Drittel der gesamten Industrie-Wertpa pier-Ausgaben i n Preuße n i n diese r Zei t betrage n haben. 2 1 Ich erwähn e dies e Zahle n nu r al s Orientierungsgrößen, u m de n Umbruc h u m di e Jahrhundertmitte noc h einma l z u verdeutlichen, d . h . u m di e begrenzten Kapitalbe dürfnisse vo r 1850 und die rasche Steigerung danach zu unterstreichen. I n diesem Zu sammenhang is t die Tatsache wichtig, da ß die Privatbankiers un d ähnliche Geldinsti tute der benachbarten Rheinprovin z scho n um 1845 ein geschätztes Kapita l von etw a 20 Millionen Thaler n (= 6 0 Mill . Mark) aufwiese n un d daß ihr e absolute Expansio n den Bedar f de s Ruhrgebiet s vo n 1850 weit übertraf . Selbs t di e verhältnismäßi g schwach entwickelten westfälische n Geldinstitut e verfügten u m 1845 über ein Eigen -

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kapital, da s au f etw a 4,3 Milllionen Thale r geschätz t werde n kann. 2 2 Wi r stelle n als o fest, da ß rei n quantitativ gesehe n auc h die westfälischen Geldinstitut e den Bedürfnis sen de r damalige n Ruhrindustri e durchau s gewachse n gewese n wären . Doc h fie l i n den folgenden Jahre n dies e Quelle wei t hinter den steigende n Bedar f zurück , wi e au s einem Vergleic h zwische n Tabell e 3 und 4 hervorgeht. Tabelle 4: Eigenkapital vo n Geldinstitute n (ausschließlic h de r AG ) im Rheinlan d un d i n Westfale n 1845 und 1858 in Millione n Thaler n Jahr Zahl 1845 1858

98 131

Rheinland Kapital 20,0 45,9

Zahl

Westfalen Kapital

17 42

4,3 7,3

Quellen: R . Tilly, Financial Institutions an d Industrializatio n i n th e Rhineland , 1815-1870 , Madison 1966 ; C. F . W . Dietenci, Statisti k de s preußischen Staates , Berli n 1865, S. 675. Natürlich müsse n wir in Betracht ziehen , da ß die durch da s industrielle Wachstu m entstehende Kapitalnachfrag e nich t allei n von der Größe, sonder n auc h vom Charak ter des Wachstums abhing . Di e rasche Entstehun g vo n vielen neuen , etw a gleich gro ßen Firme n un d di e nur gering e Vergrößerung de r bestehenden hätte n ohn e Schwie rigkeiten mi t Hilf e de r traditionellen lokale n Kreditnetz e finanzier t werde n können . Größere und dementsprechend weniger zahlreiche - Unternehmungen wi e Aktienge sellschaften würde n i n diesem Netz schwerlich Aufnahm e finde n können , d a s i e- u m Sidney Pollard s treffenden Ausdruc k z u benutze n - „wie Wale unter de n Elritzen" 23 erscheinen müßten . Diese lokale n un d familiengebundene n Kreditnetz e ware n scho n lang e di e Haupt quellen be i de r Finanzierung de r Expansio n i m märkische n Raum, 2 4 un d si e entfalte ten sich auc h im Ruhrgebiet. Zweifello s aufgrun d diese r Erfahrun g bemerkt e der be kannte Düsseldorfer Bankie r Geheimra t Leffson , da ß da s Ruhrgebie t „durc h Wech selreiterei groß geworden sei". Die weitverbreitete Benutzung von Staatspapieren, Ei senbahnobligationen un d -aktien , Zinskupons , Sparkassenbücher n un d lokale n Schuldscheinen (sog . Handscheinen ) als Zahlungsmittel un d somi t als Mittel der Kre ditschöpfung is t ein bedeutender Hinweis au f die Beweglichkeit un d das Expansions vermögen diese r nichtspezialisierte n Finanzierungsform. 25 Eine n Inde x diese r Ex pansion dürfe n wi r i n de r Entwicklun g de r Umsätz e de r Filiale n de r Preußische n Bank erkennen , den n di e Hauptfunktio n diese r Institutio n wa r gerad e di e Finanzie rung bzw . Refinanzierun g solche r kurzfristige r Wechselkredite . Ein wichtiger Grun d fü r die Bedeutung diese r Finanzierungsform nac h 1850 findet sich in der Tatsache, da ß die fixe ode r vielmehr die unteilbare Komponent e der Inve stitionen eine r neuen Bergwerks- oder Hüttengesellschaft zuers t nicht so wichtig wa ren wi e jen e Anlagen , di e allmählic h erweite n werde n konnten . Au f de r eine n Seit e

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Tabelle 5: Durchschnittliche jährlich e Umsätz e de r Preußische n Ban k bzw. (a b 1875-79) der Reichsban k i m Ruhrgebie t Jahr

1855-59

in % des Gesamtumsatze s in Millione n Thaler n

1,1

16,2

1865-69

3,7 87,3

1875-79

2,6

334,2

Quellen: Jahrbuch für die amtliche Statistik des preußischen Staates, Bd. II, 1867; Bd. IV, 1876; Bd. V, 1883 . war der Hauptbestandteil de r Unternehmenskosten di e Entlohnung de r Arbeitskräfte , und diese konnte n jeweil s variier t werden , wi e z. Β . während de r Kris e von 1858 bis 1859, in der nach eine m Bericht Tausende von neuangeworbene n Lohnarbeiter n un d Arbeiterinnen wiede r vo n de r Dortmunde r Gegen d wegzogen. 2 6 Gebäud e un d Bo den konnte n angemiete t bzw . gepachte t werden . Rohstoffe , soga r Kapitalgüte r wi e Dampfmaschinen, konnte n au f mittel - bi s langfristig e Kredit e angeschaff t werden . Andererseits konnte n di e neue n Unternehmunge n auc h di e Inanspruchnahm e ihre r Kapitalgeber insofern aufteilen , al s die Bareinlagen au f Aktien in Raten erfolgte n un d u. U . verschobe n un d auc h durc h zusätzlich e Obligationsausgab e ergänz t werde n konnten. Wa s di e alternativ e Unternehmensform , di e Gewerkschaf t anbelangte , s o waren häufi g di e Besitzanteile, di e Kuxen, seh r klein gestückelt , z . Β . in Anteilen z u 3,5 und 10 Thalern. 27 Schließlich können wir aus den Gründungs- und Konkursstati stiken entnehmen, da ß ein Teil des Wirtschaftswachstums nac h 1850 auf eine Vermehrung de r Zahl von vermutlic h kleinere n Firme n zurückzuführe n is t (s . Tab. 6 und 7) und somi t i m Rahme n de r traditionelle n Finanzierungsforme n bleibe n konnte. 2 8 Statt weiter e Einzelbeispiel e aufzuzähle n sol l au f di e Aufgab e de r wirtschaftsge schichtlichen Forschun g verwiese n werden , di e Kapital - un d Kostenstruktu r de s Ruhrgebiets vo n 1850 bis 1880 systematisch-quantitativ z u erfassen . Es soll hie r nich t di e These vertrete n werden , da ß die Kapitalmobilisierun g fü r di e Tabelle 6: Neugründungen un d Konkurs e un d Antei l de r „Schwerindustrie " dara n in de n Kreise n Dortmun d un d Bochu m Jahre 1830-40 1841-50 1851-60 1861-70 1871-80 1881-90

Neugründungen

% Schwerindustrie*

Konkurse

% Schwerindustrie*

25 70 171 99 184 134

16 9 38 30 14 14

1 7 40 3 6 130

0 0 5 0 0 2

* Kohlenbergbau, Metallverarbeitung , Maschinenbau , sonstig e Investitionsgüte r produzie rende Unternehmungen . Quelle: F . Gehrmann , unveröffentl . Manuskrip t übe r Konkurs e i n Deutschland .

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Tabelle 7: Die Kohlenbergwerk e i m Oberbergamtsbezir k Dortmun d

Jahr

Zahl

1850 1860 1870 1880

198 281 220 197

Quelle: Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehen s des Vereins für die bergbaulichen Interessen i m Oberbergamtsbezir k Dortmun d i n Essen , 1858-1908, Essen 1908, Tabelle S . 17. Bergbau- un d Hüttenunternehme r de r Frühindustrialisierun g überhaup t kei n Pro blem gewesen sei . Die Nachfrage nac h größeren Kapitalsumme n wa r in der Tat ziem lich konzentriert . Wi e Luis e von Winterfel d berichtet , „hatte n meh r al s 23 neue Ak tiengesellschaften mi t einem Gründungskapital vo n mindestens 53 Millionen Mar k i n den Jahren 1855/56 ihren Sitz in Dortmund aufgeschlagen" , und diese Unternehmun gen konnten kau m dami t rechnen, i n Dortmund selbs t da s von ihnen benötigt e Kapi tal z u finden . Wolfra m Fische r zitier t di e Däbritzsche Schätzun g de r Neuinvestitio nen i m Industriebezier k de r 50e r Jahre vo n 100 Millionen Thaler n un d stell t fü r di e Kapitalbildung i n de r gesamte n Kleinindustri e de s Gebiet s ein e Summ e vo n 10 bis 20 Millionen Thaler n gegenüber , als o 10 bis 20 % der erstgenannte n Größe. 2 9 Die s bedeutet, da ß da s Hauptproble m i n de r Finanzierun g de r große n neue n Unterneh mungen bestand . Hie r haben wir es ohne Zweifel mi t einer Diskontinuität i n der Ent wicklung zu tun, da vor der tatsächlichen Produktionsaufnahme bestimmt e Ausgabe n unumgänglich waren . Di e Mutungen de r Kohlenfelder mußte n bestätigt bzw. gekauf t werden un d ware n nich t billig . Nac h Däbrit z z . B . sin d Ausgabe n i n Höh e vo n 60000, 12000 0 und 162000 Thalern typisc h fü r di e 50e r Jahren . Hinz u ka m da s Durchbohren de r Mergeldeck e un d da s Abteufe n de r Schachtanlagen , wa s of t seh r viel Zei t un d Gel d kostete . W . Fische r nenn t da s „Investitionsschwelle " fü r di e neu e Aktiengesellschaft de r 50er Jahre die Summe von 500 000Thalern un d als Mindeslauf zeit bi s zu r regelmäßige n Förderun g 4 Jahre. 3 0 Natürlic h konnte n di e Unternehme r diese Auslage n auc h verschiebe n bzw . durc h de n vorzeitige n Verkau f z. Τ . wieder flüssigmachen, abe r vom Gesichtspunkt de r Gesamtruhrwirtschaft au s gesehen, blie b das Kapital gebunden ; den n wenn dies e Investition nich t zu Ende geführt wurde , wa ren di e Auslage n wertlo s un d unproduktiv . Deswege n zahlte n s o viele Aktiengesell schaften de r Bergbau- un d Eisenhüttenindustri e vo r de n 60e r Jahren kau m Dividen den. 3 1 Es gab als o bei m Aufba u de r Ruhrindustrie nac h 1850 ein Finanzierungsproblem . Wie wurd e diese s gelöst und welch e Entwicklungstendenze n zeichne n sic h dabei ab ? Eine auc h nu r approximierend e quantitativ e Antwor t is t noc h kau m möglich ; doc h läßt de r jetzig e Stan d de r Forschun g di e folgende n tentative n These n zu . Erstens könne n wi r feststellen , da ß sic h di e Hauptkapitalquelle n mindesten s bi s 1880 im Ruhrgebiet selbst befanden. I n erster Linie wird wohl di e Selbst- oder Innen finanzierung di e Hauptkapitalquell e industrielle r Unternehme n de s Ruhrgebiet s

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während diese s Zeitraumes gewesen sein . Dennoch kan n man von drei weiteren Fi nanzierungsquellen sprechen , di e Bedeutun g hatten : a) a n erste r Stell e Handels - und Lieferantenkredite ; b) a n zweiter Stelle die langfristigen Kredite , die die lokalen Kapitalisten (einschl . der wenige n Bankier s i n dieser Gegend ) ihren Verwandten un d Freunden zu r Verfügung stellten ; c) un d schließlich langfristige Kredit e sowie die Placierungen von Aktien und Kuxen durch einige neugegründete Institutionen , wi e die Essener Credit-Anstal t (gegründet 1872) und die Essener Montanbörse (besonders wichtig nach 1865). Ich möchte behaupten, daß von 1850 bis 1880 mehr als die Hälfte des jährlichen Kapitalstromes aus „einheimischen" Quellen stammte, wobei dieser Anteil während der beiden Boom s von 1852 bis 1857 und 1869 bis 1873 nach unte n tendierte . Zweitens: Das auswärtige Kapital kam vor allem von oder durch drei Quellen: die Kölner Bankiers, die Aktienbanken, besonder s Berlin, un d durch ausländische Unternehmer aus England, Frankreich, Belgien und Holland. Die ausländischen Investitionen waren besonders auf die 50er Jahre konzentriert, und zwar in der Form der Direktbeteiligung. Ihr e Bedeutung la g vor allem i n der Verbindung mit ausländische n Technikern un d Unternehmern un d deren „erzieherischem " Aspek t im Ruhrgebiet . Der Anteil der auslandichen Investitionen dieser Zeit im Ruhrgebiet belief sich möglicherweise auf 15 % und vielleicht auf noch mehr im Jahre 1857, als er am größten war. Erst nach 1880 wurde dieser Beitrag unbedeutend. Die Tätigkeit der Kölner Bankiers im Ruhrgebiet ist vor allem deshalb wichtig, wei l diese zu Beginn der 40er Jahre sowohl die ersten Eisenbahngesellschaften al s auch große Gesellschaften, wi e den Kölner Bergwerksverein ode r den Hörder Hüttenverein, organisierten und finanzierten , d.h. wei l sie Pionierinvestitionen durchführten . Gege n Ende dieser Periode wurden sie i n diese r Beziehun g meh r un d meh r von de n größere n Aktienbanke n abgelöst . Hierbei ist es interessant festzustellen, daß sich die Tätigkeit der Kölner Bankiers zum großen Teil aus früheren Kontakte n über die Kontokorrentbeziehungen mi t ruhrnahen Unternehmern und aus der guten Kenntnis der im Ruhrgebiet vorhandenen Möglichkeiten heraus entwickelte. Gleichzeitig ist es erwähnenswert, daß gerade das Fehlen von engen Beziehungen zwische n den Berliner Banken und den Ruhr-Industrie Unternehmungen erklärt , warum ihre Bedeutung vor 1880 auf die Verbindung zu einer relati v kleine n Zah l vo n spektakuläre n Unternehmunge n - wie z. Β . der Hen ­ richshütte bzw. de r Dortmunder Union - und auf die Unterstützung de r rheinischwestfälischen Bankier s i n ihre n Bemühungen , Ruhr-Wertpapier e au f de r Berline r Börse zu placieren32, beschränkt blieb. Darin kommt zum Ausdruck, daß für erfolg versprechende Finanzierungsgeschäfte a n der Ruhr vor 1880 eine besondere Erfah rung erforderlic h war , di e au f di e dor t ansässige n Geldinstitut e beschränk t blieb . „Blindes Kapital" , da s sich vor allem i n Berlin anhäufte , konnt e noch nich t fü r di e Ruhrindustrie mobilisier t werden . Diese beide n Thesen führe n z u eine r dritte n Thes e un d werde n zu m Tei l durc h diese gestützt. Die Kapitalknappheit kann gegen das Ende des Booms der 50er Jahre und wiederum in den 70er Jahren deutlich als wachstumshemmender Faktor identifi ziert werden. Dies kann man auch an der Entwicklung de r Zinssätze sowie der Kre75 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ditbedingungen ablesen. Während der 60er Jahre z. Β. stieg der Anteil der langfristi ­ gen Fremdfinanzierungsmitte l i m Ruhrbergbau, wa s al s ein e Verschlechterung de r Kreditbedingungen un d daher als Symptom der Kapitalknappheit interpretier t wer ­ den kann.33 Auch gewann interessanterweise die Gewerkschaftsform de s Bergbauun­ ternehmens wieder an Bedeutung, z. Τ . weil die Bergwerksreform vo n 1865 die Ge­ werkschaftsanteile, di e Kuxen, mobiler machte, aber auch deshalb, weil man sich im Ruhrgebiet vorwiegen d au f lokal e Geldressource n angewiese n fand . I n de n Boom s der 50er und 70er Jahre war es der Ruhrindustrie gelungen, auswärtiges Kapital heranzuziehen, das aber nicht auf die Dauer festgehalten werden konnte. Eine dauerhafte Investition in der Ruhrindustrie erforderte Spezialkennntisse, die damals nur am Industriestandort selbs t erworbe n werde n konnten. 34 Diese allgemeinen Beobachtunge n sin d gezwungenermaßen spekulativ , wei l wei tere Forschungen, die allein ihren Anspruch auf Gültigkeit bestätigen können , noch nicht durchgeführt worde n sind. Es gilt z. Β. , den Kapitalbedarf der Ruhr durch eine systematischere Behandlung der firmengeschichtlichen Literatu r und aller vorhande­ nen betriebsgeschichtlichen Unterlagen, genauer zu erfassen. 35 Die Geld- und Kapi­ talmarktstatistiken müssen systematisch ausgewertet werden, indem die Geschäftsberichte im Hinblick auf Daten über die Gewinne und die Bedeutung der Fremdfinan zierung untersuch t un d indem di e Entwicklung de r Zinssätze bzw . de r Kursbewe gung de r Wertpapiere i n ihren geographisc h un d sektoral bedingte n Unterschiede n verfolgt werden . Dies beinhaltet viel langwierige Kleinarbeit . E s bedeutet abe r auch eine Verschiebung des Blickwinkels der „Ruhrforschung", denn die Betonung solcher funktionaler Beziehunge n führt zwangsläufi g z u einer überregionalen Betrachtungs weise - nicht zuletzt wei l di e relevanten Date n in überregionaler For m vorliegen -, läßt also die übliche Betonung der Eigenarten des Ruhrgebiets zurücktreten. Das Ziel dieser Bemühungen - die Integration der Finanzierungsgeschichte der Ruhrindustrie mit der Geschicht e de r deutschen Industrialisierun g überhaup t - dürfte bedeutsa m genug sein , de n Versuc h z u rechtfertigen .

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5. Zur Entwicklung de s Kapitalmarktes im 19. Jahrhundert 1. Der Begin n de r moderne n Welt , de r vielerort s mi t de m beschleunigte n Wande l i n Westeuropa i m 18. Jahrhundert gleichgesetz t wird , ha t auc h de n gesellschaftliche n Teilbereich de s Geld - und Kapitalverkehr s miterfaßt . Da s Wachstum eine s überregionalen Banksystems , di e Entwicklun g de r Kreditgab e un d de r Verschuldung z u weitgehend akzeptierten Normen der Gesellschaft, die Entstehung einer Literatur - ja sogar die Wissenschaft de r politischen Ökonomie -, die darüber reflektierte, 1 doku mentieren dies e Entwicklung . Dennoc h is t e s ausgesprochen schwierig , i n einige n Zeilen der Vielfalt der angesprochenen Probleme, vor allem den regionalen und internationalen Differenzen de r Entwicklung selbs t allein in Europa, gerech t zu werden. Die folgenden Bemerkungen versuchen daher lediglich einen Teil der Problematik zu thematisieren. Sie gehen der Frage des Verhältnisses Kapitalmarkt und Industrialisierung i m 19. Jahrhundert nac h un d illustriere n e s a m Beispie l de r Entwicklun g i n Großbritannien un d Deutschland . Ein abgrenzender, definitorischer Hinwei s zu Beginn: Unter Kapitalmarkt wird im Folgenden die Gesamtheit aller Institutionen verstanden, die sich mit dem langfristi gen Kapitalverkehr beschäftigen: Banken , Versicherungsgesellschaften, Börsenmak ler, Industrieaktiengesellschaften usw . Das Interesse gilt also nicht ausschließlich der Börse bzw. dem Effektengeschäft de r Banken. Gemeint ist der Kapitalmarkt im weiteren Sinne. Eine endgültige Abgrenzung dem Geldmarkt gegenüber, wo kurzfristig e Finanzierungstransaktionen abgewickel t werden, wird nicht versucht. Da schließlich nicht alle relevanten Handlungen an einem Ort oder von einer Teilnehmergruppe ausgeführt wurden, ist die Bezeichnung „Kapitalmarkt " etwas ungenau; diese Ungenauigkeit ist aber in der Fachliteratur üblich und deshalb vielleicht auc h hier entschuldbar. Für Wirtschaftshistoriker de s Industrialisierungszeitalters is t die Entwicklung de s Kapitalmarktes ei n bedeutsames Thema. Diese r Markt is t ja der Ausdruck jene s im 19. Jahrhundert zu r Weltdominan z emporgestiegene n individualistische n Wirt schaftssystems, i n dem Investitions- und Sparentscheidungen weitgehend dezentralisiert, ungeplant und getrennt voneinander gefällt wurden. Er funktionierte zudem als Nervenzentrale de s Systems besonder s dann , wen n di e Synchronisierun g de r Ent scheidungen fehlerhaft ist. Sein Beitrag zum allgemeinen Wirtschaftswachstum läßt sich theoretisch i n de r Reduktio n de s Kapitalertragsgefälle s erkennen , di e durc h finan zielle Vermittlung zwische n zwei oder mehreren Gruppen von Kapitalanlegern - regional ode r sektora l voneinande r getrenn t - bewirkt wird. 2 Sprich t ma n in diese m 77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Falle von „Benefits" oder Erträge n de s Kapitalmarktes , s o muß ma n von de n Koste n eines solchen dezentralisierte n Kapitalverkehr s sprechen , wen n z. Β . in Krisenzeite n die Instabilitä t eine s Teil s de r Wirtschaf t au f ander e Teil e ausgedehn t un d etwaig e Wertverluste somi t potenzier t werden . Di e Koste n de r fehlende n Synchronisierun g können natürlic h auc h durc h verbessert e Organisatio n de s Kapitalmarkte s reduzier t werden, wa s dan n i m Vergleic h zu m Statu s qu o ant e eine m positive n Beitra g zu m Wirtschaftswachstum gleichkäme . Jedoch lieg t die historische Bedeutung de s Kapitalmarktes i m weiteren Sinn e nich t allein i n konkrete n ökonomische n Beiträgen , sonder n auc h i n seine m Charakte r al s Symbol ode r ga r Garan t eine r vo m Privatvermöge n dominierte n Gesellschaftsord nung. I n diese m Zusammenhan g se i dara n erinnert , da ß au f de m Kapitalmark t nich t nur de r Finanzierungsbedar f de r Realkapitalbildun g gedeck t wird , sonder n auc h da s ertragsuchende Geldkapita l z.B . vo n Rentier s ode r Banke n erscheint . Interessan t und relevan t ist in diesem Zusammenhan g auc h di e mit der Entfaltun g de s moderne n Kapitalismus, vo r allem von John Lock e i m Englan d de s 17. Jahrhundert, aufgegrif fenen Lehr e von der Bedeutung de s Privateigentums un d insbesondere des Geldkapi tals als Basis einer neuen politischen Macht , welch e eine n Gegenpo l zu r Religion un d Tradition bildete. 3 Dies heißt nicht, da ß die Quellen de r gesellschaftlichen Machtver teilung allei n i m Geldkapita l ode r Kapitalmark t lägen , sonder n nu r da ß dies e al s er gänzende Instrument e de s Herrschaftsystem s z u interpretiere n sind . Der Hinwei s au f Lock e un d di e politisch e Bedeutun g de s Geldkapital s is t u . E . wichtig. Betrachte t ma n di e Entwicklun g de s Kapitalmarkte s al s einen Teilaspekt de s Beginns de r modernen Welt , s o stellt sich zunächst di e Frage nach de r Bedeutung de r Begriffe „Beginn " un d „modern" . Sinnvollerweise solle n di e hier nich t das erstmalig e Auftreten vo n moderne n Einrichtunge n wi e Aktiengesellschafte n ode r Hypotheke n bezeichnen, sonder n di e historisch e Phase , i n de r dies e zu m wichtige n wirtschaft lich-gesellschaftlichen Einflußfakto r werden . Gerad e dies e Phas e läß t sic h a n Han d politischer Verschiebungen, di e mit finanzpolitischen Änderunge n verbunde n waren , identifizieren. Freilic h sin d dabe i international e Unterschied e z u beachten . Fü r Großbritannien z . B. kan n man den Beginn dieser Phase recht früh mit der rechtliche n Absicherung un d Kommerzialisierun g de s Landmarkte s i n de r zweite n Hälft e de s 17. Jahrhunderts un d desse n bedeutsame r Konsequen z eine s star k sinkende n Zins satzes ansetzen , ein e Entwicklung , di e fast direk t au s der bürgerliche n „Eroberung " des Staates ableitbar ist. 4 Mit der Errichtung de r Bank von England im Jahre 1694, der damit intensivierte n Verschränkun g zwische n Geldkapita l un d Staat , un d de r darau s resultierenden Geld - un d Finanzpoliti k („Finanzrevolution" ) schein t i m nachhinei n die Wend e z u moderne n Forme n i m Bereic h de s Kapitalverkehr s i n Großbritannie n endgültig gewese n z u sein. Fü r Deutschland is t de r „Begin n de r modernen Welt " i m Bereich des Kapitalverkehrs auch eine politische Zäsur. Sie kann - trotz wichtiger An sätze i n For m de r da s bürgerlich e Kapita l mobilisierende n Landschafte n Preußen s schon i m 18. J a h r h u n d e r t - mi t de n a m End e de s 18. Jahrhunderts au s Frankreic h kommenden Schockwelle n un d der Beginn de r Reformen de s alten preußischen Staa tes a b 1806 datiert werden. 5 Trotz Phasendifferenze n bei m Vergleic h zwische n Großbritannie n un d Deutsch -

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land, scheint als o manches fü r de n Zusammenhang zwische n politische r Zäsu r und Modernisierung de s Kapitalverkehr s - zumindest al s Arbeitshypothese - in beide n Ländern zu sprechen. Im Folgenden soll dieser Zusammenhang in Erinnerung gehalten werden, wen n auc h darau f nich t systematisc h un d explizit eingegange n werde n kann, wei l die Würdigung de s Beitrages des Kapitalmarktes zur Industrialisierung die Fragestelltung de s vorliegenden Beitrag s - letzten Ende s nicht ohn e Bezug zu m politischen Bereic h historisc h sinnvol l eingeordne t werde n kann .

//. Thesen zu r Geschicht e de s britische n Kapitalmarkte s 1. Die Ursprünge des britischen Kapitalmarktes sind im Finanzbedarf des Staates und bei de n Geldkapitalressource n de r englische n Kapitaliste n z u Anfang de s 18. Jahrhunderts zu finden. Die großen Errungenschaften vor 1800 können mit den Stichwörtern „Finanzrevolution " (Dickson: 1967 ) und „Consols" umrissen werden. Das Revolutionäre bestand darin, Kreditoren des Staates einschließlich der Masse der Benutzer des vom Staat geprägten Metallgelde s schonend , d . h . marktgerecht , z u behan deln. Augenfälli g wa r diese Einstellun g be i der o. e . Gründun g de r Bank von England, die ja zur Besserung des Staatskredits konzessioniert wurde, 6 aber auch die sogenannte große Münzreform vo n 1695-97 lief in die gleiche Richtung, d a sie zum ersten Mal (seit 1299) eine Ummünzung darstellte, die nicht der direkten Einnahmeer höhung des Herrscherhauses durch eine faktische Besteuerung des Geldbesitzes dienen sollte.7 Die Bereitschaft de s Staates, seine Finanzen den Vorstellungen der Kapitalisten anzupassen , gewährt e ihm eine relativ stark e Kreditposition, di e u.a. i n der zunehmenden Bedeutun g de r „Consols" als Bestandtei l de s private n Vermögen s deutlich wurde . Si e kame n de r Industrielle n Revolutio n Großbritannien s insofer n zugute, al s durch diese „Finanzrevolution " ein e größer e Markttransparen z zu r Er leichterung de r Kapitaltransferierun g erreich t wurde , un d durc h diese n Mark t be stimmte Infrastruktur-Investitione n finanzier t werde n konnten , nich t zuletz t dan k fallender Zinskosten. 8 2. Die Industriell e Revolutio n - als Prozeß de r Bildung vo n Industriekapital be trachtet - ist weitgehen d ohn e direkt e Einschaltun g de s Kapitalmarkte s finanzier t worden. Dies erklärt sich einmal durch die relativ begrenzte Bedeutung des Fixkapitals in dieser Entwicklungsstufe, welch e eine starke Benutzung der Handelskredite als Finanzierungsquelle erlaubte, und zum anderen durch die noch bedeutende Rolle der Familie al s Kapitalverband. 9 3. Das 19. Jahrhundert steht für Großbritannien unter dem Zeichen des Problems der Absorbierung eine s finanziellen Überschusses . Zunächs t lieg t nac h 1815 dieses Problem i n de m Abbau de r sei t 1790 aufgeblähten Staatsverschuldung ; etwa s späte r besteht es aus der Absorbierung des während der Industriellen Revolution nich t nur von Industrieunternehme n akkumulierte n Geldkapitals. 10 a) Zu r Staatsverschuldung gibt Tabelle 1 einen Überblick. Ganz im Sinne des eng79 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 1: Staatsverschuldung un d Volkseinkommen i n Großbritannien 11 (Millionen £) Jahr

Verschuldung

Volkseinkommen3

1819 1839 1869 1899 1909 1913

844 788 751 599 716 662

300

a

936 1750 1980 2050

Au s P. Deane und W. Cole, British Economic Growth, 1688-1959 , London 1969, geschätzt.

b Zahle n aus

P. Mathias, Th e First Industrial Nation, London 1969, Tabelle 13.

lischen Liberalismus setzte der Staat Geldkapital frei. Gerad e diese Freisetzung produzierte indessen Probleme für die an einem angemessenen Zinseinkommen interes sierten englische n Kapitalisten . b) Hinz u kommt die Tatsache, daß die Industrielle Revolution, obwoh l sie oft als Prozeß des arbeitssparenden technische n Fortschritts charakterisiert wird , zunächs t nicht nur relativ wenig Fixkapita l beanspruchte , sonder n selbs t zu m großen Teil als kapitalsparender Prozeß bezeichnet werden könnte, der auch sehr bald einen deutlichen Überschu ß de r Gewinne übe r di e Wiederinvestitionsmöglichkeite n erkenne n ließ. In diesem Zusammenhang ist auch die „Buddenbrooks" These (à la W. W . Rostow-Th. Mann) über Unternehmerfamilien bedeutsam : Wie konnten Mitglieder der zweiten un d dritte n Generatio n erfolgreiche r Unternehmerfamilie n aufgrun d man gelnder unternehmerischer Interesse n ode r Fähigkeiten au s dem Familienunterneh men ausscheiden, ohn e ihren Anspruc h au f Einkommens - un d Vermögenszuwach s zu verlieren ? Da ß diese s Proble m ei n Grun d fü r da s u m di e Jahrhundertmitt e i n Großbritannien aufkommende Interesse an der Weiterentwicklung de r Aktiengesellschaft gewese n ist , is t kaum zu bezweifeln. Diese s Problem zeigte sich zugleich mit den in den 1830er und 1840e r Jahren deutlich auftretende n un d auch von Marx gesehenen Probleme n de r fallende n Profitrat e un d „Oberproduktionsgefahr " i m Indu striesektor.11 Ein e endgültige Beurteilung de r Wirtschaftslage i n Großbritannien z u dieser Zeit ist freilich noch nicht möglich. Wichtig ist in unserem Zusammenhang jedoch die Wahrscheinlichkeit, da ß die Entwicklung de s englischen Kapitalmarktes als Antwort au f diese s „Problem " verstande n werde n kann . 4. Der Bau von Eisenbahnen in den 1830e r Jahren brachte eine Teillösung des Kapital-Absorbierungsproblems. Di e Eisenbahnen schufe n eine n nationale n Mark t i n Großbritannien fü r nicht-staatlich e Wertpapier e - mit ihre r beschränkte n Haftun g und quasi-Zinsgarantien ähnelte n diese Vorzugsaktien seh r stark Staatspapieren, di e sie sogar teilweis e ersetzte n - und mobilisierte n Geldkapita l ohn e Schwierigkeiten . Mit eine r Gesamtinvestitio n vo n ca . £ 5 0 Millionen i n den 1830e r Jahren un d ca . £125 Millionen in den 1840er Jahren schufen die Eisenbahninvestitionen auc h zeit80 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

weise ebe n so viel Beschäftigun g wi e di e gesamte Baumwollindustrie . Vielleich t mu ß man hie r aufgrun d vo n Berichte n übe r fraudulest e Gründunge n un d Liquidatione n (z. B . Mathias u. Gayer , Rosto w u. Schwartz) von einer zu starken Kapitalmobilisie rung sprechen ; trotzde m entwickelte n sic h au f de r Basi s diese r neue n Wertpapier e zunächst regional e Börse n un d dan n i n de n 1840e r Jahre n ei n nationale r Kapital markt. 12 5. Die Erleichterun g de r Gründun g vo n Aktiengesellschafte n mi t beschränkte r Haftung durc h die Gesetze von 1856 und 1862 brachte im Vergleich z u den Eisenbah nen nu r ein e bescheiden e Erweiterun g de r Anlagemöglichkeite n de r Kapitalisten . 1900-1913 z . B . betruge n di e Neuemissione n einheimische r Aktiengesellschafte n i n Großbritannien ca . £ 45 Millionen, währen d di e Gesamtsumm e de r Neuemissione n an englische n Börse n innerhal b diese s Zeitraume s au f ca . £ 200 Millionen geschätz t worden ist. 1 2 a I n diesem Zusammenhang is t ferner de r Hinweis wichtig, da ß ca. 75 % der Industrieinvestitionen i n Großbritannien z u dieser Zeit durch Innenfinanzierun g aufgebracht wurden . Di e Gründungswell e de r 1850e r un d 1860e r Jahr e zeig t seh r deutlich, da ß Kapitaliste n i n diesen Aktiengesellschafte n ei n attraktive s Anlage - un d Spekulationsobjekt gefunde n hatten , nu r wa r da s Gewich t diese r Geschäftsbranche , im Rahmen des gesamten Kapitalmarktes Großbritannien s gesehen, zu gering, al s daß sie prägen d gewirk t habe n könnte . 6. Die „Hauptlösung" de s Kapitalabsorbierungsproblems fande n Großbritannien s Kapitalisten i n de r Entwicklun g de s Kapitalexportgeschäftes , da s zu m größte n Tei l doch über den Londone r Kapitalmark t abgewickel t wurde . I n der Literatur ist diese s Problem noc h nich t ausdiskutiert , jedoc h i m Rahme n diese r Ausführunge n solle n zumindest dre i vorläufig e Hinweis e gegebe n werden . a) Di e ausländische n Investitione n Großbritannien s erreichte n bi s End e de s 19. Jahrhunderts ein e dominierend e Positio n sowoh l i n Großbritannie n al s auch fü r die Weltwirtschaft. 13 Definiere n wi r Auslandsinvestitione n al s den „positive n Rest " in der britischen Zahlungsbilan z un d setze n wi r dies e Zahlen i n Beziehun g z u Schät zungen de s Bruttosozialproduktes (z . B. Dean e u. Cole), erhalten wi r di e Quoten de r Tabelle 2, die ebenfall s mi t de m Wer t de r inländischen Investitione n vergliche n wer den können. Fü r 1913 schätzt ma n da s Einkomme n au s dem Auslandsvermöge n un d exportierten Dienstleistunge n au f £ 20 0 Millionen pr o Jahr , ein e Summe, di e meh r als ausreichte, die Neuinvestitionen i m Ausland und einen erheblichen Warenimport überschuß zu finanzieren. Au s der Neuemissionstätigkeit a m britischen Kapitalmark t Tabelle 2: Investition al s Prozen t de s Sozialprodukt s i n Großbritannie n Periode

Inlandsinvestition a

Auslandsinvestition b

1860/64 1880/84 1910/14

7,1 6,9 5,5

2,3 4,1 7,8

b Netto . Brutto , Fixkapital . Quelle: P . Mathias, Th e First Industrial Nation, Londo n 1969, Tabelle 10.

a

81

6 Tilly , Kapital

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floß i n Form de r Portfolio-Investition (d . h. , durc h Kau f vo n Wertpapieren) allei n zwischen 1865 und 1914 nach Simo n (i n Hall : 1968) eine Summ e vo n meh r al s £ 4 Milliarden ins Ausland. Nach Edelstein verursachte dies eine Steigerung im Wert der Auslandsportfolioanlage n vo n ca . 33 auf 45 % aller Portfolioanlage n zwische n 1870 und 1813.13a b) Sei t Jahren besteht eine Kontroverse über die Bedeutung dieser Kapitalexport e für das Wirtschaftswachstum Großbritanniens . Mit dem Hinweis auf Kapitalknappheit i n de r englische n Industri e un d eine m di e Warenausfuh r hemmende n un d au s dem Rückfluß de r Zinszahlungen z u erklärenden z u hohen Wechselkurs, miß t man dem Kapitalexport häufig eine n negativen Einflu ß bei ; durch Gegenüberstellung de r Zeitreihen inländische r un d ausländische r Investitio n un d Berücksichtigun g ihre r Qualität, kann man dabei jedoch auch zu dem Schluß kommen, daß beide nichtkon kurrierende Investitionsarten waren, und daher eine positive Bewertung des Kapitalexports naheliegt.14 Mindestens für die Zeit bis 1913 möchten wir uns diesem positiven Urteil anschließen. Der Kapitalexport war nicht in einem direkten, nachweisba ren Sinne als „negativ" zu bezeichnen; die Institutionen des britischen Kapitalmarktes waren nicht auf inländische Investition hin orientiert, un d die Logik der Marktwirt schaft ließ eine n Strukturwande l zugunste n inländische r Industrieinvestitione n z u dieser Zeit ohne weitere z. Τ . auch außerökonomische Strukturveränderungen kau m als denkbar erscheinen . c) Di e Entwicklung zeigt, wie sehr finanzielle Institutione n und der Kapitalmark t in Großbritannien vom realökonomischen Wandel geprägt wurden. Die Entwicklung dieses Marktes is t da s Abbild de r Industriellen Revolution . Si e reflektiert di e indu strielle Führungsrolle Großbritanniens, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zur finanziellen Führungsroll e entwickelte . I n ih r sehe n wi r eine s de r markantesten , of t übersehenen Ergebniss e de r Industrielle n Revolution : ein e enorm e Akkumulatio n des Geldkapitals, die ständig Anlag e suchte und die in einer Welt, die noch „kapital arm" war, sehr bald Großbritannien von der „Werkstatt der Welt" zum „Bankier der Welt" verwandelte .

///. Thesen zu r Entwicklun g de s Kapitalmarkte s i n Deutschlan d 1. Zur Periodisierun g de r Kapitalmarktentwicklun g i n Deutschlan d biete t sic h di e von K. Borchard t vor Jahren aufgegriffene Frag e nach dem Grad des Kapitalmangels an, ergänz t durc h ein e Berücksichtigung de r Marktimperfektione n un d de r Stabili tät.15 Nach diesen Kriterien läßt sich das 19. Jahrhundert i n verschiedene Abschnitte unterteilen: 1. 1800 - ca. 1840: Kapitalüberfluß be i starke n Marktimperfektione n 2. 1840-1873 : Kapitalknappheit unte r starke n Schwankunge n 3a. 1873-1890/95: Kapitalüberfluß unte r starke n Schwankunge n 3b. 1890/95-1913: Kapitalknappheit unte r abnehmende r Instabilitä t 82 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

2. Zur Verdeutlichung de r Kapitalmarktproblem e diese r Period e se i hie r au f di e Zahlen der Kapitalbildung i n Preußen 1816-49 in Tabelle 3 hingewiesen. Si e zeigen eindeutig, welchen geringen Platz der Industriesektor vor 1850 im Kapitalakkumula tionsprozeß Preußens einnahm, darüber hinaus einige interessante Strukturverschiebungen, z . B . de r stark e Anstie g de r Investitio n i m Verkehrssektor . Tabelle 3: Jährliche durchschnitdich e Nettoinvestitione n i n Preußen, 1816-1849 (Millionen Mar k i n 1913 Preisen) Periode

1816-22 1822-31 1830/1-40 1840-49

Landwirtschaft

Nicht-landwirtschaftliche Gebäude

Verkehr

Industrie

Insgesamt

86,5 70,4 109,6 59,9

28,7 18,7 52,0 69,2

7,0 8,8 22,5 73,7

2,8 a 5,1 a 5,6 7,0

125,0 103,0 189,7 209,8

a Ein

e grobe Schätzung mittels des Trends des Kapitalköeffizienten von 1830-1849 bis 1816 und Werten für die Produktion. Quelle: R. Tilly, Capital Formation in Germany in the Nineteenth Century. C. Ec. H. Europe, Bd. 7, Cambridge 1978. 3. Während der Phase der Frühindustrialisierung bi s ca. 1850 herrschte Realkapitalknappheit in Deutschland vor. Dies spiegelt z. Τ . die ungenügende Ersparnis- oder Vermögensbildung in den betroffenen Sektoren, vor allem der Landwirtschaft wider . Das Problem bestand aber nicht nur oder nicht hauptsächlich im technischen oder organisatorischen Bereich , sonder n wa r zugleic h ei n Produkt niedrige r Produktivität , bzw. hohen Erhaltungsaufwandes bei m Kapitalstock, insbesondere in der Landwirtschaft, dere n Bruttoinvestitionsbedar f vie l höhe r lag, al s die Literatur anzunehme n scheint.16 Insofern muß die darauf folgende rasche Industrialisierung nicht nur als kapitalabsorbierender, sonder n auc h al s kapitalsparender Proze ß betrachte t werden . 4. Wie di e Entstehun g eine s Kapitalmarkte s i n Deutschlan d überhaup t de m Fi nanzbedarf der deutschen Staaten seit ca. 1780 zuzuschreiben ist, so stand auch insbesondere der preußische Kapitalmarkt von 1815 bis in die 1840er Jahre stark unter dem Einfluß de r fiskalische n Überschüss e un d Schuldentilgun g de s Staate s un d - z . Τ . hiermit in Zusammenhang - der Zunahme der Pfandbriefzirkulation de r Landschaf­ ten sowie der verstärkten Aufnahm e ausländische r Staatspapier e a n deutschen Bör sen, Für diese Zeit läßt sich aus der Entwicklung der Zinssätze, der Unterbringung der Staatsanleihen und auch aus zeitgenössischen Äußerungen zu Geld- und Kapitalproblemen, au f ei n Überangebo t a n Geldkapita l i m Kapitalmark t schließen. 16a 5. Ein grundsätzlicher Wandel , wen n ma n wil l ei n „Take-Off" , läß t sic h in de n 1840er Jahren in Verbindung mi t dem Eisenbahnbau feststellen , nich t nur für Preu ßen, sondern für ganz Deutschland. Nach einer neueren Schätzung stieg der Wert des 83 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 4: Staatsschuldenstand i n Preußen , 1820-1855 (Mill . Mark) Jahr

Fundierte Schuld

Papiergeld

Ungedeckter Notenumlauf

1820 1833 1848 1855

621 492 414 807

33 54 93 48

— — 3 189

Gesamt

654 546 510 1044

Quelle: R. Tilly, Th e Political Econom y of Public Finance and the Industrialization o f Prussia, in JEH, Bd . 26 , 196 6 Tabelle 5: Pfandbriefzirkulation de r preußische n Landschaften , 1820-60 (Millionen Mark ) Jahr

Zirkulation

1820 1830 1840 1850 1860

224 293 319 346 412

Quelle: Hoffmann u . a., Da s Wachstum de r deutschen Wirtschaf t sei t de r Mitte des 19. Jh.s, Heidelberg 1965, S. 740-744. in den preußischen Eisenbahne n verwendete n Anlagekapitals , d . h. , de r Wert de s Ei senbahnkapitalstocks z u Anschaffungspreisen , zwische n 1840 und 1849 von umge rechnet 22 auf 436 Millionen Mark ; zwische n 1845 und 1846 allein soga r u m 120 Millionen Mark. 1 7 E s ist jedoc h nich t klar , inwiefer n dies e Summe n neu e Netto-Forde rungen a n de n Kapitalmark t stellten , d a di e Gewinne , welch e di e i n Betrie b genom menen Bahne n scho n i n de n 1840e r Jahre n abwarfen , nich t unerheblic h ware n un d zur Bestreitun g de r Bahnbaukoste n hätte n verwende t werde n können. 1 8 Trotzde m waren di e Finanzierungsanstrengunge n bedeutend , di e zu r Mobilisierun g diese r Summen nöti g waren. Somi t sind die Leistungen de r zeitgenössischen Institutione n in Preußen hauptsächlic h Privatbankier s (allerding s mit Hilf e staatliche r Zinsgaranti en) un d i n de n meiste n andere n deutsche n Staate n di e staatliche n Behörde n selbs t hoch z u bewerten , den n fü r di e neuen Problem e la g kei n Erfahrungsmuste r vor , wi e sie z. Β . die Wirkun g de r Festsetzun g de r Jahresdividend e au f de n Aktienkurs , di e Bedeutung eine r Zinsgarantie fü r die Absatzfähigkeit neue r Effektenarten wi e Priori tätsaktien un d viele s ander e meh r darstellten. 19 1870/7 3 blieb de r preußisch e un d deutsche Kapitalmark t star k unter dem Einfluß de r Eisenbahnfinanzierung. Die s läß t sich deutlich au s Tabelle 6 ablesen. Man darf allerding s di e Last, di e hierdurch au f di e finanziellen Institutione n selbs t fiel, nich t überschätzen, d a insbesondere zwei weite r Kapitalquellen herangezoge n werde n konnten : einma l di e au s de r Ablösun g de r grundherrschaftlichen Abgabe n entstandene n Gelde r un d zu m andere n di e hohe n Gewinne i m Industrie - un d vo r alle m i m Verkehrssekto r selbst. 20

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Tabelle 6: Kapital de r i n Preuße n vo r 1870 und 1870-74 gegründeten Aktiengesellschaften i m Jahr e 1875 (Mill . Mk. + % ) Aktiengesellschaften Eisenbahnen Industrieges. Gesamt

Vor 1870 Kapital % 2150

497

3078

72 15 100

1870-74 Kapital % 1765 4 1228 2 4290 10

1 9 0

Quelle: E . Engel , Di e erwerbstätigen , juristische n Persone n insbesonder e de r Aktiengesell schaften i m Preußischen Staate , Berli n 1876. Wir komme n nu n zu r dritte n Period e (1879-1913) 6. Der bedeutendst e Vorgan g a m deutsche n Kapitalmark t 1870-1913 war nebe n der 1870 beschlossenen Freigabe der Konzessionierung vo n Aktiengesellschaften, di e dem Bankensyste m große n Auftrie b gab , zweifello s di e Verstaatlichun g de r preußi schen Eisenbahnen. 20a Hieri n dürfe n wi r eine n wesentliche n Grun d fü r di e zuneh mende staatliche Verschuldung, d . h. , staatlich e Beanspruchung de s Kapitalmarktes , sehen. I n diese m Zuammenhan g sin d insbesonder e zwe i Folge n diese r Verstaatli chung interessant : a) Di e stabilisierend e Wirkun g au f di e Staatspapier e un d somi t au f de n gesamte n Kapitalmarkt. Wi e de r Londo n Economist (in de n 1880e r Jahren) imme r wiede r be tonte, bracht e die Verstaatlichung de r Eisenbahnen de m Kapitalmark t ei n verstärkte s Angebot a n erstklassigen Wertpapieren , dere n Wer t u m s o großer war , al s die Eisen bahnen fü r de n Staa t ein e bedeutend e Einnahmequell e darstellten . Lau t Hellwi g er folgte soga r übe r di e preußische Staatsbank , di e Seehandlung , ein e Stabilisierung de s Börsenkurses preußische r Anleihpapiere. 21 b) Andererseit s wurd e hierdurc h de m Kapitalmark t ei n interessante s Spekula tionsobjekt entzogen , fü r da s Ersat z gefunde n werde n mußte . Berücksichtig t ma n nun den damalige n Liquiditätsstatu s de r Staatspapiere relativ z u de n Aktien un d Ob ligationen de r Privateisenbahngesellschaften , könnt e ma n durchau s behaupten , da ß die Notwendigkei t de r Verstaatlichun g ein e Vergrößerun g de r Aufnahmekapazitä t des deutschen Kapitalmarkte s darstellte. 22 Fü r di e Behauptun g bleib t allerding s vor erst de r statistisch e Bewei s schuldig . 7. Das unte r 6b ) erwähnt e Ersatzbedürfni s wurd e z. Τ . durch de n Kapitalbedar f des Auslandes, als o durch de n Kapitalexport , befriedigt . Mehrer e Autoren habe n di e Expansion de s Kapitalexportgeschäfte s de s deutsche n Kapitalmarkte s i n de n 1880e r Jahren al s ein e Reaktio n au f di e Verstaatlichung de r preußische n Eisenbahne n gese hen. 2 3 Vo r alle m solle n di e Aktienbanke n (nac h Feis ) dies e Entwicklun g star k „for ciert" haben - vermutlich aufgrund ihre r Überliquiditä t - , bis dann in den 1890er Jahren stark e Verlust e (vo n Schmolle r au f 1 Milliarde Mar k geschätzt ) un d ein e stark e einheimische Nachfrag e nac h Kapita l di e relativ e Bedeutun g diese r Branch e zurück gehen ließ . Zahle n au s Hoffman n (S . 262) geben weitere n Aufschluß , wobe i aller dings zu bedenken ist , daß diese Zahlen lediglic h au f der Neuemissionsstatistik basie -

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ren und infolgedessen de n Rückfluß neuemittierte r Wertpapiere in das Ausland nicht berücksichtigen können . 8. Trotz der Eisenbahnverstaatlichung und der im Jahre 1870 erfolgten Aufhebun g der Konzessionierungspflich t fü r Industrieaktiengesellschafte n entwickelt e sic h de r Kapitalmarkt nicht zur dominierenden Stelle bei der Finanzierung de r Industrieinvestition. Mit einem Wert von einem Viertel aller Neuemissionen a m deutschen Mark t 1900-1907 (und von 31 %, 1895-1908 ) waren die Industrieaktiengesellschaften frei lich nich t belanglo s fü r de n Kapitalmarkt ; gerad e dies e Industriewerte scheine n di e Kurs- und Zinssätze am Markt stärker beeinflußt zu haben, als man von ihrem quantitativen Gewicht her würde schließen wollen. 24 Außerdem kann die indirekte Bedeutung des Kapitalmarktes für die Industrie groß gewesen sein, da sich die Banken in ihrer Kontokorrentkreditvergabe doch an dem Börsenkurs der Unternehmer orientier ten, nicht zuletzt, wei l diese Kredite nicht selten mit dem Wert des Effektenvermö gens industrieller Kreditnehme r en g zusammenhing. 25 Jedoch erfolgte Industriefinanzierung hauptsächlic h aus anderen Quellen. Wählen wir z. B.Änderunge n i m Aktienkapital un d Obligationsumlauf vo n Industrieaktien gesellschaften al s Prozente de r gesamten Nettoinvestitio n i n „Industri e un d Hand werk", 1882-1913, so erhalten wi r nu r ein e Quot e vo n ca . 20%. Greifen wi r ein e Tabelle 7: Neuemissionen a n deutschen Börse n 1895-1907, Kurswerte i n Millionen Mar k Wertpapierarten

Gesamtwert % der Gesamtsumm e

1. Eisenbahnaktien 2. Eisenbahnobligationen 3. Industrieaktien 4. Industrieobligationen 5. Bankaktien 6. Versicherungsaktien 7. Summe 1-6 8. Staatsanleihen 9. Kommunalanleihen 10. Summe 8-9 10a. Summ e 7 + 1 0 11. Ausländ. Staats - und Kommunalpapiere 12. Ausländ. Eisenbahnaktie n und Obligatione n 13. Ausländ. Industrieaktie n und Obligatione n 14. Ausländ. Gesamtemissione n 15. Summe 10 a + 11-1 4

487,0

1,9

5 859,3 1 849,0 2510,7 25,6 10731,6 5448,8 3407,6 8 856,4 19588,0

23,4 7,4 42,8 35,3 78,1

2817,6 1884,1 304,1 5485,0 25073,0

Quelle: Albert, S . 102-3, 107, 112-113 (Deutscher Ökonomist). 86 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

21,9

30,8

Tabelle 8: Staatsverschuldung i n Deutschlan d (Mill. Mark)

Reich

Jahr 1860 1872 1880 1890 1900 1910

— 38 268 1318 2396 4824

Preußen

Bundesstaaten

Gesamt

2284 3141 5244 9230 10797 15490

2495 3 507 6107 11605 15355 24557

744 1318 1395 5204 6592 9422

Quelle: Hoffmann u.a. , Da s Wachstum de r deutschen Wirtschaf t sei t der Mitte des 19. Jh.s, 1965; Gerloff Di e Finanz- und Zollpolitik de s Deutschen Reiches , 1913, S. 527. Gruppe von 50 Industriegroßunternehmen übe r den Zeitraum 1880-1911 heraus (di e Wahl de r Periode ist bedingt durch datentechnisch e Schwierigkeiten) , s o erhalten wi r eine ungewogen e durchschnittlich e Innenfinanzierungsquot e vo n 68 %, eine gewo gene Durchschnittsquot e vo n 55 %, was darau f hinweist , da ß besonder s groß e Un ternehmen i n stärkerem Umfang e Außenfinanzierun g betriebe n und somit den Kapi talmarkt benutzten. 26 Tabell e 9 unten zeig t di e Verteilun g diese r 50 Unternehmen hinsichtlich de r Finanzierungsanteile. Si e weist darauf hin , daß der Trend in Richtun g zunehmender Außenfinanzierun g lief , wa s zunehmend e Beanspruchun g de s Kapi talmarktes bedeutete . E s sieht s o aus , al s ob dies e Form de r Benutzun g de s Kapital marktes mi t externe r Expansio n vo n Großunternehmen , d . h. , Ankau f andere r Un ternehmen zusammenhing , obwoh l ma n die s nicht überschätze n soll . Konjunkturel l gesehen konzentriert e sic h diese Inanspruchnahme des Marktes in „guten " Jahren. I n Boomjahren stie g beispielsweis e di e mit externe m Wachstu m einhergehend e Außen finanzierungsquote au f 55 % . Wahrscheinlich lieg t i n diese r Ar t de r Industriefinanzierun g de r Hauptbeitra g de s Kapitalmarktes zu m industrielle n Wachstum . 9. In diesem Zusammenhan g mu ß auc h au f di e bedeutend e Roll e de r Industrieun ternehmen al s Kapitalanbiete r a m deutsche n Kapitalmark t 1870-1913 hingewiesen Tabelle 9: Verteilung 50 Unternehmen nac h durchschnittliche m Antei l de r Innenfinanzierung a n de r Gesamtfinanzierung * (zwe i Perioden ) 1880-95 Anteil wenige r al s 5 0 % Anteil 50 bis 7 5 % Anteil meh r al s 7 5 %

Periode 1896-1911

4 23 23

7 33 10

* Gesamtfinanzierung = Summe positiver und negativer jährlicher Änderungen in Femdkapital und positiver Änderunge n i n Eigenkapital , Abschreibungen , Rücklage n un d einbehaltene n Gewinnen. Quelle: Wi e in Anmerkung 16.

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werden. Nach Hoffmann habe n zwischen 1882 und 1913 Industrieaktiengesellschaf­ ten eine n nich t unerhebliche n Teil ihre r Finanzmitte l zu m Erwer b finanzielle r In ­ strumente verwendet: 1900-1913 z. Β . haben Industrieaktiengesellschaften ihre n Ef ­ fektenbestand u m 744 Millionen Mar k vergrößert , ihre Bankguthaben u m 531 Millionen; dies machte ca. 20 % der durch Aktien und Verschuldung erreichten finanziel len Vergrößerung aus , wobei ma n nicht vergessen darf , da ß nur ein Teil diese r Ak tienkapitalerhöhungen den Kapitalmarkt berührte. Aus der o. e . Untersuchung deutscher Großunternehmen (1870-1910) geht ferner hervor , da ß sich die untersuchte n Industrieunternehmen überhaupt recht „liquid" hielten - mit Werten für „Liquiditä t des ersten und zweiten Grades" wie in Tab. 10 dargestellt - und daß sie ansehnliche Reserven des Geldkapitals ansammelten.27 Fragt man nach den Gründen für diese Liquiditäts- bzw . Geldakkumulatio n un d deren Abba u 1890-1910, so läßt sic h kein e einfache Antwort auf diese Frage finden: z. Τ. wogen konjunkturbedingte Rentabili ­ tätserwägungen schwer , z.T . gescha h dies aus Angst de r Unternehmensleitung vo r einem Kontrollverlus t ode r auc h al s Tei l eine r langfristige n Expansionsstrategie. 28 Nur nac h weiterer Forschun g wir d ma n zu eine r Gewichtun g diese r verschiedene n Möglichkeiten komme n wollen . Zweierle i schein t jedoc h scho n jetz t festzustehen : 1. Diese Reserve n sin d al s „Kosten " de r Dezentralisierun g de r Spar - un d Investi tionsentscheidungen z u interpretieren. 29 Für die spätere Hochindustrialisierungspe riode kann man genauso wenig wie für die Phase der Frühindustrialisierung von einem absoluten und eindeutigen Kapitalmangel für die Industrie in Deutschland sprechen . Freilich gab es nur ein begrenztes Angebot von Geldkapital zu den Bedingungen (einschließlich Risikobereitschaft un d ohne Kontrollansprüche), auf die sich ein sachka pitalbedürftiger Industrieunternehme r hätt e einlasse n wollen . Tabelle 10: Liquiditätsindikatoren Deutsche r Großunternehmen 3 1890-191 0 Liquiditäten 1. Gradesb 2. Gradesc

Jahr 1890 1910

22 15 15 22

Bergbau- u . Hüttenunternehme n Metallverarb. Unternehme n Bergbau- u . Hüttenunternehme n Metallverarb. Unternehme n

13,1 5,8 2,9 1,5

15,2 9,3 2,5 2,5

Au s eine r geschichtete n Stichprobe . _ Barmittel + kurzfristige Forderunge n kurzfristige Verbindlichkeite n Umlaufvermöge n c= kurzfristige Verbindlichkeiten .

a

b_

10. An dieser Stelle sollen nun zur Rolle der Banken al s Teil des deutschen Kapi talmarktes einige Thesen formuliert werden , nicht zuletzt, weil die historische Literatur häufig daz u neigt , de n Kapitalmarkt mit dem Bereich der Geschäftstätigkeit de r Banken gleichzusetzen . a) Ein e Reihe von Indikatoren sprechen für die Richtigkeit der bisherigen Hervor 88 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

hebung der Rolle der Banken. (I) Die deutschen Banken waren besonders stark an der Börse als Emittenten von Wertpapieren einschließlic h de r Aktien un d Obligatione n der Aktiengesellschaften engagiert . In dieser Hinsicht unterschieden sie sich z. Β . von den englischen Banken - die allerdings indirekt an der Börse teilnahmen. Von 1900 bis 1907 z. B . liefen (lt . Riesser ) 54 % des Gesamtwertes alle r Neuemissione n a n deut schen Börsen allein über 4 Berliner Großbanken. 30 (II) Die Banken können insofer n als „Führungssektor " i m Industrialisierungsproze ß angesehe n werden , al s in diese r Periode die Expansion ihrer Gesamtaktiva den Zuwachs des gesamten Kapitalstocks, und die Expansion ihrer Kontokorrentkreditgabe den Zuwachs des gesamten Sozialproduktes, deutlich überstieg und anführte. Ihren zunehmenden Beitrag könnte man evtl. als Grund der dann bemerkten abnehmenden Liquidität von Großunternehmen interpretieren (hierz u Tab. 11 und Eistert). 31 (III) Aus der Sicht der Nachfrage nac h Tabelle 11: Zahlen zu m Wachstu m de s Finanzsektors i n Deutschland , 1860-1913 (Milliarden Mark ) Institutionen

1860

1880

1900

1913

1. Gesamtaktiva de r Banken * 2. Gesamtaktiva alle r Finanz institutionen 3. Bankeinlagen a) ohn e Spareinlage n b) mi t Spareinlage n 4. Kapitalstock 5. Ausländ. Kapitalanlag e

2,84

5,42

13,03

31,05

4,25

13,50

40,50

91,00

0,72 1,24 43,70 -,-

1,46 4,61 67,80 5,00

5,05 15,70 157,20 14,93

12,11 37,87 255,90 20,00

Einschließlic h Notenbanken , ohn e Sparkassen, Kreditgenossenschafte n un d Hypothekenbanken. Quelle: W. G. Hoffmann u . a., Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Heidelberg 1965. - R. Tilly, Zeitreihen zum Geldumlauf (Anm . 32). *

Geld läßt sich ebenfalls eine enge Beziehung zwischen Banken und Wirtschaftswachstum konstatieren, d a die Konjunkturschwankungen de r Periode 1870-1913 sehr eng mit den Schwankungen de r Bankeinlage n zusammenhingen. 32 (IV) Daß die geographische und intersektorale Zinssatzsteuerung während dieser Periode deutlich abnahm, ist z. Τ. durch die Kapital- und Geldmarktaktivität de r Banken mit ihrem immer dichter werdenden Netz von Filialen und durch die Kapitalverflechtung en g aneinande r gebundene r Bankinstitutione n z u erklären . (V) Schließlich läßt sich die Macht der Banken und Bankiers in der hohen Zahl der von Bankiers und Bankdirektoren besetzten Aufsichtsratspositionen in Aktiengesellschaf ten vo r alle m de s Industriesektors dokumentieren. 33 b) Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die Aktivitäten der Banken von zwei gewichtigen Faktore n abhingen : (I) Die Bereitschaft , Bankgel d al s Vermögenshal tungsform z u benutzen. Au s Tabelle 11 geht doc h deutlich hervor , da ß ein zuneh 89 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

mender Anteil der Bankaktiva durc h Mobilisierung vo n Fremdmitteln, d . h . durc h Einlagen, finanzier t wurden. 34 Deshal b ist die Betonung de r Geldkapitalakkumula tion der Nichtbankunternehmen bzw . de r Kapitalisten wichtig . (II) Die Verfügbar keit von Metall- und Staatsgeldreserven. Währen d des Zeitraumes 1870-1913 waren sowohl di e Expansionstrend s al s auc h di e Schwankunge n i n de r Bankaktivitä t mi t Schwankungen diese r Reserven en g verbunden un d sind durch diese „statistisc h er klärbar" . Hier sehen wir nicht nur die Grenzen der Macht der Banken, sondern auch deren Kehrseite: die erhebliche Bedeutung des internationalen Geld und -Kapitalverkehrs und - damit im Zusammenhang stehend - des Staates für den deutschen Finanzsektor, auf die am anderen Orte einzugehen sein wird.35 Das Fazit dieser Überlegungen ist, da ß ma n zunächst grundsätzlic h vo n einer allgemeine Interdependen z zwi schen Banken und Nichtbanken i m Industrialisierungsprozeß ausgehe n sollte . Wei tere Forschung wir d vielleicht z u einer klaren Identifikation de r Kausalbeziehunge n zwischen beide n Bereiche n führen . Fassen wi r dies e These n zu r Entwicklun g de s deutsche n Kapitalmarkte s zusam men: 1. Der Markt - als Gesamtkomplex der mit langfristigen Kapitaltransaktione n be schäftigten Institutionen verstanden - entwickelte sich quantitativ noch stärker als die Gesamtwirtschaft un d rückte verständlicherweise immer mehr in den Mittelpunkt der politischen Diskussio n i n Deutschland, s o z. Β . in Enqueten i n 1896 und 1908-09. 2. Der Kapitalmarkt scheint trotz dieser Politisierung immer stärker unter den Einfluß der Industriewirtschaft gelang t zu sein, besonders in der Zeit von 1980 bis 1913. Er diente jedoch nicht nur als direkte Quelle des langfristigen Industriekapitals , sondern auc h al s Mitte l indirekte n Kredits , al s Anlagemöglichkei t fü r Industrieunter nehmen un d als Mittel zu m externe n Wachstu m un d zur Durchführung vo n Fusionen. 3. Trotz der vorübergehenden Knappheit, trotz erhitzter Diskussion über Kapitalexporte gegen Ende des 19. Jahrhunderts scheint es nicht zutreffend, Deutschlan d im 19. Jahrhundert pauschal al s „kapitalarmes Land " zu bezeichnen. De r Kapitalmark t stand zumindest nicht ständig unter dem Druck eines Nachfrageüberhanges, obwoh l dies zeitweise - z.B. rech t häufi g i n den Jahren 1900-1813 - der Fal l war. 36 4. Es scheint noch verfrüht, de n „Beitrag " de s Kapitalmarktes zu r Industrialisie rung Deutschlands umfassend zu würdigen, aber sein Beitrag zur gesamtwirtschaftli chen Entwicklung dürfte ziemlich sicher hinter dem Wert der Vorteile liegen, die einzelne Wirtschaftssubjekt e au s dem Mark t z u ziehe n vermochten. 37

Schluß Wir haben hier über die Modernisierung de s Kapitalverkehrs un d deren Bedeutun g für di e Industrialisierun g i n Großbritannien un d Deutschland thesenhaf t berichtet . Der Beitrag des Kapitalmarktes zum Industriewachstum scheint in Deutschland größer als in Großbritannien, aber in beiden Ländern hauptsächlich indirekter Art gewe90 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sen zu sein . D . h M i n dem Maße, i n dem nutzbringende Anlage n ode r Fusione n i n dem einen Falle oder Kapitalexport im anderen Industriewachstum erleichtern konnten, wa r de r Beitra g de s Kapitalmarkte s positiv . De n Löwenantei l de r direkten Fi nanzlast trugen ja die Unternehmen selbst. In gewisser Weise kann man sogar von einem Gegensat z zwische n Kapitalmarktentwicklun g un d de r Expansio n de r Indu striegroßunternehmen sprechen . J e größer ein Industrieunternehmen, dest o bedeutender der Umfang der ökonomischen und auch finanziellen Aktivität , der innerhalb seiner Organisation selbs t und somit außerhalb des Marktes entfaltet wird. Großun ternehmen - und nicht nur staatliche Planungsinstanzen - ersetzen Märkte, auch Kapitalmärkte. Beobachten wir die Entwicklung z . Β . Deutschlands nach 1914, so sehen wir nicht eine n Siegeszug de s Kapitalmarktes, sonder n vielmehr dessen Quasi-Ver ­ staatlichung 1914-18, danach di e da s Geldvermöge n vernichtend e Inflatio n un d schließlich da s weitere Wachstu m vo n Großorganisatione n sowi e ein e umfassend e Konzernierung.38 Insofer n wäre es m. E . falsch, i n der Entwicklung de s Kapitalverkehrs z. Β . am Ende des 18. Jahrhunderts i n Deutschland ei n Beispiel des Sprunges zur modernen Welt sehen zu wollen. Statt dessen sehen wir einen bedeutsamen Wan­ del, der dann z. Τ. indirekt die Bedingungen der eigenen Ablösung durch noch „modernere" Institutione n produziert .

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IL Großunternehmen in der deutschen Industrialisierung

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6. Das Wachstum der Großunternehmen in Deutschland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Großunternehmen haben in der wirtschaftlichen Entwicklun g Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt. Man kann wohl sagen, daß ihre historische Bedeutung allenfalls der Bedeutung der Großunternehmen in der Wirtschaftsgeschichte de r Vereinigten Staaten nachsteht. Krup p ist selbst in der angelsächsischen Welt ein Begriff, frei lich nicht so geläufig wi e Rockefeiler ode r Carnegie, un d Namen wi e Thyssen ode r Stinnes sind ebenfall s übe r die deutschen Grenze n hinaus bekannt . Dies e Gigante n gelten jedoch nur als die größten und ruhmreichsten Beispiele einer recht zahlreichen und mächtige n Institution . Am Vorabend des Ersten Weltkrieges stellten die 548 deutschen Unternehmen, die 1000 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigten, run d ein Achtel des gesamten Arbeitsplatzangebots im Industriesektor. Zu r gleichen Zeit wiesen gut 3500 Erwerbsgesellschaften ei n Produktivvermöge n i n Höh e von etw a eine m Fünfte l de s geschätzte n Wertes de s Kapitalstock s aus . I m 20. Jahrhundert ha t sic h da s Wachstu m un d di e Konzentration der Unternehmen zusehend s fortgesetzt. End e der 60er Jahre stellten alle Unternehmen mi t 1000 oder mehr Arbeitnehmern 40% des gesamten industriel len Arbeiterangebots, während der Wert des Produktiwermögens de r etwa 1100 Erwerbsgesellschaften ungefäh r 100 Milliarden Mar k ode r nahez u ei n Dritte l de s geschätzten Werte s sämtliche r industrielle r Sachanlage n betrug. 1 Für die historische Betrachtung ist allerdings die qualitative Wirkung der Großunternehmen ausschlaggebend : di e Großunternehmen, di e im späten 19. Jahrhundert entstanden, bildeten organisatorisch und finanzierungsmäßig di e Vorläufer der riesigen Konzern e von heute. De r historische Rückblick vermittel t un s diese Erkenntnis, und obwohl die Hervorhebung von Vorläufern, soweit sie die Vergangenheit überlebt haben, das Geschichtsbild verzerren kann, s o handelt es sich hier doch um eine Verzerrung, die gleichzeitig etwas deutlich werden läßt. Denn die Tatsache, daß die deutsche Wirtschaft sic h so früh un d so intensiv de r Organisationsform de r Großunter nehmen bediente, mag den außerordentlich schnelle n Aufstieg Deutschland s zur industriellen Großmach t vo r 1914 erklären. Die Überlebensfähigkei t viele r diese r Großunternehmen hingege n kan n möglicherweis e z u bedeutungsvolle n Aussage n über die Voraussetzungen und weiteren Wachstumsmöglichkeiten der gegenwärtigen deutschen Industri e führen . Hieri n lieg t auc h ein e Legitimatio n fü r da s Untersu chungsobjekt diese r Abhandlung . Warum gerade in Deutschland diese Organisationsform s o intensiv und so früh genutzt wurde , stell t ein e bedeutsame Frag e dar , au f di e verschieden e hypothetisch e Antworten gegebe n worde n sind . Gerschenkro n sieh t i m Zusammenhang mit de m 95 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

heimischen Kapitalmange l fü r Deutschlan d ein e Möglichkeit , hoc h entwickelte s technisches Wisse n vo n seine n industriel l fortgeschrittene n Nachbar n z u überneh men, als einen zentralen „Vorteil der Rückständigkeit" an . Diese „Herausforderung " habe z u de r „schöpferische n Antwort " eine s hochkonzentrierte n Banksystem s ge führt, da s eine durchorganisierte, zusammengefaßt e un d dicht verflochtene Schwer industrie finanzierte. Davi d Landes erklärt in seiner meisterhaften Arbeit über die europäische Industrialisierung die Übernahme der neuen Technologien, die zum Großunternehmertum geführ t haben , durc h di e Ausstattun g mi t Basisressourcen . E r bringt dies in Verbindung mit einem besonderen Charakterzug der deutschen Unternehmerschaft: mi t ihre r betonte n Ehrerbietun g gegenübe r Wissenschaf t un d Staat , deren Zusammenspie l ein e industriell e Planungspraxi s entstehe n ließ , di e übe r di e kurzfristige Betrachtungsweis e des unorganisierten Marktes hinausging. 50 Jahre vor diesen Autoren hatte schon Thorstein Veblen diese beiden Auffassungen miteinande r kombiniert, und die konzentrierte Organisation der deutschen Industrie als erfolgreiche Übertragun g eine r teilweis e einführbare n moderne n Techni k au f ei n vorindu strielles Wertsystem gedeutet. Und schließlich vertritt Jürgen Kocka eine Variante der letztgenannten These, indem er die Bedeutung eine r vorindustriellen Bürokrati e fü r die Entwicklung industrielle r Großunternehmen hervorhebt , nicht nur als relevantes Organisationsmodell, sonder n auc h al s eine Entwicklung internalisierte r Wert e mit festem sozialem Bezug, 2 Diese Ansätze können hier in der erforderlichen Breit e und Tiefe nicht diskutier t werden. Ihre Erwähnung soll lediglich die Tragweite unterstreichen, die unser Thema für da s Verständni s de r deutsche n Industrialisierun g habe n könnte . I m folgende n werden wir verschiedentlich auf diese Thesen zurückkommen. I n der Hauptsache ist die Fragestellun g diese r Untersuchun g allerding s weitau s begrenzter : E s sollen di e wesentlichen Linie n des Wachstums deutscher Industrieunternehmen sei t etwa 1850 unter besondere r Berücksichtigun g de r Bedingunge n fü r di e Investitions - un d Fi nanzpolitik aufgezeig t werden . E s wird weite r unte n deutlich , da ß di e vorliegend e Arbeit selbst zu diesem begrenzte n Program m nich t meh r als eine Einleitung biete n kann. Für eine umfassendere Darstellung ist noch sehr viel Grundlagenforschung vo n Nöten. Hier soll nur gezeigt werden, daß eine derartige Forschungsaktivität interes sante und bedeutend e Frage n beantworte n könnte .

Unternehmensgeschichtliche Stufe n Man mag Geschichte als ein „nahtloses Gewebe" betrachten. Dennoch haben Periodisierungsschemata häufig eine n wertvollen Beitrag zur historischen Analyse geleistet , so daß auch hier bei der Betrachtung unternehmensgeschichtlicher Probleme eine Periodisierung vo n Nutze n sei n könnte . Di e Literatu r übe r Unternehmenswachstu m unterscheidet z. B . zwischen externen Rahmenbedingungen fü r das einzelne Unternehmen un d seine n eigenen , interne n Einflußgrößen . Wen n ma n be i diese r Unter scheidung bleibt und sie etwas vereinfacht, kan n man Deutschlands Unternehmens96 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

geschichte in folgende Perioden einteilen, wobei jede Periode mit einem bestimmten Komplex von Rahmenbedingungen verbunde n ist , a n die sich die einzelnen Unter nehmer, wollte n si e erfolgreich sein , anpasse n mußten: 2a Ca. 1840 bis 1873: Entstehung erste r großangelegte r Industrieunternehme n be i sic h verschärfende r Konkurrenzsituation. 1873 bis 1914: Beginn de r Unternehmenszusammenschlüss e mi t verstärkte r staatliche r Einfluß nahme. 1914 bis 1945: Zunehmende Konzentration , Rationalisierun g un d staatlich e Einflußnahme . 1945 bis zu r Gegenwart : „Soziale Marktwirtschaft " mit multinationale r Verflechtung . Die erste großangelegte Expansion der Wirtschaft i n Deutschland datiert in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts und ist zum großen Teil auf die Gründung der ersten Großunternehmen überhaupt - die Eisenbahngesellschaften - zurückzuführen.3 Ihr Aufstie g beherrscht e gan z eindeuti g di e ökonomisch e Szen e i n de n folgende n Jahrzehnten und zwar in vielerlei Hinsicht: Zunächst war ihr Finanzbedarf i m Verhältnis zu den vorhandenen Ressourcen so groß, daß sie die Entwicklung de s Kapitalmarktes star k vorantrieben . Eine m Berich t zufolg e la g 72 % des Kapitals de r i n Preußen bis 1870 gegründeten und 1875 noch tätigen Kapitalgesellschaften bei den Eisenbahnen.4 Zum anderen entwickelten die Eisenbahnen einen erheblichen Bedarf an Produkten der Schwerindustrie - Kohle, Eisen und Stahl - und Maschinen. I n einer neueren Studie über den Ruhrkohlenbergbau wird zum Beispiel nach einer überschlägigen Input-Output-Analys e geschätzt , da ß di e Eisenbahne n run d di e Hälft e de s Outputs der Eisenindustrie i n Anspruch nahm , di e Eisenindustrie wiederu m unge fähr ein Drittel der Ruhrkohlenproduktion nutzte , während der Kohlenbergbau sei nerseits etwa ei n Viertel de r Eisenbahnfrachten beanspruchte und die Eisenbahnen , um de n Krei s z u schließen , etwa s übe r 10 % dieser Kohlenförderun g selbs t ver brauchten.5 Zum dritten führte der Bau von Eisenbahnen zu deutlichen Verringerungen der Transportkosten. Au f diese Weise wurde die Wirtschaft überal l in Deutschland transportbewußter , de r überregional e Wettbewer b verschärft e sich , Standort vorteile verloren a n Bedeutung.6 Viertens, Eisenbahngesellschaften stellte n eine Art Organisationsschule fü r di e deutschen Industrieunternehme n de r Zukunft dar : Si e waren die ersten Großunternehmen, i n denen Probleme wie die Kompetenzabgren zung innerhalb der Unternehmensleitung oder die Trennung zwischen Kontrolle und Besitz, di e überregional e Koordinierun g vo n Absatz , Produktions - un d Beschaf fungsentscheidungen un d die Rekrutierung von Management bewältigt werden mußten, nicht zuletzt deshalb, weil die erste bedeutende - und seltsamerweise noch nicht gründlich erforscht e - Welle der Unternehmensfusionen i n den 1850e r und 1860e r Jahren unte r de n Eisenbahnunternehme n stattfand. 6a 97

7 Tilly , Kapital

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Mit Sicherhei t habe n di e Eisenbahnen nich t nu r wegen ihre r technische n Ausrü stung ein e Vorrangstellung unte r den großen Erwerbsgesellschafte n eingenommen , sondern auch, weil sie die Form von juristischen Personen bereits zu einer Zeit praktizierten, i n der die Gründung von Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen noc h ein Privileg darstellte, das deutsche Regierungen Industrieunternehme n nu r spärlich zugestanden. Trot z de r behördliche n Skepsi s gegenübe r diese r Unternehmensfor m ist jedoch in den 1850er Jahren eine Welle solcher Gesellschaftsgründungen innerhal b der preußischen Schwerindustrie fetzustellen. E s scheint gerechtfertigt, i n dieser Zeit generell von einer zunehmend liberalen Haltung de s Staates Aktiengesellchaften ge genüber zu sprechen. Ein radikaler Abbau dieser traditionellen Restriktionen erfolgt e allerdings erst gegen Ende der Periode, als mit dem Gesetz vom 11. Juni 1870, das Gesellschaftsgründungen fas t auf Antrag gestattete und damit gleichzeitig den Boom der Jahre 1870-73 erleichterte. Aller Wahrscheinlichkeit nac h markiert dieses Gesetzgebungswerk de n Höhepunkt de s Wirtschaftsliberalismus i n Deutschland. 7 Zwischen den 1870er Jahren und dem Ersten Weltkrieg änderte sich das Bild. Die preußischen Eisenbahne n wurde n verstaatlich t un d konnte n nich t länge r di e Wirt schaftsstruktur dominieren, wie sie es bis in die Mitte der 1870er Jahre getan hatten. 8 Darüber hinaus trug das Aktiengesetz von 1870 zu einer Vermehrung der Großunternehmen bei. Diese Änderungen führten zu einer zunehmenden Bedeutung des Kapitalmarktes al s Bestimmungsfaktor be i „strategischen " unternehmerische n Entschei dungen, da die Ersparnisse, die vorher in Eisenbahnwerten gebunden waren, allmählich nac h neuen Anlagemöglichkeite n suchten . De r Zusammenschluß Deutschland s nach dem erfolgreichen Krie g gegen Frankreich ga b einen weiteren Ansto ß zu r Bil dung vo n Großunternehmen , di e nu n noc h leichte r au f nationale r Eben e wirke n konnten. In diesem Zeitabschnit t führte n außerde m de r Wunsc h nac h Wettbewerbssteue rung mit Hilfe von Absprachen un d nach staatlicher Interventio n z u einer wesentlichen Modifizierung de r Rolle, die technischer Fortschrit t un d autonome Marktver schiebungen als Determinanten bei Investitionen und Wachstum industrieller Unternehmungen spielten . E s ist durchaus möglich , da ß di e Kris e von 1873 und di e fol gende tiefgreifende Depressio n de r 70e r Jahre, häufi g al s Deutschlands „groß e Depression" bezeichnet , fü r die Schnelligkeit und Gründlichkeit diese s Klimawechsel s in der Wirtschaftspolitik verantwortlic h waren. 9 Wenn strategische Investitionen von Firmen wie Krupp oder des Bochumer Vereins in den Jahren bis Mitte 1870 in erster Linie darauf ausgerichte t waren, neu e technische Verfahren wi e den Dampfhamme r oder die Bessemer Birne auszunutzen, s o läßt sich für die Zeit danach sagen, daß sie nunmehr eher auf eine Marktkontrolle durc h übergeordnete Organisationen abziel ten. Klassisch e Beispiel e dieser neuen Investitionsrichtun g sin d die horizontale un d vertikale Ausdehnung zur Verbindung von Kohle, Eisen und Stahl in Firmen wie dem Thyssen-„Kombinat" oder dem Gelsenkirchener Bergwerksverein, diez. B . zur Verstärkung ihre r Verhandlungsposition innerhal b Kartell e vorgenommen wurde , un d die Investitionen de r großen Reedereien, wie des Norddeutschen Lloyd s in den 80er Jahren, di e getätigt wurden, u m die eigenen Chancen be i der Vergabe von Beförde rungsaufträgen z u verbessern. 10 98 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Der dritt e Abschnit t (1914-1945) kann al s ein e Period e große r Instabilität , ge dämpften Wachstum s un d lediglich seh r kurzen Investitionsschübe n charakterisier t werden. S o wuchs Deutschlands Bruttosozialprodukt pro Kopf zum Beispiel in den Jahren von 1913 bis 1950 mit einer jährlichen Zuwachsrate von 0,4 % oder nicht ganz einem Viertel der Rate für 1870 bis 1913. Während de r zwanziger Jahre fiel di e Arbeitslosenquote i n Deutschland selte n unte r di e Zehnprozentgrenz e un d 1932, auf dem Höhepunk t de r Kris e zwische n 1929 und 1933, betrug si e schätzungsweis e 25 %. 11 Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Gesamtleistung des industriellen Sektors in der Periode zwischen den Kriegen, die Kriegsjahre ausgenommen, durchaus nicht unbeachtlich war. Die Industrieproduktion wuchs zum Beispiel zwi schen 1920 und 1937 mit einer geschätzten jährlichen Zuwachsrate von 5,4 %, also mit mehr als den 4,7%, die auf den Zeitraum 1901 bis 1913 entfallen.12 Hierin kommt der negative Einfluß der Kriege und der, wenn auch nur kurzfristig, positiv e Einfluß na tionalsozialistischer Politi k au f das industrielle Wachstum in Deutschland zum Ausdruck. Dies e beiden Einflüsse sin d bedeutsam für uns, denn sie können dazu beitra gen, dre i wesentlich e Entwicklungsrichtunge n be i industrielle n Großunternehme n während dieses Zeitabschnittes zu erklären: ihre zunehmend konzentrierte und zentralisierte Gestaltung, wie sie bei solchen Giganten wie den IG Farben oder den Vereinigten Stahlwerken z u finden sind ; die zunehmende Verflechtung zwische n Indu strie und finanziellen Interesse n und die zunehmend enger werdenden Beziehunge n zwischen Großindustri e un d Staat . Daß überhaupt den Banken, dem Kapitalmarkt und finanziellen Überlegunge n bei den Investitionsentscheidungen de r 1920er bis 1930er Jahre besondere Bedeutung in ihrer Beziehung zur Rolle des Staates begemessen wird, ist verständlich. Dies läßt sich z.T. au f die Besonderheiten der deutschen Situation nach 1914 erklären. Die Kriegswirtschaft selbst hat Konzentrationsprozesse in bestimmten Industrien (wie z. Β . der Chemieindustrie) gefördert, die sehr stark von Staats nachfrage abhingen. Die Kriegsfinanzierung schu f ein e Inflationstendenz, di e 1922-23 in der Hyperinflation endete. 13a In einer solchen Situation „entschied" ja der Staat über den Umfang der Kreditschöpfung, nicht die Banken oder der Kapitalmarkt. In der Inflationsperiode 1919-23 sehen wir den Ausbau riesiger Industrieimperien, wie die von Stinnes oder der Gutehoffnungshütte. Währen d de r Währungsreform un d Stabilisierung, di e 1924 anlief, wurden die Geldkapitalressourcen, d . h . die Liquidität de r deutschen Wirtschaft i m allgemeinen und die der Industrieunternehmen insbesondere, stark reduziert, was einerseits zu einer starken Verringerung des Eigenkapitals der Großbanken andererseits zu einer Verknappung des vornehmlich über Banken zu mobilisierende Geldkapitals führte. Di e Nettowirkung diese r Tendenze n au f di e Macht de r Banken übe r Indu strieunternehmen is t noc h nich t deutlic h berechne t worden , vielleich t is t si e auc h nicht exakt bestimmbar. Au f der einen Seite kann man feststellen, da ß 1913 die drei größten un d 17 der 25 größten Aktienunternehme n Deutschland s Banke n waren , während dagegen 1927 die größte Bank erst an 9. Stelle einer solchen Rangfolge auftauchte und überhaupt nur 3 der 25 größten Aktiengesellschaften Banke n waren. 13b Auf der anderen Seite kann für eine Reihe von industriellen Großunternehmen in dieser Periode eine zunehmende Entscheidungsmach t de r Banken und Kapitalvertrete r 99 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

festgestellt werden, wie z. B . beim Bochumer Verein (metallverarbeitende Indutrie), M.A.N. (Maschinenbau), Daimler-Benz (Autoproduktion) oder bei den chemischen Fabriken B.A.S.F. 14 Vermutlich erzwan g di e Unfähigkei t de r deutschen Banke n zu r Übernahm e de r Rolle eines finanziellen un d organisatorischen Führers vor 1929, als sie vom amerikanischen Kapital abhingen, und später, als viele ihre Tore schließen mußten, zusätzli che Maßnahmen, insbesondere weitreichende staatliche Interventionen. Der Verkauf der qualifizierten Mehrhei t an den Vereinigten Stahlwerken durch Flick an das Reich 1932 und die anschließende Verzahnung dieses Unternehmens mit der nationalsozialistischen Politi k sin d ei n gute s Beispie l fü r de n Charakte r solche r Interventionen , wenn auch nicht das einzige.15 Für diese Phase scheint die Bezeichnung „Staatsmonopolistischer Kapitalismus " nicht unpassend, wen n auch der Wert solche r generelle r Termini überhaup t gerin g ist . Die Periode sei t 1945 liegt für eine aussagekräftige historisch e Analys e z u nahe , aber gewiss e Grundzüg e scheine n besonder s augenfällig . Zunächs t dürft e da s seh r schnelle Wirtschaftswachstum nac h einer schwierigen Übergangsperiode, die mit der Währungsreform von 1948 endete, bemerkenswert sein. Die jährliche Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts pro Kopf übertraf in der Bundesrepublik Deutschland mit grob 6,8 % über den Zeitraum 1948 bis 1962 bei weitem das Wachstum von 1,8 % in der Period e 1870-1913, auch di e vo n „langsamere m Wachstum " bestimmte n 60e r Jahre stehen mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 3,5 % sehr gut da.16 In den meisten Analysen wird dieses starke Wachstum in Abhängigkeit von einer zweiten bedeutungsvolle n Eigenhei t de r Nachkriegswirtschaf t gesehen : nämlic h seine n besonders in der Indutrie sehr hohen Investitionsraten. In den 50er Jahren absorbierte zum Beispiel die inländische Bruttoinvestition nach einer Schätzung 24 % des Bruttosozialproduktes gegenübe r 14,3%, die für de n Abschnit t 1925-1937 angenommen werden.17 Deutschland s hoh e Investitionsrate n sin d al s Ergebnis des lebhaften Ex portmarktes, verbunde n mi t der Fähigkeit de r Aneignung weite r Bereich e fremde n technischen Wissen s (vo r alle m au s Amerika ) un d al s Ergebni s eine r vorteilhafte n Steuergesetzgebung betrachtet worden.18 Eine derartige Einschätzung trifft vor allem auf Definitionsprobleme un d stützt sich darüber hinaus auf Faktoren, di e vielleich t eher als Symptome denn als Ursache einzustufen sind . So können zu m Beispiel jen e „vorteilhaften Steuergesetze " ganz einfach die starke Ausrichtung der Politik auf die Interessen de r Wirtschaft, de r Unternehmer un d de r Kapitalakkumulatio n verkör pern.19 Trotzdem dient diese Sichtweite hier unserem Zweck, d a sie die zentrale Bedeutung industrieller Investitionen , de s Hauptgegenstandes dieser Abhandlung, un terstreicht. Neben starke m Wachstum un d hohen Investitionsrate n is t als dritte Eigenart de r Nachkriegswirtschaft Westdeutschlands , ebenfall s eindeuti g au f jen e vorteilhaft e Steuerpolitik zurückführbar , di e augenfällige Bedeutun g de r Selbstfinanzierung fü r Industrieinvestitionen z u erkennen, wobei der schwache deutsche Kapitalmarkt, zu mindest bis Mitte der 60er Jahre, sicherlich eine gewisse Rolle spielte.20 Trotz der gezielten Bemühunge n de r Alliierte n nac h 1945, die Einflußnahm e de r deutsche n Großbanken auf die Industrie aufzudecken und zu schwächen, gewannen diese Ban100 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ken ihre alte Stellung sehr bald zurück, worin eine vierte Eigenart der wirtschaftlichen Entwicklung Westdeutschlands nach 1945 gesehen werden kann. Es ist sogar zu vermuten, daß die Banken durch ihre Verfügung über Depotstimmen, durch die Zugehörigkeit ihre r leitenden Mitgliede r z u Vorständen und Aufsichtsräten sowi e ab Ende 1950 durch ihr e Rückgriffsmöglichkeite n au f eine n anschwellende n Stro m private r Ersparnisse einen größeren Einfluß auf die Industrie erlangten, als jemals zuvor.21 Die fünfte bemerkenswerte Eigenart der Entwicklung in Deutschland seit 1945 ist schließlich di e Wiederbelebun g seine r traditionelle n industrielle n Großunternehme n und , nach den erfolglosen Demontageversuchen zwische n 1945 und 1950, deren fortwäh rendes Bemühe n u m Konzentration: Krupp , Thyssen un d die Gutehoffnungshütt e mögen Beispiel e hierfü r sein .

Änderungen i n de r industrielle n Investitionspoliti k Iline der grundlegendsten Änderungen im Investitionsverhalten innerhal b der langen Period e sei t 1850 spiegelt de n erfolgreiche n Versuc h einzelne r Unternehmen , Kontrolle über die Marktkomponenten zu gewinnen, sozusagen um externe Einflußgrößen zu internalisieren. I m Zeitraum 1850-1914 hing in vielen bedeutenden Sektoren der Umfang der Investitionen, die von Industrieunternehmen durchgeführt wur den, unmittelbar vom Absatz und von den Gewinnerwartungen ab . Aus dem relativ gut erforschten Kohlenbergba u wisse n wir zum Beispiel, daß Investitionswellen un mittelbar au f angestiegen e Erlös e und Gewinne folgten, da ß aber die Spitzen i n der mengenmäßigen Ausbringun g ers t siebe n ode r ach t Jahr e späte r erreicht wurden , wenn die neuen Kapazitäte n zum ersten Mal voll zu r Wirkung kamen , mit entsprechendem Druck auf Preise und Gewinne. Aufgrund de r Konkurrenzstruktur der Industrie und der Länge des „time lag" zwischen den auslösenden Investitionsentschei dungen und ihrem Einfluß auf die Produktion (sie schufen immobiles Kapital, das genutzt „werden mußte") tendierten die Unternehmungen unbewuß t dahin, mehr Kapital zu investieren als a priori erforderlich gewese n wäre, um die nachträglich eingetretenen Gewinn e z u realisieren . Diagram m Numme r 1 veranschaulicht dies e „Spinnweb-Beziehungen" unte r Benutzun g historische r Daten. 22 Hier liegt also ein Beispiel für eine extern bestimmte Investitionsstrategie vor, di e wie beiläufi g festgestell t werde n kann , durchau s positiv e Folge n fü r da s allgemein e Wachstum hatte. Da in diesem Fall das, was der Allgemeinheit nützte, den einzelnen Unternehmungen keine n Nutzen brachte, bemühten sie sich, die Rahmenbedingungen dieses Zusammenhanges unter Kontrolle zu bekommen. Als Ergebnis zeigte sich in der wichtigen rheinisch-westfälischen Bergbauzon e die Gründung des Kohlensyndikats 1893, das den Spinnweb-Zyklen und der mit ihnen verbundenen „Oberinvesti tion" ei n wirksames End e bereitete. Einig e Bergbauunternehmen reagierte n zusätz lich, inde m si e sich mi t kohleverarbeitenden Betriebe n zusammenschlosse n un d im allgemeinen beträchtliche finanzielle Mitte l aufwendeten, u m ihre Marktposition sowohl innerhalb wie außerhalb des Syndikats z u stärken. Dabei fällt auf , da ß früher e 101 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Schaubild 1: Preise, Gewinnantei l un d Investitio n i m Ruhrkohlenbergbau , 1852-1892

1 — Relative Preise : aus : Holtfrerich, Quantitativ e Wirtschaftsgeschichte , S . 117. 2 = Gewinnanteil: ebd. , S . 123. 3 = Investition: ebd. , S . 173-4. Versuche, i n den Depressionsjahre n zwische n 1870 und 1890 ein Syndikat z u bilden , gescheitert ware n und daß der „Erfolg" vo n 1893 auf a) de n zu dieser Zeit äußerst gra vierenden zyklische n Preiseinbuße n i m Kohlebereic h un d b ) der relati v kleine n An zahl zusammengeschlossene r Unternehme n - ein Ergebni s de r Kontzentrationsbe wegungen i n de n achtzige r un d frühe n neunzige r Jahre n - beruhte. 23 Viele Industriezweig e durchliefe n ähnlich e Entwicklungsstadien , auc h wen n nu r wenige be i de r Branchenkombinatio n di e Vollkommenheit de s Ruhrkohlenbergbau s erreichten un d auc h entscheidende Abweichunge n i n der zeitlichen Abstimmun g un d der For m de r Konzentratio n vorlagen . Di e Konzentratio n i n de r elektrotechnische n Industrie zum Beispiel erfolgt e ers t später in der Periode 1890-1914 und brachte zwe i mächtige Konzerne , Siemen s un d AEG , hervor. 24 Mi t de n Auge n de s vergangene n Jahrhunderts gesehe n wa r diese r Wande l fü r Deutschlan d wi e zweifello s überal l au ßerordentlich bedeutungsvoll . Au f de r mikroökonomischen Stuf e hat er Investitions entscheidungen i n erste r Lini e zu m Gegenstan d vo n Zusammenarbei t un d Verhand lungen de r Unternehmen untereinande r werde n lassen. Darübe r hinau s beinhalte t di e wirkungsvolle Kartellisierun g eine s Industriezweiges , da ß ei n gegebene r Gewinn strom in geringerem Maß e reinvestier t wurd e - was besonder s fü r de n Kohlebergba u zutrifft - , so daß finanziell e Akkumulatio n un d Ausdehnun g i n ander e Branche n z u ernsthaften Entscheidungsalternative n i n de r unternehmerische n Investitionspoliti k wurden. 2 5 Auf makroökonomische r Eben e raubt e dies e Entwicklun g jedoc h de m Industrie kapitalismus eine n seine r wirkungsvollste n Stabilisierungsmechanismen . Kartelli -

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sierte und konzentriert e Industriezweig e konnte n au f eine gemäßigt steigend e ode r schrumpfende Nachfrag e durc h Drosselung des Outputs und Investitionskürzunge n reagieren, abe r die Folgen, z. Β . in den 20er Jahren un d besonders 1929-33, waren verheerend un d das nicht allei n fü r di e nicht kartellisierte n Branche n (dere n Preis e während der Krise mehr als doppelt so stark sanken wie die der kartellisierten), sondern für die gesamte Wirtschaft. 26 Außerde m entkräftete die Konzentration ein e der wesentlichsten Legitimationsgrundlage n fü r de n Kapitalismu s i m politische n un d ideologischen Bereich, nämlich seine Fähigkeit, die Früchte aus dem Fortschritt eines Sektors mittel s Konkurrenzdruck a n andere Sektoren weiterzugeben . Zu m Teil au s diesem Grun d begann die Kartell-Konzentrationsbewegung i n Deutschland ab etwa 1890 eine „Anti-Monopol"-Strömun g hervorzurufen , di e i n manche r Hinsich t de r amerikanischen Agitatio n entsprach. 27 Die übliche Reaktion au f diese s strukturell e Mißverhältni s bestan d in verstärkte r staatlicher Einflußnahme , un d zwa r au f zweierle i Weise : (1) Einführung vo n Wettbewerbsbeschränkunge n un d (2) Anregung zusätzliche r Nachfrage . Die Staatsinterventio n i n Richtun g „Wettbewerbsbeschränkungen " ha t vo n de n lenkenden, abe r i m große n un d ganze n weni g effektvolle n Eingriffe n de r Zei t vo r 1914 über die diametral entgegengesetzten Zwangskartelle der dreißiger Jahre bis zurück z u de n relati v unwirksamen , liberale n antimonopolistische n Maßnahme n de r Erhard-Ära (z. Β, mit dem Gesetz von 1957) variiert.28 Die Stimulierung zusätzliche r Nachfrage seiten s der öffentlichen Han d entwickelte sic h als Nebenprodukt de s im Dritten Reich betriebenen „deficit spending" in Gestalt des Reichsarbeitsdienstes und der Wiederaufrüstung i n den 30er Jahren. Bewußte , systematisc h au f dieses Ziel gerichtete Planung erfolgte in Deutschland erst Ende der 1960er Jahre.29 Erst von da an glich di e westdeutsch e Wirtschaf t eindeuti g de m „Ne w Industrial State", vo n de m Galbraith schreibt und dessen historische Wurzeln darzustellen eins der Hauptanliegen diese s Beitrages bilden . Zwe i Aspekt e der Entwicklun g diese s neuen Industrie staates in Deutschland sollten soweit jedoch klar geworden sein: die sich verstärkende Ausstrahlung privatgewerbliche r Investitionsentscheidunge n aufgrun d vo n Unter nehmenswachstum un d -konzentratio n un d di e zunehmen d enge r werdend e Ver knüpfung zwische n diese n Entscheidunge n un d de n staatliche n Maßnahmen .

Die Unternehmensstruktu r Die Frage nach dem Zusammenhang zwische n Investitio n un d Konzentration wirf t die weitere Frage nach der Rolle der internen Unternehmensstruktur auf, d a die Konzentration unte r andere m z u eine r grundlegende n Ausweitun g de s interne n unter nehmerischen Betätigungsfeldes und folglich zu einer wachsenden Bedeutung solcher Strukturen führte. Über diesen allgemeinen Untersuchungsgegenstand heg t eine umfangreiche Literatu r vor. Sie betont die Bedeutung der Unternehmen als soziale Gebilde, die den Keim zu Machtstreben und Interessenkämpfen i n sich tragen, stat t sie 103 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

einfach als auf Gewinnmaximierung fixierte Produktionsverbände anzusehen. 30 Man kann diese n Standpunk t durchau s vertreten , abe r di e noc h z u leistend e empirisch e Begründung dieser These erfordert enorm e Arbeit. Unser e Behandlung dieser Frage muß sich dagegen auf eine wesentliche Seite des Sachverhaltes beschränken: au f den Zusammenhang zwischen Größ e und Kontrolle von Unternehmen i m Verhältnis zu Wachstum un d Investitionspolitik . Ein kritischer Schritt hin zur modernen Unternehmensform erfolgte zu Anfang unserer Untersuchungsperiode mit den umfangreichen Gründunge n von Kapitalgesell schaften im Bereich der Schwerindustrie in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Allein im rheinisch-westfälischen Rau m wurden in diesen Jahren 63 dieser Gesellschaften mit einem Kapital von nahezu 200 Mill. Mark gegründet. 31 Hierdurch wurde an einer entscheidend weiten Front jene firmeninterne Teilung der Arbeit zwischen Manager und Eigentümer eingeführt, di e für das moderne Geschäftsleben s o charakteristisch geworden ist . Wie wi r wissen , sin d viel e de r frühindustrielle n Erwerbsgesellschafte n au s eine r Verschmelzung vo n unternehmerisch-technische n Talente n mi t Kapita l hervorge gangen. Die Eisenwerke Phoenix (1852), der Stahl produzierende Bochume r Verein (1854) oder die Harpener Bergbau AG (1856) sind hierfür bezeichnende Beispiele. 32 Selbst da, wo Gesellschaftsgründungen au f Familienunternehmen fußte n un d ledig lich di e Aufteilun g de s Familienvermögen s sanktionierten , wa r ihr e Basisfunktio n dieselbe: di e Eigentumsrecht e vo n de r unternehmerische n Verantwortun g z u tren nen.33 1870 erfolgte eine Liberalisierung der Gesetzgebung über die Gründung von Kapitalgesellschaften, dere n Möglichkeiten schnel l in ganz Deutschland Verbreitung fan den. Si e verursachten i n den frühen 70e r Jahren eine n gewaltige n Gründungsboo m von Aktiengesellschaften (1875 repräsentierten di e in den Jahren 1870-74 gegründeten Gesellschaften ei n Kapita l vo n 1,2 Milliarden Mark) , der allerdings den Zusammenbruch 1873 und ein e tiefe Depressio n währen d de r 70e r Jahre nac h sich zog. 34 Während dieser Jahre wurde nachdrücklich öffentlich Kriti k an diesen Gesellschafte n laut, die sich zum Teil gegen ihre finanziellen Praktiken richtete. 35 Diese Kritik führte unter anderem zu dem Gesetz von 1884, das die Gründung von Kapitalgesellschafte n neu regelte und insbesondere die Beziehungen zwische n Unternehmensführung un d Anteilseignern enge r gestaltete. Die Änderungen waren immerhin so einschneidend, daß der Londoner „Economist" Notiz von ihnen nahm. Interessanterweise führte der Vergleich, de n di e Zeitun g zwische n deutsche m un d britische m Gesellschaftsrech t unternahm, eindeuti g z u eine r Verurteilung de r britische n Lösung. 36 Trotz fortwährender Erörterun g des Problems ist nicht bekannt, ob eine derartige Gesetzgebung irgendeine n Einflu ß au f den Strom kapitalistischer Ersparniss e in die Industrieaktiengesellschaften genomme n hat . D a gleichzeiti g weiter e Änderunge n eintraten, ist eine eindeutige Zuordnung nicht leicht möglich. Es gibt immerhin einige Anhaltspunkte dafür, da ß sich die Kapitalanleger auch hätten anders verhalten kön nen. Der trotz zunehmenden Eigenkapitals trendmäßig anhaltende Anstieg der Wertpapierkurse für viele Großunternehmen in dem Zeitabschnitt 1870-1913 legt ebenso wie direkte Beleg e für bestimmt e Unternehme n - etwa be i der Ilsede r Hütte - den 104 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Schluß nahe , da ß Großaktionär e Investitio n un d Expansion i n den Grenzen halte n konnten, di e ihre Kontrollstellun g nich t gefährdeten. 37 Ein etwa s ander s gelagerte s Beispie l fü r de n Konflik t zwische n Expansio n un d Kontrolle kann aus der Geschichte des Hauses Siemens (Hersteller von Elektroanla gen) zitiert werden. In den achtziger Jahren verlor Siemens seine Vormachtstellung in der Elektroindustrie an die AEG (Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft i n Berlin). Bis 1890 war dies z. Τ. auf die fortgesetzte Kontrolle des Unternehmens durch ein Fami­ lienmitglied, durc h Werne r Siemens , zurückzuführen . Al s Werne r Siemen s aus schied, konnte die Firma die Organisationsform de r Aktiengesellschaft übernehmen , ihre Geschäftstätigkei t dezentralisieren , di e Entscheidungsgewal t aufteilen , Kapita l von auße n mobilisiere n un d expandieren. 38 Die erwähnte Bindung a n Dezentralisierungsmaßnahmen kennzeichne t eine n zwei ten entscheidende n Schrit t i m Werdegan g moderne r Unternehmensstrukturen : di e Entwicklung von Einrichtungen oder Praktiken, die zur Festlegung und Abstimmung eines Investitionsprogramme s auc h unte r de r Bedingun g de r geographische n un d branchenmäßigen Trennung der Produktionseinheiten tauglich sind. Ihre Bedeutung als Träger der Unternehmensexpansion hat sich anhand von negativen Paradigma erwiesen. Kaum waren zum Beispiel in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts die kombinierten Eisenwerke gegründet (sie verbanden Eisengewinnung und -Verarbeitung), schon befanden sie sich in Schwierigkeiten, die Fachleute der mangelnden Integration der einzelne n Unternehmensbereich e zuschreiben . Da s tra f beispielsweis e au f de n Hörder Verein und Phönix zu, un d wenn man Oscar Stillich folgt, eine m der ersten deutschen Gelehrten, der sich mit diesem Problem auseinandersetzte, so war die Entscheidung der Firma Phönix, ihr Generaldirektorium 1860 von Köln, dem Sitz ihrer finanziellen Leitung , zum Produktionszentrum Laa r zu verlegen, die richtige wachstumsförderne Lösung. 39 Als ein Beispiel aus späterer Zeit kann man die genannte Anpassung bei Siemens in der Periode zwischen 1890 und 1914 nennen. Denn sie begünstigte ein e spürbare Dezentralisierung, u m den We g fü r ein e allumfassende Unter nehmensausweitung z u ebnen . In diesem Zusammenhang schein t es angebracht, au f eine eigentümlich Schwäch e hinzuweisen, di e be i großangelegten , zentralisierte n industrielle n Operatione n i n Deutschland sichtbar wurde-und zwar erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die „Rationalisierungsbestrebungen " de r 20e r Jahr e konzentrierte n sich , wi e bei spielsweise in der Stahlindustrie, au f die vermuteten Vorteile der Zentralisation, be sonders in den Bereichen Finanzen und Absatz. Das 1926 gegründete Gebilde „Vereinigte Stahlwerke" ist ein Beispiel hierfür. Diese r Gigant war jedoch nicht in der Lage, in dieser Hinsich t dauerhaft e Erfolg e z u erzielen . Zumindes t bestande n erheblich e Anpassungsschwierigkeiten, s o daß Anfang de r 30er Jahre der Ruf nach Autonomie für die Mitgliedsfirmen - wie beim Bochumer Verein - laut wurde und die Auflösung des Trusts unabwendbar schien. 40 Für uns ist diese Episode deshalb interessant, wei l sie bestimmt e Grenze n i m Organisationsgra d deutsche r Privatunternehme n i n de n 20er und frühen 30er Jahren vor Augen führt, di e historisch bedeutsam sein dürften. Es mag sein, daß die Schwierigkeiten de r Vereinigten Stahlwerk e zum Teil zykli schen Charakter hatten, abe r die Wahrscheinlichkeit, da ß hier eine besonders deut 105 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sche Eigentümlichkeit vorlag, is t vielleicht auch an den Problemen z u sehen, mit denen sic h die Krupp-Unternehmen noc h 1960 auseinandersetzen mußten . Nachde m die verschiedene n Zweig e de s ehemalige n Imperium s i n de n 50e r Jahren unte r ge schicktem Beistan d de s Krupp'sche n Starmanager s Bertol d Beit z zusammengefaß t waren, führte n Überzentralisierun g un d mangelhafte Koordinatio n zu r Illiquidität , die 1966 eine umfangreiche Reorganisatio n erzwangen. 41 Bei de r Analys e vergleichbare r Problem e i n de n Vereinigte n Staate n ha t Alfre d Chandler zwischen persönlich, unternehmerisch und durch Manager geführte n Un ternehmen differenziert. Persönlic h geführte Unternehmen sind solche, in denen alle Entscheidungen (Finanzierung , Markering , Absatz , Investierung) von einem Unternehmer-Eigentümer ode r von einer Gruppe von Unternehmer-Eigentümern getrof fen werden. I n unternehmerisch geführte n Unternehme n lege n diese Unternehmer Eigentümer lediglich die expansionsbestimmenden, strategische n Investitione n fest , während die Routineentscheidungen den Managern überlassen sind. Bei durch Manager geführten Unternehmen liegt schließlich die gesamte Entscheidungsgewalt i n den Händen vo n bezahlte n Managern , di e nur unwesentliche Anteil e a m Unternehme n halten.42 Offensichtlich paß t di e Entwicklun g de r deutsche n Industrieunternehme n nich t ganz in dieses Schema, un d zwar aus zwei Gründen. Zunächst ist zu bemerken, da ß die meisten Großunternehmen, di e in der Zeit ab 1850 entstanden sind, noch bis vor kurzem vo n einzelne n ode r kleine n Gruppe n vo n Unternehmern kontrollier t wur den, auch wenn diese Unternehmer sozusagen „vo n den Anteilsinhabern" eine r Gesellschaft angeheuerte Manager waren. So wurde Louis Baare, der in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts al s Generaldirektor i n die Dienste des Bochumer Vereins trat, zum uneingeschränkten Herrscher über dieses Unternehmen, obwohl er nur über relativ unbedeutend e finanzielle Mitte l verfügte. E r konnte seine Stellung s o sehr aus bauen, daß es für alle, die es anging, selbstverständlich erschien , als sein Sohn Fritz in den 80er Jahren verantwortliche Aufgaben in der Firma übernahm und 1895, als Louis Baare ausschied , desse n Nachfolg e i n de r Unternehmensführun g antrat . Da ß de r Bruder von Fritz, Wilhelm Baare, diesem wiederum i n der Spitzenposition de r Gesellschaft folgte , bestätig t nur , wa s bereits Tradition geworden war. 43 Un d dies war kein Familienunternehmen ! Man könnte viele weitere Beispiele dieser Art anführen. 44 Bedeutungsvol l ist allein die Tatsache, daß managergeführte Unternehmen recht lange wichtige Züge der amerikanisch persönlich geführten Unternehmen aufrechterhielten, auc h dann, wenn die Führungslegitimarion durc h Anteilsbesit z fehlte . Da s ist siche r nich t zuletz t durc h das allseits bekannte autoritäre, ideologische Selbstverständnis des deutschen Unter nehmers - die „Herr im Haus bin ich"-Einstellung gegenübe r allem, was seine Firma betrifft - begründet. Hieri n wird man ein ernsthaftes Hindernis für die Entwicklun g konzentrierter, multidivisionäre r Unternehme n nac h de m amerikanische n Model l sehen können. 45 Allerdings kann erst ein genauer internationaler Vergleich hinsicht lich Konzentrations - un d Diversifikationsgra d ergeben , o b deutsche Unternehme r tatsächlich hinte r de n amerikanische n herhinken. 45a Das bringt un s auf di e zweit e Eigenar t deutsche r Unternehmer: di e ausschlagge 106 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

bende Rolle , di e Bankiers i n den Industrieaktiengesellschaften bi s auf den heutige n Tag spielen. Diese Besonderheit mag den eben erwähnten individualistische n unter nehmerischen Einfluß in gewissem Grade ausgeglichen haben. Die relativ starke Stellung der Banken in der deutschen Industrie ist vielleicht der Tatsache zuzuschreiben, daß der Finanzsektor für die industrielle Entwicklung in Deutschland einen größeren Engpaß darstellte als in anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, w o andere Kapitalquelle n erschlosse n werde n konnten. 46 Durc h Verfügung übe r die Depotstimmen be i den jährlichen Hauptversammlungen und/ode r durch ihren Einflu ß als Aufsichtsratsmitglieder stellte n die Banken eine Macht, theoretisch die Macht der Eigentümer dar, die den Einfluß der Manager auf Wachstums- und Investitionspolitik abschwächte. Diese komplizierte Frage bedarf natürlich der eingehenden Erforschung. Die Antwort wird auf jeden Fall zeigen, was sich hinter der organisatorischen Unternehmensstruktur an finanziellen Probleme n und Mitteln verbirgt, innerhalb derer und mit denen di e Unternehmen gearbeite t haben . Zu m Abschlu ß diese s Kapitel s möcht e ic h daher i n grobe n Züge n einig e Merkmale de r deutschen Unternehmensfinanzierun g darstellen, di e bereit s bekann t sind , un d au f einig e Hypothesen eingehen , di e ein e weitere Untersuchun g wer t erscheinen .

Finanzielle Aspekt e de s Unternebmenswacbstum s In den bisherigen Ausführungen wurd e mehrfach au f die Bedeutung der finanzielle n Bedingungen al s Schlüssel zu m Verständnis de r Investitionspoliti k un d des Wachstums der Großunternehmen hingewiesen. Im folgenden Abschnit t soll versucht werden, diese Bedeutung i m einzelnen etwas genauer zu erörtern. Die Darstellung kon zentriert sich auf den Zeitraum von 1850 bis 1914 mit kurzen Randbemerkungen zu r nachfolgenden Entwicklung , fü r di e ein e gezielte Forschun g imme r noc h aussteht . In der Diskussio n übe r die Zusammenhänge zwische n Finanzierung , Investitio n und Unternehmenswachstum erschein t e s auf jede n Fal l geboten , di e Tragweite z u unterstreichen, die in der Unterscheidung von interner und externer Unternehmensexpansion liegt. Während die interne Unternehmensexpansion vor allem von Sachinvestitionen abhängig ist und allenfalls am Rande durch finanzielle Begebenheiten beeinflußt wird , spiele n di e finanzielle n Voraussetzunge n fü r di e extern e Expansio n vermutlich ein e entscheidende Rolle . Obwoh l hierfü r noc h meh r quantitative s Be weismaterial erforderlich ist, glauben wir sagen zu können, daß die Entwicklung über den langen Zeitraum seit 1850 mit der laufenden Verbesserung in der Kommunikation den finanziellen Sekto r gestärkt und die Möglichkeiten externe r Expansion überproportional vergrößert hat. Als die Möglichkeiten fü r Sachinvestierungen und weiteres internes Wachstu m i n bestimmte n Unternehme n un d Sektore n un d fü r bestimmt e Produkte zu versiegen begannen, konnte der Weg externer Expansion unter Ausnutzung finanzieller Ressourcen und Techniken als wichtigster Zugang zum erwünschten Aufschwung eingeschlage n werden. Das war von bahnbrechender Bedeutung, da der 107 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

finanzielle Sekto r auf diese Weise Ressourcen übertragen un d organisatorische Ver besserungen nich t nu r einzelne n Unternehmen , sonder n ganze n Sektore n zugute kommen lassen konnten. Ein gutes Beispiel dafür stellen die Übertragungen von Ressourcen de s Kohlenbergbau s au f di e kohleverarbeitend e Industri e i n der Zei t zwi schen 1890 und 1914 dar. Die gewaltigen, von Stinnes und Thyssen mitbeherrschten , rheinisch-westfälischen Elektrizitätswerk e sin d nu r eine r de r spektakulärste n Fäll e solcher Übertragungen.47 Auf der mikro-ökonomischen Stufe könnte der Trend zur externen Expansion dazu geführt haben, daß sich unternehmerische Investitionsent scheidungen weitaus mehr als zuvor an den finanziellen Gegebenheite n orientierten . Diese Möglichkeit sollte in der historischen Forschung über das Investitionsverhalten nicht auße r Ach t gelasse n werden. 48 a) Das Liquiditätsproble m Die Bedeutung de r Liquidität fü r die Finanzpolitik de r deutschen Unternehme n is t offensichtlich, abe r deshalb nich t wenige r wichtig . Gro ß angelegt e Industrieunter nehmen häufte n währen d ihre r Entwicklun g erheblich e Summen a n Geldkapitalie n an. Diese Kapitalakkumulation hatt e verschiedene Formen. Fü r unsere Zwecke genügt es, zwei zu unterscheiden: Barguthaben un d andere Liquiditätsreserven. Soga r in der Zei t vor dem Erste n Weltkrie g beinflußte n di e erstgenannte n de n deutsche n Geldmarkt, d a die Industrieaktiengesellschafte n währen d diese r Period e eine n we sentlichen, jährlic h steigenden Anteil an den gesamten Bankeinlagen stellten , mit einer Erhöhun g zwische n 1882 und 1913 von 5 auf 12% der Gesamteinlagen. 49 Mit derartigem Guthaben verfügten die Unternehmen über ein finanzielles Polster , das es ihnen erlaubte , neu e Chancen z u nutzen , auc h dann , wen n di e Banke n de m nicht zustimmten . Die Statistik zeigt , da ß die Bankeinlagen de r Industrieunterneh men im Betrachtungszeitraum schnelle r wuchsen als die Bilanzsummen de r Banken. Ohne Zweifel lag das mit an der Liquiditätspräferenz de r großen Industrieunterneh men. An der Lücke zwischen Bilanzsumme und Kapital der Banken läßt sich auch der wachsende Beitra g de s Nichtbanksektors - und hie r insbesonder e de r Großunter nehmen - zur Kreditschöpfungsfähigkei t de r Banke n ablesen . Dabei is t jedoch für das Bankensystem insgesamt ebenso wie für die Industrieak tiengesellschaften selbst , die nun verstärkt andere Reserven bildeten, die Erkenntni s bedeutungsvoll, da ß a b etwa 1900 die vorrangige quantitativ e Bedeutun g de r indu striellen Bankguthaben zurückgeht. 50 Diese Tatsache ist deshalb interessant, weil sie eine grundlegende Verschiebung im Machtverhältnis zwischen industriellen Großunternehmen und Banken zugunsten de r ersteren anzeige n könnte . Aus anderen Hin weisen habe n einig e Wissenschaftle r ebenfall s au f ein e derartig e Verschiebun g ge schlossen.51 Kassenbestände sind allerdings nur ein Maßstab für Unternehmensliquidität. Un ternehmen könne n auc h Wertpapier e ansammeln , meh r ode r wenige r Kredit e ein räumen oder in Anspruch nehmen und/oder die Höhe ihres Bestandes an Sachwerten und Bargeldmitteln verändern. Die Rangfolge de r Möglichkeiten komm t in den mi 108 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

kroökonomischen Termin i „Liquiditä t erste n un d zweite n Grades " zu m Ausdruck . Die aggregierte Wirkung au f den Geldmarkt - dies sei beiläufig angemerk t - kann mi t dem Ausdruc k „Umlaufgeschwindigkei t de s Geldes " umrisse n werden , d a di e ge nannten Finanzmitte l und/ode r -möglichkeite n daz u dienten , de n Geldumlau f z u fördern. Tabell e 1 gibt ei n Bild ihre r zahlenmäßigen Entwicklun g i n den Jahren 1870 und 1910 wieder. Di e Zahlen beruhen auf einer Analyse der Jahresabschlüsse börsen fähiger Industrieunternehmen. 513 Tabelle 1: Liquidität i n deutsche n Großunternehme n 1880-1911 Jahr 1870 1880 1890 1900 1910

Liquidität a UGMW C GMW d

8,0

12,6 20,9 25,4 25,9

10,4 11,1 16,4 29,9 26,6

Liquidität 1. Grades b UGMW C GMW d 10,1 21,3 30,3 14,1

7,7

1,1 1,6 2,5 2,5 2,1

Kurzfristig e Umlaufvermöge n + Effekten al s % der Bilanzsumme . Kurzfristig e Umlaufvermöge n + Effekte n : kurzfristige Verbindlichkeiten . c Ungewogen e Mittelwerte . d Gewogen e Mittelwerte . Quelle: Rettig . a

b

Die Zahlenangaben de r Tabelle 1 können kau m al s exakte Entwicklungslinie n die nen, bestätige n jedoc h zweierlei : Ersten s verfügte n di e deutsche n Industrieunter nehmen gemesse n a n de n (angestrebten ) Werte n fü r di e Mitt e de s 20. Jahrhunderts (mit eins für die Liquidität erste n Grades und zwei fü r die Liquidität zweite n Grades ) während de s gesamten Untersuchungszeitraume s übe r eine außerordentlich hoh e Li quidität. 5 2 Zweiten s nahm diese Liquidität i m Verlauf de r Periode deutlich ab . Inter essanterweise stie g währen d diese r Zei t (1870-1910) die Liquiditätsquote , d . h . de r Anteil de r liquide n Mitte l a m Gesamtvermöge n de r untersuchte n Unternehme n vo n ca. 10 auf 25-26 %. Wegen gestiegene r Umsätz e un d Zahlungsbedürfniss e könnte n dies jedoc h eine r gestiegene n Transaktionskass e entsproche n habe n un d nich t unbe dingt eine r höheren Liquidität . De r Frage wir d z . Zt . nachgegangen . Etwa s proble matischer fü r di e Ausage übe r di e Liquiditä t is t die Tatsache, da ß unte r 50 so langle bige Industrieunternehme n ei n nac h Firmengröß e gewogene s Liquiditätsma ß (1. Grades) nur eine n leichte n Rückgan g verzeichnet . De r Hauptwandel schein t als o unter de n kleinere n Großunternehme n stattgefunde n z u haben . Nichtsdestoweniger scheine n dies e Eigenschafte n i n de r Zuammenfassun g diese r beiden Merkmale auf einen verhältnismäßig unterentwickelten , sic h aber deutlich ent faltenden Geld - und Kapitalmark t hinzuweisen . Bemerkenswer t is t schließlich noch , daß gerad e al s die Industrieunternehmen begannen , sic h au f ihr e Aufgabe al s Produ zenten un d Kapitalanlege r z u besinnen , di e Sparguthabe n de r Bevölkerun g be i de n Banken allgemei n z u steige n anfingen , un d zwa r soga r relati v zu m Einkommen. 53

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Dieser typische Indikator für die fortschreitende Arbeitsteilung in der Gesellschaft reflektiert di e fortschreitende Vervollkommnun g de s Geldmarktes . Unser Ergebni s bedar f zu r Absicherun g noc h gründlicherer , besonder s verglei chenderer Forschung. Wa s wir abe r bisher wissen, dürft e i n doppelter Hinsich t geeignet sein, zur Beantwortung de r im Zusammnhang mit dem Wachstum der Unternehmen auftretende n Frage n beizutragen . Zunächs t is t festzustellen , da ß di e An sammlung vo n Bankguthaben un d andere n Liquiditätsreserve n di e Unabhängigkei t der Industrieunternehme n geförder t hat , wi e ein e Vielzahl vo n Firmengeschichte n beweist. S o macht zum Beispie l de r Historiker des Bochumer Vereins, Däbritz , z u den in den 80er Jahren ansteigenden Sicherheitsreserven dieses Unternehmens die folgenden kritischen Anmerkungen: 54 „Anfang s de r 1880e r Jahre hatte es wenige tausend Mark betragen. 1883/84 wurde es auf 3 Millionen Mk. erhöht . In der Folgezeit unterlag e s vereinzelte n Schwankungen . Abe r gege n End e diese s Zeitabschnitte s stand e s auf 3,4 Mill . Mk . und war in dieser Höhe überwiegend i n börsengängige n Wertpapieren erste n Ranges angelegt. Damit war eine in früheren Generalversamm lungen mehrfach von Baare ausgesprochene Absicht erfüllt, derzufolg e das Effekten konto in der bezeichneten Ausstattung die jederzeit greifbare Anlage des auf der Passivseite figurierenden Reservefond s darstellen sollte. Zuvor hatte der letztere im Geschäft mitgearbeitet. Sinngemäße r erschie n e s Baare, ihn flüssig z u erhalten , u m auf ihn zurückzugreifen , sobal d di e Wiederverstärkun g de s Fabrikbetriebe s ode r di e Notwendigkeit, neu e Anlagen z u errichten , größer e liquide Fond s erfordert. " Bis in die 80er Jahre hinein hatte der Realkapitalbedarf ein e Bildung derartiger Sicherheitsreserven anscheinen d nich t zugelassen . I n diese m Zusammenhan g sol l di e durch Daten aus gut 200 Bilanzübersichten von einem Dutzend Industriegesellschaf ten fü r di e Period e 1870-1913 belegte Tatsach e nich t unerwähn t bleiben , da ß di e kurzfristig negativ e Beziehung zwischen Investition und liquiden Mitteln offensicht lich wesentliche r wa r al s das positive Verhältni s zwische n diese n Investitione n un d dem Verschuldungsgrad. Allerdings hat die Untersuchung einer größeren Anzahl von Unternehmen diese s Ergebnis wieder in Frage gestellt, d a sowohl Bruttogeldvermö gen al s auc h Verschuldungsgra d mi t Investitionsschübe n positiv korrelier t waren , ebenso wie ein e Reihe weiterer Variablen , wovo n di e wichtigste woh l di e Umsätz e und de r Gewin n de s Vorjahres gewese n waren. 55 An zweite r Stell e ist darauf hinzuweisen , da ß di e Großunternehmen durc h Auf stockung und gezielten Einsatz ihrer liquiden Mittel- insbesondere ihrer Sicherheitsreserven - , enorme Erträge erzielen und dadurch ihr Wachstum beschleunigen konnten. Da s geschah entwede r durc h Reinvestierun g vo n Spekulationsgewinnen i n Sa chanlagen oder durch Übernahme anderer Unternehmen zu günstigen Bedingungen. Zwar fehlt auch hier noch eine systematische Zuammenstellung der Daten, aber es liegen aussagekräftige Beispiel e vor. So ging das Wachstum der Thyssen-Unternehmen zwischen 1871 und 1913 (von einem Anlagekapital i n Höhe von 210000 Mk auf eine Bilanzsumme von run d 33 Mill. Mk ) weit über das hinaus, was sich durch di e Produktionssteigerung diese r Firma in jenen Jahren erklären ließe. Hier werden auf weiten Strecke n geschickt e Finanzmanöve r un d ein e organisatorisc h durchdacht e Ge schäftspolitik wirkam . Während der gesamten Periode tritt August Thyssen als Auf 110 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

käufer vo n Bergwerken, Grundbesitz , Anteile n und Wertpapieren de r unterschied lichsten Art in Erscheinung. Er stößt alles wieder ab, kauft Beteiligungen zurück, di e vorher schon einmal kurzfristig i n seinem Besitz waren, wi e etwa die Anteile a n der Schalker Bergwerks- und Hüttengesellschaft, di e in den 70er Jahren erworben, 1886 veräußert un d 1888/89 zurückgekauft wurden. 56 Ziel dieser Aktionen wa r offenba r zweierlei: einmal die Verbesserung der Kapitalrendite und zum anderen die Stärkung der Thyssen'schen Marktposition durch taktisch klugen Ankauf von Konkurrenten , potentiellen Konkurrenten , Lieferante n un d Abnehmern sowie hin und wieder vielleicht Beteiligungen, die einen drohenden Schaden abblocken konnten. Für unsere Betrachtung ist dabei die Erkenntnis interessant, daß die entscheidende Bedeutung nicht darin lag, was August Thyssen unternahm, sonder n darin, wann e r es unternahm. 57 Andere Unternehme n verfolgte n dieselbe n Ziel e mit de n gleiche n Techniken , abe r nur wenige , da s ist sicher , mi t demselben Erfolg . Obwohl di e Währungsreform i m Anschluß a n die „Groß e Inflation " 1922-23 in den 20er Jahren empfindliche Geldverknappung hervorrief, kann man im allgemeinen sagen, da ß die großen Industrieunternehmen i n Deutschland ihre aggressive Finanzund Expansionspolitik mit dem Ergebnis noc h größerer „Konzernierung " fortsetz ten. Die Schätzungen W. Hoffmann s zeigen zum Beispiel einen wesentlichen Anstieg der vo n Industriegesellschafte n gehaltene n Effekten - un d Liquiditätsbestände : vo n 10 % des Nettokapitals 1913 auf 30 % in den 20er Jahren un d auf 35 bis 40 % in den 30er Jahren.58 Es erscheint jedoch nicht länger sinnvoll, diese Politik unter der Überschrift „Liquidität " abzuhandeln , den n di e von de r Terminilogie suggeriert e Mög lichkeit, zwische n Finanz- und Realinvestitionen z u differenzieren, schwan d in den späten 20er und in den 30er Jahren dermaßen, daß sie nahezu bedeutungslos wurde. Seit dem zweiten Weltkrieg is t die Liquidität de r deutschen Industrieaktiengesell schaften merklich gesunken. Die niedrigen Kennzahlen für die Liquidität erste n und zweiten Grades haben wir bereits erwähnt, und eine abnehmende Bedeutung der Kassenhaltung industrielle r Unternehmen fü r den Geldmarkt schein t sich ebenfalls kla r abzuzeichnen. Trotzdem haben die Industrieaktiengesellschaften wege n ihrer Liquiditätspolitik in Deutschland Kritik hervorgerufen. Dies e bezog sich vor allem auf die bei de n „multinationalen " Konzerne n gegeben e Möglichkeit , ihr e Kassenbeständ e mit Rücksich t au f Zinssätz e und Wechselkurs e übe r die Ländergrenze n hinwe g z u verschieben. Aus diesem Grund muß das aufgeworfene Proble m immer noch als ungelöst angesehe n werden. 59 b) Die Finanzpoliti k Die erwähnt e Abhängigkei t de s Wachstum s großangelegte r Industrieunternehme n vom Geldmarkt und der Finanzpolitik sei t etwa 1870 widerspricht nicht dem relativ gut abgesicherten Befund, da ß diese Unternehmen da s Gros ihrer Sachinvestitione n im Wege der Selbstfinanzierung aufbrachten . Di e Literatur über deutsche Unternehmensgeschichte kommt im wesentlichen einstimmi g zu diesem Ergebnis. 60 Der Einnahme-Ausgabe-Strom eine r kleine n Auswah l große r Industriefirme n au s de r Pe 111 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

riode 187 0 bis 1913 zeigt, da ß (a ) Vermögensvermehrungen i n erster Lini e i n eine r Zunahme des Anlagekapitals bestanden und daß sich (b), abgesehen von der Abnahme der liquiden Mittel, diese Vermögenszunahmen hauptsächlich durch Abschreibungen und eine Erhöhung der Rücklagen auszeichneten, wobei die zunehmende Fremdverschuldung und das Anwachsen des Anteilskapitals Gewicht hatten.61 Darüber hinaus wurde das Anteilskapital zum großen Teil im Einverständnis mit den verschiedenen kleinen Gruppen der Anteilsinhaber, dere n Dividenden diesem Zweck entsprechend festgesetzt wurden , vermehrt , s o da ß hieri n ein e de r Selbstfinanzierun g ähnlich e Maßnahme gesehen werden kann. Obwohl es richtig ist, vor allem die Selbstfinanzierung für die deutsche Unternehmensgeschichte zwischen 1870 und 1913 zu betonen, müssen in diesem Zusammenhang wichtig e z. T. abweichend e Aspekte mit bedacht werden, von denen jeder einzelne eine weitere Erforschung verdient . Da ist zunächst die große Rolle, die Industriefinanzierung i m deutschen Kapitalmark t i m Vergleich z. Β , zum englischen Markt gespielt hat. Zwischen 1895 und 1908 bestritten deutsche Aktiengesellschaften 43 und deutsche Industrieaktiengesellschaften 31 % aller Neu ­ zulassungen a n der Berliner Aktienbörse , währen d de r Anteil englische r Aktienge sellschaften i n England zur selben Zeit etwa 22 % betrug.62 Ohne Zweifel waren Kapitalmarkt und Industriefinanzierung i n Deutschland weitaus enger miteinander verknüpft als in den meisten anderen vergleichbaren Ländern. Zum zweiten bestand eine eindeutige Tendenz industrieller Unternehmen, gegen Ende der Periode 1870-1913 in zunehmendem Maß e extern e Finanzierungshilfe n i n Anspruc h z u nehmen . Dies e Entwicklung begleite t und erklärt zu m Teil den bereits erwähnten Liquiditätsrück gang. I n Tabelle 2 sind einige der relevanten Daten aufgeführt. J e größer das UnterTabelle 2: Innenfinanzierung be i deutsche n Großunternehme n i n 2 Perioden, 1880-1911 (Anzahl de r Unternehme n i n 3 Finanzierungsklassen) Innenfinanzierung: Gesamtfinanzierung weniger al s 50% 50 bis 70% mehr als 75%

Periode 1880-1895

Periode 1896-1911

4 23 23

7 33 30

Quelle: Tilly. nehmen war, desto geringer war offensichtlich die Befürchtung des Managements, aus Gründen der Überschuldung di e Kontrolle zu verlieren. Man könnte sogar in dieser Inanspruchnahme de s Kapitalmarktes eine n Hinwei s dafü r sehen , da ß di e Kapital knappheit im wesentlichen überwunden war. Diese letzten zwei Bemerkungen kön nen durch Ergebnisse der schon oben erwähnten Untersuchung von 50 Industrieunternehmen 1880-1911 - zusammengefaßt in Tabelle 3 bestätigt und ergänzt werden.63 Für di e 20e r und 30e r Jahre besteh t i n de r Literatu r (H . Mauersber g un d Däbrit z z. Β. ) teilweise die Neigung, ei n Bild zunehmender Außenfinanzierung un d externer Entscheidungskontrolle zu entwerfen. Für die 30er Jahre scheint das jedoch ziemlich 112 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 3: Korrelationen zwische n Unternehmensgröß e un d finanzielle n Variable n bei deutsche n Großunternehmen , 1880-1911 Variable

Korrelationskoeffizient

WBS

WSAV WEK

IF EF AF

0,51 0,37 0,48 -0,39 0,52 0,39

Es bedeuten: WBS = Wachstumsrate de r Bilanzsumm e WSAV = Wachstumsrate de s Sachanlagevermögen s WEK = Wachstumsrate de s Eigenkapital s = IF Anteil de r Innenfinanzierun g EF = Anteil de r Eigenfinanzierun g AF = Anteil de r Außenfinanzierun g Quelle: Rettig . zweifelhaft z u sein . Nich t nu r de r Bankenkrac h vo n 1931/32, sondern auc h di e bal d danach eintretend e Prioritä t de r nationalsozialistischen Wirtschaftspoliti k hinderte n die Industriegesellschafte n a n de r Mobilisierun g vo n Kapitalmarkt-Ressourcen , s o daß di e Selbstfinanzierun g a n Bedeutun g zunehme n mußte. 6 4 In der Periode nach 1954 lebte die Selbstfinanzierung - gefördert durc h erheblich e Steuerbegünstigungen - anfänglich wiede r auf. 65 Ein e neuer e Untersuchun g de r „Quellen de r Unternehmensfinanzierung " zeig t jedoch , da ß di e Selbstfinanzierung , nachdem si e in den Jahren 1954-68 auf einem ziemlich hohe n Nivea u von 70 bis 80 % der Bruttoinvestitio n gelege n hatte , i n Verbindun g mi t eine r stetige n Zunahm e de r Verschuldung de r Industrieaktiengesellschafte n star k zurückging. 6 6 Da s is t ohn e Zweifel au f den Inflationsdruck zurückzuführe n un d wirft ein e Vielzahl interessante r Fragen auf. Di e zitierte Studie dokumentiert de n bis heute ununterbrochenen Einflu ß externer Date n au f di e Finanzpoliti k de r Unternehmen , abe r unglücklicherweis e werden gleichzeiti g di e Schwierigkeiten un d Gefahre n deutlich , di e de r historische n Analyse eine s s o aktuelle n Phänomen s innewohnen .

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8 Tilly , Kapital

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7. Kapital und Kapitalisten des Schaaffhausen'schen Bankvereins , 1895-1899 I. Im Zuge des gewaltigen Aufschwung s der deutschen Wirtschaft i n den späten 1890e r Jahren schritt die Kölner Großbank, der A. Schaaffhausen'sch e Bankverein , dreima l zur Erhöung ihres Aktienkapitals: 1895 von 48 auf 60, 1897 von 60 auf 75, und 1899 von 75 auf 100 Millionen Mark. Mi t dieser letzten Summe nahm der Bankverein um 1900 den 5. Platz unter den deutschen Großbanken ein . Die besonders engen Beziehungen de s Bankverein s zu r gleichzeiti g star k expandierende n rheinisch-westfäli schen Industrie scheinen eine solche Kapitalerhöhung nahegelegt zu haben. Ein Blick auf Tabell e 1 bestätigt diese n Bedarf , den n mi t jede r Erhöhun g de s Aktienkapital s konnte de r Bankverei n eine klaffend e Lück e zwische n de n illiquide n Poste n de r „Nichtbankdebitoren" un d Eigenkapita l nahez u schließen .

Tabelle 1: A. Schaaffhausen'sch e Bankverein , 1888-1899 (in Millione n Mark ) Jahr 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899

Dividende Bilanz- Debitoren Effekten Eigenvolumen kapitala 4 5 6 6 6 6 6,5 7 7,5 8 8 8

86,9 93,8 98,3 115,6 118,5 128,8 160,0 186,6 192,3 223,0 248,0 285,4

41,6 50,4 52,2 62,4 70,8 73,5 94,1 b 118,8b lll,8b 136,2b 148,2b 163,7b

a Einschließlic h Reserven. b Vo n diesen Summen waren an Banken

1894 1895 1896

35,2 47,2 31,0

1897 1898 1899

42,5 43,9 42,6

13,8 10,5 10,1 10,4 11,0 10,0 12,2 10,7 15,2 17,2 14,8 21,2

Kreditoren Akzepte

36,8 36,9 36,2 50,3 50,3 51,0 51,2 66,0 66,0 85,3 86,3 119,0

geliehen (in Millionen Mark):

114 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

25,5 27,5 30,6 32,9 33,3 37,7 62,0 65,4 69,6 79,5 91,0 92,4

11,7 15,3 14,2 15,5 18,8 22,8 28,6 32,8 33,2 31,3 39,8 40,7

Wohlwollend äußert sich auch hierzu die Stimme des Kapitalmarktes, der Deutsche Ökonomist, z. Β . zur Erhöhun g vo n 1897: „Durch diese Emmission steigt das Aktienkapital de s Bankvereins auf M. 75 Millionen. De r Bankverein hat in seinen vorzüglichen alte n Beziehungen zu r rheinischwestfälischen Industri e und durch die sehr günstige Entwicklung seiner Berliner Niederlassung reichlich Gelegenheit zur Verwendung des neuen Kapitals. Die Heranziehung de s Letzteren erfolg t nich t zum Zweck einer ers t zu suchenden geschäftliche n Ausdehnung, sondern sie ist zur Notwendigkeit geworden, wenn die Verwaltung den Anforderungen der Kundschaft dauernd soll entsprechen können, und nicht gezwungen sei n soll , manche r a n si e herantretenden Unternehmun g blo ß deshal b au s dem Wege zu gehen, um nicht ihren soliden Status zu stark anzuspannen. Der Betrieb des Bankvereins is t durchau s de r eine r Großban k un d übe r di e Leistungsfähigkei t de s seitherigen Kapital s hinausgewachsen ; deshal b is t auc h nich t z u besorgen , da ß di e Rentabilität durc h di e Kapitalserhöhun g ein e Abschwächun g erfahre n werde , un d ebenso wenig , da ß di e Verwaltung gedräng t werde n könnte , vo n ihre r bewährte n Vorsicht abzugehen." 1 Mit diese n Kapitalerhöhunge n wir d abe r ei n wesentliche s Strukturelemen t de s deutschen Banksystem s vo r 1914 überhaupt angesprochen : desse n relati v hoh e Ei genkapitalausstattung. Obwohl auch deutsche Großbanken wie der Bankverein in der Mobilisierung gerad e desFremdkapitals,d. h . ihrer Kreditoren, die wichtigste Aufgabe sahen, hatten die besonderen Bedingungen der deutschen Industrialisierung zu nächst den Privatbankiers un d dann deren Nachfolgern, de n Aktien-Kreditbanken , nicht nur die in allen Industrieländern üblichen Funktionen der Abwicklung des Zahlungsverkehrs und Bereitstellung kurzfristiger Kredit e zugewiesen, sondern auch die Mobilisierung langfristige r Mitte l übe r den Kapitalmarkt - was eben ein im internationalen Vergleic h relati v hohe s Eigenkapita l voraussetzt . Wie z. B . der englische Ökono m P. B. Whale schon vor Jahren betonte , macht e 1913 das Eigenkapital der größten englischen Banken sieben bis acht Prozent, das der neun größten deutschen Kreditbanke n ca . 20 % ihrer Gesamtpassiva aus, ein Unterschied, de r auch in den wesentlich höhere n Rendite n de r englische n Banke n seine n Niederschlag fand. 2 Es stellt sich für uns die Frage, ob diese Kapitalkonzentration bei den deutschen Banken auf einen besonders elastischen oder besonders verzerrten Kapitalmarkt schließen läßt. Man könnte wohl sagen, daß die vieldiskutierte industrielle Rolle der Großbanken z. Τ . von ihrer Fähigkeit abhing , selbs t Kapital zu günstigen Bedingungen z u mobilisieren. Vo n daher schein t mi r die folgende, a m Beispiel de s Schaafhausen'schen Bankverein s diskutiert e Frag e nac h de r Herkunf t de s Kapitals durchaus berechtig t z u sein. 3 Zur Beantwortung ebe n dieser Frage kann die Erfahrung de s Schaaffhausen'sehe n Bankvereins mit den Kapitalerhöhungen in den 1890er Jahren einiges beitragen, denn durch einen glücklichen Zufall existiere n für die drei erwähnten Kapitalerhöhunge n noch Listen der Aktienzeichner, au s denen Schlüsse über die regionale, sektorale und z. Τ . die soziale Herkunft de s Bankkapitals gezogen werden können. 4 Trotz der historischen Besonderheite n de r Situation de s Bankvereins i n den 1890e r Jahren sin d m. E . die Ergebnisse einer Untersuchung seiner Aktienzeichner von allgemeiner Be115 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

deutung. Die Interpretation der Ergebnisse setzt allerdings einige Information zu den zugrundegelegten Date n und zu den Besonderheiten de s Schaaffhausen'schen Bank vereins in den 1890er Jahren voraus, auf die im folgenden zunächst eingegangen wird. IL Die hier z u erörternde n Verzeichniss e entstande n aufgrun d de r Ausübung de r Bezugsrechte auf neue Aktien durch die Altaktionäre des Bankvereins.5 Es war bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften auch damals üblich, den Altaktionären sämtliche oder zumindest einen Teil der Neuaktien zu einem festen Bezugspreis (pari oder höher) im Verhältnis zu ihrem bisherigen Aktienbesitz anzubieten. Bei den 1895 beschlossenen Erhöhungen von 48 auf 60 Millionen Mark z. Β . bekamen Altaktionär e des Bankvereins fü r j e 4 alte Aktien à 1 000 Mark da s Bezugsrecht au f ein e Aktie à 1 000 Mark und zwar zu einem Preis von 120 % des Nominalbetrages. Hiermit in Zusammenhang stehe n dre i Verhaltensregeln , di e ein e eindeutig e Interpretatio n de r Zeichnerlisten erschweren . Erstens, haben Altaktionäre oft Bezugsrechte nur ausgeübt, um die Differenz zwische n Bezugspreis und Börsenkurs - eine solche Diferen z bestand be i alle n dre i Kapitalerhöhunge n - zu realisieren . Zweiten s konnt e jede r „Altaktionär" werden, der bis zu einem bestimmten, kurz vor der Generalversammlung de r Aktionär e festgelegte n Zeitpunk t Aktie n de s Bankverein s gekauf t hatte . Drittens bliebe n be i qualifizierte n Bezugsrechte n (wi e z. Β . beim Angebo t eine r neuen Aktie auf vier Altaktien) Kleinaktionär e unberücksichtigt. Die Tatsache, da ß dieselben Personen oder Institutionen mehrmals unter den Zeichnern mit verschiedenen Beträgen auftauchten , sowi e das offene Angebo t manche r Bankhäuser a n Klei naktionäre, ihre sonst nicht zu berücksichtigenden Anteil e beim Bezugsrecht durc h kollektive Vertretung zur Geltung zu bringen, spricht für die Bedeutung solcher Verhaltensregeln und gegen die Interpretation de r Diskussion stehende n Verzeichnisse s als einfaches Spiegelbil d de r dauerhafte n Besitzverhältniss e i m Bankverein. 6 Trotz dem sin d dies e Verzeichniss e verhältnismäßi g aussagekräftig . I m Vergleic h z u de n Präsenzlisten der Generalversammlungen, be i denen die Vertretung von Aktien eine große Rolle spielte und ohnehin nur eine Minderheit der Aktionäre auftrat, erstreckt e sich hier di e Erfassun g au f eine n breite n Krei s von Aktionären : fü r 1895 und 1897 rund 1000 und für 1899 900 verschiedene Individuen ode r Firmen. Außerdem erga b ein Vergleich der Verzeichnisse sowohl untereinander als auch mit den Präsenzlisten der Generalversammlungen di e ermutigende Feststellung, da ß eine ganze Reihe von bedeutenden Aktionäre n (wi e Hoesc h ode r Schölle r au s Düren) „Daueraktionäre " waren, deren Bezug von neuen Aktien genau mit ihrem bisher bekannten Besitzanteil übereinstimmte.7 Es ist also zu vermuten, daß ein großer Teil der hierdurch erfaßte n Aktionäre auc h „Daueraktionäre " waren . Schließlic h möcht e ich darauf hinweisen , daß für die Frage der Mobilisierung de s Bankkapitals, di e Identität der Erstzeichner auch dann relevant ist, wenn letztere ihre Aktien gleich wieder verkauft haben. In diesem Falle beschränkt e sic h ihr e Funktion allerding s au f kurzfristig e Vermittlung . Zur Behandlung der Daten wäre noch folgendes zu erwähnen: Vollständig aufge 116 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

zählt wurd e der Wohnort de r Aktionäre, Zeichnungsstellen un d Zeichnungsbeträg e nur in den Verzeichnissen für 1895 und 1899. Eine vollständige berufliche Identifika tion der Aktienzeichner wurde nur für diejenigen versucht, die Köln als Wohnort angaben und zwar wiederum nur für die Kapitalerhöhungen 1895 und 1899 mit Hilfe des Adressbuches de r Stad t Köln . Be i alle n dre i Verzeichnisse n 1895, 189 7 und 1899 wurde jedes zweite Blatt des Verzeichnisses untersucht, wobei mit Hilfe allgemein historischen Wissens und der Angaben im Jahrbuch der Millionäre in Preußen für 1912, ein Teil dieser Aktienbesitzer identifiziert un d nach Berufsstand und Sektoren klassifiziert wurde . Wege n de r zeitliche n Diskrepan z zwische n de n Verzeichnissen un d dem benutzten Jahrbuch wurden Nachforschungen bei mehreren Angaben angestellt, die freilich unzureichen d und lückenhaft bleibe n mußten. So sind z. Β . Personen, die im Jahrbuch al s „Rentiers" bezeichnet wurden, von mir als „Unternehmer" klassifi ­ ziert worden, wen n da s aus zusätzlichen Quelle n festzustellen war . Ein e Nachprüfung jeden einzelnen Falles war zwar nicht möglich, jedoch dürfte wegen der bekannten Kontinuität der Vermögensbildung und -erhaltung dieses Vorgehen einen wesentlichen Tei l de r Großaktionär e richti g erfaß t haben . III. Der Schaaffhausen'sch e Bankverei n is t bekanntlic h au s de m Zusammenbruc h de s Kölner Privatbankhauses A. Schaafhause n & Co. im März 1848 als erste Aktienkreditbank Preußens entstanden.8 In den folgenden Jahrzehnten erfüllte er unter der Leitung des vielseitigen Gustav Mevissen und trotz gewisser staatlicher Beschränkungen wichtige Entwicklungsfunktionen , inde m e r Industrieunternehme n i m rheinisch westfälischen Raum gründete und mit großzügigen Vorschüssen und Emissionshilfe n vorantrieb. Die 1870er Jahre brachten einen Umbruch in der Entwicklung de s Bankvereins insofern , al s er in de n Gründerjahre n zunächs t star k expandierte u m dann, aufgrund bestimmte r Fehlinvestitionen , i n Schwierigkeiten z u geraten, di e von den späten 1870e r bis weit in die 1880er Jahre andauerten. Offenba r wa r der Bankverei n 1875-76 sogar dem Zusammenbruch nahe , ein e Krise, die u. a . durch das Ausscheiden Mevissens aus der Leitung und die Herabsetzung des Kapitals von 48 auf 36 Millionen Mark gekennzeichnet wurde . In den 1880e r Jahren galt der Bankverein unte r Kennern des deutschen Kapitalmarkte s als schwache und noch sanierungsbedürftig e Institution, belastet durch die Folgen mehrer in den 1870er Jahren fehlgelaufener En gagements in der rheinisch-westfälischen Schwerindustri e sowie durch seine unfähige Leitung. S o schrieb der Deutsch e Ökonomis t 1883: „Der Schaaffhausen'sche Bankverei n ist mit dem Wachstum der rheinischen-westfäli schen Industrie groß geworden und krankt noch an den damals begangenen grandiosen Sünden dieser Entwicklung. Der Schaaffhausen'sche Bankverei n hat sich [aber] im Gegensatz zu anderen Banken noch nicht gesundet; eine Reorganisation tut dringend not . . . Selbst mit einem um 25 % reduzierten Kapita l kann der Bankverein keine angemessene Rendit e zahle n . . .". 117 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Im folgenden Jahr schrieb dieselbe Zeitschrift i m Rahmen eines Berichtes über überbewertete Bankaktie n wi e folgt : „Zu de n tiefste n gehöre n Aktie n de s Schaaffhausen'schen Bankvereins , fü r welch e nach der unklaren und prekären Position dieses Instituts mit seinen ungeheuer vielen, zum großen Teil ertraglosen industriellen Anlagen, etc., eine Verzinsung von mindestens 6 bis 7 % gefordert werden mußte. Die Aktien befinden sich vornehmlich im Besitz wohlhabender Leute, welche mit rührender Geduld darauf warten, daß auch dieses Institut endlic h wieder einma l in geordnete Verhältnisse gelangen werde; an den Markt gelang t nicht viel davo n und daher ist e s den Interessenten ei n Leichtes, den Cours s o hoch z u halten , da ß sich auc h keine reell e Nachfrage heranwagt." 9 Nach schrittweisen Verbesserungen am Ende der 1880er Jahre ging der Bankverein in den 1890e r Jahren au f Expansionskurs , begleitet vo n einige n Änderungen i n der Leitung und Organisationsstruktur. Neu e Namen traten in der Leitung hervor, eine Zweigniederlassung i n Berli n wurd e errichte t un d da s Kapita l wuch s vo n 36 auf 100 Millionen Mark. 10 Tabell e 2 spiegelt diese n Sprun g nac h oben i m Rahme n de r Gesamtentwicklung vo n 1850 bis 1913 wider. Tabelle 2: Aktienkapital un d Bilanzvolume n de s A . Schaaffhausen'sche n Bankvereins, 1850-1913 (Millionen Mark ) Jahr

Aktienkapital

Bilanzvolumen

1850 1860 1870 1871 1872 1880 1890 1900 1910 1913

15,6 15,6 15,6 31,1 48,0 36,0 36,0 100,0 145,0 145,0

30,3 45,2 54,0 95,1 129,6 86,2 98,3 247,0 617,5 646,1

Es ist allerdings zweifelhaft, o b man hier von einer erfolgreichen Entwicklungsstra tegie sprechen kann. Der Bankverein blieb bis zum Schluß des hier betrachteten Zeitraumes ein Unternehmen mi t nur bescheidenen Gewinnen, wa s einigen Kennern der Grund fü r sein e zwischen 1904 und 1908 in Form eine r Interessengemeinschaf t er folgte Anlehnung a n die Dresdner Bank und für seine endgültige Übernahme durc h die Disconto-Gesellschaft 1914 gewesen z u sein scheint. Von dieser Perspektive au s gesehen können die nun zu diskutierenden Kapitalerhöhungen des Bankvereins möglicherweise soga r al s „Fehler " interpretier t werden , d a die dabei verwandten Mitte l u.U. woanders hätten besser genutzt werden können. Wenn auch eine solche ex post Betrachtungsweise zu weit gehen mag, wei l sie über die Realitäten der Erwartunge n 118 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

der Kapitalbesitzer, der besonders harten Konkurrenz im Banksektor und der Bedeutung des Kapitals als notwendige, aber nicht hinreichende Entwicklungsbedingunge n hinwegsieht, so dient sie doch der Relativierung unseres Untersuchungsgegenstandes: Die Kapitalerhöhunge n eine r Großbank , di e keineswegs ein e dauerhafte Erfolgsga rantie abgaben , abe r gerade deshalb gewissermaßen Modellcharakte r besitzen , kön nen al s repräsentati v fü r di e Kapitalmarktverhältniss e de r damalige n Zei t gelten . IV. Wenden wir uns den Ergebnissen der Auszählungen der Merkmale der Aktionäre zu. Sie geben Hinweise auf die räumliche, soziale und sektorale Verteilung des Aktienkapitals des Bankvereins. Tabelle 3 spiegelt die räumliche Verteilung in den Jahren 1895 und 1899 wider. Tabelle 3: Verteilung de r Aktienzeichner de s A. Schaaffhausen'sche n Bankverein s in de n Jahren 1895 und 1899 nach Wohnort un d Aktienbetra g (i n %) Wohnort

1895

1899

Stadt Köl n Rheinland un d Westfalen a Stadt Berli n Restliches Deutschlan d Ausland

42,6 38,8 11,1 6,3 1,3

39,7 37,7 12,5 8,5 1,6

Zusammen Gesamtbetrag, 1000 Mark a b

100,1b 12 000

100,0 25000

Auße r Köln . Durc h Aufrundun g nich t gleic h 100%.

Beeindruckend is t die regionale Konzentratio n de r Aktienbesitzer: De r Bankverein mobilisiert e da s Kapita l noc h vorwiegen d i n de m Gebie t seine s unmittelbare n Wirkens. Leider kann diese Feststellung nicht eindeutig interpretiert werden, denn sie weist möglicherweise sowohl auf noch bestehende Schranken des deutschen Kapitalmarktes als auch auf eine mit den Bedürfnissen i m rheinisch-westfälischen Industrie raum durchaus schritthaltenden Kapitalakkumulation hin. Wir wissen eben nicht, ob der Bankverein mehr gewachsen wäre, wenn er Kapitalisten außerhalb des Industriegebietes stärker beansprucht hätte. Interessant ist in diesem Zusammenhang die in der Literatur hervorgehobene Tendenz zur Konzentration des deutschen Kapitalverkehrs in Berlin i n den 1890e r Jahren, ein e Tendenz, die in unserer Tabelle 3 nur sehr leise angedeutet wird . Dabe i mu ß abe r berücksichtigt werden , da ß ein wesentlicher Teil der i n Berli n gezeichnete n Aktie n rheinisch-westfälische s Kapita l darstellte : 1895 wurden 36 % der Gesamtemission und 1899 26 % von 25 % der Emission von Bewohnern de r westlichen Provin z genommen . Da s heißt, di e zunehmend e Anziehungs 119 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

kraft des Berliner Marktes lag nicht in den dort entstehenden Ersparnissen begründet, sondern i n de r durch institutionell e Konzentratio n bewirkte n hohe n Mobilitä t de s Kapitals, verursacht durc h niedrige Transaktionskosten, di e eine Anlage in Wertpapieren relati v liqui d un d wenige r riskan t machten. 11 Es fehlen exakt vergleichbare Verzeichnisse, aber Verteilungen der für die Generalversammlungen de s Bankvereins angemeldete n Aktionär e verdeutliche n einiges . Die hie r noc h stärke r hervortretend e Konzentratio n unte r Kölne r Aktionäre n zeigt, daß die räumliche Erweiterung des Aktionärkreises des Bankvereins, wie sie in Tabelle 3 schon angedeutet wurde, nich t z u einer Minderung de s Kölner Einflusse s führen mußte . Vermutlich war hierfür die starke Verflechtung Kölne r Interessen mit denen de s Bankverein s verantwortlich , möglicherweis e wa r auc h di e Übertragun g von Aktienstimmrechten mit im Spiel.12 Daß der Bankverein 1899 noch eine vorwiegend Kölner Institution war, mag auf die Bedeutung der Handvoll von Großaktionären zurückzuführen sein , führt uns also zu einer Diskussion der personellen und sozialen Verteilun g de s Aktienbesitzes . Tabelle 4: Verteilung de r fü r di e Generalversammlunge n de s Schaaffhausen'schen Bankverein s 1895 und 1899 angemeldeten Aktionäre , nach Wohnor t un d Aktienbetra g (i n %) Wohnort

1895

1899

Stadt Köl n Rheinland un d Westfale n Berlin Restliches Deutschlan d Ausland

59,2 33,7 5,0 0,8 1,3

73,7 26,2 0,1 -

Zusammen Absolute Summ e i n 1000 Mark

100 15383

100 26230

Tabelle 5: Verteilung de r Zeichner de s Schaaffhausen'schen Bankverein s nach Größ e des Aktienbesitzes 1895 und 1899 1895 Anzahl de r AktienZeichner betrag

Besitzgröße 50 Aktien ode r meh r 11-49 Aktien 6-10 Aktien 2- 5 Aktien 1 Aktie Zusammen

1899 Anzahl de r AktienZeichner betrag

28 141 154 420 262

5611 3 349 1 434 1344 262

74 174 95 383 175

18 134 4501 825 1365 175

1005

12000

901

25000

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Zunächst kan n festgestellt werden, daß die Konzentration de s Aktienbesitzes in der Tat erheblic h war : Eine r relati v große n Zah l vo n Kleinaktionäre n steh t ein e klein e Zahl vo n Großaktionäre n gegenüber . Tabell e 5 macht die s deutlich . Zählt ma n di e obersten 5 % der Zeichner, s o beobachtet ma n eine n Antei l a m Ge samtbesitz, de r von 53 % 189 5 auf 55 % 189 9 ansteigt. Di e 10 größten Aktionär e hat ten 1895 mehr als ein Drittel, 1899 etwas weniger als ein Drittel de Gesamtbetrages ge zeichnet. Vergleiche n wi r di e Zeichnerliste 1899 mit der Präsenzliste de r Generalver sammlung unte r Identifikation de r größten Aktienbesitzer - anhan d der Angaben vo n Tabelle 6 - so stelle n wi r folgende s fest : Tabelle 6: Die 10 größten Aktienbesitze r de s A. Schaaffhausen'sche n Bankverein s gemesse n a n de n i n de r Generalversammlun g angemeldeten Aktie n un d a n de m gezeichnete n Aktienbetrag , 1899 Name

Generalversammlung Identität Aktienbetrag (MK)

F. Milinowsk i

Bankier

3454000

W. Deichman n

Bankier

2922750

W. Aenstoot s

Industriedirektor Industrieller Rentier

2719900

Industrieller Ingenieur Industieller Bankier Kaufmann

P. Schoelle r A. Coppe l W. Hoesc h F. Schult z J . v. d. Zypen M. Seligman n E. Oelberman n Zusammen

Name

Aktionärsverzeichnis AktienIdentität betrag (MK)

2694000

W. v . Reckling - Bankier hausen Fam. Schoelle r Industrielle Bank Disconto Ge sellschaft L. Seligman n Bank

1 525 000

Fam. Hoesc h

1 365 000

BergischMärkische A. Lev y Deich mann & Co. Deutsche Ban k Westdeutsche Bank

1 300 000 1 278 000 1 120 000 900000 19287650

2278000 1 060 000 951 000 664000

Industrielle Bank

590000

Bank Bank

669000 460000

Bank Bank

415000 390000

Zusammen

607000

8090000

Erstens, da ß Großaktionär e di e Generalversammlun g vollständi g dominierten . Zweitens, da ß di e größte n Aktienzeichne r bzw . -besitze r nich t identisc h ware n mi t den i n de r Generalversammlun g vertretene n „Großaktionären" , obwoh l dies e auc h einen relati v hohe n Antei l de r neue n Aktie n zeichneten : 3453 Aktien ode r ca . 14 % der Kapitalerhöhun g 1899. Drittens, da ß Banke n unte r de n Zeichner n da s Überge wicht hatten , ohn e die s direk t i n ein e entsprechend e Vertretun g i n de r Generalver sammlung umzusetzen ; vermutlich entweder , wei l ihr Einfluß indirek t ausgeübt wer den konnte , ode r weil si e ihre Aktie n zu m große n Teil zweck s weiterer Veräußerun g

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gezeichnet und zur Zeit der Generalversammlung nich t besessen haben. Man ist versucht, in dieser Diskrepanz der Bankenrepräsentanz eine Erklärung für die gelegentlich kritisierte Tendenz des Bankvereins zu sehen, die Entwicklung lokaler Interessen auf Kosten der eigenen Gewinn- und Dividendenhöhe zu fördern, den n diese wenigen rheinischen Unternehmer besaße n offenbar genügen d Aktien , u m die Entscheidungsgremien des Bankvereins z u dominieren, obwoh l ihre Anteile an dem Gesamtaktienkapital diesen Einfluß keinswegs legitimierten. Allerdings reicht weder die Datenlage noch die Logik von ökonomischen Interesse n aus , um eine solche These zu stützen, denn man müßte nicht nur mehr über die Verquickung industrieller Interessen mit dem Bankverein wissen , sonder n auc h warum rheinische Unternehmer de n anderen Aktionäre n gegenüber , un d eventuell auc h gege n di e Interesse n de r Bank , gemeinsam handeln sollten, zumal ihre Besitzanteile an dem Bankverein und somit ihr Interesse an guten Renditen doch überdurchschnittlich groß waren. Aufgrund vorliegender Informatione n kan n nu r behaupte t werden , da ß (1) hier bedeutend e bzw . vermögende Unternehmer maßgeblich mitgewirkt haben, und daß (2) innerhalb dieser Gruppe des „Großkapitals" Diskrepanzen zwischen Besitz und Kontrolle bestanden zu haben scheinen. Es ist nun zu fragen, o b eine Erweiterung de s Betrachtungsfeldes auf andere Kreise der beteiligten Unternehmer und Kapitalisten mehr relevante Informationen bringe n kann . Zur Verfügung stehe n zwe i verschieden e Verteilungstypen, ein e auf Berufs - un d Vermögensangaben fü r Gesamtdeutschlan d au s de m Jahrbuc h de r Millionär e i n Preußen (1912) fußende Identifikatio n eine s Teils der Aktionäre, und eine auf Angaben der Adreßbücher der Stadt Köln für die Jahre 1895 und 1899 fußende Identifika tion aller Kölner Aktionare.13 Tabelle 7 zeigt zunächs t ein e nach Berufs - un d Standesbezeichnungen gegliedert e Verteilung eine s Teils der Zeichner bei den Kapitaler höhungen von 1895, 189 7 und 1899, Tabelle 8 bringt entsprechende Daten übe r die Kölner Aktionäre . Die Aussagen de r Tabellen 7 und 8 lassen sic h folgendermaßen zusammenfassen : 1. Insgesamt spielte n Vertrete r de s „Großkapitals" , d . h . bekannt e Unternehme r oder reich e Kapitalisten, ein e entscheidende Roll e unter den Aktienzeichnern. Ob wohl nur etwas mehr als die Hälfte der untersuchten Zeichner an Hand des Jahrbuchs der Millionäre (Tabell e 7) identifiziert wurde , macht e deren Aktienbesit z eine n ge wichtigen Teil des gesamten erfaßten Betrages aus, der von ca. 60 189 5 auf über 80 % 1899 hinaufstieg. Kleinaktionär e ware n zahlreich, fielen abe r kapitalmäßig kau m ins Gewicht. Die s bestätigt der Befund vo n den Tabellen 5 und 6 und die Bemerkungen auf S . 120-121 oben. 2. Banken bzw . Bankier s dominierte n di e Aktienzeichnun g i n zunehmende m Maße, was sicherlich mit allgemeinen Vorstellungen der bankhistorischen Literatur in Einklang steht. Der oft beklagte Niedergang des Privatbankiersstandes findet hier einen gewissen Ausdruck, d a Privatbankiers zu den am stärksten vertretenen Gruppe n unter den Aktienzeichnern zählten, so stark, daß man versucht ist, Aktienbanken wi e den Schaaffhausen'schen Bankverei n als Fortsetzung der Privatbankiertätigkeit unte r anderer For m anzusehen . Die Zahlen fü r Kölne r Zeichne r i n Tabelle 8 zeigen ein e deutliche Verlagerung von Bankiers zu Bankfirmen hin , was Teil desselben Prozesses 122 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 7: Verteilung de r Zeichne r neue r Aktie n de s A. Schaaffhausen'sche n Bankverein s 1895-1899 Zahl de r Aktie n 1895 1897

1899

Βankunternehmen Nichtbankunternehmen Bankiers sonstige Unternehme r Rentiers Beamte, o.ä .

1686 468 1340 1051 747 128

2268 661 2403 634 675 122

2635 896 2469 689 638 104

Zusammen

5420

6763

7431

8765

8622

9056

726

780

539

343

404

274

231

255

194

Aktienbetrag de r Untersuchte n Zeichnungen Gesamtzahl de r untersuchte n Zeichnungen Gesamtzahl de r identifizierte n Zeichnungen Gesamtzahl de r identifizierte n Zeichner

Tabelle 8: Verteilung de r Kölne r Aktienzeichne r un d de r in Generalversammlungen vertretene n Aktionär e de s A. Schaaffhausen'sche n Bankverein s nac h Berufe n bzw . Stan d 1895 und 1897 Wert de r gezeichnete n un d vertretene n Aktie n i n Mar k 1899 1895 G.V. Zeichnung G.V. Zeichnung

Zeichner Bankfirmen Handelsfirmen Industriefirmen Bankiers Handelsunternehmen Industrieunternehmer Beamte, o.ä . Rentner

1 460 000 60000 307000 1437000 54000 316000 220000 513000

2 574350 12600 1 13 0 000 4243050 740850 6010450 149250 430400

5 203 000 318000 376000 195000 1 133 000 250000 326000 1 505 000

4080750 75000 4653450 3407000 10251900 12400 1 565 000

Zusammen

4854000

15317000

9306000

24045500

% Gesamtemission

40

37 123

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gewesen sei n könnte , Tabell e 7 widerspricht jedoc h diese r Tendenz . E s is t wahr scheinlich, daß das Großbankkapital überhaupt zu einem wesentlichen Teil vom Bankensektor selbst stammte, eine Tatsache, die allgemein eine Korrektur bei Schätzung des Bankkapitals, wege n erhebliche r Doppelzählungen , nac h unte n nahelegt . 3. Will man den Beitrag der Banken und Bankiers zur Aktienzeichnung ausklam mern, beispielsweise mit dem Argument, daß sie keine nennenswerten Ersparnisse erzeugten und nicht als permanente Aktionäre funktionierten, s o müßte man die Verteilung unte r Unternehmungen, Unternehmern , Rentier s und sonstigen Berufsträger n genauer untersuchen . I n eine r Welt , w o Privatunternehme n vorherrschen , is t e s schwierig, zwische n de r Vermögensanlag e eine r Perso n un d eine r Firm a z u unter scheiden. Folgen wir aber den Tabellen 7 und 8, in denen nur die Aktienbesitzer al s Firmen gezählt werden, di e sich als solche ausdrücklich bezeichneten , s o wird klar , daß Industrie- und Handelsunternehmungen offenba r noch nicht eine Vermögensdiversifikation übe r Bankbeteiligungen suchten , obwoh l ein e leise steigende Tenden z ihres Anteils in Tabelle 6, allerdings vornehmlich au f Kosten des Anteils der Nicht bank-Unternehmer qu a Privatanleger, erkennba r ist . Unte r de n Kölner Aktionäre n ging der Anteil der Unternehmungen zurück, während der Beitrag der Handels- und Industrieunternehmer qu a Privatanleger i n zweifache r Hinsich t bemerkenswer t ist . Erstens übernahme n Handelsunternehme r 1899 einen weitau s bedeutendere n Plat z unter den Zeichnern als die Industrieunternehmer, wa s aber vermutlich durch das relativ groß e Gewich t de s Handelssektors i n der Kölne r Wirtschaft z u erkläre n ist. 14 Zweitens zeigten Industrieunternehmer ein eindrucksvolles Übergewicht bei den Generalversammlungen de s Bankvereins, wa s entwede r früher e Akkumulatione n ode r die Mobilisierung der Anteile anderer Gruppen reflektiert. Hiermi t wird die Aussage von Tabelle 6 bestätigt. 4. Insgesamt ist hier auf eine Diskrepanz zwischen den auf das ganze Deutschland und den auf den Kölner Raum bezogenen Zahlen hinzuweisen: Während erster e ein deutliches und sogar steigendes Übergewicht der Unternehmer und Unternehmungen als Aktionär e i n Relatio n z u Rentier s un d sonstige n Gruppe n zeigt , widerspiegel t letztere die abnehmende Bedeutung jener Unternehmensgruppe. Di e Diskrepanz erklärt sic h durc h di e unter de n Kölne r Aktienzeichner n a n Bedeutun g zunehmende Rentiergruppe. Wegen der Vollständigkeit der Kölner Zählung ist diese Tendenz höher zu gewichte n al s die Zahlen i n Tabelle 7 - bei der Rentiers ebe n „unteridentifi ziert" werden. Vielleicht war diese Entwicklung ein e säkulare Tendenz, die auch die Bankenkontrolle verstärkte, denn Rentiers waren typischerweise Kleinaktionäre , di e eine aktive Rolle in den Angelegenheiten der Aktiengesellschaften wi e dem Bankverein au s Kostengründe n scheute n un d in Bankaktien ehe r eine Art Rentenpapie r sa hen.15 5. Bei Betrachtung de r Rolle der Rentiergruppe al s Bankaktionäre is t aber auf di e relevante Tatsache hinzuweisen, da ß bei dieser Gruppe enge Beziehungen z u Unternehmerfamilien häufig nachgewiesen werden können; z. B . beider Aussonderung al ler Aktionärinne n un d Erbgemeinschafte n unte r de n 1895 und 1899 aufgezählten Zeichnern konnte die Hälfte bzw. ein Drittel eindeutig bekannten Unternehmerfami lien zugeordnet werden (bei einem Aktienbetrag dieser Gruppe in beiden Jahren von 124 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ca. 7 % der Gesamtemission). I n dieser Gruppe ist also doch ein gewisser Rückflu ß von den in der Industrie erwirtschafteten Überschüsse n zu m Bankensystem und somit teilweis e zu r Industri e z u registrieren . 6. Bei Adligen bzw. Großgrundbesitzern dagegen konnte kein nennenswerter Beitrag zu r Aktienzeichnun g de s Bankverein s festgestell t werden , selbs t dan n nicht , wenn man die auch erst im Laufe de s 19. Jahrhunderts geadelte n Unternehmer un d alle Namen mit dem Vorsatz „von" hinzuzählt. Die e Aufzählung erga b einen Anteil von 1,4% (1895 ) bzw. 1,2% (1899) . Mindestens fü r dieses , allerding s i m stärke r durchindustrialisierten Teil Deutschlands beheimateten Unternehmen war ein Transfer vom Agrarbereich zu r modernen Industriewirtschaft übe r das Bankenystem un bedeutend. V. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können wie folgt zusammengefaßt werden : Erstens kam das Kapital des Schaaffhausen'schen Bankverein s in den 1890er Jahren noch überwiegend au s dem rheinisch-westfälischen un d insbesondere dem Kölner Raum. Zweitens war de r Krei s der Aktionäre de s Bankvereins groß , de r Aktienbesitz abe r recht konzentriert . Drittens , Banke n un d Bankier s dominierte n unte r de n Aktien zeichnern, besonders , wen n di e nicht-kölnische n Zeichnunge n berücksichtig t wer den, abe r diese Dominanz wurd e nicht in den Generalversammlungen deutlich , di e von rheinische n Industrie - un d Handelsunternehme n star k beeinfluß t gewese n z u sein scheinen. Viertens, nac h den Banken un d Bankiers waren Industrie - und Han delsunternehmer als Aktienzeichner am bedeutendsten, vielleicht ein Hinweis auf den selbsttragenden Charakte r de r Industrialisierun g al s finanzielle r Prozeß . Fünftens , Rentiers und sonstige Gruppen scheinen insgesamt nur noch eine relativ bescheidene Rolle gespiegelt zu haben; allerdings zeigen die Kölner Zahlen für 1899 eine eventuell signifikante Wend e zugunste n de r Bedeutun g de r Rentiergruppe . Insgesamt läßt sich der Bankverein in den 1890er Jahren als eine wachsende Unternehmung charakterisieren , di e noch nicht auf nennenswerte regional e oder auch soziale Grenzen der Kapitalmobilisierung gestoße n war. E s ist unwahrscheinlich, abe r sicherlich untersuchenswert , da ß dies e Charakterisierun g auc h au f di e folgende n Jahrzehnte zutrifft .

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8. Externes Wachstum industrieller Großunternehmen , 1880-1913 Die Wirtschaftshistoriographi e de r deutsche n Industrialisierun g sieh t eine n enge n Zusammenhang zwische n Wachstum industrieller Großunternehmen un d Entwick lung vo n Finanzierungsinstitutionen . Freilic h is t da s Ursache-Wirkungsverhältni s umstritten. Einerseit s wird di e Meinung vertreten - und an Beispielen punktuell belegt - die deutschen Großbanken seie n dank großzügiger industrielle r Kreditgewäh rung und weitsichtiger organisatorische r Interventione n Wegbereiter der Großindustrie gewesen; andererseits kann unter Hervorhebung de r wachsenden Kapitalgröß e und der Innenfinanzierung industrielle r Großunternehmen au f Autonomie eben dieser Großindustrie den Banken gegenüber geschlossen werden. 1 Wahrscheinlich wir d diese große Streitfrage ni e endgültig entschiede n werde n können . Doc h umfaß t si e Teilfragen, deren Klärung zum besseren Verständnis der deutschen Industrialisierun g beitragen kann und die wohl auch ansatzweise beantwortbar sind. Im folgenden wir d zwei solche n Teilfragen nachgegangen : (1) inwiefern is t das Wachstum industrielle r Großunternehmen i n Deutschland i n der „Hochindustrialisierungsphase " vo n 1880 bis 1913 ein die Konzentration fördernde s externes Wachstum gewesen ; und (2) inwiefern hinge n di e dami t einhergehende n Finanzierungsdispositione n de r Unter nehmen vo n de r Lag e de s Kapitalmarkte s d . h. , vo n den „Finanzierungsinstitutio nen", ab ? Die Behandlung dieser beiden Fragen kann umso ergiebiger sein, als sie seit geraumer Zeit im vergleichbaren wirtschaftshistorischen Kontex t diskutiert werden. So haben Untersuchungen de r um die Jahrhundertwende i n den USA einsetzende n Kon zentrationswellen (z.B . vo n Nelso n un d Davis ) de m Kapitalmark t ei n große s Ge wicht beigemessen und auch für Großbritannien wird hier (z.B. von Hannah) ein unbestreitbar positiver , wen n auc h nu r ungena u bestimmbare r Zusammenhan g gese hen.2 Dieselb e Frag e nac h de m dreieckige n Zusammenhan g zwische n Unterneh menswachstum, externem Wachstum und Finanzierungsfragen sol l nun trotz Datenschwierigkeiten am Beispiel deutscher Großindustrieunternehmen gestell t und diskutiert werden . I Die von Wirtschaftshistorikern häufi g festgestellte n Konzentrationstendenze n unte r den deutsche n Industrieunternehme n i n de r „Hochindustrialisierungsphase " vo n 1870 bis 1913 waren z. T . da s Produkt de s „externen Wachstums", d . h. , di e Folge einer Vergrößerung eine s Unternehmen s übe r di e Beteiligun g a n bzw . Übernahm e von andere n Unternehme n durc h Kau f (meisten s Kau f ihre r Aktien) . Beispiel e au s 126 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

dieser Zei t wi e da s Wachstu m de r Gelsenkirchene r Bergwerk s AG , de r Harpene r Bergbau A G oder der AEG sind schnell zur Hand,3 aber eine systematische quantifi zierende Darstellung fehlt . Si e fehlt vermutlic h nicht zuletzt, wei l ein e Quantifizie rung des Phänomens des externen Wachstums selbst problematisch ist. Auf das damit angedeutete Methodenproble m sol l zunächs t eingegange n werden . Die Quantifizierun g de s externe n Wachstum s is t problematisch , wei l da s dami t gemeinte Phänomen nich t unmittelba r de m Quellenmateria l z u entnehme n ist . Di e Übernahme eine s Unternehmens durch ei n anderes konnte beispielsweise i n Stufe n erfolgen, s o daß si e sich zunächs t i n einer Vermehrung de s ausgewiesenen Wertpa pierbesitzes bei m übernehmende n Unternehme n niederschlug , dan n i n Form eine r Beteiligung und schließlich als ein aufzulösendes Ganzes, das in die Aktiva der Bilanz des übernehmenden Unternehmens hineinfloß. A b wann kann man aber von „externem Wachstum" sprechen? Die Frage ist schwer zu beantworten, weil veröffentlicht e Unterlagen übe r di e Wertpapierbeständ e un d Beteiligunge n de r hie r untersuchte n Unternehmen nu r i n de n seltenste n Fälle n aufgeglieder t un d unveröffentlicht e Ar chivmaterialien eben knapp sind. Verwendet man nun eine sehr breite Definition de s externen Wachstums, die alle o. a . Stufen erfaßt, s o läuft man Gefahr, rein e Liquiditätsinstrumente, wi e erstklassige Aktien, mit Objekten einer Wachstumsstrategie z u vermengen bzw. zu verwechseln und somit externes Wachstum zu überschätzen. Beschränkt man dagegen die Definition de s externen Wachstums auf (geschätzte) fusionierte Unternehmenswerte, s o entstehen Lücke n bzw . Sprüng e i n de n Date n zu m Unternehmenswachstum, di e desse n Analys e erschweren . Beispielsweis e wär e ein e Analyse de s externen Wachstum s de r AEG i n diesem Zeitraum ohn e Berücksichti gung de s Wertpapierkontos unmöglich , d a die wichtigsten - wenn auch nicht all e Besitzverschiebungen hie r registrier t wurden. 4 Zu den schwierigsten Probleme n zählt die Bewertung de r übernommenen Unter nehmen. Abgesehen von der Unvollständigkeit de r Information übe r den Kaufprei s überhaupt, brachte n di e Kaufbedingunge n einschließlic h de r Zahlungsmodi of t zu sätzliche Unklarheite n in s Spiel. Dies e entstanden z. Β . durch di e damalig e Praxis , Fusionen durc h di e Ausgabe neue r Aktie n a n di e Aktionär e eine r übernommene n Firma zu finanzieren, wobe i de r eigentliche Kaufprei s zwische n de n Nominal- un d Kurswerten dieser Aktien - häufig abe r nicht genau - anzusetzen wäre. Es ist bei der großen Zahl der hier untersuchten Unternehmen unmöglich, die durch Datenlage bedingte, quantitativ e Ungenauigkei t abzuschätzen . II Die industriellen Großunternehmen, di e hier in erster Linie als Beobachtungseinheiten bzw. Datenquelle n dienen , sin d ein e Auswahlgruppe vo n 50 Industrieaktiengesellschaften, di e über de n Zeitraum vo n 1880 bis 1913 bestanden un d um 1890 ein Vermögen von mindestens 1 Mill. Mark auswiesen. Diese Gruppe besteht aus Unternehmen, für die sich Kapitalisten interessierten (zumindes t zeitweis e zwischen 1880 und 1913) und di e daher i n de m wichtige n Saling s Börsenjahrbuch erfaß t wurden . 127 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 1: Externes Wachstu m industrielle r Großunternehme n in Deutschlan d 1880-1913, gemessen a n Zah l un d Wer t (i n 1000 Mk.) de r übernommene n Unternehmen

Jahr 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1990 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 Summe 1880-1913 a

(2) 0) Zahl de r über Zahl de r über nehmenden Unter - nommenen Unter nehmen b nehmen

1 1 2

-

2 1 5 1 2

-

2 3 1 3 3 4 2 2 1 4 4 2 3 3 1 5 1 4 1

63

(38) (40) (41) (41) (41) (41) (40) (41) (43) (43) (43) (43) (44) (43) (44) (43) (45) (45) (45) (45) (45) (45) (45) (46) (46) (45) (44) (44) (44) (44) (43) (43) (49) (48)

(3) Zahl vo n (2) mit Wertangaben

-

-

1 1 5

1 1 5

-

-

-

-

2 1 8 2 4

2 5 1 7 6 4 2 2 1 9 6 2 5 5 3 6 1 5 3

99

(4) Wert de r Übernahmen c

5 500 1 200 1 675-

-

2 1 8 2 4

3532 92 48550 1 400 9850

2 5 1 5 4 4

5 732 10922 365 17250 7220 21 740

1 1 6 5 1 5 1

1 000 2055 25 355 7787

6 1 2 1

26240 3 000 5 700 8 100

72

249806

-

-

a

-

-

-

27741 7800

-

Möglichs t nach Datum des Beschlusses der Generalversammlung der übernehmenden Unter nehmen eingeordnet .

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Schaubild 1: Unternehmenswachstum un d externe s Wachstu m

Branchenmäßig entsprich t ihr e Zusammensetzung de r durchschnittlichen Verteilun g aller be i Saling s Börsenjahrbuch aufgeführte n Unternehmen , 1890-1910. Mehr übe r diese „Stichprobe " und die Probleme ihrer Auswertung wir d a n anderer Stelle berich tet, so daß hier darauf verwiesen und die Beschreibung unseres Rohmaterials vorläufi g abgeschlossen werde n kann. 5 I m folgenden werde n nu n all e 3 o. e. Definitione n de s Zah l der überhaup t erfaßte n Unternehme n i n Klammern . Au f 1000 Mark gerundet . Quelle: Eigene Erhebung aufgrund der Daten erläuten in: R. Tilly, Das Wachstum industrieller Großunternehmen in Deutschland 1880-1911, in: H. Kellenbenz (Hg.), Wirtschaftswachstum , Energie un d Verkehr vo m Mittelalter bi s ins 19. Jahrhundert, Stuttgar t 1978.

b c

129

9 Tilly , Kapital

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externen Wachstum s angewandt . Zunächs t solle n abe r nur die vollzogenen Fusione n und di e i n de n Quelle n offenba r al s „maßgeblich e Beteiligungen " verstandene n Er werbungen gezahlt werden. Nach unserer, au f Angaben in Salins Börsenjahrbuch un d in dem Deutschen Ökonomist basierende n Erhebung , habe n die 50 langlebigen Indu strieunternehmen unsere s Samples im Zeitrau m 1880 bis 1913 9 9 Firmen übernom men, dere n Wert au f mindestens rund 250 Mill . Mark geschätz t werde n kann. Tabel le 1 zeigt unsere Berechnungen. 6 Vergleicht man diese Zahlen mit dem Wachstum de r Bilanzsumme diese r Unternehme n - 147 2 Mill . Mark, 1880-1911 - so konnt e ma n sagen, da ß di e von de r Literatur vie l beachtete n Unternehmenszusammenschlüss e i n Wirklichkeit nu r eine n We g de s Unternehmenswachstum s un d de r Konzentratio n anzeigten, vermutlic h nich t einma l de n wichtigsten ! Di e Zahle n i n Tabell e 1 und Schaubild 1 widerspiegeln offenbar auc h Konjunkturbewegungen, s o z . B. die Boomjahre 1889, 1898-190 0 und 1903-1905. Es erschein t dahe r angebracht , di e erfaßte n Übernahmen explizi t mi t Konjunkturdate n z u verknüpfen . Die s is t i n Tabelle 2 versucht worden , di e sowoh l A . Spiethoff s Konjunkturklassifikatio n al s auc h di e Wachstumsraten de r (Bilanzsumm e der ) 50 Industrieunternehmen al s Indikatore n der Konjunkturentwicklun g zugrund e legt . Der positiv e Zusammenhan g zwische n externe m Wachstu m un d Konjunktu r er scheint eindeutig , obwoh l diese r be i Verwendun g de r Wachstumsrate n de r Bilanz summe de r Unternehme n al s Konjunkturindikato r nich t s o star k zu m Ausdruc k kommt. Externe s Wachstu m industrielle r Großunternehme n schein t als o ehe r vo n den in ,guten' Jahren gegebenen positiven Anreize n geförder t worde n z u sein, al s von den i n Stockungsjahre n besonder s be i schwache n Unternehme n spürbare n Markt -

Tabelle 2: Konjunktur un d externe s Wachstu m industrielle r Großunternehme n 1880-1913

Indikator de s externen Wachstum s 1. Zahl de r übernommene n Unternehmen a 2. Dieselbe pr o Jah r 3. Wert de r übernommene n Unternehmen (1000 Mark) 4. Derselbe pr o Jah r (1000 Mark)

Konjunktur Nach Nach Wachstu m Spiethoff1 der Unternehmen 2 in: Aufschwungs - Stockungsstark schwac h jahren jahren

76 3,6

23 1,8

49 5 3,8 2,

225949

23 857

135546 10046

10759

1835

10427 558

0 8 0 1

A . Spiethoff, Di e wirtschaftlichen Wechsellagen , Tübinge n 1955, Bd. 2, S. 147 (34 Jahre). Wachstumsrat e de r Bilanzsumme pro Jahr . 1880-1911 Ol Jahre) . a Ein e Bank ist dabei: die in Besitz der A.E.G. gelangenden Aktien (12 Mill. Mark) der Elektrobank, 1898. 1

2

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zwängen. Dieses Ergebnis kann durch Material aus einer Untersuchung westfälische r Schwerindustrieunternehmen vo n T. Pierenkempe r ergänz t werden. 7 Die Untersuchung erfaßt alle in den westfälischen Ruhrkreise n tätigen Unternehmen der Schwerindustrie für den Zeitraum 1852-1913, bietet insofern eine aufschlußreiche Kontrolle unseres Befundes. Dort zeigte sich ein Schwund von insgesamt 97 Unternehmen, wovon 39 in 5 Jahren (de r insgesam t 62) ausschieden. Vergleich t ma n die tatsächlich e Verteilung mit de m Zufall, s o stellt sic h folgende s heraus : Zahl de r Schwundfäll e pro Jah r

Verteilung nac h dem Zufall *

Nach tatsächliche n Beobachtungen

13 20 25 4

26 17 11 8

0 1 2-3 4 * Poisson Verteilung bei: = 97/62 = 1,56.

Klassifiziert man nun die Jahre mit 0 und mindestens 4 Schwundfällen nach Wachstumsraten ode r Konjunkturlage , dan n ergib t sic h folgendes : Jahre mit : 0 Fällen 4 Fällen

Durchschnittliches Industriewachstum

Aufschwungsjahre

Stockungsjahre

3,1% 7,1%

12 8

14 0

Der positive Zusammenhang mit guter Konjunktur wird also bestätigt. Die Klassifikation diese r Transaktionen nac h Kapitalwert un d Konjunktur macht den Zusammenhang noch deutlicher: zwischen 1872 und 1913 fielen 25 Übernahmen mit einem Wert vo n 148 Mill. Mark i n „Aufschwungsjahre" , dagege n 6 Unternehmen mi t ei nem Wert vo n fas t 37 Mill. Mark i n „Stockungsjahre" . Da insbesonder e bei m Spiethoff'sche n Konjunturschema de r Kapitalmark t ein e wichtige Rolle gespielt haben soll, müssen wir weiter unten auf diesen Tatbestand zurückkommen. Vorerst noch einige Daten zum Phänomen de s externen Wachstums. Externes Wachstum kann als Erwerb anderer Firmen plus alle Beteiligungen an anderen Firme n definier t werden . Tabell e 3 verwendet nu n Date n au s Tabelle 1 und Angaben übe r jährlich e Änderunge n i m Beteiligungskont o de r langlebige n Unter nehmen unserer o. a . Untersuchungen - alle in Unternehmensdurchschnittwerte umgerechnet. Diesmal werden auch jährliche Quotienten zwischen externem Wachstum und Wachstum de r Bilanzsumme berechnet . Da s Ergebnis ist nahezu identisc h mi t der auf Tabelle 1 fußenden Ausage; externes Wachstum machte im Durchschnitt nur rund 20 % oder knapp ein Fünftel de s Gesamtwachstums diese r Unternehmen aus. 8 Hier werde n allerding s Schwankunge n erkennbar , dere n Bedeutun g weite r unte n überprüft werde n soll . 131 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 3: Erweiterte Definitio n de s externe n Wachstum s und Unternehmenswachstum s be i industrielle n Großunternehme n i n Deutschland , 1880-1911

(1)

Wert de r Fusionen Jahr 1880-81 1881-82 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911

138 29 41

— — —

86 2 1 12 9 33 23

— — —

133 243 8 383 160 483



22 45 551 173



630 177



610 -16

(Unternehmenswerte 1 i n 1000 Mark un d %) (2) (3) Wert de s Wert de s durch Zuwachses de r schnittl. Unter nehmenswachstums Beteiligungen 1 Fusionen 2 130 78 38 1 -74 3 76 -1 1377 66 72 -52 40 -8 45 267 6 499 196 877 -210 -76 388 622 259 2 920 45 5 772 70

430 923 208 323 697 28 117 1 082 1 066 1346 381 51 -87 207 380 899 1 633 2458 2 368 1 946 957 225 493 1 819 1 444 2 799 1299 1 167 391 1 308 2 783

(4) (2)/(3) in %

28 8 18 0,3 -16,6 10,7 65 0,1 129 5 19 -102 218 -4 12 30 3 20 8 45 -22 -34 79 34 18 0,1 71 4 1 59 -0,5

Wer t für alle Unternehmen der Untersuchungseinheit dividier t durch Zahl der Unternehmen (Diese Zahl variiert übe r de n Untersuchungszeitrau m entsprechen d de n Angabe n i n Tabelle 1). 2 1 . Differenzen gegenübe r de n Vorjahreswerte n bei m Bilanzstichtag . 1

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Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, soll noch zu einem möglichen methodischen Einwand Stellung genommen werden. Es wäre nämlich denkbar, daß trotz der aggregierten Daten für eine große Anzahl von Unternehmen signifikante Beziehungen bestanden zwischen Unternehmenswachstum un d externem Wachstum in bestimmten Branchen ode r vo n einer Teilgrupp e vo n besonders schnell wachsende n ode r über durchschnittlich großen Unternehmen, deren Erfolg in erheblichem Ausmaß vom externen Wachstum getragen worden wäre. Tabelle 4 zeigt die sektorale Verteilung des externen Wachstums unserer Unternehmen auf, dabe i das deutliche Übergewicht weniger Sektoren und insbesondere de r Schwerindustrie. Au s einem Vergleich de s externen Wachstum s schwerindustrielle r Unternehme n mi t ihre m Gesamtwachstum , 1880-1911, läßt sich ein Beitrag des externen Wachstums zum Gesamtwachstum von fast eine m Dritte l berechnen , wovo n meh r al s zwe i Dritte l ein e konkurrenzmin dernde horizontal e Expansio n reflektierten . Be i de r Interpretatio n diese s Befunde s darf ma n aber nicht vergessen, da ß 1880 Großunternehmen de r Schwerindustrie bereits ein erhebliches Gewicht im Unternehmensbereich hatten und daß sie in den folgenden Jahrzehnten zu der Gruppe mit eher mäßigem Wachstum zählten (5,0% pro Jahr gegen 6,4% für die ganze Gruppe der 50 überlebenden Unternehmen). D. h., der höhere Anteil des externen Wachstums reflektiert z.T . den kleineren Nenner des Gesamtwachstums.9 Hinzu kam das im Kohlebergbau nicht selten zu findende Proble m der Erschöpfun g de s Rohstoffbesitzes ; die s erzwan g de n Erwer b weitere r Felde r bzw. Unternehmen. Insgesamt jedoch waren die größten (21) Unternehmen am Ende der Periode 1880-1911 fast zweima l so stark gewachsen wie der Durchschnitt: 27% gegenüber 16% pro Jahr, der Anteil des externen Wachstums an dem Gesamtwachstum der Periode war aber nicht höher, sondern niedriger: 19,4 % gegenüber rund 20 % für den Durchschnitt. Natürlic h gab es Unternehmen, di e erfolgreich mittel s des externen Wachstum s rasc h expandierte n z.B . di e Harpene r Bergba u A G mi t eine r Durchschnittswachstumsrate vo n 55% pro Jahr und einem externen Wachstumsan teil von 44 %. Sie waren aber Ausnahmen. Bezeichnenderweise hat das (in diesem Zusammenhang) meis t zitierte Unternehmen, di e AEG, zwa r bei weitem die höchsten Wachstumsraten, aber einen unterdurchschnittlichen Antei l des externen Wachstums (von ca. 16%), so groß war dessen internes Wachstum. Schließlich soll noch auf Tabelle 4 Bezug genommen werden: Wenn Diversifikation Voraussetzun g für das langfristige Unternehmenswachstu m war , dan n mußt e da s bevorzugt e Mitte l nich t di e häufig i n diesem Zusammenhang zitierte Angliederung fremder Unternehmen gewesen sein , sonder n di e Unternehmensreorganisation. 10 Klassifizier t ma n di e Unter nehmen der o.a. Untersuchungseinhei t nac h Größe bzw. Gesamtwachstumstempo , so bekommt man ein negatives Ergebnis. D. h. die sekundäre Bedeutung des externen Wachstums ode r anders ausgedrückt : di e dominierend e Roll e des internen Wachs tums für da s Unternehmenswachstum insgesamt , schein t generel l für de n Zeitrau m vor dem Ersten Weltkrieg zuzutreffen. Somit ist unsere erste Frage negativ beantwortet worden .

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Tabelle 4: Externes Wachstu m industrielle r Großunternehme n i n Deutschland , 1880-1913. Verteilt nac h Sekto r un d Wachstumsar t

Sektor de r wachsenden Unternehmen Schwerindustrieb Maschinenbau u. Elektro technik Verkehr u . Versorgung Brauereien Sonstige Zusammen a

Art des externen Wachstum s (Zahl un d Wer t de r übernommene n Unternehme n i n 1000 Mark) DiversifiIntegration kation u. Horizontale Integration Integrationa Kombination vorwärts rückwärts Summe Zahl Wer t Zahl Wer t Zahl Wer t Zahl Wer t Zahl Wer t 15 8537

5

53

0 720

1 1600

0

15

5

9 2 7 685 6 856 5 154 42

--

1 200

0

35 13977

9

1 40

0

25 12599

5

-

6 2123

2

8 3728

7

--

2 532

0

10 2968 6 856 7 1047

5 5 4

9 2695

2

56 21200 6

4 950

13

000

--

83

5 775

49

0

500

Fäll e der Angliederung von Vertriebseinheiten bzw . branchenfremden Unternehmen . -Hüttenunternehmen

b Bergba u und

III. Unser Befund mindert die Bedeutung einer gesonderten Analyse des externen Wachstums, erhöh t da s Gewicht eine r a n andere n Stelle n versuchten Analys e de s Investi tionsverhaltens und des internen Wachstums industrieller Großunternehmen i m Betrachtungszeitraum.11 Gleichwoh l kann zum Verständnis der Rolle des Kapitalmarktes für das industrielle Wachstum eine Überprüfung de r Bedeutung jenes Marktes für externes Wachstu m einige s beitragen . Die anfangs erwähnt e zweit e Hypothese , di e nun getestet werden müßte , lautet : externes Wachstu m industrielle r Großunternehme n hin g vo n de n Außenfinanzie rungsmöglichkeiten ab . Externes Wachstum wurde bereits definiert. E s fehlen noc h Indikatoren fü r Außenfinanzierun g sowi e fü r di e Kapitalmarktbedingungen , di e diese beeinflußten. Außenfinanzierun g kan n als Änderung de s Grund- und Fremd kapitals de r Unternehmen , di e Kapitalmarktbedingunge n könne n al s Börsenkurs , Obligationszins un d Kurs-Dividenden-Relation („Dividenen-Rendite" ) spezifizier t werden.12 Zunächst kann das Probelm strukturel l angegange n werden. Wi r berück sichtigen nur die 18 Unternehmen, die relativ stark am externen Wachstum beteilig t waren und nur die Jahre, i n denen positive Änderunge n de s Grundkapitals bzw . i n denen externe s Wachstu m stattfanden . I n di e Jahr e de r Kapitalerhöhunge n diese r 18 Unternehmen fiele n run d 50% oder die Hälfte ihre s externen Wachstums, wäh rend für die Jahre des externen Wachstums knapp 40 % der im Zeitraum vorgenom menen Kapitalerhöhunge n registrier t werde n können . Tabell e 5 faßt di e Zahlen zu sammen. 134 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 5: Grundkapitalerhöhungen un d externe s Wachstu m bei 18 Großunternehmen, 1880-1911

Jahre de r Kapitalerhöhungen Jahre de s externen Wachstums

Gesamtzahl der Jahre

Gesamtsumme de r Kapitalerhöhungen (1000 Mark)

Gesamtsumme de s externen Wachstum s (1000 Mark)

106

565736

156908

110

228824

314410

Schaubild 2: Grundkapital, Aktienkurs e un d Externe s Wachstu m (Jährliche Wachstumsrate n i n Prozent )

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Demnach übte n Kapitalerhöhunge n eine n größere n Einflu ß au f externe s Wachs tum aus als umgekehrt; aber die Asymmetrie ist nicht pronociert genug, um damit auf Richtung de r Kausalbeziehunge n schließe n z u können . Eindeutige r erschein t di e Rolle des langfristigen Fremdkapitals : obwohl dieselben 18 Großunternehmen übe r diesen Weg ca. 325 Mill . Mark mobilisierten (in 88 „Unternehmensjahren", brutto), wurde diese Mobilisierung vom externen Wachstum in Höhe von nur knapp 61 Mill . Mark begleitet. D. h. , soweit Außenfinanzierungsmöglichkeiten überhaup t externes Wachstum stimuliert bzw. erlaubt haben, taten sie dies über den Weg der Grundkapitalerhöhungen.13 Dasselb e Ergebni s bring t ein e Auszählun g alle r mit externe m Wachstum explizi t gekoppelte n Finanztransaktionen : 35 Grundkapitalerhöhungen von insgesamt 188 Mill. Mark, 5 Anleihen i n Höhe von 23 Mill. Mark. Da s mach t annähernd 80 % des insgesamt geschätzte n externe n Wachstums, abe r nur ca. 23 % der registrierten Kapitalmobilisierun g aus . Kapitalmarktbedingungen mußte n inso fern relevant gewesen sein, als Grundkapitalerhöhungen sowi e Fusionen und Beteiligungen vorwiegend in guten Konjunkturjahren stattfanden, (Schaubil d 1). Tabelle 3 belegt das Letztere; Tabelle 6 nun das Erste. Doch bleibt der Zusammenhang noch erläuterungsbedürftig. Um in dieser Frage etwas weiterzukommen, kan n die Zeitreihenanalyse von Nutzen sein. Im folgenden werden zunächst die aggregierten Reihen externes Wachstum, Grundkapitalerhöhungen un d Aktienkursbewegungen mittel s de s Korrelationsver gleichs untersucht. Um die Gefahr der Multikollinearität über den Zeittrendfaktor z u mindern, werde n Wachstumsrate n de r Indikatore n verwendet . Da s Ergebni s de r Korrelationsberechnung steh t in Tabelle 7 unten. E s kann folgendermaßen interpre tiert werden :

Tabelle 6: Konjunktur un d Finanzierungsarten b 1880-191 1 Konjunktura Positiv Negativ gesamt

a) Erhöhung de s Grundkapital s überdurchunterdurchschnittlich schnittlich 9 1 10

10 11 21

gesamt (Jahre) 19 12 31

b) Erhöhung de r kurzfristige n Verschuldun g Konjunktur* Positiv Negativ gesamt

überdurch schnittlich

unterdurchschnittlich

gesamt (Jahre)

12 1 13

6 12 18

18 13 31

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Konjunktur a

c) Erhöhun g de r langfristige n Verschuldun g unterdurchgesamt überdurchschnittlich schnittlich (Jahre)

a

13 5 18

6 7 13

Positiv Negativ gesamt

19 12 31

Konjunkturdate n aus : Spiethoff Di e wirtschaftlichen Wechsellagen , Bd . 2, Tafel 1. Finanzierungsdaten fü r 50 Unternehmen aggregiert .

Tabelle 7: Einfache Korrelatione n zwische n Aktienkurs , externem Wachstum , Grundkapita l un d Unternehmenswachstu m bei industrielle n Großunternehmen , 1880-1911 Variablen (Wachstumsraten )

1. Kurst_1: Externes Wachstum to 2. Externes Wachstum to : Unternehmenswachstum to a 3. Grundkapital t-1 : Externes Wachstum to 4. Externes Wachstum t-1 : Grundkapitalto 5. Kurst_2: G r u n d k a p i t a l t o 6. Kurs t-1 : Grundkapital to 7. Kurs to : G r u n d k a p i t a l t o 7a. Kurs t-1 : Betriebsergebnis to 8. Betriebsergebnis t-1 8a. Betriebsergebnis t-1 : Kurs to 9. Grundkapital t-1 : Kurs to 10. Kurst_2: Sachanlageinvestition to 11. Kurs t-1 : Sachanlageinvestition to 12. Kurs to : Sachanlageinvestition to 13. Sachanlageinvestition to : Unternehmenswachstum to a 14. Sachanlageinvestition to : Grundkapitalto 15. Kurs t-1 : Dividend to 16. Dividend t-1 : Kurs to a

Korrelarionskoeffizient 0,40

Signifikanztests (F-Test un d Durbin Watson) F = 5,16; D-W =

2,27

0,24 0,26 0,38 0,42 0,09 -0,08 0,66 0,46 -0,38 -0,38 0,44 -0,08 -0,53

F = 5,83; D-W = 0,8 6 F = 5,96 ; D - W - 1,12

F = 7,53 ; D-W = 1,6 6 F = 4,59 ; D-W = 1,8 0

0,52 0,54 0,68 -0,32

Wachstumsrat e der durchschnittlichen Bilanzsumm e der Unternehmensgruppe, 1880-1911.

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Industrielle Großunternehmen reagierte n positiv auf hier nicht erklärbare Aktienkurssteigerungen mi t eine r Expansio n ihre r Aktivitä t - einschließlich externe n Wachstums (Korrelatione n 1 und 2). Dies führt e z u Grundkapitalerhöhungen , di e somit als verzögerte Folgen sowohl der Aktienkursentwicklung, al s auch des externen Wachstums verstanden werden können (Korrelationen 3-7). Kapitalerhöhungen er zeugten schließlich Druck auf den Aktienkurs, truge n somit zur Dämpfung de r Expansionstendenzen be i (Korrelatio n 9). Aus dieser Sicht scheint also der Kapitalmarkt ein wichtiger Faktor für das externe Wachstum industrieller Großunternehmen gewese n z u sein. Freilich is t diese Argumentationskette nicht mehr als eine Plausibilitätsüberlegung - zu der ja Alternativen denkbar sind. Man könnte z. Β . das weit gewichtigere un d hier durch Investition in Sachanlagen induzierte interne Wachstum oder auch den Anreiz der Gewinne für die Kapitalerhöhungen hervorhebe n (Korrelatio n 8, 10-13) . D.h., di e Antwort au f unsere zweite Frage ist vorläufig beding t positiv: Obwohl die Hypothese einer Abhängigkeit der Finanzierungsdisposition de r Unternehmen vom Kapitalmarkt statistisc h gestützt werden kann, schließt der belegte Zusammenhang eine weitere Abhängigkeit sowohl der Disposition als auch des externen Wachstums der Unternehmen von anderen, hier nicht analysierten Faktoren, nicht aus.14 Die Erfahrung der bereits mehrfach zitierten westfälischen Schwerindustrieunternehmen kan n in diesem Zusammenhang wiederum herangezoge n werden . Ein e Aufzählung de r ausscheidenden Bergbauun ternehmen wurde nach Relevanz von finanziellen Bedingunge n versucht. Stiegen die Aktien- bzw . Kuxenkurs e ode r die Gewinne bzw . di e Produktion beide r Transak tionspartner in den Jahren unmittelba r vo r einer Übernahm e und/ode r gab es Hinweise auf Initiativen seitens der Banken und keine Hinweise auf sonstige Motive, dann wurde de r Fal l al s eindeuti g „Kapitalmarkt-bedingt " klassifiziert ; ga b e s die obig e Konstellation mi t Hinweise n au f sonstig e Erwerbsmotiv e (wi e z. Β . Arrondierung des Kohlenfeldbesitzes) , dan n wurd e de r Fal l al s „unentschieden " bezeichnet . Schließlich mußte n die Fälle, in denen Kurse, Produktion un d Gewinne der Partner stagnierend ode r ga r rückläufi g ware n und/ode r be i dene n ander e Gesichtspunkt e (wie z. Β . Diversifikation de r Produktion) ausdrücklich erwähn t wurden, zu r Kategorie der „Kapitalmarkt-unabhängigen" Fäll e gezählt werden. Tabelle 8 faßt das ErTabelle 8: Relevanz finanzielle r Faktore n be i Übernahme n von Bergbauunternehmen de s westfälischen Ruhrgebiets , 1873-1913 Relevanz

Verschwindende Unternehme n Zahl Kapitalwert (1000 Mark)

Eindeutig „Ja " Eindeutig „Nein " Unentscheidbar

19 4 10

125508 6428 61220

Zusammen

33

193 156

Quelle: T. Pierenkemper, Die westfälischen Schwerindustriellen 1852-1913, Göttingen 1979, Anhang; Salings Börsenjahrbuch, Teil II und III, Bd. 1 ff, 1879-1911/12 . 138 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

gebnis dieses Experiments zusammen. Dort zeigt sich, daß finanzielle Gesichtspunkt e bei Fällen des externen Wachstums meistens mitschwingen. Ode r anders formuliert : Kapitalmarktbedingungen ware n ein e wichtig e Determinant e de s externe n Wachs tums, häufi g ausschlaggebend , selte n ohn e Bedeutung . Schluß Die hier vorgeführten Date n und Argumente dienen zur Beantwortung zweier unternehmenshistorischer Fragen. Zunächst wurden Daten über das externe Wachstum einer größeren Grupp e von industriellen Großunternehme n i n der Zeit von 1880 bis 1911 präsentiert, di e die Unternehmens- und auch wirtschaftshistorische Bedeutun g des externen Wachstums als vergleichsweise, d . h. im Vergleich zum Unternehmenswachstum insgesamt, gerin g erscheinen ließen. Allerding s wurde hier nur auf direk t meßbare Größen abgehoben. Möglicherweis e enthiel t der hier geschätzte Anteil des externen Wachstums am Gesamtwachstum von 20 % gerade solche Erwerbungen, die für di e langfristig e Entwicklun g manche r unserer Unternehmen lebenswichtig e Be dingungen darstellen. Es ist m. E. unwahrscheinlich, da ß diese Möglichkeit für deutsche Großunternehmen i m Betrachtungszeitraum typisc h war, aber sie ist nicht aus zuschließen. Im zweiten Teil wurde der Frage nachgegangen, ob externes Wachstum der Unternehmen vo n finanzielle n Variable n un d insbesonder e vo m Kapitalmark t abhängi g war. Nac h unsere n Date n wa r di e Hypothes e eine r Abhängigkei t de s externe n Wachstums vo m Kapitalmark t (gemesse n durc h di e Aktienkursentwicklung ) nich t eindeutig zurückzuweisen , abe r wegen de r Mitwirkun g anderer , nich t allei n durc h Finanzierungsdispositionen de r Unternehmen z u erklärende r Faktoren , auc h nich t als völlig überzeugen d anzusehen. Das Fazit: mehr Detailforschung is t notwendig möglichst unter Heranziehung von archivalischen Belegen über den Wert der mit externem Wachstu m gekoppelte n Transaktionen , sowi e übe r de n genaue n Zeitpunk t der relevante n Entscheidungen . Wen n abe r unser e grobe n Schätzungen annähern d richtig sind, so sollte sich die weitere Forschung - zumindes t des Zeitraumes bis zum Ersten Weltkrieg - nicht vorwiegend, geschweige denn ausschließlich, mit den externen Varianten de s Unternehmenswachstums beschäftigen , auc h wenn da s Interess e vorwiegend de m inzwische n fas t überbearbeitete n Gebie t de r Finanzierungspro bleme gilt. Doch wäre zur Interpretation beider Wachstumsvarianten eine systematische Erklärung der Börsenkursentwicklung- die ja auch einen Zufallsprozeß darstel len könnt e - auf all e Fälle wünschenswert .

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III. Soziale und ideologische Aspekte der Industrialisierung

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9. Unruhen und Proteste in Deutschland im 19. Jahrhundert Ein erste r Überblic k „Rezept z u eine m fette n Volksauflauf : (gefunden a m 31. Octobe r in der Brieftasche eine s verhafteten Agen t provocateur de r Reaktion) Man nehm e 20 Erdarbeiter 4 Quart Kümme l etwas Kar be 2 bis 3 Pechfackeln 6 Ellen ei n Vierte l Zol l starke r Strick e 1 halben Berline r Straßenjunge n 2 Stangen mi t blutrothe r Leinwan d 1 obligaten Pistolenschuß . Man rühr e da s Ganz e tüchti g durcheinande r bi s sic h dre i bi s viertausend Neugie rige sammeln , werf e dan n noc h Einige s a n „Reaktion"-Verrath-Bürgerblu t hinein , lasse Allar m blase n un d - probatum es t - wenn's nämlic h nich t regnet . - Dr . Putsc h - " * . Warum wir d protestiert, rebellier t un d revoltiert? Ein e der beliebtesten Antworte n auf dise Frage wird i n dem obenzitierten Rezep t aus dem Jahre 1848 parodiert: Unru hen sind Produkt e de r Agitation. Wi e de m auc h sei , e s ist klar, da ß sich da s Interess e an Erklärungen de s Problems der kollektiven Gewalttätigkei t (collective violence) auf eine lang e Geschicht e berufe n kann . Daß das wissenschaftliche Interess e a n der Klärun g diese s Probelms i n de n letzte n Jahren gewachse n ist , ma g au f di e gegenwärtige , weltweit e Bedeutun g diese r For m des soziale n Proteste s zurückzuführe n sein . Seh r schnel l läß t sic h ein e beeindruk kende List e vo n Ereignisse n zusammenstellen : vo n Watt s i n Kalifornie n i m Jahr e 1965 über Newark, New Jersey bi s West Berlin i m Jahre 1967, von Paris im Mai 1968 bis Pakista n i m Jahr e 1969* usw. Ein weitere r Grun d fü r da s wachsend e Interess e a n Volksunruhen lieg t i n de r u m sich greifende n Neuorientierun g sozialgeschichtliche r Forschung , di e auf viele n Ge bieten vorangetrieben wird . Eri c Hobsbawm, Georg e Rudé und Edwar d Thompson , um nu r di e wichtigste n z u nennen , habe n sic h bemüht , da s alltäglich e Lebe n de s ge * Ein Versuch zur Ergänzung dieser im Jahre 1969 aufgestellten Liste von Unruhen wurde für den vorliegenden Beitra g nich t unternommen .

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meinen Volke s vo r de r zutiefs t herablassende n Behandlun g durc h di e Nachwel t („from th e enormous condescensio n o f posterity") zu retten . Mi t ihre n Arbeite n ha ben si e gezeigt, da ß Volksunruhen eine n wichtigen Zugan g zu m Verständnis von Sozialstrukturen bieten , insbesonder e z u de n Unterschichten , di e sic h üblicherweis e nicht artikulieren . Inzwische n wurd e vo n andere n Seite n di e richtige Vermutun g ge äußert, da ß Volksunruhen durchau s z u den besten Einzelindikatoren fü r sozial e Spa nung un d sozial e Stabilität zahlen , di e Sozialwissenschaftle r finde n können . Hinter grund un d de r größt e Tei l de s Rohmaterial s diese r Untersuchunge n sin d de r Ge schichte westeuropäische r Lände r entnommen , hauptsächlic h England s un d Frank reichs, al s diese die „doppelt e Revolution" vo n Industrialisierung un d Demokratisie rung i m achtzehnte n un d neunzehnte n Jahrhunder t durchliefen . Auc h ander e euro päische un d nicht-europäisch e Lände r sin d i n diese m Sinn e erforsch t worden , abe r nach unsere m Eindruc k is t dor t Auseinandersetzun g mi t Volksunruhe n weitgehen d noch imme r historisc h terr a incognita. 1 Absicht diese s Artikels ist es nun, i n die Geschichte der Volksunruhen i n Deutsch land währen d de s 19. Jahrhunderts einzudringe n un d einig e Schwierigkeite n ihre r Analyse z u durchleuchten .

I. Zwei Probleme müssen vorab behandelt werden: Erstens werden deutsch e Historike r verständlicherweise de n Begriff „Deutschland " unger n au f die Zeit vor 1870 beziehen wollen. Den n „Deutschland " umfaß t z u jener Zeit ein Gebiet, i n dem souveräne Staa ten miteinande r konkurrierte n un d das darüber hinaus von große n regionale n Unter schieden i n soziale r un d ökonomische r Hinsich t gekennzeichne t war . Rechtfertige n läßt sic h diese s Vorgehe n jedoc h trotzdem : zu m eine n mi t de m Argument , da ß ei n grober Überblic k übe r da s heterogen e Gesamtgebie t zumindes t al s erste r Schrit t zu r eingehenden Analys e nützlic h ist . Dies e Ausgangsanalyse is t vielleicht de r eine s For schers vergleichbar , de r z u Begin n seine r Arbei t mi t ungefähre n Kenntnisse n übe r Grenzen un d Umrißlinien de s unbekannten Territorium s meh r ausrichten kan n als mit exakten Angaben fü r einzelne Teile. Zum anderen kommt be i unserer Zielsetzung, in ternationale Vergleich e mi t de m deutsche n Fal l z u ermöglichen , nu r Deutschlan d al s Ganzes in Betracht. Dieser Zugriff tut Deutschlands historischer Vielfältigkeit, de r im folgenden zu m Tei l jedoc h Rechnun g getrage n wird , hoffentlic h nich t unnöti g Ge walt an. 2 Historiker könnte n auc h gegen de n hier gewählten Zeitabschnit t Bedenke n anmel den, besonder s gegen 1875 als Endpunkt de r Untersuchung, sin d damit doch tatsäch lich all e Spannungen ausgeschlossen , di e mit de m Aufkomme n de r deutschen Sozial demokratie verbunden sind. Wir können dazu nur bemerken, daß diese Wahl willkür lich vorgenommen wurde , di e Periode von 1876 bis 1914 zur Zeit erforscht wir d un d schließlich de r gewählt e Zeitabschnit t de n zumindes t wichtige n Umbruc h u m 1848 umfaßt, 3

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Das zweite Problem betrifft de n analytischen Rahmen: Wie ist der Begriff „Volks unruhen" z u definieren ? I n dieser Untersuchun g werde n „Unruhen " al s kollektiv e Ruhestöhrungen mi t physischer Gewaltanwendun g verstanden . Sofer n si e mi t Gewaltanwendung einhergingen , sin d darin Phänomene wie Brotkrawalle, Maschinen stürmerei, Streik s oder massenhafter Wald - und Feldfrevel eingeschlossen . Gewalt lose Protestdemonstratione n sowi e gewalttätig e Zwischenfälle , i n di e nu r klein e Gruppen, d.h., wenige r als 20 Beteiligte verwickelt waren, wie Wirtshausschlägereien, sind ausgeschlossen. Zwischen Schlägereien und Tumulten oder gewaltlosen und gewalttätigen Unruhe n z u unterscheiden , is t freilic h nich t einfach . Neben direkten Belegen für die Beteiligung von mindestens 20 aufrührerischen Personen oder der Bezeichnung von Versammlungen als „Rotte" oder „Haufen", die eine entsprechende Mindestteilnehmerzahl vermute n läßt , dient e die Mobilisierung ode r Anwendung ungewöhnlicher behördlicher Gewalt als Schwellenkriterium. So konnten im Grunde friedliche Demonstrationen zu gewalttätigen Aktionen werden, wenn sich der Staat bedroht fühlte und Gewalt gegen sie mobilisierte. Di e einzigen Beleg e für die Anzahl der Beteiligten und die Stärke der Gewalt finden sich sehr oft in Militäroder Polizeiberichten. Di e Angemessenheit diese s Kriteriums ist jedoch nich t leicht abzuschätzen. Diese Untersuchung versucht zu quantifizieren, un d man tut gut daran, schon hier einen wahrscheinliche n Einwan d z u antizipieren : di e hie r aufgezählte n Fäll e vo n Volksunruhen sind keine gleichartigen, als o quantifizierbaren Phänomene . De r Weberaufstand in Schlesien 1844 hatte beispielsweise ganz andere Merkmale und Folgen als 1845 die Steinigung der Polizeiwache in Berlin, und Informationen,die e s ermöglichten, diese Unterschiede zu messen, wie Angaben über die Anzahl der Beteiligten, oder de r Ausma ß de s Schadens, fehle n häufig . Zweifello s wir d ein e weiter e Erfor schung dieses Gegenstandes dies e Informationslücke schließe n helfen un d damit die Konstruktion de s hie r fehlende n „Intensitätsindex " näherbringen . Tabell e 2 zeigt eine Schätzung de r „Personen-Tage " fü r die Volksunruhen vo n 1816 bis 1875, doch stellt diese s Maß lediglich eine n erste n Schritt auf dem Weg zu einem solchen Inde x dar. Klarheit der Definition is t unerläßlich für die Behandlung des fundamentalen ana lytischen Problems: die Beziehung zwischen dem Wachstum der kapitalistischen In dustriegesellschaft i m 19. Jahrhundert und dem dieses Wachstum begleitenden sozialen und politischen Protest . Zwe i Zugriff e z u diese m Problem sin d möglich : einge hende Erforschung de r Protestaktionen selbst , ihre Merkmale , Beteiligten , Motiv e usw., ode r der Versuch, di e Entwicklun g de s Protestes und dessen Veränderung i n Beziehung z u setze n mi t dem , wa s ein e Reih e vo n Wissenschaftler n „Modernisie rung" genannt hat. Darunte r verstehen dies e die Änderungen i m Niveau und in der Rate des Einkommenswachstums pro Kopf, in der Einkommens- und Vermögensverteilung unte r verschiedene n soziale n Gruppen , i n de r Beschäftigungsstruktur , i m Grad und Tempo der Urbanisierung sowie in der Lage und Form politischer Macht . Wie immer man vorgehen will, i n jedem Fall müsse n Hypothese n übe r die Form und die Beziehung zwischen Volksunruhen und Modernisierung formuliert und getestet werden. Glücklicherweise liegt eine Anzahl solcher Hypothesen bereits vor. Drei 145

10 Tilly , Kapital

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davon habe n sic h al s besonder s brauchba r erwiesen : (1) die „Ausbeutungs-Verelen dungsthese", (2) die„Erwartungshaltungsthese" un d (3) die „Entwurzelungsthese". 4 Der „Ausbeutungs-Verelendungsthese " zufolg e sin d Volksprotest e al s Reaktio n auf die Ausbeutung dan k antagonistischer kapitalistischer Marktbeziehunge n un d de r damit verbundene n tatsächliche n Verminderun g sowoh l de s materiellen Lebensstan dards als auch der Aufstiegschancen be i den Volksmassen z u verstehen. Sinkend e Re allöhne un d de r relativ e Rückgan g i n de r Zah l de r unabhängige n Produzente n sin d zwei möglich e Indikatore n fü r Ausbeutun g un d Verelendun g i m Arbeitsprozeß . Nach de r z. Τ . apologetischen Erwartungsthes e wir d de r Protest durch di e Spann e zwischen neue n Erwartunge n un d i m Vergleic h daz u nu r langsame n gesellschaftli ­ chen Entwicklung , vo n der die Erfüllung de r Erwartung abhängt , hervorgerufen . Di e Unterbrechung eine s Aufwärtstrend s de s realen Pro-Kopf-Konsum s könnt e al s ein e konkrete Manifestatio n eine r „Erwartungskrise " gesehe n werden , wen n auc h di e Meßbarkeit eine s solche n Trend s Schwierigkeite n bereite n muß . Die „Entwurzelungsthese " schließlic h besagt , da ß Bevölkerungsschichte n durc h Industrialisierung un d Urbanisierun g entwurzelt , vo n traditionelle n ländliche n Bin dungen gelös t werden . Gemeinsa m eine r neue n Umgebun g ausgesetzt , dere n Regel n sie noc h nich t beherrschen , greife n dies e Bevölkerungsschichte n z u kollektive n Ge walttätigkeiten al s Antwort au f Anpassungsproblem e jegliche r Art . Hie r würd e sic h die bloß e Geschwindigkei t de s Wandels , wi e si e sic h i n Urbanisierungsrate n wider spiegelt, ei n verwendbare r Maßsta b fü r „Entwurzelung " anbieten . Diese Hypothese n stelle n nützlich e Annäherunge n dar , wenngleic h ein e Zielset zung diese s Essay s de r Versuc h ist , z u zeigen , da ß si e de r historischen Realitä t nich t ganz gerecht werden , un d es sich somit als notwendig erweist , nac h komplexeren Hy pothesen z u suchen . Noch ein e letzt e methodologisch e Überlegun g verdien t a n diese r Stell e Erwäh nung: Volksunruhe n könne n sowoh l unmittelbar damit in Zusammenhang stehende n als auch weite r entfernte n Beweggründe n zugeschriebe n werden , wobe i anzumerke n ist, da ß zeitgenössische Reporte r ehe r zur Betonung unmittelbare r Ursache n neigten , z . B . wi e außergewöhnlich e Hitze , ungewöhnlich e Folg e vo n Feiertage n (Unruhe n fanden verständlicherweis e fas t imme r a n Wochenende n ode r Feiertage n statt) , will kürliche oder brutale Behandlung durc h berüchtigt e Beamte, usw . D a diese Beobach ter das Geschehen nich t aus historischer Distanz betrachten konnten , wa r für sie nicht erkennbar, da ß di e vo n ihne n identifizierte n Beweggründ e häufi g nu r Auslöse r wa ren, die sehr wohl den genauen Zeitpunk t eine r Unruhe, nich t aber die grundsätzlich e Wahrscheinlichkeit ihre s Auftretens bestimmten . Sorgsam e un d unverfälschende Widergabe zeitgenössische r Interpretatione n un d de r Tatsachen, di e damal s al s relevan t gesehen wurden , kan n bestenfall s eine n bescheidene n Tei l de r Analys e stellen .

II Als ein e wichtig e deutsch e Zeitun g de s 19. Jahrhunderts wurd e hauptsächlic h di e Augsburger Allgemein e Zeitun g mi t ihre n Berichte n übe r Volksunruhe n al s Primär -

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quelle für dies e Untersuchun g herangezogen . A n diese r Stell e solle n zunächs t di e Probleme herausgestellt werden, die sich aus der Abhängigkeit von Zeitungsberichten ergeben. Zeitungen als Quelle sind in der Geschichtsschreibung über Deutschland im allgemeinen vernachlässigt worden, a) da für sie kein Schlagwortverzeichnis existiert , und sie somit nicht leicht zu benutzen sind; b) da sie wegen der Zensur nicht alle ihre zugänglichen Informationen veröffentlichen konnten ; c) da sie über relevante Fakten nur oberflächlichen Beschei d wußten, wodurch sie anderen Quellen wie persönliche Briefe ode r Regierungsakte n unterlege n sind . Der erst e Einwan d is t leide r nich t vo n de r Han d z u weisen , de r zweit e un d de r dritte jedoch ist meiner Meinung nach weniger gravierend als allgemein angenommen wird: Pressezensur wir d fas t durchgängi g i n de n meiste n deutsche n Gebiete n währen d der gesamten uns hier interessierenden Zeitspanne von 1816 bis 1871 in Kraft und behinderte tatsächlich die Entwicklung offene r politischer Kritik und Opposition in der Presse. De m ist jedoch zweierlei entgegenzuhalten : ersten s blieb die Zensur mindestens nach heutigen Maßstäben insofern ineffizient, al s Artikel, di e bei einer Zeitung der Zensur zum Opfe r fielen, i n der Nachbarstadt erscheine n konnten , ode r als die Zensur eines ganzen Staates dadurch unterlaufen werde n konnte, daß Zeitungen anderer Staaten dort zirkulierten; zweitens zielte die Zensur vornehmlich auf politische Kommentierungen un d konnte durch vorsichtige Formulierungen geschickt umgangen werden. Strikte Faktenberichterstattung wa r in jedem Fall weitaus weniger eingeengt, selbs t wenn sie potentiell subversiv e Informationen wi e Nachrichten übe r Rebellionen betraf . Al l dies e Fäll e sin d mi t vielen Beispiele n belegbar. 5 Eines der interessantesten historiographischen Ergebnisse dieser Untersuchung ist, daß Zeitungen nicht selten verläßlicher und informativer al s unveröffentlichte Regie rungsakten sind . S o scheine n örtlich e Regierungsbeamt e zu m Beispie l Meldungen über Vorfäll e unterschlage n z u haben , u m eine n Tade l un d unliebsame n Nachfor schungen aus dem Wege zu gehen. In Helmut Bleibers Arbeit über ländliche Unruhen in Schlesie n i n de n 40er Jahren de s 19. Jahrhunderts sin d zahlreich e Beispiel e ver zeichnet, i n denen örtliche Beamte Meldungen über Volksunruhen, ein e blutige Revolte und andere Störungen unterdrückten, di e in zeitgenössischen Zeitunge n dage gen erwähn t werden . I n seine r Arbei t übe r Bewegunge n unte r preußische n Eisen bahnarbeitern in den 40er Jahren zitiert Dietrich Eichholtz Unruhen, die von Beamten nicht erwähnt , i n Zeitungen abe r diskutiert wurden. 6 Weitere Beispiele könnten angeführt werden , abe r vielleicht sollte heutzutage die Feststellung, vertraulich e Informationen de r Regierun g könnte n wenige r ergiebi g sei n al s di e veröffentlichten , nicht meh r überraschen. Andererseit s sin d viele Beispiele zu nennen, i n denen Zeitungen aus Unwissenheit, Unterdrückun g oder Parteilichkeit aufgrund de r Orientierung am Klasseninteresse wenig oder gar nichts von Zwischenfällen verbreiteten. Der Bourgeoisie zuzurechnend e Autoren , d.h . all e Autoren , beobachtete n Ereignisse , welche die „Masse" oder den „Pöbel" betrafen, selte n sehr sorgfältig. Di e Heranziehung weitere r Quelle n is t offenba r unerläßlich , u m Einzelfäll e vo n Volksunruhe n eingehend behandel n z u können . Die Auswahl der Augsburger Allgemeinen is t leicht zu rechtfertigen: Kurt Koszyks 147 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

kompetentes Urtei l übe r deutsche Zeitunge n de s 19. Jahrhunderts bedenk t di e Augsburger mi t besondere m Lob , be i de m vo r alle m di e Vollständigkei t au f alle n Nach richtengebieten herausgehobe n wird . Fran z Mehrin g betrachte t si e al s einzig e wich tige „nationale " Tageszeitun g de r 40e r Jahre , teilweise , wei l Mar x si e al s solch e be trachtet zu haben scheint. Sowohl die Breite ihrer Berichterstattung, al s auch die Qua lität ihre r Bericht e un d ihr e Anzeige n weise n ih r ein e Sonderstellun g i m deutsche n Pressewesen währen d diese r Zei t zu. 7 Drei Möglichkeite n biete n sic h an , diese n Anspruc h z u überprüfen : ersten s is t di e Breite der Berichterstattung i n de r Augsburger fü r bestimmt e Jahre mi t den Angabe n anderer Zeitunge n z u vergleichen. Zweiten s ist di e Berichterstattung de r Augsburger über bestimmt e Arte n vo n Ereignisse n mi t einschlägige n Monographie n z u verglei chen. Dritten s könne n bestimmt e Regionen , fü r di e ander e Informationsquelle n leicht verfügbar sind , al s Kontroll e herangezoge n werden . Wi e sieht da s Ergebnis ei ner solche n Prüfun g aus ? Die Arbei t eine s andere n Forschungsteam s a n eine m ähnliche n Vorhabe n ermög licht es , di e Eignun g de r Augsburger al s Quell e mi t eine r bishe r übersehene n deut schen Zeitung , de m Frankfurte r Journal , zu vergleichen. 8 Zu r Zei t de r Entstehun g dieses Artikel s (Jul i 1969) standen zwe i vollständig e Jahrgänge , 1835 und 1842, zum Vergleich zu r Verfügung. Fü r 1835 erweist sich die Augsburger al s die bessere Quelle , verzeichnet si e doc h zeh n Zwischenfälle , di e unsere r Definitio n vo n Volksunruhe n genügen, gegenübe r ach t Berichte n bei m Frankfurter Journal. Auc h hinsichtlic h de r Gründlichkeit de r Berichterstattung erschein t di e Augsburger diese s Jahrgangs al s et was besser, den n sie geht detaillierter au f die Teilnehmer ein , au f das Ausmaß polizei licher und militärische r Reaktione n usw . Fü r das Jahr 1842 jedoch fäll t de r Vergleic h völlig ander s aus : das Frankfurter Journal berichte t übe r 18 Störungen gegenübe r le diglich 8 der Augsburger. Übe r 5 Vorfälle berichteten beid e Zeitungen, s o daß sich di e Gesamtzahl de r Zwischenfälle au f 21 beläuft. Darübe r hinaus erweist sich die Bericht erstattung de s Frankfurter Journals fü r diese s Jahr derjenige n de r Augsburger gegen über als überlegen, waren doc h mindestens 3 der von der Augsburger übersehene n Er eignisse rech t bedeutsam e Störungen . Dies e Diskrepan z läß t zweifelhaf t erscheinen , sich au f ein e Zeitun g allei n z u stützen . In eine r zweite n Prüfun g kan n di e Berichterstattun g de r Augsburger übe r antise mitische Unruhe n i n den Jahre n 1816 bis 1847 mit de n Ergebnisse n de r hervorragen den Arbei t vo n Elenor e Sterlin g übe r de n deutsche n Antisemitismus , „E r is t wi e Du", 9 vergliche n werden . I n eine r Zusammenfassung , di e au f gründliche r Auswer tung deutschen Archivmaterials aus Hamburg, München , Münster , Düsseldorf , Mer seburg un d Wie n basiert , kan n Sterlin g meh r al s 40 wahrscheinlich voneinande r un abhängige Zwischenfäll e i n der Zeit zwischen 1816 und 1847 anführen. 10 Nac h unse rer Schätzung berichtet e die Augsburger übe r 28 von diesen Fällen sowi e darüber hin aus übe r 7 weitere Ausschreitunge n gege n Juden , di e Sterlin g vermutlic h deshal b nicht anführt, wei l in einigen Fällen Antisemitismu s lediglic h ein e Nebenerscheinun g anderer Protestgegenständ e war , z . B . übe r Nahrungsmittelpreis e i m Jahr e 1847. Mißt ma n di e Qualitä t de r Berichterstattung übe r antisemitisch e Ausschreitunge n i n der Augsburger a n Sterling s Kommentar , s o erweis t si e sic h al s rech t gut .

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In einer dritten Qualitätsprüfun g wurd e die Berichterstattung de r Augsburger mit recht detaillierte m Archivmateria l übe r Unruhe n i n de n preußische n Provinze n Rheinland un d Westfalen zwische n 1816 und 1847 verglichen.11 In einer Dokumentationssammlung übe r „Unruhe n und Tumulte" in der Rheinprovinz zwischen 1837 und 1847 sind 24 Zwischenfälle verzeichnet, von denen die Augsburger zwar lediglich 9 anführt; doch etwa die Hälfte der nicht erwähnten Fälle (7 von 15) waren zweifello s geringfügiger, di e bedeutsamen Unruhen jedoch - eine religiöse Ausschreitung 1839 in Kleve oder die Tumulte beim Kölner Martinskirmes 1846 - sind in beiden Quellen beschrieben. Zieh t ma n umfassenderes Archivmateria l zu m Vergleic h heran , s o er scheint, wi e die folgende Tabell e zeigt, di e Augsburger i n weniger günstigem Licht , z. Β . für Westfalen, daß mindestens ein halbes Dutzend der von der Augsburger nicht behandelten Störungen insofern rech t bedeutsam waren, als viele Personen z. Β . Ei­ senbahnarbeiter in den Jahren 1845 und 1846, darin verwickelt waren (an den Schilde­ scher Unruhen 1845 waren etwa fünfzehnhundert Mensche n beteiligt) und ein außergewöhnlicher Polizei - ode r Militäreinsat z erforderlic h wurde . Nac h Tabell e 1 mag ein wichtiger Grund für die dürftige Berichterstattun g übe r westfälische Unruhe n i n deren ländlichem Charakter liegen. Um die Aufmerksamkeit überregionale r Zeitun gen z u erregen , mußte n Volksunruhe n außerhal b de r Städt e i m 19. Jahrhundert schon ei n ungewöhnliche s Ausma ß annehmen . Tabelle 1: Volksunruhen i m Rheinlan d un d in Westfale n nac h Regierungs und Zeitungsberichten, 1816-1847 Anzahl de r aufgezeichnete n Fäll e in Archive n i n der A.A.Z. allein allein in beide n insgesamt Rheinland (1837-47) Westfalen (1816-47)

in Städte n

10

8

15

33

23

17

7

3

27

8

Quelle; Vgl. Anmerkung 11. Der Vergleic h vo n Regierungsarchive n un d Zeitungsberichte n zeig t ei n weitere s wichtiges Ergebnis: Nicht selten bieten die verfügbaren Regierungsakten , di e vorgeben, sich mit „Unruhen und Tumulten" zu beschäftigen, keinerle i Hinweis auf Zwischenfälle, di e wichtig genu g waren, u m von überregionalen Zeitunge n aufgegriffe n zu werden. So erwähnte die oben genannte Dokumentationssammlung für die Rheinprovinz im Gegensatz zur Augsburger Allgemeinen nich t die auf religiöse Ursache n zurückzuführenden Störunge n 1838 in Bonn und Köln. Solche Diskrepanzen möge n mit den Aufbewahrungsregeln de r Archive zu erklären sein, oder mit dem Umstand, daß di e verschiedenartigen Störunge n unterschiedliche n Verwaltungskategorie n zu zurechnen ware n un d somi t i n verschiedene n Regierungsakte n geführ t wurden . Demgemäß enthielte n di e regelmäßigen Dienstbericht e übe r die örtlichen Gegeben heiten die sogenannten „Zeitungsberichte" , welch e den Vorgesetzten all e zwei Mo 149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

nate vo n de n Bezirksregierunge n vorgeleg t wurden , häufi g ga r kein e Hinweis e au f gewalttätige Auseinandersetzungen , wei l dies e nich t übe r de n Dienstwe g beigeleg t worden waren : S o konnte sic h ei n Landra t i m ländlichen Westfale n direk t a n den In nenminister i n Berli n ode r a n ein e nahegelegen e Militäreinhei t u m Hilf e wenden . Welche Erklärun g auc h imme r zutreffe n mag , i n diese m Zusammenhan g is t allei n wichtig, da ß di e Benutzun g diese r Quelle n schwierige r un d zeitraubende r sei n kan n als di e Auswertun g vo n Zeitungen . Zweifellos sieh t man sich Schwierigkeiten eigene r Art bei der Auswertung vo n Zeitungsberichten übe r Unruhen al s Grundlage für eine quantitative Analyse gegenüber , von dene n ein e hie r erwähn t werde n soll : di e Möglichkeit , da ß di e Einstellun g de r Zeitung zu r Bedeutun g vo n Unruhe n schwankte . Einerseit s mocht e di e Dürftigkei t von Nachrichte n andere r Ar t Herausgebe r gelegentlic h daz u bewoge n haben , übe r Störungen zu berichten, die sie unter anderen Umständen vernachlässig t hätten; ande rerseits könnt e di e zunehmend e Häufigkei t vo n Volksunruhe n ihre n Nachrichten wert i n de n Auge n de r Herausgebe r verminder t haben . Unser e Kenntniss e übe r di e deutschen Zeitunge n i m 19. Jahrhundert reiche n nich t aus , dies e Möglichkeite n aus zuschließen. Als ein Ergebnis dieses Exkurses zur Verläßlichkeit unsere r Hauptquelle sollt e festgehalten werden , da ß jeglich e Aufzählun g vo n Unruhen , di e au s eine r einzige n Zei tung stammt , unvollständi g ist , selbs t wen n dies e Zeitun g s o gu t wi e di e Augsburger ist. D a es aber ebe n kein e „vollständige " Quell e gibt, un d da die Augsburger nu r rela tiv wenig e bedeutsam e Unruhe n übersehe n z u habe n scheint , ma g ihr e Benutzun g hier al s gerechtfertig t gelten .

III. Mit Abbildung 1 soll versucht werden , di e Frage zu beantworten, mi t welche m „Mu ster" sic h die Unruhen i n der Zeit verteilten. Betrachte t ma n di e Zeitspanne vo n 1816 bis 1875 als Ganzes , s o falle n zwe i deutlich e Höhepunkt e i n de n Jahre n 1830 bis 34 und 1844 bis 52 auf, ei n eindeutige r Tren d jedoc h is t nich t erkennbar . Bi s etw a 1848 gingen dies e Höhepunkte wi e auch i n anderen Länder n mi t Mißernte n un d Handels krisen einher. 12 Bemerkenswer t is t allerdings , da ß di e Preisanstieg e fü r landwirt schaftliche Produkt e i n de n Jahre n 1856-57 und 1868 nicht vo n außergewöhnliche m Ansteigen der Volksunruhen begleite t waren , obgleich e s 1857 beträchtliche Streikak tivitäten gegebe n hatte. 1 3 Pr o Kop f de r Bevölkerun g kan n ma n natürlic h vo n eine m säkularen Abwärtstren d sprechen , den n zwischen 1816 und 1875 hatte sich die Bevöl kerung i n Deutschland nahez u verdoppelt . Di e Revolutionsjahr e vo n 1848 und 1849 sind hier nicht eingeschlossen, abe r wenn di e gesondert behandelte n Ereigniss e diese r Jahre mi t aufgeliste t worde n wären , s o hätten si e ein e Ar t Gipfe l alle r Gipfe l gebil det. 1 3 a Darübe r werde n deutsch e Historike r kau m verwunder t sein , habe n si e doc h seit langem das Jahr 1848 als eine Wasserscheide in der Entwicklung Deutschland s an gesehen: Aufba u de r Spannungen i n den 40er Jahren, Lösun g i n der Revolution 1848 und relativ e Stabilität i n den Folgejahren . E s ist bekannt , da ß i n de n 40e r Jahren, be -

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sonders 1842 bis 1847, ein rasches wirtschaftliches Wachstu m stattfand , da s sich nac h Unterbrechung 1848-49 in den 50er Jahren fortsetzte. Insgesam t lassen sich also keine einfachen Korrelationen , negativ e ode r positive, zwische n Wirtschaftswachstu m un d Volksunruhen feststellen. 14 Schaubild 1: Anzahl de r Volksunruhe n un d Getreidepreis e i n Deutschland , 1816-1875

Quelle: A.A.Z. , 1816-71; Kölnische Zeitung , 1871-80, für de n Preisinde x sieh e Jacobs un d Richter, zitier t i n Anmerkung 12.

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Es ist sinnvoll , di e obige Zeitreih e durc h Schätzunge n übe r Teilnehmerzah l un d Dauer de r Unruhe n z u ergänzen . Beid e könne n unte r de r Überschrif t „Personen Tage" zusammengefaß t werden , al s vorläufige n Ersat z fü r de n aussagekräftigere n „Intensitätsindex", de r vielleicht durc h weiter e Forschung erstell t werden kann . Da unsere Hauptquelle , di e Zeitungsberichte , leide r nich t i n jede m Fal l übe r di e Teil nehmerzahl informieren, wurde diese für alle 563 Zwischenfälle aufgrund einer Stichprobe von 129 geschätzt. Im Anhang 1 ist erläutert, wie die Zahlen errechnet wurden. Tabelle 2 bedarf eigentlich keiner weiteren Erläuterung. In den meisten Punkten fügt sie sich i n da s Bild ein , da s man sich gemeinhin vo n de r deutschen politische n Ge schichte gemacht: wenig e Unruhe n bi s 1830, Zunahme während de r 30er Jahre mit besonderem Anstieg in den 40er, relative Ruhe in den Folgejahren. Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen der Schätzung des arithmetischen Mittels und des Medians, der das wechselnde Gewicht einer kleinen Anzahl von Unruhen mit außergewöhnlich hoher Teilnehmerzahl reflektiert . Werde n dies e eingeschlossen, s o nehmen di e 40er Jahre wie erwartet die Spitzenstellung in der Geschichte der deutschen Volksunruhen ein, wa s be i de r Schätzun g de s Medians keineswegs s o deutlich wird , selbs t dan n nicht, wen n di e Zahlen auf Jahresdaten umgerechne t werden . Obwoh l da s hier zugrundeliegende Sampl e klei n ist , leg t e s ein e andere n Länder n entsprechend e Ent wicklung de r Volksunruhe n nahe , nämlich , wachsend e Teilnehmerzah l pr o Zwi schenfall be i kürzerer Dauer. Daraus wären zahlreiche interessante Hypothesen übe r die Bedeutung politischer Organisationen un d repressiver Gegenformatio n abzulei ten, wa s allerding s de n Rahme n eine s allgemeine n Überblick s sprenge n würde. 15 Tabelle 2: Schätzung de r Personen-Tage fü r Volksunruhen , Deutschland 1816-1875 Anzahl de r Volksunruhen

Personen-Tage insgesamt a Geschätzt aufgrun d de s StichprobenStichproben- Median de r Pers.Mittels Medians Tage pr o Jah r

1816-29 1830-39 1840-47 1850-59 1860-75

29 136 158 107 133

31227 146445 241 108 130326 161994

14848 69632 70784 71904 89376

1 060,6 6963,2 8 848,0 7190,4 5 586,0

Summe

563

711 100

316544

-,-

a Zu

r Berechnung der Schätzwerte siehe Anhang 1. Quelle: Augsburger Allgemeine Zeitung, 1816-71; Kölnische Zeitung, 1871-75. Die aggregierten Daten über Unruhen sind durch Grobeinteilungen wie denen der Tabelle 3 weiter aufzuschlüsseln . Zeitungsbericht e übe r Störunge n bote n i m allge meinen plausible Erklärunge n fü r ihr Auftauchen a n und identifizierten häufi g auc h die Teilnehmer. Tabelle 3 wurde aufgrund dieser Aufgaben erstellt. Mögen ernsthafte 152 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Einwände gege n de n Gebrauch diese s Klassifikationsschemas , au f die ich noch einge hen werde, z u erheben sein, so gibt es doch Aufschluß übe r einige Fakten zu Volksun ruhen i n Deutschland . Geht ma n chronologisc h vor , s o findet ma n i n de r erste n 14jährige n Spanne , eine r Zeit relative r Ruhe , de n deutsche n Historiker n al s „Zeitalte r de r Restauration " be kannt, ei n Vorherrschen studentische r un d religiöser Unruhen. Ei n Großteil de r Un ruhen, i n di e Studente n verwickel t waren , läß t sic h au f de n ausgesprochene n groß deutschen Nationalismu s de r Burschenschaften zurückführen . Di e meisten konserva tiven deutsche n Regierungen , di e zu m Deutsche n Bun d gehörten , sahe n i n diese m romantischen Nationalismu s mi t seine n vage n demokratische n Implikatione n ein e Gefährdung ihre r partikularistischen Interesse n und unterstützten dahe r Metternich s Versuche, ih n z u unterdrücken . I n eine m typische n Verlau f eine r solche n Unruhe wie 1828 in Heidelber g - , veranlaßten Universitätsbehörde n de n Arres t ihre r aktivi stischen Studenten , wen n si e diese n nich t soga r selbs t vornahmen , worau f einig e Hundert Kommilitone n ihretwege n demonstrierte n un d si e gewaltsa m befreiten , woraufhin Militä r eingesetz t wurde , wa s de n ganze n Zwischenfal l mi t eine r kurze n regelrechten Schlach t beendete. 16 Da ß de n Studentenunruhe n dies e augenfällig e Be deutung beigemesse n wird , ma g einfac h da s Fehle n andersartige r politische r Nach richten ode r politisc h aktive r Gruppe n i m damalige n Deutschlan d widerspiegeln , gleichzeitig auc h nu r di e Ansichte n eine r isolierte n idealistische n Minderheit . E s betraf abe r auc h zweifello s de n grundsätzliche n Konflik t de r Universität , di e Frag e nämlich, wi e politisch, wi e liberal, wi e praxisorientiert de r Lehrplan un d die Organi sation z u sei n habe . I n diese m Konflik t spiegel n sic h Grundproblem e de r deutsche n Gesellschaft de s frühen 19. Jahrhunderts allgemei n wider , di e von Studente n beson ders deutlic h wahrgenomme n un d bekämpf t wurden. 1 7 Ein e weitergehende Analys e mag zeigen , da ß dies e hochgebildet e Elit e auc h i n de r Folgezei t nich t aufhörte , Un ruhe z u schüren , selbs t dan n nicht , al s die vorgegebenen Gründ e kein e Universitäts angelegenheiten un d di e Aufrühre r kein e Studente n meh r waren . Daz u passe n di e kürzlich erschienenen Ausführunge n Gillis' , der die zunehmenden Schwierigkeiten i n der Arbeitsplatzsuche be i Universitätsabsolventen i n Preußen während der 30er Jahre herausstellt, wobe i dieser „Überschuß " gut Ausgebildeter zu dem politischen Radika lismus de r 40e r Jahr e beitrug. 18 Auch di e relativ große Bedeutung vo n religiösen Auseinandersetzunge n be i der Berichterstattung i n diesem frühen Zeitrau m sind mit dem Fehlen andersartiger Protest e zu erklären . Tatsächlic h wa r de r religiös e Konflik t ei n lokale s politische s Ereignis , dessen Ursachen sic h allerdings auf fundamentale sozio-ökonomisch e Mißständ e un d nationale politisch e Angelegenheite n zurückführe n lassen . S o spiegelt di e Welle anti semitischer Ausschreitungen , di e Deutschlan d 1819 überzog, di e schlechte n Zeite n wider. Dadurc h wurd e di e Aufmerksamkeit vo n Handwerker n au f di e „unehrenhaf te", de n Gilde n nich t angeschlossen e Konkurren z jüdische r Handwerke r un d Hausierer gelenk t oder au f di e typische Roll e de r Juden al s lokale Kreditgebe r oder wie Zeitgenosse n si e nannte n - „Wucherer". 1 9 Der späte r auftretend e Konflik t zwische n Katholike n un d Protestante n ode r zwi schen beide n Konfessione n un d neue n Sekte n reflektiert e wege n de r enge n Verbin -

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Tabelle 3: Volksunruhen i n Deutschlan d geordne t nac h Typen , 1816-1875 Studenten/ a Universität

ReIigion b Politik c

SozioAndere Ökonomischd

Summe

1816-29 1830-39 1840-47 1850-59 1860-75

13 13 5 5 1

9 20 17 15 21

4 72 33 61 77

3 28 103 21 32

3 5 2

29 136 158 107 133

Summe

37

82

247

187

10

563

Studente n waren entweder Hauptakteure oder Studenten- bzw. Universitätsangelegenheite n waren Hauptobjek t de s Konflikts . b Religion war , zumindes t vorgeblich , Hauptobjek t de s Konfliktes . c De r Protes t wa r gege n de n Staa t mi t seine n Organe n gerichtet , u m politische Änderunge n durchzusetzen (Auswechseln eines bestimmten Staatsbeamten, Durchsetzung eines neuen Gesetzes, etc.) . d Gewalttätig e Streiks , Brotkrawalle, Maschinenstürmere i (Luddismus) , massenhaftes gesetz widriges Betreten von Wäldern und Feldern, Steueraufruhr un d Tumulte, die deutlich mit einer bestimmten sozioökonomischen Gruppe verbunden sind, z. Β. Angriffe von Armen gegen Reiche. a

dung zwischen Kirch e und Staat in den meisten deutsche n Staaten national e politisch e Angelegenheiten. Religiöse r Dissen s kann während diese r Zeit in Deutschland mögli cherweise soga r al s For m politische r Oppositio n gesehe n werden. 2 0 Die Revolte n un d Rebellione n de s Jahre s 1830 läuteten di e erst e Period e ernstzu nehmender Unruhen währen d des 19. Jahrhunderts in Deutschland ein. Dieserplötz liche Ausbruch von Unruhen wa r überwiegend „politisch" , d . h . gegen di e Regierun g und ihr e Organ e gerichtet ; allerding s beganne n sozio-ökonomisch e Mißständ e wi e die Getreidepreise un d Steuern auc h ein e wichtige Roll e zu spielen . I n den hessische n Territorien (Großherzogtu m un d Fürstentum ) fande n beträchtlich e Erhebunge n ge gen Zollhäuser , feudal e Privilegie n un d Getreidehande l statt . I n Sachse n führte n Volksunruhen gege n di e konservativ e königlich e Regierun g z u eine r neue n quasi-li beralen Verfassung, abe r die Unruhen umfaßte n auc h schon Maschinenstürmerei un d spezifische Forderunge n de r Arbeiter. 2 1 Insgesam t gesehe n jedoc h wa r di e typisch e Störung i n diese n Jahre n vo n eine r heterogene n Grupp e vo n ortsansässige n Bürger n - Handwerkern, Literaten , Schreibern , Studente n etc . - getragen, di e gege n di e Re gierungsautorität protestierte , wei l ein Eingriff i n ihre Freiheitsrechte, z . B . durc h di e Verhaftung eine s ortsansässige n Liberalen , vermute t wurde , ode r di e meh r symbo lisch de n Staa t herausforderte, inde m si e z. Β . einen „Freiheitsbaum " au f de m Dorf ­ platz pflanzte. Da s Resultat war in jedem Fall Gewalttätigkeit, di e im allgemeinen de n Einsatz vo n Militä r bedeutete , desse n Einquartierun g wiederu m ein e Reih e weitere r Mißhelligkeiten nac h sic h zog , un d de n Protest häufi g ne u entfachte. 22 D a dies e Un ruhen nur selten Züge der klassischen kapitalistische n Konfrontatio n zwische n Arbei -

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tern und Arbeitgeber n truge n un d d a sozio-ökonomisch e Unzufriedenhei t offen sichtlich weitgehen d hinte r de n umfassende n Forderunge n nac h meh r Freihei t zu rückblieb, neige n di e meisten Autore n (einschließlic h Kar l Mar x und Friedrich En gels) dazu, ihnen eine geringe Bedeutung in sozialer und historischer Hinsicht beizumessen.23 Für diese Einschätzung spricht sehr viel, trotzdem verdienen die Jahre von 1830 bis 1834 sicherlich ein e näher e Untersuchung. 23a Die besondere Stellung der 40er Jahre für die deutsche Entwicklung wird insbesondere durch Tabell e 3 nahegelegt. Unruhen , di e eine n ausgeprägten sozio-ökonomi schen Charakter hatten, wie gewalttätige Auseinandersetzungen zwische n Arbeiter n und Arbeitgebern, Brotkrawalle etc. dominierten während der „hungrigen Vierziger" - eine durchau s angemessen e Bezeichnun g - wie i n sons t keine r andere n Periode . Deshalb könne n Ereigniss e wie der Aufstand de r schlesischen Webe r 1844 oder die Hungerunruhen von Berlin 1847 auf gar keinen Fall isoliert gesehen werden. Es ist gut möglich, da ß die Zunahme dieser Unruhen eng mit dem Umstand zusammenhängt , daß das deutsche Wirtschaftswachstum zu m ersten Mal während der 40er Jahre stark auf den Produktionsgütersektor konzentrier t wa r (Eisenbahnbau, Bergba u und metallverarbeitende Betriebe). 2. B. schufen die Investitionen beim Eisenbahnbau neuartige und riesige Konzentrationen vo n Lohnarbeitern, di e vergleichsweise leich t zu Unruhen neigten. Eichholtz , dessen Erhebung unvollständi g ist , berichte t für Preu ßen in den 40er Jahren von mehr als 30 Auseinandersetzungen, i n die Eisenbahnbauarbeiter verwickelt waren.24 Entscheidend war, daß die Produktion von Investitionsgütern de n Konsu m unte r da s Niveau drückte , da s ohne dies e Produktion erreich t worden wäre . Tatsächlich fie l - folgt ma n Kuczynski , Abe l und anderen - das reale Konsumniveau während der 40er Jahre unter den Stand der 30er Jahre.25 Bei der großen Zahl von Menschen , di e auf da s Marktangebot vo n Konsumgüter n angewiese n waren, wa r es wahrscheinlich, da ß ein Rückschlag wi e die Mißernten vo n 1846 und 1847 sofortige politische Auswirkungen habe n würde. Bei der relativen Immobilitä t der Produktionsfaktore n ha t di e zunehmend e Produktio n vo n Investitionsgüter n vermutlich di e Position de r Beschäftigten de r Konsumgüterindustri e wie der Textilindustrie soga r direk t geschwächt ; si e wurden al s erste geschädig t durc h ein e Ver schiebung de r Nachfrage hi n zu „inferiore n Gütern" , wie Nahrungsmitteln, al s Resultat starke r Preissteigerunge n be i diese n Gütern. 26 Die beschriebenen Zusammenhäng e zeigen, da ß eine Reihe ökonomischer Faktoren angeführt werde n kann, um die sozio-ökonomischen Unruhe n der 40er Jahre zu erklären. Allerding s is t zweifelhaft , o b dies e Manifestatio n sozio-ökonomische r Konflikte al s Ergebni s ökonomische r Entwicklun g i m engere n Sinn e z u begreife n sind. Vernünftiger is t es vermutlich, dies e als ein Resultat zunehmende n Klassenbe wußtseins zu sehen, welches durch das industrielle Wachstum geschärft wurde . Genau dieses deutlichere Klassenbewußtsein bei Lohnarbeitern und der Bourgeoisie war es, was Marx und Engels als auffallenden neue n Grundzug der 40er Jahre in Deutschland herausstellten. Klassenbewußtsei n vo n Arbeiter n zeigt e sich bei m schlesische n Weberaufstand 1844 und in den folgenden damit verbundenen Unruhen, wie auch die zahlreichen scho n erwähnte n Auseinandersetzungen , i n di e Eisenbahnbauarbeite r verwickelt waren. Ausagen von Arbeitern sind selten, aber es ist wahrscheinlich, da ß © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

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Aussagen wi e di e folgend e eine s schlesische n Eisenbahnarbeiter s vo n viele n geteil t wurde: 2 7 „So lang e wi r hie r arbeiten , verdiene n wi r un s zwa r de n Unterhalt , wi r wisse n abe r sehr gut, da ß wir doch hauptsächlich nu r für die Geldleute un s abschinden. Di e stehen in der Stadt au f dem Markt und machen gute Geschäfte mit unserem sauern Schweiße , und wen n di e Bahnen ferti g sind , könne n wi r gehen , wohe r wi r gekommen . Werde n wir kran k un d schwach , d a möge n wi r un s hinlegen un d Kartoffel n kauen , wen n wi r sie haben, ode r au f dem Miste krepieren - was schert sic h der Reiche drum? . . . Einen Vorteil hat' s fü r uns . Wi r sin d z u Tausende n zusammengeströmt , habe n einande r kennengelernt, un d in dem gegenseitigen lange n Verkehr sind die meisten von uns gescheiter geworden. E s sind nur noch wenige unter uns, die an die alten Faxen glauben . Wir habe n jetz t verteufelt weni g Respek t meh r vor den vornehme n un d reiche n Leu ten. Was einer zu Hause kaum i m stillen gedacht , da s sprechen wir jetzt unter uns laut aus, da ß wi r di e eigentliche n Erhalte r de r Reiche n sind , un d da ß wi r nu r z u wolle n brauchen, s o müsse n si e vo n un s ih r Stüc k Bro t bettel n ode r verhungern , wen n si e nicht arbeite n wollen. Si e können's glauben, wen n di e ,Weber ' nu r länger ausgehalte n hätten, e s wär e bal d seh r unruhi g unte r un s geworden . De r Webe r Sach e is t i m Grunde auc h unsere Sache . Un d d a wir a n 20 000 Mann auf de n Bahnen Schlesien s ar beiten, s o hätte n wi r woh l auc h ei n Wor t mitgesprochen . Freilic h hätte n wi r daz u noch einig e klug e Köpf e gebraucht , di e uns Anschläg e gegeben ; wi r wäre n de r Ar m gewesen". Klassenbewußtsein de r Bourgoisi e zeigt e sic h au f eine r andere n Ebene : Si e ver suchte meh r Einflu ß au f di e Regelun g vo n Regierungsangelegenheite n i n Preußen z u gewinnen, insbesonder e durc h de n Versuch , di e fiskalpolitisch e Schwäch e Preußen s für politisch e Zugeständniss e z u nutzen . 1847 führte diese r Versuc h zu r Regierungs krise un d dami t indirek t zu r Märzrevolution , nich t nu r wei l tatsächlic h de r Hand lungsspielraum de r Regierun g eingeschränk t wurde , sonder n wei l di e offene Heraus forderung de r Obrigkei t durc h di e Bourgoisi e beispielhaf t au f di e Masse n wirkte . In den Jahren nach der Revolution vo n 1848 kehrte eine relative Ruhe zurück . Auf tretende Unruhe n ware n vo r alle m politische r Natur . Mi t nu r wenige n Unterbre chungen setzt e sich da s Wirtschaftswachstum nachhalti g bi s in di e 70er Jahre fort , s o daß de r ökonomisch e Aufstie g ei n Grun d fü r de n Mange l a n schwerwiegende n sozio-ökonomischen Konflikte n i n unserem Sinn e gewese n sei n kann . Hinz u kam , da ß Kapitalisten un d bi s z u eine m gewisse n Ausma ß auc h de r Staa t zunehmen d nichtge walttätige Streik s un d informell e Streikorganisatione n al s legitime Institutione n hin nahmen. 28 Auf jeden Fall war der größte Teil der Unruhen politischer Natur mit Kon flikten zwische n Militär - un d Zivilpersonen, allerding s auc h zwische n unterschiedli chen Militärorganisationen , di e au f Truppenbewegunge n un d Besetzunge n zurück zuführen waren : 1850 bis 1852 wegen de r Unterdrückun g de r Revolutio n vo n 1848/49 und 1866/67 wegen de s Deutsche n Krieges . Währen d de r ganze n Period e wurde ebenfall s öffentliche r un d gewalttätige r Protes t gege n di e militärisch e Dienst pflicht geübt , und es tauchen auch einige wichtige Fälle von Unruhen auf , i n die in den

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60er Jahre n überörtlich e politisch e Organisatione n wi e etw a di e Lasalleaner verwik kelt waren. 2 9 Die Hauptschwierigkei t be i de r Verwendun g eine r Klassifikation , di e sic h au f di e Motive de r Teilnehme r un d di e Einschätzun g durc h Zeitgenosse n stützt , sol l zu m Abschluß diese r Diskussio n nochmal s beton t werden : Unterscheidungsmerkmal e zwischen „sozio-ökonomischen" , „politischen " un d andersartige n Unruhe n sin d of t fließend. Zu m eine n zeigte n viel e Zwischenfälle tatsächlic h kein e eindeuti g zuzuord nenden Merkmale . Ζ. Β . sind Steuerprotest e sowoh l ökonomische r al s auc h politi scher Art , un d ihr e Einordnun g i n ein e de r beide n Kategorie n is t willkürlich . Zu m anderen konnt e sic h de r zeitgenössisch e Beobachte r geirr t haben , un d e s ist im allge meinen nicht leicht, seine Behauptungen zu verifizieren. Ei n gewalttätiger Streik kan n als politischer Ak t verstande n werden , wen n Koalitionsverbot e existiere n un d ange wendet werden . Be i offizielle r Beschränkun g de r Versammlungsfreihei t i n de r Öf fentlichkeit un d der Existenz einer Staatskirche kan n bereits religiöse Abweichung al s hochpolitischer Protes t angesehe n werden. 3 0 Protest e arbeitslose r Handwerke r ode r fast verarmter Kleinhändler gege n das Verhalten bestimmte r Regierungsbeamter kan n zutreffender al s Zeichen fü r sozio-ökonomisch e Unzufriedenhei t den n al s Mißbilli gung de r Maßnahme n de r Regierunge n gesehe n werden . Da s bedeutet , da ß viel e In formationen übe r de n sozialen , ökonomische n un d politische n Hintergrun d zusam mengetragen werde n müssen , bevo r di e Einschätzun g de r Zeitgenosse n verwerte t werden können . Trot z solche r Problem e könne n unser e Daten mi t Hilfe diese s Schemas nähe r i n de n historische n Zusammenhan g gebrach t werden . Darüberhinau s macht da s Schema deutlich , da ß es wichtig is t z u fragen, o b und i n welchem Ausma ß Gewalttätigkeiten al s direktes Resultat politischer Veränderung z u sehen sind oder o b sie und in welchem Ausma ß von sozio-ökonomischen Veränderunge n herrühren . D a die Analys e vo n Volksunruhe n ansonste n au f di e vo n zeitgenössische n Beobachter n als relevan t gefundene r Tatsache n un d Date n basier t (z. Β . Berufe un d Anzah l de r Teilnehmer), dürfte n dieselbe n Berichterstatte r zu r Diskussio n komplexe r Problem e (wie Motivatione n un d Anlässe ) heranzuziehe n sein . Außerde m sin d dies e Beobach tungen auch nur für sich genommen interessant , selbs t wenn sie sich letztlich als falsc h herausstellen sollten . Eine weitere Möglichkeit, Volksunruhe n z u klassifizieren, enthäl t das Konzept de r „Formation", d . h . ein e bestimmt e Grupp e vo n Menschen , di e kollekti v handeln . Diese Formationen sin d sehr verschiedener Natur , vo n undifferenzierten Menschen massen, di e als „einfache Volksmenge " bezeichne t werden , bi s zu spezifischen Grup pen wie Seidenweber , dienstpflichtige n Militärangehörige n usw . A n jede r Volksun ruhe wa r zumindes t ein e Formatio n beteiligt , un d de r Historike r dar f hoffen , da ß diese verschiedene n beobachtete n Formatione n sic h i n eine r systematische n Weis e entwickelten un d wiederholten . Tabell e 4 enthält zwe i allgemein e Kategorien : „auf rührerische" und „repressive " Formationen, di e zusammen neu n verschiedene Type n einschließen. Wie sin d dies e Angabe n z u interpretieren ? Di e Bedeutun g „einfache r Volksmen gen" be i Unruhe n nimm t i n de n 30e r un d 40e r Jahren tendenziel l z u un d danac h ab . Das ma g dami t z u tu n haben, da ß generel l Unzufriedenhei t mi t politischen , soziale n

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Tabelle 4: Prozentuale Verteilun g de r Formatione n be i Volksunruhen , 1816-1875 1816-29 Aufrührerische Formatio n 9,8 1. einf. Mass e 2. Masse mi t ideol . 14,7 Hintergrunda 3. Handwerkerb 6,5 4. Ungelernte od . Fabrikarbeiterc 1,6 5. Studenten 13,1 6. Militärangeh.d 1,6 7. Anderec 4,9

1830-39

1840-47

1850-59

1860-75

25,9

28,8

18,2

16,4

7,8 6,7

8,0 1,0

6,9 2,9

12,4 2,5

1,5 5,6 2,2 2,2

9,7 1,3 4,7 2,0

5,9 1,5 14,3 4,9

9,9 1,5 6,5 4,5

Repressive Formatio n 8. Polizei 9. Bürgerwehr 10. Militär

19,7 8,2 19,7

9,7 10,8 27,6

16,0 4,0 24,4

20,2 3,4 21,2

22,5 2,0 22,4

Summe

99,8

100,0

99,9

99,4

100,6

Summe alle r Formationen

61

268

299

203

201

a Gruppe n mit religiöser, ethnischer und formaler bzw. semiformaler politischer Ausrichtung. b Eingeschlosse n sind Kunsttischler, Maurer, Zimmerleute und Mitglieder einiger anderer Be-

rufe, die in einigen Fällen in vergleichsweise großen Betrieben arbeiteten; somit ergibt sich keine scharfe Trennungslinie zu unserer zweiten Klassifizierung nac h Beschäftigungsverhältnissen. c Eingeschlosse n sind Weber, die weitgehend zu Hause arbeiteten; alle Eisenbahnbauarbeiter (damit eine Reihe von gelernten Handwerkern) und eine Reihe von anderen zweideutigen Kategorien. d Soldate n außerhalb der Dienstzeit. e Räuber , Gefangene , eingezogen e Wehrpflichtige , Bauern , Landbesitze r und nicht klassifi zierbare. und ökonomischen Zuständen, die zum ersten Mal in den 30er Jahren ausbrach , zu nächst kein e bestimmte n ideologische n ode r organisatorische n Bindunge n be i de n Teilnehmern voraussetzte , u m gewalttätig z u sein . I m Gegenteil , di e entstehende n Bindungen könne n ers t al s Resultat de r Unzufriedenhei t gesehe n werden . Späte r wurden sie bedeutsam für die abnehmende Gewalttätigkeit, di e sowohl auf das wachsende politische Bewußtsein al s auch auf die zunehmende Differenzierung un d Spezialisierung der deutschen Bevölkerung insgesamt hinweist. Allerdings wäre es falsch, „einfache Volksmengen " al s Ansammlun g ohn e spezifisch e politisch e Ziel e z u be trachten; denn unter diese Rubrik fallen Gewalttätigkeite n Ortsansässige r gege n gesetzliche Regelungen de r Regierung, welch e die lokalen Nutzungsrecht e des Bodens betrafen, gege n ortsansässige Bäcker, gege n bestimmt e neu e Staatsbeamte usw. De r 158 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Grund für diese Klassifikation is t einfach darin zu sehen, daß in diesen Fällen die uns zur Verfügun g stehende n Quelle n di e Identifizierun g eine r noc h spezifischere n Gruppe nich t zulassen. 31 Zwa r versuchte n Zeitungsbericht e gelegentlich , zwische n Ansammlungen vo n „Bürgern " un d "Pöbelhaufen " z u unterscheiden , di e sic h au s dem ansässige n un d nichtansässige n „Gesindel " zusammensetzten , jedoc h gescha h dies z u selte n un d unsystematisch , u m hie r angewende t werde n z u können . Es mag die Bedeutung des Begriffs „ideologische Identität" überstrapazieren, wenn darunter religiöse und ethnische Gruppen erfaßt werden und auch Gruppen besonderer politischer Zugehörigkeit , wi e jene Gruppen, di e gewalttätig gege n ei n örtliche s Wahlergebnis demonstrierten , jedoc h schein t di e Logik diese r Vorgehensweise kla r genug zu sein: Die Gruppierungen waren weniger heterogen als „einfache Volksmengen" , wenngleich sie keine bestimmte soziale oder berufliche Formation repräsentierten. Die relative Bedeutung dieses Formationstypus zwischen 1816 und 1829 ist, wie schon erwähnt , weitgehen d au f antisemitisch e Ausschreitunge n zurückzuführen . Nachdem di e Kategori e während de r 30er und 40er Jahre i n den „einfachen Volks mengen" verschwand, wurde sie in den 60er Jahren wieder deutlich sichtbar; in dieser Zeit reflektiert e si e abe r formal e politisch e Bündniss e örtliche n un d überörtliche n Charakters in zumindest demselbe n Ausma ß wi e religiöse oder ethnische Spannun gen. Die beruflichen Formatione n bestätigen einige Beobachtungen, die hier schon dargestellt wurden . S o gewannen di e Ungelernte n ode r Fabrikarbeite r zunehmen d a n Bedeutung, größtenteil s au f Koste n de r Handwerker . Auc h wen n di e Kategori e „Handwerker" weite r gefaß t wird , u m etw a Maschinenbaue r un d andere Gelernte , die in fabrikähnlichen Btriebe n beschäftigt waren , einzuschließen, zeigt sich diese bedeutsame Verschiebung. Im allgemeinen folgen wir dem Sprachgebrauch zeitgenössischer Zeitungsreporter ; fall s si e Beschäftigt e al s „Handwerker " bezeichne t haben , wurden si e genauso klassifiziert, auc h dann, wen n einige Zweifel angebrach t waren . Die Bedeutung von studentischen Formationen sink t ab, als nach 1830 andere Gruppen politisch gewaltätig werden. Aufrührerische Militärangehörige tauchen erst während de r 50e r Jahre auf . Di e Besetzung zahlreiche r Teil e Deutschland s durc h ortsfremde Militäreinheiten schuf Konfrontationen, di e sowohl in gewalttätige Konflikt e zwischen Soldaten und ortsansässigen Bürger n al s auch zwischen Soldaten verschiedener Einheite n mündeten . Die letzte Bemerkung, di e zu Tabelle 4 gemacht werden soll , betrifft di e repressiven Formationen, d. h . jene Kräfte, die vom Staat mobilisiert wurden, um „Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen. Obwoh l ih r Gesamtanteil an allen Formationen etw a konstant blieb (um 45 % ), gab es eine interessante Verschiebung innerhalb dieser Kategorie: Zu Beginn, einer Zeit relativer Ruhe, schienen die Polizeikräfte auszureichen . Während der Unruhen, die 1830 begannen, erwiesen sie sich dagegen als unfähig, di e Situation zu kontrollieren, so daß die bedrängten Staatsbeamten Militär und Bürgerwehr heranrufen mußten . Al s sich 1828 die Stadtväter von Krefel d eine r spontane n Erhebung der örtlichen Seidenfabrikarbeiter gegenübe r sahen, wurde eine Bestandsaufnahme de r örtlichen Sicherheitskräfte vorgenomme n un d die folgende höchst interessante Zusammenfassun g vorgelegt . Nachde m di e Bürgerweh r al s weitgehen d 159 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

nutzloses Instrument aufgegebe n wurde , werde n di e vorhandenen Polizeikräft e be schrieben, wobe i mi t de n dre i städtische n Gendarme n begonne n wird : „Der Polizei-Commissä r Walthe r un d de r Polizei-Agen t Hütchen s sin d allseiti g brauchbar thätig un d verläßig; auch passirt noch ein Polizei-Sergeant Fleischer ; drei andere Polizei-Sergeanten sin d Schwächling e un d de r vierte ist wegen Betrügereie n und Unterschleife n sei t meh r al s 8 Monaten a b officio suspendirt . Ich frage hier jeden Unbefangenen: welche Macht steht denn nun zur Beschwichtigung de r vorliegenden Unruhe n un d der Erhaltun g de r Ruhe hie r z u Gebot?" 32 Überall i n Deutschland stellte n sic h zu dieser Zeit zahlreiche örtliche Amtsträge r genau die gleiche Frage, da die Situation in Krefeld, ein e reguläre Polizeistreitmach t von neun Leuten in einer Stadt mit nahezu 20 000 Einwohnern, durchaus nicht einzigartig war.33 Sicherlich übertrieben damals wie heute sicherheitsbewußte Offizielle di e Bedeutung diese s Umstande s al s Verursache r vo n Volksunruhen , wobe i zugleic h solch fundamentale strukturell e Faktoren wi e Industrialisierung un d Urbanisierun g unterschlagen wurden . Jedoc h wa r da s Problem , au f da s si e hinweisen , selbs t ei n struktureller Faktor von großer Bedeutung. Aus fiskalischen und vor allem aus politischen Gründen war es nicht leicht, die Ressourcen für den Luxus einer gut ausgerüsteten effizienten Trupp e zur inneren Sicherheit z u mobilisieren. I n Preußen zu m Beispiel hin g di e Vergrößerun g un d Verbesserun g öffentliche r Dienstleistungen , ein schließlich Sicherheitskräfte , vo n elastische n Einahme n ab . Nur ein e Steuerreform , die an verfassungsmäßige Reformen - doch solche Reformen waren der aristokratisch orientierten Regierun g keinesweg s geneh m -, gebunden war , hätt e die s erreiche n können.34 Au f jeden Fall wurde während der dreißiger Jahre sowohl da s Militär al s auch di e Bürgerwehr i n große m Ausma ß eingesetzt . Währen d de r 40er Jahre aller dings waren für die konservativen Regierende n i n den meisten deutschen Staaten die Bürgerwehren mit ihre n radikale n Neigunge n ei n weni g zuverlässige s Instrument . Danach wurden zur Repression zunehmend das Militär und die immer effizienter or ganisierte Polizei eingesetzt. Als sich nach 1850 die Bevölkerung und damit die Unruhen zunehmend auf die größeren Städte konzentrierten und diese Städte größere Polizeistreitkräfte erhielten, nahm ihr Anteil bei repressiven Aktionen zu; diese Entwicklung wa r vo r 1875 allerdings nich t s o ausgeprägt wie danach. 35 IV. Die methodischen Bemerkungen weiter oben lenkten die Aufmerksamkeit au f Hypothesen, die Volksunruhen mi t anderen Arten von grundlegenden Änderungen in der Gesellschaft wi e etwa der Industrialisierung i n Verbindung bringen . I n diesem Abschnitt soll ein Test der „Entwurzelungsthese" versucht werden: Eine These, nach der eine Bevölkerun g u m s o meh r z u kollektive n Gewalttätigkeite n neigt , j e schnelle r große Gruppe n au s ländliche r i n städtisch e Umgebun g wandern . De r Tes t diese r These läßt sich mittels interregionaler Vergleiche vornehmen und ist dabei einer Reihe von ernstzunehmende n Schwierigkeite n ausgesetzt . Zu m Beispie l is t e s schwierig , 160 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Deutschland i n vergleichbare regional e Einheite n aufzuteilen , d a sich die administra tiv-politischen Subregione n währen d diese r Zei t änderte n un d wei l dies e Subregio n kaum al s ökonomisch ode r sozia l homogen e Einheite n z u betrachten sind . Di e stati stischen Date n der einzelnen Teile Deutschlands sin d unterschiedlich, s o daß sie nicht immer vergleichbar sind , selbs t dan n nicht , wen n e s um solc h grundlegend e Große n wie Bevölkerung geht , deren Zählung zu unterschiedlichen Zeitpunkten und nach unterschiedlichen Kritereie n erfolgte. 36 Schließlic h stell t sich di e nicht leichte Aufgabe , die Unruhe n z u lokalisiere n un d de n entsprechende n Regione n zuzuordnen . Auf grund diese r Schwierigkeite n sin d di e folgende n Betrachtunge n notwendigerweis e spekulativer Natur . Tabelle 5: Prozentuale Verteilun g de r Volksunruhe n un d de r Bevölkerun g in Deutschland , 1816-1875 1816-1847 Unruhen Bevölkerung a Städte (übe r 20000) Städte (500-2000) Andere

1850-1875 Unruhen Bevölkerung b

7 8 85

41 14 45

12 25 63

53 8 39

100

100

100

100

Bevölkerungsdate n fü r Preußen , Sachse n (1843) und Bayern (1840). Bevölkerungsdate n fü r da s Deutsche Reich (1871). Quellen: C. F. W. Dieterici, Die statistischen Tabellen des Preußischen Staats nach der amtlichen Aufnahme des Jahres 1843, Berlin 1845; Preußische Statistik, Bd. 5, Berlin 1864; Zeitschrift des königlichen sächsische n statistische n Bureaus, Bd. 47, H. 1, Dresden 1901; Statistik des Deut sehen Reichs, Bd. 35, T. 2, Bd. 37, T. 2; Beiträge zur Statistik de s Königreichs Bayern, Bd . 1 (Bevölkerung), hg . v . F . B. W. Herrmann, Münche n 1850. a

b

Als verursachender Faktor sol l hier Urbanisierung diskutier t werden , definier t an hand des absoluten und relativen Wachstums der Anzahl der Menschen, die in Städten lebten, di e mi t de r Anzah l de r Volksunruhe n i n de n Städte n i n Beziehun g gesetz t wird. Wa s sage n di e Daten übe r diese Beziehung? Ohn e Zweifel wir d di e Bedeutun g von Städten al s Schauplatz der Unruhen offensichtlich . Vo n 1816 bis 1847 fanden 176 von 322 erfaßten Unruhe n (54 %) in Städten mi t mehr als 5 000 Einwohnern statt , da von 128 in vergleichsweise große n (20 000 Einwohner oder mehr). Dagegen lebten u m 1840 nur 15 % der Gesamtbevölkerung vo n Preußen , Bayer n un d Sachsen i n Städte n mit 5 000 oder mehr Einwohnern un d kaum 7 % in den größeren mit 20 000 oder meh r Einwohnern. Sicherlich wir d di e Aussagekraf t diese r Schlußfolgerun g durc h di e vorhe r scho n diskutierte Wahrscheinlichkei t etwa s vermindert , da ß Journaliste n ehe r übe r städti sche als ländlich e Vorfälle berichteten . Jedoc h vermöge n di e angeführte n Beleg e di e „Entwurzelungsthese" allei n noc h nich t z u stützen . Ihr e Validität müßt e durc h ein e enge Korrelation zwische n de r Geschwindigkeit de r Urbanisierung un d dem Auftre -

161

11 Tilly , Kapital

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ten von Unruhen beleg t werden. Dabe i stellt sich aber heraus, wie den Tabellen 6 und 7 zu entnehme n ist , da ß die langsamer wachsende n Städt e tendenziell meh r Unruhe n aufwiesen al s di e schnelle r wachsenden . Berli n bilde t dabe i di e groß e wichtig e Aus nahme. Tabelle 6: Wachstumsrang de r zeh n protestreichste n deutsche n Städte , 1819-1875 a 1816-1847 Wachstumsrang Protestrang Berlin Posen Breslau Hamburg Frankfurt/Main Göttingen Mannheim Mainz Köln Dresden

4 10 29 42 33 — 52 — 23 28

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

1850-1875 Wachstumsrang Berlin Frankfurt/Main Posen Hamburg Mainz Hannover München Breslau Mannheim Leipzig

17 38 49 23 — 6 26 19 21 25

Di e Daten sin d fü r 52 Städte verfügbar . Quellen: W. Franke, Die Volkszahl deutscher Städte Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, in : Zeitschrift de s preußischen statistische n Landesamtes , Bd . 62, Berlin 1923; Statistisches Jahrbuch Deutsche r Städte , hg . v. M . Neefe, Bd . 7, Breslau 1898.

a

Urbanisierung bezieh t sic h nich t nu r au f da s Wachstu m vo n Städten , sonder n ins besondere au f di e Zunahm e ihre r Bewohne r i m Vergleic h zu r Gesamtbevölkerung . Das bedeutet, da ß eine Betrachtung größere r geopolitische r Einheite n notwendi g ist . Die Tabellen 8 und 9 versuchen dies. Leider war es nicht möglich, währen d dieser Zeit Urbanisierungsdaten fü r sämtlich e Regione n z u mobilisieren , vo n dene n Unruhe n berichtet wurden . Konsequenterweis e habe n wir (a ) eine Reihe von Regionen au s de r Berechnung herausgelasse n un d (b ) de n Urbanisierungsgra d vo n 1871 als Kriteriu m der Urbanisierung zurgrundegelegt . Weiterhi n wa r e s möglich, di e Urbanisierungs rate zu schätzen, obwoh l fü r Baden-Württemberg un d Hessen-Nasa u entsprechend e Informationen lediglic h fü r de n Zeitrau m vo n 1843 bis 1871 vorlagen. Tabelle 8 zeigte di e interessante Tatsach e auf , da ß die urbanisierten Regione n kei neswegs di e protestreichsten waren . Di e a m stärkste n urbanisierte n un d industriali sierten Teil e Preußens un d da s industrialisiert e Sachse n lage n beträchtlic h hinte r de n protestreichsten Regione n zurück , allerding s ware n di e a m wenigste n urbanisierte n Teile Preußen s auc h di e mi t de n wenigste n Unruhen . Tabelle 9 präsentiert noc h weite r disaggregiert e Daten , i n dene n de r Urbanisie rungsgrad vo n Regierungsbezirke n i n Beziehun g z u Unruhe n gesetz t ist . Dies e Ta belle schein t di e Ergebnisse vo n Tabelle 8 zu modifizieren , den n fü r Deutschlan d al s Ganzes gilt : J e stärke r ein e Regio n urbanisier t is t (Stan d 1871), desto größe r is t ih r

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Tabelle 7: Wachstumsraten de r Bevölkerun g un d Unruhen i n größere n deutschen Städten , 1816-1875 a Prozentuales Wachstu m de r Bevölkerun g Anzahl de r Unruhe n 0 1-2 3-5 6 und meh r Summe

weniger al s 50 1 6 6 3 16

1816-1847 50-100 mehr als 100 4 8 6 3 21

Summe

5 5 0 1 11

10 19 12 7 48

9 6 7 3 25

16 17 10 6 49

1850-1875 0 1-2 3-5 6 und meh r Summe

4 2 1 1 8

3 9 2 2 16

a Di e Zahlen in der Tabelle beziehen sich auf Städte. Quelle: Augsburge r Allgemeine Zeitung; Bevölkerungsdaten wie in Tabelle 5.

Anteil an Unruhen,37 doch scheint diese Beziehung nicht eng genug zu sein, um ganz zu überzeugen . Zude m zeig t ein e weitere Berechnung, dere n Ergebniss e hier nich t angeführt sind, daß nur zwei der zehn am stärksten urbanisierten Bezirke gleichzeitig unter die zehn protestreichsten Bezirke fallen, wobei diese weniger „urban" waren als der national e Durchschnitt . Die Erklärungskraf t de s Faktors „Urbanisierung " schein t als o nicht sehr groß z u sein. Dies ist allerdings ein brauchbares Ergebnis. Danach ist zum Beispiel die Beobachtung sehr interessant, daß zwischen 1816 und 1847 ein großer Teil der Unruhen auf die kleineren deutschen Staaten entfiel: au f das Kurfürstentum un d Großherzogtu m Hessen, au f Nassau , Hannove r un d Braunschweig . Wen n Hessen-Nassa u z u de n „Norddeutschen Staaten" gerechnet wird, erhalten wir eine Stichprobe, die ein Drittel aller Unruhen zwischen 1816 und 1947, jedoch nur 12 % der betroffenen Bevölke rung einschließt. Dies reflektiert di e Unfähigkeit de r Regierungen in diesen Gebieten (a) die Forderungen der Bauern nach Land und Befreiung von halbfeudalen Abgabe n verschiedenster Ar t zu befriedigen, un d (b) einen Ausgleich für den Niedergang de r ländlichen Heimindustrie zu schaffen, di e traditionell eine Erweiterung der unzureichenden Verdienstmöglichkeiten i n der Landwirtschaft darstellte. 38 Allerdings führ ten diese Unzulänglichkeiten nirgendw o zu dauerhafter Gewalttätigkeit . De r größte Teil Bayerns und Teile Preußens litten unter ähnlichen Mißständen, ohne als besonders aufrührerisch aufzufallen . Un d es gibt andere Ungereimtheiten. Betrachte t man zum Beispie l „Berlin-Potsdam " gesonder t al s urbanisierten industrielle n Bezirk , s o 163 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 8: Volksunruhen un d Urbanisierun g ausgewählte r deutsche r Regionen , 1816-1875 Summe de r Unruhen pr o Prozentanteil UrbaniUnruhen urbaner Bevöl - sierungs100000 Einwohner 1816-47 1850-75 1816-47 1850-75 rateb kerung, 1871 a „Urbanes" Preußenc Sachsen Norddeutsche Staatend Hessen u . Nassaue Baden u . Württemberg Bayern „Agrarisches" Preußen1

32,9 30,2

0,30 0,33

83 13

62 9

0,9 0,8

0,5 0,4

19,6

-,-

31

22

1,2

0,8

18,8

0,16g

66

31

3,1

1,4

16,1 15,9

0,10 0,14

34 31

21 33

1,1 0,7

0,6 0,7

13,5

0,10

35

35

0,6

0,5

a „Urban "

bezieht sich auf den Teil der Bevölkerung, der in Städten mit mindestens 5000 Einwohnern lebte. b Prozentuale r jährlicher Zuwachs der urbanen Bevölkerung. c Di e Provinzen Sachsen, Schlesien und Brandenburg; di e Regierungsbezirke Danzig, Arnsberg. Düsseldorf, Köl n und Aachen. d Hannover , Schleswig-Holstei n un d Braunschweig. e Bi s 1866 das Kurfürstentum Hessen , das Herzogtum Nassau und die Stadt Frankfurt/Main, für den ganzen Zeitraum das Großherzogtum Hessen. f Di e Provinzen Pommern, Posen und Ostpreußen; die Regierungsbezirke Marienwerder, Koblenz, Trier, Münster und Minden. g Bezieh t sich lediglich au f Hessen-Nassau zwische n 1843-1871. Quelle: Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 25, T. 2. erweist e r sich als wichtige Ausnahme zur ansonsten fehlenden Beziehun g zwische n urbanem Charakte r und Unruhen. Da s bedeutet, da ß diese Art von Vergleichen z u keiner klare n Aussag e übe r di e Beziehun g vo n Urbanisierun g un d Volksunruhe n führt. Auc h dies legt wieder die besondere Relevanz politischer Umstände für unser Problem nahe . I n den hessischen Staaten , i n Hannover un d Braunschwei g wa r di e wirtschaftliche Not offensichtlich, abe r sie war verknüpft mi t der allgemeine Perzeption, daß politische Institutionen weitgehend für diese Mißstände verantwortlich waren. I n Berlin wa r di e ökonomische un d sozial e Situatio n seh r viel anders , aber si e wurde auch hier - teilweise , weil Berlin Preußens Hauptstadt war - al s Teil und Ausdruck de r Machtstruktu r gesehen , i n de r sic h jeglich e Politi k abspielte . Mi t diese r Deutung, di e allerdings nicht dokumentiert werden kann, wenden wir uns einer weiteren Dimensio n de r Verbindung zwische n „Urbanisierung " un d „Volksunruhen " zu. Die „Entwurzelungsthese " is t aufgrund diese r Ergebniss e natürlich nich t ernst haft i n Frage gestellt, d a die Statistiken übe r Unruhen, Bevölkerungswachstu m un d 164 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle 9: Verteilung de r Bevölkerung i m Jahre 1871 und Volksunruhe n in Regierungsbezirkena nach de m Urbanisierungsgrad fü r 1871, Deutschland 1816-1875 Anzahl de r Regierungsbezirke

Prozentanteil a n der Bevölkerun g

Prozentanteil a n allen Unruhe n

40% oder meh r 30 bis 40% 20 bis 30% 20% oder wenige r

3 5 15 31

10 9 35 46

15 7 34 43

Summe

54

100

99

Urbanisierungsgradb

a Ode

r vergleichbare Gebietskörperschaften wie sie 1871 bei der Volkszählung im Deutschen Reich zugrunde gelegt wurden. b „Urban " bezieht sich auf den Teil der Bevölkerung, der in Städten mit mindestens 5000 Einwohnern lebte. Quelle: Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 25, T. 2. Anteile de r Stadtbewohner nich t di e tatsächlich e Koppelun g zwische n „Entwurze lung" und Teilnahme an Protestaktivitäten offenlegen. Abgesehe n von der verzwickten Frage nach der Teilnahme müssen wir viel mehr über Wanderungen als bisher wissen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist die Wanderung in Deutschland ziemlich gut dokumentiert, jedoc h sind wir über die hier untersuchte Periode nur spärlich infor miert. Es existiert zwar eine ganze Reihe guter Teilstudien, aber noch keine systematische Analyse de s Problems insgesamt. 39 Trot z de r weni g fundierte n Literaturbasi s können mi t Sicherheit zwe i allgemein e Aussage n gemach t werden . Erstens: Auswanderung spielte zu dieser Zeit eine große Rolle, insbesondere in der Zeit von 1816 bis 1818 und von 1846 bis 1854.40 Das bedeutet, daß ein wichtiger Teil des „Entwurzelungsproblems " sic h unsere r Betrachtun g entzieht . Zweitens : Di e Binnenwanderung wa r vo r 1875 in erste r Lini e au f kurz e Entfernunge n begrenzt , diese „Etappenwanderung " betra f vo r alle m Handwerker , Händle r un d ähnlich e Gruppen, sie bedeutete also nicht die drastische, abrupte Verwandlung von Bauernsöhnen i n städtisch e Fabrikarbeiter , wi e da s gelegentlich i n soziologische n Studie n anklingt.41 I n allen Fällen erbring t di e Heranziehung de s verfügbaren quantitative n Materials nu r wenig e Hinweise , di e ein e signifikant e positiv e Beziehun g zwische n Nettowanderung und gewalttätigen Protesten andeuten. Köllmanns Daten für sieben deutsche Regione n zeige n ein e ungefähr e Entsprechun g zwische n Bevölkerungs wachstum und Nettowanderungsgewinnen. Di e leicht negative Korrelation zwischen stark wachsenden Regionen und Unruhen wurde schon erwähnt. Alexis Markows ältere Untersuchung biete t etwa s detaillierter e Informatione n fü r de n Zeitraum vo n 1824 bis 1885; obwohl er auch nur Nettodaten verwendet , lasse n sie vermuten, da ß Nettowanderungen und Unruhen, wenngleich nur leicht, so doch positiv verbunden sind, beid e möglicherweis e di e Auswirkung irgendeine s dritte n Faktors. 42 Diese im wesentlichen negative Auseinandersetzung mi t „Entwurzelung" ha t eine 165 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Reihe von positiven Implikationen. Zunächs t ist es sinnvoll, di e negative Beziehung zwischen Bevölkerungswachstu m un d Unruhe n weite r z u erforschen , wei l mögli cherweise gewalttätige r Protes t nu r dort auftritt , w o relati v integrierte , nich t „ent wurzelte" Personengruppe n existieren . Allerding s sin d wahrscheinlic h di e hie r be trachteten Regionen s o weit gefaßt un d heterogen, da ß sie die gesuchten Kausalver bindungen verdunkeln . Ein e Reihe von Gründen leg t nahe , di e Kreis e und, w o die Quellen e s erlauben , di e Städt e un d Gemeinde n selbs t al s angemessen e Untersu chungseinheit zu betrachten. Schließlich wird es zweifellos unmöglich sein , das Wesen solcher Phänomene wie „Entwurzelung " un d „Protest " zu erfassen, wen n nicht weitere Indikatore n fü r de n sozialen Wande l wi e di e Beschäftigungsstruktur i n di e Analyse einbezogen werden. Köllmann zum Beispiel hat die Begriffe „Arbeitskrafte potential" und „Arbeitsplatz " operationalisiert sowi e die zwischen beide n klaffend e Lücke betont , ebe n wegen de r beobachtete n schwache n Verbindun g vo n Bevölke rungswachstum un d andere n ökonomische n Variablen. 43 Auf diesem Hintergrund ist die Überlegung interessant, daß die verstreuten Infor mationen übe r zahlreich e Fäll e vo n Unruhe n währen d de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland ein durchaus anderes Muster nahelegen als es die „Entwurzelungsthese " impliziert: da ß nämlich di e fest etablierten , abe r besonders bedrohte n Gruppe n a m anfälligsten fü r gewalttätige n Protes t sind. Einig e der relevanten Beweise lassen sich der Geschichte Berlins entnehmen, desse n besondere Bedeutung fü r die Geschicht e der Volksunruhen scho n hervorgehoben wurde . Nach deutschen Maßstäben war Berlin eine protestreiche Stadt. Zehn Unruhen gab es scho n zwische n 1830 und 1847, Vorboten de r Gewalttätigkeite n vo n 1848. Begründet werden kan n dies damit, da ß in Berlin sämtliche Probleme der Modernisierung währen d de s 19. Jahrhunderts konzentrier t auftraten : rapide s Bevölkerungs wachstum mit einer großen Zuwanderungskomponente; industrielle s Wachstum mit störenden Produktivitätsverschiebungen, di e Verschiebungen be i der Verteilung de r Ressourcen notwendi g machten , sowi e ein e Politisierun g de r Bevölkerun g mi t zu nehmender Einsich t i n de n Nutze n un d di e Quelle n politische r Macht . Viele der Berliner Schwierigkeiten wurden auf das Bevölkerungswachstum zurück geführt. Zwische n 1816 und 1846 wuchs Berlin um etwa 120 % von 180 000 auf fas t 400000 Einwohner, fas t doppel t so schnell wi e der „nationale" Durchschnitt (Preu ßen und Deutschland). Ein großer Teil des Berliner Wachstums ist auf Zuwanderung zurückzuführen, di e nac h Marko w nahez u 80% der Zunahm e vor un d nac h 1848 ausmachte.44 Daten über die Art und die Wirkung diese r Zuwanderung sin d nicht s o leicht z u mobilisieren, abe r die Tatsache, da ß schon 1864 weniger al s die Hälfte de r Berline r Einwohner dort geboren war, ma g anzeigen, welchen Einflu ß di e Zuwanderung ge habt haben muß. 45 Bei de n Zuwanderern dominierte n angelernt e Handwerke r un d arme Leute, die irgendeine Beschäftigung suchten . Valentin nannte das vormärzliche Berlin eine n „Magneten , de r die Armut anzieht". Zu m großen Teil wa r die Wanderungsbewegung saisonal bedingt: Wie in anderen Teilen Preußens kehrten die Arbeiter im Winter in die geringe, aber immerhin für sie erschließbare soziale Sicherheit ihres Dorfes zurück. Dora Meyer spricht von 80000 bis 90000 Wanderarbeitern (Die 166 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

nerschaft, Lehrlinge , Gelegenheitsarbeiter und Studenten), d. h . von 20 bis 30 % der Berliner Bevölkerung während der 40er Jahre. Dronke und Saß als Zeitgenossen und Verfasser klassische r Beschreibunge n de s sozialen Milieu s i n Berlin währen d diese r Zeit bestätigten den Eindruck von einer Stadt, deren Stabilität zunehmend durch ihre riesige entwurzelte , nichtintegriert e Bevölkerun g bedroh t war. 46 Berlin scheint deshalb paradigmatisch für die Entwurzelungsthese zu sein. Betrachtet man allerdings die Entwicklung kollektive r Gewalttätigkeiten i n Berlin von 1830 bis 1848, so bedarf dies e These eine r Modifikation . Zu m größten Teil scheine n di e Gewalttätigkeiten das Werk von Handwerkern gewesen zu sein, die in Schwierigkeiten geraten waren, wie vor allem der jüngeren Gesellen, der Schneider, Schreiner und ähnlicher Gruppen. Der Protest von 1830 wurde „Schneideraufstand" genannt , während die sogenannte „Feuerwerksrevolution " vo n 1835 und der Tumult an ihrem ersten Jahrestag 1836 hauptsächlich von arbeitslosen Gesellen getragen wurde. Eine unverhältnismäßig groß e Anzahl von Schneidern, Schreiner n und Angehörigen einige r anderer Handwersberufe wurden unter den Toten der Märzrevolution von 1848 identifiziert. Wichti g ist, sich daran zu erinnern, daß ein beträchtlicher Teil der repräsentierten Berufsgruppe n währen d dieser Zeit einem tiefgreifenden Umwandlungspro zeß ausgesetzt war. De facto wurden immer mehr Tischler zu abhängig Beschäftigte n großer Möbelfabrikanten; ihre Zahl stieg sprunghaft an , und ihre Arbeitsbedingun gen verschlechterten sich zudem. Die Schneider arbeiteten zunehmend als Abhängige der Händler i n der blühenden Berline r Bekleidungsindustrie . Dies e Gesellen ware n sehr mobil, allerdings impliziert diese hohe geographische Mobilität wegen der unter Handwerksgesellen übliche n Wanderschaf t nich t unbeding t ein e Entwurzelun g i n sozialer Hinsicht. Augenzeugen berichteten, daß auch 1848 die Wucht der revolutionären Aktion vor allem von Einheimische n getrage n wurde, vo n soliden Handwer kern und Kleinbürgern. Barrikade n wurde n von Studenten, gelernten Handwerker n und Händlern gebaut, besetz t wurden si e vor alle m von Facharbeitern - Schlossern und Maschinisten - der jungen Maschinenbauindustrie. I n Berlin Geborene machten zwar nur ein Drittel der Verhafteten währen d der Märzunruhen aus, jedoch 61 % der Getöteten.47 Alles in allem scheint die Lage der teilnehmenden Gruppe n besse r durch ihre tatsächliche Verarmung als durch „Entwurzelung" gekennzeichne t gewesen zu sein. In der Tat kann man sogar anführen, daß es gerade die Entwurzelung der zuwandernden neuen Arbeitskräfte war, welche die Einheimischen bedrohte und zu Gewalttätigkeiten trieb. Bedeutsam ist, daß eines der wichtigsten lokalen Streitobjekte am Vorabend der Märzerhebung di e Behandlung vo n zugewanderte n Arbeiter n durc h die Regie rung betraf . Die Handwerkerorganisationen , di e 1848 entstanden, sahe n di e Kon trolle de r Zuwanderung al s notwendig an. 48 Diese Beobachtungen sollen nicht als komprimierte Analyse der Berliner Unruhen verstanden werden - selbst in einer verkürzten Diskussion wäre auf den Einfluß „rei n politischer" Entwicklungen, wi e die Auseinandersetzung um eine verfassungsgebundene Regierung, einzugehen , die potentiell auf die öffentliche Neigung zu gewaltäti gen Handlunge n einwirkte n - , sondern al s Bele g fü r einig e weite r obe n gegeben e Hinweise. Si e sollen hie r noc h einma l angeführ t werden : 167 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

(1) Conditi o sin e qu a no n gewalttätiger Protestaktivitäte n schein t di e materiell e Verarmung gewesen zu sein. Umfassender definiert schließt sie politische, soziale und ökonomische „Güter " ein. Die protestierenden Gruppe n vereinten gemeinsam e Erfahrungen, die wiederum nicht notwendigerweise nur aus der Verarmung selbst resultieren mußten. Bevor Menschen bereit waren, sich bei kollektiven Gewalttätigkeite n zu engagieren , mußte n si e Gruppenbewußtsein un d eine gewissen Vertrautheit mit den Ansichten un d Reaktionen andere r entwickel t haben . I n einer Fülle von Fällen kollektiver Gewalttätigkeiten entdeckten wir geschlossene kleine Gruppen, die gegen Übergriffe au f ihr e allgemein anerkannte n Recht e protestierten. S o waren di e Teilnehmer des „Arbeiteraufstandes" 1830 in Aachen fast ausschließlich dor t Geboren e und ihre gewalttätigen Aktionen basieren auf schon vorher bestehenden Verbindun gen unter diesen Ortsansässigen. Ebenso war die Revolte der Krefelder Seidenarbeiter 1828 vor allem eine Antwort auf die Gefährdung ihres traditionellen Lohnniveaus und ihrer Arbeitsbedingungen, ein e Antwort, die ausschließlich von Einheimischen gegeben wurde. Bezeichnenderweise waren gerade die kleinen Städt e in Nassau mit ihren ortsansässigen etablierte n Handwerker n 1848 am radikalsten. I m ländlichen Braun schweig 1830 und 1848 waren die Urheber von Unruhen ausnahmslos solide landlose Dorfbewohner, dere n gewalttätige r Protes t di e wütende Fortsetzun g ihre r gemein samen täglichen Erfahrun g vo n Verarmung un d das Endprodukt eine s solidaritäts schaffenden Sozialisationsprozesse s war. Solche Beispiele könnten weiter fortgesetzt werden. Tatsächlic h blie b di e Wirksamkeit de s öffentlichen Proteste s al s politische Macht gerad e wege n seine r Ortsgebundenheit , seine r Unmittelbarkeit , i n unsere r Zeitspanne, vor, während und nach den Revolutionen von 1848 und 1849, begrenzt49. (2) Aus dieser Analyse folgt, da ß weitere Forschungen sic h auf die konkreten Beziehungen konzentriere n sollten , di e diese örtlich orientierte n Gruppe n vo n Protestierenden definieren un d abgrenzen. Wichtigsten Aufgabe scheint die Identifikatio n bestimmter Berufsgruppen un d ihres Status zu sein; religiöse Gruppenzugehörigkei t ist ein anderes vereinigendes Element, das möglicherweise untersuch t werden sollte. Da die wichtigsten sozialen Bindungen dieser Gruppen eindeutig bis in die 70er Jahre auf örtliche r Eben e anzusiedel n sind , sollt e dies e Forschun g au f lokal e Untersu chungseinheiten bezogen sein, d. h . konzentriert auf die Bindungen, di e charakteristisch für di e Kirchspiel e un d Städte waren, i n denen tatsächlich protestiert wurde . Für die folgene Zeitspanne, etwa 1875 bis 1914, mag sich eine etwas globalere Analyse anbieten, d a inzwische n überregional e Organisatione n wi e politisch e Parteie n un d Gewerkschaften ein e wichtig e Roll e z u spiele n begonne n hatten . (3) Die Untersuchung der Volksunruhen selbst kann sehr viel über Merkmale und Motive der Teilnehmer offenlegen . Selbs t wenn man sich zum Ziel setzt, kollektiv e Gewalttätigkeiten mi t de n tiefgreifende n Änderunge n eine r „Modernisierung " i n Verbindung zu bringen, mag es beim gegenwärtigen Stand eine effiziente Vorgehensweise sein, vo n den Gewalttätigkeite n selbs t auszugehen .

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Schlußfolgerungen Die zu Beginn dieses Artikels gestellte Frage hat natürlich nicht beantwortet werden können: Durch bloße Aufzählung und grobe Vergleiche kann die eigentliche Konfliktursache nicht aufgedeckt werden. Dennoch weist die Untersuchung folgende nützliche Ergebnisse auf: Sie läßt Zweifel an der Bedeutung der hier sogenannten „Entwur zelungsthese" al s Erklärun g fü r Volksunruhe n aufkommen. 50 Si e unterstreicht di e Krisenhaftigkeit de s soziale n un d politische n Leben s i n Deutschlan d währen d de r 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts, wobei der Höhepunkt der Instabilität wohl recht früh anzusetzen ist, wie es auch für andere Länder im Verlauf ihres Modernisierungsprozesses nachgewiesen wurde. Sie enthüllt des weiteren eine Fülle verschiedener Gegenstände und Arte n von Konflikte n i m Deutschland de s 19. Jahrhunderts: Steuern, Religion, militärisch e Dienstpflicht, Lohnsätze , gewaltsam e Übergriffe de r Polizei usw. Analysen, die Unruhen einzig im Zusammenhang mit der Industrialisierung, de m Wirtschaftswachstu m un d de r Arbeiterfrag e erkläre n wollen , müßte n demnach eigentlich scheitern. Die zuvor erwähnten regionalen Unterschiede mögen diese Einschätzun g erhärten . Zwa r könne n dies e Unterschied e irgendwi e mit de n stark voneinande r abweichende n Sozial - un d Wirtschaftsstrukturen i n Zusammen hang gebracht werden, doch sind sie bei der Vielgestaltigkeit der Störungen in diesen Regionen unmöglich allein damit zu erklären. Letztlich aber sind die hier dargelegten Beobachtungen und quantitativen Informationen im größeren Zusammenhang zu sehen: Sie können sowoh l als Basis als auch als Anreiz für weitere Vergleiche dienen , nicht nur mit Deutschland nach 1875, das zur Zeit erforscht wird, sonder n auch mit anderen Ländern. 51

Anhang 1 Ableitung de r Personen-Tag e i n Tabelle 2 Die Zeitungsberichte übe r kollektiv e Gewalttätigkeite n („collective violence" ) enthielten häufig Angabe n über die Anzahl der Beteiligten bei Unruhen, die Größe der dagegen mobilisierte n Gegenformatio n un d die Anzahl festgenommene r Beteiligte r sowie andere Charakteristika der Menschensammlungen, die hier nicht relevant sind. Angaben über eine oder alle drei der beschriebenen Charakteristika waren für 129 der 563 Vorfälle der gesamten Stichprobe verfügbar; 73ma l war die Anzahl der Beteilitg ten an Unruhen direkt geschätzt, 33mal war die Größe der „repressiven Formation" und 64mal die Zahl der Festgenommenen abgeschätzt . Be i vierzehn direkten Schät zungen de r Beteiligte n wurd e ebenfall s di e Größe der Gegenformatio n angegeben , und bei 26 direkten Schätzunge n la g di e Zahl der Festgenommenen vor . Wen n di e Anzahl der Beteiligten zwar nicht berichtet wurde, gleichzeitig aber die Größe der repressiven Formatio n bwz . di e Zahl der Festgenommenen bekann t war, wurde n di e Beteiligten mittels durchschnittlichen Koeffiziente n übe r das Verhältnis der ersteren zu eine r de r beide n andere n Charakteristik a geschätzt . Fü r di e Periode n 1815-47

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bzw. 1850-75 wurden unterschiedlich e Koeffiziente n angewendet : De r Koeffizien t von Beteiligte n zu r Größ e de r Gegenformatio n betru g 1,6 (1815-47 ) bzw. 2,5 (1850-75), der Koeffizien t vo n Beteiligten z u Festgenommene n betru g 10 bzw. 14 Aufgrund de r direkten und indirekten Schätzungen wurden folgende Daten berechnet: Fü r 1815-39 betrug de r Media n de r Beteiligte n 320, das arithemetische Mitte l 673; für 1840-47 betrug der Median wiederum 320, das Mittel 1090; für 1850-75 betrug de r Media n 560, das Mitte l 1015. Die Personen-Tage wurde n fü r di e gesamte Stichprobe mit ihren 563 Vorfällen geschätzt . Festgestellt wurde eine stetige Reduktion der Dauer pro Vorfall von 1,6 Tagen (1815-39), über 1,4 Tage (1840-47) auf 1,2 Tage (1850-75). Arithmetisches Mittel und Median der Beteiligten und Tage pro Vorfall wurden auf sämtliche 563 Vorfälle angewendet; die somit berechneten Personen Tage wurden i n Tabelle 2 nach fünf verschiedene n Periode n gruppiert . Anbang 2

Unruhen 1815- 18501847 1875 Königsberg Gumbinnen Ost-Preußen

4 0

3 2

4

5

6

1

_3

5

9

6

12 2

25 1 2

Danzig Marienwerder West-Preußen Berlin Potsdam Frankfurt/Oder Brandenburg Stettin Köslin Stralsund

1

15

28

3 3 0

1 1

1

6

3

Posen Bromberg

10 _0

11 0

Posen

10

11

Breslau Liegnitz

18 1

Oppeln

_5

7 1 4

24

12

Pommern

Schlesien

Prozentanteil urbaner Bevölkerung

Prozentanteil Bevölkerung nichtagrarischer in 1000 Bevölkerung c 18151849 1871 1871 1819 a 1843 b 1871

1819 a

1843 b

13,2 5,5

11,1 4,8

15,7 6,4

592 413

822 620

1 080 743

38 31

62 57

27,6

23,6 5,6

27,3

266 367

387

8,3

578

525 790

49 44

71 69

353 782 800

826 1 002 1 035

72 47

87 73

5,1

8,3

13,0

23,3

198 513 595

11,8 5,2 17,7

19,0 6,6 20,6

27,3 13,3 26,8

341 255 136

518 413 176

671 552 208

43 33 55

76 72 68

7,6 2,7

11,1 5,2

12,2 10,3

605 279

857 433

1017 567

46 36

63 69

14,1 8,5

15,3 10,7 5,6

24,6 17,7 14,4

833 667

1117 892 940

1415 983

54 55 42

75 71

2,1

561

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1310

73

Prozentanteil urbaner Bevölkerung

Unruhen 1815- 18501847 1875 1819a 1843b Magdeburg Merseburg Erfurt Prov. Sachsen

3 12 1 16

1

2 1

Prozentanteil nichtagrarischer Bevölkerung in 1000 Bevölkerungc 18151871 1819a 1843b 1871 1849 1871

19,2 15,2 21,5

24,3 16,7 21,7

31,2 20,5 29,5

486 526 248

647 701 336

855 879 369

57 53 57

79 77 81

5

Münster Minden Arnsberg Westfalen

2 4 2 8

4 3 4 11

8,1 8,3 4,5

5,7 8,8 8,0

10,6 14,4 29,9

361 346 388

419 453 550

436 474 866

34 45 56

62 63 84

Koblenz Düsseldor: Köln Trier Aachen Rheinland

6 7 8 0 _5 26

1 10 2 3 1 17

5,8 18,6 19,1 9,1 13,7

7,1 28,3 22,5 7,3 20,3

11,3 61,8 44,9 14,6 30,2

372 615 351 315 320

490 851 465 478 394

555 1328 613 592 491

32 66 46 36 52

61 87 74 64 76

Preußen

12,4

15,3

24,9 10949 15472 20182

17,0

14,7 24,3

56

72 72

118

97

Kasseld Wiesbadere Frankfurt Main Starkenburg Oberhessen Rheinhessen Groß-Herzogtum Ηessen

27 8 9 5 8 _9 22

3 4 13 2 2 7 11

Hannover Hildeshein Lüneburg Stade Osnabrück Aurich Königreich Hannover

5 11 1 1 3

7 3 0 1 1

Sigmaringen Schlesw.-Holstein Oberbayern Niederbayern Pfalz Oberpfah Oberfranken

0

0

0 6 7 0 12 1 2

1 8 14 3 5 1 3

21

642 317

19,0 4,8 33,1

29,1 17,7 14,6 9,1 12,8 17,6 17,4

12

10,1 4,8

15,2 5,4

6,4 7,6

7,1 9,4

24,4 24,0 7,3 17,0 8,2

11,0

729 432 56 300 298 214 812

767 633 349 254 250 853

76 65 72 54

335 405 393 407 313 374 252 303 267 269 162 186 (1861) 1 722 1947 51

585 451 446 403 395

61 804 690 522 579 458 486

66 996 842 604 615 498 541

69 76 58 58 43 58

57 69 60 50 65 58 64

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Prozentanteil urbaner Bevölkerung

Unruhen 1815- 18501847 1875 1819a 1843b Mittelfranken Unterfranken Schwaben Königreich Bayern

5 3

3 3

Prozentanteil nichtagrarischer Bevölkerung in 1000 Bevölkerungc 18151871 1819a 1843b 1871 1849 1871

17,9 8,4 10,9 8,4

21,3 7,5 11,8 9,8

27,8 11,2 16,1 15,9

584 438 512 579 586 501 488 544 583 3 708 4 370 4 853

12,9

26,7 22,5 17,7 7,3 19,5

35,4 31,2 31,8 13,1 30,2

450 678 397 589 635 959 277 330 1 179 1 759 2 556

33

66 56 57 60

59,2

82 82 89 79 84

1

1 33

Dresden Leipzig Zwickau Bautzen Sachsen

5 4 4 _0 13

3 5 1

Jagstkreis Neckarkreis Schwarzwaldkr. Donaukreis Königreich Württembg.

0 2 3 6 11

0 4 0 0 4

8,9 27,7 14,1 12,9 16,5

369 385 549 477 444 448 437 390 1 680 1819

62 65 72 67 67

Mannheim Karlsruhe Konstanz Freiburg Großherzogtum Baden

12 7 2 2 23

13 1 2 1 17

17,1 27,1 5,6 10,2 15,4

385 366 276 435 1 296 1 462

62 63 60 59

1 0 5 1 2 1 1 1 2 2 4 1 1 9 4

0 1 1 0 0 0 0 4 0 3 2 0 2 12 3

Mecklenburg Meckl. -Schwerin Weimar Meiningen Altenburg Sondershausen Eisenach Gotha-Coburg Dessau Reuß Braunschweig Oldenburg Lübeck Hambg.-Altona Bremen a

31

0

9

12,0

971

42

90 495 248 152 123 57

99 548 273 172 137 65

74 49 68 75 74 77

141

159

59

107 263 267 42 199 73

125 282 295 44 267 98

54

68 47

Di e Daten beziehen sich auf Preußen (1819), Bayern (1818), Sachsen (1815) und Baden (1816). b Di e Daten beziehen sich auf Preußen, Sachsen und Württemberg (1843); Bayern, Wiesbaden,

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Kassel, Baden , Hamburg , Oldenburg , Hesse n un d di e thüringischen Gebiet e (Weimar, Mei ningen, Altenburg , Sondershausen , Eisenach , Gotha-Coburg , Dessau , Reuß ) (1840); Braunschweig un d Hannove r (1839); Lübeck (1845). c Gesamtbevölkerun g minu s de n Vollzeitbeschäftigte n i n de r Landwirtschaft ; di e Date n fü r Bayern (1840) enthalten außerde m nich t die Forstarbeiter; di e Daten fü r di e 40er Jahre bezie hen sich bei Baden au f 1844, für Wiesbaden auf 1842 und für Braunschweig au f 1849; die Daten für 1871 schließen nich t di e i n de r Forstwirtschaf t un d Fischere i Beschäftigte n ein . d Entsprich t vo r 1866 dem Kurfürstentu m Hessen . Vor 1866 sind da s Herzogtum Nassa u un d Hessen-Homburg, 1871 die Stadt Frankfurt/Mai n eingeschlossen. Quellen: Bevölkerung: Beiträge zur Statistik des preußischen Staats , hg. v. Bureau Berlin, Berlin 1821; Beiträge zur Sta tistik de s Königreich s Bayern , Bd . 1, Bevölkerung, hg . v . F . B . W. Hermann , Münche n 1850; Zeitschrift d . königl. sächsische n statistischen Bureaus, Bd. 47, H. 1, Dresden 1901; Statistik de s deutschen Reiches , Bd . 37, T. 2; C. Dieterici, Di e statistischen Tabelle n de s preußischen Staat s nach der amtlichen Aufnahme de s Jahres 1843, Berlin 1845; Die Volkszahl der deutschen Staate n nach den Zählungen sei t 1816, in: Statistik de s deutschen Reiches, Bd. 37, T. 2, Berlin 1879; Statistisches Jahrbuc h deutsche r Städte , hg . v . M . Neefe , Bd . 7, Breslau 1898, S. 251-53; Statistik des deutsche n Reiches , Bd . 25, T. 2. Nichtagrarische Bevölkerung : Preußen (1849), Statistisches Bureau in Berlin, Tabellen und amtliche Nachrichten über den preußischen Staa t fü r da s Jahr 1849, Bd. 5, Berlin 1854, S. 820-21; W . Zorn , in : W . Conz e (Hg.) , Staat und Gesellschaft i m deutschen Vormärz, S. 115; Baden (1844), in: W. Fischer, De r Staat und die Anfäng e de r Industrialisierun g i n Baden , 1800-50, Berlin 1962, S. 198; Sachsen (1849), in: Zeitschrift de s königlich sächsische n statistischen Bureaus , Bd. 36, 1890 , S. 70-71; Großherzogtum Hessen (1846), in: Beiträge zur Statistik des Großherzogtum Hesse n 1864, S. 56; Wiesbaden (1842), in: F. Lerner , zitier t i n Anm. 38; Braunschweig (1848), in: Buchholz, zitier t in Anm. 38; Daten fü r 1871, in: Statisti k de s deutsche n Reiches , Bd . 14, T. 2, 1875 .

Anhang 3 Anmerkung zu m Begrif f „Urbanisierung " In diese r Untersuchung wir d mi t zwe i Definitione n vo n Urbanisierung gearbeitet : eine explizite quantitative Definition orientier t am relativen Wachstum der Bevölkerung in Städten mit 5000 oder mehr Einwohnern; und eine implizite, die sich auf das Wachstum von Zentren nicht-agrarischer Gesellschaften bezieht . Die explizite Defi nition hat den Vorteil, Vergleiche zwischen Preußen , Sachse n und Bayern währen d des gesamten Zeitraume s zuzulassen , viel e ländliche Städt e mit 2000 bis 5000 Einwohnern, di e wirklich „agrarisch " orientier t waren, auszuschließen, un d nicht will kürlicher zu sein, als es jeder andere Schwellenwert wäre . Jedoch is t das Hauptproblem eine r solche n Definition , da ß si e nicht di e Konzentration de r Bevölkerung i n kleinen Städte n au f de m Land e - charakteristisch fü r zahlreich e sic h industrialisie rende Regionen - erfaßt und insbesondere, daß die Bedeutung ländlicher, nichtagrarischer Beschäftigung nich t erfaßt wird. Die Spalten 9 und 10 im Anhang 2 zeigen die Bedeutung de r Divergen z zwische n nichtagrarische r Beschäftigun g un d „urbaner " Bevölkerung als Prozentsatz der Gesamtbevölkerung auf. Danac h war im Jahre 1843 173 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

der preußische Regierungsbezirk Stettin in Pommern urbanisierter als Arnsberg, aber im Jahre 1849 war die nichtagrarische Bevölkerung mit 56 % in Arnsberg vergleichsweise sehr viel bedeutender als in Stettin mit 43 %. Jedoch ist der prozentuale Antei l der „nichtagrarischen" an der Gesamtbevölkerung für sich genommen ein mehrdeutiger Index für „Modernisierung", d a große Unterschiede verdeckt werden. Auf jeden Fall wird ein Vergleich der Spalten 4 und 5 mit den Spalten 9 und 10 zeigen, daß die Größenordnungen - auch wenn manchmal sehr grob - positiv miteinander verbunden sind, und die Herausstellung des Faktors „Urbanisierung" in dieser Untersuchung sicherlich gerechtfertig t ist .

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10. Sozialer Protest als Gegenstand historischer Forschung"" Neuere Beiträg e zur Sozialgeschichte habe n gezeigt , da ß gewaltsame Proteste , vo n einzelnen Krawallen bis hin zu den blutigen Straßenkämpfen eine r Revolution, de m Historiker eine n fruchtbare n Ansat z zu r Analys e de r „stumme n Massen " geben. 1 Hier erscheine n Pöbe l und menu peuple al s aktive Handlungsträger au f der histori schen Bühne, s o z. Β . in Berichten der Tageszeitungen, de r Polizeibehörden un d in Gerichtsprotokollen. Wen n auc h direkt e Äußerunge n zu r Bewußtseinslag e jene r stummen Masse n nu r rech t selte n vorkommen , spreche n doc h di e dokumentierte n „Taten" ein e deutlich e Sprache . De r amerikanisch e Bürgerrechtle r Marti n Luthe r King hat dies zutreffend s o formuliert: „Gewal t ist die Stimme der überhörten Massen". Dieser Einschätzung sol l im folgenden a m Beispiel eine r Untersuchung gewaltsa men soziale n Proteste s i n Deutschlan d i m 19. Jahrhundert konkre t nachgegange n werden. Zunächs t werde n di e zugrundegelegte n Protestdate n vorgestellt ; dara n schließt sic h ein e Diskussion einige r Interpretationsversuch e an . Im Vordergrund des hier zur Diskussion stehende n Arbeitsprogrammes stan d die Erstellung eine r kontinuierliche n Reih e übe r gewalttätig e Protestaktione n i n Deutschland fü r die Zeit von 1815 bis 1913. Hauptquelle diese r Erhebung ist für die Zeit bis 1871 die Augsburger Allgemeine Zeitung gewesen , fü r die Zeit von 1871 bis 1913 die Kölnische Zeitung. Beide Zeitungen wurden Tag für Tag durchgeblättert. Die Zeitungsberichte wurden ergänzt durch Archivalien und veröffentlichte Quellen und Studien; Zeitungsbericht e bliebe n indesse n da s Rückrat de r Erhebung . Entsprechend de r Absicht , unse r Them a vorwiegen d quantitati v z u bearbeiten , wurden die dokumentierten Angaben nach einem vorgegebenen Erhebungsschema in computergerechtes Datenmaterial umgeformt . Nebe n den - die Fälle identifizieren den - Informationen wi e Ort, Zeit , Quell e nahmen wir Merkmale auf, di e nach Art und Vorhandensei n al s Variable n behandel t werde n konnten . Al s nächstliegende s Material wurde n all e Informatione n übe r di e Zah l de r Beteiligten , di e Dauer , di e Größe (aber auch die Art) des betroffenen Gebietes erhoben, wobei Formationen (die protestierende Gruppe ) und Gegenformatio n (di e staatlich e Ordnungstrupp e bzw . die nichtstaatliche Gruppe, die auf den Protest reagierte) getrennt behandelt wurden, um in einer Analyse Aktionen von Reaktionen unterscheiden zu können. Eine weitere Dimension des Protestphänomens wurde durch Angaben über die Zahl der Verurteilten, Angeklagten, Toten, die neben der Auskunft übe r Protestgröße Aufschluß übe r den Grad der Gewalthaftigkeit de s Protestes geben. Die im eigentlichen Sinne gesellschaftliche Dimension wurde quantitativ erhoben und dargestellt durch eine Klassifi kation der a m Protest beteiligte n Gruppe n nac h sozialen un d ökonomischen Merk malen. Von den Angriffsobjekten un d der Art des Sachschadens (unterschieden nach 175 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

öffentlich un d privat) erwarten wir neben einer Abrundung der quantitativen Date n Hinweise au f di e politische Qualitä t de s zugrundeliegenden Konflikts . Wenn auc h die bedingenden Faktore n de s sozialenProtests mi t erforscht werde n sollen, so meinen wir nicht darauf verzichten zu können, die verfügbare Informatio n zu dieser Frage direkt mit zu erheben. Unsere als „auslösender Faktor" bezeichnet e Variable zielt freilich nu r auf direkt wirkende Ereignisse oder Situationen, di e nicht die „eigentlich e Ursache " z u sei n brauchen . Nebe n de n skizzierten , überwiegen d quantitativen Merkmalen, wurde n dabei auch qualitative Informationen verarbeitet , wie sie in den zwei Typologieklassifikationen - nach Größenordnung und Gewalthaf -

Schaubild 1: Sozialer Protes t 1816-1913, Gesamthäufigkeiten fü r Deutschlan d

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tigkeit, sowi e nach dominierenden Anlässe n bzw . Gruppe n - zum Ausdruck kom men. Zusammenfassend läßt sich zu der Erhebung dreierlei einschränkend anmerken: 1. Wir haben nur gewaltsame Protestaktionen erhoben , d. h . Protestaktionen, di e unter Anwendung physischer Gewalt gegen Sachen oder gegen Personen abliefen, bei der mindesten s 20 Teilnehmer nachgewiese n ode r vermute t werde n konnten . Da s schließt einig e wichtig e Forme n de s sozialen Proteste s aus . 2. Sicherlich enthäl t unser e Erhebun g nich t all e Protestaktione n i n Deutschlan d zwischen 1815 und 1913, selbst die gewaltsamen Unruhe n sind nicht vollständig repräsentiert. 3. Immerhin dürft e unser e Kollektio n vo n fas t tausen d Fälle n di e vollständigst e sein, die bisher vorgelegen hat, und eine noch lückenlosere Zusammenstellung könnte wahrscheinlich nur mit einem wesentlich größeren Aufwand erziel t werden. Vergleiche zwischen unserer aus Zeitungen gewonnenen Reihe und Zusammenstellungen aus anderen Quelle n - z. Β . für di e ehemalige n preußische n Provinze n Rheinlan d un d Westfalen mi t Akten aus den Staatsarchiven Koblenz, Düsseldorf und Münster - haben gezeigt, daß andere Quellen, obwohl teilweise inhaltsreicher, sogar noch lückenhafter sin d al s die unsrigen. 2 II Das Schaubild vermittelt eine n Eindruck der zeitlichen Verteilung der Protestfälle in Deutschland. Unterstellt man, daß unsere Daten, obwohl nicht vollständig, den Verlauf im ganzen treffend bzw . „repräsentativ " beschreiben , s o zeigt sich, daß gewaltsamer Protest zwar eine chronische Erscheinung der deutschen Geschichte ist, aber in unterschiedlicher zeitliche r un d räumliche r Ausprägung . Auffallen d is t di e relati v hohe Protesthäufigkeit de r 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der chronische Charakter des Protestes wir d ebenfall s deutlich , den n de r sozial e Protes t verschwinde t nicht , obwohl sich bemerkenswerte Schwankunge n erkenne n lassen , selbs t wenn man von den sog. Revolutionsjahren 1848-49 absieht. Tabelle 1 bestätigt diesen Eindruck und zeigt außerdem die geographische Breite des Phänomens, eine Breite, die allerdings im Laufe des Jahrhunderts immer geringer wird. Die Tabellen 1, 2 und 7 können ferne r dokumentieren, daß 1. in zunehmendem Maße die wachsende Großstadt Ort des Protestgeschehens wurde und daß sich 2. in wachsender Zahl Industriearbeiter z u typischen Teilnehmern vo n Protestaktione n entwickelten . Man wird spätestens an dieser Stelle daran erinnert, da ß die deutschen Staaten mit ihren i m 18. Jahrhundert noc h weitgehen d agrarische n Strukture n i m Lauf e de s 19. Jahrhunderts jen e entscheidend e historisch e Phas e durchliefen , di e al s „Indu strielle Revolution " ode r „Modernisierung " bezeichne t wird . Gege n de n Hinter grund de r tiefgreifende n sozialen , politische n un d ökonomischen Wandlungen , di e mit solchen Termini umschrieben sind, kann das eben umrissene Bild der Protestentwicklung i m 19. Jahrhundert gesehe n un d interpretiert werden . Man muß nicht lange nach Interpretationsmustern fü r den Zusammenhang Indu strialisierung - Protest suchen , den n au f di e Industrialisierun g un d ihr e Begleiter 177

12 Tilly , Kapital

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Tabelle 1: Regionale un d zeitlich e Verteilun g de r Protest e Periode

Region

Ostpreußen Westpreußen Brandenburg Pommern Posen Schlesien Sachsen Westfalen Rheinprovinz Hessen-Nassau a HohenzollernSigmaringen NorddeutscheStaaten b Hessen c Bayern KönigreichSachsen Württemberg Baden Mitteldeutsche-Staaten d Hansestädte e Zusammen

1816 -1847

1848

1849

1816 -1849

1850 -1913

1850 -1881

1882 -1913

1816 -1913

2 8 17 7 11 24 16 19 28 28

1 2 14 4 13 6 2 8 12 4

0 1 5 0 1 2 0 3 5 1

3 11 36 11 24 32 18 30 55 33

9 13 51 11 16 33 12 58 67 9

7 10 26 6 13 16 2 22 20 5

2 3 25 5 3 17 10 36 47 4

12 24 87 22 40 65 30 88 122 42

0

1

0

1

0

0

0

1

34 30 23

8 16 20

1 5 7

43 51 50

31 30 42

21 21 31

10 9 11

74 81 92

17 7 20

4 4 14

2 3 6

23 14 40

13 7 12

9 5 9

4 2 3

36 21 52

14 14

7 4

3 1

24 19

6 20

6 14

0 6

30 39

329

143

(330)

(148)

46

(47)

518 (525)

440

(448)

243

(244)

197 (204)

958 (973)*

Di e Regierungsbezirke Kasse l un d Wiesbaden . Hannover , Schleswig-Holstein , Mecklenburg , Mecklenburg-Schwerin . c Frankfurt/M. , Starkenburg , Oberhessen , Rheinhessen . d Weimar , Meiningen , Altenburg , Sondershausen , Eisenach , Coburg-Gotha , Dessau , Reuß . e Bremen , Lübeck , Hamburg-Altona . a

b

* Die Differenz zwischen den Summen ergab sich aus der Tatsache, daß nicht alle Fälle mangels der entsprechenden Information einer Region zugeordnet werden konnten; die in Klammern gesetzten Zahle n gebe n di e Summen einschließlic h diese r Fälle an . scheinungen wie z. Β. Verstädterung gründet sich eine Standardinterpretation de s sozialen Protestes , di e sog . „Zusammenbruchsthese" . Au s de r Industrialisierun g ergeb e sich - so die Argumentation - eine Verarmung un d Verelendung de r Masse der Bevöl kerung, Deklassierun g der ehemals selbständigen Gewerbetreibenden , Entwurzelun g und Desintegratio n au s traditionelle n Bindunge n un d Verhaltensnorme n fü r di e Masse der zur Industriebeschäftigung un d Großstadt hinwandernden, ehemal s bäuer lichen Bevölkerung . Alle s die s führe zunächs t mangel s eigene r Erfahrung , abe r auch ,

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Tabelle 2: Verteilung de r Protestfäll e nac h Stadtgrößenklasse n Periode

1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913

Fälle i n Städten mi t Einwohner n Summe Weniger al s 5 000 bis 20 000 bis mehr al s 5000 20000 100000 100000 absolut % absolut % absolut % absolut % absolut % 1 0 0 0 0

0,95 0 0 0 0

29 10 1 23 2

27,6 20,4 0,6 21,5 1,6

61 20 10 56 53

58,1 40,8 58,8 52,3 41,4

14 19 6 28 73

13,3 38,8 35,3 26,2 57,0

105 49 17 107 128

100 100 100 100 100

1

0

65

16,8 200

49,3

140

34,5

406

100

Die Auszählung erfolgte nach einem 83 Städte umfassenden Sample; die hier nicht erfaßten Fälle konnten einer Stadt wegen mangelnder Information nicht zugordnet werden oder geschahen in Gemeinden, die keine Stadteigenschaft besaßen . Für diese Gemeinden, die keine Stadteigenschaft besaßen waren indessen die Bevölkerungsdaten nich t verfügbar. Quelle der Bevölkerungsdaten: H. Silbergleit, Preußens Städte, Berlin 1908, C. Tabellen: Stand der Bevölkerung, S . 2-7. weil sozial e Härte n mildernd e institutionell e Mechanisme n fehlten , z u explosive m Protest.3 Diese Interpretation des sozialen Protestes ist für uns nicht zuletzt deshal b interessant, weil sie im 19. Jahrhundert häufig das Handeln des Hauptprotestadressaten, des Staates, theoretisch rechtfertigte, wen n sie nicht dieses Handeln sogar praktisch motivierte. 4 Wi r habe n nun eine Variant e diese r „Zusammenbruchsthese " nennen wi r si e „Entwurzelungsthese " - als testbar e Hypothes e herausgestellt : Si e sieht als eines der wesentlichsten Ergebniss e der Industrialisierung di e Transplantion der Bevölkerung vo m ländliche n zu m großstädtische n Milieu . Diese r z u eine m bedeutenden Teil von Wanderung getragene Wandel verschärfte die soziale Problematik des 19. Jahrhunderts. U m Köllman n z u zitieren: 5 „Die Eingliederung i n den großstädtischen Lebensbereic h bedeutet e fü r das vom Lande ode r au s der Klein - un d nichtindustrialisierte n Mittelstad t stammend e Gro s der Zuwanderer zugleich di e Umstellung von der gewohnten au f persönliche Beziehungen gegründete n agrarische n ode r kleinstädtisch-bürgerliche n Ordnun g au f di e unpersönliche sach - un d leistungsbezogen e Ordnung , wi e si e di e industriell e Ar beitswelt voraussetzt. . . . Mit dieser Umstellung mußte der Zuwanderer in seiner persönlichen Entwicklun g zunächs t de n allgemei n zu r Industriegesellschaf t führende n Prozeß de r Desintegration un d Neuorientierun g nachvollziehen" . Nach Auffassun g viele r Sozialkritike r bewirkt e dies e Desintegratio n unte r de n breiten Massen der Wandernden ein e starke Empfänglichkeit fü r radikal e politisch e Ideen und Aktivitäten, eine gewissen Neigung zu gewaltsamen Problemlösungen aller Art un d auc h zu r Kriminalität . Eine fast klassische Formulierung lieferte Wilhelm Brepohl: 6 „Da ß im übrigen die Radikalisierung de r Arbeitermassen untrennba r verbunde n is t mit dem Einströme n der Menschen aus dem Osten, is t nur für den eines Beweises bedürftig, de r nicht im 179 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Revier groß geworden ist. Es ist nicht so als ob die Menschen in den preußischen Provinzen radikaler oder revolutionärer wären als im Westen - das Umgekehrte wäre vielleicht richtig - ; es ist aber so, daß Menschen, die sich nicht mehr in eine Heimat eingebettet fühlen, in einem anderen Wertsystem leben müssen und ein verändertes Verhältnis zur Umwelt und zu den Mitmenschen haben. Nur in dieser Situation ohne alle Sicherungen un d Stützen, kan n es unter Ausschluß alle r anderen Wert e und Forderungen an den Charakter einen Existenzkampf um die materiellen Grundlagen geben. Dieser Feststellung entsprich t es dann auch, daß die Streiks samt und sonders in dem am stärksten vo m Oste n bestimmten , al o am meisten von Heimatlosen bewohnte n Gebiet, i n der Emscher Zone, jedesmal de n Charakter eine s radikalen Kampfe s mi t sehr schwere n Vorfälle n un d beträchtliche n Tumulte n zeigten" . Ob un d wi e sic h dies e Charakterisierun g de r Streik s un d andere r Vorfäll e de s Ruhrgebietes systematisch belegen läßt, geht aus Brepohls Ausführungen nich t deutlich hervor. Die These selbst ist hier aber klar zum Ausdruck gebracht worden. Fü r uns hat sie den Vorteil der Operationalisierbarkeit. Denn : Es ist zunächst plausibel, im Tempo und Ausmaß de r Urbanisierung - definiert al s eine absolute und relative Zunahme der städtischen Bevölkerung - einen Indikator für den Grad der Entwurzelung zu sehen, vor allem weil das Wachstum der deutschen Städte im 19. Jahrhundert zu eine m nich t unerhebliche n Tei l vo n der Wanderung direk t getrage n wurde . Die Ergebnisse unserer Untersuchung werfen jedoch Zweifel auf die Gültigkeit der Entwurzelungsthese. Wede r di e Periodisierun g noc h di e regional e Verteilun g de r Protesthäufigkeit zeig t de n fü r di e These notwendige n bedeutsame n positive n Zu sammenhang mi t de n Bevölkerungsbewegungen . 1. Die Periodisierung de r Urbanisierung entsprich t nich t de n au s der Entwurze lungsthese abzuleitenden Erwartungen. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich wird, hatten die Proteste ihre zahlenmäßig stärkst e Ausprägung i n der ersten Periode, 1816-1849, in der di e Urbanisierung a m langsamste n war . 2. Ein Vergleich zwischen jährlichen Zuwachsraten der Bevölkerung un d Protesthäufigkeit i n einem Sample von Städten, di e um 1923 Großstädte waren, ergab , daß Städte ohne Protes t besonder s hohe Bevölkerungszuwachsraten aufwiesen. 7 D a der Bevölkerungszuwachs de r Städt e positi v mi t dere n Wanderungsbilan z zusammen hing, is t die s ei n Argument gege n di e Annahme de r Entwurzelungsthese . 3. Eine Querschnittsanalyse (Korrelationsanalyse ) au f Bezirkseben e un d auf verschiedene Perioden bezogen, hat folgende Ergebnisse geliefert: Obwohl gewalttätig e Proteste in überwiegendem und zunehmendem Maße in Städten vorfielen, zeigte n die schnell urbanisierten Regionen keineswegs die nach der Literatur zu vermutenden besonders hohe n Protesthäufigkeiten. Folgend e Punkt e sin d festzuhalten : a) Wen n wir 20 000 Einwohner als die Unterschwelle unserer Urbanisierungsdefi nition nehmen, so ist der Zusammenhang zwischen Protesthäufigkeit un d Urbanisierung während des gesamten 19. Jahrhunderts recht schwach, wenn auch positiv, und läßt keine n deutliche n Tren d erkennen . b) In der 2. Hälfte de s 19. Jahrhunderts, obwoh l nicht vor 1860, die Anfangsur banität de r Regione n wesentlic h besse r mi t Protesthäufigkei t korrelier t al s die Ur banisierung, besonder s wenn wir von Städten mit mindestens 20 000 Einwohnern al s 180 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

der Unterschwell e de r Urbanisierun g ausgehen . Die Korrelationsbewegunge n de r Tab. 3 stützen dies e Interpretation . Möglicherweise häng t Protestneigung positi v vo n den schon früher eingewander ten bzw. vorhandenen städtischen Massen und nur dann von dem jeweiligen Wanderungstempo ab, wenn die Agglomeration i n der Vergangenheit ei n bestimmtes Ausmaß überschritten hatte. Das könnte bedeuten, daß städtische gewaltsame Protestaktionen nur dort erwartet werden konnten, wo die Anzahl der potentiellen Teilnehmer über eine gewisse Größenordnung hinausgewachse n war. In diesem Zusammenhang ist abe r eine Überlegung au s Heberle un d Meyers klassische r Mobilitätsstudi e rele vant:8 sie stellen für das frühe 20. Jahrhundert fest , da ß die größeren Städte mit zunehmender Agglomeration in gewissem Sinne eine geringere Mobilität und geringeren „Entwurzelungsgrad" erlebte n als die kleineren Städte. Sie schrieben: „Je kleiner die Stadt, u m so größer ist andererseits wahrscheinlich di e Bedeutung de r Durchgangswanderung un d der Abwanderung Ortsgebürtige r nac h größeren Städten" . Zuneh mende gewalttätige Protesthäufigkeit i n größeren Städte n - die sich ja in bescheidenem Rahmen nachweisen läßt - muß also keineswegs eine Bestätigung der Entwurzelungsthese bedeuten. Um diese Befunde zu präzisieren, verlangte die Analyse nach einem differenzierteren Ansatz , den freilich nu r die letzte Periode (1882-1915) ermöglichte, wei l nu r sie die erforderliche Datendicht e aufwies . Wir fanden für die Periode 1882-1913 signifikante Korrelationen zwischen der Protesthäufigkeit de r Periode einerseits und Urbanität im Anfangs- wie im Endstadiu m der Periode, Urbanisierun g un d Kleinstadturbanitä t au f de r anderen Seite. 9 Es fällt Tabelle 3: Urbanisierung un d Protes t 1. Protesthäufigkeit al s Protestindikato r 1816-1847 1816-1848 1850-1913 1850-1881 1882-1913 Aus- End- Aus- End - Aus- End - Aus- End - Aus- EndgangsgangsgangsgangsgangsPunkt Punkt Punkt Punkt Punkt Urb I r Ν

0,37 0,4 8 37 3 7

0,39 0,5 0 37 3 7

0,43 0,6 5 36 5 3

Urbg I r Ν

0,35 36

0,37 36

0,51 53

Urbg II r Ν

0,34 0,5 4 22 2 5

Urbg II r Ν

0,37 22

Kleinurb. r Ν

0,42 0,5 6 0,51 0,6 2 22 2 5 26 5 3 0,40 22

0,18 0,1 7 0,04 0,0 4 22 2 4 21 2 3

0,35 52

0,37 0,4 5 0,65 0,6 6 53 5 2 36 5 3 0,34 53

0,24 53

0,60 0,4 7 0,50 0,6 0 26 4 3 43 5 0

0,27 40

0,39 51

0,25 0,2 0 -0,02 0,1 0 ι 0,54 0,3 4 25 5 3 25 4 3 43 5 0 181

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2. Die Anzahl de r wegen Aufruhr s un d Tumults Verurteilten al s Protestindikator . Dieser Tes t wa r nu r für di e Zei t 1882-1913 möglich.

Urb l Urb l Urbg l

1880 1910

r

Ν

0,52 0,64 0,39

33 33 34

Urb l l Urb l l Urbg II

1880 1910

r

Ν

0,41 0,56 0,45

30 33 29

auf, da ß die Korrelation des Protestes mit Urbgl hinter dem sonst vorfindlichen Ni veau zurückbleibt . Da wir vor allem in den größeren Städten de n bevorzugten Or t soziale n Protest s vermuteten un d dies e Hypothes e weithi n bestätig t fanden , wa r da s Verhältnis vo n Urbl und Urbgll in ihrem Einfluß auf die Protestneigung von besonderem Interesse. Rechnerisch wäre Anfangsurbanität plu s Urbanisierung währen d der Periode gleich der Urbanität a n ihrem Endzeitpunkt . I n der Tat zeigt sich auch ein Unterschied in der Korrelation zwischen Anfangs- und Endurbanität; wäre er signifikant, könnt e auf unabhängige Einflüsse von Urbanisierung und Urbanität auf die Protesthäufigkeit ge schlossen werden, wenn auch für die entsprechenden Korrelationskoeffizienten dies e Addition natürlic h nich t durchführba r ist . Bemerkenswer t ist , da ß di e Korrelatio n mit Urb I zwischen Anfangs- und Endpunkt keine Differenz zeigte, während gleichzeitig Urbg I mit Protest keine signifikante Korrelatio n aufwies, so daß in diesem Fall der Einfluß de r Urbanisierung nich t meßbar war. Diese r Einflu ß schein t soga r eher negative Richtun g gehab t z u haben , den n wen n Urb g I relativ konstan t (zwische n 10,0 und 19,0) gehalten wird, steig t die Korrelation zwischen Urb I und Protesthäufigkeit au f r = 0,83 bei Ν = 31 ; umgekehrt verschwinde t abe r der Zusammenhan g zwischen Urb g I und Protest ganz , wenn Urb I relativ konstan t bleib t (Ur b I zwi­ schen 14,0 und 25,0). Der große Einfluß vo n Urb I wird auc h durch den folgende n X2-Test bestätigt :

Urbl > 25, 0 Alle restliche n Fäll e

Protesthäufigkeit ≥ 3

Protesthäufigkeit ≤ 2

11 7

10 25

21 32

x2 = 5,35, df = 1, signifikant mi t 2,5% Irrtumswahrscheinlichkeit. Umgekehrt liege n di e Verhältnisse in den Korrelationen vo n Urb II und Urgb II mit sozialem Protest : Bei Urb II zwischen 11,0 und 26,0 korrelieren Urb g II und Protesthäufigkeit mi t r = 0,52 (N = 16 ) und selbs t be i Ur b II 10, 0 noch mi t r = 0,4 6 (N = 21) . Bei Urbg II zwischen 11,0 und 19,0 korreliert dagege n Ur b II nicht meh r mit Protes t (r = -0,14, Ν 16). Ein X2-Test bestätigt diese n Befund : 182 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Urbgll > 14, 0 Alle restliche n Fäll e

Protesthäufigkeit ≥ 3

Protesthäufigkeit ≤ 2

11 5

9 18

20 23

x2 = 5,19, df = 1 , signifikant mi t 2,5% Irrtumswahrscheinlichkeit. Anfangsurbanität I und di e Urbanisierun g de r Regione n i n Städte n übe r 20000 Einwohnern hatten demnach zwischen 1882 und 1913 den entscheidenden Einfluß au f die Protestneigung . Wi e abe r steh t e s mi t de m Verhältni s diese r zwe i bedingende n Faktoren zueinander ? Aufgrund de r folgende n Befund e dürfe n wi r annehmen , da ß kein e Bedingun g fü r sich allei n de n fü r di e Hervorbringun g de r Protestneigunge n hinreichende n Einflu ß entfalten konnte . Den n be i hohe r Anfangsurbanitä t I wirkte Urb g II mit r = 0,5 9 (N = 24 ) auf Protes t (Ur b I 20,0) während be i niedrige r Ur b I (10,0) jene Korrela tion unbedeuten d wurd e ( r = - 0 , 3 2 , Ν = 15) . Der X 2 -Test Nr. 3 zeigt, da ß Ur b I selbst dan n ihr e durchschlagend e Wirkun g entfaltete , wen n streuend e Wert e vo n Urbg II erlaubt blieben ; werde n dagege n Ur b I und Urb g II zu eine m Bedingungs komplex kombiniert , s o wir d da s Ergebni s noc h eindeutiger : Protesthäufigkeit ≥ 3 Urbl > 16, 0 und Urbgll ≥ 12, 0 Urbl < 16, 0 und Urbgll < 12, 0

Protesthäufigkeit ≤ 2

13

11 2

4

1

12 1

3

14

23 3

7

x2 = 7,67 , df = 1 , signifikant mi t 1% Irrtumswahrscheinlichkeit. Nach de r Yates-Korrektur : x2 = 5,83, df = 1 , signifikant mi t 2,5% Irrtumswahrscheinlichkeit. Konnte ein e ungenügend groß e Urb I die Korrelatio n zwische n Urb g II und Protes t zerstören, s o läß t sic h mi t de m folgende n X 2 -Test beweisen, da ß dies e Zerstörungs funktion vo n Ur b I gegen de n Einflu ß vo n Urb g II durchgesetzt werde n kann : Protesthäufigkeit ≥ 3 Urbl > 16, 0 und Urbgll ≥ 12, 0 Urbl > 16, 0 und Urbgll < 12, 0

Protesthäufigkeit ≤ 2

13

11 2

4

3

91

2

16

20 3

6

x2 = 2,84, df = 1 , nicht signifikant . Nac h de r Yates-Korrektur : x2 = 1,76 , df = 1 , nicht signifikant .

183 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Wird zusätzlic h berücksichtigt , da ß Urb II und Kleinstadturbanität mit de r Protesthäufigkeit korrelieren , s o läßt sic h al s Ergebnis festhalten : 1. Die in der Literatur diskutierte Entwurzelungsthese kan n nicht akzeptiert wer den, denn der Einfluß der Urbanisierung (I und II) konnte sich nicht entfalten, ohn e daß Ur b I Urbg II und/oder Kleinstadturbanitä t ein e gewiss e Höh e überschritte n hatte, wobe i vermutlic h Ur b II und Kleinstadturbanitä t i n eine m substitutionale n Verhältnis zueinander standen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß diese Bedingungskombination erst ihren Einfluß meßbar entfalten konnte, wenn der Urbanisierungsprozeß ein e untere Schwell e überschritte n hatte . 2. Die Großstadturbanisierun g (Urb g II) konnte trotzde m protestfördern d wir ken, wenn die Zuwandernden auf eine in den Zielstädten der Wanderung bereits etablierte „Großstadtkultur" trafen , die sie integrierte (hohe Anfangsurbanität II als notwendige Bedingung) und/oder jene Zuwanderer au s der Kleinstadt ein e Stadterfah rung mitbrachten, di e sie befähigte, i n der Großstadt „Wurzel n z u schlagen" (hoh e Urbanität I und/oder Kleinstadturbanitä t al s notwendig e Bedingungen) , fall s dies e Formulierung fü r da s auf Dauer gestellt e Leben in der Großstadt de r richtige Ausdruck ist . 3. Der klassischen Fassun g de r Entwurzelungsthese , di e sozialen Protes t au f den mit der Land-Stadtwanderung verbundene n Verlus t angestammte r sozialer Bindun gen zurückführt, wurd e hier eine komplexere Formulierung entgegengesetzt . Aller dings konnte der reine Einflu ß de r „Entwurzelung " au f Protes t nich t isoliert über prüft werden, weil er in unserem Ansatz von der Variation der Bedingungen, die Protest begünstigen, überlagert war. Nur wenn unterstellt werden kann, daß der Teil der Urbanisierung, der in Städten mit über 5 000 bis unter 20 000 Einwohnern sein Ziel erreicht - wir substrahierten z u diesem Zweck Urbg II von Urbg I - genau den Strom jener Wanderer spiegelt, die durch ihre Wanderung die oben erwähnten sozialen Bindungen einbüßten , wär e ei n direkter Tes t de r Entwurzelungsthes e möglich . Die Korrelatio n zwische n de r Kleinstadturbanisierun g (Urb g I minus Urb g II) und der Protesthäufigkeit de r Regionen (1882-1913) könnte unter den beschriebenen Voraussetzungen (mi t r = -0,32; Ν = 52 ) in der Tat die Ablehung de r Entwurze ­ lungsthese begründen ; de r Verlust angestammte r soziale r Bindunge n beeinfluß t di e Neigung z u gewaltsa m kollektive m Protes t ehe r negativ . Nimmt ma n nun als Indikator de s sozialen Proteste s statt der Zahl der einzelne n Fälle die für die Zeit von 1882 bis 1913 verfügbare Anzah l der wegen Aufruhrs un d Tumults Verurteilten , s o erreichen wi r ein e höher e Korrelatio n mit Urbanisierun g (vgl. Tabelle 3). Hier wirkt aber möglicherweise das Gewicht der stärker wachsenden Bevölkerung der Städte mit, das eine direktere Beziehung zwischen den Variablen bedingt. Entwurzelung un d ein e erbarmungswürdig e ökonomisch e Lag e de r Betroffene n werden of t al s die entscheidende n Bedingunge n de r Protestneigun g genannt. 10 D a man für Deutschland im 19. Jahrhundert vo n einem positiven Zusammenhang zwi schen dem Pro-Kopf-Einkommen un d Urbanisierung (bzw. Urbanisierungsgrad) der Regionen ausgehe n kann , würd e ma n eigentlich zwische n de m Pro-Kopf-Einkom men und der Protesthäufigkeit ein e negative Korrelation erwarten , di e jedoch nich t 184 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

auftrat. Wi r versuchte n dies e Beziehun g ei n weni g aufzuhellen , inde m wi r di e Pro testhäufigkeit de r Regionen mi t dem Pro-Kopf-Einkommen sowi e mit einem Indika tor des Grades der Arbeitsteilung, 11 de m Anteil der von der Landwirtschaft lebende n Bevölkerung, korrelierten . Der Tes t erbring t eine n deutlichere n Zusammenhan g zwische n Protesthäufigkei t und Pro-Kopf-Einkommen fü r die Zeit zwischen 1882 und 1913 (r = 0,52 , Ν = 36) , als man für Urbanisierung feststellt e und außerdem eine n sehr deutlichen aber negati ven Zusammenhan g zwische n Protesthäufigkei t un d de m Antei l de r vo n de r Land wirtschaft lebende n Bevölkerun g ( r = - 0 , 6 9 , Ν = 36) , d. h . ein e hohe Korrelatio n zwischen de m Gra d de r Arbeitsteilun g un d de r Protesthäufigkei t de r Regionen . Dieses Ergebnis impliziert nicht nur, daß der gemeinhin vermutete Zusammenhan g zwischen Einkomme n un d Protesthäufigkei t nich t negati v war , sonder n auch , da ß Tabelle 4: Korrelationen zu r Analys e de r Protesthäufigkei t i n Deutschlan d (r = Produkt-Moment-Korrelation, Ν = Zahl de r Regierungsbezirke ) Test* 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9, 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.

Industrialisierung I Industrialisierung II 1 Industrialisierung I Industrialisierung II Industrialisierung I Industrialisierung II 1 Industrialisierung I J Industrialisierung II Industrialisierungsgrad I Industrialisierungsgrad II Industrialisierungsgrad I Industrialisierungsgrad II 1 Industrialisierungsgrad I Industrialisierungsgrad II Industrialisierungsgrad I Industrialisierungsgrad II Industrialisierungsgrad I 188 3 Industrialisierungsgrad I 1907/1 3 Industrialisierung I Industrialisierungsgrad II 188 3 Industrialisierungsgrad II 1907/13 Industrialisierung II

mit Protest­ häufigkeit der Periode

1816-1847 1816-1847 1816-1848 1816-1848 1850-1881 1850-1881 1882-1913 1882-1913 1816-1847 1816-1847 1816-1848 1816-1848 1850-1881 1859-1881 1882-1913 1882-1913 mit de r Anzah l der wegen Auf ruhrs, Tumulten, etc. Verurteil ten de r Reg. Bez. 1882/1913

r

Ν

0,07 -0,04 0,14 0,01 0,19 -0,13 0,80 -0,46 0,51 -0,44 0,38 -0,39 -0,01 -0,16 0,60 -0,68 0,37 0,52 0,51 -0,48 -0,54 -0,53

25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 34 25 25 34 25

* Die Indikatoren ware n folgendermaße n definiert : Bevölkerung + Schafe Industrialisierungsgrad I: Fläche Großvieh Industrialisierungsgrad II: Bevölkerung Die Industrialisierung entsprechen d di e Veränderung de r Variablen währen d der Perioden . Zur Erklärung vgl . Anhan g I.

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möglicherweise de r Gra d de r Arbeitsteilun g (beruflich e Spezialisierung , Marktab hängigkeit de s einzelnen Haushaltes, etc.) ein noch stärkeres Stimulanz de r Protesthäufigkeit darstell t al s die Urbanisierunng , di e si e ja überal l begleitete ; möglicher weise war gerade der Grad der Arbeitsteilung der Faktor, der den schwachen Zusammenhang zwische n Urbanisierun g un d Protesthäufigkei t erkläre n kann . Ein etwas umfassendere r Testansat z schein t diese n Eindruc k z u bestätigen : Wird statt des Industrialisierungsgrades zu Beginn der Periode, wie in der Tabelle 4 geschehen, der Industrialisierungsgrad am Ende der Periode mit der Protesthäufigkeit korreliert, s o ergibt sic h da s folgende Bild : Test 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad Industrialisierungsgrad

I 1816-184 7 II 1816-184 7 I 1816-184 8 II 1816-184 8 I 1850-188 1 II 1850-188 1 I 1882-191 3 II 1882-191 3

r

Ν

0,45 -0,49 0,39 -0,34 0,16 -0,29 0,77 -0,55

25 25 25 25 25 25 25 25

III. Alle diese statistischen Ergebniss e bedürfen eine r weiteren Überprüfung. Si e werden auch hier nicht vorgestellt, wei l si e statistisch so überzeugend sind , sondern weil sie den Weg zu anderen plausibleren Hypothesen eröffnen. I m folgenden Abschnit t soll nun kurz auf diese Hypothesen eingegangen werden, wenngleich sie noch nicht quantitativ formulier t wurden . Weitgehen d qualitativ , wie si e sind, möge n si e al s Zwi schenergebnis un d zugleic h al s Hinweis un d Anregun g fü r weiter e Forschun g ver standen werden . Es sieht so aus, al s ob hohe Mobilität negati v au f das Protestpotential eingewirk t hat. Die hohe Mobilität de s 19. Jahrhunerts riß Menschen au s den ihnen vertraute n sozialen Einbindungen und versetzte sie in Milieus, deren Regeln und Rhythmen erst gelernt werden mußten. Interpretiert man gewalttätige Proteste als eine kollektive Reaktion, ist es naheliegend, als Voraussetzung solcher Aktionen eine Art Gruppensolidarität zu sehen, die gerade durch hohe Mobilität und Entwurzelung abgeschwäch t und sogar aufgelös t wird . Nach diese r Interpretatio n würd e ma n fü r da s 19. Jahrhundert i n Deutschlan d nicht nu r die schon vorhin geschildert e regional e Verteilun g de r Protesthäufigkeit , sondern auc h ein e überproportionale Teilnahmequot e vo n scho n Integrierten , abe r soziopolitisch bedrohte n Gruppen , un d innerhal b dieser , vo n festansässigen, orts kundigen Individuen , erwarten . Ma n würd e beispielsweis e fü r di e 1. Hälfte de s 19. Jahrhunderts i n den ländlichen Arbeiter n de s schrumpfenden industrielle n Ver 186 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

lagssystems, in den von Zunftregeln nicht mehr geschützten städtischen Handwerksgesellen und auch in den unterbäuerlichen Schichte n ländlicher Dorfgemeinschafte n soziale Gruppe n sehen wollen, di e zu gewalttätigen Protesten neigten. Bestätigend e Hinweise für diese Vermutung fehlen in den Quellen nicht, wenn auch systematische Forschungsarbeit hierzu noch aussteht. Bei vielen Protestfällen lasse n sich konkrete, wenn auch nicht formal organisiert e Gruppen erkennen . Die Rädelsführer de s Aufstandes der Krefelder Seidenarbeiter im Jahre 1828 z. Β . waren durchweg ortsgebür tig, der Aufstand selbst ein deutlicher Ausdruck der Strukturprobleme der Seidenindustrie dort. In Aachen, im Jahre 1830, griffen die aufrührerischen Arbeiter auf schon vorhandene Strukturen zurück: Wilhelm Müller, anerkannter „Köni g der Arbeiter", wurde z . B. nach Ausbruch des Arbeiterkonflikts aus einem Wirtshaus geholt, um die Führung de s Aufstandes z u übernehmen, un d die Hauptteilnehmer ware n i n über wiegendem Maß e gebürtige Aachene r (63 von 74). 12 Was Franz Lerner für die Nassauer Gegend im Jahre 1848 feststellte, läß t sich fü r andere Gebiet e sagen : „Bezeichnenderweise sind es gerade die nassauischen Kleinstädt e und in diesen die Kreise der eingesessenen Gewerbetreibenden gewesen, die sich am radikalsten gebär deten. Ih r revolutionäres Aufbegehre n richtet e sich gegen den liberalen Fortschritt , wie ih n di e Einführun g de r Gewerbefreiheit vo n 1819 gebracht hatte." 13 Diese Hypothese über sozialen Protes t betont Gruppensolidarität i n Zusammenhang mit dem aus dem Alltag abgeleitete n Konfliktstoff . Danac h ist es naheliegend, gewaltsame Protest e al s ein e For m politische r Aktione n aufzufassen , di e sic h au s 2 Kategorien vo n Prozesse n ableiten läßt : Prozesse , di e Gruppensolidaritä t un d Gruppenantagonismen bilde n (wi e z. Β . Urbanisierung) un d Prozesse, di e über die Anwendung ode r Nichtanwendun g de r physische n Gewal t be i de r Konfliktlösun g bestimmen (z. Β . die Stärke der staatliche n Repressivkräfte) . Wir habe n somi t au f zwe i wichtig e Interdependenzfaktore n hinzuweisen : 1. den Organisationsgrad der konfligierenden Gruppe n als Faktor, der die Konflikt neigung eine r Grupp e erhöh t ode r mindert, un d 2. die Bereitschaft de s Staates, a) au f kollektiv e Gewalttätigkei t mi t massive r Gewal t z u reagiere n un d b) de n Gruppen gewaltlose Wege zur Konfliktlösung bzw . Machtteilhab e anzubieten. Hier falle n natürlic h di e schon eingangs betonte n Unterschied e zwische n 1. und 2. Hälfte de s 19. Jahrhunderts deutlic h in s Auge . Währen d de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts finden wir bei Protestaktionen in Deutschland kaum formalorgani sierte Gruppen. Viele Probleme, di e zu Protestaktionen führten , ware n allgemeine r Art und sozusagen „kommunalerlebt": Lebensmittelteuerung (z. B . in Aachen 1846), Steuerveranlagungen (z.B . in Iserlohn 1832), Allmendeaufteilungen (z.B . in Arensberg 1834) oder auch konfessionelle Konflikt e (z. Β . in Kleve/Niederrh. 1839). Sol­ che Proteste bezeugten eine gewisse Gruppensolidarität und Vertrautheit mit Lokal verhältnisen, z. Β . in der gemeinsamen Identifikation eine s Kornhändlers oder eines Pfarrers als Volksfeind, abe r eben keine formalen Organisationen. Hier könnte man von einer „kommunale n Reaktion " auf den drohenden Verlust traditioneller „Rech 187 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

te" sprechen, wobei aber die Handlungsträger informale Organisationsstrukturen besaßen. Zur Veranschaulichung diese s Gedankens kann man als Beispiel das kommunale Interesse an der Kontrolle der Verteilung der Lebensmittel in einer immer stärker durchkommerzialisierten, a n überregionale m Hande l orientierte n Agrarwirtschaf t anführen. S o können wir in einer Meldung aus Kieselbach in der Eisenacher Gegend in Mitteldeutschland folgendes lesen: 14 „Wegen der langanhaltenden Dürre in diesem Jahr, komme n di e Käufe r hie r au s allen Gegende n zusammen , u m da s Getreid e i n großen Massen aufzukaufen un d dann auszuführen. We r freilich unte r solchen Umständen am meisten zu leiden hat, ist der gemeine, arme Handwerksmann, dem es auf diese Weise unmöglich gemacht wird, selbst für sein bares Geld, nicht einmal Frucht sich verschaffen z u können. Ic h hatte Gelegenheit, be i meiner Durchreise durch das Dorf Kieselbach, unfern Eisenach, Augenzeuge eines dasigen Aufstandes zu seyn. . . . [Kornhändler hatten gerade wieder ihre Wagen beladen] als die ärmeren Bewohner . . . um den Vorsteher des Ortes sich versammelten, und denselben mit lauten Klagen ihrer Noth und Bitten um Abhülfe umlagerten. Der Mann . . . glaubte in der That abhelfen zu müssen. Er zog an der Spitze des Haufens zu dem Platze, wo die Wagen der Kornhändler standen und hieb mit der Axt . . . die Speichen de r Räder entzwei , zugleic h mußten di e Käufe r di e härtesten Beschimpfunge n vo m zusammengelaufenen Volk e erdulden, bi s endlic h di e Polizei si e den Hände n de r Aufgebrachten entzo g Tabelle 5: Verteilung de r vorwiegend ökonomischen , ethnisch-religiöse n und politische n Protesttype n Periode

1816-1847 absolut Prozent 1848 absolut Prozent 1849 absolut Prozent 1850-1881 absolut Prozent 1882-1913 absolut Prozent absolut Prozent

Proteste mi t ökonomischen Akzent 1+ 3 + 5

ethnischreligiöse Proteste

politische Proteste

Fälle

88 44,7

36 18,3

73 37,1

197 100

11 10,8

-

91 89,2

102 100

3 7,7

-

36 92,3

39 100

51 34,0

22 14,7

77 51,3

150 100

79 53,4

11 7,4

58 39,2

148 100

232 36,5

69 10,9

335 52,6

636 100

188 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

1846/47 wiederholten sic h solch e Fäll e massenhaft : i m Jahr e 1847 nach unsere r Auszählung 57mal . Ma n geh t vielleich t nich t fehl , di e Massenbewegunge n vo n 1848/49 einschließlich de r demokratischen Forderunge n auc h al s Versuche zu verste hen, politische Institutione n zu r Wahrung solche r kommunaler, d . h. auc h kleinbür gerlicher Interesse n z u schaffen . Nebe n un d z.T . wi e 1848/49 im Rahme n diese r kommunalorientierten Protest e entstande n di e von Historiker n vie l stärke r beachte ten, aber quantitativ weniger bedeutsamen Arbeitskämpfe , di e nur etwas mehr als 8 % des Proteste s zwische n 1816-48 ausmachten. 14a In de r zweite n Hälft e de s 19. Jahrhunderts setze n sic h i n wichtige n Lebensberei chen i n Deutschlan d di e formale n Gruppenorganisatione n durch . Di e wichtigste n waren wohl die Gewerkschaften, di e politischen Parteien, sowie die Vereine verschie dener Art . Tabell e 7 zeigt, da ß da s Wachstu m diese r Organisatione n nac h 1850 sich nicht in gewalttätigem Protes t widerspiegelt. Is t dies eine Bestätigung de r Hypothese, formale Organisatione n seie n gewaltmindernd i n ihrer Wirkung? Habe n formal e Or ganisationen de n Konfliktstof f de r konfligierende n Gruppe n effekti v i n gewaltlos e Bahnen gelenkt ? Einige Fakte n spreche n dafür . Dan k de r fortschreitende n Industrialisierun g wa r 1850-1913 in zunehmende m Maß e de r Gruppenkonfliktstof f au s de m Arbeitneh mer-Arbeitgeberverhältnis hergeleitet . Di e Gewerkschaften bzw . di e Streikorganisa tionen de r Arbeitnehmer wurde n abe r von mehr und meh r Arbeitgeber n de facto an erkannt und brachte n nich t selten Erfolg . Die s spiegelt sic h u. a . i n der Tatsache, da ß Lohnerhöhungen un d Verbesserungen de r Arbeitsbedingunge n auc h ohn e Streikak Tabelle 6: Die Verteilun g de r Protesttype n vo r un d nac h 1850* Periode bis 1849 absolut Prozent ab 1850 absolut Prozent Insgesamt absolut Prozent

1

2

Protesttypen 3 45

37 36 8,1 7,9

56 12,3

122 33 30,6 8,3

8 2,0

159 69 18,6 8,1

64 7,5

39 9 8,6 2, 0 86 21,6 125 9 14,6 1, 1

6

78

114 3 161 35,4 25,1 0, 7 49 101 12,3 25,3 210 215 3 24,6 25,2 0, 4

Fälle 455 399 853 100

* In diese Tabelle wurden die Fälle nicht aufgenommen, fü r die Angaben über den Protesttyp nicht existieren . Di e Spaltenziffern bedeuten : 1 Arbeitskämpfe 2 ethnisch-religiöser Protes t 3 Hungerkrawalle 4 gegen Polizei/Militär gerichtete r Protes t 5 Protest gege n Steuer-/Zollmaßnahme n 6 formaler politische r Protes t 7 Anderes 8 Kombinationen

189 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

190

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Bürgergarde Militär

303 47,3

237 14 29 0 1 0 1 11 10 180 55,6

4 0 0 0 14 58 101 0 3 144 44,4

132 0 8 0 0 0 1 0 3

18 48 formal nicht organis. organis.

63 57,8

0 0 0 0 5 10 37 0 1 46 42,2

42 0 1 0 0 0 0 1 2

18-49 formal nicht organis. organis.

7

4 5

3

2

s 267 51,5

130 0 1

0 0 0 0 128

21

10 11

252 48,5

172 8 40 0 0 0 0 6 26

1850- 1881 formal nicht organis. organis.

Angehörige vo n Militä r un d Bürgergard e i n de r Formatio n Periode 1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913 4 3 3 3 1 2 3 2

338 52,7

absolut

%

3 0 2 1 102 47 177 1 5

1816--1847 nicht formal organis. organis.

Volksmenge Volksmenge (ethn.-rel. ) Arbeiter Konsumenten Polizei Bürgergarde Militär Fremde Andere

Typ de r Kon fliktgruppen

196 43,1

0 0 0 1 150 11 33 1 0

259 56,9

94 6 96 1 1 0 0 10 51

1882- 1913 nicht formal organ is. organis.

* Bei der Frage nach der formalen Organisation wurde ein enger und scharf durchgehaltener Begriff angewendet: die Formation galt nur dann als formal organisiert, wenn sie selbst als Organisation erkennbar war; es zeigte sich allerdings, daß damit das Material nur verzerrt wiedergegeben werden konnte . Würde man darauf abheben, generel l nach Mitglieder n einer formalen Organisatio n (wie politischer Partei, Bürgerverei n oder Gewerkschaft) auszu wählen, wäre vermutlich ein weit informativeres Bild zu erwarten. Aber diese Aufgabe ist nach der jetzt realisierten Kodierung unseres Materials nicht lösbar.

648 28 176 3 401 134 480 30 102

Fälle insgesamt

Tabelle 7: Protestierende Gruppe n un d Organisatio n

tionen nach 1890 in zunehmendem Maße erreicht werden konnten, und daß allein die Streikandrohung ausreichte , vo n de n Arbeitgeber n Zugeständniss e z u erringen. 15 Die politische Partei de r Arbeiter, di e Sozialdemokratie, wirkt e in dieselbe Richtung. Obwohl hier besonders für die Zeit des Sozialistengesetzes 1878-1890 die Stärke und Wachsamkeit der Polizei nicht außer acht gelassen werden darf, war es auf den ersten Blick plausibler, in der relativen Gewaltlosigkeit der politischen Aktivität der Sozialdemokratie die Wirkung einer politischen Organiation zu sehen, die einige Erfolge versprechen und infolgedessen auch Mitglieder lenken konnte . Wir brauchen hier gar nicht au f di e Literatu r einzugehen , i n der di e Sozialdemokratie al s Subkultur ode r Partei i n der Erwartun g de s „sozialistische n Zukuntsstaates " dargestell t wird . Wi r wissen, da ß di e Führun g de r Sozialdemokrati e un d auc h de r Gewerkschafte n ihre Mitglieder vor Gewalttätigkeit warnt e und Beispiele solchen Verhaltens verurteilte: In Berlin (1892) z. B. wurd e ei n tumultarischer Auftritt Arbeitslose r vom Vorwärts schärfstens kritisiert, im Ruhrgebiet (1899) ein Exzeß polnischer Bergarbeiter und im Berliner Moabit-Distrik t (1910) ein blutiger, vo n den Gewerkschafte n nich t unter stützter Strei k vo n Kohlenträgern. 16 Die Sozialdemokratie wär e danach di e Partei eine r neue n Ordnun g gewesen , di e nur gegen starke konservative Kräfte aufgebaut werden konnte; sie war es aber nicht, da sie sich gegen jene Kräfte Aufgebehrender versagte . Was ist richtig? Um diese Alternative zu prüfen, faßten wir den Wahlerfolg der SPD zunächst als eine Variable auf, die mit sozialem Protes t i n Zusammenhang stehe n könnte . I n der Tat deutete n di e Korrelationen mit de n andere n Protestindikatore n eine n solche n Zusammenhan g an.17 1. 1. Protesthäufigkeit 2. wegen Aufruhr s etc . Verurteilt e 3. Anteil de r SPD-Stimmen Wah l 1912

Ν = 35 Ν = 30

2.

3.

r = 0,7 0

r = 0,4 4 r = 0,4 2

Ν = 30

Freilich hätte n wir kein e positive Korrelatio n de r gewalthafte n Protest e mit dem Anteil der SPD-Stimmen erwartet: denn es wäre doch zu vermuten, daß Regionen mit einer strikte n Sozialdemokrati e i n de r Lag e waren, gewalthaft e Protestaktione n z u verhindern. Man muß dagegen feststellen, daß dies offenbar nicht der Fall gewesen ist. Sozialer Protest, der gegen die alte Ordnung im weitesten Sinne gerichtet war, fand in dieser Zeit (1882-1913) wohl in der SPD eine Ergänzung, jedoc h in der Stimmabgabe für diese Partei keine grundsätzliche andere Artikulationsmöglichkeit de s Konflikterlebens, di e imstand e war, di e Protestenergie z u absorbieren. 18 Wen n wir di e Stimmabgabe für Parteien al s einen Ausdruck nich t nur des politischen Willen s von Gruppen werten, sondern sie darüber hinaus als Votum für Protest gegen die oder als Einverständnis mit der herrschenden sozialen und politischen Ordnung gelten lassen, so finden sic h für di e Komplementaritätsthes e de r verschiedene n Artikulationsfor men soziale n Konflikt s ei n zusätzliches Indiz : die addierte n Stimmanteil e de r SPD und der Polenpartei korrelieren mit der Anzahl der wegen Protest, Aufruhrs etc. Ver191 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

urteilten (mit r = 0,59 , Ν = 30 ) noch bedeutend höher als nur der Anteil der SPDStimmen ; in der Tat waren ja die Polen, vor allem in den Provinzen Posen und Schlesien, aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch schon in den Industriezentren des Westens eine ethnische Minderheit, di e sich durch die herrschende Ordnung unterprivilegiert fühlt e un d darübe r hinaus al s fremdvölkische Grupp e in hohem Maß e Kon fliktsituationen ausgesetz t war. 19 Obwohl der Stimmanteil der Sozialdemokratie in einer wahlanalytischen Untersuchung sicherlich ein ganz spezielles Gewicht hätte, tritt die Bedeutung dieser Variable als Protestindikator auc h in den Korrelatione n mi t den Faktoren zutage , di e weiter oben als ein Teil der Bedingungen sozialen Protestes untersucht wurden: Protest und als einer seiner Indikatoren der Anteil der SPD-Stimmen weist einen Zuammenhang mit de n Variablen de s Industrialisierungs- un d Urbanisierungskomplexe s auf : Tabelle 8: Korrelationen mi t de m Stimmenanteil de r Sozialdemokrati e Variable 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Urbanität I 1880 Urbanität I 1910 Urbanisierung I Urbanität II 188 0 Urbanität II 191 0 Urbanisierung II Pro-Kopf-Einkommen 1913 Anteil de r von de r Landwirtschaf t lebende n Bevölkerung 1907

r

Ν

0,60 0,54 0,03 0,65 0,60 0,32 0,69

27 27 28 27 28 27 30

-0,48

29

Die bisher diskutierten Protestindikatoren (Protesthäufigkeit, Zah l der wegen Aufruhrs Verurteilten, Stimmenanteil der Sozialdemokratie) korrelieren positiv mit Industrialisierung und Urbanisierung: Regionen mit hohem Urbanisierungsgrad und/oder Industrialisierungsgrad zeigte n ein e im statistischen Durchschnitt höhere Protestaktivität als die weniger entwickelten. De r Modernisierungsprozeß schu f in den Regionen - mit unterschiedlicher Geschwindigkeit - Bedingungen, die gewalthaften sozia len Protest hervorbrachten; es zeigte sich, daß die Variablen der materiellen Struktu r auf di e verschiedenen Protestindikatore n dieselb e Art Einfluß ausübten , ja , da ß si e mit Bedingunge n de r politischen Struktu r de r Region korrespondierten . Gewaltsa mer Protest hatte als eine Artikulationsform soziale n Konflikt s zwische n 1882 und 1913 sein Pendant im Wahlerfolg der Sozialdemokratie. Daran zeigt sich, daß Protest offenbar nu r als eine von mehreren Artikulationsformen soziale n Konflikts interpre tiert werden muß. Darüber hinaus scheint die Hypothese, daß Protest trotz der verschiedenartigen Anläße immer auch polirische Qualität enthielt, durch diesen Befun d an Plausibilität zu gewinnen.20 Schließlich läßt sich festhalten, daß gewaltsamer sozialer Protest als die Stimme der ungehörten Massen von Prozessen geformt wurde , die primär die Lebensbedingungen de r Massen bestimmten un d veränderten, abe r über 192 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ihren unmittelbaren Bezu g hinaus auf die ungeteilte Lebenssituation un d die daraus resultierende Verhaltensweise ihre Wirkun g ausübten . Fassen wi r zusammen : 1. Die dringend notwendige Miteinbeziehung de r stummen Massen in die historische Analyse de s Modernisierungsprozesses kan n durc h die systematische Bearbei tung vo n Phänomene n wi e de m soziale n Protes t entscheiden d geförder t werden . 2. Die hier versuchte quantitative Geschichte des gewaltsamen sozialen Protests in Deutschland 1816-1913 erwies sic h al s geeignet zur Verfolgung diese s Zwecks: das aus Zeitungsberichten erhoben e Datenmaterial umfaßt e nahez u eintausen d Vorfäll e gewaltsamen sozialen Protests, die bei regionaler und temporaler Differenzierung z u Modernisierungsindikatoren wi e Urbanisierung , Bevölkerungswachstu m un d Pro Kopf-Einkommen i n Beziehun g gesetz t werden konnte . 3. Eine systematische Gegenüberstellun g vo n sozialem Protest mit verschiedenen sozialen und ökonomischen Variablen - unter Anwendung der Korrelationsanalyse konnte einige naive Hypothesen, z. Β . die sogenannte Entwurzelungsthese, widerle ­ gen, zugleic h abe r auch den eminent politischen Charakte r des sozialen Protest s als Konflikte regelnde r Mechanismu s deutlic h aufzeigen .

Anbang Wie aus dem Text und weiteren Tabellen hervorgeht, wendeten wir im Hypothesen­ test vorwiegend die Korrelationsanalyse an . Basis dieser Analysen war eine räumlich bis auf die Ebene von Regierungsbezirken, bzw . ihnen gleichgestellten Landdrosteie n etc. in einigen Staaten, aufgegliederte Verteilung der Proteste. Die Regierungsbezirke mußten dabei nich t nu r als Merkmalsträger hinsichtlic h de r Protesthäufigkeit , son dern ebenfalls bezüglich der Variablen aufgefaßt werden , deren Beziehung zu Protest geprüft werden sollte. „Echte" Querschnittsanalysen im Sinne von Jahresquerschnitten konnten der zu geringen Datendichte wegen nicht in Betracht kommen. So mußten wir uns auch aus diesem Grunde zu einer Periodisierung entschließen , di e in die Querschnitte, di e nun au f die Perioden bezoge n waren , ein e gewisse zeitlich e Ent wicklung mit einschloß. Einige Aspekte der Zeitreihenanalyse sind auf diese Weise in regional differenzierte r For m implizi t mitbehandel t worden , obwoh l sic h vielleich t noch einige wichtige Gesichtspunkte aus einer reinen Zeitreihenanalyse der aggregierten Protesthäufigkeit erarbeite n ließen. Unser eigentliches Argument, auf die Zeitreihenanalyse z u verzichten, erga b sich freilich au s den Überlegungen, di e auf der bekannten Tatsache räumlich sehr unterschiedlicher Entwicklungsgrad e un d Entwick lungsprozesse21 gerade in bezug auf Industrialisierun g un d Urbanisierung basieren . In den Querschnitten selbs t finden wi r unte r dieser Voraussetzung ein e Projektio n der zeitlichen Entwicklung auf die Gesamtheit der regionalen Merkmalsträger, die es in sicherlich beschränktem Maße erlaubt, die regionalen Differenzen als zugleich zeitliche Unterschiede i m Hinblic k au f di e analysierten Prozess e aufzufassen . Au f de r 193

13 Tilly , Kapital

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Habenseite schlug ebenfalls die methodisch relativ unproblematische Anwendung der Korrelationsanalyse au f Querschnitt e z u Buch . Die diesem Ansatz entsprechend e Periodisierun g wurd e den n auc h überwiegen d vom Prinzi p de r hinreichende n Datendicht e bestimmt ; da s konnt e ums o uneinge schränkter geschehen, als epochale Ereignisse oder Trendumbrüche der gesellschaftlichen Entwicklung lediglic h vor der bzw. u m die Jahrhundertmitte vermutet werde n konnten. Diese r Einschnitt wurde freilich berücksichtigt : da s Revolutionsjahr 1848 erfuhr insofern eine Sonderbehandlung, al s es mit der ersten zu einer zweiten Periode zusammengefaßt wurde ; 1849 konnte durchweg i n der Analys e nich t mitbearbeite t werden, weil die Erhebung erst nach Beginn der Analyse abgeschlossen wurde. Wenn nichts andere s gesag t wird , la g de r Analyse di e folgende Periodisierun g zugrunde : 1. Periode: 1816-1847: 3 2 Jahre; 2. Periode: 1816-1848: 3 3 Jahre; 3. Periode: 1850-1913: 6 4 Jahre; 4. Periode: 1850-1881: 3 2 Jahre; 5. Periode: 1882-1913: 3 2 Jahre. Die Zahl der Beteiligten, die Protestdauer und die Beteiligung (Manntage) sind geschätzte Werte, da nur für einen Bruchteil der Fälle die entsprechenden Daten erhoben werden konnten. Wir rechneten mit den arithmetischen Mittel n von Beteiligten pro Fall bzw. Dauer des Protests hoch auf die Gesamtzahl der Protestfälle; als Manntage bezeichnen wir das Produkt aus Beteiligten und Protestdauer. Da offensichtlic h die Fälle i n den verschiedenen Periode n i m Durchschnitt unterschiedlich e Beteilig tenzahlen aufwiesen, ginge n wir von verschiedenen arithmetischen Mitteln für die Perioden aus . Da das arithmetische Mitte l de r Beteiligten besonder s i n der ersten Jahrhundert hälfte auf im Verhältnis zur Gesamtzahl relativ wenigen Fällen basiert, mögen Beteiligte und Manntage vor 1850 beträchtlich überschätzt sein ; nach Fällen und Protestdauer stützt das Ergebnis mit 55 % bzw. 59 % in den 34 Jahren bi s 1849 gegenüber 45 % bzw. 41 % in den 64 Jahren ab 1850 durchaus unsere Behauptung, daß die Protestaktivität in der ersten Jahrhunderthälfte ein e vergleichsweise starke Massenbeteiligung aufwie s (e s wurden ja nur Fälle mit mindestens 20 Beteiligten erfaßt) . Da außerdem die Standardabweichungen de r Beteiligten hohe und, auf die Perioden bezogen, star k differierend e Wert e aufwiesen , wurd e ein e vergleichende Hochrechnun g mit de m Zentralwer t (Median ) anstell e de s arithmetische n Mittel s durchgeführt : Absolute Zahle n und Prozentverteilungen zeige n danac h ei n etwa s andere s Bild . Angemerkt sei an dieser Stelle, daß auch die gesamte Kriminalität (alle wegen eines Delikts Verurteilten ) mi t Ur b I korreliert: Ur b I 1880 : r = 0,56 , Ν = 33 ; Urb I 1910: r = 0,58 , Ν = 33. Anfangs- und Endpunkt der Periode waren nicht immer und/oder für alle Regionen mit den Zeitpunkten identisch, für die Urbanisierungsdaten existieren; die Urbanisierungswerte wurde n dahe r pro Jahr der Periode berechnet, be i den Urbanitätsdate n nahmen wi r Zeitdifferenze n bi s zu 3 Jahren i n Kauf. Urb I = Urbanität I, d. h . der Prozentsatz der Bevölkerung eine r Region, de r in Städten mit mehr als 5 000 Einwohnern lebte ; der Terminus wird synony m mit Urbanisierungsgrad gebraucht . Ur b II = Urbanität II, d. h . de r Prozentsat z de r Be 194 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Tabelle Λ-1: Beteiligung a n Protesten un d Protestdauer

Periode

Länge Anzahl in der Jah- Beteiliren ligten

%

Dauer in Tagen

%

Anzahl der Protestfälle

Beteili­ gung in Manntagen % Tausend %

1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913 1816-1849 1850-1913

32 1 1 32 32 34 64

404250 681 426 216399 278160 153262 1 302 075 431422

23 39 12 16 9 75 25

453 229 71 276 261 753 537

35 18 6 21 20 59 41

330 148 47 244 204 525 448

34 15 6 25 20 55 45

555,6 1054,2 327,0 314,2 125,9 1 936,8 510,1

Gesamt

98

1733497

100

1 290

100

973

100

2246,9

% Pro Jahr

0,7 23 43 43,0 13 13,0 13 0,4 8 0,3 79 2,3 21 0,3 100

1,0

Tabelle A-2: Kennzahle n z u Tabell e A-1 Periode 1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913 1816-1849 1850-1913

Beteiligte pro Fal l

Dauer pro Fall

Manntage pro Fall

1225

1,374 1,545 1,511 1,130 1,278 1,436 1,199

1683

17

7083 1288 960 4693 1 087

26 26 39 43 65

4604 1 140 751 3268 907

Fälle mit Angaben Beteiligte Dauer 310 145 47 239 204 502 443

Tabelle A-3: Kennzahle n zu r Protestbeteiligung un d -daue r Periode 1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913 1816-1847 1850-1913

Median

Beteiligte

%

Manntage

%

% p.a .

600

198000 133200 42.300 122000 81 600 373 500 203600

34 23 7 21 14 65 35

272052 205794 63915 137860 104285 541761 242145

35 26 8 18 13 69 31

1,1 26,0 8,0 0,6 0,4 2,0 0,5

577 100

100

783906

100

0,5

900 500 400 nur aufsummiert

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und wen n de r Media n fü r di e Perioden vo r und nac h 1850 errechnet wird : 1816-1849 1850-1913

800 500

420000 224000

65 35

603 120 286272

68 32

2,0 0,5

644000

100

889392

100

1,0

völkerung, de r in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern lebte. Urbg (I u. II) ist die Differenz de r jeweiligen Urb . a m End e und z u Begin n de r Periode. Kleinurb. = Kleinstadturbanistät = Prozentsatz der Bevölkerung der Region, siehe Urb I, der in Städten mit zwischen 5 000 und 20000 Einwohnern lebte. (Kleinurb. = Urb I - Urb II). r gibt die Produkt-Moment-Korrelation mi t dem Protestindikator, Ν die Samplegröße an . Die Ergebnisse der Korrelationsanalyse Industrialisierun g - Protest finden sic h in Tabelle 4 im Text .

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11. Los von England: Probleme des Nationalismus in der deutschen Wirtschaftsgeschichte Im Jahre 1939 erschien ei n Buch, da s die Diskussion eine r alte n wirtschaftshistori schen These wieder aufgriff: das Buch Wilhelm Ihdes, Los von England.1 Seine These lautete: Die Industrialisierung Deutschland s ist als Problem der Machtpolitik zu verstehen. Interpretiert ma n wirtschaftliche Interesse n im politischen Sinne, so müssen die wirtschaftlichen Interesse n England s un d Deutschlands al s entgegengesetzt un d auch der industrielle Erfolg Deutschlands als eine notwendige Funktion seiner Unabhängigkeit vo n England angesehen werden. Einschränken d mu ß gesagt werden, da ß dieses Buch hier nicht als typisches Beispiel der deutschen Wirtschaftsgeschichte zi tiert werden soll; jedoch bringt es, wenn auch in überspitzter und angreifbarer Form, Gedanken zum Ausdruck, die ohne Zweifel im Mittelpunkt einer alten deutschen geistigen Tradition liegen. Das erste Erscheinen und die Ausbreitung der ,Los von Eng land'-Idee fiel ungefähr mit der Erkenntnis der deutschen wirtschaftlichen Rückstän digkeit u m 1780 zusammen. Di e Herausforderun g durc h di e britisch e industriell e Überlegenheit, trie b zur Nachahmung. Wei l abe r die wirtschaftlichen un d soziale n Probleme und Vorausetzungen anders als in England lagen, wurde in Deutschland die klassische theoretisch e Analys e de s Entwicklungsproblem s zu m große n Tei l abge lehnt und ein eigener analytischer Apparat gesucht. Diese Entwicklung war verständlich, hatte aber zwei negative Folgewirkungen: 1. Die Betonung der Nation und der Machtfrage führt e z u eine r Überschätzun g de r Bedeutun g de s Staates für de n Ent wicklungsprozeß, de r auc h i n Deutschland weitgehen d durc h dezentralisierte , pri vatwirtschaftliche Entscheidunge n bestimm t wurde . 2. Als Folg e diese r Betonun g wurden die negativen Aspekte der britisch-deutschen Außenhandelsbeziehunge n be i weitem überschätzt . Im Folgenden solle n die Ursprünge der „Lo s von England"-Idee un d einige Diskrepanzen zwische n der These und der historischen Wirklichkei t dargeleg t werden . Eine Behandlung dieses Problems ist nicht zuletzt deshalb wichtig, wei l dabei auf einige wesentlich e Lücke n unsere r wirtschaftshistorische n Kenntniss e übe r da s 19. Jahrhundert seh r deutlich hingewiese n werde n kann . I. In Ihdes „Los von England" nehmen die Arbeiten Friedrich Lists eine zentrale Stelle ein, und List ist ohne Zweifel der wahre Prophet des „Los von England"-Gedankens. Bezeichnenderweise ha t auch Gerschenkron in seiner big-push-Analyse des europä197 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ischen wirtschaftlichen Wachstum s List als den Ideologen der deutschen Industriali sierung bezeichnet . Di e Reihe derjenigen Arbeiten , di e einen logischen Zusammen hang zwischen Deutschlands Entwicklungsproblem i m 19. Jahrhundert und Lists literarischen Bemühunge n erkann t haben , könnt e fast beliebi g verlänger t werden. 2 Das Hauptargument Lists war, daß die englischen Klassike r die wichtigste politi sche Einheit, die Nation, außer acht gelassen hatten. Er selbst hingegen legte besonderen Wert auf die Bedeutung der Nation als Mittler zwischen „Individualismus " un d „Kosmopolitismus".3 Nationen konkurrierten sowohl auf wirtschaftlichem al s auch auf politischem Gebiet miteinander, und eine der wichtigsten Waffen in diesem Wettstreit seie n di e Zolltarife . Hierübe r entwickelt e Lis t sein e inzwische n berühm t ge wordenen Argumente über die Erziehungszölle, di e mit seinem Begriff de r Produktivkräfte gekoppelt waren. Diese Argumente wurden später als Frühanalyse der Rolle der „dynamic external economies" in der wirtschaftlichen Entwicklun g interpretiert , „economies", welche di e staatliche n Interventione n i n de r Wirtschaft , etw a durc h Schutzzölle, theoretisc h rechtfertigen. 4 List argumentiert e wirtschaftshistorisc h folgendermaßen : Englands industrielle r Vorsprun g gegenübe r de m Kontinen t se i i n hohem Maß e seiner Zollpolitik zuzuschreiben. Das schutzzöllnerische System des Merkantilismus habe Großbritanniens inländisch e Industrie gefördert un d man könne es nun, d a es zur weitere n Entwicklun g nich t länge r vo n Nutze n sei , ohn e weitere s abschaffen . Andere Nationen sollten jedoch Englands liberalem Vorbild nicht folgen, noch sollten sie den „laissez faire"-Argumenten Ada m Smiths und seiner Anhänger Beachtung schenken, den n dies e seien - so List - der bloß e Reflex de r veränderte n englische n wirtschaftlichen Bedürfnisse . Inde m Lis t di e Entwicklun g de r kontinentale n Indu strie währen d de r Kontinentalsperr e un d ihre n unmittelba r folgende n Zusammen bruch i m Jahr e 1815 anführte, ho b e r di e Widersprüch e zwische n England s un d Deutschlands Interesse n un d di e Schwäche des freien Handel s für di e Entwicklun g Deutschlands deutlic h hervor . E r argumentierte i m Jahre 1841, daß Frankreich , i n scharfem Gegensat z z u Deutschland , sic h nac h 1815 dank seine r politischen Stärk e und Einheit und deren besonderer Begleiterscheinung, de r protektionistischen Han deslpolitik, eine s beträchtliche n industrielle n Erfolge s erfreu t habe. 4a Zwar war in Lists Gedanken der Angriff au f den Individualismus und die Freihandelslehre teilweise eingeschränkt, aber es bleibt die Tatsache bestehen, daß sein Ruf als Ökonom au f de r intellektuellen Rechtfertigun g eine r nationalistische n Wirtschafts politik un d de r Dramatisierun g de s anglo-deutsche n Interessenkonflikte s beruht . List erschein t als o al s eine Schlüsselfigu r i n de r Entwicklun g de r „Lo s von Eng land"-These. Sein e Bedeutung diesbezüglic h mu ß abe r in zweierle i Hinsich t einge schränkt werden: 1. Er baut sein System auf eine geistige Tradition auf, di e von vorn herein schon ein starkes Mißtrauen gegenübe r den englischen Leistungen hegte, und 2. erlangte sein Werk erst in den 70er Jahren nach der Reichsgründung nationale Geltung. Dies e beide n Einschränkunge n verdiene n ein e kurz e Erörterung . Es ist allgemein bekannt, da ß die klassische politische Ökonomie fast unmittelba r nach ihrer Entstehung i n England, auc h in Deutschland verbreitet wurde. S o wurde z. B. mit der deutschen Übersetzung von Adam Smiths Wealth of Nations fast unmit198 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

telbar nach dessen Erscheinen im Jahre 1776 begonnen. Von Anfang an jedoch begegnete man hier den neuen Ideen mit einer gewissen Skepsis. In Garves früher Überset zung zeigten sic h deutliche Vorbehalte gegenüber den liberalen Thesen; daher kommentierte e r si e negativ. I n der ersten deutsche n Besprechun g vo n A. Smith s Buc h kritisierte man die „invisible hand" -These und stellte seine Argumente über den freien Handel, in Vorahnung auf List, als „Produkte einer bestimmten Entwicklungsstufe " dar.5 Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" hatten schon im Jahre 1809 viele von Lists historischen Argumenten , einschließlic h seiner schutzzöllnerischen Gedanke n vorweggenommen.6 Müller s konservatives Denken, in der Hauptsache als eine Antwort auf den Liberalismus zu interpretieren, stellt e überhaupt ein wichtiges Element der ökonomischen Gedanken im vormärzlichen Deutschland dar. 7 Daß Müllers Gedanken s o einflußreich werde n konnten , is t meines Erachtens drei miteinander ver bundenen Entwicklunge n zuzuschreiben : 1. der wachsenden Erkenntnis der sozialen Mißstände in England, die als notwendige Folge der „laisse z faire"-Industrialisierung interpretier t wurden . Ma n kann an dieser Stelle die erregte Diskussion zitieren , die in Deutschland im Jahre 1845 anläßlich des Erscheinens von Friedrich Engel s „Die Lage der arbeitenden Klasse in England" entstand. 8 2. den Problemen der Interpretation der klassischen politischen Ökonomie selbst. Abschreckend wa r vor allem die Erkenntnis, da ß die klassische Analyse, besonder s die Arbeitswertlehre (Labor Theory o f Value), leicht zu sozialistischen Schlußfolge rungen geführt werde n konnten . Erwähn t seien in diesem Zusammenhang di e Kontakte Bruno Hildebrands mit radikalen Elementen der englischen Arbeiterbewegung : Diese Kontakt e haben sein e wissenschaftliche Arbei t i n antitheoretische r Richtun g stark beeinflußt. 9 3. der Erkenntni s de r wachsende n soziale n Desintegratio n i n Deutschland ; ma n denke hier an die Veröffentlichungen un d Diskussion übe r das Problem des Pauperismus und den drohenden Verfall des Handwerkerstandes und des Bauerntums. Diese Entwicklung wurd e mi t de n liberale n wirtschaftspolitische n Maßnahme n de s vor märzlichen Deutschland identifiziert un d erinnerte mit Beunruhigung an die Verhältnisse in England. 10 Aus diesen drei Entwicklungen wurde die Notwendigkeit staatlicher Investition im Wirtschaftsprozeß abgeleitet . Di e Überzeugung , de r Mark t könn e i n innenwirt schaftlichen Verhältniss e nich t hinreichen d regulieren , lie ß sic h leich t auc h au f außenwirtschaftliche Beziehunge n ausdehnen . Wi e ärmer e Bevölkerungsschichte n durch wohlhabendere innerhalb eines Landes ausgebeutet werden könnten, so könnten auch reiche Länder ärmere ausbeuten. Folglich konnte n die wirtschaftlichen In teressen England s un d Deutschland s al s entgegengesetzt angesehe n werden . Obwohl sic h Lists Gedanken leich t i n die deutsch e geistig e Traditio n einfügten , blieben sie jahrelang ohn e praktische Wirkung au f die Politik, di e trotz allem relativ liberal blieb . Tatsächlich fan d die protektionistisch-nationalistische Lehr e Lists erst nach 1870 nationale Anerkenung. 11 Die militärischen und politischen Erfolge der Jahre 1866 und 1870-71, die Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstum s nach 1873 und schließlich die Verschärfun g 199 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

der sozialen Konflikte in Deutschland vergrößerten da s Ansehen des Hohenzollern Staates. Der Liberalismus, auch in seiner gemäßigten deutschen Form, wurde diskreditiert. E s war sicher kein Zufall, da ß sich gerade zu diesem Zeitpunkt di e deutsche Nationalökonomie völlig „lo s von England " machte . Gustav Schmoller beschäftigt e sich mit der „Sozialen Frage" und führte dabei wissenschaftliche Kräft e noch weiter an historische Probleme heran und noch weiter von der „abstrahierenden" Method e weg, als es die ältere historische Schule von Roscher, Hildebrand und Knies getan hatte. Zu m Teil is t e s Schmoller un d seinen Anhängern i m Verein für Socialpoliti k z u verdanken, da ß sic h di e Wiedereinführun g de r Eisen - un d Getreidezöll e i m Jahr e 1879 von der Reichsregierung aufgrun d de r sogenannten Überschwemmungsgefah r leicht durchsetzen ließ. 12 Die Periode von 1879 bis 1914 wurde durch die endgültige Ablehnung der englischen wissenschaftlichen Method e und auch durch die Entwicklung eine r allgemeinen anti-englische n Stimmun g gekennzeichnet . Ma n könnt e hier unter anderem Schmollers Berliner Rektoratsrede aus den Jahren 1897 und 1898 oder auch das Werk von Heinrich von Treitschke zitieren. 13 I n einem Milieu, i n dem die Bedeutung des Staates so betont wurde, gedeihen leicht merkantilistische Ansichten , vor allem die These, Deutschlands wirtschaftlicher Fortschritt hinge von wirtschaftspolitischen Maßnahme n ab , di e andere n Natione n schade n müßten . II. In de r Schmoller-Schul e wurde n di e Grundlage n de r moderne n deutsche n Wirt schaftsgeschichte gelegt . Dahe r is t e s nicht gan z überraschend, da ß auc h späte r di e merkantilistische „Lo s von England"-Ide e weiterlebte . Ihr e Betonung lieg t au f de r Handelspolitik, un d diese Konzeption geh t auf List zurück. Da s Ende des Napoleonischen Krieges habe den Schutz gegen den britischen Import beseitigt. Britische Waren - in der Literatur wird bezeichnenderweise vo n einer „Warenflut " gesproche n seien i n Deutschland z u „dumping"-Preisen verkauf t worden . Deutsch e Unterneh mer hätten Verluste hinnehmen müsse n un d seien dadurc h gezwunge n worden , ih r Produktion aufzugeben. Großbritannie n überhaupt habe ein armes und zersplittertes Deutschland ausgebeute t un d e s soga r durchsetze n können , da ß Deutschlan d di e Primärprodukte für die britische Industriewirtschaft selbs t herstellte. Dann sei durch die Gründung de s Zollvereins die ökonomische Zersplitterung Deutschland s besei tigt, ein einheitlicher deutscher Markt geschaffen un d auch Schutz vor der englischen Konkurrenz gewährt worden. Unter westdeutschen Historikern haben Lütge, Treue, Haussherr un d Bechtel in diese m Sinne die Bedeutung de s Zollvereins hervorgeho ben. In Mitteldeutschland sin d wohl Mottek un d Bondi - sie stützen sic h au f Mar x und Engel s - Hauptvertreter diese s Arguments. 14 Englisches „dumping" wird abe r weder definier t noc h bewiesen . De r wirtschaftlichen Seit e de r Handelspolitik wir d überhaupt weni g Aufmerksamkei t geschenkt . Sowoh l i n Ost - wi e i n Westdeutsch land wird die politische Bedeutung der Zollvereinsgründung als Schritt zur nationalen Einheit und al s Beweis der positiven historische n Roll e des preußischen Staate s betont.15 200 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Wie läß t sich dieses überlieferte Bild berichtige n bzw . ergänzen ? Zunächst ist die Analyse der nationalen wirtschaftspolitischen Absichte n Großbritanniens in Frage zu stellen. List und viele andere haben argumentiert, als ob Großbritanniens Handelsbeziehungen mit Deutschland durch ein nationales Monopol abgewickel t würden , das die vielen kleinen zersplitterten deutschen Staaten ausbeutete. 16 Einige Maßnahme n der britischen Handelspolitik habe n zweifellos deutsch e Produzenten benachteiligt , wie etw a di e Subventionierun g bestimmte r britische r Exportgüte r ode r das Verbot der Ausfuhr neue r Industriemaschinen un d der Auswanderung gelernte r Facharbei ter. Di e britisch e Regierung bekämpft e un d erschwert e i n gewissem Gra d auch di e Gründung de s Zollvereins. Die Opposition resultiert e zu m Teil aus kommerzielle n Erwägungen.17 Abe r di e negative n Wirkunge n eine r solche n Politi k sollte n nich t überbewertet werden. Es wurden z. Β . nicht nur die Exportsubventionen vom briti­ schen Steuerzahler getragen, sondern sie erlangten nur für Leinenwaren und Rohzukker - letzteres ei n Produkt , da s i n Deutschlan d selbs t nich t herauszustelle n wa r quantitative Bedeutung. Auch wurde der Zollverein von mehreren englischen Politikern und Kaufleuten al s ein markterweiternder Faktor begrüßt. 18 Noch wichtiger ist in diesem Zusammenhang jedoch die Feststellung, daß zentral gesteuerte Maßnahmen den Verlauf des britischen Handels wenig beeinflußt haben . Die fallenden Preise der in Deutschland nach 1815 abgesetzten britischen Waren deuten auf ein verhältnismäßig dezentralisierte s un d konkurrenzreiche s Marktsyste m hin. 19 Diese Schlußfolgerung wir d durch nähere Beobachtung der damaligen Handelsor ganisatoren Großbritanniens bestätigt. Die vielen englischen Handelshäuser - e s waren mehrere hundert - , die auf Auslandsmärkten miteinander konkurrierten, schadeten sic h selbs t durc h ihre n Wettbewer b meh r al s ihren Kunden . Mehrer e britisch e Großkaufleute empfande n dies e Konkurrenz in der Tat als eine große Schwäche des britischen Systems. Aber es wurde unvorstellbar, wie der englische Historiker Clap ham richtig feststellte , da ß in der unorganisierten, regionalen , provinziel l orientier ten, sich im Fluß befindenden englische n Industrie Preis- und Absatzvereinbarungen zwischen de n Handelshäuser n hätte n erreich t werde n können. 20 Diese s Argumen t gilt auch für die mehrfach wiederholte Behauptung, britisch e Waren, vor allem Textilien seien nach 1815 zu „dumping"-Preisen i n Deutschland verkauft worden , um die deutsche Konkurrenz auszuschalten. Dies e Behauptung ist schwer zu beweisen und wahrscheinlich deswegen nie sorgfältig überprüft worden. Es trifft sicher zu, daß britische Waren teilweise in Deutschland billiger (nach dem damaligen Wechselkurs gemessen) verkauft wurden als in Großbritannien.21 Britische Waren sind auch zu Preisen verkauft worden, die die sechs bis zwölf Monate früher entstandenen Selbstkosten nicht deckten . Deutsch e Unternehme r habe n nachweislic h mi t diese n Fälle n z u kämpfen gehab t un d darunte r gelitten. 22 E s ist jedoch unmöglic h - zumindest mit dem bisher erreichten Forschungsstand - , bei solchen Fällen zwischen absatzpoliti schen Motiven seitens der Engländer und den für sie unglücklichen Marktbewegun gen zu unterscheiden. Solang e die notwendigen Date n nicht mobilisiert sind, ist die „dumping"-Hypothese äußers t fraglich . Kann man aber sagen - abgesehen von den britischen Motiven - daß der Import britischer Waren die deutsche Entwicklung behindert hat? Selbst wenn wir uns dem List201 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

schen Argumen t anschließen , staatlich e Interventione n zugunste n de s Manufaktur sektors seien wünschenswert gewesen, ist es nicht klar, ob diese Art der Intervention gegen britische Exporte eine geeignete Form der Unterstützung der eigenen Industrie dargestellt hätte. Es wird übersehen, daß von 1815-1845 dreißig bis fünfzig Prozen t der britischen Exporte nach Deutschland eigentlich industrielle Inputs waren; es handelte sich hauptsächlich um Baumwolle und wollene Garne. Diese „Warenflut" scha dete den Interessen derjenigen Unternehmer, di e unbedingt in der Spinnereibranche produzieren wollten, bote n aber den Unternehmern, die Garne weiterverarbeiteten , wegen der hohen Qualität und der niedrigen Preise solcher Importe große Aufstiegsmöglichkeiten. In der Tat haben nach 1815 Unternehmer diese Chance in der Weberei und de n weiterverarbeitende n Zweige n i n eine m hohe n Maß e genutzt . Dies e Ent wicklung is t bisher von Historikern nich t genügend betont worden, da sie den technischen Fortschritt allzusehr mit der Spinnereibranche verbunden haben.23 Doch waren im Jahre 1846 mehr als 75 % des geschätzten Gesamtkapitals der deutschen Textilindustrie in der Weberei- und weiterverarbeitenden Branch e angelegt. 24 I n Preußen hat der Staat diese Entwicklung gefördert, indem er zeitweise solche „Inputs" subventionierte.25 Es ist nicht wahrscheinlich, daß nach 1815 eine intensivere Konzentration in der Spinnereibranche, wie sie implizit von Historikern empfohlen wurde, ein stärkeres Wachstum mit sich gebracht hätte.26 Diese Frage bedarf aber auf jeden Fall einer näheren Untersuchung, etw a im Sinne Hirschmans „Backward" an d „Forward Lin kages" oder de s Rostowschen Begriff s vo m „Führungssektor" . Eine weitere relevante und noch nicht erforschte Frage betrifft di e Rolle der britischen Exporte als Kommunikationsmittel. Warenimport e aus Großbritannien habe n in Deutschlan d nich t nu r ein e vorhandene Nachfrag e befriedigt , sonder n auc h den Wunsch nach mehr und besseren Gütern angeregt und dabei Informationen über Produkte, Produktionsmethode n un d Konsumentenverhalte n vermittelt . I n gewisse m Umfang haben englische Verkäufer nach 1815 Märkte geschaffen. „Ers t in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen Artikel wie Kaffee, Tee und Zucker in den Volkskonsum über. Ers t jetzt konnten die in Fabriken hergestellte n Textilwaren de n Weg zum Arbeiter und Bauern finden." Di e Qualität und die Preise der britischen Ware n erklären zum Teil diese Entwicklung, abe r auch die Energie und das Geschick der britischen Kaufleute in der Einführung neuer Absatzmethoden spielten eine große Rolle. Britische Kaufleut e zeigte n de n deutsche n Unternehmern , da ß ei n einheimische r Markt vorhanden war und wie er erschlossen werden konnte: z. Β . „wurde der Mißerfolg de r Leipzige r Mess e vo n 1821 von interessierte n Kaufmannskreise n erklär t durch die von den Engländern aus Not eingeführte und sodann von deutschen Fabrikanten und Zwischenhändlern nachgeahmt e Gewohnheit, ihr e Waren überall in den Kleinstädten, Provinzstädten und selbst bei Dorfkrämern durc h ausgesandte zahlreiche Reisediener oder sogenannte Musterdiener direkt ins Haus zu schicken, wodurch die Einkäufer je länger, je mehr von den Besuchen der Messen und Märkte zurückgehalten" wurden. Hiermit wurde die veränderte Rolle der Messe angedeutet: Sie wurde immer meh r zur Mustermesse. 27 Vo n ähnliche n Neuerunge n au f andere n Gebiete n wurde zu dieser Zeit berichtet. Im Jahre 1820 beklagten sich Danziger Kaufleute, da ß britische Handelshäuser ihr e Waren direkt i m Danziger Hinterlan d absetzten , stat t 202 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

wie früher dies e über Danziger Häuse r weiterzuverkaufen . Wi e später in Hamburg brachten di e Danziger Kaufleut e z u dieser Zeit vor, si e seien nur noch „Spediteure " englischer Ware. 28 Di e Ursache dieser Entwicklun g schein t die vergrößerte Waren menge gewesen zu sein, die nach 1815 nicht mehr auf traditionellem Weg e abgesetzt werden konnte, sondern nach neuen Kanälen suchte. Wenn Historiker bisher diesen Aspekt der deutschen Wirtschaftsgeschichte vernachlässigt haben, ist dies auf das traditionelle Dogm a zurückzuführen , di e Produktio n allei n se i entscheiden d fü r de n Wirtschaftsprozeß un d Handel und Konsumption seien relativ passive Elemente. Es gibt abe r Hinweis e fü r di e These, da ß de r kaufmännische n Rolle , un d dami t de m Kaufmann, zentral e Bedeutun g fü r di e Frühindustrialisierun g Deutschland s zu kam. 29 Eine nähere Untersuchung diese s Phänomens ist meines Erachtens dringen d nötig. Aber selbs t wen n ma n glaubt, allei n di e Produktio n se i wichtig , könnt e man di e Einfuhr britischer Waren positiv bewerten. Der Markterfolg englische r Waren zeigte dem deutschen Unternehmer, welch e Produktionsqualitäten welche n Marktverhält nissen entsprachen. Diese Waren trugen sozusagen einen Teil der Marktforschungs kosten. I m Jahre 1829 hat der preußische Staa t diese Funktion soga r explizi t aner kannt, indem er auf eigene Kosten britische Leinenwaren importierte und sie an schlesische Unternehmer al s Musterprodukte verteilte. 30 Auf de r anderen Seit e trieb di e britische Konkurrenz zu Produktionsinnovationen. I n der deutschen Textilindustri e wurden nac h neuere n Forschungsergebnisse n di e Zahl und der Umfang de r techni schen Innovationen, die meistens aus England und Frankreich kamen, nach 1814 viel größer als vorher.31 Der ständige Kontakt mit britischen Waren hielt den deutschen Unternehmer nicht nur im technischen Sinne „up-to-date", sondern ermöglichte auch eine branchenmäßige Spezialisierun g nac h de m Prinzip de s komparativen Vorteils . Nach 1814 stellten sich rheinische Unternehmer - zu m Beispiel in Wuppertal, Glad bach un d Rheyd t - erfolgreich vo n de r Leinenproduktio n au f di e Produktio n vo n halbwollenen un d baumwollene n Tücher n um . Sächsisch e un d Augsburge r Unter nehmer der Baumwollspinnereibranche erkannte n die Schwierigkeiten eine r direkten Konkurrenz mi t Großbritannien un d gingen , ebenfall s mi t Erfolg , zu r Produktio n von Streichgarnen über. Die Entwicklung der Kammgarnproduktion zu dieser Zeit in Sachsen is t auc h au f ein e solch e Umstellun g zurückzuführen. 32 Die Beschäftigun g vieler Historiker mit der Not der Handspinner in Westfalen ode r der Weber in Schlesien, obwohl verständlich und berechtigt, hatte leider eine erhebliche Unterschätzung der in der deutschen Textilindustrie nach 1814 tatsächlich erreichten Fortschritte zur Folge. Die rheinische Eisenindustrie konnte eine ähnliche Entwicklung vorweisen . Nac h 1815 war hie r i m Vergleich z u frühe r ei n beschleunigter technische r Fortschrit t z u verzeichnen. Auch hier regte die englische Konkurrenz die rheinischen Unternehmer zur Modernisierung an . So stark fühlten sic h diese Unternehmer, da ß sie sich schon im Jahre 1835 für den Freihandel aussprachen. 33 In mehreren Industrie n waren als o beachtliche Demonstrationseffekt e z u verzeichnen . Freilic h setz t ei n klare s Urtei l über die Wirkung der englischen Industriekonkurrenz eine Kenntnis der Marktanteile und Produktionskoste n voraus , di e ers t durc h weiter e Forschun g geliefer t werde n 203 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

können. Die vorhandenen Daten scheinen abe r auf keinen Fall eine negative Bewertung diese r Konkurren z nah e z u legen . Friedrich Lis t hat behauptet , Schutzzöll e gege n britisch e Import e würde n eine n Zufluß britische n Kapital s und britische r Techni k induziere n können. 34 I n der Tat kamen Kapita l un d technisch e Hilf e vo n Großbritannie n nac h Deutschland . Wi e W. O . Henderson gezeigt hat, habe n sich englische Unternehmer und Facharbeite r maßgeblich a n de r Einführun g un d Verbreitun g neue r Produktionsmethode n i n Deutschland beteiligt . Ih r Beitrag mu ß relativ gro ß gewesen sein, sonst könnte man die angeblich hohen Kosten , die deutschen Unternehmer n fü r solche Hilfe entstan den, nicht erklären. 35 Sogar die ersten Eisenbahngesellschaften Deutschland s holten sich aus England technische und organisatorische Hilfe. Britisches Kapital gelangte in viele Industriezweige Deutschlands, vor allem nach 1840 in die junge rheinisch-westfälische Industrie . Die Bereitschaft englische r Kapitalisten , eine n Teil ihres Vermögens in deutschen Unternehmungen anzulegen , wa r sicher eine große Hilfe. Jedoc h war die Gesamtsumme nicht sehr hoch. Ein Anteil von 5 % am Gründungskapital solcher Unternehmen würde für die 50er Jahre eher zu hoch als zu niedrig geschätzt sein. Der englische Kapitalmarkt hat wenig Aufnahmebereitschaft fü r deutsche Industrieaktien oder -Obligationen gezeigt; englische s Kapita l kam hauptsächlich i n Form direkter Beteiligung nach Deutschland, häufig in Begleitung der Unternehmer selbst. 36 Der britische Hande l führt e Deutschlan d dennoc h ein e andere Form von Kapita l zu. Ein e Beschränkun g diese s Handel s durc h Schutzzöll e i m Sinn e Friedric h Lists hätte vielleicht den Zustrom langfristigen Kapital s nach Deutschland verstärkt, hätt e aber gleichzeitig eine Minderung des Angebots in anderen Teilen des Kapitalmarktes zur Folge gehabt. Wi r meinen hier die Handelskredite, di e britische Handelshäuse r und Bankiers deutsche n Importeure n un d Exporteure n gewährten . Handelskredit e waren überhaup t vie l bedeutende r fü r di e Frühindustrialisierun g Deutschland s al s Historiker, geblendet von der späteren Bedeutung des Fixkapitals, bisher erkannt haben,37 Nac h Borchardt s Berechnunge n fü r Deutschlan d betru g de r Anteil de s Um laufkapitals am Gesamtkapital ca. 1850 für eine stark mechanisierte Branche der Textilindustrie 33 %, nach Blumberg jedoch für die Geamttextilindustrie mehr als 75 %. 38 Diese geschätzten Prozentansätze bilde n sicher die obere und untere Grenze. Ei n Durchschnitt für di e Gesamtindustrie kann nach vorhandenen Informatione n kau m ermittelt werden. Hoffmann schätzt für 1850 „Inventar und Vorräte" auf ca. 33% des Gesamtkapitalstocks Deutschlands . Diese Schätzung schließ t aber nichtindustrielle s Kapital ein. 39 Obwohl als o ein hoher Anteil de s Betriebskapitals a m Gesamtkapital ei n Zeichen für Rückständigkeit ist, die in Deutschland schließlich durch die Verbreitung der Eisenbahnen und neuen Maschinen beseitigt wurde, dar f seine Existenz al s Faktor fü r die wirtschaftliche Entwicklun g nich t vernachlässigt werden. Aus einer Vielzahl von Quellen wissen wir, daß zwischen 1815 und 1870 britische Waren nach Deutschland auf Kredit mit einer Frist von drei bis zwölf Monaten verkauft worde n sind. 40 Einer der beste n Kenne r des damaligen internationale n Handels , Gusta v vo n Gülich , er klärte di e deutsch e Fähigkeit , Handelsdefizit e i n de n 20e r un d 40e r Jahre n ohn e Edelmetallexport z u unterhalten, durc h die großzügige Kreditgewährun g Englands . 204 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Solche Kredite können zum Teil als ein Mittel zur Vergrößerung des Exportmarktes angesehen werden. Fritz Harkort meinte im Jahre 1845, der starke Aufschwung de s englischen Eisenexport s nach Deutschland sei eine Folge des billigen englischen Kredits gewesen . I m Jahre 1850 berichtete die Kölner Industrie- und Handelskammer , daß die Finanzierung de s Überseehandels rheinischer Großkaufleute nich t von lokalen Geldgebern, sonder n vom Ausland und besonders von England abhing . Ander e Gebiete Deutschlands, wie Schlesien oder Sachsen, deren Außenhandel zu m großen Teil über Hamburg lief, waren noch stärker von Großbritannien abhängig, entwede r als Direktschuldner oder als Schuldner von Hamburger Handelshäusern, die selbst in London Kredit in Anspruch nahmen. 41 Sogar ein bedeutender, wenn auch nicht genau feststellbarer Anteil des deutschen Exports nach Großbritannien ist in London finanziert worden, da auf wichtige deutsche Produkte, wie Wolle oder Getreide, Vorschüsse mi t Fristen von 6 Monaten un d meh r üblich waren. 42 Um di e Jahrhundertmitt e schein t ein e Veränderun g i m britische n Kapitalmark t eingetreten zu sein. Die Kapitalakkumulation in Großbritannien überstieg ständig die vorhandenen einheimische n Anlagemöglichkeite n un d sucht e neu e Anlageformen , die direkt nichts mit dem britischen Handel zu tun hatten. Ei n bedeutender Teil des neuen Geschäftes konzentriert e sich in Hamburg; Hamburger Kaufleut e un d „merchant bankers " finanzierten mi t de n sogenannte n offene n Kredite n de r Londone r „merchant bankers" nicht nur ihren direkten Handel mit England, sondern auch ihren Handel mi t Skandinavien, Ostseehäfen , mi t Süd-Amerik a un d andere n Weltteilen . Dieses System dehnte sich in den 50er Jahren gewaltig aus. Der beste Kenner der englischen Kapitalbewegung, de r Historiker Leland Jenks, meinte, solche Kredite seien, vergleichbar eine m Zufluß vo n Edelmetall, Ursach e einer Kreditexpansio n i n Hamburg und in anderen deutsche n Finanzzentren gewesen. 43 Ma g das auch etwa über trieben klingen, so war doch die finanzielle Abhängigkeit Hamburgs von London und vieler Gebiete Deutschlands von Hamburg relativ groß. Die Ereignisse in den Jahren 1856/57 machen dieses deutlich. Die Kredtitgewährung von Londoner Firmen an ausländische Firme n wurd e 1856 scharf gebremst . Damal s beklagte n sic h Hamburge r Handelshäuser übe r di e wachsend e Knapphei t de s englische n Kredits . De m folgt e schließlich 1857 der Zusammenbruch des Hamburger Geldmarktes, der zu finanziellen Schwierigkeite n i n andere n Teile n Deutschland s führte. 44 Nac h de r Kris e vo n 1857 wurde die Kreditverflechtung zwische n Hamburg und London loser; Hamburg blieb aber auch nach 1857 bis mindestens in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts von englischer Kreditgewährun g weitgehen d abhängig. 45 Es wäre nützlich , di e Größenordnunge n de r gewährte n Kredit e annähern d ab schätzen z u können. Nach den vorhandenen Daten scheint die Feststellung gerecht fertigt, daß der deutsche Außenhandel etwa zwischen 1830 und 1860 ungefähr halb so abhängig vo n britische r Finanzierun g war , wi e de r Außenhande l de r Vereinigte n Staaten. Demnach hat ceteris paribus die Summe der durchschnittlichen kurzfristige n britischen Forderungen an Deutschland in den 50er Jahren ungefähr 250 Mill . Mark betragen.46 Diese Summe entspricht ungefähr 35 % der geschätzten jährlichen Nettoinvestitionen der deutschen Wirtschaft zu dieser Zeit, ungefähr 50 % des Gesamtkapi205 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

tals und weit mehr als 60 % des Betriebskapitals der damaligen deutschen Textilindustrie.47 Strenggenommen kann die Bedeutung dieser Kredite nur ihm Rahmen spezifische r Hypothesen beurteil t werden . Ma n könnte z. B . die hypothetische Alternativ e aufstellen, Deutschland hätte seinen Außenhandel entweder auf dem deutschen oder anderen nicht-englische n Kapitalmärkten finanziere n müssen . D a Handelskredit e i m 19. Jahrhundert nirgend s s o billi g aufzunehme n ware n wi e i n England , hätt e di e obige Alternative eine Verteuerung de r Handelskredite und ceteris paribus eine Verlangsamung de r wirtschaftlichen Entwicklun g Deutschland s bedeutet. Obwoh l die ser Nachteil kaum quantifizierbar ist , läßt die Größenordnung der gewährten Kredite trotzdem erkennen , da ß de r englisch e Kapitalmark t i n eine m nich t unerhebliche n Umfang de n deutschen Kreditsuchenden offenstand. E s gab in England Befürworte r einer strafferen staatliche n Kontrolle des Kapitalmarktes und dieses Kapitalexportes, sie blieben aber in Wirklichkeit eine Minderheit ohne nennenswerten Einfluß. Gerade die Unfähigkeit des Staates, den Londoner Geldmarkt z. Β . durch die Bank von Eng­ land zu lenken oder, besse r gesagt, di e Fähigkeit der Privatinstitute, dies e Kontrolle zu umgehen, wurden von dem früheren Historiker dieses Marktes W. T . C . King, als ein wichtiger Grun d fü r desse n Aufstie g angegeben. 48 Zusammenfassend dar f man wohl behaupten, der englische Einfluß habe sich positiv auf die deutsche wirtschaftliche Entwicklun g ausgewirkt . Englisch e Fabrikanten, Kaufleute, Bankiers und Techniker haben in dieser entwicklungsfördernden Tätigkei t Vorteile gefunde n un d realisiert . Deutsch e Fabrikanten , Kaufleute , Bankier s un d nicht zuletzt Konsumente n haben diese Hilfe fü r vorteilhaft gehalte n un d sie unterstützt. Dahe r schein t e s mi r nich t seh r sinnvoll , di e wirtschaftlich e Entwicklun g Deutschlands als eine „Befreiung von ungesunden englischen Einflüssen" zu interpretieren; sie war ja zum Teil eine Folge solcher Einflüsse. Die Erkenntnis der positiven Bedeutung de s Auslandes für die deutsche Entwicklung is t notwendig, u m die wirt schaftliche Roll e des Staates, meistens überbetont und überschätzt, i n eine richtigere und angemessenere Perspektiv e z u stellen. Staa t war bei weite m nich t identisc h mi t Wirtschaft. Dies e Erkenntni s wiederu m is t notwendig , u m di e Forschun g au f di e wichtigeren un d leide r z u weni g verstandene n Aspekt e de s sozialen Entwicklungs prozesses zu lenken, z.B. au f die Entwicklungsfunktionen de s Handels oder die soziale Struktur des Marktes für Konsumgüter oder die Bedeutung der ad hoc Marktforschung, Aspekte , di e hier nur angedeutet werde n konnten , dere n Untersuchung je doch zu einem dringenden Bedürfnis fü r die deutsche Wirtschaftsgeschichte gewor den ist .

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IV. Kritik un d Program m

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Vorbemerkungen Literaturberichte, die Tendenzen im Zeitgeist und Methoden eines wissenschaftlichen Faches herausarbeiten un d kritisch würdigen, sin d in hohem Grad e der Gefahr de r schnellen Überalterun g ausgesetzt . Wen n ich dennoch hiermit eine n derartigen Be richt aus dem Jahre 1969 erneut vorlege, so geschieht das mit folgender Begründung : Der ursprüngliche Bericht ist nun durch Veralterung gewissermaße n zu m historischen Dokumen t geworden . E s dürfte interessan t sein , z u versuchen, di e damalig e (1969) Lage mit der heutigen (1978) zu vergleichen, wobei darauf zu achten ist, ob und inwiefern Veränderunge n i n jene n objektive n historische n Tatbeständen , d . h . i m Charakter der Literatur stattgefunden haben, und ob und inwiefern neue methodische oder weltanschaulich e Sichtweise n di e Bewertungsmöglichkeite n selbs t verschobe n haben könnten . Zu diesem Zweck wird i m folgenden (a ) der ursprüngliche Berich t zwar in deut scher Fassung, abe r faktisch fas t unverändert wiedergegeben un d unmittelbar dara n anschließend (b) eine Stellungnahme zu der seit 1969 erschienenen Literatur zur deutschen Wirtschaftsgeschichte präsentiert . De r Unterschied im Format zwischen „Sol l und Haben I" und „Soll und Haben II" hat keinen besonderen Grund. Vielleicht kann die gemeinsame Veröffentlichung beide r Beiträge dadurch gerechtfertigt werden, daß hiermit zwei historiographische Dokument e vorgelegt werden, die Historiker selbs t zu Stellungnahm e un d Interpretatio n herausforder n sollen .

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14 Tilly , Kapital

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12. Soll und Haben I: Probleme der wirtschaftlichen Entwicklun g in der neueren deutschen Wirtschaftshistoriographi e Zu den Ironien der Wirtschaftsgeschichtsschreibung gehör t die Tatsache, daß jenes Land, das die historische Schule der Nationalökonomie gebar, einen vergleichsweise bescheidenen Plat z im Rahmen de r modernen Wirtschaftsgeschicht e einnimmt . Die Ironie liegt darin, daß die historische Schule, obwohl sie historische Studien auf Kosten de r Theorie forderte, ihre Arbei t durchau s al s Bestandteil de r Ökonomi e ver stand. Die Gründer der Schule sahen in der Erhellung des Problems der wirtschaftli chen Entwicklung und der Suche nach Entwicklungsgesetzen ihr e Hauptaufgabe un d benutzten zur Erfüllung diese r Aufgabe auch ökonomiche Theorien. Seit den 1870er Jahren indessen ging das Interesse an der Nationalökonomie zurück; immer wichtiger wurden Studien über die Geschichte von Institutionen und Rechtsformen, Quellen sammlungen un d di e bloß e Vergangenheitspflege . Seitde m habe n deutsch e Wirt schaftshistoriker, i n zunehmende m Maß e Produzente n vo n Wirtschaftsgeschicht e ohne Wirtschaftstheorie, da s Schauspiel Hamle t ohn e den Prinzen gespielt . Di e gegenwärtige Lage des Faches in Deutschland spiegelt sich in der Tatsache wider, da ß deutsche Wirtschaftshistorike r d e facto un d d e jure zugleic h Sozialhistorike r sind . Außerdem wird in der Benennung vieler Lehrstühle, ebenso wie im Titel der führenden Fachzeitschrif t „Vierteljahresschrif t fü r Sozial - un d Wirtschaftsgeschichte " dem deutsche n Gegenstüc k z u unsere r „Economi c History Association" (Gesell schaft fü r Wirtschaftsgeschichte ) - der Sozialgeschichte ei n formaler Vorran g zuer kannt. Diese deutsche Betonung der Sozialgeschichte ist nicht falsch und die Lage hier auch nicht einzigartig. Soweit man aber in der Suche nach langfristigen Entwicklungs gesetzen da s Hauptanliegen de r Wirtschaftsgeschicht e sieht , fäll t ei n Vergleich de r deutschen Situation mit der von Großbritannien, noch in der Clapham-Tawney Tra dition fortschreitend, al s auch mit der der USA, Heimat der „New Economic History", und sogar mit der Lage Frankreichs, wo trotz einer Vernachlässigung der analytischen Ökonomi e wertvoll e Arbei t zu r Wirtschaftsgeschicht e (Labrousse , Crouzet , Bouvier, Fohlen ) z. Β . reichlich vorhanden ist, zu Ungunsten Deutschlands aus . In­ folgedessen sin d unsere Kenntniss e der deutschen Wirtschaftsgeschicht e lückenhaf t und bieten uns, von einigen beachtenswerten Ausnahmen abgesehen, kein tragfähiges Gerüst für international e Vergleiche , di e wir zur Vertiefung unsere s Verständnisse s des wirtschaftlichen Entwicklungsporzesse s s o dringend benötigen . Der Vergleich mit England ist besonders aufschlußreich. Neuere Literaturbericht e zur Geschichtsschreibung de r industriellen Revolution , vo r allem von R . M . Hart well und schließlich ein Bericht von Knut Borchardt in der VSWG, deute n die Tiefe und Breite de r englische n Literatu r an , insbesonder e dere n Beschäftigun g mi t de m 210 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Problem des Wirtschaftswachstums.1 Vergleichbare s lieg t für keine Phase der deutschen Industrialisierung vor. Charles Kindleberger hat englischen Historikern analytische Ungenauigkei t vorgeworfe n un d schläg t verschieden e testbar e Hypothese n vor, di e eigentlic h Vergleich e zwische n englische n un d amerikanische n ode r deut schen Erfahrungen implizieren (vgl. z. B. Kap. 7 seiner „Economic Growth in France and Britain" , wo Technologie un d extern e Effekt e behandel t werden) . Indessen is t klar, da ß für England zumindest die relevanten Grundfaktoren i n der von ihm zitierten (und im weiteren nicht von ihm zitierten) historischen Literatu r greifbar vorlie gen; für Deutschland liegen sie nicht vor und müßten erst gefunden oder erstellt werden. Dieses internationale Gefälle ist nicht neu. Claphams umfassendes Werk „Economic History o f Modern Britain" deutete dies schon vor einer Generation an , und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens , jene Bände, wie immer man sie nun wegen ihrer ausgeprägten Vorsicht und ihres erzählerischen Stils beurteilen mag, haben in der Tat den Wirtschaftsproze ß beschrieben . Clapham s eigen e Analyse de s Wirtschaftspro zesses mag meist implizit statt explizit bleiben, aber die dargestellten Fakten sind fast immer für irgendeine analytische ökonomische Fragestellung relevant. Hier glaube n wir den Einfluß Alfred Marshalls zu sehen, mit ein Grund für die bis heute anhaltende fruchtbare Wirkun g de s Clapham'sche n Werkes . Zweitens , Moder n Britai n hätt e nicht ohne die von ihm zusammengefaßte und zitierte umfangreiche monographisch e Literatur zu r englische n Wirtschaftsgeschicht e geschriebe n werde n können . Ic h möchte bezweifeln, o b eine derartige umfassende Literatur schon jetzt für Deutschland existiert , un d deshal b di e Erfolgsausichte n eine s zusammenfassende n Werke s wie Clapham s noch für gerin g beurteilen. 2 Dieser Überblick über neuere deutsche Arbeiten beschränkt sic h auf Beiträge zu r Industrialisierungsgeschichte, d . h . hauptsächlic h au f da s 19. Jahrhundert. E s beschränkt sich ferner auf Arbeiten über Deutschland. Die Folge ist, daß einige interessante Publikationen auße r Betracht bleiben, z. B . von Braun, Abel, Kellenben z und van Klaveren. 3 Wenn auch etwas willkürlich, s o erlaubt dieses Vorgehen denoch die Heraushebung gewisse r signifikante r Aspekt e der Wirtschaftsgeschichtsschreibung , die gerade die deutschen Arbeiten kennzeichnen. Vor allem werden die Konsequenzen de s Fehlen s eine s analytische n Gerüste s besonder s be i de r Behandlun g de s 19. Jahrhunderts deutlich . I Unsere Übersicht beginnt mit einem Blick auf die Lehrbücher. 4 Das neueste Exemplar dieser Kategorie ist der interessante und packend geschriebene Beitrag zur Industrialisierungsgeschichte de s 19. und 20. Jahrhunderts vo n Helmu t Boehme . Sein e Diskussion über politische Antagonismen als Folge der Eigenarten der deutschen Industrialisierung wirk t gege n den Hintergrund der konservativen westdeutschen Hi storiographie erfrischend . Viel e wichtige Aspekte des deutschen Wirtschaftswachs tums werden beschrieben, wenn auch in deutlicher Unterordnung zur politischen Geschichte. Das am häufigsten benutzt e Lehrbuch zur deutschen Wirtschaftsgeschicht e 211 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

ist zweifellos das Buch von Friedrich Lütge. Nunmehr in 3. Auflage vorliegend, liegt dessen Schwergewicht au f der vorindustriellen Periode . Nu r ein Drittel de s Buches behandelt die Zeit nach 1800, wobei die Darstellungsweise durchweg rein deskripti v bleibt. Das beste Lehrbuch über die Frühindustrialisierung, d . h . bis 1870, ist wahrscheinlich Han s Motteks Werk. I m Gegensatz zu Lütge verarbeitet Mottek explizi t Literatur (allerdings kaum neue, unbekannte Arbeiten) und nimmt auch Bezug auf ein klar umrissenes Entwicklungsmodell, da s von Marx. Zur Identifizierung de r Mechanismen der wirtschaftlichen Entwicklun g scheint z. B. Motteks Verwendung des Begriffs „Kapitalakkumulation " fruchtbare r z u sein , al s etw a Lütge s Betonun g eine s Phänomens wie „die Entwicklung des ökonomischen Liberalismus". Nichtdestowe niger vermute ich, daß dem angelsächsischen Lese r eher die Gemeinsamkeiten den n die Gegensätze zwischen Mottek und Lütge auffallen werden. Zum Beispiel versucht Motteks Kapita l (i n Band II) über „Di e sprunghafte Ausdehnun g de s industriellen , insbesondere des konstanten fixen Kapital s seit der Mitte der 30er Jahre" weder das fixe Kapital zu definieren, noc h es zu analysieren oder zu messen. Außerdem stützen sich sowohl Lütge als auch Mottek zu stark auf den Beitrag des preußischen Staates als Erklärungsfaktor. Beid e loben dabei den Zollverein, obwoh l eine zuverlässige Analyse desse n ökonomische r Bedeutun g nich t vorliegt (Lütge , S . 463-71; Mottek, II, S. 56-64). Das beste Lehrbuc h fü r di e Period e nac h 1870 ist da s vo n Stolper-Häuser-Bor chardt. Man tut aber gut daran zu bedenken, daß der Teil, der die Industrialisierung behandelt (bis 1914), von Gustav Stolper stammt und daher weniger als das Produkt intensiven Studium s denn als die Überlegungen eine s engagierten Liberale n un d Finanzjournalisten angesehe n werden muß, das 1940 in der Emigration verfaßt wurde. Ich fürchte, daß das eben geschilderte Bild dem gegenwärtigen Forschungsstand in Deutschland entspricht: die ausgeprägte Orientierung a n der politischen Geschicht e und damit als Kehrseite eine gewisse Zurückhaltung in der Analyse ökonomischer Zusammenhänge. Dieses charakteristische Merkmal der deutschen Literatur ist in Lehrbüchern übe r die englisch e Industrialisierun g kau m vorhanden . Clapham , de r sic h ausgiebig mit ökonomischen Sachverhalten beschäftigte und politische Geschichte so gut wie ausklammerte, hab e ich schon erwähnt. Dieselb e Akzentsetzung is t in dem vielbenutzten Lehrbuch von T. S . Ashton, The Industrial Revolution, zusehen. Dessen Darstellung schein t auf den ersten Blick unpräzis und atheoretisch z u sein , abe r beim näheren Studium wird der Leser dort doch eine recht systematische Analyse des Prozesses des Wirtschaftswachstums finden . Ashto n ist noch nicht überholt, neuer e Lehrbücher liege n jedoc h jetz t vo r - von Phyllis Deane, Michae l Flin n un d R . M . Hartwell - , die di e Betonun g de r Analys e de s Entwicklungsprozesse s weite r auf rechterhalten.5 Diese r fortbestehend e Unterschie d zwische n deutsche n un d engli schen Lehrbüchern , verursach t durc h zugrundeliegend e Forschungstendenzen , is t bemerkenswert. Die Charakterisierung de s deutschen Forschungsstandes kann sinnvollerweise mit einem Blick auf den Output der führenden Zeitschriften, der Readers (mit ausgewählten Beiträgen) und der Schriftenreihen fortgesetz t werden . Die beiden Hauptorgan e der Disziplin sind die westdeutsche Vierteljabresschrift für Sozial- und Wirtscbaftsge 212 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

schichte (VSWG) un d das ostdeutsche Jahrbuch für Wirtschaftsgeschicht e (JbW) . Die Bundesrepublik Deutschlan d verfüg t darübe r hinau s übe r ei n vo n Wilhel m Treu e herausgegebenes Orga n fü r Unternehmergeschichte : Tradition , Zeitschrif t für Fir mengeschichte un d Unternehmerbiographie . Di e Jahrbücher für Nationalökonomi e und Statistik, Zeitschrif t für die gesamte Staatswissenschaft un d die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft veröffentliche n ebenfall s häufi g Aufsätz e un d Rezensione n au f dem Gebiet der modernen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Vielleicht kann man die deutsche Lag e mit folgende n Zahle n - den Publikationen de r letzte n 10 Jahre ent nommen - illustrieren: Ungefähr 60 % der in der VSWG veröfentlichten Aufsätze behandeln die vorindustrielle Periode, während die entsprechende Zahl für den Economic History Review 45 % betrug. Ferner fallen über die Hälfte der in der VSWG veröffentlichten Aufsätz e in die Kategorie der Sozialgeschichte, gegenüber einem Anteil von wenige r al s einem Fünftel de s Output s de s Economic History Review. Erwar tungsgemäß is t die Betonung des Industrizeitalters und der Wirtschafts geschichte im Jahrbuch fü r Wirtschaftsgeschicht e erheblic h stärke r al s be i VSWG : Nu r ungefäh r 15% der Aufsätze sin d „vorindustriell " un d nu r etw a 40% sozialgeschichtlich.6 Zwei Aufsatzsammlunge n (Reader ) liege n ebenfall s vor , un d zwa r übe r Wirt schaftsgeschichte, herausgegebe n vo n Κ. Ε . Born un d übe r Sozialgeschicht e vo n H.-U. Wehler. 7 Borns Sammlung umfaßt 23 Beiträge, vorwiegend Exzerpte aus Büchern über das 19. und 20. Jahrhundert. Sie zeigt, daß nützliche Arbeit zur deutschen Industrialisierung i m Gang e ist , forder t abe r z u folgende r Kriti k heraus : 1. Individuell betrachtet sind die Aufsätze rein deskriptiv und stellen keine analytischen Fragen über da s „Warum " un d „Wie " de r deutschen Industrialisierung . De r Leser wir d derartig e Frage n selbs t stelle n müssen . 2. Zusammengenommen betrachtet wird das Buch kaum eine Wirkung zeigen, weil es kein Organisationsprinzip (wi e z. Β . eine Theorie des Industrialisierungsprozes ­ ses) verfolgt, da s als Leitfaden fü r die verschiedenen Aufsätz e hätte dienen können . Wehlers Buc h enthäl t viel e interessant e Aufsätz e (z . B . von Conze , Kosellec k un d Rosenberg), zeig t aber leider einen hohen Grad von Abhängigkeit der deutschen Sozialgeschichte vo n (a ) Geistesgeschichte i m Hinblick au f Methode n un d (b ) politischer Geschicht e i m Hinblick au f Inhalt . Einige ander e Sammelwerke mi t originellen Beiträge n sin d ebenfall s kürzlic h er schienen: Ein ostdeutsches über das 18. und 19. Jahrhundert,8 ein Band von Referaten zu verschiedenen Aspekten der deutschen und österreichischen „Wirtschaften" in der Zeit von etwa 1790 bis 1815,9 eine Festschrift zu Ehren Friedrich Lütges,10 und ein von W. Fische r herausgegebener Ban d über Probleme der Frühindustrialisierung. 11 Ich werde einzeln e Beiträge weiter unte n kur z diskutieren . Hans Mottek, ei n DDR-Historiker, is t Herausgeber eine r neue n Reihe , vo n de r bisher 4 Bände erschiene n sind. 12 Unte r Anwendun g marxistische r Anschauunge n und mittels Auswertung der Akten der ehemaligen preußischen und sächsischen Staaten, haben Wissenschaftler wi e H. Blumberg , W. Becke r und A. Schröte r eine neue Perspektive zum Wachstum der Textilindustrien entwickelt und auch auf die Maschinenbauproduktion angewandt , sowi e z u diesen un d einigen andere n Themenberei chen neue Daten zuammengestellt. Aber während sich diese Historiker die Marx'sche 213 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Kritik de s Kapitalismu s un d die Begriff e wi e Kapitalakkumulation , Mehrwer t un d Subsistenzlöhne zueigen gemacht haben, sind ihre eigentlichen Arbeiten - im Gegensatz zu denen von Marx - im Grunde deskriptiv und stellen daher kaum analytisch gehaltvolle Fragen. Blumbergs Studie z. B . gibt Anlaß zu der Frage: Inwiefern reflek tiert die Verteilung der deutschen Wollwarenumsätze zwischen deutschen und nichtdeutschen Märkten komparative Kostenvorteile und in welchem Sinn? Sehen wir in dem relativ kapitalintensive n Charkte r der Exporte eine Art ökonomischen Dualis mus und/ode r umgekehr t ei n „Leontie f Pardox" ? Inwiefer n habe n wi r hie r eine n „Hirschmann Effekt", inde m Importe deutscher Produzenten auf Marktmöglichkei ten hinweisen? Das Fehlen eine r analytischen Fragestellun g schein t nicht durch den Mangel an geeigneten Daten bedingt zu sein, denn die Datenfülle de r Arbeit Blumbergs bleibt eindrucksvoll. Statt im Namen des Meisters allein zu sprechen, sollten die DDR-Historiker etwas mehr von seinem Geiste nehmen und sich dabei an der breiten angelsächsischen Wachstums - un d Entwicklungsliteratu r orientieren. 13 Ich fürchte, da ß die im folgenden z u erwähnenden Reihen dem Historiker der Industrialisierung noc h wenige r methodisch e Ansätz e anzubiete n haben . Die 13 Monographien, die bisher in der von 2. Fischer herausgegebenen Schriften reihe publiziert wurden , erscheine n al s sehr solide historische Arbeiten, jedoc h nur fünf könne n zu r Wirtschaftsgeschicht e i m engeren Sinn e gezähl t werde n un d zwe i sind eigentlich Firmengeschichten. 14 Si e zeigen jedoch, und hier liegt der Hauptbeitrag der neueren westdeutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, daß die allgemeine Geschichte im Lichte sozio-ökonomischer Faktore n ne u interpretiert werde n muß . Weitere erwähnenswerte Reihen sind die von W. Conz e (Sozialgeschichte),15 die von F. Lütg e allein (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) und eine mit anderen (zur Agrargeschichte)16 herausgegebenen , sowi e di e älter e Reih e zu r rheinisch-westfälische n Wirtschaftsgeschichte, di e im Augenblick von Η. Kellenbenz herausgegeben wird. 17 Unser Überblick übe r Schriftenreihe blieb e unvollkommen, wen n wir nich t auc h die Bände erwähnen würden, die Jürgen Kuczynski, 18 Doyen der DDR-Wirtschaftsgeschichte, herausgebracht hat. Die mehr als 30 bisher erschienenen Bände stellen im Grunde eine allgemeine marxistische Geschichtsschreibung de s modernen Kapitalismus unter besonderer Berücksichtigung de r arbeitenden Klasse dar. Ich werde einige dieser Bände ebenfalls weiter unten erwähnen, si e verdienen jedoch eigentlich en totum ein e besonder e Abhandlung. 188

II Die Stärke vieler neuer Beiträge zur deutschen Literatu r liegt jedoch in ihrer Fähig keit, Grenzaspekt e de s Entwicklungsproblems z u beleuchten . Wi r wolle n da s Problem folgendermaßen formulieren: Industrialisierung bildet einen Teil des „Modernisierungsprozesses", ein e Hälfte der „Dual Revolution", di e sich seit den 1780er Jahren über Nord-West Europa ausbreitete und deren Krisenphase in den Revolutionen von 1848/49 ihren Abschluß fand . Analyse n diese s Phänomens haben di e Frage al s 214 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

nützlich erwiesen , (a ) ob bestimmte spezifische institutionell e Voraussetzungen de r Industrialisierung (wie liberale Gesetze über die Verfügbarkeit von Grund und Boden oder die Wahl der Gewerbe) identifizierbar sind und (b) inwiefer n der Charakter und das Tempo der Industrialisierung, bestimmt e soziale und politische Veränderunge n erklären können. Gerade im Zusammenhang mit diesen beiden Fragen lassen sich einige neuere deutsche Studien hervorheben. Ic h beginne mit R. Koselleck s sorgfälti gen Untersuchung de r rechtlichen , administrative n un d soziale n Veränderunge n i n Preußen zwische n 1791 und 1848. 19 Auf eine Fülle archivalischen Materials fußend , formuliert Kosellec k ein e Variante der „Revolutio n vo n Oben"-These: Ab ca. 1789 und ganz besonders nach der Niederlage bei Jena 1806 habe - s o die Argumentationslinie - die aufgeklärte preußisch e Administratio n ei n Programm liberaler Reforme n forciert und damit letztlich be i der Bevölkerung positive Reaktionen auslöst , di e jedoch durch den Lag zwischen Desintegration traditioneller Bindungen (wie z. Β . re­ striktive Heiratsgesetze ) und Entwicklung neue r Institutionen (wi e z. B . arbeitsbe ­ schaffenden Industrieunternehmen ) zunächs t z u große n soziale n un d politische n Spannungen führten un d schließlich die Revolution von 1848 mit verursachten. Kosellecks Hauptverdienst lieg t in der Skizzierung eine s detaillierten, kollektive n Portraits des rechtlichen und administrativen Apparates , der jene Reformen konzipiert e und durchführte. „Modernisierungsforscher " werde n hier nützliche Anregungen finden. Indesse n sollten si e darauf aufmerksa m gemach t werden, daß Koselleck, i n bester Tradition der Acta Borussica, die kausale Bedeutung der preußischen Bürokratie, überschätzt. Au f Seit e 559 lesen wir : „Di e Revolutio n ha t erwiesen , wi e wei t di e preußische Verwaltung durc h ihr e wirtschaftliche Gesetzgebun g un d Tätigkeit Os t und Wes t bereit s angeglichen , ein e überprovinziell e ,bürgerlich e Gesellschaft ' ge schaffen hatte" . Di e angesprochene n Männe r un d ihr e Reforme n ware n zweifello s nützliche Teile der Maschineri e de s sozialen Fortschritts , abe r nicht dere n Primum Mobile. Si e müssen im historischen Kontex t betrachtet werden : Gegen den Hintergrund relati v rapide r Wirtschaftsentwicklunge n i n einigen Teile n Deutschland s sei t ca. 1750; einer niederschmetternden militärischen Niederlage (1806), die zur Bildung (nicht eigentlich auf Initiative des Staates zurückgehend) von Volksmiliz und fiskali schen Reforme n führt e un d eine n Sie g (1815), der einig e verhältnismäßi g modern e Regionen an die preußische Monarchie band. Der nicht bestreitbare liberale Reformgeist de r Bürokratie forder t selbs t ein e Erklärung. Sollt e diese versucht werden , s o könnte sich ein Teil der enormen Masse an Quellenmaterial über Reformmaßnahme n und -absichte n soga r als irrelevant herausstellen . Koselleck s Daten übe r die sozial e Herkunft de s Beamtentums, sowie sein Versuch die ländliche Sozialstruktur z u charakterisieren (S . 487-559), sind Schritt e i n Richtun g eine r solche n Erklärung ; abe r begibt man sich als Sozial- und Wirtschaftshistoriker a n die Auswertung de r Schätze des Koselleck'schen Buches , so möge man sich an die Mahnung Claphams erinnern, die jetzt fast 40 Jahre al t ist und Schwierigkeiten de r Rekonstruktionen vo n Sozial und Wirtschaftsgeschichte au s rechts- und verwaltungshistorischen Materialie n hinweist.20 Zusätzliche und nützliche Perspektiven biete n zwe i weiter e Untersuchungen de r Reformen. Erns t Klein 21 arbeitet die überwiegende Bedeutung der finanzpolitische n 215 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Zielsetzung de r Politi k Fürs t Hardenbergs (1807-22) heraus und zwingt uns dabei, nicht nur Hardenberg, sonder n den „preußischen Liberalismus " überhaupt meh r im historischen Kontex t z u sehen . Dies e willkommene Korrektu r de r herkömmliche n Sichtweise leide t allerding s unte r (a ) einem Fehle n neue r Date n un d Analyse n zu r preußischen Finanzpoliti k i n diese n Jahre n un d (b ) unter eine r noc h gravierende n Vernachlässigung der Frage, warum Hardenberg positive finanzpolitische Erwartun gen a n ein e liberale Politi k knüpfte . I n eine r sons t weitau s bescheidenere n Studi e bringt V. Gropp22 zusätzliches Material, da s zur Beantwortung diese r Frage beitragen kann. Sich au f die Eigenbewirtschaftung de r Domänen-Ländereien de r Hohen zollern in Ostpreußen (1740-1848) konzentrierend, stellt Gropp fest, da ß das Bevölkerungswachstum vo n ca. 1750 an (Arbeitekräftefaktor), ein e zum Agrarwohlstan d beitragende Steigerung der Getreidepreise seit ca. 1770, und das damit einhergehende positive und aktive Interesse der Bauern an einer Ablösung ihrer Dienstpflichten un d an sonstigen Reforme n sei t ca. 1790, sehr wichtige Einflüss e au f die staatlichen Reformentscheidungen darstellten . Er zeigt sogar (S. 36), daß die Reformen in gewisser Hinsicht als illiberale Instrumente zur Verlangsamung de r schon in Gang gekommenen Veränderungen angesehen werden können, z. B. wenn Bauern praktisch gezwungen wurden, Gutsbesitzern Dienstpflichten abzulösen, die schon längst in Vergessenheit geraten waren. Gropps Arbeit ist von der Anlage her begrenzt und seine Finanzdaten hätten vollkommener sein können, aber er kann zumindest eine plausible Erklärung fü r da s Interess e de s preußischen Staate s a n liberale n Reforme n anbieten . Ein Hauptgegenstand mehrere r neue r Studien is t das Wachstum i m 18. Jahrhundert. De r DDR-Historiker H.-H . Mülle r ha t de n Forschritt de r Landwirtschaf t i n Preußen im 18. Jahrhundert überzeugen d beleg t und kapitalistischen Quelle n zuge schrieben.23 Sein Buch und seine ausgezeichneten Artike l enthalte n nützlich e Argu mente gegen die „Revolution von Oben"-These. Sie zeigen, daß das Pachtsystem weit verbreiteter gewesen war, als man bisher glaubte, und daß es als Mittel zur Umgehung rechtlicher Hindernisse zur bürgerlichen Kapitalanlage in der Landwirtschaft z u verstehen ist und so schon vor 1807 positive Wirkungen für die Entwicklung hervorrief . Das Ausma ß diese s Fortschritt s is t freilic h umstritten , un d de r interessiert e Lese r kann i n de n Artikel n vo n R , Berthold , G . Heint z un d Johanne s Nichtweiss 24 de r Frage weite r nachgehen. Bedeutende Veränderunge n fande n auc h außerhal b de s Agrarsektor s statt . H. Krüger s wichtiges Buch über die Entwicklung de r preußischen Manufakturen i m 18. Jarhhundert beschreib t sorgfältig , wi e die kapitalistischen Manufakture n i n den Brandenburg' schen Gebieten florieren un d sich ausbreiten konnten trotz merkantili stischer Intervention der Hohenzollern und ihrer Berater.25 Einen der ausagekräftig sten Indikatore n diese r Entwicklun g erläuter t Krüge r durc h sein e Darstellun g de s Wachstums un d de r Ausbreitun g vo n Klassenspannunge n zwische n Handwerker n und den Kaufherren oder Manufakturunternehmern, di e diese beschäftigten. Krüger s Dokumentation - in seine n Anmerkunge n un d eine m 260seitigen Anhang , de r Berichte, Briefe , Verträg e un d statistisch e Tabelle n abdruck t - ist überwältigen d un d führt uns endlich übe r die Grenzen de r Acta Borussi a hinaus . Paradoxerweis e stell t sich das Fallbeispiel de r preußischen Seidenindustri e al s ein gute s Argumen t gege n 216 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

den Wert de s Paternalismus de r Hohenzollern heraus . Krüger deutet dies auch stel lenweise an, jedoch wird die Frage erst durch die faszinierende komparative Analyse dieser Industrie in Krefeld un d Berlin von Herbert Kisc h deutlich dargestellt. 26 Di e „Studies in the Economic Policy of Frederick the Great" von W. Ο. Henderson27 be­ fassen sich mit dem gleichen Bereich. Obwohl Henderson eine breite Literatur durch­ siebt und einige zusätzliche neue Informationen bringt , setzt er sich mit den Themen nicht auseinander, die Forscher wie Müller, Krüger, Kisch oder auch Schmoller motivierten. Wie Schmoller entscheidet sich Henderson schließlich „für" die Politik Friedrichs, ohne aber die eindrucksvollen Gegenargumente Krügers zu kontestieren. Eine Art Parallelstudie zu r Untersuchung Krüger s ist Rudolf Forberger s wichtiges Buc h über die Entwicklung der Manufakturen in Sachsen im 17. und 18. Jahrhundert.28 Es handelt sich dabei im Grunde um eine Beschreibung dessen, wie und durch welche institutionellen Mechanismen die nichtlandwirtschaftliche Produktion in Sachsen in der „Vor-Fabrikphase" sic h entwickelte und ausbreitete. Di e Darstellung wir d von langen Zitate n au s Primärquellen getragen , wobe i da s Material s o reichhaltig un d umfangreich z u sein scheint, daß andere Forscher wahrscheinlich lange Zeit davon zehren werden. Forberge r bemerkt , da ß die industrielle Entwicklun g Sachsen s im wesentlichen das Produkt „lokale r Initiative" und des Arbeitskräfteüberschusses gewe sen ist und keineswegs als Ruhmesblatt des „aufgeklärten Absolutismus " im Rahmen der deutsche n Wirtschaftsgeschicht e gelte n kann . Seit Jahren wissen wir , da ß die Agrarreform ers t zu der Zeit nach der Revolutio n von 1848 „abgeschlossen" wurd e un d da ß di e „Agrarfrage " eine n fortwährende n Herd soziopolitische r Spannunge n mindesten s bis 1848 darstellte. DDR-Historike r haben sich mit diesem Problem beschäftigt, un d H. Bleiber s Beschreibung der ländlichen Sozialstruktur Oberschlesiens in den kritichen 1840e r Jahren ist ein erwähnenswertes Beispiel für diese Literatur. 29 Bleibers Diskussion der ökonomischen Seit e der Agrarentwicklung bleibt freilich unsystematisch. Das materielle Elend der Armen auf dem Lande, die Institutionen - Dorfschulen, Gutsgerichte und Polizei - durch die die Junker ihre privilegierte soziale und ökonomische Position aufrechterhielten un d die hieraus resultierende n soziale n Spannungen , di e gelegentlich gewaltsame n Aufruh r und Rebellion entfachten, bildete n die Bestandteile jenes eigentümlichen Gemische s aus Kapitalismus und Feudalismus, das Schlesien in besonderem Maße prägte und das Bleiber überzeugend darstellt. Am interessantesten ist die Diskussion bäuerlicher Aktionen (Kap. 3). Unter Verwendung von neuen Quellen zeig t der Autor, da ß ein signifikanter Teil der schlesischen Bauern nicht gegen, sondern für eine liberale Agrarreform agierte und sogar weitere Maßnahmen forderte; sie waren nicht gegen Bodenreform per se, sondern gegen eine Umverteilung des Besitzes und der Pflichten, die sie in zunehmendem Maße als ungerecht empfanden . Wi r sehen, wie diese Bauern dem Monarchen Petitione n einreichen , be i Gerichte n prozessiere n und , nachde m ihr e rechtlichen Mitte l erschöpf t waren , i n gewaltsamen Protestaktione n ihr e Unzufrie denheit äußern. Bleibers allzu knappe Behandlung dieses Problems dokumentiert eine Rationalität, die Protestaktionen häufig zugrunde liegt und die für andere Länder und Zeiten in de n Arbeiten vo n Eric Hobsbawm, Geor g Rudè und Edward Thompso n identifiziert worde n ist . Diese s Verhalten erzeug t ebenfall s weitere n Zweifel a n der 217 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

„Revolution von Oben"-These; denn Bauern, so fähig wie diese, hatten weit weniger „Führung vo n Oben " nötig , al s sie tatsächlich erhielten . Betrachtet ma n di e neuer e deutsch e Literatu r zu r Agrargeschichte , s o fäll t e s schwer, boshaft e Vergleiche zu Arbeiten in Großbritannien vo n Forschern wi e Habakkuk, Mingay, Thirsk oder Jones oder zu den USA (Parker, David, oder die „Pro fitabilität der Sklavenhaltungs"-Gruppe) zu vermeiden. Dank der Arbeiten von Abel, Lütge, von Fickenstein, 30 Müller und anderen wissen wir rech t viel übe r technische und institutionelle Aspekte des agrarischen Wandels . Für dieses Wissen müssen wi r dankbar sein , den n sein e Gewinnun g stell t mühsam e Arbei t dar . Jedoc h schein t e s jetzt a n der Zeit, au f eine Untersuchung de r Landwirtschaft al s ökonomisches Phä nomen - z. B . in einer Analyse des Marktes und der Terms of Trade für Agrarpro dukte in Relation zur Nachfrage nac h Industrieprodukten ode r in einer Analyse der Profitabilität de r große n getreideproduzierende n Güte r - zu hoffen . Wenn di e Literatu r zu r deutsche n Frühindustrialisierun g einerseit s wege n ihre r Vernachlässigung des Problems des Wirtschaftswachstums kritikbedürftig ist, so muß sie andererseits wegen ihrer aufschlußreichen Darstellung des sozialen Kontextes, innerhalb desse n Wirtschaftswachstu m stattfand , insbesonder e de s Krisencharakter s der Periode zwischen 1830 und 1848, positiv bewertet werden. Für die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung ware n dies verheerende Jahre - wie Zeitgenossen wohl wußten . J . Kuczynski ha t nun ein e große Menge zeitgenössischer Litera turbeiträge für diese Periode zusammengestellt (über 400 Titel aus den Jahren 1840 bis 1847), in dene n di e Lebensbedingunge n de r arbeitende n Arme n kommentier t wer den. Darüber hinaus hat Kuczynski eine quantitative Schätzung des Lebensstandards der Arbeitenden fü r diese Jahre gewagt un d dabei eine sinkende Tendenz herausge funden.31 C . Jantk e un d D . Hilge r stellte n einig e de r scharfsichtigste n un d ein drucksvollsten Exposes der Armut zusammen, so z. Β. der bekannte Aufsatz über die schlesischen Webe r vo n Wilhel m Wol f (ei n Freun d vo n Marx ) oder auc h Friedric h Lists Analyse der Auswanderung und Landbesitzverhältnisse in Süddeutschland.32 In einem neueren Beitrag hat W. Abe l noch einmal dieses Material aufgegriffen un d interpretiert; auch er kommt dabei u. a. zu dem Ergebnis, daß eine Verschlechterung des Lebensstandards der arbeitenden Armen festzustellen sei. 33 W. Fische r bringt etwa s Soziologie - und auc h etwa s Optimismu s - in dies e Diskussio n ein , mittel s eine r Überprüfung de s Klassenbegriff s anhan d vo n Date n übe r Lohndifferenzierung . E r kommt z u dem Schluß, (a ) daß e s viele verschiedene Arbeitertype n i n Deutschlan d von 1848 gab, aber keine „arbeitende Klasse"; und (b) daß das zeitgenössische Elend nicht da s Produkt de s Industriekapitalismus war , sonder n ein e Folge seiner damal s nur zögernden Entwicklung.34 I m ersten Punkt mag Fischer Recht haben, im zweiten nur insofern, als eine Trennung zwischen Industrialisierung und ihren institutionellen Begleitformen vorgenomme n wird , di e recht künstlich un d ahistorisch scheint . Wi r müssen nicht nur zwischen verschiedenen Berufsgruppen differenzieren - wie Fischer meint, sondern ebenso zwischen verschiedenen Regionen. So müßten Katastrophen gebiete wie Niederschlesien, Ostwestfale n ode r Teile Württembergs i n der Gesamtbeurteilung anderen Regionen wie Teilen des Rheinlandes oder Sachsens, wo die positiven Impulse des Wachstums die negativen Rückströmungseffekte kla r überwogen , 218 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

gegenübergestellt werden . Damit stellt sich überhaupt die Frage nach der Bedeutung regionaler Studien. Es gibt Historiker, di e allein in solchen Studien einen sinnvollen Zugang zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands vor 1870 erkennen können, besonders wenn man an der „totalen Geschichte", d. h . an der Kombination von Politik-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte interessiert ist. Dies scheint beispielsweise die Ansicht W. Köllmann s zu sein, und Köllmanns Studie über die Stadt Barmen ist in der Tat ein gutes Beispiel für die Reichweite detaillierter Regionaluntersuchungen. 35 Eine ebenso nützlich Regionalstudi e is t das kleine Buc h von E . Buchholz über das ländliche Braunschweig. 36 Hie r wir d interessante s Materia l übe r da s rech t unbe kannte Thema des sozialen Wandels einer Region, di e im Grunde agrarisch struktu riert bleibt , verfügba r gemacht . Einige wichtig e Arbeite n zu r deutsche n Bevölkerungsgeschicht e liege n ebenfall s vor. Vielleich t di e best e Einführun g z u diese m Them a stell t ei n Aufsat z vo n W. Köllman n dar , de r die demographischen Haupttendenze n de s 19. Jahrhunderts zusammenfaßt.37 Unte r Verwendun g de r Statsiti k de s Deutsche n Reiche s unter nimmt Köllmann einen interessanten Vergleich zwischen der rheinischen Textilstadt Barmen und der westfälischen Schwerindustriestadt Gelsenkirchen. 38 In einer breiten eindrucksvollen Studi e ha t auc h K . Blaschk e da s Bevölkerungswachstu m Sachsen s vom Mittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert untersucht. 39 Nach einer interessanten einleitende n Kriti k de r Quelle n un d Methode n führ t uns Blaschk e durc h de n Dschungel de r schwierigen demographischen Begriffe un d Probleme: Fertilität, Ge burtsraten, Wanderung , Stadt-Land-Gefälle , di e Relation zwische n diese n Größe n und sozialen und beruflichen Strukture n etc. Blaschkes Diskussion bietet eine ausgezeichnete Perspektive zur Einordnung der Anfänge der Industrialisierung Sachsens . Sie scheint deshal b al s willkommene Ergänzun g de r o . e . Arbei t vo n Forberger . Die oben diskutierten Arbeite n könne n unsere Kenntnisse über eine wichtige Periode der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte bereichern. Nach meiner Meinung sind die Beiträge etwa vergleichbar mi t der englischen Diskussion de r sozialen Konsequenzen de r industriellen Revolution . S o als ob er gerade diesen Vergleich er leichtern wollte , ha t nu n jede r vielseitige Impressario , W . Fischer , eine Sammlun g herausgebracht, i n der die neueren Standardbeiträge zu dieser englischen Diskussio n (von T. S . Ashton, R. M . Hartwell, E. Hobsbawm u. a. ) und andere weitere Artikel zur amerikanischen , russische n un d deutsche n Arbeitergeschicht e (labor history ) übersetzt und wiederabgedruckt werden. 40 Es handelt sich um ein nützliches Buch besonders für deutsche Studenten - und Fischers Hoffnung, da ß hierdurch die englischen und deutschen Probleme vergleichbarer gemach t werden, is t wohl auch angemessen. Dennoch sollt e man eine Tatsache nicht übersehen. Die radikale Traditio n der englischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte hat oft eine Diskussion und Debatte über bedeutend e Frage n forcier t un d angeheizt , soga r dort , w o di e Diskussio n schließlich i m Rahme n de r theoretische n Vorstellunge n un d Begriffssprach e eine s Claphams oder Ashtons ablief. Die Lebensstandarddiskussion is t ein Beispiel hierfür. Deutschland dagege n hat keine solche Tradition, deshal b kann sich die Übernahm e der englische n Vorgehensweis e dor t schwierige r gestalten , al s ma n au f de n erste n Blick woh l glaube n mag. 41 219 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Ill Historiker zitieren gern einen von J. M . Keynes modifizierten Spruch Bismarcks, das deutsche Kaiserreich sei eher durch Kohle und Eisen als durch Blut und Eisen geformt worden. Indesse n ha t zweifello s di e deutsche Historiographie , trot z häufige r Hin weise auf den Zusammenhang zwischen rapidem Industriewachstum und Machtpolitik, di e Bedeutung de r Industrialisierung fü r die politische Entwicklun g de s Lande s unterschätzt. Au s diesem Grunde sind einige neuere Veröffentlichungen, di e gerade diesen Zusammenhang betonen , seh r zu begrüßen . Es ist möglich, daß die Erfordernisse de r wirtschaftlichen Entwicklun g di e mitteldeutschen Staate n zwangsweis e durc h de n Zollverein i n di e Machtsphäre Preußen s gebracht haben, wodurch schon vor 1866 der Ausgang des Hegemoniekampfes zwi schen Österreic h un d Preußen i m voraus bestimmt war . Vielleich t is t die Tatsache, daß der junge Georg von Siemens, später Direktor der Deutschen Bank, 1866 seinem Vater vo n de r Notwendigkei t eine r „Kleindeutsche n Lösung " de s deutsche n Pro blems schreibe n konnte , ei n weitere r Bewei s fü r di e Abhängigkei t de r Politi k Bis marcks von den herrschenden ökonomischen Interessen. Möglicherweise können einige Kausalzusammenhäng e au s folgende r Chronologi e abgeleite t werden : Nord deutsche Reichstagswahle n vo n 1870, Kompromiß zwische n preußische n „Agrari ern" und Industriellen, Liberalisierung des Aktienrechts, rapides Industriewachstum. Solche Denkmöglichkeiten sin d jedenfalls Thesen des gescheiten und eifrigen junge n Hamburger Historikers H. Boehme. 42 Diese Thesen stützen sich auf Dokumente aus 15 deutschen Archive n un d eine Reihe weiterer Quelle n (da s Quellenverzeichnis al lein umfaß t 93 Seiten). Vermutlich wir d Boehm e i n den nächste n Jahre n da s letzt e Wort zum Thema „Ökonomische Interessen in der deutschen Politik zwischen 1848 und 1881" bleiben, nich t nu r wege n der jetzt veröffentlichte n Daten , sonder n auc h wegen weitere r hie r angekündigte r Arbeiten . Bei aller Betonung der Industrialisierung bleib t jedoch der Adressat des Buches in erster Lini e der Historiker, de r an der Bismarck'schen Machtpoliti k interessier t ist . Wenn man zu einer höheren Einschätzung der politischen Bedeutung ökonomische r Faktoren bereit ist, so kann man von der Lektüre dieses Werkes profitieren. Boehme s Präsentation is t allerdings i n zweierlei Hinsich t kritikbedürftig . Ersten s besteht de r Nachweis eine s Zusammenhanges zwische n Industrialisierun g un d politische r Ent wicklung hauptsächlich aus einer Nebeneinanderstellung von politischen Ereignisse n und ökonomischen Veränderungen, gestärkt durch Hinweise auf zum Teil feindlich e Kontakte zwischen Unternehmern au f der einen und politischen Führern auf der anderen Seite . Dies e Beweisführun g verma g nich t jede n Historike r z u befriedigen . Zweitens, Boehm e behandelt nich t explizit da s Problem des Wirtschaftswachstums . Die traurige Wahrhei t ist , da ß Boehm e keine brauchbar e Wirtschaftsgeschicht e de r Periode vorfan d un d infolgedesse n sic h gezwunge n sah , au s Primärquelle n sein e eigene Version z u konstruieren. Da s Ergebnis ist eine immense Ansammlung neue r Fakten, di e aber zur Beantwortung wachtumsanalytische r Frage n unzureichen d ge gliedert sind. Boehme kann, als politischer Historiker, dieser Mangel nicht angelastet werden, man darf ihn aber nicht übersehen. Dennoch ist die Bedeutung dieser Studie 220 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

auch für Wirtschaftshistoriker groß , denn sie macht die Notwendigkeit wirtschaftsge schichtlicher Forschun g fü r die weitere Rekonstruktion de r deutschen soziale n un d politischen Geschicht e deutlich . Da s allein kan n de n enormen Umfan g de s Buche s rechtfertigen. Kein Aspek t de s Zusammenhange s zwische n Politi k un d Industrialisierun g i n Deutschland ha t meh r Aufmerksamkei t erhalten , al s die „Eh e zwischen Eise n un d Roggen", di e mit Bismarck s Schutzzollgeset z vo n 1879 vollzogen wurde . Boehm e diskutiert sie ausführlich, ein e detaillierte Monographie (in Englisch) von Ivo Lambi liegt nun vor, 43 außerdem ein e ausgezeichnete Studie von Kar l Hardach, di e auf die Ökonomischen Gründ e und Begründunge n de r Schützzöll e eingeht. 44 Hardac h ar gumentiert, da ß (a) Eisenzölle nicht gerechtfertigt waren , d a sich die Lage der deutschen Eisenindustrie in den 1870e r Jahren gebesser t hat; und daß (b) der eigentliche Grund für die mäßigen Getreidezölle in Bismarcks finanzpolitischen Sorge n und innenpolitischen Erwägungen, nicht in ostelbischen Befürchtungen der amerikanischen Importe, zu suchen ist. Die export-orientierten Ostelbie r haben sogar, im Gegensatz zu den Agrarinteressen der Industrieprovinzen (Rhein-Ruh r oder Sachsen) die Zölle bekämpft. Hie r finden sic h faszinierende, z . T . sogar recht amüsante Beispiele kurzschlüssiger Argumentation für Schutzzölle, die freihändlerische Volkswirte in Vorlesungen über Außenwirtschaftslehre evtl . auswerten können. Bismarck darf danach zu jenem erlauchte n Krei s vo n Staatsmänner n hinzugerechne t werden , de r auc h de n Mißbrauch ökonomicher Theorie im Dienste politischer Ziele keineswegs scheut. Jedoch sollt e keine diese r Beobachtunge n di e historische Bedeutun g de s Schutzzolle s (1879) als Indiz der zunehmenden politischen Macht der Industriellen verdecken, und gerade dies droht Hardachs Betonung (bes. auf S. 196) der politischen gegenüber den ökonomischen Ursache n de s Schutzzolles z u tun . De r Vergleich z u England s Ent wicklung zu industrieller „Reife" eine Generation früher scheint signifikant, nich t zuletzt wege n de r Auswirkunge n au f di e Lage de r Industriearbeiter . Hardachs kurze Monographie paßt recht gut zu H. Rosenberg s allgemeiner Inter pretation der ökonomischen und sozio-politischen Welt der Bismarckzeit.45 Da Alexander Gerschenkron da s Buch in de r Journal of Economic History schon besprochen hat, lassen Sie mich hier lediglich meine Zustimmung zu Gerschenkrons Hauptargument geben, daß nämlich der „Kondratieff" ein zweifelhafter Begrif f is t und daher nicht gan z tragfähig fü r di e politische un d soziale Geschichte de r Periode, un d ferner meine Anerkennung für Rosenbergs anregende Argumentationsweise und seinen glänzende n Sti l hinzufügen . Ic h hoffe , da ß viel e Historike r un d auc h Wirt schaftshistoriker sei n Plädoyer für eine bessere Verbindung zwischen politischer und ökonomischer Geschicht e aufgreife n werden .

IV Meine Wanderung durch die deutsche wirtschaftshistorische Literatu r hat bislang einen neuen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte, in dem Wachstum im Mittelpunkt steht, 221 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

noch nicht gefunden. Doc h gibt es einige bemerkenswerte Beispiele. Das bedeutendste Exemplar dieser Art ist W. G . Hoffmann s immense s statistisches Kompendiu m für die Zeit seit 1850.46 Hoffmann hat eine enorme Anzahl von Zeitreihen zusammengestellt, di e woh l di e Basi s für quantitativ e Arbei t i n der deutsche n Wirtschaftsge schichte für die nächsten Jahre darstellen. Sie erlauben auc h nützliche international e Vergleiche, besonders mit Großbritannien (Deane, Cole und Mitchell), den Vereinigten Staaten (Historical Statistics und die Bände des National Bureaus) und Frankreich (Marczewski). Hier finden sic h viele interessante Ergebnisse, z. B. die deutliche Korrelation zwische n steigende n Kapitalkoeffiziente n un d de m Wachstu m 1850-1913. Das Wachstum nahm besonders stark zu, nachdem das Eisenbahnnetz ca. 1880 vollendet war, was möglicherweise eine zeitliche verzögerte Reaktion der Netto-Investition im Produktivbereich (Directl y Productive Activieties) auf vorherige Erstellun g der Infrastruktur (Socia l Overheads) anzeigt. Bemerkenswert ist ferner die etwas ironische Tatsache, daß der führende deutsch e Experte auf dem Gebiet der langfristigen ökonomischen Tendenzen feststellen muß (S. 107-9), daß das „Wagner'sche Gesetz", wonach der öffentliche Sekto r tendenziell in Relation zur Gesamtwirtschaft wächst , für Deutschland , de m Geburtslan d diese s Gesetzes , nich t bestätig t werde n kann . Aber vielleicht kann der Charakter des Hoffmann'schen Werke s am besten durch eine Beschreibung eine r typische n Reih e verdeutlich t werden . Nehme n wi r al s Beispie l den gewerblichen Kapitalstock ohne gewerblich genutzte Gebäude für den Zeitraum 1850-1913. Hoffmanns Grunddateninpu t is t eine Gewerbesteuerstatisti k fü r da s Großherzogtum Baden , di e indirekte Auskunft übe r das gewerbliche Kapita l i n Baden gibt. Dies e Zahlen werden au f das gesamte Deutschland hochgerechnet, mittel s eines Koeffizienten , de r vo n Baden s Antei l a n de r Gesamtzah l de r i m Deutsche n Reich in der Industrie und im Handwerk Beschäftigten (3,8 %!) ausgeht. Da die Zeitreihe badisches Gewerbekapital mit einer Zeitreihe gewerblich genutzter Gebäude für das ganze Deutschland kongruent verläuft, un d da Hoffmann au f Grund statistische r Beobachtungen de r Entwicklun g nich t explizi t genannte r Industrielände r i m 20. Jahrhundert a n eine langfristige Relatio n zwische n Wer t der gewerblich genutz ten Gebäude und Wert des gesamten gewerblichen Kapitalstock s glaubt, hat er keine Bedenken, de n gewerbliche n Kapitalstoc k Deutschland s s o zu schätzen . Vielleich t hat er Recht. Jedoch bleiben einige Zweifel. Au s welcher Zählung stammt der Anteil 3,8 %? Wie wird er eigentlich in die Schätzung eingesetzt? Wie überzeugend könne n Konstanten sein, die auf die Zeit vor 1914 angewandt, abe r aus der Geschichte einer späteren Period e un d soga r andere r (unspezifizierten ) Lände r hergeleite t werden ? Andere derartig e Frage n dränge n sic h de m Benutze r de s Hoffmann'sche n Werke s auf: Woher stammen die Daten und wie sind sie fabriziert worden? Oder noch wichtiger: Kan n die Periode von 1850 bis 1959, die so viele revolutionäre, technologisch e und institutionell e Änderunge n zeigte , überhaup t durc h Konstante n adäqua t be schrieben werden? Man vermißt hier eine Diskussion der Indexzifferschwierigkeiten , die Hoffmanns Zahle n i n Beziehun g z u de n qualitative n Veränderunge n eine r sic h ständig industrialisierende n un d kapitalistische r werdende n Wirtschaf t setzt . Un d vielleicht ist es auch nicht kleinlich, das Fehlen von mikroökonomischen Daten, z. Β . über die Zahl von Unternehmen, Profiten, Konkursfälle n usw . zu bemängeln, deren 222 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Mitberücksichtigung ein e Interpretatio n de r Hoffmann'sche n Aggregat e erleichter t hätte. Solche Schwierigkeite n unterscheide n Hoffmann s Kompendiu m vo n Dean e un d Coles British Economi c Growth in einer Art und Weise, die eine Hauptthese diese r Rezension illustriert. Deane und Cole diskutieren und interpretieren ihre Daten ständig, ihr Buch ist ein laufender Dialog mit englischen Wirtschaftshistorikern, di e einen erheblichen Teil von Deane und Coles Rohmaterial erstellt haben. Im Vergleich dazu überläßt Hoffmann di e Auswertung und Interpretation seiner Daten weitgehend seinen Lesern. Zum Teil beruht dies einfach auf der riesigen Anzahl von Statistiken be i Hoffmann. Jedoc h zeigt sich darin auch, daß Hoffmann sein e Daten fast ausschließlich von Statistikern oder von Volkswirten bezieht und nicht von Wirtschaftshistori kern. D a ih m di e deutsch e Wirtschaftsgeschicht e kau m Informatione n bot , ga b e s auch keine Basis für den hier fehlenden Dialog. Daher sind wir Hoffmann, de m ersten Autor seit den statistischen Blütenzeiten de s frühen 19. Jahrhunderts, der eine theoretisch-statistisch orientiert e Diskussio n i n Deutschlan d möglic h macht , seh r z u Dank verpflichtet . Hoffmanns Date n könnten den Ausgangspunkt für eine Reihe von nützlichen Untersuchungen darstellen . Historike r habe n überlegt, o b sie zeitlich ausgedehn t wer den könnten, z. Β . auf das Jahr 1815, 1800 oder gar noch weiter zurück. Hier begegnet man allerdings dem Einwand, daß es keine „deutsche Wirtschaft" vo r 1850 (oder sogar 1870) gab und infolgedessen auc h keinen Sinn habe, aggregierte Daten zur Beschreibung ihrer Entwicklung, di e außerdem wichtige Differenzen unte r den konstitutierenden Teilen wie Preußen, Baden oder Bayern verschleiern würden, zu konstruieren. Ein e kategorische Antwort is t m. E . nicht möglich. Da es hier jedoch um die Frage der Datengüte geht, schein t e s erforderlich, einig e Versuche zur Erweiterun g unserer quantitativen Kenntniss e zu erwähnen. S o hat W. Zor n die Ergebnisse einer statistischen und zugleich kartographischen Bestandsaufnahme zur Wirtschaftsstruk tur der Rheinprovinz i n den 1820e r Jahren mi t Daten übe r die Zahl der Dampfma schinen, Seidenwebstühle , Gewerbesteueraufkomme n etc . vorgelegt , di e woh l nu r ein Teil einer umfassenderen Erhebun g zu sein scheint, die auch andere Regionen erfassen soll. 47 Zor n deute t de n potentielle n Wer t solche r Zahle n al s Grundlag e zu r Schätzung des nationalen Volkseinkommens und des Kapitalstocks an. G. Adelman n hat ferner eine sehr detaillierte Erhebung des preußischen Staates zum Gewerbestand der Rheinprovin z 1836 herausgegeben.48 Dies e Date n könnte n al s nützlich e Bau steine dienen. Derartige sorgfältige, empirische Studien (weitere könnten zitiert werden) sind hilfreich, auc h wenn darin keine analytischen Fragen zum Prozeß des Wirtschaftswachstums aufgeworfe n sind. 49 Jedoc h würd e di e Erneuerun g de r Wirt schaftsgeschichtsschreibung Deutschland s eine sehr lange Zeit beanspruchen, hing e sie nur von solchen Studien ab . Deshalb müssen sie durch Untersuchungen ergänz t werden, die darüber hinaus auch Hypothesen über Wirtschaftswachstum formuliere n und testen . Zur monetären Seite der deutschen Industrialisierung liegen vielversprechende Arbeiten vor. K. Borchardt s anregender Aufsatz zum Kapitalmangelproblem leitete die Diskussion ein. 50 E r sieh t keine n „Kapitalmangel " i n de r deutsche n Industri e 223 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

1800-1850, sondern „lediglich" einen Mangel an Investitionsanreizen sowie an einem effizienten Mechanismu s zur Transferierung de r Ersparnisse von der Landwirtschaf t und de m Handel zu r Industrie . Die industrielle n Investitione n bliebe n beschränk t wegen des relativen Mangels an Finanzierungsmitteln, Märkten, Zulieferern und „Infrastruktur" ; das methodische Problem dabei liegt in der Wahl bzw. Gewichtung unter den aufgezählte n Faktoren . Allerding s is t e s m.E. schwe r vorstellbar, da ß eine verbesserte finanzielle Vermittlung allein zu erhöhten Industrieinvestitionen vor 1840 oder 1850 geführt hätte . Im Gegenteil, e s ist keineswegs abwegig z u argumentieren , daß ein effizienterer Finanzsektor , entsprechen d de m Beispiel de r britischen Kolo nialbanken, noch stärker das einheimische Geldvermögen und die Ersparnisse in das in- und ausländische Staatsanleihengeschäft umgeleite t hätte, denn gerade dies unternahmen die entwickeltesten deutschen Finanzmärkte wie Frankfurt un d Berlin.51 Indessen zeigen einige Arbeiten über die preußischen finanziellen Institutione n und deren Probleme, wie schwierig eine Isolierung des Wachstumsbeitrages des Finanzsektors ist, vor allem weil in Deutschland dessen Institutionen nicht nur Verkäufer finan zieller Dienstleistungen , sonder n zugleic h auc h risikotragend e Unternehme r wa ren.52 Deutsche finanzielle Institutione n standen in dieser Zeit ebenfalls in engen Beziehungen zu r Politik; de r allgegenwärtig e H . Boehm e erläuter t i n neuere n Veröf fentlichungen dies e Beziehung. 53 Eine der erstaunlichsten Lücke n in der deutschen Literatur über das 19. Jahrhundert betrifft di e Institution der Zentral-Notenbank. Nicht s Vergleichbares zur englischen Literatur liegt vor, selbst wenn wir Claphams Geschichte der Bank of England nicht i n Rechnun g stelle n würden . Eine n Versuch , dies e Lück e auszufüllen , stell t M. Seeger s Studie über die Deutsche Reichsbank unter dem Aspekt der „Spielregeln der Goldwährung", 1876-1914 54 dar. E r stellt fest, da ß die „Regeln" nur lax befolgt wurden und bestätigt für Deutschland, was A. Bloomfiel d fü r den Goldstandard vor 1914 im allgemeinen behauptet hat. D a Seeger dem historischen Kontex t kaum Aufmerksamkeit schenkt , un d nur ein e begrenzte Bandbreite vo n durchweg veröffent lichten Quelle n heranzieht , kan n sei n Buc h kau m al s Musterbeispiel de r deutsche n wirtschaftsgeschichtlichen Forschun g au f diese m Gebie t gelten . Jedoc h enthäl t e s dank seiner Betonung des ökonomischen Sachverhalte s und seiner Verwendung Ökonomischer Analysen , wichtig e wirtschaftshistorisch e Elemente . Es besteht woh l in Fachkreisen allgemeine r Konsen s darüber, da ß die eigentliche Etablierung der deutschen Industriemacht, vo r allem im Vergleich zu Großbritanni en, ers t nac h 1870 erfolgte. Relevant e Wirtschaftstatistike n werde n ers t nac h 1870 reichlich verfügbar. Trot z solcher Quellen existiere n kaum neue Beiträge, di e systematisch das deutsche Industriewachstum 1870-1913 behandeln. Wenn Historiker auf dieses Wachstum hinweisen, wiez. B . David Landes in seinem Kapitel in Band VI des Cambridge Economic History o f Europe, oder der ο. a. Hardach, zitieren sie in der Regel die alten Autoren, wie Jeidels, Beck, Serin g oder Heymann. Neuzugäng e zu r Bibliographie de r Industriegeschicht e beschränke n sic h fas t ausschließlic h au f Fir mengeschichte un d Unternehmerbiographien . Aus diesem Grunde ist die neue Monographie von G. Milkerei t zu begrüßen. 55 In ihrer Analyse des „Moselkanalprojekts", das Lothringen mit dem Rheinisch-westfäli224 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

schen Industriegebiet verbinden sollte, erläutert sie den Zusammenhang zwischen Eisenerzquellen, Stahlproduktio n un d Transportkosten de r verschiedenen Eisen - und Stahlzentren Deutschlands . Au f de r Grundlag e eine s bishe r unerschlossene n Ar chivmaterials, insbesonder e de r August-Thyssen-Hütte , beleuchte t ihre Studi e di e Einflußbeziehungen zwische n Schwerindustriellen , Kartellpoliti k un d Staat . Di e Milkereit'sche Studi e ist freilich rech t spezialisiert un d auch nicht explizit a m Wirt schaftswachstum orientiert . Dahe r kann sie kein Ersatz für die noch dringend erfor derliche, ausführlich e Untersuchun g de r deutschen Schwerindustrie nach 1870 sein. Eine solche Untersuchung wird allerdings von ihrer Arbeit profitieren. Jene Untersuchung könnte auch aus M. Kutz' s allgemeiner und faktenreicher Geschichte der Mosel al s Transportweg (sei t römische n Zeiten ) Nutzen ziehen , di e als nicht sehr umfangreiche Begleitstudi e zu r Arbei t vo n Milkereit erschiene n ist. 56 In einem weiteren interessante n neue n Buch untersucht H . Mauersber g ein e Anzahl von Schlüsselindustrien und behandelt dabei die Periode zwischen 1870 und 1914 ausführlich.57 Seine Diskussion beruht auf der Analyse einiger, nach seiner Meinung „repräsentativer Unternehmen". Falls der Leser diese Annahme akzeptiert, und wenn er sich durch den bombastischen Wagner'schen Prosastil des Buches nicht stören läßt, wird er viel Nützliches darin finden. I n diesem Zusammenhang müßte n auc h einige Aufätze vo n W. Fische r übe r die „überraschend e positive " Rolle , di e Handwerke r und Kleinunternehmer i n der deutschen Industrialisierung nac h 1850 gespielt haben, erwähnt werden. 58 In ihrer Betonung des Wirtschaftswachstums und Benutzung von Statistiken sin d dies e Beiträg e zweifello s al s Fortschritt z u werten . Der Vergleich zwischen der deutschen Literatur und der Historiographie des englischen Wirtschaftswachstums nac h 1870 ist ebenfalls aufschlußreich. Die Abhandlungen über englische Wahsstumsprobleme von Lande s und Kindleberger zitiere n ein e große Anzahl neuerer Literaturbeiträge, quantitati v un d qualitativ, makro - und mikroökonomisch in der Orientierung. Die Frage nach dem Warum und Wie der englischen Stagnation nach 1870, von einigen Autoren als „Klimakterium" bezeichnet, hat noch keine befriedigende, geschweig e denn eine definitive Antwort erhalten. Aber sie ist zumindes t ausführlic h behandel t worden , paradoxerweis e i m Gegensat z z u de r weitaus erfolgreicheren deutschen Wirtschaft dieser Jahre. Vielleicht ist dieses Ergebnis doch nicht so paradox; jedenfalls wirf t e s zwei interessant e Fragen auf : Erstens , inwiefern is t de r englisch-deutsch e historiographisch e Unterschie d ein e Folg e zu gänglichen Quellenmaterials ? Neuer e Untersuchungen de r englischen Entwicklun g verdanken einen Teil ihrer Qualität der Sorge englischer Regierungen (ab ca. 1880) um Englands wirtschaftliche Retardation. Zweitens, da britische Schwierigkeiten häufi g im Zusammenhang mi t deutschen Erfolgen gesehe n wurden, haben englische Regierungen auch letztere ausführlich untersucht , z. Β . in Konsularberichten sowie in par­ lamentarischen Ausschüssen . Könnt e nich t di e wünschenswert e Erneuerun g de r deutschen Wirtschaftsgeschicht e vo n diese n Quelle n Gebrauc h machen ?

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15 Tilly , Kapital

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ν Es erscheint angemessen , dies e Rezension mi t der Betrachtung zweie r Büche r übe r wissenschaftliche Institutionen zu schließen: Das eine ist ein Buch über die Historische Schule, das andere ein Buch über den Verein für Sozialpolitik. 59 Beid e deuten einige Gründe fü r de n gegenwärtige n Zustan d de r deutsche n Wirtschaftsgeschicht e an , durch die Gegenstände, die sie behandeln ebenso wie durch die Art ihrer Behandlung selbst. Di e beiden Autore n versuchen di e Positionen zu beschreiben, di e Mitgliede r der Historischen Schule gegenüber den sozialen Problemen des Industriekapitalismus einerseits un d de n vo m Staa t unternommene n Maßnahme n zu r Bewältigun g jene r Probleme andererseits eingenommen haben. Müßiggang untersucht die „Ältere" (Roscher, Hildebrand , Knies ) un d „Jüngere " (Schmoller , Brentano , Bücher ) Schule ; Lindenlaub die recht variable Einstellung der Mitglieder des Vereins für Sozialpolitik, der 1872 unter der Führung von Mitgliedern de r „Jüngeren Historische n Schule" zu dem Zweck gegründet worden war, dringliche soziale Probleme und mögliche sozialpolitiche Lösunge n z u erörtern . Die herkömmlich e Unterscheidun g zwische n Ältere r un d Jüngere r Historiche r Schule mag für manche Zwecke nicht präzise genug sein, nützlich bleibt sie trotzdem. Der Bruch de r erste n mi t de r „deduktiven " Method e de r klassische n politische n Ökonomie war weniger vollkommen und ihre Durchführung eine s alternativen Programms der historischen Forschung und Publikationen unvergleichlich schwächer als bei der letzteren. Diese waren in erster Linie Ökonomen und erst in zweiter Linie Historiker. Daher der Hinweis auf Ironie zu Anfang diese r Rezension. Aber, wie Müssiggang selbs t schreibt , is t e s möglich, i n gewisse r Hinsich t vo n einer historische n Schule zu sprechen: Alle Mitglieder waren sich in der Ablehnung der klassischen Analyse der Ökonomie einig, ein e Ablehnung, di e mit ihrer negative n Einstellun g de m Laissez faire Kapitalismu s gegenüber zusammenhing. I n der Tat haben die Vertreter der älteren Schul e das Elen d un d die Spannungen de s Vormärz un d de r Revolutio n von 1848 aus nächster Nähe erlebt und dabei zugleich die Impotenz des Liberalismus beobachtet, genaus o wie die Vertreter der jüngeren Schul e besorgte Beobachter de s Aufstiegs de s deutsche n Sozialismu s waren . Älter e und jünger e Schul e könne n al s Versuche aufgefaßt werden , eine Interpretation der sozialen und ökonomischen Ent wicklung z u finden , di e zugleic h breite r al s der Liberalismu s de s Manchestertums , und weniger radika l un d allumwerfen d al s der Marxismu s wäre . Müssiggang und Lindenlaub haben beide lohnende Beiträge zur deutschen Geistesgeschichte geliefert . Bezeichnenderweis e bleibe n beid e innerhal b de r Tradition, di e sie beschreiben . Ersten s sin d beid e „Idealisten " i m Sinn e eine r Beschäftigun g mi t Ideen als zentrale Wirklichkeit un d Kraft der von ihnen untersuchten Welt. So Müssiggang: „Mi t ihre m Program m ha t sic h di e i n ihre r Interessenlag e ,mittelständi sche'historische Schule des industriellen Paupers angenommen und ihm die Möglichkeit des Aufstiegs in die bürgerliche Gesellschaft erschlossen . Ihrer Wirksamkeit und der gleichgerichtete n Organisatione n is t e s z u danken , wen n de r Proletarie r de s 19. Jahrhunderts heute weitgehend Bürger ist und nicht umgekehrt, wie Marx es prophezeite" . Zweitens akzeptierten oder unterstützten beide Autoren die methodologi226 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sche Position der Historischen Schule , d. h . ihre Abneigung gegen die Formulierung von „Entwicklungsgesetzen" i m Sinne Adam Smiths oder Kar l Marx. D a sie an den Wissenschaftlern de r Schule n al s Quelle n philosophische r bzw . methodologische r Ideen interessiert sind und die Substantiven Beiträge jener Wissenschaftler zu r Ökonomie und Geschichte nicht direkt überprüfen, kan n diese Schlußfolgerung au s ihrer Arbeit allerdings nicht abgeleitet werden. Sie stellt jedoch einen Hinweis auf das Fortleben de s Einflusse s de r Historische n Schul e bi s i n die Gegenwar t dar . Das veranlaßt uns zu folgender Schlußbemerkung: Im Nachhinein scheint die Einstellung de r Historischen Schul e (besonders Schmollers) der Theorie gegenübe r un günstige Konsequenze n fü r di e Entwicklun g de r Wirtschaftsgeschichte i n Deutschland gehabt zu haben. Sie betont die Grenzen statt die Möglichkeiten de r Ökonomischen Analyse un d gab zu verstehen, da ß Antworten au f die wichtigsten Ökonomi schen Fragen oder Probleme wohl nicht-ökonomischer Natur waren. Eine derartige Einstellung dient e kau m al s Anregun g fü r di e empirisch e Studi e vo n Märkte n un d Marktphänomenen, wie man sie heute in der deutschen Literatur vermißt. Allerding s muß dieses negative Urteil in dreierlei Hinsicht qualifizier t werden : Erstens , die gegenwärtige Situation de r deutschen Wirtschaftsgeschicht e is t weder allei n noch primär das Produkt von Entscheidungen de r Gründer der Historischen Schule; infolg e der politische n Entwicklun g nac h 1930 war di e intellektuell e Entwicklun g i n Deutschland fast eine Generation aufgehalten worden. Zweitens, Ökonomen, die bedeutende historisch e Arbeite n durchgeführ t haben , z. Β . Α . Spiethoff ode r W. Hoffmann , habe n weit weniger Wirkung auf das Fach der deutschen Wirtschafts ­ geschichte ausgeübt als Historiker. Vielleicht ist Georg von Below das beste Beispiel für die verbreitete Neigung, de n rechtlichen und kulturellen Kontex t zu betonen, in dem wirtschaftliche Entwicklung „stattfand" , statt ihn als Schlüssel zur Erklärung des Phänomens de r wirtschaftlichen Entwicklun g selbs t z u benutzen . Si e unterstriche n die Problem e de r Quelle n un d betonte n di e Gefah r de r Verallgemeinerun g soga r schärfer, al s es die Historische Schule oder ihre Erben wie W. Sombar t oder M. We ber es getan haben. 60 Drittens, wichtige Einflüsse strahlte n von den Zentren der Historischen Schule und dem Verein für Sozialpolitik nach außen. „Institutionalist economics" und sogar das Fach Wirtschaftsgeschichte ware n in Großbritannien und den Vereinigten Staaten unmittelbare Produkte dieses deutschen Einflusses . Und sowohl die Historische Schule als auch der Verein für Sozialpolitik förderten ein e große Zahl von monographischen Studie n übe r industrielle, sozial e und ökonomische Verhält nisse, auf die die gegenwärtige Wissenschaft zurückgreife n kann . Kur z gesagt, dies e Tradition enthält manches von hohem Wert. Würde die heutige Generation deutscher Wirtschaftshistoriker di e Behandlung des Wirtschaftswachstums mi t der herkömmlichen Beherrschung institutioneller Fakten verbinden, so würden es Gelehrte in anderen Länder n schwe r haben , mi t diese n Beiträge n zu r Entwicklun g unsere s Fache s Schritt z u halten .

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13. Soll und Haben II Wiederbegegnung mi t der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte Im Mittelpunk t meine s erste n Literaturberichte s stan d da s Paradigm a de s Wirt schaftswachstums,1 dort habe ich die deutsche wirtschaftshistorische Literatu r insbesondere im Hinblick auf ihren Beitrag zum Verständnis dieses Paradigmas zu würdigen versucht. Inzwischen sind mir Zweifel bezüglich des Prioritätsanspruches diese s Paradigmas gekommen, weshalb die Akzentsetzung in gewissen Punkten von der des ersten Berichte s - der i m folgende n al s „Sol l un d Habe n I" bezeichnet wir d - abweicht. Hie r wird sehr wohl der deutsche Industrialisierungsprozeß i m Mittelpunk t stehen, auch wird nach dem Beitrag der neueren Literatur zu unseren Kenntnissen des Verlaufs, der Ursache und Konsequenzen dieser Industrialisierung gefragt. Stat t aber Veränderungen in der Sozialstruktur und/oder in den rechtlichen und politischen Institutionen de r deutschen Gesellschaf t i m 19. Jahrhundert vornehmlic h al s „Vorbedingungen" ode r Nebenprodukt e eine s al s „zentrale n Prozeß " verstandene n Wirt schaftswandels aufzufassen , sol l jenen Veränderungen nun ein höheres Eigengewich t beigemessen werden , al s ihne n 1969 zugedacht war. 2 Damit ist ein wichtiges Thema angeschnitten, das diesem Bericht recht gut als Auftakt diene n kann : de r Stellenwert de r Institutione n un d di e Rolle sozial- un d wirt schaftswissenschaflicher Theorie n be i ihre r Behandlun g i n wirtschaftshistorische n Arbeiten. I n „Soll und Haben I" ist immer wieder auf die Theorielosigkeit der deutschen wirtschaftshistorische n Literatu r hingewiese n worden . Dara n anknüpfen d stellt sich jetzt die Frage, ob Sozialstrukturen und Institutionen mittels sozialwissenschaftlicher Theorien überhaupt bewältigt werden können und inwiefern diese s Problem in den letzten Jahre n Wirtschafts - un d Sozialhistorikern de r deutsche n Indu strialisierung bewuß t geworde n ist . Im allgemeinen kann man feststellen, daß seit den 1960er Jahren eine rege Theorieund Methodendiskussio n i n Deutschlan d unte r Historiker n einschließlic h Wirt schafts- und Sozialhistorikern in Gang gekommen ist.3 Ziemlich übereinstimmend ist dort für die deutsche Literatur ein erhebliches Theoriedefizit festgestell t worde n und interessanterweise haben nicht wenige Historiker in den stark ökonometrisch ausge richteten Arbeiten der „New Economic History" der USA ein zukunftsträchtiges und - bei einigen Vorbehalten - nachahmenswertes Beispiel gesehen. 4 Doch sind auch die Vorbehalte wichtig : Gege n di e ökonometrisch e Betrachtungsweis e diese r Arbeite n spricht nach Auffassung einiger Autoren deren partieller Charakter, der die Aufmerksamkeit vo r alle m au f exak t quantifizierbar e ökonomisch e - möglichst marktwirt schaftliche - Phänomene und Variablen fixiert und den Blick auf den sich wandelnden 228 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

institutionellen Rahme n un d sein e Beziehunge n zu r Sozialstruktu r versperrt . Die s könne dazu führen, da ß wissenschaftliche Ressource n i n der Bewältigung exak t beantwortbarer, abe r trivialer Problem e vergeudet werden, währen d die „große n Fragen" nach Systemwandel etc. unbeachtet blieben; dies könne auch bedeuten, daß entscheidende Elemente zum Verständnis des im Mittelpunkt stehenden ökonomische n „Subsystems" fehlen (insbesondere wo das politische System auf Stöße des ökonomischen „Subsystems " reagier t un d dan n wichtig e Inputs a n dieses zurückgibt) ; e s könne schließlich daz u führen, da ß die Folgen von Annahmen mit empirischen Er gebnissen verwechselt werden, wo „ein quasi geschichtsloses System von Marktwirtschaft al s verselbständigte sekundär e Natu r unbefrag t vorausgesetz t wird , di e neoklassische Theori e i n all e Prämisse n al s geradez u verdinglicht-fetischisiert e Selbst verständlichkeit eingeht". 5 Zur Befriedigun g de s Doppelwunsche s nac h meh r Theori e ohn e Einengun g de s Blickfeldes liege n eine ganze Reihe von Lösungsangeboten vo r , von denen ich zwei hervorheben möchte : de n Marxismu s un d de n „Property-Rights-Ansatz".6 Freilich sin d da s ungleich e Lösungsangebote . De r Marxismu s al s Method e de r Wirtschaftsgeschichte kan n au f Jahrzehnt e wissenschaftliche r Diskussio n zurück blicken und ist in einem Teil Deutschlands (in der DDR) institutionell fest verankert. Er ist zudem für eine Analyse der kapitalistischen Industrialisierun g al s gesamtwirt schaftlicher Proze ß eigen s entwickelt worden . E r bietet ein e Sichtweise an, die weit über die engen Grenzen rein ökonomischer Beziehungen hinausführt, ein e Sichtweise, di e soziale un d politisch e Veränderunge n mi t ökonomischem Geschehe n leich t verbinden und sogar kausal rückkoppeln kann (wo z. Β . Veränderungen in der Haltung de s Staates al s Produkte sozioökonomische r Impuls e gesehe n werden , di e auf das Wirtschaftssystem durc h Wirtschaftspoliti k zurückwirken) . Dabe i biete t e r mit seinen in manchen Punkten freilich angreifbaren Krisenlehre n die Möglichkeit zur intensiveren Behandlung mehr oder weniger rein-ökonomischer Beziehungen. Schließlich enthäl t e r eine Reihe von Periodisierungsvorschlägen, di e sich a n den „Forme n des Kapitals " orientiere n un d relati v kurz e Entwicklungsphase n mit langfristige n Tendenzen verbinde n lassen. 7 Gleichwohl wird ma n zugeben müssen , da ß der Marxismus - zumindest in seiner deutschen Ausprägun g - bislang daz u neigte , di e Beziehungen zwiche n Ökonomi e einerseits und Gesellschaft und Politik andererseits entweder auf einer sehr hohen Abstraktionsebene abzuhandel n (vgl . di e Diskussio n übe r di e fraglich e Übereinstim mung zwische n Produktivkräfte n un d Produktionsverhältnisse n i m Jahrbuc h fü r Wirtschaftsgeschichte, 1953, 1962 , 196 3 und zuletz t 1977) oder mehr ode r wenige r implizit von der Automatik der Abhängigkeit der Institutionen von Klassenkampfsi tuation bzw. Kapitalforme n auszugehen , u m sich häufig dan n ohne weiteren Theoriebezug de r Beschreibun g de r konkrete n Auswirkunge n z u widmen. 7a Außerde m mußte sein Totalitätsanspruch fü r die Praxis erheblich relativiert werden, worauf ic h weiter unte n zurückkomme n werde . Zur konkreten historische n Analys e de s institutionellen Wandel s schein t mi r der neulich von Borchardt geschilderte, aber in Deutschland noch kaum von Historikern 229 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

aufgegriffene „Property-Rights-Ansatz" ein e willkommene Hilf e z u bieten . Dieser Ansatz versucht bekanntlich , de n Geltungsbereic h de r neoklassische n Wirtschaftstheorie auf soziale, politische und rechtliche Institutionen auszudehnen . Bei der Behandlung insbesondere derjenigen institutionellen Veränderungen, die stark kooperative Züge aufweisen, dere n Erträge und Kosten eher gemeinsam getragen bzw. reali siert als klassenmäßig verteilt werden, wo sich auch Antagonismen eher auf individuellen Ebenen und in Konflikten zwische n Individuen und der Gesamtheit oder unter Individuen stat t au f Klasseneben e abspielen , vo r alle n Dinge n w o de n handelnde n Gruppen oder Individuen klar definierte Ertrags - und Kostenfunktionen hinsichtlic h institutioneller Veränderunge n zugeordne t werde n können , schein t de r Ansat z ei n geeignetes Deutungsinstrumen t z u sein . Ic h kann mi r vorstellen, da ß Analysen de r Stein-Hardenberg'schen Agrarreform , de r Gründung de s Zollvereins oder auch der Herausbildung vo n Organisatione n wi e de r Unternehmensverbänd e ode r de r Ge werkschaften seh r gewinnbringen d mittel s de s Property-Rights-Ansatzes vorange bracht werde n könnten. 8 Freilich sin d di e Grenzen de r Anwendbarkeit diese s Ansatze s nich t allzuwei t z u ziehen. Es handelt sich um einen „voluntaristischen" Ansatz, geeignet, bestimmte Reformmaßnahmen z u erklären, deren Kosten und Erträge sehr klar definiert un d zugeordnet werden können, der aber noch nicht in der Lage ist, „Konfliktsituatione n (be i ungleicher Verteilung von Gewinnen und Verlusten auf verschiedene Gruppen als Ergebnis institutioneller Innovationen) , Drohung , Macht , Ausbeutun g . . . [die] nicht im Rahmen des bevorzugten Gleichheitsmodells lösbar [sind]", überzeugend zu deuten.9 In bisherigen Fassungen setzt der Ansatz sogar die Existenz von Spielregeln fü r „Transaktionen" zwische n Individuen un d Gruppen, d. h . den Staat, voraus, erklärt diesen abe r nicht . Zusammenfassend kan n ma n sagen, da ß sic h deutsche Wirtschafts- un d Sozialhi storiker dem Vorwurf der Theorielosigkeit in der eigenen Literatur gestellt haben und Möglichkeiten der Korrektur - auch ausdrücklich im Hinblick auf die Frage des institutionellen Wandel s - ziemlich ausführlich diskutier t haben. Ich sehe aus dieser Diskussion heraus gewisse Chancen für die hier angesprochenen Interpretationsansätze , kann mic h abe r auf Grun d meine s Einblicke s i n de n methodischen „Vorraum " de r Disziplin nicht des Eindrucks erwehren, da ß nach wie vor die Vorbehalte gegen eine stärkere theoretisch e Durchdringun g de r Wirtschaftsgeschicht e de r Industrialisie rung (insbesonder e auc h i n de r Frag e de s institutionelle n Wandels ) eine n höhere n Stellenwert in der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte besitzen als für deren Fortschrittgut wäre-zumal sic h die Vorbehalte gegen Gefahren zu richten scheinen, die nicht nur un d nicht hauptsächlich be i den explizit formulierten Theorie n angel sächsischer und neoklassischer Provenienz zu finden sind . Hierzu noch drei Bemerkungen. Ersten s gelten die Warnungen, di e Historiker be i der Diskussion de s Marxismus oder des Property-Rights-Ansatzes formulier t haben , daß nämlich Theorien, die aus einem bestimmten historischen Zeit- und Raumgebilde stammen und zur Deutung von dessen augenfälligsten Strukture n entwickelt werden, als Interpretationsinstrumente außerhal b jenes Zeit-Raum-Gebildes nich t tauglic h sei n können, au f all e Alternativansätze ebenfall s zu. 10 Darübe r hinau s schein t mi r diese r Einwan d eine r 230 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

zwingenden Begründun g z u entbehren , d a Theorie n zweifello s übe r ihr e Entste hungsbedingungen hinau s z u greife n vermögen . Zweitens sehe ich in der „Gefahr, daß man alle beobachtbaren Zustände schließlich als einen Erweis ihrer relativen Vorteilhaftigkeit un d alle beobachtbaren Änderunge n als Beweis vorheriger Ungleichgewicht e ansieh t . . ." und sodann al s Sieg des „Ver nünftigen" übe r da s veränderte „Unvernünftige " darstellt , nich t al s ein e besonder e Eigenschaft de s Property-Rights-Ansatzes, sonder n als eine Gefahr, di e bei jeglicher ex post Analyse besteht, w o zwischen Explanan s und Explanandum nu r undeutlic h unterschieden werde n kann. 11 Es ist sogar ein Vorteil des angesprochenen Ansatzes, daß di e Grenzen de r Aussagekraft relati v leich t z u erkenne n sind . Drittens, die Kritik an dem partiellen Charakter der „New Economic History" und deren Nachkömmling , de m Property-Rights-Ansatz , übersieh t häufig , da ß i n de r konkreten Praxi s alle anderen Ansätz e auch partiellen Charakte r haben , ein e Tatsache, die nicht oder nur auf oberflächliche Weis e durch wiederholte Hinweise auf das Gesamtbild (de r Ökonomie und Gesellschaft ) modifiziert werde n kann . Ma n sollt e auch einsehen , da ß Vorteile von spezialisierten, explizit-partielle n Studie n - wie sie sich in der deutschen Wirtschafts - un d Sozialgeschichte i n besonderem Ausma ß al s Möglichkeiten aufdränge n - nicht notwendigerweise dere n Integratio n i n einer Gesamtschau der wirtschaftlichen un d sozialen Entwicklung verhindert, da ß daher solche Vorteile nicht auf Koste n einer „höheren " (weil umfassenderen ) Perspektiv e er kauft werde n müssen . Vielleicht is t es nicht unangebracht, mei n Urteil i n folgende r Behauptung zusammenzufassen : Di e Grenzerträge quantitativ-theoretischer Arbei ten sind in der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte noch relativ hoch. Diese Behauptung soll nun am Beispiel einer Auswahl aus den in den letzten Jahren erschienenen Beiträgen i m folgenden beleg t werden . II Ein Gesamtbild de r Industrialisierung Deutschland s versuchen einig e in den letzten Jahren erschienenen Lehr- und Handbücher zu geben. Nennenswert sind die Bücher von K. Borchardt , F. W . Henning, J . Kocka , H. Mottek (und Mitarbeiter) und das von W. Zor n herausgegeben e Handbuc h de r deutsche n Wirtschafts - un d Sozialge schichte. 12a Ein verstärktes Theoriebewußtsein ist (im Vergleich zu früheren Publikationen dieser Art) in diesen Beiträgen z u spüren, obwohl die Gewichtungen un d damit zusammenhängende Periodisierungen unterschiedlich sind. Borchardt, Henning , Kocka und das Handbuch ziehen 1800 (oder „Ende des 18. Jahrhunderts") und 1914 (oder 1913) ihre entscheidenden Zäsuren. Für die erste Hälfte de s 19. Jahrhunderts bestehen insofern Unterschiede, als Borchardt, der sich stark an quantifizierbaren Er gebnissen orientiert, di e Zeit bis 1850 als „Anlaufperiode" versteht , währen d Kock a und Henning diese Phase schon in den 1830e r Jahren als beendet und die Industrielle Revolution als begonnen ansehen. Kocka bietet eine Wirtschaftsgeschichte de r Industrialisierung au s der Sicht des deutschen Unternehmers, die als Korrektur der recht makroökonomisch-orientierten Beiträg e vo n Borchard t un d Hennin g gelte n kann , 231 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

die auf Unternehmer und ihre wichtigen, de n „Markt " ersetzende n Großunterneh mensorganisationen, kau m eingehen. Dies führt u. a. dazu, daß die Periode von 1871 bis 1914 als „Weg zum Organisierten Kapitalismus " unter besonderer Berücksichti gung de r Unternehmenskonzentratio n stat t wi e be i Hennin g ode r Borchard t al s „Ausbau der Industriewirtschaft" gesehe n wird. Mottek u. a . setzen mit ihrem Werk die erste, von Mottek allei n verfaßt e zweibändig e „Wirtschaftsgeschicht e Deutsch lands" fort und erfassen di e Periode von 1871 bis 1945. Ihre Interpretation ist natürlich marxistisch-leninistisch, wa s nicht gewiss e Übereinstimmungen mi t den vorhin genannten Autore n ausschließt , abe r sie von ihnen dennoch deutlich trennt . Diese r Band 3 scheint mir wesentlich „politischer" zu sein als die vorhergehenden Bände, er geht eigentlich von der Sicht der Geschichte des 20. Jahrhunderts, vor allem des Faschismus al s Folg e de r Entwicklun g de s Staatsmonopolkapitalismus , a n di e letzt e Epoche de s 19. Jahrhunderts (1871-1914) heran, wa s sicherlic h Berechtigun g hat , aber den Nutzen de s Buches für unser Verständnis des Industrialisierungsprozesse s doch vermindert. Den n obwohl es legitim ist, in der Industrialisierung de s 19. Jahrhunderts historische „Vorleistungen" für den Faschismus zu sehen, verstellt doch die bei Mottek u. a. ständig zu lesende Betonung der Monopolisierung oder des Imperialismus den Charakter des Industrialisierungsprozesses. Dieser Prozeß war nicht nur vom Handeln der monopolisierenden „Macher" und ihren agrarischen und bürokratischen Verbündeten geprägt , sonder n auc h durc h di e di e Konsumwünsch e verändernde n Einkommenssteigerungen tausende r vo n Haushalten, durc h ein e mit soziale n Auf und Abstiegsbewegungen verbundene Verlagerung der Erwerbstätigen vom primären zum sekundären und teritären Sektor der Wirtschaft oder auch durch die mit Verstädterung und gestiegenem Bildungsgrad einhergehende Schrumpfung de r Geburtenrate und durchschnittlichen Familiengröße der Bevölkerung gekennzeichnet. E s ist überraschend, i n eine m marxistische n Wer k de n Wirtschaftssubjekte n sovie l un d de m Strukturwandel soweni g Gewich t beigemesse n z u sehen , jedenfall s verschütte t di e Hervorhebung der aktiven Gestaltung der Wirtschaft durch die politische Macht eine wichtige Erkenntnismöglichkeit . Allerdings is t gerade di e hie r angedeutet e Variatio n de r Sichtweis e geeignet , di e fundamentale Bedeutun g vo n Periodisierungsentscheidunge n fü r di e Interpretatio n der Industrialisierungsgeschicht e z u verdeutliche n - übrigens ei n Grund , weshal b Lehrbücher besonders kritisch betrachtet werden müssen. Wer sich als Historiker mit dem deutschen Faschismu s beschäftigt , abe r zugleich politische Geschicht e al s Teil der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte versteht , wird keine Schwierigkeiten haben , in der Industrialisierung de s 19. Jahrhunderts Stufen auf dem Weg zum Faschismus zu erkennen, wird aber vermutlich für die materiellen Errungenschaften desselbe n Jahrhunderts sowi e fü r di e mi t der Industrialisierun g einhergehende n Strukturverände rungen, deren Beziehung zur Politik nur mittelbar sind, weniger aufnahmefähig sein . Ich sehe ein, da ß dem deutschen „Fall " der Industrialisierung au s der Sicht der Geschichte des Faschismus leicht negative Züge abgewonnen werden können, die bei einer nur bis 1914 reichenden oder bei einer die Zeit von 1949 bis 1970 besonders betonenden Behandlung wiederum leicht verschwinden können. Daher spricht einiges in der Tat für ein e Periodisierung de r Industrialisierungsgeschichte , di e nicht 1914 als 232 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

absolute Grenze verwendet un d Kontinuitäte n zu m restliche n 20. Jahrhundert auf zeigen läßt. 12b Eine mindestens genauso wichtige und schwierige Periodisierungsfrage betrifft den „Beginn der deutschen Industrialisierung". I n den o. e . Überblicken wird dieser um 1800 oder „End e de s 18. Jahrhunderts" datiert . Natürlic h is t die s ein e di e bishe rige Forschung reflektierende un d somit wohlbegründete Konvention . Sie kann sich außerdem auf die in Deutschland um diese Zeit spürbaren Folgen der englischen Industriellen Revolutio n un d französische n Revolutio n - Hobsbawms „Doppelrevolu tion" - berufen.13 Wil l ma n aber im Sinne der einleitenden Bemerkunge n z u diesem Bericht die deutsche Industrialisierung nicht nur als ökonomisch-technischen Proze ß im Kontext der europäischen Industrialisierungsgeschicht e deuten , sondern auch als Teil eine r komplexe n sozialen , politische n un d ökonomische n Transformatio n i m weltweiten Rahmen sehen, so ist eine Ausweitung der chronologischen Grenzen nach „hinten" angebracht . Die spürbar e Vermehrun g besitzlose r Unterschichte n insbe sondere durch Bevölkerungswachstum auf dem Lande, die Entwicklung vo n überregionalen Märkten für Agrarerzeugnisse und gewerblicher Produkte, di e Akkumulation von Geldvermögen in den Händen weniger Handelskapitalisten und die allmähliche Anpassung fürstliche r Herrsche r a n Regeln de r Kapitaleigentümer be i Ausdehnung der eigenen Verwaltungsfunktionen un d Hoheitsansprüche, sin d Manifestationen jener Transformation , di e sich i m 18. Jahrhundert - wahrscheinlich spätesten s seit 1750 - in Deutschland beschleunigte und wohl Weichen für die Entwicklung de s 19. Jahrhunderts gestellt hat. Es gibt Gründe - nich t zuletzt in der den gesamteuropäischen Raum für die Zeit von ca. 1500 bis 1850 auf eindrucksvoller Weise behandelnden Arbeit von Kriedte, Medick und Schlumbohm - für die Vermutung, da ß „Protoindustrialisierung", d. h . der Prozeß des Ausbaus der für überregionale Märkte arbeitenden ländlichen Industrie, ein Komplex von erforschbaren soziale n und ökonomischen Veränderunge n darstellt , di e ein e Rückverlagerun g de s „Beginns " auc h de r deutschen Industrialisierun g sinnvol l erscheine n läßt. 14 Ei n paa r Arbeite n zeige n schon de n Weg. 15 Als Stütze der bisherigen Periodisierung der deutschen Industrialisierung hat auch die Tatsache gedient, daß man den Beginn des beschleunigten Wirtschaftswachstum s oder de r Industrielle n Revolutio n ers t fü r da s zweite Dritte l (Hoffmann , Hennin g und Kocka, z.B. ) ode r gar für die zweite Hälfte (Borchard t z.B. ) de s 19. Jahrhunderts überzeugen d bzw . quantitati v nachweise n konnte . Ma n glaubte , hinreichen d über das erste Drittel des 19. Jahrhunderts informiert z u sein, um für diese Zeit von Stagnation oder allenfalls „Ansätzen zum Anlauf" sprechen zu können, die gewählte Periodisierung, so nahm man an, erfasse tatsächlich den eigentlichen Beginn der Industrialisierung und erübrige somit eine weitere Rückverlagerung des Anfangsdatums.16 In der Tat können wir diese Überzeugung - selbst wenn wir entscheidende Veränderungen im 18. Jahrhundert vermuten - noch nicht widerlegen, den n an eine überregionale bzw. „nationale " Aggregierung de r verschiedenen regionalen oder branchenspezifischen Studien, die quantifizierbare Anhaltspunkte liefern (einschl. Studien, die vor 1830 nennenswerte Fortschritt e nachweisen) , is t leide r noc h nich t z u denken . Woran wi r denke n können, is t ein e genauere Datierung un d Deutung de r erste n 233 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Wachstumswellen und Konjunkturschwankungen de r Frühindustrialisierungsphase. Denn außer der neueren allgemeineren Darstellungen von Borchardt und Hoffman n und einer Reihe von noch zu erörternden sektoralen Studien steht uns jetzt die anregende und materialreich e Gesamtanalys e vo n R. Spre e für di e Periode 1840-80 zur Verfügung.17 Au f 48 ausgewählten und z.T. mühsa m konstruierten Konjunkturindi katoren de m begriffs - un d meßtechnische n Appara t (zu r Indexkonstruktion ) de s amerikanischen „Nationa l Bureau of Economic Research", und einer die Investition betonenden Konjunkturlehr e aufbauend , biete t Spre e ein e quantitativ e makroöko nomische und sektorale Analys e de r vier Zyklen umfassende n Period e von 1840 bis 1880, die unsere Kenntnisse dieser so wichtigen Entwicklungsphas e eine n wesentli chen Schritt weiterbringt un d u. a . ein e vor Jahren aufgestellt e Forderun g nach makroökonomischen Konjunkturstadie n de r frühindustrielle n Phas e fü r Deutschlan d nach de m Muste r de r fü r Großbritannie n ausgearbeitete n Studi e (etw a de r vo n R. C . O . Matthews) , befriedigt. 18 A n dieser Stelle kann ich Sprees Arbeit nicht kritisch würdigen, sonder n nur einige wichtige Ergebniss e historisch einzuordne n versuchen. Ersten s zu r Periodisierung : Deutschland s erste r industrielle r Aufschwun g wird, wie bei anderen Autoren, dem Eisenbahnbau de r 1840er Jahre zugeordnet, je doch auf die kurze Zeit von 1845-47 beschränkt und in seiner Kraft als durch Agrar krise und passive Handelsbilanz gebrems t beurteilt . Hierdurc h wir d di e Uneinheit lichkeit de s Konjunkturverlaufs i n de n verschiedenen Teile n de r Wirtschaf t reflek tiert. Interessan t ist in diesem Zusammenhang Sprees Zurückweisung jene r Autore n (wie z. B . Spiethoff), die unter besonderer Betonung der Preisentwicklung de n ersten Aufschwung 1842-3 beginnen ließen , interessan t auc h J . Bergmanns Versuch , mi t teilweise denselben Indikatoren die Wirkung der Konjunktur auf Ausbruch und Verlauf der Revolution von 1848 differenziert darzustellen. 19 Der Boom der 1850er Jahre hingegen gil t al s „vehementester " Aufschwun g de r Gesamtperiode , de r durc h ein e „bis dahin unvorstellbar e Mobilisierung de s Kapitals für industrielle Unternehmun gen" getragen wurde; ihn erklärt Spree durch die Heranreifung de s schwerindustriellen Komplexes, die damit zusammenhängende Importsubstitutio n i n der Eisenindustrie (mit deren Konsequenzen für den Kohlenbergbau) und überhaupt durch eine aktive Außenhandelsbilanz , abe r eigentümlicherweis e nu r zu m geringere n Teil durc h das Ausbleiben erneute r Agrarkrisen. Die s könnte wieder ei n Argument fü r die vor Jahren von W. Rosto w vorgeschlagen e Datierun g de s Beginns de r deutschen Indu striellen Revolution u m 1850 sein. Schließlich sieht Spree in der Krise von 1873 und der darauffolgenden Stockun g di e Konsequenze n eine r Anpassung de r Kapazitä t i n Schwerindustrie an die langfristige Nachfrage und gewissermaßen eine Folge des Auslaufens de r mi t diese n Sektore n verbundene n Investitionsmöglichkeiten . Die s erin nert interessanterweise an die einst von Kondratieff und Schumpeter entwickelte und zuletzt vo n Wehle r bemüht e Interpretatio n de r Lange n Welle n de s industrielle n Wachstums, d a auc h dies e Autore n vo n de m Aufkomme n neue r „Leitsektoren " (Chemie und Elektrotechnik z. Β. ) im Zuge der durch Stagnation der älteren Träger verursachten Depressio n de r 1870e r un d frühen 1880e r Jahre sprechen. 20 Zweiten s zur Funktionalanalyse: Gemä ß eine m de r marxistischen Krisenlehr e nahestehende n Theorieverständnis sieht Spree in der durch Gewinnerwartungen bestimmte n Investi234 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

tionsneigung industrielle r Kapitaliste n di e Hauptträge r de r Konjunktur . Mi t eine r Vielfalt von quantitativen Testvergleichen kann er die Bevorzugung dieser Interpretation gege n ander e „Theoreme " wi e di e Akzelerator- ode r die Unterkonsumptions these begründen, wenn auch zusätzliche Erläuterungen zu den mit diesen Vergleichen zusammenhängenden Korrelationsanalyse n willkomme n gewese n wären . Dritten s zur Sektoranalyse: Spre e stuf t di e Eisenbahne n al s Schrittmacher ode r Cyclemake r ein, da nach Ausarbeitung eine s Systems von Leads und Lags in den Beziehungen zu anderen Sektoren die Führungsrolle der Eisenbahnen deutlicher wird als ihre Abhängigkeit bzw. als die Führungsrolle anderer Sektoren wie z.B. der Banksektor, der eine bescheidene „erlaubende " Roll e spielt ode r der Agrarsektor, de m während de r Gesamtzeit ehe r eine ergänzende un d bremsend e Funktion i n schon anlaufenden Auf schwüngen ode r ein e abschwungbremsend e Roll e zugesproche n wird . Allerding s wird bei dieser Bewertung nur die Industriewirtschaft betrachtet ; bei den konjunkturellen Bewegunge n de r Gesamtwirtschaf t - z. B . a n Schätzungen de s Nettoinland produkts gemesse n - ist der Agrarsektor bi s in die 1860e r Jahre bestimmend gewe sen. 21 Für die folgende Periode bis 1914 liegt leider keine umfassende Konjunkturstudi e neueren Datums vor, doch decken einige der schon zitierten Beiträge von Borchardt und Spree Teile dieser Phase mit neuen (insbesondere monetären) Daten und Überlegungen ab. 22 Erwähnenswert is t eine erneute Zurückweisung de s Begriffs „Groß e Depression" als Periodisierungsinstrument fü r die Zeit von 1873 bis 1895, diesmal auf Grund konjunkturstatistischer Bedenke n (Nichtberücksichtigun g de r Stärk e de s vorhergehen den Aufschwungs , Willkü r de r zeitliche n Grenze n (1873 und 1895), die au f eine n Vergleich zwischen Konjunkturgipfel un d -tiefe hinauslaufen etc.). Borchardts Interpretation widerspricht übrigens W. Hoffmann s auf „Wachstumsschwankungen" be gründetem Playdoyer für die Beibehaltung des Konzepts und auch den begründeten Vorstellungen Mottek s u . a . hierzu. 23 Schließlic h se i noc h au f di e i m Langzeitver gleich beeindrucken d hoh e Stabilität de r deutsche n Wirtschaf t 1850-1913 (und be sonders 1880-1913) hingewiesen, die nur wenig Raum für die Vermutung eines direkten Zusammenhange s zwische n de r Krisenhaftigkei t de r deutsche n Wirtschaf t un d politischen Mechanismen , di e zum Erste n Weltkrieg führten , offe n läßt , abe r selbst noch erklärungsbedürfti g ist. 24 III. Zur Entstehun g de s soebe n skizzierte n Gesamtbilde s de r deutsche n Industrialisie rung haben mehrere Einzelstudien über Teilprobleme beigetragen. Im folgenden betrachten wi r dies e Beiträg e au s der Doppelsich t de s Wirtschaftswachstums un d des industriellen Wandels . Zu den wichtigsten, abe r leider noch nicht geklärte n Fragen de r deutschen Indu strialisierung gehör t die Rolle des Agrarsektors. Die neueren Beiträg e zur Entwick lung der Produktion und der Produktionsfaktoren i m Agrarsektor bauen im wesentli235 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

chen au f de n älteren Schätzunge n vo n v. Finckenstein , Hellin g un d Hoffmann auf und vermöge n nu r i n Teilfrage n übe r di e fundamentale n Unsicherheite n solche r Schätzungen (vor allem der Anbaufläche bzw. der Brache) hinaus zu gelangen. 25 Daher habe n Interpretatione n diese r Roll e gewissermaße n Denkspielcharakter , z. Β . scheint de r Agrarsekto r durc h sei n große s Gewich t bi s i n di e 1860e r Jahre di e gesamtwirtschaftliche Konjunktu r entscheiden d gepräg t z u haben , dennoc h spielt e er trotz vermutlic h bedeutende r Produktivitätsfortschritt e i n de r erste n Jahrhundert hälfte keine führende Roll e für das Industriewachstum. Diese s Urteil ergibt sich aus Kenntnis der anhaltenden Steigerun g de r landwirtschaftlichen Preis e in Relation z u Industriepreisen, au s den vor allem von Spree, aber auch von Abel ausgearbeitete n konjunkturellen Zusammenhängen, un d aus den von Kutz, von Borries und Dumke diskutierten Exportüberschüsse n (insbesonder e de r preußische n Agrarwirtschaft) , die zur Entschuldung und dann zum Geld-Kapitalexport außerhalb Deutschlands geführt haben könnten, nicht aber aus einer quantitativen Analyse von Vor- und Rückkoppelungseffekten, di e noch zu leisten wäre.26 Dieser Eindruck wird nicht widerlegt durch di e punktuelle Dokumentierung bestimmte r direkte r Beiträg e der Landwirt schaft zur Industrialisierung, wi e z. B . bei dem von H.-H. Mülle r untersuchten Zusammenhang zwischen Rübenbau und Rübenzuckerproduktion, i n den datenreichen Ausführungen v . Hippel s zu r württembergische n Agrarentwicklun g ode r durc h P. Borscheid s Interpretation der Folgen der Agrarkrise der 1840er Jahre für die Entwicklung de r Chemi e i n Deutschland, 27 den n daz u wär e ein e Aggregierun g - und Gewichtung - solcher Beiträg e erforderlich . Interessanterweise weck t die o. a . Interpretation de r Rolle der Landwirtschaft i m Zusammenhang mit einigen neueren Arbeiten von Dickler und Harnisch Zweifel an der von der Datenqualität her mindestens genauso angreifbaren, abe r dennoch immer wieder i n der Literatur zitierte n These von G. Ipse n über die preußische Bauernbe freiung al s Landesausbau. 28 Ipse n unterstreicht di e das Agrarland erweiternde n un d das Bevölkerungswachstum stimulierende n Wirkunge n de r preußischen Agrarrefor men und bagatellisiert implizi t di e sozial so wichtigen Umverteilungseffekt e de r Reformen. Doc h ist fraglich, (a ) ob die Vergrößerung de r Anbaufläche nac h 1805 tatsächlich so stark war, wie Ipsen glaubt, (b) ob das Bevölkerungswachstum erst in der von Ipsen untersuchten Period e (nach 1805) einsetzte und (c) ob die mit den Refor men verkoppelte Umverteilung des Landbesitzes zu Ungunsten der Mittelbauern tat sächlich s o unbedeutend war . Dickle r un d Harnisc h weise n au f di e scho n i m 18, Jahrhundert i n den preußischen Ostprovinze n mi t der Kommerzialisierun g de r Landwirtschaft beginnend e Bevölkerungsexpansio n insbesonder e de r unterbäuerli chen Schichten hin, die den Boden zum Engpaßfaktor macht e und dem preußischen Adel eine Umverteilung des Bodens zugunsten der Großgrundbesitzer wohl nahegelegt haben kann. Sie (besonders Harnisch mit einer neuen Quellenkritik) zeige n au ßerdem, daß die durch Reformen bewirkten bäuerlichen Landverluste erheblich über der üblicherweise in der Literatur zitierten, auf einem amtlichen Vergleich zwische n 1816 und 1859 fußenden un d zuletzt vo n Saalfeld erneu t bestätigten Schätzun g vo n 2-3 % des „ursprünglichen Besitzstandes" gelegen haben muß. 29 G. Mol l faßte 1972 die Literatur über die mit Landabgabe in Beziehung stehenden Frage des „Loskaufs" 236 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

zusammen und kam auf recht bedeutende Beträge an Geldkapital, die an den adligen Grundbesitzer geflossen sin d und somit als Voraussetzung der deutschen Industrialisierung gedient haben könnten. Harnisch hat allerdings gerade in dieser zur Last der Bauern ausfallende n Umverteilun g ei n Entwicklungshindernis de s 19. Jahrhunderts gesehen.30 All dies e Autore n sehe n di e Reforme n al s „notwendige" , wen n auc h wege n de r Stärkung de s Landadel s politisc h verhängnisvoll e Schritt e i n de r Entwicklun g de s deutschen Industriekapitalismus an, da ohne sie kein quantitativ ausreichendes Proletariat zur Abwanderung in die Industriezentren zur Verfügung gestande n hätte. Aber trotz Einsicht in die „mangelnde Effizienz" eine r so verspäteten Abwanderung (oder „Freisetzung") - die eigentlic h ers t i n de r 2. Hälfte de s 19. Jahrhunderts began n stellen sie nicht di e m. E . entscheidend e Frage, o b die Stein-Hardenberg'schen Re formen bzw . di e Bauernbefreiung überhaup t al s eine für die Entwicklung de s deutschen Kapitalismus notwendiger Schrit t bezeichnet werden können. Die Beantwor tung diese r Frag e erforder t noc h meh r Kenntniss e de r Entwicklungstendenze n de s 18. Jahrhunderts, um die Fortschritte der eben erwähnten Beiträg e von Dickler und Harnisch abe r auch die der Arbeit von H.-H. Mülle r weiter vorwärts zu bringen. 31 Die Infragestellung de r „Notwendigkeit" de r Reformen müßt e auch der Tatsache Rechnung tragen, daß die Konsequenzen des einmal beschrittenen „preußische n Weges" weit in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, ja sogar bis ins 20. Jahrhundert hineinwirkten. Si e trugen, wie z. B . F. Tipto n oder auch K. Saul feststellt, z u einer innenpolitischen Auseinandersetzun g mit regionale n Dimensione n bei. 32 Zu r Ergän zung vorliegender Schilderungen politischer Implikationen wäre jetzt eine ökonomische Analyse der „Kosten" dieser im internationalen Vergleich relativ ineffizient, abe r innenpolitisch doc h s o mächtige n ostelbische n Agrarwirtschaf t fü r di e Period e 1870-1914 angebracht. Fortschritte in unseren Kenntnissen der Entwicklung der nichtlandwirtschaftliche n Bereiche werde n nac h wie vo r vo n Quellen - un d Datenschwierigkeite n gehemmt . Selbst Angabe n zu r Zah l de r i n verschiedenen Branche n Erwerbstätige n i n zeitlic h und räumlich vergleichbarer Form sind für die Periode bis ca. 1871 nur mit Mühe zu machen, wie Kenner der Materie, z. B.W . Fischer , O. Büsc h oder K.-H. Kaufhol d überzeugend zu berichten wissen, un d Daten über Produktion, Produktionskosten , Kapitalbildung und Handelsvolumen sin d sogar für den Zeitraum 1870-1914 dürftig und lückenhaft. 33 Doc h haben Historiker die Schwierigkeiten wahrscheinlic h über bewertet, vielleich t z. Τ . weil ihne n ein e klar e theoretisch e Vorstellun g (ode r ei n „Modell") fehlte, mit dem sie Datenlücken schließen oder verringern könnten. Jedenfalls kann hier von einigen Erkenntnisfortschritten berichte t werden, die mittels Anwendung eine s klaren theoretische n Entwicklungskonzepte s - der Führungssektor analyse - zustandegekommen sind . Auf diese Studien wurde im Zusammenhang mit der Diskussion des konjunkturgeschichtlichen Beitrage s von Spree, der ja u. a . Füh runessektoranalyse verwendet , bereit s hingewiesen . Zunächst kan n di e Arbeit von G . Kirchhai n beschriebe n werden , di e dank eine r dichten firmengeschichtlichen Literatu r und einer überschaubaren Produktionstech nologie, ausreichen d konsistent e Schätzunge n übe r Wachstum , Faktorinput s un d 237

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technischen Fortschritt der Baumwollindustrie im 19. Jahrhundert macht. 54 Am Beispiel diese s Sektor s können Aussage n übe r di e Rolle de r Konsumgüterindustri e i m Industrialisierungsprozeß sowi e übe r di e spezifisch e Bedeutun g de s industrielle n Vorsprungs Englands (der gerade bei Baumwolle überwältigend war) für die deutsche Entwicklung gemach t werden. Nac h Kirchhain war die Baumwollindustrie (Spinne rei- un d Webereibranchen ) wege n ihre s relati v große n gesamtwirtschaftliche n Ge wichts, ihres überproportional starken Wachstums und der starken Verbilligung ihres Outputs (in Relation z u anderen Industrie- und insbesondere Textilwaren) ein Führungssektor, de r jedoch aufgrun d de r Schwäch e de r von ih m ausgehende n Koppe lungseffekte kau m mi t den Produktionsgüterindustrien z u vergleiche n ist . D a Vorkoppelungseffekte - gemeint ist die investitionsstimulierende Wirkung einer Verbilligung der Baumwollwaren i n Sektoren, di e diese als Inputs verwenden - vorwiegend den Konsumenten zugute kamen und somit kaum abschätzbar sein dürften un d weil Rückkoppelungseffekte - hier ist di e investitionsstimulierend e Wirkun g i n de n de r Baumwollindustrie vorgelagerte n Sektore n gemeint , di e durc h ein e erhöht e Nach frage de r Baumwollindustrie nac h Produkte n ode r Dienstleistunge n jene r Sektore n verursacht wir d - entweder unbedeutend ware n ode r ins Ausland „abflossen " (Ma schinen wurden z. Β. bis Ende des 19. Jahrhunderts größtenteils importiert), können starke Wachstumsimpuls e nich t kla r identifizier t werden. 34a In Zusammenhang mi t der Rolle England s ist auf dem die englische Überlegehei t reflektierenden Rückgan g i m Selbstversorgungsgrad i n Garn für Deutschlan d in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinzuweisen, de r dann in den 1850er Jahren radi kal vergrößert werde n konnte (von ca. 33 auf 70 % ). Es stellt sich die Frage nach der Wirkung diese r Import e für di e protoindustriell organisierte n Webereie n Deutsch lands un d dere n Bedeutun g fü r di e Modernisierun g de r deutsche n Spinnereien. 35 Kirchhain sieh t jedenfall s i n de r Handelspoliti k de s Zollverein s mi t eine n Grun d für dies e Importsubstitution , liefer t abe r gleichzeiti g hypothetisch e Berechnungen , die in den Binnenmarkt beinflussende n Einkommens - und Substitutionseffekten de r Verbilligung vo n Baumwollgarne n de n Hauptfakto r (vo r Importsubstitutio n bzw . Zollpolitik) erkenne n lassen . Indessen sieht die Literatur nach wie vor in dem schwerindustriellen Komple x der Eisenbahnen un d der Eisen- , Steinkohlen - un d Maschinenbauindustri e de n Haupt träger oder Führungssektor der deutschen Industriellen Revolution, eine Ansicht, die auch die hier zu erörternden Beiträge von Fremdling, Holtfrerich und Wagenblaß bestätigen.36 Holtfrerichs ökonometrisc h angelegt e Arbei t zu m Ruhrkohlenbergba u gewinn t bereits bekannte Daten mit Hilfe der Führungssektoranalyse neue Aussagen ab. Auf Grund seine s Gewichtes , seine s überdurchschnittliche n Wachstums , seine r Nach frage nach Transportdienstleistungen kan n der Ruhrkohlenbergbau als Führungssektor eingestuf t werden , jedoc h wege n relati v geringe r Produktivitätssteigerungen , Preisreduktionen und einer noch zu besprechenden Abhängigkeit von der Nachfrage anderer Sektoren gilt diese Qualifizierung nu r mit Einschränkungen. Die Interdepen denzen dieses Sektors mit der Eisenindustrie und Eisenbahmen analysiert Holtfreric h mit Hilfe eine r Input-Output-Tabelle, di e eine Dominanz de r Eisenbahne n fü r di e 238 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Zeit von 1852 bis 1874 nahelegt. Diese s Modell dient u. a . zur Interpretation des bedeutsamen und schon oben im Zusammenhang mit Sprees Arbeit diskutierten Unterschiedes zwischen den 1840er und 1850e r Jahren. Während der 1840er Jahre kam die Nachfrage des um ca.20 % pro Jahr wachsenden preußischen Bahnnetzes zum erheblichen Teil belgischen und englischen Eisenproduzente n zugute , so daß deutsche Eisen- und Kohleproduzenten nu r ein jährliches Wachstu m von jeweils ca. 4 % erlebten; in den 1850e r Jahren hielt (z. Τ . durch Schutzzölle) die einheimische Eisenproduktion mi t einem jährliche n Zuwach s vo n 30% Schritt mi t de m nun u m 10% pro Jahr wachsenden Eisenbahnnetz - was die verstärkte Nachfrage nach der um 9 % jährlich wachsenden Ruhrkohlenproduktion erklärt . Diese n von Holtfrerich angedeute ten Prozeß der Importsubstitution ha t jetzt Fremdling unter Fortsetzung seine r früheren Arbeit und Differenzierung nac h Roheisen und Eisenschienen und Berücksichtigung de r Zölle gesondert dargestell t un d somit weitere Gründ e für di e Hervorhebung der Eisenbahnen al s des entscheidenden Wachstumsmotors geliefert - auch fü r das bis in die 1850er Jahre Schienen liefernde Großbritannien. Ebenfalls F.-W. Hen ning hat mit ähnlichen Ergebnissen und Forschungsmethoden hierzu Stellung genommen.37 Bevo r ma n allerding s vorschnel l de n Kohlenbergba u al s Wachstumsträge r abwertet, mu ß ma n m . E . de r große n Bedeutun g de r Brennstoffkoste n - die ohn e Koks vo n Holzkohl e abhängi g gewese n wäre n - bei de r Eisenherstellun g un d de r Nachfrage de s Kohlensektors nach Eisenbahntransportleistungen Rechnun g tragen , was noc h nich t geschehe n ist . Ohne Zweife l ware n di e deutsche n Eisenbahe n ei n 1840-80 nicht au s de r deut schen Industrialisierungsgeschicht e wegzudenkende r Führungssektor . Vo r alle m R. Fremdlin g kommt das Verdienst zu, diese Führungsrolle systematischer als bisher dargestellt z u haben. Besonders interessant is t seine Interpretation de r Eisenbahnin vestitionen, nich t nur wegen der Größe, die diese erreichten (z. Β . in den 1850er Jah­ ren, ca. ein Fünftel de r geschätzten Nettoinvestition de r Gesamtwirtschaft), sonder n vor allem wegen ihres Verlaufs und dessen Implikationen für die Würdigung der Rolle des Staates. Fremdling weist die Abhängigkeit de r Eisenbahninvestition vo n Gewinnen bzw. Gewinnerwartungen nach , zeigt, daß Eisenbahnen schon in den 1840er Jahren z u relati v attraktive n Kapitalanlage n fü r Kapitaliste n geworde n ware n un d kei neswegs al s de n Marktmöglichkeite n vorauseilend e Entwicklungsprojekt e ode r al s militärische „Investition" interpretiert werden sollten, die deswegen vom Staat gefördert wurden. Vielmehr liefert Fremdling eine Vielzahl von Argumenten, die eher eine bremsende Wirkun g de s Staate s - und nich t nu r i n Preuße n - nahelegen.38 In der Arbeit von Wagenblaß is t ein explizites theoretisches Gerüst nicht erkenn bar, aber die Zuordnung zur Frage der Rückkopplungseffekte der Eisenbahnen trotzdem eindeutig. Im Gegensatz zu den Arbeiten von Holtfrerich, Fremdling oder Spree geht Wagenbla ß unte r Zuhilfenahm e vo n Archivmateria l au f Detail s de r Produk tionsprozesse in der Eisen- und Maschinenbauindustrie auf Unternehmensebene ein. Das Ergebni s ist ein e fundiertere Darstellun g de r Rückkoppelungseffekte i n diesen zwei Schlüsselindustrie n al s bisher vorgelegen hat , wichti g insbesonder e wege n de s Nachweises de r Bedeutung de r Aufträge de r Eisenbahnen fü r das Wachstum gerade der größten und modernsten Betriebe dieser zuliefernden Branchen . Freilich hat der 239 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

starke Hang dieser Arbeit zum Detail seine Kosten, z.B. Unübersichtlichkeit, impli zite Theoretisierun g ode r Nichtberücksichtigun g vo n Aggregierungsproblemen , aber di e überlieferte n Date n sin d dennoc h wertvoll e Baustein e de r Industrialisie rungsgeschichte. In enger Verwandtschaft zu r Führungssektoranalyse wird häufig der Außenhandel gesehen. Einige neuere Arbeiten werfen auch Licht auf die Rolle des Außenhandels als „Motor" de r deutsche n Industrialisierung . Zunächs t sin d di e datenreiche n Studie n von M. Kut z über den Handel der deutschen Staaten bis zur Gründung des Zollvereins z u nennen. 39 Kut z versucht , de n Hande l de r größten deutsche n Staate n au f Grund der Handelsstatistike n ihre r wichtigste n Handelspartne r z u rekonstruieren . Das Ergebnis ist die Feststellung einer positiveren Handelsbilanz „Deutschlands", als bisher vermuteten, mit Großbritannien insbesondere im Vergleich. Es resultiert z. Τ . aus einer (arbeitsintensiven) Neuschätzung der Import- und Exportpreisreihen, leidet aber darunter, daß (a) die Daten nicht bis 1836 reichen und nicht mit jenen vergleichbar sind, die v. Borrie s für sein e Darstellung de s deutschen Außenhandel s bi s 1856 verwendet, (b ) daß die Angaben ein e Trennung de r Einfuhr von der Wiederausfuh r nicht erlauben. D a Kutz auf eine positive Wirkung de s Außenhandels (vo r allem bei dem durch Export von Primärprodukten gegen Fertigwarenprodukte un d durch Exportüberschuß gekennzeichnete n Hande l mit Großbritannien) auf Deutschlands Industrialisierung schließen will, scheint die Klärung dieser noch offenen Fragen besonders wünschenswert zu sein. B. v. Borrie s setzt in gewisser Weise die Kutz'sche Darstellung fort , präsentier t au f Grun d umfangreiche r Korrekture n de r Mengen - un d Preisstatistiken i n älteren Quellen neu e Wertschätzungen fü r Export e und Importe, die die älteren Schätzungen (z. Β . von Bondi und Hoffmann) ersetze n sollen. 40 Ob­ wohl die Arbeit in ihren Ergebnissen - vor allem i n konjunktureller Hinsich t - sich mit Hoffmanns Indexreihe n überschneidet, is t sie eine Bereicherung unsere s Kennt nisstandes, u. a . weil sie die Struktur des Handels durch fundiertere Schätzungen der Preisreihen besser belegen kann als bisher. Sie ersetzt allerdings nicht die Studie von Bondi und Hoffmann, nich t zuletzt, weil sie ohne ausreichende Begründung mit dem Jahr 1856 abbricht un d de n Anschlu ß a n di e vollvergleichbar e Langzeitreih e vo n Hoffmann (1880 ff.) behindert , abe r auc h wei l de m Datenreichtu m kei n entspre chendes Deutungsmodell entgegengesetz t wird . Sei n durchaus interessante r Befun d (a) eines nur mäßigen Wachstums des Außenhandels bis 1850 und eines relativ starken Anstiegs danach sowie (b) seine These, daß dank der Dominanz der Fertigwaren unter den Exporten sowie der Nahrungsmittel und Rohstoffe unter den Importen schon in den 1830er Jahren Deutschland als „Industrie-" oder „Gewerbeland" zu bezeichnen sei , werde n mi t de r Frag e nac h de r Roll e de s Außenhandel s i m Industrialisie rungsprozeß nich t überzeugen d i n Verbindung gebracht. 41 Zur Interpretation der bei Kutz und v. Borrie s entwickelten Date n drängt sich die Problematik Handelspoliti k un d Zollverein auf. E s liegen hierzu jetzt die aktennahe Dissertation von Ohnishi über die Gründung und Entwicklung des preußischen Zollgebietes von 1818 bis 1833, und die zwar datenreichen aber in der Hauptsache breit interpretierenden Arbeite n vo n Dumk e übe r di e politisch e Ökonomi e de r Zollver eins-Ära vor. 42 Ohnishis auf preußischen Akte n aufgebaute Studie fragt nac h Grün240 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

den und Wirkung de s preußischen Zollgesetzes von 1818 bis 1834, findet i n Finanzund Verwaltungsreformbedürfnisse n de s Staate s de n Hauptgrund, i n eine r überra schend starken Einnahmesteigerung di e unmittelbarste, i m zunehmenden Schutz gegen Importe einerseits und verstärktem bürokratischen Interesse an einer Zollgebietserweiterung andererseits die wichtigen weiteren Auswirkungen des Gesetzes.43 Darüber hinaus bringt die Arbeit interessantes Material über Motivation (Stellungnahm e der Handelskammer n ode r Kaufmannschaf t zu m Zollgesetz ) und objektiv e Bedin gungen (Struktu r de s preußische n Außenhandel s u m 1823) der handelspolitische n Diskussion jene r Zeit . Dumkes Arbeiten setzen hier an. Der Zollverein wird insofern als Fortsetzung des preußischen Zollgesetzes von 1818 angesehen, als seine Gründung durch finanzpoliti sche Ziele der Fürsten bzw. Oberschichte n de r deutschen Staaten (Einnahmevergrößerung ohn e demokratisch-parlamentarisch e Zugeständnisse ) erklär t wird , di e mi t den preußischen Zielen in Einklang standen, zumal die Zollvereinsstaaten di e relativ hohen preußischen Zölle ja übernahmen. In Dumkes recht explizitem Modell des institutionellen Wandels ist weder Industrialisierung noc h politische Zentralisation erforderlich als Beweggründe; sie sind unbeabsichtigte Folgen.44 In seinem zweiten Beitrag geht Dumke auf die schon bei v. Borrie s als eigentümlich angesprochen e Tatsache ein, daß die Zollvereinsstaaten sowohl Fertigwaren als auch Primärprodukte in relativ hohem Ausmaß bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts exportierten, währen d sie vornehmlic h Zwischenprodukt e importierten . Unte r Konzentratio n au f de n deutsch-englischen Hande l entwickel t e r ei n Model l de s Dualismus , i n de m Ost deutschland eine n Agrarexportüberschu ß (nac h England) , Westdeutschlan d eine n Importüberschuß (England gegenüber) von Zwischenprodukten wie Garn und Eisen sowie einen Fertigwarenexportüberschuß nac h Ostdeutschland hatte, während hohe Transportkosten ein e Ost-West-Angleichun g verhinderten . Diese s „System " wir d offenbar durc h die Nachfrage Großbritannien s nach Agrarprodukten bestimm t (was Dumke auc h quantitati v nachzuweise n versucht) . Die durch Agrarexport e entstan dene Kaufkraft regt e den Ost-West-Binnenhandel i n relativ hochwertigen Waren wie Textilien an, die die hohen Transportkosten ertragen konnten, während Importe von Zwischenprodukten - eine Art Kapitalimport, da mit den kapitalintensiveren Methoden Großbritanniens hergestellt - allmählich die Kapitalintensität der westlichen Industrie steigerten. Durch das allmählich steigende Niveau des Binnenhandels wurden schließlich Transportverbesserunge n dringen d notwendi g un d deshal b mit Ausba u des Straßen-, Wasser- und Eisenbahnnetzes in den 1830er und 1840er Jahren begonnen. Mi t de m Ausba u de s Transportsystems wir d de r vo m Außenhande l geprägt e Dualismus innerhalb Deutschlands durch eine Binnenmarkterweiterung ersetzt , di e allerdings neue Formen des Dualismus herbeiführte. Interessant an diesem Modell ist zweierlei: Erstens der Versuch, ein wichtiges Problem der regionalen Differenzen in nerhalb Deutschlands i m Zusammenhan g mi t Außenhandel un d Handelspoliti k z u sehen. E s kann dami t Anschlu ß a n ein e erfreulich star k angewachsen e Literatu r z u diesem Thema finden;45 zweitens die Erklärung eines mit stagnierenden Fertigwarenexporten durchau s z u vereinbarende n allmählic h steigende n Niveau s de s Binnen handels - der letztlich den Grund für den wirtschaftlich entscheidende n Ausba u des 241

16 Tilly , Kapital

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Eisenbahnnetzes abgibt. 46 Hiernac h scheint die deutsche Industrielle Revolution ei nem Modell zu entsprechen, in dem langsames exportgeführtes Wachstu m in rapides Wachstum durc h Importsubstitutio n un d Binnenmarkterweiterung übergeht. 47 Di e Frage ist abe r noch offen . Die Geld- und Bankgeschichte kan n al s Verbindungsstück zwische n makro - und mikroökonomischen Interpretatione n de s Industrialisierungsprozesses dienen . Spätestens sei t Gerschenkron s klassische m Beitra g zu r Analys e de r „wirtschaftliche n Rückständigkeit" (1952) wird di e Entwicklung de s deutschen Geld - und Bankensy stems häufig i n Zusammenhang mi t einem durch „Rückständigkeit " z u erklärende n Kapitalnachfrageüberhang gesehen , der sowohl makroökonomische Aspekte der Industrialisierung wi e Spartätigkeit , Inflationsrat e ode r Investitionsquot e erfaß t al s auch i n den mikroökonomischen Bereic h de r Unternehmensführung hineingreift. 48 Unsere Kenntnisse der Institutionen un d Funktionen de s Geld- und Bankensystems während der Frühphase der Industrialisierung (bi s ca. 1870) sind noch recht dürftig . Spree und Bergman n biete n uns jetzt Schätzungen de s deutschen Geldumlauf s un d verwandte Größen schon ab 1840, während Teile des institutionellen Rahmens (z. Β . die mi t de r wirtschaftliche n Integratio n einhergehend e monetär e Integration ) vo n Martin diskutiert wird. 48 I n der Frage der Industriefinanzierung sin d wir etwas weitergekommen, woz u Arbeite n vo n Coym , Klei n (Industriefinanzierung) , Marti n (Aktiengesellschaften) un d Winke l (Kapitalquelle n insgesamt ) beigetrage n haben. 49 Ziemlich übereinstimmen d un d z. Τ . die Gerschenkron'sch e Thes e relativierend , wird die große Bedeutung der Selbst- oder Innenfinanzierung betont , wenn auch für Gründungen un d einig e Großunternehme n Fremdkapitalquelle n (einschließlic h Banken) wichtig waren. Drei erstaunliche Lücken bleiben dennoch: die Finanzierung der Eisenbahngesellschaften , di e in manche r Hinsich t al s Wegbereiter fü r di e industriellen Engagement s de r Banke n nac h 1870 anzusehen sind , di e Finanzierung de r quantitativ gewichtige n Bauindustri e und die Finanzierung de s landwirtschaftliche n Sektors.50 Für die Periode seit ca. 1870 hat es eine Diskussion vor allem um zwei Fragen gegeben: (1) um die Stabilität und Geldpolitik un d (2) um das alte Problem der Rolle der Großbanken gegenübe r de r Industrie . Zu r erste n Frag e sind di e Beiträge von Bor chardt und (für die 1870er Jahre) von Spree zu nennen.51 Nach den üblichen Kriterien der monetären Stabilität und der Geldpolitik schneidet die deutsche Zentralbank - mit den möglichen Ausnahmen der 1870er Jahre - relati v zu frühen Jahren und zu Erfahrungen in anderen Industrieländer n gu t ab, obwohl noc h nicht geklärt ist , inwiefer n das Ergebnis einer bewußten gute n Politik ode r „exogen e Faktoren" entspran g un d inwiefern de r Erfol g vo r 1914 auf Koste n andere r Ziel e (Wachstu m z. Β. ) erkauft wurde. Zur Frag e de r Roll e de r Großbanke n habe n sic h mehrer e Autore n geäußert. 52 H. Boehm e stell t au f Grun d hauptsächlic h qualitative r Informatione n wachstums wirksame, abe r konzentrationsfördernd e Einflüss e fest . Eiste n sowi e Eiste n un d Ringel quantifizieren Kontokorrentkredit e und schließen - sich vorwiegend auf einer methodisch rech t angreifbare n Gegenüberstellun g vo n Nettoinvestitione n un d „volkseinkommenswirksame Ausgaben " beziehen d - auf wachstumserlaubend e 242 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Wirkungen. Neuburge r un d Stokes konstruieren au f Grun d von Eisterts Daten ein makro-ökonometrisches Modell , um konzentrationsfördernde, abe r wachstumshindernde Wirkungen nahezulegen , währen d Fremdlin g u . Tilly ihre Vorgehensweise, aber nicht unbeding t ihr e Schlußfolgerung , kritisieren . Achterber g beton t Interde pendenzen zwischen Banken und Industrieunternehmen, ohn e neue Daten anzubieten. Einige neue Informationen vermittel n Festschriften wie die der Deutschen Bank, aber noch ergiebiger sind Arbeiten, die zwar unternehmenshistorisch orientier t sind, jedoch abe r auc h Finanzierungsfrage n mi t berücksichtigen wi e die von Kock a oder Strobel. Insgesamt muß man sagen, daß in den letzten Jahren die Frage nach der Rolle der Banken zwa r häufig diskutiert , abe r noch nicht hinreichend geklärt worde n ist , z.T. wei l ma n sich noch nicht einigen konnte, in welchen Indikatore n ode r Verhaltensmustern ei n positiver bzw . negative r Beitra g de r Banken zu r industriellen Ent wicklung z u sehen ist. Dazu kommt das Problem der Spärlichkeit bzw. Schweigsam keit de r Bankquellen selber . Untersuchenswer t wär e de r große Beitra g de r Banken zur Förderun g de s externen Wachstum s industrielle r Großunternehmen , wichtige r als die freilich auc h wichtigen laufende n Kredite , die nur als Ergänzung de r wichti gen Innenfinanzierun g zeitweis e beanspruch t wurden . Vielleich t is t ein e genauer e Untersuchung der Börse bzw. des Kapitalmarktes ein geeigneter Weg, hier weiter zu kommen, wie wohl auch bei einer sicherlich wünschenswerten detaillierten Erfassun g der Börsengeschäfte (Zah l und Bedingungen der Fusionen, Emissionskosten etc.) die schwer z u operationalisierend e Frag e nach der gesamtwirtschaftlichen Bewertun g die keineswegs mit der Bewertung der betroffenen Unternehmen identisch sein muß intensivere Erörterun g verdient. 53 Möglicherweise bietet das Gebiet der Unternehmens- und Unternehmergeschichte dem Historiker andere Forschungsfelder, di e für die zu Anfang dieses Berichtes aufgeworfenen Frage n fruchtbare r bearbeite t werde n können , al s das ebe n diskutiert e Feld der Finanzierung. Di e Frage nach der ökonomischen Bedeutun g von Organisationen und ihren Beziehungen zu Problemen der Macht und Hierarchie, des sozialen Status oder des sozialen Aufstieg s u.a.m . könne n vielleicht nirgend s eindeutiger beantwortet werde n al s bei den komplexen, doc h oft gu t belegbare n Operatione n de r Großunternehmen. Als Musterbeispiel hierfür kann die auf der Geschichte der Firma Siemens fußende Arbeit von J. Kock a dienen. 54 Allgemeine Probleme der ökonomischen und soziologischen industrielle n Organisatio n (wi e Absatz, Finanzierung, in nerbetriebliche Konflikte etc. ) werden hier mit den historischen Besonderheiten de r deutschen Sozial - un d Wirtschaftsgeschicht e de s Industriezeitalter s wi e z.B . de m komplexen Verhältnis zwischen Staatsbürokratie und Wirtschaftsbürgertum verkop pelt, di e Verbindun g zwische n allgemeine n Aussage n un d konkrete n historische n Feststellungen wir d durc h die ziemlich durchgängig e idealtypisch e Anwendun g de s Weberschen Modells der Bürokratie als Herrschaftsinstrument hergestellt . Den Vorteil diese r Vorgehensweise kan n ma n u . a . i n der Klarheit sehen , mi t der das allgemeine Verhältnis zwischen Leistun g un d Herrschaft i n seinen vielfältigen unterneh menshistorischen Formen dargestellt werden kann. Ein Preis dieser den historischen Tatsachen in ständiger Annäherung angepaßten Ansatzes ist allerdings das Fehlen von allgemeinen Aussagen zu bestimmten Teilfragen wie: warum wachsen Unternehmen? 243 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Oder: gib t e s eine optimalen Zentralisierungsgra d fü r Unternehmen ? Kock a selbe r kommt in neueren Arbeite n übe r Expansion, Integratio n un d Diversifikation z u allgemeinen Aussagen dieser Art - was eben eine Verschiebung der Erkenntnisziele von sozialgeschichtlichen Fragen im weitesten Sinne zu den enger abgegrenzten, abe r dafür leichter falsifizierbaren These n der Wirtschaftsgeschichte hin widerspiegelt.55 Das hier angedeutet e Methodenproble m is t generel l nich t lösbar . Ma n kan n jedenfall s nicht behaupten, da ß sehr viele Historiker in den letzten Jahren Kocka s Vorbild gefolgt sind, und die Literatur scheint noch nicht frei zu sein von der Schwäche - Theorielosigkeit, mangelnd e Reprasentativität , Schönfärbere i - , die z. Β . Η . Jäger 1972 und 1974 beschrieben hat. 56 Zwei Teilgebiete dürfen hervorgehoben werden: das der sozialen Mobilität bzw. sozialen Herkunft und das der politischen Aktivität und Organisation vo n Unternehmern . Zu m erste n Fragenkomple x könne n Arbeite n vo n Kaelble, Stahl und Pierenkemper gezähl t werden. 57 Sie zeigen eine (an Väterberufe n gemessene) relativ gering e vertikale Mobilität , ein e erheblich höher e geographisch e Mobilität un d zunehmende Bildungsqualifikationen i m Laufe de r Industrialisierun g für Unternehme r an , wobe i i n Deutschland wi e i n anderen Länder n de r Anteil de r Aufsteiger keineswegs die steigende Tendenz aufweist, di e manche Prediger der Leistungsgesellschaft un s glauben mache n möchten. 58 Das Thema der politischen Aktivität/Organisatio n de r Unternehmer is t natürlic h nicht nu r ein Teil de r historische n Unternehmerforschung , sonder n sei t Jahren ei n bevorzugtes Feld der politischen Historiker geworden. Infolgedessen sin d die relativ zahlreichen Beiträg e der letzten Jahre nicht nur als Renaissance der Unternehmensforschung z u verstehen. 59 Die Arbeiten von H.-U. Wehler , zunächs t in seinem Bis marck-Buch und auch in seinem späteren Beitrag zum „Organisierten Kapitalismus" , heben z. Β . stark au f Unternehmer un d ihre Interessen ab , jedoch aus der Sicht de r Forderungen, die diese an den Staat stellten. Sie gehen kaum auf die Angemessenheit der Organisation ode r Aktivitäten fü r die angestrebten Ziele, selten auf Rückkoppe lungen in den so vertretenen Unternehmen ein. 60 Die etwas ältere Arbeit von Kaelble sowie di e ergänzenden Büche r vo n Ullman n übe r de n Bun d de r Industriellen , vo n Mielke über den Hansabund und - wenn wir Landwirte als Unternehmer auffassen von Puhle über die Organisation der agrarischen Interessen, haben vieles zum ersten Punkt (Zielangemessenhei t de r Organisationen ) gesagt , weni g zu m zweite n - über das, was im Kontext des eigentlichen unternehmerische n Handeln s gedeutet werde n könnte.61 Dafür wird man wohl auf Studien einzelner Unternehmer wie z. Β . die von Boelcke oder Untersuchungen bestimmte r wirtschaftspolitischer Probleme , in denen Unternehmen und Unternehmer im Mittelpunkt stehen - wie etwa die Arbeiten von Blaich übe r Kartell e un d „Trusts " - zurückgreifen.62

IV. Die folgenden, bewuß t kurz gehaltenen Bemerkungen zur neueren sozialgeschichtli chen Literatur versuchen nur zwei Bereiche anzusprechen, di e m. E. in engstem Zu244 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

sammenhang mi t de n ebe n behandelte n wirtschaftsgeschichtliche n Theme n stehen : Bevölkerungswachstum un d Arbeiterschaft . Der seit Jahren i n England, Frankreic h un d den USA z u beobachtende Siegeszu g moderner Theorie n un d quantifizierende r Methode n i n de r historischen Demogra phie scheint jetzt auch in Deutschland im Vormarsch zu sein. Ein wichtiger Wegbereiter dieses Fortschritts ist W. Köllman n gewesen, der seit Jahren die Bevölkerungsgeschichte in der Bundesrepublik fast allein gepflegt hat, sowohl mit eigenen Beiträgen zur deutschen Bevölkerungsgeschicht e al s auch durch Übermittlung de s Gedankengutes des Auslandes. 63 Mit gewisse m Rech t kan n daher sein e Version de r Bevölkerungsgeschichte de r deutsche n Industrialisierun g di e „herrschend e Lehre " genann t werden. E r ordne t de n auc h i n andere n Länder n z u beobachtende n „demographi schen Übergang " de r Periode 1770-1914 zu. Di e erste Phas e wird i m Anschlu ß a n Mackenroth un d Ipse n al s „vor" - ode r „frühindustriell e Bevölkerungsweise " be zeichnet und als das Umsetzen der Produktivitätssteigerung in Bevölkerung definiert . Sie is t gekennzeichne t durc h rasche s Βevölkerungswachstum al s Folg e erhöhte r Fruchtbarkeit, verursach t vor allem durch das „Eintreten der Unterschichten . . . in den Fortpflanzungs- bzw. Reproduktionsprozeß". Vermutlich ist das Wachstum der Unterschichten der Auflockerung bzw . Unterwanderung bisher wirksam gebliebener Mechanismen sozial e Kontrolle in der Dorfgemeinschaft ode r Gutsherrschaft zuzu schreiben, wodurch bis dahin zum ledigen Dasein verurteilte Personen nun bäuerliche „Stellen" besetzen durften, di e zumindest ein auf Subsistenzhöhe liegendes Familieneinkommen zuließen. Als wichtiges Beispiel dieser Auflockerung führ t Köllmann die schon von Ipsen geschilderte „Bauernbefreiung" an , die auf ein relativ starkes Bevölkerungswachstum in den von den „Reformgesetzen" besonder s betroffenen nordöst lichen Provinze n verweist . Nac h Köllman n erga b sich au s diesem unkontrollierte n Wachstum „Bevölkerungsdruck" , de r sic h i m Pauperismu s un d Elen d de r Zeit bi s 1848/49 manifestierte und durch die seit ca. 1846 massenhaft einsetzend e Auswanderung un d nac h 1850 durch da s industrielle Wachstu m sein e „Lösung " fand. 64 In der Periode 1870-1914 sank sowoh l di e Sterblichkeit (sei t etwa 1880-1900) als auch mit einer leichten Verzögerung di e Geburtlichkeit. Diese r Übergang, mi t dem „Willen zu m Aufstieg " un d zu r „Konsumsteigerung " erklärt , hatt e interessanter weise zunächst ein Sinken der Auswanderung und dann eine Zunahme der „wandernden Gastarbeiter" zu r Folge . Problematisch a n dieser Version is t sowohl ihre datenbedingte Konzentration auf die Jahre seit 1815 (die ja eine systematische Analyse des Beginns des beschleunigten Wachstums verbietet) als auch das Fehlen einer befriedigenden Erklärun g des Bevölkerungswachstums. Köllmann wehrt sich von vorneherein gegen eine „ökonomisch e Erklärung": „Di e Rückführun g bevölkerungsgeschichtliche r Erscheinunge n au f wirtschaftlichen Veränderungen steht unter dem Vorbehalt nicht nachweisbarer Kausalitäten. "65 Er bietet aber selber keine überzeugende Alternative. Köllmanns von Ipsen un d Mackenrot h übernommene n Begrif f de r „Stelle" , di e Zugan g zu m „Fort pflanzungsprozeß" erlaubt , wir d nu r vag e definiert , s o daß ma n woh l gezwunge n wird, den Zuwachs an solchen „Stellen " aus der Vermehrung de r Unterschichten z u 245 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

deduzieren, was den Erklärungsgehalt des Begriffs völlig entleert.66 Ähnliches gilt für den Rückgan g de r Fruchtbarkei t a m End e des 19. Jahrhunderts. Ohne den großen Verdienst Köllmanns , zu dem auch seine hier nicht besprochenen, aber aufschlußreichen Arbeiten zur Verstädterung und Binnenwanderung beigetragen haben, in Frage stellen zu wollen, sollte man einige Erweiterungen un d Modifikationen de r „herrschenden Lehre " der letzten Jahre begrüßen. Bis auf einige Ausnahmen handelt es sich dabei um Regionalstudien. Für das 18. Jahrhundert muß man die schon erwähnte Revision der Ipsenschen These von Harnisch hervorheben, die am Beispiel insbesonder e Pommern s di e erhöhte Fruchtbarkeit un d das Bevölkerungs wachstum durch die gesteigerte Nachfrage der Gutswirtschaften nac h Arbeitskräfte n erklären kann . Ähnlich , abe r weite r in s 19. Jahrhundert reichen d un d empirisc h schwächer fundiert is t der Beitrag von Dickler. 67 Ebenfall s weiter zurückgehend al s Köllmann sin d die Arbeiten vo n Imhoff, Knode l un d W. R . Lee , die ihre Untersu chungen bis auf Dorfebene hinunter disaggregieren und mittels der Ortssippenbücher und Kirchenregister da s demographische Verhalten von Individuen un d Einzelfami lien z.T . bi s ins 17. Jahrhundert zurüc k erfasse n können. 68 Hierdurch werde n vor industrielle Schwankungen i n Sterblichkeit un d Geburtlichkeit kontinuierlic h beleg t und nac h Alte r un d z. Τ . sozialen Statu s geglieder t un d i n ihre Komponente n wi e Heiratsalter, Heiratshäufigkeit , innerehelich e un d außereheliche Fruchtbarkei t zer legt. Die Rolle institutioneller Beschränkungen, wie sie z. B . für die spätere Zeit von Ipsen behauptet wird, kan n belegt werden und z. Β . im Zusammenhang mi t der vor allem von E. Shorter entfachten Diskussio n über die sogenannte sexuelle Revolution des 18. Jahrhunderts in Beziehung gesetz t werden. Für das 19. Jahrhundert proble matisiert G . Hohors t di e Beziehunge n zwische n wirtschaftliche r un d demographi scher Entwicklung mittels der statistischen Überprüfung vo n aggregierten und regionalen Date n über Geburtlichkeit, Heiratshäufigkei t un d Sterblichkeit einerseit s und verschiedenen Einkommensindikatore n andererseits. 69 Di e komplexe n Ergebniss e dieser Studie n gebe n Anla ß z u de r Hoffnung , zwische n Ökonomi e un d Bevölke rungsentwicklung doc h noch einen systematischen Kausalzusammenhan g z u finden . Erwähnt werden sollte schließlich noch J. Knodel s Versuch, eine Gesamtdarstellung des Fertilitätsrückganges sei t den 1870e r Jahren (e r rückt dieses Datum durch einig e Datenmanipulationen vo r und setzt ihn dabei zeitlich simulta n mi t sinkender Sterblichkeit an - ein interessantes Ergebnis) bis 1940 für Deutschland zu geben und dabei regionale Differenzen un d deren unterschiedliche signifikante Strukturen z u berücksichtigen.70 Leider is t es noch viel z u früh fü r eine n solche n Versuch wie den Knodels für di e Zeit vor 1870. Und bis die für diese frühere Periode entwickelten Regionalstudien wi e auch immer aggregiert werden können, werden sie bisherige Lehrmeinungen über die Bevölkerungsentwicklung nich t radika l umwerfen . Si e stelle n abe r nich t nu r Bau steine zukünftiger bevölkerungsgeschichtlicher Forschung dar, sondern sind auch ein Mittel, mi t dem ma n bestimmte , seh r wichtige sozialhistorisch e Problem e angehe n kann. Indem sie nämlich die Familie als erforschbaren Or t wichtiger Entscheidunge n und Prozesse, die in größerem Rahme n interpretierba r sind , genaue r identifizieren , eröffnen si e uns die Möglichkeit, konkret e Details des „Alltagslebens" über Konsum, 246 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Kindererziehung oder intrafamiliäre Arbeitsteilung mit jenen Prozessen zu verbinden und in Hypothesen zu r Interpretation sozial-historische r Frage n de r Industrialisie rung umzusetzen, so z. Β . zur Entstehung und Vermehrung des Proletariats: Inwie­ fern folgte n dies e au s de r Fruchtbarkeit de r Arbeiterfrauen , d . h . durc h freiwillig e Entscheidungen z u frühere r Eheschließun g bzw . eine r höhere n Kinderzah l au f Grund positive r Einschätzun g de s ökonomischen Beitrage s de r Kinde r zu m Fami lieneinkommen, inwiefern aber aus Wanderung und sozialen Abstieg? 71 Der Zusammenhang zwische n Demographie , Familie und Proletarisierung kan n direkt a n einigen neueren Untersuchungen zu r geographischen un d sozialen Mobilität der Arbeiterbevölkerung gesehe n werden, in denen einerseits gezeigt wird, wie der Mechanismus de r Eheschließun g zu r Erhöhun g de r Barriere n zwische n de n Schichte n bzw . Klassen beitragen kann, 72 in denen sich andererseits Hinweise finden, wi e der Generationsunterschied zwische n de n zum städtischen Proletariat zugewanderten Arbei tern und den im städtischen Proletariat geborenen Arbeitern für die Bewußtseinsentwicklung und kollektive Handlungsfähigkeit al s relevanter Faktor der Klasse angesehen werden kann. 73 Um den Prozeß der Proletarisierung zu verstehen, wird jedoch das historische Forschungsobjekt „Familie" zu wenig Anhaltspunkte bieten. Zu viele relevante Aktivitäten fanden ihren Niederschlag außerhalb der Familie: bei der Arbeit und in Kneipen, bei Versammlungen oder gar auf der Straße. Was können wir also aus neueren Beiträgen zu r Entwicklun g de r Arbeiterschaft übe r Lebensstandard , Arbeitsplatz , Kom munikationsmöglichkeiten un d kollektiv e politisch e Handlunge n erfahren? 73a Zu de n überwiegend de n Zeitraum nac h 1870 behandelnden ältere n lohnstatisti schen Arbeiten von Bry, Desai, Grumbach und König, Hoffmann u . a . und die Kuczynskis sind kaum neuere Beiträge hinzugekommen. 74 Angabe n über Einkommensbildung im deutschen Handwerk be i Fischer und Noll, die aufschlußreiche Untersu chung von Teuteberg und Wiegelmann über Nahrung und Konsumgewohnheiten im 19. Jahrhundert, Niethammer s un d Brüggemeiers wichtig e Studie zu Wohnverhält nissen im Kaiserreich sowie die Aufsätze von Engelsing, Saalfeld und Obermann zum Einkommen un d zur Lebenshaltung i n der Frühindustrialisierungsphase verdienen , hier erwähnt zu werden.75 Interessant ist die Herausbildung eine s gewissen Konsen s über de n tendenziel l steigende n (materiellen ) Lebensstandar d de r Bevölkerun g sei t den 60e r Jahren de s 19. Jahrhunderts, abe r dessen Implikatione n fü r die Frage der Proletarisierung sind widersprüchlich un d eigentlich nicht getrennt von der Betrachtung anderer Aspekte des sozialen Leben s - einschließlich de r eben angesprochene n Familienstruktur - interpretierbar . Offenba r is t ein sinkender Lebensstandard wede r notwendige noch hinreichende Bedingung der Proletarisierung,76 was allerdings nicht heißt, da ß ma n sic h au f di e Arbeitsplatzentwicklung , Kommunikationsstrukture n oder kollektiven Aktionen ohne Rücksicht auf Lebenshaltungsprobleme konzentrie ren kann. Denn auch Beiträge zu diesem Thema - P. Stearns ' übergreifende und vergleichende Diskussion der Relation zwischen Qualifikationen un d Bewußtsein in der Arbeiterschaft, Reulecke' s interessante Darstellung der Entstehung des „Arbeiterurlaubs", die neueren Beiträge zur deutschen Protest- und Streikforschung von Kaelble und Volkmann un d Groh , ode r Köllmann s un d Obermann s Arbeite n übe r sozial e 247 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Mobilität und Binnenwanderung - sind Teilbetrachtungen, di e auf wichtige Tendenzen hinweise n un d ein e fü r de n internationale n un d interregionale n Vergleic h seh r nützliche begrifflich e Grundlag e liefern , abe r eigentlic h de r Zusammenführun g i m konkreten historische n Kontex t bedürfen. 77 Hierzu seie n einig e - dank star k regionale r ode r zeitliche r Konzentratio n - teilweise geglückte Beispiele genannt. Sehr wichtig für die Sozialgeschichte sind die Arbeiten vo n H . Volkmann , zunächs t sein e Darstellun g de s Aachene r Aufruhr s i m Jahre 1830 und seine Habilitationsschrift übe r die Unruhe in Deutschland von 1830 bis 1832 - die als „sozialer Protest" verstanden werden. 78 Mit Proletarisierung habe n sie nur insofern etwas zu tun, als sie im langsamen institutionellen Wandel - der wohl bis 1830 die Proletarisierung oder besser: die Verarmung ohne Industrialisierung begünstigt hat - eine n entscheidenden Grund für den Protest sehen. Volkmanns Arbeiten bieten einen wertvollen Ausgangspunkt un d einen Vergleichsmaßstab für die leider noch ausstehende Analyse der Revolution von 1848/49. Mit Protest und Proletarisierung en g verwandt ist das Problem der Kriminalität, de m jetzt einige vorzügliche und auch quantifizierende Arbeite n von D. Blasiu s für den Vormärz in Preußen gewidmet sind. 79 Zum Verständnis der zu den Revolutionen von 1848/49 führenden soziale n Bewegung können die Arbeiten von Wortmann und Obermann zur Protest- und Streikaktivität unter den Eisenbahnbauarbeitern i n den 1840er Jahren als Anhaltspunkte dienen.80 Bei Wortmanns Arbeit über die Lage in Westfalen sind die Bezugnahme auf die stagnierende ostwestfälisch e Leinenindustrie , Informatione n übe r Löhn e un d Ar beitsverhältnisse und der Nachweis einer überproportionalen Protestbeteiligun g de r am Protestor t geborene n Arbeite r - was di e Zweife l a n de r „Entwurzelungsthese " verstärkt - positiv hervorzuheben. Au f einer etwas anderen Ebene , aber in ähnlicher Richtung interpretierbar sind einige Arbeiten von Marquardt. Sie versuchen mit einiger Mühe und einem schweren Anmerkungsapparat , di e These der Entstehung einer „Arbeiterklasse" in Berlin während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu belegen und - trotz der Unterteilung diese r Klasse in fünf „Subschichten " - durch besonder s hohe Aufstiegsbarrieren z u der Bourgeousie hin z u erklären. D a seine Schichtungsanalyse kau m noc h nachvollziehba r ist , überzeug t da s Argumen t nich t ganz. 81 Über de n Vormär z hinau s bi s zu m End e des 19. Jahrhunderts erstreck t sic h di e große eindrucksvolle Studie von K. Tenfeld e übe r die Bergarbeiter des Ruhrgebiets, die durch weitere neuere Publikationen zum selben Thema ergänzt und z. Τ . vertieft wird. 82 An dieser Stelle kann die Fülle von Informationen un d Überlegungen in Tenfeldes Arbeiten nicht ausreichend gewürdigt werden. Wichtig ist in unserem Zusammenhang jedoch der Hinweis, daß sie in vorzüglicher Weise unsere Aufforderung a n eine Untersuchung de s Prozesses de r Proletarisierun g erfüllt . Dies e wir d al s kom plexe Interaktio n vo n mehrere n Prozesse n aufgefaßt : steigende r materielle r Wohl stand, der aber durch den Verlust an Sicherheit und den Vergleich mit frühindustriel len Vorbildern doch als Deprivation und Verelendung empfunden wird, die zur Solidarität unte r de r Arbeiterschaf t führend e Konzentratio n un d Kommunikatio n de r Zechenbelegschaft (beding t durch bergbauliche Technologie und Marktverhältnisse), sowie die geschlossene Art der bergmännischen Wohnsiedlungen; das rege Organisa248 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

tionsleben und die ausgeprägte Fähigkeiten zum kollektiven Handeln - wie sie sich in Streik- und Protestaktionen, nich t zuletzt gewaltsamer Art, manifestierten un d auch nicht durch die Zuwanderung von außerhalb des Ruhrgebietes seit den 1880er Jahren grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Die Stärke ihrer Solidarität, die Art ihrer Traditionen un d di e dami t zusammenhängend e günstig e Quellenlag e mache n di e Ruhr bergarbeiterschaft z u einem interessanten, untersuchenswerte n Objek t der Sozialhistoriker. E s ist zu hoffen, da ß trotz des speziellen Charakter s des Ruhrbergarbeiters ähnliche Monographie n fü r ander e Arbeitergruppen bald geschriebe n werde n kön nen. In gewisser Weise kann die wichtige, aus der Schule W. Conze s stammende Arbeit von P. Borschei d über die Württemberger Textilarbeiterschaft im 19. Jahrhundert als Erfüllung dieser Hoffnung gesehe n werden. 82a Auc h hier spielt die Gunst der Quellenlage eine positive Rolle, den n Borscheids Feinanalyse der Mobilität und Lebensverhältnisse dieser Arbeitschaft greift auf die einmaligen „Teilungen und Inventuren" von bäuerlichen bzw. Arbeiterhaushalten zurück, die in Württembergs Stadtarchiven massenweise zur Verfügung stehen. Verdienstvoll ist die eben nur dank EDV-Methoden möglich e Erschließun g diese r Quellengruppe ; noc h wichtige r allerding s di e quantitative abe r dennoch differenzierend e Interpretatio n de r sozialen un d geogra phischen Mobilitä t un d der Entwicklun g de s Lebensstandards. Di e Dominanz de r Nahwanderung, di e Bedeutun g de r Zuzugsbeschränkunge n vo r 1870, die Wohl standssteigerung von Arbeiterfamilien un d ihre schließlich negativen Konsequenze n für dere n Fertilitä t u.a.m . sin d Teilergebnisse von Borscheids Arbeit , di e an diese r Stelle nicht diskutiert werden können, die aber Nachahmung und Vergleich mit anderen Regionen un d Arbeitsgruppen verdienen . Eine weitere Bereicherung unserer Kenntnisse über die Arbeiterschaft de r Ruhrindustrie bringen di e Arbeiten vo n D. Crew über Bochum 1880-1908.83 In den bishe r vorgelegten Aufsätze n stehe n Überlegungen un d Daten zur geographischen un d sozialen Mobilität im Mittelpunkt, aber sie werden in Verbindung mit Kenntnissen über Arbeitsplatzentwicklung, Protestaktionen , Wohnverhältnisse n etc . zu interessante n und weitreichenden, vielleicht stellenweise zu weitreichenden Aussagen bemüht. Dabei erscheint die hohe geographische Mobilität als Norm für ungelernte Arbeiter und als Hemmnis de s sozialen Aufstiegs , Eheschließunge n al s verstärkenden Mechanis mus gegen die Integration der un- und angelernten Arbeiterschichten; wir sehen auch, wie stark die Arbeitswelt als Determinante des Klassenbewußtseins einwirkte, vor allem durch die Hinweise auf Unterschiede zwischen Metall- und Bergarbeitern einer seits und Fach- und ungelernten Arbeitern der Metallindustrie andererseits. Als ungelöstes Rätsel bleibt noch der Unterschied in der Protestbewegung von Berg- und Metallarbeitern trot z einiger auf geographische und soziale Mobilität abhebend e Erklärungsversuche. Erwähnenswert i m Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Problem der Protest- bzw. Streikneigung sind die Arbeiten von L. Schofe r zu ähnlichen Problemen im schlesischen Bergbaugebiet, die insbesondere wegen historisch bedingter Differenzen in de r Sozialstruktur zu m Vergleic h drängen. 84 Eine rech t interessant e Arbei t vo n H . Schomeru s übe r di e Arbeiterschaf t eine r 249 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

süddeutschen Maschinenfabri k is t hier noc h wege n de r Einmaligkeit de r Quellenlag e zu erwähnen; 85 leide r scheinen abe r die Dichte und Einmaligkei t de r Daten di e Inter pretation z u verdrängen , un d wi r wisse n ja , da ß Date n i n de r Rege l nich t fü r sic h sprechen: De r allgemeine Wer t des hier vorliegenden Material s bleibt m . E. noch dar zulegen.

V. Insgesamt läß t sich als o ei n positive s Bil d übe r di e Entwicklung de r deutsche n Wirt schafts- un d Sozialgeschicht e i n de n letzte n Jahre n skizzieren , da s dennoc h ei n noc h verbleibendes un d negati v z u beurteilende s Theoriedefizi t aufweist . Diese Entwicklun g schein t mindesten s dre i geistig e Ursache n z u besitzen . Ersten s muß de r Einflu ß de r „Ne w Economi c History" der US A au f di e deutsch e Wirt schaftsgeschichte erwähn t werden . Gemesse n a n de r Gesamtzah l de r Publikatione n der letzten Jahre wirkt de r Einfluß wi e eine Randerscheinung, abe r trotzdem sin d di e Fortschritte gegenübe r frühe r unverkennbar . Be i de n sei t Jahren i n Deutschlan d be sonders häufig z u hörenden Bedenke n gege n di e durch di e Ökonometrie aufgezwun gene Verengung der wirtschaftshistorischen Perspektiv e und bei der hier gängigen Be tonung de r Koppelun g „Wirtschafts - und Sozialgeschichte " is t das Plädoyer de s Prä sidenten de r amerikanische n Economi c History Association fü r ein e eng e Zusam menarbeit zwische n de r „Ne w Economi c History" und „Ne w Socia l History", ohne die Forderung nac h Theorie und Quantifikation aufzugeben , beachtenswert. 86 Dami t ist de r zweit e hie r z u bemerkende , abe r leide r noc h ziemlic h schwach e Einflu ß de r „New Socia l History" Englands un d Amerika s angesprochen , exemplifizier t i n de n Arbeiten von S. Thernstro m ode r M. Anderson , i n denen ja Modelle und quantitativ e Methoden vo r alle m de r Soziologi e au f historische s Materia l angewand t werden , u m einmalige Ereignisse mit vergleichbaren Prozesse n de r Gegenwart oder anderen histo rischen Gesellschafte n zusammenzuketten . Ei n dritte r un d wichtige r Einflu ß kan n mit dem englischen Sozialhistoriker , Ε. Ρ . Thompson personifizier t werden , de r sei t Jahren au f die Notwendigkeit de r „Geschicht e von unte n her" verweist un d sie selbe r auf brillant e Weis e schreibt , ohn e da ß ma n au s seiner Arbei t spezifisch e Regel n ode r Empfehlungen fü r die Übertragbarkei t seine r Art Geschichtsschreibun g au f deutsch e Arbeiten ableite n könnte. 8 7 Diese r Einflu ß is t positi v z u bewerten , wen n auc h nich t ohne Gefahr , d a ei n mißlungene r „Thompson " wenige r Erkenntniss e bring t al s di e mit begrenzte n Ambitione n arbeitend e mittelmäßig e statistisch e ode r Fakte n gra bende Monographie . Die genannte n Einflüss e habe n sic h mi t Strömunge n un d Tendenze n i n Deutsch land vermischt . Di e sei t de n 1950e r Jahre n einflußreic h geworden e „Conze-Schule " ist z. Β . an den strukturellen Aspekte n jener Sozialgeschichte wi e „Klasse " oder „Re ­ volution" interessier t gewesen , di e da s Program m de r „Ne w Socia l History" zum großen Tei l ausmachen , wen n auc h frühe r geneigt , dies e Problem e mi t Ansätze n de r Geistesgeschichte anzugehen , wa s eher zum Philosophieren übe r den Zeitgeist als zu r expliziten Auseinandersetzun g mi t sozialwissenschaftliche n Theorie n verleitete . I n

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der übrigen Geschichtswissenschaft blie b der Einfluß des anti- oder nur implizit theoretischen Historismu s noc h stärke r erhalte n al s in der „Conze-Schule" . Obwoh l e s vorauszusehen war , da ß di e pragmatische und a n theoretischen Aussage n mittlere r Reichweite orientiert e angelsächsisch e Ar t de r Wirtschafts - un d Sozialgeschicht e nicht sofort an die Stelle der tief in das Wesen der Dinge bohrenden und individualisierenden deutschen Denkweise treten würde, kann man nicht behaupten, daß die Grenzen der möglichen Anwendung der Methode der exakten historisch-empirischen Sozialforschung hierzuland e scho n jetz t erreicht ode r da ß di e unübersehbare n Fort schritte i n dies e Richtung i n de n letzte n Jahre n vol l zufriedenstellen d sind .

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Abkürzungsverzeichnis A.A.Z. AER AfS ASR ASS BH BHR CEH CEHE CSSH EEH EDCC EHR FEHE GuG HdSW HdStW HZ IRSH JbG JbW JEEH JEH JNSt JPE JSH KZfSS PaP PS RES RVB Sch.Jb. Sowi VSWG VzK ZAA ZfG ZfGS ZWS

Augsburger Allgemein e Zeitun g American Economi c Revie w Archiv fü r Sozialgeschicht e American Sociological Review Archiv fü r Sozialwissenschaf t un d Sozialpoliti k Business History Business History Review Central Europea n History Cambridge Economi c History o f Europ e Comparative Studie s i n Society an d Histor y Explorations i n Entrepreneuria l Histor y Economic Developmen t an d Cultura l Chang e Economic Histor y Revie w Fontana Economic Histor y o f Europ e Geschichte un d Gesellschaf t Handwörterbuch de r Sozialwissenschafte n Handwörterbuch de r Staatswissenschafte n Historische Zeitschrif t International Revie w of Social History Jahrbuch fü r Geschicht e Jahrbuch fü r Wirtschaftsgeschicht e Journal of European Economi c History Journal of Economic History Jahrbücher fü r Nationalökonomi e un d Statisti k Journal of Politica l Econom y Journal of Social History Kölner Zeitschrif t fü r Soziologi e un d Sozialpsychologi e Past an d Presen t Population Studies Review of Economic Statistics Rheinische Vierteljahrsblätte r Schmollers Jahrbuc h Sozialwissenschaftliche Informatione n Vierteljahrschrift fü r Sozial - un d Wirtschaftsgeschicht e Vierteljahreshefte zu r Konjunkturforschun g Zeitschrift fü r Agrargeschicht e un d Agrarsoziologi e Zeitschrift fü r Geschichtswissenschaf t Zeitschrift fü r di e Gesamt e Staatswissenschaf t Zeitschrift fü r Wirtschafts - un d Sozialwissenschafte n

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Anmerkungen 1. Finanziell e Institutionen , Staa t un d Industrialisierung . Rheinlan d un d Preuße n i m internationalen Vergleic h 1 Im folgende n werde n Finanzsystem , Finanzsekto r ode r „Finanzierungsinstitutionen " al s austauschbare Begriff e verwendet . Gemein t is t der gesamt e Bereich alle r monetäre n Institutio nen un d Beziehungen , di e i n de r angelsächsische n Terminologi e mi t „monetary system " bezeichnet werden - im bewußten Gegensatz zur Realwirtschaft (ode r „real economy"), in der ReUtivpreise bestimm t werden . Sei t der Niederschrift diese s Beitrages 1966 sind viele wichtige hi storische Arbeite n z u diese m allgemeine n Them a erschienen , wovo n nu r einig e hie r erwähn t werden können . Z u de n scho n 1966 zitierten Arbeite n vo n R. Goldsmith , Financia l Structures and Economi c Growth i n Advance s Countries , in: Μ. Ahramovitz (Hg.) , Capita l Formatio n and Economic Growth, Princeton 1966 , kommt ders., Financial Intermediaries in the American Economy sinc e 1900 , Princeto n 195 8 und ders. , Financia l Structure an d Development, Ne w Haven 1969 . Allgemeine Bedeutun g habe n auc h di e Arbeite n vo n R . Cameron (Hg.), Bankin g and Economic Development. Some Lessons of History, Ne w York 1972 ; sowie Μ. Friedman u . A. Schwartz , A Monetary Histor y o f th e United States , Princeto n 196 3 (damals nich t zitiert!). Das JEH, Bd . 35, 1975 , hat weitere nützliche Beiträge zum Thema abgedruckt. Au f einig e Beiträge, di e sic h speziell e mi t deutsche n Institutione n beschäftigten , werd e ic h weite r unte n hin weisen. 2 Sonst hätt e ei n solche r Transfe r weni g ökonomische n Nutzen . 3 Der real e Gewin n a n Resource n trit t a m klarste n zutag e i m Fall e de r Güterimporte , di e durch Exporterlöse finanziert wurden . Soga r hier hängt jedoch der Gewinn für die Entwicklun g von de m Ausma ß ab , i n dem di e Importe in die Kapitalbildun g geleite t ode r daz u benutz t wer den. Vgl. R . Cameron, Banking i n the Early Stages of Industrialization: A Preliminary Survey , Scandinavian Economi c Histor y Review , Bd . 11 , S. 124-2 5 und S. 132 ; und Η. P a t i c k , Th e Mobilization o f Privat e Gol d Holdings , India n Economi c Journal , Bd . 11 . Allerdings könne n auch Edelmetallimport e durch Befestigung de s Vertrauens des Auslandes in eine gegebene Währung di e Entwicklungsmöglichkeite n mittel s Kapitalimporte n vergrößern . Vgl . J . M . Drummond, The Russia n Goldstandard 1897-1914, in: JEH , Bd . 36, 1976 , S. 663-88. 4 Dies wir d gu t beleg t be i Cameron. 5 Die best e Darstellun g diese r Beziehunge n un d ihre r historische n Bedeutun g finde t sic h wohl be i J . Schumpeter, Busines s Cycles, 2 Bde., Ne w Yor k 1939; Bd. 1, S. 109-23; dt: Kon junkturzyklen, 2 Bde., Göttinge n 1961. Vgl. auc h R. Tilly, Financial Institutions and Industria lization in the Rhineland , 1815-70 , Madiso n 1966 , Kap. 6 und 7. 6 Dies is t eine s de r Haupttheme n vo n Schumpeter s Busines s Cycles. 7 Marktwirtschaften funktioniere n vermittel s Preise n und Mengen , abe r sie sind niemals fre i von Imperfektionen gewesen , die den Informationsfluß übe r Preise und Mengen behindern. De r ökonomische Fortschrit t benötig t Kontakt e zwische n Wirtschaftssubjekten , un d Finanzie rungsinstitutionen schaffe n ebe n diese Kontakte. Dies e unternehmerische Funktion finanzielle r Institutionen - Kontaktherstellung - sollte auch so verstanden werden, daß sie Kontakte mit den politischen Autoritäte n miteinschließt . 8 Die Bedeutun g de s Umlaufkapital s i m Vergleic h zu m Fixkapita l i n de r englische n indu striellen Revolutio n is t vo n Sidney Pollar d unterstrichen worden : S . Pollard, Fixe d Capital i n the Industrial Revolution, in : JEH, Bd . 24, 1961 , S. 299-314. Vgl. auc h F. Crouzet , Di e Kapi talbildung i n Großbritannie n währen d de r Industrielle n Revolution , in : R . Braun , u.a . (Hg.) , Industrielle Revolution. Wirtschaftlich e Aspekte , Köl n 1972, S. 165-215. Für eine kurze Skizz e des englische n Kapitalmarkte s vgl . S . 79-82 dieses Bandes .

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Anmerkungen z u Seit e 19-21 9 Cameron , S. 27-29, 59 . Außerdem hin g ihr e konjunkturpolitische Wirksamkei t vo n der i n Krisenzeiten häufi g praktizierte n Aufhebun g de r Deckungsvorschriften de r Peel'schen Gesetz e ab. 10 Dennoch mu ß eingeräum t werden , da ß gerad e i m englische n Fal l Innovatione n au s frei willigen Ersparnisse n finanzier t wurden , welch e durc h vo n Banke n geschaffen e un d vo n ihne n erhaltene Kredit e „freigesetzt " wurden . Vgl . Schumpeter , S . 114-16, 120 , 292 ; Cameron , S . 131-32, 11 L. Pressneil, Country Banking i n the Industrial Revolution, Oxfor d 1956, S. 76. Übersetzung de s Autors . 12 Die Benutzung vo n Wechsel n al s Zahlungsmittel sollt e wenigsten s bi s z u eine m gewisse n Grade als ein weiteres Beispiel für dieses Phänomen betrachtet werden. Vgl. Pressneil, S . 170-80. Für da s weitere Schicksa l de s Inlandswechsel s vgl . S . Nishimura , The Decline of Inland Bill s of Exchange i n the London Money Market , 1855-1913 , Cambridge 1971. 13 A. Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspective, Cambridge/Mass. 1962; Th. Veblen , Imperia l Germany an d th e Industria l Revolution, Ne w Yor k 1915. 14 R. B . Mitchell, Th e Comin g of the Railway an d Unite d Kingdo m Economi c Growth , in : JEH, Bd . 24 , 1964 , S . 315-336 ; D . Eichholtz , Junke r und Bourgeoisie vor 1848 i n der preußi schen Eisenbahngeschichte, Berlin 1962 ; S. Schumpeter, S . 364 ff. Allerding s haben Eisenbahne n außerhalb Großbritannien s höchstwahrscheinlic h signifikant e Einflüss e au f di e englisch e Schwerindustrie ausgeübt . Vgl . hierz u R . Fremdling , Railroads an d Germa n Economic Growth: A Leadin g Secto r Analysi s wit h a Compariso n t o th e Unite d State s an d Grea t Britain , in: JEH , Bd . 37 , 1977 , S . 583-604 . 15 G . v . Gülich, Geschichtlich e Darstellun g de s Handels , de r Gewerb e un d de s Ackerbaus , 5 Bde., Jena 1830-45 , IV (1845), S. 432, 477, 560, 567-68 . Sowohl A . Spiethoff , Di e wirtschaft lichen Wechsellagen, 2 Bde., Tübingen 1955, I, S. 113-17 , als auch Schumpeter, betrachtete n di e Jahre 1842-43 als den kritische n Wendepunkt . W . G . Hoffman n datier t de n deutsche n ,TakeOff ebenfall s au f di e 1840e r Jahre: „Th e Take-Off i n Germany", in : W . W . Rostow , Th e Eco nomics of Take-Off i n Germany, New Yor k 1963, S. 114. Vgl. vo r alle m R . Fremdling , Eisen bahnen un d deutsche n Wirtschaftswachstu m 1840-1879, Dortmund 1975, und R . Spree , Wachstumszyklen de r deutschen Wirtschaf t vo n 1840-1879, Berlin 1973. Allerdings setzt Spre e den entscheidende n Umbruc h i n di e 1850e r Jahren . 16 P . Benaerts , Le s origin s de l a grand e Industri e allemande , Pari s 1933, S. 319. 17 Die Berechnung basier t au f Daten in: Gülich, Geschichtl . IV, S. 417 ; K. Kumpmann , Di e Entstehung de r Rheinischen Eisenbah n Gesellschaft , Esse n 1910, S. 8; E. Käding , Beiträg e zu r preußischen Finanzpoliti k i n de n Rheinlanden , 1815-1840, Bonn 1913, S. 83, 145-46 ; diese Schätzung stimm t seh r gu t mi t de r unabhängige n Schätzun g vo n Hoffman n überein . Di e hie r angegebene Größenordnung wir d vo n R . Fremdlin g i n einer viel fundiertere n Schätzun g bestä tigt (d a e r di e Nettoinvestitio n i n Eisenbahne n au f ca . 70 Millionen Mar k pr o Jah r ode r ca . 23 Millionen Taler i n laufenden Preise n schätzt). Vgl. Fremdling, bes . S. 22-34; auch Spree, bes . S. 273-316. 18 Die große integrierte Fabrikanlage charakterisierte keineswegs die ganze rheinisch-westfä lische Schwerindustri e de r 1850e r ode r 1860e r Jahre , abe r wichtig e Schritt e i n dies e Richtun g waren getan. Vgl. H . Blumberg , Di e Finanzierung de r Neugründungen un d Erweiterungen vo n Industriebetrieben i n Form vo n Aktiengesellschaften währen d de r fünfziger Jahr e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland , Berli n 1960, bes. S . 188-190; Benaerts, Kapite l 8, 1 1 und 12, bes. S . 510-13; W. Däbritz , Entstehun g un d Aufba u de s rheinisch-westfälischen Industriebezirks , in : C. Matschos s (Hg.) , Beiträg e zu r Geschicht e de r Techni k un d Industrie , Jahrbuc h de s Verein s deutscher Ingenieure , Bd . 11, Berlin 1925, bes. S. 39-44. Vgl. auc h P . Kindleberger , Economi c Growth in France and Britai n 1851-1950 , Cambridte/Mass. 1964, Kapitel 7 und 8 mit einer Zusammenfassung de r Literatur , di e die nicht-integrierten britische n Schwerindustrie n behandelt . Zu diesem Them a neuerding s H . Wagenblass , De r Eisenbahnba u un d da s Wachstum de r deut -

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Anmerkungen z u Seit e 21-24 schen Eisen- und Maschinenbauindustrie 1835-1860. Ein Beitrag zur Geschichte der Industriali sierung Deutschlands , Stuttgar t 1973. 19 Die zwe i beste n Arbeite n au f Englisc h sin d imme r noc h J . Riesser, The Germa n Grea t Banks and Thei r Concentratio n in Relatio n to th e Economic Developmen t of Germany , Washington 1911 und P. B . Whale , Joint-Stoc k Banking i n Germany, London 1930. Für Teilpro bleme vgl . H . Neuburger . 20 B. Brockhage, Zu r Entwicklun g de s preußisch-deutschen Kapitalexports , in : Staats - un d sozialwissenschaftliche Forschungen , Bd . 148, G. Schmolle r (Hg.) , Leipzi g 1910;Spiethoff, II, Tabellen 11 und 12; Gülich, S . 436. Vgl. auc h hierz u Beitra g 4 und 5 dieses Bandes . 21 Quellen wi e i n Anm. 20; ebenfalls K . Borchardt , Zu r Frage de s Kapitalmangels i n der er sten Hälft e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland , in : JNSt , Bd . 173, 1961 , S. 401-21. 22 Indem si e sich selbs t seh r star k mi t ihre n Kunde n identifizierten , förderte n di e deutsche n Banken dere n Fähigkeit , Obligatione n un d Aktie n a n da s sparend e Publiku m z u verkaufen . Diese Leistung war nicht immer einfach al s Verringerung de r Kosten zu verstehen, sonder n häu fig - wo das Kapitalangebot unelastisc h i n bezug auf de n Zinssatz w a r- al s eine Verschiebung ei nes Kreditnehmer s vo n eine r Qualitätsklasse i n eine andere. Schumpeter, I, S. 112 , 347-50. Die Literatur übe r die Großbanken is t kaum meh r zu überblicken. Z u den wichtigsten zähle n auße r den Arbeite n vo n Riesse r un d Whale die Beiträge von W. Hagemann , Da s Verhältnis der deut schen Großbanke n zu r Industrie , Berli n 1931 und O . Jeidels, Da s Verhältni s de r deutsche n Großbanken zu r Industri e mi t besondere r Berücksichtigun g de r Eisenindustrie , Leipzi g 1905. Ein neuer Versuch, den „Wachstumsbeitrag " diese r Banken zu messen ist: E. Eistert , Di e Beeinflussung de s Wirtschaftswachstums i n Deutschland vo n 1883 bis 1913 durch da s Bankensystem , Berlin 1970. Darauf aufbauen d de r Aufsatz von Η. Neuburger u . H. Stokes, Germa n Banks an d German Growth , 1883-1913 , in: JEH , Bd . 34, 1974 , S. 710-31; dazu noc h R . Fremdlin g u . R. Tilly, Germa n Banks , Germa n Growt h an d Econometric History, in: JEH, Bd . 36, 1976 , S. 416-24. 23 M. Barkhausen , Staatlich e Wirtschaftslenkun g un d freie s Unternehmertu m i n westdeut ­ schen un d im nord- und süd-niederländischen Rau m be i der Entstehung der neuzeitlichen Indu strie im 18. Jahrhundert, in : VSWG, Bd . 45, bes. S. 174-83; H. Kisch , The Textile Industries i n Silesia an d th e Rhineland: A Comparativ e Study i n Industrialization, in: JEH, Bd . 19, 1959 , S. 554-55; dt.: Di e Textilgewerbe i n Schlesie n un d i m Rheinland : Ein e vergleichend e Studi e zu r Industrialisierung (mi t eine m Postskriptum) , in : P. Kriedt e u . a. , Industrialisierung vo r der In dustrialisierung. Gewerblich e Warenproduktio n au f de m Land e i n de r Formationsperiod e de s Kapitalismus, Göttinge n 1977, S. 350-86. 24 H. Kisch , The Impac t o f th e Frenc h Revolutio n o n th e Lowe r Rhin e Textil e Districts : Some Comment s o n Economi c Developmen t an d Socia l Change , in : EHR, 2. Serie, Bd . 11, S. 304-27; für de n Bewei s eine s fortgesetzte n französische n Einflusse s i m 19. Jahrhundert, vgl . R. Cameron, France and th e Economic Developmen t of Europe , Princeto n 1961 , S. 369-403. 25 Eichholtz, bes . Kapite l II. 26 H. Rosenberg, Bureaucracy , Aristocrac y an d Autocracy : Th e Prussia n Experience , 1660-1815, Cambridg e 1959 , bes. Kapite l 9; R . Koselleck, Staa t un d Gesellschaf t i n Preußen , 1815-1848, in: W . Conz e (Hg.) , Staa t un d Gesellschaf t i m deutsche n Vormärz , 1815-1848, Stuttgart 1962; für ein e Kritik diese r Ansicht - die auf der bis jetzt unzureichend bewiesene n Be hauptung basiert , da ß sich Macht vo n der unteren zu r oberen bürokratischen Befehlseben e fort bewegt - vgl. Eichholtz , S . 70-71, 78-79 . Vgl. auc h J . Gillis, Aristocracy an d Bureaucrac y in 19th Century Prussia, in: PaP, Bd. 4 1 ; ders., The Prussian Bureaucracy i n Crisis, 1850-60 , Stanford 1971 und neuerdings , J . Kocka, Preußische r Staa t un d Modernisierun g i m Vormärz: Mar xistisch-leninistische Interpretatione n un d ihr e Probleme , in : H . - U . Wehle r (Hg.) , Sozialge schichte Heute . Festschrif t fü r Han s Rosenber g zu m 70. Geburtstag, Göttinge n 1974. 27 Koselleck, S . 92; F. Zunkel , De r rheinisch-westfälisch e Unternehmer , 1834-1879, Köln 1962, S. 137-38. Allerdings griffe n si e au f Seite n de r Unternehme r i n Notfälle n mehrmal s ein .

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Anmerkungen z u Seit e 24-29 Vgl. hierz u A . Lüdtke , Praxi s un d Funktio n staatliche r Repression : Preuße n 1815-1850, in: GuG, Bd . 3, 1977 , S. 190-211. 28 Eichholtz, S . 159-83. 29 v. Gülich , S . 583; A. Trende , Barthol d Geor g Niebuhr als Finanz- und Bankmann, Berli n 1929, S. 265-68. Es könnt e i n diese m Zusammenhan g weiter e Literatu r zitier t werden . Vgl . auch D . Schauer, Di e Preußisch e Bank , Hall e 1912. 30. Eichholtz, S . 8 ff. Da ß di e administrative n Hinderniss e politisc h motivier t un d nich t ökonomisch gerechtfertig t waren , zeige n di e Gewinn e de r erste n Bahngesellschafte n i n de n 1840er Jahren . Vgl . hierz u Fremdling , bes . S . 132-50. 31 K. Eichhorn , Da s Sol l un d Habe n vo n Eichbor n & Co. i n 200 Jahren, Münche n 1928, S. 311; H. Kubitschek , Di e Börsenverordnung vo m 24. Mai 1844 und die Situation i m Finanz und Kreditwese n Preußen s in den vierziger Jahren de s 19. Jahrhunderts, in : JbW, 1962, Teil 4, S. 57-58. 32 Zunkel, Kapite l 7; Th. Hamerow, Restoration, Revolution, Reaction: Economics and Politics in Germany, 1815-1870 , Princeto n 1958 , bes. Kapite l 3; differenziert hierz u für eine n Be reich: K . Tenfelde , Sozialgeschicht e de r Bergarbeiterschaf t a n de r Ruh r i m 19. Jahrhundert, Bonn 1977, S. 78-86 . 33 Die Zahlen i m Tex t wurde n übernomme n vo n C . F . W . Dieterici , Statistisch e Übersich t der wichtigste n Gegenständ e de s Verkehrs un d Verbrauch s i m Preußische n Staa t un d i m deut schen Zollverein, 1837-1839, Berlin 1842, S. 401; 1843-1845, Berlin 1848, ders., Handbuch de r Statistik de s Preußischen Staats , Berlin 1861, S. 407-15, 615-29 . Diese zwei Phänomen e gebe n ein bessere s Bil d de r Industrialisierun g al s ander e leich t greifbar e Daten . Relevant e Beschäfti gungs- un d Produktionsdate n sin d wege n de r wechselnde n Definition , un d wei l si e variierend e Grade der Unvollkommenheit abdecken , nu r außerordentlich schwe r i n einer interregional un d intertemporal vergleichbare n For m z u erheben . 34 Die Eisenbahne n waren : Di e Rheinisch e Eisenbahn , di e Köln-Mindener , di e Düssel dorf-Eberfelder un d di e Bonn-Kölner . Di e Zahle n fü r 1858 schließen zusätzlic h di e Aachen Düsseldorf-Ruhrorter, di e Köln-Krefelder , di e Aachen-Maastrichte r un d di e Bergisch-Märki sche Eisenbahngesellschaft ein . Einig e dieser Eisenbahnen lage n zu dieser Zeit zum Teil in West falen, abe r sie waren trotzde m da s Produk t rheinische r Planun g un d Finanzierung . E s ist eben falls bemerkenswert , da ß da s Rheinlan d nu r 1 0 % der preußische n Fläche , dagege n ungefäh r 20 % der nationale n Bevölkerun g repräsentierte . Die s erhöh t di e Bedeutun g seine s Vorsprung s hinsichtlich de s Eisenbahnkapital s pr o Kopf . 35 Vgl. hierz u meine Schilderung preußische r Verhältnisse mit der Entwicklung i n den USA , wie sie bei B . Hammond, Banks and Politic s in Americ a from th e Revolution to the Civil War , Princeton 1957 , beschrieben wird . 36 Vgl. P. C. Martin, Monetär e Probleme der Früh Industrialisierung a m Beispiel de r Rhein provinz, 1816-1848, in: JNSt , Bd . 181, 1967/68 , S. 117-50, Ders., Rahmenverordnun g un d Geldwirtschaft de r Frühindustrialisierung , in : H . Kellenben z u . a . (Hg.) , Öffentlich e Frage n und privates Kapita l i m späte n Mittelalte r un d i n de r ersten Hälft e de s 19. Jahrhunderts, Stutt gart 1971. R. Cameron, England 1758-1914 and Franc e 1800-1870, in: ders . (Hg.) , Bankin g i n the Earl y Stage s o f Industrialization , Ne w Yor k 1967 ; mein Beitra g dor t i n diesem Ban d über setzt, S. 29-54 ; auch J . G. Hoffmann , Di e Lehre vom Geld, Berli n 183 8 und C . Bergius , Ein e Deutsche oder Preußisch e Münzreform? , in : ZfGS , Bd . 10, 1854 , S. 419-96.

2. Banken un d Industrialisierun g i n Deutschland , 1850-1870 1 A. Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspective, Cambridg e 1962; Dt.: Wirtschaftlich e Rückständigkei t i n historische r Perspektive , in : R . Brau n u . a . (Hg.) , In -

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Anmerkungen z u Seit e 29-31 dustrielle Revolution . Wirtschaftlich e Aspekte , Köl n 1972, vgl. auc h Th . Veblen , Imperia l Germany an d th e Industria l Revolution, Ne w Yor k 1915. 2 G. v . Gülich , Geschichtlich e Darstellun g de s Handels, de r Gewerb e und de s Ackerbaus, 5 Bde., Jena 1830-1845, Bd. 4, S. 343-44, 576-633. Eine neuere Zusammenfassung ältere r Litera tur bringt G . Franz, Landwirtschaf t 1800-1850, in: H . Aubin u . W. Zorn (Hg.) , Handbuc h de r deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd . 2, Stuttgart 1976; R. A . Dickler, Organizatio n and Chang e i n Productivit y i n Easter n Prussia , in: W . N . Parke r an d E . L . Jones (Hg.) , Euro pean Peasants and Their Markets, Princeton 1975 , S. 269-92; auch R. Tilly, Capital formation in Germany i n the Nineteenth Century, in : P. Mathias an d M. Postan (Hg.) , Th e Cambridge Eco nomic History o f Europe , Bd. 7, Cambridge 1978. 3 ν . Gülich, S . 357, 453 , 432 , 472-74 , 477 , 560 , 567-68 . P. Benaerts , Le s Origine s d e l a grande Industri e allemande , Pari s 1933, S. 374-78. Jetzt auc h K.-H . Kaufhold , Handwer k un d Industrie 1800-1850, in: Zorn , Handbuch . 4 Sowohl Spiethof f al s auc h Schumpete r sahe n 1842/43 als de n kritische n Wendepunk t an . J . A . Schumpeter , Busines s Cycles, New Yor k 1939, Bd. 1, S. 346-47, 350-51 , dt.: Konjunk turzyklen, 2 Bde., Göttinge n 1961; A. Spiethoff , Di e wirtschaftliche n Wechsellagen , 2 Bde., Tübingen 1955, Bd. 1, S. 113-17; ebenfalls W . Ηoffmann, Th e Take-Of f i n Germany, in: W. W . Rosto w (Hg.) , Economics o f the Take-Off into Sustaine d Growth , Ne w Yor k 1963 , S . 95-118. Für neuer e Einschätzunge n de r Bedeutun g de r Eisenbahne n vgl . R . Fremdling , Eisen bahnen un d deutsche s Wirtschaftswachstum , Dortmun d 1973, und I. Bergmann u . R . Spree , Die konjunkturelle Entwicklun g de r deutschen Wirtschaf t 1840-1864, in: H . - U. Wehle r (Hg.) , Sozialgeschichte Heute , Göttinge n 1974; vgl. auc h R . Spree , Di e Wachstumszykle n de r deut schen Wirtschaf t vo n 1840-1880 , Berli n 1977. 5 Die Schätzunge n de r Eisenbahn-Investitione n basiere n au f Date n i n v . Gülich , Bd . 4, S. 417; K. Kumpmann , Di e Entstehun g de r Rheinische n Eisenbah n Gesellschaft , Esse n 1910; A. von Mayer, Geschicht e und Geographie der deutschen Eisenbahnen , Berli n 1891. Die Schätzungen de s Volkseinkommens basiere n au f de n unsicheren Annahmen , da ß Preußens Anteil a m deutschen Volkseinkommen zwische n 1830 und den frühen 1850e r Jahren konstan t wa r und da ß zwei Dritte l de s Zuwachses zu m Volkseinkommen zwische n 1830 und den 1850er in den 1840er Jahren kamen . Di e Daten komme n vo n E. Käding , Preußisch e Finanzpolitik, Bon n 1913, S. 83, 145-46; und W . G . Hoffmann u . J . H . Müller, Da s Deutsch e Volkseinkomme n 1851-1957, Tübingen 1959, S. 13-40. Diese Schätzunge n stimme n gu t mi t dene n überein , di e Hoffmann i n seinem Artikel präsentiert , de r in Anm. 4 zitiert wurde . Neuere und genauere Investitionsschät zungen sin d be i Fremdlin g z u finden . Si e liege n etwa s höher , al s di e hie r angegebenen . 6 H. Blumberg, Di e Finanzierung de r Neugründunge n un d Erweiterunge n vo n Industriebe trieben i n For m de r Aktiengesellschafte n währen d de r fünfzige r Jahr e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland, a m Beispiel de r preußischen Verhältniss e erläutert , in : H . Motte k (Hg.) , Studie n zur Geschicht e de r industrielle n Revolutio n i n Deutschland , Berli n (Ost ) 1960, S. 165-208. Hierzu auc h neuerding s Spree . 7 C. F . W . Dieterici , Handbuc h de r Statistik de s Preußischen Staats , Berli n 1861; v. Gülich , Bd. 2, S. 368, Bd. 4, S. 582-83. Bis in die 1840e r Jahre fielen tendenziel l di e Zinssätze bei diese n Papieren. Vgl . E . Voye , Übe r di e Höh e de r verschiedene n Zinssätz e un d ihr e wechselseitig e Abhängigkeit, Berli n 1902. Zur Einrichtun g de r Landschafte n selbst : H . Mauer , Da s Land schaftliche Kreditwese n Preussen s agrargeschichtlic h un d volkswirtschaftlic h betrachtet , Strassburg 1907. Eine neuer e Arbei t fehl t m . W. noch . 8 Besonders angesicht s de r ausländische n Konkurrenz , speziel l de r britischen . 1839 schrieb Christian Rother , ei n preußische r Beamter : „Di e Kapitaliste n sin d hie r (gemein t is t Preuße n Η. Β. ) nicht geneigt , industriell e Unternehmunge n gehöri g z u würdigen , selbs t di e reellste n Entwürfe zu r Aktienvereine n finde n i m allgemeine n weni g Anklang , jede r zieh t vor , sei n Ver mögen, stat t e s der Industrie zuzuwenden , au f Hypotheke n ode r Staatspapieren anzulegen , u m die Früchte desselben mi t möglichster Sicherheit i n Ruhe genießen z u können, un d nur zum An -

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17 Tilly , Kapital

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Anmerkungen z u Seit e 31-36 kauf vo n Landgüter n sin d einzeln e bei dem jetzigen niedrige n Zinsfuß e geneig t geworden. " Zit. in Blumberg , S . 167. 9 B. Brockhage , Zu r Entwicklun g de s preußisch-deutsche n Kapitalexports , in : Schmoller s Forschungen, Berli n 1910, S. 161, 164-71 , 172-76 ; S. Spangenthal , Di e Geschicht e de r Börse , Berlin 1903, S. 39-41; ebenso die Diskussion be i K . Borchardt , Zu r Frage des Kapitalmangels i n der ersten Hälft e des 19. Jahrhunderts, in : JNSt, Bd . 173, 1963 , S. 402-21 und die dort. zit . Li teratur. 10 v. Gülich , Bd . 2, S. 436, 568 . 11 Hoffmann, in : Rosto w (Hg.) , S . 112. Fundiertere Schätzunge n inzwische n vo n B . vo n Borries, Deutschland s Außenhandel , 1836-56, Stuttgart 1970, bes. S . 235-239, auch da s aggre gierte Bil d is t i m wesentliche n dasselbe ; vgl . auc h di e Interpretatio n be i Spree . 12 Das „Industriekapital " jene r Period e bestan d doc h schließlic h i n große m Umfan g au s Rohmaterial, Halbzeu g un d Gütern , di e gerad e umgeschlage n wurde n - und Handelskapita l banden. E s mag sein , da ß di e soziologisch e Bedeutun g de r Termini ein e größere Anwendungs berechtigung aufweis t al s ih r ökonomische r Inhalt . 13 K. vo n Eichborn, Da s Soll un d Haben vo n Eichborn & Co. i n 200 Jahren, Münche n 1928, S. 311; H. Kubitschek , Di e Börsenverordnun g vo m 24. Mai 1844 und di e Situatio n i m Finanz und Kreditwese n Preußen s i n de n vierzige r Jahre n de s 19. Jahrhunderts, in : JbW , 1962. Vgl. auch J . Kahn, Geschicht e de s Zinsfuße s i n Deutschlan d sei t 1815, Stuttgart 1884, S. 49. 14 Dies is t eine s de r intensi v bearbeitete n Theme n i n Borchardt s hervorragende m Aufsatz . Vgl. K . Borchardt . 15 Ein Beispie l is t di e früh e Eisenbahnpoliti k i n Preußen . Vgl . D . Eichholtz , Junke r un d Bourgeoisie in der Preußischen Eisenbahngeschichte , Berli n 1962, bes. Kap. 2; vgl. auc h W . Fi scher, De r Staat und die Anfänge de r Industrialisierun g i n Baden 1800-1850, Berlin 1962, der ei nen etwa s konträre n Standpunk t vertritt . Erwähn t werde n mu ß i n diesem Zusammenhang auc h W. O . Henderson, Th e State and th e Industria l Revolution i n Prussia 1740-1870 , Liverpool 1958. W. Steitz , Di e Entstehun g de r Köln-Mindene r Eisenbahn , Köl n 1974, bringt Hinweis e auf die hemmende Rolle der preußischen Bürokrati e bezüglich eine r wichtigen Bahngesellschaft , wenn auch mi t dem Versuch verbunden , Eichholtz ' pauschal e Kritik am preußischen Staat z u re lativieren. Ein e gewichtig e Kriti k befinde t sic h be i Fremdling , Eisenbahnen , S . 109 ff. 16 R. Tilly, Financial Institutions an d Industrializatio n i n th e Rhineland , Madiso n 1966 , Kap. 2 und 3. 17 M. Ntebuhr, Geschicht e der Königliche n Ban k z u Berlin , Berli n 1854. Tilly, Kap. 3. Eine fundierte Geschicht e de r Preußische n Ban k müßt e noc h geschriebe n werden . 18 C. Schauer , Di e Preußisch e Bank , Hall e 1912, S. 41. F. Thorwärt , Di e Entwicklun g de s Banknotenumlaufs i n Deutschlan d 1851-1880, in: JNSt , Bd . 42, 1883 , S. 202-3. 19 Tilly , Kap. 3 und di e dor t zit . Literatur . 20 Von der Heydt-Kersten & Söhne in Elberfeld wa r eine weitere Ausnahme; vielleicht ga b es noch mehr , abe r di e Verallgemeinerun g is t i m Grund e stichhaltig . 21 Im Ganze n wa r ei n Großtei l ihre r Kreditkraf t da s Ergebni s de r profitablen Handels - un d Finanzgeschäfte i m Zusammenhan g mi t de n militärische n Bedürfnisse n de r Regierunge n wäh rend de r Napoleonische n Kriege . Vgl . P . Schwarz , Di e Entwicklungstendenze n i m deutsche n Privatbankiergewerbe, Diss. Straßburg 1915. F. Len z u . O . Unholz , Geschicht e de s Bankhau ses Gebrüde r Schickler , Berli n 1912, S. 249-65; ebenfalls H . Schnee , Di e Hoffinan z un d de r moderne Staat , Berli n 1953, besonders Bd . 3, bezüglich de r bedeutsame n Roll e de r jüdische n „Hofbankiers" i m 17. und 18. Jahrhundert. Dies e Einrichtun g verlo r jedoc h i m 19. Jahrhundert vie l vo n ihre r Bedeutung . 22 Wie viel e Beobachte r herausstellten , konnte n di e meiste n de r Industrieunternehmungen , die bedeutende Betrag e an fixem Kapita l verlangten , dies e billige r un d mi t geringere m Risik o i n Großbritannien mobilisieren . v . Gülich , Bd . 2, S. 425 ff.; R . Banck , Geschicht e de r sächsi -

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Anmerkungen z u Seit e 36-39 schen Banke n mi t Berücksichtigun g de r Wirtschaftsverhältnisse , Diss. Berlin 1896, S. 5; ebenfalls: The Economis t (London) 31. May 1845, der ein e vergleichende Kostenschätzun g zitiert . 23 A. Krüger , Da s Kölne r Bankiergewerb e vo m End e de s 18. Jahrhunderts bi s 1875, Köln 1925; Tilly , Kap. 6 und 7. Erst 1856 während de s übe r gan z Deutschlan d verbreitete n Grün dungsbooms beklagt e der Frankfurte r Aktonä r di e extrem e Ängstlichkeit de r Frankfurter Ban kiers un d verglic h si e negativ mi t de n rheinische n Bankiers . De r Frankfurte r Aktionär , 15. Januar 1856. 24 Benaerts, S . 268; Verzeichnis de r Banke n (1857-1859), Oppenheim-Hausarchiv, Nr . 93. Diese List e fü r Berli n zeigt , da ß etw a 40 % der erfaßte n Institutione n ehe r Geldwechsle r un d Wechselhändler al s vollentwickelt e Banke n waren . 25 Tilly , Kap. 4, faßt de n größte n Tei l de r Literatu r übe r di e rheinische n Bankier s zusam men. 26 Verzeichnis de r Bankenl857-1859 , Oppenheim-Hausarchiv , Nr . 93. 27 F. Schulte , Da s Bedürfni s vo n Aktienbanke n i n volkswirtschaftliche r Beziehun g mi t be sonderer Rücksich t au f di e Preußisch e Rheinprovinz , Köl n 1845, S. 34. 28 Zeitgenössische Theoretiker bezweifelten , o b sie überhaupt al s Banken anzusehe n waren . Vgl. A . Wagner , Beiträg e zu r Lehr e vo n de n Banken , Leipzi g 1857, S. 221. Spätere Autore n konzentrierten ihr e Aufmerksamkei t ausschließlic h au f di e Kreditbanken , s o bedeutend ware n sie geworden. Vgl. z . B . J . Riesser, The Great German Banks and Their Concentration i n Con nection wit h th e Economi c Developmen t o f Germany , Washingto n 1911 . Dt.: Di e deutsche n Großbanken un d ihre Konzentratio n i m Zusammenhang mi t der Entwicklun g de r Gesamtwirt schaft i n Deutschland , Jen a 1910. Für de n vorliegende n Beitra g wurd e di e englisch e Überset zung benutzt . 29 Tilly , Kap. 8; E. Koenigs , Erinnerungsschrif t zu m fünfzigjährige n Bestehe n de s A. Schaaffhausen'sche n Bankvereins , Köln 1898. Vgl. auc h H. Böhme , Gründun g und Anfäng e des Schaaffhausen'sche n Bankvereins , de r Ban k de s Berline r Kassenvereins , de r Direktio n de r Disconto-Gesellschaft un d de r (Darmstädter ) Ban k fü r Hande l un d Industrie , in : Tradition , Bd. 10, 1965 , S. 189-212. 30 R. E. Cameron, Foundin g th e Ban k o f Darmstadt , in : EEH , 1956 , vgl. auc h ders. , Di e Gründung de r Darmstädte r Bank, in : Tradition , Bd . 2 , 1957 , S . 104-31 . 31 Beiläufig illustrier t die s auc h di e Schranken , di e solche n Institutione n al s entwicklungs fördernde Mechanisme n gesetzt sind, ein Punkt, der auch bei Riesser erwähnt wird. Vgl. Riesser, S. 66. 32 R. E . Cameron, France 1800-1870, FS 105, in: ders. u . a. , Bankin g i n the Earl y Stage s of Industrialization, Ne w Yor k 1967 . Es ist interessan t festzustellen , da ß Augus t vo n de r Heydt , preußischer Handelsminister un d ein ehemaliger rheinischer Bankier, Gesetz e anstrebte, die solchen Unternehme n eine r spezielle n staatliche n Genehmigungspflich t unterwerfe n sollten , da ß aber sei n Bestreben vo n andere n Mitglieder n de s Kabinett s bekämpft wurde . Sieh e R. vo n Del brück, Lebenserinnerunge n 1817-1867, mit eine m Nachtra g au s dem Jahre 1870, Leipzig 1905, Bd. 2, S. 81. 33 W. Däbritz, Gründun g un d Anfäng e de r Disconto-Gesellschaft, Berli n 1931. A. Bergen grün, Davi d Hansemann , Berli n 1901. 34 H. vo n Poschinger , Bankwese n un d Bankpoliti k i n Preußen , Berli n 1878-79, Bd. 2, S. 226-31. 35 Siehe weite r unte n S . 43-46 und Anm . 65. 36 In Deutschland bote n zunächst Privatbankiers und später auch die Kreditbanken ebenfall s ihre Dienst e al s Effektenhändle r an . Spezialisiert e Wertpapierhändle r sin d i n Deutschlan d im mer ein e selten e Erscheinun g geblieben . 37 Zum Beispie l di e Aachen-Münchner Feuerversicherungsgesellschaft , gegründe t 1825 und die Concordia Lebensversicherungsgesellschaft, gegründe t 1853. Tilly , Kap. 8.

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Anmerkungen z u Seit e 39-45 38 J . Klersch, Di e Sparkass e de r Stad t Köln , Köl n 1926. L. Kluitmann , De r Gewerblich e Geld- un d Kapitalverkeh r i m Ruhrgebie t i m 19. Jahrhundert, Bon n 1931, S. 20. 39 Unterschiede i n (relativen ) Preise n de r verschiedenen Münze n führte n z u ihre m Transfe r von eine m Or t zu m andere n un d w o de r Nenne r nu r ein e Rechnungseinhei t war , z u entspre chenden Kapitalflüssen , di e durc h Preisdifferenze n induzier t waren . Zu r Frag e de s Münzgeld umlaufs i n Preuße n un d speziel l de r Rheinprovin z vgl . Tilly, Kap. 2, auch M . Schwann , Ludolph Camphause n al s Wirtschaftspolitiker , Esse n 1915, Bde. 2 und 3, dort finde n sic h abge druckte Dokumente, di e einiges über die Manifestation diese s Problems i m Rheinland aussagen . Ferner P. C . Martin, Monetär e Problem e de r Frühindustrialisierung a m Beispiel de r Rheinpro vinz (1816-48), in: JNSt, Bd . 181, 1967/68 , S. 117-50. Ders., Rahmenordnun g un d Geldwirt schaft de r Frühindustrialisierung , in : H . Kellenben z (Hg.) , Öffentlich e Finanze n un d private s Kapital i m späte n Mittelalte r un d i n de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1971. 40 Tilly , Kap. 3. 41 Spiethoff, Bd . 1, S. 32, 36, 114-23 ; E. Nasse, Zu r Banknoten-und Papiergeldfrag e mi t spezieller Beziehun g au f de n preußische n Staat , in : ZfGS , Bd . 12, 1856 , S. 637-708. 42 Spiethoffs Zahle n zeige n j a wirklich nich t meh r al s dies für di e zweite Hälft e de s 19. Jahrhunderts. Spietboff , Bd . 2, Tabellen 2-12. Es sprich t außerde m einige s dafür , da ß da s Aktivi tätsniveau de r Preußische n Ban k nich t selte n durc h di e Weigerun g private r Bankier s un d ande rer, vo n ih r z u borgen , begrenz t war . Tilly, Kap. 3. Spree un d Bergman, Konjunkturelle Ent wicklung, S . 295-97 u. 318-21 sehen ein e besonder s ausgeprägt e Interdependen z zwische n Schwerindustrie un d monetäre m Sektor , abe r de m Notenumlau f wir d allenfall s ein e gewiss e bremsende Roll e beigemessen . 43 F. Thorwär t argumentierte , da ß di e Preußische Ban k scho n 1866 effektiv al s Zentralban k zu arbeite n begann . Zu r Preußische n Ban k speziel l sieh e auc h J . von Kruedener, Di e Jahresbe richte de r Preußische n Ban k (1847-1875) als Quell e zu r Konjunkturgeschichte , in : VSWG , Bd. 62, 1975 , S. 465-499. 44 C. Schauer, S . 48. Diese Deckungsrelation wa r extrem konservati v gegenübe r de m für da s 19. Jahrhundert typische n Standard . 45 Ebd., S . 64-66. 46 So sahe n e s der Frankfurte r Aktionär , Frit z Harkort , Gusta v Mevisse n un d viel e ander e Zeitgenossen. Tilly, Kap. 3. 47 v. Delbrück , Bd . 2, S. 32; Thorwärt, S . 200, 202 . 48 Der ,Bestan d au s zirkulierende m Geld ' kan n hie r definier t werde n al s die Summ e au s zir kulierendem Münzgeld , Schatzwechsel n un d Noten de r Preußischen Ban k - obwohl di e letzter e nicht imme r un d nich t vo n alle n Leute n al s echte s ,Geld ' angesehe n wurden . 49 F. Harkort, Pla n eine r Gesellschaf t fü r di e Eisenbahnen , in : Hermann, Zeitschrif t fü r da s Land zwische n Wese r un d Maas , 9. Febr. 1833, im Stadtarchiv Barmen ; v . Eichborn , S . 42-43, 46, 30 1; Schwartz, S . 3 0 ff. 50 Giro-Transfer umfaßte n Zahlungen , di e von eine m Kunde n de r Ban k au f Rechnun g eine s anderen Kunde n derselbe n Ban k getätig t wurden . Ein e Stellungnahme übe r di e Bedeutun g die ser Geldform fü r Kölne r Bankier s in : Allgemeine s Orga n fü r Hande l un d Gewerb e des In - un d Auslandes, 3. Jan. 1846 (Köln). 51 Tilly , Kap. 5. 52 Normale laufend e Kredit e be i Banke n konnte n i n Metallgel d ode r andere n Zahlungsmit teln wi e Wechsel n ode r ähnliche n Papiere n realisier t werden . Solch e Kredit e ware n mi t Zinsko sten ode r -ertrage n verbunden ; Akzeptkredit e ware n nu r i n sowei t mi t eine r Kommissionsge bühr verbunden (gewöhnlic h 0,5 % ) , als der zeichnende Bankier betroffen war , obwoh l di e Ak zepte selbs t natürlic h Zinse n trugen . 53 Alle Banke n gebe n Kredit e un d sin d i n dem Sinn e natürlich „Kreditbanken" . Dieser Ter minus wurd e hie r fü r di e Aktiengesellschafte n un d Kommanditgesellschafte n au f Aktien , di e

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Anmerkungen z u Seit e 45-50 keine Note n emittierten , verwendet . Dies e Verwendung kennzeichne t nicht s anderes als Unzu friedenheit mi t al l de n andere n mögliche n Alternativen . 54 Spiethoff, Bd . 1, S. 36; auch Riesser , S . 197-98, 211 . 55 Einige de r Quelle n sind : K . vo n Eichborn , S . 287-88; Th e Economis t (London) 3. Jul y 1847; ν. Gülich, Bd . 4, S. 583. 56 Schumpeter, Bd . 1, S. 292. 57 Vgl. W . Berdrow , Friedric h Krupp , de r Gründe r de r Gußstahlfabri k i n Briefe n un d Ur kunden, Esse n 1915, S. 73, 146 , 159 , 201-2 ff; W . Berdrow , Alfre d Krupp s Briefe, 1826-1887, Berlin 1928, verstreute Bride;Kluitmann, S . 13,20 ff; W . Däbritz , Bochume r Verein für Berg bau un d Gußstahlfabrikation , Düsseldor f 1934, S. 8-10, 45-46 ; vgl. auc h Borchardt, S . 414-16. 58 Akten fü r W . T . Rautenstrauc h Company , ein e rheinisch e Lederwarenfabrik , gebe n die s wieder, abe r es handelte sich u m eine große Firma. Rautenstrauch-Akten , R.-W . Wirtschaftsar chiv, Abt . 9. Vgl. auc h Vermögensbilan z de r Firm a König s un d Mevissen , Dülken , 1. Januar 1850, in: Nachla ß Mevissen , HASK , Nr . 62, 49/183 , wo Buchforderunge n i n Höh e vo n ca . 30 % aller Aktiv a ausgewiese n werden . Auc h di e Dissertatio n vo n B . Coym , Unternehmensfi nanzierung i m frühe n 19. Jahrhundert - dargestell t a m Beispie l de r Rheinprovin z un d Westfa len, Diss. Hamburg 1971, besonders S . 71-74. 59 Berdrow, Alfre d Krupp , S . 22; F. Redlich, The Leader s o f the Germa n Steam-Engin e th e First Hundre d Years , in : JEH , 1944 , S . 121-48 . 60 Es handelt sich um eine durchschnittliche Zahl von Indossaments, die in einem Sample von rund 150 im Rheinland benutzte n Wechsel n 1830-1860 gefunden wurde . Vgl. auc h Tilly, Kap. 5 und 8, für weiter e Hinweis e au f di e Benutzun g vo n Wechseln . 61 L. S . Pressneil , Country Banking i n the Industria l Revolution, Oxfor d 1956, S. 19. Der Gebrauch vo n Wechseln is t am besten dokumentiert fü r das preußische Rheinland, Tilly, Kap. 5 und 8; aber v . Gülich , Bd . 2, S. 558, glaubte, da ß si e i n de n 1830e r un d 1840e r Jahre n i n gan z Deutschland gebrauch t wurden . 62 Die notariellen Akte n i m Staatsarchiv Düsseldor f enthalte n viel e Verträge über solche Da ten i n de n 1830e r un d 1840e r Jahren . Vgl . ebenfall s Tilly, Kap. 6. 63 Preußische Handelsarchive, 1846 (Berlin 1847), auch die Jahresberichte de r Industrie- un d Handelskammer z u Köln , 1845, 1846 , 1847 . 64 Die Benutzun g staatliche r Papier e al s Sicherhei t fü r Handelskredit e vo r 1840 sollte zu sammen mi t Wechsel n un d Hypotheke n ebenfall s al s ei n Instrumen t erwähn t werden , da s di e Kapitalmobilisierungsprobleme de r private n Handelsgesellschafte n erleichterte . 65 Diese Schätzung basier t au f de n Bilanzdate n fü r ach t rheinisch e Bankier s währen d de r Pe riode 1820-1870, die in den Quelle n z u Tabelle 4 zitiert wurde n un d auf de n Date n übe r Kölne r Banken, wi e si e vo n Krüge r angegebe n werden , basieren ; Krüger, S . 16, 23, 32 , 36 , 48, 53 , 58 . Aus diese n Date n ergib t sic h ei n Verhältni s vo n Kapita l z u Umlaufvermöge n zwische n 1:1 un d 1:2. Es wurd e angenommen , da ß diese s Verhältni s fü r Gesamtpreuße n gilt . 66 Borchardt, S . 404. 67 Der Lese r wird ein weiteres Ma l an die Schwierigkeit erinnert , zwische n lang - und kurzfri stigen Kredite n z u unterscheiden . Fortbestan d un d soga r Wachstu m - im Fall e gleichzeitige n Umsatzwachstums - eines Schuldsaldos über lange Zeitperioden, mu ß nicht zwangsläufig eine m langfristigen Kredi t entsprechen. Di e Banken selbs t stellten ihr e Erwartungen i n dieser Hinsich t klar, inde m si e jährlich e Provisione n erhoben , di e au f eine m jährliche n Umsat z i n Höh e de s Vier- ode r Fünffache n de r Schuldsumm e basierten . Tilly, Kap. 5. 68 A. Woltman n u . F. Fröhlich, Di e Gutehoffnungshütte, Oberhause n 1810-1910, Oberhausen 1910, S. 55-56. 69 Kumpmann, S . 423-26; Jahresbilanzen, Rheinisch e Eisenbah n Gesellschaft , 1842-1845, Historisches Archi v de r Stad t Köl n (Köln) . 70 Krüger, S . 221-23; R. E . Cameron, France and th e Economic Developmen t of Europe , Princeton 1961 , S. 380, und Blumberg, S . 203, zeigen, da ß solch e Beispiel e wei t verbreite t wa ren.

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Anmerkungen z u Seit e 50-56 71 Schumpeter, Bd . 1, S. 360. 72 Kumpmann; Oppenhei m Hausarchi v Nr . 159-60; ebenfalls zitier t i n Tilly, Kap. 7. 73 Benaerts, S . 270. 74 v. Eichborn , S . 307-8. 75 Ebd., S . 312-13; Banck, S . 9-14, 28 ; Till y, Kap . 7 und 8. 76 v. Eichborn , S . 316. 77 Blumberg, S . 190-91. Zur Eisenindustrie auch H. Wagenblas , De r Eisenbahnbau un d da s Wachstum de r deutsche n Eisen - un d Maschinenbauindustrie , 1835-1860, Stuttgart 1973. 78 Blumberg, S . 185-87; es finden sic h Anhaltspunkte für allein in den 1850e r Jahren plaziert e ,risikobehaftete' Papiere . Sein e Schätzungen lasse n vermuten, da ß zwischen 1850 und 1857 solche Papiere preußischer und sächsischer Gesellschaften i m Wert von annäheren d 100 Mill. Thalern untergebrach t wurden . 79 Wagner, S . 200-2; ebenfalls v . Poschinger , Bd . 2, S. 160-61. Diese Aussag e is t allerding s noch nich t statistisc h belegbar . Vgl . z . B . di e Zahle n be i Spree u . Bergmann , Konjunkturell e Entwicklung, S . 295; oder Spree, Wachstumszyklen . 3. Die politische Ökonomi e de r Finanzpoliti k un d di e Industrialisierun g Preußens , 1815-1866 1 Aus: A Sociological Approac h t o Problems of Public Finance, in: R. A . Musgrave u . A. T . Peacock (Hg.) , Classic s in the Theory o f Public Finance, New York 1958 , S. 211 . Vgl. auc h u. a. L. v . Stein , O n Taxation , in : ebd. 2 Für di e statistisch e Abstützun g diese r Periodisierun g vgl . W . Hoffmann, Th e Take-of f i n Germany, in : W . W . Rosto w (Hg.) , Th e Economic s o f Take-off int o Sustained Growth , Ne w York 1963 ; und A. Spiethoff , Di e wirtschaftlichen Wechsellagen , 2 Bde., Tübinge n 1955, hier Bd. 1, S. 113-17 und Bd. 2, Tabellen 13 und 20. Ferner: R. Spree u. J. Bergmann, Di e konjunk turelle Entwicklun g de r deutsche n Wirtschaft , 1840-1886, in: H . - U . Wehle r (Hg.) , Sozialge schichte Heute , Göttinge n 1974. 3 Zeugnisse fü r di e preußisch e Investitionspräferenze n gib t e s i n Fülle : G . v , Gülich , Ge schichtliche Darstellun g de s Handel s de s Gewerbe s un d de s Ackerbaus , 5 Bde., Jen a 1830-1845, Bd. 2, S. 436; B. Brockhage , Zu r Entwicklung de s preußisch-deutschen Kapitalex ports, Leipzi g 1910, bes. S. 71-77. Vgl. auc h die Zusammenfassung un d die Quellen be i K . Bor chardt, Zu r Frag e des Kapitalmangels i n der ersten Häft e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland , in: JNSt , Bd . 173, 1961 , S. 404-21. Zeitgenössische Studien , di e di e britische n mi t de n deut schen Produktionskoste n vergleichen , lege n darübe r hinau s di e Vermutun g nahe , da ß solche n Präferenzen durchau s ökonomisch e Rationalitä t innewohnte . 4 Für di e Argumentatio n zeitgenössische r Unternehme r vgl . D . Eichholtz , Junke r un d Bourgeoisie vo r 1848 in de r preußische n Eisenbahngeschichte , Berli n 1962, speziell S . 30; J . Hanse n (Hg.) , Rheinisch e Brief e un d Akte n zu r Geschicht e de r politische n Bewegun g 1830-1850, 2 Bde., Esse n 1919-1949, Bd. 1, S. 185-193; ders., Gusta v vo n Mevissen , 2 Bde., Berlin 1906, Bd. 1, S. 148—49. Für die Auszüge aus frühen preußische n politischen Ökonomen , vgl. W . Roscher , Geschicht e der Nationalökonomi e i n Deutschland , Münche n 1874, S. 596 ff. Vgl. ebenfall s W . Treue , Wirtschaftszuständ e un d Wirtschaftskriti k i n Preußen , 1815-1825, Stuttgart 1937, speziell S . 146 für ein e konträr e Sichtweise . 5 Man denk t beispielsweis e a n die restriktive Regulationsmaschinerie de s Staates im Bergba u oder a n di e Handhabun g de r Konzessionierun g vo n Aktiengesellschaften . Vgl . hierz u H. Blumberg , Di e Finanzierung de r Neugründunge n un d Erweiterunge n vo n Industriebetrie ben i n For m de r Aktiengesellschafte n währen d de r fünfzige r Jahr e de s 19. Jahrhunderts, in : H. Motte k u . a . (Hg.) , Studie n zu r Geschicht e de r Industrielle n Revolutio n i n Deutschland , Berlin 1960. Ferner H . Mottek , Wirtschaftsgeschicht e Deutschlands , Bd . 2, Von de r Zei t de r Französischen Revolutio n bi s zu r Zei t de r Bismarck'sche n Reichsgründung , Berli n 1969 2 ,

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Anmerkungen z u Seit e 56-57 S. 128. K. Bösseimann , Di e Entwicklung de s deutschen Aktienwesen s im 19. Jahrhundert, Ber lin 1939. Vgl. abe r auc h P. C. Martin, Di e Entstehun g de s preußische n Aktiengesetze s vo n 1843, in: VSWG , Bd . 56, 1969 , S. 499-542. 6 Für di e Vereinigten Staate n vgl . C . Goodrich , America n Developmen t Policy: Th e Case of Internal Improvements, in: JEH, Bd . 16, 1956, S. 449-60; für Belgien vgl. P . Schöller , L a Transformation Economiqu e d e la Belgique de r 1832 à 1849 , in: Bulleti n d e l'Institut de s Recherche s Economicques e t Sociales, Universit e d e Louvain, Bd . 14, 1948 , S. 525-96. Auch R . Cameron, France and th e Economic Developmen t of Europe , Princeto n 1961 , bes. S . 329 ff. Ferne r M. Lévy-Leboyer, Le s Banque s europ êennes e t I'Industrialisation Internationale dans l a pre mière Moitié d u XIX Siècle, Pari s 1964, z. B . S. 293-300, 258-67, 37 7 ff. 604 ff. (Belgie n wir d hier allerding s i n engste r Beziehun g z u Frankreic h gesehen) . 7 Zu diese m Punk t vgl . P. Benaerts, Les Origin s de l a Grand e Industri e Allemande , Pari s 1933, S. 456 ff. Ebenfall s Cameron, S . 36 9 ff. Wa s de n Boo m de r 1850e r Jahr e betrifft , vgl . Blumberg. Vgl . ferne r di e ältere n Studie n vo n H . Rosenberg , Di e Weltwirtschaftskris e vo n 1857-1859, Göttingen 1974 2 ; die Spezialstudie zum Ruhrbergbau von C. L . Holtfrerich, Quan titative Wirtschaftsgeschicht e de s Ruhrkohlenbergbau s i m 19. Jahrhundert, Dortmun d 1973; für di e Eisenbahnen , R . Fremdling , Eisenbahne n un d deutsche s Wirtschaftswachstu m 1840-1879, Dortmund 1975 und fü r di e Konjunkturell e Dimensione n un d Periodisierun g de r Frühindustrialisierung überhaupt , R . Spree , Di e Wachstumszykle n de r deutsche n Wirtschaf t von 1840-1880, Berlin 1977; H. Wagenblass , De r Eisenbahnba u un d da s Wachstu m de r deut schen Eisen - un d Maschinenbauindustrie , 1835-1860, Stuttgart 1973. 8 Man vergleich e daz u di e Verfahrensweise vo n W . O . Henderson, Th e State and th e Indu strial Revolution i n Prussia, 1740-1870 , Liverpool 1958; vgl. auc h U. Ritt er, Di e Rolle des Staates in den Frühstadien de r preußischen Industrialisierung, Berli n 1961. Für eine neuere, teilweis e positive Interpretation de r preußischen Bürokrati e vgl. J. Kocka, Preußische r Staa t und Moder nisierung i m Vormärz : Marxistisch-Leninistisch e Interpretatione n un d ihr e Probleme , in : H.-U. Wehle r (Hg.) , Sozialgeschicht e Heute , Göttinge n 1974. 9 Es handelt sic h u m eine n Gesichtspunkt , de r vo n G . Myrdal , The Politica l Element i n the Development of Economic Theory, London 1953, S. 180, 185 , herausgestellt wurde . Fü r eine n neuen un d aufschlußreiche n Versuch , die s anhan d de s deutsche n Zollverein s z u thematisieren , vgl. R . H . Dumke , The Politica l Econom y o f Germa n Economi c Unification : Tariffs , Trad e and Politic s o f the Zollverein Era, Diss . Madiso n US A 1976 , bes. Kap . I und Literatu r dort. Ei nen kurze n Überblic k übe r di e Geschicht e de r Finanzpoliti k gib t W . Zorn , Staatlich e Wirt schafts- und Sozialpolitik un d öffentliche Finanze n 1800-1970, in: H. Aubi n u . W. Zor n (Hg.) , Handbuch de r deutsche n Sozial - un d Wirtschaftsgeschichte , Bd . 2, Stuttgart 1976, bes. S. 173-181. 10 Wirtschaftsführer beklagte n sic h häufi g übe r dies e Vorherrschaf t de r Junke r i m Staate : Eichholtz, S . 124/25 und di e dort zitierte n Quellen . Bürokratien , di e sich mi t de n durc h Struk turwandel verursachte n „Sachzwänge " auseinandersetze n mußte n (wi e i n Preuße n z. Β . mit dem Proble m de r Integratio n de r neuere n Provinze n mi t de n Altprovinze n nac h 1815) entwik­ kelten freilic h ei n historische s Eigengewicht , s o da ß zwische n Ade l un d Bürokrati e durchau s Gegensätze entstehe n konnten . Di e Tatsache de r adlige n Dominan z wurd e davo n jedoc h nich t berührt. Vgl . hierz u auc h R . Koselleck , Preuße n zwische n Refor m un d Revolution , Stuttgar t 1967; auch Kocka , Preußische r Staat . 11 Das Interess e a n wachsende n Staatseinnahme n (z. Τ . durch Reduktio n de s Schmuggels ) spielte auch ein e wichtig e Rolle ; C. Bergius , Grundsätz e de r Finanzwissenschaft, mi t besonde rer Beziehun g au f de n preußischen Staat , Berli n 1865, S. 385-86; vgl. ebenfall s W . Fischer , Th e German Zollvrein: A Case Study i n Customs Union, Kyklos , 1906, S. 65-89; Th. S . Hamerow , Restoration, Revolution, Reaction: Economic s an d Politic s i n Germany 1815—1871 , Princeton, N . J . 1958 , S . 1 1 und dor t zitiert e Quellen . Vgl . auc h R . H . Dumke un d T. Ohnishi , Zolltarif politik Preußen s bi s zu r Gründun g de s Deutsche n Zollvereins , Göttinge n 1973.

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Anmerkungen z u Seit e 57-59 12 Hinsichtlich de r Wurzel n un d de r Äußerungsfor m vo n Preußen s widerwillige r Eisen bahnpolitik, vgl . Eichholtz; fü r ein e Kriti k de r preußischen Geld - un d Bankpolitik , vgl . R . Tilly, Financial Institutions an d Industrializatio n i n th e Rhineland 1815-1870 , Madiso n 1966 , bes. S. 13-15 und Kap . III und VII; und für eine n kurzen Überblic k übe r die restriktive Bergbaupoli tik, W . Fischer , Di e Bedeutung de r preußischen Bergrechtsrefor m fü r de n industriellen Ausba u des Ruhrgebiets , Vortragsreih e de r Gesellschaf t fü r Westfälisch e Wirtschaftsgeschichte , Bd . 9, 1961. Zur Eisenbahnpoliti k auc h Fremdling, bes . S. 109-32. Zur Würdigun g de r Bergbauregu lierung vgl . auc h C.-L . Holtfreric h u . K . Tenfelde , Sozialgeschicht e de r Bergarbeiterschaf t a n der Ruh r i m 19. Jahrhundert, Bon n 1977, bes. S . 63-86. 13 Brockhage, S . 102 ff.; ebenfall s A . Arndt , De r Antei l de r Ständ e a n der Gesetzgebun g i n Preußen vo n 1823-1848, Archiv fü r öffentliche s Recht , 1902, S. 570-88. 14 Zeitgenossen glaubte n a n di e begrenzt e „Elastizität " indirekte r Steuern , s o da ß Maßnah men, di e direkte Steuern ausschlossen , kein e Expansion staatliche r Haushalte ohne Verfassungs form z u erlaube n versprachen . Vgl . abe r Ohnishi, w o bedeutend e Nettoeinnahmenzuwächs e i n Verbindung mi t indirekte n Steuer n gesehe n werde n un d Dumke, Kap . 2, wo gerad e di e Ergie bigkeit de r Zölle al s Einnahmequelle al s ein wesentliche r Fakto r be i der Gründun g de s Zollver eins gewertet wird . Gleichwoh l blie b di e Ergiebigkei t begrenz t un d di e Verknüpfung zwische n Einnahmesteigerungen un d direkte n Steuer n nich t ohn e Begründung . 15 Zu diese m Punk t vgl . di e Brief e vo n Davi d Hanseman n a n de n Prinze n Salm-Dyc k vo m 28. Mai 1845 und vo n Hanseman n a n H . v . Beckerat h vo m 28. Mai 1845, in: Hansen , I, S . 885-86, 889 . 16 Die Einsetzung Friedric h Wilhelm s des IV. im Jahre 1840, der industrielle Erfolg Belgien s und die wachsende Erkenntnis der Landjunker, da ß ein erweiterter deutscher Mark t Vorteile fü r ihre landwirtschaftlich e Produktionstätigkei t bringe n würde , gehörte n z u de n Hauptfaktoren , die hinte r diese m Einstellungswande l standen . Dahinte r stan d ebenfall s auc h da s Wirtschafts wachstum i m Industriesekto r selbst . Vgl . zu r Expansio n de r 1830e r Jahr e K.-H , Kaufhold , Handwerk un d Industri e 1800-1850, in: H . Aubi n u . W . Zorn , S . 321-58; Fremdling. 17 Eichholtz, S . 41-42; O. Schwartz u . G . Strutz, De r Staatshaushal t un d di e Finanze n Preußens, 3 Bde., Berli n 1901-1904, Bd. 1, S. 570. 18 Hansen, Gusta v vo n Mevissen , I, S. 312, 46 7 ff.; Eichholtz , S . 119-24; Schwart z u . Strutz, I. Buch 3, S. 580-83. 19 In einer Sitzung de s preußischen Hause s de r Abgeordnete n i m Jahre 1849 lieferte der Ab geordnete Car l ein e treffend e Analys e de r Verschiebun g de r Akzente i n der mi t konstitutionel len Kontrolle n verknüpfte n Fiskalpolitik : „Vielleich t ha t di e vorig e Verwaltun g dari n gefehlt , daß sie oft engherzi g di e Summen verweigerte , di e zur Kultivierun g de s Lande s gereich t hätten . Aber jetzt stehe n wir de r Regierung zu r Seite, wi r werde n imme r das bewilligen, wa s zur besse ren Förderun g de s Verkehrs , zu r Aufrechterhaltun g de s Handel s un d de r Gewerbe , sowi e de s Ackerbaus nöti g ist , wen n dadurc h auc h da s Staatsbudge t anwächst , s o werde n doc h di e Ver wendungen ein e Kapitalanlag e bilden , welch e au f gut e Zinse n geleg t ist. " Verhandlunge n de s preußischen Landtages , Hau s de r Abgeordneten , 23. März 1849, S. 250. 20 Vgl. F. Z unkel, De r rheinisch-westfälisch e Unternehmer , 1834-1879, Köln 1962, S. 184-86 für Hinweis e au f unternehmerisch e Unterstützun g de r staatliche n Wirtschaftspolitik ; und ebd . S . 205-19, für ihr e Kriti k a n de n Militärausgabe n de r 1860e r Jahre . 21 Der Staatsschatz trug der Regierung Einkünft e ein, über die nicht berichtet wurde, die aber von de n 1840e r bis in die 1860e r Jahre Gegenstan d de r Verfassungsdebatte blieben ; C . Bergius , Preußische Zustände, Münste r 1844, S. 188-89; und ders., Grundsätze, S . 421-22 und ff. Arbeit von K . Borchard , Staatsverbrauc h un d öffentliche Investitio n i n Deutschlan d 1780-1850, Diss . Göttingen 1968, behandelt auc h di e preußische n Date n un d komm t z u ähnliche n Ergebnisse n wie di e hie r vertretenen . 22 Das heißt, daß die tatsächlichen erwartete n Einnahme n nu n mehr als 60 % höher waren al s

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Anmerkungen z u Seit e 59-66 die veröffentlichte n Einnahmenschätzungen ; F . v . Reden , Allgemein e vergleichend e Finanz Statistik, 3 Bde., Darmstad t 1852-56, Bd. 1, S. 96-99. 23 Bergius, Grundsätze , S . 58; E. Richter , Da s preußisch e Staatsschuldenwese n un d di e preußischen Staatspapiere , Bresla u 1869, Kap. III-VI , S . 92-99. 24 G. Schmoller , Di e Epoche n de r preußische n Finanzpoliti k bi s zu r Gründun g de s Deut schen Reiches, Umriss e un d Untersuchunge n zu r Verfassungs-, Verwaltungs - un d Wirtschafts geschichte, Leipzi g 1898, S. 198, 215-16 ; Bergius, Grundsätze , S . 58. Das relativ e Wachstu m der nich t steuerliche n Einnahme n nac h 1849 war i n großem Umfan g de n Eisenbahne n un d de n Eisenbahnaktien, di e de r Staa t besaß , zuzurechnen . 25 Bergius, Grundsätze , S . 354; E. V. Beckerath, Di e preußische Klassensteue r un d di e Ge schichte ihre r Refor m bi s 1851, München 1912, S. 33, siehe auc h Anm . 13 oben. 26 Die Repräsentante n de r ältere n Provinze n bekämpfte n ein e Steuerrefor m konsequent ; ebd., S. 43 und ff. Wa s die Grundsteuer als ein Politikum vermöchte, kan n an der Tatsache abgelesen werden , da ß da s liberale Kabinet t Hanseman n vo n 1848 z. Τ . wegen desse n Festhalte n a n der Grundsteuerreform abgelös t wurde. Vgl. Hamerow, S . 177;G . Croon, Der rheinische Provinzlandtag bi s zu m Jahr e 1874, Düsseldorf 1918, S. 182. 27 v. Beckenrath , Klassensteuer , S . 93, 96 . 28 Ebd., S . 93; A. Wagner , Finanzwissenschaft , Leipzi g 1910, IV , S. 47. 29 Es is t interessan t z u beobachten , da ß di e Schrumpfun g de r fundierte n Schulde n i n de n 1840er Jahren i n gewissem Umfang e durc h da s Wachstum de r nicht fundierte n Schulde n ausge glichen wurde. Vielleicht spiegelte dies den Wunsch, Ausgabe n z u verbergen. Das große Wachstum in der Zirkulation ungedeckte r Banknote n nac h 1855 lädt zu einer Fülle der verschiedenste n Interpretationen ein . 30 Zumindest wurde n si e al s „Eisenbahnanleihen " bezeichne t un d fü r einzeln e Eisenbahn projekte bestimmt ; Bergius, Grundsätze , S . 445; Schwan z u . Strutz, I, Buch 3, S. 1023-25. Eisenbahnanleihen wurde n i n der Höh e vo n 83,2 Mill . Talern zwische n 1849 und 1855 aufgelegt. 31 Vgl. Brockhage , S . 104—4-5, 12 4 ff., w o sic h ein e Füll e quantitative r Beleg e findet . 32 Jahresbericht de r Industrie - un d Handelskamme r z u Köl n fü r da s Jahr 1846 (Köln 1847). Nach Spiethof f allerding s is t der Bruch zuungunste n Preußen s 1846 nicht besonder s scharf, de r Rückgang 1848 nicht s o star k wi e i n französische n Papieren . Vgl . Spiethoff , Bd . II, Tafel II. 33 Diese quasi-quantitative Skizze wurd e vo n einer kursorische n Untersuchun g de r Erträg e englischer, französische r un d preußische r Staatspapier e sowi e de r Bewegun g de s Berline r Dis kontsatzes währen d de r infragestehende n Period e abgeleitet . Vgl . di e Tabelle n 11 und 12 bei Spiethoff. Ein e rigoros e komparativ e Analys e unte r diese n Gesichtspunkte n könnt e sic h al s nützlich erweisen . 4. Die Industrialisierun g de s Ruhrgehiet s un d da s Proble m de r Kapitalmobilisierun g 1 Rodan-Rosenstein, Internationa l Aid fo r Underdevelope d Countries , in: Revie w of Eco nomics and Statistics, Bd. 43. Das will nich t heißen, da ß Entwicklungsländer vo r 20 Jahren ode r auch heut e ausreichen d mi t Kapita l versorg t ware n ode r werden . 2 Hinweise hierzu in : W. Berdow, Friedric h Krupp , der Gründer der Gußstahlfabrik i n Briefen un d Urkunden , Esse n 1915, bes. S . 75-76 und 146. 3 Aus den Biographie n un d Krupp s Briefen geh t klar hervor, da ß zwar die Mobilisierung de s Umlaufkapitals Schwierigkeite n machte , da ß abe r ander e Problem e überwogen . Gerad e wei l Krupp da s Proble m de r Kunde n s o ernst nahm , is t es möglich , de n Aufba u seine r Firm a relati v gut zu verfolgen, den n sein e Mammut-Korrespondenz befaßt e sich zum großen Teil mi t diese m Problem. O b eine quantitative Behandlung diese r Frage möglich ist , wei ß ich nicht. Siehe hierzu W. Berdrow , Alfre d Krupp , 2 Bde., Berli n 1928, 1 . Bd.; W . Berdrow , Alfre d Krupp s Briefe , Berlin 1928, bes. die Briefe an Herstatt, 9. 3 . 183 8 und Soiling, 12 . 10 . 1844,10 . 10 . 1856 . Siehe

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Anmerkungen z u Seit e 66-69 auch Krup p 1812-1912. Zum 100jährige n Bestehen der Firma Krup p und der Gußstahlfabrik z u Essen, Jen a 1912, bes. S . 40, 58 , 79 , 121 ; und W . Fischer , Her z de s Reviers . 125 Jahre Wirt schaftsgeschichte de s Industrie - un d Handelskammerbezirk s Essen , Mülhei m 1965, bes. S. 84-92, 170-171 . 4 Das heißt , Kapita l wa r i n diesem Fall e seh r deutlich de r „knapp e Faktor " geworde n - zum Teil wege n de r patriarchalische n Bestrebunge n Krupp s bei m Ba u vo n Arbeiterwohnungen . Siehe Berdrow , Alfre d Krupp , 2 Bde., S . 191-200; Fischer, Herz , S . 89. Vgl. hierz u auc h W. Boelcke , Krup p un d di e Hohenzoller n i n Dokumenten , Frankfur t 1970, bes. S . 60-63 und 72-82. 5 Fischer, Herz , 5. Kap. un d S . 254-255; vgl. Akte n übe r diesen Vorfal l i m Staatsarchiv Ko blenz, 403, Nr. 2523, I , S . 57-63 , 13 5 ff. - Solche gewaltsame n Widerständ e stelle n nu r di e Spitze eine s politische n Eisberge s dar. Fü r ein e generelle Diskussio n diese s Problem s hinsicht lich des Eisenbahnbaus siehe: D. Eichholtz , Junke r und Bourgeoisie vor 1848 in der preußische n Eisenbahngeschichte, Berli n 1962. Weiterführend auch : R . Fremdling , Eisenbahne n un d deut sches Wirtschaftswachstum , Dortmun d 1975, S. 109 ff. 6 Zit. aus : A . Bruder , Geschicht e de r westfälische n Sparkassen , unveröffentl . Manuskript , S. 38. Das Manuskrip t befinde t sic h be i de r Historische n Kommissio n Westfalen s i n Münster . 7 W. Fischer, Di e Bedeutung de r preußischen Bergrechtsrefor m (1851-65) für den industriel len Ausba u de s Ruhrgebiets . Vortragsreih e de r Gesellschaf t fü r westfälisch e Wirtschaftsge schichte e.V., Dortmund , Hef t 9 (1961). Zum politischen Hintergrun d un d erste n Auswirkun gen de r Reforme n auch : K . Tenfelde , Sozialgeschicht e de r Bergarbeiterschaf t a n de r Ruh r i m 19. Jahrhundert, Bonn-Ba d Godesberg 1977, S. 163-211. Eine ökonomisch e Analys e biete t C.-L. Holtfrerich y Quantitativ e Wirtschaftsgeschicht e de s Ruhrkohlenbergbau s i m 19. Jahrhundert, Donmun d 1973, bes. S . 15-50. 7a Die s is t da s Ergebni s de r Arbeite n vo n B . Brockhage , Zu r Entwicklun g de s preußisch deutschen Kapitalexports . K . Borchardt , Zu r Frag e de s Kapitalmangels , i n JNSt , Bd . 173, 1961, S. 403-21, H. Winkel , Kapitalquellen , in : Sch . Jb., Bd . 90, 1970 , S. 275-301. Relativierend, abe r letzte n Ende s fü r di e Provinze n Rheinlan d un d Westfale n diese r Meinun g zustim mend: P . Coym , Unternehmensfinanzierun g i m frühe n Jahrhunder t - dargestellt a m Beispie l der Rheinprovin z un d Westfalens . Diss. Hambur g 1971. 8 Bruder, S . 26. 9 Vgl. ebd. , S . 34 ff. 10 Dies hatte zudem die willkommene Auswirkung habe n können, da ß die von den besitzen den Schichte n zu r Unterstützun g de r Arme n aufzubringende n Laste n verringer t würden . 11 Bruders Manuskrip t bring t mehrer e Beispiele dieser Politik , z . B . Ill, S. 29, 97; auch IV, S. 72, w o die staatliche Ablehnung eine r Petition de r Bielefelder Sparkass e (in de r das Rech t au f Wechseldiskontierung beantrag t wurde ) au s de m Jahr e 1840 zitiert wird . 12 Wo nicht besonders vermerkt, entstamme n die Zahlen dem mehrfach zitierte n Manuskrip t von Bruder . Ein e Erklärun g diese r Entfaltun g dürft e ma n i n de r Steigerun g de r Grundstücks preise im Ruhrgebiet sehen, die das Aktivgeschäft de r Sparkassen gan z besonders anregte. Hier über wär e ein e Untersuchun g angebracht . 13 Struwes Gutachten , 4. April 1827, zit. be i A . Trende , Au s de r Werdezei t de r Provin z Westfalen, Münste r 1933, S. 281. 14 Gutachten Provisorische s Committee für Errichtun g eine r Aktienban k i n Westfalen , a n Ober-Präsident Westfalen , 4. Januar 1846, im Staatsarchiv Münster , O-Präs . Nr . 347. Als An hang hierzu Frit z Harkorts interessante Bemerkung übe r das Bedürfnis der Errichtung einer Ak tienbank fü r Westfalen . Donmun d 1845. 15 Ein Brief vo m Chef der Königliche n Ban k zu Berli n (Friese) an Banco-Comptoir z u Mün ster, 28. Mai 1830, Staatsarchiv Münster, O . P . 1052. Trende, Au s der Werdezeit, zit. das Mün ster'sche Bankhau s Lindekam p & Olters, „Münsterlände r Kapitalisten " un d di e Stadt Münste r im Zusammenhan g mi t Geschäfte n mi t österreichische n Staatspapiere n i n de n 20e r Jahren .

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Anmerkungen z u Seit e 69-75 16 Hier berühren wir - wie schon bei der Diskussion der Sparkassen - das Problem der gegen seitigen Abhängigkei t vo n Kapitalangebo t un d -nachfrage . I n diesem Zusammenhang sol l noc h einmal au f de n wichtige n Aufsat z vo n Borchardt , Zu r Frag e de s Kapitalmangels , hingewiese n werden. 17 Dies wa r z. Τ . auch darau f zurückzuführen , da ß si e in diese m Gebie t ebenfall s Handels beziehungen hatten . Westfälisch e Unternehme r (wi e Harkor t z. Β. ) beschwerten sic h übe r di e Tatsache, da ß dies e rheinische n Bankhäuse r z. Τ . mit „westfälischem " Kapita l arbeiten , dan k Inanspruchnahme de s Münster'sche n Bank-Kontors . Dokumen t i n Anm . 14 oben. 18 Sehr interessant e Dokument e hierz u befinde n sic h i n de n Akte n de s Oberpräsidium s Münster Nr . 1052, Staatsarchiv Münster . Sieh e bes., Verzeichnis de r Handlungshäuser, datier t 6. September 1831. 19 Zit. be i Bruder , III, S. 97. 20 Eine Auswirkung eine s erweiterten Bankensystem s wäre die Substitution de s Metallgelde s im örtlichen Umlau f durc h di e Bankschulden gewesen , un d dies hätte möglicherweise di e lokal e Investition noc h weite r vermindert . 21 Kinkels Diplomarbei t zitier t hierz u au f S . 33 eine Zusammenfassun g au s de r Zeitschrif t Kapital un d Rente, und di e Angaben von E. Engel , Di e erwerbstätigen juristische n Persone n i m preußischen Staat, insbesonder e die Actiengesellschaften. Zeitschrif t de s Königlich Preußische n Statistischen Bureaus . 15. Jg., Berli n 1875. Zahlen über Zubuße un d Erträg e im Bergba u fü r di e Zeit vor 1850 bringt Coym, S . 53-58, 165-66 . Die Schätzung de r preußischen Wertpapierausga ben is t wege n de s schnelle n Verschwinden s ebe n gegründete r Aktiengesellschafte n un d wege n Kursschwankungen freilic h cu m gran o salis zu verwenden . 22 Die o. e . Berechnunge n fü r die Rheinprovinz sin d meine m Buch , Financia l Institution s i n the Rhineland, Madiso n 1966 , entnommen. Di e Schätzung fü r Westfalen geh t von diesen Schät zungen au s und unterstellt , da ß sic h di e Zahl de r bei Geldinstitute n Beschäftigte n proportiona l mit de m Eigenkapita l pr o Geldinstitu t verändert . 23 Hier wir d di e faszinierende , abe r leide r allzuweni g erforscht e Frag e nac h de m „soziale n Inhalt" de r Kapitalmobilisierun g angeschnitten . Viel e Anregunge n befinde n sic h be i J. Schum peter, Konjunkturzyklen . Ein e theoretische, historische un d statistische Analys e des kapitalisti schen Prozesses , 2 Bde., Göttinge n 1961. S. Pollards interessanter Beitra g behandel t di e engli sche industriell e Revolution : The Importanc e of Fixe d Capital i n the Industria l Revolution, in : JEH, Bd . 24, 1964 . 24 Bericht de s Provisorische n Committees für Errichtun g eine r Aktienban k i n Westfale n vom 4. Januar 1846; Harkort, Bemerkungen ; Bruder . 25 Jahresbericht de r Industrie - un d Handelskamme r z u Essen , Werde n un d Kettwi g fü r 1863, 186 4 und 1865; L. Kluitmann , De r gewerbliche Geld - und Kapitalverkeh r i m Ruhrgebie t im 19. Jahrhundert, Bon n 1931, S. 7, 10-14 , 29-35 , 10 1 ff. Fischer , Herz , bes . S . 170-75. 26 P. H . Mertes , Da s Werde n de r Dortmunde r Wirtschaft , Dortmun d 1942, S. 41. 27 Die Möglichkeite n eine r stückweise n Expansio n bzw . Finanzierun g sin d allgemei n be kannt; sie werden z . B . bei Kluitmann geschildert , S . 11-12, 79-100. Kinkels Diplomarbeit ent hält ein e Aufzählun g vo n 154 Mutungen un d dere n geschätzte m Wer t u m 1850. 28 Gehrmanns unveröffentlichte s Manuskrip t enthäl t leide r kein e Kapitalangabe n un d auc h keine Erklärun g fü r de n unterschiedliche n Antei l de r Schwerindustri e a n Neugründunge n un d Konkursen. 29 L. v . Winterfeld , 100 Jahre Stadtsparkasse zu Dortmund , Dortmun d 1941; Fischer, Herz , S. 168. 30 Fischer, Herz , S . 39; Däbritz, Essene r Credit-Anstalt , S . 35-39. 31 Sieheu. a. R. v. d. Borght, Statistisch e Studien übe r die Bewährung der Actiengesellschaf ten, Jen a 1883, bes. S . 31-50, Anlage I, S . 222-27 . 32 Wie Ott o Jeidels hervorhob , stie ß da s Vordringen de r Berline r Bankier s i m Ruhrgebie t mittels Übernahme von bzw. Vereinbarun g mi t Provinzbanken - sogar nach 1890 auf ernsthaft e

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Anmerkungen z u Seit e 76-78 Probleme i m Management . Di e Lag e de r Dresdner , Deutsche n un d de r Darmstädter Ban k dis kutierend, fähr t e r fort: „Waru m lassen diese drei Großbanken de n Provinzinstituten, di e sie beherrschen wollen , ihr e formelle Selbständigkeit? Au s den Gründen, di e gegen Filialen sprechen , weil ei n alteingesessenes , mi t de m Gewerb e seine r Gegen d i n Freu d un d Lei d sei t lange m fes t verbundenes Bankhaus , dem nu r im großen und i n gewissen Einzelfälle n vo n der Großbank Di rektiven gegebe n werden , di e Beziehungen z u Hande l un d Industrie im Interesse der Großban k besser zu pflege n versteh t al s von obe n eingesetzt e Filialdirektoren." O . Jeidels, Da s Verhältni s der deutsche n Großbanke n zu r Industri e mi t besondere r Berücksichtigun g de r Eisenindustrie , Diss. Berlin 1905, S. 36-39, 72-73, 100 , 102 . - J a c o b Riesse r stellt auch fest, da ß der Industrieak tien- un d Obligationenhande l nu r de n „regulären " Kontokorrentgeschäfte n folge n konnte . J . Riesser , Di e Deutsche n Großbanke n un d ihr e Konzentratio n i m Zusammenhan g mi t de r Entwicklung de r Gesamtwirtschaft i n Deutschland, Jena 1910. Zur Bedeutung de r Beziehunge n zwischen Industriegebie t un d Banke n insbesonder e de n Berline r Banke n vgl . auch : E . Achter berg, Di e Industri e a m Rand e de r Bankgeschichte , in : Archi v de s Institut s fü r bankhistorisch e Forschung, Bd . 2. 33 Vgl. H . Schacht , Zu r Finanzgeschicht e de s Ruhrkohlenbergbaus , in : Sch . Jb., Bd . 37, 1913, S. 173-82. 34 In de n 1890e r Jahren wuch s die Bedeutung de s Kapitalmarkte s insbesonder e der Berline r Banken fü r di e Ruhrindustrieunternehme n star k an , z . T . wege n de s Eindringen s de r Berline r Banken i n das rheinisch-westfälisch e Gebie t durc h Übernahm e dortige r Bankinstitutione n un d z. T . wege n de r Fusione n unte r Industrieunternehmen , di e Bankhilf e i n besondere m Ausma ß verlangte. 35 Arbeiten vo n W . Feldenkirchen , z. Β . sein au f Unternehmensarchivmateria l fußende r Aufsatz: Kapitalbeschaffun g i n de r Eisen - un d Stahlindustri e de s Ruhrgebiets , 1879-1914, in: Ztschr. f . Untern.gesch. , Bd . 24, tragen zu r Schließun g diese r Lück e bei . 5. Zur Entwicklun g de s Kapitalmarkte s i m 19. Jahrhundert 1 Es ist in diesem Zusammenhang interessant , den Wandel i m Begriff de s „Kapitals" zu beob achten. Be i Adam Smith wir d er schon nicht mehr als konkretes Mittel, da s zu werbenden Zwek ken eingesetz t wird , aufgefaßt , sonder n al s gesamtgesellschaftlich e Kategorie , welch e di e Grundlage der Vermehrung de s Volkswohlstandes de r Natio n darstellt. Vgl . E . Böhm-Bawerk , Kapital, in : HdStW. 1909;auchJ . A . Schumpeter, Geschicht e der ökonomischen Analyse , Göt tingen 1965, bes. S . 354-61 und S . 409-14. 2 Für die USA gib t e s zu diesem Problembereic h vorbildlich e Studien vo n L . Davis , Capita l Immobilities and Finance Capitalism : Α Study of Economic Evolutio n i n the United States , in : Explorations i n Entrepreneuria l History , Serie s 2 , Bd. 1; und R . Sylla , Th e Unite d State s 1863-1913, in: R. Cameron (Hg.), Bankin g an d Economi c Development. Som e Lessons of Hi ­ story, Ne w Yor k 1972 . 3 Vgl. hierz u C. Β. MacPherson, Th e Politica l Theor y o f Possessiv e Individualism , Oxfor d 1962, bes. S. 142 , 205 , 20 7 ff. , 21 8 ff., dt. : Di e politisch e Theori e de s Besitzindividualismus , Frankfurt 1967. In de r gleiche n Richtun g - auch di e Verschränkun g zwische n de r politische n und de r Finanzgeschicht e hervorheben d - argumentiert R . Braun , Steuer n un d Staatsfinanzie rung al s Modernisierungsfaktoren , in : R . Kosellec k (Hg.) , Studie n zu m Begin n de r moderne n Welt, Stuttgar t 1977, S. 241-64. 4 Vgl. hierz u E . Jones (Hg.) , Agriculture an d Economic Growth in Englan d 1650-1815, London 1967, S. 14-15; H. J. Habakkuk , The Price of Land in England 1500-1750, in: W. Abe l u. a . (Hg.) , Wirtschaft , Geschicht e un d Wirtschaftsgeschichte , Stuttgar t 1966. 5 Vgl. hierz u E . Klein , Vo n de r Refor m zu r Restauration , Berli n 1965; und R . Koselleck , Preußen zwische n Refor m un d Revolution , Stuttgar t 1967, bes. S. 153 ff. Zu r Entwicklun g de s

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Anmerkungen z u Seit e 79-80 Kapitalmarktes vgl . auc h di e ältere Arbei t vo n B . Brockhage , Zu r Entwicklun g de s preußisch deutschen Kapitalexports , Staats - un d sozialwissenschaftlich e Forschungen , Hef t 148, Leipzig 1910, der zwa r kein e eindeutige Zäsur angibt, si e aber implizit am Anfan g de s 19. Jahrhunderts vermutet. Brockhag e untersuch t vornehmlic h de n preußischen , d . h . Berline r Markt . Weiter e Arbeiten zu m Berline r Markt : S . Spangenthal , Di e Geschicht e der Berliner Börse , Berli n 1903; H. Rache l u . P . Wallich , Berline r Großkaufleut e un d Kapitalisten , 3 Bde., Berli n 1934-1939. Relevant in unserem Zusammenhang besonder s Bd. 2 und 3. Berücksichtigung nichtpreußische r Markte - hauptsächlich Frankfurt/Mai n - würde di e Thes e eine r Zäsu r u m 1790-1820 im Zu sammenhang mi t den napoleonische n Kriege n un d Umwälzungen i n den Staatsfinanze n bestär ken. Vgl . hierz u z . B . E . Achterberg, De r Bankplat z Frankfu n a m Main , Frankufr t 1955, S. 29-30,47 ff., 51-60, 61-73, 80, 127-28 ; auch L. Metzler , Studie n zur Geschichte des deutsche n Effektenbankwesens, Leipzi g 1911, S. 96-97. P . Schwartz , Die Entwicklungstendenze n i m deutschen Privatbankiergewerbe , Diss. Straßburg 1915. Es versteh t sich , da ß a n diese r Stell e kein vollständige r Literaturüberblic k gegebe n werde n kann . 6 A . Feaveryear , in : E . V. Morgan (Hg.) , The Pound Sterling, Oxfor d 1963, S. 124-27. Feaveryear schreibt über die Wirkung der Bank von England au f den Staatskredit, daß , obwohl „the King's ,pay' was bad" , trotzdem „where his tallie s would n o longer g o he could plac e with eas e the Bank's ,bills' , seale d wit h th e common seal , o f the corporation an d engraved wit h th e figur e of Britanni a seate d upo n a ban k o f money" . Vgl. auc h Braun , S . 251-55. 7 Feaveryear , S . 146-47 . Signifikanterweise wa r John Lock e a n dieser Reform maßgeblich beteiligt. Inde m sie die Stabilität des Geldes als Mittel zu r Herstellung de s Vertrauens der Bevölkerung z u Staa t übe r de n Staa t stellte , tru g si e wahrlic h de n Stempe l Joh n Lockes . 8 Zur Bedeutung de r „Consols" für den englischen Geldmark t i n den 1850e r Jahren, sieh e die interessante Zeugenaussag e be i K . Marx , Kapital , Bd . 3, S. 527 (Marx-Engels Werke , Bd . 25, Berlin 1964). Zur Entwicklun g i m 18. Jahrhundert sieh e P . G . M . Dickson, Th e Financial Re volution i n England . Α Study i n the Development of Public Credit , 1688-1756, London 1967. Für di e Zinskoste n sieh e T . S . Ashton, The Industria l Revolution, Londo n 1948. Kritisch zu r Bedeutung de r „Finanzrevolution" , F . Crouzet, Editor' s Introduction , in : ders. (Hg.), Capita l Formation i n the Industrial Revolution, Londo n 1972, bes. S. 48-52. Zur Transparenz des Geld und Kapitalmarkte s i n England , L . Pressneil , The Rate of Interest i n the 18th Century , in : ders. (Hg.), Studies i n th e Industria l Revolution, Londo n 1960. 9 Hierzu S . Pollard, Fixe d Capital i n the Industria l Revolution i n Britain, in : JEH, Bd. 26, 1964. F. Crouzet , Kapitalbildun g i n Großbritannien währen d de r Industrielle n Revolution , in : R. Brau n u . a. , Industriell e Revolution , Köl n 1972; sowie di e Beiträg e i n J . P . P . Higgins u . S, Pollard, Aspect s of Capital Investmen t i n Great Britain, 1750-1850 , London 1971. R. Cameron u. a. , Bankin g i n the Earl y Stage s o f Industrialization , Ne w Yor k 1967 ; Ashton, Th e Indu strial Revolution ; Crouzet , Introduction . 10 Marx sprich t i n Kapital , Bd . 3, S . 522 , von de n „Leuten , di e ih r Schäfche n in s Trocken e gebracht [haben ] und di e sich von der Reproduktion zurückziehen" . Sieh e auch E . Hobsbawm , Europäische Revolution , Züric h 1962, S. 82 ff. 11 Marx, Kapital , Bd . 3, z. B . S. 569, 918; A. G. Gayern. a., Th e Growth an d Fluctuation of the British Economy, 1790-1850 : An Historical Statistical and Theoretica l Stud y o f Britain' s Economic Development , 2 Bde., Oxford 1953 ; R . C . O . Matthews , A Stud y i n Trad e Cycl e History: Economi c Fluctuation s i n Grea t Britain , 1833-1842 , Cambridg e 1954 ; M . Lévy-Le boyer, Le s Banques Europèenne s et I'industrialisation internationale dans la première moiti é du siècle, Pari s 1964 , findet auc h fü r Frankreic h i n diese r Period e unzureichend e Investitionsmög lichkeiten; Hobsbawm, S. 94, schreibt folgendes über die „Nachfrage-rettende" Eisenbahninve stition: „Waru m wurd e investiert ? Vo n grundlegende r Bedeutun g fü r di e Beantwortung diese r Frage is t die Tatsache, da ß i n Englan d währen d de r zwe i erste n Generatione n de r industrielle n Revolution di e wohlhabende n un d reiche n Klasse n s o schnell un d s o viel Gel d akkumulierten , daß si e meh r besaßen , al s si e ausgebe n ode r investiere n konnten. "

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Anmerkungen z u Seit e 81-84 12 Hierzu S . Broadbridge, Studies i n Railway Expansion and the Capital Market i n England , 1825-1873, London 1970. Interessant ist , da ß offenba r vie l Kapita l au s Lancashire abfloß. Fü r die Aktiengesellschaften, vgl . H . A. Shannon , The coming o f general limited liability an d ders., The limited companie s of 1866-1883, in: E. M . Carus-Wilson (Hg.) , Essay s in Economic Histo ry, Bd . 1 , Londo n 1954 . Siehe auc h H . Pollins , Th e Marketin g of Railwa y Share s i n th e Firs t Half o f the 19th Century, in : EHR, Bd . 7, 1954 , S. 230-39. Für die Börse, J . R . Killick u . W . A . Thomas, Th e Provincia l Stoc k Exchanges , 1830-1870 , in : EHR, Bd . 23, 1970 , S . 96-111 ; auch Β. L. Anderso n u . P . L . Cottrell , Anothe r Victoria n Capita l Market : A Stud y o f Bankin g an d Bank Investor s o n Merseyside , in : EHR, Bd . 28, 1975 , S . 598-615 . 12a Schätzungen in P . Mathias, The Firs t Industria l Nation , Londo n 1969 . Zahlen i n A. Cairncross , Hom e an d Foreign Investment , 1870-1913 , Cambridg e 195 3 bes. S. 95-102 und F. Lavington , The Englis h Capita l Market , Londo n 1921 . 13 Zeitweise un d gebietsweis e ware n si e auch seh r viel früher bedeuten d geworde n - z. Β . in den US A i n de n 1830e r Jahren. Vgl . hierz u L . Jenks, Th e Migration of British Capita l to 1875 , New Yor k 1927; auch Matthews, Α study i n Trade Cycle History; und P. Temin, Th e Jackson ­ ian Economy , Ne w York 1969. 13a M . Edelstein , Realized Rates of Retur n o n U. K . Home an d Oversea s Portfoli o Invest­ ment i n the Ag e o f Hig h Imperialism , in : ΕΕΗ , Bd. 13, 1976 , S. 285. 14 Diskussion i n Α. R. Hall (Hg.) , Th e Expor t of Capital from Britai n 1870-1914 , London 1968; Ch. Kindleberger , Economi c Growth in Franc e and Britain , Cambridge (Mass. ) 1964; T. Pierenkemper , Di e Entwicklun g de s britische n Kapitalmarkte s un d britische n Wirtschafts ­ wachstums 1870-1913, Diplomarbeit Münste r 1971; auch di e Beiträg e zitier t i n D . McClosky , Did Victoria n Britai n Fail? , in : EHR, Bd . 28, 1970 , S . 446-59 ; siehe auc h M . Edelstein , in : ΕΕΗ, Bd. 13, 1976 , der Auslandsinvestitionen fü r die Periode 1870-1913 relativ hoh e Rendite n bescheinigen kann . 15 K. Borchardt, Zu r Frag e de s Kapitalmangel s i n der erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland, in : R . Brau n u . a. , Industriell e Revolution , S . 216 ff. wiede r abgedruckt . Vgl . hierzu di e imme r noc h wertvoll e Arbei t vo n Brockhage, Zu r Entwicklung ; vgl . auc h de n Über blick be i H . Winkel , Kapitalquelle n un d Kapitalverwendun g a m Voraben d de s industrielle n Aufschwungs i n Deutschland , in : Sch . Jb., Bd . 90, 1970 . 16 Nach eine r Schätzun g fü r Preuße n fie l di e Bruttoinvestitio n al s Anteil de r Bruttoproduk tion vo n ca. ein Fünftel au f ein Achtel, 1816-1849. Berechnungen i n R. Tilly, Capital Formatio n in Germany, in: Cambridg e Economi c History o f Europe , Bd. 7, Cambridge 1978. Dieser Rückgang wiederspiegel t allerding s ein e Lösun g de s Kapitalmangelproblems , di e zunehmend e Produktivität scho n i n de r 1. Jahrhunderthälfte bot . Hierz u auch : S. Ciriacy-Wantrup , Agrar krisen un d Stockungsspannen , Berli n 1936, S. 7 1 ; G. Franz , Landwirtschaf t 1800-1850, und K. Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstu m un d Wechsellagen 1800-1914, bes. S. 218, in: H. Aubin u . W . Zorn (Hg.) , Handbuc h de r deutschen Wirtschafts - un d Sozialgeschichte, Bd . 2, Stuttgart 1976. 16a Auße r de r i n de n Beiträge n 1, 2 und 4 dieses Bande s angegebene n Literatu r (Brockha ge, v . Gülich , Kahn , Voye , etc.) , vgl . auc h di e Bemerkunge n mi t Literaturangabe n be i Bor chardt, Kapitalmange l un d Winkel , Kapitalquellen . 17 R. Fremdling, Eisenbahne n un d deutsche s Wirtschaftswachstum , 1840-1879, Dortmund 1975, bes. Tab . 2, S. 28. Zur Bedeutun g de r Eisenbahne n i n de n Jahre n 1840-1860, vgl. auc h R. Spre e u , J . Bergmann, Di e konjunkturell e Entwicklun g de r deutsche n Wirtschaf t vo n 1840 bis 1864 in: H . - U . Wehle r (Hg.) , Sozialgeschicht e Heut e (Festschrif t fü r Han s Rosenberg) , Göttingen 1975. 18 Fremdling, bes . Tab . 14-15 und 33-38 und S . 132 ff. 19 R. Tilly, Financial Institutions and Industrialization i n the Rhineland 1815-1870 , Madiso n 1966, Kap. 7 und Literatu r dort ; Borchardt , Kapitalmangel ; vgl . auc h W . Steitz , Di e Entste hung de r Köln-Mindene r Eisenbahn , Köl n 1974.

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Anmerkungen z u Seit e 84—89 20 Nur ei n Beispie l fü r di e These, da ß hohe s Wachstu m „selbstfinanzierend " ist . Sieh e hie r H. Winkel , Di e Ablösungskapitalie n au s de r Bauernbefreiun g i n West - un d Süddeutschland , Stuttgart 1968; auch Fremdling , S . 132 ff. 20a Aufschlußreic h zu m Aktiengeset z vo n 1870 und Entwicklun g i n de n 1870e r Jahren , H. Böhme , Deutschland s We g zu r Großmacht , Köl n 1966, bes. S . 283-86; zur Gründerkrise , H. Mottek , Di e Gründerkrise , in : JbW , 1966, Teil I, S . 51-128 . Zur Gesamtentwicklung , H . - U . Webler , Bismarck und de r Imperialismus , Köl n 1969, bes. S . 61 ff. 21 Schwankungen i m Kur s der Staatspapiere fande n trotzde m statt , d a Änderungen i n ande ren Teilen de s Kapitalmarkte s abwechseln d Kapita l abstieße n un d anzogen . Be i der Analyse de s Kapitalmarktes mu ß dieser Interdependenzfaktor imme r beachtet werden. Auch könnt e die Stabilisierung diese r Papier e ander e „Stabilisierungsansätze " andere r Gremie n (Reichsban k z. Β. ) durchkreuzen. Vgl . H . Hellwig , Di e preußisch e Staatsban k Seehandlung , 1772-1922, Berlin 1922. 22 Da sich Spekulanten andere n Objekte n a n demselben Mark t zuwandten , bzw . solch e Ob jekte nac h Deutschlan d lockte n un d d a di e vermehrte n preußische n Anleihpapier e zusätzlich e Geldkapitalien i n den Mark t zogen . Hie r wir d von dem geringeren Risik o der Staatspapiere un d der hohen Elastizität des Kapitalangebots i n bezug auf Risikoreduktion ausgegangen . Ei n „Test " dieser Hypothes e wär e schwe r durchführbar , d a u . a . „Kapitalangebot " nich t unerheblich e Operationalisierungsschwierigkeiten au f wirft. 23 Der London Economist, 1880-1889 . Μ. Alberty, De r Übergang zu m Staatsbahnensyste m in Preußen , Jen a 1911, S. 190, 234-236 , zitiert weiter e Quellen , w o au f di e vergrößerten Mög lichkeiten de s Kapitalimport s durc h Unterbringun g de r preußischen Papier e i m Ausland hinge wiesen wird . Vgl . auc h H . Feis , Europa , the World' s Banker. 1870-1914, New Yor k 1930, S. 60 ff. Vgl . abe r Wehler, Bismarck, bes. S. 84-87, wo u. a . au f weltwirtschaftliche Beweggründ e des Kapitalexport s hingewiese n wird . 24 H . Albert, Die geschichtliche Entwicklun g de s Zinsfußes i n Deutschland vo n 1895-1908, Leipzig 1910, z. B . S . 106, 211 , Vgl. auc h O . Donner , Di e Kursbildun g a m Aktienmarkt , in : VzK, Sonderhef t 36, Berlin 1934. 25 F. Seidenzahl, 100 Jahre Deutsch e Bank, 1870-1970, Frankfurt/M. 1970, z. B . S. 184-85. Vgl. abe r J . Riesser, Di e deutsche n Großbanke n un d ihr e Konzentration , Jen a 1910, S. 211. Vgl. auc h E . Eistert , Di e Beeinflussun g de s Wirtschaftswachstum s i n Deutschlan d vo n 1883-1913 durch da s Bankensystem , Berli n 1970, S. 99-118. 26 Für Detail s hierzu : R . Tilly, Das Wachstu m industrielle r Großunternehme n i n Deutsch land, 1870-1913, in: H . Kellenben z (Hg.) , Wirtschaftliche s Wachstum , Energi e un d Verkehr , Stuttgart 1978. 27 Einschließlich de r „stille n Rücklagen" . I n der Tabelle 9 erwähnten Grupp e vo n 50 Industrieaktiengesellschaften machte n liquide Aktiv a gege n End e der Periode 1880-1911 mehr als ein Viertel alle r Aktiv a aus . 28 Es muß vor allem gesagt werden , da ß geschickte Ausnutzung de s Kapitalmarktes der We g zum schnellere n Reichtu m darstelle n konnte . Ζ. Β . die Tatsache , da ß de m Thyssen-Konzer n zwischen 1871 und 1903 eine Vermögenszuwachsrate vo n 20 % pro Jahr nac h vermutet werde n kann, läß t sich nich t nur durch technische n Fortschrit t un d Betriebsgewinn allei n erklären , son dern wa r z.T . finanziel l bedingt . Vgl . hierz u Beitra g 6 zu diese m Ban d un d Diskussio n be i Tilly, Das Wachstum . 29 Gegenüber diese n Koste n stehe n freilic h bestimmt e Erträge . 30 Riesser, S . 359-62, 959-81 . Diese Zahle n enthalte n allerding s erheblich e Doppelzählun gen, da alle 4 Großbanken of t - wenn auc h nich t immer - an denselben Emissione n beteilig t wa ren, di e hie r addier t wurden . 31 Eistert, S . 134-36, 14 2 ff., bes . S. 150-51. Nicht uninteressan t is t ferner di e Tatsache, da ß die drei größte n Aktiengesellschafte n i m Deutsche n Reic h i m Jahr e 1913 (nach Kapita l gemes sen) Banken waren: die Deutsche Bank, Disconto-Gesellschaf t un d Dresdner Bank. 17 der größ-

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Anmerkungen z u Seite 89-96 ten 25 Unternehmen waren ebenfalls Banken, Dies ist ein Ergebnis, das man für kein anderes Industrieland u m 1913 feststellen kann . 32 R.Tilly, Zeitreihe n zum Geldumlauf in Deutschland 1870-1913, in: JNSt, Bd. 187, 1973, S. 330-84. 33 Riesser, Beilag e IV. Hierzu auc h O . Jeidels, Da s Verhältnis de r deutschen Großbanke n zur Industri e mi t besonderer Berücksichtigun g de r Eisenindustrie, Leipzi g 1905. 34 Der Einfluß der Kartelle auf die Liquidität von Unternehmungen und so auf Banken, bes. 1893 ff., is t vielleicht reflektier t i m Zuwachs der Vertretung Industrielle r i n den Leitungsgre mien de r Banken. Vgl . z . B . Riesser, S . 463. 35 P.-C. Witt, Di e Finanzpolitik de s Deutschen Reich s von 1903-1913, Lübeck 1970, z. Β . S. 147, 152; Tilly, Zeitreihen; M. Seeger, Di e Politik der Reichsbank von 1876-1914 im Lichte der Spielregeln de r Goldwährung, Berli n 1968. Dank de r Rolle des Goldes als internationale s Zahlungsmittel, hin g di e Expansion de s einheimischen Geldumlaufe s vo n der Zahlungsbilan z ab. Ein relativ später Versuch, diesen Zusammenhang z u lockern, kan n in der Einführung vo n Reichsbanknoten geringere r Zerstückelung (bi s auf 5 Mark) um 1906 gesehen werden. Hierz u K. Borchardt, Währun g und Wirtschaft, in : Deutsche Bundesbank, Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975. Frankfurt/M. 1976. 36 Hierzu Witt . 37 Da Umsätze i n sterile n Werte n stärke r stiege n al s Neuemissione n un d Verteilung bzw . Umverteilung eine n wesentlichen Aspek t des Kapitalmarktes darstellt(e) , d. h. e s gab „Verlierer", dere n Verlust e al s sozial e Koste n betrachte t werde n können . 38 In der Weimarer Zeit wurden sowohl die Großbanken al s größte Unternehmen Deutschlands durch Industriekonzerne überflügelt, al s auch der gesamte Kapitalverkehr stark vom Ausland abhängig. Beid e waren bedeutsame politische Konsequenzen und Faktoren. Insofern regi striert di e Entwicklung de s Kapitalmarktes allgemein e Tendenzen de r politischen Geschichte , eine These, die anfangs ausgeführt wurde . Versuche, diese neue Lage zu deuten, sind bei Κ. Ε . Born, Di e deutsch e Bankenkris e 1931, Finanzen un d Politik , Münche n 1937, besonders S . 19-28. K. Gossweiler, Großbanken , Industriemonopole , Staat , Ökonomi e un d Politi k de s staatsmonopolitischen Kapitalismu s i n Deutschland, 1914-1932, Berlin 1971. W. Hagemann , Das Verhältnis der deutschen Großbanken zur Industrie, Berlin 1931, besonders S. 20-21, 89 ff. 6. Das Wachstu m de r Großunternehme n i n Deutschland seit de r Mitte de s 19. Jahrhunderts 1 Die ersten zwei Ziffern beziehe n sich auf das Jahr 1907, die letzte auf 1967. Beschäftigungszahlen 1907 in: A . Sartorius v. Waltershausen : Deutsch e Wirtschaftsgeschichte , 1815-1914, Jena 1923, S. 489, 499. Zahlen zum Vermögenswert der Aktiengesellschaften un d zum gewerblichen Kapitalstock aus : W. Hoffmann u . a. , Da s Wachstum de r deutschen Wirtschaft sei t der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1965, S. 239-45, 785-86. Zahlen für 1967 aus: (a) Stat. Jahrbuch der BRD, 1972, S. 178-80, (b) J. Huffschmied, Di e Politik de s Kapitals, Konzentratio n und Wirtschaftspolitik i n der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1969, S. 40-41, (c) T. Brinkmann , Umfang un d Rendit e de s Produktivvermögens , in : Bericht e de s deutschen Industrieinstituts , Bd. 5, 1971 , S. 10 und (d ) G . Savelsberg, Di e Finanzierun g de r Investition , in : Bericht e de s deutschen Industrieinstituts , Bd . 6, 1972 , S. 21. Einige weitere Angabe n in : G . Dya s u . T. Thanheiser , The Emergin g European Enterprise , Londo n 1976, bes. S . 48-52. 2 A. Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspective, Cambridg e 1962; D. Landes , The Unbound Prometheus, Cambridg e 1969, S. 327-58, bes. S. 346-47 und 354; T. Vehlen , Imperia l Germany and the Industrial Revolution, Michiga n 1966 (1915); J . Kocka , Unternehmensverwaltung un d Angestelltenschaf t a m Beispie l Siemen s 1847-1914, Stuttgart 1969; ders., Industrielles Management: Konzeption und Modelle vor 1914, in: VSWG, Bd. 56, 1969, S. 332-72. In seiner jüngsten Veröffentlichung will Kocka die relative Größe und die Or-

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Anmerkungen z u Seit e 97-99 ganisationsformen de r deutschen Großunternehmen al s Antwort au f den fehlenden bzw . umor ganisierten Binnenmark t sehen . Ders. , Unternehmeri n de r deutschen Industrialisierung , Göt tingen 1972, S. 89-96 und ders. , Expansion-Integration-Diversifikation . Wachstumsstrategie n industrieller Großunternehme n i n Deutschland vo n 1914, in: H . Winkle r (Hg.) , Industri e un d Gewerbe i m 19./20 . Jahrhundert , Berli n 1975. 2a Grundlegen d für wirtschaftshistorische Hintergrundinformatione n hierz u die Beiträge in : H . Aubin u . W. Zorn (Hg.) , Handbuch de r deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, B d . 2 , Stuttgart 1976, bes. di e vo n Borchard t (Kap . 6 und 15). 3 Nur i n Preuße n dominierte n privat e Eisenbahngesellschaften , abe r das Gewich t Preußen s in de r deutsche n Industrialisierungsgeschicht e wa r ebe n groß . R . Fremdling , Eisenbahne n un d deutsches Wirtschaftswachstu m 1840-1879, Donmund 1975, identifiziert di e 1840e r Jahre al s „Durchbruchsphase" fü r Eisenbahnen . Vgl . auc h H . Wagenblaß , De r Eisenbahnba u un d da s Wachstum de r deutsche n Eisen - un d Maschinenbauindustri e 1835-1860, Stuttgart 1973. Beträchtliche Investitione n wurde n i n Preuße n i n de n 1830e r Jahren getätigt , insbes . i m Straßen und Wohnungsbau , abe r si e waren i m Vergleich zu r Eisenbahninvestitio n de r 1840e r Jahre be scheiden. Vgl . hierz u P . Martin , Entstehun g de s Preußische n Aktiengesetze s vo n 1843, in: VSWG, Bd . 56, 1969 , S. 499-542; auch R . Tilly, Zur Entwicklung de s Kapitalmarkte s un d In dustrialisierung i m 19. Jahrhundert unte r besondere r Berücksichtigun g Deutschlands , in : VSWG, Bd . 60, 1973 , S. 146-165. 4 E. Engel, Di e Erwerbstätigen Juristische n Personen , insbesondere die Actiengesellschafte n im preuß . Staate , Berli n 1876; Tilly , Zur Entwicklun g de s Kapitalmarktes . 5 Vgl. hierz u C . Holtfrerich , Quantitativ e Wirtschaftsgeschicht e de s Ruhrkohlenbergbau s im 19. Jahrhundert. Ein e Führungssektoranalyse, Dortmun d 1973; ebenso Fremdling un d Wa genblaß. 6 Die Gütertarife de r deutschen Eisenbahne n fiele n vo n ca. 17 Pfennig pro Tonnenkilomete r in den 1840e r Jahren auf ca. 5 Pfennig i n den 1870e r Jahren. Danach wurden sie nur noch gering fügig reduziert . Date n hierz u be i Fremdling . 6a Vgl . hierz u z . B . A. v . Mayer , Geschichte un d Geographi e de r deutschen Eisenbahnen , Berlin 1891, bes. S . 113 ff. Hie r lieg t noc h ei n fruchtbare s Forschungsfel d brach . 7 Vgl. H . Blumberg , Di e Finanzierun g de r Neugründunge n un d Erweiterunge n vo n Indu striebetrieben i n For m vo n Aktiengesellschafte n währen d de r 50e r Jahre de s 19. Jahrhunderts, in: H . Motte k u . a . (Hg.) , Studie n zu r Geschichte der industriellen Revolutio n i n Deutschland , Berlin 1960, für den Gründerboom de r 1850e r Jahre. Für die Beziehungen zwische n Wirtschaf t und Politik i n dieser Zeit Η. Boebme, Deutschland s Weg zur Großmacht, Studie n zum Verhält nis vo n Wirtschaf t un d Staa t währen d de r Reichsgründungszei t 1848-1881, Köln 1966. Zur „Gründerphase" der 70er Jahre H. Mottek , Di e Gründerkrise, in: JbW, 1966, Teil I, S. 51-128 . 8 Investitionsverhalten i n de r Industri e sowi e Gütertarifveränderunge n widerspiegel n dies . Vgl. auc h Ηoffmann, Tab . 41. 9 Hierzu de r locu s classicus : H . Rosenberg , Groß e Depressio n un d Bismarckzeit . Wirt schaftsablauf, Gesellschaf t un d Politi k i n Mitteleuropa , Berli n 1967. Hierzu auch : Mottek , Gründerkrise, un d zu m Konjunkturverlau f de r 1870e r Jahr e R . Spree , Di e Wachstumszykle n der deutsche n Wirtschaf t vo n 1840-1880, Berlin 1977, S. 352-67. 10 Für ein Beispiel des Ersteren: W. Däbritz , Geschicht e der August Thyssen Hütte , Teil 2, S. 23. Unveröffentlichtes Manuskript , dankenswerterweis e vo n Frau Dr. G. Milkerei t und de m Archiv de r A . Thysse n Hütt e Gmb H zu r Verfügung gestell t worden . Vgl . auc h C . N . Smith , Motivation and Ownership : History o f the Ownership o f the Gelsenkirchener Bergwerks AG, in: BH , Bd . 12 , 1970 , S . 1-24 ; O . Stillich, Eisen - un d Stahlindustrie , Bd . 2, Leipzig 1906, S. 114-96. Für de n Norddeutsche n Lloyd : P . Neubaur , Norddeutsche r Lloyd , Berli n 1908. 11 Zahlen zum Sozialprodukt, in : J . D. Gould, Economi c Growth in History, London 1972, S. 22-23; Daten übe r Arbeitslosigkei t u . ä . fü r di e 1920e r un d 1930e r Jahr e be i D . Kees , Di e volkswirtschaftlichen Gesamtgröße n fü r da s Deutsch e Reic h i n de n Jahre n 1925-1936, in:

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18 Tilly , Kapital

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Anmerkungen z u Seit e 99-100 W. Conz e u . a . (Hg.) , Di e Staats- und Wirtschaftskris e de s Deutsche n Reiche s 1929/33, Stuttgart 1967. Für die Weimarer Zeit vgl. auc h G . Clausing, Die wirtschaftlichen Wechsellage n vo n 1919-1932, Jena 1933 und K . Borchardt , Wachstu m un d Wechsellage n 1914-1970, in: Zor n (Hg.). Ferne r die Beiträge in H . Mommse n un d D. Petzina (Hg.) , Industrielle s Syste m un d politische Entwicklun g i n de r Weimare r Republik , Düsseldor f 1974. 12 S. Patel, Rate s of Industrial Growt h i n the Last Century , 1860-1958, in: B. Supple (Hg.), The Experience of Economic Growth, Ne w York 1963 . Vgl. auc h hierzu Borchardt, Wachstum , S. 712-20 . 13a Fü r ökonomisch e Aspekt e de s 1. Weltkrieges vgl . K . Roessler , Di e Finanzpoliti k de s deutschen Reiche s i m 1. Weltkrieg, Berli n 1967; G. Feldman , Army, Industr y an d Labor i n Germany, 1914-1918 , Princeto n 1966 ; zur „Inflationszeit " jetz t auc h di e Beiträg e in : O . Büsch u. G . Feldma n (Hg.) , Historisch e Prozess e de r deutsche n Inflatio n 1914-1924, Berlin 1978. Ders. u . H . Homburg , Industri e un d Inflation , Studie n un d Dokument e zu r Politi k de r deut schen Unternehmer 1916-1923, Hamburg 1977; H. Mauersberg , Deutsch e Industrie n i m Zeit geschehen eine s Jahrhunderts , Stuttgar t 1966; W. Fischer , Her z de s Reviers . 125 Jahre Wirt schaftsgeschichte de s Industrie - un d Handelskammerbezirk s Essen , Mühlheim , Oberhausen , Essen 1965; W. Richter , Monopolkapita l un d Staat i m 1. Weltkrieg un d i n der Novemberrevo lution 1814-1919, Berlin 1959; J . Kocka, Klassengesellschaf t i m Krieg , 1914-1918, Göttingen 1973. 13b D . Weder , Di e 200 größten deutsche n Aktiengesellschaften , Diss. Frankfurt/M. 1968. 14 Derartige umfassende These n sind freilich gewag t un d stoßen übe r die Grenzen de r in diesem Beitra g z u mobilisierende n Beleg e hinaus; si e müssen zu m Tei l al s Forschungsmöglichkei t verstanden werden . Wi r komme n au f einige dieser Thesen weite r unte n zurück. Fü r den Einflu ß finanzieller Außenseite r vgl . Mauersber g u . W . Däbritz , Bochume r Verei n fü r Bergba u un d Gußstahlfabrikation, Düsseldor f 1934. Für eine n schnelle n Blic k au f di e Gutehoffnungshütt e und Stinne s vgl . K . Pritzkoleit , Männer , Mächte , Monopole . Hinte r de n Türe n de r westdeut schen Wirtschaft , Rauc h 1960. Vgl. auc h G . Raphael, Hug o Stinnes. De r Mensch , sei n Werk , sein Wirken , Berli n 1925, S. 14 a und K . E . Born, Di e Bankenkrise. Finanze n un d Politik , Mün chen 1967. Für einen allgemeinen Interpretationsversuc h sieh e K . Gossweiler , Großbanken , Industriemonopole, Staat , Ökonomi e un d Politi k de s staatsmonopolistische n Kapitalismu s i n Deutschland, 1914-1932, Berlin 1971. 15 Daher di e Anwendun g de s Begriff s „Staatsmonopolkapitalismus " (stat t „Finanzkapita lismus"), z . B . von Historikern wi e Gossweiler au f die 20er Jahre. Vgl, auc h K . Gossweiler , Di e Vereinigten Stahlwerk e un d di e Großbanken . Ein e Studi e übe r da s Verhältni s vo n Bank - un d Industriekapital i n de r Weimare r Republi k un d unte r de r faschistische n Diktatu r (1926-1936), in: JbW , 1965, Teil 4, S. 11-54; Smith; Pritzkoleit . 16 J . D. Gould, S . 22-23. Vgl. Borchardt, Wachstu m un d Wechsellagen ; ders. , Wandlunge n des Konjunkturphänomen s i n de n letzte n hunder t Jahren , Bayerisch e Akademi e de r Wissen schaften, Philosophisch-historisch e Klasse , Sitzungsberich t I /1976, München; un d schließlic h ders., Trend , Zyklus , Strukturbrücke , Zufälle : Wa s bestimm t di e deutsch e Wirtschaftsge schichte de s 20. Jahrhunderts?, in : VSWG , Bd . 64, 1977 , S. 145-78, für ein e Diskussio n ver schiedener Periodierungsmöglichkeite n un d unte r Berücksichtigun g de r jüngste n Zeit . 17 Ungefähr di e Hälft e de r erste n Summ e wa r i n Maschine n un d industrielle r Ausrüstung . Vgl. A . Maddison , Economi c Growth i n th e West, Londo n 1964. 18 Hierzu vgl . A . Schonfield, Moder n Capitalism, Oxford 1963; Kap. XI und XII; K. Ros kamp, Capita l Formatio n i n West Germany , Detroit 1965, Maddison, zit . i n Anm . 17, Kap. 5. Die Ergebnisse von E . Denison , Why Growt h Rates Differ, Washington 1967, deuten abe r dar auf hin , da ß da s amerikanische Vorbil d nich t nu r übe r die privaten Investitionen , sonder n auc h auf de r breite n Eben e de s private n un d öffentliche n Konsum s de r europäische n un d besonder s der deutschen Wirtschaf t wichtig e Wachstumsimpuls e gegebe n hat . C . Kindleberger , Europe's Postwar Growth: The Role of Labor Supply, Cambridge 1967, Kap. 2, hat allerdings diese Inve-

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Anmerkungen z u Seit e 100-103 stitionstätigkeit de r durc h groß e Arbeitskräftereserve n ermöglichte n hohe n Gewinn e zuge schrieben. Hierz u auc h Borchard t u . K . Hardach , Wirtschaftsgeschicht e i m 20. Jahrhundert, Göttingen 1976. 19 Diese Ansich t vertritt Roskamp. Si e ist sicherlich ein e zulässige Interpretatio n der „sozia len Marktwirtschaft" . 20 Nach einer Berechnung in G. Stolperu , a. , Deutsche Wirtschaft seit 1870, Tübingen 1966, S. 288, war 60 % der Kapitalbildun g de r deutschen Industri e 1948-1962 intern finanziert, 25 % durch staatlich e Subventione n un d de r Res t au f de m Kapitalmarkt . Ei n Grun d hierfü r wa r di e verhältnismäßig hohe Besteuerung der verteilten Gewinne (51 %) im Vergleich zu den umverteil ten (15 % ) . Vgl. auc h Roskamp . 21 Wie Schonfield, S . 276-7 7 bemerkte, wa r e s nicht zufällig , da ß die Leitun g de r Kreditan stalt für Wiederaufbau - die Institution, die zur Verteilung der Marshal-Plan-Gelder eingerichte t wurde - dem prominenteste n Bankie r Deutschland s übertrage n wurde . Vgl . auc h Festschrif t Deutsche Bank , 1870-1970, S. 392-93. Allerdings mu ß di e größer e Roll e de r Sparkasse n al s Universalbanken sei t 1948 als Wettbewerbsfaktor i n diesem Zusammenhang mi t berücksichtig t werden. 22 Vgl. Holtfrerich , S . 82-83, 11 6 ff. 23 Die Geschicht e de r wichtigste n Syndikatsmitgliede r wi e Gelsenber g ode r Harpene r re flektieren diese s Bild . Vgl . A . Heinnchsbauer , Harpene r Bergba u Aktiengesellschaf t 1856-1936, Essen 1936, S. 101-13; F. A . Freundt , Kapita l un d Arbeit , Berli n 1938, S. 65-69; Stillich, S . 188-89. Vgl. auc h Holtfrerich , S . 20 (für di e Preisentwicklun g bi s 1913). Ferner P. Orth , Di e Ware Steinkohle und ihr Markt, Münste r 1922; A. Pilz , Di e Hüttenzechenfrage i m Ruhrbezirk un d Richtlinien fü r ein e Ermessung des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats , Essen 1910 und K . Wiedenfeld , Da s Rheinisch-Westfälisch e Kohlensyndikat , Bon n 1912. 24 Vgl. hierz u Kocka, Unternehmensverwaltung , bes . S. 315-35; ders., Family and Bureau cracy in Germany. Industria l Management 1850-1940: Siemens in Comparative Perspective, in : BHR, 1971, S. 133-56; H. Nussbaum , Unternehme r gege n Monopole , Berli n 1966, S. 72-99. Aus Platzmangel kan n nich t nach Industriebranchen differenzier t werde n - etwa wi e von Gossweiler vorgeschlagen . De r Lese r wir d abe r au f de n besondere n Charakte r de s Kohlebergbau s verwiesen. 25 Holtfrerich, S . 170-71; Stillich, S . 189-94, 295 ; H. Bechtel , Wirtschaftsgeschicht e Deutschlands im 19. u. 20. Jahrhundert, Münche n 1956, S. 229. Der Frage müßte nachgegange n werden. Das Argument i m Text ist provisorisch. Außer den Arbeiten in Anm. 23 vgl. auch Kokka, Expansion . Untersuchenswert is t die Frage: warum Fusionen stat t Diversifikation de r Kapi talanlage der Aktionäre . Hinte r Diversifikatio n de r Unternehme n stecke n woh l Kapitalmarkt imperfektionen. 26 Vgl. hierz u G . Kroll , Vo n de r Weltwirtschaftskrise zu r Staatskonjunktur, Berli n 1958, S. 89-91. Jedoch habe n wohl hoh e Fixkosten de r Großunternehmen ein e Drosselung der Produk tion gebremst. Vgl . hierz u M . Dobb , Studies in the Development of Capitalism, London 1967, bes. S . 357-71. 27 Nussbaum, S . 160, 182 , 207, 212-16. Vgl. auch hierzu F. Blaich, Kartell - und Monopolpo litik i m Kaiserliche n Deutschland . Da s Problem der Marktmacht i m Deutsche n Reichstag zwi schen 1879-1914, Düsseldorf 1973. Auch di e imme r noc h relevant e Argumentatio n vo n J . A . Schumpeter, Busines s Cycles, 2 Bde., Ne w Yor k 1939, Bd. 1, S. 403 und II, S. 697-700. 28 Die Wirksamkeit de s 1957e r Gesetzes ist stark durch die vorgesehenen Ausnahmefäll e be einträchtigt worden , wa s auch au s den sich fortschreitenden Konzentrationstendenze n sei t 1945 abzulesen ist . Vgl . Huffschmid . Ferner : Dya s u . Thanheiser , S . 52-55. Allerdings is t zuneh mende Konzentratio n nac h de n sogenannte n Konzentrationsziffer n gemesse n nich t identisc h mit geringerem Wettbewerbsgra d i m ökonomischen Sinne - weder statisch noch dynamisch be trachtet. 29 Vgl. hierzu Huffschmid; auc h Schonfield. Bis zur Rezession von 1966-67 hatten expansiv e

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Anmerkungen z u Seit e 104-106 Exportmärkte di e Notwendigkeit eine r nähere n Beschäftigun g de s Staates mi t dem Proble m de r aggregierten, einheimische n Nachfrag e erübrigt . 30 Vgl. hierzu F . Harbison and C. A. Myers, Management i n the Industrial World. A n Inter national Analysis, Ne w York 1959; R. Bendix , Herrschaf t un d Industriearbeit . Untersuchun gen fü r Liberalismu s un d Autokrati e i n de r Geschicht e de r Industrialisierung , Frankfur t 1960; J . K . Galbraith , The New Industria l State, Londo n 1967; R. Marris , Th e Economi c Theory o f Managerial Capitalism , Londo n 1964 . Für Deutschland: Kocka u . Η. Hartmann, De r deutsch e Unternehmer, Autoritä t und Organisation, Frankfur t 1959. Vgl. auc h den locus classicus der Or ganisationstheorie: J . March u. H . Simon , Organizations, Ne w York 1958. 31 Blumberg, S . 176-77, 180 . Noch untersuchenswer t wäre n i n diese m Zusammenhan g di e Eisenbahngesellschaften de r 1840-73e r Periode . 32 Geschichtliche Entwicklung un d gegenwärtiger Stand der Phönix-Aktien-Gesellschaft fü r Bergbau und Hüttenbetrieb i n Hörde, 1912, S. 15-16; W. Kunze , De r Aufbau de s Phönix-Kon zerns, Frankfur t 1926, S. 31; Däbritz , S . 46-64; Heinrichsbauer, S . 29-30; auch R . Cameron, France and the Economic Development i n Europe, Princeton 1961 . Τ. Pierenkemper, Di e west ­ fälischen Schwerindustrielle n 1852-1913, Göttingen 1979, bringt interessant e Date n übe r di e Rekrutierung vo n Führungskräfte n fü r di e schwerindustriellen Unternehme n de s Ruhrgebiets , die mi t de r Trennun g vo n Besit z un d Kontroll e einherging , 1850-1919. 33 Für Beispiel e siehe : Festschrift , Eisen - un d Stahlwer k Hoesc h A G i n Dortmund , 1871-1921, S. 4 ; H . Mönnich , Aufbruc h in s Revier . Aufbruc h nac h Europ a 1871-1971, München 1971, S. 91-95. Siehe auc h E . Barth , Entwicklungslinie n de r deutschen Maschinenbauin dustrie vo n 1870-1914, Berlin 1973, S. 142-150. 34 Engel; E . Moll, Da s Problem einer amtlichen Statistik de r deutschen Aktiengesellschaften , Berlin 1908. 35 Vgl. z . B . Engel. Für eine antisemitische Tirade Ο. Glagau, De r Börsen- und Gründungs schwindel i n Deutschland , Leipzi g 1877, S. XV, XXXV , Literatur auc h be i Kocka, S . 338-39, 341-42. 36 London Economist, Febr. 1884, S. 161-62, 16 . Febr. 1884, S. 192-94. Vgl. auc h die Erläu terungen des Deutschen Ökonomist, Bd . 39, 1884 und 1885. Die Verzögerungen zwische n Kris e (1874) und neue m Aktiengeset z erklär t sic h z . T . durc h di e Relatio n zwische n Preuße n un d dem Reic h un d Bismarck s Zielen . Vgl . hierz u H . Boehme , Deutschland s We g zu r Großmacht , Köln 1966, S. 386. Dokumente i n DZ A (Merseburg) , Rep . 120, I I a , A XI I 5 . 37 W. Treue , Di e Ilsede r Hütt e 1858-1958. Ein Unternehme n de r Eisenschaffende n Indu strie, Münche n 1958, S. 235. Allerdings läß t sich dies nur für wenige Unternehme n direk t nach weisen. I m allgemeinen ware n di e Kursgewinne de r um 1913 größten Unternehmen übe r die gesamte Periode viel mäßiger als die der kleineren Unternehmen . O b dies auf den Unwille n de r Ei gentümer bzw . Kontrolleur e diese r Unternehmen , meh r Kapita l aufzunehmen , ode r au f di e a n der Bereitstellung de s Kapitals von Kapitalgeber n geknüpfte n Bedingunge n zurückzuführe n ist , kann ohn e zusätzlich e Informatione n nich t entschiede n werden . 38 Gerade diese n Geschäftsweise n verdank t di e AE G ihre n steile n Aufstieg . Vgl . Kocka , S . 33-34; ders., Unternehmensverwaltung , S . 383 ff., 396 ff. 39 Stillich, S . 147. 40 Däbritz, S . 430—48; Gossweiler; O . Dascher , Problem e de r Konzernorganisation , in : H. Mommse n u . D . Petzin a (Hg.) , Industrielle s Syste m un d politisch e Entwicklun g i n de r Weimarer Republik , Düsseldor f 1974, deutet di e Vesta g un d I G Farbe n positiver . 41 Die Banken solle n angeblic h dies e Reorganisatio n „erzwungen " haben . Fü r de n Neuauf bau de r 1950e r Jahr e vgl . Pritzkoleit . Fü r di e Reorganisatio n vgl . De r Spiegel , Bd . 26, Nr. 6, 31. Jan. 1972. Nach Dya s u . Thanheiser , bes . Kap . 6, waren di e 100 größten deutsche n Indu strieunternehmen 1950 noch relati v star k zentralisiert , abe r 1970 viel nähe r a n dem Dezentrali sierungsgrad de r noc h führende n Großunternehme n i n de n US A un d Großbritannien . D . h. , die deutsch e „Rückständigkeit " i n diese m Zusammenhan g wurd e ers t nac h 1945 abgebaut.

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Anmerkungen z u Seite 106-110 42 A . Chandler , Strateg y an d Structure. Chapter s i n the History o f Industrial Enterprise , Cambridge 1962 ; auch A. Chandle r u . H . Deams , Th e Rise of Managerial Capitalis m an d its Impact on Investment Strategy in the Western World and Japan, in: H. Daems u. H. v. d . We e (Hg.), Th e Rise of Manageria l Capitalism , Leuve n 1974 . 43 Däbritz, S . 392. 44 Z . B . Kirdor f für Gelsenberg , Reusc h fü r di e Gutehoffnungshütte . 45 Da s Problem ist gesehen worden, z. Β . von Hartmann un d neuerdings Kocka und in den neueren Arbeite n vo n Dyas u . Thannheiser , bes . Kap . 8. 45a Kock a untersucht z. Z . diese Frage. Dyas u. Thanheiser stellten für 1950, 1960 und 1970 einen Rückstan d - wenn auc h abnehmen d - in deutsche n Unternehme n fest . 46 Hierzu vgl . Gerschenkron . Fü r ein e kurz e Diskussio n mi t Literaturhinweise n Jeideh , Riesser, Webe r etc . Vgl. auc h Kocka, S . 100-5. Vgl. auc h Dyas u . Thanheiser , bes . S. 56-58. 47 Für Stinnes: Pritzkoleit; Raphael; Stillich, S. 189-94; Gelsenkirchener Bergwerks-Aktien gesellschaft 1973, 1913, VSWG, Bd. 16-18. Auch Kocka, S. 89-96; W. Fischer, Bergbau . Indu strie und Handwerk 1850-1914, in: W. Zorn (Hg.) , Bd . 2, bes. S. 544-47 und Literatun dort . Diversifikation konnt e allerdings auch ohne Fusionen oder Übernahmen erreicht werden und in einem Sample von 50 deutschen Industrieunternehmen überwo g internes Wachstum eindeutig , 1880-1911. Diversifikation übe r externes Wachstum scheint hiernach meh r ein Phänomen de s 20. Jahrhunderts gewese n z u sein . Vergl . auc h Beitra g (8) dieses Bandes. 48 Interessanterweise mißt R. Mams' Analyse der Großunternehmen de r Finanzierung nu r eine negative defensive Rolle bei, aber diese Vorstellung ma g wahrscheinlich fü r die deutschen Verhältnisse nicht zutreffen, d a sie weder (a) die Rolle der Banken noch (b) die Möglichkeit des externen Wachstum s berücksichtigt . Vgl . Marris. 49 In Hoffmann, S . 785-86; Tilly, Zeitreihen zu m Geldumlau f i n Deutschland , Tab . 5. 50 Vgl. Tilly, Zur Entwicklung . Industrieaktiengesellschafte n hielte n 1913 ca. 1,5 Mrd. Mark ihre r Mitte l i n Effekte n fest . Vgl . Hoffmann , S . 785-86. 51 Gemeint ist hier die Möglichkeit für Industrieunternehmen, i n anderen Sektoren zu investieren un d somi t z u diversifizieren, stat t ihr e Mitte l wege n z u hohe m Risik o ode r z u hohe n Transferkosten be i eigener Investition den Banken zu überlassen. Vgl. J . Riesser , Zu r Entwicklungsgeschichte de r deutschen Großbanke n mi t Rücksich t au f di e Konzentration , Jen a 1905, S. 463, der di e zunehmend e Besetzun g vo n Aufsichtsratspositione n i n Banke n durc h Indu strielle zitiert; Nussbaum, S . 30ff. hat auf das relative Wachstum des Nichtbankenkapitals nach 1895 hingewiesen, und andere Quellen haben ebenfalls auf die mehrfache Bankverbindung industrieller Unternehme r aufmerksa m gemacht . Augus t Thyssen & Co. hatt e 1908 1 1 verschiedene Bankverbindungen. Vgl . Festschrif t Deutsch e Bank , S . 193 und Däbritz. 51a Fü r Informationen übe r diese Analyse vgl. R. Tilly, Das Wachstum industrieller Großunternehmen i n Deutschland , 1870-1913, in: H . Kellenbenz (Hg.) , Wirtschaftswachstum , Energie und Verkehr, Stuttgart 1978. Zur „Liquiditätspolitik" deutscher Großunternehmen vgl. R. Rettig , Da s Investitions - un d Finanzierungsverhalte n deutsche r Großunternehmen , 1880-1911, Diss . Münster 1978. 52 R. Hofmann, Bilanzkennzahlen , Köl n 1960, S. 193-99. 53 Tilly , Zeitreihen. 54 Däbritz, zit , in Anm. 14, S. 238. In früheren Briefwechsel n ha t Baare Bedenken geäußert über die Gefahren des übermäßigen Bankeinflusses i n internen Angelegenheiten des Bochumer Vereins, der aus den Kreditbedürfnissen resultier t hatte. In vielen historischen Unternehmensanalysen wird auf die positive Funktion der Liquiditätsreserve hingewiesen. Der Bochumer Verein wird hie r (bei alle n Eigenarte n de s Unternehmens) nu r als stellvertretend fü r viel e zitiert . 55 Bewegungsbilanzen fü r 5 Unternehmen mi t 16 Jahresänderungen ode r Bewegunge n i m Zeitraum 1870-1913 stellen Reduktio n i n liquide n Mittel n al s Hauptfinanzierungsquell e fü r Vermehrungen de s Sachanlagevermögens . Vgl . E . Heilmaier, Liquiditätspoliti k deutsche r

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Anmerkungen z u Seit e 111-116 Großunternehmen, 1870-1913, Unveröffentl. Diplomarbei t Münste r 1972. Diese unterschied lichen Ergebniss e konnte n noc h nich t harmonisier t werden . 56 Däbritz, Tei l 1, S. 19 und 28-31, Teil 3, S. 14. Dieses Unternehme n wurd e 1872 als Ak tiengesellschaft gegründet , 1876 in Gewerkschaftsform umgewandelt , 1889 in eine Aktiengesell schaft rückverwandel t un d 1904 von de r Gelsenkirchene r Bergwerksaktiengesellschaf t über nommen. 57 Dies gilt auch für Thyssen's Fernbleiben vom Rheinisch-westfälischen Kohlensyndika t be i der Gründun g 1893 und fü r seine n Beitrit t z u günstigere n Bedingungen , 10 Jahre spater . W . Däbritz , Tei l 2, S. 23. 58 Zahlen bei Hoffmann, S . 785-86; allgemeine Eindrücke bei Mauersberg, S . 304-5, 409-11 ; Däbritz, S . 405-6; Fischer, S. 91-97 ff. Vgl . auc h P. Czada , Di e Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit , Berli n 1969. Leider lieg t di e Unternehmensgeschichte de r Weimarer Zei t noc h ziemlich i m Argen . De r groß e Sammelban d H . Mommse n u . D . Petzin a enthäl t zu r ökonomi schen Problemati k de r Unternehme n nu r de n Beitra g vo n Dascher , freilic h dafü r ein e ganz e Reihe vo n aufschlußreiche n Beiträge n zu r politische n Aktivitä t vo n Unternehmer n sowi e di e wirtschaftshistorischen Skizze n vo n Fischer un d Petzina/Abelshauser . 59 Der Spiegel , 1972. 60 Mauersberg; Däbritz ; Treue ; Fischer ; Kocka ; Neubaur . 61 Heilmaier. Wi r dürfe n hie r Reduktio n i n liquide n Mittel n ausschließe n mi t de m Argu ment, da ß sie langfristig doc h durch entsprechend e Änderunge n au f de r Passivseite „finanziert " werden müssen . Abschreibunge n un d Reservebildun g machte n ca . 55, Kapitalerhöhungen etw a 13 und externe Finanzierung ca . 13 % der beobachteten Änderunge n de s Sachanlagevermögens . 62 Siehe Tilly; P . Mathias, Th e Firs t Industrial Nation, Londo n 1969. 63 Es gibt zerstreut e Hinweis e i n de r Literatu r hierau f (z . B . be i Kocka, Riesser , Heilmaier ) und die systematische Überprüfung de r Hypothese steckt noch in den Anfänge. Sieh e aber Tilly. 64 W. Hoffmann , Di e unverteilte n Gewinn e i n Kapitalgesellschaften , in : ZfGS , Bd . 159, 1959, S. 280-82. 65 Wie obe n i n Anm . 20 zitiert. 66 Savelsberg. Diese r Berich t erfaß t di e Entwicklun g bi s zu r erste n Hälft e de s Jahre s 1971. Die Aussag e i m Tex t übe r Gefahre n de r aktuelle n Wirtschaftsgeschichtsschreibun g kan n hier durch nu r verstärk t werden !

7. Kapital un d Kapitaliste n de s Schaaffhausen'sche n Bankvereins , 1895-1899 1 Der Deutsch e Ökonomist , 1897, S. 242. 2 P. B . Whale, Joint-stoc k Banking i n Germany, Berlin 1930, S. 164 ff. Vgl . hierz u A . We ber, Depositenbanke n un d Spekulationsbanken , 3. Aufl., Münche n 1922, S. 317-21; auch R. Hilferding , Da s Finanzkapital , Berli n 1909, S. 96-97. 3 Nach Hilferding s „Finanzkapital " (bes . S . 300-2) war di e Frag e de s Aktienkapital s de r Banken un d desse n Kontroll e di e entscheidend e Frag e - und dennoc h kau m erforscht . 4 Die Liste n sin d de n Protokolle n de r Generalversammlun g de r Aktionär e de s Bankverein s beigeheftet un d dem Handelsregister de s Amtsgerichtsbezirks Köln , Hauptstaatsarchi v Düssel dorf, Gericht e Köln , Rep . 115, Nr. 505-507, entnommen worden . Solch e Verzeichniss e sin d nach meiner Erfahrung selte n zugänglich . Ic h konnte nicht feststellen, waru m gerad e diese Kapi talerhöhungen un d nich t auc h ander e s o dokumentiert sind . Dahe r spreche ic h oben vo n eine m „glücklichen Zufall" , Ic h möchte a n diese r Stell e Herr n Reßle r vo m Hauptstaatsarchi v Düssel dorf fü r sein e freundlich e Hilf e danken . 5 Was i n de n entsprechende n Generalversammlunge n de r Aktionär e beschlosse n wurde . S o heißt di e List e fü r 1895 „Verzeichnis de r nac h Maßgab e de s Beschlusse s de r Generalversamm -

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Anmerkungen z u Seit e 116-124 lung vom 3. April 1895 gezeichneten Aktie n Lit. Α, sowie Angabe n de r betreffende n Zeichne r und Zeichnungsscheine. " 6 Vgl. Erklärun g de r Berline r Handelsgesellschaf t un d de s Bankhause s Gebrüde r Schickle r im Jahr e 1888, im Deutsche n Ökonomist , 1889, S. 610. 7 Zum Beispiel war Ph. Schoeller , Düren , i n der Generalversammlung vo m 3. April 1895 mit 1 700000 Mark vertreten ; e r zeichnet e dan n fü r de n ih m aufgrun d diese s Besitze s zustehende n Betrag von 425 000 Mark neu e Aktien un d trat dan n au f de r Generalversammlung vo m 3. April 1897 mit eine m Aktienbesitz von 2 155 000 Mark au f - ein Betrag, de r zwar im Vergleich z u 1895 um 30 000 Mark meh r gewachse n wa r al s de r 1895 gezeichnete Aktienbetrag , wa s jedoc h durc h Vermengung mi t dem Aktienbesitz anderer Schoeller Familienmitglieder erklär t werden konnte . In der Generalversammlun g vo m 29. März 1899 war Ph . Schoelle r nu n mi t 2 694 000 Mark ver treten, eine Summe, die um 539 000 Mark höher war als der in der Generalversammlung von 1897 vertretene Betrag oder genau der Wert, de r ihm 1897 zustehenden und tatsächlich beanspruchte n Bezugsrechte. I m Jahr e 1903 schließlich vertra t Ph . Schoelle r ei n Aktienkapita l vo n 3692000 Mark. Dies e Summ e wa r u m 998000 Mark höhe r al s de r 1899 vertretene Betrag , d . h . 100000 Mark höhe r al s da s ih m 1899 zustehende Bezugsrech t au f neu e Aktien , wa r wiederu m durc h Hinzuziehung weitere r Schoelle r Familienmitgliede r erklär t werde n könnte . 8 Vgl. hierz u A . Krüger, Da s Kölne r Privatbankiergewerb e vo m End e des 18. Jahrhunderts bis 1875, Essen 1925. E. König , Erinnerungsschrif t zu m 50jährigen Bestehen des A. Schaaffhau sen'schen Bankvereins , Köl n 1898; und H . Boebme , Gründun g un d Anfang e de s A . Schaaff hausen'schen Bankvereins , in : Tradition , Bd . 10, 1965 , S. 189-212. 9 Der Deutsch e Ökonomist , 1883, S. 154; 1889 , S. 115 und 180. Diese Zeitun g modifi zierte ih r Urtei l später , wi e au s unsere m Zita t (1897) ersichtlich ist . Vgl . auc h Anm . 1. 10 Diese geschichtlich e Skizz e sol l nu r ein e grob e Vorstellung übe r de n keinesweg s lineare n Verlauf de r Entwicklun g de s Bankvereins wiedergeben . Ei n Hinweis schein t hier allerding s an gebracht z u sein: Die 1890er Jahre waren au s der Sicht der Rendite des Bankvereins woh l die besten de r gesamte n Period e 1870-1913, hatten als o z. Τ . Ausnahmecharakter. 11 Schon Jahrzehnte früher wa r diese Tendenz - vor allem bei Eisenbahnpapieren - bekannt. Bereits 1859 deutete da s Ergebni s eine r staatliche n Umfrag e übe r Börsengeschicht e darau f hin . Vgl. R . Tilly, Financial Institutions and Industrialization i n the Rhineland, 1815-1870 , Madiso n 1966, S. 119 und 176-77. Anfang de r 1870e r Jahre schrie b S. Bleichröde r a n G . Mevisse n übe r die Notwendigkeit de s Berliner Marktes für eine Eisenbahnemission: „. . . Berlin is t Stapelplatz der sämtlichen Order s aus der Provinz, consumier t gan z bedeutende Summen vo n Prioritätsak tien . . ." , in: Nachla ß Mevissen , Nr . 1073, XVII , in H . A . S . Köln . Vgl . auc h J . Riesser, Di e deutschen Großbanke n un d ihr e Konzentration , Jen a 1910, bes. S . 494-97. 12 Wir wisse n vo n de r Erfahrun g andere r Großunternehme n z u diese r Zeit , da ß di e i n de n Generalversammlungen zu m Vorschei n kommend e Aktienbesitzverteilun g nich t di e „eigentli che" Besitzverteilung z u reflektieren brauchte ; im Normalfall stellt e sie sogar ein Minderheitsin teresse dar. Ei n Blick in das Handelsregister für diese Zeit kann dies bestätigen. Für die Harpene r Bergbau AG , 1896-1913, enthalten di e Beständ e de s westfälische n Wirtschafts-Archiv s i n Dortmund wertvoll e Hinweis e z u diese r Frage . 13 Für die Millionär e vgl . di e interessant e un d au f Auswertun g geradez u drängend e Zusam menstellung bei : R. Martin , Jahrbuc h de s Vermögens und Einkommens der Millionäre in Preu ßen, 1912, Berlin 1913. Die benutzte n Adreßbüche r de r Stad t Köl n befinde n sic h i m H . A. S . Köln. 14 Ein Vergleich de r identifizierbaren Unternehme r des rheinisch-westfälischen Raume s un ter den Zeichnern i m Jahre 1899 ergab ei n Übergewicht de r Industrieunternehmer vo n 2:1. Die Kölner Zahle n sin d allerding s genauer , d a di e Identifikatio n de r Zeichne r vollständi g war . 15 Bei den Kölne r Rentier s betru g de r durchschnittlich e Aktienbetra g 1895: 6000 Mark un d 1899:12 000 Mark-erheblich unte r dem Gesamtdurchschnitt vo n 13 000 bzw. 24 000 Mark. Fü r die Attraktio n de r Bankaktie n al s ein e Ar t Rentenpapie r vgl . De r Deutsch e Ökonomist ,

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Anmerkungen z u Seite 126-132 1912, S. 420-21. Könnten di e diesem Beitra g zugrundegelegte n Date n i n größerem Umfang e und vor allem für die Berliner Banken mobilisiert werden, s o wäre eine genauere Überprüfun g der Thesen vo n R . Hilferdin g übe r die soziale n Dimensione n de s „Finanzkapitals " möglich . Vgl. R . Hilferding , bes . S . 300-1 und 464-466.

8. Externes Wachstu m industrieller Großunternehmen , 1880-1913 1 Vgl. hierzu : H. Nußbaum, Unternehme n gege n Monopole , Berlin 1966; O. Jeidels, Da s Verhältnis der Großbanken zur Industrie, Leipzig 1913 2;J. Riesser , Die deutschen Großbanken und ihre Konzentration, Berlin 1910; R. Hilferding, Da s Finanzkapital, Berlin 1909; H. Boeh me, Bankenkonzentration und Schwerindustrie, in: H. U. Wehler (Hg.), Sozialgeschichte Heute. Fs. für H. Rosenberg, Göttingen 1974, S. 432-51 (u.a.m.). Neu: W. Feldenkirchen, Kapital beschaffung i n der Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets 1879-1914, in: Zs. f. Unterneh mensgeschichte, Bd . 24, 1979 , S. 39-81. 2 L. Davis, The Capital Markets and Industrial Concentration: the US and the UK. A Comparative Study , in : EHR, Bd . 19, 1866 ; R . Nelson , Merge r Movement s i n America n Indu stry, 1895-1956 , Princeto n 1959 . L . Hannah, Merger s i n Britis h Manufacturin g Industry , 1880-1918, in : OEP , Bd . 2 6 (1974). Für die größten Unternehme n de r US A wir d diese r Zusammenhang vo n A. Chandle r allerdings als unwichtig in Relation z u technologischen un d organisatorischen Konzentrationsgründe n angesehen . Vgl . A. Chandler , Th e Visibl e Hand , Cambridge, Mass . 1977, bes. Kap . 10. 3 Vgl. W . Fischer, Bergbau , Industri e und Handwerk 1850-1914, in: H. Auhin u . W . Zorn (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts-und Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1976, bes. S. 546 ff. Auc h Feldenkirchen, Kapitalbeschaffung . 4 Vgl. H. v. Sothen, Di e Wirtschaftspolitik de r Allgemeinen Elektrizitäts Gesellschaft, Diss. Freiburg i . Br . 1915; R. Liefmann , Kartelle, Konzerne und Trusts, S. 130-31. E. Wagon, Die finanzielle Entwicklun g deutsche r Aktiengesellschaften vo n 1870-1900 und die Gesellschafte n mit beschränkter Haftung im Jahre 1900, Jena 1903, S. 89. H. Hasse , Die Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft un d ihre wirtschaftliche Bedeutung , Diss. Heidelberg 1902. F. Fasolt, Di e sieben größte n deutsche n Elektrizitätsgescllschaften , Leipzi g 1904. 5 Vgl. R. Tilly, Das Wachstum industrieller Großunternehmen i n Deutschland, 1880-1911, in: H. Kellenbenz (Hg.) , Wirtschaftswachstum , Energi e und Verkehr vo m Mittelalter bi s ins 19. Jahrhundert, Stuttgar t 1978. Hier soll hinzugefügt werden , daß nicht alle 50 Unternehmen die ganze Periode hindurch bestanden haben. Daher sind einige Unternehmensreihen nich t ganz 31 Jahre lang und die Zusammensetzung u m einige Unternehmen am Anfang und Ende der Periode unterschiedlich . 6 Berücksichtigt ma n die Diskrepanz zwische n Spalt e (2) und (3), so wird di e Bezeichnung der Schätzung als „Mindestschätzung" verständlich . Die Namen der betroffenen Firme n lassen aber erkennen, daß es sich um eine relativ kleine Verzerrung handelt. An dieser Stelle soll gesagt werden, da ß Acquisitione n vo n Immobilien, di e den Ker n privater Firme n ausgemacht habe n können (wi e z. Β . gewisse Kohlenfelder) , nich t al s externe s Wachstu m interpretier t werde n bzw. nu r dann, w o sie mit un d al s Unternehmen verknüpf t waren . 7 T. Pierenkemper, Di e westfälischen Schwerindustriellen , 1852-1913. Eine Modelluntersuchung zur historischen Unternehmensforschung , Göttinge n 1979. An dieser Stelle möchte ich Herrn Pierenkemper für die freundliche Überlassun g dieses (in seiner Arbeit z. Τ . nicht mitver­ öffentlichten) Material s herzlic h danken . 8 Beteiligungen spiele n s o gut wie keine quantitative Roll e in diesem Zusammenhang; un d selbst die Addition des gesamten Wertpapierzuwachses im Zeitraum (1880-1911) läßt den Anteil des externen Wachstums am Gesamtwachstum der o. a . Unternehmen lediglic h au f run d 26 %

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Anmerkungen z u Seit e 133-144 steigen! Un d dies e Zah l stell t mi t Sicherhei t ein e Überschätzun g de r Obergrenz e de s externe n Wachsrums dar . 9 Man is t versucht , di e Wettbewerbsbeschränkunge n i n der Schwerindustri e sei t de n 1890e r Jahren mi t diese n zwe i Faktore n - relativ niedrige s Wachstu m un d horizontale Expansio n ode r Kombination - zu verbinden , doc h fehle n ausreichend e Kostendate n dazu . Übrigen s sol l hie r auf da s Kriteriu m de r Langlebigkei t de r untersuchte n Firme n hingewiese n werden , d a e s ein e gewisse Verzerrung in Richtung langsa m wachsender Unternehmen enthält . Vgl. hierzu : R. Tilly, Das Wachstum . 10 Vgl. J . Kocka , Entrepreneur s and Manager s i n German Industrialization , in: CEHE , Bd. 7, Cambridge 1978, T. 1, S. 556-62, bes. 560. 11. Vgl. hierzu : R . Rettig, Da s Investitions- und Finanzierungsverhalten deutsche r Großun ternehmen, 1880-1911, Diss . Münster 1978; auch R . Tilly, Das Wachstum . 12 Grundkapital reflektier t da s Verhalten besse r als Eigenkapital, wei l letzter e Größ e die Reservebildung enthält , di e hauptsächlic h durc h Kursagi o be i Grund kapitalerhöhunge n erklär t werden kann . Hier wird nu r der Börsenkurs untersucht, wei l der Obligationszins für das externe Wachstum unwichtig , di e Dividenden ehe r ei n Ergebnis, kein e treibende Kraf t de s Wachstums prozesses war . Erwähnenswer t is t i n diese m Zusammenhan g di e Lag-Korrelatio n zwische n Kurs (t-1) und Dividendensatz (t0 ) bei den hier untersuchte n Unternehme n 1880-1911: r=0,68. Vgl. daz u Tabell e 7, Reihen 15 und 16. 13 Problematisch a n dieser Behauptung is t die implizite Annahme, da ß zeitliche Verzögerun gen in den Beziehungen zwische n Finanzierun g un d Wachstum unbedeuten d waren . Nu r in wenigen Fallen sin d solch e verzögerte Relationen eindeuti g feststellbar , obwoh l si e nicht unplausi bel sind. Weiter unten (be i der Diskussion de r Tabelle 7) wird mi t verzögerten Relatione n argu mentiert. Gestütz t wir d di e generell e Aussag e abe r durc h de n positive n Zusammenhan g zwi schen Grundkapitalwachstum, externe m Wachstu m un d Konjunkturlage einerseit s und dem ne gativen Zusammenhan g zwische n langfristige r Verschuldung , externe m Wachstu m un d Kon junkturlage andererseits . Vgl . hierzu : R . Tilly, Banken un d Industrialisierun g i n Deutschland : Quantifizierungsversuche, in : F.-W . Henning , Banke n un d Versicherungen , Berli n 1980. 14 Nicht auszuschließe n is t ferne r di e Möglichkeit , da ß di e bilanzmäßig e Registrierun g de r Kapitalerhöhungen de r Entscheidun g zu r Erhöhun g i n de r Rege l ei n Jah r späte r folgte , d . h. , gleichzeitig mi t externe m Wachstu m zusammenfiel . Di e Vorreiterrolle de r Aktienkursentwick lung wir d allerding s dadurc h nich t i n Frag e gestellt . Si c is t auc h gegenübe r de r Dividendenbil dung erkennbar , kan n als o nich t al s Folge dieser Manifestatio n de r Unternehmenspoliti k inter pretiert werden . Vgl . hierzu : da s Schaubil d S . 135 und: De r Deutsch e Ökonomist , 1884, S. 632, wo de r Aktienkur s al s Ergebni s de r Differen z zwische n Dividendensat z un d Zinssat z verstanden wird .

9. Unruhen un d Protest e i n Deutschlan d i m 19. Jahrhundert Der Deutsche n Forschungsgemeinschaf t dank e ic h fü r di e finanziell e Unterstützun g be i diese r Forschungsarbeit. * De r Tex t stamm t au s de r Festschrift: I m tolle n Jahr . Erste r Jahrgan g de s Kladderadatsch , 1848, Berlin 1898. 1 Hier is t nich t de r Or t fü r ein e vollständige Bibliographie , jedoc h sollte n folgend e wegwei sende Arbeite n zitier t werden : Hobsbawm's bahnbrechende r Aufsatz : Economi c Fluctuations and Some Social Movement s Since 1800 , in: EHR, Bd . 5, 1952/53 , S. 1-25; sein hervorragende s Werk: Primitiv e Rebeis, Manchester 1959; die gemeinsam mit G. Rude verfaßte Arbeit : Captain Swing, Londo n 1969. Rud e wa r einer de r ersten , de r Unruhen al s ein interessante s historische s Problem sui generis behandelte, bereit s in : The Crow d i n th e French Revolution, Oxfor d 1959

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Anmerkungen z u Seit e 144—147 und stärker in: The Crowd in History, New York 1964, E. Thompson's to The Making o f the English Workin g Class , Londo n 196 5 ist ei n moderne r Klassiker , desse n Bedeutun g allerding s be trächtlich übe r das Problem von Volksunruhen hinausgeht . C . Tilly hat mit einigen bemerkens werten Arbeiten , di e hauptsächlic h vo n Frankreic h i m 19. Jahrhundert ausgehen , z u diese m Thema beigetragen . Vgl . sei n The Changing Plac e of Collective Violence, in: Μ. Richter (Hg.) , Social Theory an d Social History, Cambridge, Mass . 1969; How Protest Modernized in France, 1845-1855, in: W . Aydelott e u . a . (Hg.) , Th e Dimension of Quantitative Researc h i n History, Princeton 197 2 und sein: Collective Violence in European Perspective, in : H. D . Graham u . a. , Violence in America; Historical an d Comparative Perspectives, New York 1969. In diesem Buc h wird aussagekräftige s Materia l übe r di e Vereinigte n Staate n - ein gewalttätige s Lan d - präsentiert. Di e Erfahrung dreie r Lände r - Frankreich, Italie n un d Deutschland - mit „collective violen ce" über den Zeitraum 1830-1930 wird dargestellt , in : C, L . u . R . Tilly, Th e Rebellious Century, Cambridge , Mass . 1975. T. Gurr , Why Me n Rebel , Princeto n 1970 , packt da s Proble m au s der Sicht der Politikwissenschaft an , abe r unter reichlicher Verwendung historische n Materials . Die historisch e Erforschun g diese s Problem s i n Deutschlan d steck t noc h i n de n Anfängen . Wichtig is t die Arbeit von H. Volkmann , Di e Krise von 1830. Form, Ursach e und Funktion de s sozialen Proteste s im deutschen Vormärz, Habil . Schr . F U Berli n 1975. Vgl. ferne r di e Beiträg e von Volkmann , Lüdtk e u . Tenfelde , in : GuG , Bd . 3, 1977 , S. 164-235. Ein fruchtbare s For schungsfeld, da s eng zusammenhängt mi t dem sozialen Protest, wi e er hier verstanden wird , bie tet die Geschicht e de r Kriminalität . Hierz u gib t e s die interessant e Arbei t vo n D . Blasius , Bür gerliche Gesellschaf t un d Kriminalität . Zu r Sozialgeschicht e Preußen s i m Vormärz , Göttinge n 1976. Vgl. auch : V. McHale u . E . Johnson, Urbanization, Industrializatio n an d Crime in Impe rial Germany, in: Socia l Scienc e History, Bd. 1, 1976 . Bezeichnenderweise stamm t di e wichtigste Arbeit zu m Weberaufstand - dem berühmte n Bei spiel von Gewalttätigkeite n währen d de s 19. Jahrhunderts-von eine m Russen: S . B . Kan, Dv a vosstaniia silezskikh Tkachei , 1793-1844 (Der Aufstand de r schlesischen Weber , Moska u 1948). Eine interessante Möglichkeit, kollektiv e Gewalttätigkeiten i n Deutschland i m Lichte der Soziologie de r „kleine n Gruppe " z u behandeln , biete t L . Uhen , Gruppenbewußtsei n un d informell e Gruppenbildungen be i deutschen Arbeiter n i m Jahrhundert de r Industrialisierung, Berli n 1964. 2 Auf jede n Fal l abe r trit t vo m Standpunk t eine r vergleichende n Perspektiv e i n Deutschlan d Verschiedenartigkeit wenige r hervo r al s eine fundamental e Einheit , di e das Ergebni s de r relati v späten Industrialisierun g Deutschland s mi t ihren politischen Implikatione n war . Di e einschlägi gen klassische n Ausführunge n finde n sic h be i T. Veblen , Imperia l Germany an d th e Industria l Revolution, Ne w Yor k 1915; A. Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspektive, Cambridge , Mass . 1962; vgl. auch : R. Brady, Th e Economic Impact o f Imperial Germany: Industria l Policy , in : JEH , Bd . 3 , 1943 , S . 108-23 . 2a Vgl. de n folgende n Beitra g S . 10 und Tilly, Rebelliou s Century , oben zit. , Kap . 4. 3 Vgl. de n folgende n Beitra g S . 10 und Tilly, Rebelliou s Century, obe n zit. , Kap . 4. 4 S. Eisenstadt, Modernization: Protest and Change , Englewoo d Cliff s 196 6 bietet ein e Ein führung i n die Terminologie, Konzeptio n un d Literatu r z u diese m Thema . Fü r di e erst e Hälft e des 19. Jahrhunderts entsprich t dem , wa s de r Begrif f „Modernisierung " umfasse n sollte , E . Hobsbawm's Vorstellun g vo n de r „Dua l Revolution" . Si e stellt di e Implikatione n heraus , wel che di e Französisch e Revolutio n vo n 1789-1793 und di e englisch e Industriell e Revolutio n sei t 1780 für die Entwicklung de r europäischen Gesellschaf t hatte . I n C. Tilly 's Arbeiten wir d diese s Problem aufgegriffe n un d unte r Verwendun g einschlägige r Literatu r diskutiert . Zwe i Beispiel e für di e „Entwurzelungsthese " sin d B . Hoselitz , The City , th e Factor y an d Economic Growth, in: AER , Papers an d Proceedings , 1955 , S . 172-84 ; und P. Hauser, The Social Economic , an d Technological Problem s o f Rapid Urbanization , in : B . Hoselit z u . W . Moor e (Hg.) , Industria lization and Society, Th e Hague 1963 . Vgl. auc h den folgenden Beitra g und insbesondere di e Li teratur i n Tilly, Rebelliou s Century. 5 P . Reinhardt, Di e sächsische n Unruhe n de r Jahr e 1830-31 und Sachsen s Obergan g zu m

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Anmerkungen z u Seit e 147-150 Verfassungsstaat, Hall e 1916, S. 72-75, zeigt beispielsweise auf, wi e andere sächsische Zeitungen Nachrichten brachten , di e i n Leipzige r Zeitunge n wege n de r Zensu r nich t gedruck t werde n durften un d wi e Zeitunge n außerhal b Sachsen s Nachrichte n veröffentlichten , di e i n Sachse n selbst au s dem gleiche n Grun d nich t erscheinen. De r preußische Innenministe r beschwert e sic h 1832 beim Oberpräsidente n de r Provinz Rheinlan d übe r di e Nachlässigkeit lokale r Zensur un d das Erscheinen eine s Artikels (in der preußischen Rhein- und Mosel-Zeitung), de r vom Hamba cher Fest , eine r riesige n durchau s radikale n Demonstratio n i n de r bayerische n Pfal z handelte . Brief de s Innenminister s a n de n Oberpräsidente n de r Provin z Rheinlan d vo m 13. Juni 1832, Staatsarchiv Koblenz , Bd. 403, No. 2548 . Weitere Beispiel e - sowie die Erörterung de s gesam ten Problemkreise s vo n Press e un d Zensu r - finden sic h be i K . Koszyk , Deutsch e Press e i m 19. Jahrhundert, Berli n 1966 und bei F . Schneider , Pressefreihei t un d politische Öffentlichkeit , Neuwied 1966. Ein weiterer Faktor , de r die Pressezensur tendenziel l schwächte , wa r das bloß e Anwachsen journalistische n Output s sei t etw a 1840. Hierzu vgl . W . Mönke , Da s literarisch e Echo in Deutschland auf Friedrich Engel s Werk „Di e Lage der arbeitenden Klass e in England" , Berlin 1965. 6 H . Bleiber , Zwische n Refor m un d Revolution , Berli n 1966; D. Eichholtz , Preußisch e Ei senbahnbauarbeiter i m Vormärz , in : Deutsch e Akademi e de r Wissenschafte n z u Berli n (Hg.) , Beiträge zu r deutsche n Wirtschafts - un d Sozialgeschichte , Berli n 1962. 183 0 wurde soga r ei n preußischer Landra t vo n seine m unmittelbare n Vorgesetzte n getadelt , i n seine n normale n Be richten antimonarchistisch e Demonstratione n erwähn t z u haben , wa s eine n schlechte n Ein druck in Berlin machen könnte. Brief de s Regierungspräsidenten vo n Münster an den Landrat z u Hamm, Dezembe r 1830, Staatsarchiv Münster , R . B . Arnsberg , Bd . 350. 7 Koszyk, S . 20-23, 93, 125;F. Mehring , Kar l Marx, Geschichte seines Lebens, Leipzig 1933, S. 49; Reinhardt, S . 132, berichtet, da ß Leipzige r Händle r 1830 in de r Augsburge r annoncier ten, „da ß die Ruhe wiederhergestellt worde n war", i n der Hoffnung, fü r mehr Teilnehmer an ihrer berühmte n Mess e z u werben . Inzwische n (1969) ist di e wichtig e Arbei t vo n Volkman n er schienen, di e j a zu m große n Tei l au f di e Augsburger aufbau t un d dere n Ergiebigkei t wi e auc h Grenzen ihre r Berichterstattun g aufzeigt . 8 Aus einem von B. Holzner (Univ . Pittsburgh) und W. Schluchter (Univ. Düssldorf ) organi sierten Forschungsprojek t wurde n mi r freundlicherweis e Bericht e de s Frankfurte r Journa l zu r Verfügung gestellt . 9 E. Sterling , E r is t wi e Du . Au s de r Frühgeschicht e de s Antisemitismu s i n Deutschland , 1815-1850, München 1956, Anhang, S . 189-92. 10 Ihr Anhang is t etwas ungenau . Zu m Beispiel werde n di e antisemitischen Ausschreitunge n von 1819 beschrieben al s „Gewalttätigkeiten , di e a n Jude n i n de r Zei t vo n 1800-1850" (S. 189-92) verübt wurden . 11 Berichte von Unruhen un d Aufstande n i n der Provinz Rheinland, 1837-1847, sind z u fin den im Staatsarchiv Koblenz , Bd. 403, No. 2523 , 1 und 2; der Provinz Westfalen i m Staatsarchiv Münster, Oberpräsidiu m Bd. 350 (Arnsberg), 351 (Minden), 352 (Münster), Bd . 689, 690, 69 1 und 692. 12 Diese Beziehung wir d vo n Hobsbawm, „Economi c Fluctuations", für verschiedene euro päische Lände r diskutiert . Di e Bewegun g landwirtschaftliche r Preis e sin d z u entnehme n au s A. Jacobs u . H . Richter , Di e Großhandelspreise i n Deutschland vo n 1792-1934, in: Vzk, Son derheft 37, Berlin 1935. W. Kallmann, Sozialgeschichte de r Stadt Barme n i m 19. Jahrhundert, Tübingen 1960, Anhang 2, S. 279-86 bietet Informatione n übe r den Konjunkturzyklus , di e re levant fü r di e oben genannt e Beobachtun g sind ; un d von 1843 an stehen A . Spiethoff s Angabe n zur Verfügung . Di e wirtschaftliche n Wechsellagen , 2 Bde., Tübinge n 1955, Tabelle 1 und Band 2. 13 E. Todt , Di e gewerkschaftlich e Betätigun g i n Deutschland , 1850-1859, Berlin 1950, S. 59-66 und Anhan g Α und B .

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Anmerkungen z u Seite 150-154 13a Fü r die Miteinbeziehung diese r Revolutionsjahr e vgl . de n folgenden Beitra g un d Tilly, Rebellious Century, obe n zit. , Kap . 4. 14 Mit Hinweise n au f diese s Wachstu m be i W . Hoffmann, Th e Take-off i n Germany , in: W. W . Rostow (Hg.) , The Economics of Take-off int o Sustained Growth, New York 1963 , S. 95-118; Spiethoff, S. 113-17 . M. Olsen, Rapid Economic Growth as a Destabilizing Force , in: JEH, Bd. 23 , 1963, S. 528-58 und R. Ridker, Disconten t and Economic Growth, in: Economic Development an d Cultura l Change , Bd . 10 , 1962 , ist di e allgemein e Beziehun g zwische n Wachstum un d soziale n Spannunge n diskutier t worden , wobe i natürlic h „Unzufriedenheit " („discontent") nicht dasselbe ist wie „Unruhen " („disorder"). Für eine neue Aufarbeitung de r Daten zur Konjunktur dieser Jahre vgl. J. Bergman n u . R. Spree, Di e konjunkturelle Entwick lung de r deutschen Wirtschaft , 1840-1864, in: H.-U . Wehle r (Hg.) , Sozialgeschicht e Heute . Festschrift fü r H . Rosenberg , Göttinge n 1975. Interessant i m Hinblick au f die hier fehlende n Revolutionsjahre die Analyse bei J. Bergmann , Ökonomisch e Voraussetzungen der Revolution von 1848: Zur Krise von 1845-1848 in Deutschland, in : H.-U. Wehle r (Hg.), 200 Jahre amerikanische Revolution, GuG , Sonderhef t 2. 15 Vgl. C . Tilly, Collectiv e Violence in European Perspective, in: H. D . Graham u . a . mit Belegen fü r Frankreich . Dies e Informatione n werde n ausführliche r i n seine m „How Protest Modernized" behandelt. Vgl . auc h di e Daten in : Tilly, Rebelliou s Century, obe n zit . bes . S. 62-70 und 313-22 und i n folgendem Beitrag , S . 193-196. 16 Von diesem Heidelberger Fal l wurde in der A.A.Z. am 21. Aug., 6. Sept. un d 15. Sept. 1828 berichtet. Zur Situation der Universitätsstudenten i m allgemeinen siehe M. v. Boehm , Biedermeier, Deutschlan d vo n 1815-1847, Berlin o.J . 17 Für ein e Diskussio n gewisse r Parallel e zwische n damal s un d de n 1960e r jahre n vergl . M. Rassem , Di e problematische Stellun g de s Studenten i m sog. Humboldt'sche n System , in : Revolution statt Reform ? Der Student in Hochschule und Gesellschaft, Studien und Berichte der katholischen Akademi e i n Bayern , Bd . 44, 1968 , S. 5 ff. 18 Gillis, Aristocracy an d Bureaucrac y in 19t h Centur y Prussia, in: PaP , Dez . 1968. Natürlich is t bekannt , da ß zahlreich e Studente n au s de n 20e r un d 30e r Jahre n di e Radika len der 40er Jahre wurden und daß Studenten häufig al s Teilnehmer oder Führer bei den Tumulten der 30er und 40er Jahre identifiziert wurden . Eine ergiebige Diskussion und Dokumentation einiger der angesprochenen Punkt e findet sich bei Glossy, Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz, in : Jahrbuch de r Grillparze r Gesellschaft , Bd . 21, 1912 . 19 Von diesen Tumulten wurde in der A.A.Z, im August und September 1819 berichtet, w o sie (No. 244 , S. 976) unterbeschäftigten Handwerker n zugerechnet wurden. Betrachtet man die Periode 1815-1850 als Einheit, so zeigt sich interessanterweise, da ß bösartiger Antisemitismus , begleitet von Gewalttätigkeiten, hauptsächlic h au f ökonomisch rückständige Gebiete Deutschlands beschränk t war . Daz u vgl . E . Sterling, S . 34 , 37 , 159 . 20 F. C. Huber, Deutsch e Verfassungsgeschichte, Bd . 1, S. 442-72, bietet ein e eingehend e Diskussion diese s Problems. Auch Kar l Mar x und Friedrich Engel s erkannten sein e politische Bedeutung (New York Daily Tribune, 6. November 1951; auf deutsch in Marx-Engels-Lenin Stalin-Institut, Zu r deutschen Geschichte, Berlin 1954, S. 373-77). Siehe auch die Arbeiten von W. Schieder, Kirch e und Revolution, Zu r Sozialgeschichte der Trierer Walfahrt vo n 1844, in: AfS, Bd. 14, 1974 , S. 119-454; G. Kolhe, Demokratisch e Opposition in religiösem Gewand, in : ZfG, Bd . 20, 1972 , S. 1102-12. 21 Die oberhessischen Unruhe n wurden zeitweise als „Volksaufstand" angesehen , gegen die Tausende von Soldaten mobilisiert wurden. Berichte in der A.A.Z. im September und Oktober 1830. In der Stadt Hanau wurden weiterhin mit Unterbrechungen bi s November 1830 beträchtliche Gewalttaten verübt. Selbst der Deutsche Bundestag in Frankfurt befaßte sich mit den hessischen Unruhen: Protokolle der Sitzungen des Bundestages. No. 10g (20.-34. Sitzungen, 1.-21. Oktober 1830); von sächsischen Unruhen wurde ebenfalls in der A.A.Z. berichtet, vgl. insbes. die No. 275, 284, 28 6 und 304 (1803); vgl. auc h P . Reinhardt, Di e sächsischen Unruhe n de r

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Anmerkungen z u Seit e 154-160 Jahre 1830-1831, Diss. Halle 1915. Zum Gesamtproble m de r Revolutione n vo n 1830 jetzt: Volkmann. 22 Einige diese r Unruhe n wurde n 1832 aus de r Pfal z gemeldet , insbesonder e i n de r A.A.Z . No. 134 , 23 3 und auc h au s Mannhei m (No. 190) . 23 Diese Demonstratione n wurde n al s „historisc h unproduktiv " bewertet , d a si e im Unter ­ schied z u dene n de r 40e r Jahr e nich t vie l zu r Entstehun g vo n Klasse n beitrugen . Sieh e Engels ' Haltung in : Zu r deutsche n Geschichte , Bd . 2, T. 4, S. 53, 60 . 23a Wi e z. Β . in Volkmann s neuere r Arbeit . 24 Eicbholtz; W . Wolfgram m u . a. , Di e sozialökonomische n Kämpf e de r Eisenbahnbauar beiter i n Sachsen , 1844-1848, in: Au s de r Frühgeschicht e de r Deutsche n Arbeiterbewegung , Berlin 1964, bieten Gründ e an , waru m gerad e Eisenbahnarbeite r unruhi g waren . Ein e interes sante Spezialstudi e übe r westfälisch e Eisenbahnbauarbeite r bring t W . Wortmann , Eisenbahn bauarbeiter i m Vormärz , Köl n 1972. 25 J . Kuczynski , Geschicht e der Lag e der Arbeiter unter dem Kapitalismus , Bd . 1 , S. 77-92; W. Abel , De r Pauperismu s i n Deutschland . Ein e Nachles e z u Literaturberichten , in : Wirt schaft, Geschichte , Wirtschaftsgeschichte . Festschrif t zu m 65. Geburtstag von Friedrich Lütge , Stuttgart 1966. 26 Zu diese r Argumentation , einschließlic h einige r Belege , vgl . Spietboff, Bd . 1, S. 114-46; auch Bergman n u . Spree . 27 Eicbholtz, S . 282 zitiert eine n Arbeiter , de r 1844 von Wilhel m Wolff interviewt wurde . Nach marxistische r Auffassung , mi t diese m Zita t verdeutlicht , habe n ökonomisch e Beziehun gen wie etwa die zwischen Arbeitgebe r un d Arbeitnehmer mi t Macht zu tun, denen deshal b ein e politische Dimensio n zukommt , wei l di e Beteiligte n sic h diese r Mach t bewuß t sind . Di e Au thentizität diese r Aussag e is t allerding s nich t bewiesen , auc h nich t di e Reprasentativität . E s spricht hie r möglicherweis e Wilhel m Wolff. Wortmann, S . 164 z, B. sieh t unte r diese n Arbei tern kei n Klassenbewußtsei n i m marxistische n Sinne . 28 Diese Entwicklun g wir d i n de m Berich t vo n Todt , S . 46, 7 0 aufgezeigt. Vgl . auc h W. Köllmann, Wuppertaler Färbungsgesellen-Innun g un d Färbergesellen-Streik s 1848-1857, in: O . Brunne r u.a . (Hg.) , Historisch e Forschungen , Bd . 5, Wiesbaden 1962. 29 Zum Beispiel i n Iserlohn 1865 oder in vielen deutschen Städten 1869 und 1870 (vgl. A.A.Z . No. 37 [1865] , No . 11 9 und 152 [1869] , No . 9 und 161 [1870]) . 30 Preußen un d Sachsen währen d de r 40er Jahre zeigen Beispiel e dieser Mehrdeutigkeit. Auf grund der seit 1845 eingeführten Verordnungen , di e öffentliche Versammlunge n regelten , wurd e die Teilnahme an Versammlungen sowoh l religiöse r Sekten als auch anderer nichtpolitischer Or ganisationen z u eine m Ak t politische r Opposition . Di e Gewerbeordnung, di e i n Preußen wäh rend der 40er Jahre in Kraft war , interpretiert e Arbeitsniederlegungen un d ähnliche Aktionen al s politischen Widerstan d gege n di e Staatsgewalt . Di e Stürm e „industrielle r Revolten " vo n 1844 und 1845 erklärt F . Engel s mi t diese r Tatsache , Zu r Deutsche n Geschichte , Bd . 2, Teil 1, S. 119 f. Vgl . auch hierzu R. Koselleck , Preuße n zwischen Reform und Revolution, Stuttgar t 1967, bes. S . 597-99. 31 In C . Tilly's Artikel wir d ein e ander e Klassifizierun g verwendet : „Benutze r desselbe n Marktes, derselbe n Felder , Wälde r ode r Gewässer." D a ich aber ein e Unterscheidung zwische n dem Gebrauc h diese r Ressource n durc h di e Gemeind e un d de m Interess e der Gemeinschaf t a n anderen lokale n soziopolitische n Institutione n fü r schwieri g halte , werde n dies e Fäll e zusam mengefaßt. 32 Bericht de s Krefelde r Landrate s Capp e a n di e Bezirksregierun g i n Düsseldor f vo m 14. November 1828, wiederabgedruckt be i H . Rösen , De r Aufstan d de r Krefelde r ,Seidenfabrikarbeiter' 1828 und die Bildung eine r ,Sicherheitswache', in : Die Heimat. Zeitschrif t fü r Nie derrheinische Heimatpflege , Bd . 36, 1965 . Es sollte hinzugefüg t werden , da ß diese r Berich t di e dringende Bitt e u m beträchtlich e militärisch e Unterstützun g beinhaltete . Diese n Hinwei s ver danke ic h H . Kisch .

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Anmerkungen z u Seit e 160-165 33 Zum Beispie l wurde n 1830 die Unruhe n unte r Aachene r Textilarbeiter n au f da s Fehle n ausreichender Sicherheitskräft e zurückgeführt ; di e Aachener Stadtväte r ware n damal s nich t ge willt, Sicherheitskräft e z u unterhalte n (A.A.Z. , Septembe r 1830, S. 1000 u. 1008); für weiter e Hinweise auf die begrenzte Anzahl von Polizeikräften i n der Rheinprovinz vgl . Beiträge zu r Statistik de r Königliche n Preußische n Rheinlande , Aache n 1829, S. 17-21, 26-28 , 105 . V g l . auch Tilly, Rebelliou s Century, un d Α. Lüdtke, Praxi s und Funktion staatliche r Repression: Preuße n 1815-1850, in: GuG , Bd . 3, 1977 , S. 190-211. 34 Vgl. F . Engels ' Essay : Di e preußisch e Militärfrag e un d di e deutsch e Arbeiterbewegung , in: Zur deutschen Geschichte , Bd . 2, Teil 1, S. 813-42. Vgl. auc h meine n Artikel : The Politica l Economy o f Public Finance an d th e Industrializatio n o f Prussia , 1815-1866 , in : JEH , Bd . 26 , 1966, S . 484-97 , dt.: i n diese m Band, S . 55-64 . 35 G.Craig , Th e Politics of the Prussian Army, 1640-1945 , New York 1964 , S. 120-35 , weist auf die fortgesetzte Bedeutun g de r preußischen Arme e für die Aufrechterhaltung de r inneren Si cherheit nach 1850 hin; während de r 60er Jahre wurden di e meisten Unruhen, di e aus der Groß stadt Berli n berichte t wurde n (vgl . Kölnisch e Zeitung) , lediglic h vo n de r Polize i ohn e Unter stützung de s Militär s bekämpft . Vgl . auc h Tilly, Rebelliou s Century, Kap . 4 und Lüdtke . 36 Zum Stan d de r demographischen Erkenntniss e i m Deutschland de s 19. Jahrhunderts vgl . W. Köllmann s Artikel : Bevölkerun g un d Arbeitskräftepotentia l i n Deutschland , 1815-1865. Ein Beitrag zur Analyse der Problematik des Pauperismus, in : Jahrbuch des Landesamts fü r For schung, Nordrhein-Westfalen , 1968. Wiederabgedruckt mi t anderen Beiträge n in : ders., Bevöl kerung i n de r industrielle n Revolution , Göttinge n 1974. 37 Die Bevölkerungsdate n de r Volkszählun g vo n 1871 unterstützten dies e Argumentation , da der Anteil de r Bevölkerung, de r in Städten mi t mehr als 5 000 Einwohnern lebte , während de s gesamten Zeitabschnitte s überschätz t wird . Di e in der Tabelle erfaßt e Bevölkerungszah l beträg t mehr al s 37 Mill . und dami t bi s au f wenig e Prozen t di e gesamt e Bevölkerun g de s Reiches . Di e Rangkorrelation zwische n de m Urbanisierungsgra d fü r 1871 und de r Urbanisierungsrat e zwi schen 1819 und 1871 für 34 Regierungsbezirke (sämtlich e preußischen, bayerische n un d sächsi schen, bi s auf Bautzen un d Wiesbaden) betrug 0,83. Für diese und andere Berechnungen hie r bedanke ic h mich bei M . Kayenburg . Vgl . di e chronologische Fortsetzun g diese r Analys e mit eini gen technische n Verfeinerunge n i m folgende n Beitrag . 38 In seine r bahnbrechende n Wirtschaftsgeschichte : Geschichtlich e Darstellun g de s Han dels, de r Gewerbe und des Ackerbaus, 5 Bde., Jena 1830-1834, Bd. 5, S. 371 ff. zeig t G . v . Gülich a n einer Reih e von ländliche n Industrien , di e eng mi t der Landwirtschaf t verbunde n waren , auf, wi e diese in ganz Deutschland, insbesonder e in Hessen, nac h 1815 verfielen. F . Lerne r bie tet einige Einblick e in die sozialen un d ökonomischen Verhältniss e eine r ökonomisch rückstän digen Gebiete . Wirtschafts - un d Sozialgeschichte des Nassauer Raumes , 1816-1964, Wiesbaden 1965; E. Buchbolz , Ländlich e Bevölkerun g a n de r Schwell e de s Industriezeitalters , Stuttgar t 1966; vgl. auc h den Aufsatz in : W. Conz e (Hg.) , Staa t und Gesellschaft i m deutschen Vormärz , 1815-1848, Stuttgart 1962; für Hesse n vgl . G . Landau , Beschreibun g de s Kurfürstenthum s Hessen, Kasse l 1842. Dieses Thema wird von Volkmann, au f interessanter Weise für die Revolu tionen vo n 1830-1832 weiter entwickelt . 39 W. Köllmann, Deutschlands führender historisc h orientierte r Demograph, ha t mit einige n hervorragenden Arbeite n z u dieser Literatur beigetragen . Vgl. sein : Industrialisierung , Binnen wanderung un d ,Soziale Frage' . Zu r Entstehungsgeschicht e de r deutsche n Industriegroßstad t im 19. Jahrhundert, in : VSWG , Bd . 46, 1959 , S. 45-70; auch sein e „Sozialgeschicht e de r Stad t Barmen". Be i de r folgenden Erörterun g werd e ic h auch sein e neuartige Behandlun g de r Period e von 1815-1865 heranziehen. Brepohl s klassisch e Untersuchun g zu r Wanderung in s Ruhrgebie t sollte ebenfall s a n diese r Stell e erwähn t werden , obwoh l si e vo r alle m fü r ein e später e Period e von Bedeutun g ist , vgl . W . Brepohl , Aufba u de s Ruhrvolke s i m Zug e de r Ost-West-Wande rung, Recklinghause n 1948; wertvolle Informatione n biete t W . Becker , Di e Bedeutun g de r nichtagrarischen Wanderunge n fü r die Herausbildung de s industriellen Proletariat s i n Deutsch -

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Anmerkungen z u Seit e 165-168 land, in: Η. Mottek (Hg.) , Studie n zu r Geschichte der industriellen Revolutio n i n Deutschland , Berlin 1960; und eine statistische Zusammenfassung finde t sic h bei A . Markow , Da s Wachstu m der Bevölkerung un d die Entwicklung de r Aus- und Einwanderungen, Ab - und Zuzüge in Preu ßen un d Preußen s einzeln e Provinzen , Bezirk e un d Kreisgruppe n vo n 1824—1885, Tübingen 1889. Die Arbei t vo n W . Kamphoefner , Transplante d Westphalians . Diss. Univ . Missouri (USA) 1978, wirft einige s Lich t au f de n Zusammenhan g Wanderun g un d Protest . 40 Diese Emigration , di e au f Gebiet e mi t bäuerliche n Kleinbetriebe n wi e Ostwestfalen , Ba den, Württember g un d der Pfalz konzentriert war, stellt potentiell ebenfall s eine n Index soziale r Unzufriedenheit dar ; abe r diese r Gesichtspunk t is t hie r nich t unmittelba r relevant . 41 Vgl. P . Hauser . Natürlic h kan n i n unterentwickelten Ländern , di e mit dieser Art von Un tersuchungen angesproche n werde n sollen , ein e drastischere Veränderung beleg t werde n al s i m Deutschland de s 19. Jahrhunderts. 42 Markow, S . 136-58 und Anhang , S . 213-18 und Köllmann, S . 218-20 , Tab. 3. 43 Vgl. Köllmanns Aufsatz , Bevölkerun g un d Arbeitskräftepotential , in : W. Köllmann, Bevölkerung i n de r industrielle n Revolution , Göttinge n 1974. An diese r Stell e sollt e allerding s mein Widerspruc h zu r ziemlich weitverbreitete n Ansich t festgehalten werden , da ß das beispiel lose Bevölkerungswachstu m i m Rahme n de r vorindustrielle n ökonomische n Struktu r de r Hauptschurke de s Dramas war , da s auf de r deutschen sozio-politische n Bühn e währen d de r er sten Hälft e de s 19. Jahrhunderts aufgeführ t wurde ; ein Schurke, desse n Plän e schließlich durc h den „take-off int o sel f sustaine d growth " nach 1850 vereitelt wurden . Dies e Malthusianisch e Bewertung stell t zwa r eine n legitime n Ansat z zu r Betrachtung diese r Period e dar, jedoc h is t er , wie Schumpete r einma l richti g äußerte , the mos t primitive of all theories o f unemployment", in : History o f Economi c Analysis , Londo n 1954 , S . 283 . Folgende Frag e mu ß gestell t werden : Warum führ t Bevölkerungswachstu m - und -druc k i n einige n Gebiete n z u industrielle n Be schäftigungsmöglichkeiten, hingege n i n andere n zu r Zerstückelung de s Landbesitzes , zu r Emi gration un d z u wirtschaftliche n Schwierigkeite n i m Allgemeinen ? 44 Markow, Anhang , S . 216-17. 45 Kölnische Zeitung, Nr . 358 (26. Dezember 1872); auch Becker , S . 230-33. Es dürfte nich t überflüssig sein , au f folgende s aufmerksa m z u machen : di e Beziehun g zwische n de r jährliche n Zunahme vo n Wanderer n un d ihre r Anzah l z u verschiedene n Zeitpunkte n häng t auc h vo n de r Dauer ihre s Aufenthalte s a m Zuwanderungsor t ab . 46 D. Meyer, Da s öffentliche Lebe n i n Berlin i m Jahre vo r der Märzrevolution , in : Schrifte n des Vereins fü r di e Geschicht e Berlins , Berli n 1912; Becker; E . Dronke , Berlin , 2 Bde., Frank furt/M. 1846, Bd. 1, S. 31-71; F. Sass , Berli n i n seiner neueste n Zei t un d Entwicklung , Leipzi g 1846. 47 A . Wolf f Berliner Revolutionschronik , Berli n 1898, S. 94-103; J. Kuczynski u . R . Hoppe, Ein e Berufs-bzw. auc h Klassen-un d Schichtenanalys e der Märzgefallenen 1848 in Berlin, in : JbW, 1964, Teil 4, S. 200-76; Dronke, Bd . 2, S. 31 ff. führ t Beispiel e vo n Proletarisierun g an . Allerdings nahme n nac h Meye r di e ärmste n Berline r nich t a n de n Märzereignisse n teil , vgl . S. 15. Für eine n Augenzeugenberich t sieh e R . H . Walthe r Müller , Brief e eine s Augenzeuge n der Berline r Märztage , 1848, in: ZfG , Bd . 2, 1954 , S. 315-20. Für eine n Versuc h de r Sozial struktur de r Arbeiterschaf t i m vormärzliche n Berli n z u bestimme n vgl . F . Marquard , Soziale r Aufstieg, soziale r Abstieg un d die Entstehung der Berliner Arbeiterklasse, 1806-1848, in: GuG , Bd. 1, 1975 , S. 43-77. 48 Wolff , S . 55 , 299 . Die Haltun g de r Handwerke r wa r ambivalent , einig e wünschte n ein e Kontrolle, ander e befürchteten , da ß di e politisch e Stärk e de r Handwerke r durc h diskriminie rende Maßnahme n gege n „Fremde " entschiede n geschwäch t werde n könnte . Vgl . P . Noyes , Organization an d Revolution . Working Clas s Association i n the Germa n Revolution s o f 1848-1849, Princeto n 1966 , S . 84-90 . 49 Braunschwei g ist von Buchholtz analysiert . Nassau wird be i Lerner diskutiert . Vgl . S . 33, 42 ff. Date n übe r Aachene r Unruhe n finde n sic h be i J . Venedey , Darstellun g de r Verhandlun -

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Anmerkungen z u Seit e 169-179 gen vo r de n Assise n z u Köl n übe r di e Teilnehme r de s a m 30. August stattgehabte n Aufruhrs , Köln 1831. Angaben übe r de n Krefelde r Aufstan d be i Rösen. Wortman n zeig t di e überpropor tionale Beteiligung Ortsansässige r auch an Protesten de r Eisenbahnbauarbeiter i m Vormärz. Ic h hoffe, da ß ich dieses Problem in einem späteren Aufsatz behandeln kann. R. Engelsing s Aufsatz : Zur politische n Bildun g de r deutsche n Unterschichten , in : HZ , Bd . 206, 1968 , S. 337-69 hebt den begrenzten räumliche n un d geistigen Horizon t deutsche r Unterschichten hervor ; allerding s wäre es falsch, aufgrun d diese r Begrenzung zu schließen, dies e Leute seien „apolitisch" gewesen . 50 A . Nol l hat (i n eine m persönliche n Gespräch ) darau f hingewiesen , da ß „Entwurzelung " auch Arbeite r betreffe n kann , di e räumlic h immobi l sind , weshal b ein e Falsifizierun g diese r These mehr als lediglich Date n über Wanderungen un d Teilnahme an Unruhen erfordert . Aller dings is t horizontal e Mobilitä t sicherlic h ein e wichtig e Quell e vo n „Entwurzelung" . 51 An diese r Stell e kan n au f di e international angelegt e Arbei t vo n Tilly, Rebelliou s Century, verwiesen werden . 10. Sozialer Protes t al s Gegenstan d historische r Forschun g * Ein Tei l dieses Beitrages ist von Ger d Hohorst un d mi r unte r de m Tite l Sozialer Protest i n Deutschland im 19. Jahrhundert: Skizze eines Forschungsansatzes, in: Κ. Jarausch (Hg.) , Quan ­ tifizierung i n de r Geschichtswissenschaft , Düsseldor f 1976, S. 232-78, bereits veröffentlich t worden. 1 Für eine n Literaturüberblic k vgl . obe n Beitra g 9 dieses Bandes , S . 143-144, Anm. 1. 2 Für ein e Diskussio n diese s Quellenmaterial s sieh e oben , Beitra g 9 dieses Bandes , bes . S. 146-150. 3 Siehe Tilly, Rebelliou s Century, obe n zit. Kap . 1 und 6, für Bemerkungen z u Varianten de r „Zusammenbruchsthese". Fü r Kriti k diese r Interpretatio n a m französische n Beispie l ferner : C. Tilly, Reflection s i n the Revolutions o f Paris: An Essay a n Recent Historical Writing , in : Social Problems, Bd. 12 , 1964; D. Snyde r u. C. Tilly , Hardshi p and Collective Violence in France, 1830-1960, in : ASR , Bd . 7 , 1972 . Französische Beispiel e selbst sind: E . Labrousse , 1848-1789; Comment naissen t le s revolutions? Actes de s congrès historiqu e d u centenair e de l a Revolutio n de 1848, Paris 1948, und L . Chevalier , Classes Laborieuse s et classes dangereuses , Paris 1958. Aufschlußreich noch : A. d e Tocqueville , The Ol d Regime and th e Frenc h Revolution, in : J . Gusfiel d (Hg.) , Protest , Refor m and Revolt, Ne w Yor k 1970 . Weitere Beispiele oder Formu lierungen in : E . Hobsbawm , Europäisch e Revolutionen, Züric h 1962, bes. Kap . II, S. 423-24. W. W . Rostow , Britis h Economy o f th e Nineteent h Century , Oxfor d 1948 , S . 108-25 ; und Η. Mitchell u . P . Steams , Worker s an d Protest , 1971 ; T . Gurr, Why Me n Rebel , Princeto n 1970; J. Davies , Th e J-Curve of Rising an d Declining Satisfactions as a Cause of Some Great Re­ volutions an d a Contained Rebellion , in : H . Graha m u . T . Gurr (Hg.) , Violence i n America , Washington, P.C . 1969 . Bei Gur r un d Davies sowie be i d e Tocqueville wir d allerding s di e Dis ­ krepanz zwische n Aspiratione n un d objektive n Zustände n („relativ e deprivation") problemati siert. Ähnlic h in : D . Senghaas , Agressivitä t un d Kollektiv e Gewalt , Stuttgar t 1971. 4 Drei Beispiele : (1) 184 0 in Antwor t au f eine n Tumul t unte r Fabrikarbeiter n Iserlohn s un d als Folgerun g au s eine r implizite n „Sozialanalyse " empfah l de r Preußisch e Innenministe r di e Ausweisung zugewanderte r „Fremdarbeiter" . Brie f vo m Innenministe r a n vo n Vincke , 29. Nov. 1840, Staatsarchiv Münster, Nr . 680. (2) 187 6 stützte das Kriegsministerium des Deut schen Reiche s ein e finanzierungsbedürftige Vorlag e zu m Ausba u de r Hamburg-Altonae r Mili täcgarnison vor dem Reichstag mi t dem Hinweis auf die Bedrohung der öffentlichen Ruh e durch die „flottierend e Arbeiter - un d Schiffsbevölkerung " jene s Stadtgebietes , in : R . Höhn , Sozia lismus und Heer , 2 Bde., Ba d Hombur g 1959, Bd. 2, S. 264. (3 ) Auf di e Erhebungen a n Rhei n und Ruh r 1918-1920 zurückblickend schrie b Ott o Braun : „Nu r i n jene m Tei l de s rheinisch westfälischen Industriegebietes , wo infolge des starken Zusammenströmens indifferenter Arbei -

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Anmerkungen z u Seit e 179-191 termassen au s politisch-rückständige n Gebiete n Deutschland s un d de s Auslande s di e radikal e Demagogie eine n empfängliche n Nährbode n fand , bildet e sic h ein e sog . rot e Armee" , in : O. Braun , SPD . Vo n Weima r z u Hitler , 2. Auflage, Ne w Yor k 1941, zit. be i E . Lucas, Märzre volution i m Ruhrgebiet , März/Apri l 1920, Frankfurt/Main 1970, S. 248. 5 W. Köllmann, Binnenwanderung un d ,Soziale Frage': Zur Entstehungsgeschichte de r deutschen Industriegroßstad t i m 19. Jahrhundert, in : VSWG , Bd . 46, 1959 , S. 46-70. 6 W. Brepohl , Industrievol k i m Wande l vo n de r agrarische n zu r industrielle n Daseinsform , Tübingen 1957, S. 206. Für ein e Diskussio n de r „Großstadtfeindlichkeit " viele r deutsche r So zialkritiker (vo n Wilhel m Rieh l ausgehend ) vgl . K . Bergmann , Agrarromanti k un d Großstadt feindschaft, Meisenhei m 1970. Teilergebnisse au s eine r interessanten , mi t moderne n Begriffe n arbeitenden empirische n Studi e z u diese m Proble m bring t jetz t H . Matzerath , Industrialisie rung, Mobilitä t un d soziale r Wande l a m Beispie l de r Städt e Rheyd t un d Rheindahlen , in : H. Kaelbl e u . a. , Problem e de r Modernisierung i n Deutschland. Sozialhistorisch e Studie n zu m 19. und 20. Jahrhundert, Oplade n 1978, S. 13-79. 7 Im massenstatistische n Ansat z zeigt e sic h kein e Korrelatio n zwische n de r Wachstumsrat e der Bevölkerun g un d de r Protesthäufigkei t i n de n Städten .

1816-1847 1848 1849 1850-1881 1882-1913

r

Ν

Protestfälle i n der Analys e

-0,07 -0,03 -0,02 -0,03 -0,10

69 69 69 73 83

96 43 15 99 125

8 R. Heberl e u . F . Meyer , Di e Großstädt e i m Strom e de r Binnenwanderung , Leipzi g 1937, S. 49. 9 Für di e Definitio n de r Begriff e Urbanitä t (Urb ) un d Urbanisierun g (Urbg ) I und II siehe Anhang 3 zu diese m Beitrag . 10 Vgl. di e Literatu r i n Anm . 3 oben. 11 Der Grad der Arbeitsteilung is t vermutlich i n den Regione n a m höchsten, i n denen sich de r niedrigste Antei l de r vo n de r Landwirtschaf t lebende n Bevölkerun g findet . 12 Speziell hierzu : H . Volkmann , Wirtschaftliche r Strukturwande l un d soziale r Konflik t i n der Frühindustrialisierung . Ein e Fallstudi e zu m Aachene r Aufruh r vo n 1830, in: KZfSS , Son derheft 16, 1972 , S. 550 ff. 13 F. Lerner , Wirtschafts - un d Sozialgeschicht e de s Nassaue r Raumes , 1816-1964, Wiesbaden 1965, S. 33. 14 Bericht in: Frankfurter Journal, 3. Okt. 1842. Vorarbeiten von B. Holzne r u . W. Schlüchter (vgl . Beitra g diese s Bandes ) brachte n mi r de n Hinwei s au f diese n Vorfall . 14a Erstaunlicherweis e schein t di e Revolutio n vo n 1848—1849 erst jetz t wiede r da s Interess e der sozialhistorischen Forschun g au f sich zu ziehen. Methodisch interessan t sind die Studien vo n H . - J . Rupieper , Di e Sozialstruktur de r Trägerschichten de r Revolution vo n 1848/49 am Beispie l Sachsen, in : H . Kaelble , u . a., S . 80-109 ; ders., Di e Polize i un d di e Fahndungen anläßlic h de r deutschen Revolutio n von 1849/49, in: VSWG, Bd . 64, 1977 , S. 328-55, und auch J . Bergmann , Ökonomische Voraussetzunge n de r Revolution von 1848: zur Krise von 1845-1848 in Deutsch land, in : H . - U . Wehle r (Hg.) , 200 Jahre amerikanisch e Revolution , GuG , Sonderhef t 2. 15 Vgl. H . Kaelbl e un d H . Volkmann , Konjunkture n un d Strei k währen d de s Übergange s zum organisierte n Kapitalismu s i n Deutschland , in : ZWS , Bd . 92, 1972 , S. 513—44. Vgl. auc h D. Groh , Überlegunge n zu m Verhältnis von Intensivierung de r Arbeit un d Arbeitskämpfen i m organisierten Kapitalismu s i n Deutschlan d (1895-1914), Arbeitspapiere Un i Kostan z 1976.

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19 Tilly . Kapital

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Anmerkungen z u Seit e 191-199 16 Vgl. z u diese m Thema : G . A . Ritter , Di e Arbeiterbewegun g i m Wilhelminische n Reic h 1890-1900, Berlin 1939, bes. S . 113-27 und 150 ff. D . Grob , Negativ e Integratio n un d revolu tionärer Attentismus , Berli n 1973, bes. S . 102-6, 125-2 8 und 305-10. K. Saul, Staat, Industrie , Arbeiterbewegung i m Kaiserreich, Düsseldor f 1974, bes. S. 269-82 und 306-13. Speziell z u de n Moabiterunruhen H . Bleiber , Di e Moabiterunruhen, 1910, in: ZfGS , Bd . 3, 1955 , S. 173-211. 17 Die Argumentatio n bezieh t sic h au f di e Periode 1882-1913, da fü r früher e Zeiträum e di e entsprechenden Date n nich t mobilisier t werde n konnten . 18 Die Arbeite n vo n Gro b u . Saul gehen ausführlic h au f solch e Frage n ein . Hie r sol l nu r ein e Möglichkeit aufgezeig t werden , qualifiziert e Protestdate n un d derartige Untersuchungen i n Beziehung z u bringen . 19 Obwohl wi r fü r frühere Wahle n di e entsprechenden Date n nich t in statistisch ausreichen der Meng e mobilisiere n konnten , bestätige n doc h di e vorhandene n Date n di e Tenden z i n de r Korrelation vo n 1912. Für die Lage der Polen i m westlichen Industriegebie t vgl . H . - U . Webler , Die Pole n i m Ruhrgebie t bi s 1918, in: ders . (Hg.) , Modern e deutsch e Sozialgeschichte , Köl n 1966, mit vie l Literatur . 20 Vordergründig könnt e da s Absinke n de r ökonomische n un d ethisch-religiöse n Protest e zur Bedeutungslosigkei t i n de n Jahre n 1848 und 1849 mit de m Fehle n entsprechende r Anläss e und der Vordringlichkeit de r „Revolution " erklär t werden . E s könnte darin freilic h auc h ei n In diz fü r die These erblickt werden , da ß die allgegenwärtige politisch e Qualitä t de s Protestverhal tens in „unpolitischen", gleichsa m durch den Alltag beherrschten Zeiten den eher konkreten, all tagsbezogenen Anla ß sucht , u m sic h z u entladen . Einleuchtende r schein t mi r allerding s al s Er klärung fü r di e gestiegen e Roll e de r politische n Organisatione n un d Protest e di e vorüberge hende Lockerun g de r staatliche n Unterdrückun g solche r Organisationen . 21 Vgl. z. Β . K. Borchardt , Regional e Wachstumsdifferenzierun g i n Deutschlan d i m 19. Jahrhundert unte r besondere r Berücksichtigun g de s West-Ost-Gefälles , in : Fs . f . F . Lütge . Wirtschaft, Geschicht e un d Wirtschaftsgeschichte , Stuttgar t 1966, S. 325-39. 11. Los vo n England . Problem e de s Nationalismu s i n de r deutsebe n Wirtschaftsgeschicht e 1 W. Ihde , Lo s vo n England , Leipzi g 1939. 2 A. Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspective, Cambridg e 1962, S, 25. H. J . Clapham, Th e Economi c Developmen t of France and German y 1815-1914 , Cambridge 1951, S. 101-3. H. Haussherr , Wirtschaftsgeschicht e de r Neuzei t vo m End e de s 14. bis zur Höh e de s 19. Jahrhunderts, Köl n 1960, S. 402-7. M. Karpovic h u . a. , A n Economi c History o f Europ e sinc e 1750 , Ne w Yor k 1937 , S . 373-80 . Vgl. auc h F . W . Henning , Di e Indu strialisierung in Deutschland 1800-1914, Paderborn 1973, S. 89, 169 . 3 List lie ß (wahrscheinlic h bewußt ) di e Bedeutun g de r soziale n Klasse n un d de r regionale n Unterschiede völli g unberücksichtigt , ein e Schwäche , di e hier nich t diskutier t werde n soll . Be nutzt wurde die 2. Auflage: F . List , Da s nationale System der politischen Ökonomie , Neudruc k nach der Ausgabe letzte r Hand, eingeleite t vo n Prof . Dr . H . Waentig , in : Sammlung sozialwis senschaftlicher Meiste r III, H . Waentig (Hg.) , Jen a 1910. 4 Ein häufig benutzte s amerikanisches Lehrbuc h zur Außenhandelslehre, P . T . Ellworth, In ternational Economy, New Yor k 1964, S. 221 f. zitier t Lis t i n diese m Zusammenhang . 4a F . Lis t sa h einig e Entwicklungsfolge n de r 1820e r Jahr e i n Preuße n al s Resulta t eine s d e facto wirksame n un d durc h Preisdeflatio n bewirkte n zunehmende n Protektionismus . F . List , Das national e System , S . 171-72; vgl. hierz u T . Ohnisbi , Zolltarifpoliti k Preußen s bi s zu r Gründung de s Zollvereins , Diss. Göttingen 1973, S. 2. 5 W. Roseher , Geschicht e de r National-Oekonomi k i n Deutschland , Münche n 1874, S. 598 f., 607 f., sieh e abe r auc h W . Treue , Wirtschaftszustand e un d Wirtschaftspoliti k i n Preußen 1815-1825, VSWG, Beihef t 31, Stuttgart 1937, S. 121-48, wo di e Aufnahm e de r

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Anmerkungen z u Seit e 199-200 Smith'schen Gedanke n i n Preuße n star k beton t wir d (übrigen s imme r noc h ein e nützliche Mo nographie übe r di e deutsch e Frühindustrialisierung) . Nac h Ohnishi , S . 3, 77 , 228-29 , war di e praktische Zustimmun g de r preußische n Bürokrati e zu m Zollschutz un d staatliche n Eingreife n in di e Wirtschaf t aufgrun d fiskalische r Erwägunge n genaus o wichti g wi e ihr e prinzipiell e Be kennung zu m ökonomische n Liberalismus , der nicht die von Treue hervorgehobenen negative n Wirkungen i n den 20er Jahren ha t haben können, wei l er kaum zur Anwendung gekomme n war . 6 A. Müller, Di e Elemente der Staatskunst, Berli n 1809, 18.-20 . Vorlesungen, in : O. Span n (Hg.), Di e Herdflamme , 1. Bd., Wie n 1922, S. 341-401. E. Salin, Geschicht e de r Volkswirt schaftslehre, Tübinge n 1951, S. 128. F. Schnabel , Deutsch e Geschicht e i m 19. Jahrhundert, Bd. 2, Freiburg 1964, S. 48-50, 235 f. Wichti g waren allerdings die Unterschiede, ja Gegensätz e zwischen de n Gedanke n Lists und Müllers ; siehe dazu G . Eisermann , Di e Grundlagen de s Hi storismus i n de r deutsche n Nationalökonomie , Stuttgar t 1956, S. 101-18. 7 Siehe H . Teuteberg , Geschicht e der industrielle n Mitbestimmun g i n Deutschland , Tübin gen 1961, 1 . Kap.; K . Mannheim , Da s konservativ e Denken . Beiträg e zu m Werde n de s poli tisch-historischen Denken s i n Deutschland , in : ASS , Bd . 57, 1927 , S. 124 f., 142. 8 Hierzu besonder s W . Mönke , Da s literarisch e Ech o i n Deutschlan d au f Friedric h Engel s Werk: Die Lage der arbeitenden Klass e in England, Berli n (Ost) 1965, vor allem die Anmerkun gen. Sieh e auc h u . a . Schnabel , Bd . 2, S. 230 f., Bd . 3, S. 235 f. 9 Eisermann, S . 161-63. Man soll aber nicht vergessen, daß die Ricardo'sche Lehre-dank de r sog. „Ricardia n Socialists" wie Thoma s Hodgkin s ode r Franci s Bra y - selbst i n Englan d nac h 1830 stark an Respektabilität verlor. Sieh e R. Meek, Studie s in the Labor Theory of Value, Lon don 1956 . Di e Betonung andere r Element e des Liberalismu s - wie politisch e Gleichheit , Spar samkeit ode r Selbständigkei t - hat ähnlich e Gefahre n fü r di e bürgerliche n Kreis e England s ge zeigt, d a solch e Norme n schlech t mi t de r Lag e de r arbeitende n Klass e z u vereinbare n waren : E. Hobsbawm , Europäisch e Revolutionen , Züric h 1962, Kap. 13. 10 Teuteberg, S . 1-8. C. Jantke u . D . Hilger, Di e Eigentumslosen , Freibur g 1965, bes. S . 7-56. R. Koselleck , Staa t und Gesellschaft i n Preußen 1815-1848, in: W. Conze (Hg.), Staa t und Gesellschaft i m deutsche n Vormär z 1815-1848, Stuttgart 1962, S. 79-112. Kosellecks ausge zeichneter Beitra g überschätz t allerding s di e liberale n Kräft e i n Preuße n vo r 1848. W. Köll manns Betonun g de r liberale n un d konservative n Element e is t siche r wirklichkeitsnaher : W. Köllmann, Die Anfäng e de r staatliche n Sozialpoliti k i n Preuße n bi s 1869, in: VSWG , Bd. 53, 1966 , S. 28-52. Vgl. auc h di e i n R . Tilly, Soll un d Habe n I und II, in diese m Band , S . 210 ff. diskutierte n Beiträg e vo n Köllmann , Kuczynsk i etc . zu m Pauperismusproblem . 11 W. Treue , in : B . Gebhardt (Hg.) , Handbuc h de r deutschen Geschichte , 3 Bde., Stuttgar t 1960, S. 337. Diese Feststellung verstärkt übrigens den Verdacht, da ß die historische Bedeutun g Lists nicht hauptsächlich i n der Originalität ode r dem tiefschürfenden Charakte r seine r Gedan ken lag . 12 Grundlegend fü r die Periode nach 1873, H. Rosenberg , Groß e Depression un d Bismarckzeit, Berli n 1967; für di e Wiedereinführung de r Schutzzölle, K . Hardach , Di e Bedeutung wirt schaftlicher Faktore n be i de r Wiedereinführun g de r Eisen - un d Getreidezöll e i n Deutschlan d 1879, Berlin 1967; auch Eisermann, S . 238 f. Ebenfall s interessan t ist die Arbeit von D. Linden laub, Richtungskämpfei m Verei n für Socialpolitik, VSWG , Beiheft Nr . 52, Stuttgart 1967, bes. S. 96-141. 13 G. Schmoller , Wechselnd e Theorie n un d feststehend e Wahrheite n i m Gebie t de r Staats und Sozialwissenschaften un d di e heutige deutsch e Volkswirtschaftslehre (Rektoratsrede , Okt . 1897), ders., Das preußische Handels- und Zollgesetz vom 26. Mai 1818 (Rede zur Gedächtnis feier der Berliner Universität, Augus t 1898); beide in: Universitätsreden 1896-1902, Berlin 1897 bzw. 1898. H. Treitschke , Deutsch e Geschichte im 19. Jahrhundert, Leipzi g 1909, Brillant fer ner di e Analys e vo n E . Kehr , in : Englandha ß un d Weltpolitik . De r Prima t de r Innenpolitik , Berlin 1965, S. 149-75. 14 Nach Lütg e is t de r Zollverei n durchau s al s Voraussetzun g de r deutsche n Industrialisie -

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Anmerkungen z u Seite 200-202 rung anzusehen, vo r allem als wirtschaftspolitische Waff e gege n England . E r spricht u. a , von Englands Bestrebungen , ein e „einseitig e Industrievorherrschaft " z u errichten , un d vo n Eng lands „rücksichtslosem Dumping", die die deutsche Industrie „in den Windeln ersticken" sollte: F. Lütge, Deutsch e Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Berli n 1966, S. 462-65, 467-71. Hausherr nennt seine Diskussion der deutschen Industrialisierung „De r Zollverein und die Industrialisierung" un d schließ t sein e Abhandlung bemerkenswerterweis e mi t eine r sehr positive n Be wertung der Rolle Friedrich Lists: Η. Haussherr, S . 387-407. Nach Bechtel „verfolg t Englan d (mit Sorgen) das Werden des Deutschen Zollvereins, da er in seiner Geschlossenheit ein gefährlicher Wettbewerber im europäischen Welthandel zu werden drohte, den England damals als seinen unbestrittenen Geltungsbereic h betrachtete" : H. Bechtel , Wirtschaftsgeschicht e Deutsch lands im 19. und 20. Jahrhundert, 3 Bde., München 1956, S. 173 f., 251. W. Treue , in : Handbuch de r Deutsche n Geschichte , S . 318, 336-43 , ders., Wirtschaftsgeschicht e de r Neuzeit , Stuttgart 1960, S. 526 f. P . Schramm, Hamburg , Deutschlan d und die Welt, Münche n 1943, S. 66f. G . Bondi, Deutschlands Außenhandel, 1815-1870, Berlin (Ost) 1958, S. 12f. H. Mottek, Einleitende Bemerkungen , in : H . Motte k u.a. , Studie n zu r Geschicht e de r Industrielle n Revo lution i n Deutschland , Berli n (Ost ) 1960, S. 24. 15 Das ist übrigens ganz im Sinne der Ziele und Ausführungen von Schmoller, Das preußische Handels- und Zollgesetz vom 26. Mai 1818, bes. S. 35-53. W. Treue s Darstellungen, in: Handbuch der deutschen Geschichte, S. 526 f., behandel t eigentlic h nu r die politische Entwicklung . Nur s o ist sicherlic h Treue s Bezeichnun g de s Zollverein s al s „da s bedeutendst e Ereigni s de r deutschen Geschichte " zwischen 1815 und 1866 (der Ausdruck stamm t von Wilhelm Roscher) zu verstehen . 16 Diese „als ob"-Konstruktion is t eine notwendige Vereinfachung fü r die Analyse interna tionaler Wirtschaftsbeziehungen , kan n abe r mißverstanden werden . Di e Bewegung englische r Exportgüter kan n z. Β . als das Produkt zentrale r Entscheidunge n erscheinen , wen n man liest, England versuche „eine einseitige Industrieherrschaft" z u errichten. Lütge, S . 462. Ist die „Vorherrschaft" festgestellt, kann man auch in diesem Sinne von der „Ausbeutung" Deutschlands seitens Großbritanniens sprechen , wi e in : Bondi, S . 12 f. 17 J . H. Clapham, A n Economic History of Modern Britain, Cambridge 1964, Bd. 1, S. 63, 480 f., 503. 18 Ebd., S. 326-28; A. Redford, Mancheste r Merchants and Foreign Trade, Teil I, Manche ster 1934, S. 96. 19 H. Blumberg, Di e deutsche Textilindustrie i n der Industriellen Revolution , Berli n (Ost ) 1963, Tabelle 13 und 14, S. 389 f. Bondi, S . 80; siehe auch A. Jacobs u. H. Richter, Di e Großhandelspreise i n Deutschlan d vo n 1792-1934, in: VzK , Sonderhef t 37, Berlin 1935, S. 13 ff. Diese Preise spiegeln de n Einflu ß de r englische n Import e deutlic h wider . 20 Clapham, Bd . I, S. 219-62, insbesondere die Zitate aus Adam Smith, S. 219; auch S. 336, wo Clapham auf die Unmöglichkeit einer kartellähnlichen Organisation zu dieser Zeit hinweist; siehe auc h Redford, S . 242. 21 Treue, S . 88, 103 . 22 A. Soetbeer, Übe r Hamburgs Handel, Hamburg 1843, Bd. 2, S. 133, 197, 229; Bondi, S . 9 f., 55, 78, 83. Details hierzu in C. F . W . Dieterici, De r Volkswohlstand im preußischen Staate, Berli n 1846, auf desse n Date n Bond i sein e Schätzungen baut . 23 So kann der Anfang der deutschen Industrialisierung u m das Jahr 1784 festgelegt werden , weil 1784 in Ratingen bei Düsseldorf ein e Spinnfabrik mi t englischen Spinnmaschinen errichte t wurde. Mottek, S . 18-20. Ebenso kann auch industrieller Fortschritt durch die Zunahme sowohl absolut al s auch vo r allem i m Vergleich z u Garnen, de r Importe von Rohbaumwolle gekenn zeichnet werden : wie bei Ηaussherr, S . 392 . In diesem Sinne ebenfalls List, Da s nationale Sy ­ stem, S . 508; und A . Sartorius v. Waltershausen , Deutsch e Wirtschaftsgeschichte 1815-1914, Jena 1923, S. 81. Doch weist v. Waltershause n an einer anderen Stelle auf die positive Entwick­ lunghin: ebd., S. 52; ebenfalls bei Schramm, S . 138 f. Neuerdings hat R. H . Dumke, The Poli-

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Anmerkungen z u Seite 202-203 tical Economy o f German Unification : Tariffs , Trade and Politics of the Zollverein Era, Diss. Wisconsin 1976,2 . Kap. auf die positive Bedeutung dieser Zwischenproduktimporte-nicht zu letzt al s eine Form des Kapitalimports - für die deutsche Industrialisierung hingewiesen ; auc h jetzt ders. , Anglo-deutscher Hande l i n der Frühindustrialisierung, 1822-1865, in: GuG , Bd . 5, 1979, S. 175-200, vgl. auc h R . Tilly, Soll un d Habe n II dieses Bandes, S . 228-251. Allerdings müßte in diesem Zusammenhang auf die Arbeiten von M. Kutz, Deutschland s Außenhandel von der französischen Revolution bis zur Gründung des Zollvereins, Wiesbaden 1974 und B. v. Borries, Deutschlands Außenhandel 1836-1856, Stuttgart 1970 aufmerksam gemacht werden. Kutz sieht die deutschen Agrarexporte nach England als einen stimulierenden Entwicklungsfaktor vo r 1834 während v. Borrie s starke Rohstoff-, Nahrungsmittel- und gewerbliche Fertigwarenexporte fü r die Zeit 1836-1856 feststellt. Interpretier t werde n diese Daten won Dumke, Politica l Econom y und (für die Zeit von 1840-1856) von R. Spree, Die Wachstumszyklen der deutschen Wirtschaf t von 1840-1880, Berlin 1977. 24 Blumberg, S . 50. 25 Treue, Wirtschaftszustände , S . 184 f. 26 Siehe Anmerkung 23. Wichtig i n Verbindung mi t diesen Fragen de r Aufsatz vo n S. Pollard, Industrializatio n an d the European Economy , in : EHR, Bd . 16, 1973 , S. 636-48. 27 Treue, S . 184f.; J . Kulischer, Allgemein e Wirtschaftsgeschicht e de s Mittelalter s un d de r Neuzeit, München 1928 bzw. 1929, Bd. 2, S. 513, 515. Sehr interessant ist ferner Adam Müllers soziologisch-historische Interpretatio n de r englische n Importe . Müller , Element e de r Staatskunst (20. Vorlesung) S. 381 f., die gleichzeitig als Ausdruck und Mittel einer gewissen Verbürgerlichung de s Geschmack s i n Deutschlan d angesehe n werden . Weiter e Bestätigunge n diese r These in: M. v. Boehm , Di e Mode, Menschen und Moden im 19. Jahrhundert, München 1925. 28 Treue, S . 26, 174 . Soetbeer, Übe r Hamburg s Handel , Bd . 1, S. 130 d; nac h Schramm, S. 223, erscheinen allerding s di e Klage n i n Hambur g nich t seh r laut gewese n z u sein . 29 Für England hat Clapham, de r sicher nicht zur Übertreibung neigte , in: Modern Britain, Bd. 1, 6. Kap. die Bedeutung diese r Roll e sehr kla r unterstrichen; ebenfall s Ch . Wilson , Th e Entrepreneur i n th e Industria l Revolution i n Britain, in: EEH , 1955, S. 129-45. Siehe auc h D. Robinson , Th e Stylin g an d Transmissio n of Fashion s Historicall y Considered , in : JEH , Bd. 13 , 1960, S. 576-87. Für Deutschland ist meines Wissens wenig hierüber geschrieben wor den. Eine n Grun d dafü r finde n wi r vielleich t i n de r vo r 30 Jahren aufgestellte n Behauptun g Treues, Wirtschaftszustände , S . 152 f., di e Rolle des Handels in der Wirtschaftsgeschichte se i stark uberschätzt worden. Das möchte ich jedoch bestreiten. In den meisten wirtschaftshistori schen Darstellungen wird dem Handel sehr wenig Bedeutung beigemessen. Auswertbare Quel len hierzu scheinen aber durchaus vorhanden zu sein. Siehe die Hinweise auf die Bedeutung der „Marktforschung" un d Änderung der Produktqualität, in : H. Kisch, Das Erbe des Mittelalters, ein Hemmni s wirtschaftliche r Entwicklung : Aachen s Tuchgewerb e vo r 1790, in: Rheinisch e Vierteljahresblätter, Bd . 30, 1965 , S. 253-308 (mit vielen Quellenangaben) . In diesem Zusammenhang is t ferne r di e Feststellun g vo n Interesse , Privatbankiers seie n gerad e wege n ihre r Marktkenntnisse und -kontakte so wichtig bei der Gründung von Aktiengesellschaften gewesen . Siehe R, Tilly, Financial Institutions and Industrialization i n the Rhineland, 1815-1879 , Madison 1966, S. 108. Vgl. auch hierzu: J. Kocka , Unternehmer in der deutschen Industrialisierung , Göttineen 1975, z. B . S . 43. 30 Treue, S . 182; auch ein e allgemeine Würdigun g de r englische n Konkurren z au f S . 205. 31 Blumberg, S . 74-78; G. Adelmann, Strukturwandlunge n de r rheinische n Leinen - un d Baumwollgarngewerbe z u Begin n de r Industrialisierung , in : VSWG, Bd . 53, 1966 , S. 170. 32 Adelmann, S . 172 f.; Blumberg , S . 27, 74 ff.; G . Adelmann, Strukturell e Krisen im ländlichen Textilgewerbe Nordwestdeutschland s z u Begin n de r Industrialisierung, in : H . Kellen benz (Hg.) , Wirtschaftspoliti k un d Arbeitsmarkt , Wie n 1974. 33 G. Thuilliers, La Metallurgie rhénane de 1800 ä 1830, in: Annales, Bd. 16, 1961, S. 905 ff.; Schnabel, Bd. 3 , S. 336 ; auch v. Waltershausen, S . 80 f., de r allerdings diese freihändlichere Ge-

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Anmerkungen z u Seit e 204—205 sinnung al s eine „verkehrte " bezeichnete . E s ist freilich nich t z u übersehen , da ß gerad e auf de m Gebiet der Eisenherstellung Importsubstitutione n de r deutschen Schwerindustri e seh r wichtig e Wachstumsimpulse gaben , abe r diese folgten letzte n Ende s au s dem Eisenbahnbau . Vgl . hierz u R. Fremdling , Eisenbahne n un d deutsches Wirtschaftswachstum , 1840-1879, Dortmund 1975, bes. S . 78-83; ders., Railroads an d Germa n Economic Growth, in: JEH , Bd . 37, 1977 , S. 583-604; vgl. auc h Spree, Wachstumszyklen . 34 List, S . 415, 419 , 42 0 f., kan n s o interpretier t werden . 35 W. O . Henderson, Britai n an d Industria l Europ e 1750-1870 , Londo n 1965 , S . 13 9 f.; D. Landes, Technological Chang e and Development in Western Europ e 1750-1914 , in : CEHE , Bd. 4, 1965 , S. 378ff.; T. C. Banfield, Industr y o f the Rhine, Londo n 1846-1848 , Bd. 2, S. 41, 44. 36 Blumberg, Di e Finanzierung de r Neugründungen, erläuter t in: Mottek u . a. , Studien zu r Geschichte de r industrielle n Revolutio n i n Deutschland , Tabell e 3, S. 185, 191-95 , schätzt de n Anteil de s ausländische n Kapital s a n neugegründete n Aktiengesellschafte n au f ca . ei n Drittel , wovon allerdings ein Teil aus dem nichtpreußischen deutsche n Ausland kam , meint aber, daß di e Beteiligung England s i m Vergleic h z u de r Frankreich s ode r Belgie n kau m nennenswer t war . R. Cameron, France and th e Economic Developmen t of Europe , Princeto n 1961 , S. 369-403, setzt de n französische n Antei l a n alle n deutsche n Industrie n au f ca . 5 % vor 1870. P. Benaerts , Les origine s d e l a grand e Industri e allemande , Pari s 1933, S. 350 ff. erwähn t englisch e Beteili gungen, ohn e sie hervorzuheben. Be i W . Däbritz , Entstehun g un d Aufba u de s rheinisch-west fälischen Industriebezirks , in : C. Matschos s (Hg.) , Beiträg e zur Geschichte der Technik und In dustrie, Bd. 15, Berlin 1925, S. 33, 46-47, ist ähnliches zu finden . Meh r als 5 % dürfte dahe r de r Anteil englische n Kapital s siche r nich t gewese n sein . Da ß dies e Beteiligunge n häufi g direkte , d. h . nich t übe r de n Kapitalmark t vermittelt e Beteiligunge n waren , geh t kla r au s de n ebe n ge nannten Schrifte n hervor . Fü r deutsch e Eisenbahngesellschafte n schein t de r englisch e Kapital markt wenig Bedeutung gehab t zu haben. Clapham, Moder n Britain, Bd. 1, S. 493 f. Sieh e auch L. Jenks, Th e Migratio n of British Capita l to 1875 , London 1927, S. 189 f. 37 Das gilt nicht nur für Deutschland. Sieh e die Berichtigung von S. Pollard, Fixe d Capital i n the Industrial Revolution, in : JEH, Bd . 24, 1964 , S. 229-314; auch R. Cameron (Hg.), Bankin g in the Earl y Stage s o f Industrialization , Londo n 1967 , Kap. 2 und 6. 38 Interessant ist Blumbergs Feststellung , unternehmerische r Erfol g i n der Textilindustrie se i von der Vorteilhaftigkeit de r Beschaffung vo n Rohmaterial star k abhängig. Blumberg , Di e deutsche Textilindustrie , S . 134, für di e Bedeutun g de s Betriebskapitals : S . 59. K. Borchardt , Zu r Frage de s Kapitalmangel s i n de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland , in : JNSt , Bd. 173, 1961 , S. 404; siehe auc h Tilly, Financial Institutions , S . 54 f. 39 W. Hoffmann u . a. , Da s Wachstum de r deutschen Wirtschaf t sei t de r Mitte des 19. Jahrhunderts, Berli n 1965, Tabelle 11, S. 47. 40 Clapham, Moder n Britain, Bd. 1, S. 254, 256 f.; Bd. 2, S. 11; W. T . C . King, A Histor y of th e Londo n Discoun t Market , Londo n 1936 , S . 23 2 f . 41 G . v . Gülich, Geschichtlich e Darstellun g de s Handels , de r Gewerb e un d de s Ackerbaus , 5 Bde., Jena 1830-1850; Bd. 2, S. 635-44; F. Harkort, Bemerkunge n übe r da s Bedürfni s de r Er richtung eine r Aktienbank fü r Westfalen, Dortmun d 1845, S. 24. Jahresbericht de r Industrie- un d Handelskammer z u Köl n 1850, Köln 1851; für di e Vermittlungsrolle Hamburg s sieh e E . Wiske mann, Hambur g un d di e Welthandelspolitik , Hambur g 1929, S. 188. Schramm, S . 224, 278 f.; Redford, Bd . 1, S. 95; K. v . Eichborn, Da s Sol l un d Habe n vo n Eichbor n & Co. i n 200 Jahren, München 1928, S. 280f. 42 Clapham, Moder n Britain, Bd. 1, S. 259. 43 H. Rosenberg , Di e Weltwirtschaftskris e vo n 1857-1859, Berlin 1934, bes. S . 127-30; J . R . T . Hughes , Fluctuations in Trade , Industry an d Finance , Oxford 1960, S. 50-54; Schramm, S . 549 f., bes . di e interessante n Angabe n S . 555 f .; Jenks , S . 190 f.: Kino , S . 181. 44 Henderson , S . 16 1 f. zitier t Jenk s un d damit di e Berichte des britische n Konsul s i n Ham -

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Anmerkungen z u Seit e 205-211 burg, Colone l Hodges . Die Diskussion de r Krise von A. Wagner , Di e Geld- un d Kredittheori e der Peel'sche n Bankakte , Esse n 1920, S. 234 ff. unterstreich t u . a . di e Kreditvermittlungsroll e Hamburgs, da s mi t seine n Mehrforderunge n a n Deutschlan d sein e Mehrschulde n a n Englan d bezahlte. Weiter e Hinweis e übe r di e Kris e un d di e englisch-hamburgisch e Kreditverflechtun g befinden sic h i n de r firme n geschichtlichen Literatur ; sieh e z . B . E . Helferich , Zu r Geschicht e der Firme n Behu , Meyer s & Co. un d Arnol d Ott o Meyer , Hambur g 1950, S. 136 f., 143; M. Möring , 200 Jahre J . Schubac k un d Söhn e 1757-1957, Hamburg 1957, S. 144, 16 9 f. 45 Wiskemann, S . 204 f., 235 ff. 46 Schätzungen übe r die kurzfristigen Forderunge n a n die USA 1821-1857, die wohl minde stens zu 90 % britische waren , liege n vor : D . C . North, Th e United State s Balance of Payment s 1790-1860; in: Trend s i n the American Economy i n th e 19th Century, Princeton 1960 , S. 577, 624 f. Tabell e C - 1 , S . 623. Man kan n annehmen , da ß dies e Forderungen a n die USA un d di e an Deutschland ein e Funktion (a ) de s Gesamthandelswertes, North, S . 578, 583, und (b ) de s Gra des der bilateralen Handelsverflechtung , d . h . Antei l des englisch-amerikanischen bzw . de s englisch-deutschen Handel s a m Gesamthande l alle r dre i Lände r waren . Be i eine m durchschnittli chen Gesamthandelswer t de r US A i n de n 50e r Jahren vo n ca . $ 60 0 Mill., North , S . 601-5, betrugen di e englische n Forderunge n a n Amerik a vo n $ 10 0 bis $ 15 0 Mill. Überträgt ma n diese s Verhältnis mi t Berücksichtigun g de s niedrige n Verflechtungsgrade s de s englisch-deutsche n Handels (ca . hal b s o hoch) , s o würd e ma n be i eine m durchschnittliche n Handelsumsat z a n Deutschland von ca. $ 64 0 Mill. in diesen Jahren die englischen Forderungen a n Deutschland au f etwa $ 5 5 bis $ 8 0 Mill. (22 0 bis 320 Mill. Mark) festsetze n müssen . Dahe r wir d i m Text ein un gefährer Mittelwer t vo n 250 Mill . Mark angegeben . Fü r di e Schätzung wurde n auße r de r obe n genannten Arbei t vo n Nort h folgend e Beiträg e benutzt : Soetbeer, Hamburg s Handel , Bd . 1, S. 130 ff., Bd . II, S. 197, 229 ; ders., Übe r di e Ermittlun g zutreffende r Durchschnittspreise , in : Vierteljahresschrift fü r Volkswirtschaf t un d Kulturgeschichte , 1894, Heft 3; H. Freymark , Di e Reform de r preußische n Handels - un d Zollpoliti k vo n 1800-1821 und ihr e Bedeutung , Jen a 1898, S. 102 f.; H. Rau , Vergleichend e Statisti k de s Handel s de r deutschen Staaten , Wie n 1863, S. 57-84; Bondi, bes . S . 145-153; Clapham, Moder n Britain, Bd. 1, S. 237-250, 476-560 ; J . Potter , Atlanti c Economy 1815-1860 , th e USA and th e Industria l Revolution i n Britain, in: L. Pressnel l (Hg.) , Studies i n the Industrial Revolution, Londo n 1960, S. 241 f. un d die dort an gegebenen Quellen . Di e Berechnung de s Verflechtungsgrades fü r Deutschlan d un d Großbritan nien verwende t auc h Angabe n au s der Zei t vo r 1850, da fü r di e 50e r Jahre ausreichend e direkt e Angaben nich t vorliegen . De r Tren d de r ständi g zunehmende n relative n Bedeutun g de r anglo-amerikanischen Wirtschaftsbeziehunge n vo r 1860 mußte hier natürlic h berücksichtig t wer den. Nac h Borries , Deutschland s Außenhandel , bes . S . 191-93, würde di e Summ e de r engli schen Kapitalforderunge n höhe r festzusetze n sein , vielleich t au f ca . 300 Mill . Mark, abe r di e Schätzung is t lediglic h al s Denkvorschla g z u verstehen . 47 Hoffmann u . a. , Tabell e 62, S. 147; die Summ e entsprac h allerding s nu r 0,6 % des Ge samtkapitalstocks. Ebd. , Tab . 40, S. 225; Blumberg, Di e deutsch e Textilindustrie , S . 50. 48 King, S . 266, auch Clapham , Moder n Britain, Bd. 2, S. 333, 34 4 f., 350, 36 0 ff.

Soll un d Habe n I 1 R. M . Hartwell , The Cause s o f th e Industria l Revolution : A n Essa y i n Methodology , in : EHR, 2, Ser. , Bd . 18 , 1965 , S. 164-82;K . Borchardt , Probleme der ersten Phase der industriel len Revolutio n i n England , in : VSWG , Bd . 55, 1968 , S. 1-62. 2 J . Clapham , Economi c History o f Modern Britain, 3 Bde., Cambridg e 1926-1938; A . P . Usher, Th e Application of th e Quantitative Method t o Economic History, in : JPE , Bd. 40, 1932, S. 186-209 lobt Clapham s Hervorhebun g de r Quantifizierung . Vgl . auc h die nachdenkli -

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Anmerkungen z u Seit e 211-213 chen Reflektionen vo n W. Η. Β . Court, Joh n Clapham, in: Architects and Craftsmen i n Histo ­ ry: Festschrift fü r Abbot Payso n Usher , Tübingen 1956. 3 R. Brau n ha t zwe i wichtig e Bänd e übe r di e Schwei z geschrieben : Industrialisierun g un d Volksleben, Erlenbach-Züric h 1960, und Soziale r un d kulturelle r Wande l i n eine m ländliche n Industriegebiet (Züriche r Oberland ) unte r Einwirkun g de s Maschinen - un d Fabrikwesen s i m 19. und 20. Jahrhundert, Erlenbach-Züric h 1965, die hie r nich t berücksichtig t werden . W. Abel , Di e Wüstunge n de s ausgehende n Mittelalters , Stuttgar t 1955, ist fas t ,klassisch'. H. Kellenben z un d J . v . Klavere n habe n ein e Reih e vo n nützliche n Publikatione n übe r di e Frühneuzeit beigetragen , z . B . H. Kellenbenz , Sephardi m a n der unteren Elbe : Ihre wirtschaft liche und politische Bedeutung vom Ende des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Wiesba den 1958 und J. v. Klaveren , Europäisch e Wirtschaftsgeschicht e Spanien s i m 16. und 17. Jahrhundert, in : F . Lütg e (Hg.) , Forschunge n zu r Sozial - un d Wirtschaftsgeschichte , Bd . 2, Stuttgart 1960. 4 Außer H . Boehme , Prologemon a z u eine r Sozial- un d Wirtschaftsgeschicht e Deutschland s im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M . 1968;F . Lütge , Deutsch e Sozial-und Wirtschaftsge schichte, Heidelber g 1966, und H . Mottek , Wirtschaftsgeschicht e Deutschlands . Ei n Grund riß, 2 Bde., Berli n 1964, gibt e s die älteren Werk e vo n Sombart, Sartoriu s v. Waltershause n u . (auf englisch ) Chpham, di e weiterhin noc h nützlic h sind . G . Stolpe r u . a. , Deutsch e Wirtschaf t seit 1870, Tübingen 1966, vervollständigt di e Liste . E s gibt auc h einig e Lehrbüche r i n Deutsch , die sich mi t europäische r Wirtschaftsgeschicht e befassen : J. Kulischer, Allgemein e Wirtschafts geschichte de s Mittelalter s un d de r Neuzeit , Münche n 1965; H. Haussherr , Wirtschaftsge schichte de r Neuzeit , Köl n 1960 und A . Brusatti , Wirtschafts - un d Sozialgeschicht e de s indu striellen Zeitalters , Gra z 1967. Aber nu r Kulischer s Buc h lohn t sic h noc h z u lese n - obwohl e s schon 40 Jahre al t ist . Außerde m mu ß ma n ei n bemerkenswer t gelehrte s un d informative s Handbuch übe r Methode n un d Quelle n vo n de m verstorbene n L . Beutin , Einführun g i n di e Wirtschaftsgeschichte, Köl n 1958, erwähnen, unte r Mitwirkun g un d mi t Ergänzunge n vo n H. Kellenben z ne u aufgeleg t als : Wirtschaftsgeschichte , Köl n 1973. Schließlich mu ß ma n au f K. Borchardt s knappe n abe r thematisc h seh r umfassenden Überblic k aufmerksa m machen , de r die Frag e stellt , o b di e europäisch e Wirtschaftsgeschicht e fü r Problem e de r ,Entwicklungsländer' relevan t ist : K . Borchardt , Europa s Wirtschaftsgeschicht e - ei n Model l fü r Entwicklungs länder?, Stuttgar t 1967. 5 Die Tatsache, da ß Ashton's „Th e Industria l Revolution" i n di e französische , abe r nich t i n die deutsche Sprache übersetzt worden ist , zeig t m . E. mehr als die traditionell starke n Präferen zen französische r Wissenschaftle r fü r di e eigen e Sprache . 6 Die VSWG hat neuerdings andere Herausgeber (W. Zorn, O. Brunne r und H. Kellenbenz) , und ihr e Orientierun g ma g sic h demnächs t ändern . 7 K. E . Bor n (Hg.) , Modern e deutsch e Wirtschaftsgeschichte , Köl n 1966; H . - U . Wehle r (Hg.), Modern e deutsch e Sozialgeschichte , Köl n 1966. Seit de r erstmalige n Abfassun g diese s Artikels sin d einig e weiter e wichtig e Reader s herausgekommen , di e z. T. auc h deutsch e Wirt schaftsgeschichte un d Sozialgeschicht e berühren , z . B. : R . Brau n u . a . (Hg.) , Industriell e Re volution. Wirtschaftliche Aspekte , Köln 1972; R. Braun, u.a . (Hg.) , Gesellschaf t i n der Industriel len Revolution , Köl n 1973. 8 E. Giersiepen (Hg.) , Beiträg e zur deutschen Wirtschafts - un d Sozialgeschicht e de s 18. und 19. Jahrhunderts, Berli n 1962. 9 F. Lütge (Hg.) , Di e wirtschaftliche Situatio n in Deutschland und Österreich u m die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts. Berich t übe r di e erst e Arbeitstagun g de r Gesellschaf t fü r Sozial und Wirtschaftsgeschichte i n Mainz, 4.-6. März 1963, Stuttgart 1964. Weitere Veröffentlichun gen diese r Tagungsbeiträge sin d gefolgt : z . B . H . Kellenben z (Hg.) , Öffentlich e Finanze n un d privates Kapita l i m späte n Mittelalte r un d i n de r 1. Hälfte de s 19. Jahrhunderts (3. Tagung), Stuttgart 1971; ders. (Hg.), Wirtschaftspoliti k un d Arbeitsmark t (4. Tagung), Wien 1974; ders.

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Anmerkungen z u Seit e 213-216 (Hg.), Agrarisch e Nebengewerb e un d Forme n de r Reagrarisierun g i m Spätmittelalte r un d 19./20. Jahrhunder t (5. Tagung), Stuttgar t 1975. 10 W . Abe l u . a . (Hg.) , Wirtschaft , Geschicht e un d Wirtschaftsgeschichte . Festschrif t zu m 65. Geburtstag vo n Friedric h Lütge , Stuttgar t 1966. 11 W. Fische r (Hg.) , Wirtschafts - un d sozialgeschichtlich e Problem e de r frühe n Industriali sierung. Einzelveröffentlichunge n de r Historischen Kommissio n z u Berlin bei m Friedrich-Mei necke-Institut de r Freie n Universitä t Berlin , Bd . 1, Berlin 1968. 12 Der allgemein e Titel lautet : Veröffentlichunge n de s Institut s fü r Wirtschaftsgeschicht e a n der Hochschul e fü r Ökonomi e Berlin-Karlshorst , Berlin , Bd . I: H. Motte k u . a. , Studie n zu r Geschichte der industriellen Revolution i n Deutschland, 1960;Bd . 2: A. Schröte r u. W. Becker, Die deutsch e Maschinenbauindustri e i n de r industrielle n Revolution , 1962; Bd. 3: H. Blum berg, Di e deutsch e Textilindustri e i n de r industrielle n Revolution , 1965; Bd. 4: L. Baar , Di e Berliner Industri e i n de r industrielle n Revolution , 1966. 13 Ein jüngere r Aufsat z vo n Motte k (de r M . Dobb , J . Robinson, A . Hirschma n un d einig e andere ,Entwicklungsökonomen' zitiert ) stell t vielleich t eine n bescheidene n Schrit t i n diese r Richtung dar . Vgl. : Di e Wah l de r richtige n Techni k un d di e Beschleunigun g de s Wirtschafts wachstums i n de n Entwicklungsländern , in : JbW , 1968, Teil 1, S. 11-96. Motteks Interess e i n diesem Aufsat z gil t allerding s de r Entwicklungs - un d nich t de r Wirtschaftsgeschichte . 14 W. Fische r (Hg.) , Schrifte n zu r Wirtschafts - un d Sozialgeschichte , Berli n 1968. 15 W. Conz e (Hg.) , Industriell e Welt . Schriftenreih e de s Arbeitskreises fü r modern e Sozial geschichte. 16 F. Lütge (Hg.) , Forschunge n zu r Sozial- un d Wirtschaftsgeschichte , Stuttgar t 1959; ders. u. a. , Quelle n un d Forschunge n zu r Agrargeschichte , Stuttgar t 1955. 17 H. Kellenben z (Hg.) , Schrifte n zu r Rheinisch-Westfälische n Wirtschaftsgeschichte . Köln. [Di e Herausgab e diese r Reih e ha t inzwische n F.-W . Hennin g übernommen . Di e Beto nung aktennahe r Regionalstudie n i m Industrialisierungszeitalte r wir d fortgesetzt , dies e Arbei ten werden nac h wie vor für Spezialfragestellungen un d Verständnis regionale r Probleme der In dustrialisierung ein e unerläßlich e Hilf e sein. ] 18 J . Kuczynski, Geschicht e de r Lag e de r Arbeite r unte r de m Kapitalismus , Berli n 1954. 18a Ein e kritische Gesamtwürdigun g vo n 11 Autoren erschie n in : Archiv fü r Sozialgeschich te, Bd . 14, S. 471-542. 19 R. Koselleck , Preuße n zwische n Refor m un d Revolution , Stuttgar t 1965. 20 J . H . Clapham , Economi c History a s a Discipline , in : F. Lane u . J . Riemersma (Hg.) , Enterprise an d Secula r Change , Homewood , Ill. 1953 , S . 415-20 . 21 E . Klein, Von de r Reform zur Restauration . Finanzpoliti k un d Reformgesetzgebun g de s preußischen Staatskanzlers Kar l August von Hardenberg, Bd . 16 der Historischen Kommissio n z u Berlin, Berli n 1965. 22 V . Gropp, De r Einflu ß de r Agrarrefor m de s beginnende n 19. Jahrhunderts i n Ostpreuße n auf Höhe und Zusammensetzung de r preußischen Staatseinkünfte, Berli n 1967, Bd. 9 der Schrifte n zur Wirtschafts - un d Sozialgeschichte . 23 Η. Η . Müller, De r agrarisch e Fortschrit t un d di e Bauer n i n Brandenbur g vo r den Refor men vo n 1807, in:ZfG, Bd . 12, 1964 , S. 629-48; ders., Die Bodennutzungssysteme un d die Separation i n Brandenbur g vo r de n Agrarreforme n vo n 1807, in: JbW, 1965, Teil III, S . 82-126 ; ders., Domäne n un d Domänenpächte r i n Brandenburg-Preuße n i m 18. Jahrhundert, in : JbW , 1965, Teil IV, S. 152-92; ders., Bauern , Pächte r un d Ade l i m alte n Preußen , in : JbW , 1966, Teil I, S . 259-77; ders., Entwicklungstendenze n de r Viehzucht i n Brandenburg vo r den Agrar reformen vo n 1807, in: JbW, 1966, Teil II, S. 137-89; ders., Märkisch e Landwirtschaf t vo r de n Agrarreformen vo n 1807. Entwicklungstendenzen i n der zweite n Hälft e de s 18. Jahrhunderts, Potsdam 1967. 24 R. Berthold , Einig e Bemerkunge n übe r de n Entwicklungsstan d de s bäuerliche n Ackerb aus vor den Agrarreformendes 19. Jahrhunderts; G. Heitz , Di e sozialökonomische Struktur im

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Anmerkungen z u Seit e 216-219 ritterschaftlichen Bereic h Mecklenburg s z u Begin n de s 18. Jahrhunderts. (Ein e Untersuchun g für vie r Ämter), beid e in: Giersiepen. J . Nichtweiss, Zu r Frage der zweiten Leibeigenschaf t un d des sog . preußische n Wege s zu r Entwicklun g de s Kapitalismu s i n de r Landwirtschaf t Ost deutschlands, in : ZfG , Bd . 1, 1953 , S. 687-717; ders., Antwor t a n Jürge n Kuczynski ; J . Kuczynski, Zu m Aufsat z vo n Johanne s Nichtweis s übe r di e zweit e Leibeigenschaft , all e in : ZfG , Bd. 2, 1954 , S. 467-76. 25 H. Krüger , Zu r Geschicht e de r Manufakture n un d de r Manufakturarbeite r i n Preußen . Die mittlere n Provinze n i n de r zweite n Hälft e de s 18. Jahrhunderts, Berli n 1958. 26 H. Kisch, Variations Upon an 18t h Century Theme: Prussian Mercantilis m an d the Rise of the Crefel d Sil k Industry , Transaction s o f th e America n Philosophica l Society , 1968 . 27 W . O . Henderson , Studie s i n the Economi c Polic y o f Frederick th e Great, Londo n 1963 . 28 R . Forberger, Di e Manufaktur i n Sachsen vo m End e des 16. bis zum Anfan g de s 19. Jahrhunderts, Berli n 1958. 29 H. Bleiber , Zwische n Refor m un d Revolution . Lag e un d Kämpf e de r schlesische n Bauer n und Landarbeite r i m Vormär z 1840-1847, Berlin 1966. 30 H. W . Gra f Finck v . Finckenstein ha t einige nützliche statistische Studien beigesteuert: Di e Entwicklung de r Landwirtschaft i n Preußen un d Deutschland, 1800-1930, Würzburg 1960. Als Mitglied eine r alten ostelbischen Adelsfamili e ha t Graf v. Finckenstei n ei n mehr als rein wissen schaftliches Verhältni s z u seine m Thema . Sein e Ergebniss e - und sicherlic h sein e These , da ß Gutsbesitzer un d auc h di e Besitzkonzentratio n durc h di e Agrarrefor m beeinträchtig t ware n (z. B . S . 124-37) - müssen mi t Vorsich t benutz t werden . Vgl . auc h di e Rezensio n in : ZfG , Bd. 9, 1961 , S. 864-73; und D . Saalfeld , Zu r Frag e de s bäuerliche n Landverluste s i m Zusam menhang mi t de n preußische n Agrarreformen , in : ZAA , Bd . 11, 1963 , S. 163-71. Vgl. di e Be merkungen z u neuere n Arbeite n z u diesem Thema von R. A . Dickler u . H. Harnisc h i m folgen den Beitra g 13. 31 J . Kuczynski, Bürgerlich e un d halbfeudal e Literatu r au s de n Jahre n 1840-1847 zur Lag e der Arbeiter . Mi t eine m bibliographische n Anhan g vo n R . Hoppe , Berli n 1960, Bd. 9 der Ge schichte de r Arbeite r unte r de m Kapitalismus . Kuczynski s Schätzunge n de s Lebensstandard s sind i n Ban d 1 (1954), S. 77-92 des ebe n zitierte n Werkes . 32 C . Jantk e u . D . Hilge r (Hg.) , Di e Eigentumslosen . De r deutsch e Pauperismu s un d di e Emanzipationskrise i n Darstellun g un d Deutunge n de r zeitgenössische n Literatur , Freibur g 1965. 33 W. Abel , De r Pauperismu s i n Deutschland . Ein e Nachles e z u Literaturberichten , in : W . Abel u.a . (Hg.) , Wirtschaft , Geschicht e un d Wirtschaftsgeschichte , Stuttgar t 1966. 34 W. Fischer , Innerbetriebliche r un d soziale r Statu s de r frühe n Fabrikarbeiterschaft , in : Forschungen zu r Sozial- un d Wirtschaftsgeschichte, Bd . 6, Stuttgart 1964, S. 192-222, und: Soziale Unterschichte n i m Zeitalter der Frühindustrialisierung , in : IRSH , Bd . 8, 1963 , S. 415-35. Zu dieser Diskussion vgl . jetz t die interessanten Bemerkunge n H . Kaelbles , Socia l Stratifikatio n in Germany in the 19t h an d 20th Centuries : A Surve y o f Research Since 1945 , in : JSH, Bd . 10 , 1976, S . 144-65 . 35 W . Köllmann, Sozialgeschicht e der Stadt Barmen im 19. Jahrhunden, Tübinge n 1960. Erstaunlich is t allerding s da s Ausklammer n de r Zwillingsstad t Elberfeld . 36 E. Buchholz , Ländlich e Bevölkerun g a n de r Schwell e de s Industriezeitalters , Stuttgar t 1966. 37 W. Köllmann, Grundzüge de r Bevölkerungsgeschicht e Deutschland s i m 19. und 20. Jahrhunden, Studiu m General e XII, 1959 . 38 Ders., Th e Populatio n of Barmen Before an d Durin g th e Perio d o f Industrialization , in : D. Glas s u . D . Everle y (Hg.) , Populatio n Studies , Londo n 1965 . 39 K . Blaschke, Bevölkerungsgeschicht e vo n Sachse n bi s zur industrielle n Revolution, Wei mar 1967 .

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Anmerkungen z u Seit e 219-224 40 W. Fische r u . G . Bajor , Di e soziale Frage . Neuer e Studie n zu r Lag e der Fabrikarbeiter i n den Frühphase n de r Industrialisierung , Stuttgar t 1967. 41 Man kan n m.E . argumentieren , da ß di e Akkumulatio n vo n Faktenwisse n übe r de n sozia len Wande l wei t wenige r entscheiden d fü r de n Fortschrit t de r Sozialgeschicht e ist , al s die Ent deckung von Fakten, di e subversiv im weitesten Sinne des Wortes sind. Derartige Entdeckunge n setzen ein e materialistische Haltun g de r Geschichte gegenübe r vorau s und die Bereitschaft, sic h die Geschicht e grundsätzlic h ander s vorzustellen , al s si e ablief . 42 H. Boehme , Deutschland s We g zu r Großmacht . Studie n zu m Verhältni s vo n Wirtschaf t und Staa t währen d de r Reichsgründungszei t 1848-1881, Köln 1966. 43 I . Lambi, Fre e Trad e an d Protectio n i n Germany, 1868-1879 , in: VSWG , Beihef t 44, Wiesbaden 1963. 44 K. Hardach , Di e Bedeutun g wirtschaftliche r Faktore n be i de r Wiedereinführung de r Ei sen- un d Getreidezöll e i n Deutschlan d 1879. Schriften zu r Wirtschafts - un d Sozialgeschichte , Bd. 7, Berlin 1967. 45 H. Rosenberg , Groß e Depressio n un d Bismarckzeit. Wirtschaft s ab lauf, Gesellschaf t un d Politik i n Mitteleuropa . Veröffentlichunge n de r Historische n Kommissio n z u Berlin , Bd . 24, Berlin 1967. 46 W. G . Hoffman n u . a. , Da s Wachstu m de r deutsche n Wirtschaf t sei t de r Mitt e de s 19. Jahrhunderts, Berli n 1965. Hoffmann wir d vielleich t di e Bezeichnung „Wirtschaftshistori ker" nich t gefallen , abe r i n de n historische n Arbeite n lieg t sicherlic h sei n größte s Verdienst . 47 W. Zorn , Di e wirtschaftlich e Struktu r de r Rheinprovin z u m 1820, in: VSWG , Bd . 54, 1967, S. 289-324, der einig e weiter e Artike l i n de n RVB , Bde . 29, 30 , 31 , 1964-196 7 und in : JNSt, Bd . 179, 1966 , S. 344-55 zitiert. 48 G. Adelmann, De r gewerblich-industrielle Zustand der Rheinprivinz im Jahre 1836, Bonn 1967. 49 Außer Hinweise n au f weiter e Arbeite n i n Zorn s Publikatione n (s . Anm . 47) siehe auc h H. Kellenbenz , De r deutsche Außenhande l gege n Ausgan g de s 18. Jahrhunderts, in : Die wirt schaftliche Situatio n i n Deutschlan d un d Österreich , un d E . Schremmer , Bemerkunge n zu r Zahlungsbilanz Bayern s i n de r zweite n Hälft e de s 18. Jahrhunderts (Manufakturperiode) , in : W. Abe l u.a . (Hg.) , Wirtschaft , Geschicht e un d Wirtschaftsgeschichte , Stuttgar t 1966. 50 K. Borchardt , Zu r Frag e des Kapitalmangel s i n de r erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts i n Deutschland, in : JNSt , Bd . 173, 1961 , S. 401-21. 51 B. Brockhage , Zu r Entwicklun g de s preußisch-deutsche n Kapitalexports , Leipzi g 1910. Erster Teil: Der Berliner Mark t für ausländisch e Staatspapiere 1816 bis um 1840, Staats- und so zialwissenschaftliche Forschungen . Hef t 48. Herausgegeben vo n G. Schmolle r u . M . Sering , E s ist höchst e Zei t fü r ein e Fortsetzun g de r frühe n Pionierarbei t vo n Brockhage . Sei n Hauptbe weismaterial ware n Daten über Auslandsanleihen i m Berliner Mark t vor 1840, und dieser Bewei s des Kapitalexport s wär e sicherlic h verbesserungsfähig . Jene r früh e Wirtschaftshistoriker , G . v. Gülich , Geschichtlich e Darstellun g de s Handels, der Gewerbe und des Ackerbaus de r bedeutendsten handeltreibende n Staate n unsere r Zeit , 1830-1845, Jena 1830, Bd. 2, S. 367-68, 375 , 483 zitiert Imperfektione n i m Kapitalmark t al s Ansporn zu r Industrieinvestition i n bestimmte n Teilen Deutschland s vo r 1845. 52 R. Tilly, Financial Institutions an d Industrializatio n i n th e Rhineland , 1815-1870 , Madi son 1966 ; ders., Germany 1815-1870 , in: R. Cameron u . a. (Hg.) , Bankin g i n the Early Stage s of Industrialization, Ne w Yor k 1967 , S. 151-82 ; ders., Finanzielle Aspekt e der preußischen In dustrialisierung 1815-1870, in: W . Fische r (Hg.) , Wirtschafts - un d sozialgeschichtlich e Pro bleme de r frühe n Industrialisierung , Berli n 1968. 53 H. Boehme , Gründun g un d Anfäng e de s Schaaffhau sen'schen Bankvereins , de r Bank de s Berliner Kassenvereins , de r Direktio n de r Disconto-Gesellschaf t un d de r (Darmstädter ) Ban k für Hande l un d Industrie , in : Tradition, Bd . 10, 1965 , S. 189-212 und Bd . 11, 1966, S. 34-56;

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Anmerkungen z u Seite 224—228 ders., Guid o Graf Hencke l vo n Donnersmarck, Bismarc k und der Krie g von 1866, in: Tradition, Bd . 12, 1967 , S. 378-87. 54 M. Seeger, Di e Politik der Reichsbank von 1876-1914 im Lichte der Spielregeln der Goldwährung, Berli n 1968. 55 G. Milkereit, Da s Projekt der Moselkanalisierung, ei n Problem der westdeutschen Eisen und Stahlindustrie , in : Beiträg e zu r Geschicht e de r Moselkanalisierung . Schrifte n zu r Rhei nisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte , Bd . 14, 1967 . 56 M. Kutz, Zu r Geschichte der Moselkanalisierung vo n den Anfängen bi s zur Gegenwart , ein Überblick , in : Beiträg e zu r Geschicht e de r Moselkanalisierung . 57 H. Mauersberg, Deutsch e Industrien im Zeitgeschehen eines Jahrhunderts. Ein e historische Modelluntersuchung zu m Entwicklungsprozeß deutsche r Unternehmer von ihren Anfän gen bis zu m Stan d von 1960, Stuttgart 1966. 58 W. Fischer , Di e Roll e de s Kleingewerbe s i m wirtschaftliche n Wachstumsproze ß i n Deutschland 1850-1914, in: F. Lütg e (Hg.), Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 10; ders., Das deutsche Handwerk in den Frühphasen der Industrialisierung, in : ZfGS, Bd. 120, 1964, S. 686-712. Überhaupt muß auf die durch Fischers Arbeiten bewirkten Relativierung der These des Niederganges des deutschen Handwerks zwischen 1870 und 1914 hingewiesen werden. I n diesem Zusammenhang vgl . auc h die Arbeit von A. Noll, Sozioökonomischer Strukturwandel de s Handwerks i n de r 2. Phase der Industrialisierung , Göttinge n 1976. 59 A. Müssiggang, Di e soziale Frage in der historischen Schule der deutschen Nationalöko nomie, Bd. 2, Tübinger Wirtschaftsgeschichtliche Abhandlungen , Tübingen 1968; D. Linden hub, Richtungskämpf e i m Verein für Sozialpolitik. Wissenschaf t un d Sozialpolitik i m Kaiserreich, vornehmlic h vo m Begin n de s neue n Kurse s bi s zu m Ausbruc h de s 1. Weltkrieges (1890-1914), in: VSWG, Beiheft 52, Wiesbaden 1967. Siehe auch die interessanten Schlußfolge rungen vo n Kisch. 60 Was ich in der deutschen Literatur vermisse, sind nicht umfassende Verallgemeinerunge n über historische Prozesse (siehe hierfür Weber oder Sombart), sondern allgemeine Aussagen, die ernsthaft versuchen, langfristige Wachstumstendenzen mi t den kurzfristigen Veränderunge n zu koppeln, di e mit dem Begriffsapparat de r ökonomischen Analys e systematisch interpretierba r sind. Wachstum mag von exogenen institutionellen Faktoren bestimmt sein (worauf auch die historische Schule insistierte), aber diese wirken übe r Mechanismen, di e besser durch ökonomi sche Analyse n gedeute t werde n können , al s die Vertrete r de r historische n Schul e glaubten . Soll und Haben II 1 Im folgenden werden die Begriffe „Wirtschaftswachstum" , „Wirtschaftsentwicklung " un d „Industrialisierung" al s auswechselbar verwendet, obwohl dies gegen manchen Sprachgebrauch verstößt. Ic h mein e de n i m 19. Jahrhundert einsetzende n säkulare n Proze ß de s anhaltende n Wachstums des Sozialprodukts pro Kopf der Bevölkerung, de r aber auch Strukturwandel wi e z. Β . die relativ e Schrumpfung de s Agrarsektors mi t impliziert . 2 In „Soll und Haben I" wird durchaus der Wert von Institutionengeschichte anerkannt, nu r ist ihre Unterordnung unter das Wachstumsparadigma dort stärker, als ich es jetzt für angemessen halte . 3 Diese Tatsache wird i n H.-U. Wehler s zwei nützlichen Bibliographien registriert , worau f er auch ausdrücklich hinweist . Vgl. H.-U. Webler , Bibliographi e zur modernen deutschen Sozialgeschichte, Göttingen 1976, S. VII und 31-78; und ders., Bibliographie zur mordernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, Göttinge n 1976, S. VII und 34-74. Sie wird auc h z. T . in W. Fi schers Literaturbericht angesprochen . W . Fischer, Some Recent Developments in the Study of Economic and Business History in Western Germany, in: R. Gallma n (Hg.) , Recent Develop-

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Anmerkungen z u Seite 228-230 merits i n th e Study of Business an d Economi c History: Essays i n Memor y of Herma n Ε. Krooss. Researc h i n Economi c History. Suppl . I , Greenwich , Conn . 1977 , S. 247-85. 4 In de r Reihenfolg e meine r Einschätzun g ihre r schriftlic h belegte n Begeisterung , z. B. K. Borchardt, De r „Property-Rights-Ansatz", in : GuG, Sonderheft 3, 1977, S. 140-60; W. Fischer, Sozialgeschicht e un d Wirtschaftsgeschichte , in : P . Lud z (Hg.) , Soziologi e u . Sozialge schichte, Oplade n 1973, S. 132-52; D. Grob , Strukturgeschicht e al s „totale" Geschichte?, in : VSWG, Bd . 58, 1971 , S. 289-322; J . Kocka, Sozial - und Wirtschaftsgeschichte, in : Sowjetsy stem und Demokratische Gesellschaft, Freiburg 1972, S. 2-39; ders., Theorien in der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, in : GuG , Bd . 1, 1975 , S. 9-42; H.-U. Wehler , Einleitung , in : ders . (Hg.), Geschicht e und Ökonomie, Köl n 1973, S. 11-35; W. Zorn, Da s Fach Wirtschafts- un d Sozialgeschichte, in: Fs. W. Abel, Göttinge n 1974, S. 11-22. Erwähnenswert ist schließlich die vor allem der Quantifizierung zustimmend e Arbeit von T. Zarrazin, Ökonomi e und Logik der historischen Erklärung , Bonn-Ba d Godesber g 1974. 5 H.-U. Wehler , Einleitung , S . 23; ähnlich auch: J . Reid, Understanding Political Events in the New Economi c History, in: JEH , Bd . 37, 1977 , bes. S. 304-5. 6 Zwei weitere Möglichkeiten erwähn t Kocka, Theorien: (1) die Modernisierung. Si e scheidet für das von mir geschilderte Problem als Lösung aus wegen ihrer zu hohen Diffusität und fehlenden Erklärungskraft fü r den institutionellen Wandel . Hierzu auch H.-U. Wehler , Moderni sierungstheorie un d Geschichte, Göttinge n 1975 und ders., Vorüberlegungen z u einer modernen deutsche n Gesellschaftsgeschichte , in : Industriell e Gesellschaf t un d politische s System , Bonn 1978, S. 3-20. 7 Zum Marxismu s i n diese m Zusammenhan g vgl . auc h H.-U . Wehler , Einleitun g un d K. Kühne, Marxismus und Geschichte, in: H.-U. Wehler (Hg.), Geschichte und Ökonomie, S. 304-74 und auc h Kocka , Theorien , S . 9-42 und ders. , Zu r jüngeren marxistische n Sozialge schichte, in : Ludz, Soziologi e un d Sozialgeschichte, S . 491-514. 7a Vgl . zu m ersten Thema etwa den Aufsatz von W. Jonas, Z u einigen Problemen des Verhältnisses zwischen Produktivkräfte n un d Produktionsverhältnissen, in : JbW, 1976, Teil 1, S. 233-42. Zum zweiten Problem z. B . K. Gossweiler , Di e Rolle der Großbanken i m Imperialismus, in: JbW, 1971, Teil 3, S. 35-54. Die guten, deskriptiven Arbeiten müssen freilich nich t der marxistisch-leninistischen Interpretatio n eine s vo m „Kapital " abhängige n Staate s widerspre chen, nur ziehen si e aus der Grundformulierung de r Beziehungen keine n Nutzen. Vgl . hierz u die Arbeit von D. Eichholtz, Junke r und Bourgeoisie in der preußischen Eisenbahngeschichte , Berlin 1962, und die Bemerkungen von R. Fremdling , Eisenbahne n und deutsches Wirtschaftswachstum, Dortmund 1975, S. 132-34. Vgl. auch die Kritik marxistischer Krisentheorie bei R. Spree, Wachstumszykle n de r deutschen Wirtschaft vo n 1840-1880, Berlin 1977, S. 3-10, 25-29 und 43-44. 8 Nur wenige Beispiele solcher Versuche liegen vor. Für den Zollverein siehe R. Dumke, The Political Econom y o f Economic Integration: The Case of the German Zollverein of 1834 , in : Queen's University Kingston Institute of Econ. Research Discussion Paper No. 153 , 1974 (auch die unveröffentlichte Diss. desselben Autors mit demselben Titel, Wisconsin 1976). Für die Gewerkschaften sieh e den nur etwas historisch ausgerichteten, abe r dennoch m. E . ausbaufähige n Beitrag vo n N . Eickhoff, Ein e Theorie de r Gewerkschaftsentwicklung , Tübinge n 1973. 9 Borchardt, Property Rights-Ansatz, S. 155. Der entscheidende Punkt ist aber nicht die Aggregationsebene de s Handeln s sonder n di e Operationalisierbarkei t de r Kosten - un d Ertrags (oder Nutzen-)funktionen , di e i m Ansat z de r Erfüllun g de r Äquivalenzbedingunge n gleic h kommen, Borchardt ist hier nicht eindeutig. Vgl. ebda., S. 156: „Im großen und ganzen handelt es sich um einen individualistischen Ansatz , der eigentlich nur die Internalisierung von Gewinnen als Leistungsanreiz für Individuen zuläßt. Doch bleibt noch eine wirkliche Erklärung zu leisten, wie es immerhin auch zu den beobachtbaren Gegenbewegungen in Richtung auf Kommunalisierung und Externalisierung hat kommen können und sich die entsprechenden Institutione n so lange gehalte n haben. " 301 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

Anmerkungen z u Seit e 230-233 10 Kocka, Theorien , S . 24. Ironischerweise trifft diese r Einwand sogar die häufig al s antitheoretisch verstanden e Historisch e Schul e i n ihre n Bemühunge n i n de r Frühneuzei t ode r ga r i m Mittelalter, Keim e des zentralisierte n Nationalstaate s ode r de s Kapitalismu s aufzuspüren . Vgl . hierzu C . u . R . Tilly, Agenda for European Economi c History i n th e 1970's, in: J E H, Bd. 31, 1971, S. 184-98. 11 Borchardt, Property Rights, S . 154. Was Borchardt auc h an anderer Stelle ebd., S. 159-60, bemerkt. 12a K . Borchardt , Di e Industriell e Revolutio n i n Deutschland , Münche n 1972; F. W . Hen ning, Di e Industrialisierung i n Deutschland 1800 bis 1914, Paderborn 1973 (das Mittelstück vo n 3 Bänden zu r deutsche n Wirtschaftsgeschichte) ; H . Mottek , Wirtschaftsgeschicht e Deutsch lands, Bd . 2, Berlin 1964 (bis 1871); ders. u . a. , Wirtschaftsgeschicht e Deutschlands , Bd . 3, Berlin 1974 (1871-1945) ; W. Zor n (Hg.) , Handbuc h de r deutsche n Wirtschafts - un d Sozialge schichte, Bd . 2 (Das 19. u. 20. Jahrhundert), Stuttgar t 1976; J . Kocka, Unternehme r i n de r deutschen Industrialisierung , Göttinge n 1976. Siehe auc h Kocka s kritisch e Rezensio n de s o . e . Handbuchs, in : Neu e Politisch e Literatur , Bd . 14, 1979 , S. 24-36. 12b Dabe i dürfe n freilic h di e enorme n Datenlücke n de r Period e 1914-1924 nicht übersehe n werden. Vgl. K . Borchardt , Trend , Zyklus, Strukturbrüche, Zufälle: was bestimmt die deutsch e Wirtschaftsgeschichte de s 20. Jahrhunderts?, in : VSWG , Bd . 64, 1977 , bes. S . 148. 13 Vgl. E . Hobsbawm, Europäisch e Revolutionen , Züric h 1962; auch „Sol l un d Habe n I", oben S . 233. 14 Der Begriff „Protoindustrialisierung " wurd e von F. Mendel s gemünzt. Sieh e hierzu u . a. : F. Mendels , Industrialisation an d Population Pressur e i n Eighteenth Century Flanders, Diss . Wisconsin 1970 (Masch); ders. , Protoindustrialization : Th e Firs t Phas e of th e Industria l Pro cess, in : JEH, Bd . 32 , 1972 , S . 241-61; C . u . R . Tilly , Emergin g Problem s in the Moder n Eco nomic Histor y o f Wester n Europe , 197 1 (Masch.) , gedruckt in verkürzter Form u . d . T. : Agenda fo r Europea n Economi c Histor y i n th e 1970 , in : JEH, Bd . 31 , 1971 , S. 184-98 ; W . Fi scher, Rura l Industrializatio n an d Populatio n Change , in : CSSH , Bd . 15 , 1973 , S . 158-70 ; und last no t leas t das erst e Buc h zu m Gesamtthema : P . Kriedt e u . a. , Industrialisierun g vo r der In dustrialisierung. Gewerblich e Warenproduktio n au f de m Lan d i n de r Formationsperiod e de s Kapitalismus, Göttingen 1977; in Vorgriff dazu : H. Medick , Bevölkerungsentwicklung , Familien struktur un d Protoindustrialisierung , in : Sowi , Bd . 3, 1974 , S. 33-38. 15 Genannt seie n hier außer H. Kisch , From Monopoly t o Laissez faire: The Early Growt h of the Wupper Valle y Textile Trades, in: JEEH, Bd . 1 , 1972 , S. 298-407, di e Beiträge von Achilles, Schremmer u . Henning, in: H . Kellenbenz (Hg.) , Agrarische s Nebengewerb e u . Forme n de r Reagrarisierung i m Spätmittelalte r un d 19./20 . Jahrhundert, Stuttgar t 1975; die di e Protoindu strialisierung z . T . thematisierend e Dissertatio n vo n G. Hohors t un d die relevanten Fakte n ent haltenen Studie n vo n G . Lange , Da s ländlich e Gewerb e i n de r Grafschaf t Mar k a m Voraben d der Industrialisierung , Köl n 1976 und E . Schmitz , Leinengewerb e u . Leinenhande l i n Nord westdeutschland, 1650-1850, Köln 1967, auch die Studien von R. Braun , Industrialisierun g un d Volksleben. Veränderunge n de r Lebensforme n unte r Einwirkun g de r textilindustrielle n Heim arbeit i n eine m ländliche n Industriegebie t (Züriche r Oberland ) vo r 1800, Erlenbach-Zürich 1960 (ein moderne r Klassiker ) u . A . Klima , The Role o f Rural Domesti c Industrie s i n Bohemi a in th e Eighteent h Century , in : EHR, Bd . 27, 1974 , S . 48-56 . 16 Eine von K . Borchardt aufgegriffen e Berechnun g de s Sozialprodukts pr o Kop f vo n F. W . Henning leg t eine n Begin n de s beschleunigte n Wachstum s u m 1850 nahe, währen d W . Hoff mann un d auch R . Tilly von eine r Beschleunigun g i n de n 1830e r Jahren, di e durch ein e weiter e Beschleunigung i n de n 1850e r Jahren übertroffe n wurde , spreche n z u könne n glauben . Hierz u Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstu m u . Wechsellage n 1800-1914, in: Handbuch, S . 198-275, hier: S . 202; Henning, Industrialisierung , S . 25; W . Hoffmann , Th e Take-Off i n Germany, in: W. ^ . R o s t o w (Hg.) , The Economic s o f Take-Off into Self-Sustaine d Growth , Londo n 1963 ;

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Anmerkungen z u Seit e 234—235 R. Tilly, Capital Formatio n i n Germany i n th e Nineteent h Century, in : CEHE , Bd . 7, Cam­ bridge 1978. Mehr z u diese m Them a weite r unten . 17 Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstum , bes . S . 198-210 und 255-76; W . Ηoffmann, Wachstumsschwankungen i n de r deutsche n Wirtschaf t 1850-1967, in: ders . (Hg.) , Untersu ­ chungen zu m Wachstu m de r deutschen Wirtschaft , Tübinge n 1971. (Es handelt sic h hie r größ tenteils u m ein e statistisch e Manipulatio n de r scho n fü r da s groß e Werk : W . Hoffmann u . a. , Das Wachstu m de r deutsche n Wirtschaf t sei t de r Mitt e de s 19. Jahrhunderts, Berli n 1965 gewonnenen Daten. ) Spree , Wachstumszykle n (mi t eine m konjunkturstatistische n Anhang) . I n R. Spre e u . J . Bergmann, Di e konjunkturell e Entwicklun g de r deutsche n Wirtschaf t vo n 1840 bis 1864, in: H.-U . Weble r (Hg.) , Sozialgeschicht e heute . Fs . H . Rosenberg , Göttinge n 1974, werden Ergebniss e un d Methode n angedeutet . Spre e ha t nu n inzwische n de n Gesamtzeitrau m von 1820-1913 - allerdings au f dünnere r Datenbasi s - konjunkturhistorisch erfaßt , in : ders. , Wachstumstrends un d Konjunkturzyklen , Göttinge n 1978. Für ei n spezielle s un d wichtige s Problem mi t teilweis e denselbe n Daten : J. Bergmann, Ökonomisch e Voraussetzunge n de r Re volution vo n 1848: Zur Kris e von 1845-1848 in Deutschland , in : GuG , Sonderhef t 2, 1976 , S. 254-87. Einen interessante n Konjunkturindikato r diskutier t J . v . Kruedener , Di e Jahresbe richte de r Preußische n Ban k (1847-1875) als Quell e zu r Konjunkturgeschichte , in : VSWG , Bd. 62, 1975 , S. 465-99. 18 H . - U . Wehler , Theorieproblem e de r moderne n deutsche n Wirtschaftsgeschicht e (1800-1945), in: G. A.Ritte r (Hg.) , Entstehun g und Wandel der modernen Gesellschaft. Fs . H . Rosenberg, Berli n 1970, S. 92. Ich habe R. C . O . Matthews, Α Study i n Trade-Cycle History , Cambridge 1954, als Model l fü r Wehler s Wünsch e verstanden . 19 Bergmann, Ökonomisch e Voraussetzungen ; auc h Spree , bes . S . 320-31. 20 J . A . Scbumpeter , Busines s Cycles, 2 Bde., Ne w Yor k 1939, z. B . Bd . 1, S. 346, 350 , 359-66, 397-98 , 43 6 ff. H . - U . Wehler , Da s deutsche Kaiserreic h 1871-1918, Göttingen 1977 3 , S. 43 f. 21 Vgl. Spre e u . Bergmann , S . 291, 299-302; Spree, S . 131-30; Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstum, 256-60, sieht um die Jahrhundertmitte eine Wende vom Vorherrschen vo n Wechsel lagen „alte n Typs" zum Vorherrschen de s „neue n Typs", werte t die Bewegung de r 1840e r Jahre aber - ähnlich wi e Spree und Bergman n - als „gemischt e Konjunktur " vo n „alten " un d „neuen " Zyklen. Dies e Frag e is t eigentlic h noc h nich t geklärt . Hierz u jetzt : R . Spree , Veränderun g de r Muster zyklische n Wachstum s de r deutschen Wirtschaf t vo n der Früh - zu r Hochindustrialisie rung, in : GuG , Bd . 5, 1979 , S. 228-50. 22 Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstum ; ders. , Trend, Zyklus ; ders. , Währun g un d Wirt schaft, in : Deutsch e Bundesbank , Währun g un d Wirtschaf t i n Deutschlan d 1876-1975, Frankfurt 1976. Die historischen Reihe n de s ergänzenden Bandes : Deutsche Bundesbank , Deutsche s Geld- und Bankwesen i n Zahlen 1976-1975, Frankfun 1976, sind unter Borchardts Mitwirkun g zustande gekommen . Spree , Wachstumstrends ; ders. , Wachstumszyklen , bes . S . 352-67. 23 Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstum , S . 266-67; Hoffmann, Wachstumsschwankun gen, S . 92 (der mittels zweimal durc h 9jährig e gleitende Durchschnitt e geglättete Wachstumsra ten zu seinem Ergebnis kommt). Dieser Widerspruch ha t Konsequenzen fü r sozial- un d politge schichtliche Schlußfolgerungen , di e Wehler , Da s deutsch e Kaiserreich , S . 41 ff. au s de r Kon junkturgeschichte zieht . Auch : Motte k u . a. , Wirtschaftsgeschichte , S . 175-80. 24 Borchardt, Wirtschaftliche s Wachstum , S . 269-70; vgl. abe r Hoffmann , Wachstums schwankungen, S . 92; und Mottek u . a. , Wirtschaftsgeschichte , 192-98; auch P . Ch . Witt , Di e Finanzpolitik de s Deutschen Reiche s vo n 1905 bis 1913, Hamburg 1970, S. 143-52 und 327-30. Für die relativierende, langfristig e Perspektiv e hierzu K . Borchardt , Wandlungende s Konjunk turphänomens i n den letzte n hunder t Jahren , Münche n 1976. Weder Staa t noc h monopolartig e Institutionen konnte n bi s jetz t i n überzeugende r Weis e fü r dies e Stabilitä t verantwortlic h ge macht werden. International-vergleichend e Perspektiv e bietet W . A . Lewis, Economi c Growth and Fluctuations , 1870-1913 , London 1978.

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Anmerkungen z u Seit e 236-237 25 v. Finckenstein, Di e Entwicklun g (zit . i n Anm . Sol l un d Habe n I, oben); G . Helling , Be rechnung eine s Inde x de r Agrarproduktio n i n Deutschlan d i m 19. Jahrhunden, in : JbW , 1965, Teil 4, S. 125-43; ders., Zu r Entwicklun g de r Produktivitä t i n de r deutsche n Landwirtschaf t i m 19. Jahrhunden, in : JbW , 1966, Teil 1, S. 129-41; Ηoffmann u.a. , Neuer e Manipulatione n de r älteren Date n biete n F.-W . Henning , Kapitalbildungsmöglichkeite n de r bäuerliche n Bevölke rung a m Anfan g de s 19. Jahrhunderts, in : W . Fische r (Hg.) , Beiträg e zu m Wirtschaftswachs tum, Berli n 1971, S. 57-81; Spree u . Bergmann; Spree , S . 131-40, 403-8, 518-20; und Tilly, Capital Formation . Zusammenfassunge n de r ältere n Literatu r bringe n G . Franz , Landwirtschaf t 1800-1850 u. M . Rolfes , Landwirtschaft , 1850-1914, in: Handbuch, auc h E . Klein , Geschicht e der deutsche n Landwirtschaf t i m Industriezeitalter , Wiesbade n 1973. 26 Außer de n i n Anm . 25 zitienen Arbeiten : W . Abel , Agrarkrise n un d Agrarkonjunktur , Hamburg 1966 2 ; die ältere abe r dennoch wichtig e Arbei t vo n S. Ciriacy-Wantrup , Agrarkrise n und Stockungsspannen . Zu r Frag e de r lange n ,Wellen' i n de r wirtschaftliche n Entwicklung , Berlin 1936, und di e weiter unte n i n Zusammenhang mi t dem Außenhandel z u erörternden Bei träge vo n Kutz , v . Borrie s u . Dumke . 27 H.-H. Müller , Kapitalgesellschafte n fü r Anba u un d Verarbeitun g vo n Zuckerrübe n i n Deutschland i m 19. Jahrhundert, in : JbW , 1974, Teil 4, S. 113-48; W. v . Hippel, Bevölkerungs entwicklung un d Wirtschaftsstruktu r i m Königreic h Württember g 1815/65, in: U . Engelhard t u. a . (Hg.) , Stuttgar t 1976, S. 270-371; P. Borscheid , Naturwissenschaft , Staa t un d Industri e i n Baden, 1848-1914, Stuttgart 1976. 28 G. Ipsen, Die preußische Bauernbefreiung al s Landesausbau, zuerstin:ZAA , Bd . 2, 1964 , S. 29-54, in leich t überarbeitete r For m wiederabgedruck t in : W . Köllmann u. P . Marschalc k (Hg.), Bevölkerungsgeschichte , Köl n 1972; R. A . Dickler , Organizatio n and Chang e i n Pro ductivity in Eastern Prussia , in: W , N . Parke r u . E . L . Jones (Hg.) , Europea n Peasants an d Their Markets , Princeto n 1975 , S. 269-292; Η. Harnisch, Übe r di e Zusammenhänge zwische n sozialökonomischen un d demographische n Entwicklunge n i m Spätfeudalismus , in : JbW , 1974, Teil 2. 29 H. Harnisch , Statistisch e Untersuchunge n zu m Verlau f de r kapitalistische n Agrarrefor m in de n preußische n Ostprovinze n (1811-1865), in: JbW , 1974, Teil 4, S. 149-82; D. Saalfeld , Zur Frag e des bäuerliche n Landverluste s i m Zusammenhang mi t der preußischen Agrarreform , in: ZAA, Bd . 9, 1963 , S. 163-71; Dicklers interessant e Arbeit deute t die Reformen al s institutionelle Antwor t au f de n Bedar f de r gewinnorientierte n Großgrundbesitze r nac h Kontroll e übe r Getreideland un d de r für desse n Bearbeitun g benötigte n Arbeitskräfte , Allerding s is t sein Ver such, eine n Zusammenhan g zwische n Getreideexporte n un d Kartoffelanba u statistisc h z u un termauern, weni g überzeugend . A n diese r Stell e kan n nich t au f di e vo n Dickle r bevorzugte n preußischen Kammer-Tabellen-Date n zu r Bodenbenutzun g (di e L . Kru g 1800 zusammenstellte) eingegange n werden . Da ß Augus t Meitze n si e ebenfall s bevorzugt e un d wei l Ipse n un d v. Finckenstei n mi t Alternativzahlen nac h 1945 „Ostpolitik" stützten , schein t Dicklers Wahl z u begründen. 30 G. Moll , Kapitalistisch e Bauernbefreiun g un d Industriell e Revolution . Zu r Roll e de s „Loskaufs", in : JbW , 1972, Teil 1, S. 269-76. Er referier t z.T . Ergebniss e au s de n Arbeite n vo n Winkel (zit . i n Anm . 50 dieses Beitrages) . H . Harnisch , Di e Bedeutun g de r kapitalistische n Agrarreform fü r di e Herausbildun g de s inneren Markte s un d di e industrielle Revolutio n i n de n östlichen Provinze n Preußen s i n der erste n Hälft e de s 19. Jahrhunderts, in : JbW, 1977, Teil 4, S. 63-82. 31 H.-H. Müller , Wirtschaftshistorisc h un d agrarökonomisch e Preisaufgab e de r deutsche n Akademie de r Wissenschaf t i m 18. Jahrhundert, in : JbW , 1972, Teil 1, S. 183-214. Auch meh rere Arbeite n übe r di e nichtpreußisch e deutsch e „Bauernbefreiung " werde n erforderlic h sein . Vgl. z . B . W . v . Hippel , Di e Bauernbefreiun g i m Königreic h Württemberg , in : ZAA , Bd . 22, 1974, S. 75-88. 32 F. Tipton , Far m Labo r and Power Politics: Germany, 1850-1914 , in: JEW, Bd. 34, 1974 ,

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Anmerkungen z u Seite 237-241 S. 951-79; K. Saul, Der Kampf um das Landproletariat. Sozialistische Agitation, Großgrundbesitz un d preußisch e Staatsverwaltung , 1890-1903 , in : AfS , Bd . 15, 1975 , S. 163-208. 33 Ο. Büsch, Industrialisierung und Gewerbe im Raum Berlin/Brandenburg 1800-1850, Berlin 1971; W. Fischer, Bergbau , Industrie und Handwerk, 1850-1914, in: Handbuch, S. 527-62. Ders. u . P . Czada , Wandlunge n i n de r deutschen Industriestruktu r i m 20. Jahrhundert. Ei n statistisch-deskriptiver Ansatz , in: G. A . Ritter (Hg.) ; K.-H . Kaufhold, Inhal t und Probleme einer preußischen Gewerbestatistik vor 1860, in: I. Bog u. a . (Hg.), Wirtschaftliche und soziale Strukturen, Bd . 3, S. 709-19; ders., Handwer k un d Industrie , 1800-1850, in: Zor n (Hg.) , Handbuch, S . 321-68, Tilly , Capital Formation . 34 G. Kirchhain, Das Wachstum der deutschen Baumwollindustrie im 19. Jahrhundert, New York 1978. 34a Nich t uninteressant sin d allerdings die Entwicklungszüge eine r der Baumwollindustri e nachgelagerten Industri e - nämlich de r Berliner Bekleidungsindustrie - wie sie von J. Krenge l beschrieben werden. J. Krengel, Da s Wachstum der Berliner Bekleidungsindustrie vor dem Ersten Weltkrieg, in : Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 27, 1978 , S. 206-37. 35 Hierzu auc h G. Adelmann, Strukturell e Krise n im ländlichen Textilgewerbe Nordwest deutschlands zu Beginn der Industrialisierung, in : H. Kellenbenz (Hg.), Wirtschaftspolitik un d Arbeitsmarkt, Wie n 1974, S. 110-28. 36 R. Fremdling , Eisenbahne n un d deutsches Wirtschaftswachstum 1840-1879, Dortmund 1975; C.-L. Holtfrerich , Quantitativ e Wirtschaftsgeschicht e de s Ruhrkohlenbergbau s i m 19. Jahrhundert, Dortmun d 1973; H. Wagenblaß , De r Eisenbahnbau un d das Wachstum der deutschen Eisen - un d Maschinenbauindustri e 1835 bis 1860, Stuttgart 1973. 37 R. Fremdling, Railroads and German Economic Growth. A Leading Sector Analysis with a Comparison t o the United States and Great Britain, in : JEH, Bd . 37 , 1977 , S. 583-604, und ders., Modernisierung und Wachstum der Schwerindustrie in Deutschland 1830-1860, in: GuG, Bd. 5, 1979 , S. 201-27; F. W . Henning, Eisenbahne n un d Entwicklun g de r Eisenindustrie in Deutschland, in : Archi v un d Wirtschaft, Bd . 6, 1973 , S. 1-20. 38 Für eine aktennahe Spezialstudie, die hierzu einiges beiträgt, siehe W. Steitz, Die Entstehung der Köln-Mindener Eisenbahn, Köl n 1974, der aber m. E . der These von Eichholtz, Jun ker und Bourgeoisie vor 1848 in der preußischen Eisenbahngeschichte, Berlin 1962 nicht gerecht wird. Fü r die hierdurch aufgeworfen e allgemein e Frage vgl. auc h J. Kocka, Preußische r Staa t und Modernisierung i m Vormärz, in : Wehler , Sozialgeschicht e Heute , S . 211-27. 39 M. Kutz , Deutschland s Außenhandel , 1789-1834. Wiesbaden 1974 (eine überarbeitet e Version einer 1968 fertiggewordenen Bonne r Diss.); ders., Die deutsch-britischen Handelsbe ziehungen 1790-1834, in: VSWG, Bd . 56, 1969 , S. 178-214. 40 B. v . Borries, Deutschland s Außenhande l 1836-1856, Stuttgart 1970; G. Bondi, Deut scher Außenhandel, 1815-1870, Berlin 1958; W. Hoffmann, Strukturwandlunge n i m Außen handel der deutschen Volkswirtschaft sei t der Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Kyklos, Bd. 20, 1967, S. 287-306; ders. u . a. , Wachstum , bes . S. 520-44. 41 Dies wird teilweis e von Spree, Wachstumszyklen , S . 216-44, besorgt. 42 T. Ohnishi, Zolltarifspolitik Preußens bis zur Gründung des Deutschen Zollvereins, Göttingen 1973; R. Dumke , The Political Econom y o f Economic Integration : Tariffs, Trade and Politics of the Zollvereins Era, Diss . Wisconsin 1976 . 43 Ohnish i betont die Diskrepanz zwischen der Bekundung freihändlerischen Grundsätze n bei der Gründung des preußischen Zollgebietes und der durch fallende Preise bewirkten Erhöhung des Protektionismus - über die sich die preußische Bürokratie nach Ohnishi im klaren war. 44 Zur Finanzpolitik dieser Zeit vgl. auch W. Zorn, Staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik und Öffentliche Finanzen, 1800-1970, in: Handbuch, S. 148-53; K. Borchardt, Staatsverbrauc h und öffentliche Investitione n i n Deutschland 1780-1850, Diss . Göttingen 1968. 45 Vgl. K. Borchardt, Regional e Wachstumsdifferenzierung i n Deutschland im 19. Jahrhun-

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Anmerkungen z u Seit e 242 dert unte r besonderer Berücksichtigun g de s Ost-West-Gefälles, in : W. Abe l u . a . (Hg.) , Fs . F . Lütge, Stuttgar t 1966, S. 325-39; T. Orsagh , Th e Probabl e Geographical Distribution of Ger man Income , 1882-1962 , in: ZfGS, Bd . 124, 1968 , S. 280-311; H. Hesse , Di e Entwicklung de r regionalen Einkommensdifferenze n i m Wachstumsproze ß de r deutsche n Wirtschaf t vo r 1913, in: W . Fische r (Hg.) , Beiträg e z u Wirtschaftswachstu m un d Wirtschaftsstruktu r i m 16. und 19. Jahrhundert, Berli n 1971, S. 261-79; F. Tipton , Regiona l Variations in the Economic Development of German y Durin g th e Nineteent h Century , Middletow n 1976 . Für de n breitere n Kontext: S. Pollard , Industrializatio n an d th e Europea n Economy , in : EHR, Bd . 3, 1973 . Einen interessante n Aspek t beton t W . Fischer , Stadie n un d Type n de r Industrialisierun g i n Deutschland. Zu m Proble m ihre r regionale n Differenzierung , in : ders. , Wirtschaf t un d Gesell schaft i m Zeitalter de r Industrialisierung , Göttinge n 1972, S. 464-73 (eine wertvolle Sammlun g zur Industrialisierungsgeschichte) . 46 Zweierlei verdien t hie r festgehalte n z u werden : (1) Durch steigende n Binnenhande l un d steigende Kapitalintensivierun g geh t de r früher e au f niedrige n Löhne n basierend e Vortei l be stimmter Exportzentre n Deutschland s verloren , wa s di e Stagnatio n i n Fertigware n erklärt ; (2) dieses gestiegene Niveau reich t aus , um Eisenbahnprojekt e Ende der 1830e r und Anfang de r 1840er Jahre gewinnversprechen d erscheine n z u lassen . Hierz u auch ; Fremdling, Eisenbahnen , bes. S . 132 ff. 47 Vgl. Dumke, Anglo-deutsche r Handel ; vgl. hierzu auc h Fremdling, Railroads, S. 596, der die Vorstellung von M. Levy-Leboye r übe r „upstream industrialization", in: Les Banques euro peènnes e t l' industrialisation internationale dans la premiére moitiè d u XIX sieécle, Pari s 1964, S. 49, 65 , 95 , 169-71 , 11 0 ff. negati v i m Zusammenhan g mi t de r deutsche n Industrialisierun g diskutiert. 48a A . Gerschenkron , Economi c Backwardness i n Historica l Perspective, ursprünglic h in : B. Hoselit z (Hg.) , The Progres s o f Underdevelope d Countries , Chicag o 1962 , dt.: Wirt schaftliche Rückständigkei t i n historische r Perspektive , in : R . Braun , u.a . (Hg.) , Industriell e Revolution. Wirtschaftlich e Aspekte , Köl n 1972, S. 59-78, in viele r Hinsich t vorgreifend : J . A . Schumpeter, Busines s Cycles, 2 Bde., Ne w Yor k 1939; 196 1 für Deutschlan d dies e These scho n implizit relativieren d K . Borchardt , Zu r Frag e de s Kapitalmangel s i n de r erste n Häft e de s 19. Jahrhunderts in Deutschland, in: JNS, Bd . 173, 1961 , S. 401-21 und in: R. Braun , u . a. , In dustrielle Revolution . 48b Spre e u . Bergmann , Konjunkturell e Entwicklung ; P . Martin , Rahmenordnun g un d Geldwirtschaft de r Frühindustrialisierung, in : H. Kellenben z (Hg.) , Öffentlich e Finanze n un d privates Kapita l im späten Mittelalte r un d in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgar t 1971, S. 87-117. 49 P. Coym , Unternehmensfinanzierun g i m frühe n 19. Jahrhundert dargestell t a m Beispie l der Rheinprovin z un d Westfalens , Diss. Hamburg 1971; E. Klein , Zu r Frag e de r Industriefi nanzierung i m frühe n 19. Jahrhundert, in : Kellenbenz , Öffentlich e Finanzen , S . 87-117; P. Martin , Di e Entstehung des preußischen Aktiengesetze s von 1843, in: VSWG, Bd . 56, 1969 , S. 499-542; H. Winkel , Kapitalquelle n un d Kapitalverwendun g a m Vorabend de s industrielle n Aufschwungs i n Deutschland , in : Sch . Jb. , Bd . 90, 1970 , S. 275-301. 50 Einen kleine n Beitra g zu r Problemati k de r Eisenbahnfinanzierun g leiste t W . Steitz ; zu r Baufinanzierung (hauptsächlic h di e Zeit nach 1870 behandelnd) K. Borchardt , Real-Kredi t un d Pfandbriefmarkt i m Wandel vo n 100 Jahren, in : 100 Jahre Rheinische Hypothekenbank, Frank furt 1971; einige Bemerkunge n zu m landwirtschaftliche n Kredi t bei : H . Harnisch , Bauern einkommen, feudal e Ausbeutun g un d agrarische r Fortschrit t i n de r Mar k Brandenbur g gege n Ende des 19. Jahrhunderts, in : JbW, 1970, Teil 1, S. 191-97; H. Winkel , Höh e un d Verwendun g der i m Rahme n de r Grundlastenablösun g be i Standes - un d Grundherre n angefallene n Ablö sungskapitalien, in : W . Fische r (Hg.) , Beiträg e zu m Wirtschaftswachstum , Berli n 1971, S. 83-99; ders., Di e Ablösungskapitalien au s de r Bauernbefreiun g i n West - un d Süddeutschland , Stuttgart 1968. Vgl. auc h Anm . 30 oben.

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Anmerkungen z u Seit e 242-244 51 Borchardt, Währun g un d Wirtschaft , wi e i n Anm . 22; Spree, Wachstumszyklen ; vgl . auc h R. Tilly, Zeitreihen zu m Geldumlau f i n Deutschlan d 1870-1913, in: JNSt , Bd . 187, 1973 , S. 330-84. 52 H . Boehme , Bankenkonzentratio n un d Schwerindustrie , 1879-96, Bemerkungen zu m Problem de s „Organisierte n Kapitalismus" , in : H . - U Wehle r (Hg.) , Soz i algeschichte Heute ; E. Eistert , Di e Beeinflussun g de s Wirtschaftswachstum s i n Deutschlan d 1880-1913 durch da s Bankensystem, Berli n 1970; ders. u . J . Ringel, Di e Finanzierun g de s wirtschaftliche n Wachs tums durc h di e Banken , in : W . Hoffman n (Hg.) , Untersuchunge n zu m Wachstu m de r deut schen Wirtschaft , Tübinge n 1971, S. 93-166; H. Neuburge r u . H . Stokes, Germa n Banks an d German Growths , 1883-1913 , in: JEH , Bd . 34, 1974 , S. 710-31; R. Fremdlin g u . R . Tilly, German Banks, German Growt h an d Econometri c History , in : JEH, Bd . 36 , 1976 , S. 416-24 ; H. Neuburger biete t nebe n den ο. a. mi t Stokes zusammen ausgearbeitete n ökonometrische n Ergebnissen auc h einige auf Bankarchivmaterial basierend e Fallbeispiele zum Verhältnis Banke n und Industrie: ders., German Banks and German Economic Growth from Unificatio n t o Worl d War One , Ne w Yor k 1977 , S . 416-24 ; E . Achterberg, Di e Industri e a m Rande de r Bankge schichte. Rhei n un d Ruh r zwische n 1870 und 1914, in: Archiv de s Instituts für bankhistorisch e Forschung, Bd . 2, 1972 ; F. Seidenzahl , 100 Jahre Deutsch e Bank, 1870-1970, Frankfurt 1970; J . Kocka , Unternehmensverwaltun g un d Angestelltenschaf t a m Beispie l Siemens . Zu m Verhält nis vo n Kapitalismu s un d Bürokrati e i n de r deutsche n Industrialisierung , Stuttgar t 1969; A. Strobel , Di e Gründun g de s Züriche r Elektrotrusts . Ei n Beitra g zu m Unternehmergeschäf t der deutsche n Elektroindustri e 1895-1900, in: E . Hassinge r u . a . (Hg.) , Fs . C . Bauer , Berli n 1974, S. 303-32. 53 Zur Rolle des Kapitalmarktes für industrielle Großunternehmen vgl. R. Tilly, Das Wachstum industrielle r Großunternehme n i n Deutschland , 1870-1913, in: H . Kellenben z (Hg.) , Wachstum, Verkehr , Energie , Tübinge n 1978, S. 153-82; ders. Zu r Entwicklun g de s Kapital marktes, Beitra g 5 dieses Bandes . 54 Kocka, Unternehmensverwaltung . 55 Kocka frag t hier in Anlehnung an die von A . D. Chandler an verschiedenen Stellen entwik kelten Thesen zu m Wachstum un d zur Struktur von Großunternehmen nac h der Bedeutung vo n Marktbreite un d Kapitalknapphei t al s Determinante des besonders hohen Integrations- und Di versifikationsgrades deutsche r Unternehme n (vo r alle m i m Vergleic h z u englischen ) a m End e des 19. Jahrhunderts, Kocka, Expansion-Integration-Diversifikation . Wachstumsstrategie n in dustrieller Großunternehme n i n Deutschlan d vo r 1914, in: H . Winke l (Hg.) , Industri e un d Gewerbe i m 19. Jahrhundert, Berli n 1975, S. 203-26. Für Hinweis e au f diese s Proble m un d Chandlers Typologie siehe auch H. Daems u. H . v. d . We e (Hg.), The Rise of Managerial Capita lism, Löwen 1974. Siehe auch Tilly, Wachstum von Großunternehmen, Beitra g [6] dieses Bandes. 56 H. Jaeger, Gegenwart un d Zukunft de r historischen Unternehmerforschung , in : Tradition , Bd. 17, 1972 . S. 107-25; ders., Business History i n Germany: a Survey o f Recent Developments , in: BHR , Bd . 48 , 1974 , S . 28-48 . 57 H . Kaelble , Berline r Unternehmer währen d de r frühen Industrialisierung . Herkunft , so zialer Statu s un d poltische r Einfluß , Berli n 1972; ders., Soziale r Aufstie g i n Deutschland , 1850-1914, in: VSWG , Bd . 60, 1973 , S. 41-71; T. Pierenkemper , Di e westfälischen Schwerin dustriellen 1852-1913. Eine Modelluntersuchun g zu r historische n Unternehmerforschung , Diss. Münster 1977, Göttingen 1979; ders., Di e Zusammensetzun g de s Führungspersonal s un d die Lösun g unternehmerische r Problem e i n frühe n Eisenbahngesellschaften , in : Tradition , Bd. 21, 1976, S. 37-49; W. Stahl , De r Elitekreislauf i n der Unternehmerschaft, Frankfur t 1973. Siehe di e Kriti k a n diese m Buc h be i Pierenkemper , Führungskräfte . 58 Sowohl Kaelble als auch Pierenkemper legen den Schluß nahe, daß Bildung in der Industri e nicht al s Aufstiegsleite r funktionier t hat . Hierz u (fü r da s 20. Jahrhundert) H . Kaelble , Chan -

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Anmerkungen z u Seit e 244—246 cengleichheit un d akademische Ausbildung i n Deutschland 1910-1960, in: GuG, Bd . 1, 1975, S. 121-49. 59 Seit einiger Zeit spricht man von einer „Kehr-Schule" , di e sich mit ökonomischen un d sozialen Beweggründe n de r „Großen " Politi k befaß t un d ihre n Name n vo n de m seine r Zei t vor ausarbeitenden Wissenschaftle r Eckar t Kehr hat. Seit ca. 1962 hat diese „Schule" nach der Veröffentlichung Frit z Fischer s „Grif f nac h de r Weltmacht " (ei n Buch , da s zwa r mi t traditionelle n Methoden, abe r unter Betonung sozio-ökonomischer Tendenzen und Interessen Thesen zu r Politik präsentierte) und Kehrs Aufsätzen i . J. 1965 in der Bundesrepublik seh r an Gewicht gewon nen hat. Die in „Soll und Haben " erwähnten Arbeiten vo n H. Boehme , einem Schüler Fischers, sind Beispiel e diese r Richtung , di e da s ökonomisch e Momen t besonder s star k betonen . Fü r Kehr speziel l vgl . auc h H . - U . Wehle r (Hg.) , E . Kehr , De r Prima t de r Innenpolitik , Berli n 1970 2 , Einleitung. Vgl. auc h W. T . Mommsen, Domestic Factors in German Foreign Policy Be fore 1914 , in: CEH, Bd . 6, 1973 , S. 3-43; G. Eley , Di e „Kehrites" und das Kaiserreich: Bemer kungen z u eine r aktuelle n Kontroverse , un d H . - J . Puhle , Zu r Legend e vo n de r „Kehrsche n Schule", in : GuG , Bd . 4, 1978 , S. 91-119. 60 H . - U . Webler , Bismarck und de r Imperialismus , Köl n 1969; ders., Das deutsche Kaiser reich 1871-1918, Göttingen 1973, 1977 3 ; ders., Der Aufstieg de s organisierten Kapitalismu s und Interventionsstaates i n Deutschland , in : H . Winkle r (Hg.) , Organisierte r Kapitalismus , Göt tingen 1974, S. 36-57. Vgl. auc h i n diese m Sinn e D . Stegmann , Di e Erbe n Bismarcks . Parteie n und Verbänd e a n de r Spätphas e de s Wilhelminische n Deutschland , Sammlungspoliti k 1897-1918, Köln 1970. 61 H. Kaelble , Industriell e Interessenpoliti k i n de r Wilhelminische n Gesellschaft . Central verband Deutsche r Industrieller , 1895-1914, Berlin 1967; S. Mielke , De r Hansabun d fü r Ge werbe, Handwerk un d Industrie 1909-1914. Der gescheiterte Versuch eine r antifeudalen Samm lungspolitik, Göttinge n 1976; Η . Ρ . Ulimann, De r Bun d de r Industriellen . Organisatorisch e Einflüsse un d Politi k klein - un d mittelbetriebliche r Industrielle r i m Deutsche n Kaiserreich , 1895-1914, Göttingen 1976. 62 F. Blaich , Kartell - un d Monopolpoliti k i m Kaiserliche n Deutschland . Da s Proble m de r Marktmacht i m deutsche n Reichsta g zwische n 1879 und 1914, Düsseldorf 1973; ders., De r Trustkampf (1901-1915). Ein Beitra g zu m Verhalte n de r Ministerialbürokrati e gegenübe r Ver bandsinteressen i m Wilhelminische n Deutschland , Berli n 1975, W. A . Boelcke, Krup p un d di e Hohenzollern i n Dokumenten , Frankfur t 1970 2 . 63 Ein gute r Tei l vo n Köllmann s wichtige n Beiträge n is t jetz t gesammel t verfügbar , in : W. Köllmann, Bevölkerung i n de r Industrielle n Revolution , Göttinge n 1974; für ein e zweit e Sammlung einschließlic h ausländische r Beiträg e sieh e ders. , u . Marscbalc k (Hg.) , Bevölke rungsgeschichte; ein e zusammenfassend e Darstellun g fü r Deutschlan d befinde t sic h in : ders. , Bevölkerungsgeschichte 1800-1970, in: Handbuch , S . 9-50. 64 Zum „Bevölkerungsdruck' ' un d sein e für di e Zeit bis ca. 1850 geltende Definition al s Diskrepanz zwische n Arbeitskräftepotentia l un d „Arbeitsplatz " vgl . Köllmann ; fü r ein e Darstel lung de r Auswanderung vgl . P . Marscbalck , Deutsch e Überseewanderun g i m 19. Jahrhundert, Köln 1973. 65 Köllmann, Bevölkerung , in : Handbuch , S . 9. 66 Den Zirkelschlu ß kan n Köllman n mi t de m Begrif f „Arbeitsplatz " vermeiden , abe r wi e u. a. W . v. Hippel , Bevölkerungsentwicklun g un d Wirtschaftsstruktu r i m Königreic h Würt temberg 1815/65, Überlegungen zu m Pauperismusproble m i n Südwestdeutschland , in : Fs . Conze, richtig bemerkt , ist dieser Begriff schwer mit „Subsistenzfamilieneinkommen" gleichzu setzen. Allerding s scheine n mi r v . Hippel s Modifikatione n a n Köllman n nich t überzeugend z u sein. 67 Harnisch, Zusammenhänge ; Dickler , Organisation . 68 J . Knodel, Tw o an d a Half Centurie s o f Demographic History i n a Bavarian Village , in : PS, Bd . 24 , 1970 , S. 353-76 ; ders., Ortssippenbücher al s Quelle für di e Historische Demogra-

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Anmerkungen z u Seit e 246-247 phie, in : GuG , Bd . 1, 1975 , S. 288-324; A. Imhof f (Hg.) , Historisch e Demographi e al s Sozial geschichte. Gieße n un d Umgebun g vo m 17. zum 19. Jahrhundert, 2 Bde., Darmstad t 1975; ders., Demographisch e Stadtstrukturen de r frühen Neuzeit . Gieße n in seiner Umgebung i m 17. u. 18. Jahrhundert al s Fallstudie , in : Zeitschrif t fü r Stadtgeschichte , Bd . 2, 1975 . Auch sei n nützliches Lehrbuch : Einführun g i n di e Historische Demographie , Münche n 1977; W. R . Lee , Zur Bevölkerungsgeschicht e Bayerns , 1750-1850, in: VSWG , Bd . 62, 1975 , S. 309-38; ders., Bastardy an d th e Sozioeconomic Structur e o f South Germany, in: Journal of Interdisciplinar y History, Bd. 8, 1977 , S. 403-26. 69 G. Hohorst , Bevölkerungsentwicklun g un d Wirtschaftswachstu m al s historische r Ent wicklungsprozeß demo-ökonomische r Systeme , in : R . Mackense n u . H . Wehe r (Hg.) , Dyna mik der Bevölkerungsentwicklung, Münche n 1973, S. 91-118; ders., Wirtschaftswachstum un d Bevölkerungsentwicklung i n Preuße n 1816 bis 1914, Diss . Münster 1978. 70 J . Knodel, Th e Declin e o f Germa n Fertility between Unificatio n an d th e Secon d Worl d War, 1871-1939 , Princeto n 1973 . 71 Da s Proble m der Familienforschung , auc h i m Zusammenhan g mi t de r historische n De mographie, diskutiere n K . Hausen , Famili e al s Gegenstan d historische r Sozialwissenschaft . Bemerkungen z u eine r Forschungsstrategie un d H . Rosenbaum , Zu r neueren Entwicklun g de r historischen Familienforschung , in : GuG, Bd . 1, 1975, S. 171-225. Ein Beispiel für di e im Text gemeinten Zusammenhäng e bring t H . Medick , in : Kriedte u . a. , Industrialisierun g vo r der In dustrialisierung, Kap . 2. Unter „Proletarisierung " wir d di e Entstehun g eine r große n identifi zierbaren Bevölkerungsgrupp e ohn e nennenswerte , ihr e Selbständigkei t sichernd e Produk tionsmittel bzw. Vermögen verstanden. Vgl. auc h W. Conz e (Hg.), Sozialgeschicht e der Familie in de r Neuzei t Europas , Stuttgar t 1976. 72 Hierzu demnächs t J . Jackson , Familienlebe n un d Urbanisierun g i m Ruhrgebie t i m 19. Jahrhundert, Diss. Minnesota; D . Crew , Regional e Mobilitä t un d Arbeiterklasse . Da s Bei spiel Bochu m 1880-1901, in: GuG , Bd . 1, 1975 , S. 99-120. 73 H. Zwabr , Zu r Konstituierun g de s Proletariat s al s Klasse . Strukturuntersuchunge n übe r das Leipzige r Proletaria t de r Industrielle n Revolution , in : H . Barte l u . Engelber g (Hg.) , Di e großpreußische militärisch e Reichsgründung , Berli n 1971, S. 501-51; auch angedeute t be i K. Tenfelde , Sozialgeschicht e de r Bergarbeiterschaf t a n de r Ruh r i m 19. Jahrhundert, Bonn Bad Godesber g 1977, S. 577. 73a Interessan t al s Versuch, all e diese Bereiche i n einem Buc h z u erfassen , jetz t de r Sammel band vo n J . Reulecke u . W . Webe r (Hg.) , Fabrik , Familie , Feierabend , Wupperta l 1978. 74 Nur i m Zusammenhan g mi t bestimmte n Branchenstudie n sin d brauchbar e Zahle n ent standen, z . B . be i Kirchhain , Fremdling , Holtfreric h u . Tenfelde . 75 W. Fischer , Di e Roll e de s Kleingewerbe s i m wirtschaftliche n Wachstumsproze ß i n Deutschland, 1850 bis 1914, in: F . Lütg e (Hg.) , Wirtschaftlich e un d sozial e Problem e de r ge werblichen Entwicklun g i m 15./16. un d 19. Jahrhundert, Stuttgar t 1968, S. 131-42; A . Noll , Sozioökonomischer Strukturwande l de s Handwerk s i n de r 2. Phase de r Industrialisierung , Göttingen 1976; H . - J . Teuteber g u . G . Wiegelmann , De r Wandel der Nahrungsmittelgewohn heiten unte r dem Einflu ß de r Industrialisierung , Göttinge n 1971; ders., Zur Frage des Wandel s der deutschen Volksernährung durc h di e Industrialisierung, in : R. Brau n u . a. , Gesellschaf t i n der industrielle n Revolution , Köl n 1973, S. 321-39; L. Niethamme r u . F . Bruggemeier , Wi e wohnten Arbeite r i m Kaiserreich? , in : AfS , Bd . 16, 1976 , S. 61-134; R. Engelsing , Problem e der Lebenshaltun g i n Deutschlan d i m 18. u. 19. Jahrhundert, in : ders. , Zu r Sozialgeschicht e deutscher Mittel - un d Unterschichten , Göttinge n 1973; D. Saalfeld , Lebensstandar d i n Deutschland 1750-1860, in: Fs. Abel II, S. 417-43; K. Obermann , Zu r Klassenstruktur und sozialen Lag e de r Bevölkerun g i n Preuße n 1846 bis 1849, J GW, 1973, Teil 2, S. 79-120. 76 Eine Steigerung der Reallöhne dank Verbilligung der Lebenshaltungskosten kan n nivellie rend au f di e Einkommen de r Mass e de r Arbeitnehme r einwirke n un d be i Unterwanderun g de r privilegierten Positio n bestimmte r Arbeitergruppen gewissermaße n zu r Proletarisierung beitra -

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Anmerkungen z u Seit e 248 gen. E . Hobsbaw m argumentier t i n diese r Richtun g i m Hinblic k au f di e englisch e Arbeiter klasse seit den 1870e r Jahren. Vgl. z . B . seinen Aufsatz : Trends in the British Labour Movement since 1850 , in: ders., Labouring Men , London 1964, S, 319, 323 ff. Di e Verteilung unte r Arbeit nehmern scheint jedenfalls kritischer für die Proletarisierungsfrage z u sein als die nun nicht meh r haltbare Thes e de r anhaltende n Verelendung . 77 J . Reulecke, Vo m blaue n Monta g zu m Arbeiterurlaub . Vorgeschicht e un d Entstehun g des Erholungsurlaub s fü r Arbeite r vo r de m 1. Weltkrieg; un d P. Stearns , Th e Unskille d and Industrialization . A Transformation of Consciousnes s (vergleicht Lag e i n mehrere n Ländern), in : AfS , Bd . 16, 1976 , S. 205-48 und S . 249-82; ders., Adaptio n to Industrializa tion: Germa n Worker s a s a Tes t Case , in : CEH , Bd . 3 , 1970 , S . 303-31 ; ein interessante r Überblick zu r Arbeitsplatzentwicklun g is t F. W . Henning, Humanisierun g un d Technisierun g der Arbeitswelt . Übe r de n Einflu ß de r Industrialisierun g au f di e Arbeitsbedingunge n i m 19. Jahrhundert, in : Reulecke u . Weber , S . 57-88. Hieran anknüpfend wär e eigentlich ei n Über blick übe r di e Angestellte n bzw . di e „Kopfarbeit " erforderlich . H . Kaelbl e u . H . Volkmann , Konjunktur und Streik während des Übergangs zum organisierten Kapitalismu s in Deutschland , in: 2 W S, Bd . 92, 1972 , S. 513-44; D. Groh , Überlegunge n zu m Verhältnis vo n Intensivierun g der Arbei t un d Arbeitskämpf e i m organisierte n Kapitalismu s i n Deutschlan d (1896-1914), Arbeitspapier de r Projektgruppe Basisprozesse , Univ . v . Konstan z 1976; auch GuG , Bd . 3, 1977 , S. 164-235: die Beiträg e vo n Volkmann , Lüdtke , Tenfelde ; G . Hobors t u . R . Tilly, Sozialer Protest i n Deutschlan d i m 19. Jahrhundert, in : K . Jarauscb (Hg.) , Quantifizierun g i n de r Ge schichtswissenschaft, Düsseldor f 1976, teilweise obe n S . 175-196 wiederabgedruckt); R . Wirtz , Sozialer Protest und „Collective Violence" in Deutschland i m 19. Jahrhundert, in : Sowi, Bd . 4, 1975, S. 6-12; W. Köllmann , Versuc h de s Entwurf s eine r historisch-soziologische n Wande rungstheorie, in : U . Engelhard t u . a . (Hg.) , Sozial e Bewegun g (al s Ergänzung seine r früheren , oben zit . Arbeiten) ; K . Obermann , Di e Arbeiteremigratione n i n Deutschlan d i m Proze ß de r Industrialisierung un d di e Entstehun g de r Arbeiterklass e i n de r Zei t vo n de r Gründun g bi s zu r Auflösung de s Deutsche n Bundes , 1815-1867, in: JbW , 1972, Teil 1. Vgl . auc h J . Reu lecke (Hg.) , Di e deutsche Stad t i m Industriezeitalter, Wupperta l 1978. Zu der mit Städtewachs tum i n Beziehun g stehende n abe r noc h klärungsbedürftige n Frag e de r Binnenwanderun g vgl . auch de n Aufsat z vo n D . Langewiesche , Wanderungsbewegunge n i n de r Hochindustrialisie rungsperiode, in : VSWG, Bd . 64, 1977 , S. 1-40 (gut i n der Identifikation eine s Problembereich s aber etwa s unschar f i n de r Fragestellung) . 78 H. Volkmann , Wirtschaftliche r Strukturwande l un d soziale r Konflik t i n de r Frühindu strialisierung. Ein e Fallstudi e zu m Aachene r Aufruh r vo n 1830, in: P . Lud z (Hg.) , Soziologi e und Sozialgeschichte; ders., Die Krise von 1830. Form, Ursach e und Funktion des sozialen Pro testes im deutschen Vormärz, Habil. Schr. FU Berlin 1975; ders., Kategorien des sozialen Proteste s im Vormärz , in : GuG , Bd . 3, 1977 , S. 164-89. 79 D. Blasius , Eigentu m un d Strafe . Problem e de r preußische n Kriminalitäts - un d Straf rechtsentwicklung i m Vormärz , in : HZ , Bd . 220, 1975 , S. 79-129; ders., Bürgerlich e Gesell schaft un d Kriminalität . Zu r Sozialgeschicht e Preußen s i m Vormärz , Göttinge n 1976. 80 W. Wortmann , Eisenbahnarbeite r i m Vormärz , 1944-1847, Köln 1972; K. Obermann , Zur Rolle der Eisenbahnarbeite r i m Prozeß de r Formierun g de r Arbeiterklass e i n Deutschland , in: JbW, 1970, Teil 2. Diese Beiträge setzen di e frühen Aufsätz e von Eichholtz und Wolfgram m u. a . for t (Oberman n versucht , di e Größe der Eisenbahnbauarbeiterschaf t i n den 1840er Jahre n festzustellen). 81 F. Marquardt, A Working Clas s in Berlin in the 1840s ? in: Webler (Hg.) , Sozialgeschicht e Heute; ders., Soziale r Aufstieg , soziale r Abstie g un d di e Entstehung de r Berliner Arbeiterklas se, in : GuG , Bd . 1, 1975 , S. 43-77. 82 K. Tenfelde , Sozialgeschicht e de r Bergarbeiterschaft; ders. , Arbeiterschaft , Arbeitsmark t und Kommunikationsstrukture n i m Ruhrgebie t i n de n 50e r Jahre n de s 19. Jahrhunderts, in :

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Anmerkungen z u Seit e 248-250 AfS, Bd . 16, 1976 , S. 1-59; ders., Konflik t un d Organisatio n i n einige n deutsche n Bergbauge bieten, 1867-1872, in: GuG , Bd . 3, 1977 , S. 212-35. 82a P. Borscheid , Textilarbeiterschaf t i n der Industrialisierung. Sozial e Lag e und Mobilität i n Württemberg (19. Jahrhundert), Stuttgar t 1976. 83 D. Crew, Regional e Mobilitä t un d Arbeiterklasse; ders., Definitions o f Modernity: Social Mobility in a Germa n Town : 1880-1901 , in : JSH , Bd . 7 , 1973 , S . 51-74 . 84 L . Schofer, Pattern s of Worker Protest : Upper Silesia 1865-1914 , in : JSH, Bd . 5 , 1972 , S . 447-63; ders. , Modernizatio n Bureaucratizatio n an d th e Stud y o f Labou r History : Lesson s from Uppe r Silesia , in : Wehler, Sozialgeschicht e Heute , S . 467-78. 85 Η. Schomerus, Ausbildung un d Aufstiegsmöglichkeite n württembergische r Metallarbeite r 1850 bis 1914 am Beispie l de r Maschinenfabri k Eßlingen , in : Fs . Conze , S . 372-93. 86 R. Gallman , Some Notes on th e New Socia l History, in: JEH , Bd . 37, 1977 , S. 3-12. 87 Vgl. u . a . S . Thernstrom , The Othe r Bostonians : Povert y an d Progres s i n th e American Metropolis 1880 to 1970 , Cambridge, Mass . 1973; ders. u. R . Sennett , 19t h Century Cities, Ne w Haven 1969 . Oft zitiert , anregen d un d musterhaf t i n de r Präsentatio n quantitative r Sozialstati stiken: M . Anderson , Famil y Structure i n 19t h Century Lancashire, Cambridge 1971. Doch decken seine Daten nich t all e angekündigten theoretische n Ansprüch e ab . E. P. Thompson, Th e Making of the English Working Class , London 1965 . Schließlich die mit ähnlichen Methoden er stellte Arbei t vo n G . S.Jones , Outcast London, Londo n 1975.

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Verzeichnis der ersten Druckorte 1. Financial Institutions and Industrialization i n the Rhineland, 1815-1870 , Madi son 1966 , S. 3-18. 2. Germany , 1815-1870 , in: R. Cameron (Hg.), Banking in the Early Stages of Industrialization, Ne w Yor k 1967 , S . 151-182 . 3. Th e Politica l Econom y o f Publi c Financ e an d th e Industrializatio n o f Prussi a 1815-1866, in : JEH , Bd . 26 , 1966 , S. 484-497 . 4. Di e Industrialisierung de s Ruhrgebiets un d da s Problem de r Kapitalmobilisie rung. Heft 15 der Vortragsreihe der Gesellschaft fü r westfälische Wirtschaftsge schichte e.V. , Dortmun d 1969. 5. Zur Entwicklung de s Kapitalmarktes un d Industrialisierung i m 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigun g Deutschlands , in : VSWG, Bd . 60, 1973 , S. 146-165. 6. Th e Growth of Large-Scale Enterprise in Germany since the Middle of the Nineteenth Century, in: H. Daems and H. van der Wee (Hg.), The Rise of Managerial Capitalism, Leuve n 1974 , S . 145-169 . 7. Kapital un d Kapitaliste n de s Schaaffhausen'sche n Bankverein s 1895-1899, in: Wirtschaftskräfte un d Wirtschaftswege . III. Auf de m We g zu r Industrialisie rung, Festschrif t fü r Hermann Kellenbenz , hg . von Jürgen Schneider, Bamber g 1978, S. 501-520. 8. Bisher unveröff . 9. Popula r Disorder s in 19t h Centur y Germany, A Preliminary Survey , in : JSH , Bd. 4 , 1970 , S . 1-40 . 10. Sozialer Protest als Gegenstand historische r Forschung , in : R . Tilly u. G . Hohörst: „Soziale r Protes t i n Deutschlan d i m 19. Jahrhundert: Skizz e eine s For schungsansatzes", in : C. Jarausch (Hg.), Quantifizierun g i n der Geschichtswissenschaft, Düsseldor f 1976, S. 232-278. 11. Los von England: Probleme des Nationalismus i n der deutschen Wirtschaftsge schichte, in : ZfGS , Bd . 124, 1968 , S. 179-196. 12. Soll und Haben. Recent German Economic History and the Problem of Economic Development, in : JEH, Bd . 29 , 1969 , S. 298-319 . 13. Bisher unveröff .

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Sachregister Aachen, Arbeiteraufstan d 1830 168 , 18 7 Aachener Verei n zu r Förderun g de r Spar samkeit 39 Acta Borussica , 216 f. AG fü r Bergbau , Blei - un d Zinkfabrikatio n zu Stolber g 50, 5 1 Aktienbank 22 Aktiengesellschaften 22, 33 , 49 , 5 1 f. - Aktienbezugsrecht 116 - Berliner Börs e 119 f. - Kapitalgröße 99, 27 1 f. - Generalversammlungen 116, 12 0 - in Großbritannie n 80 f. - in de r Schwerindustri e 74 - Trennung vo n Besit z un d Kontroll e 104 f. Aktiengesellschaftsrecht i n Deutschlan d 85, 98, 10 4 Aktienkapitalerhöhung un d Börsenkur s 135, 136 ff., 281 Aktienkreditbanken 37-39, 12 2 Akzeptkredite 260 Allgemeine Elektrizitätsgesellschaf t 105, 127, 13 3 Antisemitismus 148, 15 3 Arbeiterklasse i n Berli n vo r 1850, 24 8 Arbeiterklasse i n Deutschlan d 218 Augsburger Allgemein e Zeitun g 146 ff., 175 Auswanderung un d Bevölkerungswachstu m in Deutschlan d 245 Außenhandel al s Moto r de r deutsche n In dustrialisierung 240 ff. Bankakzepte, 22, 4 4 f. Bank Charte r Ac t vo n 1844 (Peel'sche Ge setz), 19, 25 4 Banken-Privatbankiers 9, 19 , 2 1 f., 35-37, 71 f. Banken i n Deutschlan d - Aktienkreditbanken 85, 8 8 f., 99, 11 5 - Depotstimmen un d Aufsichtsratssitz e 107 - Königliche Ban k z u Berli n 24, 33 , 53 , 6 9 - Kontokorrentkredite a n Industri e 86 - Notenbanken 33-35 - Preußische Ban k 27 f., 33 f., 4 1 , 53 , 69 f., 72, 26 8

- Reichsbank 35, 22 4 Bank vo n Englan d 19, 20 , 78 , 79 , 20 6 Bank fü r Hande l un d Industri e i n Darm stadt 37 Bankkredite, Fristigkei t 261 Banknoten 53 f. Bayerische Hypotheken - un d Wechselban k 33 Bauernbefreiung un d Bevölkerungswachs tum 245 Bauernbefreiung un d Stein-Hardenberg'sch e Reformen 237 Baumwollindustrie al s Führungssekto r de r deutschen Industrialisierun g 237 f. Bergarbeiter i m Ruhrgebie t 248-9 Bergbaureformgesetz vo n 1865 7 6 Berlin al s Kapitalmark t 279 Berlin al s Protestor t 166 f. Berlin-Moabit al s Protestor t 1910 19 1 Bevölkerung - Agrarreform i m 18. Jh. 216 - Arbeitskräftepotential 165 - demographischer Übergan g i n Deutsch land 245 f. - Verelendung 287 Bevölkerungswanderung i n Deutschlan d 165 ff., S . 247 f. Bill Broker s 19 Bochumer Verei n 51, 98 , 104 , 105 , 106 , 110 Börse - Berliner Börs e 39, 7 5 - Essener Montanbörs e 75 - Industriepapiere 52 Börsenkurs 86, 27 1 Bürgerwehr al s Repressionsmitte l 159, 16 0 Bürokratie 10, 9 6 - in Großunternehme n 243 - preußische 24 f. Burschenschaften 153 Consols 7 9 Country Banks 19 Credit Mobilier , Pari s 22, 3 7 Dampfmaschinen i n Deutschlan d 25 f., 30

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Deprivation, relativ e 28 8 Deutscher Ökonomis t 115, 117 , 11 8 Disconto-Gesellschaft i n Berli n 38 Diversifikation be i Industrieunternehme n 106, 13 3 f. Dividenden vo n Industrieaktiengesellschaf ten 74, 13 7 Doppelrevolution 214, 233 , 28 2 Dortmunder Unio n 75 Dualismus i n Preuße n vo r 1850 24 1 „Dumping" al s englisch e Exporttakti k 200 f. Einkommen pr o Kop f de r Bevölkerun g un d Sozialer Protes t 184 ff. Eisenbahnarbeiter un d Soziale r Protes t 248 Eisenbahnen i n Deutschlan d 7, 2 1 , 25 , 51 , 273 - Finanzierung 84, 97 , 24 2 - Fusionen 97 - Rolle de s Staate s 85, 23 9 Eisenbahnen al s Führungssekto r 97, 235 , 238 ff., 239 ff. Eisenbahninvestition 9, 26 , 30 , 32 , 56 , 84 , 256, 25 7 - in Großbritannie n 80 f. Eisenindustrie i m Rheinlan d 203 Entwurzelungsthese un d soziale r Protes t 146, 16 0 ff., 178 ff., 288 f. Essener Credit-Anstal t 75 Familienstruktur un d Sozialgeschicht e 246 f. Feuerwerksrevolution vo n 1835 16 7 Finanzrevolution i n Großbritannie n 78 Formationen i n soziale m Protes t 157 f. Frankfurter Journa l 148 Französische Herrschaf t i m Rheinlan d 29 Freihandelslehre un d Ada m Smit h 198 Führungssektoren i n de r deutsche n Indu strialisierung - Baumwollindustrie 237 f. - Eisenbahnen 235, 23 8 ff. Fusionen un d Unternehmenswachstu m 129 f. Geldillusion 60 Geldmarkt i n Deutschlan d 109 f. Geldumlauf - Banknoten 41 ff. - Giralgeld 53 - Metallgeld 27, 33 , 54 , 9 0 - Papiergeld 40 ff.

- Warengeld 16 f. Geldsurrogate 28, 5 3 ff., 72 Gelsenkirchener Bergwerksverei n 98 Getreidepreise - in Deutschlan d 150 f. - in Preuße n i m 18, Jh. 216 - und Volksunruhe n 155 Girokonten 260 Goldstandard, Regel n i m 19. Jh. 224 Großbritannien - außenwirtschaftliche Beziehunge n z u Deutschland 201 ff., 204 ff., 240 ff. - Kapitalexport nac h Deutschlan d 204 ff., 294 f. - Produktionskonstenvergleiche mi t Deutschland 262 Große Depressio n 235 Gruppensolidarität un d soziale r Protes t 187 f. Gutehoffnungshütte 49 Handelsarchiv, preußisch e 48 Handelsbilanz fü r Deutschlan d 32 Handelshäuser, britisch e 202 f. Handelshäuser Hamburg s un d britisch e Kredite 205 Handelskapital 32, 25 8 Handelskredite i n Deutschlan d 48, 7 5 Handelskredite i n Großbritannie n 79 Handelspolitik Großbritannien s 201 Handelspolitk i n Preuße n 240 f. Handelswechsel 44-45, 4 8 Handwerker i n deutsche r Industrialisierun g 225 Handwerker al s Protestteilnehme r 159 Hardenberg'sche Reformen , sieh e Stein Hardenberg Harpener Bergba u A G 104, 133 , 27 9 Heinrichshütte 75 Herstatt & Co. 66 Historische Schul e de r Nationalökonomi e 210, 22 6 f., 302 Hörder Bergwerks - un d Hüttenverei n 51, 75 Holland 23 Hofbankiers 258 Hungerunruhen 155 Hypotheken 48 f. Ilseder Hütt e 104 f. Industrialisierung - und Agrarsekto r 236 f. - und Importsubstitutio n 238 f.

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- Institutionelle Veränderunge n 214 f. - Periodisierung fü r Deutschlan d 292, 302 f. - Rolle de s Staate s 258 - In Sachse n 217, 21 9 Industrieaktiengesellschaften - Aufsichtsratssitze 89 - Berliner Börs e 112 f. - Externes Wachstu m 87, 10 7 f. - Finanzierung 87, 88 , 10 8 f., 262, 271 , 276, 28 1 Industrielle Revolutio n 117 - In Deutschlan d 234 - In Großbritannie n 79, 8 0 Industrieinvestition - Selbstfinanzierung 100, 11 1 ff. - Großunternehmen 110 - Im Ruhrgebie t 74 Industrieobligation, Umlau f 86 Inflation i n Deutschlan d u m 1923 9 9 Infrastrukturinvestition - In Preuße n 55, 6 3 - In de n US A 56 - In Mülhei m a . d . Ruh r 66 Innenfinanzierung, sieh e Selbstfinanzierun g Investition - In Preuße n 83, 27 3 - In de r BR D un d Steuergesetzgebun g 100 Invisible Hand , These 199 Jahrbuch fü r Wirtschaftsgeschicht e 213 Junker i n Preuße n 23 ff., 56 ff. Kapital - Allgemeines, S . 70 f., 268 - Fixkapital un d Industrialisierun g 19, 38 , 294 - In deutsche r Textilindustri e 204, 20 6 Kapitalexport 21 - Aus Deutschlan d 85, 22 4 - Nach Deutschlan d 75 f., 294 - Nach de n US A 295 - Aus Westfale n i m 19. Jh. 267 Kapitalmangel - In Deutschlan d 223 f. - In Entwicklungsländer n 265 Kapitalmarkt - Definition 77 f. - In Deutschlan d 47 - In Londo n 81 f. Kapitalstock i n Deutschland , Schätzun g 222 Kartelle 100 f., 244 Kieselbach al s Protestor t 188

Klassen 10 f. Klassische Schul e de r politische n Ökonomi e 198 f. ,Klimakterium' de r britische n Wirtschaf t 225 Kölner Bergwerksverei n 51, 7 5 Kölnische Maschinenba u A G 51 Kölnische Zeitun g 175 Kommanditgesellschaft au f Aktie n 38 Kondratieff, Lang e Wellen ; 221 Konjunkturgeschichte 234 Konkursstatistik 73 Kontinentalsperre 198 Kontokorrentkredit 22 Kontokorrentkredit, Privatbankier s 49 f. Konvertibilität 18 Konzentration i n de r Industri e 126 f. Kreditschöpfung 17 f., 22, 28 , 4 5 f., 53, 7 2 Krefeld, Arbeiteraufstan d 1828, 159 , 168 , 187 Kriminalität i n Preuße n al s soziale s Pro blem 248 Krise

- 1846-184 8 2 7

- 185 7 und britisch e Kredit e 205 - 187 3 98 , 23 4 Krupp & C o . , 65 f., 98, 10 6 Kuxen 79 Labor Theory o f Valu e 19 9 Landschaften, preußisch e 24, 31 , 4 5 f., 89 Lebensstandarddiskussion 218 Leipziger Ban k 33 Leipziger Mess e 202 Leontieff Parado x un d deutsch e Textilex porte 214 Liberalismus un d preußisch e Bürokrati e 215 f. London Economist 85 , 10 4 London, Geldmark t 19-20 Marxismus al s Theori e de r Wirtschaftsge schichte 229 Maschinenbauarbeiter i n Esslinge n 249 f. Merkantilismus un d Hohenzoller n 216 f. Metallgeldumlauf, sieh e Geldumlau f Millionäre i n Preuße n 279 Militär al s Repressionsmitte l 160 Militär un d Soziale r Protes t 156 f. Modernisierung 145, 177 , 19 2 f., 214, 28 2 Münzreform vo n 1695-97 in Großbritan nien 79

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Nassau als Protestgebie t 168, 18 7 New Economi c History 228 , 231 , 25 0 New Socia l History 25 0 f. Norddeutscher Lloy d 98 Organisierter Kapitalismu s 232 Organisationen un d soziale r Protes t 187 ff. Pachtsystem i n preußische r Landwirtschaf t 216 Pauperismus i n Deutschlan d 199, 218 , 24 5 Periodisierung i n de r deutsche n Wirt schaftsgeschichte 212 ff. Phönix, A G 51, 104 , 10 5 Polenpartei un d soziale r Protes t 191 f. Polizei un d soziale r Protes t 160, 28 6 Pressezensur 282 f. Preußische Bank , sieh e Banke n i n Deutsch land Privatbankiers, sieh e Banke n Proletarisierung - und Familiengeschicht e 247 - und Bevölkerungsgeschicht e 246 f. - und Lebensstandardentwicklun g 247 ff. Property-Rights, als Paradigm a de r Wirt schaftsgeschichte 229 f. Protoindustrialisierung 233 Provinzial-Hilfskasse i n Westfale n 69 Rationalisierung 105 Reichsbank, sieh e Banke n i n Deutschlan d Repression un d soziale r Protes t 159 f. Revolution vo n 1848-49 24 , 5 8 f., 63-64, 150 f., 156, 167 , 214 , 215 , 234 , 284 , 28 9 Revolution vo n Obe n 215, 21 6 Rheinische Eisenbahngesellschafte n 50, 5 1 Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat e 101 ff. Rheinprovinz (Preußen ) 22 ff. Ruhrgebiet 26, 6 5 ff. Ruhrbergbau un d Fremdfinanzierun g 76 Ruhrkohlebergbau al s Führungssekto r 238 f. Säkularisierung de s Kirchenbesitze s 23 Salings Börsenjahrbuc h 127 f. Schaaffhausen & Co., A . 27 Schaaffhausen'scher Bankverei n 37, 11 4 ff. Schecks 19, 2 8 Schilde'sche Unruhe n 149 Schlesien, Agrarfrage n 217 f. Schneideraufstand vo n 1830, 16 7 Schutzzölle al s Erziehungszölle ; 198

Schutzzollpolitik i n de n 1870e r Jahre n 200 Seehandlung, preußisch e 24, 8 5 Selbstfinanzierung, de s Unternehmens wachstums 242 Siemens Konzer n 243 Sozialdemokratie 144 Sozialdemokratie un d soziale r Protes t 191 f. Soziale Marktwirtschaf t 275 Soziale Mobilitä t un d Arbeiterschaf t 248 ff. Soziale Mobilitä t i n Deutschlan d un d Un ternehmergeschichte 244 Sozialer Protes t - Definition 177 - In Deutschlan d 1830-32 24 8 - Organisationen 290 - Quantitative Merkmal e 193 ff. - Unter Bergarbeiter n 249 Sparkassen 39 - In Westfale n 57 ff. Stabilisierungspolitik i n de r BR D 275 f. Staatsmonopolkapitalismus 232, 27 4 Staatspapiere, ausländisch e i n Deutschlan d 31 Staatsschulden - In Deutschlan d 83 - In Großbritannie n 79 f. - In Preuße n 57, 6 2 ff., 265 Stein-Hardenberg'sche Reforme n 216, 230 , 237 Steuern - direkte 61 f. - indirekte 264 Steuerproteste 157 Streiks un d soziale r Protes t 190 ff. Studenten al s Protestträge r 153 Take-Off, i n Deutschlan d 7, 9 , 20 , 30 , 55 , 89 Teilschuldverschreibungen 49 Textilarbeiterschaft i n Württember g i m 19. Jh. 249 Textilindustrien i n Deutschland , Innovatio n und englisch e Konkurren z 203 Theorie i n de r Wirtschaftsgeschicht e 228 ff. Thyssen-Hütte 225 Tischler al s Protestträge r 167 Unternehmen - Externes Wachstu m 127, 131 , 13 2 f., 136 ff., 138, 24 3 - Konzentration un d Wettbewerbsgra d 275 - Organisation 244, 254-55 , 27 6

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Unternehmensverbände 244 Urbanisierung - Definition 173 f. - Binnenwanderung i n Deutschlan d 310 - und soziale r Protes t 161 ff., 180 ff. Verein fü r Socialpoliti k 226, 22 7 Vereinigte Ständ e i n Preuße n 57, 5 8 Vereinigte Stahlwerk e 99, 100 , 10 5 f. Versicherungsgesellschaften 39 Volksunruhen 144 ff. Wagnersches Geset z 222 Weberaufstand i n Schlesie n 145, 155 , 15 6 Weltkrieg 99 Wiener Kongre ß 23 Wirtschaftspolitik i n Preuße n 57, 6 7 Wirtschaftswachstum i n Deutschlan d 99, 100, 15 1 - und Bankensekto r 242 f. - und Konjunkturschwankunge n 234 f.

- als Paradigm a de r regionale n Wirtschafts geschichte 223 - und soziale r Protes t 151 - als Them a de r Wirtschaftsgeschicht e 210, 220, 227 , 22 8 Wohnungsverhältnisse i n de r Industrialisie rung 247 Zeitungen al s sozialhistorisch e Quell e 146 ff. Zeitungsberichte preußische r Behörde n 149 f. Zensur i n Deutschlan d 147 Zentralbankpolitik 242 Zollverein - und deutsch e Industrialisierun g 29, 57 , 212, 238 , 24 1 f. - und Protektionismu s 200 f. - und Reichsgründun g 220 Zusammenbruchsthese un d soziale r Protes t 178 Zwangssparen 17

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Personenregister Abel, W . 218 Achterberg, E . 243 Adelmann, G . 223 Anderson, M . 250 Ashton, T . S. 212, 219, 296 Baare, L . 106 Bechtel, H . 292 Becker, W . 286 f. Below, G . v. 227 Benaerts, P. 292 Bergmann, J . 234, 242 , 284 Bergius, C . 59 Bismarck, Ο. 59, 221 Blaich, F . 244 Blaschke, K.-H . 219 Blasius, D . 248, 281 Bleiber, H . 147, 217 f. Blumberg, H . 214, 294 Boelcke, W . 244 Boehme, H . 211, 220, 224, 24 2 Boehm, M . v . 27, 293 Bondi, G . 200 Borchardt, K . 82, 204, 210 , 223, 231 , 242, 267, 272 , 274 , 296 , 301 , 303 Born, Κ. E. 213, 272 Borries, B . v . 240, 292 f., 295 Borscheid, P . 249, 236 Braun, R . 3, 268 , 296 Brepohl, W . 179 f. Broadbridge, S . 270 Brockhage, B . 268 f. Bruder, A . 11, 266 Brüggemeier, F . 247 Buchholz, E . 219 Cameron, R . 29 4 Chandler, A . 106 , 280 Ciriacy-Wantrup, S . v. 30 4 Clapham, J . 201, 211, 212, 215 Cole, W . 8 1 Conze, W . 214 , 250 f . Coym, P . 242 , 266 Crew, D . 249 Crouzet, F . 26 9

Däbritz, W . 74 Daems, H . 30 7 Davis, L . 126 , 268 Deane, P . 81 Deane, P . und Cole, W . 22 3 Denison, E . 274 Dickler, R . 236, 246, 304 Dickson, P. G . M . 26 9 Dobb, M . 27 5 Dumke, R . H . 24 1 f., 292 f., 301 Dyas, G . und Thanheiser, H . 27 6 Edelstein, M . 82 Eichhorn & Co. v . 5 1 Eichholtz, D . 147 , 155 , 301 Eisenstadt, S . 282 Eisten, Ε. 242 f. Engels, F . 153, 199 , 200, 28 5 Engelsing, R . 288 Feaveryear, A . 269 Feis, H . 85 Feldenkirchen, W . 268 Finckenstein, Gra f W . v . 218 Fischer, W . 74, 213 , 214, 218 , 219 , 225, 247, 30 6 Forberger, R . 217 Fremdling, R . 12, 239, 301 , 254 Fremdling, R . un d Tilly, R . 24 3 Gehrmann, F . 267 Gerschenkron, A . 95 f., 197, 242 Gillis, J . 153 Goldscheid, R . 55 Gossweiler, K . 274, 272 Groh, D . 247 f., 289 Gropp, V. 216 Gülich, G . v . 204, 28 6 Gurr, T . 281 Hammond, B . 25 6 Hannah, L . 12 6 Hansemann, D . 38, 39 , 58 , 265 Hardach, K . 221 Hardenberg, F . v . 57 Harkort, F . 69, 205, 26 6

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Hartwell, K . Μ. 210, 219 Harnisch, H . 236 f., 246 Henderson, W . Ο. 204, 263 , 217 Henning, F.-W. 7 , 231 , 239, 297 Heberle, R . un d Meyer , F . 181 Heydt, A . v . d . 259 Hildebrand, B . 199 Hilferding, R . 278, 280 Hippel, W . v . 308 Hirschman, A . O . 214 Hobsbawm, E . 219, 233, 269, 281 f., 282, 283, 29 1 Hoffmann, W . 85, 111 , 204, 222 f., 227, 235, 240 Hohorst, G . 12, 246 Holtfrerich, C.-L . 238 f. Ihde, W . 197 Imhoff, A . 246 Ipsen, G . 236 Jackson, J . 309 Jäger, H . 244 Jantke, C . un d Hilger , D . 218 Jeidels, O . 267 f. Jenks, L . 205 Kaelble, H . 244, 247 Kampfhoefner, W . 287 Kan, S . B. 282 Kaufhold, K.-H . 264 Kehr, E . 308 Kellenbenz, H . 214 Keynes, J. M. 22 0 Kindsleberger, Ch . 211, 274 f. King, M.-L . 175 King, W . T. C . 206 Kinkel, H.-J . 70 f. Kirchhain, G . 237 f. Kisch, H . 217, 293, 285 Klein, E . 215 f., 242 Kluitmann, L . 267 Kocka, J. 12, 96, 213 f., 243 f., 244, 263, 305 Köllmann, W. 165, 166 , 179 , 219, 24 5 f., 247 f., 291, 283, 286 Knodel, J. 246 Koselleck, R. 7, 215, 291 Koszyk, K . 147 f. Kriedte, P., Medick, H., Schlumbohm , J. 233 Krengel, J. 305 Kruedener, J . v. 303

Krüger, H . 216 Krupp, A , 66, 265 Kuczynski, J . 155, 214, 21 8 Kulischer, J. 296 Kutz, M . 225, 240, 292 Lambi, I. 22 1 Landes, D . 96, 224 Langewiesche, D . 310 Lee, W . R . 246 Levy-Leboyer, M . 306 Lerner, F . 286 Lewis, W . A . 303 Lindenlaub, D . 226 f., 291 List, F . 197 ff., 218 Locke, J. 78, 269 Lütge, F . 200, 212, 213, 218 Lüdtke, A . 286 Markow, A . 165 Marquardt, F . 248, 287 Marris, R . 48, 277 Marshall, A . 24 Martin, P. C . 24 2 Martin, R . 279 Marx, K . 80, 148 , 155 , 200, 269 Matzerath, H . 289 Mauersberg, H . 225 Meek, R . 29 1 Medick, H. , s . Kriedte , P. u . a . Mehring, F . 148 Mendels, F . 302 Mevissen, G . 117 Meyer, D . 166 Mielke, S . 244 Milkereit, G . 224 f., 273 Moll, G . 236 f. Mottek, H . 200, 212, 21 3 f., 232 f., 235, 297 Müller, A . 199, 293 Müller, H.-H . 216, 236 Müssiggang, A . 226 Nelson, R . 126 Neuburger, H . u . Stokes, H . 24 3 Niethammer, L . 247 Noll, A . 247 , 288 North, D . C . 295 Noyes, P . 287 Nußbaum, H . 277 Obermann, K . 248 Ohnishi 240, 264

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Oppenheim, S . Jr. & Cie 50 Pierenkemper, Τ. 12, 131, 244 Pollard, S . 72 , 253, 267, 299 Puhle, H.-J . 24 4 Pritzkoleit, F . 27 4 Reden, F . v. 5 9 Reinhardt, P. 28 2 f. Reulecke, J . 247 Richter, E . 59 Rosenberg, H . 221 , 273 Rostow, W . W . 80 , 234 Rother, C . 257 f. Rude, G . 28 0 f . Rupieper, H.-J . 28 9 Saalfeld, D . 236 Saul, K . 23 7 Schaaffhausen, A . & Co . 49 Schlumbohm, s . Kriedte, P . u . a . Schmoller, G. v . 85 , 200, 217 , 226 , 227 Schoeller, P. 27 9 Schofer, L . 24 9 Schomerus, H . 24 9 f . Schumpeter, J . 19, 20, 47 , 50 , 253, 287 Seeger, M . 224 Shorter, E . 246 Siemens, W . 10 5 Smith, A . 19 8 f . Spiethoff, A . 45 , 130 , 131 , 227, 234, 26 5 Spree, R . 23 4 f., 242, 301 , 303, 303 Stearns, P . 24 7 Steitz, W . 38 , 305 Sterling, E . 14 8 Stillich, Ο. 105 Stinnes, Μ. & Co . 27 Stolper, G . 21 2

Strobel, A . 30 7 Sylla R . 26 8 Tenfelde, K . 24 8 f . Teuteberg, H.-J . 24 7 Thernstrom, S . 250 Thompson, E . P. 250, 28 1 Thorwärt, F . 260 Thyssen, Α. 110 f., 271 Tilly, C . 281 , 284 Tipton, F . 23 7 Treitschke, H . v . 200 Treue, W. 213 , 290 f., 292, 29 3 Ullmann, H.-P . 24 4 Valentin, V . 16 6 Veblen, T . 9 6 Venedey, T . 28 7 f . Volkmann, Η. 247, 248 Wagenblaß, Η. 239 f. Wagner, Α. 259 Waltershausen, S . ν. 292 f., 293 f. Wee, Η. v. d . 30 7 Wehler, H.-U . 12, 213, 244, 300 , 301 , 290, 303 Whale, P . B . 11 5 Wiegelmann, G . 247 Winkel, H . 242 Winterfeld, L . v . 74 Wolf, W . 218, 285 Wortmann, W . 248, 285 Zorn, W . 223, 231, 305 Zunkel, F . 264 Zwahr, H . 309

320 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

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KRITISCHE STUDIE N Z U R G E S C H I C H T S W I S S E N S C H A F T 1. Wolf ram Fischer · Wirtschaft und Gesellschaft i m Zeitalte r de r Industrialisierung . Aufsätze - Studien - Vorträge. 1972.

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3. Hans Rosenber g · Politische Denkströ mungen i m deutschen Vormärz . 1972.

15. Reinhard Rüru p · Emanzipation un d Antisemitismus. Studien zur Judenfrage' de r bürgerlichen Gesellschaft . 1975.

4. Rolf Engelsin g · Zur Sozialgeschicht e deutscher Mittel - un d Unterschichten . 2. Aufl. 1978. 5. Hans Medick · Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft . Di e Ursprünge de r bürgerlichen Sozialtheori e al s Geschichtsphilosophie un d Sozialwissen schaft be i Sam. Pufendorf, Joh n Lock e un d Adam Smith . 1973. 6. Heinrich Augus t Winkle r (Hg. ) Die große Kris e i n Amerika . Vergleichend e Stu dien zu r politische n Sozialgeschicht e 1929-1939. 7 Beiträge. 1973. 7. Helmut Berdin g · Napoleonische Herr schafts- un d Gesellschaftspoliti k i m König reich Westfale n 1807-1813. 1973 . 8. Jürgen Kock a · Klassengesellschaft i m Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914-1918. 2. Aufl. 1978. 9. Heinrich August Winkler (Hg.) · Organisierter Kapitalismus . Voraussetzunge n un d Anfänge. 11 Beiträge. 1974. 10. Hans-Ulrich Wehler · Der Aufstieg des amerikanischen Imperialismus . Studie n zu r Entwicklung de s Imperiu m Americanu m 1865-1900. 1974 . 11. Hans-Ulrich Wehle r (Hg. ) · Sozialgeschichte Heute . Festschrif t fü r Han s Rosenberg. 33 Beiträge. 1974. 12. Wolfgang Köllman n · Bevölkerung i n der industriellen Revolution. Studien zur Bevölkerungsgeschichte Deutschland s i m 19. Jh. 1974. 13. Elisabeth Fehrenbach · Traditionale Gesellschaft un d revolutionäres Recht. Die Ein-

16. Hans-Jürgen Puhl e · Politische Agrar bewegungen i n kapitalistische n Industriege sellschaften. Deutschland , US A un d Frank reich im 20. Jh. 1975. 17. Siegfried Mielk e · Der Hansa-Bund fü r Gewerbe, Hande l un d Industri e 1909-1914. Der gescheitert e Versuc h eine r antifeudale n Sammlungspolitik. 1976. 18. Thomas Nipperdev · Gesellschaft, Kul tur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte . 1976. 19. Hans Gerth · Bürgerliche Intelligenz um 1800. Zur Soziologie des deutschen Frühliberalismus. Mit einer Einführung un d einer ergänzenden Bibliographi e vo n Ulric h Herr mann. 1976. 20. Carsten Küther · Räuber und Gauner in Deutschland. Da s organisierte Bandenwese n im 18. und frühen 19. Jh. 1976. 2 1 . Hans-Peter Ullmann · Der Bund der Industriellen. Organisation, Einfluß und Politik klein- und mittelbetrieblicher Industrieller im Deutschen Kaiserreic h 1895-1914. 1976 . 22. Dirk Blasiu s · Bürgerliche Gesellschaf t und Kriminalität. Zu r Sozialgeschichte Preußens im Vormärz. 1976. 2 3 . Gerhard A . Ritter · Arbeiterbewegung, Parteien und Parlamentarismus. Aufsätze zur deutschen Sozial- und Verfassungsgeschicht e des 19. und 20. Jh.s. 1976 24. Horst Müller-Lin k · Industrialisierung und Außenpolitik. Preußen-Deutschland und das Zarenreic h 1860-1890. 1977 .

VANDENHOECK & R U P R E C H T I N GÖTTINGE N U N D Z Ü R I C H © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7

KRITISCHE S T U D I E N ZU R G E S C H I C H T S W I S S E N S C H A F T 25. Jürgen Kock a · Angestellte zwische n Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte de r Angestellten : US A 1890-1940 im internationale n Vergleich . 1977. 26. Hans Speier · Die Angestellten vor dem Nationalsozialismus. Ei n Beitra g zu m Ver ständnis de r deutsche n Sozialstruktu r 1918-1933. 1977 . 27. Dietrich Geyer · Der russische Imperialismus. · Studien übe r de n Zusammenhan g von innere r un d auswärtige r Politik 1860— 1914. 1977 . 28. Rudolf Vetterli · Industriearbeit, Arbeiterbewußtsein un d gewerkschaftlich e Orga nisation. Dargestell t a m Beispie l de r Geor g Fischer AG (1890-1930). 1978 . 29. Volker Huneck e · Arbeiterschaft un d industrielle Revolutio n i n Mailan d 1859-1892. Zur Entstehungsgesschicht e de r italienischen Industri e un d Arbeiterbewe gung. 1978. 30. Christoph Kiessman n · Polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet 1870-1945. Soziale Integration und nationale Subkultur einer Minderheit in der deutschen Industriegesellschaft . 1978. 3 1 . Hans Rosenber g · Machteliten un d Wirtschaftskonjunkturen. Studie n zu r neue ren deutsche n Sozial - un d Wirtschaftsge schichte. 1978. 32. Rainer Böiling · Volksschullehrer un d Politik. De r deutsch e Lehrerverei n 19181933. 1978 . 33. Hanna Schissle r · Preußische Agrarge sellschaft i m Wandel. Wirtschaftliche, gesell schaftliche un d politisch e Transformations prozesse 1763- 1847 . 1978 . 34. Hans Mommse n · Arbeiterbewegung und Nationale Frage. Ausgewählte Aufsätze. 1979. 35. Heinz Rei f - Westfälischer Ade l 17701860. Vom Herrschaftsstan d zu r regionale n Elite. 1979.

36. Toni Pierenkempe r · Die westfälische n Schwerindustriellen 1852-1913. Soziale Merkmale un d unternehmerische r Erfolg . 1979. 37. Heinrich Bes t · Interessenpolitik un d nationale Integration 1848/49. Handelspolitische Konflikte i m frühindustriellen Deutsch land. 1980. 38. Heinrich Augus t Winkle r Liberalis mus und Antiliberalismus. Studien zur politischen Sozialgeschicht e de s 19. und 20. Jh.s. 1979. 39. Emil Ledere r · Kapitalismus, Klassen struktur un d Problem e de r Demokrati e i n Deutschland 1910-1940. Ausgewählte Auf sätze. Mit einem Beitrag von Hans Speier und einer Bibliographie von Bernd Uhlmannsiek . Hrsg. vo n Jürgen Kocka . 1979. 40. Norbert Horn / Jürgen Kock a (Hg. ) · Recht un d Entwicklun g de r Großunterneh men im 19. und frühen 20. Jahrhundert /La w and th e Formation of th e Big Enterprise s i n the 19t h an d Earl y 20t h Centuries . Wirtschafts-, sozial - und rechtshistorische Unter suchungen zur Industrialisierung i n Deutschland, Frankreich , Englan d un d de n USA . 25 Beiträge. 1979. 4 1 . Richard Tilly · Kapital, Staat und sozialer Protes t i n de r deutsche n Industrialisie rung. Gesammelt e Aufsätze . 1980. 42. Sidne y Pollard (Hg.) Regio n und Industrialisierung / Region and Industrialization . Studien zu r Roll e de r Regio n i n de r Wirt schaftsgeschichte de r letzte n zwe i Jahrhun derte. 1980 43. Wolfgang Renzsc h · Handwerker un d Lohnarbeiter i n de r frühe n Arbeiterbewe gung. Zur sozialen Basis von Gewerkschafte n und Sozialdemokrati e i m Reichsgründungs jahrzehnt. 1980. 44. Hannes Siegris t · Vom Familienbetrie b zum Manager-Unternehmen. Angestellte und industrielle Organisation a m Beispiel der Georg Fische r A G i n Schaffhause n 1797-1930. 1980.

VANDENHOECK & RUPRECHT I N GÖTTINGE N UN D ZÜRIC H © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35997-7