Kantaten für Fürst und Kaiser: Antonio Caldaras Kompositionen zwischen Unterhaltung und höfischem Zeremoniell z [1 ed.] 9783205209737, 9783205209713


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German Pages [588] Year 2020

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Kantaten für Fürst und Kaiser: Antonio Caldaras Kompositionen zwischen Unterhaltung und höfischem Zeremoniell z [1 ed.]
 9783205209737, 9783205209713

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Kantaten für Fürst und Kaiser Antonio Caldaras Kompositionen zwischen Unterhaltung und höfischem Zeremoniell

Andrea Zedler

Schriftenreihe des Österreichischen Historischen Instituts in Rom Herausgegeben von Andreas Gottsmann Band 5 Wissenschaftlicher Beirat: Emilia Hrabovec (Bratislava), Jochen Johrendt (Wuppertal), Luca Lecis (Cagliari), Andreas Pülz (Wien), Sebastian Schütze (Wien), Antonio Trampus (Venedig)

Andrea Zedler

Kantaten für Fürst und Kaiser Antonio Caldaras Kompositionen zwischen Unterhaltung und höfischem Zeremoniell

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Stadt Wien Universität Graz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag Gesellschaft m.b.H & Co. KG, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat: Rainer Landvogt, Hanau Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Coverabbildung: Antonio Caldara, Öl auf Leinwand, anonym, Museo internazionale e biblioteca della musica di Bologna Wissenschaftlicher Satz: satz&sonders GmbH, Dülmen

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-20973-7

Inhalt

Einleitung

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Gegenstand, Zielsetzung und Methodik der Arbeit Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rekonstruktion des römischen Kantatenkorpus Archivalien des Archivio Ruspoli-Marescotti Musikalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . Rekonstruktion des Wiener Kantatenkorpus . . Verzeichnisse und Inventare . . . . . . . . . . . Musikalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kantaten für den Fürsten: Kantatenkomposition und -rezeption im kulturellen Kontext von römischem Adel und Klerus . . . . . . . . .

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld des Fürsten Francesco Maria Ruspoli . . . . . . . . . . . . . . . . . Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage auf dem Gebiet der Kantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen und Ausgestaltung der Musikförderung . . . . Der äußere Rahmen für Kantatenaufführungen: Die Conversazione im Hause Ruspoli . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt, Anzahl und Häufigkeit der Conversazione . . . . . Die Orte der Conversazione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Publikum der Conversazione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeremonielle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgestaltung und Ablauf der Conversazione . . . . . . . . . . . Die Sängerinnen und Instrumentalisten der Conversazione (1709–1716) . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verbindung Ruspolis zur Accademia degli Arcadi . . . . . . . . Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras . . . . . . . . . . . . . . . Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione . . . . . . . . . . . Kantatenaufführungen und ihre Datierungsproblematik . . . . . Die Texte der römischen Kantaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themenkreise der Kantatendichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . Protagonisten der Kantatentexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9 14 22 25 25 31 38 39 43

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Inhalt

Struktur der Kantatentexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte Stilistische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrfachvertonungen von Texten des Ruspoli’schen Repertoires . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Problematik der Mehrfachdeutungen von Kantatentexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die musikalische Gestaltung der römischen Kantaten . . . . . . . Äußere Anlage und Gestaltungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . Innere Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kantaten für den Kaiser: Kantatenkomposition und -rezeption im kulturellen Kontext des Wiener Hofes . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld des Kaiserhofes (1716–1736) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI. . Der äußere Rahmen der Kantatenaufführungen am Kaiserhof . Das Servizio di tavola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Servizio di camera ........................... Weitere Anlässe für Kantatenaufführungen . . . . . . . . . . . . Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caldaras Kantatenschaffen für den Kaiserhof . . . . . . . . . . . . . Kantaten für das Servizio di tavola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kantaten für das Servizio di camera . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Anlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sänger der Kantatenaufführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Texte der Wiener Kantaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textdichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themenkreise der Kantatendichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . Protagonisten der Kantatentexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der Kantatentexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte Stilistische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrfachvertonungen von Texten des Wiener Repertoires . Zur Problematik der Mehrfachbedeutungen von Kantatentexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die musikalische Gestaltung der Wiener Kantaten . . . . . . . . . Äußere Anlage und Gestaltungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . Innere Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Kontinuität und Wandel: Caldaras Kantatenkompositionen für Fürst und Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...........................

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Literatur- und Quellenverzeichnis

Liste der verwendeten RISM-Siglen und Abkürzungen Abbildungsverzeichnis und Notenbeispiele Anhänge

Anhang I: Chronologische Übersicht der Kantaten für Ruspoli . . . Anhang II: Chronologische Übersicht der Kantaten für das Kaiserhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang III: Texttranskriptionen des Wiener Repertoires . . . . . . . Solokantaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kantaten für zwei Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang IV: »Idealtypische« Kantaten: L’amor lontano (1711) und L’Oronte (vor 1727) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Riassunto

Personen-/Werk-/Ortsregister Dank

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Einleitung

Gegenstand, Zielsetzung und Methodik der Arbeit »We are now arrived at the golden age of cantatas in Italy«, 1 so zumindest Charles Burneys Urteil in seiner General History of Music, als er auf die weltliche Kantate an der Wende vom 17. auf das 18. Jahrhundert zu sprechen kommt. Im Anschluss listet der Musikhistoriker jene Komponisten auf, die es in dieser Gattung zum höchsten Grad der Perfektion gebracht hätten. Ganz vorne sieht er Alessandro Scarlatti, gefolgt von Francesco Gasparini, Giovanni Bononcini, Antonio Lotti, Emmanuele d’Astorga und Benedetto Marcello – allesamt Zeitgenossen des venezianischen Komponisten Antonio Caldara, um den es in der vorliegenden Arbeit gehen wird. Obwohl Burney seine Werke sehr schätzte und ungeachtet des Umstands, dass der Komponist ein reichhaltiges Œuvre auf dem Gebiet der weltlichen Kantate vorgelegt hat, fehlt Caldaras Name auf der Liste der Kantaten-Zelebritäten. Blättert man freilich in Burneys History ein paar Seiten weiter, findet sich sogleich die Antwort auf diesen prima vista seltsam anmutenden Umstand: Er könne, so Burney, nicht über die Qualität von Caldaras Kantatenkompositionen urteilen, habe er doch keines dieser Werke je in die Hände bekommen. Burney weiß auch lediglich einen Kantatendruck 2 des Venezianers aus dem Jahr 1699 zu nennen, weitere Titel waren ihm offenbar unbekannt. Andere Kompositionen hingegen, so sein Befund, seien so exzellent, »that there is great reason to presume them worthy the rank he bears among the professors of his time«. 3 Die Kernprobleme von Burneys Meinungsbildung sind also Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Werke. Die Ursache hierfür liegt weniger in zeitgenössischem Desinteresse an Caldaras Kantaten außerhalb des unmittelbaren Adressatenkreises 4 als in der Exklusivität seines Schaffens und den spezifischen Arbeitsbedingungen, wie sie im Umfeld seiner Dienstherren galten, Fürst Fran1 Burney, History 164. 2 Vgl. Caldara, Cantate. Der Band ist heute u. a. noch in der Fondazione Giorgio Cini (Venedig) und in der Musiksammlung der Grafen von Schönborn-Wiesentheid (Wiesentheid) nachweisbar. 3 Burney, History 177. 4 Interesse an den Kantaten für Ruspoli zeigte zu Lebzeiten Caldaras außerhalb Roms insbesondere Musgrave Heighington, der die Kantate Grato bosco le tue piante (1714) zu einer Pastoral Opera umarbeitete und 1726 in Dublin unter persönlicher Beteiligung aufführen ließ. Vgl.

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Einleitung

cesco Maria Ruspoli (1672–1731) in Rom und Kaiser Karl VI. (1685–1740) in Wien. Die Rahmenbedingungen dieser Arbeitsstätten beförderten die häufig mannigfache handschriftliche Verbreitung der Kantaten nicht annähernd in vergleichbarem Ausmaß, wie es etwa bei Alessandro Scarlatti der Fall war. 5 Auch darf nicht übersehen werden, dass Caldara selbst die Verbreitung seiner Kantaten für diese beiden Patrone nicht forciert hat. Er war – anders als Georg Friedrich Händel oder Scarlatti – ab 1709 zeitlebens in stabilen Arbeitsverhältnissen tätig, die ihm den »Luxus« eines exklusiven Kantatenschaffens überhaupt erst ermöglichten. Überblickt man die in den Anhängen I und II dieser Arbeit aufgeführten Musikalienquellen, so wird unmittelbar evident, dass ca. die Hälfte der Kantaten als Unikate überliefert sind 6, und besonders für das Wiener Repertoire gilt, was Thomas Hochradner bereits zur Verbreitung der Werke von Johann Joseph Fux feststellen konnte: »Da der Fundus der Wiener Hofmusikkapelle sorgfältig verwaltet wurde, kam es nur selten zu einer Weitergabe des Notenmaterials.« 7 Lediglich einem zeitgenössischen Rezipienten, Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen (1687–1763), war es im großen Ausmaß gelungen, Kantatenabschriften aus der Hand von Hofkopisten zu erhalten. Seiner Person kommt daher auch in der vorliegenden Untersuchung eine hohe Relevanz zu. Um neben musikinhärenten Aspekten auch deren kultur- und gesellschaftspolitische Dimension zu ermessen, geht die Arbeit von den beiden Schaffenskontexten Caldaras, Rom und Wien, aus, wobei der Fokus auf Fürst Ruspoli hier und Kaiser Karl VI. dort und deren jeweiligem engerem gesellschaftlichen und politischen Umfeld liegt. Vor allem Ruspoli musste, dem frühneuzeitlichen

Heighington, Opera und zu dieser spezifischen Dubliner Rezeption der römischen Kantate Zedler–Boschung, Musica. Darüber hinaus legte sich Herzog Anton Ulrich von SachsenMeiningen gezielt eine umfassende Sammlung von Wiener Kantaten Caldaras zu. 5 Vgl. zur Problematik der handschriftlichen Kantatenverbreitung insbesondere Morelli, Mani und Hinden, Kantatentexte 31–36. Vgl. zum Exklusivitätsanspruch bei Ruspoli Over, Hirtendasein 40. 6 Die Überlieferungssituation wirkt sich auch noch heute auf die Rezeption von Caldaras Kantaten auf künstlerischem Gebiet aus. Erst in jüngerer Zeit, besonders mit der digitalen Zurverfügungstellung zahlreicher Musikalien von Bibliotheken und Archiven, ist das Interesse von Musikern an seinen Werken gestiegen. Das schlägt sich in der größer werdenden Zahl von Einspielungen nieder, die allerdings absolut gesehen noch immer sehr wenige sind. Jüngst haben Robin Johannsen (Sopran), Valer Sabadus (Countertenor) und Sergio Foresti (Bass) CDs mit Kantaten des Komponisten aufgenommen. Vgl. In dolce amore (DHM, DDD, 2012), Caldara (Sony, DDD, 2015) sowie Brutus (Pan Classics, PC10389, 2018), Antonio Caldara. Sonatas & Cantatas for soprano, Violin and Continuo (Urania, LDV14045, 2019). 7 Hochradner, Nachhall 125.

Gegenstand, Zielsetzung und Methodik der Arbeit

Adelsverständnis entsprechend, Wert auf Exklusivität legen. 8 Für den Homo novus war es ein wesentliches Ziel und Motiv seines Handelns, seine Familie dem alteingesessenen römischen Adel nicht nur rangmäßig, sondern auch bezüglich Wahrnehmung und Wertschätzung mindestens gleichzustellen. Hierzu galt es für ihn, sich mit spezifischen Mitteln von Standesgenossen abzuheben. Die Abhaltung sonntäglicher Abendveranstaltungen, der Conversazioni, die den zentralen Schauplatz für Kantatenaufführungen boten, diente ihm dabei im wahrsten Sinne des Wortes als Bühne. Die Conversazioni wiederum prägten die Gestalt der Kantatenkompositionen, und bereits ein stichprobenartiger Blick auf die Repertoires für Rom und Wien zeigt deutlich die unterschiedlichen Funktionen, die die Kantaten hier und dort zu erfüllen hatten. In Wien lag der Fokus von Caldaras Tätigkeit zwar nicht vergleichbar stark auf dem Gebiet der Kantate wie in Rom, doch legte er ebenfalls für den Kaiserhof ein reichhaltiges diesbezügliches Œuvre vor, das sowohl der Musikpflege innerhalb der kaiserlichen Familie dienen als auch an bestimmen höfischen Festtagen zur Aufführung gebracht werden konnte. Zum Verständnis des Kantatenschaffens von Caldara dies- und jenseits der Alpen ist es daher unabdingbar, die jeweiligen sozialen und kulturellen bzw. kulturpolitischen Rahmenbedingungen zu skizzieren. Hierbei greift die Arbeit auf Methoden und Ergebnisse der Zeremonial- und Repräsentationsforschung zurück und trägt überdies einer Forderung der jüngeren Kantatenforschung Rechnung, die Werke eben nicht losgelöst von ihrem jeweiligen höfischen Entstehungsumfeld zu betrachten. 9 Die leitende Frage dieser Arbeit ist jene nach funktionalen, formalen, textlichen und – nicht zuletzt – musikalischen Veränderungen und Kontinuitäten innerhalb des Kantatenschaffens unter der Prämisse von Caldaras Wechsel von Rom nach Wien, der 1716 vollständig vollzogen war. Gerade weil seine Tätigkeit bereits in Rom auf vielfältige Weise mit dem Habsburger Hof verzahnt war und für beide Kontexte eine repräsentative Kantatenanzahl erhalten ist, bietet sich ein Vergleich beider Repertoires an. Er ermöglicht es, Eigenheiten im Schaffen und entsprechenden Anpassungen nachzuspüren, denen die Kompositionen – insbesondere auf funktionaler Ebene – unterlagen.

8 Vgl. zur Exklusivität im Kontext des frühneuzeitlichen Adels Rogalla von Bieberstein, Adelsherrschaft 14 f. sowie Hahn, Rivalitäten, mit Bezug zur Musik Daniel, Hoftheater sowie Henze-Döhring, Kunst. 9 Damit kann diese Arbeit auch an Ergebnisse anknüpfen, die innerhalb des Projekts Die Kantate als aristokratisches Ausdrucksmedium im Rom der Händelzeit (ca. 1695–1715) am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Universität Mainz unter der Projektleitung von Prof. Dr. Klaus Pietschmann erarbeitet wurden. Beiden Bearbeitern, Magdalena Boschung und Berthold Over, sei für den freundlichen und intensiven Austausch sehr herzlich gedankt.

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Einleitung

Für den Repertoirevergleich war es in einem ersten Schritt notwendig, die beiden Quellenkorpora als Arbeitsgrundlage zu rekonstruieren. Die methodische Vorgehensweise, an deren Ende der Nachweis von insgesamt 180 einzelnen Kantaten stand, ist im Kapitel Quellengrundlage für beide Kontexte gesondert dargelegt. Es gelang überdies, einen Großteil der Werke zu datieren und dergestalt ihre exakte zeitliche Einordnung innerhalb der Repertoires vorzunehmen. Die beiden Quellenkorpora setzen sich aus 79 (Rom) bzw. 101 (Wien) weltlichen ein- und zweistimmigen Kantaten in italienischer Sprache zusammen. Spätestens seit 1700 besteht die italienische Kantate aus Einzelsätzen, die eine klare Trennung zwischen Rezitativ (R) und Arie (A) aufweisen. Im Bereich der Solokantaten dominierten zunehmend zwei Kantatenformen, diejenige mit der Abfolge RARA und ihre verkürzte Version ARA. Kantaten für zwei Stimmen sehen den Wechsel von Rezitativ und Arie gleichermaßen vor, sind meist länger als Solokantaten, und ihre Textgrundlage ist so angelegt, dass der Komponist eine gleichmäßige Verteilung der Arien auf beide Singstimmen umsetzen kann. Neben der zentralen Fragestellung wird im Zuge der Untersuchung danach zu fragen sein, ob Caldara und seine Textdichter sich im Bereich der Solokantaten diesen seit 1700 einsetzenden Standardisierungstendenzen unterwarfen. Die große Anzahl der Kantatenkompositionen des venezianischen Komponisten wiederum bedingte es, vor der Text- und Musikanalyse 10 statistisch abzuklären, welche Besonderheiten bzw. Normierungen und Standardisierungen das Œuvre ausmachen, was seinerseits vorab Transkriptionen der Wiener Kantatentexte notwendig machte, die überdies auf ihre je spezifische poetische Form hin zu gliedern waren (siehe die Transkription der Texte im Anhang III). Für die römischen Kantaten konnte diesbezüglich auf Vorarbeiten von Magdalena Boschung und Berthold Over zurückgegriffen werden. 11 Eine solche Transkription war unabdingbar, da die Kantatentexte im Regelfall nicht gedruckt vorliegen und ihre Überlieferung ausschließlich mit den musikalischen Quellen erfolgte. Die Texte selbst geben die Struktur der Kantate vor, d. h. die Anzahl von Rezitativen und Arien samt deren Ablauf, so dass erst die Rekonstruktion des Versmaßes die Untersuchung der musikalischen Umsetzung ermöglichte. 12

10 Siehe die Kapitel Die Texte der römischen Kantaten / Wiener Kantaten und Die musikalische Gestaltung der römischen Kantaten / der Wiener Kantaten. 11 Diese sind auf der Onlineplattform CLORI verfügbar. Zu dieser siehe die Ausführungen weiter unten. 12 Vgl. zu den textlichen Besonderheiten der Kantaten die Kapitel Die Texte der römischen Kantaten / Wiener Kantaten.

Gegenstand, Zielsetzung und Methodik der Arbeit

Nach der statistischen Auswertung, deren Ergebnisse in den Abschnitten zur Text- und Musikanalyse mit Grafiken visualisiert sind, war es möglich, Beispiele herauszufiltern, mit denen grundlegende Merkmale der Textgestaltung sowie der Kompositionsweise innerhalb beider Repertoires idealtypisch dargestellt werden können. Dass die Arbeit mit Idealtypen eine Konstruktion darstellt, die nicht den hohen Individualisierungsgrad der Kantatenkomposition Caldaras abbildet – also beispielsweise besonders virtuose Vertonungen im Bereich der Arien –, ist gleichermaßen selbstverständlich wie für die abstrahierende Analyse unumgänglich. Die statistische Erhebung erlaubte es indes, innerhalb der Repertoires formale, textliche und kompositorische Merkmale zu identifizieren, die die Auswahl einzelner Kantaten für die Analyse plausibilisieren und erklären, wie die Kompositionen für den jeweiligen Kontext ausgeprägt waren. Im abschließenden Fazit werden daher neben den Ergebnissen des Repertoirevergleichs auch zwei idealtypische Kantaten (siehe dazu die Notenbeispiele in Anhang IV ) vorgestellt, die die essentiellen und wiederkehrenden textlichen und kompositorischen Kennzeichen vereinen. Darüber hinaus wird zu zeigen sein, wie Caldara seine Kantaten innerhalb der unterschiedlichen Herrschaftsräume und Funktionen einzupassen wusste. Aufgrund des umfangreichen Werkkorpus bleibt der Vergleich innerhalb dieser Arbeit auf Caldara beschränkt. Eine Gegenüberstellung mit dem Schaffen anderer Komponisten aus dessen näherem Umfeld, also vor allem mit Händel und Gasparini (für Rom) bzw. Francesco Bartolomeo Conti und Giuseppe Porsile (für Wien), wäre gleichermaßen reizvoll wie gewinnbringend, würde aber den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten. Den Vergleich erschwert, dass insbesondere zu Kantatenkompositionen für den Kaiserhof eine grundlegende systematische Untersuchung noch aussteht. 13 Bevor auf den Stand der Forschung näher einzugehen ist, seien einige wenige terminologische Bemerkungen vorangestellt: Gegenstand dieser Arbeit sind weltliche Kantatenkompositionen für ein und zwei Stimmen, die im Regelfall in den Quellen als »Cantata à voce sola« oder als »Cantata à due voci« bezeichnet werden. Es finden sich auch Angaben, die das Wort »Cantata« mit der jeweiligen Stimmbesetzung kombinieren, wie beispielsweise »Cantata Alto Solo«. Drei der Wiener Musikalien werden nicht als »Cantata«, sondern als »Festa di Camera« und »Pastorale« tituliert. 14 Die Auseinandersetzung mit Caldaras römischen Weihnachtskantaten, die infolge ihrer größeren Besetzung nicht Gegenstand 13 Abhilfe wird der angekündigte Band von Lawrence Bennett schaffen, der die Kantatenpflege am Wiener Hof von 1712 bis 1740 in den Blick nehmen wird. 14 Als Feste sind die Kantate Vieni, o compagna (D-MEIr Ed 118l VI 4681/V NHs23) und der

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Einleitung

dieser Arbeit sind, hat gezeigt, dass der Komponist mit seinen eigenhändigen Bezeichnungen sehr eindeutig verfahren ist. 15 Die drei Werke stellen folglich schon insofern eine Ausnahme dar, als ihre Bezeichnungen dem festlichen Anlass und der besonderen Aufführungsörtlichkeit Ausdruck verleihen. 16 Der Form nach sind alle drei als Kantaten zu rubrizieren und damit Gegenstand dieser Arbeit. Dass man sich hierbei weniger an terminologischen als an musikinhärenten Kriterien orientieren sollte, unterstrich zuletzt Michele Calella. Er hat sich mit der Austauschbarkeit solcher Begrifflichkeiten in Bezug auf kleinere szenische Gattungen wie die »Feste« näher beschäftigt und fragt sich, »ob man mit diesen Termini wirklich unterschiedliche Gattungen genau bezeichnen wollte«. 17 Auch vermag der Begriff »Applausus-Kompositionen«, wie ihn Jörn Edler für einige Kantaten Caldaras verwendet, nicht zufriedenzustellen. 18 Edler definiert den Applausus als Gattung dramatischer Musik und ordnet dieser auch elf Werke Caldaras zu, darunter die beiden Kantaten Germana: il dì che splende und Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio. Seiner Zuordnung nach müssten konsequenterweise nicht nur diese beiden, sondern zumindest alle sechs Kantatenkompositionen für zwei Stimmen (siehe Kapitel Caldaras Kantatenschaffen für den Kaiserhof), die im Zusammenhang mit bestimmten höfischen Festlichkeiten stehen, den Applausus-Kompositionen zugeschlagen werden, doch Edler tut ebendies nicht. 19

Stand der Forschung Die Untersuchung des weltlichen Kantatenschaffens von Antonio Caldara für Principe Francesco Maria Ruspoli und Kaiser Karl VI. berührt neben dem musikwissenschaftlichen Feld der Kantatenforschung auch genuin historische, kunsthistorische sowie philologische Bereiche. Da die vorliegende Arbeit keinen rein musikanalytischen Zugriff gewählt hat, wird in diesem Kapitel auch auf fachfremde Arbeiten zurückgegriffen, die zur Darstellung des Entstehungsund Aufführungskontextes der Kantaten wichtig waren.

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Dialogo tra la vera Diciplina ed il Genio (A-Wgm A 398 [2]) bezeichnet, als Pastorale die Nigella e Tirsi (A-Wn Mus. Hs. 17645). Vgl. zu den unterschiedlichen Bezeichnungen ein und derselben Weihnachtskantate Zedler–Boschung, Allusione 93. Auf diese wird im Kapitel Caldaras Kantatenschaffen für den Kaiserhof näher eingegangen. Calella, Gattungen 63. Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen 23–44. Auf einige Werke hatte Edler während seiner Forschungsarbeit nicht zugreifen können und sie deswegen nicht behandelt. Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen 45.

Stand der Forschung

Die Kantatenforschung erfreut sich besonders in den letzten beiden Jahrzehnten eines gesteigerten Interesses. 20 Ausschlaggebend hierfür ist, dass sich die Forschung von den bis in die 1960er Jahre vorherrschenden negativen Urteilen 21 über das Kantatengenre gelöst hat. Neben komponistenspezifische 22 und entwicklungsgeschichtliche 23 Untersuchungen trat in letzter Zeit vor allem die Frage nach Rolle und Bedeutung der weltlichen Kantate als Ausdrucksmedium der spezifischen Adels- und Elitenkultur in der Frühen Neuzeit. 24 Einen wichtigen Impuls für die Kantatenforschung lieferte das 2008 begründete und mit RISM – dem Répertoire International des Sources Musicales – kooperierende Kantatenprojekt CLORI. 25 Unter der Federführung von Teresa M. Gialdroni wird das Projekt von der Società Italiana di Musicologia gemein-

20 Allein in den letzten acht Jahren sind vier (internationale) Tagungen zur italienischen Kantate durchgeführt worden: Elitist music. The Italian cantata, aristocratic culture and identity in the 17th and 18th centuries (IMS, Rom 2012); La cantata da camera e lo stile galante (Treviglio, 2013); Die Kantate als Katalysator. Zur Karriere eines musikalisch-literarischen Strukturtypus um und nach 1700 (Halle, 2014); Carlo Francesco Cesarini e la cantata a roma tra Sei- e Settecento (Rom, 2016). 21 Prägend hierfür war Ambros’ negative Einschätzung von 1878: Die Kantaten seien »[. . . ] herkömmliche Liebesjammer in Phrasen voll falschen tragischen Pathos’ oder in witzigen Concetti mit getreuer Wiederholung der in der italienischen Poesie seit Jahrhunderten stereotyp gewordenen Redensarten, ganz zierlich gereimt, ganz artig ausgedrückt, aber auch von unaussprechlicher Langweiligkeit.« Ambros, Geschichte 189. Der Tenor spiegelt sich noch in Roses Aussage von 1962: »again and again we are confronted with a cruel, heartless lady and her suffering, faithful lover«. Rose, Cantata 189. 22 Hier ragen die Arbeiten zu Händel schon rein quantitativ hervor und lassen sich für Caldara insbesondere fruchtbar machen, da die beiden Komponisten für denselben Auftraggeber und für denselben Aufführungskontext komponiert haben. Vgl. zu Händels Kantatenschaffen u. a. Harris, Handel; dies., Cantate; dies., Gender; Jones, Überlieferung; U. Kirkendale, Händel; W. Kirkendale, Date; La Via, Poesia 109–154; Over, Texte; ders., Kammermusik; ders., Kontext; Pietschmann, Kantate; Riepe, Händel 164–202; Romagnoli, Kantaten; Schmalzriedt, Kantate; Wald-Fuhrmann, Orfeo. Daneben wurde insbesondere das Kantatenrepertoire Alessandro Scarlattis und Antonio Vivaldis erforscht. Vgl. zu Scarlatti u. a. Boyd, Scarlatti; ders., Form; Catsalis, Feast; Van de Kamp Freund, Duet Cantatas; Damuth, Cantatas; Dubowy, Tavolino; Hanley, Cantate, zu Vivaldi u. a. Gialdroni, Vivaldi; Talbot, Recitatives; ders., Chamber cantatas; ders., Patterns; Timms, Dramatic. Vgl. darüber hinaus die umfassende Kantaten-Bibliographie, die CLORI anbietet: http://cantataitaliana.it/bibliografia.php. 23 Vgl. u. a. Emans, Kantate; Gianturco, Cantata; Griffin, Serenata, Mioli, Voce; Talbot, Kantate; Timms, Cantata. Eine umfassende jüngere gattungsgeschichtliche Darstellung zur italienischen weltlichen Kantate fehlt, daher zählt Schmitz’ Arbeit aus dem Jahr 1914 noch immer zu den grundlegenden Überblickswerken, vgl. Schmitz, Geschichte. 24 Hierfür lieferte Freitas einen wichtigen Anstoß, vgl. Freitas, Singing. Vgl. als Zeugnis des gestiegenen Forschungsinteresses den jüngst vorgelegten umfang- und facettenreichen Sammelband von Over (Hrsg.), Fortuna. Vgl. im Besonderen ders., Cantata. 25 Vgl. zu CLORI: http://cantataitaliana.it.

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Einleitung

sam mit der Università di Roma »Tor Vergata« und dem Istituto Italiano per la Storia della Musica betreut. Es hat sich zum Ziel gesetzt, das – aufgrund der zahlreichen Autographen und Musikalienabschriften 26 bis dato unüberschaubare – Kantatenrepertoire bibliographisch online zu erschließen und mit Hilfe der integrierten Kantatentexttranskriptionen der interdisziplinären, vor allem philologischen Forschung leichter zugänglich zu machen. 27 Mit dem Projekt CLORI in Verbindung steht das 2014 gegründete Centro Studi sulla Cantata Italiana 28, das ebenfalls von Gialdroni geleitet wird. Eine erste größere Untersuchung sowie eine Edition sind aus diesem Forschungszentrum jüngst bereits hervorgegangen. 29 Zu Caldaras Kantatenschaffen liegt bis dato noch keine umfassende Studie vor, auch ein Werkverzeichnis steht noch aus. 30 Aus diesem Grund finden sich lediglich vage und in Teilen gravierend abweichende Angaben zum Umfang seiner einschlägigen Werke. Die am häufigsten rezipierten diesbezüglichen Urteile seien stellvertretend herausgegriffen: Angela Romagnolis Einschätzung zufolge hat Caldara ein Œuvre von ca. »300 Solo-Kantaten mit B.C. ohne oder mit Instrumenten [. . . ]; zahlreiche zweistimmige Kantaten mit B.C. ohne oder mit Instrumenten«, dazu noch ca. 20 mehrstimmige Kantaten hinterlassen. 31 Brian Pritchard ordnet 100 Kantatenkompositionen dem römischen, eine sehr geringe Anzahl von »40 or so« dem Wiener Repertoire zu. Eigenwillig erscheint so manche werkspezifische Verortung Pritchards. Beispielsweise wird die Kantate für zwei Stimmen Trionfo d’Amore e d’Imeneo (1722) in der von ihm gelieferten Werkübersicht der Kategorie »Dramatic works possibly presented as operas« zugeordnet. 32

26 Als herausragendes Beispiel ist hier Alessandro Scarlattis Kantatenschaffen zu nennen, das sich auf ca. 700 Werke bemisst, die zum Teil mehrfach überliefert sind. Diese reine Anzahl »can easily prove a deterrent to the modern scholar.« Dubowy betont, dass im Fall Scarlattis noch detaillierte Quellenkritik geleistet werden müsse. »At the present time, it is impossible to say how many cantatas he wrote«. Dubowy, Tavolino 112. 27 Vgl. zu CLORI grundlegend Gialdroni, Cantata; Sirch, Clori; Sirch–Sciommeri, Clori. 28 Vgl. zu diesem http://csci.uniroma2.it. 29 Vgl. Sciommeri, Mito; Gialdroni–Sciommeri (Hrsg.), Heinichen. 30 In diesem Zusammenhang hat Pritchards 1992 publizierte Einschätzung, wonach Caldaras Kantatenschaffen eine »inheritance left mostly unexplored and unheard« sei, noch immer Gültigkeit. Vgl. Pritchard, Caldara (1992) 510. Zu modernen Editionen siehe das Kapitel Quellengrundlage. 31 Vgl. Romagnoli, Caldara. Romagnoli greift für ihre Werkliste auf die maßgebliche Vorarbeit von Greenwood zurück. Vgl. Greenwood, Caldara. 32 Pritchard, Caldara. Vgl. zur Zuordnung der Kantate als Teil der kaiserlichen Tafelmusik das Kapitel Kantaten für das Servizio di tavola.

Stand der Forschung

Die luzideste Darstellung zu Caldaras römischem Wirken ist noch immer die 1966 von Ursula Kirkendale vorgelegte und 2007 in englischer Übersetzung von Warren Kirkendale erneut publizierte Abhandlung. 33 Die Arbeit Kirkendales ist zwar den Oratorien gewidmet, beinhaltet aber neben einem grundlegenden biographischen Abriss auch zahlreiche Hinweise zu den parallel entstandenen Kantatenkompositionen. Darüber hinaus liefert sie auch spezifische Angaben zum Umfang des Kantatenkorpus für Principe Ruspoli, das Kirkendale auf insgesamt 202 Werke bemisst, von denen 75 erhalten seien. 34 Der Band ist mit diversen Quellenverweisen und sogar Quellen(teil)editionen angereichert, die die Arbeit im Archiv – hier vor allem im Archivio Segreto Vaticano – erleichtert haben. Kirkendale war überdies die Erste, die eine exemplarische Einordnung ausgewählter Werke des Komponisten aus der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs in deren ereignisgeschichtlichen Kontext vornahm. 35 Aufbauend auf diesen Vorarbeiten sowie Kirkendales Forschungen zu Händel 36 haben sich Magdalena Boschung, in Teilen gemeinsam mit der Autorin, 37 Berthold Over 38 und Warren Kirkendale 39 mit einzelnen Aspekten der Quellenüberlieferung, der Datierung von Musikalien und ihrer Aufführung sowie der (politischen) Kontextualisierung von Caldaras römischen Kantaten beschäftigt. Auch das Wiener Kantatenrepertoire ist ein weitgehend weißer Fleck der Forschungslandkarte, es liegen lediglich Einzelstudien vor. Den Anstoß zu tiefergehender Beschäftigung mit diesen Werken hat bemerkenswerterweise eine Philologin gegeben. Monica Centanni untersuchte die Texte einer Sammlung von zwölf Basskantaten 40 auf deren mythologischen und historischen Gehalt hin und hat festgestellt, dass sie aufgrund der behandelten Themen und der Wahl der männlichen Protagonisten aus dem üblichen thematischen Rahmen der Kantatendichtung fallen. Einige der Texte stehen mit zeitgenössischen Opernsujets in Verbindung und lassen sich nicht dem typischen arkadisch-pastoralen Milieu zuordnen. 41

33 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (1966); dies., Caldara (2007). 34 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 105. Vgl. zur Anzahl der römischen Kantaten das Kapitel Rekonstruktion des römischen Kantatenkorpus. 35 Vgl. U. Kirkendale, War. 36 Vgl. u. a. U. Kirkendale, Documents (2007); dies., Händel; dies., Handel. 37 Vgl. Zedler–Boschung, Allusione; Boschung, Serenata. 38 Vgl. Over, Kontext; ders., Astorga. 39 Vgl. W. Kirkendale, Handschriften; ders., Händel. 40 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 17603. 41 Vgl. Centanni, Amante. Diese Beobachtungen konnte Dolcini bestätigten, der über den von Centanni untersuchten Kantatenband hinausgehend noch einen weiteren Band an Basskantaten Caldaras erstmals untersucht hat. Vgl. Dolcini, Cantate.

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Caldaras musikalisches Wirken für den Wiener Hof ist trotz der ungewöhnlichen Textgrundlage, die aber lediglich einen Teil der Kantaten betrifft, in eine Tradition der Kantatenpflege eingebettet, die unter Kaiser Leopold I. ihren Anfang genommen hat. Die Grundlage zum Verständnis dieser Tradition hat Lawrence Bennett mit seiner Studie The Italian Cantata in Vienna gelegt. Sein Untersuchungszeitraum (1658–1711) beinhaltet die Regierungszeit der Kaiser Leopold I. und Joseph I. und streift Caldara im Kapitel The Interregnum and Its Aftermath. 42 Darüber hinaus gebührt Bennett das Verdienst, erstmals auf einen umfangreichen Kantatenbestand in Meiningen hingewiesen und diesen hinsichtlich Caldaras Kantaten auch bibliographisch erfasst zu haben; überdies nahm er auch größer besetzte Festkompositionen Caldaras in den Blick. 43 Anlassbezogene, festliche Werke waren auch Gegenstand der Arbeit von Edler, der zwei Wiener Kantaten Caldaras unter dem Begriff des Applausus als Gattung dramatischer Musik untersucht hat. 44 Besonders im Zusammenhang mit Untersuchungen zur wohl bekanntesten Sängerin von Caldaras Werken, der nachmaligen Kaiserin Maria Theresia, haben sich Überschneidungen zum hier untersuchten Kantatenrepertoire ergeben. Schwab hat sich hierbei verdienstvoll mit der vokalen Disposition der Werke in Bezug auf die sängerischen Fähigkeiten Maria Theresias befasst, sich aber nicht mit Kompositionen auseinandergesetzt, die Caldara vor 1729 für die Erzherzogin geschrieben hatte. 45 Vor der Beschäftigung mit der Kompositionsweise Caldaras war es – wie erwähnt – notwendig, die Kantatentexte in ihrer poetischen Form zu transkribieren. Für die Rekonstruktion der Versstruktur ist noch immer Wilhelm Theodor Elwerts Standardwerk zur italienischen Metrik von großer Bedeutung. 46 In jüngerer Zeit haben sich mit der spezifischen Problematik der Kantatenlibrettistik besonders Stefano La Via und Over zu Kompositionen Händels sowie Marco Bizzarini zu Werken Benedetto Marcellos beschäftigt. Komponistenunabhängig wurde jüngst eine Untersuchung der Kantatentexte von Benedetto Pamphili veröffentlicht. 47 Die Kantatendichtung ist auf das Engste mit der literarischen Tätigkeit der römischen Arkadischen Akademie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 42 Vgl. Bennett, Cantata. 43 Vgl. zum Meininger Kantatenbestand Bennett, Collection sowie zu den festlichen Kantaten ders., Celebrations. 44 Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen. Vgl. zur begrifflichen Problematik die Ausführungen weiter oben. 45 Vgl. Fritz-Hilscher, Virtù; Giegl, Musik; Karpf, Beziehungen; Schwab, Maria Theresia. 46 Vgl. Elwert, Metrik. Auch Leopold, Modo, war bei einigen Fragen der Versifikation hilfreich. 47 Vgl. La Via, Poesia 109–127; Over, Texte; Bizzarini, Marcello, besonders XXV–XXXIV; Hinden, Kantatentexte.

Stand der Forschung

verbunden. Zu dieser liegt eine umfassende Anzahl von Beiträgen vor, 48 ein Desiderat der Forschung sind aber weitere fachübergreifende philologische Studien zu den Kantatentexten, die (nicht nur) von Arkadiern verfasst wurden. 49 Hier steht auch die Identifizierung unzähliger anonym gebliebener Urheber der Texte noch aus. Fragen zu Sujettraditionen und deren Brüchen sowie zu (politischen) Funktionalisierungsstrategien der Kantatentexte dies- und jenseits der Alpen sind bislang nur in Ansätzen und Einzelaspekten behandelt. 50 Grundlegende Arbeiten, auf denen die Erforschung des Entstehungsumfelds der römischen Kantaten Caldaras fußt, liegen von Renata Ago, Maria Antonietta Visceglia sowie Francesco Calcaterra vor. 51 Ihre Untersuchungen zur Sozialstruktur der römischen (Adels-)Gesellschaft bieten die Folie zur Darstellung der Ziele und der Motivation eines stadtadeligen Repräsentanten zur regelmäßigen Abhaltung einer kostspieligen Abendveranstaltung mit Kantatenaufführung. An diese Zusammenkünfte sind spezifische gesellschaftliche, politische und rekreative Funktionen geknüpft, die bis dato erst in Ansätzen beleuchtet wurden, unter denen wiederum vor allem genderspezifische Fragestellungen herausstechen. 52 Zu ihren jeweiligen Ausrichtungen (literarisch, musikalisch, wissenschaftlich etc.), Abläufen und zeremoniellen Rahmenbedingungen ist noch vieles im Unklaren. 53 Für Assembleen mit Musik behält die Einschätzung Marina Caffieros daher weiterhin Gültigkeit, wonach sie die »meno indagati rispetto ai più noti scambi letterari« seien. 54 Als Beispiel mögen hier die bemerkenswert abweichenden Angaben in der Literatur zum Zeitpunkt der Conversazione im Hause Ruspoli dienen: Der oft zitierten Einschätzung aus dem Lemma Caldara im New Grove Dictionary of Music and Musicians ist zu entnehmen, dass die Kantaten »were written for the Sunday morning conversa48 Vgl. hierzu die umfassenden Bibliographien bei Baragetti, Poeti sowie Forner, Bibliografia. 49 Einzelstudien liegen bereits vor, bzw. es finden sich Teilergebnisse. Vgl. die bereits erwähnte Studie von Centanni sowie die Untersuchungen zu einzelnen Poeten wie Pietro Pariati, Claudio Pasquini und Pietro Metastasio, vgl. u. a. Gronda, Mestiere; Mellace, Pasquini; Kanduth, Metastasio; Nicastro, Temi; Noe, Hoftheater; Wandruszka, Metastasio. Vgl. darüber hinaus das Überblickswerk von Noe, Geschichte. 50 Ergebnisse für römische Werke liegen vor allem für die größer besetzten anlassbezogenen Kantaten sowie Serenaten vor. Vgl. u. a. Schmalzriedt, Kantate; Chirico, Serenata; Boschung, Serenata; Talbot, Serenatas; Zedler–Boschung, Allusione. 51 Vgl. Ago, Carriere; dies., Valore; dies., Gusto; Calcaterra, Spina; Visceglia, Introduzione. 52 Vgl. Ago, Socialità; Caffiero, Corte; Mori, Maschile. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Conversazione grundlegend Quondam, Conversazione. Aus musikwissenschaftlicher Perspektive vgl. insbesondere Morelli, Spaces; ders., Musica; Over, Kontext 336–340; ders., Enigma; Piperno, Sponde; Riepe, Händel 85–102. 53 Vgl. hierzu auch die Einschätzung von Hinden, Kantatentexte 21. 54 Caffiero, Corte 127.

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zioni held in Ruspoli’s Palazzo«. 55 Kommen bei Donald Burrows die Kantaten schon innerhalb der »sunday afternoon conversazioni« von Ruspoli zur Aufführung, 56 dehnt Christopher Hogwood den Zeitpunkt der Veranstaltung und somit der Kantatenaufführung gleich vom »late afternoon to evening« aus. 57 Neben dem Studium der Quellen hilft im Zusammenhang mit den eigentlich am Abend durchgeführten Veranstaltungen ein vergleichender Blick auf jene »konkurrierender« Adeliger wie Pietro Ottoboni oder Benedetto Pamphili. Besonders die Bände der Reihe MARS – Musik und Adel im Rom des Sei- und Settecento tragen zum Verständnis der Rolle von Musik als Repräsentationsmedium der römischen Aristokratie bei, indem sie nicht allein zum Aufführungskontext zahlreiche Informationen bereitstellen, sondern überdies auch für künftige vergleichende Untersuchungen den Nährboden bereiten. 58 Wendet man den Blick und betrachtet das Gebiet jenseits der Alpen, so finden sich für den Wiener Hof unter Kaiser Karl VI. zahlreiche kleinere Einzelstudien, aber auch umfassende Monographien. Auf deren Grundlage lassen sich insbesondere die mit festlichen Ereignissen in Verbindung stehenden Kantaten innerhalb des zeremoniellen Koordinatensystems verorten. 59 Zur Hofkapelle und zu Aufführungsdaten von einzelnen Werken ist die Konsultation der Bände von Ludwig von Köchel sowie Franz Hadamowsky noch immer unabdingbar. 60 Darüber hinaus liefern Friedrich W. Riedels Band zur Kirchenmusik

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Pritchard, Caldara. Vgl. Burrows, Handel 39. Vgl. Hogwood, Handel 37. Vgl. Nigito, Musica; Hinden, Kantatentexte; Over (Hrsg.), Fortuna. Besonders aufschlussreich ist der vergleichende Blick auf die Familie Ottoboni, der innerhalb dieser Arbeit in nur sehr begrenztem Rahmen erfolgen konnte, vgl. u. a. La Via, Cardinale; ders., Ambiente; Marx, Musik; Over, Comica; Staffieri, Ottoboni; Talbot–Timms, Music; Treffers, Cardinale. Archive dieser und weiterer römischer Adelsfamilien werden derzeit innerhalb des groß angelegten Projekts PerformArt mit thematischem Fokus auf die Musik- und Theaterpatronage ausgewertet. Vgl. https://performart-roma.eu. 59 Vgl. allgemein zum Kaiserhof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts u. a. Pecˇ ar, Ökonomie, 141–252; auch Rill, Karl VI.; Seitschek–Hutterer–Theimer (Hrsg.), Jahre; Vocelka, Glanz. Vgl. zu Festen am Wiener Hof unter Karl VI. u. a. Gugler, Feiern; ders., Hochzeit; Fritz-Hilscher, Karl; Löwenstein, Kaiserhof; Polleross, Feste; Seitschek, Hof; SommerMathis, Austria; dies., Theatrum. 60 Vgl. Köchel, Fux; ders., Hof-Musikkapelle; Hadamowsky, Barocktheater. Vgl. zu dem Themenkreis auch Antonicek, 1711; Dunlop, Musicians; Glüxam, Instrumentarium; Haas, Karrieremöglichkeiten; Kaiser, Hofkünstler; Riedel, Fux; Seifert, Hofkapelle; ders., Aufgabenkreise; Selfridge-Field, Court orchestra; Sommer-Mathis, Barcelona; dies., Personale; als grundlegendes Nachschlagewerk zum Hofpersonal, das die Hofmusiker einschließt, vgl. Kubiska-Scharl–Pölzl, Karrieren.

Stand der Forschung

am Hofe Karls VI. sowie Herbert Haupts Arbeiten zu den Kameralzahlamtsbüchern wertvolle Hinweise. 61 Ein veritables quellentechnisches Problemfeld stellt die Rezeption von Kantaten dar, die in den Privaträumen 62 der kaiserlichen Familie zum Klingen gebracht wurden, worauf für die Zeit Karls VI. vor allem Theophil Antonicek hinwies: »Am Kaiserhof spielte sich der Hauptanteil allerdings tatsächlich in der ›Kammer‹ [. . . ] ab, was zur Folge hat, daß wir nur wenige Quellen darüber besitzen: selbst von den Werken dürfte nur ein Bruchteil erhalten sein. Gelegentliche Nachrichten, etwa in brieflichen Mitteilungen der Herrscherfamilie, lassen jedoch mit Sicherheit vermuten, daß Musizieren im kleinen Rahmen und unter starker eigener Betätigung des Kaisers und seiner Umgebung besonders für Karl VI. eine große Rolle spielte.« 63 Die fortschreitende Auswertung bzw. Edition von Korrespondenzen 64 aus dem Umfeld des Hofes sowie der Tagebücher von Kaiser Karl VI. 65 dürfte künftig wertvolle Hinweise auch für die Kantatenforschung erhoffen lassen. Ein Desiderat stellt hingegen nach wie vor die Aufarbeitung der umfangreichen Korrespondenz Luigi Pio di Savoias dar, des Hofmusikdirektors der Jahre 1721 bis 1732. 66

61 Vgl. Riedel, Kirchenmusik; Haupt, Regesten; ders., Kunst. 62 Vgl. zur Raumsituation am Wiener Hof den jüngst vorgelegten umfangreichen Band von Lorenz–Mader-Kratky (Hrsg.), Hofburg. 63 Antonicek, 1711 95. Vgl. auch Bennett, Cantata 86–93. 64 Stellvertretend sei ein Projekt von Jana Perutková genannt, das die Edition der ca. 500 Briefe des Hofmeisters des mährischen Grafen Johann Adam von Questenberg, Johann Georg Hoffmann, aus den Jahren 1729–1740 zum Ziel hat. Hoffmann war u. a. mit der Aufgabe betraut, für den Grafen Musikalien aus dem Umfeld des Wiener Hofs zu besorgen, und stand mit zahlreichen Komponisten und Kopisten in Kontakt. Er war darüber hinaus musikalischer Berater des Grafen. Vgl. zu der ersten Auswertung der Briefe Perutková, Nahmen. 65 Wichtige Hinweise zur Musik hat bereits Seitschek im Zuge seiner Beschäftigung mit den Tagebüchern Kaiser Karls VI. gegeben. Vgl. Seitschek, Hof; ders., Tagebücher. 66 Dort finden sich u. a. auch Briefe Caldaras an Luigi Pio di Savoia, vgl. I-Ma Archivio Falcò Pio di Savoia. Die Beschäftigung mit einem kleinen Briefbestand aus dem genannten Archiv, der Korrespondenz zwischen dem Hofkopisten Marc’Antonio Maccarinelli und Principe Luigi Pio di Savoia, ermöglichte die Identifizierung eines Textkopisten eines Dresdner Kantatenbandes von Caldara, vgl. Zedler, Tributo bzw. die Ausführungen im folgenden Kapitel.

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Quellengrundlage Die vorliegende Untersuchung zu den weltlichen Kantaten Caldaras stützt sich auf weitgehend unveröffentlichtes Material. Da das Kantatenkorpus bis dato nicht eingehend untersucht wurde, es an einem wissenschaftlich-kritischen Werkverzeichnis fehlt und darüber hinaus die Verlassenschaftsabhandlung des Komponisten seit spätestens 1924 verschollen ist, 67 waren für die Beschäftigung mit dem umfangreichen Œuvre drei Schritte notwendig: erstens die Rekonstruktion des Kantatenkorpus, zweitens die Text- und Musikanalyse sowie drittens die kultur- und gesellschaftspolitische Kontextualisierung der Werke. Es liegt auf der Hand, dass hierfür je unterschiedliche Quellenarten heranzuziehen waren. Für die Ermittlung und Rekonstruktion der beiden Repertoires wurde vorwiegend ungedrucktes Material untersucht: für Rom die Abrechnungsbücher Ruspolis, für Wien Inventare sowie Musikalienverzeichnisse, die seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind. Auch für den zweiten Schritt, die Text- und Musikanalyse, wurden überwiegend handschriftliche Quellen herangezogen, was vor allem zwei Gründen geschuldet ist: Lediglich einmal wurden Kantaten Caldaras zu seinen Lebzeiten gedruckt, nämlich die 1699 in Venedig publizierten Cantate da camera à voce sola. 68 Eine sehr geringe Anzahl von Kantaten liegt heute in Form eines modernen Musikdruckes vor, wobei der überwiegende Teil den musikpraktischen Editionen zugehört. Die erste Edition von elf Kantaten wurde im Rahmen der Reihe Denkmäler der Tonkunst in Österreich 1932 von Eusebius Mandyczewski mit einem Revisionsbericht vorgelegt. 69 Eine dieser Kantaten ist dem Ruspoli’schen, vier dem Repertoire für Wien zuzuordnen. Seit der Erstedition wurden bis dato um die 30 Kantaten gedruckt. Besonders der Verlag Garri-Editions hat sich in den letzten Jahren mit Caldaras Kantatenwerk beschäftigt. Bis dato wurden 18 musikpraktische Editionen herausgegeben, von denen neun zu den Ruspoli-Kantaten zählen und eine zum Wiener Korpus. Die Ausgaben basieren auf Musikalienkopien, die zu Lebzeiten des Komponisten entstanden waren. Ein kritischer Kommentar fehlt, was im Falle der 2006 erschienenen Kantate Mirtillo, ove trascorri mindestens als problematisch gelten muss. Alejandro Garri schreibt das Werk trotz anonymer 67 Vgl. zum verschollenen Akt (A-Whh Obersthofmarschallamt, Verlassenschaftsabhandlungen 4339/1737) U. Kirkendale, Caldara (2007) 120 sowie die wichtigen Beiträge zu dieser Problematik: Hochedlinger, Vandalismus 343, Hochedlinger–Pangerl, Wille 8, in denen der Hinweis zu finden ist, dass die Verlassenschaftsabhandlungen im Wiener Landesgerichtsarchiv gelagert haben und dort 1924 jene Caldaras von einem Richter ausgehoben aber nicht zurückgegeben worden sei. 68 Vgl. Caldara, Cantate. 69 Vgl. Mandyczewski (Hrsg.), Caldara.

Quellengrundlage

Überlieferung 70 ohne Quellennachweis Caldara zu und geht von einer Aufführung seitens der habsburgischen Erzherzoginnen aus. 71 Ein Nachweis, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Kantate Caldaras handelt, konnte bisher nicht erbracht werden. Die Beschäftigung mit den handschriftlich überlieferten Musikalien wird vor allem davon begünstigt, dass neben den gut erhaltenen Musikalienkopien eine nicht unerhebliche Anzahl datierbarer Autographen überliefert ist. Autographes wie kopiertes Material findet sich heute in unterschiedlichen europäischen und außereuropäischen Bibliotheken bzw. Archiven und bildet die quellentechnische Basis der vorliegenden Arbeit. Um bei der Rekonstruktion der Musikalienrepertoires Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, werden die Fragen zu den Beständen der jeweiligen Institutionen und zur Überlieferung der Musikalien in den folgenden Abschnitten getrennt voneinander behandelt. Nach der Rekonstruktion der Repertoires galt es, die Textgrundlage näher in den Blick zu nehmen. Mit zwei Ausnahmen, für die Drucke vorliegen, greift die Arbeit auf Texttranskriptionen zurück, die von den Musikalien erstellt wurden. Bei den Ausnahmen handelt es sich um Textdrucke von Antonio Rolli, die den vollständigen Kantatentext mit kleinen Abweichungen wiedergeben. 72 Für das Wiener Repertoire ist zwar ein Kantatentextdruck nachweisbar, dieser indes nicht mehr erhalten. Köchel verweist darauf, dass Trionfo d’Amore e d’Imeneo bei van Gehlen in Wien gedruckt worden sei. 73 Die Kantatentexte des Wiener Repertoires sind im Anhang III der vorliegenden Arbeit vollständig wiedergegeben. Sie werden darüber hinaus mit den jeweiligen bibliographischen Angaben auf der Onlineplattform CLORI (Archivio della cantata italiana) zur Verfügung gestellt, auf der bereits Transkriptionen des römischen Repertoires konsultiert werden können. 74 Der überwiegende Teil der untersuchten Kantatentexte ist anonym überliefert und stammt aus dem Umfeld der Accademia dell’Arcadia. Das gilt sowohl für

70 Die Kantate ist in Darmstadt überliefert. Vgl. den Band D-DS Mus. ms. 1046. 71 Vgl. Garri (Hrsg.), Mirtillo 3. 72 Vgl. im Rolli, Rime, Cantata IX [Bireno, il Dì s’appressa], 230–233 und Cantata XIV [Medea], 239–242. 73 Vgl. Köchel, Fux 538, Eintrag 583. Huss verweist auf ein Librettoexemplar, das im Archiv der Gesellschaft für Musikfreunde überliefert sein soll. Vgl. Huss, Oper 206. Das Libretto ist im Gegensatz zu seinen Angaben im einschlägigen Katalog nicht verzeichnet und konnte nicht aufgefunden werden. 74 Bei den Kantatentexten des römischen Repertoires konnte neben den auf CLORI zu findenden Transkriptionen auf jene von Magdalena Boschung und Berthold Over zurückgegriffen werden. Für den kollegialen Austausch zu den Transkriptionen sei Magdalena Boschung auch hier noch einmal herzlichst gedankt.

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Kantaten römischer wie für solche Wiener Provenienz, weil Arkadier wie Silvio Stampiglia dies- und jenseits der Alpen wirkten. Da Ruspoli in enger Beziehung zu der Akademie stand, 75 wurden nicht allein die zeitgenössischen arkadischen Druckwerke 76 konsultiert, sondern auch das handschriftliche Quellenmaterial der Akademie aus der Biblioteca Angelica. Als zentrale Quellen sind die Atti Arcadici zu nennen, die die Tätigkeiten der Akademie protokollieren (u. a. die Aufnahme einzelner Mitglieder, die Ergebnisse der Sitzungen, die Approbation diverser Druckwerke) sowie die so bezeichneten Manoscritti, die handschriftliche Poesie diverser literarischer Genres beinhalten. 77 Die Auswertung höfischer Quellen floss in die vorliegende Arbeit ein, wenn es um den dritten Schritt, die Kontextualisierung des musikalischen Schaffens in Rom und Wien, ging. Der interhöfische Informationsaustausch erfolgte in der Frühen Neuzeit neben der Korrespondenz über z. T. handschriftliche, z. T. gedruckte Avvisi und Zeitungen. Die den Berichten des Hohen Spanischen Rates für Wien beigelegten handschriftlichen Avvisi aus Rom 78, der Foglio di Foligno 79, der Diario di Roma 80, die Gazzetta di Napoli 81, das Wiennerische Diarium 82 sowie der Corriere Ordinario (auch Avvisi italiani, ordinarii e straordinarii) 83 sind nicht allein für politische und militärische Nachrichten von Relevanz, sondern auch für kulturelle. Die Medien informieren über Feierlichkeiten sowie über deren zeremonielle Abläufe in Rom wie Wien und geben punktuell auch biographische Hinweise zu Caldara. 84 Für die Erforschung des Kontexts, in dem die Kantaten in Rom entstanden sind, waren weiterhin Einträge in zeitgenössischen Reiseberichten eine ergiebige Quelle. Diese gewährleisten Einblick in die zeremoniellen Gegebenheiten der Casa Ruspoli und geben Hinweise zum Aufführungsumfeld der Kantaten. Zu den fruchtbarsten Quellen zählen hierbei die Reisediarien von Adeligen 75 Vgl. hierzu die Ausführungen in dem Kapitel Die Verbindung Ruspolis zur Accademia degli Arcadi. 76 Vgl. stellvertretend Rolli, Componimenti und Crescimbeni (Hrsg.), Rime II. 77 Vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Atti Arcadia 2 (1696–1712) sowie 3 (1712–1721). Vgl. zu den zahlreichen arkadischen Handschriften das hilfreiche Verzeichnis von Tellini Santoni (Hrsg.), Inventario. 78 Vgl. A-Whh StAbt Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Karton 1–5 (Berichte und Weisungen). 79 Vgl. I-Rc Per est A 2.5–2.8. Dieser Bestand umfasst die Jahre 1704–1717. 80 Der Diario liegt in einer modernen Edition vor, vgl. Scano (Hrsg.), Diario, Bd. 4. 81 Die musikrelevanten Auszüge zur Gazzetta di Napoli finden sich bei Griffin, References. 82 Das Wiennerische Diarium steht in Teilen digital über die Plattform ANNO – AustriaN Newspapers Online zur Verfügung: http://anno.onb.ac.at/. 83 Der Corriere Ordinario ist online verfügbar: Vgl. http://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer. faces?doc=ABO_%2BZ185926401. 84 Vgl. den Abschnitt Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione.

Quellengrundlage

aus dem Reich, die aus einer Außensicht heraus zeremonielle, aber auch musikalische Spezifika zum Aufführungsrahmen wiedergeben, die aus römischen Quellen nicht hervorgehen. 85 Um die Kantaten des Wiener Repertoires in ihren ereignisgeschichtlichen Kontext einzubetten, wurden neben gedruckten Relationen, Zeitungen und Avvisi insbesondere die Zeremonialprotokolle und die älteren Zeremonialakten des Wiener Hofes ausgewertet. 86

Rekonstruktion des römischen Kantatenkorpus Archivalien des Archivio Ruspoli-Marescotti Zur Rekonstruktion des Kantatenkorpus stellen neben den Musikalien die Abrechnungsbücher des Hauses Ruspoli die Hauptquelle dar. Die einschlägigen Archivalien, Teil des Nachlasses der Familie Ruspoli-Marescotti, sind getrennt von den Noten im (bis Ende 2019 so benannten) Archivio Segreto Vaticano überliefert. Der Nachlass umfasst an die 2400 Archiveinheiten, wurde 1862 von Nicola Castelli geordnet und in einem Inventar von vier Bänden verzeichnet. 87 Ausgaben und Einnahmen des Principe wurden seit 1705 einerseits überblicksmäßig in den Libri mastri, andererseits detailliert in den Filze delle Giustif icazioni (in der Folge als Giustif icazioni bezeichnet) aufgelistet. 88 Die Giustif icazioni bestehen aus monatlichen Ausgabenlisten, denen die Originalrechnungen beigelegt sind. Die Auswertung der Haushaltsführung erlaubt einen tiefen Einblick in die Lebenswelt der römischen Familie: Neben Ausgaben für Musik finden sich solche für architektonische Umbauten an den Familienpalazzi, für Bilderkäufe sowie für Mahlzeiten und Kleidung. Da Antonio Caldara keine Bezahlung für einzelne Kompositionen erhielt, sondern ein monatliches Gehalt bezog, 89 sind in den Giustif icazioni keine Aufzeichnungen zu einzelnen Kompositionen zu finden, sondern lediglich die Gehaltsquittungen. Auf deren Basis ist es nicht möglich, über etwaige Aufträge für Kompositionen Rückschlüsse auf Kantaten zu ziehen. Wichtig für die Erforschung des römischen Kantatenkorpus sind daher die den Giustif icazioni beigefügten Rechnungen der Musikalienkopisten. Kantatenkopien wurden für

85 Vgl. hierzu die Ausführungen mit detaillierten Quellenangaben im Abschnitt Der äußere Rahmen für Kantatenaufführungen: Die Conversazione im Hause Ruspoli. 86 Vgl. die Materialien der einschlägigen Jahre in A-Whh OMeA ZP oder ÄZA. 87 Vgl. Pagano, Archivi 220–222. 88 Die Filze delle Giustif icazioni sind für die einschlägigen Jahre vollständig erhalten. Bei den Libri mastri besteht eine Lücke für die Jahre 1711 bis 1719. 89 Vgl. hierzu den Abschnitt Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione.

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Aufführungen, aber auch zu Sammlungs- 90 und damit verbundenen Repräsentationszwecken 91 erstellt. In seltenen Fällen wurden Kantaten kopiert, um sie im Anschluss zu verschenken bzw. zu verschicken. Einschlägige Marginalien wie »per donare« oder »Carta da lettere« wurden von den Kopisten auf den Abrechnungen vermerkt. 92 Mit wenigen Ausnahmen wurden die Kantaten von den Kopisten Tarquinio und Francesco Antonio Lanciani erstellt, wobei Francesco Antonio den überwiegenden Teil der Arbeit zwischen 1709 und 1716 leistete. 93 Auf den Abrechnungen sind die Namen von Komponist und Kopist verzeichnet. Zudem finden sich dort für gewöhnlich das Datum der Abrechnung, dasjenige der Beendigung der Kopie, der Titel der Kantate bzw. das Textincipit, die Angaben zur Instrumental- und Gesangsbesetzung sowie die Anzahl der kopierten Fogli 94. Der Großteil sind Sammelabrechnungen, wobei die Kopistenarbeit mehrerer Monate auf einmal bezahlt wurde. Mit der Abrechnung vom 30. November 1712 etwa werden all jene Kopien verrechnet, die von Juni bis September 1712 erstellt worden sind. 95 In der Regel wurden die Abrechnungen vor der Bezahlung von Caldara geprüft und gegengezeichnet.

90 Vgl. stellvertretend die Partitur zur Weihnachtskantate Vaticini di pace (D-MÜs Sant. Hs. 796), die 1716 abgerechnet wurde, vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni del Libro Mastro (in der Folge: Filza delle Giustificazioni), 1716 Tomo I, B 61 (Fasc. 17). Auf dem Titelblatt der Partitur findet sich der Hinweis, dass die Kantate bereits 1712 komponiert und wohl auch aufgeführt worden war: »Composta per S.E.Il. Sig.r Pnpe. Ruspoli / nell’anno 1712 per il d.to giorno Natalitio«. Im Gegensatz zu anderen Kantatenabschriften handelt es sich hier um eine Vollpartitur, Kopien für die Einzelstimmen fehlen, was wohl dahingehend interpretiert werden kann, dass es nicht zu einer erneuten Aufführung der Kantate kam und die Kopie lediglich zu Sammlungszwecken erstellt wurde. Für 1712 sind Abschriften der Stimmen für die Solisten sowie für das Concertino und das Concerto grosso, dafür aber keine Vollpartitur nachweisbar. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1713, Tomo II, B 55 (Fasc. 13). 91 Vgl. zu adeligen Bibliotheken Ago, Gusto, besonders 187–214. »An excellent collection of books was therefore a necessary complement to the furnishing of honorable people’s homes. In this respect books were not much different from paintings«, Ago, Gusto 188. Musikaliensammlungen, die – wie Melanie Wald-Fuhrmann feststellt – zum kulturellen Kapital in Rom gehörten, spielen bei Agos Analyse keine Rolle. Vgl. Wald-Fuhrmann, Orfeo 135. 92 Vgl. beispielsweise eine Abrechnung zur Kantate Astri di quel bel viso, die auf Carta da lettere kopiert wurde. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1715, Tomo I, B 59 (Fasc. 37) oder die Angabe: »E più Cantata con VV. d.° per donare Bireno il dì s’apressa«, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1714, Tomo II, B 58 (Fasc. 83). 93 Vgl. zu den Schriftproben U. Kirkendale, Caldara (2007), Anhang Bildteil 15–24. 94 Ein Foglio entspricht acht Seiten. Zehn Fogli wurden mit einem Scudo bezahlt. Vgl. hierzu die Angaben bei W. Kirkendale, Handschriften 67. 95 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1712, Tomo I, B 53 (Fasc. 85).

Quellengrundlage

Insgesamt rechneten die Kopisten im Zeitraum von 1709 bis 1716 an die 326 Kantatenkopien ab, wobei vollständige wie Teilpartituren berechnet wurden. Erhalten sind überwiegend vollständige Partituren. Bei den Teilpartituren können – je nach Besetzungsumfang – solche für Sängerinnen und Sänger sowie solche für Instrumentalisten unterschieden werden. Von den eigens für die Gesangsparts erstellten Teilpartituren sind nur mehr wenige erhalten, Beispiele sind die Kantaten Daliso, e Nice [Daliso intorno a queste] 96 und Lontananza [Non per pioggia]. 97 Neben diesen finden sich Teilpartituren, welche die Singstimme(n) und den bezifferten Basso continuo abbilden. Für das Concertino wurde im Regelfall eine Teilpartitur erstellt, die die Violinstimmen bzw. bei den Arien die Violinstimmen in Kombination mit dem Basso continuo (meist ohne Bezifferung) beinhaltet. 98 Die unterschiedlichen Abrechnungen zu der größer besetzten Kantate La libertà contenta zeigen die quellenkritischen Probleme auf: Erstmals wurde die Kantate unter ihrem Textincipit E quando cessarete am 14. September 1709 mit dem Verweis auf das Datum der Kopie vom 7. August desselben Jahres abgerechnet. Die Rechnung verzeichnet für das Originale (in dem Fall ist die vollständige Partitur und keine Teilpartitur gemeint) 13, für den Part von Clori fünf, für Tirsi vier, für die Teilpartituren des Concertino acht und des Concerto grosso drei Fogli. 99 Im darauffolgenden Monat wird eine Aggiunta – eine Musikalienergänzung – zu der nun mit dem Titel La libertà contenta bezeichneten Kantate abgerechnet, die sich in dreieinhalb Fogli niederschlägt und für die die Violinstimmen adaptiert werden mussten. Dafür wurden zweieinhalb Fogli benötigt. 100 Im Juni 1710 wurde das Originaletto ein weiteres Mal auf 14 Fogli (also auf acht Seiten mehr als das erste Originaletto) kopiert. 101 1716 kam es erneut zu einer Änderung des Notenmaterials, indem das Originale (wahrscheinlich das von 1710) und das Concertino in Bezug auf die Aria Vuol ch’avvampi verändert und ergänzt wurde. Das einzige zu dieser Kantate erhaltene Manuskript ist eine Partitur mit 112 Seiten. Der Umfang passt idealiter zur Angabe von 14 Fogli für das Origi-

96 Vgl. I-Rli Musica C 13. 97 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 773. 98 Vgl. zu dem Repertoire der Santini-Sammlung die einschlägigen Ausführungen von W. Kirkendale, Handschriften 68–69. 99 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47 (Fasc. 127). 100 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47 (Fasc. 132). 101 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1710, Tomo I, A 49 (Fasc. 62).

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naletto von 1710. 102 Dieses Beispiel zeigt, dass die Abrechnungen weit über rein Materielles hinaus Auskunft geben und darüber informieren, dass es zu Adaptionen bzw. Erweiterungen des Notentextes gekommen war, was wiederum den Schluss erlaubt, dass La libertà contenta mehrfach zur Aufführung gekommen ist. Allein an der erhaltenen Partitur sind diese Veränderungen nicht nachvollziehbar. Die Beschäftigung mit den Giustif icazioni ist daher eine außerordentlich gewinnbringende Möglichkeit, um neben Daten und Fakten zur Bezahlung mehr über die Kompositionen und deren Aufführungskontexte in Erfahrung zu bringen. Bezüglich der Kantate La libertà contenta ist der Umstand bemerkenswert, dass sie einmal unter dem Textincipit, ein anderes Mal unter ihrem eigentlichen Titel auf den Abrechnungen geführt wird. Solche abweichenden Angaben zu einer einzigen Kantate sind vor allem in jenen Fällen problematisch, bei denen das dazugehörige Notenmaterial zur Prüfung von Text und Besetzung nicht mehr greifbar ist. Aber selbst wenn die Manuskripte erhalten sind, ist eine eindeutige Zuordnung oft problematisch, wie am Beispiel einer Kantate für drei Stimmen im Zusammenhang mit vorliegenden Forschungsergebnissen veranschaulicht werden kann: Kirkendale verzeichnet in ihrem Index of Caldara’s works mentioned unter der Rubrik Cantatas a 3–5, Serenatas, Componimenti da Camera folgende zwei Kantaten: Nice lascia d’amar (Nice, Tirsi, Daliso) sowie Amor, senza amore (Nice, Tirsi, Daliso) 103. Die Kantatenkopie der Amor, senza amore 104 ist erhalten und weist das Textincipit Nice lascia d’amar auf. Vergleicht man das Material mit den Angaben auf den einschlägigen Abrechnungen Francesco Antonio Lancianis, zeigt sich, dass beide Kantaten nicht nur dasselbe Textincipit aufweisen, sondern auch dieselbe Besetzung mit drei Solostimmen, Violinen und den sehr selten eingesetzten Jagdhörnern. Kirkendale geht jedoch – ohne dies näher zu begründen – von zwei unterschiedlichen Kompositionen aus und ordnet Nice lascia d’amar einer Aufführung im September 1715 zu. Die Kantate stehe laut Kirkendale im Zusammenhang mit einem Besuch der Sängerin Margarita Durastante und den beiden Sängern Senesino (Francesco Bernardi) und Pietro Casati und sei »surely written expressly for these three famous singers«. 105 Amor, senza amore hingegen sei erst 1716 aufgeführt worden, bei einer Conversazione, die Ruspoli für den Besuch des bayerischen Kurprinzen Karl Al-

102 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1716, Tomo I, B 61 (Fasc. 17). Vgl. zur Partitur D-MÜs Sant. Hs. 770. 103 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 540. 104 Vgl. zum Notenmaterial D-MÜs Sant. Hs. 761. 105 U. Kirkendale, Caldara (2007) 102. Zu der Zuordnung von Kantatenaufführungen zu einzelnen Conversazioni siehe den Abschnitt Kantatenaufführungen und ihre Datierungsproblematik.

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brecht im April veranstalten ließ. 106 Trotz der unterschiedlichen Benennung der Kantaten in den Abrechnungen Lancianis (einmal mit Nice lascia d’amar und einmal mit Amor, senza amore) ist es aus zweierlei Gründen plausibel, von ein und derselben Kantate auszugehen. Lanciani verrechnete am 12. September 1715 eine Kantate für drei Stimmen, und zwar sämtliche »parti cavate« und keine Partitur. 107 Im Juli 1716 wurde dann die Partitur mit folgenden Angaben abgerechnet: »Cantata a 3 intitolata Amor senza amore con strom[en]ti e trombe da caccia messa in partitura dalle parti cavate.« 108 Die Angabe, dass die Partitur auf Basis von parti cavate erstellt wurde, ist unüblich. Möglicherweise hat Lanciani damit auf das kopierte Stimmmaterial von 1715 verwiesen. Ein weiterer Aspekt ist bemerkenswert: Kirkendale kann nachweisen, dass die Kantate Nice lascia d’amar in kurzer Zeit komponiert worden ist und dass das zu Ostern 1715 aufgeführte Oratorium La ribellione di Assalonne dieselbe Sinfonie aufweist wie Amor, senza amore. 109 Die Zeitnot könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass Caldara auf die Sinfonie zurückgriff und es zu keiner Neukomposition kam. Dies kann schließlich ebenso als Indiz dafür gelesen werden, dass es sich bei den von Kirkendale verzeichneten Kantaten um ein Werk, nicht etwa um zwei Werke handelt. Auch Warren Kirkendale verschmilzt in seinem aktuellen Artikel zu den Ruspoli’schen Musikmanuskripten in der Santini-Sammlung die vermeintlich zwei Kantaten stillschweigend zu einer. 110 Das Beispiel zeigt jedenfalls überdeutlich die Problematik, die im Zusammenhang mit der Rekonstruktion des Kantatenkorpus entsteht oder zumindest entstehen kann. Die ermittelten Zahlen zu den Kantatenkopien stellen daher lediglich eine, wenn auch valide, Annäherung dar. Die Grafik auf der nachfolgenden Seite zeigt die Verteilung der Musikalienkopien für Ruspoli während der Dienstzeit Caldaras. Darin enthalten sind alle Kantatenkompositionen, unabhängig von ihrem Besetzungsumfang. Von den 326 Musikalienkopien können nach derzeitigem Stand 134 Werke Caldara zugeschrieben werden. Die Differenz zur Gesamtzahl der Kopien ist 106 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 104. 107 »A di 12 settembre 1715 / Nice lascia d’amar Cantata à 3 con V.V. e Corni da Caccia del d[ett]° [Antonio Caldara] / La Parte di Nice f 5 / La Parte di Tirsi f 3 ½ / La Parte di Daliso f 3 ½ / Conc[erti]no f 6 / Viol [ino] P[rim]° conc[er]to grosso f 3 / Viol[ino] 2.° conc[er]to grosso f 6 / Corno P[rim]° da Caccia f 1 / Corno 2.° da Caccia f 1.« I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1715, Tomo I, B 59 (Fasc. 58). 108 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1716, Tomo I, B 61 (Fasc. 32). 109 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 380. 110 Vgl. W. Kirkendale, Handschriften 72. Die Kantate ist hier unter Nice lascia d’amar aufgelistet.

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Grafik 1: Kantatenkopien von 1709 bis 1716

wie folgt erklärbar: Einerseits wurden diverse Werke bzw. Stimmmaterial mehrfach 111 und andererseits auch Kantaten anderer Komponisten kopiert. Darunter fallen in diesen Zeitraum 26 Kompositionen Händels sowie vier von Nicola Antonio Porpora. Bei der Einordnung in Caldaras Kantatenrepertoire wurde geprüft, ob der Komponistenname bei der jeweiligen Kopie auf der Abrechnung genannt ist oder ob Musikalien erhalten sind, die auf seine Urheberschaft verweisen. Neben den genannten 134 ist bei weiteren 48 Kantaten eine Zuordnung zu Caldara wahrscheinlich, der eindeutige Beleg konnte indes noch nicht erbracht werden. 85 112 der 134 Kompositionen sind heute in Musikarchiven nachweis111 Vgl. beispielsweise die Kopien, die für die Kantate für drei Stimmen Riposan già erstellt wurden. Im Juni 1714 wurden erstmals die Einzelstimmen kopiert. Im Dezember 1714 wurde das am 5. Juli desselben Jahres kopierte Originale, d. h. die Partitur, abgerechnet. Im folgenden Jahr wurden im August die Stimmen Silvios und des Concertinos erneut kopiert, da diese umgeschrieben worden waren. Im Dezember wurde der Kopist erneut für eine Originale-Kopie bezahlt, die er am 28. September 1715 abgerechnet hatte. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1714, Tomo I, B 57 (Fasc. 54) sowie Tomo II, B 58 (Fasc. 83), Filza delle Giustificazioni, 1715, Tomo I, B 59 (Fasc. 58) sowie Tomo II, B 60 (Fasc. 118). 112 Die Serenata Chi si arma di virtù vince ogni affetto (D-MÜs Sant. Hs. 799) wurde hier nicht hinzugezählt, da sie für eine Freiluftveranstaltung am Samstag, den 27. August 1709 und nicht für eine Conversazione gedacht war. O del gran fabro eterno (D-MÜs Sant. Hs. 752) fällt ebenso

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bar, zum Teil mehrfach. Von diesen sind 79 mit der Besetzung für eine oder zwei Stimmen versehen und stellen das Gerüst der Untersuchung des römischen Repertoires dar. Bereits auf den ersten Blick auffällig an der obigen Grafik sind zwei Jahre, nämlich 1709 und 1715. Die hohe Anzahl von Kantatenkopien des Jahres 1709 ist dem Umstand geschuldet, dass darunter 21 Kantaten von Händel fallen. 113 Der Anstieg im Jahr 1715 ist einerseits mit dem erhöhten Kantatenbedarf nach dem abgeschlossenen Umzug der Familie Ruspoli in den Palazzo am Corso und andererseits mit dem baldigen Abschied des Komponisten aus Rom in Verbindung zu bringen. Dass 1716 lediglich vier Kopien zu Buche schlagen, erklärt sich hingegen daraus, dass Caldara gleich nach der Opern- und Oratoriensaison die Stelle bei Ruspoli aufgab, um nach Wien zu wechseln. Die Kantaten des Jahres 1716 von Francesco Gasparini, Caldaras Nachfolger, wurden bei der Grafik naturgemäß nicht mehr berücksichtigt.

Musikalische Quellen Autographes Material Von den oben angegebenen 79 Musikalien sind gut ein Drittel, genauer 26 Kantaten, als Autographe Caldaras identifizierbar. Neben der Diözesanbibliothek in Münster, die sechs autographe Werke besitzt, sind solche in folgenden Einrichtungen erhalten: Im Museo internazionale e biblioteca della musica di Bologna ist die umfangreichste Sammlung mit zehn Autographen überliefert, das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien besitzt sechs, die Staatsbibliothek Berlin, die Stiftelsen Musikkulturens främjande sowie die British Library jeweils zwei. Nach bisherigem Erkenntnisstand einmalig ist, dass die Kantate La viola mammola [Violetta vezzosetta] zwei Mal in Caldaras Handschrift vorliegt. Beide Versionen weisen lediglich marginale Unterschiede auf. Da jene der Stiftelsen Musikkulturens främjande auf den 15. Mai 1712 datiert werden kann, ist lediglich darüber zu spekulieren, welche früher entstanden sein mag. Alles in allem wirkt die Londoner Version mit den hinzugefügten Durchgangsnoten, den Verzierungsanweisungen in der Singstimme sowie der Zerlegung der aus der Reihe, da das Werk für die Preisverleihung der Accademia di San Luca 1710 am Kapitol komponiert wurde. Von den Weihnachtskantaten wurden nur jene berücksichtigt, die für die Conversazione vorgesehen waren. Caldaras Cantata da recitarsi la notte del SS.mo Natale [Vo’ piangendo e sospirando] (GB-Lam MS 46) wurde 1713 im Palazzo Apostolico aufgeführt und hier nicht berücksichtigt. Vgl. zu dem speziellen Repertoire für das Weihnachtsfest Zedler–Boschung, Allusione. 113 Vgl. U. Kirkendale, Documents (1967), Doc. 35.

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Achtelbewegungen in Sechzehntelläufe etwas leichtfüßiger. Möglicherweise ist diese Veränderung einer vor der Fertigstellung der zweiten Version gemachten Aufführungserfahrung geschuldet. 114 Das autographe Material ist vor allem hinsichtlich der Datierung und des Entstehungsortes eine wichtige Informationsquelle. Caldara versah 21 der 26 im Autograph vorliegenden Werke mit Datum und Ort der Beendigung. Der Wortlaut »Fine«, »Fine a« oder »Fine a dì« leitet im Anschluss an den letzten Takt der Komposition die Datierung ein. Ein typisches Beispiel ist das »Fine 13 Marzo 1711 Roma« der Kantate Filli convien ch’io parta. 115 Auf Grundlage der exakten Datierung des Komponisten sowie der Ortsangaben und weiterhin unter Berücksichtigung der Datumsangaben zu den Kantatenkopien kann das Kantatenschaffen für Ruspoli über die Jahre hinweg sehr gut nachgezeichnet werden. Der Erhaltungszustand der autographen Kantaten ist generell als gut zu bewerten. Alle sind vollständig überliefert, entweder als Einzelstück oder mit anderen Kantaten im Verbund. Die Autographe des Museo internazionale e biblioteca della musica di Bologna 116 liegen in einem Band, jene des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde zum überwiegenden Teil zu Kantatensets gebunden vor, wobei alle ausschließlich Musikalien des Venezianers umfassen. In den anderen Bibliotheken und Archiven sind die Autographe jeweils als Einzelstück überliefert. Der Komponist notierte seine Kantaten auf Quarto-oblongoNotenpapier und begann seine Kompositionen grundsätzlich auf einer neuen Lage, so dass in manchen Fällen Vakatseiten blieben. 117 Im Gegensatz zu dem Sammelband in Bologna, bei dem sämtliche Kompositionen von 1712 stammen, sind bei den Bänden des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde Kantaten unterschiedlicher Jahre zusammengefasst. 118 Oft sind die Wege, die die autographen Kantaten von ihrem ursprünglichen zu ihrem heutigen Standort genommen haben, intransparent. So konnte nicht geklärt werden, wieso zwei von ihnen, die innerhalb dreier Tage im Jahr 1712 geschrieben wurden, nun in Wien bzw. Bologna liegen. 119 Mit Sicherheit war ein großer Teil der Autographe im Gepäck Caldaras in die kaiserliche Metropole gekommen. Das erklärt auch, wieso heute in Wien überlieferte Kompositionen

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Vgl. S-Smf 376 sowie GB-Lbl Add. 34291. Vgl. A-Wgm A 401. Vgl. I-Bc DD 226. Vgl. beispielsweise die Vakatseiten in A-Wgm A 401. Vgl. beispielsweise A-Wgm A 400 und A 401. Es handelt sich hierbei um Astri di quel bel viso (A-Wgm A 401) und um Filli, e Tirsi (I-BC DD 226).

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der römischen Zeit zugeordnet werden können. 120 Im Rahmen dieser Arbeit wurde keine Einzelfallprüfung des Überlieferungsweges angestrebt, in ausgewählten Fällen konnten jedoch Indizien zu Tage gefördert werden. 121 Bei keiner der autographen Kantaten des Ruspoli’schen Repertoires konnte die Überlieferung bis dato jedoch lückenlos geklärt werden. In einigen Fällen geben Angaben auf den Musikalien Hinweise auf die jeweiligen (Vor-)Besitzer, etwa bei zwei Autographen der Staatsbibliothek Berlin, deren Vorbesitzer, Ludwig Landsberg, auf dem Material angegeben ist. 122 Trotz des erwähnten guten Erhaltungszustandes ist auf einige Auffälligkeiten einzugehen, insbesondere, weil diese im Zusammenhang mit Datierungen von Bedeutung sind. Viele Kantaten wurden aus bis dato nicht nachvollziehbaren Gründen an den Rändern beschnitten, so dass heute nicht mehr alle Datumsangaben und Anmerkungen von der Hand Caldaras lesbar sind. Das führte beispielsweise dazu, dass die Kantate Astri di quel bel viso 123 bei der Erstedition im Jahre 1932 im Revisionsbericht mit folgender Angabe bedacht wurde: »F(ine) / al 1 Aprile . . . in Vi(enna)«. 124 Simon von Molitor, einer der Ersten, die sich an einem Verzeichnis der Werke Caldaras versuchten, hatte das Material offenbar noch vor dem Zuschnitt gesehen, denn er verzeichnet die Kantate in seiner Liste mit folgender Angabe: »2 Aprile d[ito = 1712] Wienne«. 125 Nach erneuter Prüfung des autographen Materials müssen die divergierenden Tagesangaben auf den 7. April revidiert werden, die Jahresangabe Molitors hingegen erscheint plausibel, da sich Caldara im April 1712 in Wien aufhielt. 126 Für das Ruspoli’sche Kantatenmaterial gelang es im Rahmen dieser Untersuchung, alle sich aus dem Zuschnitt als problematisch ergebenden Datierungsfragen zu klären. 127

120 Neben den sechs Autographen des Ruspoli’schen Materials sind drei Kantaten in Wien erhalten, die aus der Zeit von 1709 bis 1716 stammen, aber nicht für Ruspoli kopiert wurden. 121 Die diesbezüglichen Ergebnisse werden an den einschlägigen Stellen diskutiert. 122 Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara A 12 und A 13. Vgl. hierzu auch o. A., Autographen. Hier sind sämtliche Autographen verzeichnet, die dem Nachlass Landsberg angehören, darunter die beiden genannten Kantaten. 123 Die Kantate ist zwar in Wien entstanden, wurde aber für Ruspoli kopiert. Vgl. zum Wienaufenthalt Caldaras 1712 die Ausführungen im Abschnitt Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione. 124 Mandyczewski (Hrsg.), Caldara 107. 125 A-Wn Mus. Hs. 19.239 XII, 34 v. 126 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 82–84. 127 Vgl. die exakten Datierungen in Anhang I.

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Charakteristisch für Caldaras Werkniederschrift sind aufführungspraktische Anweisungen wie »Li Violini suonano il Basso«. 128 Selten sind Korrekturen anzutreffen, wobei zwei Arten unterschieden werden können: solche im Bereich der Musiknotation und solche der Textgrundlage. Bei Ersteren wurden sowohl einzelne Noten korrigiert als auch Streichungen von kompletten Takten vorgenommen. 129 Das zweite Rezitativ der Astri di quel bel viso kann als Beispiel dienen, wobei der korrigierte Text nun in Teilen über und nicht, wie üblich, unter der Singstimme notiert ist. Da das autographe Material die Vor. lage für Kopien war, hat Caldara häufig das Faulenzerzeichen » /.« als Kürzung verwendet. Es diente dem Kopisten als Hinweis, eine bestimmte vorangegangene Musik- oder Textpassage noch einmal zu notieren. 130 Abschließend sei in diesem Zusammenhang eine weitere Besonderheit erwähnt: In einigen Fällen notierte Caldara Anmerkungen, die sich auf die Entstehungssituation des jeweiligen Werkes beziehen. So fehlt beispielsweise bei den beiden Kantaten Amor geloso 131 und Amor lontana 132 eine Datierung, dafür gibt Caldara bei Ersterer am Ende »Fine della freddura« und bei Letzterer »Fine della debolezza« an. Bei der Kantate E qual cosa che langue la sera, die vom 21. Januar 1716 in Rom datiert und nicht für Ruspoli kopiert wurde, wird Caldaras ironische Ader, die in den Bemerkungen zur Freddura und Debolezza lediglich anklingt, noch deutlich besser greifbar: Auf die Datierung »Fine al 21 Gennaio 1716 Roma« folgt folgendes Gedicht: Poeta dice: Alme deluse, udite: Stanno sempre vicine Alle Rose odorose Ancor le spine. Musico risponde: Alme gentili, udite: Quest’ è cantata assai ladra e perversa Perché il Caldara la sua vena ha persa. 133

Dass Caldara seine »vena« 1716 nicht verloren hatte, spiegelt sein nachfolgendes Schaffen für den Wiener Kaiserhof eindrücklich wider. Auch auf autographen 128 Vgl. stellvertretend La Zenobia, A-Wgm A 400. 129 Vgl. stellvertretend Risposta al genio, D-MÜs Sant. Hs. 788, Rezitativ Mi avviddi allor. 130 Vgl. stellvertretend die zweite Arie Contento il core der Kantate Il genio, GB-Lbl Egerton, 2464, no. 2, bei der das Zeichen für die erneute Niederschrift der ersten Verszeile zu interpretieren ist. 131 Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara A 12. 132 Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara A 13. 133 Vgl. A-Wgm A 401.

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Werken der Wiener Zeit finden sich ähnlich gelagerte Notizen. Auf sie wird im Abschnitt zu den Autographen des Wiener Repertoires näher einzugehen sein. Kantatenkopien Kantatenkopien wurden für zwei Zwecke erstellt: Zum einen dienten sie als Aufführungs-, zum anderen als Repräsentationsmaterial, um in (meist) repräsentativen Einbänden den Adelsbibliotheken einverleibt zu werden. 134 Wie erwähnt, waren die Hauptkopisten Caldaras in Rom Francesco Antonio und Tarquinio Lanciani. Sie legten Reinschriften in Form von Voll- und Teilpartituren vor, die beiden genannten Zwecken dienten. Abweichungen zwischen Kopie und Autograph finden sich in marginalem Ausmaß und kommen vor allem dann vor, wenn es um spielpraktische Aspekte geht. Anhand der Arie Quanto e mai quanto der Soprankantate Risposta all’amor perfetto lässt sich dies veranschaulichen: Beim Einsatz der Singstimme notiert Caldara »Li violini suonano la parte che canta«. Francesco Antonio Lanciani übernahm diese Angabe nicht, sondern schrieb die mit der Singstimme unisono geführte Violinstimme gesondert aus, die Angabe »piano« ergänzend. Diese Vortragsvorschrift ist für die Arie im Original nicht gefordert. Auch beim letzten Teil der Sinfonia ergänzt Lanciani die im Autograph nicht vorhandene Tempovorschrift »Allegro«. Dies liegt – ähnlich wie bei der Arie – weniger in der Freiheit begründet, die sich der Kopist bei solchen Ergänzungen herausnahm, als in der intimen Kenntnis von Caldaras Gewohnheiten. Bei der Wahl der Führung von Gesangs- und Violinstimme im Unisono sah dieser nämlich im Regelfall die Vorschrift »piano« für die Instrumentalstimme vor, und bei der Sinfonia entspricht die Tempobezeichnung »Allegro« beim Schlusssatz den üblichen Angaben des Komponisten. 135 Quellenkritische Partiturstudien haben gezeigt, dass Händel eigenhändig Korrekturen, Ergänzungen und sogar Textunterlegungen in den Kopien vorgenommen hatte. 136 Vergleichbares konnte im Zusammenhang mit den Kantatenkopien Caldaras nicht festgestellt werden. Der Großteil der Ruspoli’schen Kantatenkopien ist über den Musiksammler Abbate Fortunato Santini (1778–1861) im 19. Jahrhundert an die Diözesanbibliothek Münster gekommen. Die Frage, wie Santini in den Besitz dieser Musikmanuskripte kam, ist bis dato ein Desiderat der Forschung. Sie konnte 134 Vgl. zum Zweck der Sammlung Murata, Cantata sowie exemplarisch die Ausführungen zur Weihnachtskantate Caldaras Vaticini di Pace von Zedler–Boschung, Allusione 94–99. 135 Vgl. zu der formalen Gestaltung der Sinfonie Kapitel Innere Ausformung. 136 Vgl. Jones, Überlieferung 366. Die Textunterlegungen betrafen die nichtitalienischen Kantaten Sans y penser (HWV 155) und Nò se emenderá jamás (HWV 140).

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auch im Zuge der wissenschaftlichen Aktivitäten rund um Santinis 150. Todesjahr, 2011, nicht geklärt werden. 137 Im Gegensatz dazu wurde detailliert aufgearbeitet, wie Santinis reichhaltige Notensammlung den Weg nach Münster fand – er verkaufte sie über Johann Bernhard Quante an das Bistum. Bis zu seinem Tod war die Sammlung aber nicht transloziert, sondern am Campo Santo Teutonico im Vatikan untergebracht, wo der Abbate sie nutzen und bearbeiten konnte. 1862 wurden die Musikalien dann ins Münsteraner Diözesanmuseum überführt. Erst knapp ein Jahrhundert später, 1958, wurden sie der Bibliothek des Priesterseminars einverleibt und stehen seit 2006 im Santini-Lesesaal der Forschung zur Verfügung. 138 Heute sind in der Santini-Sammlung 46 Kantatenkopien des Ruspoli’schen Repertoires enthalten, die nicht zu umfangreicheren Kantatenbänden zusammengefügt wurden – wie dies beispielsweise bei der Sammlung von Francesco Antonio Lancianis Kopien in US-NH Misc. Ms. 35 der Fall ist. Sie liegen in Münster als Einzelbände vor. 139 Weitere Kantatenkopien 140, die mit den Hauptkopisten der römischen Zeit in Verbindung zu bringen sind, können in Archiven Italiens, Großbritanniens bzw. in den Vereinigten Staaten nachgewiesen werden. Die Musikbibliothek der Yale University 141, die Music Collection of St. Michael’s College, Tenbury 142 und das Civico Istituto Musicale Gaetano Donizetti besitzen Manuskripte aus der Hand der Lancianis. 143 Daneben ist die reichhaltige Musikaliensammlung in Meiningen für das Repertoire von Bedeutung. Diese geht auf Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen zurück. Sie ist heute Teil der Sammlung des Max-Reger-Archivs der Meininger Museen. 144 Dort finden sich zwar überwiegend Kantaten, die der Wiener Zeit Caldaras zuzurechnen sind, aber auch 137 Vgl. Ammendola–Schmitz (Hrsg.), Sammeln sowie dies. (Hrsg.), Musices. 138 Vgl. zur wechselvollen Geschichte der Sammlung Ammendola, Rom 40–47; vgl. auch Bölling, Schule 262–263. Vgl. zu Caldaras Musikalien der Santini-Sammlung W. Kirkendale, Handschriften 70–74. Die Kantaten der Santini-Sammlung sind bereits vollständig in RISM erfasst. 139 Aus den Abrechnungen der Buchbinder an das Haus Ruspoli geht hervor, dass die Kantaten einzeln gebunden wurden. Vgl. zu den Abrechnungen stellvertretend I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1713, Tomo II, B 56 (Fasc. 154): »Adi P.° 8bre Per n.° 19 libri de Cantate legati in Cartone fino con Sua Carta Pecora nel Copro e à tutti fattoci il Suo titolo d’accordo come il solito baiochi 12 ½ l’uno 2,37 ½«. 140 Vgl. dazu die Übersicht im Anhang I. 141 Vgl. die zu einem Band gebundenen fünf Kantaten, US-NH Misc. Ms. 35. 142 Vgl. GB-Ob Tenbury 1347. 143 Vgl. I-BGi XXVIII 8544C. 144 Vgl. zu den Kantaten der Meininger Musikaliensammlung grundlegend Bennett, Collection sowie jüngst allgemein zur Musikaliensammlung Goltz, Schicksal. Vgl. zu Anton Ulrich darüber hinaus Erck–Schneider, Musiker sowie Goltz, Libretti-Sammlung.

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einige, die er vor seiner Anstellung als Vizekapellmeister komponiert hatte. Darunter fallen fünf Kompositionen, die dem Ruspoli’schen Repertoire zugerechnet werden müssen. 145 Zwei dieser fünf Kantaten sind, anders als es das autographe Material vorsieht, für Sopran und nicht für Alt erhalten. 146 Nur im Ausnahmefall liegen heute Kantaten in mehr als zweifacher Überlieferung vor, wobei die Soprankantate L’Olimpia [Bireno il dì s’appressa] am häufigsten reproduziert wurde. Zeitgenössische Kopien sind in fünf verschiedenen Archiven nachweisbar. 147 Eine der L’Olimpia-Kopien ist Teil der bemerkenswerten Kantatensammlung D 1729 der Bibliothèque nationale de France. Dieser Kantatenband ist aufgrund seiner Zusammenstellung und seiner (verglichen mit den für Ruspoli erstellten Kopien) Abweichungen im Notentext exemplarisch hervorzuheben. Neben den beiden 1714 erstmals kopierten Kantaten, L’Olimpia und La Medea, sind ausschließlich Kantaten Caldaras in dem Band zu finden, die 1709 in den Giustif icazioni zum ersten Mal genannt werden. Es handelt sich um die Kantaten Il perché, Belle mie voi siete rose sowie Quante lagrime. Bemerkenswert ist, dass den Titeln der Kantaten L’Olimpia, La Medea und Quante lagrime – alle dem Ruspoli’schen Repertoire zugehörig – der Titelzusatz »Mastro di Cappella di S[ua] M[aestà] C[attolica]« beigefügt ist. Diese Titulatur wurde von Caldara ausschließlich in den Jahren 1711 und 1712 geführt, als er zum Kapellmeister des spanischen Königs Karl III. ernannt worden war. 148 Wieso bei diesen drei Kantaten der explizite Hinweis auf die Titulatur erfolgte, sie aber bei den anderen Werken Caldaras dieser Sammlung fehlt, bleibt einstweilen unklar. Möglicherweise lässt sich auf Basis der Titulatur ableiten, dass die Kantaten La Medea und L’Olimpia bereits einige Jahre vor ihrer ersten nachweisbaren Kopie für Ruspoli (1714) entstanden waren. L’Olimpia, La Medea und Il perché sind als Kopien von Francesco Antonio Lanciani in der Santini-Sammlung erhalten, während Belle mie voi siete rose und Quante lagrime ausschließlich in F-Pc D 1729 überliefert sind. Da Mehrfachkopien so selten vorkommen, ist es interessant festzustellen, dass zwischen den Kantatenkopien 145 Das sind: Lungi dall’idol mio (D-MEIr Ed 82c [Ed 109i]), Astri di quel bel viso (D-MEIr Ed 118 r), Filen, Fileno ingrato (D-MEIr Ed 118 r), Filli convien ch’io parto (D-MEIr Ed 118u) sowie Ninfe e pastori che nel cor nutrite (D-MEIr Ed 118 v XI 4692/V NHs 34). 146 Vgl. Astri di quel bel viso (D-MEIr Ed 118 r) und Filli convien ch’io parto (D-MEIr Ed 118u). Wieso es zu der Transposition kam, konnte nicht geklärt werden. 147 Vgl. GB-Ob Tenbury 1347, US-Cu MS f 442, pp. 179–198, I-Rama A.Ms.3702 sowie US-NH Misc. 165/8; F-Pc D 1729. Die letztgenannte Kopie kann auf das Jahr 1719 datiert werden. Der Kopist Lobreau, der drei Caldara-Kantaten des Bandes US-NH Misc. 165 verantwortet, hat jene von La Medea am Ende der Kantate mit dem Hinweis »Lobreau fecit 1719« versehen. 148 Auf diese Anstellungskonstellation wird im Abschnitt Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione näher eingegangen.

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Lancianis und denen in F-Pc D 1729 auffällige Abweichungen bestehen. Diese betreffen die Bezifferung des Basso continuo, Tempovorschriften und Spielanweisungen. Beispielsweise fehlen in der Abschrift in F-Pc D 1729 bei der ersten Arie von L’Olimpia, Và mancator di fe, die Tempovorschrift Allegro, bei den Takten 9, 11 und 23 die einschlägigen Forte- und Piano-Vorschriften sowie in der zweiten Arie Venti più f ieri alzatevi die Angabe »unisono« bei der Violinstimme. Bei der letzten Arie Tornin poi wurde im Kontrast zur Abschrift Lancianis eine Violastimme eingefügt, so dass die Arie vier- statt dreistimmig gesetzt ist. Auch bei La Medea lassen sich ähnlich gelagerte Abweichungen finden. Am deutlichsten treten sie im Accompagnatorezitativ Voi del baratro orrendo hervor, dem eine bezifferte Basso-continuo-Stimme hinzugefügt wurde. In der Lanciani-Handschrift übernehmen zusätzlich die Violinstimmen Begleitfunktion im Bass. Offensichtlich wurde La Medea für eine veränderte Aufführungskonstellation um eine Violastimme ergänzt. Besonders bei Kantatenkopien wie Belle mie voi siete rose und Quante lagrime, die nur einmalig überliefert sind und nicht zu den Kopien für Ruspoli gezählt werden können, war dieser Umstand für die Musikanalyse relevant. Rekonstruktion des Wiener Kantatenkorpus Anders als in Rom, wo Kopistenrechnungen eine luzide Quelle der Kantatenforschung darstellen, helfen die Aufzeichnungen der Kameralzahlamtsbücher des Wiener Hofes bei der Rekonstruktion des Kantatenrepertoires nur in sehr begrenztem Maße weiter. Caldara bezieht als Vizekapellmeister ein regelmäßiges Gehalt. Dieses ist in den Kameralzahlamtsbüchern festgehalten, Ausgaben für Notenkopisten und -kopien fallen zwar an, detaillierte Quittungen, wie sie im Bestand der Ruspoli’schen Giustif icazioni erhalten sind, fehlen indes. 149 Dies machte die Auswertung zeitgenössischer Inventare und Verzeichnisse für die Rekonstruktion des Repertoires unabdingbar. 150

149 Vgl. beispielhaft für den fest angestellten Kopisten am Wiener Hof Marc’Antonio Maccarinelli A-Wös FHKA SUS KZAB 18 (1731), 121 r (Eintrag 810): »Copisten. Marco Antonio Maccarinellj an jährl. 400 fl: die gebühr auf obige zeit. lauth drey Quitt: N:o 1111[,] 3176[,] 5215 300 [fl]« bzw. für Musikalienkopien A-Wös FHKA SUS KZAB 27 (1740), 347 r (Eintrag 2668): »[. . . ] dem kays. Hofkopisten Anton Amiller wegen in die Kays: Hof-Capellen in N:o 739: eingelieferten Musicalischen Copiaturen die hievor lauth verord: Specification und 4 Quittungen [. . . ] 473,27 fl«. 150 Teile der folgenden Ausführungen bauen auf dem Artikel Zedler, Kantatenschaffen auf, wurden aber erweitert.

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Verzeichnisse und Inventare Der erste Zugriff bei der Rekonstruktion des Wiener Repertoires erfolgte über den aus dem 18. Jahrhundert stammenden Catalogo delle compositioni musicali, der u. a. jene Musikalien verzeichnet, die am Hof Karls VI. komponiert und aufgeführt wurden. Kantaten sind zwar nur in einzelnen Fällen mit detailliertem Titel benannt, der Katalog gibt dennoch Auskunft über den quantitativen Umfang der Kantatenpflege sowie über Anlass und Ort der Aufführung und noch über den Ort 151, an dem die Musikalien einst aufgestellt waren. Des Weiteren wurden Verzeichnisse konsultiert, die aus komponistenspezifischer Perspektive seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind. Grundlage für die in Anhang II zusammengestellte Liste waren die Aufstellungen bei Robert Eitner 152, Aloys Fuchs 153, Felix Kraus 154, Eusebius Mandyczewski 155, Simon von Molitor 156, Barrie L. Greenwood 157, Kirkendale 158, Romagnoli 159 und Pritchard 160. Die in den letzten Jahren zu Caldara wesentlich erweiterten bibliographischen Angaben in RISM 161 sowie zahlreiche Bibliotheks-, Archiv- und

151 Ein Band mit Kantaten »intitulate d’Elisa« ist laut dem Catalogo in den privaten Räumlichkeiten von Kaiserin Elisabeth Christine aufbewahrt worden. Vgl. Catalogo delle Compositioni Musicali. Continente, Oratori Sacri, Componimenti da Camera, Serenate, et Opere. Composte, e rappresentate sotto il Gloriosissimo Governo della S[acr]a Ces[are]a e Real Catt[oli]ca M[ae]stà di Carlo VI. Imperadore de Romani sempre Augusto. dall A[nn]o 1712. Con un’Appendice in f ine d’alcune Compositioni rappresentate in Tempo, che regnarono gl’Aug[ustissi]mi Imp[erato]ri Leopoldo, e Giuseppe I:mi di sempre gloriosa Memoria: consistente di Sepolcri, Oratori Sacri, Componimenti da Camera et Opere. Compresovi le altre simili Composizioni Musicali dedicate humilissimamente alla stessa Ces[are]a e Real Cattolica Maestà di Carlo VI. Da diversi Autori, A-Wn Mus. Hs. 2452, Inv. I Karl VI. 1 (in der Folge: Catalogo delle Compositioni Musicali, A-Wn Mus. Hs. 2452, Inv. I Karl VI. 1). 152 Vgl. Eitner, Quellen-Lexikon 2 272–279. 153 Vgl. Aloys Fuchs, Materiale zur Zusammenstellung eines thematischen Catalogs über sämtliche Werke des Antonio Caldara kk. Vizehofkapellmeisters in Wien. 1830–1852, D-B HB VII Kat. Ms. 526, 2. Heft. 154 Vgl. Kraus, Biographie. 155 Vgl. Mandyczewski, Zusatzband 93–95. 156 Vgl. Simon von Molitor, Biographische und kunsthistorische Stoffsammlungen zur Musik in Oesterreich [. . . ] Pars XII, A-Wn Mus. Hs. 19239 XII. 157 Vgl. Greenwood, Caldara. 158 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 542–544. 159 Vgl. Romagnoli, Caldara. 160 Vgl. Pritchard, Caldara. 161 Unter anderem wurde vor wenigen Jahren der vollständige Bestand an Kantaten Caldaras aus dem Meininger Max-Reger-Archiv in RISM verzeichnet. Carmen Rosenthal sei im Zusammenhang mit diesem Bestand für den hilfreichen Austausch herzlichst gedankt.

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Sammlungskataloge wurden ebenso konsultiert. Zu Letzteren sei ein Beispiel stellvertretend herausgegriffen: Für die Identifizierung des zentralen Bestands von Kantaten Caldaras im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde war es unabdingbar, die dort aufbewahrten Musikalien mit den genannten Listen abzugleichen, da sich im Laufe der Zeit Bestands- und Signaturveränderungen ergeben haben. Von besonderer Bedeutung waren die Verzeichnisse von Molitor, Fuchs und Kraus. Molitors biographische Aufzeichnungen zu Caldara und die dazugehörige Werkliste liefern die umfangreichsten Informationen. Die Liste stellte die bedeutendste Quelle zur Rekonstruktion des Wiener Kantatenkorpus dar. Molitor fasste die Stücke mit Kantatencharakter summarisch unter den Hauptbegriffen »Dramatische Werke« bzw. »Dramatische Musik«, »Kammerund Festmusiken, Serenaden und Cantaten für mehrere Stimmen und Orchester« zusammen 162 und führte 128 Kompositionen auf. Das Verzeichnis wurde auf Basis der Musikalien in der Hofbibliothek (heute: Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek) bzw. im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde erstellt, wobei Molitor auch Angaben Leone Allaccis 163 berücksichtigte 164 und mit Raphael Georg Kiesewetter 165 zu bestimmten Fragestellungen korrespondierte. Molitor verzeichnete nicht allein den Titel der Werke, sondern auch wichtige Angaben zur Besetzung und den Tonarten und fügte, sofern auf dem musikalischen Material vermerkt, Daten zu Kompositions- bzw. Aufführungszweck, zum Entstehungszeitpunkt, -ort und zu den Textdichtern hinzu. 85 Werke, die Molitor als Autographe verzeichnet, wurden von ihm dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde zugeordnet. Einige hiervon befinden sich heute nicht mehr am ursprünglichen Aufbewahrungsort, wie beispielsweise die Kantate V ’ingannaste, ò pensieri, die über Fuchs in das Stiftsarchiv Göttweig

162 Es befinden sich in Molitors Katalog, wie aus seiner Kategorisierung hervorgeht, neben Kantaten auch größere Kammer- und Festmusiken, die er aufgrund ihres Umfangs (Länge und Besetzung) von den Opernkompositionen abgrenzt. Es fallen darunter »Serenade«, »Feste musicali«, »Feste di Camera«, »Componimenti da camera«, »Servizi di camera«, »Pastorali«, die neben groß angelegten Werken der Bezeichnung »Cantata di Camera à 3 voci« oder »Cantata piacevola à 4 Soprani« stehen. Die Titulierungen richten sich demnach weniger nach musikinhärenten Kriterien als vielmehr nach den äußeren Anlässen. 163 Vgl. Allacci, Dramaturgia. 164 Beispielsweise gibt Molitor bei Il Giubilo della Salza an: »Nach Allacci hier nicht vorhanden«, Simon von Molitor, Biographische und kunsthistorische Stoffsammlungen zur Musik in Oesterreich [. . . ] Pars XII (in der Folge: Simon von Molitor, Stoffsammlungen), A-Wn Mus. Hs. 19239 XII, 31 v. 165 Vgl. Simon von Molitor, Stoffsammlungen, A-Wn Mus. Hs. 19239 XII, 54 r.

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kam. 166 Ein zweites eindrückliches Beispiel ist der Band mit 24 Basskantaten 167, die Caldara 1730 komponierte. Noch Molitors Liste weist eine Sammlung dieser Größe auf. Später wurde die eigenhändige Angabe Caldaras »XXIV« auf dem Titelblatt der erhaltenen Musikalien auf »XVIII« abgeändert. Fünf der sechs dem Band entnommenen Kantaten kamen in den Besitz des Autographensammlers Aloys Fuchs. 168 Ein dem Kantatenband beigefügtes undatiertes Blatt gibt nähere Auskunft zu diesen Werken: Es stammt von der Hand Eusebius Mandyczewskis, der vermerkte, dass L’oro in den Besitz des musikhistorischen Museums von Heyer in Köln gekommen war und La virtù, Tirsi geloso, Sogno sowie La primavera 1886 von Liepmannssohn versteigert wurden. 169 Mit Ausnahme von La virtù konnten diese Werke wieder nachgewiesen werden. Die sechste Kantate, Aura de’ miei respiri, liegt heute in der Nationalbibliothek in Paris. Ein Einlegeblatt mit Angaben von Fuchs verweist direkt auf den Musikaliensammler: Abb. 1: Einlegeblatt von Aloys Fuchs, F-Pn Ms 1677, darunter: Beginn der Basskantate Aura de miei respiri

Nach der Auswertung der Auflistungen und der Zuordnung der erhaltenen Musikalien konnten 101 Kantatenmanuskripte Caldaras für eine oder zwei 166 Vgl. A-Gö Mus. Ms. 4029. Nach der Prüfung der Kantate in Göttweig konnte der Titel gegenüber den Angaben (Vingannasce o pensieri) von Schaal revidiert werden. Vgl. Schaal, Fuchs 235. 167 Vgl. A-Wgm A 403 sowie eine zeitgenössische Kopie der Kantaten in A-Wn Mus. Hs. 17580. 168 Vgl. Schaal, Autographen 41. Schaal führt zudem die Kantate Da te, che pasci ognora (D-B Mus. Ms. Aut. Caldara A 7) an sowie weitere acht Kantaten ohne Titel, die auf Grundlage der wenigen Angaben nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. 169 Vgl. auch die diesbezüglichen Angaben zur Versteigerung bei Schaal, Autographen 41.

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Stimmen als Kompositionen für den Kaiserhof klassifiziert werden. Wie für das römische kann auch im Fall des Wiener Repertoires flächendeckend lediglich eine quantitative Annährung vorgenommen werden. Im Idealfall ist neben der autographen Musikhandschrift die zeitgenössische Musikalienkopie eines Hofkopisten erhalten, so dass die Zuordnung eindeutig erfolgen konnte. Bei einigen Kantaten verweist darüber hinaus das Titelblatt auf den höfischen Aufführungsanlass. In einem Fall verrät es, dass ein Kantatenband dem Kaiser in der Sommerresidenz Favorita »presentate«, also überreicht, wurde. 170 Bei 88 Kantaten konnte dergestalt die Zuordnung zum Kaiserhof eindeutig erfolgen. Bei den restlichen 13 Werken, die wohl aus dem Jahr 1712 stammen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch sie für den Wiener Hof kopiert wurden und nicht während Caldaras Tätigkeit dort entstanden sind. Dass dies durchaus vorkam, zeigen die zwölf Solokantaten, die der Komponist 1719 dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August widmete. 171 Die Analyse von Umfeldquellen hat gezeigt, dass es neben den 101 Kantaten weitere gab, die aufgrund ihrer Besetzung und ihrer Zuordnung zum Kaiserhof für die Arbeit von Bedeutung gewesen wären – sie müssen indes als verloren gelten. In den Tagbüchern, die für Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen geführt wurden, fand sich für das Jahr 1727 beispielsweise ein Eintrag, der auf die Kantate Caldaras La Corona di Rosa verweist. Diese habe »die 2. junge Erzherzogin 172 auf ihro Kay. Majs. Geburtstag gesung«. 173 Im darauffolgenden Jahr wurde vermerkt, dass dem kaiserlichen Kopisten »von ein Festa di Camera 174 von Caldara, so die 2. Erzherzogin, auf das Carneval 1728 absingen solle« 175 4,10 fl gezahlt wurden. Im Zusammenhang mit der zweitgeborenen Erzherzogin steht auch eine Kantate, die Molitor als »Cantata à Soprano solo, Violino Solo e Basso« 176 ohne die sonst üblichen weiteren Titelangaben auflistet und im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde verortet. Laut Molitors Aufzeichnungen sei sie für den Namenstag von Erzherzogin Maria Theresia im Jahre 1733 entstanden und von ihrer Schwester Maria Anna gesungen worden. Auch diese Kantate konnte nicht aufgefunden werden.

170 Vgl. A-Wgm A 403. 171 Vgl. D-Dl Mus. 2170-J-1. Zu dieser Kantatensammlung vgl. Zedler, Tributo. Diese Werke sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. 172 Es handelt sich hierbei um Erzherzogin Maria Anna (1718–1744). 173 D-MEII GA XV T, Eintrag vom 19. September 1727. 174 Häufig verbergen sich unter dem Begriff »Festa di camera« Kantatenkompositionen. 175 D-MEII GA XV T, Eintrag vom 11. Januar 1728. 176 Simon von Molitor, Stoffsammlungen, A-Wn Mus. Hs. 19239 XII, 32 r.

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Musikalische Quellen Autographes Material Von den 101 Kantaten des Wiener Repertoires liegt fast exakt die Hälfte, nämlich 52, in der Handschrift Caldaras vor. Es handelt sich ausschließlich um Partituren, die mit nur sechs Ausnahmen im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde überliefert sind. Wie schon für das römische Repertoire festgestellt werden konnte, sind diese im Regelfall von Caldara datiert und mit dem Entstehungsort versehen worden. So ist die Feststellung möglich, dass Caldara einen Großteil seiner Kantaten für eine bzw. zwei Stimmen in zeitlich sehr knappem Abstand komponierte. Ein Band mit zwölf Kantaten etwa entstand zwischen dem 30. Mai und dem 10. Juni 1729, jener mit 24 Basskantaten zwischen dem 29. Juni und dem 19. August 1730. 177 Der überwiegende Teil des autographen Repertoires kam über Erzherzog Rudolph (1788–1831), den ersten Protektor der Gesellschaft der Musikfreunde, in deren Archiv, 178 da Rudolphs reichhaltige Musikaliensammlung 1834, drei Jahre nach seinem Tod, von Kremsier nach Wien überführt und dem Archiv einverleibt wurde, 179 wofür die als »Rudolfinum« bezeichneten Räumlichkeiten eigens eingerichtet wurden. 180 Noch heute ist mit »Rud. fas. 110 (unten)« und ähnlichen Angaben das Rudolphinische Erbe auf den Musikalien Caldaras erkennbar. 181 Auf welchem Wege der Erzherzog in den Besitz der Autographe Caldaras kam, ist bis dato ungeklärt. Vermutlich wurden nach dem Tod des Komponisten die verbliebenen Musikalien, worunter auch Werke aus der römischen Zeit fielen, von seiner Frau Caterina verkauft. 182 Neben den autographen Handschriften des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde haben sich zwei in der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu

177 Vgl. A-Wgm A 402 sowie A 403. 178 Vgl. Kowaschitz, Kardinal 62. 179 Drei Inventare geben zu diesem Nachlass Auskunft, listen aber Kantatentitel lediglich bei den größer besetzen Werken auf. Vgl. A-Wn Mus. Hs. 2491: Inventarium über die aus dem Nachlasse Sr. k. k. Hoheit des Erzherzog Rudolph, Cardinal, Erzbischof von Ollmütz an die Gesellschaft der Musikfreunde Wien’s als Legat übergegangenen Partituren (aus dem k.k. Hofmusik. Archiv stammend). Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde sind zwei Verzeichnisse erhalten, die Auskunft über die Musikaliensammlung geben. Auch hier findet sich keine vollständige Auflistung der Kantaten, vgl. A-Wgm 1268 33. 180 Vgl. Kowaschitz, Kardinal 79. 181 Vgl. stellvertretend die Angabe auf dem Einband von A-Wgm A 401. 182 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel Caldaras Kantatenschaffen für den Kaiserhof.

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Berlin 183 und je eine in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek 184, in der Stiftelsen Musikkulturens främjande in Stockholm 185, in der Nationalbibliothek in Paris 186 sowie in der Historical Society of Pennsylvania Library in Philadelphia 187 erhalten. Die autographen Manuskripte sind in einem guten Erhaltungszustand und vollständig überliefert. Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde sind sie mit einer Ausnahme 188 zu Sets gebunden, in den anderen Einrichtungen als Einzelstücke aufbewahrt. Seit Molitors Auflistung haben sich bei der Bindung der Musikalien im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Veränderungen ergeben. Die quantitativen Veränderungen des Bandes mit ehemals 24 Basskantaten wurden schon angesprochen, 189 jene Kantaten, die Molitor unter einem »Band mit 6 Cantaten« 190 aufführt, sind heute in veränderter Anordnung in einem Band mit zehn Kantaten zu finden. 191 In einer modifizierten Ordnung liegen auch die Kantaten des Bandes A-Wgm A 402 vor, so dass sich beispielsweise statt der ehemals ersten Kantate Questo che all’erbe intorno nun die fünfte Vicino a un rivoletto am Beginn findet. 192 Wie bei dem römischen Repertoire wurden auch hier einige Musikalien an den Seitenrändern beschnitten, woraus im Falle der Wiener Kantaten aber keine Datierungsprobleme resultieren. 193 Anders als auf den römischen Autographen finden sich transalpin selten zusätzliche Notizen von Caldaras Hand. Die eindrücklichste ist jene zur Cantata in risposta della gelosia in lontananza 194, die bald nach seiner Ankunft in Wien (8. August 1716) datiert, zu der er »ed assai ladra« notiert hatte. 195

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189 190 191 192 193 194 195

Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara, A 10. Vgl. A-Wn Mus. Hs. 16435. Vgl. S-Smf MMS 375. Vgl. F-Pn Ms 1677. Vgl. US-PHhs Gratz Collection Case 13. Es handelt sich hierbei um die Basskantate Tirsi geloso (A-Wgm A 403a), die ehemals dem Kantatenset der 24 Basskantaten A-Wgm A 403 angehörte und 1886 bei Liepmannsohn versteigert wurde. 2009 wurde diese Kantate vom Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde zurückgekauft. Vgl. A-Wgm A 403. Simon von Molitor, Stoffsammlungen, A-Wn Mus. Hs. 19239 XII, 32 v. Vgl. A-Wgm A 404. Zu diesem autographen Band liegt eine Kopie vor, die noch die ursprüngliche Anordnung aufweist. Vgl. GB-Lcm 104. Vgl. beispielsweise die Basskantate Sento nel petto mio, A-Wgm A 403 (7), bei der sogar einige Notenköpfe beschnitten sind. Vgl. A-Wgm A 401 (12). Vgl. zu dieser Kantate die These von U. Kirkendale, Caldara (2007) 104, dass sie eine Antwort auf Francesco Gasparinis Kantate Crudel tu parti? sei. Die These stützt sich lediglich auf

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Caldaras Art der Kantatenniederschrift änderte sich in Wien nicht: Wie in Italien notierte er seine Kantaten auf Quarto-oblongo-Notenpapier, und es finden sich wiederum nur geringfügige Korrekturen im Bereich der Musikno196 tation und der Textgrundlage. Zur Orientierung der Kopisten verwendet er . weiterhin das Zeichen » /.« als Kürzung oder gibt »come sopra« an. Bei der autographen Kantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo füllt ausnahmsweise ein Kopist die von Caldara auf diesem Wege leer gelassenen Takte auf. 197 Kantatenkopien Über drei Viertel des Wiener Kantatenrepertoires (90 von 101) liegen in Form von Vollpartituren in Reinschrift vor, bei 42 Kantaten sind zusätzlich die autographen Manuskripte erhalten. Mit einer Ausnahme 198 wurden die 90 Musikalien von Kopisten des Wiener Hofes erstellt. Mehr als die Hälfte finden sich heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, die die Bestände der ehemaligen Hofbibliothek übernommen hat, 199 neun Kantaten liegen dort als Unikate vor. Auch für das Wiener Repertoire gelang es, Hauptkopisten zu bestimmen, wobei sich zeigte, dass Noten- und Textkopie in einigen Fällen von unterschiedlichen Personen angefertigt wurden. An einem Beispiel wird dies besonders deutlich: Der Kopist Marc’Antonio Maccarinelli 200 war 1722 für Musikalienkopien der in der Favorita auf der Wieden abgehaltenen Feierlichkeit zur Hochzeit der Josephinischen Erzherzogin Maria Amalia mit dem bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht verantwortlich. 201 Die Kopie der Kantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo ist nicht erhalten; das Werk liegt aber autograph mit Ergänzungen ei-

196 197

198 199 200

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den Kantatentitel und kann nicht überprüft werden, da die Kantate Gasparinis nicht erhalten ist. Vgl. beispielsweise die Arie Pien di procelle der Kantate Colei ch’adoro, A-Wgm A 404 (7). Vgl. die Arie Al fulminar d’un ciglio, A-Wgm A 394 (1). Eine Kopistenabschrift ist nicht erhalten. Anders als bei Glüxam vermerkt, ist das Autograph sehr wohl nachweisbar. Vgl. Glüxam, Instrumentarium 711. Die Provenienz der Kantatenkopie Egli è pur dolce amor in A-Wgm A 404 konnte nicht geklärt werden. Vgl. zur Geschichte der Musiksammlung Grasberger, Musiksammlung. Marc’Antonio Maccarinelli ist zuerst im Hofstaat Karls III. in Spanien nachweisbar und wechselte nach dem Thronwechsel 1711 nach Wien, wo er bis 1740 tätig war. Vgl. KubiskaScharl–Pölzl, Karrieren 333; Gericke, Musikalienhandel 99–109. Vgl. hierzu Haupt, Kunst 91 (Eintrag 1005): »Dem copisten Marco Antonio Maccarinelli wegen zu dem gewesten chur bayerischen beylager abgeschribenen musicalien lauth [. . . ] beygelegter verordnung . . . 61 fl 30 kr«.

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nes Notenkopisten 202 vor. Zusätzlich kann die Kopie der Hochzeitsoper von Johann Joseph Fux, Le nozze d’Aurora 203, konsultiert werden, an der ein ganzes Team von Kopisten gearbeitet hat. Einzig der den Noten unterlegte Text ist durchgängig aus einer Hand. Da die Bezahlung für die Musikalien an Maccarinelli erfolgte, ist davon auszugehen, dass es rund um seine Person eine Art Kopistenwerkstatt gegeben hat, deren eingehendere Untersuchung für die Kopistenproblematik am Wiener Hof gewinnbringend wäre, im Zuge dieser Arbeit aber nicht geleistet werden kann. 204 Unter den Kantatenkopien kommt eine Handschriftenkombination für Text- und Notenkopien besonders häufig vor, die auch bei Le nozze d’Aurora festzustellen ist und in der folgenden Abbildung wiedergegeben wird:

Notenbsp. 1: Ausschnitt aus Nigella e Tirsi, A-Wn Mus. Hs. 17645

202 Vgl. A-Wgm A 394. In der autographen Partitur finden sich aber – wie bereits erwähnt – Ergänzungen von anderer Hand. 203 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 17262. 204 Vgl. zur Problematik der Identifizierung von Kopisten Hochradner, Kopisten 138 f.

Quellengrundlage

Nicht auszuschließen ist, dass Text- und Notenkopie von einer Hand stammen. Auf Basis der derzeitigen Forschungslage 205 zu den Kopisten des Wiener Hofes kann die Frage nach dem oder den Urhebern aber noch nicht abschließend geklärt werden. Als gesichert gelten darf, wie das Beispiel Le nozze d’Aurora zeigt, dass diese Kopistenhand/-hände mit Maccarinelli in direkter Verbindung stehen. Weiterhin war es möglich, Maccarinellis Handschrift auf Basis von dessen eigenhändigen Briefen zu identifizieren, von denen einige in Mailand erhalten sind. 206 Seine Handschrift findet sich auch in dem Band von Solokantaten Caldaras, der dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August zugedacht war und heute in Dresden liegt. Der Schriftvergleich zeigte, dass Maccarinelli Titelblatt und Widmung hierfür verfasste. 207 Im Zusammenhang mit den Kopien des römischen Repertoires wurde bereits erwähnt, dass die Musiksammlung von Herzog Anton Ulrich von SachsenMeiningen eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Kantaten Caldaras darstellt. Zwischen 1724 und 1728 hielt Anton Ulrich sich überwiegend in Wien auf und partizipierte rege am Hofleben. Das bezeugen nicht allein Tagebucheintragungen, 208 der Herzog ließ auch eine große Anzahl von Musikalien in Wien kopieren, die das Musikleben am Kaiserhof dieser Jahre widerspiegeln. Sie sind weniger aus musikpraktischem als aus Sammlungsinteresse Anton Ulrichs erworben worden. 209 Die Meininger Sammlung ist für die CaldaraForschung von Bedeutung, da einige Vorlagen für die (vorwiegend zwischen den Jahren 1726 und 1728 entstandenen) Kantatenkopien verschollen sind und nur mehr mit Hilfe der Meininger Kopien rekonstruiert werden können. Dies ist bei 14 der 30 in Thüringen überlieferten ein- und zweistimmigen Kantaten der Fall. 23 davon gehören zu jenen Musikmanuskripten, die Anton Ulrich vor seiner Abreise aus Wien 1728 ebendort kopieren sowie binden ließ und die Bennett als »core manuscripts (Group 1)« der Musikaliensammlung einordnet. 210 Die restlichen sieben Kopien sind Teil der »additional manuscripts (Group 2)«,

205 Vgl. zu den Hofkopisten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ausführungen von Eybl, Fux; Gericke, Musikalienhandel; Gleissner, Vespern; Lederer, Datierung; Prominczel, Kirchenmusik; Perutková, Míˇca; dies., Nahmen. 206 Zur Identifizierung von Maccarinellis Handschrift vgl. mit Schriftprobe Zedler, Tributo. 207 Vgl. D-Dl Mus. 2170-J-1. 208 Vgl. u. a. D-MEII GA XV T. 209 Zu den Musikalien zählen insgesamt 172 Kantaten unterschiedlicher Komponisten, die in 22 Musikalienbänden überliefert sind. Vgl. Bennett, Collection 259. 210 Sie gehören den Signaturen D-MEIr Ed 118q, 118s sowie 118 t an. Vgl. Bennett, Collection 271–273.

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Einleitung

für die die Bezahlung an Kopisten exakt datiert werden kann. 211 Die erwähnte und auf Abbildung 2 ersichtliche Handschriftenkombination ist auch in Anton Ulrichs Sammlung häufig anzutreffen, 212 stammt mithin aus dem Umfeld Maccarinellis. Die Kopien sind in einem sehr guten Zustand und weisen nicht auf eine musikpraktische Nutzung hin, Eintragungen und Abnutzungsspuren sucht man vergebens. Außerdem finden sich keine Einzelstimmen, die man für die Aufführung – zumindest der größer besetzten Werke – benötigt hätte. Für das Repertoire ebenso bedeutsam sind zwei Kantatenbände, die in der Bibliothek des Royal College of Music bzw. im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde aufbewahrt werden. Der eine Band stellt eine vollständige Kopie des autographen Kantatenbandes A-Wgm A 402 dar und kann auf Grundlage der Kopistenhand einer Wiener Provenienz zugeordnet werden, die Kopie weist die originale Anordnung der zwölf Kantaten auf. 213 Der Band mit 13 Kantaten für Solostimme und Basso continuo aus dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde entstammt dem Rudolphinischen Nachlass und wurde von einem Wiener Hofkopisten erstellt. 214 Elf Stücke dieser Sammlung sind überdies Teil eines Kantatenbandes, der Kardinal Carlo Colonna gewidmet wurde und in der Santini-Sammlung in Münster liegt. 215 Von Over und Kirkendale liegen unterschiedliche Einschätzungen zur Entstehungszeit des Colonna-Bandes vor. Laut Kirkendale seien die Werke 1712 in Wien komponiert und nach Rom geschickt worden. 216 Over hingegen gibt 1716 bis 1736 als Entstehungszeitraum an. 217 Vergleicht man die Titelblätter der Bände in Wien und Münster, fällt sogleich die unterschiedliche Titulatur Caldaras auf. Auf dem Colonna-Band wird der Komponist als »Maestro della Cesarea Capella« bezeichnet, auf jenem der Musikfreunde mit der ab 1716 gebräuchlichen Angabe »Vice Maestro di Capella di S. M. C. e Catt.a«. Als »Maestro della Cesarea Cappella« kann Caldara während seines Wienaufenthaltes von 1712 an mehreren Stellen belegt werden, so dass Kirkendales Datierung des Colonna-Bandes plausibel ist. Belegbar ist darüber

211 Die Kantaten gehören den Beständen D-MEIr Ed 118l (Bezahlung des Kopisten am 11. Januar 1728), D-MEIr Ed 118 r (Bezahlung: 27. April 1728) sowie D-MEIr Ed 118u (Bezahlung: 14. März 1728) an. 212 Diese Aussage bezieht sich allein auf die Kopien der Kantaten Caldaras. 213 Vgl. GB-Lcm 104. Die Provenienzkette zu diesem Band konnte auch mit Hilfe des Bibliothekars des Royal College of Music nicht geklärt werden. 214 Vgl. A-Wgm VI 16569 Q 3712. 215 Im Vergleich zum Kantatenband A-Wgm VI 16569 fehlen die Kantaten Son tradita, e lo scorgete und E come Elisa amata. Der Colonna-Band (D-MÜs Sant. Hs. 754) weist im Gegensatz dazu die Kantate Qual superbo pensier t’abbaglia i sensi auf, die in A-Wgm VI 16569 fehlt. 216 U. Kirkendale, Caldara (2007) 105 f. 217 Vgl. Over, CLORI, Scheda 2337.

Quellengrundlage

hinaus, dass elf der Kantaten während Caldaras Tätigkeit als Vizekapellmeister, also nach Mai 1716, erneut kopiert wurden, zwei wurden hinzugefügt, darunter eine mit dem Titel E come Elisa amata. Die Anspielung auf Elisa könnte auf Kaiserin Elisabeth Christine verweisen, die mehrfach Widmungsträgerin von Kantaten mit ähnlich gelagertem Titel war. 218 Die Abschriften der Hofkopisten stellen eine verlässliche Quelle dar. Das Gros entstand zu Lebzeiten Caldaras und in seinem direkten Umfeld. Zusammen mit den Autographen steht die Erforschung des Kantatenschaffens Caldaras in Rom und Wien mithin auf einer soliden Basis. In der Arbeitspraxis erwies sich als Vorteil, dass nur wenige Kantaten mehrfach kopiert vorliegen, die des Wiener Repertoires nicht öfter als drei Mal. 219 Hier deutet sich bereits an, was ein immer wiederkehrendes Moment der Arbeit bilden wird und den eingangs erwähnten Charles Burney das Vergnügen kosten sollte, Caldaras Kantaten in seine Hände zu bekommen: Caldaras Kompositionen dürfen hier wie dort, in Wien wie Rom (wenn auch aus unterschiedlichen Motivlagen und Zielsetzungen seiner Auftraggeber heraus), als hochgradig exklusiv gelten. Dies zeigt sich nicht zuletzt in dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Quellenmaterial, das eben über den direkten Auftraggeber hinaus in nennenswertem Umfang nur einem sehr begrenzten Personenkreis, darunter Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen, zugänglich war. Caldara selbst wie vor allem sein römischer Auftraggeber Ruspoli nutzten diese Aura der Exklusivität zur jeweiligen Selbstpositionierung, bei der der Musik eine wichtige Funktion zukam.

218 Vgl. den Catalogo delle Compositioni Musicali, A-Wn Mus. Hs. 2452, Inv. I Karl VI. 1. 219 Für die Kantate Dario liegen ausnahmsweise drei Kopien vor: A-Wn Mus. Hs. 17603 (8), D-MEIr Ed 118s (8), I-Bc DD.51 (14).

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Kantaten für den Fürsten: Kantatenkomposition und -rezeption im kulturellen Kontext von römischem Adel und Klerus Antonio Caldaras siebenjährige kompositorische Tätigkeit für die römische Adelsfamilie Ruspoli (1709–1716) brachte ein beachtliches musikalisches Œuvre hervor. Das aufgrund der günstigen Quellenlage gut rekonstruierbare Musikkorpus umfasst neben neun Oratorien, vier Opern und vier Intermezzi auch an die 180 Kantaten. 220 Dieses Kantatenrepertoire bildet die Untersuchungsgrundlage des vorliegenden Kapitels zu Caldaras römischem Kantatenschaffen, wird aber – der Ausrichtung der Arbeit entsprechend – nicht ausschließlich hinsichtlich musikanalytischer Kriterien untersucht, sondern besonders unter Einbeziehung seines Entstehungskontexts in den Blick genommen. Erst auf Grundlage dieser Einbettung können Fragen nach dem sozialen und kulturellen Umfeld geklärt werden, etwa die, warum es nur mit wenigen Ausnahmen zu einer dergestalt exklusiven 221 Kantatenproduktion Caldaras für Fürst Francesco Maria Ruspoli 222 kommen konnte. Damit verbunden sind folgende zentrale Fragen, die einerseits auf Ruspolis Motive für eine intensive Musikförderung zielen und andererseits auf Caldaras kompositorische Tätigkeit. So spielt es für den kulturellen Kontext eine wichtige Rolle, welche Funktion Ruspoli den Kantatenaufführungen innerhalb seiner Musikpflege zumaß, in welchem Rahmen 220 Zur Kantatenanzahl vgl. die Ausführungen im Kapitel Quellengrundlage. 221 Während Caldaras Tätigkeit als Kapellmeister bei Ruspoli wurde lediglich eine geringe Anzahl von Kantaten Georg Friedrich Händels, Emanuele d’Astorgas, Alessandro Scarlattis, Johann David Heinichens und Nicola Porporas für Ruspoli kopiert. Wie Over feststellen konnte, kam es besonders dann zu Kopien von Kantaten anderer Komponisten, wenn Caldara abwesend war. Vgl. Over, Astorga 93–95. Einige wenige Kompositionen Caldaras sind zwischen 1709 und 1716 für andere Auftraggeber erstellt worden. Vgl. hierzu den Band von zwölf Kantaten, die Kardinal Carlo Colonna gewidmet wurden, D-MÜs Sant. Hs. 754. Einige Werke stehen überdies bereits in Verbindung mit den Habsburgern. So ließ beispielsweise der kaiserliche Botschafter am Heiligen Stuhl, Ercole Giuseppe Turinetti, zu Ehren des Namenstages des spanischen Königs, Karls III., 1709 eine noch nicht identifizierte zweiteilige Kantate für drei Stimmen von Caldara in Rom aufführen. Vgl. hierzu o. A., Descrizzione, [1]: »In faccia alla sudetta Loggia scoperta miravasi eretto il Palco per i Musici, e Suonatore dove egregiamente si cantò una Cantata à trè Voci, allusiva alle Glorie, & alle Virtù di quel Gran Rè, posta in Musica dal Sig. Caldarà Virtuoso ben noto non solo à Roma, ma anche in varie parti del mondo.« 222 Vgl. zur Familiengeschichte der Ruspoli am detailliertesten Franchi, Principe 245–258 sowie jüngst Cola, Ruspoli (2018). Vgl. auch: U. Kirkendale, Caldara (2007) 56–58, Spreti, Ruspoli 879–893, Litta, Famiglie celebri XXX, Carpaneto, Famiglie 321–328 und die beiden populärwissenschaftlichen Publikationen: Sarazani, Ruspoli sowie Ruspoli, I Ruspoli. Zu Francesco Maria Ruspoli vgl. die speziellen Literaturangaben in den folgenden Abschnitten.

Kantaten für den Fürsten

er sie also aufführen ließ, wie dieses Aufführungsumfeld ausgestaltet war und in welchem gesellschaftspolitischen Raum er seine Musikpatronage positionierte. Neben der intentionalen Zielrichtung sind vor allem die Fragen nach Rezipient und Kompositionsweise Caldaras von Bedeutung, also: Wer war der Adressat der Kantaten? Wie passte Caldara seine Schöpfungen in diesen Rahmen ein, und welche Themen zog er hierfür heran? Verbindet man schließlich beide Aspekte, führt das unweigerlich zu der Frage, welche Verbindungslinien sich zwischen dem gesellschaftspolitischen Kontext und der jeweiligen Komposition ziehen lassen. Um derartigen Fragestellungen nachgehen zu können, ist es in einem ersten Schritt notwendig, den Fokus der Darstellung auf Caldaras Dienstgeber Ruspoli zu lenken. Es gilt, jenes politische und kulturelle Umfeld Roms abzustecken, in dem der Adelige seine Musikpatronage positionierte. Dieser Zugang basiert auf der in der Forschung vertretenen Annahme, dass Ruspolis umfangreiche Förderung auf dem Gebiet der Musik ein gesellschaftspolitischer Zweck innewohnte. Sie war kein Ziel sui generis, sondern Mittel der Profilierung. Der ambitionierte Adelige strebte eine vollgültige Aufnahme in der römischen Elite an und setzte für dieses Ziel dabei auch auf Musikförderung. 223 Saverio Franchi charakterisiert Ruspoli deshalb pointiert: »[Ruspoli g]uardava dunque a sé come a un patriarca [. . . ], destinato a imprese di cui avrebbe parlato il mondo.« 224 In der Tat konnte Ruspoli vorzugsweise mit Opern- und Oratorienaufführungen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sein Haus ziehen und so seinen Status als potenter Mäzen inszenieren. Um das bekannteste Beispiel herauszugreifen, sei auf Georg Friedrich Händels Oratorium La Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo, HWV 47, verwiesen, das Ruspoli in der Karwoche und zu Ostern 1708 in seinem Palazzo mehrfach aufführen ließ. 225 Damit war es Ruspoli in mehrfacher Hinsicht gelungen, von sich reden zu machen. Der große Aufwand der Aufführung, die Wahl des jungen, protestantischen Komponisten 226 sowie das Dirigat des renommierten Arcangelo Corelli 227 waren Garanten für die musi223 Vgl. Ehrmann-Herfort, Ruspoli 645; Riepe, Händel 281; Over, Kontext 332. 224 Franchi, Mecenatismo 102. 225 Vgl. zum Oratorium U. Kirkendale, Documents (2007), Riepe, Händel 131–133, 296 f., dies., Passions- und Osteroratorium, Wald-Fuhrmann, Orfeo, Franchi, Mecenatismo 102–104, Cola, Ruspoli (2018) 204 f. sowie Ehrmann-Herfort, Resurrezione. »Das Ereignis der Resurrezione« fungiere, so Ehrmann-Herfort (200 f.), »als eindrucksvolle Machtdemonstration Francesco Maria Ruspolis, der zu den reichsten Männern im damaligen Rom zählte und der mit der Aufführung auch seine Karriere zu forcieren suchte«. 226 Vgl. hierzu Riepes Einschätzung: »Sein [Ruspolis] Cembalist und Hauskomponist war in Rom eine aufsehenerregende Neuheit.«, Riepe, Händel 294. 227 Vgl. jüngst zu Corellis Status in Rom Piperno, Idee.

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kalische Krönung des erstmals im Hause Ruspoli durchgeführten OratorienZyklus. Bemerkenswert war nicht nur die Aufführung an sich; pikant war die spezielle Konkurrenzsituation 228, in die Ruspoli seine Musikdarbietung eingebettet hatte, stand diese doch in direkter Konkurrenz zu jenen Oratorien, die im Palazzo della Cancelleria im Auftrag von Kardinal Pietro Ottoboni aufgeführt wurden. 229 Die prestigeträchtigen musikalischen Aufführungen, die Ruspoli »alla Nobiltà tanto di Roma, che forastiera« 230 widmete, schlugen hohe Wellen. Die ersten Reaktionen waren höchst positiv: Der Publikumsandrang sei so groß gewesen, dass die Oratoriumsaufführung im Palazzo Bonelli (heute Palazzo Valentini) – so die Meldung in der gedruckten Gazzetta Foglio di Foligno – von der Sala dell’Accademia in die zahlreicheres Publikum fassende Gran Sala hatte verlegt werden müssen. 231 Aufmerksamkeit erregte zudem eine Regelverletzung von päpstlichen Vorgaben im Zuge der Aufführung. Ruspoli nämlich ließ die Rolle der Maria Maddalena – trotz des kirchlichen öffentlichen Auftrittsverbots für Sängerinnen 232 – mit Margherita Durastante besetzen. Dass dieser Normbruch für Aufsehen sorgen würde, musste Ruspoli bewusst kalkuliert haben, denn das seit dem 16. Jahrhundert bestehende Verbot war weithin bekannt. Wie es scheint, überschritt Ruspoli die Grenzen des Erlaubten gerade mit Blick auf und in Abgrenzung zu seinem direkten »Konkurrenten« der Oratoriumsaufführungen dieser Saison, Kardinal Ottoboni, der sich als geistlicher Vertreter diese 228 Vgl. zur Elitenkonkurrenz im Rom der Frühen Neuzeit Büchel–Reinhardt (Hrsg.), Kreise. 229 Ottoboni gilt als eine der herausstechenden Figuren der Musikpflege in Rom und zählte zu den »›eroi‹ del nuovo mecenatismo musicale« des frühen 18. Jahrhunderts. Franchi, Mecenatismo 83. Zur Rolle Ottobonis als Musikmäzen vgl. Marx, Musik; La Via, Cardinale; ders., Ambiente; Treffers, Cardinale; Staffieri, Ottoboni; Over, Kontext. 230 I-Rc Per est A 2.6, Foglio di Foligno, Foglio 16. del 1708, Foligno 20. Aprile. 231 Der große Umfang des Publikums zeigt sich auch an den 1500 gedruckten Libretti, die Ruspoli finanzierte. Vgl. U. Kirkendale, Documents (2007) 334 f. 232 Das Auftrittsverbot für Sängerinnen betraf die Kirchen, Betsäle und Opernbühnen Roms. Nach dem schweren Erdbeben des Jahres 1703 sprach der Pontifex dieses Verbot für die Ewige Stadt erneut aus. Es blieb für Sängerinnen lediglich die Möglichkeit, bei dem weltlichen Stadtadel angestellt zu werden. Dabei wurden die Virtuose gezielt als Statussymbol eingesetzt. Offensichtlich war es aber für sie möglich, nicht allein in den Räumlichkeiten der Palazzi, sondern auch bei Freiluftaufführungen von Kantaten und Serenaten mitzuwirken. Vgl. Riepe, Händel 295–297. Bis dato ist das Auftrittsverbot noch nicht ausreichend untersucht, so dass die Frage offenbleiben muss, wieso es Ruspoli in den Folgejahren ohne Ermahnung im selben Rahmen möglich war, Sängerinnen bei Oratorienaufführungen auftreten zu lassen bzw. sie bei Serenatenaufführungen, die in Teilen Züge der päpstlich-panegyrischen Verehrung trugen, heranzuziehen. Auch verwundert in diesem Zusammenhang, dass am 7. August 1707 – so berichtet es das Reisetagebuch Anton Ulrichs von Sachsen-Meiningen – »uf dem Mittwoch nachtmittags in der Kirche S. Laurenzo in Damis [recte: in Panisperna] [. . . ] des Marchesen Rospoli seine Sängerin« gesungen habe. Vgl. zum Zitat Riepe, Händel 414.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

Normverletzung nicht leisten konnte. 233 In der Tat blieb Durastantes Auftritt nicht ohne Konsequenzen, wenngleich Letztere in eng bemessenen Grenzen blieben: Ruspoli wurde von Seiten des Kardinalstaatssekretärs Fabrizio Paolucci ermahnt. Daraus resultierte, dass die Rolle in nachfolgenden Aufführungen mit einem Soprankastraten besetzt wurde. 234 In – scheinbar – auffälligem Kontrast zu derartig publikumswirksamen und prestigeträchtigen Aufführungen stehen diejenigen der Kantaten. Sofern ihnen die Funktion einer Serenata zukam, die im öffentlich-städtischen Raum aufgeführt wurde, blieb ihnen eine vergleichbar breite Aufmerksamkeit, die sich am großen Publikumskreis, aber auch an den zahlreichen Berichten in den zeitgenössischen Zeitungen und der Gesandtenkorrespondenz zeigt, versagt. Daher gilt es zu hinterfragen, auf welchen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen die intensive und langjährige Pflege dieses Genres im Hause Ruspoli fußt, welche Absichten mit ihr verbunden waren und in welchem Kontext sie innerhalb des römischen Adels zu verorten ist.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld des Fürsten Francesco Maria Ruspoli Das Adelsleben in Rom war im frühen 18. Jahrhundert auf das Engste mit dem Papsthof und dem Agieren des Oberhauptes der katholischen Kirche verwoben. Daher sollen in diesem Kapitel knapp die Einflüsse der ereignisgeschichtlichen Entwicklung auf das kulturelle Leben Roms dargestellt werden, insbesondere auf die Kantatenpflege, deren Ausgestaltung direkt oder indirekt von päpstlichen Vorgaben beeinflusst wurde. Die Ewige Stadt war am Beginn des 18. Jahrhunderts vom Pontifikat Clemens’ XI. (Giovanni Francesco Albani) geprägt. Er war der am längsten amtierende Papst der Frühen Neuzeit und lenkte über 20 Jahre (1700–1721) die Geschicke der katholischen Kirche. Als Albani sein Amt antrat, wurden in den noch jungen Pontifex – er bestieg 51-jährig den Papstthron – große politische Hoffnungen gesetzt, stand der Kirchenstaat doch kurz vor einer militärischen Intervention, die dann tatsächlich zur letzten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst führen sollte. Die Position Clemens’ XI. während der Auseinandersetzung war delikat, war er doch zweifach in das Geschehen invol233 Vgl. Riepe, Händel 296 f. 234 Vgl. zur Umbesetzung Ehrmann-Herfort, Resurrezione 202, die angibt, es habe der Soprankastrat Filippo gesungen. Abweichend und über die Besetzung spekulierend Riepe, Händel 297.

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Kantaten für den Fürsten

viert: einerseits als (selbsternannter) neutraler Mediator 235, andererseits war er es, der die bourbonische Nachfolge auf dem spanischen Thron angeregt und sich damit das Misstrauen Wiens zugezogen hatte. Als Souverän des Kirchenstaates, konkret: als Lehensherr von Neapel, das sowohl die Bourbonen als auch die Habsburger für sich reklamierten, wurde er überdies unmittelbar in den Krieg involviert, so dass die von ihm angestrebte Rolle eines neutralen Mediators sich rasch als illusorisch erwies. 236 Bereits zu Beginn des Krieges zeigten sich die Schwächen der Politik des Papstes, und infolge seiner intransigenten Haltung kam weder der angestrebte Aufbau einer neutralen Liga italienischer Fürsten in Gang noch konnte der Pontifex das zunehmende habsburgische Misstrauen ihm gegenüber zerstreuen. 237 Die Divergenzen zwischen dem Vatikan und dem Wiener Hof führten schließlich zur Besetzung des zum Kirchenstaat gehörigen Comacchio durch kaiserliche Truppen. Mit dieser militärischen Operation wollte Kaiser Joseph I. u. a. erzwingen, dass sein Bruder Karl päpstlicherseits als spanischer König anerkannt würde. Der militärische Konflikt 238, bei dem auch Caldaras Dienstgeber Ruspoli – wie noch zu zeigen sein wird 239 – direkt involviert war, war von geringer Dauer und offenbarte unmittelbar die militärische Überlegenheit der kaiserlichen Seite. Clemens XI. musste sich im Januar 1709 einem Wiener Ultimatum beugen; der Friedensschluss erfolgte am 15. Juni desselben Jahres. 240 Die machtpolitische Bedeutungslosigkeit des Papstes war offenbar geworden, und keine drei Jahre später sollte sie noch viel deutlicher werden: 241 In Utrecht wurden 1712 die Beratungen zur Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges ohne direkte Beteiligung eines päpstlichen Vertreters begonnen. Der zu den Friedensgesprächen entsandte päpstliche Agent Domenico Passionei wurde zu den Verhandlungen gar nicht zugelassen, konnte also die feudalen Rechte des Papstes über Sizilien, Parma und Piacenza gar nicht verteidigen. Daraus resultierte, dass »the eighteenth-century Papacy was forced to become more subtle in its attempts to have a decisive impact on European politics and to this purpose the institution turned to art, culture, and scholarship as vital components of the pontifical strategy.« 242 235 Vgl. zum Problem der päpstlichen Neutralität während des Spanischen Erbfolgekrieges Tabacchi, Neutralità. 236 Andretta, Clemente XI. 237 Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg 59–62. 238 Vgl. zu diesem den jüngst vorgelegten Band Pohlig–Schaich (Hrsg.), War. 239 Vgl. die Ausführungen im Kapitel Voraussetzungen und Ausgestaltung der Musikförderung. 240 Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg 52–62; Vocelka, Glanz 150–153; Wandruszka, Epoche; Kramer, Habsburg. 241 Vgl. Schnettger, Ansprüche 229–231. 242 Johns, Art 4.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

Das Zielgebiet einer solchen entschieden politisch motivierten Kunst- und Kulturförderung des Pontifex war in erster Linie die Stadt Rom. 243 Tradition und Kontinuitätsnachweis waren maßgebend, um an das moralische Primat von Kirche und Papsttum zu erinnern. Auf dieser Grundlage konzentrierte Clemens XI. seine Förderung weniger auf Neubauten als auf die Restaurierung und Erhaltung des religiösen sowie religionspolitischen architektonischen Erbes und damit der wichtigsten Stätten im Bereich von Vatikan, Quirinal sowie Kapitol, der Kirchen San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore und San Sebastiano fuori le mura. 244 Daneben war ihm daran gelegen, die städtische Infrastruktur zu verbessern. Das Hauptwerk dieser Bestrebungen war die – im 19. Jahrhundert dann wieder zerstörte – Ripetta-Anlage am Tiber. Vor der Kirche San Giacomo degli Schiavoni gelegen, konnte der kleine Hafen nach nur kurzer Bauzeit (1703–1705) genutzt werden, um die Stadt mit Lebensmitteln zu versorgen. 245 Auf Clemens XI. geht zudem eine Erneuerung und zum Teil Verschärfung von Dekreten und Edikten zurück, die Donato Tamblé als Teil seines politisch-ideologischen Programms verortet. 246 So versuchte der Albani-Papst, den Zugriff auf die begehrten römischen Antiken zu beschränken, griff aber auch in das kulturelle Leben Roms ein. Im Besonderen betraf das die römischen Theater und, damit verbunden, die Opernvorstellungen im Karneval. Solange es in den ersten Jahren seiner vom Krieg geprägten Amtszeit opportun erschien, moralische Stärke zu zeigen, ließ der Papst das Verbot seines Vorgängers, Innozenz’ XII., Opern in römischen Theatern aufzuführen, bestehen. 247 Nach den schweren Erdbeben, die die Ewige Stadt im Januar / Februar 1703 erschütterten, verabschiedete der Pontifex ein Edikt, das eine fünfjährige Untersagung jegli-

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Vgl. hierzu jüngst mit Verbindung zur Musik Piperno, Idee 218. Vgl. Sölch, Bianchini 319 sowie Kieven, Künste 57 f. Vgl. Kieven, Künste 50 f. sowie Curcio, Città 97 f. Vgl. Tamblé, Antichità 54 f., vgl. zur papalen Förderung der Arbeiten an den antiken Stätten auch Gasparri, Restitutio. 247 Vgl. zu den Auswirkungen auf das Theater Pastura, Legislazione sowie Cairo, Rappresentazioni. Der Papst hatte aber bis 1703 Aufführungen in hauseigenen Theatern der römischen Aristokratie und der Botschafter sowie in den römischen Collegi toleriert. Nach dem schweren Erdbeben 1703 wurde sehr strikt auf das Opernverbot geachtet. Trotzdem kam es zu Opernaufführungen, z. B. ohne Theaterkleidung oder außerhalb des römischen Stadtgebietes. Zudem wurde auf improvisiertes Theater, Kantatenaufführungen oder Marionettentheater ausgewichen bzw. wurden während der Karnevalszeit bereits Oratorienaufführungen organisiert. Vgl. hierzu besonders die Angaben zur Karnevalszeit der Jahre 1701 bis 1709 bei Franchi, Drammaturgia.

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cher Art von Karnevalsveranstaltungen vorsah. 248 In regelmäßigen Abständen wurde bis 1709 in den Zeitungen an das Verbot erinnert, dass »le Commedie, Baccanali, e tutte lotte de spassi, e vanità carnevalesche« im Auftrag des Papstes unter »gravissime pene« zu stellen seien. 249 Die pontifikalen Vorgaben hatten direkte Auswirkungen auf die Entwicklung jener musikalischen Gattungen, die in dieser Situation opportun erschienen: Befruchtend wirkten sich die restriktiven Bestimmungen auf Oratorienkompositionen im Bereich der Sakralmusik und das Kantaten- bzw. Serenatenschaffen auf dem Gebiet der weltlichen Musik aus. Erstere wurden durchaus als Ersatz für Opern verstanden, was die Entwicklung einer Art Stagione der Oratorien in der jeweiligen Fasten- und Osterzeit beförderte, die in den öffentlichen Betsälen wie jenem der Chiesa Nuova oder auch in den Palazzi der römischen Adeligen durchgeführt wurde. 250 Kantaten- und Serenatenaufführungen hingegen fanden mit großer Regelmäßigkeit während des ganzen Jahres statt. Vor dem Hintergrund des Opernverbots war ein Grundstein gelegt, der Rom im frühen 18. Jahrhundert zu einem Zentrum des weltlichen Kantatenschaffens werden ließ, ganz im Gegensatz zu Venedig und Neapel. Förderer 251 dieser speziellen musikalischen Gattung waren in Rom neben Francesco Maria Ruspoli Kardinal Benedetto Pamphili mit ca. 300 in Auftrag gegebenen Kantaten im Zeitraum von 1682 bis 1713 sowie Kardinal Pietro Ottoboni, der wiederum an die 200 Werke zwischen 1690 bis 1705 komponieren ließ. 252 Wurden anderenorts – beispielsweise in Venedig – Opern mit politischen Botschaften verknüpft, 253 so weist Franchi nach, dass »nei diversi generi, sopratutto in quelli dell’oratorio e della serenata, frequenti furono i messaggi ideolo-

248 Vgl. Franchi, Drammaturgia 14 f. sowie Dixon, Real 35. Opernaufführungen wurden ab 1711 wieder erlaubt. 249 Vgl. I-Rc Per est A 2.5, Foglio di Foligno, Foglio N. 5, Spello 29. Gennaro 1706: Roma 23. Gennaro 1706. Vgl. dazu die Einschätzung von Pastura, Legislazione 168: »Non è quindi casuale che sulle rappresentazioni teatrali – come su ogni altra manifestazione carnevalesca – si abbatta la scure papale, vietandole quando eventi interni o internazionali suggeriscano la pratica della penitenza piuttosto che la licenza dei baccanali o quando le superiori istanze della religione impongano scelte di costume severe e morigerate ai sudditi pontifici.« 250 Vgl. Franchi, Mecenatismo 97. Kardinal Ottoboni begann bereits während der Karnevalszeit 1708 mit Oratoriumsaufführungen, die sich über die Fastenzeit erstreckten, und leitete damit erfolgreich eine Art Stagione der Oratorien ein. Vgl. ders., Drammaturgia 52–59. 251 Vgl. hierzu auch die Einschätzung von Over, Kontext 334, wonach weit mehr Personen als die genannten eine mäzenatische Tätigkeit im Bereich der Kantaten ausgeübt haben. Die Förderung ist bis dato aber noch nicht flächendeckend untersucht worden. 252 Vgl. Over, Kontext 330, zu Pamphilj grundlegend Hinden, Kantatentexte. 253 Vgl. beispielsweise Blichmann, Macht 422; Over, Ombra 273–289.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

gici lanciati dai commitenti« 254, was für die Analyse jener römischen Werke von hoher Bedeutung ist. Matthias Schnettger, der Rom als »Hauptschlachtfeld der Propaganda« während des Spanischen Erbfolgekrieges und des Konflikts um Comacchio sieht, ordnet der Musik eine wichtige Mittlerfunktion für politische Botschaften zu. 255 In der Tat zeigt die Übersicht der »Attività musicale con valenze politiche nel corso della guerra di successione spagnola (1701–1714)« 256, die dem maßgeblichen Beitrag Franchis beigefügt ist, dass sich nicht nur die ansässigen Diplomaten der Musik als Mittel der politischen Stellungnahme bedienten, sondern auch Vertreter des römischen Adels. Je nach politischer Ausrichtung der Auftraggeber waren die Werke mal pro-, mal antihabsburgisch, -englisch oder -französisch oder sie wurden als propäpstliche Propaganda eingesetzt. Das von Filippo Brenna verfasste Oratorium Judith triumphus (1708) kann als Beispiel jener Werke dienen, deren Ziel die Verherrlichung habsburgischer Siege auf italienischem Territorium war. Das Werk wurde von Domenico Bottari in Musik gesetzt und von Principe Livio Odescalchi, einem Filoasburgico, in Auftrag gegeben. 257 Ruspoli nahm während des Krieges unter den Filoborbonici (dazu zählten – ungeachtet der selbstpostulierten Neutralität – der Papst sowie der Großteil der Kurie, aber auch die Accademia dell’Arcadia rund um Giovanni Mario Crescimbeni) und Filoasburgici (dazu zählten u. a. die Kardinäle Vincenzo Grimani und Carlo Colonna sowie jener Teil der Arkadier um Giovanni Vincenzo Gravina) eine klar propäpstliche Haltung ein. 258 Die Verbundenheit Ruspolis mit dem katholischen Oberhaupt lässt sich besonders an der Kantate Vaticini di Pace von Caldara (Text: Paolo Gini) ablesen, die den Pontifex 1712, also zum Zeitpunkt der Friedensverhandlungen zum Spanischen Erbfolgekrieg, als propazifistischen Mediator inszeniert. 259 Bereits im Jahr der Friedensschlüsse von Rastatt und Baden (1714) galt es für den Papst, sich erneut mit Kriegspolitik zu beschäftigen und Verbündete zu suchen. Im Dezember 1714 erklärte das Osmanische Reich Venedig 254 Franchi, Mecenatismo 97. Vgl. entsprechend Over, Kontext 335, zu den Einflüssen des Spanischen Erbfolgekrieges auf die Musik Franchi, Valenze sowie speziell zu Caldaras Kompositionen U. Kirkendale, War; Zedler–Boschung, Allusione. 255 Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg 60. 256 Franchi, Mecenatismo 107. 257 Vgl. Franchi, Mecenatismo 115; ders., Principe 250 f. 258 Vgl. Franchi, Mecenatismo 108, der Ruspoli als neutral, aber papsttreu einordnet. Vgl. auf Franchis These aufbauend Zedler–Boschung, Allusione. Anders Fagiolo und Coccioli, die Ruspolis musikalische Aktivitäten der prohabsburgischen Fraktion zuordnen. Vgl. Coccioli–Fagiolo, Regesto 208–211. 259 Vgl. zu den politischen Implikationen der Kantate Zedler–Boschung, Allusione.

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neuerlich den Krieg mit dem Ziel, den Friedensschluss des vorangegangenen Türkenkriegs (Karlowitz 1699) zu revidieren. Im Sommer 1715 besetzten die Türken große Teile des venezianisch beherrschten Peloponnes. Clemens XI. sah die Chance, seine angeschlagene politische Stellung zu verbessern, indem er als Promotor einer christlichen Liga gegen die Türken eintrat, »[c]redette così di cogliere l’occasione politica e religiosa su cui rifondare un ruolo centrale della Santa Sede in grado di contribuire al superamento delle divisioni tra le potenze cattoliche.« 260 Doch die Bemühungen scheiterten zunächst und machten so die Abhängigkeit des Papstes von den katholischen Staaten nördlich der Alpen augenfällig. Erst nach der Zusage finanzieller Unterstützung von Seiten des Papstes griff Kaiser Karl VI. ab April 1716 aktiv in den Konflikt ein, der 1718 mit dem Frieden von Passarowitz zu Gunsten der Christenheit entschieden wurde. 261 Der Türkenkrieg fand mindestens ebenso intensiv wie der Spanische Erbfolgekrieg seinen Niederschlag in Musik, Kunst und Literatur. Besonders die Mitglieder der römischen arkadischen Akademie sahen sich berufen, in ihren Dichtungen Stellung zu beziehen, befand sich doch der von ihnen idealisierte Sehnsuchtsort – Arkadien – mitten in dem türkisch besetzten Gebiet. 262 Um ein Beispiel herauszugreifen: In der Rima von Michele Giuseppe Morei beklagen die beiden Schäfer Mireo (Morei) und Eurindo (Francesco Maria Gasparri) 263 die aussichtslose Kriegssituation in Arkadien: Noi pastorelli riserbati al duolo Piangiam, s’altro non resta all’infelice, Sulla ruina del paterno suolo. 264

Eine Veranstaltung, die kurz nach der Bündniszusicherung der Habsburger im Juni 1716 am Kapitol stattfand, zeigt exemplarisch, dass Rom zu jener Zeit ganz im Zeichen der »Difesa della Religione« 265 stand. Es handelte sich um die feierliche Preisverleihung der Accademia di San Luca im Zuge der Concorsi Clementini 266, die in Anwesenheit des Papstes, der Kardinäle sowie des römischen

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Andretta, Clemente XI. Vgl. Vocelka, Glanz 154–160 sowie Setton, Venice 426–461. Vgl. zur Rezeption des Krieges bei den Arkadiern Necchi, Marte. Vgl. zu den arkadischen Namen Giorgetti, Arcadi. Ausschnitt aus der Ekloge von Morei, Calletta 235. Vgl. den gedruckten Bericht von Ghezzi (Hrsg.), Arti. Der regierende Pontifex hatte diesen Wettbewerb im Jahr 1702 eingeführt. Mitglieder der Künstlervereinigung traten in den Ausbildungsklassen Malerei, Skulptur sowie Architektur an.

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Adels und ausländischer Gäste veranstaltet wurde. 267 Im Zuge der Prämierung des Jahres 1716 hatte neben den ausgezeichneten Kunstwerken 268 und den vorgetragenen Gedichten 269 auch die am Kapitol aufgeführte Kantate Roma e la Fede den Türkenkrieg zum Thema. Das Werk, dessen Text von Ignazio de Bonis verfasst 270 und das wahrscheinlich von Giovanni Bononcini in Musik gesetzt wurde, 271 wurde im Anschluss an die Preisverleihung von »les plus belles voix de Rome [. . . ] avec quarante-cinq instruments« 272 vorgetragen. Die zentrale Aussage des Kantatentextes besteht in der Lobpreisung jener wahren Helden, die dem Papst zur Verteidigung gegen den türkischen Feind beistünden. 273 Politische Botschaften wie der Wunsch nach politischer Unterstützung für den Papst wurden gezielt künstlerisch verpackt, so dass sie auf mehreren medialen Ebenen (visuell, textuell und musikalisch) übertragen werden konnten. Beschreibungen der Veranstaltungen und somit auch von den Musikaufführungen wurden veröffentlicht und konnten dadurch auch außerhalb Roms wahrgenommen und rezipiert werden. Häufig waren sie Gesandtenberichten oder der interhöfischen privaten Korrespondenz beigelegt, die eine wichtige Quelle für die Erforschung der Aufführungskontexte von Kantaten und Serenaten darstellen. Mit den römischen Akademien sowie den Häusern der römischen Adeligen und der in Rom ansässigen Diplomaten sind bereits drei Orte angesprochen, die für die zeitgenössische Kantatenpflege von besonderer Bedeutung waren. Die Höfe der Kardinäle sowie jene der in Rom lebenden ausländischen Adeligen (z. B. jener der Ex-Königin von Polen Maria Kazimiera Sobieska) waren weitere Stätten der Musikpflege. 274 Im Folgenden gilt es, mit Ruspolis Haus eine hiervon näher in den Blick zu nehmen.

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Vgl. Johns, Patronage; Pangrazi, Estetica 27–56. Vgl. zu der von Caldara für die Feierlichkeit von 1710 komponierten Kantate Ghezzi (Hrsg.), Roma 22–24. Vgl. I-Rc Per est A 2.8, Foglio di Foligno, Foglio 24. del 1716, Foligno 12. Giugno. Innerhalb der Bildhauerklasse wurde u. a. ein Kunstwerk in Form eines »Generale a cavallo, con due, o tre figure di Soldati, che lo sieguono, ed in lontananza alcuni Turchi dispersi, e fuggitivi« ausgezeichnet. Ghezzi (Hrsg.), Arti 9. Die Gedichte sind alle dem gedruckten Bericht angefügt. Vgl. Ghezzi (Hrsg.), Arti. Vgl. Ghezzi (Hrsg.), Arti 12. Der vollständige Kantatentext ist dort abgedruckt, vgl. 13–18. Franchi gibt Giovanni Bononcini als möglichen Komponisten an. Vgl. Franchi, Drammaturgia 120 und 123 sowie Franchi–Sartori, Impressioni 129. Montaiglon (Hrsg.), Correspondence 8. Vgl. Zedler, Viator 351 f. Vgl. zur Sozialstruktur der römischen Gesellschaft u. a. Ago, Carriere, Visceglia (Hrsg.), Nobiltà, sowie Calcaterra, Spina 47–86. Vgl. zum sozialen Kontext der Kantatenpflege besonders Over, Kontext 331–336 sowie Riepe, Händel 269–341.

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Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage auf dem Gebiet der Kantate Voraussetzungen und Ausgestaltung der Musikförderung Ausgangspunkt für Francesco Maria Ruspolis profilierte Musikförderung war ein Gerichtsentscheid, der dafür sorgte, dass der nachmalige Fürst 1705 das Erbe seines Onkels Francesco Marescotti (ab 1681 Marchese Ruspoli) antreten konnte. 275 Die Hinterlassenschaft umfasste neben dem monetären Vermögen, 276 das maßgeblich aus erfolgreichen Bankgeschäften des ursprünglich florentinischen Familienzweigs stammte, auch einen Feudo in Cerveteri. Mit diesem waren der Titel eines »Marchese di Cerveteri« und der Besitz von Ländereien verbunden, der die Ruspoli zu Großgrundbesitzern im Kirchenstaat machte. Wie Richard Ferraro für andere im Handel bzw. in Bankgeschäften außerhalb Roms tätige Familien (u. a. die Chigi und Odescalchi) festgestellt hat, war auch der Familie Ruspoli nach der Verlegung des Familiensitzes von Florenz in die päpstliche Kapitale daran gelegen, 277 ihre Casa innerhalb der römischen Elite zu etablieren und dem alteingesessenen Adel gleichzustellen. 278 Francesco Maria sollte es nach dem Erbantritt im Jahr 1705 binnen erstaunlich kurzer Zeit – nämlich bereits 1709 – gelingen, den ranghöchsten Adelstitel im Kirchenstaat, den eines Principe, 279 zu erringen und per Fideikommiss im

275 Das Erbe wurde von Girolama Bichi Ruspoli, der Frau Francesco Marescotti-Ruspolis, angefochten. Im Juli 1705 meldeten die Avvisi politici, dass bereits zum dritten Mal »à favore di« Francesco Maria Ruspoli und »contro à Bichi« entschieden wurde. D-Mbs Cod. ital. 197 (7. Juli 1705). Vgl. zum Erbe Ruspolis und den komplexen Familienverhältnissen auch: U. Kirkendale, Caldara (2007) 56 f.; Franchi, Principe 246–248; Cola, Scelte; dies., Ruspoli 160–167 und jüngst mit detaillierten Quellenangaben: Over, Kontext 342 f. 276 Das Vermögen der Familie belief sich 1705 auf 2.104.280 Scudi. Vgl. Ferraro, Nobility 264. Schon vor 1705 wurde Ruspoli zu den »Cavalieri stimati de più ricchi« gezählt, so ein anonymer Bericht in: Besutti, Cantata 23. 277 Die Familie ist seit dem 16. Jahrhundert in Rom nachweisbar. Vgl. Franchi, Principe 247. 278 Vgl. Ferraro, Nobility 104. 279 Die Wahl Michelangelo Contis di Poli zu Papst Innozenz XIII. im Jahr 1721 sollte sich auf Ruspolis soziale Stellung in Rom noch einmal sehr positiv auswirken. Bereits im ersten Jahr von Contis Pontifikat erhob er seinen »nipote« (die Verwandtschaft bestand über Ruspolis Frau Maria Isabella Cesi) in den Rang eines Principe romano. Ruspoli gelangte dadurch in den engeren Kreis der ranghöchsten Adeligen Roms (die Anzahl der Principi romani umfasste 1699 23 Personen, vgl. Visceglia, Introduzione XV ). Ruspolis neue Stellung als Nipote des Papstes schlug sich u. a. in seiner Korrespondenz mit ausländischen Aristokraten nieder. Am 24. Mai 1721 berichtete Ruspoli beispielsweise der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde über die Wahl des neuen Pontifex. In fremder Hand ist auf dem Schriftstück explizit

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Jahr 1714 die vermögensrechtliche Grundlage seiner Familie und damit die soziale Stellung langfristig abzusichern. 280 Die Hürden der römischen Statuten, die den Aufstieg in der Adelshierarchie erschwerten, nahm Ruspoli nach dem erfolgreichen Kampf um sein Erbe ohne Schwierigkeiten, erfüllte er doch fraglos die essentiellen Anforderungen an einen »nobile romano«: die »beni«, also ein (möglichst umfangreiches) Privatvermögen, eine repräsentative Residenz 281 in der Ewigen Stadt (Palazzo Bonelli und später Palazzo Ruspoli) und, im Idealfall, eine Ehefrau aus alteingesessener Adelsfamilie. Auch Letzteres erfüllte Ruspoli, indem er am 7. Juli 1695 Maria Isabella aus der angesehenen Familie der Cesi geehelicht hatte. 282 Mit dem Erbe waren die finanziellen Grundlagen für ein umfangreiches mäzenatisches Handeln geschaffen, wobei Ruspolis Investitionen in Musik lediglich einen Teil der umfassenden Förderungen auf kulturellem Gebiet darstellten. Diese sind nicht allein mit persönlichen Vorlieben des Fürsten zu erklären, sondern müssen auch und vor allem vor dem Hintergrund seiner gesellschaftlichen Ambitionen interpretiert werden. Wesentliche Voraussetzung für einen Adligen, um im Herzen des Kirchenstaates gesellschaftlich wahrgenommen zu werden und politisch aufsteigen zu können, war es, den eigenen Status »im Sichtbaren [zu] dokumentieren, Understatement war fehl am Platze und ein strategischer Fehler«. 283 Ruspoli beherzigte die Strategie der Machtdemonstration durch Repräsentation, die vor allem im 17. Jahrhundert von den Kardinalnepoten vorgelebt worden war und im 18. Jahrhundert im Sinne von »Konkurrenz durch Aufwand und Eleganz« 284 nachlebte. Der römische Adelige setzte auf zweierlei: auf die »creazione di un patrimonio non solo immobiliare ma anche di beni mobili, specchio – al tempo stesso pubblico e privato – del proprio prestigio sociale ed economico.« 285 Zeugen seiner diesbezüglichen In-

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Ruspolis neue Stellung hervorgehoben: »Ruspoli, Nipote del Papa moderno«. D-Mhsa GHA, Korrespondenzakten 754/4. Vgl. La Marca, Nobiltà 282. Vgl. zur Notwendigkeit eines repräsentativen Familiensitzes Ago, Valore. Vgl. Cola, Ruspoli (2005) 507. Die Cesi zählten neben den Colonna, Orsini, Savelli, Caetani, Cesarini, Altemps und Anguillara zu den alten römischen Adelsfamilien. Vgl. Visceglia, Introduzione XXXVI. Reinhardt, Rom 229. Reinhardt stellt dies für die Kardinalnepoten des 17. Jahrhunderts fest. Die Darstellung von Rang und Macht in Rom wurde für das 17. Jahrhundert intensiv, für das frühe 18. Jahrhundert nur in Teilen erforscht. Reinhardt, Schatten 245. Vgl. zum Aspekt der Konkurrenz auch Ehrmann-Herfort, Musikorte 46–51. Cola, Ruspoli (2005) 508.

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vestitionen sind nicht allein der von ihm am 20. Oktober 1713 286 erworbene und heute so genannte Palazzo Ruspoli an der Via del Corso oder die Chiesa parrocchiale e collegiata di Santa Maria della Presentazione, die der Fürst in den 1720ern in dem nördlich von Rom gelegenen Ort Vignanello fertigstellen ließ, 287 sondern auch die große Anzahl von Musikalien 288, Kunstwerken 289 und Büchern 290. Auf dem musikalischen Feld sind bereits vor dem für Ruspolis Intensivierung der kulturellen Förderung so wichtigen Jahr 1705 Quellen aufzufinden, die sein entsprechendes Interesse belegen. Darunter fallen von ihm finanzierte Oratorienaufführungen und Begünstigungen einzelner Musiker. Allen voran sticht hier neben den zwei Kammerdienern und Instrumentalisten Domenico und Pietro Castrucci 291 der Flötist Jacques Hotteterre heraus, der ab 1698 für einige Jahre im Rolo della famiglia als Maestro delli flauti aufscheint. 292 Auch die ersten Kantaten, die mit Ruspoli in Verbindung gebracht werden können, stammen aus der

286 Vgl. Cola, Ruspoli (2005) 510. 287 Vgl. Weber, Familienkanonikate 252 f. sowie grundlegend zur Ausstattung der Kirche Cola, Committenza. 288 Große Teile der umfangreichen Musiksammlung Ruspolis kamen über den Musiksammler Fortunato Santini in die Diözesanbibliothek Münster. Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt Kantatenkopien des Kapitels Rekonstruktion des römischen Kantatenkorpus. 289 Die Sammlung umfasste bei seinem Tod über 950 Bilder. Vgl. zu dieser besonders: Cola, Ruspoli (2005) 507–535; dies., Ruspoli (2018) 349–415 und Michel, Pitture 221–232. Vgl. auch: Piereth, Bambocciade 99 und Haskell, Maler 186. 290 Ruspoli wurden ab 1705 auffällig viele Publiktionen gewidmet. Dazu zählt der umfangreiche Band Filippo Bonannis, Musaeum Kircherianum Sive Musaeum A P. Athanasio Kirchero In Collegio Romano Societatis Jesu Iam Pridem Incoeptum, Roma 1709. Weitere Schriftwerke stammen aus dem direkten Umfeld der Accademia dell’Arcadia. Als zentral sind zwei Bände zu nennen: Paolo Antonio Rollis »ad eterna lode dell’Eminenza Vostra [Ruspoli]« 1711 gewidmeter Band Componimenti poetici di diversi pastori arcadi entstand im Umfeld und vor allem zur Erinnerung an die Theater- bzw. Musiktheatervorstellungen des Karnevals 1711 im Hause Ruspoli. Vgl. Rolli, Componimenti 3–6. Vgl. hierzu besonders Piperno, Crateo. 1716 wurde Ruspoli der erste Band der Rime degli Arcadi gewidmet: Crescimbeni (Hrsg.), Rime I. Vgl. hierzu die erstmals vollständige Katalogisierung der Rime bei: Baragetti, Poeti. Zu Band 1 der Rime mit Textincipits der Poesie siehe besonders 175–186. Vgl. zudem das jüngst vorgelegte Repertorium: Doglio–Pastore Stocchi, Rime. 291 Domenico und Pietro Castrucci sind seit 1700 als Camerieri im Hause Ruspoli nachweisbar. Pietro, der Sohn Domenicos, war Schüler Corellis und ab Juli 1715 als Konzertmeister bei Händel in London tätig. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 439. 292 Vgl. zu den Oratorienaufführungen Franchi, Principe 275–286; zu Hotteterres Anwesenheit in Rom besonders 104 f., 280 und jüngst ders., Mecenatismo 105, wo er Hotteterres Aufenthalt »per quattro anni« angibt. Hilsheimer, Hotteterre, schränkt den Aufenhalt Hotteterres auf zwei Jahre ein.

Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage

Zeit vor dem Erbantritt. Sie wurden von Tommaso Bernardo Gaffi komponiert und im Jahr 1700 mit einer Widmung an den Adeligen gedruckt. 293 Mit Ruspolis Erbantritt geben die Abrechnungsbücher (Giustif icazioni) des Maestro di Casa, die ab dem 25. September 1705 geführt wurden, detailliert Auskunft über die Ausgaben der Familie. 294 Eine der ersten großen Feierlichkeiten war ein Bankett in der Villa Marescotti fuori di Porta San Pancratio. 295 Die Avvisi politici meldeten, dass Ruspoli das Essen »fece Servire in tre Servigi« 296 – in Silber, feinem Porzellan und abschließend in Kristall. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, diese Meldung als Ausdruck seiner neuen finanziellen Möglichkeiten zu lesen. In Hinblick auf die Musik ist bemerkenswert, dass sich unter die ersten Belege der Giustif icazioni bereits Abrechnungen von Kantatenkopien mischen. So wurden am 3. Oktober 1705 nicht näher identifizierbare Kantatenkopien bezahlt, drei Tage später liegt eine Rechnung für die Kopie einer Kantate von Carlo Francesco Cesarini vor. 297 Im selben Monat veranlasste Ruspoli die Anmietung des Palazzo Bonelli an der Piazza dei Santi Apostoli im Stadtteil Trevi, 298 der es dem Marchese erlaubte, den eben ererbten Status als Familienoberhaupt in der Ewigen Stadt repräsentativ sichtbar zu machen. 299 Zudem verfügten die Ruspoli nun über ausreichend Räumlichkeiten, die einerseits die größer werdende Familie und das Personal aufnehmen konnten 300

293 Es handelt sich um einen der seltenen Drucke römischer Kantaten des frühen Settecento. Vgl. zu dem Band Giovani, Edizioni 39–55. 294 Vgl. den Verweis auf Ruspolis Besitznahme als Familienoberhaupt: »Filza delle Giustificationi del Libro Maestro di Roma dalli 25. Settembre 1705 ch’entro in Possesso Sua Eccellenza«, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1705, Tomo I, A 42. 295 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1705, Tomo I, A 42 (Fasc. 73). 296 D-Mbs Cod. ital. 197 (27. November 1705). 297 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1705, Tomo I, A 42 (Fasc. 36). 298 Möbel, Bücher, aber auch Musikinstrumente wurden nun vom Palazzo all’Aracoeli sowie vom Palazzo von Ruspolis Onkel, der am Campo Marzio wohnte, an den neuen Wohnort gebracht. Beispielsweise werden im April 1706 zwei Träger bezahlt »per porto del Cimbolo da Campo Marzio a St. Apostoli«. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1706, Tomo 1, A 42 (Fasc. 95). Vgl. zum Standort des neu gemieteten Palazzo den diesbezüglichen Eintrag 273 in: Nolli, Pianta. Vgl. die wichtigen Forschungsergebnisse zu den Umbauarbeiten unter Ruspoli von Cola, Palazzo Valentini 181–184. Vgl. auch Mattia, Feste. 299 Vgl. den Stich des Palazzo Bonelli von Specchi, Teatro 58. 300 In dem Rolo der Familie scheinen 1709 67 Personen auf, die dem Personal zugerechnet werden können. Hierunter fallen auch jene Musiker, die als Camerieri tätig waren. Weitere Musiker – auch Caldara – waren mit regelmäßgen Gehältern angestellt. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 58 f.

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und andererseits Platz für Besucher sowie späterhin auch für ein Theater 301 boten. Unmittelbar im Anschluss an den Umzug in den Palazzo Bonelli sind im Juli 1706 die ersten Zusammenkünfte des römischen Adels und Klerus im neuen Domizil nachweisbar. Die sogenannten Conversazioni sollten sich bald als wöchentlicher Fixpunkt im städtischen Adelsleben etablieren. Als sonntägliche Abendveranstaltungen, auf die in der Folge noch näher einzugehen ist, waren sie für Ruspolis Repräsentationsbedürfnis nachgerade ideal: Der Marchese hatte einen Ort der Kommunikation für Adel und Klerus geschaffen, konnte sein soziales Netzwerk pflegen wie ausbauen und nicht zuletzt seine mäzenatische Potenz zur Schau stellen. Die Conversazioni waren es, für die Caldara ab 1709 regelmäßig Kantaten komponierte. 302 Zu den frühesten nachweisbaren Gästen jener Abendveranstaltungen zählten die am Papsthof einflussreichen Kardinäle Pietro Ottoboni, Joseph-Emmanuel de La Trémoille und Francesco del Giudice. 303 Mit Ausnahme von del Giudice waren die genannten Purpurträger über Jahre hinweg regelmäßig Besucher der Conversazioni und Ottoboni sowie de La Trémoille mit Ruspoli darüber hinaus in ein weiteres, das kulturelle Leben Roms nachhaltig bestimmendes, Netzwerk eingebunden: Sie waren Mitglieder der arkadischen Akademie. Ruspoli war 1691 mit dem pastoralen Namen Olinto Arsenio aufgenommen worden und trat nach seinem Erbe ab September 1707 als Mäzen der Arcadia hervor. Giovanni Mario Crescimbeni, Mitbegründer der 301 Das Theater entstand von Februar bis April 1708 unter der Direktion von Giovanni Battista Contini. Es sah eine Bühne, zwölf Logen und eine Ehrenloge vor. Vgl. Cola, Palazzo Valentini 150. 302 Vgl. die Ausführungen zu den Abendunterhaltungen im Kapitel Der äußere Rahmen für Kantatenaufführungen: Die Conversazione im Hause Ruspoli. 303 Die erste nachweisbare Abrechnung für eine Conversazione kann auf den 18. Juli 1706 datiert werden. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1706, Tomo II, A 43 (Fasc. 177). Ab August 1706 sind regelmäßig Abrechnungen für Kartenspiele der Conversazioni nachweisbar. Die Bezeichnung Conversazione taucht erstmals am 7. November 1706 auf der Abrechnung für Kerzen, die für die Conversazione gebraucht wurden, auf. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1706, Tomo 2, A 43 (Fasc. 308). Riepe gibt an, dass »noch nicht klar [sei], seit wann Ruspoli in seinem Haus regelmäßig Gesellschaftsabende mit Musik hielt«. Riepe, Händel 278. Kirkendale behauptet, dass »mit Händels Ankunft im Dezember 1706 [. . . ] bei Ruspoli die regelmäßigen, sonntäglichen conversazioni mit Kantaten-Aufführungen« begonnen hätten. W. Kirkendale, Handschriften 65. Auf Basis der Angaben in den Abrechnungsbüchern kann Kirkendales Angabe nicht eindeutig belegt werden. Die Abrechnungen zu den Kartenspielen sowie zu den Getränken erlauben zwar die Datierung von regelmäßig stattfindenden Conversazioni ab Sommer 1706, sie erlauben aber leider keine Datierung der ersten Conversazione mit Musik. Zu der Problematik der Zuordnung von Kantaten zu einzelnen Conversazioni vgl. das Kapitel Kantatenaufführungen und ihre Datierungsproblematik.

Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage

Akademie und ihr erster Kustode, vermerkte in seiner Storia dell’Accademia degli Arcadi minutiös all jene, die die Vereinigung besonders begünstigt hatten. Als ersten Schritt der diesbezüglichen Förderung Ruspolis – viele weitere sollten folgen – legt Crescimbeni dar, dass »alla fine l’anno 1707, 304 a gli 11 di Settembre [die Arkadier] si riposarono appresso D. Francesco Maria Ruspoli Principe [sic!] di Cerveteri il quale ha generosamente dato loro ogni comodo nel suo Giardino sul Monte Esquilino di far ciascun’anno le Adunanze«. 305 Ruspoli ließ zur Inauguration des von ihm zur Verfügung gestellten neuen Versammlungsortes einen copioso rinfresco ausrichten. Von diesem wurde in den lokalen Avvisi berichtet, so dass der Ruspoli’schen Freigiebigkeit auch außerhalb des arkadischen Kreises die erwünschte Sichtbarkeit zuteil wurde. 306 Mit dem Engagement der Sopranistin Margarita Durastante im Dezember 1706 307 begann sich im Hause Ruspoli ein Ensemble zu formieren, das der Hausherr für regelmäßige Musikvorführungen heranzog. Durastante wurde ab November 1707 auf Anordnung Ruspolis mit monatlich 20 Scudi entlohnt und war somit die erste Sängerin in der Casa Ruspoli mit monatlichem Gehalt. 308 Bis zu diesem Zeitpunkt standen bereits einzelne Instrumentalisten wie Pietro (Violinist) und Domenico Castrucci (Cembalist?) als Kammerdiener im Dienste der Adelsfamilie, Sänger und weitere Instrumentalisten hatten für ausgewählte Darbietungen noch gesondert engagiert werden müssen. 309 Zeitgleich mit Durastante kam zum Jahreswechsel 1706/07 Ruspolis erster »Hauskom304 »Fine dell’anno« ist in diesem Zusammenhang nicht mit dem Kalenderjahr gleichzusetzen, sondern mit dem Ende der Saison der arkadischen Sitzungen im Oktober eines jeden Jahres. 305 Crescimbeni, Storia 9. 306 Vgl. den diesbezüglichen Eintrag in den Avvisi Marescotti: »Nello stesso [11. September 1707] doppo pranzo fù grande il concorso nell’Accademia degli Arcadi che si radunò nel giardino del marchese Ruspoli, il quale diede un copioso rinfresco à poeti, et agli auditori.« Zit. n. Staffieri, Fragmenta 174, Eintrag 333. In den Giustif icazioni sind die Ausgaben für den Rinfresco aufgelistet, darunter eine Rechnung des Bottigliero, der für die Getränke, aber auch für geeiste Früchte zuständig war. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1707, A 44 (Fasc. 100). In den Manoscritti arcadici hat sich eine Canzonetta anacreotica (Nel riaprirsi la Conversazione dell’Arcadia nel Giardino del Sig. Marchese Ruspoli, tra gli Arcadi detto Olinto) von Montano Falangio (Pompeo Figari da Genova, einem der Mitbegründer der Arcadia) erhalten, die Olinto (Ruspoli) lobend hervorhebt, vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Manoscritti arcadici 11, 73 r–74 r. Vgl. zu den Versammlungsorten in Bezug auf Ruspoli auch Dixon, Real 60–64. 307 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 437 und dies., Händel 314. 308 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1707, A 44 (nach Fasc. 100). 309 Vgl. beispielsweise eine Abrechnung des Kontrabassisten Bartolomeo Cimapane, der im Januar 1707 noch für vier Auftritte »alla Conversazione« bezahlt wurde und in späterer Folge (ab Januar 1708) zum fixen Ensemble gehörte. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle

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ponist« 310: Georg Friedrich Händel. 311 Anders als Caldara, der ab 1709 wie Durastante ein regelmäßiges Gehalt bezog, erhielt Händel keine kontinuierliche Bezahlung. Riepe beschreibt das Arrangement zwischen dem jungen Sachsen und dem römischen Adeligen als widersprüchlich, kommt aber durch den Vergleich mit Verpflichtungen weiterer deutscher Komponisten an italienischen Adelshöfen sowie mit Probezeiten, die italienische Musiker bis zur Anstellung durchlaufen mussten, zu dem Schluss, dass die musikalische Dienstleistung gegen freie Kost und Logis der zeitgenössischen Praxis entsprochen habe. 312 Mit den Kompositionen des Hallensers nahm das Musikschaffen für Ruspoli an Fahrt auf. Rein quantitativ schlagen – wie später bei Caldara auch – die Kantatenkompositionen am meisten zu Buche. Aufgrund der für den Principe angefertigten Musikalienkopien sind 50 Werke bekannt, die mit Händel in Verbindung gebracht werden können. 313 Als chronologisch frühestes setzt Kirkendale die Kantate Arresta il passo (Aminta e Fillide, HWV 83) an, die sie einer Aufführung bei einer Conversazione an Weihnachten 1706 zuordnet und damit als »Handel’s formal debut in Rome« ausweist. 314 Zwar kann ein Nachweis erbracht werden, dass am 26. Dezember eine Conversazione stattgefunden hat, bei der die Kardinäle del Giudice und de La Trémoille sowie noch drei weitere – nicht näher bezeichnete – Purpurträger anwesend waren, aber eine eindeutige Zuordnung des genannten Werkes erlauben die Quellen nicht. 315 Kirkendale datiert die Kantate ausschließlich auf Basis ihrer Textinterpretation, wonach es sich um eine Weihnachtskantate handeln müsse. Diese Interpretation ist bis

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Giustificazioni, 1707, A 44 (Fasc. 20). Vgl. zu den angestellten bzw. zu den jeweiligen Anlässen engagierten Musikern U. Kirkendale, Caldara (2007) 437–444 bzw. die tabellarische Übersicht der Cappella Ruspoli bei Navach, Alme 31. Vgl. zur chronologischen Übersicht über die Dienstzeiten von Ruspolis »Hauskomponisten« Over, Astorga 91–95. Zu Händels Aufenthalt in Rom mit Bezug zu seinem Kantatenschaffen vgl. Kirkendales grundlegende Publikationen (U. Kirkendale, Handel, dies., Händel, dies., Ruspoli (2007)) sowie Pirrotta–Ziino (Hrsg.), Händel; Harris, Handel; Ehrmann-Herfort–Schnettger (Hrsg.), Händel; Wald-Fuhrmann, Orfeo; Over, Kontext; ders., Texte; W. Kirkendale, Händel. Eine umfassende Aufarbeitung der Thematik erfolgte jüngst durch Juliane Riepe, Händel vor dem Fernrohr. Vgl. Riepe, Händel 297–301 sowie Over, Astorga 91–95. Auch Caldara wurde nicht von Anfang seines Wirkens an bei Ruspoli monatlich bezahlt. Die Abrechnungen belegen zunächst Zahlungen für Caldaras Wohnräume. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 56. Vgl. die Übersichtstabelle im Anhang von Kirkendale, Documents (2007) 347–349. Vgl. U. Kirkendale, Handel 366. Vgl. die Abrechnung zum Kartenspiel, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1706 Tomo II, A 43 (Fasc. 309).

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dato umstritten, 316 so dass die Frage nach der ersten Händel’schen Kantate für die Conversazione weiterhin unbeantwortet bleiben muss. Mit Händels Engagement – das wurde bereits erwähnt – war es Ruspoli gelungen, im Bereich der Musikdarbietungen als »figura fuor dell’ordinario« 317 hervorzustechen. Das zeigt sich besonders an der Aufführung des Händel’schen Oratoriums La Resurrezione di nostro Signor Gesù Cristo. Aber auch auf den Gebieten der bildenden Kunst und der Politik war Ruspoli in den Jahren von 1706 bis 1708 äußerst engagiert. Aufsehen erregte er im Jahr der Ressurezione mit der Ausstellung von Gemälden seiner Sammlung im Kreuzgang der Kirche San Salvatore in Lauro. Die Kunstausstellungen wurden von Giuseppe Ghezzi, dem Sekretär der Accademia di San Luca, organisiert und waren mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit verbunden. Diese konnte noch gesteigert werden, wenn es dem Ausstellenden gelang, seine Werke ohne Beteiligung weiterer Leihgeber zu zeigen. 318 Dementsprechend versuchte Ruspoli, eine exklusive Präsentation seiner 194 Leihgaben zu erwirken, musste aber letztlich Ghezzis Vorschlag nachgeben, Bilder von Monsignor Olivieri aufzunehmen. 319 Noch mehr öffentliche Resonanz als auf künstlerischem Gebiet fand Ruspoli 1708 mit seinen militärischen Investitionen: Zur Zeit der Kunstschau war Ruspoli bereits seit Monaten in den militärischen Konflikt des Papstes mit dem römisch-deutschen Kaiser verwickelt. Der Marchese hatte ein Regiment aufstellen lassen und unter den Befehl seines Sohnes Bartolomeo Ruspoli (1697–1741) gestellt, das die päpstlichen Truppen im Comacchio-Krieg (1708/09) gegen Joseph I. unterstützen sollte. 320 Mit dieser ostentativ papsttreuen Gesinnung verfolgte Ruspoli gleich zwei Ziele, die seine Stellung innerhalb der Elite Roms stärken sollten: Das chronologisch erste erreichte er mit der Einsetzung seines Sohnes als Oberst, da mit dieser Amtsübernahme die offizielle Einführung des erst Elfjährigen beim Papst verbunden war. Sie erfolgte am 9. September 1708

316 Vgl. hierzu die Diskussion bei W. Kirkendale, Handschriften 63–66, Fabris, Aria, Riepe, Händel 169, Over, Texte 358–359 und jüngst Harris, Gender 229. 317 Franchi, Mecenatismo 102. 318 Vgl. zu dieser Einschätzung Haskell, Maler 186 sowie Pangrazi, Estetica 46: »[. . . ] naturalmente per le famiglie romane queste mostre erano occasioni per mostrare la propria magnanimità [. . . ]«. 319 Vgl. zu den Leihgaben die edierte Auflistung bei Marchi, Mostre 227–235. 320 Vgl. zum Comacchio-Krieg u. a. Schnettger, Erbfolgekrieg 52–62, Vocelka, Glanz 150–153 sowie Kramer, Habsburg. Die lokalen Publikationsorgane wie der Foglio di Foligno berichteten mehrfach über Ruspolis 500 Mann starke Truppe, aber auch in England erschien eine Meldung zum Marsch dieser Richtung Faenza. Vgl. I-Rc Per est A 2.6, Foglio di Foligno, Foglio 30. del 1708, Foligno 27. Luglio; English Post with News Foreign and Domestic, London, England, December 1, 1708 – December 3, 1708.

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unter Mitwirkung von Kardinal Pietro Ottoboni. 321 In der Händelforschung ist der 9. September bereits auf Interesse gestoßen, wurde doch an diesem Tag Händels Serenata Olinto Pastore Arcade (HWV 143) 322 uraufgeführt, deren Aufführungsgrund Kirkendale in der öffentlichen papalen Segnung des Regimento Ruspoli am Monte Cavallo sieht. 323 Hinzuzufügen ist dieser Argumentation die offizielle Einführung Bartolomeos am Papsthof. Der Inhalt des Werkes ist von politischen Aspekten bestimmt und verweist mehrfach auf die Kriegssituation, den Papst und Ruspoli. 324 Das zweite und wohl wichtigste familienpolitische Ziel Ruspolis, der Aufstieg in den Rang eines »Prencipe suddito Romano di Santa Chiesa« 325, war nach der Comacchio-Krise erreicht. Als Zeichen seiner Dankbarkeit erhob Clemens XI. den Feudo di Cerveteri vom Marchesato zum Principato. Ruspoli selbst wurde am 5. Februar 1709 in einer Audienz empfangen, deren zeremonieller Rahmen die besondere Wertschätzung des Pontifex ausdrückte, da der Adelige »in qualità di prencipe con ombrello« erscheinen durfte. Wichtiger noch: Die als »specialissima« klassifizierte Audienz erfolgte in jener Form, die nur den »nepoti di Papa« zustand. 326 In das für Ruspolis gesellschaftlichen Aufstieg so wichtige Halbjahr zwischen September 1708 und Februar 1709 fällt auch seine erste belegbare Verbindung zu Caldara. In den Rechnungsbüchern der Familie findet sich für Oktober 1708 die Abrechnung einer Kantatenkopie zu einer nicht identifizierbaren Cantata con Violini. 327 Ein vorangegangener Kontakt des Komponisten mit dem römischen Adeligen erscheint möglich, lässt sich aber nicht eindeutig belegen: So hatte Ruspoli im vorangegangenen Frühjahr eventuell Caldaras 321 Vgl. hierzu die Meldung im Foglio di Foligno: I-Rc Per est A 2.6, Foglio di Foligno, Foglio 38. del 1708, Foligno 21. Settembre: Roma 15. Settembre. »Il Marchesino Ruspoli alla Testa del suo Reggimento, di cui è Colonello, lo condusse Domenica dopo pranzo nel Cortile di Monte Cavallo, e salito con tutti gl’Ufficiali, fù introdotto dal Cardinale Ottoboni al Papa, che ne accolse con sommo gradimento il dono; La comparsa fù bella per esser tutti i Soldati di buona presenza, e benissimo vestiti, e molto più gl’Ufficiali coll’accompagnamento di ricche, e vaghe Livree per i Tamburi, e servitori.« 322 Vgl. zur Serenata Schmalzriedt, Kantate; Romagnoli, Kantaten; Riepe, Händel 125–128. 323 U. Kirkendale, Handel 401. 324 Schnettger sieht die Komposition als Paradebeispiel für die politische Propaganda mit dem Medium Musik. Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg 60. Davor konnten Schmalzriedt und Romagnoli nachweisen, dass sich in der Komposition Ruspolis Papsttreue spiegle: Olinto (Ruspoli) habe mit diesem Werk an den Papst als »den universellen Hirten [. . . ], der in der Lage sei, die Welt wieder zu vereinen«, erinnert. Schmalzriedt, Kantate; Romagnoli, Kantaten 480–484. 325 I-Rc Per est A 2.6, Foglio di Foligno, Foglio 7. del 1709, Foligno 15. Febraro. 326 Scano (Hrsg.), Diario, Bd. 4 231. 327 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 446.

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Oratorium Il martirio di Santa Caterina gehört, das Kardinal Ottoboni hatte aufführen lassen. 328 Ungeklärt ist auch, ob und, wenn ja, seit wann Caldara sich vor seiner Anstellung bei Ruspoli in Rom aufgehalten hatte. Barbieri hat eine Zahlungsbestätigung vom 18. September 1708 vom Komponisten an die Congregazione di Santa Cecilia gefunden, die sie als Hinweis wertet, dass Caldara »was thus professionally resident in Rome«. 329 Die bereits erwähnte erste Komposition kann wohl als eine Art Probestück betrachtet werden, 330 das aufgrund seiner Besetzung mit Streichern ideal zum Vortrag innerhalb einer Conversazione im Hause Ruspoli passte. Als gesichert gilt, dass regelmäßige Ausgaben für Caldara erst seit März 1709, also kurz nach der Standeserhöhung Ruspolis, von dem Maestro di casa, Angelo Valerii, verzeichnet wurden. 331 Von diesem Zeitpunkt an sollte der neue »Hauskomponist« bis 1716 für Kantaten sorgen, die überwiegend für die sonntäglichen Conversazioni benötigt wurden, deren Charakterisierung daher im Zentrum der folgenden Darstellung steht. Der äußere Rahmen für Kantatenaufführungen: Die Conversazione im Hause Ruspoli Die Abendgesellschaften, die von einzelnen Vertretern des römischen Adels und Klerus im frühen 18. Jahrhundert regelmäßig abgehalten wurden, sind bis dato lediglich bruchstückhaft untersucht worden. 332 Aus diesem Grund ist über den konkreten Ablauf, die Ausgestaltung, die zeremoniellen Rahmenbedingungen und die Zusammensetzung des Publikums sowie dessen Musikrezeption kaum etwas bekannt. Schon aus der in der Forschung vorzufindenden Terminologie – Conversazione, Accademia, Salotto und Assemblea – wird unmittelbar evident, dass der bezeichnete Gegenstand keineswegs klar definiert ist. 333 Im Zusammenhang mit dem Haus Ruspoli werden vor allem die Begriffe Accademia und Conversazione herangezogen, die sich auch in den Abrechnungsbüchern des Hauses fin328 329 330 331 332 333

Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 49–51. Barbieri, Assessment 603. Vgl. Over, Astorga 92. U. Kirkendale, Caldara (2007) 56. Vgl. Caffiero, Corte 127; Riepe, Händel 180. Vgl. auch Ago, Socialità; Mori, Maschile. Am Beispiel der Abendveranstaltung bei Kardinal Pietro Ottoboni zeigt sich das Problem deutlich: Riepe differenziert beispielsweise bei Ottobonis Zusammenkünften, die mittwochs am Abend stattfanden, zwischen Conversazione und Accademia. Over schlägt alle diesbezüglichen Veranstaltungen bei Ottoboni dem Begriff Accademia zu. Vgl. Riepe, Händel 85–102; Over, Kontext 336–340.

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den, wobei die Verwendung des Begriffs Accademia die Ausnahme darstellt. 334 Diesem Quellenbefund folgend wird in dieser Arbeit der Terminus Conversazione für die Abendveranstaltungen herangezogen. Darüber hinaus warnt Over davor, die Begriffe synonym zu verwenden, denn beide Veranstaltungsformen würden sich »in der Rigidität des Ablaufs und in der Zielsetzung« unterscheiden. Er ordnet Ruspolis Abendveranstaltungen den Conversazioni zu, die er als zwanglose Zusammenkünfte des kommunikativen Austauschs ohne formalisierte Struktur definiert, und stellt die These auf, dass Ruspolis Conversazioni im Gegensatz zu den Accademie bei Kardinal Ottoboni eine »hochprivate Angelegenheit« gewesen seien. 335 Diesen Befund gilt es zu überprüfen sowie die Ruspoli’sche Conversazione näherhin zu charakterisieren. Damit soll der äußere Rahmen für die Kantatendarbietungen abgesteckt werden, für die Caldara im Zeitraum von 1709 bis 1716 komponierte. Es sind nur wenige Quellen überliefert, auf deren Basis die Ruspoli’sche Conversazione rekonstruiert werden kann. Die Charakterisierung 336 fußt daher hauptsächlich auf den bereits zitierten Haushaltsbüchern, auf den erhaltenen Musikalien und auf einschlägigen Aufzeichnungen von Romreisenden, die ausgewählten Veranstaltungen beiwohnten: Prinz Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen (1705–1708) 337, Johann Friedrich von Uffenbach (1715) 338 und der bayerische Kurprinz Karl Albrecht (1715/16). 339 Die Zusammenschau der Quellen erlaubt es, Aussagen über Zeitpunkt, Anzahl, Häufigkeit, Ort, Publi-

334 Eine der Ausnahmen stellt die Abrechnung des Violinisten Carlo Alfonso Poli im Jahr 1709 dar, der für seine Spieltätigkeit »per l’accademia dell’ Ecc.mo Sig.re Ruspoli« eine Rechnung legt, vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo 1, A 47 (Fasc. 84). 335 Vgl. zu den Veranstaltungen bei Ottoboni Over, Enigma. 336 Ein Teil der vorliegenden Ergebnisse wurde von der Autorin bereits 2013 in den Studien zur Musikwissenschaft veröffentlicht. Vgl. Zedler, Kantatenschaffen. 337 Prinz Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen, der spätere Herzog von Sachsen-Meiningen, brach 1705 zur Italienreise auf und verzeichnete in seinem Tagebuch Hinweise zu den musikalischen Darbietungen in Rom. Am 24. April 1707 besuchte Anton Ulrich zum ersten Mal eine Veranstaltung bei Ruspoli, vgl. D-MEIl GA XV O, 354rv. Vgl. Erck–Schneider, Musiker 180–185; Pegah, anno 1707 sowie die Auswertung der Tagebuchquelle, die wie Pegah eine Teiledition mit Textstellen betreffend Händel vorlegt, bei Riepe, Händel. Vgl. darüber hinaus nicht nur zu musikalischen Aspekten des Romaufenthalts des jungen Prinzen im Jahr 1707 dies., Anton Ulrich. 338 Vgl. die Aufzeichnungen des äußerst musikinteressierten Uffenbach. Diese sind in Auszügen ediert bei Preussner (Hrsg.), Reisen. Uffenbach wohnte bei Ruspoli keiner Conversazione mit Kantate, sondern Oratorienaufführungen bei. Wenn diese auf einen Sonntag fielen, ersetzten sie die übliche Aufführung einer Kantate. 339 Der bayerische Kurprinz Karl Albrecht unternahm von Dezember 1715 bis August 1716 eine

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kum, Zeremoniell, Ablauf sowie Ausgestaltung der Conversazione im Hause Ruspoli zu treffen. Zeitpunkt, Anzahl und Häufigkeit der Conversazione Getränkeabrechnungen, Rechnungen von Instrumentalisten und Sängern, die für die Kantatenaufführungen gesondert engagiert wurden, sowie Quittungen zu Kartenspielen, liefern Informationen zur Anzahl und zur Regelmäßigkeit der Abendveranstaltung. Während der Dienstzeit Caldaras konnten 240 Conversazioni datiert werden, die regelmäßig sonntags 340 stattfanden und deren Häufigkeit sich über die Jahre hinweg wie folgt verteilt: (ab März) 1709

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Tab. 1: Häufigkeit der Conversazioni

Aus den Daten ergibt sich ein Durchschnitt von 30 Conversazioni 341 pro Jahr. Unterbrochen wurden die sonntäglichen Zusammenkünfte von Villeggiature (längeren Aufenthalten Ruspolis bzw. der Familie außerhalb der Stadt), Oratorienaufführungen und Theater- bzw. Opernvorstellungen, die nach Aufhebung des Opernverbots ab den 1710er Jahren wieder regelmäßig durchgeführt wurden. Letztere fanden zur Karnevalszeit statt und können zum Teil mit Abrechnungen des Bottiglieros, des Getränkelieferanten der Familie, Giovanni Battista della Vetra, nachgewiesen werden. Beispielsweise bezahlte Ruspoli für sogenannte Acque fresche am 15., 21., 22. und 31. Januar 1714 »per la comedia«. 342 Italienreise. Zu dieser Italientour sind mehrere Reiseberichte erhalten, die jüngst ediert wurden. Vgl. Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro. 340 Dass es über die sonntäglichen Conversazioni hinaus noch weitere Abendgesellschaften – wahrscheinlich mit Musik – bei Ruspoli gab, kann mit den Abrechnungsbüchern belegt werden. Besonders in den Monaten August, September und Oktober der Jahre 1709 bis 1712 zeigen die Giustif icazioni zusätzliche Getränkeabrechnungen für Abendgesellschaften an, die unter der Woche stattfanden. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47–1716, Tomo I, B 61. 341 Anders Kirkendale, die davon ausgeht, dass jeden Sonntag eine Conversazione stattgefunden habe und somit 52 Kantaten pro Jahr zur Verfügung gestanden haben müssten. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 61. 342 I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1714, Tomo I, B 57 (Fasc. 2). Zu den musikalischen Darbietungen vgl. die Ausführungen von U. Kirkendale, Caldara (2007) 89.

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Angaben zu Conversazioni entfallen – anders als üblich – in diesen Zeiträumen, so dass von deren Ausfall auszugehen ist. An die Karnevalszeit schlossen sich die Oratorienvorführungen im Hause an, die sich z. T. mit den Zeiten der Conversazioni mit Kantate deckten und diese ersetzten. Auffällig sind in den o. g. Daten die Angaben der Jahre 1714 und 1716: Das erste Halbjahr 1714 war vom Umzug der Familie vom Palazzo Bonelli in den Palazzo am Corso geprägt. Er bedingte eine deutlich gesunkene Veranstaltungsanzahl: Oratorien entfielen gänzlich, und es lassen sich lediglich drei Conversazioni (7. Januar, 8. und 15. April) datieren, bevor diese am 1. Juli wieder regelmäßig – nun im neuen Palazzo – aufgenommen wurden. Der quantitative Tiefstand des Jahres 1716 sticht insofern heraus, als Caldara nach der Karnevalsund Oratoriensaison nach Wien abreiste und von seinem Nachfolger Francesco Gasparini erst ab Juli Kantaten für Conversazioni nachweisbar sind. 343 Deren Dauer variierte, konnte sich über mehrere Stunden hinweg durchaus bis nach Mitternacht erstrecken. 344 Der bayerische Kammerherr Maximilian Graf von Preysing berichtete 1716 nach München, dass einschlägige Abendveranstaltungen in Rom »deux heures avant minuit« beginnen würden und dass diese Uhrzeit die »heure ordinaire mais bien extravagante des conversations de ce pays« sei. 345 Die Orte der Conversazione Für den Palazzo Bonelli, den die Familie Ruspoli von 1705 bis 1714 bewohnte, sind nur wenige Hinweise zu den Räumlichkeiten der Veranstaltung erhalten. Auf der Grundlage von Kerzenabrechnungen ist belegbar, dass sie zum überwiegenden Teil im Appartamento nobile durchgeführt wurde und dafür Anticamere, ein Raum, in dem Musik erklang, sowie ein weiterer für das Kartenspiel, beleuchtet werden mussten. Over konnte für die Musik im Appartamento nobile zwei »Stanzolini« und für das Kartenspiel die Stanza nobile identifizieren. 346 Aus klimatischen Gründen konnte die Zusammenkunft im Sommer im Appartamento terreno, also im Erdgeschoss, ihren Anfang nehmen. So war es etwa am 17. Juli 1707 der Fall, als man »a pianterra« begonnen hatte und im Anschluss 343 Dies belegt eine Abrechnung von Francesco Lanciani: »A di 5 Luglio 1716. Copie scritte per la Prima Accademia sotto la direttione del Sig.re Fran.co Gasparini«, vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1714, Tomo I, B 57 (Fasc. 32), abgedruckt bei Piperno, Gasparini 191. 344 Vgl. Preussner (Hrsg.), Reisen 77 sowie zu Anton Ulrichs einschlägigen Angaben Riepe, Händel 412–417. 345 D-Mhsa K. schwarz. 16004, Maximilian Graf von Preysing an Ignaz Xaver Wilhelm (18. April 1716, Rom). 346 Vgl. Over, Enigma.

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in das Appartamento nobile wechselte, wohin man zur Beleuchtung des Cembalos und für die Musiker Kerzen bringen ließ. 347 Die Conversazione florierte im Palazzo Bonelli, bis 1714 der Umzug in den Palazzo am Corso anstand, der einen von Caldara so bezeichneten »Riposo« 348 mit sich brachte. 349 Auch in der neuen Lokation war die Abhaltung der Conversazione nicht auf einen Raum beschränkt. Je nach Anlass und Jahreszeit wurden Conversazioni im neu gestalteten Appartamento terreno, im Appartamento di cima oder im Appartamento nobile veranstaltet. 350 Der übliche Ort der Musikdarbietungen im neuen Palazzo war das Audienzzimmer, das erst mit Hilfe zweier Abrechnungen vom 6. und 8. April 1717 näher lokalisiert werden kann, da zwei Appartamenti über Audienzräume verfügten. Nachdem die Oratorienvorführungen im Jahr 1717 abgeschlossen waren, wurden das Cembalo sowie 65 Stühle von der repräsentativen Galleria 351 des Piano nobile in die Camera d’udienza des Appartamento terreno gebracht 352, das nach dem Umzug großflächig umgestaltet wurde. Die Arbeiten an der Dekoration waren im Großen und Ganzen am 9. August 1715 fertiggestellt. 353 Einer Abrechnung des Getränkelieferanten ist es zu verdanken, dass die erste Conversazione in den neugestalteten Räumlichkeiten wenige Tage danach datiert werden kann: Giovanni Battista della Vetra stellte Getränke »per la solita conversazione« in Rechnung, die am 11. August »al novo appartamento« durchgeführt wurde. 354 Es ist davon auszugehen, dass in der kühleren Jahreszeit 347 I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1707, Tomo I, A 44 (Fasc. 138). Vgl. auch Over, Kontext 337 f. sowie ders., Enigma. 348 Auf dem Motettendruck, den Caldara Pietro Ottoboni widmete, findet sich der Ausdruck »Riposo«. Diese »Auszeit« ermöglichte es Caldara, seine Motettenkompositionen für den Druck vorzubereiten, vgl. U. Kirkendale, Caldara (1966) 73. 349 Vom Umzug war Caldara auch persönlich betroffen, der nunmehr neben dem Palazzo Ruspolis im ersten Stock (»incontro S. Lorenzo in Lucina acanto il Palazzo«) untergebracht wurde. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1719, Tomo IV, B 70 (Fasc. 165). 350 Vgl. zur Raumsituation im Palazzo Ruspoli Benedetti, Architettura. Es liegt eine zeitgenössische Beschreibung der Appartamenti aus dem Jahr 1715 vor, die die Räumlichkeiten im zeitlich geringen Abstand nach Ruspolis Renovierung und Einrichtung darstellt. Vgl. Rossini, Mercurio 61–66. Vgl. zur Ausgestaltung des Appartamento terreno im Besonderen Michel–Michel, Décoration 265–340. 351 Vgl. zu den Funktionen des repräsentativsten Raumes in römischen Palazzi Strunck, Konkurrenz 208–215. 352 Die Abrechnungen sind abgedruckt bei: Piperno, Gasparini 202. Der Raum 7 »Baldacchino« ist mit der Camera d’udienza gleichzusetzen. Vgl. die Raumfolge bei Michel–Michel, Décoration 267. 353 Mitunter waren bei der Neugestaltung 22 Maler gleichzeitig tätig. Vgl. Michel–Michel, Décoration 271. 354 I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1715, Tomo I, B 59 (Fasc. 48).

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das Appartamento di cima als Ort der Zusammenkünfte fungierte, das in dem höher über dem Piano nobile gelegenen Stockwerk des Palazzo Ruspoli zu verorten ist. 355 Einen tieferen Einblick in Fragen von Räumlichkeit und Musik bei der Conversazione erlaubt Uffenbachs Tagebuch: Es handele sich, notiert er, um »[. . . ] ein ungeheuer große und lang gallerie in dem es gleichwie in dem ganz hauß an unvergleichlichen gemälden und silber werk nicht fehlt, alles war aufs prächtigste illuminirt und zu beyden seiten der ganzen gallerie stühle vor die Zuhörer gesezet, oben aber der plaz für die musique frey gelassen, alwo eine große anzahl Virtuosen sich rangirten.« 356 Wenn die Conversazioni »assumevano un tono eccezionale dato il prestigio degli ospiti che vi prendevano parte«, so stellt Piperno fest, dass »esse con le relative esecuzioni musicali si svolgevano nella galleria.« 357 Genau dies war beim Besuch des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht der Fall. Für den nachmaligen Kaiser Karl VII. wurde am 26. April 1716 eigens ein »nobil trattenimento« 358 abgehalten und in der Galleria des Appartamento nobile 359 eine Kantate aufgeführt. Aus der Sicht des Gastes stach der Palazzo aus der Masse der römischen Adelshäuser besonders heraus, denn Ruspoli habe »parer magnifiquement son palais qui est un des plus beaux qu’il y aye presentement a Rome.« 360 Der Kurprinz wurde nach seiner Ankunft »[. . . ] in die gallerie geführt und in selbiger mit einer zwey-stimmigen cantata unterhalten [. . . ]. Nach anhörung der music wurde herr Graf Traußnitz 361 durch die übrige häufig illuminierte zimmer zu einem spiel geführt, und

355 Vgl. Over, Enigma. 356 Preussner (Hrsg.), Reisen 77. Vgl. zum Palazzo Ruspoli grundlegend Pietrangeli (Hrsg.), Palazzo sowie zum Bildprogramm in der Galleria Lohaus, Freskenzyklus. 357 Piperno, Gasparini 203. 358 »Il sudetto Sig. Principe Elettorale, la sera [domenica] si portò nel Palazzo del Sig. Principe Ruspoli nobilmente addobato, da quale fù dato un nobil trattenimento, con una cantata delle sue Virtuose [. . . ].« Gazzetta di Napoli, Nr. 19, 5. Mai 1716, abgedruckt bei: Griffin, References 80, Eintrag 355. 359 Bei der exakten Ortsbestimmung ist zu beachten, dass auch das Appartamento terreno eine Galleria aufwies. Dass die Conversazione für Kurprinz Karl Albrecht im Appartamento nobile stattfand, lässt sich nicht alleine mit dem Rang des Besuchers belegen, sondern ist wiederum auch über eine Abrechnung von Kerzen möglich. Diese gibt den Hinweis auf die Galleria im Appartamento nobile. Spieltische wurden in der zweiten und vierten Anticamera mit Kerzen versehen. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1716, Tomo I, B 61 (Fasc. 21). 360 Zedler– Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 D, 26. April 1716. 361 Kurprinz Karl Albrecht reiste inkognito als Graf von Trausnitz durch Italien. Ein Grund für die Wahl des Inkognitos war die Vereinfachung des Begegnungszeremoniells. Vgl. zur Musik während des Romaufenthalts des Kurprinzen Zedler, Viator.

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mit solchem die gesellschaft beschlossen.« 362 Aus diesem kurzen Diariumseintrag lässt sich ableiten, dass erstens Spiel und Musik integraler Bestandteil der Conversazione waren und dass zweitens dafür – wie schon im Palazzo Bonelli – unterschiedliche Räume genutzt wurden. Diese örtliche Trennung von Musik und Spiel akzentuiert erkennbar die Bedeutung, die der Musikaufführung zugemessen wurde. Das Publikum der Conversazione Mit dem Empfang des Kurprinzen im Hause Ruspoli ist bereits die Frage nach dem Publikum der Conversazioni und damit von deren Rezeption berührt. Wie aus Reiseberichten, Korrespondenzen und Abrechnungen zu Kartenspielen hervorgeht, beschränkte sich der Kreis der Besucher nicht auf den römischen Adel 363 und Klerus 364. Die Conversazioni waren zugleich Treffpunkt für Botschafter 365, für Bürgerliche mit einem anerkannten gesellschaftlichen Status 366, für in Rom ansässige Ausländer und für Reisende unterschiedlichen gesellschaftlichen Ranges. 367 Hinsichtlich Letzterer sind einige wenige Hinweise zu ihrer Herkunft überliefert: Prinz Anton Ulrich, der laut seinen Aufzeichnungen mindestens sechs Mal an einer Conversazione im Palazzo Bonelli teilgenommen und dabei Musikvorführungen unter Mitwirkung von Georg Friedrich Händel beigewohnt hatte, hielt bezüglich der Anwesenden fest, dass »da Viel teütsche, und Englische und andere Cavallier« oder ein anderes Mal, dass »viele teütsche

362 Zedler– Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 A, 26. April 1716. 363 Auf den Abrechnungen zu den Kartenspielen in den Giustif icazioni sind Namen verzeichnet, die zumindest vereinzelte Hinweise auf die Zusammensetzung des Publikums und somit auch auf das soziale Netzwerk der Familie Ruspoli geben. Dem römischen Adelskreis zugehörig sind u. a. folgende Besucher der Conversazione: der Papstneffe Don Carlo Albani, dessen Frau, Teresa Borromeo Arese Albani, Conte Ferdinando Bolognetti, Conte Mario Capizucchi (der Halbbruder von Francesco Maria Ruspoli), Duca Francesco Bonelli sowie Gaetano Sforza Cesarini (Duca di Segni). 364 Die Abrechnungen nennen u. a. die Kardinäle Pietro Ottoboni, Francesco del Giudice, JosephEmmanuel de La Trémoille, Fabio degli Abati Olivieri. 365 Dazu zählten der venezianische Botschafter Lorenzo Tiepolo in den Jahren 1711 und 1712 sowie der kaiserliche Botschafter Johann Wenzel von Gallas im Jahr 1715. 366 Nachweisbar ist Ruspolis Architekt Giovanni Battista Contini als Gast der Conversazione. Vgl. Pascoli, Vite 554 f. 367 Auf die ausländischen Gäste im Palazzo verweist auch der Arkadier Crescimbeni in der Widmung des fünften Bandes der Rime degli Arcadi an Ruspolis Frau: »[. . . ] nel vostro stesso Palazzo, ove ben tutto l’anno si vede comparire agli occhi non pur di Roma, ma dell’Europa tutta, per li forestieri, che continuamente d’ogni parte vi concorrono [. . . ]«. Crescimbeni (Hrsg.), Rime V, o. S. [Widmung].

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und franzosen« anwesend gewesen seien. 368 Uffenbach umreißt das Publikum ähnlich: Bei dem »Sontagliche ordinaire concert [7. April 1715] [. . . ] [war] eine große anzahl standes persohnen, und frembde« 369 zugegen. Auch George Berkeley verweist auf das Publikum der Conversazione, indem er erklärt, »Prince Rospoli [sic!] is the man who now [März 1717] gives music every week to strangers«. 370 Obwohl zur Zusammensetzung des Auditoriums nur wenige Hinweise vorliegen, lässt sich schließen, dass die Conversazione nicht ausschließlich von einem fest gefügten und exklusiv römischen Personenkreis besucht und rezipiert wurde. Sie kann daher als Begegnungsplattform charakterisiert werden, die für Standespersonen zugänglich war, ohne dass eine persönliche Bekanntschaft zwischen Hausherr und Gast oder eine vorangegangene Einladung nötig war. Zeremonielle Rahmenbedingungen Extrahiert man die Informationen aus den erwähnten Tagebüchern und setzt sie mit den Umfeldquellen in Beziehung, so ergibt sich folgendes Bild zum Zeremoniell: Der Besuch der Conversazione war für Standespersonen möglich, ohne dass eine besondere Etikette eingehalten werden musste. 371 Schon bei dem für die Frühe Neuzeit so wichtigen Empfangszeremoniell 372 wird dies unmittelbar greifbar. Unabhängig von Ruspolis Rang erlaubte der Hausherr »jedem frembden ohne introduction [. . . ] hinzukommen« 373. Anton Ulrich hatte bereits 1707 notiert, der Conversazione »ohne uns anzumelden« beigewohnt zu haben. 374 Das erklärt auch, warum der Mandatario, den Ruspoli für offizielle Einladungsdienste heranzog, ausschließlich für besondere Gelegenheiten bezahlt wurde 375 und der Meininger Prinz den (damals noch) Marchese Ruspoli erst bei seinem zweiten Besuch der »schöne[n] Music« kennengelernt hatte. Of-

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372 373 374 375

Tagebuchauszug abgedruckt bei Riepe, Händel 414 f. Preussner (Hrsg.), Reisen 77. Berkeley– Percival, Berkeley 163. Da die zeremoniellen Bedingungen der Conversazioni an römischen Adelshäusern des frühen 18. Jahrhunderts bis dato noch nicht eingehend untersucht wurden und sie zeitgenössisch auch nicht verschriftlicht wurden, erfolgt hier eine ausführlichere Schilderung der aus den Quellen abzuleitenden zeremoniellen Facetten der Conversazione im Hause Ruspoli. Vgl. zum Empfangszeremoniell jüngst Barth, Wittelsbach. Preussner (Hrsg.), Reisen 77. Tagebuchauszug abgedruckt bei Riepe, Händel 412. Zu offiziellen Einladungen kam es selten und im Regelfall im Zusammenhang mit Oratorienaufführungen im Hause Ruspoli, vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 60.

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fensichtlich wurde Anton Ulrich nicht offiziell vorgestellt, denn das Tagebuch verrät, dass er den Hausherren »enpassent« angesprochen habe. 376 Kurprinz Karl Albrecht war während der Dienstzeit Caldaras bei Ruspoli der ranghöchste Besucher aus dem Reich. Den bayerischen Fürstensohn innerhalb einer Conversazione zu ehren war nachgerade ideal, denn die Ausgestaltung der abendlichen Zusammenkünfte erlaubte die Beibehaltung des erwünschten Inkognitos, 377 vielmehr waren »demonstrations publiques pour un prince qui est en incognito« zu vermeiden. 378 Dies beeinflusste sowohl die Ausgestaltung der Ankunft des Prinzen am Palazzo Ruspoli wie sein Zusammentreffen mit Kardinälen. Diesen gegenüber galt es im Besonderen Präzedenzfragen zu umschiffen. Karl Albrecht wurde zehn Tage vor dem Besuch der Conversazione im Zuge einer Visite von Ruspoli, »che tanto anelava d’aver d[ett]o Pr[i]n[ci]pe in casa« 379, eingeladen. 380 Als er dann am Sonntag, den 26. April erschien, wurde er vom Hausherren nicht bei der Kutsche empfangen, wie es für einen Besucher seines Ranges üblich gewesen wäre, sondern erst bei der ersten Anticamera und dort auch nicht von Ruspoli selbst, sondern von dessen Gemahlin inko-

376 Tagebuchauszug abgedruckt bei Riepe, Händel 413. 377 Vgl. zur zeremoniellen Funktion des Inkognitos Barth, Inkognito 101–131. Vgl. zum Besuch Karl Albrechts bei Ruspoli: »Spesa fatta per il Rinfresco fatto al Sereniss.mo S.re Pren[ci]pe Elettorale di Baviera in occasione che la sera delli 26 Dom[eni]ca fù alla Conversazione«, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1716, Tomo 1, B 61 (Fasc. 21). 378 Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 125 D, 12. April 1716. 379 A-Whh Italienische Staaten, Span. Rat, Rom, Kart. 14 (Berichte und Weisungen 1716), Avviso vom 2. Mai 1716. 380 Vgl. zur Visite Ruspolis beim Kurprinzen Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 129 A, 16. April 1716. Ruspoli musste die Einladung persönlich innerhalb einer Visite aussprechen, da ein Einladungsschreiben bzw. ein Bote mit Einladungskompliment nicht ausreichte. Dies bestätigt eine Äußerung Filippo Silvas in Bezug auf eine vorangegangene Oratoriumsaufführung im Hause Ruspoli: »Il Signor Principe Ruspoli in una delle passate sere ha fatto un bell’Oratorio, e mandò ad invitarvi Sua Altezza [il principe di Baviera] che non v’andò, dicesi, perché stimò, che di persona avesse dovuto essere ad invitarlo [. . . ].« Der Briefauszug ist ediert in: Nigito, Lettere 222 f. Die Einladungssituation ist vergleichbar mit jener Principe Marcantonio Borgheses, der Karl Albrecht ebenso persönlich zu einem ihm gewidmeten Fest einzuladen hatte. Vgl. D-Mhsa K. schwarz 16006, Johann Baptist Santini an Ignaz Xaver Wilhelm (23. Mai 1716). Die Visiten Ruspolis und Borgheses wiederum durften erst erfolgen, nachdem Fabrizio Colonna als Ranghöchster unter den römischen Adelsfamilien die erste bei dem bayerischen Prinzen abgelegt hatte: »En effet la delicatesse du ceremoniel de cette cour, et la crainte de faire quelques pas qui puisse y etre prejudiciable, donnerent sujet aux princes romains de ne poit faire de visite formelle a Monseigneur le Prince Electoral, jusqu’a ce que M.r Connêtable Colonne, dont ils disputent la preeminenze, ne se fut acquité le premier, de cet acte de civilité, et de bienseance.« Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 125 D, 12. April 1716.

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gnito als Graf von Trausnitz. 381 Die so gestaltete Ankunft entsprach exakt den Gepflogenheiten der Conversazione wie den Inkognitobesuchen des Kurprinzen auf seiner Italienreise. Da die Conversazione prädestiniert war für einen unprätentiösen gesellschaftlichen Austausch, kamen dann auch jene Kardinäle hinzu, die laut des von Karl Albrecht einzuhaltenden Zeremoniells keinen offiziellen Kontakt mit ihm haben durften. Purpurträger wie de La Trémoille nutzten offensichtlich die Abendgesellschaft bei Ruspoli, um den Bayern per gelenktem Zufall dort zu treffen. 382 Eines der Diarien vermerkt die zeremoniellen Auffälligkeiten, die während der Abendveranstaltung besonders im Hinblick auf den Damenbesuch auftraten. »[B]ey der menge sich alda eingefundenen Adels ware von Damen die eintzige Donna Theresia Albanin 383 zugegen, wegen gewisser rangs-prætensionen, welche zwischen fürst[lichen] und anderen Damen zu Rom in contestation gehen.« 384 Die hier angezeigten Rangstreitigkeiten römischer Adelsdamen scheinen für die Besucher ungewohnt, denn in einem weiteren Reisediarium wird auf dieses zeremonielle Problem ausnehmend ausführlich eingegangen: Die Damen ließen sich in zwei Parteien einteilen: Auf der einen Seite standen jene, die auf einen Papst in der Familie verweisen konnten und daraus einen zeremoniellen Vorrang ableiteten. Auf der anderen Seite versammelten sich jene, denen die päpstliche Verwandtschaft fehlte. Liefen nun die Vertreterinnen beider Gruppierungen Gefahr, bei einschlägigen Veranstaltungen zusammenzutreffen, so mussten sich Letztere in die nachrangige Rolle fügen oder fernbleiben.385

381 »Ihro Durchlaucht [ist] zu dem Prencipe Ruspoli in dessen pallast gefahren, aldorten von der Princessin seiner gemahlin in dem ersten vorzimmer empfangen [worden]«. Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 A, 26. April 1716. 382 Vgl. zum gelenkten Zufall als Mittel zur Vermeidung von zeremoniellen Problemen Jöchner, Barockgarten. Ein paralleler Fall zur Conversazione bei Ruspoli ist für eine solche im Hause der Familie des bayerischen Gesandten Alessandro Clemente Scarlatti dokumentiert. Die Kardinäle Schrattenbach, de La Trémoille und Acquaviva hatten den bayerischen Envoyé Scarlatti gebeten, dass dessen Schwägerin eine Conversazione abhalten solle. Diese könnten sie ohne Probleme besuchen und sich dort mit Karl Albrecht austauschen. Vgl. D-Mhsa, K. schwarz 16006, Johann Baptist Santini an Ignaz Xaver Wilhelm (11. April 1716). 383 Teresa Albani war die Ehefrau von Don Carlo Albani, dem Neffen von Papst Clemens XI. Dass sie die Einzige war, die seiner Frau Gesellschaft leistete, war ganz zum »disgusto« des Hausherren Ruspoli. Vgl. A-Whh Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Kart. 14 (Berichte und Weisungen 1716), Avviso vom 2. Mai 1716. 384 Zedler– Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 129 A, 16. April 1716. 385 Wenn man die Meldungen der Avvisi und Gazzette zu den römischen Accademie und Conversazioni durchsieht, so wird immer wieder von der Anzahl der Damen berichtet bzw. werden ihre Namen im Einzelfall genannt. Offensichtlich waren die Höhe der Anzahl und auch der Rang der Damen ein Ausdruck des Prestiges der jeweiligen Conversazione.

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Eine strenge Sitzordnung lässt sich während der musikalischen Vorführung nicht rekonstruieren, im Gegenteil: Es wird berichtet, dass »zu anhörung der Music alles pesle mesle zu sitzen sich angestelt« 386 hatte. Die Sitzordnung fügte sich im Falle der Conversazione für den Kurprinzen aber dann doch so, dass er zwischen Damen zu sitzen kam und dabei den »oberen Platz occupirte« – d. h. den Ehrenplatz erhielt. Trotzdem war es, wie Riepe feststellte, nicht selbstverständlich, dass ein hochrangiger Vertreter des Adels mit einem Sitzplatz bedacht wurde. Prinz Anton Ulrich befürchtete nämlich, zu lange stehen zu müssen, so dass er, zumindest für den 3. Juli 1707, davon absah, die Conversazione zu besuchen. 387 Reverenz wurde, so Uffenbach, den neuankommenden Kardinälen und Damen erwiesen, »da jeder aufstund, nachmal aber auf seinen alten plaz sich wieder sezete«. 388 Besonderes Augenmerk wurde in den Diariumseinträgen der Reisenden auf die Anwesenheit von Kardinälen während der Conversazione gelegt, die auch diesen einen informellen Austausch ermöglichte. Aus Anton Ulrichs Einträgen geht hervor, dass die Kardinäle bei der Conversazione »in ihren Abées Kleidern«, also ohne kleidungsspezifische Distinktionszeichen, die ihren Rang nach außen hin sichtbar machten, erschienen seien. Außerdem betont er, »der Card. Ottoboni [. . . ] [hat] im vorbey gehen daselbst mich angesprochen« 389, und belegt damit den Charakter der Conversazione als informelle Kontaktbörse. Ausgestaltung und Ablauf der Conversazione Die Ausgestaltung der Conversazione fußt auf vier Konstanten: Konversation, Musik, Kartenspiel und Erfrischungen. Bei der Musik handelte es sich um Kantatenvorführungen und um – nicht näher identifizierbare – Instrumentalmusik. Die häufigste Form des Kartenspiels im Hause Ruspoli war das Spiel all’ombre. 390 Zu den Erfrischungen zählten u. a. Aquavit, Liköre und geeistes Wasser. 391 386 387 388 389 390

Zedler– Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 129 A,16. April 1716. Vgl. Riepe, Händel 179. Preussner (Hrsg.), Reisen 77. Vgl. Diariumsauszug bei Riepe, Händel 413. Vgl. zum Kartenspiel o. A., Giucatore sowie o. A., Academie 55–102. Das ebenfalls an den deutschen Höfen beliebte Kartenspiel all’ombre hatte auch Einfluss auf Caldaras Kantatenkomposition. So entstand für den Wiener Hof die Cantata Il giuoco del Quadriglio, bei der eine Kartenspielszene mit dem Spiel all’ombre nachgezeichnet wird. Vgl. A-Wgm A 404 sowie Mandyczewski (Hrsg.), Caldara 46–61. 391 Vgl. die Abrechnungen der Bottiglieria in I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47–1716, Tomo I, B 61.

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Der Ablauf der Conversazione ist aufgrund der disparaten Quellenlage nicht exakt zu rekonstruieren. Er scheint nicht standardisiert gewesen zu sein, finden sich doch widersprüchliche Angaben. Zieht man den Bericht von Karl Albrecht als Referenz heran, so markierte die Kantate den Beginn der Veranstaltung, dem sich Kartenspiel und Konversation anschlossen. Da es sich bei den Kantaten im Regelfall um Neukompositionen handelte, ist davon auszugehen, dass deren aktive Rezeption intendiert war. Sie als eine Art Auftakt der Conversazione zu setzen ist daher plausibel. In diese Richtung deutet auch der Umstand, dass bei der Musikdarbietung benötigte Kerzen beim Kartenspiel weiterverwendet werden konnten. 392 Dass auch während des Kartenspiels musiziert wurde, gibt Filippo Silva an: Ruspoli »tiene ogni sera Conversazione di Dame, e Cavallieri, che vi si trattengono giocando al suono di diversi Instromenti, ed al canto d’ariette de’ migliori musici«. 393 Diese hier erwähnten täglichen Veranstaltungen beschränkten sich lediglich auf die Sommermonate und unterschieden sich in ihrem Ablauf von den regulären sonntäglichen Conversazioni. 394 Die Sängerinnen und Instrumentalisten der Conversazione (1709–1716) Während seiner Tätigkeit für das Haus Ruspoli stand Caldara als Kapellmeister einem Ensemble von ca. 13 Personen vor, die über längere Zeiträume hinweg fest angestellt waren. Das Sängerpersonal bestand ausschließlich aus so bezeichneten Virtuose. Drei Instrumentalisten waren zusätzlich als Kammerdiener im Hause Ruspoli tätig (siehe Tab. 2). 395 Neben dem Pool fest angestellter Sängerinnen und Instrumentalisten kam es auch zu vereinzelten Engagements, wenn dies der Aufführungsanlass und damit die Besetzung der Komposition erforderte. Aus den Zahlungslisten kann abgeleitet werden, dass dies aber die Ausnahme war und hauptsächlich männliches 392 »[. . . ] e due [candele] doppo sonato Furono levate e messe à un tavolino di gioco.« Zit. n. Over, Enigma. 393 Filippo Silva an Giovanni Andrea Doria, Dok. L 74, abgedruckt bei: Nigito, Musica 501. 394 Leider ist es für 1715 im Gegensatz zu den Jahren 1711 und 1712 nicht möglich, diese Veranstaltungen auf Basis von Getränkeabrechnungen nachzuweisen. Zur Musik liegen aufgrund der disparaten Quellenlage keine näheren Hinweise vor. 395 Die Angaben der Tabelle basieren auf U. Kirkendale, Caldara (2007) 437–439 und den Haushaltsabrechnungen, vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47–1716, Tomo I, B 61. Kirkendales Daten weichen an einigen Stellen ab, da weitere Rechnungsbelege aufgefunden werden konnten. 396 Bis Juni 1720 erfolgte die regelmäßige Bezahlung der Sängerin, danach sind noch kleinere Beträge für sie nachweisbar. Zum Beispiel wurde im Dezember 1720 im Auftrag von Principessa Ruspoli ein Spinett in das Kloster Santa Teresa gebracht, in dem Piedz wohnte. Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1720, Tomo II, C 72 (Fasc. 129).

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Name

Funktion

Belegbare Tätigkeit (Monat / Jahr)

Margarita Durastante

Sopranistin

11/1707–10/1709; 06/1711–10/1711

Orsola Sticotti

Sopranistin

02/1710–09/1710

Anna Maria di Piedz (genannt Mariuccia)

Sopranistin

10/1710–11/1710; 05/1711–06/1720 396

Caterina Petrolli

Altistin

10/1709–04/1711

Agnesa Corsie

Altistin

08/1711–05/1715

Pietro Castrucci

Violinist, Kammerdiener

∼ 1700–05/1715

Silvestro Rotondi

Violinist, Kammerdiener

vor 1708–∼ 06/1718

Giuseppe Valentini

Violinist

05/1711–01/1713; in den Jahren 1708–1710 und 10/1713 gelegentlich engagiert

Carlo Alfonso Poli

Violinist

02/1709–07/1709; 09/1715

Giuseppe Maria Peroni

Violoncellist

01/1708–12/1716

Bartolomeo Cimapane

Kontrabassist

07/1707–06/1718

Stefano Giovanni Antonio Sicuro

Oboist

05/1710–01/1711

Domenico Castrucci

Cembalist (?), Kammerdiener

∼ 1700–12/1719

Tab. 2: Das Musikensemble unter Antonio Caldara

Sängerpersonal betraf. 397 Es handelt sich auf die Jahre 1709 bis 1716 verteilt lediglich um eine Handvoll Kantaten- bzw. Serenatenaufführungen, die nicht von der hauseigenen Cappella bestritten werden konnten. 398 Als Beispiel sei die Serenata für vier Solisten Il trionfo d’Amore herausgegriffen: Das Werk wurde am 21. Juli 1709 innerhalb einer Conversazione als Stellungnahme Ruspolis zu der Ernennung Kardinal Pietro Ottobonis als Protektor Frankreichs, also als Vermittler der Interessen Ludwigs XIV. am päpstlichen Hof, aufgeführt. Die für diesen Anlass engagierten Musiker ergänzten in idealer Weise das Hausensemble: Neben Francesco de Grandis (genannt Checchino, Sopranist), Pasqualino (Altist) und D. Giulio (Bassist) fehlte nur mehr Durastante, um das Sängeren-

397 Anders sieht dies natürlich im Fall der Oratorien- und Opernaufführungen im Haus Ruspoli aus, für die eine große Anzahl an Musikern zusätzlich engagiert wurde. Vgl. die einschlägigen Abrechnungen bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 447–487. 398 Für das Spiel der Ripienostimmen einiger Kantaten müssen im Zeitraum von 1709 bis 1716 noch weitere nicht zu identifizierende Violinisten herangezogen worden sein, die sich wahrscheinlich aus dem Personal im Hause Ruspoli rekrutieren ließen.

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semble für die Besetzung von zwei Sopran-, einer Alt-, und einer Basspartie perfekt zu machen. 399 Bei näherer Betrachtung der belegbaren Tätigkeit der Musiker zeigt sich, dass Caldara für seine Kompositionen über Jahre hinweg auf zwei Virtuose und ein kleines Streicherensemble zurückgreifen konnte. Korreliert man diesen Befund mit den Kantatenkompositionen, so passte Caldara seine Werke an diese Gegebenheit an. Ohne Probleme hätte Caldara für die Conversazione ausschließlich Solokantaten komponieren können, die lediglich eine Besetzung von einer Singstimme mit Basso-continuo-Begleitung benötigt hätten. Die Besetzungspraxis Caldaras zeigt aber, dass dem Komponisten – und implizit auch seinem Arbeitgeber – daran gelegen war, der Conversazione eine ihr eigene charakteristische musikalische Umrahmung zu verleihen. * Als Fazit lässt sich in Bezug auf die Conversazione festhalten, dass es Ruspoli zügig gelang, nach dem Erbe seine 1706 einsetzende Abendveranstaltung als römische Institution zu etablieren und wöchentlich Personen in seinem Palazzo zu versammeln, die der politischen und sozialen Elite der Ewigen Stadt angehörten, wenngleich sich der Kreis der Besucher nicht auf diese beschränkte. Die frühesten Zeugen der raschen Etablierung der Conversazione sind die Reiseaufzeichnungen des jungen Meiningers Anton Ulrich, der schon 1707 einerseits von den regelmäßigen Abendveranstaltungen und andererseits von deren unzähligen Gästen berichtete. Diese und weitere Berichte lassen darüber hinaus keinen Zweifel daran, dass die Reputation der Conversazione ursächlich an die Musik geknüpft war: »wir [sind] zu dem Marqaisen Rospili [sic!] gefahren, um die schöne Music zu hören«, heißt es etwa oder: »weil es noch zu früh [war, um] zum Marchesen Rospoli in die Music zu fahren«. 400 Und noch zehn Jahre später ist Berkeleys Bemerkung »Prince Rospoli is the man who now [März 1717] gives music every week to strangers« in dieser Hinsicht zu interpretieren, dass Ruspolis Conversazione zu den Einrichtungen gehörte, die von Rombesuchern aufgesucht werden mussten, auch wenn sie nur kurz anwesend waren und wie in Fall Berkeleys auch kein genuines Interesse an Musik hatten. Berkeley bekannte schließlich, selbst »eyes but no ears« zu haben, und war sich sicher, »to fall asleep as constantly as I go«. 401 Der Musikkenner Uffenbach hingegen suchte 399 Vgl. zu diesem Werk und seinem politischen Kontext grundlegend Boschung, Serenata. 400 Anton Ulrich war insgesamt acht Mal bei der Conversazione anwesend und verbindet die Veranstaltung bei Ruspoli in seinen Tagebuchaufzeichnungen immer mit Musik. Vgl. die Tagebuchauszüge bei Riepe, Händel 412–417. 401 Berkeley– Percival, Berkeley 163.

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Ruspolis Palazzo gezielt wegen der Musik auf und hatte sich eingehend damit beschäftigt. Er weiß zu berichten, dass Ruspoli sich für das Musikgeschehen jährlich in Unkosten stürze, schwärmt von den Sängerinnen und urteilt, dass die Veranstaltungen »das beste alhier« seien. Die Exklusivität des Musikgeschehens beschreibt er mit der »perfection« der Aufführung und damit, dass die »composition jedesmal ganz neu« sei. 402 Drei zentrale – nicht scharf abgrenzbare – Funktionen motivierten Ruspoli, diese kostenintensive Abendveranstaltung innerhalb der römischen Adelselite zu betreiben: 403 die repräsentative, die politische sowie die rekreative Funktion. Der ersten ist zuzuschreiben, dass mit der Regelmäßigkeit der Zusammenkünfte und der Exklusivität der Musikdarbietungen, die durch Neukompositionen und den Vortrag von weiblichem Sängerpersonal gegeben war, dem Gastgeber eine Bühne eröffnet wurde, die es ihm ermöglichte, sein soziales Netzwerk sowie die Pracht und den Aufwand im Palazzo 404 für die Besucher Woche um Woche sichtbar zu machen. Renommee versprachen ranghohe Besucher und die regelmäßige Anwesenheit von Kardinälen. 405 Beides war innerhalb der Laufzeit der Conversazione gegeben. Ihr Abhaltungsort war darüber hinaus Ausdruck des Status – und das nicht nur des Gastgebers, sondern auch ausgewählter Gäste. Aus diesem Grund wurde bei hochrangigen Besuchern die Kantatenaufführung am repräsentativsten Ort des Palazzo, der Galleria, durchgeführt. In direkter Verbindung zur repräsentativen Funktion steht die politische. Der informelle Austausch, der die Atmosphäre einer Conversazione prägte, war nachgerade ideal, um politisch genutzt zu werden, denn »[i]n these venues elite men constructed their social identities and created political networks, which 402 Preussner (Hrsg.), Reisen 77. 403 Vgl. zu den Funktionen der Musikpflege auch Over, Kontext 342–343. Dass diese kostspielig waren, lässt sich zwar einerseits aus den Haushaltsabrechnungen rekonstruieren, aber auch Zeitgenossen warnten vor solchen Investitionen. Der kaiserliche Botschafter Graf Lamberg wurde von seinem Vorgänger darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung von regelmäßigen Conversazioni eine teure Angelegenheit sei, und er mahnte, man könne als Besucher zu viele politische Geheimnisse erfahren. »Während der erste Punkt (die Kosten) noch einmal die Exklusivität unterstreicht, die der Organisator solcher Assembleen für sich in Anspruch nehmen konnte, wenn er sie mit gebührendem Glanz veranstaltete, so deutet der zweite auf ihren politischen Charakter und darauf, daß die Gespräche, die man hier führte, sich keineswegs auf ›bloße Konversation‹ beschränkten.« Riepe, Händel 182. 404 Neben der Musik wird die aufwändige Beleuchtung thematisiert. Uffenbach schreibt, die Gallerie »war aufs prächtigste illuminirt«, und das Reisediarium des Kurprinzen hebt ebenso die »häufig illuminierte[n] Zimmer« hervor. Vgl. Preussner (Hrsg.), Reisen 77 sowie Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 A, 26. April 1716. 405 Über diese wurde in zeitgenössischen Avvisi sowie der (Gesandtschafts-)Korrespondenz berichtet.

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would further their careers and bring them honor.« 406 Ein zeitgenössischer anonymer Bericht bezeugt, dass Ruspolis Abendveranstaltungen neben denen der Familien Ottoboni und Corsini nicht nur zu den »principali« 407, sondern auch zu den »pubbliche« zählten. 408 Bei diesen »v’intervengono moltissimi prelati più per trattare li loro negotii, e pretensioni che altro fine [. . . ].« 409 Dies unterstreicht den politischen Charakter der Abendveranstaltung, von dem zumindest ein direktes Zeugnis erhalten ist: Im Zusammenhang mit dem Besuch des venezianischen Botschafters Tiepolo wird hervorgehoben, dass er bei Ruspoli »stiede sempre a discorre con l’Emi[nenza] Ottoboni e Tremoglie nel tempo della Cantata.« 410 Das rekreative Moment der Conversazione bezog sich nicht allein auf die musikalische Darbietung, sondern natürlich auch auf Gespräche und Spiel. Er ist treffend in der Lebensbeschreibung von Ruspolis Architekten Contini ins Bild gesetzt. Während der Conversazione »[si] divertiva ora in savj, ed ameni discorsi, ora in giuochi onesti, e di spasso, ora in leggiarde, e saporite facezie, ora in leggere avvisi, e gazzette, di cui non poco si dilettava [. . . ].« 411 Setzte Ruspoli mit der Conversazione vor seiner Rangerhöhung zum Fürsten auf Reputationserwerb und Außenwirkung, konnte sie ihm auch danach als Ort der Repräsentation, zur Pflege seines gesellschaftlichen Netzwerkes sowie zur Übermittlung politischer Botschaften dienen. 412 Damit einher ging die Festigung des gesellschaftlichen Status innerhalb der römischen Elite. Bemerkenswert ist das abrupte Ende der Conversazione, das bereits zwei Jahre nach Caldaras Weggang aus Rom, 1718, erfolgte. Ruspoli entließ den seinerzeitigen Kapellmeister Gasparini sowie die am Haus angestellten Musiker 413 und konzentrierte seine Ausgaben auf zwei Großprojekte: den Bau der Kirche Santa Maria della presentazione in Vignanello 414 und die Forcierung 406 Brosius, Suon 42. 407 Ähnlich Pascoli, Vite 554, der erwähnt, dass die Conversazione bei Ruspoli »la più frequentata, e diletta« gewesen sei. 408 Vgl. auch Riepe, Händel 187. 409 Zit. n. Della Seta, Borghese 147. Die Aussage steht im Gegensatz zu Overs Einschätzung, der Ruspolis Conversazione auf Basis der genutzten Räumlichkeiten als »hochprivate Angelegenheit« einordnet. Vgl. Over, Kontext 337 sowie ders., Enigma. 410 A-Whh StAbt Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Kart. 5 (Berichte und Weisungen 1711), beigelegter Avviso zum Brief vom 19. September 1711. 411 Pascoli, Vite 554 f. 412 Vgl. zum letzten Punkt u. a. Zedler–Boschung, Allusione; Boschung, Serenata. 413 Vgl. Navach, Alme 31, 36. 414 Die Einweihung nahm Papst Benedikt XIII. 1725 persönlich vor. 1726 wurde das Kapitel errichtet, dass unter dem Patronat der Casa Ruspoli stand. Neben dem Kirchenbau leitete Ruspoli noch weitere Baumaßnahmen in Vignanello ein. Darunter fielen die Verschönerung der Ge-

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des Beatifizierungsprozesses der nachmaligen familieneigenen Heiligen Giacinta Marescotti. Mit der Beatifizierung seiner Verwandten war im Jahr 1726 ein Schlussstein gesetzt worden, der den ideellen Status von Ruspolis Familie in der Elite Roms langfristig sicherte. 415 Die Verbindung Ruspolis zur Accademia degli Arcadi Eine der erfolgreichsten und noch heute bestehenden römischen Akademien, deren Mitglieder das Kantatengenre im frühen 18. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst haben, ist die 1690 gegründete Accademia dell’Arcadia. Sie erwuchs aus der Accademia Reale der schwedischen Ex-Königin Christina, die ihr selbstgewähltes Exil in Rom verbrachte und zahlreiche Literaten um sich versammelte, von denen einige nach ihrem Tod Gründungsmitglieder der Arcadia wurden. In ihren Grundsätzen hatten sich die Arkadier dem Diskurs über die italienische Dichtkunst und über neue wissenschaftliche Methoden verschrieben. 416 Giovanni Mario Crescimbeni untermauerte den Erfolg der Arkadier in zahlreichen theoretischen Werken: In seinem 1712 erschienenen Werk Storia dell’Accademia degli Arcadi beschrieb er nicht allein die Genese der Akademie, sondern er verwies auch nachdrücklich auf die hohe Anzahl von 1300 »Pastori«, die in jenem Jahr als Mitglieder der Akademie verzeichnet waren. 417 Die Arkadier übten maßgeblich Einfluss auf das römische Kulturleben aus, ohne auf die Ewige Stadt beschränkt zu bleiben. Mit der Gründung von »Colonie« verteilten sie sich über ganz Italien, nahmen sogar künstlerische Schlüsselpositionen jenseits der Alpen ein. Am Wiener Hof wirkten als Textdichter – auch für Caldaras Werke – die Arkadier Apostolo Zeno, Silvio Stampiglia, Pietro Pariati, Francesco Claudio Pasquini und Pietro Metastasio.

bäude im Umfeld des Castello, der Bau der Residenz des Gouverneurs sowie die Chiesa dei Santi Angeli Custodi. Vgl. hierzu Weber, Familienkanonikate 252 f. 415 Das Seligsprechungsverfahren Giacinta Marescottis (1585–1640) wurde energisch von Ruspolis Onkel Kardinal Galeazzo Marescotti vorangetrieben und von diesem auch maßgeblich finanziert. Bald nach der Einweihung der Kollegiatskirche in Vignanello und knapp nach dem Tod des Kardinals wurde Giacinta 1726 seliggesprochen. Francesco Maria war nach dem Tod Galeazzo Marescottis mit der Vorbereitung des Kanonisierungsverfahrens betraut, das 1806 schließlich zur Heiligsprechung führte. Vgl. grundlegend Samerski, Himmel 224–231. 416 Vgl. grundlegend zu den Arkadiern und den Zielen der Akademie: Sala di Felice, Età; Acquaro Graziosi, Arcadia; Dixon, Real sowie die beiden jüngsten Darstellungen zu den Arkadiern mit zahlreichen weiterführenden bibliographischen Angaben, Baragetti, Poeti und Tatti, Giuochi. Ein sehr hilfreiches Repertorium der arkadischen Rime erschien jüngst: Doglio–Pastore Stocchi, Rime. 417 Vgl. Crescimbeni, Storia 6.

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Ruspoli, Widmungsträger der erwähnten Storia Crescimbenis, wurde in dem Werk besonders hervorgehoben. Weniger war dies seinen literarischen Ambitionen 418 geschuldet als seinem mäzenatischen Wirken. 419 Mit der Aufnahme in die Akademie 1691 war der junge Marchese beinahe ein Mitglied der ersten Stunde. 420 Nachdem er das Familienerbe angetreten hatte, stellte er über eine Dekade den Ort für die arkadischen Versammlungen zur Verfügung, den sogenannten Bosco Parrasio. 421 Von 1707 bis 1711 versammelten sich die Arkadier in Ruspolis Garten bei San Matteo in Merulana, bis sie 1712 auf das große und vom Fürsten prachtvoll ausgestattete Gelände am Aventin neben der Chiesa Santa Sabina zogen. Die Polizza dell’aff itto, die der Fürst mit den Brüdern Ginnasi für den Garten am Aventin abschloss, befindet sich in den Haushaltsbüchern unter den Abrechnungen von 1712. Zweck und Zeitraum des Mietverhältnisses wurden demnach wie folgt festgelegt: Ruspoli »prende d[ett]o luogo in locazione per fare cosa grata, con dare il commodo de Recitamenti, all’Insigne Adunanza degl’Arcadi [. . . ]« für neun Jahre (1712–1720) »da cominciare il p[ri]mo maggio 1712«. 422 Das neue Amphitheater der Arkadier, das der Fürst in dem Garten eigens von dem Architekten und Arkadier Giovanni Battista Contini hatte errichten lassen, war so eingerichtet, dass es den formellen Bedingungen der arkadischen Sitzungen angepasst war. Es hatte zwölf Sitzgelegenheiten für Kardinäle unter der Loggia, direkt gegenüber war in der Nähe der Statue Apolls der Ort der Rezitation (siehe Abb. 2). Das Theater fasste 300 Personen, für weitere 100 Personen war hinter den Sitzreihen ein Stehplatz eingerichtet. 423 Mit der arkadischen Sitzung vom 24. Juli 1712 wurde der Bosco am Aventin eingeweiht. Sie war den damals jüngst heiliggesprochenen Pius V., Andreas Avellino, Felix von Cantalice und Katharina von Bologna gewidmet und wurde

418 Lediglich zwei Mal lassen sich Rezitationen eigener Werke Ruspolis bei Sitzungen der Akademie belegen: am 5. September sowie am 11. Oktober 1692. Vgl. Franchi, Principe 263 f. Nur ein Sonett aus Ruspolis Feder wurde im Band 6 der Rime der Arkadier gedruckt. Der Adelige bezieht sich hier auf seine Aufnahme bei den Arkadiern und auf den Bosco Parrasio, vgl. Crescimbeni (Hrsg.), Rime, Tomo sesto 252. 419 Vgl. hierzu auch Cola, Ruspoli (2018) 214–219. 420 Auch Ruspolis Frau Isabella war unter dem Pseudonym Almiride Ecalia im Jahr 1717 und sein Sohn, Bartolomeo, bereits 1710 (Dalgiso Asterionio) aufgenommen worden. Vgl. Giorgetti, Arcadi 16 und 72. 421 Der Begriff leitet sich von Parrhasia ab, einer Landschaft und Stadt des südlichen Arkadiens. Vgl. zum Bosco grundlegend Dixon, Real 61–63. Über die Sitzungen der Arkadier im Giardino Ruspoli wurde kontinuierlich in den Atti Arcadici, aber auch im Foglio di Foligno berichtet. 422 I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1712, Tomo I, B 53 (Fasc. 48). 423 Vgl. Crescimbeni, Stato 130.

Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage

Abb. 2: Girolamo Odam: Der Bosco Parrasio am Aventin

mit einer Eröffnungsrede von Pier Jacopo Martello in Anwesenheit von acht Kardinälen, 80 Prälaten und einer großen Anzahl weiterer Zuhörer inauguriert. 424 Der kontinuierliche mäzenatische Einsatz Ruspolis für die Arkadier wurde auf literarischem Wege mehrfach belohnt. 1710 waren die literarischen Olym-

424 Vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Atti Arcadia 3 (1712–1721), 3. Es wurde dafür eigens ein Bild »Col prospetto del teatro, e con tutta la sua veramente vaghissima veduta Dorindo (= der Maler Girolamo Odam)« gedruckt. »Domenica scorsa fu aperto il nuovo Teatro degli Arcadi sul Monte Aventino nel Giardino Ginnasi preso a quest’effetto dall’Eccellentissimo Sig. Principe Ruspoli, il quale l’ha fatto fabricare con ogni magnificenza di tre ordini di sedili mutati, e altri comodi, e ornamenti, che lo rendono vaghissimo e degno della gran Corte di Roma. L’Adunanza, che vi si fece fu in lode de quattro Santi ultimamente canonizati da N. S. e vi discorse con pieno applauso il Sig. Dottor Pier Jacopo Martello Segretario del Reggimento di Bologna in Roma, e uno de’ primi Letterati d’Italia alla presenza degli Eminentissimi Sig. Cardinali Corsini, Acquaviva, Gualteri, Tremoglie, Fabbroni, Paracciani, Ottoboni, e Colonna, e v’intervennero 80. Prelati, moltissima Nobiltà, e tanto Popolo, che anche la Platea del Teatro rimase tutta occupata: ma per mancanza di tempo, e per l’eccessivo numero del Popolo non si poterono recitare tutti quei Componimenti che erano destinati.« I-Rc Per est A 2.7, Foglio di Foligno, Foglio 32. del 1712, Foligno 5. Agosto. Die große Zahl der Anwesenden führte anscheinend bei der ersten Sitzung zu Ungereimtheiten, die eine Überwachung der Eingänge angeraten sein ließen, damit nicht »ogni sorte di gente« Zutritt hatte. Vgl. I-Rc Per est A 2.7, Foglio di Foligno, Foglio 34. del 1712, Foligno 19. Agosto.

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pischen Spiele der Arkadier und deren Publikation Ruspoli gewidmet. 425 Im Folgejahr ließ der Adelige Jacques Pradons Theaterstück Attilio Regolo in der Übersetzung des Arkadiers und Hauslehrers Girolamo Gigli unter Beteiligung von Ruspolis Sohn Bartolomeo im hauseigenen Theater aufführen und lud dazu die Akademiekollegen ein. 426 Die Einladung der Arkadier zu dieser Abendveranstaltung im Karneval führte zur Dedikation eines Sonetts von Crescimbeni, der dieses 275-fach bei de’ Rossi drucken ließ. 427 Auch der Widmungsband mit Rime der Arkadier, den Paolo Rolli 1711 herausgegeben hatte, steht in Verbindung mit der Aufführung von Attilio Regolo. 428 Ein weiterer wichtiger Band wurde dem Fürsten 1716 dediziert. Es war dies der erste der 14-bändigen Reihe der Rime degli Arcadi. 429 Die Verquickung Ruspolis mit der arkadischen Akademie legt es nahe, dass Caldara nicht nur Texte der Mitglieder vertonte, sondern »certainly performed for the Arcadians« 430. Diese These Kirkendales kann wörtlich genommen werden, sofern man nicht davon ausgeht, dass Caldaras Werke bei einer der jährlich stattfindenden arkadischen Hauptsitzungen (Ragunanze bzw. Adunanze generali) im Bosco Parrasio erklungen sein müssen. 431 Dies nämlich kann bis dato (noch) nicht belegt werden. Kirkendale mutmaßt zwar, dass die Kantate für drei Solisten Amici pastorelli 432 im Jahr 1713 »was heard in the ambient of the Arcadia, now in the garden at Santa Sabina«, und hat als Aufführungsort den Bosco Parrasio im Sinn. Das hieße, dass die Kantate bei einer Adunanza generale aufgeführt worden wäre. Als Beweis hierfür führt sie an, dass der Violinist Giuseppe Valentini zweimal im Oktober »all’accademia« gespielt habe. 433 Da die Begriffe Accademia und Conversazione in den Abrechnungsbüchern der Familie Ruspoli jedoch synonym verwendet wurden, 1713 lediglich vier Adunanze generali und darunter keine im Oktober belegbar ist, ist mit dem Verweis auf Valentini freilich kein stichhaltiger Beleg für die Aufführung der Kantate bei einer

425 Vgl. Crescimbeni (Hrsg.), Guochi. 426 Vgl. die überlieferte Einladung in I-Ra Archivio dell’Arcadia, Manoscritti 16, 291 r. 427 Vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Atti Arcadia 2 (1696–1712), 391. Das Sonett wurde auch im folgenden Band abgedruckt: Rolli, Componimenti 31. 428 Vgl. Rolli, Componimenti. 429 Crescimbeni (Hrsg.), Rime I. 430 U. Kirkendale, Caldara (2007) 106. Vgl. zum Verhältnis Ruspoli – Arkadier grundlegend Franchi, Principe, besonders 263–265. 431 Maximal sieben solcher Sitzungen fanden jährlich zwischen dem 1. Mai und 7. Oktober statt. Vgl. Crescimbeni, Storia 6. 432 Vgl. die Partitur D-MÜs Sant. Hs. 760. 433 U. Kirkendale, Caldara (2007) 88.

Francesco Maria Ruspolis Musikpatronage

der offiziellen arkadischen Versammlungen erbracht. Zudem lässt sich bei keiner der vier belegbaren Adunanze die Beteiligung von Musikern nachweisen. 434 Mit Blick auf die Conversazioni ist die Aussage Kirkendales, wonach Caldaras Musik für Arkadier erklang, aber uneingeschränkt zutreffend. Zudem haben laut Crescimbeni arkadische Adunanze particulari das ganze Jahr über in den Häusern der Mitglieder stattfinden können, die wiederum in die Atti Arcadici, also in die offiziellen Protokolle der Arkadier, Eingang fanden. Eine solche fand statt, als »Olinto [d. h. Ruspoli] fece l’Invito dell’Adunanza ad ascoltare il Dramma [Attilio Regolo]« 435 bzw. als er die Arkadier zu Adunanze »alla recita de drammi musicali« geladen hatte. 436 Es ist daher durchaus möglich, dass Amici pastorelli und weitere Kantaten im Zuge einer Conversazione als Adunanza particulare im Hause Ruspoli gehört wurden. Mit den Kantaten, die Crescimbeni als »il più bello e gentil divertimento« 437 für Conversazioni bezeichnete, konnte Ruspoli vornehmlich über die Texte eine direkte Verbindung mit der arkadischen Akademie im eigenen Haus herstellen. Wie im Kapitel Die Texte der römischen Kantaten gezeigt wird, dominieren die arkadisch-pastoralen Themen, die man bei Ruspolis Conversazioni in Musik gekleidet hören konnte. In diesem Zusammenhang ist auch eine These von Maria Celeste Cola bemerkenswert, wonach das arkadische Gedankengut nicht allein Einfluss auf die Textgrundlage der Musik, sondern auch auf die neue Ausgestaltung des Palazzo Ruspoli am Corso gehabt habe. »Denominatore comune, sia nell’appartamento privato che in quello di rappresentanza, era il genere di paesaggio in tutte le sue forme, dalle boscarecce alle marine.« Auf Grundlage des erhaltenen Inventars zu den Bildern, die im Besitz der Familie Ruspoli waren, gewinne man, so Cola, den Eindruck, dass Ruspoli Teile des Palazzo als »Bosco Parrasio simulato« ausgestaltet habe. »Il paesaggio consentiva a Francesco Maria di suturar nature morte e bambocciate coi temi letterari-allegorici,

434 Vgl. die ausführlichen Meldungen zu den Adunanze generali im Foglio di Foligno: I-Rc Per est A 2.7, Foglio di Foligno, Foglio 30 (prima), 33 (seconda), 37 (terza) und 40 (l’ultima adunanza) del 1713, Foligno 28. Luglio, 18. Agosto, 15. und 30. Settembre. Crescimbeni geht in seinen Werken mehrfach auf die Beteiligung von Musik bei arkadischen Adunanze ein, bis dato steht aber noch eine detaillierte Analyse der Rolle der Musik – besonders der Kantaten und Serenaten – bei den Arkadiern aus, die die theoretischen Schriften mit den Protokollen der Arkadier verbindet. Vgl. zu musikalischen Aspekten in Zusammenhang mit den Arkadiern u. a. Radermacher, Arkadien; Ehrmann-Herfort, Mythos; dies., Kantate; Della Seta, Musica; Franchi, Principe. 435 Vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Atti Arcadia 2 (1696–1712), 391. 436 Vgl. I-Ra Archivio dell’Arcadia, Atti Arcadia 2 (1696–1712), Collegio al I. dopo il XX. di Posideone cadente l’anno II. dell’Olimpiade DCXII. 437 Crescimbeni, Comentarii 253 f.

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Kantaten für den Fürsten

cosicché le favole vi si innestarono come tanti episodi recitati simultaneamente per il suo diletto.« 438

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras Caldaras Kantatenschaffen für die Conversazione Die erste nachweisbare Kantate Caldaras für Ruspoli stammt noch aus der Zeit, als Händel für den Römer tätig war. Sie wurde 1708 von Antonio Giuseppe Angelini kopiert und muss als Probestück gedient haben. 439 Leider erlauben die Angaben der Abrechnung vom 17. Oktober 1708 »Per una cantata del S.re Caldara con VV« 440 keine Identifizierung der ersten Komposition Caldaras für seinen künftigen Arbeitgeber. Sie verweisen aber bereits auf eine Besetzung mit Violinen, die typisch für sein römisches Kantatenschaffen ist. Auch die früheste erhaltene Kantatenkopie wurde für eine solche Besetzung komponiert. Die Kantate für Sopran, Violinen und Basso continuo trägt den Titel Il perché und wurde am 23. Juni 1709 kopiert. 441 Ab März 1709 wurden für Caldara Zahlungen getätigt, aber erst im Juli 1709 ist sein erstes Gehalt nachweisbar, das ihm von diesem Zeitpunkt an monatlich ausbezahlt wurde. 442 Zu dem Aufgabenbereich des Komponisten zählte neben der kompositorischen die aufführungspraktische Arbeit, die Akquise 443 sowie die Bezahlung von externen Sängern und Musikern für Opern- und Oratorienaufführungen 444, schließlich das Prüfen von Kopistenrechnungen. 445 Hält man 438 Cola, Ruspoli (2005) 514. 439 Vgl. zu dieser Einschätzung Over, Astorga 92. 440 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1708, Tomo II, A 46 (Fasc. 165). 441 Vgl. zur Kantatenkopie von Francesco Antonio Lanciani D-MÜs Sant. Hs. 780. Eine weitere Kopie befindet sich in der Nationalbibliothek in Paris: F-Pc 1729 (5). 442 Ab Juli 1709 werden ihm zehn, ab April 1710 20 Scudi bezahlt. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 437. Caldara zählte damit zur famiglia des Fürsten. Vgl. zum Status von Künstlern an römischen Höfen den aufschlussreichen Artikel von Karsten, Künstler. 443 Caldara war für die Akquise von Sängern, Tänzern und Musikern für den Karneval 1711 zuständig. Vgl. die jeweilige »poliza di conventione«, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1711, Tomo I, A 51 (Fasc. 12–46). 444 Beispielsweise wurden Caldara 1711 81,70 Scudi gegeben, um die Sänger und Musiker für die Oratorienaufführungen zu bezahlen. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 461. 445 Die Kopistenrechnungen wurden von Caldara gegengezeichnet. Zu den ersten dieser Abrechnungen vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1709, Tomo I, A 47 (Fasc. 127).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

sich das Jahr 1710 vor Augen, also Caldaras erstes regulär bezahltes Arbeitsjahr bei Ruspoli, so sticht die rege musikalische Aktivität im Hause des römischen Adeligen hervor. Ruspoli »converted his palace into a public theater«, allein im Karneval kam es zu 30 Aufführungen innerhalb von nur sieben Wochen. 446 An die Faschingszeit schlossen sich die Oratorienaufführungen an, die restlichen Kompositionen waren – mit wenigen Ausnahmen – für die Conversazione bestimmt. Wie oben dargelegt, kam es im jährlichen Schnitt zu 30 Conversazioni, für die Kantaten benötigt wurden. In dem knapp siebenjährigen Zeitraum wurden 325 Kantatenkopien abgerechnet, die datiert werden können. 447 Vergleicht man diese Zahl mit den datierbaren Conversazioni, ist erkennbar, dass das Kantatenrepertoire den Bedarf deckte. Von den 325 Kopien konnten bis dato 138 Werke Caldara zugeordnet werden, die vornehmlich für diese Abendveranstaltungen vorgesehen waren. Nicht einberechnet wurden jene 48 Kantaten, bei denen die Urheberschaft Caldaras noch nicht belegt werden konnte. Die Differenz zur Gesamtanzahl der Kopien erklärt sich daraus, dass einige Kantaten mehrere Male abgeschrieben, innerhalb der vorliegenden Arbeit indes nur einmal gezählt wurden. Festzuhalten ist, dass nicht alle der hier bezifferten Kantaten ausschließlich bei den Conversazioni erklungen sein müssen. Auch auf Ruspolis Landsitzen ist mit Sicherheit die eine oder andere Kantate aufgeführt worden. Ein längerer Aufenthalt wie beispielsweise in Vignanello, der für Händel im Mai / Juni 1707 dokumentiert ist, lässt sich für Caldara indes nicht belegen. 448 Lediglich bei fünf der 138 Kantaten war die Rekonstruktion der Besetzung des bzw. der Vokalparts nicht möglich. Der überwiegende Anteil der Kompositionen ist für Solostimme (Sopran oder Alt) mit Streicherbegleitung vorgesehen. Legt man die 79 erhaltenen ein- und zweistimmigen bzw. die sieben größer besetzten Kantaten bzw. Serenaten zugrunde, bei denen die Besetzung rekonstruiert werden kann, zeigt sich, dass Caldara bevorzugt die Sopranstimme in Kombination mit zwei Violinen und Basso continuo besetzte. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der 138 Kantaten, kategorisiert nach der Besetzung der Vokalparts auf die rund siebenjährige Tätigkeit Caldaras für Ruspoli. Unter Einbeziehung der nicht erhaltenen Kantaten bestätigt sich, dass der Komponist die Besetzung mit der Sopranstimme (52 Sopran- vs. 40 Altkantaten) am häufigsten vorsah.

446 U. Kirkendale, Caldara (2007) 62. 447 Vgl. hier und folgend die Ausführungen im Kapitel Quellengrundlage. 448 Vgl. U. Kirkendale, Handel 406–411.

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Jahre Sopran Kantaten für 2 Stimmen o. Besetzungsangabe

Alt größer besetzte Kantaten/Serenaten

Grafik 2: Verteilung des Kantatenrepertoires nach Jahren

Zieht man ausschließlich die überlieferten Kantaten heran, so verteilen sich die auf Basis des autographen Materials und der Kantatenkopien datierbaren 39 Sopran-, die 23 Alt-, die 17 A-2-Kantaten sowie die sieben größer besetzten Werke auf die Jahre 1709 bis 1715 wie in Grafik 3 visualisiert. Ausweislich dieser Erhebung erlebte das Kantatenschaffen für Ruspoli in den Jahren 1711/12 keinen Einbruch. Das erstaunt angesichts der ca. eineinhalbjährigen Abwesenheit Caldaras von Rom. Der Komponist versuchte während dieser Zeit am Kaiserhof Karls VI. Fuß zu fassen. Bereits 1710 lassen sich Verhandlungen über eine Kapellmeisterstelle am Hof König Karls III. von Spanien, des späteren Kaisers Karl VI., in Barcelona belegen: Francesco Maria Caracciolo Principe d’Avellino, der Botschafter Karls III. am Heiligen Stuhl, notiert im August 1710, dass Caldara 1000 römische Scudi pro Jahr als Kapellmeister angeboten worden seien, dieser nun binnen zweier Monate nach Barcelona reisen müsse. Caldara nahm das Angebot jedoch nicht an, da er »no podia abandonar â su Padre, q. es muy anziano, y que de ningun modo se queria arriesgar â passar el mar, por el temor, que tiene«. Caracciolo erkundigte sich daher, ob der König mehr für den zögerlichen Caldara zu bezahlen

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

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Jahre Sopran

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Kantaten für 2 Stimmen

größer besetzte Kantaten/Serenaten

Grafik 3: Verteilung der erhaltenen Kantaten

bereit sei. Zudem brauche man Pässe, damit der Komponist seine Reise über das Festland bewerkstelligen könne. 449 Offensichtlich war Caldara im darauffolgenden Frühling tatsächlich bereit, nach Barcelona abzureisen, wurden ihm die erwähnten Pässe doch avisiert. Ein weiterer Monat Aufschub war dem Abschluss einiger Kompositionen geschuldet. 450 In Mailand, wo ein Teil der habsburgischen Verwaltung administrativ für den Hof in Barcelona zuständig war, 451 ist darüber hinaus belegbar, dass Caldara »due mesate anticipate del suo stipendio da p[ri]mo Maggio in avanti, accordato in mille Ducatoni Romani annui« erhalten hat. 452 Am 18. April 1711 meldeten römische Avvisi, dass Ruspoli alsbald »[. . . ] resti privo di un gran soggetto virtuoso di musica come è il S[igno]r Caldara, il quale si è impegnato col Sig[no]r P[ri]n[ci]pe. d’Avellino

449 Vgl. A-Whh Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Kart. 4 (Berichte, Weisungen 1710–1711), Principe Avellino an Marqués de Erendazu, 9. August 1710 (Rom). Andrea Sommer-Mathis sei für den Austausch zu diesen Quellen herzlichst gedankt. 450 Vgl. A-Whh Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Kart. 4 (Berichte, Weisungen 1710–11), Principe Avellino an Marqués de Erendazu, 11. April 1711 (Rom). 451 Vgl. grundlegend Quirós Rosado, Constantia. 452 Zit. n. Bernardini, Teatro 209.

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Amb[asciatore] cattolico di passare al servizio del Re Carlo 3° in Barcellona«. 453 Am Tag vor dieser Meldung jedoch war Kaiser Joseph I. verstorben. Der spanische König Karl III., der seinem Bruder auf dem deutschen Thron nachfolgen sollte, verließ Barcelona daraufhin, um zur Kaiserkrönung nach Frankfurt zu reisen. 454 Caldara ließ sich nicht von seinen Plänen abbringen, es veränderte sich lediglich das Reiseziel. Am 7. Mai heiratete er Ruspolis Virtuosa, Caterina Petrolli, und zusammen verließen sie spätestens am 15. Mai 1711 455 Rom, um in Mailand auf den Reisetross Karls zu treffen, der dort Mitte Oktober erwartet wurde. Vom Dezember 1711 ist ein Beleg erhalten, wonach Caldara 40 Doppie für seine Reise »da Milano a Vienna« bezahlt wurden, 456 aber erst im darauffolgenden Februar ist Caldara in Wien am Kaiserhof tatsächlich greifbar. 457 Die bereits geleisteten Zahlungen sind jedoch ein Indiz dafür, dass auf Musikalien und Dokumenten aus dieser Zeit die Titulatur Caldaras als »Maestro della Cesarea Capella« 458 bzw. »Kays. und Königl. Majestät Kapellmeister« 459 aufscheint. Im Zuge der Neueinrichtung der Kapelle unter Kaiser Karl VI. wurde Caldara der Titel Kapellmeister nicht verliehen. Da seine Anstellung für den spanischen Hof Karls III. bereits gewährt worden war, nutzte der Komponist aber die Titulatur im Zeitraum 1711/12. Mit Ruspoli hatte Caldara für diese Zeit offensichtlich ein Arrangement getroffen, das zweierlei vorsah: Erstens sollte er während seiner Abwesenheit weiterhin für den römischen Principe komponieren, zweitens war dem Komponisten eine Rückkehr auf seinen römischen Posten möglich. Als er nach längeren Aufenthalten in Mailand, Wien und Albano im November 1712 tatsächlich zurückgekehrt war, wurde ihm im darauffolgenden Monat rückwirkend für vier Monate sein übliches römisches Gehalt von 20 Scudi ausbezahlt. 460

453 A-Whh Italienische Staaten, Spanischer Rat, Rom, Kart. 5 (Berichte und Weisungen 1711), Avviso vom 18. April 1711. 454 Vgl. Rill, Karl VI. 91–131. Vgl. zum Musikerpersonal, das von Barcelona nach Wien wechselte, und zum Aufbau der Kapelle unter Kaiser Karl VI. grundlegend Sommer-Mathis, Personale und Lipp, Músicos. 455 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1711, Tomo I, A 51 (Fasc. 74). 456 Vgl. I-Mas Atti di governo, Finanze apprensioni, Cartella n. 399. 457 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 83. 458 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 754. 459 Vgl. die Meldung des Wiennerischen Diariums vom 9. Mai 1712 zur Geburt der Tochter Caldaras. Sie ist abgedruckt bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 480 (Dok. 236). 460 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1712, Tomo II, B 54 (Fasc. 136).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Über 16 Monate der Abwesenheit Caldaras hatten umgekehrt keine nennenswerten Auswirkungen auf das Kantatenschaffen für Ruspoli. 461 Auffällig ist lediglich, dass 1711 weniger Altkantaten belegt werden können. Es ist davon auszugehen, dass dies mit Petrollis Ausscheiden aus der Cappella im April zusammenhängt. Erst ab August 1711 ist eine neue Altistin, Agnesa Corsie, im Hause Ruspoli präsent. Die aus Mailand, Wien und Albano in die Ewige Stadt übersandten Kantatenkompositionen Caldaras wurden jeweils umgehend von den Kopisten abgeschrieben und kamen wohl ebenso schnell innerhalb der Conversazioni zur Aufführung. Aus der Phase der Absenz des Komponisten lassen sich bis zum Jahresende 1711 23 Kantatenkopien belegen. Ob alle von Caldara stammen, wie Kirkendale es behauptet, 462 ist nicht eindeutig festzustellen, da entweder die Musikalien oder der Verweis auf den Komponisten bei den Abrechnungen fehlt. 15 Werke davon sind Caldara zuordenbar, und wiederum zwölf der überlieferten Musikalien sind keine thematisch abgeschlossenen Einzelkantaten, denn sie sind inhaltlich verbunden. Der Kantatenzyklus, der von Francesco Lanciani en bloc am 9. September 1711 kopiert wurde, stellt für das römische Repertoire in mehrerlei Hinsicht eine Ausnahme dar. Die Vokalbesetzung ist ausschließlich der Sopranstimme vorbehalten; vom Inhalt her ist er als Frage-Antwort-Spiel zwischen den arkadischen Figuren Daliso und Irene zum Thema Liebe gestaltet. Es werden die eifersüchtige, die perfekte, die wahre und die konstante Liebe sowie der Liebesschmerz aufgrund von Trennung diskutiert. Zudem ist es bemerkenswert, dass die Kantaten in nahem Zeitabstand komponiert worden sind. Erst für Wien sind ähnliche Beispiele von Kantatenzyklen belegbar, deren Einzelkantaten thematisch gruppiert werden können und deren Komposition recht zügig nacheinander vonstattenging. Kantaten waren während Caldaras Abwesenheit die einzigen Neukompositionen im Hause Ruspoli. 1712 wurden keine Opern aufgeführt, man begnügte sich mit dem Besuch des Teatro Capranica. Die sieben Oratorien, die an den sechs Sonntagen der Fastenzeit und am Ostersonntag im Palazzo Ruspoli erklungen waren, waren Wiederaufführungen – vornehmlich jener Werke Caldaras des vorangegangenen Jahres. Ende 1712 kam es aus Sicht der Kantatenfor-

461 In diesem Zusammenhang ist Overs Feststellung interessant, wonach Ruspoli sich auch nach Alternativen umgeschaut habe. Es kam während der Abwesenheit des Hauskomponisten nämlich zum Eingang von Kantaten anderer Komponisten in das Ruspoli’sche Repertoire. So können eine Kantate von »Giovanni sassone« – wahrscheinlich Johann David Heinichen – zu Beginn der Abwesenheit Caldaras im Mai 1711 und drei Kantaten Nicola Porporas im Juni und Juli 1712 belegt werden. Vgl. Over, Astorga 92 f. 462 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 80 f.

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Kantaten für den Fürsten

schung aber noch zu einem besonderen Ereignis: Aufgeführt wurde die erste Weihnachtskantate während der Dienstzeit Caldaras bei Ruspoli. Vaticini di pace erklang wohl im Zuge der Conversazione vom 25. Dezember 1712. 463 Anders als bei den von arkadischen Themen dominierten Kantaten für die Conversazioni, stehen die Texte der Cantate natalizie ausgesprochen deutlich mit dem politischen Geschehen in Verbindung. Paolo Gini, der Textdichter der Vaticini di pace, vereinigt in diesem Fall die Friedensbotschaft des Weihnachtsfestes mit den Elementen des Papstwappens, so dass Ruspoli mit der einschlägigen Kantatenaufführung »das in Rom propagierte Bild des Papstes als Friedensstifter und -vermittler in den Jahren der Friedensverhandlungen zum Spanischen Erbfolgekrieg« unterstreichen konnte. 464 Auch in den beiden nachfolgenden Jahren waren Kantaten die einzigen herausstechenden Neukompositionen für die Casa Ruspoli, die zur Aufführung kamen. Bei den Oratorien setzte man 1713 mit Ausnahme von Santo Stefano auf Werke der vorangegangenen Jahre, 1714 fanden keine Oratorienaufführungen statt, ein Umstand, der mit dem Umzug der Familie in den Palazzo am Corso zusammenhängt. Als dieser bezogen und 1715 umgestaltet war, wurden gleich acht verschiedene Oratorien aufgeführt; sechs davon waren Premieren. Der musikalische Aufschwung lässt sich auch am Höchststand von Kantatenkopien ablesen, die für die Conversazioni benötigt wurden. Letztere wurden – wie bereits oben gezeigt werden konnte – ab August auch im neugestalteten Appartamento terreno abgehalten. Eine »Herculean labor« 465 attestiert Kirkendale Caldara für 1715, die von Ruspoli wohl abverlangt wurde, um den Palazzo am Corso nicht allein optisch, sondern auch musikalisch in Szene zu setzen. 1716 kam es nach der Oratoriensaison, bei der keine Neukomposition präsentiert wurde, nur zu drei Kantatenkopien. Möglicherweise ist eine davon mit der schon mehrfach erwähnten Conversazione in Verbindung zu bringen, die Ruspoli dem bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht widmete. Mit dieser Abendveranstaltung war der letzte musikalische Höhepunkt Caldaras im Hause Ruspoli erreicht, der mit einer Kantatenaufführung in Zusammenhang steht. 466 Im Mai 1716 verließ Caldara Rom und ist anhand der autographen Datierung der Kantate Da te che pasci ogn’ora seit dem 22. Juli 1716 in Wien nachweisbar. 467

463 Vgl. Zedler–Boschung, Allusione 95 f. Weihnachtskantaten Caldaras sind bis 1715 nachweisbar. Vgl. den Anhang zum genannten Artikel, 116 f. 464 Zedler–Boschung, Allusione 107. 465 U. Kirkendale, Caldara (2007) 91. 466 Vgl. Zedler, Viator 346 f. 467 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 106.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Caldara hinterließ bei seinem Weggang ein umfassendes Kantatenrepertoire, auf dessen Basis sowie auf der der autographen Musikalien die Ruspoli’sche Kantatenpflege nachvollziehbar ist. Die zwar nur partiell, gleichwohl aber im repräsentativen Umfang überlieferten Musikmanuskripte sind ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis dessen, was im Hause Ruspoli für die musikalische Ausgestaltung der Conversazione zwischen 1709 und 1716 als en vogue galt und wie Caldara diese Erwartungen zu erfüllen wusste. Dies ist deswegen von Interesse, weil die Rezeption der Kantaten ansonsten kaum greifbar ist und etwaige Vorgaben an Caldara hinsichtlich Inhalt oder Besetzung quellentechnisch nur in Einzelfällen nachvollziehbar sind. Bevor nun auf dem Wege der Textund Musikanalyse das Repertoire erschlossen wird, sei auf die Problematik der Zuordnung von Caldaras Kantaten zu einzelnen Aufführungen innerhalb der Conversazioni eingegangen. Kantatenaufführungen und ihre Datierungsproblematik Im Zuge der Beschäftigung mit Caldaras kleinem Repertoire von Weihnachtskantaten traten vielfältige Schwierigkeiten bei der Datierung der Aufführungen innerhalb der Ruspoli’schen Conversazione zu Tage. 468 In der Literatur ist diese Problematik schon bekannt, da vor allem Kirkendale im Fall der Händel-Kantaten durchaus großzügig mit Datierungen umging, was sie mitunter selbst zu revidieren hatte. 469 Im Gegensatz zu Opern- und Oratorienaufführungen, für die sie Proben- und Aufführungsdaten nachweisen konnte, 470 können die Aufführungen der im Anhang I angeführten Solo- sowie A-2-Kantaten im Regelfall terminlich nicht klar zugeordnet werden. Da die Werke während der Conversazione von den hauseigenen Sängerinnen und Instrumentalisten aufgeführt wurden, kam es zu keinen gesonderten Zahlungen, so dass von Seiten des Maestro di Casa keine detaillierten Aufzeichnungen zu erbringen waren. Wenn überhaupt, ist eine Datierung der Aufführung nur bei den größer besetzten Werken möglich, bei den kleineren konnte lediglich bei besonderen Vokal- oder Instrumentalbesetzungen eine zeitliche Einordnung vorgenommen werden. Als beispielsweise der Oboist Stefano Sicuro in den Jahren 1710/11 im Hause Ruspoli angestellt war, erfolgte die Kopie der Kantaten La costanza vince il rigore

468 Vgl. Zedler–Boschung, Allusione 95–101. 469 Vgl. beispielsweise ihre eigene Revision der Datierung der Händel-Kantate Diana Cacciatrice, U. Kirkendale, Handel 361. Vgl. auch die bereits erwähnte Problematik zur Kantate Händels Arresta il passo, W. Kirkendale, Handschriften 63–66; Fabris, Aria; Riepe, Händel 169; Over, Texte 358 f. 470 Vgl. u. a. U. Kirkendale, Caldara (2007) 73 und 76.

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Kantaten für den Fürsten

und La lode premiata, die jeweils mit einer Oboenstimme besetzt sind. 471 Es ist davon auszugehen, dass die Kantaten noch 1711 aufgeführt wurden, ein exaktes Datum kann jedoch nicht erbracht werden. Bei Amici pastorelli, deren Kopie am 22. März 1712 fertiggestellt war, hatte Caldara neben Sopran- und Altsolostimme noch einen Tenorpart und zwei Oboen vorgesehen. Diese Besetzung ist ungewöhnlich, zudem führte die Aufführung des Werks zu einer gesonderten Bezahlung des Tenors Vittorio Chiccheri und des Oboisten Ignazio »per una funzione di una Cantata« am 30. Dezember 1712. 472 Auch für diese Aufführung ist mithin lediglich die Angabe einer Zeitspanne – nämlich zwischen März und Dezember 1712 – möglich, nicht aber eines konkreten Datums. Die Datierung von Aufführungen größer besetzter Kantaten ist leichter zu bewerkstelligen, da diese meist mit bestimmten (politischen) Ereignissen im Zusammenhang stehen, wie beispielsweise der Trionfo d’amore. Auch für die ab 1712 aufgeführten Weihnachtskantaten Caldaras sind über die Musikalien hinaus weitere Quellen greifbar, die eine Kontextualisierung der Werke und die jeweilige Datierung per Indizienschluss ermöglichen. Aber selbst wenn der äußere Anlass gut dokumentiert ist, ist das kein Garant für die Zuordnung einer Kantate, was es am Beispiel der Conversazione für den bayerischen Kurprinzen darzulegen gilt. Der Fürstensohn war am 26. April 1716 bei Ruspoli zu Gast. Sein Besuch schlägt sich, wie ausgeführt, nicht nur in den Abrechnungsbüchern des Gastgebers, sondern auch in Reisediarien 473, Gazetten 474 und diplomatischer Korrespondenz mit ihren häufig beigelegten Avvisi 475 nieder und ist – im Vergleich zu anderen Conversazioni – außerordentlich gut dokumentiert. »A larger cantata was surely performed, either ›Chiuso è già Borea nevoso‹ [. . . ] or Caldara’s Cantata a 3 intitolata ›Amor senza amore‹ con stromenti e trombe da caccia«, so die Mutmaßung Kirkendales, was innerhalb der Conversazione erklungen sein soll. Mittlerweile kann diese These verworfen werden, denn erstere Komposition 476 wurde von Kardinal Pietro Ottoboni für eine andere Gele-

471 Vgl. die Abrechnung für die Kantatenkopie bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 454 (Eintrag 54). 472 Vgl. I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1712, Tomo 2, B 54 (Fasc. 136). 473 Vgl. die unterschiedlich ausführlichen Einträge in die Reisediarien vom 26. April 1716 in Zedler–Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 A – D. 474 Ausgewertet wurden das Wiennerische Diarium, der Corriere Ordinario, die Europäische Fama, die Gazzetta di Mantova, die Gazzetta di Napoli, der Foglio di Foligno und der Historische Mercurius. 475 Vgl. die dem Spanischen Rat zugehörigen Briefe vom 2. Mai 1716 mit beigelegtem Avviso aus Rom in A-Whh Spanischer Rat Rom, Kart. 14 (Berichte und Weisungen 1716). 476 Vgl. D-Mbs Mus. ms. 225.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

genheit in Auftrag gegeben 477 und letztere ist mit der von Kirkendale selbst einer anderen Conversazione zugeordneten Kantate Nice lascia d’amar gleichzusetzen. 478 Die Kantate Amor, senza amore [Nice lascia d’amar] ist wohl innerhalb der Conversazione am 15. September 1715 von Margarita Durastante und den beiden Sängern Senesino (Francesco Bernardi) und Pietro Casati aufgeführt worden, die sich zu diesem Zeitpunkt kurzfristig im Palazzo Ruspoli aufhielten. Für den 14. September lässt sich eine »prova della cantata« belegen. 479 Dies stellt eine Ausnahme dar, denn für Aufführungen, die vom sängerischen Hauspersonal bewerkstelligt wurden, lassen sich keine derartigen Proben für Kantaten in den Rechnungsbüchern nachweisen. So ist auch nicht die Kantate für den Kurprinzen vom April auszumachen, jedoch geht eines von dessen Reisediarien auf die musikalische Abendgestaltung ein, indem es vermerkt, dass eine »zwey-stimmige Cantata« 480 in der Galleria des Piano nobile aufgeführt worden sei. Die Gazzetta di Napoli präzisiert, dass Ruspoli eine »cantata delle sue Virtuose [. . . ]« für Karl Albrecht gegeben habe. 481 Vergleicht man diese Angaben mit den Abrechnungen Ruspolis, lässt sich lediglich rekonstruieren, dass für die Conversazione keine weiteren Sänger, aber vier zusätzliche Violinisten bezahlt wurden. 1716 wurden drei Kantaten Caldaras kopiert, wobei nur eine die Besetzung für zwei Stimmen mit Violinen aufweist. Die Kantatenkopie ist mit dem hohen Umfang von zwölf Fogli (96 Seiten) abgerechnet worden. 482 Wahrscheinlich ist mithin, dass es diese – nicht näher identifizierbare – Cantata a 2 con VV [= Violini] war, die am Abend der Conversazione für den bayerischen Kurprinzen aufgeführt wurde. Bis dato können lediglich vier Werke datierbaren Conversazioni zugeschrieben werden, und auch diese lediglich über Indizienschlüsse. 483 Es handelt sich hierbei ausschließlich um größer besetzte Kompositionen.

477 Vgl. hierzu die detaillierte Diskussion bei Zedler, Viator 343–347. 478 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 102 f. Vgl. zu den unterschiedlichen Titeln der Kantate die Ausführungen im Kapitel Rekonstruktion des römischen Kantatenkorpus sowie zum Notenmaterial D-MÜs Sant. Hs. 761. 479 Vgl. die Rechnung zu Getränken für die Probe am 14. September, I-Rasv Archivio Ruspoli Marescotti, Filza delle Giustificazioni, 1715, Tomo I, B 59 (Fasc. 48). 480 Zedler– Zedler (Hrsg.), Giro, Dok. 139 A, 26. April 1716. 481 Gazzetta di Napoli, Nr. 19, 5. Mai 1716, abgedruckt bei: Griffin, References 80, Eintrag 355. 482 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 478. 483 Vgl. die einschlägigen Indizienschlüsse bei Boschung, Serenata für Il trionfo d’amore; Zedler–Boschung, Allusione 94–101 für Vaticini di pace und Amarilli vezzosa sowie für Amor, senza amore die obigen Ausführungen.

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Kantaten für den Fürsten

Titel

Musikalien

Conversazione

Aufführungsanlass

Il trionfo d’amore

D-MÜs SANT. Hs. 807

21. Juli 1709

Kardinal Pietro Ottoboni wird zum Protektor Frankreichs ernannt

Vaticini di pace

D-MÜs SANT. Hs. 796

25. Dezember 1712

Weihnachten

Amarilli vezzosa

D-MÜs SANT. Hs. 759

30. Dezember 1714

Weihnachten

Amor, senza amore

D-MÜs SANT. Hs. 761

15. September 1715

Aufenthalt der Sänger Margarita Durastante, Senesino (Francesco Bernardi) und Pietro Casati bei Ruspoli

Tab. 3: Datierbare Aufführungsanlässe

Für alle anderen Kantatenkompositionen ist davon auszugehen, dass ihre jeweilige Aufführung zeitnah nach der jeweiligen Musikalienkopie erfolgte. Die Texte der römischen Kantaten Im Folgenden sollen, wie bereits in der Einleitung umrissen, die Themen der Kantaten für den römischen Principe vorgestellt werden. Hierbei handelt es sich nur sehr bedingt um eine philologische Analyse. Ebenso wenig hat sich die Arbeit eine interpretatorische Ausdeutung in politischer Hinsicht (die sich gleichwohl an mancher Stelle anbieten würde) vorgenommen. Ziel ist es vielmehr, mit einer abstrahierenden Darstellung der zentralen thematischen Gegenstände die Grundlage dafür zu legen, auf der später ein Vergleich erfolgen kann, der den Wandel in Inhalt, Textgestaltung und musikalischer Umsetzung der Texte innerhalb der verschiedenen soziokulturellen Kontexte Roms und Wiens erkennbar werden lässt. Textdichter Lediglich für fünf der 79 ein- und zweistimmigen Werke sind die Textdichter namentlich bekannt. Es handelt sich um die beiden Mitglieder der arkadischen Akademie, Antonio Ottoboni (1646–1720) 484 und Paolo Antonio Rolli (1685–1765) 485. Ersterer zeichnet für die Kantaten Invida di mia pace, Begl’occhi [Elpino innamorato] sowie Va mormorando quel ruscelletto verantwortlich. Rolli

484 Vgl. zu Antonio Ottoboni Talbot–Timms, Music und jüngst Over, Comica. 485 Vgl. zu Rolli Calcaterra, Rolli und den grundlegenden Band Sciommeri (Hrsg.), Musica und hier vor allem den Beitrag von dems., Rolli.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

schrieb die beiden auf mythologischen Themen basierenden Texte La Medea und L’Olimpia. Michael Talbot und Colin Timms haben im Zuge ihrer grundlegenden Untersuchung der Trattenimenti poetici Ottoboni als Textdichter von einigen Kantaten Caldaras identifiziert. Die umfangreiche Sammlung der Texte aus der Feder Ottobonis ist heute im Museo Civico Correr in Venedig aufbewahrt. 486 Invida di mia pace und Begl’occhi [Elpino innamorato] sind zudem Teil einer Kantatensammlung, die ausschließlich auf Texten Antonio Ottobonis basiert. 487 In den 1733 gedruckten Rime di Paolo Rolli finden sich unter der Rubrik »Cantate« die Texte zu La Medea und L’Olimpia. 488 Ein Vergleich zwischen dem Text der Kantate Caldaras und dem Druck von 1733 zeigt, dass beide nicht vollständig übereinstimmen. Während bei L’Olimpia nur kleinere Veränderungen im Bereich der Wortwahl vorgenommen wurden, lassen sich für La Medea größere Adaptionen konstatieren. Zentral ist, dass in der Version von 1733 im ersten Rezitativ eine Passage von drei Versen fehlt. Das Rezitativ ist von 25 auf 22 Verszeilen gekürzt. Die zweite Arie Averti che il mio sdegno wurde mit dem Arientext Perf ido a chi più t’ama ersetzt. Damit wurden Aussage und Affekt der Arie nicht grundsätzlich verändert, aber sie ist in der Fassung von 1733 um drei Verse verlängert. Wahrscheinlich sind die Adaptionen für eine erneute Komposition vorgenommen worden, wenngleich neben derjenigen Caldaras noch keine weitere Vertonung dieses Textes aufgefunden werden konnte. Themenkreise der Kantatendichtung Der Großteil der Kantatentexte ist dem arkadisch-pastoralen Themenkreis zuzuordnen. 489 Nur ein geringer Teil entfällt auf das heroische Sujet 490, das der Mythologie oder der Historie entspringt. 491 Gänzlich aus dem Rahmen der 486 Vgl. hierzu das Verzeichnis der Kantatentexte Ottobonis von Talbot–Timms, Music, Eintrag 90, 120 sowie 436. Caldara vertonte noch weitere Kantatentexte Ottobonis, die entweder verloren sind, wie beispielsweise Arbitro di me stesso (ehemals D-MÜs Sant. Hs. 763), oder aber nicht für Ruspoli kopiert wurden. Dazu zählt beispielsweise: D’improviso amor ferisce (A-Wgm A 401 [20]). 487 Vgl. GB-Lbl Add. 34056. 488 Vgl. Rolli, Rime, 230–233 und 239–242. 489 Die Kantaten L’amor geloso und L’amor lontano wurden hier und in den weiteren Abschnitten nur einmal berücksichtigt, da sie von Caldara ein zweites Mal wortgleich wiedervertont wurden. Daher beträgt die Kantatentextgrundlage statt 79 nur 77 Texte. Vgl. zu den Mehrfachvertonungen den einschlägigen Abschnitt weiter unten. Vgl. grundlegend zu römischen Kantatentexten Over, Texte. 490 Vgl. zu diesem inhaltlichen Typus auch Over, Astorga 89. 491 Vgl. zu den zeitgenössischen Kantatensujets im Kontext der Adelskultur Over, Cantata.

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Kantaten für den Fürsten

üblichen Kantatenthematik fällt ein Werk, dessen Titel bereits einen Hinweis auf seine inhaltliche Einordnung gibt: Die Cantata burlesca [Già che ne men] 492 ist jenen Kantaten einzureihen, die der Karnevalszeit zugehören. Die folgende Grafik verdeutlicht die thematische Verteilung der Werke des Ruspoli’schen Repertoires zu Gunsten des arkadisch-pastoralen Sujets: 80

73 70

60

Kantantenanzahl

102

50

40

30

20

10

3

1

0

Arkadisch-pastoral

Heroisch

„Karneval“

Themen Grafik 4: Verteilung der Kantaten nach Themen

Arkadisch-pastorales Sujet Das Thema der arkadisch-pastoralen Kantaten schlechthin ist die Liebe. Unter ihrem Deckmantel ist eine Vielzahl von Gefühlslagen bzw. deren Verbalisierung vereint, von Hoffnung über Klage bis Zorn. 493 Der Liebesschmerz, den Ablehnung, Eifersucht, Untreue, Unbeständigkeit, Unbarmherzigkeit, Verlust oder Ferne des geliebten Gegenübers hervorrufen, wird von Schäferinnen und Schäfern wie Clori, Tirsi, Elpino, Irene oder Daliso thematisiert; freilich wird auch die erfüllte Liebe als Idealbild nicht außen vor gelassen. Wenn schon nicht bei allen Kantaten, so doch bei deren überwiegendem Teil ist eine implizite Moral oder Prophezeiung als Quintessenz auszumachen. So wird beispielsweise gemahnt, dass die Schönheit unbeständig sei, nicht aber die inneren Werte, 494 dass 492 Vgl. S-Smf 374. 493 Vgl. zum Affektesystem in der Frühen Neuzeit u. a. Grimm, Blicke. 494 Vgl. Risposta al genio, D-MÜs Sant. Hs. 748 (2).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

schöne Frauen blendeten 495 oder bereits der eifersüchtige Verdacht die Geliebte oder den Geliebten zum Betrüger mache 496. Ohnehin spielt die Eifersucht als Katalysator dramatischer Entwicklung innerhalb der Texte eine wichtige Rolle. Mal wird betont, dass man durch sie die Liebe verliere 497, mal, dass ohne sie und ohne Liebesschmerz keine wahre Liebe möglich sei 498. Demgegenüber wird die Tugend der Beständigkeit als wichtiges Mittel des Liebesglückes gepriesen. 499 Der bereits erwähnte Kantatenzyklus aus dem Jahr 1711 500 kann auf Basis der Themenwahl als repräsentativ für das Genre gelten. Er deckt beinahe alle Schattierungen der Liebesproblematiken ab, die in den arkadisch-pastoralen Kantaten zur Sprache kommen. Schon die Titel der einzelnen Kantaten dieses Zyklus wie L’amor geloso weisen darauf hin und verknüpfen das arkadisch-pastorale Milieu mit der Liebesthematik: Daliso und Irene erörtern in Form eines Frage-Antwort-Spiels die eifersüchtige, die ferne, die leidende, die konstante und die perfekte Liebe. Hierbei löst Daliso mit seinen Worten die jeweilige Diskussion über die unterschiedlichen Arten der Liebesprobleme aus, und Irene antwortet, mal bestärkend, tröstend, mahnend oder mit Widerspruch. Drei Problemfelder der Liebe, um die die Diskussion zwischen den beiden Protagonisten kreist, kristallisieren sich heraus: die Eifersucht, die »Lontananza«, also die Trennung von der oder dem Geliebten 501, und die (erhoffte, erwartete oder mangelnde) Beständigkeit. Mit dem Kantatenpaar L’amor perfetto – Risposta all’amor perfetto kommt man den in den Texten immer wieder postulierten Mitteln der ideale Liebe nahe: Daliso ist um die Treue Irenes besorgt, beschwört die Beständigkeit als Wegbegleiter der perfekten Liebe und klagt, dass nur »Lontananza« und Eifersucht die Seele beschweren würden. Irene entgegnet, dass Daliso eines Tages von ihrer Beständigkeit überzeugt sein werde und schon der von ihm vorgebrachte Verdacht der Untreue sie zur Schuldigen mache.

495 Vgl. Il perché, D-MÜs Sant. Hs. 780. 496 Vgl. Risposta all’amor geloso sowie Risposta all’amor perfetto, beide: D-MÜs Sant. Hs. 748 (10 und 4). 497 Vgl. Invida di mia pace, GB-Lbl Add. 34056 (2). 498 Vgl. L’amor geloso, D-MÜs Sant. Hs. 748 (9), und Quante lagrime, F-Pc D1729 (3). 499 Vgl. L’amor perfetto, L’amor costante, Risposta all’amor costante, alle: D-MÜs Sant. Hs. 748 (3, 5 und 6), sowie La costanza vince il rigore, D-MÜs Sant. Hs. 767. 500 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 748. 501 Das Thema der Lontananza war eines der am häufigsten aufgegriffenen innerhalb des arkadisch-pastoralen Sujets. Alessandro Scarlatti vertonte hierzu unzählige Texte. Vgl. Dubowy, Tavolino 132.

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Kantaten für den Fürsten

Heroisches Sujet Die drei dem heroischen Sujet zuzuordnenden Kantaten haben die Gemeinsamkeit, jeweils das Schicksal einer Frau in das Zentrum des Geschehens zu rücken 502: das der zauberkundigen Medea, das der Herrscherin Palmyras, Zenobia, und das von Olimpia aus Ludovico Ariosts zehntem Gesang des Orlando furioso. Medea und Olimpia sind die Akteurinnen der Kantaten aus der Feder Rollis. In beiden Fällen halten die Kantaten genau jenen Zeitpunkt fest, an dem die Frauen von ihren jeweiligen Männern verlassen worden sind. Ihr Zorn und die daraus resultierenden Rachegelüste sind die bestimmenden Affekte in beiden Werken, wobei bei Medea das Verlangen nach Rache den Schluss- und gleichzeitig den Höhepunkt der Kantate darstellt, während Olimpias Gefühlsausbruch im Laufe der Kantate ins Stocken gerät. Das Ende dieser Kantate ist von der Frage nach dem Grund von Birenos Flucht bestimmt. Ebenso wenig gut meint es das Schicksal mit Zenobia, die in der Kantate eines anonymen Textautors ihr Leid beklagt, wonach sie nicht allein ihr Land an die Römer, sondern auch ihre Freiheit verloren habe. Sie verlange von ihrem siegreichen Gegner Aurelian weder »oro, vassalli, libertà, ne regno«, sondern Gnade. Mit dem Schild der Beständigkeit werde sie sich ihrer Bestimmung fügen, so das Ende des Kantatentexts. Karnevalsthematik Unter den erhaltenen Kantaten für Ruspoli kommt der Cantata burlesca eine Sonderstellung zu. Bereits ihr Beginn verweist auf die Karnevalszeit, bringt doch der anonyme Erzähler die Klage vor, es gebe in diesem Jahr keine Masken, Feste, Komödien und Puppenspiele. »[P]er il tempo passar alegramente«, werde er dafür eine Fabel Äsops zum Besten geben. Diese thematisiert eine listige Katze, die es schafft, mit ihrer Überredungskunst eine Maus aus ihrem Versteck zu locken, um sie im Anschluss zu fressen. Die Moral wird nicht – wie oft bei Kantatentexten – implizit im Text transportiert, sondern explizit als Pointe in der Schlussarie der Kantate gebracht: »Il gatto è il mal compagno / Il sorce è il gio502 Vgl. La Medea, D-MÜs Sant. Hs. 775, La Zenobia, A-Wgm III 2616 (1) bzw. A 400 (1), sowie L’Olimpia, GB-Ob Tenbury 1347. Over hat im Zuge der Erforschung der Kantaten Emanuele d’Astorgas festgestellt, dass die Konzentration auf Heroinen im Kantatenrepertoire des Hauses Ruspoli im römischen Umfeld singulär sei. Ein Grund dafür mögen laut Over Ruspolis angestellte Sängerinnen gewesen sein, die wohl »bestens geeignet zur Verkörperung der Freuden und Leiden« gewesen seien. Vgl. diesbezüglich auch die Übersicht jener Kantaten Händels, Caldaras, Astorgas und Gasparinis für Ruspoli, die eine Heroine als Protagonistin haben bei Over, Astorga 89–91.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

vanetto, / Che cred’ai rei consigli / E al precipito và / O voi che mi ascoltate / Dal sorce oggi imparate / E ogn’uno a i propri figli / Di poi l’insegnerà.« 503

Protagonisten der Kantatentexte Solokantaten Bei 31 der Solokantatentexte bleibt die Person, aus deren Sicht die Kantate erzählt wird, anonym, nicht aber der Adressat oder die Adressatin ihrer Worte. Dank dieses Umstands, aber auch auf Grundlage der grammatikalischen Struktur kann bei 16 Kantaten rückgeschlossen werden, ob eine weibliche oder männliche Person angesprochen wird. Insgesamt sind 25 Kantaten an weibliche und 17 an männliche Adressaten gerichtet. Da der überwiegende Anteil der Kantaten vom arkadischen Milieu inspiriert ist, stammt die Mehrzahl der Adressaten, weiterer erwähnter Personen und der Akteure der Werke aus diesem Umfeld. Gleich sechs- bzw. achtmal – und somit am häufigsten – treten Daliso und Irene auf, jeweils neunmal werden sie innerhalb des Textkorpus adressiert. An zweiter Stelle steht Tirsi, der bei drei Solokantaten das Wort führt, das weitere pastorale Personal (Dorinda, Elpino, Eurillo, Fileno, Filli, Nice, Niso) ist nur je einmal vertreten. Auch die historisch und mythisch inspirierten Figuren Medea, Olimpia und Zenobia werden nur je einmal als Protagonisten gewählt. Sie richten ihre Anklage jeweils an einen Mann, Medea an Giasone, Olimpia an Bireno und Zenobia an Aureliano. Nach Irene stehen am häufigsten Dori und Filli im Blickpunkt des Interesses der arkadisch-pastoralen Texte. In jeweils drei Kantaten wird das Wort an sie gerichtet, es folgen Fileno und Clori mit zwei sowie Amarilli, Eurilla, Nice, Mirtillo, Niso, Olinto und Silvio mit je einer Kantate. Aminta und Silvia sind weitere pastorale Figuren, die in den Solokantaten erwähnt werden. Auch Dreiecksgeschichten sind Teil der Kantatentexte und bedingen, dass einzelne Schäfer und Schäferinnen eine nicht vertiefte Nebenrolle spielen. Besonders häufig werden sie dann erwähnt, wenn es darum geht, dem Grund für die Eifersucht einen Namen zu geben. In L’amor geloso fordert Fileno Irene auf, wenn sie mit Tirsi spreche, ihm mitzuteilen, »che amor per lui non è.« Auch in L’amor sofferente ist Tirsi einer der Auslöser für Eifersüchteleien Filenos. Als Personen oder Gegenstände, die adressiert oder einfach nur genannt werden, treten ebenso das lyrische Ich, das Du, die Augen, die Gedanken, die Seele, der oder die Liebste bzw. Verehrte (Idolo bzw. Donna altera), der Fabeldichter Äsop, Cupido / Amor, Venus, Aurora, Febo / Phoebus, eine namentlich nicht nä503 S-Smf 374.

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Kantaten für den Fürsten

her genannte Ninfa sowie ein Pastorello, Furien, Teile der Natur (Bach, Stein, Wälder, Wind, Katze, Maus und insbesondere Pflanzen wie Rosen oder Veilchen) in Erscheinung. Kantaten für zwei Stimmen Die Kantaten für zwei Stimmen basieren ausschließlich auf pastoral-arkadischer Grundlage. Im Regelfall besteht das Rollenpaar aus einer Schäferin und einem Schäfer, federführend ist Clori, die in neun Kantaten Protagonistin ist. Es folgen Daliso und Tirsi mit jeweils sechs, Irene, Nice, Fileno, Filli mit zwei und Florindo, Niso, Silvio, Eurilla und Dori mit einer Kantate. In den Kantaten werden zusätzlich Cupido, Diana, Delia, Eniso, Alceste und Teti / Thetys erwähnt. Die Kantate Su quel muscoso sasso 504 sieht eine besondere Besetzungsvariante vor. Anders als in den 16 weiteren Kantaten treten hier zwei Schäferinnen, also eine rein weibliche Paarung, auf, nämlich die in Liebessachen unerfahrene Filli und die Expertin Dori. Sie diskutieren die Liebesprobleme Fillis, die vom betrügerischen Fileno ausgelöst wurden, und beschließen, ein Exempel zu statuieren, das alle anderen Ninfe beeindrucken werde, die infolgedessen »niegheranno a Fileno i dolci amori«. Struktur der Kantatentexte Formale äußere Anlage Die Autoren der Kantatentexte sahen mit einer Ausnahme 505 eine klare Trennung von Rezitativ und Arie bzw. A-2-Abschnitten 506 vor. Auf dieser Grundlage konnten die unterschiedlichen formalen Anlagen der Kantaten rekonstuiert und die Texte (getrennt nach Besetzung) zwölf Varianten zugeordnet werden. Bemerkenswert ist, dass die beiden ab 1700 üblichen Kantatenformen für Solokantaten ARA (8) und RARA (21) im Gesamtvolumen zwar einen hohen Anteil ausmachen, die Form RARARA mit 22 Kantaten aber die am häufigsten gewählte ist. 507 Arien- oder Rezitativtexte können wahlweise am Beginn der Solokantaten stehen, abgeschlossen werden die Werke ausschließlich mit 504 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 792. 505 Gemeint ist das Rezitativ und die Arie am Schluss der Kantate Ninfe e pastori (Vgl. D-MEIr Ed 118 v). Hier geht der letzte Satz des Rezitativtexts »Deh pietà pastori, / se mai vedete Clori« direkt in den von Caldara als Arie auskomponierten Text »Ditegli ch’il io core / arde per lei d’amor(e) / tutto fedele« über. 506 Die A-2-Abschnitte werden hier und folgend mit »D« ausgewiesen. 507 Interessanterweise hat Händel in Rom im Gegenzug zu Caldara die zeittypische Form RARA

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

25

22 21

Kantatenanzahl

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15

10

9 8 6 5

5

2 1

1

1

2 1

0

Solokantaten Textstrukturen Kantaten für 2 Stimmen A= Arie Ar= Arioso D= A 2-Abschnitt R= Rezitativ

Grafik 5: Kantatentextstruktur

Arien. Bei den Kantaten für zwei Stimmen ist – bis auf eine Ausnahme 508 – eine gleichmäßige Verteilung der Arien auf beide Rollen vorgesehen. Am häufigsten trifft man hierbei die RARARARARD-Form (6) an, wobei die Rezitative dialogisch oder monologisch angelegt sein können. Bei allen Texten dieser Kantaten ist ein abschließendes »a due« vorgesehen. Lediglich bei zweien von ihnen steht ein solches auch am Beginn des Textes. 509 Dass dieser im Regelfall mit einem Rezitativ oder einer Arie und nicht mit einem Duett eröffnet, die Kantate aber damit beschlossen wird, hat seinen Grund in der Textdramaturgie der Kantaten für zwei Stimmen, auf die im Abschnitt zu den Merkmalen der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte näher eingegangen wird.

am häufigsten vertont. Vgl. das diesbezügliche Ergebnis für Händel bei Romagnoli, Kantaten 412. 508 Vgl. Clori e Daliso [Daliso anima mia], D-MÜs Sant. Hs. 746. 509 Das sind die beiden Kantaten Dipartita amorosa, D-MÜs Sant. Hs. 768, sowie La costanza vince il rigore, D-MÜs Sant. Hs. 767.

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Kantaten für den Fürsten

Rezitativgestaltung Giuseppe Gaetano Salvadori hat Ende des 17. Jahrhunderts eine Empfehlung für die Versanzahl bei Rezitativen ausgesprochen, auf die sich Francesco Quadrios theoretische Ausführung zu den Kantatendichtungen noch Mitte des 18. Jahrhunderts stützt. Die Autoren votieren für eine Länge von sechs Rezitativversen bei Solokantaten. Bei solchen für zwei Stimmen könnten die Rezitative länger ausfallen, sofern sie dialogisch angelegt seien. 510 Vergleicht man die zeitgenössische Einschätzung mit dem hier besprochenen Textkorpus 511, so lässt sich zum einen eine große Bandbreite bei der Rezitativlänge (siehe Grafik 6) feststellen. Zum anderen sticht bei den Solokantaten die hohe Anzahl jener Rezitative (21) heraus, die mit zehn Versen gestaltet sind, also die in der zeitgenössischen Theorie geforderte Länge übertreffen. Anders als bei den Solokantaten zeigt sich bei denen für zwei Stimmen die bevorzugte Verwendung kürzerer Rezitative. Auch hier findet sich also eine Abweichung von der Empfehlung der Theoretiker, denn knapp 60 % entfallen auf Rezitative mit lediglich vier bis acht Versen. Einen Sonderfall bei der Rezitativlänge stellt die bereits angesprochene Medea-Kantate von Paolo Rolli dar, indem sie die beiden längsten Rezitative (23 und 25 Verse) im römischen Repertoire Caldaras vereint. Interessanterweise zieht Quadrio genau dieses Werk zur Kritik an Kantatentexten heran und erklärt mit Bezug hierauf den qualitativen Unterschied zwischen Texten für Sprechund für Gesangsvortrag. Grundstein seiner Ausführungen zu den Cantate ist Quadrio die Verteidigung der Poesie. Er setzt mit Vorstellungen über die antike Poesie an, bei der die Musik noch der Dichtkunst habe dienen müssen. Nun aber, zu Zeiten Quadrios, seien die Poeten – besonders hinsichtlich der Kantatentexte – gezwungen, »a dover tutte le leggi dell’arte poetica malmenare, per accomodarsi ai cantori«. 512 Quadrios Kritik ist besonders für die Rezitativdichtung von Interesse, da gerade das für die Kantaten so bedeutende Seccorezitativ den Sprechvortrag imitieren soll. All jene Möglichkeiten, die dem Dichter zur Konzeption eines Textes für den Sprechvortrag zur Verfügung stünden, sind laut Quadrio für die Kantatendichtung nicht geeignet, der Text könne kaum Collisioni 513 aufweisen und müsse »in grazia della musica« nicht nur »dolce«, sondern

510 Vgl. Salvadori, Poetica 72–74 sowie Quadrio, Storia 334. 511 Das Textkorpus umfasst 236 Rezitative. 512 Vgl. hier und folgend besonders den Abschnitt Dimostrasi, come per le cose predette seguita, essere le cantate componimenti cattivi, e come quindi sarebbono da sbandirsi: Quadrio, Storia 338. 513 Collisione meint das Aufeinandertreffen zweier Worte, bei dem das erste mit einem Vokal endet und das zweite mit einem solchen beginnt.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

25

21 20

Rezitativanzahl

17 16 15

14

14

14 13

13

12

10

9

9 8

8 7 6

6

5 5

5

4

4

4

4

3

3

3 2

1

1

1

2

1

1

16

17

2 1

1

1

23

25

0

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11 12 13 Versanzahl

14

15

18

19

20

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen

Grafik 6: Versanzahl bei Rezitativen

auch »smaccato«, also matschig, und »cascanti di vezzi« sein. Hinsichtlich Rollis Text gibt Quadrio zu bedenken: »Oltra che la maniera di esso componimento [= der Kantatentext zu La Medea], che altro non è, che un miscuglio di versi ognora abborrito, fuorche nel vino, e assai fregolata; e nulla contiene di bello, nulla grave.« Quadrios scharfe Kritik ist aus Sicht eines Textdichters, der sein Metier verteidigt, durchaus nachvollziehbar und zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Kantatendichtung eigenen Gesetzmäßigkeiten folgte, die für die zeitgenössisch gepflegte arte poetica nicht gelten sollten. Die Rezitativtexte des römischen Kantatenkorpus entsprechen, abgesehen von der hohen Anzahl sehr langer Rezitative, aber der gängigen Kantatendichtung. Sie weisen die übliche Mischung aus Settenario- und EndecasillaboVerszeilen auf. Lediglich bei zweien ist jeweils eine Quinari-Verszeile und bei einer weiteren ein Novenario den üblichen Sieben- und Elfsilblern beigefügt. 514

514 Vgl. die Quinario-Einfügung bei den Rezitativen Perdono il lustor cor der Kantate Bella mano (I-Bc DD 226/18) sowie Cosi dicevi, et io semplice amante der Kantate Il perché (D-MÜs Sant. Hs. 780 und F-Pc 1729 [5]). Der Novenario findet sich im Schlussvers des Rezitativs Rotte l’aspre catene der gleichnamigen Kantate (D-MÜs Sant. Hs. 789).

109

110

Kantaten für den Fürsten

Ein kleiner Teil der Rezitative ist durchgängig gereimt (33 von 236), wie beispielsweise Ma perché mai si belle der Kantate Lo so pupille vaghe: 515

Ma perché mai si belle Lucidissime stelle Ho da mirar sempre ver me sdegnose? Ah se un giorno pietose Per mitigar la fiamma onde tutt’ardo Rivolgerete un guardo

Silbenanzahl

Reimschema

7

A

7

A

11

B

7

B

11

C

7

C

Verso chi v’ama ogn’or meno severo

11

D

Quanto godrà il mio cor, ma non lo spero.

11

D

Die restlichen Rezitative weisen mit wenigen Ausnahmen lediglich eine gereimte Schlusswendung auf. Entweder werden die beiden letzten Verszeilen per Reim direkt verbunden oder es kommt zu einer Verzögerung, wie bei den Worten gradita–ferita des ersten Rezitativs der Kantate Lo so pupille vaghe, bei der sich der Reim aus der drittletzten und der letzten Verszeile ergibt: Silbenanzahl

Reimschema

Lo so pupille vaghe

7

A

Del bell’idol, che adoro,

7

b

Che quante volte io torno a rimirarvi

11

C

Sempre accresco al mio cor, nuove le piaghe;

11

A

Lo so ma pur vi torno,

7

D

Che nel sembiante adorno

7

D

Di Nice mia cosi splendete altere

11

e

E la vista di voi m’è si gradita,

11

F

Che il soave piacer di rimirarvi

11

C

Compensa il duolo d’ogni mia ferita.

11

F

Die Kantate Filli, e Tirsi weist ein Rezitativ auf, bei dem kein Schlussreim auszumachen ist. Mit dieser bewusst gesetzten Ausnahme 516 stellt der Textdichter 515 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 781. 516 Lediglich bei einer weiteren Kantate, Clori, e Daliso (D-MÜs Sant. Hs. 746), ist bei dem Rezitativ Clori tu cerchi invano kein Schlussreim vorhanden. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen Schreibfehler im Text bei amanti–costante: »Che tanto in invidij agl’augeletti amanti / Fa che dal cor s’involi ogni sospetto / E credimi costante.«

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

bei der letzten Verszeile des ersten Rezitativs Filli, Fillide ingrata eine Verbindung zur ersten Verszeile der Arie Non ben ama chi non brama per Reim bei esclama–brama her: Rezitativ Filli, Fillide ingrata Dunque vorrei spietata

Silbenanzahl

Reimschema

7

A

7

A

Mirar Tirsi fedel mirare estinto

11

B

Al tuo piede cader, quand’ei t’ha vinto

11

B

Nella fede, et amor. Nol credo o Filli,

11

c

Mira queste pupille

7

d

Tutte asperse, e bagnate

7

e

Di gemebondo umor, Di flebile dolor deh senti ingrata Il cor d’un innocente Con languidi sospir che sempre esclama.

7– 11

f A

7

g

11

H

Arie Non ben ama chi non brama

8

Anco a costo di dolor

8–

H/a B

Posseder di Filli il cor

8

B

Arioso-Abschnitte Ariosi stellen bei den Kantaten des Ruspoli’schen Repertoires die Ausnahme dar. Lediglich die Kantaten Amante frenetica 517 und Invida di mia pace 518 weisen solche auf, und nur beim zweiten Rezitativ Sì, sì, che mi tradì Daliso ingrato der Erstgenannten ist das Arioso vom Textdichter hervorgehoben worden, indem er den Wechsel der Settenari und Endecasillabi mit zwei Ottonario-Versen unterbricht; der Ottonario wird per Reim (pupille – Fille) mit dem nachfolgenden Endecasillabo verschränkt. Der Einschub fügt in das von Eifersucht und Rache gekennzeichnete Rezitativ ein Moment der Distanz ein: Fille lauscht hier gerade den ruchlosen Worten Dalisos, mit denen dieser seine neue Geliebte umgarnt. Damit gehen der Wechsel im Sprachrhythmus und ein kurzfristiger Sprecherwechsel einher (siehe Markierung):

517 Vgl. US-NH Misc. 35 (1). 518 Vgl. GB-Lbl Add. 34056 (2).

111

112

Kantaten für den Fürsten

Sì, sì, che mi tradì Daliso ingrato: Ecco, che a me d’avante Con la novella amante il piè rivolge; Senti come con quella Dolce d’amor favella: Taci, taci mia lingua hor ch’ei raggiona, Ed ancora una volta Fille tradita l’empie voci ascolta: Col bel guardo ch’innamora Lucidissime pupille Piagaste il cor, e tu l’ascolti o Fille? Ah no’ pera l’infido Ecco gia l’armi impugno ecco l’uccido.

Silbenanzahl

Reimschema

11

a

7

b

11

c

7

D

7

D

11

e

7

F

11

F

8

g

8

H

11

H

7

I

11

I

Dammi i fulmini o Giove,

7

j

Ch’ei coll esser spergiuro

7

k

Al par di me tua Deitade offese, E perché nel mirarlo

11

l

7

m

Il colpo non s’arresti, e forse ancora

11

n

Di lui senta pietà l’offeso core

11

O

Prestami la tua benda o Dio d’amore.

11

O

Caldara setzt, wie noch zu zeigen sein wird, die Vorgaben des Textautors hier achtsam um und geht bei der Vertonung auf die besondere Rezitativgestaltung ein, die vom Ottonario-Einschnitt ausgelöst wird. Bei der Kantate Invida di mia pace wird die letzte Verszeile Son lontan, sono amante e son geloso und somit die Moral des Textes, wonach sich ein lyrisches Ich an den Verlust von Filli und den damit zusammenhängenden Liebesschmerz erinnert, musikalisch als Arioso gestaltet. Im Gegensatz zum vorhergehenden Beispiel ist vom Textautor hier kein Wechsel im Versmaß vorgesehen, der Komponist ist frei in der Wahl seiner Umsetzung, ob er bei einer regulären Rezitativvertonung bleibt oder ein Arioso daraus formt. 519

519 Dieses Beispiel entspricht exakt Quadrios Vorstellungen einer Aria cavata. Auch hier spart er nicht mit unterschwelliger Kritik, wenn es um die Freiheit des Komponisten geht, den Text zu gestalten: »Le seconde [Arie] sono quelle, che non già dal Poeta si fanno, mal dal Compositor della Musica si cavano da’ versi, che il Poeta per altro fine ha composti. Queste sogliono da’ detti Compositori cavarsi da quel verso endecasillabo, che in fine di qualche periodo è posto,

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenanzahl

Reimschema

Così stolto perdei Filli e riposo

11

A

Son lontan, sono amante e son geloso.

11

A

Ariengestaltung Betrachtet man die Texte der 239 dem Ruspoli’schen Repertoire zugrunde liegenden Arien, so zeigt sich, dass der weitaus überwiegende Teil (228 Arien) als Da-capo-Arie von Caldara in Musik gesetzt wurde und die Texte die dafür nötige Zweiteiligkeit aufweisen. Es dominiert der Arientext mit sechs Verszeilen (siehe Grafik 7). Diese Texte (74 von 86) zerfallen wiederum in zwei gleich große Hälften zu je drei Versen, die durchgängig gereimt sind, wie beispielsweise jene der folgenden Arie aus der Kantate Filen, Fileno ingrato. 520

Silbenanzahl

Reimschema

Nice ha un’alma cosi bella

8

A

Che il più candido avvellino

8

B

Tal bellezza in te non ha

8–

C

E all’amante suo rubella

8

A

Il rigor d’empio destino

8

B

Nò giamai la renderà

8–

C

Dieser Hang zur exakten Aufteilung der Verse auf zwei gleich lange Abschnitte ist auch bei den Arientexten mit vier, acht und zehn Verszeilen ableitbar. Bei den Arientexten mit einer ungeraden Versanzahl ist auffällig, dass der zweite Textteil im Regelfall um eine Zeile länger ist als der erste. Grundsätzlich sind die beiden Textteile (A- und B-Teil) der Arien inhaltlich zusammenhängend oder im Kontrast, aber jeweils in sich geschlossen gestaltet und somit in jener Form, die die musikalische Wiederholung des ersten der beiden Teile im Verlauf der Kantate weder unlogisch noch störend hinsichtlich des dramaturgischen Aufbaus wirken lässt. Häufig wird der B- an den A-Teil mit einer verbindenden (»und«) (siehe das obige Beispiel) oder einer einschränkenden Konjunktion (»aber«) angebunden.

o al più dagli ultimi due, che il periodo chiudono. Ma il parlare di queste a noi non s’aspetta, perché al Poeta non s’appartengono«. Quadrio, Storia 335. 520 Vgl. A-Wgm A 401.

113

Kantaten für den Fürsten

60

56

50

39 40

Arienanzahl

114

30

30

28

22 20

12 10

10

8

7

5

3

6

3 3

1

1

1

0

4

5

6

7

8 9 Versanzahl

10

11

12

14

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen

Grafik 7: Versanzahl bei Arien

Lässt sich bei der Versanzahl kein erheblicher Unterschied zwischen Solokantaten und solchen für zwei Stimmen ausmachen, so zeigt sich dieser – wenngleich in geringem Ausmaß – bei der Binnenstruktur. Sämtliche Texte wurden auf ihr Hauptversmaß untersucht. Bei einigen wenigen Arientexten konnte ein solches nicht eruiert werden, da der Textdichter es innerhalb der Arie zu häufig wechselte. Bei den Solokantaten ist der Ottonario das mit Abstand am häufigsten verwendete Versmaß (73 von 151 Arien), gefolgt vom Settenario mit 26 und dem Quinario mit 14 Arien. Auch bei den Kantaten für zwei Stimmen kommt der Ottonario am häufigsten vor (22 von 84), er sticht aber bei Weitem nicht vergleichbar stark hervor, denn Settenario (17) und Quinario (15) wurden mit nicht so großem Abstand herangezogen. Ein weiteres wichtiges Gestaltungsprinzip bei den Arientexten ist der Reim, der sie deutlich von den Rezitativen abhebt. Das bedeutet nicht, dass die Arientexte durchgängig gereimt wären: Des Öfteren trifft man auf eine Anfangs- oder eine Binnenverszeile, die aus dem Reimschema herausfällt. Ohne Ausnahme weisen jedoch die letzten Verszeilen des jeweiligen A- und B-Teils einen Reim auf. Die Arientexte des Ruspoli’schen Repertoires sind von einer großen Varianz der Textgestaltung gekennzeichnet. Da die überwiegende Anzahl an Arien bei Solokantaten wie denen für zwei Stimmen mit sechs Verszeilen gestaltet ist, ist das am meisten genutzte Schema das durchgängig gereimte AAB CCB, auf das das ABC-ABC-Muster folgt.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Gestaltung der Texte für A-due-Abschnitte der Kantaten für zwei Stimmen Die Textgestaltung der A-due-Abschnitte ist in Bezug auf das Versmaß und die Struktur an die der Arientexte angelehnt. Die Zweiteiligkeit ist bis auf eine Ausnahme der Normfall 521, und Caldara setzt diese Vorgabe in Anlehnung an die Arien mit Da-capo-Form um. Bei den Texten der A-2-Abschnitte sind zwei Gestaltungsprinzipien abzuleiten. Entweder ist den beiden Rollen derselbe Text zum Vortrag vorgegeben oder jede Singstimme hat eine eigenständige Passage zu singen. Bei letzterer Variante kommt beides vor: dass die Rollen vollständig unterschiedliche Texte vorzutragen haben oder nur einzelne Textpassagen abweichend gestaltet sind. Ein typisches Beispiel für die Gestaltung eines A-2-Abschnitts ist Teil von La costanza vince il rigore. Die Essenz der Kantate, wonach Tirsis Beständigkeit Cloris Härte gegenüber seinem Liebeswerben besiegt, wird hier auf den Punkt gebracht. Auch textdramaturgisch wird die anfängliche Uneinigkeit der beiden Akteure im zweiten Teil des A 2 zur Übereinstimmung geführt, die im Gegensatz zum ersten Part durch den gemeinsamen Text 522 zum Ausdruck gebracht wird. Silbenanzahl

Reimschema

Ha ceduto il mio rigore // Vinto ho bella il tuo rigore

8

A

Al // Col valor della costanza.

8

B

La pietà diventa // Se non è amore

8

A

Pur // Se d’amore ha somiglianza

8

B

Merkmale der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte Die dramatische Entwicklung des Kantatentextes hängt stark vom Grundaffekt sowie dem Verhältnis von erzählenden und dramatischen Passagen ab. Quadrio fordert, dass am Beginn der Kantate ein Rezitativ stehen solle, »che sia come insinuazione nell’animo degli ascoltanti«. 523 Es solle der Hörer damit auf den Affekt eingestimmt und in den Inhalt des Werkes eingeführt werden. Auf den Beginn mit einer Arie rät Quadrio zu verzichten, besonders wenn es eine »affetuosa Arietta« sei. Er folgt damit Aristoteles, der davor gewarnt hatte, eine Rede affektheischend beginnen zu lassen. Ganz in diesem Sinne werden die Kanta521 Vgl. La pastorella fedele, D-MÜs Sant. Hs. 779. 522 Die Abweichungen im Text von Tirsi sind hervorgehoben. 523 Quadrio, Storia 336.

115

116

Kantaten für den Fürsten

ten des römischen Repertoires zum überwiegenden Teil mit einem Rezitativ (siehe Grafik 5) eröffnet, gleichgültig ob es sich um Solokantaten oder Kantaten für zwei Stimmen handelt. Dass Letztere sich aufgrund ihrer dialogischen Anlage im dramaturgischen Aufbau von Ersteren unterscheiden, ist nur natürlich. Zunächst seien die Charakteristika des dramaturgischen Aufbaus und die sprachliche Gestaltung der Solokantaten vorgestellt. Solokantaten Infolge des Fehlens eines szenischen Apparats zeichnen sich die Solokantaten durch eine »drammaturgia virtuale« 524 aus, die von einer sehr intensiven TextMusik-Beziehung bestimmt ist, auf die im Abschnitt der Musikanalyse noch näher eingegangen wird. 54 der Solokantaten werden mit einem inneren Dialog eröffnet. Dabei wird ein imaginäres Gegenüber angesprochen, sei es der oder die Geliebte, die schönen Augen, das eigene Herz oder die Seele bzw. die Natur. Sie alle werden angerufen, um einen dramatischen Auftakt zu kreieren und die Ausgangslage zu klären, von der aus sich die Kantate dramaturgisch entwickelt. Zum überwiegenden Teil (bei 41 von 54 Kantaten) geschieht dies mit Hilfe eines Rezitativs. Ein typischer Kantatenbeginn ist der des Rezitativs Filli convien, ch’io parta 525 aus der gleichnamigen Kantate. Der im weiteren Verlauf namentlich genannte Schäfer Tirsi wendet sich anfangs an die geliebte Schäferin Filli, der er vorwirft, sich nicht daran zu stören, wenn er von ihr Abschied nehme. Wenigstens aber solle sie zuvor seine Worte und Seufzer hören: Filli convien, ch’io parta, E che del mar crudele Per l’onde infide ahi lasso Lungi da te mio ben sciolga le vele. Ma pria, ch’io parta ascolta Adorato idol mio gl’estremi accenti, E i miei sospiri; ascolta: Chi sa misero oh Dio, Se potrò rivederti un’altra volta.

Die Adressatin der Worte Tirsis wird mit dem ersten Vers eingeführt. Die Verwendung von Präsens, Konjunktiv und Futur generiert beim Publikum die Illu524 La Via, Poesia 109 f. Vgl. hierzu auch Romagnoli, Kantaten 398. 525 Vgl. A-Wgm A 401 (19).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

sion, dass sich die Handlung just im Moment der Aufführung entfaltet. In den ersten neun Zeilen der Kantate wird die Abschiedsthematik aufgeworfen und der Affekt der Verzweiflung mit Anklängen an Drohung evoziert. Das »böse Meer« und die »untreuen Wellen«, die Tirsi von Filli entfernen werden, sind Zeichen eines unfreiwilligen Abschieds. Die wiederholte Aufforderung zum Zuhören macht die verzweifelte Lage Tirsis greifbar und bietet einen idealen Übergang zur folgenden Arie, in der Tirsi den Wunsch artikuliert, Filli möge ihm unter Tränen »addio« sagen und ihm die Treue versichern. In weitaus geringerem Umfang werden die Kantaten mit einer narrativen Passage eingeleitet. Erinnerungen oder Beschreibungen von Situationen, Objekten sowie Gemütszuständen, in denen sich die Protagonisten der Kantate befinden, stellen hierbei einen gern gewählten thematischen Einstieg dar. Bei der Kantate Begl’occhi 526 beginnt beispielsweise ein Erzähler, die Lage des verliebten Elpino darzulegen, der eines Tages auf seine auserwählte Eurilla getroffen sei. Deren braune Augen hätten seine Liebe verdoppelt. Den schönen Blick fixierend, habe Elpino das Wort an sie gerichtet, so der letzte Rezitativvers: Elpino innamorato Guardava un dì la sua diletta Eurilla E la bruna pupilla Gli raddoppiava il sen l’incendio usato; Onde rivolto a quelle Lucidissime stelle Con ciglia immote in quel bel lume affisse Scosse la tema irressoluta e disse:

Der Zuhörer wird eingangs über Elpinos Liebe zu Eurilla informiert. Damit sind die Protagonisten der Kantate eingeführt, bevor es in der darauffolgenden Arie zu einem Perspektivenwechsel vom Erzähler auf Elpino kommt. Die Adressaten von Elpinos Rede sind Eurillas Augen. Sie sind der Katalysator des Textes, denn ihre Blicke lösen die Gefahr der Liebesabhängigkeit aus, die das zentrale Thema der Kantate darstellt. Im Anschluss an den Kantatenbeginn sind neben dem Inhalt der Kantate die Kontinuität oder die Durchbrechung des zu erwartenden dramaturgischen Aufbaus bei der Gestaltung der Texte von Bedeutung, besonders auch für die kompositorische Umsetzung. Diese kann den inneren Zusammenhalt des Textes verstärken oder aber auch bewusst unterlaufen. Für die dramaturgische Kontinuität wie auch den Zusammenhang der einzelnen Kantatenteile lassen sich auf textlicher Ebene unterschiedliche Ge526 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 747.

117

118

Kantaten für den Fürsten

staltungsmittel 527 ausmachen, die durchaus vermischt zum Einsatz kommen und im Folgenden knapp zu skizzieren sind. Steigerung Von außerordentlicher Bedeutung für die dramatische Gestaltung der Kantaten ist das Mittel der Steigerung. Die Kürze der Texte lässt wenig Raum für Entwicklung, daher versetzt der Autor die Dramatis Personae in der Regel zügig in einen für das Kantatengenre typischen traurigen oder schmerzerfüllten Erregungszustand oder er lässt sie gleich in einem solchen beginnen, um einen prägnanten Vortrag zu ermöglichen. Am Beispiel der Kantate Amante sdegnata kann dies ideal nachvollzogen werden: Die dramatische Steigerung wird mit Dorindas Empörung über ihre eigenen Tränen und Gedanken vorbereitet, die von Daliso, der ihre Liebe nicht verdient habe, ausgelöst wurde. Von Vers zu Vers vermehrt sich Dorindas Entrüstung, bis sie am Ende des ersten Rezitativs zum Schluss kommt, nicht mehr sie selbst zu sein, sondern eine Furie, sogar dazu bereit, in das Reich Plutos hinabzusteigen (Arie 2). Von hier wird die Kantate zum dramatischen Höhepunkt im zweiten Rezitativ geführt, in dem Dorinda dem »ingrato usurpator« (Daliso) den Tod wünscht. Mit der Exclamatio (siehe Markierung im Kantatentext) und den darauffolgenden Fragen kommt es zum Bruch und zum retardierenden Moment. Dorinda sieht sich nun von außen, fällt in einen inneren Dialog und erkennt, nicht mehr sie selbst, sondern von Furien bewegt zu sein. Der Gedanke an ihr eigenes Leid, während Daliso in den Armen einer anderen liege, lässt sie abschließend über die Ungerechtigkeit des Himmels klagen. Mie pupille che versate Calde lagrime cessate Che non merta onor di pianto Quei che tanto m’oltraggiò. E tu folle pensiero, Che sensi di pietà destar mi vuoi, Vanne lungi da me: pietà non sente Offesa donna, e donna amante; amai Fin che Daliso meritò il mio amore, Ed or che un traditore

"

&

Ausgangslage

$

Steigerung

‘

527 Im Folgenden werden nur jene Mittel vorgestellt, die Einfluss auf die musikalische Textur haben.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

D’averlo amato, il fido cor si pente Ogni affetto discaccio, E tutt’ira, ed orgoglio Sol cerco stragi, e medito vendette, Che dell’ingrato vendicarmi io voglio. D’Aspidi il crin mi cingo, Aspro flagel gia stringo, E per punir dell’amor mio l’ingiuria Dorinda io non son piu, sono una furia. Vanne crudele asconditi, Che a ritrovarti indegno Per fin nel cieco regno Di Pluto io scenderò. E se ti giungo a svellere Quell’empio cor dal petto All’idol tuo diletto In dono il porterò.

Steigerung

Ma t’ho pur giunto al fine Ingrato usurpator d’ogni mio bene Paga con la tua morte ‘ Del tradimento rio tutte le pene " Muori – ma oh dio, che veggio! Dove, dove son io Dov’è quei, che m’offese? Ah ch’io vaneggio. Dorinda sventurata? & Bruch / retardierendes Moment Tu da furie agitata Cerchi altrui portar morte, e il duol te uccide, E forsi il tuo Daliso Alla sua bella in braccio, or scherza, e ride. $ Questo solo rio pensiero, È il più fiero, E il maggior de miei tormenti. Cielo ingiusto ciel tiranno, Perché solo, A me dai si acerbo duolo E chi è causa del mio affanno Ch’habbia pace tu consenti.

"

&

$

Klage

119

120

Kantaten für den Fürsten

Schlüsselbegriffe Das am häufigsten gewählte Mittel für eine direkte Verknüpfung einzelner Kantatenteile ist die Verwendung von Schlüsselbegriffen, die repräsentativ für den Inhalt oder den (imaginierten) Adressaten der Kantate sind. Sie sind über den Kantatentext verteilt, und häufig kommt es zur textlichen Variatio, da ein ganzes Repertoire an Synonymen für einen Terminus eingesetzt wird. Ein typisches Beispiel stellt die Kantate Astri di quel bel viso 528 dar, bei der die Augen eines schönen Gesichts im Zentrum des inneren Monologes eines Unbekannten stehen. Augen und Gesicht sind die zwei zentralen Begriffe der Kantate. Erstere werden gleich zu Beginn angesprochen und dann in jedem Kantatenabschnitt direkt oder indirekt adressiert, wobei der in der Kantatendichtung beliebte Vergleich der Augen mit Sternen reichlich Verwendung findet. Somit sind die Begriffe für Sterne, astri und stelle, mit denen für Augen (luci, pupille und occhi) gleichzusetzen. Die Augen werden überdies mit schimmernden »Dienstmägden« des Gesichts und mit Bogenschützinnen verglichen, die Blicke (als Pfeile bezeichnet) abschießen. Das Gesicht der geliebten Person ist der zweitwichtigste Begriff. Der Textdichter setzt hierfür die Wörter viso und volto ein und bringt sie stets in Verbindung mit dem die Schönheit zeigenden Adjektiv (bel). Astri di quel bel viso, un sguardo solo Qualche poco sereno Darà vita al mio seno, ed il mio duolo Cesserà in un instante; Di più non chiede un sviscerato amante. Almen non negate, Mie luci spietate, Se voi non m’amate, Ch’io possa adorarvi, Se un dolce destino Dal giro divino Di voi, vive stelle, Pupille più belle, M’insegna ad amarvi. Occhi neri ma stelle Del bel volto gentil fulgide ancelle 528 Vgl. A-Wgm A 401 (1).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Perché forse in amor cosi infedeli Se tanto vaghe oh dio tanto crudeli Non mi amate? Io so perché Perché in voi pietà non v’è Siete luci e siete amore Care arciere del mio core Senza amore e senza fè

Wiederholung bzw. Variation von Textpassagen und Textstruktur Zur Verbindung der Kantatenteile und zur Verstärkung von Aussagen werden Textteile entweder wortwörtlich oder variiert wiederholt. Die Kantate Di crudel vuoi tu, che muora 529 zeigt beispielhaft zwei Möglichkeiten der Wiederholung und also der Verknüpfung, indem sie sowohl Textpassagen wieder aufgreift wie Versmaß und Reimschema der ersten Arie in exakt derselben Form bei der zweiten Arie wiederholt. 530 Silbenanzahl

Reimschema

Di crudel vuoi tu, che muora

8

A

Si crudel che morirò

8–

b

Ed estinta mi vedrai

8

C

Allor, che divisa havrai

8

C

Col tuo cor quest’alma ancora.

8

A

Vuoi ch’io muora di crudele

8

A

Si crudel ch’ io spirerò

8–

b

Ma qual pregionantar puoi

8

C

Quando prima sara poi

8

C

Di quest’anima fedele.

8

A

Arie 1

Arie 2

529 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 746. 530 Letzteres wird von Quadrio kritisiert, denn die Arien innerhalb eines Werkes müssten sich inhaltlich wie formal immer unterscheiden. Vgl. Quadrio, Storia 336 f.

121

122

Kantaten für den Fürsten

Perspektivenwechsel Wie weiter oben bereits an Begl’occhi gezeigt, wird vom Textdichter ein reibungsloser Übergang zwischen Eingangsrezitativ und erster Arie mit Hilfe des Perspektivwechsels vollzogen. Dieser entfaltet nicht allein dramatische Wirkung, sondern er ermöglicht es auch, Situationen, Ziele und Emotionen und damit verbundene Handlungen einer Person nachvollziehbar zu machen. Im Fall von Begl’occhi wechselt die narrative Passage des anonymen Erzählers auf die direkte Rede Elpinos. Sie wird textlich mit »scosse la tema« und dem Wort »disse« vorbereitet. Dieser Effekt wird grammatikalisch von dem abrupten Wechsel zwischen Imperfekt und Passato remoto (im Rezitativ) auf Präsens (in der Arie) unterstützt. [. . . ] Con ciglia immote in quel bel lume affisse Scosse la tema irressoluta e disse: [»]Vi par, che sia poco, Begl’occhi, che ardete Ch’io treschi col foco, Ch’intorno spargete? Quel raggio, ch’adoro, Mi sfida al cimento, È vero, ch’io moro, Ch’io moro contento.[«]

Hypophora Fragen finden sich als sprachliches Mittel innerhalb der Kantatentexte häufig und dienen unterschiedlichen Zwecken: Gerne treten sie am Beginn der Kantaten auf, um Aufmerksamkeit zu erregen oder einen inneren Dialog auszulösen. Sie werden aber auch zur Verknüpfung einzelner Kantatenteile herangezogen. In der Kantate Selve che mi vedeste 531 ist der anonyme Protagonist auf der Suche nach dem Grund seiner eigenen Schwäche und seines unterdrückten Zorns. Seine Frage an die ihn umgebende Natur taucht implizit bereits im ersten Rezitativ auf, im dritten tritt sie explizit zu Tage, wird aber erst in der nachfolgenden

531 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 791.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Arie beantwortet. Anmutige Augen hätten, so die Klärung, die Gedanken von dem Verlangen nach Grausamkeit befreit: Ma qual luce serena Con soavi magie Qual gentile sirena Con dolci melodie Forma e statiche pause al pensier mio? Ah si potrò ben io Portar sin ne tuoi tetti L’ultime stragi, ah no, non ha più forza Quel coraggioso istinto Se il maggior de trionfi e l’esser vinto. Vezzosetti lumi arcieri Voi levate a miei pensieri Il desio di crudeltà Tanto è vaga tanto e bella Quella sfera, quella stella Che girando in voi sen va.

Kantaten für zwei Stimmen Einzelne für die Solokantaten bereits dargestellte Gestaltungsmittel werden auch bei Kantaten für zwei Stimmen herangezogen, etwa die Steigerung und die Verwendung von Schlüsselbegriffen. Der bestimmende Unterschied zwischen den beiden Kantatentypen liegt in der Sprachhaltung, die hier nicht auf den inneren Dialog beschränkt bleibt, sondern sich auf zwei Rollen verteilt. Der Diskurs ist das treibende Element im dramatischen Aufbau der Kantaten für zwei Stimmen. Bemerkenswert ist, dass im überwiegenden Teil der Fälle (bei 10 von 17) die Redner aber nicht mit der direkten Ansprache des Gegenübers beginnen, sondern einer der beiden mit dem Anfangsrezitativ und der ersten Arie in die Ausgangslage der Kantate einführt. Stellvertretend sei dies an In questo ameno bosco 532 dargestellt: Irene klärt den Zuhörer nicht allein über Zeitpunkt und Ort des Geschehens auf, sondern auch über die verspätete Ankunft Dalisos. Ungeduldig erwarte sie ihren Geliebten und jeder weitere Moment komme ihr vor wie eine Stunde, wohingegen die Zeit verfliege, wenn sie mit ihm zusam532 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 784.

123

124

Kantaten für den Fürsten

men sei (Arie 1). Nach dem Sinnieren über das Zeitempfinden hört sie Dalisos Herannahen (Rezitativ 2). Daliso eröffnet dann mit Irene einen Dialog: Rolle Irene

In questo ameno bosco Sull’apparir della novella Aurora Disse venir Daliso, E non lo veggio ancora Più sollecito sempre ei pur s’affretta, E godo di trovarlo allor che lieto Me previene e m’aspetta. Or qual cagion funesta Caro Daliso il tuo ritorno arresta. Mi dà pena ogni momento E non passa mai quell’ora, Che t’aspetta il core amante. Si durasse il mio contento; Ma se meco fai dimora Passan l’ore in un momento.

Daliso

Ma qual rumor di mossi rami io sento È forse qualche fera? Ho pronto l’arco e il dardo. Ahi, sarà forse quella No, è Daliso il mio bene È il tuo fedel Daliso o bella Irene. [. . . ]

Die restlichen sieben Kantaten werden diskursiv – häufig mit einer Frage – eröffnet, wie im anschließenden Fall von La libertà contenta 533: Hier fragt sich Tirsi eingangs, wann sein Leid beendet sein werde, worauf Clori wenig verständnisvoll reagiert, indem sie ihm sein permanentes Lamento vorhält. Die Entgegnung Tirsis (anders als er sei sie eben nicht Sklavin der Liebe) zieht eine Diskussion über die Freiheit in der Liebe nach sich, in der Clori das Maß der Dinge sieht.

533 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 770.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Rolle Tirsi Clori Tirsi

E quando cessarete affanni miei? Tirsi sempre ti lagni? Ah tu non sei Clori vezzosa, e bella Come servo son io d’amore ancella.

Um darzulegen, wie die einzelnen Kantatenteile mit Hilfe der dialogischen Anteile und der bereits für die Solokantaten vorgestellten Mittel verbunden werden, wird die Kantate Daliso intorno a queste [Daliso, e Nice] 534 ab dem dritten Rezitativ beispielhaft herausgegriffen: Nachdem Nice sich Daliso an ein Ufer herbeigesehnt hat und er ihr tatsächlich gefolgt ist, gesteht der Schäfer seine Liebe. Nice zögert, glaubt Dalisos Liebesschwüren nicht, da sie lediglich eine »povera pastorella«, weder schön noch begütert und daher seiner Liebe nicht wert sei. Nach ihrer sehr spröden Eigencharakterisierung in Rezitativ 3 verschärft Nice in der Folgearie ihre negative Selbsteinschätzung gar noch. Die Augen einer Schäferin von so roher Gestalt seien nicht in der Lage, Liebespfeile abzufeuern, und wer so ungeschliffenen singe und erzähle, könne nicht das Objekt eines Herzens werden – ein Urteil, dem Daliso in der Folge heftig widerspricht, dabei die Schlüsselwörter der Arie Nices aufnehmend und in ihr Gegenteil verkehrend: Er spüre sehr wohl die Wunden der Pfeile ihrer Blicke, und viel zu lieblich seien ihr Gesang und ihr Lächeln. Doch Nice zeiht ihn gleich mehrfach (Rezitativ 3 und 4) des Irrtums (»Tu m’inganni o Daliso«). Zwei Rezitative und eine Arie, in denen Daliso ungebrochen um Nice wirbt, zeigen seine Stetigkeit. Nach zahlreichen Komplimenten (Rezitativ 4 und Arie 4) gesteht er ihr im fünften Rezitativ eindringlich seine Liebe, bevor er – Nice gibt sich noch immer nicht überzeugt – ewige Treue schwört, so dass ihm die Angebetete zuletzt Glauben schenkt und die Kantate zu einem Lieto Fine geführt wird. Rolle Nice

Tu m’inganni o Daliso Io son (ben mi ravviso) Povera pastorella Che non sorti dal cielo Alcun pregio di bella Ne puote a questo volto

534 Vgl. I-Rli Musica C13.

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Kantaten für den Fürsten

Render l’arte que’ pregi Che natura gl’ha tolto Se sol mio specchio farsi Le limpid’onde, e pure De fonti, e de ruscelli Se non ho gemme, ed ori Ma adornan solo il mio negletto crine Quei ch’il prato mi da teneri fiori Vago lusso innocente De poveri pastori Or come altrui formar può le catene Non cosi ignobil viso? Tu m’inganni o Daliso. Dagl’occhi d’un incolta pastorella Non vibra le saette il dio d’amore. Chi rozzo ha il canto e rozza la favella Come può farsi mai soggetto un core. Daliso

Nice Daliso

Lo so lo so ben io Che le punture ancor sento del dardo Se ferisce un tuo sguardo Nice vezzosa Nice Del tuo labro gentile Troppo soave è il canto e dolce il riso Tu m’inganni o Daliso. Ah credi o bella credi Alle voci del labro Veri sensi del core E l’amor mio col l’amor tuo compiaci Tutta bella sei tu tutta mi piaci. M’alletta la nera pupilletta M’appaga la vaga tua sembianza Mercede quest’alma mia ti chiede Nel duolo che a volo in lei s’avvanza.

Nice // Daliso

Dunque è ver che tu m’ami // Io t’amo tanto Quant’amar puote un fido core amante Ne tanto il caro gregge

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Ama l’onda del rio dover si bagna Ne tant’ama, e desia Tortorella fedel la sua compagna Io t’am . . . Nice

Daliso

Basta non più Daliso Il piacer improvviso L’alma gia m’involò. Bellezza in me non v’è Ma pur se piaccio a te Bella bella sarò. E sempre fido, e sempre Costante m’amerai? Pria ch’io lasci d’amarti Mancheran l’onde mare al sole rai. [. . . ]

Neben dem dialogischen Moment, das hier besonders bei der fünften Arie Nices Basta non più Daliso zum Tragen kommt, indem sie dem Schäfer ins Wort fällt, sind Gestaltungsmittel wie Steigerung, Wiederholung und Schlüsselbegriffe eingesetzt. Der dramaturgische Aufbau ist von Nices fortwährendem Zweifel an sich und der Liebe Dalisos getragen, der innerhalb der Kantate gesteigert, aber von Dalisos Widerspruch letztlich gebrochen wird. Zentrale Termini sind die Schönheit, das Gesicht und die Augen Nices sowie deren Blicke (Pfeile). Sie werden von beiden Rollen zur Charakterisierung Nices herangezogen. Die Wiederholung von Textpassagen dient dazu, die Skepsis Nices zu unterstreichen und Dalisos Gegenrede anzuspornen. Stilistische Mittel Es wurden bereits verschiedentlich stilistische Mittel der Kantatendichtungen erwähnt: Im Folgenden soll auf jene unter ihnen näher eingegangen werden, die entweder besonders häufig auftreten oder für die textausdeutende Vertonung eine wichtige Rolle spielen.

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Kantaten für den Fürsten

Vergleichendes und metaphorisches Sprechen Zur Beschreibung von Objekten oder Personen, zur Veranschaulichung von Gefühlslagen oder zur Betonung bestimmter Aussagen werden Metaphern oder Vergleiche herangezogen. Die wichtigsten seien hier summarisch aufgeführt und einige davon im Anschluss mit Beispielen verknüpft: Metapher / Vergleich

Bedeutung

Augen

Geliebte / r

Bach

Tränenfluss

Eis

Eifersucht

Feuer

Argwohn

Glühwürmchen

Liebender

heiterer Himmel

liebendes Herz

Lichter

Augen der / des Geliebten

Meer

Gefahr für die Liebe

Pfeile

Blicke

Rose

Geliebte

Schiff

liebendes Herz

Schmetterling

Liebende / r

schöne Hand

Geliebte

Sterne

Augen der / des Geliebten

stürmisches Meer

Rache

Viola

Geliebte

Vögel

Freiheit

Wind

Gefahr für die Liebe

Innerhalb des Ruspoli’schen Repertoires tritt am häufigsten die Augenmetapher auf (siehe das obige Beispiel Astri di quel bel viso). Die Augen, synonym auch als Sterne oder Lichter bezeichnet, stehen für die verehrte Person – im Regelfall für eine Frau – und sind »Fenster der Seele«, aus denen »die Art und Bewegung des Gemüts« zu lesen sei. 535 »In der petrarkischen Minneauffassung gelten die Augen als Spiegel und Herzensbotschafter«. 536 In den Kantaten kommt ihnen überdies eine aktive Rolle zu, können sie doch mit Blicken Pfeile abschießen, die die Liebe entzünden oder Liebesschmerz auslösen: »Son dardi i vostri sguardi /

535 Zedler, Auge 2168. 536 Vgl. Grimm, Blicke 5.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Care pupille vaghe, / Ma dardi che fan piaghe / D’amabile dolor.« 537 Wichtig ist, dass die Blicke nicht direkt ins Herz zielen, sondern der petrarkischen Tradition des innamoramento folgend, die Augen des Gegenübers treffen, so dass »Amor einen Pfeil abschießt, der sich ›la via per gli occhi al cuore‹ bahnt.« 538 Fragen In den Kantatentexten haben Fragestellungen folgende Funktionen: Ein innerer oder tatsächlicher Dialog kann mit ihnen eröffnet oder vorangetrieben werden oder sie stellen rhetorische Fragen dar. Ein typisches Beispiel für eine eröffnende Frage ist die Silvios an Clori am Beginn der Kantate La lode premiata. Sie dient als Auftakt seines Liebeswerbens, das Clori mit dem vielsagenden Hinweis beantwortet, dass der Gott der Liebe keine Ketten für sie habe. E pur sempre vorrai Clori d’amor nemica Sdegnar la bella face Che ad ogn’alma gentil diletta e piace?

Das bemerkenswerteste Beispiel für die Nutzung von Fragen als rhetorisches Mittel innerhalb des Ruspoli-Repertoires ist die Kantate Amante, che va intraccia della sua donna. 539 Nachdem auf dem Wege einer Accumulatio die Natur (Myrte, Buche, Stämme, Äste, Berge, Hügel, Flüsse, Ufer) angerufen wurde, fordert der im Verlauf des Textes genannte Eurillo in der Arie zuerst mit einer Frage, dann mit einem Appell dazu auf, ihm den Weg zu Filli zu weisen. Als keine Reaktion erfolgt, fährt er mit einer Reihe von Fragen fort, um seine ausweglose Situation zu beklagen. Das bedingt das einzige längere Rezitativ im Kantatenschaffen Caldaras, das ausschließlich aus Fragestellungen besteht. Je mehr Fragen Eurillo darin vorbringt, desto mehr wandeln sich die tatsächlichen Fragen zu rhetorischen und schließlich zu Vorwürfen. Mirti, faggi, tronchi e fronde Monti, colli, fiumi e sponde, Chi di voi Filli m’addita, La mia vita, per pietà[?] Antri, boschi, rupi e selve, 537 Sempre mi torna in mente, D-MÜs Sant. Hs. 790. 538 Hennigfeld, Körper 78. 539 Vgl. I-Bc DD 226 (16).

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Kantaten für den Fürsten

Orsi, tigri, fiere e belve, Venticelli, aure gradite, Voi me l’dite in carità. Alcun non mi risponde? Tace il sasso, lo speco, il bosco, il tronco? Tace il mar, taccion l’onde? L’aure stan mute e chete? Tra il silentio le belve? Tacitarne le selve? Gli aspi, le tigri e gli orsi, Non han sibilo od’urlo? Non han fremito o strida Per dirmi, ove il mio ben, ove sia gito? Non han gemito più non han ruggito?

Die hier gezeigte Nähe rhetorischer Fragen zu im- oder expliziten Vorwürfen ist typisch für die Kantatentexte und dient dem Zweck, Aussagen unmissverständlich zu verdeutlichen. So wird beispielsweise die Kantate Amante recidivo 540 mit einer rhetorischen Frage eröffnet, die gleichsam ein Tadel am eigenen Herzen ist, das an den perfiden und barbarischen Tyrann von Liebesgott glaubt: Che speravi semplicetto Povero, misero, deluso cor? Per mercé d’un puro affetto Ben ti sta doglia ed affanno Se credesti a quel tiranno Barbaro perfido nume d’amor.

Exclamatio In den Texten steht die Exclamatio meist mit dem dramaturgischen Höhepunkt der Kantate in Verbindung. Sie ist Ausdruck der Gefühlslage des Protagonisten und kann als Aussage, aber auch als rhetorische Frage formuliert sein. Als Aussage wurde sie in der Kantate Lungi dall’idol mio 541 gesetzt, wonach der

540 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 758. 541 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 751.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Protagonist zwar tatsächlich, aber nie gedanklich vom geliebten Gegenüber entfernt ist. Ah’, ben previde il cor, ch’a darmi pene Stabili il fato aver dovea le tempre; E allor che disse il labbro, addio mio bene, Mesta soggiunse l’alma, addio per sempre. Ecco, dolce cor mio: Lungi da te n’andai, Lungi da te son io. No, no, lungi da te non sarò mai!

In Amante sdegnata steht die Exclamatio als rhetorische Frage am dramatischen Höhepunkt der Kantate, an dem sich Dorinda der Auswirkungen ihres Wunsches bewusst wird. Dies teilt sie mit einer Exclamatio mit, die gleichsam ihre Verwunderung ausdrückt: [. . . ] Ma t’ho pur giunto al fine Ingrato usurpator d’ogni mio bene Paga con la tua morte Del tradimento rio tutte le pene Muori – ma oh dio, che veggio! [. . . ]

Antithesen Antithesen treten in der zeitgenössischen arkadischen Poetik häufig auf und sind entsprechend auch in der Kantatendichtung als Stilmittel vertreten. Gleich zu Beginn der Kantate Amor dei cuori 542 finden sich Antithese (die Liebe ist für liebende Herzen ein schändlicher Tyrann) und Oxymoron (falsches Mitleid) mit der Funktion, in Cloris Reflexion über ihr Liebesleid einzuleiten und ihre Gedanken aufzurütteln. Amor dei cuori amanti empio tiranno, Con si falsa mercede [. . . ] 542 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 756.

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Kantaten für den Fürsten

Am Beispiel der Kantate Lungi dall’idol mio 543 zeigt sich, wie der antithetische Stil mit dem emotionalen Höhepunkt des Akteurs einhergeht: Nie sei der Namenlose von seinem geliebten Subjekt entfernt gewesen, jetzt sei er es, werde es aber doch nie sein. [. . . ] Lungi da te n’andai, Lungi da te son io. No, no, lungi da te non sarò mai!

Ebenso wird die Antithese zu Veranschaulichung von Aussagen herangezogen. Dorinda etwa versucht mit einem antithetischen Parallelismus Daliso zu überzeugen, dass die »fredda gelosia« 544 gefährlich sei, denn wie das Eis das Feuer verzehre, so verzehre das Feuer das Eis: Come il gel consuma il foco Cosi strugge il foco il gelo [. . . ]

Mehrfachvertonungen von Texten des Ruspoli’schen Repertoires Nur die geringe Anzahl von neun Kantatentexten, die Caldara für eine Aufführung im Hause Ruspoli vertont hatte, wurde auch von anderen Komponisten für eine musikalische Umsetzung herangezogen (siehe Tab. 4). Dieser Befund stärkt die These, dass die für Ruspoli geschaffenen Texte wie die entsprechende Musik exklusiv für den Fürsten erarbeitet wurden und es nicht zu einer weitläufigen Rezeption dieses spezifischen Materials kam. Drei weitere Kantatentexte wurden von Caldara selbst jeweils zweimal vertont, nämlich die wortgleich wiederverwendeten Kantatentexte (L’)Amor geloso 545, (L’)Amor lontano 546 sowie die textlich geringfügig abweichende La violetta 547. Letztere sei als Beispiel für eine Mehrfachvertonung im Folgenden näher beleuchtet: Caldara griff 1715 mit La violetta Teile eines Textes auf, den er bereits 1712 unter dem Titel La viola

543 544 545 546 547

Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 751. Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 748 (10). Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara A 12 sowie D-MÜs Sant. Hs. 748 (9). Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara A 13 sowie D-MÜs Sant. Hs. 748 (8). Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 797.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Titel

Komponist

Alme voi che provaste

Alessandro Scarlatti

Textautor

Signatur I-Nc 34.5.4

Francesco Durante

D-MÜs Sant. Hs. 757

Antri spelonche e rupi

Emanuele d’Astorga

B-Br Ms II 3956/2 Mus Fétis 2439

Cara e bella violetta

Benedetto Marcello

GB-Lbl Add. 14220

Clori e Daliso [Daliso intorno a queste]

Benedetto Marcello

I-Vgc MAL T 265 (1), A-Wn SA.67.E.71 Mus

Invida di mia pace

Carlo Francesco Cesarini

Ninfe e pastori

Georg Friedrich Händel

D-MÜs Sant.Hs. 1898(7)

Non per pioggia del cielo

Alessandro Scarlatti

I-Nc Cantate 264

Va mormorando

Antonio Lotti

D-B Mus. ms. 13210

La violetta

Benedetto Marcello

GB-Mp Ms. 483Mf61, I

Antonio Ottoboni

GB-Lbl Add. 34057

Tab. 4: Mehrfach vertonte Kantatentexte

mammola 548 vertont hatte und deren 1715er Version – mit nur minimalen Abweichungen – auch Grundlage der Kantate La violetta von Benedetto Marcello ist 549 (siehe hierzu die dritte Spalte der folgenden Tabelle). Der Textautor ist nicht bekannt, und die Textdatierung ist nur mit Hilfe von Kantatenautograph und -kopie möglich, die nahelegen, dass jener von La viola mammola der ältere Text ist und La violetta eine jüngere Variante darstellt. In beiden Fällen wird eine Charakterisierung des Veilchens vorgenommen und die Bescheidenheit der Blume hervorgehoben (simbolo d’umiltà). Der auffälligste inhaltliche Unterschied in den Versionen von 1712 und 1715 liegt darin, dass 1715 (La violetta) der Aspekt der Widerspenstigkeit (violetta ritrosetta) entfällt und die Tugend der Bescheidenheit stärker betont wird. Formal unterscheiden sich beide Texte vornehmlich in den Arien, die jeweils mit acht (La viola mammola) bzw. sechs Verszeilen bei La violetta gestaltet sind.

548 Es liegt eine weitere undatierte autographe Version der Kantate La viola mammola vor. Siehe das Kapitel Musikalische Quellen, Abschnitt Autographes Material. 549 Die eigene Texttranskription der Marcello-Kantate wurde abgeglichen mit jener in Bizzarini, Marcello 78 (A 49).

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Kantaten für den Fürsten

Caldara (1712): La viola mammola

Caldara (1715) und Marcello (o. D.): La violetta

Violetta vezzosetta

Cara e bella violetta

Che negletta ne le sponde

Seben smorta e pallidetta

Del bel prato tra le fronde

Spargi all’aure un grato odor.

Abweichungen (kursiv) bei La violetta

Spargi a l’aure il grato odor. Tu di lieta primavera

Tu diletta primavera

Sei fioriera se primiera

Sei foriera non altera

Non altera nasci pria

Se t’inchini ad ogni fior.

Tu di lieta primavera

D’ogn’altro fior Simbolo d’umiltà d’esser tu sola

Simbolo d’humiltà d’esser tu sola,

Preggiati pur viola

Pregiati pur viola,

Se pargoletta ancora

Se pargoletta ancora

Vereconda e modesta

Vereconda e modesta

A la turba de fior

Allo stuolo de fiori

Hai per gloria ed onor chinar la testa;

Hai per gloria ed honor chinar la testa;

Anzi del nascer tuo

Anzi che nata appena

Sembri in atto divoto

Con un ciglio sommesso

Di riverente zelo

Di riverente zelo,

Render le grazie e umigliarti al cielo.

Sembri in atto divoto Del nascer tuo recente Render grazie, humiliata al cielo.

Chi ti vede, e ti rimira

Ogni ninfa, che ti mira

Violetta ritrosetta

Violetta, ti desira

Ti desira

E sospira averti in sen.

E sospira haverti in sen Del tuo vago oltramarino

Il tuo vago oltramarino

Nel mattino

Prende l’alba sul mattino

Si riveste l’Aurora

Perché splenda il ciel seren.

Se n’adorna e se n’infiora.

Prende l’alba in sul mattino

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Zur Problematik der Mehrfachdeutungen von Kantatentexten In der Forschung wurden bereits einige Bemühungen unternommen, um den unterschiedlichen Bedeutungsebenen der römischen Kantate des frühen 18. Jahrhunderts auf den Grund zu gehen, »dennoch befindet man sich auf dem Feld der Kantatendichtung in dieser Hinsicht erst am Anfang«. 550 Besonders die arkadisch-pastoralen Kantaten und im Speziellen die Textgrundlage Händel’scher Werke standen hierbei im Fokus von Textanalysen und haben so manche Kontroverse ausgelöst, ob und, wenn ja, welche versteckten Botschaften unter der pastoralen, der mythologischen oder der historischen Oberfläche verborgen sein mögen. Überblickt man die bis dato vorliegenden Forschungsergebnisse, so stellt man rasch fest, dass die Entschleierung von Allusionen bei den größer besetzten – d. h. im Regelfall nicht für die Conversazioni bestimmten – Werken gut zu bewerkstelligen ist. 551 Hilfreich ist hier besonders der für diese Werke vorliegende Textdruck. Schon die schiere Existenz eines solchen Drucks lässt vermuten, dass die Texte auch außerhalb Roms rezipiert werden konnten, ja sollten. So kann Caldaras Weihnachtskantate Vaticini di pace 552 relativ unproblematisch mit dem ereignisgeschichtlichen Kontext, dem Spanischen Erbfolgekrieg, in Verbindung gebracht werden. Offenkundig wollte Ruspoli mit dem Kantatentext Paolo Ginis von 1703 Papst Clemens XI. 1712 erneut als Vermittler und Friedensbringer stilisieren. Im Librettodruck sind die einschlägigen Anspielungen (clemente, tre monti, stella, alba) auf den Albani-Papst und dessen Wappen, das sich aus Dreiberg und Stern zusammensetzt, in Kapitälchen gesetzt, um sie hervorzuheben (siehe Abb. 3). 553 Mit Hilfe der beigefügten Abbildungen, die noch dazu die zentralen Elemente des Papstwappens (Dreiberg und Stern) mit integriertem Motto der Kantate (Et in terra pax) zeigen (siehe Abb. 4), ist die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Textpassagen gelenkt, so dass diese auch von jenen rasch entschlüsselt werden konnten, die nicht im unmittelbar römischen Rezeptionskreis verkehrten. Dass dies aber nicht für selbstverständlich genommen wurde, belegen zeitgenössische Drucke von Texten der Arkadier. Ein Beispiel sei hier stellvertretend

550 Over, Texte 352. 551 Vgl. beispielsweise die Interpretation der Kantate HWV 143, Oh come chiare e belle, von Schmalzriedt, Kantate. Hilfreich ist diesbezüglich Silvia Tattis Identifizierung von Topoi in den Texten römischer Serenaten und größer besetzter Kantaten. Vgl. Tatti, Serenate. 552 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 796. 553 Vgl. das Libretto, D-Mbs L.eleg.m. 3800, und zum Werk im Speziellen Zedler–Boschung, Allusione 115.

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Kantaten für den Fürsten

Abb. 3: Textauschnitt aus Paolo Ginis Vaticini di pace

Abb. 4: Ausschnitt aus dem Librettodruck Vaticini di pace (links) und Wappen von Papst Clemens XI. (rechts)

für zahlreiche weitere herausgegriffen: Die 1712 bei der letzten offiziellen Sitzung der Arkadier im Bosco Parrasio von Girolamo Gigli vorgetragene Balzana poetica 554 wurde im selben Jahr in Siena, also außerhalb des Kirchenstaates, gedruckt. Um die gewährten und im Gedicht hervorgehobenen Ehrerweisungen des Papstes (arkadischer Name: Alnano Melleo) an den Textautor zu verdeutlichen, wurde links neben dem Haupttext eine Erklärung gedruckt, die mit der Hoffnung auf weitere Gaben verbunden ist (siehe Abb. 5). Auch das offizielle Ende des Sitzungsturnus der Arkadier im Bosco Parrasio wurde am Rand gesondert ausgewiesen. Bei den für Ruspoli entstandenen Solokantaten und denen für zwei Stimmen ist die Dekodierung von Anspielungen auf Personen, Politik oder Ereignisgeschichte weit problematischer. Der regelmäßige Besucher der Conversazione im Hause Ruspoli (zumal ein aktiver Arkadier wie Pietro Ottoboni) war mit Sicherheit nicht nur in der Lage, das gelungene Versmaß und den Aufbau des Kantatentextes zu beurteilen, er hörte auch Doppeldeutigkeiten und Anspielungen heraus. Dass es solches gab, belegen Forschungsarbeiten, die auf dem 554 Gigli, Balzana 27.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Abb. 5: Textauschnitt aus Giglis Balzana poetica (1712)

Gebiet der Deutung von einschlägigen Kantaten Pionierarbeit geleistet haben 555, ebenso wie eine zeitgenössische Aussage in den Lezioni di lingua toscana Girolamo Giglis, die von Giovanni Battista Catena 1722 herausgegeben wurden. Im Vorwort legt Catena dar, dass »nella Cantata di Amore in Ritiro, [. . . ] se a caso ti [der Leser] fossero capitati manoscritti, troverai alcune cose aver dovuto mutarle per degni[,] rispetti &c.« 556 Offensichtlich hatte Catena bei der Vorbereitung des Textdrucks Veränderungen vorgenommen, um eine Verbreitung der impliziten Botschaften des Kantatentexts zu verhindern. 557 Die Diskussion um die Interpretationen von Solokantaten im Zusammenhang mit Ruspoli gewann vor allem mit Ellen T. Harris’ Einschätzung an Dynamik, wonach die Texte der römischen Kantaten Händels »multiple meanings« aufweisen, mit denen homoerotische Bekenntnisse verhüllt worden seien; 558 ein Urteil, das besonders von Kirkendale und auch in der jüngeren Forschung abgelehnt wird. 559 Riepe kritisiert zwar ebenso diese Schlussfolgerung, stützt aber jenen Teil von Harris’ These, der die Mehrdeutigkeit der Texte betrifft. Über555 Vgl. u. a. die jüngsten Beispiele von Boschung, Serenata; Gialdroni, Città; Over, Comica; als grundlegend ist noch immer zu nennen: Freitas, Singing. Harris versammelt in ihrem jüngsten Artikel zu der Thematik zahlreiche weitere Beispiele, vgl. Harris, Gender. 556 Catena, A chi legge, o. S. Vgl. zu Giglis Testi per musica Torselli, Toscano. 557 Vgl. Gigli, Amore. Vgl. zu Giglis unedierten Werken den Bestand in der römischen Biblioteca Universitaria Alessandrina. Leider konnte keine handschriftliche Vorlage dieser Kantate zu Vergleichszwecken aufgefunden werden. Die Kantate selbst ist Amor gewidmet, der von Gewissensbissen geplagt wird. Er hat unschuldige Schäferinnen und Schäfer in die Irre geführt und sich aus diesem Grund in alpine Höhlen zurückgezogen, bis er aufgefordert wird, zurückzukommen. 558 Harris, Handel 160. 559 »Die ›politisch korrekte‹ Vorliebe der Autorin [Harris] für Homosexualität bestimmt die Methode: die Annahme einer exzessiven Zahl von homoerotischen Bedeutungen durch angebliche, manchmal erzwungene vieldeutige Lesarten, subtexts, und codes, wo in einer großen

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Kantaten für den Fürsten

dies formuliert sie eine Reihe wichtiger Fragen sowie eine prägnante These zur Deutung des römischen Kantatenrepertoires: »Die Kantate bietet jedem das, was er in ihr sucht, und sei ihr Publikum auch noch so heterogen. Eine Voraussetzung für diese Polyvalenz der Kantate ist wohl gerade ihre heute oft als problematisch empfundene Konventionalität, die Verwendung der immer gleichen Figuren, Bilder, Themen, Situationen und eines bald nach 1700 ebenfalls typisierten kompositorischen Formkanons.« 560 Over stimmt Riepe bezüglich der Polyvalenz zu: »Es scheint, dass gerade die Deutungsvielfalt, die eine Fülle von Lesarten zulässt, ein Charakteristikum der Kantate ist«. 561 Wenn aber in den römischen Adelskreisen der Frühen Neuzeit, wovon auch Over ausgeht, »alles und jedes eine Bedeutung hatte« 562, wenn Rom gar im frühen 18. Jahrhundert, wie Schnettger es plausibel darstellt, zum Schlachtfeld von Propaganda 563 wurde, bei der Musik eine wichtige Rolle spielte und in das sich auch zahlreiche Schriften der Arkadier einordnen lassen 564, wie fügt sich dann eine Bedeutungsvielfalt der Kantaten ein, die eindeutige Interpretationen und damit eine Verwendbarkeit als Propagandainstrument ja gerade verhinderte? Welchen Vorteil hätte Ruspoli aus Kantatentexten ziehen können, die neben dem pastoral-arkadischen und einer zweiten Bedeutungsebene noch viele weitere Interpretationen zuließen – eventuell auch solche, die der Intention des Auftraggebers hätten zuwiderlaufen können?

560 561 562 563 564

Zahl der Fälle diese weder notwendig noch gerechtfertigt, sondern entstellend sind. Sie verteidigt solche Interpretationen mit der simplen Behauptung, Diskretion und Geheimhaltung müssten in einer so sensiblen Angelegenheit beachtet werden, ein Verdikt von Homosexualität, wenn nicht anders bewiesen.« U. Kirkendale, Händel 317. Auch Riepe und McGeary stehen der These kritisch gegenüber: »Ellen T. Harris stellte ihrer grundlegenden Studie zu Händels Kammerkantaten die These voran, Händels Kantaten für Ottoboni, Pamphilj und Ruspoli seien ohne ihren ›content of same-sex love‹ schlechterdings nicht zu verstehen. Sie verzichtete allerdings zum einen darauf, Belege dafür zu präsentieren, daß gleichgeschlechtliche Freundschaft und Liebe und gleichgeschlechtliches Begehren für diese drei Personen von wesentlicher Bedeutung waren und daß die Thematisierung dieser Neigung ein wesentliches Kennzeichen ihrer Kunstpatronage darstellte.« Riepe, Händel 186; »It shows that Harris has presented no credible evidence for the homosexual or homoerotic milieux of Handel’s patrons, the Arcadian Accademia, or the conversazione in Rome, which she offered to justify her homosexual reading of Hendel, non può mia Musa, a reading that is not supported by the poem itself.« McGeary, Handel 70. Riepe, Händel 189. Over, Texte 353 f. So auch Romagnoli, Kantaten 398 f. Over, Texte 352. Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg 60. Vgl. Necchi, Marte.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Bedeutungsvielfalt steht der Problematik der Beliebigkeit sehr nahe, und in der Tat ist so manche Interpretation zu Händels Kantaten auf nur vage Annahmen gestützt.565 Riepe fordert in diesem Zusammenhang zu Recht, dass der »Aufführungskontext sehr viel detaillierter zu untersuchen wäre«.566 Und nicht nur die Untersuchung des Kontexts, im Besonderen der Conversazioni, sondern vor allem auch die Analyse der Kantatentexte für Ruspoli in ihrer gesamten Breite sowie jener für andere römische Mäzene müssten Grundlage einer intensiveren Auseinandersetzung sein. Erst mit Hilfe von vergleichenden Arbeiten könnte aufgedeckt werden, was speziell und was konventionell an Ruspoli und den von ihm in Auftrag gegebenen Werken war. Allein auf Basis der Textgrundlagen der Kantaten Händels, Caldaras und Gasparinis könnte der Frage intensiver nachgegangen werden, ob die arkadische Figur Fileno 567 tatsächlich »Ruspoli, in his military role« ist. Kirkendale übernimmt diese Lesart Reinhard Strohms, ohne sie weiter zu hinterfragen oder zu vertiefen.568 Überdies wäre es notwendig, die zahlreichen römisch-arkadischen Druckwerke und Handschriften, die den Kantatentexten zeitlich nahestehen, mit ihren wiederkehrenden Themen, Symbolen und arkadischen Decknamen in eine solche Untersuchung einzubeziehen.569 Der Vorwurf der Konventionalität, wie er von Riepe für die Kantatentexte thematisiert wird, wird im Besonderen auch für die unzähligen arkadisch-pastoralen Rime erhoben – besonders für Sonette und Canzoni. Ein typisches Gedicht, dessen Wortwahl und Bilder durchaus mit der Ottoboni / Caldara-Kantate Va mormorando quel rusceletto 570 vergleichbar sind, sei beispielhaft herausgegriffen: Qual fiumicel, che se tra verdi sponde Nudre erbe, e fior di vago prato in seno, Limpido è sì, che specchio al ciel sereno, Alle ninfe, e a i pastor forma coll’onde: Ma se per valli paludose immonde Rivolge il corso, o in arido terreno, Coll’atro limo, onde il lor fondo è pieno, 565 Vgl. exemplarisch die Spekulationen zu Händels persönlicher Situation in Bezug auf die Kantate Un alma innamorata (HWV 173), U. Kirkendale, Handel 384. Diese Interpretation wurde bereits übernommen, vgl. Romagnoli, Kantaten 494–496. 566 Riepe, Händel 189. 567 Ruspoli erscheint normalerweise mit seinem arkadischen Namen Olinto. Vgl. u. a. Schmalzriedt, Kantate. 568 Vgl. U. Kirkendale, Handel 374. 569 Seit Kurzem besteht zunehmend mehr forscherisches Interesse an den ersten Druckwerken der Arkadier, vgl. u. a. Baragetti, Poeti; Necchi, Marte; Tatti, Giuochi. 570 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 794.

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Kantaten für den Fürsten

La chiarezza natia mesce, e confonde. Tal’il fuoco d’amor chiaro risplende, Ardendo in cuor gentil; ma in rozzi petti Perde il suo lume; e oscuro, e vil si rende. Amor dunque non è, che i nostri affetti Al bene, o al mal diversamente accende; Ma o buoni, o rei prende da noi gli effetti.

Der Text entstammt der Feder von Vicenzio Leonio (arkadischer Name: Uranio Tegeo) und ist im ersten, Ruspoli gewidmeten, Band der Rime degli Arcadi (1716) enthalten. 571 Ohne die im Inhaltsverzeichnis beigefügten Erklärungen zu diesem Sonett wäre prima vista kaum zu entschlüsseln, dass es sich hierbei um eine »Decisione d’un problema disputato nel Bosco Parrasio l’anno 1708 tra la Sig. Contessa Prudenza Gabrielli Capizucchi, e la Signora Marchesa Petronilla Paolini de’ Massimi« handelt. 572 Die Diskussion der beiden Damen drehte sich um die im literarischen Diskurs häufig anzutreffende Problematik, ob die Liebe eine Angelegenheit sei, die Lob oder die Tadel verdiene. 573 Aus den Textbeispielen, die hier herangezogen wurden, ist abzulesen, wie problematisch der Umgang mit Mehrfachbedeutungen bei den pastoral-arkadischen Kantatentexten ist; zur Klärung kann die Kantatenforschung hier noch viel beitragen. In der vorliegenden Arbeit wird darauf verzichtet, Interpretationen im Bereich der Mehrfachbedeutung zu den römischen Solokantaten und Kantaten für zwei Stimmen Caldaras zu bieten. Zum einen betrifft dies die zentralen Fragen der Arbeit nur am Rande, zum anderen entsteht derzeit an der Universität Mainz eine Arbeit, die ausschließlich das römische Repertoire in den Blick nimmt, und schließlich müsste – ohne den Rahmen zu sprengen – manche Argumentation notwendig rudimentär und somit Hypothese bleiben. Dass sich im Ruspoli’schen Repertoire etwa öfter der Wunsch von Schäferinnen und Schäfern nach dem Frieden des Herzens findet, mag zwar durchaus Ausdruck der zeitgenössischen pontifikalen Politik im Spanischen Erbfolgekrieg sein. Gleichwohl bleibt die Behauptung Spekulation, solange das Wissen zu den einzelnen Kantatenquellen nicht wesentlich verbreitert wird. Trotzdem sollte die generelle Problematik hier zum Klingen gebracht werden, war es doch für den Wiener Kontext sehr wohl möglich, Doppeldeutigkeiten in den Kantaten Caldaras aufzudecken und zu dechiffrieren. * 571 Vgl. Leonio, Fiumicel. 572 Crescimbeni (Hrsg.), Rime I, Indice. 573 Vgl. zum Liebestopos mit Bezug auf die Kantatenforschung Over, Cantata.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Überblickt man die Texte, die Caldara zwischen 1709 und 1716 für Principe Francesco Maria Ruspoli vertonte (chronologisch mit der Kantate Il perché beginnend), zeigt sich unmittelbar deren klare inhaltliche Ausrichtung auf den arkadisch-pastoralen Themenkreis. Ruspoli, selbst Mitglied der arkadischen Akademie, stellte sich damit ostentativ in die Tradition dieser einflussreichen Literaturakademie, bot ihren Mitgliedern darüber hinaus mit der Conversazione über Jahre hinweg eine wöchentliche Bühne vor einem stadtrömischen wie internationalen Publikum. Die Textdichter verstanden es ihrerseits, sich von anderen Mustern abzuheben, indem sie Kantatentexte formten, die in der Länge von den ab 1700 etablierten Standardformen bewusst und erkennbar abwichen: Statt der gewohnten Formen RARA und ARA wurden für die Conversazione am häufigsten die Form RARARA sowie eine erhebliche Zahl ausgedehnter Kantaten für zwei Stimmen vertont. Diese literarische Basis war der Humus, auf dem die charakteristischen Werke Caldaras gediehen, die ihrerseits der Conversazione einen repräsentativen musikalischen Auftakt zu geben wussten. Zum vollständigen Verständnis der musikalischen Sprache der Werke sind die Kenntnis und das Verständnis des Aufführungskontexts mithin unabdingbar.

Die musikalische Gestaltung der römischen Kantaten Äußere Anlage und Gestaltungsprinzipien Vokalbesetzung Die überlieferten Solokantaten entfallen ausschließlich auf die Stimmlagen Sopran und Alt. Die Mehrzahl von ihnen, nämlich 39, sind für die Sopran-, 23 für die Altlage komponiert. Die restlichen 17 Werke mit dialogischer Rollenverteilung sehen jeweils eine Besetzung mit Sopran- und Altstimme vor. Wie bereits im Kapitel Die Sängerinnen und Instrumentalisten der Conversazione dargelegt, konnte Caldara im Zuge seiner siebenjährigen Tätigkeit mit wenigen Ausnahmen auf zwei bei Ruspoli fest angestellte Sängerinnen zurückgreifen, für deren vokale Disposition die Kantaten angepasst wurden. Die Vokalparts der beiden Stimmlagen bewegen sich im folgenden Ambitus: Die Partien der Sopranstimme beginnen bei c′ und überschreiten a′′ nie, ihr Kernbereich liegt zwischen e′ und g′′ . Der Altambitus liegt zwischen a und d′′ . Er weist einen Kernbereich von c′ bis c′′ auf. Dieses Ergebnis gilt für Solokantaten wie für Werke mit zwei Stimmen.

141

Kantaten für den Fürsten

Instrumentalbesetzung Vergleichbar konstant wie die Vokalbesetzung ist über die sieben Jahre hinweg auch die Instrumentenverwendung bei den römischen Kantaten. Die folgende Grafik vermittelt einen Überblick über die Varianten der Besetzung.

60

48

50

Kantatenanzahl

142

40 30

15

20

9 10

6 2

0

Instrumentalbesetzung Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen Grafik 8: Instrumentalbesetzung

Caldara wählte am häufigsten die Begleitung der Gesangsstimme mit zwei Violinstimmen und Basso continuo. Lediglich für das Jahr 1710 finden sich zwei Kantaten, bei denen der in Teilen solistische Einsatz je einer Oboe das Klangspektrum des Streicherensembles erweiterte. Zur Besetzung des Basso continuo kann aus den Musikalien nur einmal ein Hinweis abgeleitet werden: Bei L’amor perfetto wird ein Solospiel des Violoncellos verlangt. Rückschlüsse auf die Continuo-Gruppe sind daher lediglich anhand der fest finanzierten Musiker zu ziehen. Für die Realisierung des Continuo-Parts kommen demnach für die Jahre von 1709 bis 1716 je ein bei Ruspoli angestellter Violoncellist, ein Kontrabassist 574 und ein Cembalist in Frage. Bei der von ihm bevorzugten Instrumentalbesetzung nutzt Caldara alle Spielarten der Violinbehandlung, um klangliche Kontraste zu evozieren. Da-

574 Möglicherweise kam auch ein Violone zum Einsatz. Dies konnte quellentechnisch aber noch nicht belegt werden.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

her finden sich im römischen Repertoire folgende Möglichkeiten, die innerhalb der Arien oder bei rein instrumental besetzten Parts auftreten können 575: 1. Verteilung der Violinen auf zwei Stimmen über der Gesangsstimme und dem Basso continuo. 2. Verteilung der Violinen auf zwei Stimmen, eine der beiden begleitet mit oder ohne Continuo-Begleitung colla parte die Gesangsstimme:

Notenbsp. 2: Arie Mormorando al mar aus der Kanate Per il mare

Die Arie Mormorando al mar weist einen ständigen Wechsel im Colla-parteSpiel der ersten und der zweiten Violine auf. Von Takt 20 auf Takt 21 findet gerade der Übergang von der ersten auf die zweite Violine statt, die im Anschluss bis auf die kleinen Verzierungen der Gesangsstimme in den Takten 25 und 26 dieser bis T. 29 folgt.

575 Besondere Gestaltungsweisen werden im Folgenden mit Beispielen verknüpft.

143

144

Kantaten für den Fürsten

3. Violinen sind im Unisono eigenständig geführt und übernehmen keine Colla-parte-Funktion. 4. Violinen sind im Unisono geführt und gehen colla parte mit der Gesangsstimme mit oder ohne Continuo-Begleitung. 5. Ein- bzw. zweistimmig geführte Solovioline(n) steht / stehen zweistimmig oder im Unisono geführt den Ripieno-Violinen, dem Gesangspart und dem Continuo gegenüber.

Notenbsp. 3: Violinenstimmen, Arie Augelletti vezzosetti aus der Kanate Quel duolo

Eine variantenreiche Stimmführung der Soloviolinen findet sich in der Arie Augelletti vezzossetti. Nach Abschnitten im Staccato mit zahlreichen Sprüngen (T. 38–41) sind Triller im Terzabstand gesetzt. Im B-Teil der Arie, der nach einer Fermate einsetzt, führt die erste Violine eine Begleitung mit Arpeggien (ab T. 47) aus, die zweite Violine übernimmt Bassfunktion, während die ContinuoGruppe pausiert. 6. Die Solovioline steht dem Gesangspart und dem Continuo gegenüber. Am Beispiel der Arie Vuol ch’avvampi lässt sich ablesen, wie profiliert Caldara Passagen für die Solovioline setzt. Bis in den viergestrichenen Oktavbereich lässt er hier (T. 4) die Violine steigen und gleichzeitig Sprünge vollziehen, die über drei Oktaven reichen.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 4: Arie Vuol ch’avvampi aus: La libertà contenta

7. Violinen erweitern klanglich die Bassbegleitung (suonano il basso). 576

Notenbsp. 5: Arie Di due luci aus: Risposta al genio

Ein beliebtes Mittel von Caldara, um innerhalb der Kantaten Abwechslung bei der Violinbehandlung zu erzielen, ist die Reduktion auf das Unisono des Streicherensembles im Bass. Die Stimmen sind – wie bei einer Continuo-Arie – auf zwei Notensystemen (Gesangs- und Violinstimme) notiert, vorgeschrieben ist in der Violinstimme ein Bass- bzw. an einigen Stellen ein Tenorschlüssel. Die Continuo-Begleitung wird mit Hilfe der unisono gesetzten Violinen klanglich bereichert und damit der Bassklang aufgehellt. 576 Vgl. zu der besonderen Satztechnik auch den Abschnitt Besetzung und Satzstrukturen innerhalb der Da-capo-Arien.

145

Kantaten für den Fürsten

Formale Anlage Die Vertonung der Kantate ist ursächlich von Form und Struktur des Textes, dem Wechsel von Rezitativ- und Arientext sowie dem Versmaß bestimmt. Aus diesem Grund baut der nachfolgende Abschnitt auf den Ergebnissen der Textanalyse auf. Dabei rückt er die Frage in den Mittelpunkt, welche Gestaltungsprinzipien sich aus Caldaras Behandlung der Textgrundlage ableiten lassen. Die Textanalyse hat gezeigt, dass innerhalb des Repertoires zwölf verschiedene Typen von Kantatentexten unterschieden werden können, für die Vertonung fand Caldara 16 unterschiedliche Möglichkeiten der musikalischen Ausgestaltung: 25

21 20

Kantatenanzahl

146

15 15

10

7

7 6

6

5 5

2

2 1

1

1

1

1

2 1

0

Kantatenstruktur

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen A= Arie Ar= Arioso D= A 2-Abschnitt R= Rezitativ S= Sinfonia

Grafik 9: Kantatenstruktur

Die musikalische Behandlung des Textes schafft – wie die Grafik zeigt – eine spezifische Art des Werkbeginns. Zeitgenössisch üblich war die Eröffnung einer Kantate mit einem Rezitativ oder einer Arie. Mit der Hinzufügung von selbstständigen instrumentalen Einleitungen hat der Komponist den formalen Aufbau der Kantaten erweitert. Die in den Musikalien so bezeichneten, meist dreiteiligen Sinfonie finden sich bei gut zwei Drittel (57) der überlieferten Kompositionen und bilden dergestalt ein Charakteristikum der Kantaten des römischen Repertoires. Dieser Typus tritt auch im Kantatenschaffen Francesco Gasparinis für Ruspoli auf, wenngleich nicht so häufig. Die Sinfonien dienten,

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

wie Magdalena Boschung feststellt, als »Erkennungsmerkmal der Werke für diesen Mäzen« 577. Ihre Funktion ist wohl ähnlich zu interpretieren wie jene der zeitgenössischen Opernsinfonien. Sie erklangen als Signal am Beginn und sollten für Ruhe vor der Aufführung sorgen und die Aufmerksamkeit des Publikums bündeln. 578 Die statistisch am häufigsten auftretende Kantatenstruktur weist bei den Solokantaten sieben Nummern auf. Sie besteht aus einer Sinfonia und je drei Arien und Rezitativen. Ein von Caldara bei Solokantaten mit Sinfonie ausnahmslos verfolgtes Prinzip ist die Rückkehr bei der letzten Arie in jene Tonart des Instrumentalparts, mit der die Kantate eröffnet worden ist. Dergestalt erzielt er tonale Geschlossenheit, wie es am Beispiel von Selve che mi vedeste realisiert ist: Hier kehrt Caldara am Kantatenschluss in die Ausgangstonart B-Dur zurück, greift überdies sogar die Taktart 2/4 erneut auf, die lediglich im ersten und letzten Teil der Kantate auftritt. Ein weiteres Gestaltungsprinzip betrifft die innere Ausformung der Kantaten, auf die im Abschnitt Arienkompositionen näher einzugehen ist. Der Gestaltungsgrundsatz ist für Solokantaten wie für Kantaten mit zwei Stimmen gleichermaßen gültig und betrifft im Kern die Arienkompositionen, bei denen Caldara streng das Prinzip der Varietas verfolgt. Damit ist weniger die äußere Form der Arie gemeint, die üblicherweise als Da-capo-Arie angelegt ist, als deren innere Ausgestaltung. Ton- und Taktart, Tempovorschrift sowie die begleitende Instrumentalbesetzung sind im ständigen Wechsel. Bei Letzterer herrscht in den Gesangsteilen überdies größtmögliche Varianz, die Caldara mit verschiedenen Mitteln erzielt, vor allem im Bereich des Wechsels von Instrumentalsätzen (Ritornell) auf Gesangsteile. Im Verlauf der Kantate hebt Caldara die mittlere Arie im Regelfall mit einer besonderen Besetzung von den Rahmenarien ab. Bei Il genio ist sie beispielsweise dadurch akzentuiert, dass sie als Continuo-Arie gestaltet ist, die von einem Ensembleritornell eingeleitet und beschlossen wird. Gerne greift Caldara genau an dieser Stelle des Stückes auf Bassettchen-Besetzung zurück. Il genio steht hierbei idealtypisch für Caldaras römische Kantaten, denn sie weist die am häufigsten herangezogene Struktur mit sieben Sätzen und die übliche Begleitung mit zwei Violinstimmen auf. Die Sinfonia und die letzte Arie stehen in derselben Tonart, die Violinstimmen sind bei allen drei Arien unterschiedlich in Verwendung, mal unisoni (1. Arie), mal eigenständig (3. Arie), mal erklingen sie ausschließlich im Ritornell (2. Arie). Darüber hinaus wechselt Caldara – und das ist ebenfalls ein Charakteristikum seiner Kompositionstechnik – bei den Arien jeweils Ton- sowie Taktart. 577 Boschung, Serenata 302 f. 578 Vgl. zur Funktion der Sinfonia in Bezug auf das Opernpublikum Walter, Oper 388.

147

148

Kantaten für den Fürsten

Abschnitt

Tonart

Taktart

C-Dur

1.1

Sinfonia

1.2

Sinfonia

1.3

Sinfonia

2

Rez., Irene idolo mio

3

Arie, Cieco amor

4

Rez., Alta forza non vale

5

Arie, Contento è il core

6

Rez., Nò che non furon dardi

7

Arie, Dalla tua vaga sembianza

C-Dur

Tempobezeichnung und Form

Besetzung

2/4

Allegro

V1+2, Bc

C

Adagio

V1+2, Bc

C /

Allegro

V1+2, Bc

C F-Dur

C /

S, Bc Allegro, ABA

C a-Moll

3/4

S, Bc Allegro, ABA

C C-Dur

C

S, V1+2 unisoni, Bc

Rit.: V1+2, Bc, Arie: S, Bc S, Bc

Andante, ABA

S, V1+2, Bc

Tab. 5: Kantatenstruktur von Il genio

Bei den Kantaten für zwei Stimmen kommt jener Aufbau am häufigsten zum Zug, bei dem eine gleichberechtigte Verteilung der Arien auf die beiden Vokalparts erfolgt. Durchgehend weisen die Partituren der Kantaten für zwei Stimmen eine Sinfonia am Kantatenbeginn auf, der am häufigsten entweder vier oder acht Arien folgen. Die Kantaten enden jeweils mit A-2-Texten, die als Duettvertonungen realisiert wurden. Die Vokalduette an den Werkenden haben auf musikalischer Ebene eine ähnliche Funktion wie die Schlussarien der Solokantaten: Sie führen – bis auf wenige Ausnahmen 579 – in die Ausgangstonart der Sinfonien zurück und verleihen den Kantaten einen runden tonalen musikalischen Abschluss, wie es an der idealtypischen Struktur der Kantate Lontana d’ogni impegno nachvollzogen werden kann. Hier greift Caldara bei der Duettvertonung wiederum auf die Ausgangstonart zurück, ebenso auf die Taktart 3/8, die im abschließenden Satz der Sinfonia zu finden ist.

579 Hierunter fallen Ardo gentil Fileno (D-MÜs Sant. Hs. 764), Begl’occhi e bella bocca (D-MÜs Sant. Hs. 776) sowie Filli, e Tirsi (I-Bc DD 226 [12]).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Rolle 1.1 1.2 2

Clori

3

Clori

4

Niso

5

Niso

6

Clori

7

Clori

8

Niso

9

Niso

10

Clori

11

Clori / Niso

Abschnitt

Tonart

Taktart

Sinfonia

D-Dur

C

Sinfonia Rez., Lontana d’ogni impegno Arie, Ho il core in libertà Rez., A si fatte proteste Arie, Se crudele esser non vuoi Rez., Appena hebbe f inito Arie, Ahi, 〈n〉e già sento al core Rez., Così colla pietate intruso amore Arie, Semplicette v’ingannaste

D-Dur

3/8 C

A-Dur

C

Rec., Non hai l’humana salma A 2, Sia pur ribelle

Tempobezeichnung und Form Allegro assai+ Adagio Allegro

3/8

C

Larghetta cosi, cosi, ABA

A, V1+2 unisoni, Bc S, Bc

Larghetto, ABA

S, V1+2 unisoni (suonano il Basso) A, Bc

Allegro, ABA

Rit.: V1+2 unisoni, Bc; Arie: A, V1+2 unisoni S, Bc

Allegro, ABA

S, A, V1+2, Bc

C

a-Moll

2/4

C D-Dur

3/8

V1+2, Bc S, Bc S, V1+2 unisoni, Bc A, Bc

C g-Moll

V1+2, Bc

Allegro assai, ABA

C C-Dur

Besetzung

Tab. 6: Kantatenstruktur von Lontana d’ogni impegno

Tonartenbehandlung und -schemata Solokantaten mit Sinfonie

Innerhalb der Solokantaten gilt es, die Betrachtung der Tonartenpläne für Kantaten mit und ohne Sinfonien getrennt voneinander vorzunehmen. Der Grund hierfür liegt in der flexibleren Tonartenbehandlung bei den Arien. Da die Kantaten mit Sinfonie beginnen, die die jeweilige Haupttonart vorstellen, muss Caldara, um harmonische Geschlossenheit zu erzielen, bei der jeweils letzten Arie auf diese wieder zurückgreifen. 14 verschiedene Haupttonarten wurden bei den 40 Solokantaten mit Sinfonie verwendet, wobei im Moll-Bereich d-Moll, c-Moll und g-Moll, im Dur-Bereich B-Dur, F-Dur und G-Dur vorherrschend sind. Die überwiegende Anzahl der Haupttonarten lässt sich den b-Tonarten zuordnen, Molltonarten (22-mal) wurden hier nur marginal öfter als Durtonarten (18-mal) herangezogen:

149

150

Kantaten für den Fürsten

Tonart

Kantatenanzahl

d-Moll

7

c-Moll

6

B-Dur

5

g-Moll

5

F-Dur

3

G-Dur

3

A-Dur

2

C-Dur

2

e-Moll

2

a-Moll

1

D-Dur

1

E-Dur

1

Es-Dur

1

h-Moll

1

Tab. 7: Verteilung der Haupttonarten bei den Kantaten mit Sinfonien

Innerhalb der 40 Werke mit ihren 98 einzelnen Arien ist zu beobachten, dass Caldara bis auf vier Ausnahmen 580 die Tonarten innerhalb der Kantaten beständig wechselt, bevor er bei der abschließenden Arie wieder die Haupttonart aufgreift. Im Regelfall kommen hier Tonarten zum Zug, die in einem Verwandtschaftsverhältnis zur Haupttonart stehen, etwa parallele Moll- oder Durtonarten, Tonarten der Dur- und Moll-Dominante sowie Tonarten der Subdominante, Tonarten der Dominant- wie Subdominantparallele und Tonarten mit Terzverwandtschaft. Dem Wechsel von der Haupttonart in die Subdominantund Dominanttonart (20-mal) sowie in die parallelen Dur- und Molltonarten (16-mal) wurde der Vorzug gegeben. Die Kantate Il genio kann hier erneut als Musterfall herangezogen werden, denn sie weist den typischen Wechsel in die Subdominant- und parallele Molltonart auf: Sinfonia

Rez.

1. Arie

Rez.

2. Arie

Rez.

3. Arie

C-Dur

F-Dur

a-Moll

C-Dur

Haupttonart

Subdominattonart

parallele Molltonart

Haupttonart

Tab. 8: Tonartenschema

580 Bei den Ausnahmen verbleibt die Kantate entweder in der Ausgangstonart (einmal) oder wechselt lediglich bei einer Arie in eine andere Tonart (dreimal).

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Solokantaten ohne Sinfonien

Bei den kürzeren Solokantaten ohne Sinfonien (22 Kantaten) gibt jeweils die erste Arie oder das erste Rezitativ das harmonische Gepräge vor. Beim Rezitativ ist es die Ausgangstonart, die im ersten Takt oder den ersten Takten vorgestellt wird und mit der Tonart der jeweiligen Schlussarie übereinstimmt. Steht am Beginn der Kantate eine Arie, so endet die Kantate in derselben Tonart, die diese als Haupttonart vorgegeben hat. Tonart

Kantatenanzahl

d-Moll

4

F-Dur

4

c-Moll

4

g-Moll

3

h-Moll

2

C-Dur

1

e-Moll

1

a-Moll

1

D-Dur

1

B-Dur

1

Tab. 9: Verteilung der Haupttonarten bei den Kantaten ohne Sinfonie

Im Vergleich zu den Solokantaten mit Sinfonie kann festgestellt werden, dass hier die Molltonarten stark überwiegen (15 Kantaten). Die Kantaten ohne Sinfonie sind – wie aus Grafik 9 hervorgeht – entweder mit zwei Arien (13 Kantaten) oder mit drei (neun Kantaten) gestaltet. Bei Ersteren fällt auf, dass diejenigen mit der Kantatenstruktur ARA keinen Tonartenwechsel von der ersten auf die zweite Arie aufweisen. Bei allen anderen Formen ist ein solcher Wechsel hingegen die Norm. Die Kantaten mit drei Arien folgen üblicherweise jenem Schema, wie es sich bei Io ti sento anima amante zeigt: 1. Arie

Rez.

2. Arie

Rez.

3. Arie

g-Moll

d-Moll

g-Moll

Haupttonart

Dominanttonart (in Moll)

Haupttonart

Tab. 10: Tonartenschema

Die Haupttonart wird in diesem Fall bei der zweiten Arie verlassen; hier kommen Subdominant- oder Dominanttonarten sowie die Tonart der Subdominantparallele zum Tragen. Bei der Schlussarie wird in sechs Fällen wieder die

151

152

Kantaten für den Fürsten

Ausgangstonart der ersten Arie aufgegriffen und damit eine harmonische Abrundung geschaffen. Bei weiteren dreien greift die letzte Arie auf jene Tonart zurück, in der der Beginn des Eingangsrezitatives steht. Kantaten für zwei Stimmen

Die Tonartenbehandlung bei den Werken für zwei Stimmen ist wesentlich freier, es lässt sich kein vergleichbar eng gestecktes Schema wie bei den Solokantaten ableiten. Je nach Länge der Kantate wechselt der Komponist vier bis sieben Mal die Tonart, wobei die Sinfonia und die abschließende Duettkomposition dieselbe Tonart aufweisen. Dazwischenliegende Arien können durchaus Tonarten aufgreifen, die nicht in enger Beziehung zu der Haupttonart stehen. Bei Lontana d’ogni impegno (siehe Tab. 6) lässt sich lediglich bei der ersten Arie Cloris eine Beziehung zur Sinfonia erkennen, da sie in der Dominanttonart von D-Dur, also A-Dur, komponiert ist. Die Arien Nisos verlassen den engeren Kreis der Ausgangstonart, indem sie in C-Dur und a-Moll gesetzt sind. Caldara ist bei den Kantaten für zwei Stimmen daran gelegen, mit der Wahl von Tonund Taktart der Arien sowie von Tempovorgabe und Besetzung dem jeweiligen Rollencharakter Ausdruck zu verleihen und das im Text angelegte Diskursive und Gegensätzliche der Protagonisten zu unterstreichen. In der Gesamtschau dominieren in den Kantaten für zwei Stimmen die in Dur gehaltenen Sinfonie und Arien, dementsprechend spiegelt folgende Tabelle der Haupttonarten 581 das Übergewicht der Durtonarten wider: Tonart

Kantatenanzahl

D-Dur

3

A-Dur

3

B-Dur

3

F-Dur

2

G-Dur

2

d-Moll

2

a-Moll

1

Tab. 11: Verteilung der Haupttonarten bei den Kantaten für zwei Stimmen

581 Lediglich bei der Kantate Begl’occhi e bella bocca (D-MÜs Sant. Hs. 776) konnte keine Haupttonart abgeleitet werden.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Innere Ausformung Sinfonien 57 der überlieferten Kantaten des römischen Repertoires weisen Sinfonien auf; deren Merkmale sind im Folgenden zu charakterisieren. Da zu den Kantatensinfonien noch keine substantielle Untersuchung vorliegt, geben die Untersuchungsergebnisse zu den italienischen Opernsinfonien des frühen 18. Jahrhunderts 582 das Vorbild, und hierbei insbesondere das Vorgehen von Axel Teich Geertinger, der mit seiner Arbeit Die italienische Opernsinfonia 1680–1710 einen wichtigen Grundstein zum Verständnis der Ausdifferenzierung instrumentaler Einleitungsmusiken setzt. 583 Seine Untersuchung weist einen umfassenden Editionsteil von 100 Sinfonien auf und ermöglicht es dergestalt, einen vergleichenden Blick auf instrumentale Einleitungsmusiken von Zeitgenossen Caldaras wie Alessandro Scarlatti und Carlo Francesco Pollarolo zu legen und somit jene der Kantaten in einem größeren Kontext zu verorten. Eine Gegenüberstellung bestätigt die Erwartung, dass die Instrumentalvorspiele der Kantaten keine den Opernsinfonien entsprechende umfangreiche Besetzung 584 aufweisen, sie hingegen in formaler und satzstruktureller Sicht durchaus vergleichbar sind, weisen doch auch sie die für die italienische Opernsinfonie ab 1700 etablierte Tempofolge schnell – langsam – schnell auf. 585 Dieser Typus kann wie folgt charakterisiert werden: Die Sinfonia »beginnt üblicherweise mit einem konzertanten Satz, dem ein kurzer Überleitungsabschnitt oder auch kantabler Satztyp folgt, der Schlusssatz ist dann in der Regel einem Tanz, vorzugsweise einem Menuett oder einer Gigue, nachgebildet.« 586 90 % von Caldaras Instrumentaleinleitungen – in den Musikalien zum weit überwiegenden Teil als »sinfonia« oder als »sinfonia avanti la cantata« und lediglich vereinzelt als »introduzione« bezeichnet – lassen sich diesem Formschema zuordnen. Ein idealtypischer Aufbau umfasst einen ersten Satz, der mit Allegro bezeichnet und geradtaktig (C, C / , 2/4) ist. Der zweite, langsame Satz, stellt einen überleitenden, kurzen Abschnitt dar. Er kann entweder eigenständig stehen und das Metrum wechseln oder sich als Coda an den ersten Satz anschließen. Die 582 Vgl. hierzu Hell, Opernsinfonie; Kunze, Sinfonie, besonders 47–66; grundlegend zu Caldaras Einleitungsmusiken von dramatischen Kompositionen Serizawa, Overtures. 583 Vgl. Geertinger, Opernsinfonia. 584 Reine Streicherbesetzungen der Opernsinfonien waren ab dem frühen 18. Jahrhundert eher die Ausnahme. Vgl. Hell, Opernsinfonie 108. 585 Vgl. die systematische und chronologisch geordnete Übersicht bei Geertinger, Opernsinfonia 78–81. 586 Pelker, Ouvertüre 1246.

153

154

Kantaten für den Fürsten

letztgenannte Variante besteht bei Caldaras Kompositionen lediglich aus zwei bis sechs Takten und hat dieselbe modulatorische Funktion wie ihr eigenständiges Pendant. Für beide Arten charakteristisch sind neben der Modulation die Tempovorschrift Adagio, die homophone Satztechnik und die Geradtaktigkeit. Auf diesen langsamen Part folgt ein die Sinfonien abschließender Tanzsatz im Allegro, der üblicherweise als Menuett 587 im 3/8-Takt oder als Gavotte (als Tempo di Gavotta bezeichnet) im 2/4-Takt gestaltet ist. 588 Verkürzt lässt sich folgendes Schema (Beispiel: Sinfonia aus Clori e Daliso 589) ableiten: 1. Satz

2. Satz

3. Satz (Menuett)

Tonart

A-Dur

modulierend

A-Dur

Tempo, Taktangabe

Allegro, C

Adagio, C

Allegro, 3/8

Takte (insgesamt)

38

6

17

Tab. 12: Sätze der Sinfonia aus: Clori e Daliso

Nach dieser allgemeinen Charakterisierung der Caldara’schen Kantatensinfonia soll ein Beispiel näher vorgestellt werden, um die Gestaltungsweisen zu veranschaulichen: Die Sinfonia der Kantate Quel duolo del mio core ist mit zwei Violinen bzw. Basso continuo besetzt und beginnt mit einem konzertanten AllegroTeil in D-Dur, der von klanglichen Kontrasten geprägt ist. Diese werden zum einen mit Hilfe von Unisono-/Tutti-Wechseln, zum anderen von Solo-/TuttiWechseln und zum Dritten von Piano-/Forte-Vorschriften hervorgerufen. Der erste Satz kann in fünf Abschnitte 590 von verschiedener Länge gegliedert werden, die wiederum kleinere Glieder aneinanderreihen. Harmonisch bewegt sich der erste Satz im Klangraum von D-Dur und der Dominanttonart A-Dur, längere Kadenzphasen bzw. modulierende Abschnitte sind jeweils den Gliedern vorangestellt, die das Hauptthema (A) aufgreifen. Der Satz lässt sich schematisch wie folgt darstellen:

587 Von den 57 Sinfonien weisen 20 Schlusssätze die Bezeichnung »Minuét« in den Musikalien auf. 588 Die hier dargestellte Struktur findet sich später auch bei Caldaras Opernsinfonien in Wien, lediglich einmal bei den Kantatenkompositionen des Wiener Repertoires. Vgl. zu den italienischen Opernsinfonien Caldaras mit Beispielanalysen Serizawa, Overtures 84–89. Zu den Einleitungsmusiken des Wiener Repertoires vgl. das einschlägige Kapitel zu den Wiener Kantaten. 589 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 746. 590 Zum leichteren Nachvollzug werden die Abschnitte mit Buchstaben bezeichnet.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

A

B

A′

C

A′′

Thema (a: 1–3)

d: 9–13

a′ : 16–19

f: Entwicklung: 22–27: A-Dur, cis-Moll, E-Dur, A-Dur

Thema (a, 42–45)

Fortspinnung (b: 3–6)

e: 13–16: Kadenz nach A-Dur

b′ : 19–21

g: 27–31: Solopassage; D-Dur / h-Moll

Fortspinnung (b′′ , 45–47)

h: 31–42: Entwicklung: h-Moll / A-Dur / D-Dur

Schlussglied (c, 47–50)

Schlussglied (c: 6–8)

D-Dur

D-Dur→A-Dur

A-Dur

A-Dur (modulierend)

D-Dur

T

T/D

D

D (modulierend)

T

Tab. 13: Harmonischer Verlauf der Sinfonia aus: Quel duolo del mio core

Das markante Hauptthema (a) ist im Unisono der ersten und zweiten Violine gesetzt, umfasst drei Takte und kommt insgesamt drei Mal im ersten Satz vor. Ohrenfällig sind die mit Staccato hervorgehobenen Achtel sowie die auf- und absteigenden Quartsprünge, wie sie sich aus a′ und d′′ (T.1 und T. 2) bzw. a′′ und d′′′ (T. 3) ergeben.

Notenbsp. 6: Hauptthema

Auf diese Passage folgen zwei Glieder: ein viertaktiger Abschnitt (b), der weiterhin im Unisono geführt wird und von Sechzehntelketten bestimmt ist, die auf- und absteigende Sekundrückungen im Forte und Piano umspielen sowie mit D-Dur-Dreiklangsbrechungen schließen (Fortspinnung) einerseits und andererseits ein zweitaktiges Glied (c), bei dem die Basso-continuo-Stimme – ebenso im Unisono – hinzutritt. Bei diesem Glied wird durch den Wechsel von Sechzehntel auf Achtel die Bewegung verlangsamt, der Abschluss erfolgt mit einem Quintsprung in die Tonika. Im Abschnitt A′ wird das Hauptthema und seine Fortspinnung auf der Dominanttonart wiederholt. Auf die abschließenden Dreiklangsbrechungen von Abschnitt b wird in der Fortspinnung verzichtet, die Umspielungen werden um eine Oktave nach unten versetzt fortgeführt. Sie leiten nicht in die Schlussgruppe über, sondern in den Klangraum (f ) der Dominantparallele cis-Moll. Erneut wird das Hauptthema ab T. 42 (A′′ ) aufgegriffen, diesmal ist die Fortspinnung (b′′ ) aber nicht einstimmig gesetzt. Die zweite Violine geht

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156

Kantaten für den Fürsten

in die Terz zur Oberstimme und begleitet diese Passage über zwei Takte in der Unterterz. Die Abschnitte B und C sind von Klängen der Dominanttonart oder der Tonart der Dominantparallele geprägt. Mal ist die Kadenzphase zur Reprise hin im Tutti (e), mal mit einer Solopassage der ersten Violine (g) gestaltet, die in eine kadenzierende Tuttipassage (h) in die Ausgangstonart überführt. Die Adagio-Coda umfasst vier Takte und folgt direkt auf den ersten Satz. Lediglich die Tempobezeichnung und die Änderung der Schlüsselung von Bassauf Violinschlüssel in den Streichern weist auf den Wechsel vom ersten Satz in das Adagio hin (siehe Notenbsp. 7). Die hier stattfindende modulatorische Überleitung auf den abschließenden Satz ist von Akkordblöcken gekennzeichnet, die von e-Moll ausgehend zu h-Moll führen und mit einer phrygischen Kadenz enden. Diese Harmonisierung der Kadenz des langsamen Teils ist – noch dazu mit dem Septimvorhalt über g im letzten Takt – zeittypisch für langsame Sätze und leitet ideal zum D-Dur des letzten Satzes über. Und ein weiteres typisches Merkmal trifft auf den langsamen Abschnitt der Sinfonia von Quel duolo del mio core zu: Er ist von dem Klangraum der Tonikaparallele (h-Moll) der Haupttonart der Ecksätze geprägt und öffnet sich mit dem abschließenden Akkord als Dominantparallele zum letzten Satz in D-Dur. 591

Notenbsp. 7: Adagio-Coda aus der Sinfonia von Quel duolo

Der Schlusssatz steht im 3/8-Takt, ist symmetrisch nach Vorbild eines Menuetts aufgebaut und verleiht der Sinfonia einen schwungvollen Abschluss im Allegro. Seine zwei Perioden, jeweils acht Takte (unterteilt in je zwei Viertakter), sind mit Wiederholungszeichen versehen. Das harmonische Gerüst lässt sich wie folgt schematisch nachzeichnen: Takte

1–4

5–8

9–12

13–16

T→D

D

D→T

T

Tab. 14: Harmonischer Verlauf

591 Vgl. Hell, Opernsinfonie 166 mit zahlreichen Beispielen, die diesem Muster folgen.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 8: Abschlussatz aus der Sinfonia von Quel duolo

Die Melodielinie (siehe Notenbsp. 8) ist sehr eingängig und weist ein markantes Eingangsmotiv auf, das aus einem Sekundschritt mit nachfolgender Pause (T. 1) besteht und in beiden Perioden wiederkehrt, einmal in derselben Form und einmal variiert nach unten geführt. Die Oberstimme bewegt sich im Wesentlichen in einem Oktavraum mit dem Spitzenton h′′ . Die zweite Violine folgt mit Ausnahme von T. 8 und der letzten drei Takte dieses Abschnitts der ersten durchweg im Terzabstand.

Arienkompositionen Die Kantaten des Ruspoli’schen Repertoires beinhalten 239 Arien. Die Gestalt, die Caldara ihnen verlieh, ist bis auf wenige Ausnahmen die zeitgenössisch gängige Da-capo-Anlage. Dementsprechend steht den 228 Arien mit Da capo nur die geringe Anzahl von elf Arien anderer formaler Gestalt gegenüber. Weniger mit der Form als mit Ritornellen sowie mit Hilfe der Instrumentalbegleitung erreicht der Komponist Gestaltungsvielfalt innerhalb der Kantatenarien. Auf Basis der statistischen Untersuchung der Anlagen, des Satzes, der Besetzung, der Ton- und Taktarten sowie der Tempovorschriften wurden drei Arien ermittelt, die für die Beispielanalysen am Ende dieses Kapitels herangezogen wurden. Dort werden Gestaltungsmöglichkeiten der motivischen Arbeit aufgezeigt und mit der Textbehandlung korreliert. Mit welchen Mitteln Caldara die Textvor-

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158

Kantaten für den Fürsten

gabe musikalisch nachvollzog oder wie er in den Text eingriff, wird darüber hinaus zu betrachten sein. 592

Charakteristika der Da-capo-Arien

Die Anlage der Da-capo-Arien Der Wechsel von Instrumental- und Gesangsteilen zeichnet die äußere Gestalt der Kantatenarien aus. Im Hinblick auf Anzahl und Anordnung dieser Teile ist bei Caldaras Da-capo-Arien das fünfteilige Gliederungsprinzip der Gesangsteile (A1 – A2 – B – A1 da capo – A2 da capo) mit knapp über 60 % am häufigsten anzutreffen. Bei dem im frühen 18. Jahrhundert gängigen Schema der Da-capo-Arie weist jeder Gesangsteil mindestens einmal alle Verse der jeweiligen Strophe vollständig auf. Vers- oder Teilverswiederholungen können innerhalb eines Gesangsteils auftreten. Die Gesangsteile sind mit instrumentalen Einschüben (Ritornellen oder ritornellartigen Zwischenspielen [Zwischenritornellen]) voneinander getrennt. 593 Innerhalb des Ruspoli’schen Arienrepertoires finden sich auch von diesem Schema abweichende Muster, und zwar einerseits in reduzierter, dreiteiliger und andererseits in erweiterter Gestalt. Die dreiteilige Form tritt hier am zweithäufigsten auf (22 %). Im erweiterten Fall kann der A-Teil auf bis zu drei, der B-Teil auf bis zu zwei Gesangsteile erstreckt werden. Den singulären und damit umfassendsten Fall in diesem Sinne stellt die Arie Come il gel consuma il foco der Kantate Risposta all’amor geloso dar, bei der sich drei Gesangsteile im A-Teil und zwei im B-Teil nachweisen lassen. Damit enthält die Arie insgesamt acht Gesangsteile. Im Folgenden werden die am häufigsten auftretenden Gestaltungsprinzipien anhand von Beispielen näher betrachtet. Die dreiteiligen Da-capo-Arien Die aus dem Jahr 1712 stammende Altarie mit zwei obligaten Violinen Mirti, faggi, tronchi e fronde der Kantate Amante, che và intraccia della sua donna ist typisch für die dreiteiligen Da-capo-Arien. A- wie B-Teil bestehen aus je einem Gesangsabschnitt, dessen Strophen wiederum in zwei Teile zerfallen: Auf

592 Die folgende Darstellung sowie jene des Kapitels zu den Arien des Wiener Repertoires orientiert sich an der maßgeblichen Arbeit von Strohm, Opernarien, sowie an den auf Strohm aufbauenden, aber auf Kantatenarien im Speziellen fokussierenden Analysen von Lorber, Kantaten, Eichholz, Kantatenjahrgang, und La Via, Poesia 109–154. 593 Vgl. hierzu im Detail die Ausführungen zur Ritornellanlage im Abschnitt Arienkompositionen.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

zwei Verszeilen (A-Teil) bzw. drei (B-Teil), die von Aufzählungen bestimmt und deren beide jeweils erste Zeilen mit Reim verbunden sind, folgt je eine Aufforderung, bei der an die zuvor genannten Naturerscheinungen und Tiere um Hilfe appelliert wird. Silbenanzahl

Reimschema

Mirti, faggi, tronchi e fronde

8

A

Monti, colli, fiumi e sponde,

8

A

Chi di voi Filli m’addita,

8

b

La mia vita, per pietà.

8–

C

Antri, boschi, rupi e selve,

8

D

Orsi, tigri, fiere e belve,

8

D

Venticelli, aure gradite,

8

e

Voi me l’ dite in carità.

8–

C

Diese zweiteilige Textstruktur der Strophen von A- und B-Teil berücksichtigt Caldara bei seiner Vertonung, indem er die Textpassagen mit den Aufzählungen je einmal vertont, während er die restlichen Verszeilen, insgesamt zweimal (Chi di voi Filli m’addita) bzw. dreimal (La mia vita, per pietà und Voi me l’ dite in carità) in Musik setzt. Mit Hilfe der Wiederholung verstärkt der Komponist die im Text enthaltene Aufforderung. Das kurze einleitende Ritornell wird am Ende des Gesangsteils A vollständig wiederholt, so dass es im Ganzen viermal auftritt und sich folgende dreiteilige Arienstruktur (A – B – A da capo) ergibt: A-Teil

B-Teil

A-Teil da capo

18–21

21–30

31–52 R–A –R

Takte

1–4

4–18

Abschnitt

R

A

R

B

Tonartliches Gerüst (Haupttonarten)

h

h–e–fis–h

h

h–fis

Tab. 15: Struktur der dreiteiligen Da-capo-Arie Mirti, faggi, tronchi e fronde

Ein besonderes Spezifikum bei der Gestaltung des A-Teils darf nicht unerwähnt bleiben. Bei den dreiteiligen Da-capo-Arien wird nahezu ausnahmslos die Strophe mindestens einmal vollständig wiederholt. 594 Hiervor sind Zwischenritornelle zu erwarten, auf die Caldara indes verzichtet. Dennoch wurden 594 Bei einigen Arien werden bei der Wiederholung Verse oder Teilverse anders positioniert, aber die Strophe weist immer alle Verse auf.

159

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Kantaten für den Fürsten

Notenbsp. 9: L’alma che langue aus der Kantate Begl’occhi e bella bocca

die Strophenschlüsse kompositorisch nicht übergangen. Diese sind mit Pausensetzungen nach und mit Fermaten auf der letzten Note oder mit Kadenzen über den letzten Worten der jeweils ersten Strophe gestaltet. Als Beispiel mag die Arie L’alma che langue der Kantate Begl’occhi e bella bocca dienen. Die erste Strophe der in g-Moll gesetzten Arie endet mit einer ganzen Note auf dem Wort »cor«, die dem rhythmischen Fortschritt den Fluss nimmt. Im Bassbereich wird eine vollständige Kadenz bei den letzten Worten der ersten Strophe »ferito il cor« (siehe Notenbsp. 9, T. 27 und 28) vollzogen und damit die Tonart der Tonikaparallele erreicht. 595 Diese Kadenzbildung, noch dazu auf der Durparallele, bedingt eine Zäsur, die eigentlich den üblichen Ritornellabschnitt erwarten lässt – tatsächlich aber folgt ein erneuter, gleich direkt anschließender textlicher Durchlauf der ersten Strophe. Kantatenarien mit Strophenwiederholung ohne ein Ritornell oder Zwischenritornell, das A1- von A2-Teil im A-Teil trennt, finden sich auch bei Caldaras römischem Vorgänger Händel 596 und seinem Nachfolger Gasparini, 597 sind also kein Spezifikum des Komponisten. Bis dato wurde die Frage nach dem fehlenden Ritornell bei Strophenwiederholung im A-Teil weder für Kantatenarien Händels noch für die Gasparinis tiefergehend untersucht. 598

595 An den jeweiligen Enden der ersten Strophe moduliert Caldara im Regelfall in die Tonart der Tonikaparallele oder in die Dominanttonart. 596 Vgl. u. a. die Arien Empio mare, onde crudeli aus Qual ti riveggio (Ero e Leandro), HWV 150, Pien di nuovo e bel diletto aus Tra le f iamme (Il consiglio), HWV 170, Cento belle ami Fileno aus Tu fedel? Tu costante?, HWV 171. 597 Vgl. stellvertretend die Arie E puoi soff irlo, Amor aus der Kantate Sente pur che maggio è nato, ediert in: Navach (Hrsg.), Gasparini 118–122. 598 Entweder finden sich generalisierende Aussagen zu dieser Problematik wie beispielsweise: »da capo arias from 1706 to 1707 are typically shorter and omit one or more of these five parts«, Harris, Handel 103, oder auf die Frage wird nicht näher eingegangen wie bei der ansonsten vorbildlichen Analyse zur Händel-Arie Dietro l’orme fugaci der Kantate Armida abbandondata, die eine einschlägige Strukturierung des A-Teils aufweist. Vgl. La Via, Poesia 149–154. Auch

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Greift man weiter aus, so finden sich entsprechende Analysen für Heinichen und Telemann, für die dieselbe Besonderheit festgestellt wurde. Lorber hat aus Heinichens Arie Quando la bella viene ministra aus der Kantate Selve amene, antri ombrosi, o voi che un tempo, bei der die Strophen dreimal textlich wiederholt werden, abgeleitet, dass der Textvortrag im Vordergrund stehe und dies das Fehlen von Ritornellen zwischen den Gesangsteilen evoziere. Er begründet das mit fehlenden Koloraturen und einer rezitativischen Deklamation in der Singstimme. 599 Bei Caldaras Arien trifft dieses Ergebnis nicht zu, weder tritt diese Art des Deklamationsrhythmus spezifisch hervor noch fehlen Koloraturen. 600 Eichholz ordnet im Zuge ihrer Analyse der Kantatenarien Telemanns ein Beispiel mit Strophenwiederholung ohne Ritornell im A-Teil, In Mesechs Angst-Getümmel (TVWV a:638, Nr. 5), den Arien mit fünfteiliger Da-capoAnlage zu. Auch diese Zuordnung überzeugt für Caldara nicht, da er einen sehr konsequenten Einsatz der Ritornelle oder Zwischenritornelle verfolgte und diese sehr bewusst einsetzte, wenn er zwischen dem A1- und dem A2-Teil eine instrumentale Trennung anstrebte. Eine vergleichbare Zäsurbildung wie mit Ritornellen ist bei den hier behandelten A-Teilen nicht gegeben, so dass die Arien mit Strophenwiederholung auf Grundlage ihrer Ritornellanlage den dreiteiligen Da-capo-Arien zugeordnet wurden. Die fünfteiligen Da-capo-Arien Die fünfteiligen Da-capo-Arien treten mit über 60 % am häufigsten im Ruspoli’schen Repertoire auf. Sie sind von einem festen tonartlichen Gerüst gekennzeichnet, die einzelnen Gesangsabschnitte sind im Regelfall von zuweilen ausgedehnten Ritornellen oder Zwischenritornellen getrennt. Ein Musterbeispiel der fünfteiligen Struktur ist die Arie Da tuoi lumi, e dal tuo core der gleichnamigen Kantate aus dem Jahr 1714. Der Text weist dasselbe Reimschema und dieselbe Silbenanzahl bei den Versen auf wie die oben behandelte dreiteilige Arie Mirti, faggi, tronche e fronde, Caldara verleiht ihr aber eine im Vergleich zur dreiteiligen Arie erweiterte Struktur. Der Text der Arie lautet:

in Bezug auf Gasparinis Kantatenarien wurde diese Problematik noch nicht näher behandelt. Vgl. Navach, Alme 67–120. 599 Vgl. Lorber, Kantaten 99. 600 Bei L’alma che langue beispielsweise ist ein siebentaktiger Koloraturabschnitt bei dem zweiten Strophendurchgang zu finden.

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Kantaten für den Fürsten

Silbenanzahl

Reimschema

Da tuoi lumi, e dal tuo core

8

A

Io non voglio altro, che amore,

8

A

Ma un amore, che s’accenda

8

b

Al bel raggio d’onestà.

8–

C

Che non manchi mai nel petto

8

D

La dolcezza dell’affetto,

8

D

E che sempre si contenta

8

e

Nella bella fedeltà.

8–

C

Teil A der Arie besteht aus zwei Gesangsabschnitten, Teil B lediglich aus einem, so dass der A-Teil – und das entspricht der Norm bei Caldara – länger als der darauffolgende ist. Er beginnt mit einem Ritornell (R), worauf der vollständige Durchlauf der Strophe folgt. Das Zwischenritornell (ZR), das motivisch auf das Anfangsritornell zurückgreift, trennt den A1- vom A2-Teil. Letzterer weist wiederum einen Gesamtdurchlauf der Strophe auf, lediglich die letzte Verszeile wird abschließend wiederholt. Die Wiederholung von Versen und Teilversen des Strophenschlusses im A2-Teil ist typisch für die fünfteiligen Da-capo-Arien. Daraus ergibt sich wiederum, dass dieser Gesangsteil länger als der erste ist. Die Wiederholung am Ende bietet Platz für eine besondere satztechnische oder motivische Gestaltung. Häufig kommen hier Unisono-Techniken oder Koloraturen zum Tragen. Im Fall von Da tuoi lumi, e dal tuo core verbindet Caldara die Wiederholung mit einer mehrtaktigen Koloratur. Vor Teil B folgt die gänzliche Wiederholung des Strophenritornells. Somit ergibt sich folgende fünfteilige Struktur der Gesangsteile: A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–4

4–8

8–9

10–16

16–19

19–24

25–44

Abschnitt

R

A1

ZR

A2

R

B

R–A1 –ZR– A2 –R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

F

F–C

C

C–F

F

F–d–g–d

Tab. 16: Struktur der fünfteiligen Da-capo-Arie Da tuoi lumi, e dal tuo core

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Da-capo-Arien mit Devisen Die Arien mit Devisen unterscheiden sich von den eben erwähnten Da-capo-Arien-Modellen insofern, als der Textanfang des A-Teils abgespaltet ist, so dass der Beginn der Arie eine besondere Gestaltung erfährt. Sie kommen insgesamt 17 Mal innerhalb des Repertoires vor. Auf Grundlage der Analysen Norbert Dubowys zu Devisenarien kann festgestellt werden, dass die Devise bei Caldaras römischen Kantatenarien weniger musikalisch-thematische als rhetorische Funktion hat. 601 Normalerweise stimmt das Motiv der Devise nicht oder zumindest nicht vollständig mit dem Motiv des A-Teils der Gesangsstimme überein, sondern ist vergleichbar einer rhetorischen Exclamatio gestaltet. Dafür werden im Regelfall die ersten zwei oder drei Worte des ersten Verses herausgegriffen, die entweder gleich zu Beginn der Arie von der Singstimme vorgetragen werden oder als Einwurf zwischen zwei Ritornellblöcken erscheinen. Bei Letzterem findet sich überdies oft keine Übereinstimmung des Motivs der Singstimme mit dem des Anfangsritornells. Ein Kontinuum entsteht durch das erneute Aufgreifen des ersten Motivs beim zweiten Ritornellblock nach der Devise. Dies lässt sich anhand der Arie Vanne crudele der Kantate Amante sdegnata 602 nachvollziehen: Silbenanzahl

Reimschema

Vanne crudele asconditi,

8

a

Che a ritrovarti indegno

7

B

Per fin nel cieco regno

7

B

Di Pluto io scenderò.

7–

C

E se ti giungo a svellere

8

d E

Quell’ empio cor dal petto

7

All’ idol tuo diletto

7

E

In dono il porterò.

7–

C

Die Arie, die inhaltlich von Eifersucht und Rache Dorindas infolge der Untreue Dalisos bestimmt ist, weist die übliche fünfgliedrige Struktur einer Da-capoArie auf. Sie beginnt mit einem Ritornell, in dessen Kadenzschluss nach sieben Takten die Singstimme mit dem Einwurf der ersten beiden Worte »Vanne crudele« (T. 8) einfällt. Es folgen zwei weitere Takte des Instrumentalensembles, 601 Vgl. zum Typus der Devisenarie Dubowy, Arie 124–129 sowie zu den Devisenarien am Beispiel Händel Poppe, Geniestreich. 602 Vgl. US-NH Misc. 35 (2).

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Kantaten für den Fürsten

die das Anfangsmotiv des Ritornells aufgreifen, bevor die vollständige Strophe (ab T. 11) der Singstimme folgt. A-Teil Takte

B-Teil

1–7

8

9–10 11–14 15–16 16–27 27–34

Abschnitt

R

D

ZR

A1

ZR

A2

Tonartengerüst (Haupttonarten)

f

f

f

f

As

As–f

A-Teil da capo

35–43

44–78

R

B

R–D–R–A1 – ZR–A2 –R

f

f–Es–As–c

Tab. 17: Struktur der fünfteiligen Da-capo-Arie mit Devise Vanne crudele

Die Devise, die sowohl einen markanten Quart- wie einen Oktavsprung aufweist, kann als musikalisch-rhetorische Exclamatio interpretiert werden, bei der die Ankündigung »Vanne crudele« an den hier angesprochenen grausamen Geliebten signalartig hervorgehoben wird. Ein solcher Beginn ist aufrüttelnd und aufmerksamkeitserregend zugleich und stimmt auf die sich daran anschließende Arie ein, die vom Affekt des emotionalen Aufruhrs Dorindas bestimmt ist.

Notenbsp. 10: Devise der Arie Vanne crudele

Notenbsp. 11: Beginn des A1-Teils der Arie Vanne crudele

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Die oben erwähnte erste Arienvariante mit Devise findet sich bei Vinsi è ver in der Kantate O voi che in ciel splendete 603. Caldara lässt hier die Singstimme mit der Devise gleich im Anschluss an das Rezitativ beginnen, so dass es wiederum zu einem erweiterten A-Teil kommt. Die Devise der Arie Vinsi è ver hat hier ebenso rhetorische Funktion. Clori schließt direkt an Tirsis Rezitativworte »Vinto ti cedo« an und beginnt ihre Arie mit einer Exclamatio. Diese führt nun aber inhaltlich nicht zu einer triumphalen Haltung Cloris, sondern vielmehr zu deren Einsicht, dass es im Liebeskrieg keinen wahren Sieger geben könne: Silbenanzahl

Reimschema

Vinsi è ver, ma la vittoria

8

A

Figlia sol della tua gloria

8

A

Rese vinto il vincitor

8–

B

E con l’armi dell’affetto

8

C

Abbatte dentro del petto

8

C

Ogni forza del mio cor.

8–

B

A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–2

3–10

11–25

25–26

26–55

56–64

65–90

91–155

Abschnitt

D

R

A1

ZR

A2

R

B

R–D–ZR–A1 – ZR–A2 –R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

F

F

F–C

B

B–C– F

F

d–B

Tab. 18: Struktur der fünfteiligen Da-capo-Arie mit Devise Vinsi è ver

Die Devise besteht lediglich aus drei Tönen, die ohne Generalbassbegleitung ausgeführt werden. Der Übergang von der Devise auf den A1-Teil erfolgt mit einem von den Violinen mit dem Basso continuo im Unisono geführten Ritornell. Im Fall dieser Arie wird im A1-Teil (T. 11) auf die Tonfolge der Devise wieder zurückgegriffen, lediglich der Triller entfällt zu Gunsten der Fortspinnung der motivischen Gestaltung des ersten Verses.

603 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 778.

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Kantaten für den Fürsten

Notenbsp. 12: Devise aus der Arie Vinsi è ver

Notenbsp. 13: Beginn des A1-Teils der Arie Vinsi è ver

Ritornellanlage Aufgabe der Ritornelle ist es, die Arie zu gliedern und den harmonischen Rahmen abzustecken. Innerhalb der Arien können zwei Arten auftreten: Strophenund Zwischenritornelle. 604 Erstere sind im Normalfall am Arienbeginn und -schluss sowie (meist) zwischen den großen Formabschnitten positioniert, also vor und nach dem B-Teil. Vier Strophenritornelle sind bei Caldara der Standard, man findet sie in 179 der 228 Da-capo-Arien. 37 Arien weisen Strophenritornelle lediglich am Arienbeginn und -schluss auf. Bei 14 Arien wurde auf ein Anfangsritornell verzichtet. Es handelt sich meist um Continuo-Arien, bei denen das Ritornell entweder zwischen A1- und A2-Teil oder zwischen A2- und B-Teil erstmals auftritt. Die Ritornelle weisen eine abgerundete Struktur auf, stellen die Haupttonart vor und schließen in dieser häufig mit einer vollständigen Kadenz. Ist zu Beginn der Arie ein Strophenritornell gesetzt, führt es in die jeweilige Affektsituation der Arie ein und stellt die zentralen musikalischen Motive vor. 605 An den Schnittstellen vor und nach dem B-Teil sind bei ca. 20 % der Arien Veränderungen in der musikalischen Textur des Strophenritornells zu finden. Im Vergleich zum Eingangsritornell sind diese Ritornelle entweder verkürzt oder

604 Vgl. Dubowy, Arie 147–160; Strohm, Opernarien 195–221. 605 Vgl. zur Funktion und Besetzung der Ritornelle am Arienbeginn Scheibe, Musicus 432.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

die Stimmführung weist Veränderungen auf. Selten sind die Ritornelle an solchen Schnittstellen komplett neu gestaltet. 606 Die Zwischenritornelle bilden keine selbstständigen Einheiten, sind nicht vergleichbar umfangreich wie die Strophenritornelle, übernehmen aber von ihnen zumeist Motive oder Teilmotive. Sie gestalten die Binnengliederung, stehen also an den Gelenkstellen der Formteile einzelner Gesangsparts, mit denen sie in harmonischer Beziehung stehen. Am Beispiel der Arie Vaghe luci können beide Arten des Ritornelleinsatzes und die motivische Beziehung illustriert werden. Die c-Moll-Arie beginnt mit einem Strophenritornell, das fünf Takte umfasst. Es gliedert sich in drei Motive, moduliert zunächst zur Durparallele (Es-Dur), die auf der ersten Zählzeit im dritten Takt erreicht wird, und endet mit einer vollständigen Kadenz wieder in c-Moll. Motiv a und b erstrecken sich jeweils nur über einen Takt, Motiv c setzt im dritten Takt an und endet auf der ersten Zählzeit von T. 6.

Notenbsp. 14: Beginn der Arie Vaghe luci

Das Zwischenritornell trennt den Gesangsabschnitt A1 von A2 (T. 10 und 11) und greift auf Motiv c des Strophenritornells zurück. Harmonisch ist es an die vorangegangene Kadenz des A1-Teils gekoppelt, die auf g-Moll und somit auf der Dominanttonart endet und diese bestätigt.

606 Vgl. beispielsweise die Arie Il duol che tu senti aus der Kantate La costanza vince il rigore, D-MÜs Sant. Hs. 767.

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Kantaten für den Fürsten

Notenbsp. 15: Arie Vaghe luci

Wurden im Abschnitt zur Da-capo-Arien-Anlage typische und damit die statistisch am häufigsten auftretenden Modelle dargestellt, die Ritornelle als integralen Bestandteil aufweisen, muss hier noch auf eine Besonderheit hingewiesen werden: Geht man vom Partituraufbau aus, so können eigenständig notierte Strophenritornelle von solchen unterschieden werden, die auf Basis der Notation Teil der Arienkomposition sind. Letztere stellen, wie erwähnt, den Normalfall dar. Erstere treffen insbesondere auf Da-capo-Arien zu, die beim Übergang vom Strophenritornell auf den Gesangspart einen größeren Besetzungswechsel vorsehen. Sie werden in der Folge als »autonome« Strophenritornelle bezeichnet. »Autonome« Strophenritornelle Innerhalb des Repertoires finden sich 22 Arien, deren Strophenritornelle als eigenständiger Abschnitt im Lauf der Kantatenkomposition notiert und mit Doppelstrich vom Gesangspart getrennt sind. Die Beziehung zum folgenden Gesangsteil ist über korrespondierende Motive hergestellt (siehe Notenbeisp. 16). Diese Art des Ritornelleinsatzes weist folgende Merkmale auf: Das Ritornell ist größer besetzt als der folgende Vokalpart; am häufigsten wird von einem dreistimmigen Satz (zwei Violinen und Continuo) im Ritornell auf die zweistimmige Besetzung einer Continuo-Arie gewechselt. Zwischen dem A2- und dem B-Teil kann das Ritornell vollständig wiederholt oder nur in

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 16: Ritornell und Arienbeginn von Che bel piacere aus: Amor dei cuori

Teilen rezipiert werden. Ist die zweite Variante, also ein ritornellartiges Zwischenspiel, gewählt, wird es ausschließlich von den Continuo-Instrumenten ausgeführt. Einen Sonderfall dieser Ritornellbehandlung stellt eine verlängerte instrumentale Eröffnungsphase der Arie dar (siehe Notenbeisp. 17). Bei insgesamt sieben Arien folgt dem selbstständig vorangestellten Ritornell ein weiterer Instrumentalpart, der vor dem ersten Gesangseinsatz ausschließlich vom Continuo ausgeführt wird (Continuo-Ritornell). In diesem Abschnitt werden die charakteristischen Motivgruppen des vorangestellten Ritornells in die Basslinie übernommen. Die Zwischenritornelle, die wiederum motivisch in Beziehung

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Kantaten für den Fürsten

Notenbsp. 17: Ritornell und Arienbeginn: Navicella che provò aus: Amante recidivo

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

zum Continuo-Ritornell stehen, werden in den Arien ebenso nur vom Continuopart bestritten, das »autonome« Ritornell erst am Arienschluss wiederholt.

Besetzung und Satzstrukturen innerhalb der Da-capo-Arien Die Besetzung der Da-capo-Arien innerhalb des Ruspoli’schen Kantatenkorpus reicht von einer reinen Basso-continuo-Begleitung der Gesangsstimme bis zur Einbeziehung dreier Begleitinstrumente, wobei es innerhalb des Arienverlaufs häufig zu klanglichen Abstufungen kommt. Während bei den Ritornellen in der Regel das vollständige Instrumentarium erklingt, kann mit Einsatz der Singstimme im Extremfall eine Reduktion auf das Unisono erfolgen. Bei den am umfangreichsten besetzten Arien (anteilig mit nur vier Kompositionen gering vertreten) werden zwei Violin- und eine Violastimme eigenständig eingesetzt und mit der Sing- und Basso-continuo-Stimme kombiniert. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass Caldara die theoretisch mögliche fünfstimmige Anlage nie ausschöpft. Sobald die Gesangsstimme einsetzt, kommt es zur Stimmreduktion und somit nur zu minimalen Überschneidungen, bei denen die Stimmen einen fünfstimmigen Satz formen. Im Anschluss pausiert eine der Stimmen oder sie wird colla voce geführt oder es kommt beides zum Tragen: Eine der Stimmen wird colla voce geführt, eine weitere entfällt, wie es bei der Arie Aura dolce che vai scherzando aus Rusceletto a cui sen viene 607 der Fall ist. Nach dem Ritornell, das mit Streicherensemble und Continuo besetzt ist, begleitet die erste Violine ab T. 26 die Sopranstimme im Unisono, die Bassocontinuo-Stimme pausiert, die Viola übernimmt die Funktion der Begleitung (Bassettchen).

Notenbsp. 18: Arie Aura dolce che vai scherzando aus: Rusceletto a cui sen viene

607 Vgl. I-BGi XXVIII 8544C.

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Kantaten für den Fürsten

Wie bereits angedeutet, beschränkt sich Caldara bei seiner bevorzugten Besetzungsvariante, den »arie con violini«, nicht auf eine Satzart. Er nutzt insbesondere bei der Gestaltung der Gesangsteile einen großen Spielraum an Möglichkeiten und greift an diesen Stellen gerne auf Colla-voce- und UnisonoTechniken zurück. Damit ist es ihm möglich, klangliche Kontraste zwischen Ritornellen und Gesangsteilen, aber auch zwischen den jeweiligen Gesangsteilen zu setzen. Satz und formaler Aufbau der Arien stehen damit in enger Beziehung. Im Folgenden gilt es, die bevorzugten Satzstrukturen der Gesangsteile dar- und mit Beispielen vorzustellen. Dies ermöglicht es, verschiedenartige Besetzungsund Satztechniken in ihren Wechselwirkungen zu zeigen. Einstimmiger Satz: Unisono-Arien und der Gebrauch von Unisono-Techniken Einstimmigkeit ist bei Caldaras Arienkompositionen ein häufig anzutreffendes Phänomen, das sowohl kurze semantische Einheiten als auch ganze Formabschnitte der Arie bestimmen kann. Unisono-Technik meint hier, dass alle Stimmen des Satzes, also im Falle der untersuchten Arien die hohen Streicher, mit der Gesangsstimme in Einklang gebracht werden, ohne dass weitere Stimmen beteiligt sind. 608 Mit Unisono-Technik wird eine Klangverbreiterung in der melodietragenden Stimme erzielt, »ohne die Anzahl realer Stimmen zu vergrößern und damit Melodie und Deklamation zu verwirren.« 609 20 Arienkompositionen des Ruspoli’schen Repertoires können nach der hier maßgeblichen Definition von Werner Breig den Unisono-Arien zugeordnet werden. Die Gesangsparts der A- und B-Teile sind überwiegend im Unisono geführt, die Ritornelle und Zwischenritornelle hingegen mehrstimmig angelegt. Vergleichbar mit Händels römischen Unisono-Arien 610 hat Caldara sie mit tanzartiger Rhythmik, die an Menuett oder Gavotte angelehnt ist, versehen; vorherrschend sind Taktvorzeichnungen im 2/4- und 3/8-Takt und die Tempovorschrift Allegro. Die Arie Potessi almeno aus der Kantate Vaghe luci zeigt alle typischen Eigenschaften einer Unisono-Arie Caldaras (Notenbsp. 19). Sie ist im schnellen 3/8-Takt (Allegro) gehalten und weist tänzerische, menuettartige Züge auf, die Deklamationsart ist dem Tanzrhythmus gemäß überwiegend syllabisch. Mit Ausnahme des Strophenschlusses im A2-Teil ist sie in einer einprägsamen klaren Gliederung mit Viertaktketten gestaltet.

608 Vgl. zur Definition der Unisono-Arien grundlegend Breig, Resurrezione 87. 609 Strohm, Opernarien 97. 610 Vgl. Breig, Resurrezione 95.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 19: Arie Potessi almeno aus: Vaghe luci

Der Strophenschluss des A2-Teils dieser Arie ist mit einem Sechs- und einem abschließenden Viertakter umgesetzt. Innerhalb der letzten vier Takte (Notenbsp. 20, T. 58–61) verlässt die Violinstimme das Colla-parte-Spiel, um Begleitfunktion zu übernehmen und die Singstimme mit einer Kadenz nach cMoll in die Haupttonart der Arie zu lotsen.

Notenbsp. 20: Arie Potessi almeno aus: Vaghe luci

Einen weiteren Einsatzbereich findet die Unisono-Technik bei kürzeren semantischen Abschnitten innerhalb der Gesangsteile. Caldara greift insbeson-

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Kantaten für den Fürsten

dere an Strophenschlüssen des A2-Teils von fünfteiligen Da-capo-Arien auf die Unisono-Technik zurück. In der Arie Nel mostrarmi le belle pupille, die als charakteristisches Beispiel gelten kann, wird nicht nur die letzte Verszeile vollständig wiederholt, sondern innerhalb dieser Repetition überdies der Versteil »per lor morirai« (Notenbsp. 21). Nach einem kurzen Instrumentalabschnitt setzt (T. 96) eine dreitaktige Unisono-Passage ein. Bei der zweiten Teilverswiederholung (T. 97–99) verlässt die Violinstimme, wie bei dem vorangegangenen Beispiel der Arie Potessi almeno, den gemeinsamen Gang, um Begleitfunktion zu erfüllen und die Gesangsstimme in die Haupttonart (d-Moll) zu führen.

Notenbsp. 21: Arie Nel mostrarmi le belle pupille aus: Begl’occhi e bella bocca

Zweistimmiger Satz: Basso continuo und der Gebrauch von Bassetto-Technik Bei 53 von 228 Da-capo-Arien ist der zweistimmige Satz das prägende Moment, auch wenn in den Ritornellen auf einen bis zu vierstimmigen Satz gewechselt werden kann. Ausgehend von der Besetzung können 40 von ihnen den sogenannten Basso-continuo-Arien zugeordnet werden. Bei weiteren drei wird die Gesangsstimme neben dem Basso continuo durchgehend von Violinen colla

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

parte begleitet, was wiederum zu einem zweistimmigen Satz, aber mit Klangverbreiterung in der Oberstimme führt. Die Bassstimme hat bei den Continuo-Arien nicht allein die Aufgabe, die Singstimme akkordisch zu begleiten, wie es bei den Rezitativen der Fall ist, sie ist auch an der Formbildung (Ritornelle und Zwischenritornelle) sowie der Motivbildung beteiligt. Diese unterschiedlichen Funktionen haben Auswirkung auf die Faktur der Basslinie, und je nach Charakter der Arie ist die eine oder andere Aufgabe stärker ausgeprägt. Anhand der Arie Navicella che provò 611 lässt sich idealtypisch nachvollziehen, wie Caldara beide Aufgaben der Bassstimme verknüpft. Sobald der Gesang einsetzt, wechseln Bassfiguren und Motive der Oberstimmenmelodik, die bereits im Ritornell vorgestellt wurden, in der Basslinie ab. Besonders eindrücklich zeigt sich dies im A2-Teil bei der Koloratur auf dem Wort spieghi. Der Bass (Notenbsp. 22, T. 24–29) ist am Beginn mit einer immer wiederkehrenden, nach

Notenbsp. 22: Arie Navicella che provò aus: Amante recidivo

611 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 758.

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Kantaten für den Fürsten

unten führenden Begleitfigur aus einer Achtel- und einer Viertelnote mit anschließender Achtelpause gestaltet, wechselt aber bei der Zäsur der Singstimme (T. 27) zum markanten Anfangsmotiv des Ritornells (siehe Notenbsp. 17, T. 1) mit Quartsprung (a–d′ ) und sich daran anschließendem, über eine Oktave abwärtsgerichtetem, Sechzehntellauf. Sobald die Singstimme ihre Bewegung wieder aufnimmt, wechselt die Bassstimme zurück zu Begleitfiguren. Eine weitere Variante des zweistimmigen Satzes findet bei Caldara häufig Gebrauch: die Bassetto-Technik, bei der die Streichinstrumente Begleitfunktion übernehmen. Vergleichbar der Unisono-Technik ist sie einerseits bei kürzeren Passagen innerhalb der Gesangsteile, andererseits bei größeren Formabschnitten anzutreffen. Neun 612 Arien sind in den Gesangsparts durchgehend in

Notenbsp. 23: Amar chi t’ama aus der Kantate Ardo gentil Fileno

612 Bei der Arie Come un scoglio in mezzo al mare der Kantate Il perché ist unklar, ob es sich um eine Bassettchen-Arie handelt. Der Kopist Lanciani hat die Vorschrift »Li violini suonano il basso« nicht angegeben, während sie sich in einer weiteren Kopie findet. Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 780 (Lanciani) und F-Pc 1729 (5). Diese Arie wurde hier nicht berücksichtigt, weil Lancianis Kopie glaubwürdiger ist. Gegen eine Bassettchen-Arie spricht überdies, dass die Arie von einem größer besetzten Strophenritornell eingeleitet wird. Ein solches findet sich bei keiner weiteren der hier analysierten Bassettchen-Arien.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Bassetto-Technik gesetzt, – mit einer Ausnahme – stets Sopranarien. Charakteristisch für Caldaras Bassettchen-Arien ist der Einsatz der hohen Violininstrumente als Begleitung, ihr System ist mit Bassschlüssel versehen. Bemerkenswert ist, dass keine von ihnen mit einem größer besetzten Strophenritornell eröffnet wird. Die Stimmführung der als Bassettchen eingesetzten Violinen schwankt zwischen den Polen der Begleitung und der eigenständigen Entwicklung, die Intrumentalstimme kann aber durchaus auch in einen virtuosen Wettstreit mit der Singstimme treten (siehe z. B. das Notenbsp. 23). Häufiger als ganze Gesangsteile sind kleine Abschnitte der Arien mit Bassettchen-Technik versehen. Hier sind es wiederum die Strophenschlüsse im A2- wie im B-Teil, die sich für den Einsatz dieser Technik anbieten. Bei Sì, sì t’inganna amor aus der Kantate Amor dei cuori findet dieses Mittel am Strophenende des in h-Moll gehaltenen B-Teils Verwendung. Die Passagen sind von dem pausierenden Bass gekennzeichnet (siehe Notenbsp. 24, ab T. 71), der dreistimmige Satz wird auf einen zweistimmigen reduziert, bei dem die unisono geführten Violinen ihre Oberstimmenfunktion verlieren. Sie führen über fünf Takte Achtelfiguren aus, die den hier thematisierten Schmerz mit dem

Notenbsp. 24: Sì, sì t’inganna amor aus der Kantate Amor dei cuori

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Kantaten für den Fürsten

chromatischen Aufstieg bei »pena crudele« klangmalerisch unterstreichen und gleichzeitig nach h-Moll kadenzieren. Zwei- bis fünfstimmiger Satz der Arien mit instrumentaler / n Oberstimme/-n Die Arien mit instrumentalen Oberstimmen sind, wie eingangs des Kapitels mit dem Beispiel der Arie Aura dolce angedeutet, von satz- und besetzungstechnischen Abstufungen geprägt. Vom Satz ausgehend können die Arien von der Einstimmig- bis zu kurzen Abschnitten der Fünfstimmigkeit alle Spielarten aufweisen; Passagen, in denen ein mehr als dreistimmiger Satz innerhalb der Gesangsabschnitte vorgesehen ist, sind freilich eher selten anzutreffen. Im Kern ist der zwei- und dreistimmige Satz das prägende Moment der Kantatenarien. Caldara zieht bei den Da-capo-Arien am häufigsten die Besetzungsvariante mit unisono geführten Violinen, Gesangsstimme und Basso continuo heran. Bei insgesamt 110 Arien des Repertoires ist diese Besetzung vorgesehen. Die Strophenritornelle sind vom zweistimmigen Satz geprägt, in den Gesangsteilen kommen überwiegend folgende Satzarten zum Zug: 1. Die instrumentale Oberstimme ist im Unisono oder parallel (zumeist in Terzen oder Oktaven) mit der Singstimme über dem Basso continuo geführt. 2. Es wird ein Triosatz mit eigenständiger Führung der instrumentalen Oberund Gesangsstimme über dem Basso continuo realisiert. 3. Die instrumentale Oberstimme pausiert, die Gesangsstimme wird vom Basso continuo begleitet. 4. Die Basso-continuo-Stimme pausiert, und die instrumentale Oberstimme begleitet den Gesang als Bassettchen oder wechselt ins Unisono mit der Singstimme. An einem Beispiel lassen sich die satztechnischen Varianten mit der Arie La speranza a un f ido core der Kantate Risposta all’amor perfetto besonders prägnant festmachen. Die Arie wird von einem Ritornell im zweistimmigen Satz eingeleitet. Der A1-Teil beginnt mit einer Basso-continuo-begleiteten Passage, die Violine pausiert bis auf einen kleinen Einwurf in T. 8, bei der ersten Teilverswiederholung (T. 9–12) sowie im A2-Teil (T. 14–18) sind die Stimmen im Triosatz gesetzt. Im B-Teil pausiert ab T. 32 die Basso-continuo-Stimme, Violin- und Gesangsstimme sind bis T. 35 eigenständig geführt, im Anschluss übernimmt die Violine Bassettchen-Funktion. Abschließend sei die Arie Peno è ver aus der Kantate Sempre mi torna in mente herangezogen. Sie steht stellvertretend für die Arien mit zwei instrumen-

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

talen Oberstimmen – die Besetzung, die Caldara am zweithäufigsten wählte (54 Arien). Die Oberstimmen sind hier entweder mit zwei Violinen besetzt oder mit Violinen (unisono geführt) und Viola. Bei dieser Besetzung sind die vom Komponisten vielfach genutzten satztechnischen Möglichkeiten in den Gesangsteilen erweitert, deren wichtigste Varianten die folgenden sind: 1. Die instrumentalen Oberstimmen sind im Unisono oder parallel (zumeist in Terzen) mit der Singstimme geführt. 2. Die erste Oberstimme begleitet die Singstimme im Unisono, die zweite überwiegend in Terzparallelen. 3. Die zweite Oberstimme übernimmt Bassettchen-Funktion. 4. Die instrumentalen Oberstimmen bilden ein duettierendes Paar. 5. Solopassagen wechseln innerhalb der Oberstimmen und der Singstimme ab. Bei Peno è ver sind der Singstimme zwei duettierende Violinen an die Seite gestellt. Die Arie ist insofern bemerkenswert, als zwischen einem dichten vierstimmigen Satz, Bassettchen-Technik und solistischen Passagen gewechselt wird. Die zwei instrumentalen Oberstimmen bilden über weite Strecken ein duettierendes Violinpaar. Das Ritornell im dreistimmigen Satz endet in T. 14, dem sich direkt ein Soloeinwurf der Singstimme anschließt, der von den zwei Violinstimmen – ebenso solistisch, aber im Terzabstand geführt (T. 16–17) – imitiert wird. Es folgen Abschnitte im vierstimmigen Satz, und von T. 22 bis 29 führen die Gesangsstimme und die erste Violine über drei Takte hinweg Solopassagen aus. Im B-Teil findet sich am Strophenschluss Bassetto-Technik, die beiden Violinstimmen übernehmen von T. 75 bis 81 die Begleitfunktion. Bemerkenswert ist, dass die erste vorwiegend im Terzabstand unter die zweite gesetzt ist.

Ton- und Taktarten sowie Tempovorschriften Überblickt man die Tonartenverteilung, so zeigt sich, dass ein Ergebnis der Haupttonartenanalyse erneut bestätigt werden kann: B-Tonarten zählen zu den Haupttonarten der Kantaten insgesamt, werden aber auch bei den Arienkompositionen bevorzugt verwendet. Im Moll-Bereich sind d-Moll, c-Moll und g-Moll vorherrschend, im Dur-Bereich B-Dur und F-Dur, gefolgt von den Tonarten G-Dur und C-Dur. Ein zweites Ergebnis der Kantaten-Haupttonarten bestätigt sich indes nicht. Halten sich dort Moll- und Durtonarten fast die Waage, so spielen Letztere bei den Arienkompositionen eine weit wichtigere Rolle. Sie überwiegen mit 133 zu 95 sogar deutlich. Bei den Taktarten und Tempovorschriften finden sich ebenso klare Tendenzen: Mit Abstand führen die geraden vor den ungeraden Taktarten, der C-Takt kommt statistisch am häufigsten vor. Bei den Arientempi – und das ist nach

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Kantaten für den Fürsten

dem zeitgenössischen Usus keine Überraschung – führen die Allegroarien das Spitzenfeld an. Tonart

Arienanzahl

Taktart

Arienanzahl

d-Moll B-Dur

Tempovorschrift

Arienanzahl

30

C

75

Allegro

140

28

2/4

44

Andante

37

F-Dur

25

3/8

43

o. Angabe

14

g-Moll

22

3/4

26

Larghetto

11

c-Moll

20

C /

24

Allegretto

10

G-Dur

19

12/8

16

Largo

8

C-Dur

19

Risoluto

6

D-Dur

17

Con spirito

2

A-Dur

11

Es-Dur

10

a-Moll

9

e-Moll

6

h-Moll

5

E-Dur

4

f-Moll

3

Tab. 19: Häufigkeit der Ton- und Taktarten sowie der Tempovorschrift

Korreliert man die drei hier ausgewerteten Merkmale der Arien miteinander, so lassen sich keine besonders auffälligen Tendenzen erkennen. Zwar zeigten sich solche bei der Kombination zweier Merkmale, etwa, dass rund 70 % der Arien im 12/8-Takt mit der Tempovorschrift Allegro versehen sind, zieht man jedoch das dritte Kriterium Tonart hinzu, sind derartige statistisch signifikante Aussagen nicht mehr möglich.

Beispielanalysen Beispielanalyse 1: Altarie Se ridete se piangete Die Arie ist Teil der Kantate La lode premiata (1710) für zwei Stimmen, die im arkadisch-pastoralen Milieu angesiedelt ist und die typische Liebesthematik behandelt: Nach der einleitenden Sinfonia überfällt der Schäfer Silvio die von ihm angebetete Clori abrupt mit der Frage, wieso sie eine Feindin der Liebe sei. Clori ziert sich, fürchtet sie doch, dass ihre Schönheit – falls sie Liebesschmerzen ausgesetzt sei – leide. Silvio widerspricht ebenso ausdauernd wie erfolgreich,

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

so dass sich die Schäferin schlussendlich doch erweicht. Als vierte Arie ist Silvios Se ridete se piangete mit einem Text gesetzt, der sich bewundernd an die Augen der Geliebten wendet: Die Augen – obschon sie lachten oder weinten – seien immer in des Schäfers Herzen. Sie hätten die Macht, Silvios Brust und Seele zu entzünden, und würden nie ihren schönen Glanz verlieren, so die zentralen Aussagen des Arientextes. Silbenanzahl

Reimschema

Se ridete se piangete

8

A

Pupillette vezzosette

8

b

Sempre belle vaghe stelle

8

c

Voi sarete a questo cor.

8–

D

In voi splende un bel seren

8–

E

Che m’accende l’alma e il sen

8–

E

Meste e liete care siete

8

A

Mai perdete il bel fulgor

8–

D

Der Text zerfällt, da er als Da-capo-Arie umgesetzt werden sollte, in zwei gleich große Teile zu je vier Verszeilen mit Achtsilblern. Caldara setzt die Textvorlage als fünfteilige Arie mit der Haupttonart d-Moll im 2/4-Takt um und schreibt Allegro vor. Darüber hinaus ist die für das römische Repertoire typische Besetzung mit unisono geführten Violinen, Singstimme und Basso continuo realisiert. Am Beginn steht ein 18-taktiges Strophenritornell im zweistimmigen Satz, das insgesamt viermal in derselben Form, zweimal als Variante im Laufe der Arie, erklingt. Der A-Teil besteht aus zwei Teilen, wobei sich der A2-Teil aus der kompletten Wiederholung des Strophenritornells sowie des A1-Teils mit sich daran anschließendem, eigenständigem musikalischen Material zusammensetzt. Diese Art der Gestaltung des A2-Teils stellt keine Ausnahme dar und findet sich bei den Da-capo-Arien Caldaras des Öfteren. Der A-Teil lässt sich demnach schematisch wie folgt darstellen: A-Teil Takte

:1–18

19–31:

1–61

62–80

Abschnitt

:R

A1:

A2 = R + A1 + eigenständiges Material

R

d–a

d–a–d

d–F–a–d

Tonartengerüst (Haupttonarten)

d–F–d–a–d

Tab. 20: Schematische Darstellung der Arie Se ridete se piangete

181

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Kantaten für den Fürsten

Der A2-Teil hält eine weitere formale Besonderheit bereit, die mit der Erwartungshaltung des Zuhörers spielt. Am Schluss des dritten Durchlaufs der Strophe ist bei den Worten »a questo cor« die übliche Kadenz in die Haupttonart d-Moll zu finden. Man erwartet nun am Strophenende das Ritornell, das von der Violinstimme auch angedeutet wird, indem sie die beiden ersten Ritornelltakte spielt, es folgt im Anschluss aber nicht das Erwartete, sondern eine weitere Strophenwiederholung, die mit einer knapp sechstaktigen Unisono-Passage (T. 50–55) und einer siebentaktigen Bassettchen-Passage (T. 55–61) umgesetzt ist. In T. 62 reihen sich das Strophenritornell, jedoch in einer variierten Form, und der einteilige B-Teil an, der nach a-Moll moduliert. Bei der Versdarstellung setzt Caldara auf die Hervorhebung des Schlüsselbegriffs – der Augen. Es kommen Vers(teil)wiederholungen wie -zerteilungen vor, wobei Erstere im A2-Teil üblich sind. Bereits im A1-Teil, der bis auf eine Wortwiederholung den vollständigen Durchlauf der ersten Strophe vorsieht, wird dem zentralen Begriff eine Sonderstellung eingeräumt. »Pupillette« wird als einziges Wort wiederholt und erweitert damit die letzte Strophe zu einem Dodecasillabo. A1-Teil:

Silbenzahl Se ridete se piangete

8

Pupillette vezzosette

8

Sempre belle vaghe stelle Pupillette voi sarete a questo cor.

8 12–

Der grundlegende textliche Unterschied zwischen A1- und A2-Teil liegt in der erheblichen Texterweiterung von vier auf 14 Verszeilen. 613 Die ursprüngliche Strophe ist dabei nach der ersten vollständigen Wiederholung im A2-Teil frei umgeformt, die Verse mal erweitert, mal neu kombiniert. Das erhebliche Eingreifen in die ursprüngliche Textgestalt ist der Umsetzung des Inhalts und der Konzentration auf den Schlüsselbegriff geschuldet. Die synonym verwendeten Wörter für die Augen (»pupillette« und »stelle«) kommen in diesem Abschnitt infolge der Textveränderung bemerkenswert häufig vor, insgesamt acht Mal, im gesamten A-Teil elf Mal. Die folgende Transkription gibt den vollständigen Text des A2-Teils mit seinen durch Worteinfügungen verlängerten Versen wieder:

613 Vgl. zur gängigen Praxis des Eingreifens in die Textstruktur Strohm, Opernarien 160–180.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenzahl Se ridete se piangete

8

Pupillette vezzosette

8

Sempre belle vaghe stelle

8

Pupillette voi sarete a questo cor. Se ridete se piangete Pupillette vezzosette voi sarete Pupillette se piangete Sempre sempre belle vaghe stelle

12– 8 12 8 10

Voi sarete a questo cor

8–

Pupillette se ridete

8

Se piangete vezzosette

8

Voi sarete vaghe stelle

8

Sempre belle voi sarete

8

Sarete a questo cor

7–

Der einteilige B-Teil weist lediglich eine textliche Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Gestalt bei der letzten Verszeile auf. Diese wird vollständig wiederholt, überdies das Wort »perdete« zweimal hintereinander vertont, um die wesentliche Aussage zu betonen, wonach die Augen niemals ihren schönen Glanz verlieren würden. Silbenzahl In voi splende un bel seren

8–

Che m’accende l’alma e il sen

8–

Meste e liete care siete

8

Mai perdete il bel fulgor Mai perdete perdete il bel fulgor

8– 11–

Motivische Gestaltung der Ritornelle Das Strophenritornell, das jeweils A1- und A2-Teil einleitet, setzt sich aus 18 Takten zusammen und beinhaltet die Hauptmotive, die innerhalb der Arie – in Teilen verarbeitet – wiederkehren. Am Beginn steht ein kurzes, prägnantes zweitaktiges Motiv (a), bestehend aus einem Quintsprung nach oben (d′ –a′ ), einer Achteltriole (a′ –g′ –a′ ) und einem Quintsprung nach unten (a′ –d′ ). Es folgen zwei Motive zu je vier Takten (b und c) sowie Motiv d zu acht Takten. Motive a und b lassen sich nicht weiter unterteilen und sind in sich geschlossen, die

183

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Kantaten für den Fürsten

beiden anderen können wie folgt aufgegliedert werden: Motiv c in 2 + 2 Takte, Motiv d in 4 + 4 Takte (jeweils am Beginn mit einer Achtel Auftakt aus dem vorangegangenen Takt). Motiv c greift auf die charakteristische Triole aus Motiv a zurück, und zwar immer am Ende der beiden Glieder. Das Ritornell beginnt in d-Moll, modelliert am Ende von Motiv b nach A-Dur, und am Schluss des Motivs c findet sich eine Kadenz zur Tonikaparallele (F-Dur). Am Ritornellschluss kehrt es wieder in die Ausgangstonart d-Moll zurück. Vor den B-Teil (T. 62–79) setzt Caldara erneut das 18-taktige Strophenritornell, variiert es aber in einigen Bereichen: Es beginnt mit dem gleichen einprägsamen Motiv a, lediglich um eine Oktave nach oben versetzt, die Bassstimme bleibt unverändert. In den jeweiligen Abschnitten der Motive b und c finden sich die erheblichsten Abweichungen: Im ersten Takt mit Auftakt sind die gleichen Töne gesetzt, lediglich die Oktavverschiebung wird beibehalten, dann weichen Violin- und Bassstimme vom ursprünglichen Strophenritornell ab T. 65 ab, indem deutlich mehr kleinteiligere Bewegungen vorgesehen sind (Sechzehntellauf bzw. punktierte Achtel mit Sechzehntelfiguren). Im Abschnitt des Motivs c sind die Dreiklangszerlegungen in der Violinstimme umgeschichtet, der Bass lässt die Oktavsprünge vermissen, die in der nichtvariierten Form charakteristisch sind. Der letzte Abschnitt des Strophenritornells stimmt bis auf minimale Abweichungen bei der Stimmführung der Basslinie (T. 74 und 78) überein. Motivische Gestaltung der Gesangsteile im Teil A Der A1-Teil zerfällt in drei Motivgruppen. Das erste Motiv steht im Großen und Ganzen in Übereinstimmung mit dem Motiv a des Ritornells. Die Achtelnote des zweiten Taktes gehört im Ritornell als Auftakt bereits zum Motiv b, bei der Gesangsstimme ist sie noch Teil des Motivs a. Das zweite Motiv (T. 21–24) ist von Motiv b des Ritornells inspiriert, imitiert es streckenweise, ohne es vollständig zu übernehmen, es kann daher als Motiv b′ bezeichnet werden. Der dritte motivische Abschnitt (e) ist von fortschreitenden Figuren (punktierte Achtel mit Sechzehnteln) geprägt, die sich nicht zu einem konzise abgeschlossenen, sondern zu einem reihenden Motiv ausformen. Diese Offenheit ermöglicht es einerseits, Texteinfügungen zu integrieren, wie es mit dem Wort pupillette (T. 27) der Fall ist. Andererseits ist nach der Wiederholung des Ritornells und des A1-Teils ein Anknüpfen mit neuem musikalischem Material erleichtert. Während die Violinstimme von T. 32 an auf Motiv c zurückgreift und es weiterspinnt, führt die Gesangslinie ein neues Motiv ein, das im Kontrast zur Instrumentalstimme steht; erst ab T. 37 laufen die Stimmen parallel. Von diesem Takt an ist die Parallelführung oder die kontrastierende Setzung

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

der beiden Stimmen vorrangiges Prinzip, während der Bass eine einfache, begleitende Fortschreitung, bestehend aus Viertelnote mit anschließender Viertelpause, vollzieht. Die Gesangsstimme greift mal Motiv c, mal Motiv e (T. 44) auf. Nach der Vollkadenz (T. 47–49) setzt die Violinstimme mit Motiv a ein, das – wie oben ausgeführt – den Zuhörer auf die falsche Fährte locken soll, erwartet er doch hier das Strophenritornell. Es folgt aber der Unisono- bzw. BassettchenAbschnitt, der mit Motiv e in Beziehung steht. Setzt man die motivische Ausarbeitung mit der Textvorgabe in Beziehung, wird erkennbar, dass Vers- und Motivgrenzen der Arie nicht immer übereinstimmen und besonders im A2-Teil stark verschwimmen. Aber bereits im A1-Teil findet sich ein bemerkenswertes Exempel: Die Verszeile 1 »Se ridete se piangete« ist vom Gegensatz Lachen – Weinen gekennzeichnet, den Caldara am Beginn des Gesangsteils hörbar macht, indem er »Se ridete« motivisch von »se piangete« trennt. Motiv a ist »Se ridete« zugordnet, während der zweite Versteil mit Motiv b und der Verszeile 2 verschränkt wird. Anders verfährt der Komponist in den Takten 32 bis 35, indem er die beiden Versteile mit Pausensetzung voneinander trennt, ihnen aber dasselbe Motiv zuordnet. Am Ende des A2-Teils (T. 50–53) ist von einer Trennung nichts mehr zu vernehmen, die komplette Strophe ist zu einem motivischen Ganzen verschmolzen. Motivische Gestaltung im B-Teil Der in a-Moll gehaltene B-Teil ist überwiegend vom zweistimmigen Satz (Singstimme und Basso continuo) geprägt und beginnt mit einem neuen viertaktigen Motiv (f ), das mit Motiv c verwandt ist und wie dieses die Triolenfigur aus Motiv a aufgreift. Es wird als Variante (f′ ) in den Takten 82 bis 85 wiederholt und gestaltet die beiden ersten Verszeilen der Strophe. Die ersten sechs Takte sind im zweistimmigen Satz gehalten, die Violinstimme setzt am Ende der zweiten Verszeile (T. 85) ein und übernimmt die motivische Arbeit. Sie greift Motiv a auf und fährt mit einer Variante von Motiv c (c′ ) fort. Ab T. 91 finden sich zwei fünftaktige Passagen der Gesangsstimme (Motiv g und g′ ), in denen die letzte Verszeile zweimal erklingt. Die Fünftakter sind zum einen mit Pausensetzung in T. 95 voneinander getrennt zum anderen harmonisch akzentuiert: Motiv g endet mit einer Binnenkadenz auf C-Dur. Auf der letzten Silbe (T. 95) beginnt die Violine mit dem Einwurf des Motivs a, das vollständig erklingt, und pausiert ab T. 96 bis zum Ritornell. Den Abschluss des B-Teils bildet die vollständige Kadenz auf a-Moll (T. 98–100).

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Kantaten für den Fürsten

Musikalische Akzentuierung des Arientextes Caldara nimmt in dieser Arie eine besondere Art der Textbehandlung vor. Er setzt einerseits auf das Stilmittel der Repetitio, mit dem er die Hervorhebung des Schlüsselbegriffs (die Augen) bewerkstelligt. Wie die Textdarstellung gezeigt hat, häufen sich – ausgelöst von dem massiven Eingriff des Komponisten in die Textstruktur – im Arientext die Worte »stelle« und »pupillette«, die elf Mal im A-Teil, insgesamt also 22 Mal innerhalb der Arie vorkommen. Andererseits gelingt Caldara die Akzentuierung der beiden zugrunde liegenden Aussagen auf der Ebene des musikalischen Satzes, der motivischen Arbeit sowie der Wortausdeutung: Aus dem A-Teil lässt sich Silvios Ansicht herausdestillieren, dass seine Geliebte – gleichgültig ob in glücklicher oder trauriger Verfassung – in seinem Herzen sei. Der B-Teil richtet sich implizit gegen die Befürchtungen der Schäferin, mit traurigen Augen hässlich zu sein, insistiert Silvio doch, dass sie nie den schönen Schein verlören. Im Laufe des A2-Teils verleiht die immer stärker motivische Schattierung der Polarität (lachend / weinend) dem Wunsch Silvios auch klanglich Ausdruck: Sein Verlangen nach Vereinigung mit der Geliebten wird satztechnisch hervorgehoben, indem bei der letzten Wiederholung der Strophe nach einem dreistimmigen Satz Unisono- und Bassettchen-Technik herangezogen wird. Das Ende der Strophe, und somit der letzte gesungene Ton der Arie (auf dem Wort »cor«), sieht eine Reduktion auf Einstimmigkeit vor, indem er als unisono gesetztes d′ beider Stimmen gestaltet ist. In Silvios Herzen sollen beide vereint sein, so die Textaussage, die mit der klanglichen Deutung Caldaras besonders akzentuiert wird. Im B-Teil greift Caldara das Verb perdete heraus. Beim ersten Gebrauch (T. 91–93) zieht sich das Wort über zwei Takte und benötigt hierfür über sechs Töne. Keinem anderen Wort kommt im B-Teil eine vergleichbar prominente Ausdehnung zu. Am Strophenschluss ist wiederum eine Repetitio zu finden, das Wort perdete ist hier im Sinne einer Bekräftigung zweimal hintereinander gesetzt, um jeden Zweifel Cloris zu entkräften. Beispielanalyse 2: Sopranarie Fuggi pur Fuggi pur ist die erste Arie der Solokantate mit Violinen Credea Niso credea aus dem Jahr 1712. Der Text bezieht seine thematische Grundlage aus dem arkadisch-pastoralen Genre: Im ersten Rezitativ wird aus Erzählerperspektive die außergewöhnliche Situation geschildert, in der sich der Schäfer Niso befindet. Infolge einer verrückten Idee glaubt er, Amor habe ihn in 1000 Nymphen gleichzeitig verliebt gemacht. Allein Irene aber sei vom Berg herabgekommen, um den hochmütigen Verächter in Ketten zu legen, um ein Spiel mit seinen

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Qualen zu treiben und ihn für seinen trügerischen Gedanken zu bestrafen. Die Nymphe richtet sich in der ersten Arie warnend direkt an Niso, indem sie betont, dass er zwar an Floras Brust flüchten könne, sein Herz aber stets für sie brennen werde. Im Anschluss an diese erste ist die Kantate noch von zahlreichen weiteren Warnungen Irenes durchzogen und mündet in der von ihr formulierten Alternative, entweder zurückzukehren und sein Glück zu finden oder weiter Qualen zu leiden. Silbenanzahl

Reimschema

Fuggi pur nel sen di Flora

8

A

Che l’ardore del tuo core

8

b

Per me sola ognor sarà.

8–

C

Tornerai sull’Istro ancora

8

A

E del monte al chiaro fonte

8

d

Ugual sete nel core havrà.

8–

C

Der Text der Arie zerfällt in zwei gleich große Teile zu je drei Verszeilen mit Achtsilblern. Die ersten und letzten Zeilen der Strophen sind mit Reim (Flora–ancora und sarà–havrà) verbunden, die Verszeilen 3 und 5 weisen jeweils Binnenreime auf (adore–core und monte–fonte). Caldara gestaltet den Text als Da-capo-Arie mit der Haupttonart a-Moll und Allegro-Vorschrift. Die Taktart und die rhythmische Gestaltung sind an der italienischen Giga (12/8-Takt) mit regelmäßigen Achtelnoten orientiert. Die Besetzung entspricht der für das Ruspoli’sche Kantatenkorpus typischen Variante mit unisono geführten Violinen, Singstimme und Basso continuo. Die Arie weist klare Proportionen auf und wird von einem sechseinhalbtaktigen Ritornell im zweistimmigen Satz eingeleitet, auf das die zwei Gesangsteile des A-Teils (5 und 12½ Takte) folgen. Diese beiden sind von einem zweitaktigen Zwischenritornell getrennt, das thematisch am Strophenritornell orientiert ist. Der A1-Teil beinhaltet einen Durchlauf der Strophe, im Teil A2 wird sie einmal vollständig und schließlich die letzten beiden Verszeilen erneut wiederholt. Zwischen A- und B-Teil findet sich erneut das Strophenritornell, das mithin insgesamt vier Mal im Laufe der Arie erklingt. Im B-Teil wird die letzte Verszeile wiederholt und dabei das letzte Wort (»havrà«) zweimal hintereinander gesetzt.

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Kantaten für den Fürsten

Motivische Gestaltung der Ritornelle Das Strophenritornell setzt sich aus zwei Motiven (a und b) zusammen. Motiv a (T. 1 und 2) besteht aus zwei Takten und endet auf E-Dur, der Dominanttonart. Motiv b (T. 3–7) ist zweiteilig (1½ + 3 Takte), moduliert nach a-Moll, in die Grundtonart der Arie, die es mit einer vollständigen Kadenz (T. 6 und 7) erreicht. Charakteristisch für das Ritornell ist der Wechsel der Bewegung von Gruppen mit drei Achteln auf eine Viertel-Achtel-Figuration. Letztere ist von großen Intervallsprüngen gekennzeichnet, die bis zur Duodezime reichen. Das Ritornell zwischen Gesangsteil A1 und A2 erstreckt sich lediglich über ein wenig mehr als zwei Takte (T. 11–13). Es greift thematisch auf Motiv b zurück, indem es die überbundenen punktierten Viertel mit Achteln und die anschließende Achtelbewegung nach unten (T. 4 und 5) zitiert, lediglich um eine Sekunde nach oben verschoben. Harmonisch bestätigt es die vorangegangene Kadenz auf C-Dur am Strophenschluss von A1, indem es sie im Takt 12 auf 13 wiederholt, so dass der zweite Gesangsteil in der Durparallele beginnt. Motivische Gestaltung der Gesangsteile im Teil A Das Strophenritornell endet in der Mitte des Taktes 7 mit einer Dreiklangszerlegung nach oben, im Anschluss setzt Gesangsteil A1 in a-Moll mit dreistimmigem Satz ein und greift Motiv a in einer leicht abgeänderten Form (a′ ) auf. Tongleich ist die ohrenfällige Achtelbewegung vom Beginn der Komposition, die hier mit den Worten »Fuggi pur« verknüpft wird. Die Motivzelle steht mit der in der ersten Strophe thematisierten Flucht Nisos tonmalerisch in Verbindung, überdies ist sie durch Pausensetzung vom Rest des ersten Verses abgespaltet, was sie noch stärker hervortreten lässt. Die sich im Motiv a anschließenden Intervallsprünge entfallen hier, die Gesangsstimme verweilt auf einer punktierten Viertelnote (Beginn von T. 8) und nimmt nach der Pause den Faden wieder auf, indem sie den zweiten Achtellauf und die Schlussfloskel von Motiv a tongleich übernimmt. Die harmonische Fortschreitung des a-Motivs wird in den Takten 7b bis 9a ebenso herangezogen, Bass- und Violinstimme laufen eigenständig und zitieren an den Stellen, an denen die Bewegung der Singstimme ruht, die ausgeprägten Achtelbewegungen der Motive a und b, so dass der Achtelfluss im Wechsel mit dem Gesang ständig präsent ist. Am Ende von T. 9 reduziert sich bei der Vertonung der Verse 2 und 3 mit Ausnahme des Strophenschlusses (Ende T. 11 und Beginn T. 12) der Satz wieder auf die Zweistimmigkeit (Gesang und Basso continuo). Die Gesangslinie führt ein neues Motiv ein, das vom Fortschreiten der Viertel-Achtel-Figuren geprägt ist.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Gesangsteil 2 (T. 14–26a) beginnt mit Motiv d, das eine durch Aufwärtsbewegung gekennzeichnete Umkehrung der Motivzelle von Motiv a bei Fuggi pur (a′ ) darstellt (T. 14 und 15) und wechselt nach d-Moll. Die anschließende neuntaktige Passage verarbeitet die Motive b und c in der Gesangsstimme und mündet in T. 20 in eine viertaktige Koloratur auf dem Wort »sarà«. Die Violine bleibt dem Motiv d treu, bei der Koloratur wechselt sie zum Achtellauf des Motivs b (T. 5) und trägt es sequenzierend im Wechsel mit der Gesangsstimme vor. Der Strophenschluss (Motiv c′ ) ist analog zu jenem des A1-Teils gestaltet, sieht dieselbe Reduktion auf den zweistimmigen Satz vor, stellt aber eine Variante von Motiv c dar, indem er dasselbe rhythmische Fortschreiten von Vierteln und Achteln übernimmt, den Tonhöhenverlauf dabei variierend. Die Phrasenlänge von Motiv c und c′ stimmt wiederum exakt überein. Motivische Gestaltung im B-Teil Der B-Teil der Arie weist eine klare Gliederung auf, Motiv- und Versgrenzen korrespondieren im Gegensatz zum A-Teil immer miteinander. Vers 1 trägt Motiv c′′ (T. 27–28), Vers 2 stellt eine Variante von Motiv d dar (d′ ; T. 27–28). Die Violinen werfen an den Enden von Vers 1 und 2 mal die Motivzelle der nach oben geführten Achtelbewegung aus Motiv d ein, mal jene von Motiv a. Vers 3 ist zweimal gesetzt, wobei die erste Zeilenvertonung zuerst Motiv a′ bringt und bei havrà nach G-Dur moduliert. In T. 33 folgt eine Erweiterung über drei Takte durch Koloratur, die jener des A-Teils ähnelt, sie aber in einigen Bereichen umkehrt: So enden die über den Quintraum nach unten geführten Achtelläufe der Violine nicht auf dem letzten Ton des Laufs, sondern sehen am Schluss der Bewegung große Intervallsprünge nach oben vor. Die Gesangsstimme wiederum tritt die Gegenbewegung an, indem sie innerhalb einer Sext drei Achtelläufe nach oben realisiert, an die sich Quintsprünge nach unten anschließen. Der Strophenschluss ist im Gegensatz zum A-Teil im dreistimmigen Satz gestaltet, er weist eine vollständige Wiederholung des dritten Verses auf, die Kadenzphase ist mit Hilfe eines Trugschlusses beim erstmaligen »havrà« ein wenig erweitert. Beim abschließenden »havrà« wird die Tonart e-Moll mit einer vollständigen Kadenz erreicht. Musikalische Akzentuierung des Arientextes Innerhalb der Arie erfährt der Zuhörer, dass Nisos Handeln schlimme Auswirkungen für ihn nach sich ziehen werde. Der A-Teil zerfällt dementsprechend in zwei Teile, die von Ursache bzw. Wirkung bestimmt sind. Falls Niso flüchte (Verszeile 1), werde sein Herz leiden (Verszeile 2 und 3). Im B-Teil findet

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Kantaten für den Fürsten

sich eine vergleichbare Struktur: Wenn er zum Istro zurückkehre (Verszeile 1), werde er, Tantalus ähnlich, seinen Herzensdurst nicht stillen können (Verszeile 2 und 3), obgleich er eine klare Quelle vorfinden werde. Caldara berücksichtigt diese Textvorgabe auf mehreren Ebenen: Einerseits trägt er der Warnung vor der Flucht des Schäfers mit den für die Giga typischen Achtelfiguren Rechnung. Diese werden gleich zu Beginn des Gesangsteils A1 mit den Worten »Fuggi pur« verknüpft und erinnern nicht nur im A-, sondern auch im B-Teil mit Einwürfen der Zelle des Motivs a immer wieder an die Ursache der Warnungen Irenes, indem sie die Flucht repräsentieren. Andererseits wird die in den Strophen angelegte Zweiteiligkeit satztechnisch berücksichtigt. Ohrenfällig nachvollziehbar ist dies besonders im A-Teil der Arie: In A1 steht die Verszeile 1 im dreistimmigen, gefolgt von den Verszeilen 2 und 3 im zweistimmigen Satz. Diese satztechnische Kontrastierung hebt die zweiteilige Textstruktur der Strophe besonders hervor. Ähnlich verhält es sich mit dem Gesangsteil 2. Die Verszeilen 2 und 3 werden dort jeweils im Kontrast zur vorangehenden gestaltet – mal mit Koloratur auf den betonten Silben der Worte core und sarà, mal wiederum mit satztechnischer Reduktion am Strophenschluss, der eine Parallelstelle zum Gesangsteil A1 darstellt. Abschließend fällt im B-Teil der Trugschluss ins Auge, der zu einer kurzen Verzögerung der Kadenz führt. Dieses Hinhalten kann wiederum als Hinweis auf Irenes Warnung an Niso gelesen werden, wonach er anderenorts seinen Herzensdurst nicht werde stillen können. Beispielanalyse 3: Sopranarie Era pur forte Die Arie Era pur forte für Sopran, unisono gesetzte Violinen, Viola und Basso continuo entstammt der Solokantate Selve che mi vedeste (1710). In dieser wendet sich ein anonymer Protagonist an die ihn umgebende Natur. Er bittet Wälder und Täler, ihm den Grund für seine Veränderung zu verraten: Habe er früher mit seinem Bogen so manche Jagd erfolgreich bestritten, habe sich seine Stärke nunmehr in Angst verwandelt. Noch sei er aber nicht gewillt aufzugeben, denn wenn er erst mit einer stolzen Frau kämpfe, werde seine Raserei wiederkommen. Zwar erhält er keine expliziten Antworten, doch wird rasch ersichtlich, dass die Liebe der Grund für seine Schwäche ist, sind es doch die »luce serena« und die »gentile sirena«, die ihn verzaubern. Mit folgender Einsicht gibt er sich zuletzt geschlagen: »se il maggior de trionfi è l’esser vinto«. Die hier näher zu behandelnde Komposition ist die erste Arie der Kantate. Im ersten Quadrupel des Arientextes erinnert sich der Bogenschütze an seine einstige Stärke, im zweiten beklagt er seine derzeitige Schwäche:

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenanzahl

Reimschema

Era pur forte

5

A

L’arco, e lo strale

5

B

Piaga le tale

5

B

Sapea formar

5–

C

Or non ha sorte

5

A

La mia faretra

5

D

Il colpo arretra

5

D

Ne sa piagar

5–

C

Der Text zerfällt in zwei gleich große Teile mit durchgereimten Strophen zu je vier Verszeilen mit Quinari. Er wurde als dreiteilige Da-capo-Arie mit der Tempovorschrift Allegro umgesetzt. Caldara wählt einen tänzerischen Dreiertakt mit drei Vierteln, der Menuettcharakter aufweist und mit einer schlichten und sanglichen Melodik einhergeht. Ein achttaktiges Strophenritornell leitet die Arie mit der Haupttonart C-Dur ein. Es kommt insgesamt viermal zum Einsatz, dabei vor dem B-Teil und am Arienschluss in leicht variierter Form. Die Abänderung betrifft, wie noch zu zeigen sein wird, vor allem den Ritornellschluss und ist dem harmonischen Verlauf der Arie geschuldet. Im einteiligen A-Teil wird der Strophentext zweimal vollständig vorgetragen. Die letzten beiden Verszeilen werden am Strophenschluss zweimal wiederholt. Die Textbehandlung des ebenso einteiligen B-Teils (Haupttonart: e-Moll) ist der des A-Teils ähnlich (eine Ausnahme bildet die Koloratur; T. 46–51): Nach dem ersten Durchlauf der Strophe werden am Ende die letzten beiden Verszeilen einmal wiederholt. Motivische Gestaltung der Ritornelle Das Strophenritornell im dreistimmigen Satz umfasst acht Takte und exponiert zwei viertaktige Motive (a und b), die die Arie im A-Teil und in den Ritornellen bestimmen. Motiv a (T. 1–4) ist zweiteilig (2 + 2 Takte) und etabliert die Haupttonart C-Dur. Motiv b (T. 5–8) ist zu einem geschlossenen Viertakter geformt, der von T. 6 bis 8 von einer Hemiole gekennzeichnet ist und nicht – wie üblich – am Ritornellschluss in die Haupttonart zurückkehrt, sondern nach G-Dur in die Dominanttonart kadenziert. Das Ritornell vor dem B-Teil bzw. am Arienschluss weist dieselbe Struktur wie dasjenige am Beginn der Arie auf. Die jeweiligen ersten Teile entsprechen sich exakt. Der zweite Teil (T. 36–39) lässt die Hemiole vermissen, trägt ein neues Motiv (e) vor und endet auf der zu erwartenden C-Dur-Kadenz.

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Kantaten für den Fürsten

Motivische Gestaltung im A-Teil Sobald das Ritornell beendet ist, setzt der erste Strophendurchlauf (4 + 4 Takte) im zweistimmigen Satz ein (T. 9–16). Die Viola pausiert, und die unisono geführten Violinen gehen colla parte mit der Gesangsstimme, die den kompletten Melodieverlauf (Motiv a und b) des Ritornells übernimmt. Auf jedes der beiden Motive entfallen zwei Verse. Die Bassstimme wiederholt mit kleinen Abweichungen ebenfalls ihre Linie, lediglich um eine Oktav nach oben versetzt. Der harmonische Verlauf wird aus dem Ritornell übernommen, so dass der erste Strophendurchlauf ebenso auf G-Dur schließt. Es folgt die Strophenwiederholung nach einer minimalen Zäsur von einer Viertelpause (T. 16) in den beiden Oberstimmen und einem einfachen Durchgang im Bass, der zu einem C-Dur-Sextakkord (T. 17) führt. Ein neues zweitaktiges Motiv (c) erscheint, das mit einem Sequenzglied gleichzusetzten ist. Die ersten drei Verszeilen werden damit zu einer sechstaktigen Sequenz mit aufsteigender Richtung nach dem Modell Sextakkord – grundständiger Akkord (T. 17–22) verarbeitet, die nach a-Moll führt. Die Vertonung der vierten Verszeile (T. 23–24) ist an die Sequenz gekoppelt, bringt eine Abschlussfloskel mit einer nach unten geführten Achtelbewegung und schließt auf einem G-Dur-Akkord. Die Violinstimme verlässt in T. 24 den Colla-parte-Gang und führt die Abwärtsbewegung zu Ende, während die Gesangsstimme auf d′′ verweilt. Diese Gestaltung führt zu einem kurzen dreistimmigen Abschnitt. Auch im Bereich des Strophenschlusses findet sich Vergleichbares: Am Ende des Gesangsteils A werden die beiden letzten Verszeilen zweimal hintereinander in Musik gesetzt. Diese achttaktige Passage (T. 25–32) zerfällt in zwei Teile zu je vier Takten. Der erste Teil umfasst ein viertaktiges, geschlossenes Motiv (d) mit Kadenz auf C-Dur, das in T. 27 eine dreistimmige Passage aufweist. Der zweite Teil sieht die beinahe tongleiche Wiederholung vor, lediglich die Führung der Basslinie ist leicht verändert. Unter anderem wird statt des eröffnenden Sextakkords (T. 25) die Wiederholung mit einem grundständigen Akkord in C-Dur eingeleitet, und das Ritornell setzt auf der Kadenzultima ein (T. 32). Motivische Gestaltung im B-Teil Der Teil B gliedert sich in 4 + 8 + 4 Takte, sieht einen Wechsel zwischen zweiund dreistimmigem Satz vor und verharrt überaus lange in a-Moll, bis letztlich in der Schlusskadenz e-Moll erreicht wird. Der Beginn ist von einem Viertakter in a-Moll gekennzeichnet, der von der Motivzelle des ersten Takts von Motiv b dominiert ist. Die Motivzelle ist tongleich dreimal bei den ersten beiden Verszeilen hintereinander gesetzt, die Repetition findet indes mit dem Wechsel nach E-Dur ein abruptes Ende. Der folgende Achttakter vertont die letzten beiden

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Verszeilen, dabei ebenso mit der Motivzelle des Motivs b einsetzend – in diesem Fall über einem a-Moll-Sextakkord. Es folgt eine Fortspinnung, die in T. 47 in eine viertaktige Koloratur auf der betonten Silbe von »piagar« mündet. Mit dieser Koloratur sind Sing- und Violinstimme bis zum Ende des Gesangsteils eigenständig geführt und stellen ein duettierendes Paar dar. Sie zitieren im Verlauf der Koloratur Motiv e aus dem variierten Ritornell. Im letzten Viertakter (Motiv f ), der nach e-Moll kadenziert, nimmt die Violinstimme einen Wechsel von der Ober- zu einer Füllstimme (T. 53–55) vor. Musikalische Akzentuierung des Arientextes Der Arientext ist von dem Gegensatz Vergangenheit / Gegenwart geprägt, dem die beiden Texthälften (A- und B-Teil) korrespondieren. Bei der Vertonung des ersten Versquadrupels fällt die tänzerische Melodik auf. Sie steht für die schöne verflossene Zeit, in der der Bogenschütze frei von Angst seiner Liebesjagd nachgehen konnte. Eine besondere Akzentuierung widerfährt hier den jeweiligen Versenden: Die drei Reimworte forte, strale und tale werden wie folgt hervorgehoben: Für ihre musikalische Umsetzung ist – im Gegensatz zu den restlichen Versworten – jeweils ein vollständiger Takt vorgesehen. Dieser weist über die Motivgrenzen hinweg sechs Mal dieselbe rhythmische Figur auf: Viertel – zwei Achtel – Viertel. Bei der Verswiederholung verschiebt sich die Achtelbewegung lediglich in zwei Fällen nach vorne: Zwei Achtel – Viertel – Viertel finden sich hier für das Wort tale (T. 26 und 30). Auch das vierte Reimwort formar wird beharrlich gleichförmig behandelt. Jeweils zwei Achtel und eine halbe Note werden damit verknüpft, wobei nach den auftaktigen Achteln die betonte Silbe jeweils auf den nachfolgenden Taktbeginn mit einer Halben folgt (T. 16, 28, 32). Mit Hilfe dieses gleichermaßen subtilen wie eingängigen Mittels der rhythmischen Worthervorhebung wird die einstige Stärke des Bogenschützen unterstrichen. Dass er sich auf seine Stärke verlassen konnte, mag sich in der Strophenwiederholung spiegeln, die hier nicht mit einer neuen, weiter zu verarbeitenden motivischen Idee aufwartet, sondern mit einer Sequenz. Das kompositorische Mittel der Sequenz ist häufig an jenen Stellen innerhalb der Kantaten anzutreffen, an denen Vorhersehbares zum Ausdruck gebracht werden soll. Dass es in diesem Fall bei der Strophenwiederholung zum Tragen kommt, dürfte dem Wunsch nach Sicherheit und Rückkehr zu ehemaliger Stärke des Protagonisten entsprechen. Im B-Teil ist die Verunsicherung des gegenwärtigen Zustands auf zweierlei Ebenen berücksichtigt. Erstens gerät gleich zu Beginn die Entwicklung der Melodie bei »or non ha sorte / la mia faretra« ins Stocken. Das dreimalige exakte Wiederholen der Motivzelle, noch dazu auf derselben Tonhöhe, drückt die

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Kantaten für den Fürsten

Ausweglosigkeit in der verzweifelten Situation aus. In T. 44 scheint sich mit dem erneuten Einsatz der Motivzelle die erste Passage anfangs zu wiederholen, doch fährt Caldara mit einer Kadenz nach a-Moll fort, die den Gang zur Koloratur auf piagar überbrückt. Die Koloratur ist aufwärtsgerichtet und mündet ins hoffnungsfrohe C-Dur, mit dem der B-Teil freilich nicht endet, vielmehr wendet er sich gleich wieder ins Moll. Zweitens wird der Eindruck der Ungewissheit hier wie im gesamten B-Teil harmonisch nachvollzogen. Das zweite Textquadrupel sieht nämlich eine Vertonung vor, die beharrlich a-Moll verteidigt. Erst mit der vollständigen Kadenz (T. 54–55) schlägt das Pendel nach e-Moll aus, dies ist mit der Einsicht verknüpft, dass der eigene Pfeil nicht mehr zu treffen vermag. Fazit zur Arienanalyse Die drei hier gewählten Da-capo-Arien können aufgrund ihrer Besetzung, des Satzgefüges, der Ton- oder Taktartenwahl als Stellvertreter für viele weitere Kantatenarien des Repertoires stehen. Allerdings zeigt die Detailanalyse Caldaras hochgradig individualisierte Umsetzung der Textvorlagen, die nur bedingt mit Hilfe von Idealtypen zu erfassen ist. Dessen ungeachtet wurden bei den Analysen nicht jene Arien in den Mittelpunkt gerückt, die durch besonders virtuose Züge oder außergewöhnliche harmonische Faktur hervorstechen. Vielmehr galt es, Elemente herauszupräparieren, die häufig vorzufindende Mittel des Komponisten in den Fokus rücken, z. B. für die Betonung von Textpassagen mittels Unisono-Techniken oder Koloraturen. Grundlegende Merkmale der Arienkompositionen lassen sich wie folgt resümieren: Bei der Gestaltung der einzelnen Abschnitte der Da-capo-Anlage liegt auf dem Teil A das größere Gewicht. Er weist im Regelfall eine größere Ausdehnung als der B-Teil auf und besteht überwiegend aus zwei Gesangsteilen. Innerhalb dieser verfährt Caldara nach folgenden Gestaltungsprinzipien: Der erste Teil sieht den vollständigen Textdurchgang der Strophe vor. Mit dem Einsetzen der Gesangsstimme geht nach dem Ritornell eine Satzreduktion einher. Um die Textverständlichkeit abzusichern, wird häufig auf den zweistimmigen Satz reduziert, meist auf Gesangsstimme und Basso continuo. Am Ende der Vertonung des Schlussverses oder nachdem ein Textdurchgang vollständig erfolgt ist, kommt es wieder zur Satzerweiterung. An dieser Stelle finden sich Wort- oder Vers(teil)wiederholungen. Vorzugsweise greift Caldara bei diesen Repetitionen auf den Schlussvers zurück. Im Gesangsteil A2 wird auf den Textzusammenhang weniger Rücksicht genommen, wichtiger ist hier die musikalische Intensivierung einzelner Aussagen. Der A2-Teil unterscheidet sich insbesondere hinsichtlich der Ausdehnung gegenüber A1. Diese kann vermittelst Eingriffen in die Textstruktur (Wieder-

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

holungen) erheblich sein (siehe Beispielanalyse 1); häufiger aber sind es Koloraturen (siehe Beispielanalyse 2), Wortdehnungen oder die Wiederholung der beiden letzten Verszeilen bzw. des Schlussverses, die zu einer textlichen und in der Folge musikalischen Verbreiterung führen. Auf Ebene der Motive lässt sich beobachten, dass die im Ritornell vorgestellten »Bausteine« in die Gesangsteile einfließen. Am stärksten betroffen ist der erste Gesangsteil, der entweder alle Motive des Strophenritornells übernimmt (siehe Analysebeispiel 3) oder Teile davon zitiert bzw. weiterverarbeitet (siehe Analysebeispiele 1 und 2). Die Gesangsteile A2 und B greifen ebenso zahlreich auf motivisches Material des Ritornells zurück, oft handelt es sich in diesen Fällen auch um die Übernahme von Motivzellen, die die einzelnen Arienabschnitte verschränken. Sie haben in diesen Fällen vorwiegend textausdeutende Funktion (siehe Analysebeispiel 2). Betreffend die Kontrastierung der großen formalen Abschnitte A und B, bestätigt sich ein Befund aus der Händelforschung auch für Caldara: In Bezug auf Händels römische Kantaten konnte Harris zeigen, dass, im Gegensatz zu den frühen römischen Kantatenkompositionen, »the Ruspoli summer 1708 cantatas increasingly use the motivic material in the B section as in the A [. . . ]. This ›monothematic‹ style is particularly prevalent in and appropriate to the pastoral, which idealizes an idyllic continuity as opposed to strong contrast and disruption.« 614 Es konnte hier gezeigt werden, dass auch bei Caldaras Arienkompositionen für Ruspoli der »monothematic style« vorherrschend ist. Die erwähnten Motivverschränkungen stellen per se ein wichtiges Mittel dar, um abschnittsübergreifend Brücken zu schlagen. Darüber hinaus ist zwar der Wechsel in eine der fünf in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ausgangstonart liegenden Tonarten im B-Teil Standard, die Veränderung von Tempo und Taktart spielt als Mittel der Kontrastierung aber nur eine marginale Rolle. Lediglich bei zwei der 228 Da-capo-Arien sind Takt- und Tempowechsel in den jeweiligen B-Teilen vorzufinden. 615 Wichtiger als eine schematische Kontrastierung an der Schnittstelle vom A- auf den B-Teil ist es Caldara, der Textbehandlung auf der Mikroebene Freiraum zu geben. Wie die Beispielanalysen zeigen, findet der Komponist im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Besetzung für die Textvorlagen eine enorme Vielfalt an musikalischen Lösungen. Hinsichtlich des darzustellenden Affekts hält Caldara mal an einem Schüsselbegriff fest (Beispielanalyse 1), mal liegt der Schwerpunkt der Vertonung auf den Grundaussagen des Arientextes (Beispielanalysen 2 und 3). Unabhängig von der 614 Harris, Handel 104 f. 615 Vgl. die Arien Darvi un guardo solo der Kantate Lungi dall’idol mio und Questo solo rio pensiero aus Amante sdegnata, D-MÜs Sant. Hs. 751 und US-NH Misc. 35/2.

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Kantaten für den Fürsten

gewählten Akzentsetzung (Schlüsselwort oder Grundaussage) nutzt er mannigfaltige kompositorische Möglichkeiten, um die Textstruktur oder einzelne Textpassagen zu betonen. Musikalisch-figürliche Abbildungen des Wortsinns sind hierbei genauso von Bedeutung wie die satztechnische und harmonische Gestaltung, Koloraturen genauso wie Wort- und Verswiederholungen. Die Arie Fuggi pur wurde in diesem Zusammenhang als Beispiel (Beispielanalyse 2) gewählt, da aus ihr eine enge Verschränkung der Mittel zu ersehen ist, von denen einige auf Textverdeutlichung abzielen, andere die Aussage des Textes unterstreichen. Auf die Nachvollziehbarkeit der Textstruktur innerhalb der Strophen entfällt der Wechsel im Bereich des musikalischen Satzes in den Gesangsteilen, auf die Akzentuierung der Flucht entfallen die Wahl des Tempos (Allegro), der Rhythmus der tänzerischen Giga (12/8), die Motivik (besonders Motiv a) und die harmonische Gestaltung des Strophenschlusses im B-Teil (Trugschluss). Arien ohne Da capo

Elf Kompositionen der römischen Kantatenarien weichen vom gängigen Dacapo-Schema ab. Sie sind vom Text ausgehend entweder ein- oder zweistrophig gestaltet. Erstere – Bella man che il f ilo aggiri 616 und Mie pupille che versate 617 sind hier als Beispiele zu nennen – sind dergestalt aufgebaut, dass sie den A-Teilen der Da-capo-Arien ähneln. Beide Arien weisen zwei Gesangsteile mit vollständigem Strophendurchlauf auf. Anstatt aber nach dem Gesangsteil 2, der mit einem Ritornell endet, auf einen B-Teil überzuleiten, folgt in beiden Fällen ein Rezitativ. Bella man che il f ilo aggiri ist überdies in Bezug auf die Tonartenposition mit dem A-Teil einer Da-capo-Arie vergleichbar, da sie in B-Dur sowohl beginnt als auch schließt. Bei Mie pupille che versate hingegen ist ein Beginn in d-Moll vorgesehen, das Schlussritornell endet abweichend davon in der parallelen Durtonart F-Dur. Es ist lediglich als kurzer musikalischer Ruhepol gestaltet, an den sich das Rezitativ in d-Moll mit »e tu folle pensiero« anschließt und den dramatischen Verlauf wieder vorantreibt. Arientexte mit zwei Strophen sind häufiger vertreten und werden von Caldara als Strophenarien vertont. Sie treten nicht nur bei Solokantaten auf, sondern auch bei jenen für zwei Stimmen, wobei die Strophen dann auf beide Rollen verteilt sind. Die Arie Se non basta il giurar fede aus Su quel muscoso sasso 618 stellt diesbezüglich ein Musterbeispiel dar: Der Strophentext ist in einer Struktur von Frage (Strophe 1) und Antwort (Strophe 2) gestaltet, verteilt sich auf die 616 Die Arie entstammt der Kantate Bella mano, I-Bc DD 226 (18). 617 Aus: Amante sdegnata, US-NH Misc. 35 (2). 618 Vgl. D-MÜs Sant. Hs. 792.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

beiden Schäferinnen Filli und Dori und ist formal auffällig analog aufgebaut. Dies betrifft die äußere wie die innere Gestalt: Das Vers- und das Reimschema wiederholen sich, und selbst innerhalb der Verse finden sich übereinstimmende Elemente in beiden Strophen: Alle Endecasillabi weisen bei der sechsten Silbe einen Tronco-Einschnitt auf (amor / palesar / sperar). Darüber hinaus stehen die jeweils ersten beiden Verszeilen der Strophen in enger Beziehung, indem sie das Ausgangsproblem diskutieren.

Filli

Silbenanzahl

Reimschema

Se non basta il giurar fede

8

A

Il prometter la mercede

8

A

Insegnami ad amar non so che farmi.

11

B

Tutte pur le pastorelle

8

C

Le più amabili e più belle

8

C

11

B

8

A

8

A

Mi disser che d’amor queste son l’armi. Dori

Se giurar tu vuoi la fede E prometter la mercede Taci non palesar quel ch’ahi ne core Se piu fede e piu costanza A chi vive la speranza Quando si fa sperar ma con timore.

11

B

8

C

8

C

11

B

Caldara folgt der textlichen Vorgabe sehr genau, indem er dieselbe Melodieführung für die Vertonung der beiden ersten Verszeilen wählt (T. 15–22 und 61–68). Im Anschluss entscheidet er sich dafür, die zentralen Begriffe hervorzuheben: Die Arie im tänzerischen 3/8-Takt wird mit einem 14-taktigen Ritornell eingeleitet, es folgt die erste Strophe von Filli in B-Dur mit Sopran- und Bassocontinuo-Besetzung. Der Text wird mit einer Wortwiederholung (queste) vorgetragen. Caldara hebt damit die Bitte Fillis hervor, ihr die Waffen der Liebe zu erklären. Dieser ersten Strophe folgt ein elftaktiges Ritornell, das keine vollständige Wiederholung der ersten Instrumentaleinleitung darstellt. Es weicht von T. 56 an in der Melodieführung ab und moduliert nach F-Dur, der Haupttonart der für Dori (Altstimme und Basso continuo) bestimmten zweiten Strophe. Hier erfolgt wiederum ein Durchgang der Strophe, der nun zwei Wortwiederholungen (taci und ma) aufweist. Der Komponist legt mit dieser kleinen Veränderung den Akzent auf die zentrale Mahnung Doris: lieber zu schweigen, als über die Liebe zu sprechen.

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Kantaten für den Fürsten

Rezitativgestaltung Innerhalb der Kantatenkompositionen treten die beiden im frühen 18. Jahrhundert gängigen Rezitativarten auf: Secco- und Accompagnatorezitative. 619 Das Seccorezitativ, bei dem die Textdeklamation in Form einer musikalischen Rede im Vordergrund steht, stellt innerhalb des Kantatenrepertoires den Normalfall dar und kommt insgesamt 236 Mal vor. Lediglich bei der geringen Anzahl von drei Kantaten sind Accompagnatorezitative Teil der Komposition. Seccorezitative

Zur Charakterisierung der Seccorezitative gilt es zunächst, die Positionierung der Rezitative innerhalb der Kantaten zu beachten, lassen sich im Bereich der harmonischen Ausgestaltung doch unterschiedliche Funktionen dieser Abschnitte ausmachen. Stehen sie an erster Stelle und eröffnen die Kantate, ist es ihre Aufgabe, sowohl die Haupttonart vorzustellen als auch auf die erste Arie harmonisch überzuleiten. Ohne Ausnahme kehren jene mit einem Rezitativ eröffneten Kantaten bei der Schlussarie in die Ausgangstonart des ersten Rezitativs zurück, so dass harmonische Geschlossenheit innerhalb der Kantate hergestellt wird. 620 Kommt den Rezitativen eine Mittelposition zu, z. B. zwischen zwei Arien, so haben sie im Regelfall Brückenfunktion, indem sie harmonisch zwischen den Kantatenteilen vermitteln. Für beide Arten sei hier jeweils ein Beispiel näher erläutert, an dem typische Gestaltungsweisen Caldaras – Kadenzbildungen, Textausdeutung und harmonisch-rhythmische Umsetzung der Verse – diskutiert werden können. Die Kantate Filli convien, ch’io parta wird mit dem gleichnamigen Rezitativ eröffnet, dessen neun Verse den regulären Wechsel von Settenari und Endecasillabi aufweisen. Der Schlussreim ist ein wenig verzögert, denn es sind nicht die beiden letzten, sondern die vorvorletzte und die letzte Verszeile mit einem Reim verbunden. Darüber hinaus ist Verszeile 5 mit dem Endreim verquickt, so dass die Aufforderung Tirsis, Filli möge seine Klagen anhören, noch dringlicher hervortritt. Eine weitere Reimstelle ergibt sich zwischen den Versen 3 und 4, mit ihr wird eine inhaltliche Zäsur markiert. Der Aufbau des Rezitativs zerfällt in zwei Teile: Die ersten vier Verszeilen führen den Zuhörer in die verzweifelte Lage Tiris ein: Er wirft Filli vor, es sei ihr gleichgültig, ob er sie verlasse. Bevor er dies 619 Vgl. zur Rezitativanalyse von Kantaten Lorber, Kantaten 181-19; Talbot, Patterns; ders., Recitatives; Maddox, Performance. 620 Vergleichbare Beispiele auf dem Gebiet der Solokantaten von Vinaccesi und Albinoni finden sich bei Talbot, Recitatives 171, 176.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

tatsächlich tue, solle sie ihm zuhören, so die Aussage des zweiten Rezitativteils (Verse 5–9), der sich mit der zweifachen Aufforderung »ascolta« direkt an Filli wendet. Caldara berücksichtigt die vom Text vorgegebenen Abschnittsbildungen präzise und bildet mit Hilfe textausdeutender Mittel die zentrale Aussage ab. Silbenanzahl

Reimschema

Filli convien, ch’io parta,

7

a

E che del mar crudele

7

B

Per l’onde infide ahi lasso

7

c

Lungi da te mio ben sciolga le vele.

11

B

7

D

11

e

E i miei sospiri; ascolta:

7

D

Chi sa misero oh dio,

7

f

11

D

Ma pria, ch’io parta ascolta Adorato idol mio gl’estremi accenti,

Se potrò rivederti un’altra volta.

Von der harmonischen Textur aus gesehen beginnt das Rezitativ in g-Moll, der Haupttonart der Kantate, und endet in d-Moll mit einer zeitgenössisch gängigen, vorgezogenen Kadenz. 621 Mit der Modulation nach d-Moll wird die Haupttonart der Folgearie erreicht. Die Verszäsuren sind je nach inhaltlicher Gewichtung unterschiedlich stark ausgeprägt. Mal sind es Pausen, mal ist es eine rhythmische Verlangsamung, mal sind es Pausen in Kombination mit Rezitativkadenzen, die das Versschema musikalisch nachbilden, so dass es beim Vortrag ideal nachvollzogen werden kann. Für die Hervorhebung der inhaltlichen Zweiteiligkeit des Rezitativs wurde nach dem Wort vele (T. 5) eine reguläre Kadenz auf a-Moll gesetzt. Für die Singstimme ist ein Quartfall in den Dominantgrundton (a′ –e′ ) vorgesehen. Weitere Kadenzen folgen nach ascolta (T. 9) auf C-Dur und am Rezitativende nach volta auf d-Moll. Bei den anderen Verszäsuren, die nicht vergleichbar stark ausfallen, orientiert sich Caldara präzise am Text. Sie sind bis auf eine Ausnahme mit Pausen markiert. Zwischen der dritten und vierten Verszeile wird eine weitere Möglichkeit gewählt: Beim Wort lasso kommt es zu einer rhythmischen Verlangsamung mit dem Wechsel von Achtel- auf Viertelnoten, bevor bei lungi die Achtelnoten wieder einsetzen. Auch Binnenzäsuren bei den Elfsilblern werden, wenn es der Textverlauf erfordert, berücksichtigt. Beim ersten Endecasillabo (Verszeile 4) ist die Binnenzäsur nach der siebten Silbe mit einer rhythmischen Veränderung (Wechsel Achtel- auf 621 Vgl. zu den gängigen Kadenzbildungen Lorber, Kantaten 182–184.

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Kantaten für den Fürsten

Viertelnote bei ben) markiert. Bei Verszeile 6 wird die Binnenzäsur nach mio mit einer Pausensetzung abgebildet. Pausen werden zusätzlich an solchen Stellen gesetzt, an denen es gilt, Textpassagen besonders zu akzentuieren. Im Takt 1 finden sich nach Filli sowie in T. 8 und 9 vor und nach ascolta deklamatorische Pausen. Bei Filli wurde die Pause unabhängig vom Text eingefügt, um die Adressatin der Kantate hervorzuheben. Bei ascolta setzt Caldara das vom Text vorgegebene Semikolon sowie den Doppelpunkt als Pause um. Damit kommt es zu keiner der üblichen Verschleifungen, wie sie sich eigentlich aus der Verbindung der Worte sospiri und ascolta ergeben würde. Alle anderen zusammenstoßenden Vokale wurden mit regulären Verschleifungen versehen. Die inhaltliche Umsetzung konzentriert sich auf die Darstellung der Verbitterung Tirsis. Hörbar gemacht wird diese von Beginn an: Bereits im zweiten Takt endet der erste Versschluss auf einem Septakkord, bei mar crudele wird der Spitzenton der Gesangsstimme (c′′ ) erstmals erreicht, der über eine gr. Sext (c′′ –es′ ) hinweg nach unten in einen verminderten Septakkord abstürzt (T. 3). Noch dazu vollzieht die Bassstimme von T. 2 bis T. 4 vom Grundton ausgehend einen Passus duriusculus. Damit wird Tirsis verzweifelte Lage musikalisch auch vom klanglichen Fundament her verdeutlicht. Der Aufforderung Tirsis, nun gl’estremi accenti, also seinen letzten Worten, zu lauschen, wird in der Singstimme mit dem größten Intervallsprung (T. 7 auf 8, kl. Septime, c′ –b′ ) dieses Rezitativs umgesetzt. Wie fraglich für den Schäfer ein Wiedersehen mit seiner Geliebten zu sein scheint, wird beispielsweise im vorletzten Vers in T. 10 mit einem verminderten Septakkord bei misero ausgedrückt, der nicht aufgelöst wird. Als Beispiel für die harmonische Vermittlerfunktion der Rezitative zwischen zwei Kantatenabschnitten sei E tu folle pensiero aus Amante sdegnata näher betrachtet. Der Text der Kantate ist – wie im Kapitel Merkmale der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte dargelegt – vom rhetorischen Mittel der Steigerung geprägt. Nachdem Dorinda erkannt hat, dass sie ihre Tränen um Daliso erfolglos vergießt (Arie 1), folgt das emotionale erste Rezitativ als Reaktion auf diese Erkenntnis: Dorinda verleugnet darin den Gedanken, Daliso habe Gefühle des Erbarmens verdient, betont vielmehr, dass er ein Betrüger sei, weshalb sie sich rächen und sich dafür in eine Furie verwandeln wolle. Der Rezitativtext besteht aus 15 Verszeilen und ist ganz regulär mit Siebenbzw. Elfsilblern gestaltet. Auffällig ist neben dem gewöhnlichen Reim am Rezitativschluss die hohe Anzahl weiterer acht per Reim verbundener Verse. Die emotionale Anspannung und die Steigerung, die der Text vorgibt, schlagen sich auch in der Komposition nieder. Um sie in Musik umzusetzen, werden Versunterbrechungen, Intervallsprünge in der Singstimme und harmonische Dissonanzen herangezogen.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenanzahl E tu folle pensiero,

Reimschema

7

a

Che sensi di pietà destar mi vuoi,

11

b

Vanne lungi da me: pietà non sente

11

C

Offesa donna, e donna amante; amai

11

d

Fin, che Daliso meritò il mio amore,

11

E

Ed or che un traditore D’averlo amato il fido cor si pente Ogni affetto discaccio, E tutt’ira, ed orgoglio

7

E

11

C

7

f

7

G

Sol cerco stragi, e medito vendette,

11

h

Che dell’ingrato vendicarmi io voglio.

11

G

D’Aspidi il crin mi cingo,

7

I

Aspro flagel gia stringo,

7

I

E per punir dell’amor mio l’ingiuria

11

J

Dorinda io non son piu, sono una furia.

11

J

Das Rezitativ beginnt in d-Moll, der parallelen Molltonart der vorangegangenen Arie, endet auf As-Dur, der parallelen Durtonart der Folgearie, und bildet dergestalt eine harmonische Brücke zwischen den Rahmenarien. Es weist zwei reguläre Kadenzen auf. Die erste ist am Ende der Verszeile 11 bei voglio (T. 14) auf g-Moll zu finden und markiert das Satzende. Der Rezitativschluss auf AsDur bringt bei furia (T. 19) die zweite reguläre Kadenz, hier wiederum als vorgezogene gestaltet. Die weiteren Verszäsuren stimmen im Fall dieses Rezitatives nicht immer mit den musikalischen Einschnitten überein. Die Passage ab dem Doppelpunkt bei me (T. 4) bis zum Semikolon nach amante (T. 6) fällt aus dem Schema, da Caldara per Pausensetzung zwei Verse umformt, indem er Teile davon wie Quinari behandelt und damit stärker an der Syntax als an der Versifikation orientiert ist. Es ergeben sich drei Fünfsilbler: »pietà non sente / offesa donna / e donna amante«. Infolge der Pausensetzung in der Singstimme entfällt bei »donna, e« und »amante; amai« die übliche Vokalverschleifung. Rhythmisch wiederholt sich in der Singstimme dreimal eine Drei-Sechzehntel-zwei-Achtel-Figur, die zuerst schrittweise nach oben geführt wird (T. 4 und 5) und in T. 5 mit einem Oktavsprung (d′ –d′′ ) versehen ist, der den erstmaligen Einsatz des Spitzentons (d′′ ) vorsieht. Dorindas Aufregung ist mit dieser Passage Ausdruck verliehen. Harmonisch unterlegt wird sie mit einem spannungsgeladenen Sekundakkord (T. 5), der sich erst bei amante in T. 6 zu g-Moll auflöst. Damit ist auch das

201

202

Kantaten für den Fürsten

im Text verankerte Semikolon hörbar gemacht. Im weiteren Verlauf des Rezitativs sind die Verszäsuren ab Vers 5 regulär mit Pausensetzungen markiert. Zwei Endecasillabi (Vers 7 und 10) fallen dennoch besonders auf. Dass sie die gängige Binnenzäsur nach der fünften Silbe vorsehen, überrascht im Falle von Caldaras Vertonung nicht, dass sie aber auf die rhythmische Figur aus T. 4 und 5 zurückgreifen, ist auf- und ohrenfällig. Die Pausensetzung wiederum bedingt das Ausbleiben von Vokalverschleifungen, einmal bei »amato il« und ein weiteres Mal bei »stragi, e«. Schließlich lässt sich eine weitere Parallele ausmachen: Von T. 13 auf T. 14 findet sich mit Ausnahme der Pausensetzung die gleiche rhythmische Umsetzung in der Gesangslinie wie in T. 7. Darüber hinaus wird der Oktavsprung und der darauffolgende Quintsprung bei vendicarmi zitiert. Der Aufregung Dorindas wird im Laufe des Rezitativs, wie bereits angedeutet, im Bereich der harmonischen Gestaltung entsprochen. Zahlreiche verminderte Septakkorde dienen als Ausdruck der negativen Gefühle und finden sich beispielsweise in T. 3 bei destar (über cis) oder T. 12 bei stragi (über h). Weiterhin unterstützen Sekundakkorde wie in T. 5 bei sente über c und in T. 16 bei aspro über ges eindringlich die Entrüstung der Protagonistin und machen sie klanglich nachvollziehbar. Gestaltung der Seccorezitative in den Kantaten für zwei Stimmen

Ausgehend von der Besetzung können bei den Kantaten für zwei Stimmen drei Arten von Rezitativen unterschieden werden. Die vom Text ausgehend häufigste Möglichkeit (59 Rezitative) sieht – den Solokantaten vergleichbar – den Monolog eines der beiden Protagonisten vor. Bei der zweiten Variante (39 Rezitative) kommt es innerhalb des Rezitativs zum Sprecherwechsel, und bei der dritten sind beide Sänger gleichzeitig im Einsatz (zwei Rezitative). Variante 2 und 3 sind jeweils vom Textdichter vorgegeben und müssen bei der Komposition berücksichtigt werden. Beim Rezitativ mit verteilten Rollen findet sich folglich im Regelfall ein Stimmlagenwechsel, der mit einer Änderung der Schlüsselung einhergeht. Bei der Textanalyse wurde bereits auf das Beispiel Daliso intorno a queste [Daliso, e Nice] eingegangen. Hier findet sich innerhalb des elfzeiligen Rezitativs von Daliso ein einversiger Ein- oder klarer: Vorwurf Nices, der wortgleich dreimal innerhalb der Kantate formuliert wird. Der Settenario Nices ist hier mit Reim an den vorangestellten Endecasillabo Dalisos angebunden und schließt den ersten Monolog ihres Gesprächspartners ab.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Daliso

Silbenzahl

Reimschema

7

d

[. . . ] Nice vezzosa Nice Del tuo labro gentile Troppo soave è il canto e dolce il riso

c 11

E

Nice

Tu m’inganni o Daliso.

7

E

Daliso

Ah credi o bella credi

7

f

Alle voci del labro

7

g

[. . . ]

Bei der Vertonung behandelt Caldara diese Vorgabe vergleichbar einem »InsWort-Fallen«, lässt Nice nach lediglich einer Sechzehntelpause nach Dalisos Worten über demselben Basston einsetzen. Ihr Zwischenruf ist als vollständiger Satz gestaltet, den der Komponist mit einem Halbschluss über dem Wort Daliso enden lässt, bevor der so Angesprochene von Neuem – nun in einer anderen Tonart (g-Moll) – seine Rede wieder aufnimmt. Die dritte und am seltensten auftretende Rezitativvariante folgt stets auf Abschnitte, die als Seccorezitative gestaltet sind und mündet im Anschluss in den A-2-Abschnitt am Kantatenschluss. In beiden Fällen sind es lediglich ein paar Takte, in denen beide Stimmen parallel syllabisch deklamieren, wobei in der Kantate Dipartita amorosa sogar in Teilen unterschiedliche Texte zugleich erklingen. Die Verse der T. 5 und 6 des Rezitativs Io mi consolo almeno weisen zwar dieselbe Silbenzahl, nicht aber dieselbe Betonung auf. Caldara reagiert darauf mit unterschiedlichen Notenwerten, so dass nach der üblichen Verszäsur des Endecasillabo bei cancellerà / potrà die Stimmen rhythmisch wieder parallel fortschreiten:

Notenbsp. 25: Io mi consolo almeno aus: Dipartita amorosa

203

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Kantaten für den Fürsten

Accompagnatorezitative

Accompagnatorezitative treten innerhalb des Ruspoli’schen Repertoires – den Arioso-Passagen vergleichbar – selten auf. 622 Lediglich in den Kantaten La Medea, Amante frenetica und Quel duolo del mio core sind Recitativi accompagnati auszumachen. Das Eröffnungsrezitativ von Quel duolo del mio core steht eigenständig zwischen Sinfonia und erster Arie, die beiden anderen Accompagnati sind mit Seccorezitativen verknüpft. Das dritte Rezitativ der Kantate La Medea sei im Folgenden exemplarisch herausgegriffen, da Caldara die Intensitätsgrade der beiden Rezitativarten sehr textsensibel umsetzt. Dem Accompagnatorezitativ kommt in diesem Fall eine besondere Steigerung innerhalb des emotionsgeladenen Monologs von Medea zu. Das gesamte Rezitativ ist zweiteilig aufgebaut, der erste Teil fällt auf das Seccorezitativ, das nach neun Verszeilen in das Accompagnatorezitativ (zweiter Teil, Verse 10–19) übergeht. Die beiden Teile sind an unterschiedliche Adressaten gerichtet. Im ersten wendet sich Medea an Giasone, der sie gerade für eine »inesperte e sveturata amante« verlassen hat und dem sie nun mit ihren Zauberkünsten droht. Im zweiten Teil ruft sie die Geister und Furien der Unterwelt an. Diese sollen ihr bei ihrem Rachezug beistehen und Hilfsmittel bringen, die sie für ein Gift benötigt, das »crudelmente« töten soll.

Pur non rispondi, e parti, Traditore, spargiuro, iniquo, ingrato; Va, infelice, va in seno Dell’inesperta e sventurata amante, Ch’io tutte in quest’istante Richiamo all’opra le mie magiche arti. Non ti rivolgi, e parti? Già l’atrefaci accendo E spargo all’aria i suffumigi neri.

Silbenanzahl

Reimschema

7

a

11

c

7

c

11

D

7

D

11

E

7

E

7

F

11

g

Voi del baratro orrendo

7

F

Orridi abitatori,

7

H

Venite vendicate

7

I

622 Dies ist kein Ausnahmefall, auch in Caldaras Opern sind Accompagnatorezitative eher selten anzutreffen. Vgl. hierzu die Einschätzung von Maeder, Strukturen 175.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

I miei traditi amori;

7

H

Del trifauce portate

7

I

Le sanguinose spume;

7

J

7

I

E voi, furie spietate, Tutte spegnete qui di Febo il lume,

11

J

E svelti dalla fronte

7

K

Datemi i serpi fieri,

7

l

Ch’io vo di Flegetonte

7

K

Entro il liquido foco

7

M

Formare un rio velen, che poi consumi

11

n

Crudelmente quest’empi a poco, a poco.

11

M

Das Seccorezitativ endet in T. 12 auf a-Moll und geht »attacca sub.o« auf das Accompagnatorezitativ über, das in C-Dur beginnt und als vierstimmiger Satz gestaltet ist. Die Altstimme wird von zwei Violinen und Basso continuo begleitet, wobei die Streichinstrumente häufig unterhalb der Gesangslinie geführt sind. Die gespannte Situation der eifersüchtigen Medea schildert Caldara von Beginn an mit einer Reihe an Dissonanzbildungen vorwiegend mit Septakkorden. Gleich im ersten Takt des Accompagnatorezitativs (T. 13) ist beispielsweise bei orrendo ein lautmalerischer Sekund-Quart-Septakkord gesetzt, bei vendicate (T. 15) ist die Singstimme gezwungen, einen Sextsprung zu absolvieren und damit in den Septimabstand zum Bass zu treten. Das Beben in der Stimme Medeas wird mit den Sechzehntelrepetitionen in den Violinen abgebildet, die nach langgezogenen Notenwerten immer an den Stellen der betonten Silben des Verses ihre Sechzehntelbewegung aufnehmen (z. B. T. 14 bei abitatori). Dieses Muster wiederholt sich bis zur Schlussphase des Rezitativs und baut die Illusion auf, man könne Medea bereits bei der Herstellung ihres Giftcocktails zusehen. In der letzten Verszeile wendet sich das Rezitativ bei crudelmente mit einem verminderten Septakkord über h (T. 27) nach c-Moll. Der Rezitativschluss sieht die Wortwiederholung a poco, a poco vor. Nachdem die Gesangsstimme in T. 28 auf einem Akkord mit Quartvorhalt ihren Part beendet hat, führt die Auflösung dieses Akkords über einen G-Dur-Akkord in ein Unisono-c im letzten Takt. Die Zusammenführung der Instrumentalstimmen lässt einen düsteren Eindruck entstehen, der Medeas erfolgreichen Racheakt erahnen lässt. Bei den Abschnittsbildungen verfährt Caldara ähnlich wie im Seccorezitativ. Verszäsuren sind bis auf eine Ausnahme (nach orrendo) mit Pausensetzungen markiert. Damit ist gewährleistet, dass die Versstruktur beim Erklingen nachvollziehbar bleibt. Das Semikolon nach spume, das den einzigen syntaktischen

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Kantaten für den Fürsten

Einschnitt vor dem Rezitativschluss mit sich bringt, ist mit einem Halbschluss gestaltet. Ariosi Auf die Möglichkeit, Arioso-Abschnitte in die Rezitativkompositionen einzuflechten, greift Caldara äußerst selten zurück. Innerhalb des Repertoires finden sich nur in den Kantaten Amante frenetica 623 und Invida di mia pace 624 Beispiele, darunter lediglich eines, bei dem der Textautor einen Arioso-Abschnitt anzeigt, indem er vom üblichen Wechsel der Sieben- und Elfsilbler abweicht. Gemeint ist das Rezitativ Sì, sì, che mi tradì aus der Kantate Amante frenetica, an dem es zu zeigen gilt, wie Caldara die kurze Passage in das Rezitativ einbettet. Das Rezitativ besteht aus drei Teilen. 625 Der mittlere fällt auf das Arioso und ist von dem veränderten Sprachrhythmus mit Ottonari gekennzeichnet. Der Wechsel des Redners ist im Text mit folgenden Worten angekündigt: »ed ancora una volta / Fille tradita l’empio voci ascolta:«. Filles Worte enden im ersten Teil des Rezitativs mit einer Kadenz auf F-Dur, es folgt der Arioso-Abschnitt, der mit der Angabe »in aria« versehen ist. Er steht im 3/8-Takt, und unisono geführte Violinen gehen, um eine Oktave nach oben versetzt, colla parte mit der Gesangsstimme. Bei der kompositorischen Umsetzung des kurzen siebentaktigen Abschnitts, der in d-Moll beginnt und auf a-Moll schließt, zeigt sich ein außergewöhnlicher Einsatz der musikalischen Mittel. Statt aus den eigentlich betörenden Worten Dalisos eine gefällige Melodie zu formen, verlässt die Singstimme bei ihrer Bewegung in den ersten vier Takten (T. 12–15) den kl. Sekundraum nicht, schwankt vielmehr zwischen den Tönen a′ und b′ . Die Bassbegleitung tut es ihr mit dem fortwährenden Wechsel zwischen d und cis gleich. Daraus formt sich ein Hin und Her zwischen d-Moll-Grundakkord und vermindertem Septakkord über cis, der eine drastisch schmerzhafte Grundstimmung entstehen lässt, wenn Fille den Worten Dalisos zu lauschen gezwungen ist. Bei der dritten Verszeile des Arioso-Abschnitts verlässt der Textdichter den Ottonario-Vers bei cor und verwebt sie mit der Frage »e tu l’ascolti o Fille?« zu einem Endecasillabo. Die Frage wird bereits wieder als Seccorezitativ auskomponiert, das zuerst mit der Vorschrift »risoluto« (T. 18) und nach der Frage (T. 19) mit »presto« markiert ist. Einschlägige Tempovorschriften stellen bei den

623 Vgl. US-NH Misc. 35 (1). 624 Vgl. GB-Lbl Add. 34056 (2). 625 Vgl. zum Text und dem Inhalt die Ausführungen im Kapitel Die Texte der römischen Kantaten.

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

Rezitativkompositionen die Ausnahme dar, und zweifellos soll durch diese der Affekt der Eifersucht zum Ausdruck gebracht werden, der für den weiteren Rezitativverlauf bestimmend ist. Das Ende des Ariosos stellt keinen vergleichbar starken Einschnitt dar wie der Übergang vom ersten Rezitativteil auf das Arioso, folgt damit aber der Textgrundlage. Es geht nahezu nahtlos in das Seccorezitativ über, lediglich eine Sechzehntelpause trennt die beiden Teile. A-2-Abschnitte Das Ruspoli’sche Repertoire beinhaltet 17 Kantaten für zwei Stimmen, die am Kantatenschluss mit einem »a due« aufwarten. Bei zweien hiervon hat der Textdichter ein solches auch am Beginn der Gesangsabschnitte vorgesehen, so dass insgesamt 19 solcher Abschnitte enthalten sind. Von ihrer Anlage her können zwei Arten der A-2-Abschnitte unterschieden werden: Kürzere Kompositionen (drei A-2-Abschnitte) mit oder ohne Instrumentaleinleitung sowie längere Abschnitte (14 A-2-Abschnitte), die eine den Da-capo-Arien vergleichbare Anlage mit Ritornellen aufweisen. Bei Letzteren bestimmen das Allegro, tänzerische Rhythmen (3/8- bzw. 2/4-Takt sind am häufigsten gewählt) und Durtonarten (überwiegend A- und F-Dur) die Vertonung. Für die Besetzung werden Sopran- und Altstimme, Basso continuo sowie in der Regel unisono gesetzte Streicher herangezogen. Die Texte, die von den beiden Rollen vorgetragen werden, können sowohl voneinander abweichen als auch vollständig übereinstimmen, wie es bei Chi goder vuol in amore der Kantate La lode premiata der Fall ist. Diese A-2-Komposition sei stellvertretend für die weiteren herangezogen, da Aufbau, Taktart (3/8) und Haupttonart (A-Dur) nachgerade idealtypisch sind. Der Text des A-2-Abschnitts unterscheidet sich nicht von jenem einer Da-capo-Arie und weist die gängigen Ottonari-Verse und die ebenso typische Zweiteiligkeit auf:

Silbenanzahl

Reimschema

Chi goder vuol in amore

8

A

Lodi ogn’or il ben che adora

8

B

Per gl’amanti ogn’or la lode

8

c

È una frode ch’innamora.

8

B

Caldara behandelt die textliche Anlage einer fünfteiligen Da-capo-Arie vergleichbar. Der A-Teil besteht aus zwei Gesangsabschnitten und ist länger als der einteilige B-Teil. Er beginnt mit einem 16-taktigen Ritornell, woran sich der erste Durchlauf der Strophe anschließt. Das Zwischenritornell übernimmt

207

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Kantaten für den Fürsten

tongleich die letzten acht Takte des Anfangsritornells, darauf setzt der zweite Gesangsteil ein, der sowohl einen erneuten Durchlauf der Strophe beinhaltet als auch Textwiederholungen. Die Repetitionen verbindet Caldara mit Koloraturpassagen, die mal parallel in beiden Gesangsstimmen, mal abwechselnd laufen. Dem B-Teil vorgelagert ist das Strophenritornell, das auf A-Dur endet, es folgen zwei direkt hintereinander gesetzte Durchgänge des Strophentextes. Der schematische Aufbau lässt sich wie folgt darstellen: A-Teil Takte Abschnitt Tonartengerüst (Haupttonarten)

B-Teil

A-Teil da capo

1–16

17–24

25–32

33–69

70–85

86–110

111–196

R

A1

ZR

A2

R

B

R–A1 –ZR–A2 – R

A–E– A

A–E

E–A

A–E– A

A–E– A

fis–E

Tab. 21: Schematische Darstellung von Chi goder vuol in amore

Die Gesangsteile sind überwiegend im vierstimmigen Satz gehalten. Eine eigenständig geführte Violinstimme und der Basso continuo umrahmen das Stimmpaar. Die beiden Singstimmen bilden entweder ein in sich geschlossenes Element, das im Kontrast zur Begleitung steht, indem sie (überwiegend) in Terzen (z. B. T. 17–24) aneinander gekoppelt sind, oder es tritt die imitatorische Gestaltung in den Vordergrund. Bei der zweiten Variante wählt Caldara im zweiten Gesangsteil eine fugenartige Nachahmung – hier beispielsweise in den T. 49 bis 58 als Quintimitation. * Resümierend lässt sich festhalten, dass Caldaras musikalisch-formale Umsetzung exakt mit den Textvorlagen, d. h. mit dem Vers- und dem Strophenbau, korrespondiert. Mit nur marginalen Ausnahmen setzte er diese, den zeitgenössischen Konventionen entsprechend, als Seccorezitative und Da-capo-Arien um. Gegenüber der textlichen Vorlage erweiterte der Komponist die Werke aber in einem Punkt entscheidend: Er stellte ihnen bei zwei Dritteln der Fälle Sinfonien voran, die den Werken einen charakteristischen und repräsentativen musikalischen Beginn verliehen haben, der mit dem Aufführungsrahmen perfekt korrespondierte. Die Funktion der instrumentalen Einleitungen muss ähnlich interpretiert werden wie die der zeitgenössischen Opernsinfonien – sie sollten die Aufmerksamkeit des Publikums auf das nachfolgende Werk lenken. Die dem Arkadisch-Pastoralen entstammenden Texte weisen überwiegend die Struktur RARARA auf. Eine solche Stabilität wiederholt sich auch auf der musikalischen Ebene: Über Jahre hinweg greift Caldara auf dieselbe Instru-

Das Ruspoli’sche Kantatenrepertoire Caldaras

mentalbegleitung mit zwei Violinen und Basso continuo zurück, die meist eine Sopranstimme begleiten. Besondere Bedeutung maß der Venezianer der Abwechslung bei der Arienkomposition auf dem Gebiet der Besetzung zu (unisono geführte Violinen, Violinpaar oder reine Basso-continuo-Begleitung), der Tonund Taktart sowie des Tempos, wobei er tonartliche Geschlossenheit anstrebte, d. h., er griff immer am Schluss auf die Ausgangstonart der Kantate zurück. Im Bereich der Sinfonien- und Arienkompositionen konnten als wesentliche Merkmale eine abwechslungsreiche Satztechnik (u. a. Unisono, Stimmkoppelungen, Bassettchen-Technik) und eine textsensitive Kompositionsweise herausgearbeitet werden. Mit Hilfe wortausdeutender musikalischer Mittel sowie einer textaffinen Satztechnik entwickelte Caldara eine eigene, unverkennbare musikalische Sprache der Kantaten, die er für Ruspoli schrieb und die bei den von diesem veranstalteten (und zur politischen Selbstpositionierung gebrauchten) Conversazione zur Aufführung gelangten. Ein idealtypisches Beispiel wird, um das bisher Festgestellte im Vergleich zum Wiener Repertoire noch schärfer zu konturieren, im abschließenden Kapitel dieser Arbeit vorgestellt.

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Kantaten für den Kaiser: Kantatenkomposition und -rezeption im kulturellen Kontext des Wiener Hofes Antonio Caldara hatte spätestens im Juli 1716 Wien und mithin sein erstrebtes Ziel einer festen Anstellung am Kaiserhof erreicht. Mit diesem von ihm lange begehrten 626 Posten gingen eine hohe Bezahlung und eine lebenslange Versorgung einher. Dass Caldara als Vertreter des kaiserlichen Kapellmeisters Johann Joseph Fux ein erheblich größeres Aufgabengebiet oblag als im fürstlichen Palazzo zu Rom, liegt auf der Hand. Daraus resultierte, dass die Kantatenkompositionen quantitativ zurücktraten, um Platz für vermehrtes Wirken auf den Gebieten der Sakral- und Theatralmusik zu schaffen. Das zeigt sich schon mit Blick auf die ersten Jahre seines dortigen Schaffens, in denen Caldara damit betraut war, einen neuen Jahrgang von Sonntagsoffertorien zu komponieren, der 1718 fertiggestellt war. 627 Trotz des veränderten Anforderungsprofils 628 hat Caldara auch als Vizekapellmeister eine beträchtliche Anzahl von Kantaten komponiert, der man sich bis dato quantitativ lediglich annähern kann. 629 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten an die 100 Solokantaten bzw. solche für zwei Stimmen dem Wiener Repertoire des Komponisten zugeordnet werden, die den Gegenstand der folgenden Ausführungen zum wiederum hochgradig exklusiven Kantatenschaffen Caldaras am Hof des Reichsoberhaupts darstellen. 630 Wie für Rom werden die Kompositionen in ihrem zeremoniellen, gesellschaftlichen und politischen Kontext untersucht. Anders als bei Ruspoli haben zeremonielle Rahmenbedingungen am Kaiserhof schriftlichen Niederschlag in zahlreichen Quellen gefunden. 631 Sie sind in handschriftlichen Zeremonialprotokollen und -akten wie in gedruckten Quellen

626 Vgl. die von Caldara erwähnten zahlreichen Bittschreiben an den Hof- und Cammer-Musikdirektor unter Karl VI., Ferdinand Ernst Graf von Mollart, U. Kirkendale, Caldara (2007) 100 f. 627 Vgl. Riedel, Kirchenmusik 156–158, der die Werke als »Meisterwerke hohen Ranges« bezeichnet. 628 Vgl. Seifert, Aufgabenkreise. 629 Vgl. die einschlägigen Ausführungen im einleitenden Kapitel zu den Quellen. 630 Eine Ausnahme stellt der Kantatenband D-Dl Mus. 2170-J-1 dar, der 1719 dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August gewidmet wurde, aber am Wiener Hof entstanden ist. Vgl. Zedler, Tributo. 631 Vgl. den kurzen Überblick zu den Quellen bezüglich des Zeremoniells am Wiener Hof: Mader-Kratky, Quellen, mit Bezug auf Musik Sommer-Mathis, Theatrum, besonders 514 f.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

wie Lünigs Theatrum Ceremoniale 632, Küchelbeckers Allerneueste Nachricht 633, in den zeitgenössischen Zeitungen und – mit Hinweisen zur Musik – in den Rubriche Generali Kilian Reinharths 634 dokumentiert. Mit Bezug auf die Musikalien kann auf Basis dieser Quellen Fragen nachgegangen werden, deren Beantwortung es ermöglicht, das Kantatenrepertoire in seinen kulturellen und politischen Kontext einzubetten und es darüber hinaus zu erschließen. Zu fragen ist danach, welche Funktion(en) die Kantaten innerhalb der Musikpflege am Kaiserhof erfüllten und für welche Anlässe sie komponiert wurden. Von Interesse ist darüber hinaus, an welchen Orten sie aufgeführt wurden, wer an der Aufführung beteiligt war und welcher Personenkreis sie zu hören bekam: Beschränkte sich der Hörgenuss auf die kaiserliche Familie oder kam hierfür ein erweiterter Kreis in Betracht? Hinsichtlich Caldaras kompositorischer Tätigkeit wird danach zu fragen sein, wie sich seine Werke in den strikten zeremoniellen Rahmen einpassten und welche Verbindungslinien sich zwischen dem soziopolitischen Kontext und der Komposition ziehen lassen; dass in diesem Zusammenhang Fragen nach den Textgrundlagen sowie den wichtigsten Themen besonderes Augenmerk zukommen muss, liegt auf der Hand. Um den hier aufgeworfenen Aspekten nachgehen zu können, gilt es freilich in einem ersten Schritt, den Rahmenbedingungen des Kantatenschaffens nachzuspüren.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld des Kaiserhofes (1716–1736) Als Caldara im Sommer 1716 Wien erreichte, vermischten sich in der kaiserlichen Residenzstadt gerade Feierlichkeiten ganz verschiedener Anlässe. Vor allem war der vom Haus Habsburg sehnlich erwartete Thronfolger, Leopold Johann, am 13. April geboren worden. Doch damit nicht genug: Der kaiserlichen Armee, an der Seite Venedigs in den Sechsten Türkenkrieg involviert, war es am 5. August gelungen, eine der zentralen Schlachten (Peterwardein) gegen die Osmanen für sich zu entscheiden. Beides – Geburt und Sieg – zeitigte unmittelbare Auswirkungen auf das kulturelle Leben der imperialen Residenzstadt.

632 Vgl. Lünig, Theatrum. 633 Vgl. Küchelbecker, Nachricht. 634 Vgl. Kilian Reinharth, Rubriche Generali. Per le Funzioni Ecclesiastiche Musicali di tutto l’Anno. Con un’Appendice in f ine dell’Essenziali ad Uso, e Servizio dell’Augustma. Austriaca, ed Imp.le Capella. Nell’interrotto corso di 50. Anni raccolte, e con profonda umiltà presentate alla Sacra Ces.a, e Reale Catt.ca Maestà di Carlo Sesto. Imperatore de Romani sempre Augusto [. . . ], [1727], A-Wn Mus. Hs. 2503 (in der Folge: Kilian Reinharth, Rubriche Generali).

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Kantaten für den Kaiser

Neben Dankgottesdiensten mit Tedeum-Kompositionen des Hofkapellmeisters Johann Joseph Fux 635 zählte die – ebenfalls von Fux komponierte – Festa teatrale Angelica vincitrice d’Alcina zu den Höhepunkten der Feierlichkeiten. Das Theatralfest wurde in der kaiserlichen Sommerresidenz Favorita auf der Wieden Mitte September 1716 abgehalten und als spektakuläre Freilichtaufführung in Szene gesetzt. 636 Die Freude über die Geburt des Erzherzogs sollte indes nicht lange anhalten – Leopold Johann starb bereits zwei Monate nach den festlichen Opernvorstellungen, am 7. November 1716. Und politisch desaströs: Karl VI. sollte nach dem Tod des jungen Erzherzogs keinen weiteren männlichen Nachfolger mehr bekommen. Stattdessen wurde mit seiner Tochter Maria Theresia ein halbes Jahr später, am 13. Mai 1717, die künftige Erbin der österreichischen Lande geboren. Dass sie als weiblicher Nachkomme das Erbe antreten konnte, ermöglichte indes erst ein Vertragswerk, das für den Kaiser in den Jahren nach dem errungenen Sieg über die Türken (1718) zu den »brennendsten Fragen der Außenpolitik« zählte 637 – die 1719 erstmals so bezeichnete Pragmatische Sanktion. Mit diesem aus dem Jahr 1703 stammenden und 1713 veröffentlichten habsburgischen Hausgesetz wurden die österreichischen Erblande zur unteilbaren Einheit erklärt und eine Erbfolge geregelt, die explizit auch weibliche Nachkommen einschloss. Dies wurde, je länger Karl regierte und eine weibliche Thronfolge absehbar wurde, zu einem zentralen außenpolitischen Aspekt. Nach der Veröffentlichung des Pactum mutuae successionis war dem Träger der Reichskrone vor allem daran gelegen, den Hausvertrag von den Gliedern des Reichs anerkennen zu lassen. Die Hochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit der Josephinischen Erzherzogin Maria Josepha (1719) brachte in dieser Hinsicht einen ersten wichtigen Erfolg, denn Teil der Hochzeitsverhandlungen war die Anerkennung des Vertrags, die August der Starke als erster Reichsfürst vollzog; sein Sohn, Friedrich August II., verzichtete seinerseits auf alle Ansprüche an den Erblanden. 638 Das unter Karl VI. gesponnene Vertragswerk regelte somit auch, dass im Erbfall den Töchtern Karls der Vortritt vor denen Leopolds I. und Josephs I. gegeben wurde. 639 Derart die eigene Zielsetzung absichernd, verfuhr Wien auch bei einer weiteren dynastischen Verbin635 Vgl. zu den Feierlichkeiten folgende Übersicht zu den musikalischen Aufführungen am kaiserlichen Hof in Wien zwischen den Jahren 1716 und 1719: Riedel, Musikpflege 460 f. 636 Das Libretto stammt vom kaiserlichen Hofpoeten Pietro Pariati, die Musik wiederum von Fux. Vgl. zu den Festaufführungen im Garten der Favorita und deren politischen Konnotationen Sommer-Mathis, Theatralfest. 637 Vocelka, Glanz 160. 638 Vgl. Rill, Karl VI. 186. 639 Die Thematik der Erbfolge schlug sich auch in den Kantaten zum Namenstag von Erzherzogin

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

dung: Als der bayerische Kurprinz 1722 die jüngere Schwester Maria Josephas, Maria Amalia, heiratete, sah sich auch das bayerische Herrscherhaus gezwungen, die Pragmatische Sanktion anzuerkennen und auf Erbansprüche, die aus dieser Verbindung resultierten, zu verzichten. Die beiden Hochzeiten zählten für das Haus Habsburg zu den bedeutendsten politischen Verbindungen des frühen 18. Jahrhunderts, ungeachtet der Tatsache, dass Bayern nach dem Tod Karls VI. 1740 dennoch Ansprüche auf das Erzherzogtum geltend machen sollte. 640 Die Hochzeitsakte wurden jeweils in Wien vollzogen, und zwar exakt an jenem Ort, an dem 1703 die Pragmatische Sanktion verabschiedet worden war: 641 Die Sommerresidenz der kaiserlichen Familie, das Schloss Favorita auf der Wieden, wurde symbolträchtig hierfür gewählt. Gleichermaßen symbolisch aufgeladen waren die Feierlichkeiten, bei denen nicht zuletzt die Musik – darunter auch eine Kantate Caldaras – politische Botschaften transportierte. 642 Nach diesen Verehelichungsfeierlichkeiten (1719/1722), dem errungenen Sieg gegen die Türken (1718) und den, zeitlich etwas früher erfolgten, Festlichkeiten anlässlich der Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges (1713/14) sowie der Abwehr der Pest (1714) setzte in Wien eine politisch wie gesellschaftlich überwiegend stabile Phase ein, die bis ca. zum Ende des hier zu betrachtenden Zeitraums anhielt, also bis 1736, dem Hochzeitsjahr Maria Theresias, das zugleich das Todesjahr Caldaras war. Der Polnische Erbfolgekrieg (1733–1735) sowie der Zweite Türkenkrieg Karls VI. (1737–1739) brachten zwar eine Reduktion von Kunst und Musik am Kaiserhof, jedoch keine substantiellen Einschnitte. 643 Die davor liegenden, von äußeren Ereignissen weitgehend unbeeinflussten Dekaden für die Haupt- und Residenzstadt lassen dementsprechend einen geregelten Ablauf des Hoflebens mit seinen alljährlichen Residenzwechseln 644 sowie eine verstärkte Konzentration auf kulturelle Aktivitäten erkennen. Zu

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Maria Theresia nieder, »worin sich diese auch klar von denen für andere weibliche Mitglieder der kaiserlichen Familie unterscheiden.« Vgl. Fritz-Hilscher, Musik 211. Vgl. zum österreichischen Erbfolgekrieg Vocelka, Glanz 164–170; Browning, War; Stollberg-Rilinger, Maria Theresia 65–144. Vgl. Vocelka, Glanz 84. Die politischen Implikationen der Kantate Caldaras werden innerhalb der Arbeit noch eingehender behandelt. Zu den Hochzeitsfeierlichkeiten vgl. Sommer-Mathis, Austria 31–67; Gugler, Hochzeit; Pecˇ ar, Ökonomie 194–196. Vgl. Fritz-Hilscher, Musik 212. Im April verlegte man den Wohnsitz von der Hofburg nach Laxenburg, im Sommer in die Favorita auf der Wieden, und im Oktober kehrte der Kaiser wieder in die Hauptresidenz zurück. Vgl. Seitschek, Person, 32. Vgl. zum Alltag am Hof Pecˇ ar, Ökonomie 150–195.

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denken ist an solche auf dem architektonischen Feld 645, aber natürlich auch auf dem der Musikpflege. Unter Ersterem ist etwa der Baubeginn der Karlskirche zu nennen (1716), der auf ein Gelöbnis Karls VI. im Zusammenhang mit der Pest zurückzuführen ist, oder der der Hofkanzlei (1717), der Hofstallungen (1718) und der repräsentativen Hofbibliothek (1720). 646 Einen festen Platz am Hof nahmen in jenen Jahren musikalische Aufführungen ein, die je nach Anlass und Aufführungsort von klein besetzten Kantaten bis zu abendfüllenden Opernvorstellungen reichten. Dabei blieb das Tätigkeitsfeld der Hofkapelle nicht auf Wien beschränkt: In den 1720er und den frühen 1730er Jahren bot sich für das Kaiserhaus nun auch Zeit und Gelegenheit, drei großangelegte Hofreisen zu absolvieren, die Karl VI. dazu nutzte, sowohl seine Herrschaft in den Erbländern zu demonstrieren als auch die nächstfolgende Generation politisch-symbolisch zu positionieren – was vor allem die Anwesenheit von Erzherzogin Maria Theresia bei allen drei Reisen zwingend erforderlich machte. Im Zuge der wiederholten Abwesenheit der kaiserlichen Familie vom Wiener Hof kam es aus Anlass der Geburtstage von Kaiserin Elisabeth Christine (28. August) neben Tafelmusik zu musiktheatralischen Aufführungen, den sogenannten Augustini-Opern. Diese erforderten einen erheblichen logistischen und finanziellen Aufwand, mussten doch nicht allein die Hofmusiker samt Instrumenten auf Reise gehen, sondern auch Bühnenequipment und Kostüme von Wien mitgenommen werden. 647 Die erste Reise fand 1723 anlässlich der Krönung Karls zum böhmischen König im Prager Veitsdom statt. Im Amphitheater der Prager Burg wurde vor diesem Ereignis die Festa teatrale Costanza e Fortezza ( Johann Joseph Fux / Pietro Pariati) unter der Leitung Caldaras aufgeführt. 648 1728 folgte eine weitere, knapp viermonatige Reise, die sukzessive die Erbhuldigung in der Steiermark, in Kärnten, Krain und Görz vorsah. 649 Der Aufenthalt in Graz fiel neuerlich mit dem Geburtstag der Kaiserin zusammen und wurde mit dem dreiaktigen Dramma per Musica La Forza dell’Amicizia ovvero Pilade ed Oreste begangen, einem Gemeinschaftswerk Caldaras und Georg Reutters (Libretto: Claudio

645 Vgl. grundlegend Matsche, Kunst. 646 Vgl. jüngst Lorenz, Hofstallungen; Weinberger, Hofkanzlei; ders., Hofbibliothek; Telesko, Programmatik. 647 Vgl. zu den Augustini-Opern von 1723, 1728 und besonders zu jener von 1732 Schindler, Augustini-Oper. Für die Aufführung der Festa teatrale Caldaras L’Asilo d’Amore war die »Theatralmusik« mit 57 Wagen aus Wien abgereist. Vgl. 148. 648 Vgl. zur Deutung des Werkes jüngst Strohm, Musik-(Wort-Bild-)Theater 44–47. Vgl. zur Krönung Karls VI. zum böhmischen König am 8. September 1723 Vácha u. a., Karl. 649 Vgl. Seitschek, Erbhuldigungsreise.

Politisches, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld

Pasquini). 650 Die dritte Reise, an der Caldara, anders als bei den vorangegangenen, nicht teilnahm (er war nach Italien verreist), 651 führte 1732 über Krumau und Karlsbad nach Linz, zur Erbhuldigung der oberösterreichischen Stände. Ein Jagdunfall verhinderte die eigentlich im Schwarzenbergschen Schloss von Krumau vorgesehene Aufführung der Augustini-Oper L’Asilo d’Amore (Antonio Caldara / Pietro Metastasio). Sie fand stattdessen im kaiserlichen Schlossgarten in Linz statt, woran sich eine neuntägige Reise durch das Salzkammergut anschloss. In der Nähe von Vöcklabruck renommierte Obrist-Falkenmeister Albrecht Graf von Saint Julien im Schloss Neu-Wartenburg mit einem für den kaiserlichen Besuch neu errichteten Landsitz, auf dem Jagden durchgeführt und eine Pastorale Georg Reutters gegeben wurde. 652 Dass Musik der Wiener Hofkomponisten während der Regierungszeit Karls VI. nicht nur aus Anlass kaiserlicher Besuche bei Adeligen der Erblande und anderer Teile des Reichs zur Aufführung kam, vielmehr auch unabhängig davon rezipiert wurde, zeigt das jüngst detailreich untersuchte Beispiel Johann Adam von Questenbergs. Der mährische Graf ließ in seinem Wiener Palais und besonders in seinem Schloss Jarmeritz (musiktheatralische) Werke aufführen, die u. a. von Caldara stammten, und legte eine große Sammlung von Musikalienkopien solcher Kompositionen an, die am Wiener Hof uraufgeführt worden waren. 653 Auch die Häuser der in Wien ansässigen Diplomaten waren – vergleichbar mit Rom – Orte, an denen es bei feierlichen Anlässen zu Musikdarbietungen kam. So wurden etwa in den Palais des neu ernannten französischen bzw. des spanischen Botschafters in Wien in den Jahren 1726 bis 1728 zahlreiche festliche Kantaten aufgeführt, nachdem sich das Klima der politischen Beziehungen mit dem Reich nachhaltig verbessert hatte. Philipp V. war vom Kaiser als König von Spanien anerkannt worden (1720), der hatte dafür die Pragmatische Sanktion bestätigt (1725). Unter den Kantaten befand sich auch eine für vier Stimmen, La corona d’Imeneo, von Caldara (Text: Claudio

650 Vgl. zum Aufenthalt in Graz und den damit verbundenen musikalischen Aktivitäten Karpf, Welt; Riedel, Musik; Zedler–Perutková, Opera. 651 Caldara hielt sich zum Zeitpunkt der Reise in der lombardischen Stadt Casalmaggiore auf. Das bezeugen mehrere Partituren, die zu diesem Zeitpunkt dort fertiggestellt wurden. Die Akte der zweiaktigen Festa teatrale L’Adriano können exakt datiert werden und wurden zum einen am 3. und zum anderen am 20. September 1732 in Casalmaggiore von Caldara beendet. Vgl. Kraus, Biographie 172. 652 Vgl. Schindler, Augustini-Oper 146–165. 653 Vgl. Perutková, Nahmen, besonders zu jenen Werken, die im Zusammenhang mit Caldara stehen, 494–512.

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Pasquini), mit der ein Fest anlässlich der Hochzeit Ludwigs XV. musikalisch umrahmt wurde. 654 Auch die Häuser jener Adeligen, die das Amt des Musik-Oberdirektors (Musikgrafenamt) und damit die Aufsicht über die Hofmusik innehatten, müssen eine wichtige Rolle für das Musikleben in der imperialen Metropole gespielt haben. Ein Schlaglicht darauf werfen die Aufzeichnungen aus dem Umfeld des Meininger Herzogs Anton Ulrich, der in den Jahren 1725 und 1726 in Wien weilte. Gezielt suchte er musikalische Veranstaltungen am Hof sowie in dessen Umfeld auf und ließ sich über entsprechende Neuheiten regelmäßig informieren. So findet sich für den 30. September 1726 die Notiz, »daß die Probe von der Serenade auf des Kaysers Geburtstag heutte um 9. uhr in des Prinz Pio haus wäre«. 655 In diesen Jahren war es Luigi Pio di Savoia, der das Amt des Musikdirektors am Hofe innehatte. Bis dato stellt dessen Tätigkeit auf dem Gebiet der Musik noch ein Desiderat der Forschung dar. Dass er selbst nicht nur administrativ, sondern auch künstlerisch tätig war, belegt seine Mitwirkung an Caldaras Oper Euristeo (1724). Karl VI. persönlich leitete vom Cembalo aus die Aufführung, und Pio di Savoia sang die Rolle des Königs von Mazedonien, Cisseo. 656 Seine Tätigkeit auf musikalischen Gebiet wäre auch hinsichtlich der Musikervereinigung der Cäcilien-Bruderschaft 657, die er 1725 in Wien mitbegründet hatte und unter deren Mitgliedern sich auch Caldara findet, 658 zu beleuchten, wie überhaupt das Musikleben in den Wiener Palais der 1720er und 1730er Jahre noch näher zu untersuchen ist. 659 Unter Karl VI., der »die freyen Künste und Wissenschafften« förderte und – wie Küchelbecker feststellt – »selbigen so gar auch ergeben« war, 660 fand sich am Wiener Hof auf künstlerischer, aber auch – wie man aus dem Beispiel Pio di Savoias ersehen kann – auf organisatorischer Ebene eine »ästhetische Gemeinschaft« zusammen. 661 Deren Teil zu werden strebten zahlreiche Musiker an. Caldara selbst ist ein Musterbeispiel dafür, dass es für dieses Ziel Beharrlich-

654 Vgl. zu den Kantaten Bennett, Celebrations. 655 D-MEII GA S.T. 54, Eintrag vom 30. September 1726. 656 Vgl. das Libretto Euristeo. Dramma Per Musica. Da Rappresentarsi Nell’Imperial Palazzo Da Dame E Cavalieri, Per Comando [. . . ] Di Carlo VI. Imperador De’ Romani, Sempre Augusto. Alla [. . . ] Maestà Di Elisabetta Cristina Imperadrice Regnante L’Anno MDCCXXIV, Wien 1724. 657 Vgl. zu dieser Vereinigung Baroni, Missione 33. 658 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 113. 659 Vgl. hierzu auch die Einschätzung von Perutková, Nahmen 381. Bis dato wurden die kulturellen Repräsentationsbemühungen des in Wien ansässigen Adels vor allem auf dem Gebiet der Architektur untersucht. Vgl. die konzise Übersicht bei Pecˇ ar, Ökonomie 266–292. 660 Küchelbecker, Nachricht 162. 661 Matsche, Kunst 34.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI.

keit 662 und Schaffenskraft bedurfte. 1716 wurde er Mitglied der kaiserlichen Hofmusik, was ihm ein vertraglich geregeltes Arbeitsverhältnis mit regelmäßiger Bezahlung einbrachte 663, überdies das Anrecht auf ein Hofquartier 664 und auf eine Pension. Das do, das er für dieses des einging, seine Aufgabenbereiche, sei mit Blick auf die Kantatenpflege im nächsten Abschnitt vorgestellt.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI. Die Aufgabe der Hofkapelle war es, regelmäßig musikalische Dienste innerhalb der Kirchen-, Theatral- und Kammermusik am Wiener Hof zu versehen. Die am Hof angestellten Komponisten lieferten hierfür exklusiv Werke und passten diese den jeweiligen zeremoniellen Funktionen ein. 665 Woche für Woche fanden Aufführungen in der Hofkapelle, in St. Stephan und weiteren Sakralräumen in den privaten Räumlichkeiten der Kaiserfamilie statt, aber auch zeitspezifisch (Fasching) oder anlassspezifisch (Geburts- oder Namenstage), dann häufig im Großen oder Kleinen Hoftheater. 666 Für das Jahr 1718 konnte Riedel 63 Darbietungen größer besetzter weltlicher und geistlicher Musik datieren, die von der Hofkapelle bewerkstelligt wurden. Sie stellen jedoch lediglich den kleinen datierbaren Ausschnitt aus der Fülle der Aufführungen dar. 667 Die Reichhaltigkeit des gesamten musikalischen Angebotes ließ den estensischen Diplomaten am Kaiserhof, Giovan Battista Muneretti, 1732 zu folgender, ebenso bemerkenswerter wie aufschlussreicher Einschätzung hinsichtlich des finanziellen Volumens für Musik am Hofe kommen: »Per le opere, per le feste teatrali e per gli oratori spende l’imperatore [= Karl VI.] oltre 180.000 fiorini l’anno in poeti, in maestri di musica, in cantanti, in sonatori, in ingegneri, in pittori ed in ballerini.« 668

662 Vergleichbar mit Caldara ist die Situation des ehemaligen Hofkapellmeisters von Karl in Barcelona, Giuseppe Porsile, der bis 1720 warten musste, bis er als Hofkomponist eine Anstellung am Kaiserhof erhielt. Vgl. Sommer-Mathis, Barcelona 367. 663 Die jährliche Bezahlung betrug ab 1729 3900 fl. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 111. 664 Es befand sich im »Breanschen Haus« (heute Kärntner Straße Ecke Maysedergasse). Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 120. 665 Die Einpassung lässt sich besonders an den Tedeum-Kompositionen studieren, stellten diese doch die »höchste und glanzvollste musikalische Inkarnation des imperialen Zeremoniells« dar. Die Stärke der Trompetenbesetzung ist bei diesen Kompositionen anlassbezogen graduell abgestuft. Vgl. Riedel, Kirchenmusik 200, 204. 666 Vgl. zum Hoftheater jüngst Sommer-Mathis, Spielstätten. 667 Vgl. Riedel, Musikpflege 463–466. 668 Vgl. Bonacini, Muneretti 493. Die Höhe der Angabe ist etwas niedriger angesetzt als bei

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Kantaten für den Kaiser

Der Thronwechsel von Joseph I. auf Karl VI. brachte die übliche personelle Veränderungen mit sich, die auch vor der kaiserlichen Hofmusik nicht haltmachten. Das gesamte Personal wurde nach dem Tod Josephs I. im September 1711 entlassen, dabei wurden mehrere von ihm engagierte Instrumentalisten und Sänger nicht erneut angestellt, sondern durch Favoriten Karls ersetzt, die ihm zum Teil bereits in Spanien gedient hatten. 669 Die Hofkapelle, die ca. 7 % der am Hof beschäftigten 2000 Personen ausmachte, 670 wurde unter Karl erweitert und erreichte mit 134 Angehörigen Mitte der 1720er Jahre ihren Höchststand. 671 Bemerkenswert ist die Vergrößerung einer besonderen Stimmgruppe: »Karl brachte fünf ›musikalische‹ Trompeter und einen Pauker aus Spanien mit und stockte diese unter seinen Vorgängern mit sechs bis acht relativ klein gehaltene Gruppe auf mindestens zwölf auf, was sein Repräsentationsbedürfnis ebenso belegt wie die vielen Werke für seinen Hof mit mehreren Trompeterchören«. 672 Zu diesen zählen im Bereich der Sakralmusik besonders die TedeumKompositionen, aber auch im Bereich der Tafelmusik fanden Bläser und Pauker ihren Einsatz, was wiederum direkte Auswirkungen (nicht nur) auf Caldaras Kantatenkompositionen zeitigte. Neben der Anzahl der Kapellmitglieder stieg unter Karl VI. auch die Zahl der Hofkomponisten. Zu Carlo Agostino Badia, seit Leopold I. in Diensten des Kaiserhauses, stießen bis 1736 Francesco Conti (1713), Gregorio Genovesi (1718), Giuseppe Porsile (1720), Georg Reutter jun. (1731), Matteo Palotta (1733) und Johann Georg Reinhardt (1734). Die Funktion des Hofkapellmeisters erfüllte seit 1715 Johann Joseph Fux 673, der ab 1716 mit Caldara einen Stellvertreter an seiner Seite hatte. Die kompositorischen Tätigkeiten der Genannten lassen sich in Teilen genrespezifisch abgrenzen. Palotta etwa war auf Kirchenmusik spezialisiert, komponierte vornehmlich sakrale A-capella-Stücke. Auf dem Gebiet weltlicher Musik ist auf Conti zu verweisen, der bis 1725 als Hauptkomponist des komischen Genres, der Faschingsopern, zu gelten hat und darüber hinaus vokale Kammermusik lieferte. 674 Caldara oblag es, genreunabhängig, die großen Namenstags- und Geburtstagsopern sowie nach 1726

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Küchelbecker, der zur Hofkapelle 1730 notiert: »Die Kayserliche Hof-Capelle und CammerMusic kostet allein jährlich an die 200.000 fl. und bekommt mancher Musicus, Cantatore und Cantatrice vier, fünff, biß 6.000 fl. jährliche Besoldung«. Küchelbecker, Nachricht 161 f. Vgl. Sommer-Mathis, Barcelona. Vgl. zur Entwicklung der Hofmusik seit Regierungsantritt Karls VI. Riedel, Musikpflege 456–469. Vgl. zur personellen Struktur des Hofes Pangerl, Hof 80. Vgl. Haas, Karrieremöglichkeiten 60–64; Dunlop, Musicians 97–100. Vgl. Seifert, Barock 201. Vgl. zu Fux Flotzinger, Leben sowie ders., Fux. Vgl. hierzu den Catalogo delle Compositioni Musicali, A-Wn Mus. Hs. 2452, Inv. I Karl VI. 1.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI.

auch Faschingsopern zu schreiben. Hinzu kamen jährlich etwa zwei Oratorien, Kompositionen für die Liturgie (vornehmlich Messen 675 und TedeumKompositionen) und für die Kammer, worunter die überwiegende Anzahl von Kantatenkompositionen zu verorten ist. 676 Auf organisatorischer Ebene bildeten Fux und der jeweilige Musik-Oberdirektor (Musikgraf ) eine Schnittstelle zwischen Hofkapelle und Oberhofmeister, für Opernangelegenheiten war darüber hinaus Johann Wolfgang Haymerle als Impresario zuständig. 677 Zu den Musikgrafen zählten während Caldaras Wiener Dienstzeit Graf Ferdinand Ernst von Mollart (1714–1716), Juan de Buxados Conte di Savallà (1717–1721), Principe Luigi Pio di Savoia (1721–1732) und Johann Ferdinand Graf von Lamberg (1732–1740). Ihre und die Fux’sche Aufgabe war es, einen geregelten musikalischen Betrieb am Kaiserhof aufrechtzuerhalten, nachdem jener ab Mitte der 1720er Jahre ins Wanken geraten war. Kompetenzstreitigkeiten 678 und Beschwerden über die Abwesenheit von Musikern häuften sich, so dass 1729 ein Dekret die »nicht dienenden oder ohne erlaubnus abwesenden kay. musicos« und ein Jahr später ein solches »die unordnungen bey der hoffmusic betreff[end]« erlassen werden musste. 679 Die beiden Verordnungen problematisierten die – in Teilen sich über Jahre ziehende – Absenz von Hofmusikern und hierbei besonders das Verhalten 680 der Instrumentalisten und Sänger, wenn Fux und Caldara ihr Dirigat nicht versahen. Ganz unverhohlen geht aus dem Dekret zudem hervor, dass Caldara des Öfteren seinen Diensten ferngeblieben sei, denn er und auch Fux wurden gemaßregelt, sie möchten sich »jederzeit fleissiger als nit bis anhero geschehen, selbst einfinden oder doch wenigstens bey sich ereignender derenselben ein oder anderer rechtmässigen verhinderung der ancianität nach jemand benennen und bestellen [. . . ], der an statt ihrer diene und die music mit behöriger authorität und vernunfft dirigiere«. 681 Von der grundsätzlichen Möglichkeit, sich vom Hof zu

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Vgl. Thalhammer, Studien. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 107. Vgl. zu Haymerle Schindler, Augustini-Oper 132–137. Vgl. Flotzinger, Leben 67; Haas, Karrieremöglichkeiten 6. Beide abgedruckt bei Haas, Karrieremöglichkeiten 79–82, das zweite Dekret findet sich auch abgedruckt bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 491 f. 680 »[D]ergestalten das einige sich unterstehen nicht allein lasterhafft und straffmässige schmachreden gegen einander auszustossen, sondern auch bis aufs rauffen und herausforderen zusammen zu zancken, einige auch mit einer ehedessen nie gehörten verwegenheit sich bisweilen weigern, die ihnen zu gestelte musical[ische] parti zu singen, ja wohl gar sich unterstehen selbige in stücken zu zerreissen und den concert-dispensatoren mit worten übel zu tractiren.« Zit. n. Haas, Karrieremöglichkeiten 81. 681 Haas, Karrieremöglichkeiten 81.

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Kantaten für den Kaiser

entfernen, machte Caldara just im Jahr des zweiten Dekreterlasses selbst Gebrauch, als er 1730 682 gemeinsam mit dem Hofbassisten Marc’Antonio Berti in Italien weilte 683. Die Reise des Hofbassisten fällt in die Kategorie der Abwesenheitsproblematik, war Berti doch, »ohne zu wissen mit wessen erlaubnus«, abgereist. 684 Caldara selbst war wohl mit einer solchen Erlaubnis in die Lombardei verreist, zumindest findet sich keine diesbezügliche Beschwerde. Er komponierte während seines Aufenthalts in Casalmaggiore 685 24 Basskantaten 686, die er im Anschluss an den Italienaufenthalt dem Kaiser nicht allein widmete (12. Oktober 1730), sondern wohl auch persönlich überreichte. 687 Die Pflege von Kantatenkompositionen und deren Aufführung am Kaiserhof schlossen unter Karl VI. an eine Tradition 688 an, die unter Leopold I. im 17. Jahrhundert ihren Ursprung hatte. Sie präsentiert sich heute weniger anhand von begleitend überlieferten Text- oder gar Bildquellen als beinahe ausschließlich anhand der erhaltenen Musikalien, die, wie die eben genannten Basskantaten Caldaras, z. T. in Sammelbänden und häufig ohne Datierung und Angabe des Anlasses überliefert sind. 689 Diese Problematik ist seit Beginn der Kantatenpflege am Kaiserhof greifbar und liegt darin begründet, dass die Mehrzahl der Kantaten, bis hin zu jenen in der Schlafkammer, in privaten Räumen der kaiserlichen Familie zur Aufführung gelangte. Für die private Musikpflege des Kaisers aber erfolgte nur ausnahmsweise eine schriftliche Dokumentation. 682 Der Aufenthalt lässt sich anhand der autographen Musikalien eingrenzen. Die Basskantaten datieren von Juni bis August 1730. Vgl. A-Wgm A 403. 683 Der These von Haas, Caldara sei bis Februar 1731 noch nicht zurückgekehrt gewesen, kann nicht gefolgt werden, da sich die Angabe in der Quelle auf den Hofbassisten Marc’Antonio Berti bezieht, mit dem Caldara gemeinsam nach Italien aufgebrochen war. Vgl. Haas, Karrieremöglichkeiten 66. 684 Die Angabe lässt sich wiederum lediglich auf Berti beziehen. Anders: Haas, Karrieremöglichkeiten 66. 685 Vgl. zu Caldaras noch nicht tiefergreifend untersuchter Beziehung zu Casalmaggiore U. Kirkendale, Caldara (2007) 112. Der Hinweis dort: »eighteen cantatas [. . . ] are dated in the summer 1730 from Casal Maggiore« (112) sowie »in 1732 in Casal Maggiore he wrote no less than 21 cantatas within a single month, from 29 June to 29 July« muss auf die Anzahl von 24 Kantaten revidiert werden. Die Jahreszahl 1732 ist auf 1730 zu revidieren. 686 Vgl. A-Wgm A 403. Das Widmungsexemplar ist in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek überliefert. Vgl. A-Wn Mus. Hs. 17580. 687 Caldara hat selbst auf dem autographen Titelblatt vermerkt, dass er die Kantaten in Casalmaggiore komponiert habe und sie am 12. Oktober 1730 »presentate alla d[ett]a M[aest]à«. Titelblatt zu A-Wgm VI 16567 (7) bzw. A 403. 688 Vgl. zur Kantatenpflege bis zum Regierungsantritt Karls grundlegend Bennett, Cantata. 689 Vgl. hierzu Bennetts Einschätzung: »The cantata sources offer only fragmentary information about the occasions for which cantatas were commissioned during the ascendancy and reign of Joseph I.« Bennett, Cantata 86.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI.

Der Terminus Cantata lässt sich am Kaiserhof erstmals auf Musikalien der Leopoldinischen Zeit finden. 690 Während Leopolds Regierung dienten als Orte der Kantatenaufführungen seine privaten Räumlichkeiten im Bereich des Schweitzerhofs, darunter die kaiserliche Schlafkammer, wo auch seine persönliche Musiksammlung verwahrt wurde. 691 Außerdem etablierte sich während seiner Regentschaft die anlassbezogene Kantatenkomposition, d. h., dass Kantaten für Galatage wie die kaiserlichen Namenstage komponiert und zur Aufführung gebracht wurden. Der Verweis auf Badias Kantaten von 1699 zum Namensfest Leopolds mag hier als Beispiel genügen. 692 Bereits vor Leopold lässt sich mit der Accademia ein Ort nachweisen, an dem auch später noch Kantaten aufgeführt wurden. Sie wurde von Erzherzog Leopold Wilhelm 1656 ins Leben gerufen, erreichte ihren Höhepunkt unter der Kaiserinwitwe Eleonora und wurde bis in die Regierungszeit Josephs I. fortgeführt. »Diese Akademien hatten nicht dieselbe Bedeutung für das künstlerische und wissenschaftliche Leben wie die in Italien; sie dienten eher der privaten Unterhaltung der kaiserlichen Familie und des Hofadels. Es gab immer nur wenige Sitzungen im Jahr, und ihr Leben lässt sich nur in eher zufälligen Spuren verfolgen.« 693 Zur Zeit Josephs I. lassen sich beispielsweise vier Kantatenkompositionen für Sitzungen der Akademie von Marc’Antonio Ziani belegen. 694 Unter Karl VI. wurde zwar 1718 der Plan zur Begründung einer literarischen Akademie aufgegriffen, aber nie verwirklicht, wie die Briefe Apostolo Zenos bezeugen. 695 Zu den quantitativen Verhältnissen der Kantatenpflege am Kaiserhof zwischen 1658 und 1711 hat Bennett grundlegende Ergebnisse vorgelegt, indem er ein 162 Werke umfassendes Repertoire rekonstruierte. Seine Forschungsergebnisse zeigen eindeutig ein steigendes Interesse des Wiener Hofs an der italienischen Kantate im frühen 18. Jahrhundert. Zwischen 1700 und 1711 entstanden 104 der genannten 162 Kantaten. 696 Zum diesbezüglichen Engagement während der Regierungszeit Karls VI. liegen noch keine belastbaren Zahlen vor. Dass die Anzahl der Kantaten für den Hof weiter – und zwar stark – anstieg, ist alleine am Beispiel Caldaras zu ermessen, der neben seinen über 100 Solokan-

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Vgl. Bennett, Cantata 7. Vgl. Bennett, Cantata 28. Vgl. A-Wn Mus. Hs. 16308. Seifert, Akademien 221 sowie jüngst Sommer-Mathis, Akademien. Vgl. Bennett, Cantata 88. Vgl. Seifert, Akademien 221. Vgl. Bennett, Cantata 44 f., 122 f.

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Kantaten für den Kaiser

taten bzw. Kantaten für zwei Stimmen noch zahlreiche größer besetzte Werke dieses Genres vorlegte. Im Folgenden werden die verschiedenen Orte und Anlässe der Kantatenpflege unter Kaiser Karl VI. näher vorgestellt, wobei die zeremoniellen Rahmenbedingungen, in die die Kantatenkomposition eingepasst werden musste, in die Betrachtung einbezogen werden. Der äußere Rahmen der Kantatenaufführungen am Kaiserhof Kilian Reinharths Schrift Rubriche Generali widmet sich eigentlich der Kirchenmusik am Kaiserhof, ist aber auch ein wichtiger Schlüssel zur Einordnung von weltlichen Kantatenkompositionen in das Geflecht des Zeremoniells am Hof Kaiser Karls. 697 Auf Basis der Rubriche lassen sich zwei Funktionen benennen, die in Verbindung mit Kantatenaufführungen stehen und somit für die Pflege dieser Werke besondere Bedeutung hatten: das Servizio di tavola und das Servizio di camera. Ersterem ordnet Reinharth Instrumental- und Vokalmusik zu, die die kaiserlichen Mahlzeiten umrahmte. Bei Letzterem handelt es sich um Musik, die nicht für den Theatersaal vorgesehen war, sondern unterschiedlichen Zwecken in den kaiserlichen Appartements diente. Um Caldaras Kantatenschaffen diesen Bereichen zuordnen zu können, wird nun konkretisiert, was unter den beiden Arten des Servizio verstanden wurde und welche Rolle der Musik hierbei zukam. Das Servizio di tavola Am kaiserlichen Hof war kein spezielles Speisezimmer vorgesehen, daher wurden je nach Anlass und Zeremoniell die Tafeln in unterschiedlichen Räumen der kaiserlichen Appartements aufgestellt: Unter dem Tafeln en publique oder en majesté verstand man die öffentliche Tafel an Festtagen, also an Weihnachten, Ostern, Pfingsten oder zu besonderen Anlässen wie Erbhuldigungen. Sie wurde im Regelfall in der Ritterstube im Leopoldinischen Trakt gehalten, jenem Ort in der Hofburg mit dem höchsten Grad an Öffentlichkeit. 698 Bildlich in Szene gesetzt wurde eine solche Festtafel anlässlich der Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände (1712). Karl VI. speist alleine, die Tafel »stehet ordentlich unter einem Dais, und ist eine Staffel hoch erhaben, und [. . . ] mit Hartschieren und Trabanten umgeben.« 699 Die Mitglieder der Hofmusik sind – analog 697 Vgl. Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503. 698 Vgl. Kalousek, Zeremoniell 321. 699 Küchelbecker, Nachricht 359.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI.

Abb. 6: Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände (1712)

zu Reinharths Beschreibung kaiserlicher Tafelmusiken – »sopra un solito Balcone« positioniert, der sich gegenüber dem Baldachin der Festtafel befand. 700 Die mit großer Detailgenauigkeit festgehaltene Szene kann wohl als repräsentativ für einschlägige festliche Mahlzeiten angesehen werden. Folgt man Riedels Interpretation, so ist bei dieser Erbhuldigungsszene Kapellmeister Ziani beim Dirigat mit Notenrolle einer Komposition für drei Solisten und eine größere Instrumentalbesetzung zu sehen. Hinsichtlich der Musiker ist eine Besetzung mit Streichern und Bläsern verbildlicht, wie sie auch Caldara für Kantaten zur kaiserlichen Tafelmusik herangezogen hat. An Sonn-, Feier- sowie an bestimmten Galatagen 701 wurde die Tafel zu Mittag von Kaiser und Kaiserin in der Ratsstube oder in der zweiten Antekammer eingenommen. Der Zutritt war nur jenen Hofangehörigen erlaubt, die über einen entsprechenden Rang verfügten. 702 Neben den genannten Varianten

700 Vgl. Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503, 99 r. 701 Um 1715 fanden 16 Galatage am Hof statt. Vgl. zum Ablauf eines Galatags Pecˇ ar, Ökonomie 171. 702 Vgl. zu den Hoftafeln Haslinger, Kaiser; Gugler, Hochzeit; Löwenstein, Kaiserhof; Seutter von Lötzen, Tafelzeremoniell; Pecˇ ar, Ökonomie 153 f. Vgl. zum Kammerzutritt unter Kaiser Karl VI. Pangerl, Öffentlichkeit 263–275.

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Kantaten für den Kaiser

war eine weitere das Speisen en retiré oder en famille. 703 Letzteres konnte in der Hofburg in den Appartements »auf des Kaysers Seite« oder »auf der Kayserin Seite« vonstattengehen. 704 Speiste der Kaiser in seinem Appartement alleine, so geschah dies unter größtmöglicher Abschottung. Es wurden keine Gäste zugelassen, und nur wenige Personen wurden zur Bedienung herangezogen. Abends wurde die Tafel in der Regel in den Räumlichkeiten der Kaiserin gehalten. Dort war die Teilnahme der Erzherzoginnen sowie von Gästen, etwa von Gesandten, möglich. Das Tafelzeremoniell bestimmte den Grad an Öffentlichkeit und den Aufwand der Mahlzeiten, lässt aber keine Rückschlüsse auf die die Mahlzeiten begleitende Musik zu. Mit Hilfe der Rubriche Generali ist es aber zumindest etwas genauer möglich, Musik in das Tafelzeremoniell einzuordnen, wobei anzumerken ist, dass Reinharth lediglich zwei Arten der Tafeln unterscheidet: Bei der öffentlichen Tafel vermerkt er, dass zuerst eine »Sinfonia con Trombe e Timpani« erklinge, worauf »ò cantata, duetto, ò terzetto volgare« folge. »Seguendo un’altra Ouverture; continuando così a vicenda, sino che basti.« Für die Tafelmusik 705 bei der nichtöffentlichen Tafel verweist Reinharth explizit auf Aufführungen während des kaiserlichen Speisens: »Ma se sua M[aes]tà Ces[are]a mangia in Camera? Vi è il servizio di Tavola solito con cantate.« 706 Im Zuge der Hoftafel waren weltliche Kantaten somit ein wichtiger Bestandteil der »meistentheils [. . . ] unvergleichliche[n] Music« 707. Die Tafelmusik war ein selbstverständlicher Teil des Servizio di tavola. Nur selten kam es zu so detaillierten Aufzeichnungen wie 1730, als das Wiennerische Diarium von der Namenstagsfeier der Kaiserin am 19. November berichtet: »Zu Mittag haben beede Regierende kaiserl. Majestäten offentlich unter einer fürtreflichen Tafel-Music, dabey eine Italiänische auf den Allerhöchsten Namen Ihrer Majestät der Regierenden römischen Kaiserin zielende und von Herrn Frantz Brunamonti, einem Römer, verfaste, von dem in kaiserli. Diensten stehenden Herrn Johann Peroni aber in die Music gebrachte sehr schöne Cantata, gespeiset.« 708

703 Vgl. zum Begriff des Speisens en retiré Hofmann-Randall, Hofzeremoniell 76, zum Tafelzeremoniell Moser, Hof-Recht, Bd. 2 508; Küchelbecker, Nachricht 359–362. 704 Küchelbecker, Nachricht 362. Vgl. zur Appartementeinteilung im Leopoldinischen Trakt Kalousek, Zeremoniell 321. 705 Der Begriff Tafelmusik bezeichnet hier keine spezifische Gattung, sondern ist als funktionaler Begriff zu verstehen, der unterschiedliche musikalische Gattungen subsumiert. Vgl. Clostermann, Fröligkeit 143. 706 Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503, 38 r. 707 So das Urteil zur Tafelmusik unter Karl VI. von Küchelbecker, Nachricht 362. 708 Wiennerisches Diarium, Nr. 93, 22. November 1730.

Die kaiserliche Hofmusik und die Kantatenpflege unter Karl VI.

Zieht man Berichte zu den Galatagsfeiern über einen längeren Zeitraum in Betracht, stellt man fest, dass bereits die Spezifizierung der Tafelmusik mit Begrifflichkeiten wie »Cantata« nur selten vorgenommen wurde; wenn darüber hinaus noch Textdichter und Komponist erwähnt werden, muss dies als absolute Ausnahme gelten. Ein Spezifikum der weltlichen Vokalmusik für die Tafel wird hier ebenfalls erwähnt und ist für deren Funktion von Bedeutung: Der Kantatentext Brunamontis hat das Lob der Gefeierten zum Gegenstand und passt sich damit in die typischen musikalischen Ehrerweisungen ein, die anlässlich von Galatagen entstanden sind. Wenn Kantaten solche thematischen Schwerpunkte aufweisen, können sie, wie für Caldara zu zeigen sein wird, auch einem konkreten Aufführungsanlass und -datum zugeordnet werden, ja, es ist sogar möglich, einzelne Sänger zu benennen. Für den größeren Teil der Kantaten, die für das Servizio di tavola bestimmt waren, ist eine exakte Datierung der Aufführung jedoch nicht möglich, da sich keine Informationen darüber erhalten haben, wie jeweils die konkrete Ausgestaltung der Tafelmusik beschaffen war. Zumindest konnte Riedel feststellen, dass die Hofmusiker im Jahresschnitt etwa zwölfmal für Tafelmusik herangezogen wurden. 709 Das statistische Ergebnis lässt sich aber nicht für alltägliche musikalische Dienste fruchtbar machen, sondern bezieht sich auf die Aufführungen größer besetzter Tafelmusik zu bestimmten Feierlichkeiten. 710 Das Servizio di camera Der Terminus Servizio di camera bezeichnet ähnlich heterogene Inhalte wie der des Servizio di tavola. Reinharth setzt ihn wiederum mit Musik gleich, ohne zu differenzieren, welche Art von Musik gemeint ist. Am Beispiel des Namenstags der Kaiserin zeigt sich, dass er die Bezeichnung nur dann gebraucht, wenn es gilt, Musik für die Kammer von jener für die Theaterbühne abzugrenzen: »Gala Grande. Servizio di Tavola mattina, e sera per tutti. Servizio di Cam.ra, overo Opera.« 711 Diese Einteilung ist analog zu den beiden Gruppen von Festen zu sehen, die aus zeremonieller Sicht unterschieden werden: erstens nämlich solche, die zu »großen öffentlichen Aufführungen [führten], zu denen der gesamte Hofstaat, der hohe und der niedere Adel, die Geistlichkeit, die Botschafter und Gesandten sowie andere bedeutende Gäste Zutritt hatten«. Zweitens kam es zu 709 Vgl. Riedel, Kirchenmusik 18–20; sowie ders., Musikpflege 458. 710 Vgl. Riedel, Kirchenmusik, besonders die Tabelle 2 (Musikalische Aufführungen am kaiserlichen Hof in Wien 1716–1719), 460–468. Für das Jahr 1716 wird in der Übersicht die Tafelmusik dreimal, 1717 fünfmal, 1718 elfmal, 1719 fünfmal erwähnt. 711 Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503, 61 r.

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Kantaten für den Kaiser

»sogenannten ›Kammerfeste[n]‹ für einen engeren, oft engsten Zuschauerkreis«. Dazu zählten die kaiserliche Familie sowie Kammerherren, Hofdamen und Geheime Räte. 712 Metastasio beschreibt ein solches Kammerfest als »privatissima«, an dem nicht einmal die »dame più grandi di Vienna« teilnehmen durften und bei dem die Hofdamen gezwungen gewesen seien, in Maske zu erscheinen, »per esser a parte di tant’onore.« 713 Bennett schlägt vor, den »hybrid term« Servizio di camera als Musikdarbietungen aufzufassen, die »often replaced larger theatrical entertainments during periods when the court was in mourning or at times when it became difficult for the court to mount elaborately staged productions.« 714 Diese Definition entpuppt sich freilich als zu eng, denn nicht immer waren es ressourcentechnische Probleme oder Trauerzeiten, die zu einem Servizio di camera führten, mitunter hatte es auch zeremonielle Gründe. Bei Festen nichtregierender Mitglieder der kaiserlichen Familie kam das Servizio di camera ebenso zum Tragen wie bei Feierlichkeiten der regierenden Mitglieder, beispielsweise bei musikalischen Aufführungen der Erzherzoginnen zu Ehren ihrer Eltern. Überdies sind Beispiele für die Faschingszeit belegbar, 715 die ebenso Raum für Kammerfeste bot, an denen wiederum kaiserlichen Familienmitgliedern eine aktive Rolle zukam. Unter dem Servizio di camera ist weiterhin Klangliches zu fassen, das zur Musikerziehung, zum persönlichen Musizieren der kaiserlichen Familie und zu deren Unterhaltung, dem Plaisir, herangezogen wurde. Die Familie musizierte und rezipierte Musik hierbei »nur im engsten, vertrauten Kreis unter Ausschluß der Öffentlichkeit«. Das Repertoire war »im wesentlichen auf weltliche Werke beschränkt« und schloss Kantaten ein. 716 Ist die Musikerziehung der Erzherzoginnen quellentechnisch noch gut belegbar, 717 so ist es bis dato nicht möglich, valide Aussagen über die Rezeption von und die eventuelle Beteiligung an der Aufführung von Caldaras Kantaten im informellen Umfeld der kaiserlichen Familie zu treffen, sofern die Stücke nicht explizit bei einem feierlichen Anlass zur Aufführung kamen, der in den höfischen Quellen dokumentiert ist.

712 Vgl. Sommer-Mathis, Theatrum 515. Vgl. hierzu auch Pecˇ ar, Ökonomie 172; Pangerl, Öffentlichkeit 266–267. 713 Metastasio, Opere, Tomo XIII 83 714 Bennett, Cantata 7. 715 Vgl. Scheutz, Fasching 126 f. und 140 f. 716 Seifert, Musizieren 503. Welchen Stellenwert Kantaten bei der fürstlichen Musikausübung hatten, wäre noch tiefergehend und im Bezug auf das Repertoire vergleichend zu untersuchen. Interdisziplinäre Denkanstöße auf dem Gebiet gibt der folgende jüngst vorgelegte Band Cremer–Müller–Pietschmann, Fürst. 717 Vgl. zur Musikerziehung von Erzherzogin Maria Theresia Schwab, Maria Theresia.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Weitere Anlässe für Kantatenaufführungen Ein Ort, der Gelegenheit zur Aufführung von Kantaten bot und neben den Privaträumen in der Hofburg dem musikalischen Plaisir der kaiserlichen Familie zugeordnet werden kann, ist die Sommerresidenz Favorita auf der Wieden. Schloss und Garten waren nach dem Wiederaufbau der Anlage ab 1690 zu einem zentralen Schauplatz von Festlichkeiten der Familie geworden. Außer der Musik zu den Hochzeiten von 1719 und 1722 und den zahlreichen Augustini-Opern zu Ehren Kaiserin Elisabeth Christines erklangen dort auch kleiner besetzte Werke. 718 Dafür dienten die Räumlichkeiten der Favorita ebenso wie der weitläufige Garten. Zu den festlichen Höhepunkten im Schlossgarten ist die Aufführung von Angelica vincitrice di Alcina zu zählen. Dass der Garten auch als Ort für Kantatenaufführungen diente, lässt sich aus der Text- wie der Musikanalyse ableiten.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras Caldaras Kantatenschaffen für den Kaiserhof Eingangs des Kapitels wurde mit der Anstellung Caldaras als kaiserlicher Vizekapellmeister 1716 eine strikte zeitliche Zäsur zwischen dessen Tätigkeiten in Rom und in Wien suggeriert. Allzu trennscharf sollte diese freilich nicht interpretiert werden, hatte der Komponist doch bereits vor diesem Datum für das Haus Habsburg komponiert, zum Teil auch in einem Anstellungsverhältnis, das 1711 – wie dargestellt – mit dem Thronwechsel von Joseph I. auf Karl VI. dann doch nicht weitergeführt wurde. 719 Dass auch Caldara selbst bzw. dessen engstes Umfeld das Jahr 1716 nicht als scharfen Einschnitt begriff, belegen zwei sehr viel spätere Gesuche seiner Frau. Im Mai und im September 1737 nämlich sollte Caterina Caldara Supplikationen an den kaiserlichen Hof mit der Bitte um Geld übermitteln. Nach dem Tod ihres Mannes Ende 1736 war ihre finanzielle Situation problematisch geworden, da sie kein Anrecht auf eine Witwenpension hatte – eine solche war schon zu Lebzeiten des Mannes ausbezahlt worden. 720 Caterina musste, so ihre Darstellung, aber Mutter und Tochter verpflegen und versuchte daher alles, um dennoch ein kleines Auskommen zu haben. Die Bitte 718 Vgl. Schwarz, Sommerresidenz sowie jüngst Sommer-Mathis, Visiones. 719 Vgl. zu den Kompositionen Caldaras mit Bezug zu Karl III. die Übersicht bei Sommer-Mathis, Música 191–193. 720 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 112. Es handelte sich um einen Betrag von 12.000 fl.

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Kantaten für den Kaiser

auf eine Post-mortem-Zahlung begründete sie, typisch für solche Schreiben, mit der langen Dienstzeit und den »Meriten«, den ungezählten Werken ihres Mannes für den Kaiserhof. Besonders augenfällig sind in den Supplikationen die Angaben zu den Dienstjahren. Da diese zeitliche Einordnung relevant für die Datierung von Kantaten ist sowie einen Hinweis auf die Überlieferung der Musikalien gibt, sei in der Folge auf beide Aspekte eingegangen und mit der auf den ersten Blick verwunderlichen Angabe der Witwe zur Dienstzeit Caldaras begonnen: Im ersten der beiden Schreiben findet sich gleich zu Beginn der Hinweis, »che per il corso d’anni venticinque [Caldara] à avuto il sommo onore di servire indefessamente alla SC.C.R.M.C. tanto con aver fornita l’aug[ustissi]ma capella di quantità di compositioni per servizio devino, come in opere, ed in tutto quello, che era di sua capacità«. 721 In der darauffolgenden Bittschrift wird die Dienstzeit noch um ein Jahr verlängert: »per lo spazio d’anni 26 continui« soll Caldara für Karl VI. tätig gewesen sein. 722 Diese Angabe erstaunt, war doch Caldara erst im Jahr 1717, rückwirkend zum 1. Januar 1716, offiziell als Vizehofkapellmeister bestätigt worden, so dass er es bis zu seinem Ableben auf lediglich 20 Jahre in habsburgischen Diensten gebracht zu haben scheint. 723 Daher verwundert es, dass das für derartige Bittschriften zuständige Personal im Oberhofmeisteramt diese Übertreibung nicht monierte (selbst wenn man in Rechnung stellt, dass solche bei Supplikationen üblich waren). 724 Doch Caterina kalkulierte anders: Offensichtlich sollte mit dieser Zeitspanne eine, aus der Sicht der Familie Caldara durchaus plausible, zeitliche Kontinuität zum Ausdruck gebracht werden, die ihren Ausgangspunkt mit Caldaras Anstellung als Kapellmeister am Hof Karls III. im Jahr 1711 gehabt hatte. Kontinuierlich hatte der Komponist seit diesem Zeitpunkt tatsächlich im Laufe der von seiner Witwe geltend gemachten 25 Jahre Werke für dessen Hof vorgelegt, so beispielsweise 1712 das Oratorium La Francesca Romana, das »von jedermann sehr angerümet worden« 725 sei; auch Kantatenkompositionen für Wien lassen sich bis 1712 zurückverfolgen. Damit diese in die folgenden Analysen einbezogen werden können, folgt die Untersuchung Caterina Caldaras Angabe und dehnt den zu betrachtenden Zeitraum auf 25 Jahre aus. 721 Das Schreiben ist abgedruckt bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 488, Dok. 252. 722 U. Kirkendale, Caldara (2007) 490, Dok. 257. 723 Vgl. die Angabe im Hofparteiprotokoll vom Februar 1717, U. Kirkendale, Caldara (2007) 480 f., Dok. 238 und Dok. 239. 724 Vgl. zu Supplikationen von Hofmusikern Haas, Karrieremöglichkeiten 11–17, zu den Dienstzeiten und Meriten besonders 53–59. 725 Vgl. zu weiteren – bis dato z. T. noch nicht exakt datierten – Musikalien in den fünf Jahren vor der Anstellung als Vizekapellmeister Sommer-Mathis, Música 192 f.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Die erste datierbare Kantate Caldaras für das Kaiserhaus ist demzufolge das Werk Io soffrirò tacendo, das er am 7. März 1712 in Wien beendet hatte. Auch die früheste Komposition, die er in seiner Funktion als Vizekapellmeister 1716 vorlegte, ist eine Kantate. Das Ende der Komposition von Da te che pasci ogn’ora lässt sich auf den 22. Juli 1716 datieren. Beide Stücke sind den Continuo-Kantaten zuzuordnen und weisen damit jene Besetzung auf, die für das Wiener Repertoire charakteristisch ist. Caldaras Aufgabenbereich hatte sich, wie schon mehrfach angeklungen, gegenüber seiner Tätigkeit in Rom maßgeblich verändert. Als Hauptkomponist des Hofes nahm er wohl nur in sehr begrenztem Ausmaß administrative Tätigkeiten wahr. 726 Da sich seine Verpflichtungen von der Kantatenproduktion überwiegend auf die Komposition und das Dirigat von Opern und Sakralmusik (Oratorien, Messen) verlagerten, stellt sich sein Kantatenschaffen nicht annähernd so kontinuierlich dar wie in Rom. Dank der eigenhändig von ihm datierten Musikalien sowie der Datierungen von Kopien lässt sich die Verteilung der Kantaten zwischen den Jahren 1712 und 1736 rekonstruieren (siehe Grafik 10). 727 Der Grafik lässt sich entnehmen, dass neben den zeitgenössisch gängigen Soprankantaten eine nennenswerte Anzahl für Bass entstand. Die Besetzung mit Bassstimme und Basso continuo ist innerhalb des rekonstruierten Quellenkorpus die am häufigsten anzutreffende Variante. Zudem zeigt sich, dass die Komposition von Kantaten für die unterschiedlichen Stimmlagen nicht vergleichbar regelmäßig erfolgte. Während es innerhalb des Untersuchungszeitraums durchgehend zur Komposition von Soprankantaten kam, beschränkt sich die Komposition von Basskantaten auf die späten 1720er Jahre. Ein vergleichender Blick auf die Komponistengeneration vor Caldara zeigt, dass bis 1711 keine solchen Werke im Repertoire der kaiserlichen Kapelle auszumachen sind. 728 Das hohe Aufkommen dieser Besetzung scheint von den kaiserlichen Vorlieben nicht unbeeinflusst gewesen zu sein. Dass Caldara ausgerechnet den umfangreichsten Band seines Kantatenœuvres ausschließlich mit Basskantaten versah und dem Kaiser widmete, lässt, um das Mindeste zu sagen, dessen entsprechende Vorliebe für die Stimmlage vermuten.

726 Die administrative Hauptlast fiel auf Kapellmeister Fux. Vgl. Flotzinger, Leben 63, 67. 727 Bei einigen der Kantaten konnte das genaue Entstehungsjahr nicht rekonstruiert werden. Zur Darstellung in der Grafik wurde jenes Jahr herangezogen, in dem oder vor dem die jeweilige Kantate spätestens entstanden sein muss. Vgl. die chronologische Übersicht der Kantaten in Anhang II. 728 Vgl. die Übersicht bei Bennett, Cantata 144.

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Kantaten für den Kaiser

30

1 2

25

20

Kantatenanzahl

230

1

15

6

1 2

13

24

10

4

5

10

1 1 3

0

1712

1716

1

1

1 1

1717

1718

1722

Sopran

Alt

1 1 2

5

1726

1727

Bass

1

1 1 2

7

1728 1729 Jahre

Kantaten für 2 Stimmen

6 4 1 1730

1731

1732

1

2 1

1733

1734

o.D.

größer besetzte Kantaten

Grafik 10: Verteilung der erhaltenen Kantaten

Zu den konkreten Entstehungsbedingungen der Kantaten ist nur wenig Information erhalten. Bei einer Komposition wird auf dem Titelblatt explizit auf den Auftraggeber hingewiesen: Nigella e Tirsi wurde »per comando dell’Augustissima Imperadrice Regnante« komponiert. 729 Die Komposition anlassbezogener Kantaten erfolgte im Regelfall zeitnah. Vergleicht man deren Datierungen mit dem Datum ihrer Aufführung, so liegt meist nur eine Handvoll Tage dazwischen. La garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore 730 beispielsweise wurde fünf Tage vor ihrer Aufführung am Namenstag von Kaiserin Elisabeth Christine beendet. Dass die größte Kantatensammlung, die 24 aus dem Jahr 1730 stammenden Basskantaten, in Beziehung zur lombardischen Stadt Casalmaggiore zu bringen ist, ist alleine dem Hinweis des Komponisten selbst zu verdanken, den er auf den Musikalien hinterlassen hat. Offensichtlich war es ihm wichtig, mit der Ortsangabe auf seinen Werken – Opernkompositionen sind hiervon nicht ausgenommen – transparent zu machen, dass er trotz Abwesenheit vom Kaiser729 A-Wn Mus. Hs. 17645. Vgl. zu den Datierungen die Ausführungen im Kapitel Quellengrundlage. 730 A-Wgm A394 (3).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

hof für diesen tätig war. Casalmaggiore hatte besonders in den 1730er Jahren für Caldara eine wichtige Rolle gespielt und muss sie nach seinem Tod auch für seine Frau behalten haben. Wie eingangs des Kapitels erwähnt, befand sich Caterina Caldara nach 1736 in einer schwierigen Lage. Schon zu Lebzeiten waren die Pensionsgelder ausgezahlt worden, da der Komponist »aniezo [=1731] anstatt der Pension nur für dieß einzige Mahl ein aiuto von 12000 fl in barem Gelt« benötigte, »umb dafür einen stabilem Fundum zu seiner und seiner armen Famille besserer unterhaltung erkauffen zu können«. 731 Bereits Kirkendale hat mit Blick auf die Auszahlung der Pensionsgelder darauf hingewiesen, dass Caldara um 1730 im Bereich von Casalmaggiore eine Immobilie erworben haben müsse. 732 Als gesichert kann gelten, dass er sich dort im Juli und August 1730 und wiederum im September 1732 aufgehalten hat. 733 Im Anschluss an seinen zweiten Aufenthalt hatte er bis zu seinem Tod gehofft, noch einmal in die lombardische Stadt reisen und bei dieser Gelegenheit seine Tochter als Nonne einkleiden zu können. Wie aus einem Schreiben Caterina Caldaras an Karl VI. hervorgeht, war einer weiteren Italienreise 1736 bereits zugestimmt worden, die nur der Tod des Komponisten verhinderte. 734 Doch die Witwe ließ von dem ursprünglichen Plan offenkundig nicht ab. Wie anders, als dass die gemeinsame Tochter doch noch in ein Kloster in Casalmaggiore eintrat, sollte das Sonett Giovanni Nicolò Busis interpretiert werden, das explizit für die Einkleidung von »Maria Sofia Caldara nel monastero di s. Chiara di Casalmaggiore« verfasst worden war. 735 Dieses Gedicht ist bis dato der einzige Beleg, dass die Witwe mit ihrer Tochter Wien nach 1738 736 verlassen hat. Es erscheint sehr plausibel, dass sie vor der Abreise die Musikalien ihres Mannes verkaufte, dar-

731 Vgl. das Referat zur Petition Caldaras vom 27. September 1731 bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 484, Dok. 246. 732 Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 112. Zur Immobilie konnte auch mit Hilfe des städtischen Archivs noch nichts in Erfahrung gebracht werden. Für die Hilfe sei Vittorio Rizzi von der Biblioteca Civica di Casalmaggiore herzlich gedankt. 733 Vgl. zu 1730 die Kantatendatierungen im Anang II sowie zu 1732 die Datierung der Festa teatrale L’Adriano, Kraus, Biographie 172. 734 »Oltre di che si trova con l’atrocissimo dolore di non poter compire alla mente del deffonto consorte, che era di monacare la figlia, per il qual motivo aveva clementis. la M.V. accordatale la grazia di portarsi in Italia, come per cercare con la mutazzione dell’aria qualche rimedio al principio della sua malatia, quando che la morte à reso inutile ogni di lui desiderio e pensiere.« Der Brief ist abgedruckt bei U. Kirkendale, Caldara (2007) 488, Dok. 252. 735 Romani, Storia 417. Anders: U. Kirkendale, Caldara (2007) 123: »His pious plan to send her into an Italian convent – ›monacare la figlia‹ (Doc. 252) – was thwarted by his death.« 736 Bis in dieses Jahr kann sie aufgrund ihrer Supplikationen in Wien nachgewiesen werden. Vgl. U. Kirkendale, Caldara (2007) 490 f.

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232

Kantaten für den Kaiser

unter zahlreiche autographe Kantaten aus der römischen Zeit, die sich heute in großer Zahl im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde befinden. 737 Auf Basis der Textanalyse sowie unter Berücksichtigung der Hinweise auf den Musikalien war es möglich, einige der im Laufe von 25 Jahren verfassten Kantatenkompositionen höfischen Anlässen zuzuordnen. Unterschieden werden für Letztere einerseits regelmäßig wiederkehrende festliche Aktivitäten, also etwa Namens- und Geburtstage der kaiserlichen Familie, und andererseits außerordentliche Ereignisse wie Hochzeiten. 738 Die Karnevals- bzw. Sommerzeit bot zusätzlich Gelegenheit, Kantaten aufzuführen. Die Liste der Aufführungsanlässe (siehe Tab. 22) verzeichnet die einschlägigen Werke des Komponisten; bei dem Großteil davon gelang es, das exakte Aufführungsdatum, den Anlass und den Aufführungsort zu rekonstruieren. In Klammern wurde, wenn möglich, das Beendigungsdatum der Komposition (K) angegeben, so dass nachvollzogen werden kann, wie zeitnah die Aufführung erfolgte. Kantaten für das Servizio di tavola Vier der in der Liste genannten Kantaten Caldaras konnten eindeutig dem Servizio di tavola zugeordnet werden: Trionfo d’Amore e d’Imeneo, La garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore, Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio und Oh del Romano Impero. Der Trionfo d’Amore e d’Imeneo war nicht in der Hofburg, sondern bei der Feierlichkeit zur Hochzeit des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht mit der Josephinischen Erzherzogin Maria Amalia am 5. Oktober 1722 in der kaiserlichen Sommerresidenz Favorita auf der Wieden zu hören gewesen. Eine zu dieser Hochzeit gedruckte Relation gibt detailliert den Verlauf des Schauessens wieder, hingegen erfährt man lediglich in einem Halbsatz, dass die hohen Herrschaften »unter einer stattlichen Music« zur Tafel saßen. 739 Diese war, wie bei der drei Jahre zuvor ebendort abgehaltenen Hochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit Erzherzogin Maria Josepha 740, im Komödiensaal aufgebaut worden. Die Tafelmusik, besonders das »Wind-Werk«, war vom »Bogen-Gang« aus zu hören gewesen. 741 Die Verbindung der Kantatenkomposition mit der Hochzeit kann mit Hilfe eines eigenhändigen Hinweises Caldaras auf

737 Vgl. hierzu die Ausführungen im Kapitel Quellengrundlage. 738 Vgl. zu den Festen am Wiener Hof zur Zeit Caldaras u. a. Gugler, Hochzeit; Fritz-Hilscher, Virtù; Sommer-Mathis, Austria; dies., Theatralfest; dies., Festa. 739 Vgl. o. A., Beschreibung 6. 740 Vgl. zur öffentlichen Tafel dieser Hochzeit grundlegend Gugler, Hochzeit. 741 O. A., Vollstaendige Beschreibung (1722) 4.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Jahr bzw. exakte Datierung der Aufführung

Titel

Anlass

Ort

5. Oktober 1722

Trionfo d’Amore e d’Imeneo

Hochzeit des bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht mit Erzherzogin Maria Amalia

Favorita auf der Wieden

Mai 1726

Come debba esser condotta una reciproca simpatia

Sommer 1726

Nigella e Tirsi

1727

Atalipa e Doriene

Fasching

Hofburg

1728

Vieni o compagna

Fasching

Hofburg

19. November 1729 (K: 14. November 1729)

La garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore

Namenstag von Kaiserin Elisabeth Christine

Hofburg

15. Oktober 1730 (K: 8. Oktober 1730)

Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio

Namenstag von Erzherzogin Maria Theresia

Hofburg

4. November 1730 (K: 11. Oktober 1730)

Germana: il dì che splende

Namenstag von Kaiser Karl VI.

Hofburg

19. November 1732 (K: 14. November 1732)

Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio

Namenstag von Kaiserin Elisabeth Christine

Hofburg

4. November 1733 (K: 31. Oktober 1731)

Oh del Romano Impero

Namenstag von Kaiser Karl VI.

Hofburg

15. Oktober 1735 (zweite Aufführung)

Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio

Namenstag von Erzherzogin Maria Theresia

Hofburg

ohne Datierung

Scorre l’Istro festante

Geburtstag von Erzherzogin Maria Theresia

Hofburg

Tab. 22: Aufführungsanlässe

Im Garten der Favorita auf der Wieden

233

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Kantaten für den Kaiser

dem Titelblatt hergestellt werden: »Cantata a 5 8bre 1722« ist dort notiert. 742 Darüber hinaus ist der Kantatentext mit den allegorischen Tafelaufbauten der Hochzeitstafel verknüpft, wie zu zeigen sein wird. Am 19. November 1729 kam die Solokantate La garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore zur Aufführung. Caldara hatte sie fünf Tage zuvor beendet und notiert: »In festeggiare il Gloriosissimo Nome della S. C. C.R.M. di Elisabetta Christina Imperadrice Regnante«. 743 Die Zeremonialprotokolle halten zu den Ereignissen dieses Tages fest: »zu Mittag speiseten die regierendkays[erlichen] M[ayes]teten unter einer vortreff[lichen] Taffel-Music offentlich«. 744 Da für den Nachmittag von einer Vorstellung der Festa teatrale Telesilla von Giuseppe Porsile und von keiner weiteren Tafel berichtet wird, ist davon auszugehen, dass die Kantate während der Mittagstafel vorgetragen wurde. Den Hinweis, dass auch die Kantate Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio während einer kaiserlichen Tafel aufgeführt wurde (nämlich 1732), hat Caldara wiederum selbst hinterlassen. Auf dem autographen Notenmaterial notierte er: »Per servigio di Tavola il giorno glorioso di S[an]ta Elisabetta l’anno 1732«. 745 Eine solche Anmerkung ist für die Zuordnung der Aufführung ein Glücksfall, fehlen doch in den höfischen Aufzeichnungen Hinweise zur kaiserlichen Tafel dieses Tages. Es wird lediglich von der »prächtigen Gala« und von einem »Theatral-musical[ischen] festin Zenobia 746 benambset« berichtet, das indes am Abend aufgeführt wurde. 747 Bei der Instrumentalbesetzung griff Caldara für Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio auf eine – für Kantaten auf den ersten Blick – außergewöhnliche Variante zurück, näherhin auf die Begleitung mit Pauken und Trompeten. Wie aus Reinharths Beschreibung hervorgeht, waren diese Instrumente für die Tafelmusik zeremoniell notwendig, so dass Caldara eine ideale Verbindung zwischen der Kantatenkomposition und dem zeremoniellem Usus gelungen war. 748 Dies trifft gleichermaßen auf eine Namenstagskantate zu, die wohl am 4. November 1733 zur Tafel erklang, Oh del Romano Impero. Auf dem autograph erhaltenen Notenmaterial sind in diesem Fall keine Hinweise zum Aufführungsanlass zu finden, ausgehend vom Text kann das Werk aber der Feier des kaiserlichen Namensfests zugeordnet werden. An diesem jährlich wiederkehrenden Galatag wurde in der Regel zweimal Tafel gehalten und am Abend 742 743 744 745 746

A-Wgm A 394 (1). A-Wgm A394 (3). A-Whh OMeA ZP 14, 319 v–320 r. Vgl. A-Wgm A 404 (3). Die Komposition stammte von Georg Reutter, der Text von Giovanni Claudio Pasquini, vgl. A-Wn Mus. Hs. 17975. 747 A-Whh OMeA ZP 15, 143 r. 748 Vgl. zu Caldaras Werken mit Trompetenbesetzung Brown, Trumpet.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

eine Oper aufgeführt. 749 Oh del Romano Impero ist wie Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio mit Pauken und Trompeten besetzt, was darauf hindeutet, dass die Kantate für das Servizio di tavola und nicht etwa für ein Servizio di camera herangezogen wurde. 750 Kantaten für das Servizio di camera Für fünf Kantaten gelang die eindeutige Zuordnung zum Servizio di camera 751: Atalipa e Doriene, Vieni o compagna, Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio, Germana: il dì che splende und Scorre l’Istro festante. Die ersten beiden waren für den Karneval der Jahre 1727 und 1728 bestimmt. Zu ihnen finden sich keine weitergehenden Informationen zum Aufführungsanlass in den höfischen Aufzeichnungen, lediglich aus den Titelblättern der Kopien geht hervor, dass sie im einen Fall »per Carnavale dell’Anno 1727«, im anderen, »da Rappresentarsi dalle Serenissime Arciduchesse nel prossimo Carnevale Dell’Anno 1728« komponiert worden seien. Die Titelblätter liefern überdies den Schlüssel zur Funktion der Kompositionen. Bei Atalipa e Doriene wird sie als »Cantata a due Voci da servir per Introduzione a Festa di Ballo«, bei Vieni o compagna als »Festa di Camera per Introduzione al Ballo« ausgewiesen. Ihre jeweilige musikalische Aufgabe war es mithin, den nachfolgenden Kammerball einzuleiten, was sich auf die inhaltliche Disposition wie die musikalische Struktur beider Werke auswirkte. Der Auftakt zum Ball war demzufolge so gestaltet, dass die beiden Erzherzoginnen zuerst das Vokalstück vortrugen und im direkten Anschluss auch den ersten Tanz bestritten haben müssen. 752 Die in der chronologischen Folge nächste dem Servizio di Camera einzuordnende Kantate, ist der Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio 753. Die Komposition stand am 15. Oktober 1730 und erneut am selben Tag des Jahres 1735 auf dem Programm anlässlich der Namenstagsfeier von Erzherzogin Maria Theresia. Elisabeth Th. Fritz-Hilscher zweifelt an einer Aufführung 1730, da diese infolge des Todes von Erzherzogin Maria Amalia (1724–1730) abgesagt worden

749 Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503, 60 v. 750 Vgl. hierzu die Einschätzung von Brown mit Bezug auf die Besetzung: »The servizio di camera was a relatively small and intimate piece (rarely with trumpets) akin to an extended cantata«. Brown, Trumpet 10. 751 Welche Räumlichkeiten für die Aufführungen genutzt wurden, ist bis dato noch nicht geklärt. Vgl. hierzu auch Fritz-Hilscher, Virtù 129. 752 Die (zeremonielle) Ausgestaltung der Kammerbälle am Wiener Hof wurde noch nicht eingehend untersucht und stellt noch ein Desiderat der Forschung dar. 753 Vgl. A-Wgm A 398 (2).

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sei und sich keine Angaben zur Besetzung auf der Partitur nachweisen ließen. 754 Auf Basis der Zeremonialprotokolle und des Wiennerischen Diariums lässt sich hingegen belegen, dass am 15. Oktober 1730 »in gegenwart der allerhöchsten Herrschafften in höchst gedacht Ihro dhlt. Cammer eine vortreffliche Serenada gehalten« 755 wurde, die mit dem eigens hierfür komponierten Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio Caldaras in Verbindung zu bringen sein dürfte. Bei Germana: il dì che splende (1730) hat Caldara wiederum persönlich auf den Musikalien vermerkt, dass er die Komposition »per Servizio delle Seren:me Arciduch:e« vorgenommen habe. Ein weiterer Hinweis von seiner Hand hebt hervor, dass die Erzherzoginnen »in Persona loro« das Werk vorgetragen haben sollen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kam es im Zuge des kaiserlichen Namenstages am 4. November 1730 zur Aufführung. Das letzte hier anzuführende Werk, Scorre l’Istro festante 756, ist dem Geburtstag Maria Theresias zuzuordnen und ist, obwohl das Notenmaterial autograph vorliegt, nicht datiert. Dem Stück kommt eine singuläre Bedeutung zu, denn üblicherweise wurden Huldigungswerke für die Erzherzoginnen lediglich für deren Namens-, nicht aber für ihren Geburtstag komponiert. 757 Allerdings geht die Verbindung zu diesem Anlass aus dem Text eindeutig hervor. Beides – der Umstand, dass sich abgesehen von diesem Werk keine Geburtstagskantaten finden, und der unzweideutige Bezug – legt die Vermutung nahe, dass die Kantate für eine familieninterne Feier zur tatsächlichen Geburt der späteren Kaiserin 1717 entstand, nicht etwa zu einer ihrer späteren Geburtstagsfeierlichkeiten. 758 Weitere Anlässe Die Sommerresidenz Favorita auf der Wieden war bereits vor der Regierungszeit Karls VI. ein zentraler Ort des kaiserlichen Plaisirs, vor allem für die weiblichen Familienmitglieder. 759 Hierzu passt, dass die einzige Kantate Caldaras, die einer Aufführung im Garten der Favorita zuzuordnen ist, Nigella e Tirsi, von der Kaiserin – und nicht etwa vom Kaiser – in Auftrag gegeben worden war. Zwar verrät das Titelblatt nichts über den Aufführungsort, doch der Kantatentext verlegt den Ort des Geschehens direkt in die Sommerresidenz, und die 754 Vgl. Fritz-Hilscher, Virtù 138 f. Die Angaben zur Besetzung finden sich im Normalfall auf den Notenkopien der Huldigkungswerke der Jahre 1720 bis 1740 für Maria Theresia und Maria Anna. 755 A-Whh OMeA ZP 14, 405 r. sowie Wiennerisches Diarium, Nr. 83, 18. Oktober 1730. 756 Vgl. A-Wgm A 394 (2). 757 Vgl. Fritz-Hilscher, Virtù 129. 758 Vgl. zum Geburts- und Taufzeremoniell am Wiener Hof Kubiska, Geburth. 759 Vgl. hierzu die Einschätzung von Sommer-Mathis, Visiones 346.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Instrumentalbesetzung ist so gewählt, dass die Kantate für eine Freiluftaufführung geeignet war. Die Sänger der Kantatenaufführungen Nur in seltenen Fällen ist es möglich, die Ausführenden einzelner Kantatenaufführungen zu benennen. Voneinander zu unterscheiden sind Werke, die für die Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna (beide Sopran) 760 entstanden, und diejenigen, die für die Interpreten der kaiserlichen Hofmusik komponiert wurden. Ersteren können drei Kantaten zugeordnet werden: Germana: il dì che splende (1730), das, wie geschildert, von Caldara »per servizio delle Seren.me Arciduch.e« 761 komponiert und für den Vortrag am Namenstag des Kaisers vorgesehen war. Vieni o compagna wiederum war »da rappresentarsi dalle Serenisissime Arciduchesse nel prossimo carnevale dell’anno 1728« 762. Wie diese war auch die Kantate Atalipa e Doriene (1727) zum Vortrag im Umfeld eines Faschingsballs vorgesehen. Deren Besetzung und die stimmlichen Anforderungen für zwei Sopranstimmen lassen vermuten, dass auch sie für die Erzherzoginnen bestimmt war, wenngleich weitere quellentechnische Hinweise in dieser Richtung fehlen. 763 Die Erzherzoginnen waren zum Zeitpunkt der Aufführungen zwischen neun und 13 Jahre alt. Ab welchem Alter sie Gesangsunterricht erhalten hatten, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Belegbar ist aber, dass Maria Theresia bereits 1724, als Sechsjährige, in Caldaras Oper Euristeo auftrat. 764 Wie Seitschek anhand der Tagebücher Karls VI. rekonstruieren konnte, war der Kaiser mit ihren sängerischen Fähigkeiten sehr zufrieden. »Ter(e)s(l) sing whol«, kommentierte er am 18. Mai 1724 die Leistung seiner Tochter. 765 Schon seit den ersten sängerischen Erfahrungen der Erzherzoginnen war Caldara mit deren stimmlichen Dispositionen vertraut und passte seine Gesangspartien an ihre Fähigkeiten an. Der Ambitus der erzherzoglichen Sopranpartien reicht von e′ bis g′′ und weist, wie Schwab zeigen konnte, Koloraturpassagen auf, deren Schwierigkeit im Laufe der 760 Vgl. zur Musikpflege der kaiserlichen Familie Biba, Musikpflege; Seifert, Musizieren; Seitschek, Hof; zu Maria Theresia vgl. Karpf, Beziehungen; Schwab, Maria Theresia; Seifert, Musizieren. 761 A-Wgm A 398 (3). 762 D-MEIr Ed 118l XI 4681/V NHs 23. 763 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 16435 und D-MEIr Ed 118t/1. Schwab hat die vor 1729 entstandenen Werke Caldaras für Maria Theresia in ihrer Arbeit nicht berücksichtigt. Vgl. Schwab, Maria Theresia 46 ff. 764 Vgl. Schwab, Maria Theresia 20 f. 765 Vgl. Seitschek, Hof 67.

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Jahre anstieg und den bemerkenswerten sängerischen Anspruch an die Schwestern eindrucksvoll belegt. 766 Briefstellen Pietro Metastasios geben einen Einblick sowohl in die Probenarbeit mit den beiden Erzherzoginnen als auch in den Kontext der Aufführungen. Am Beispiel einer im Zuge dieser Arbeit nicht näher betrachteten, weil größer besetzten Kantate Caldaras ist rekonstruierbar, dass einschlägige Werke nicht allein von professionellen Sängerinnen und Sängern, sondern auch von den Erzherzoginnen in einem relativ kurzen Zeitraum einstudiert werden mussten. Als Caldara 1735 die Cantata da camera à tre voci Le grazie vendicate auf den Text Metastasios für die Geburtstagsfeierlichkeit Kaiserin Elisabeth Christines am 22. August 1735 fertiggestellt hatte, verblieben lediglich sechs Tage für deren Proben, am 28. August fand die Aufführung statt. Metastasio beschreibt die dabei herrschende Disziplin als vorbildlich: »Io sto tuttavía immerso nella gloriosa applicazione d’istruire le serenissime arciduchesse alla rappresentazione della festa, che di loro ordine ò scritta pel giorno di nascita dell’augustissima loro madre. È veramente un piacere l’osservar da vicino l’abilità, la docilità, e le adorabili maniere di queste grandi principesse. Con tutto che la lezione sia due volte il giorno, e che non duri meno ciascheduna di due, e talvolta tre ore, io non ne sento l’incomodo, e non me ne meraviglio punto. Non crediate, che la prevenzione del grado contamini il mio giudizio perché comparate con quante dame ò trattate finora, queste sono più attente, più grate, e senza punto discendere, infinitamente più cortesi.« 767 Komplementär zur Probenmotivation skizziert Metastasio am Beispiel des im Fasching aufgeführten größer besetzten Werkes Le Cinesi auch das Aufführungsverhalten der beiden Erzherzoginnen: »Esse hanno recitato e cantato come angeli, ed è stato un sacrilegio che tutt’il mondo non sia stato ammesso ad ammirarle.« 768 Aus dem Pool der Hofsängerinnen und -sänger können freilich nur ein paar wenige den Kantatenaufführungen zugeordnet werden. Hierzu zählen die Sopranistin Mariana Schulz 769 und der Altkastrat Gaetano Orsini 770, die 1726 die Kantate Nigella e Tirsi vortrugen. Auf den Musikalien der Kantaten Come debba esser condotta una reciproca simpatia (1726) und Tempo distruggitor, dov’è l’orgoglio (1732) finden sich jeweils Angaben, dass Orsini die Aufführungen verantwortet habe. Für den 1730 erstaufgeführten Dialogo tra la vera Disciplina

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Vgl. mit zahlreichen Beispielen Schwab, Maria Theresia 50–120. Metastasio, Opere, Tomo I, Tomo Primo 176. Metastasio, Opere, Tomo XIII 83. Maria Anna Schultz (geb. Hilverding) ist von 1719 bis 1740 am Hof nachweisbar. Vgl. Kubiska-Scharl–Pölzl, Karrieren 697. 770 Gaetano Orsini (1676–1750), Altkastrat, war über 50 Jahre im Dienste des Wiener Hofes.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

ed il Genio kam es 1735 zu einer Musikalienkopie, die nun die ausführenden Sänger ergänzt: Für die Rolle der Vera Disciplina wird »Sig.ra Holzhauser«, für die des Genio »Sig.r Giovanni« genannt. Bei Holzhauser handelt es sich um die Sopranistin Theresia Holzhauser, 771 bei Giovanni vermutlich um den Altkastraten Giovanni Greco. 772 Die zahlreichen Basskantaten, besonders die erwähnte Sammlung von 24 Kantaten dieser Besetzung, stehen möglicherweise in direktem Zusammenhang mit dem Hofsänger und Bassisten Marc’Antonio Berti, 773 mit dem Caldara eine enge Beziehung verband. Wie aus den Hofparteiprotokollen hervorgeht, war Berti 1730 gemeinsam mit Caldara »nach Welschland gangen«; 774 just im Zuge dieses Italienaufenthaltes war auch die auffällig hohe Anzahl an Basskantaten entstanden. Die Texte der Wiener Kantaten In diesem Kapitel sollen – wie bereits für das römische Textkorpus geschehen – die zentralen Sujets der Kantaten für den imperialen Hof vorgestellt werden. Wiederum gilt es hier, nur erste Ergebnisse, nicht aber eine detaillierte philologische Analyse zu liefern. Ziel ist es, die Inhalte zu erschließen und Veränderungen gegenüber dem römischen Repertoire freizulegen. Textdichter Nur für einen Bruchteil der Kantatentexte war die Identifizierung der Urheber möglich. Für sieben der Werke zeichnen vier Textdichter verantwortlich: Giovanni Battista Catena, Francesco Fozio, Giovanni Claudio Pasquini und Silvio Stampiglia. 775 Handelte es sich um Beiträge anlässlich besonderer Ereignisse am Hof, wurden die Dichter auf den Titelblättern der Kantatenkopien wie auf den autographen Musikalien namentlich genannt. Darunter fallen die Werke Trionfo d’Amore e d’Imeneo, Nigella e Tirsi, Vieni o compagna coll’eburnea mano sowie Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio.

771 Theresia Holzhauser (verh. Reutter) war von 1728 bis 1740 als Sängerin angestellt. Vgl. Kubiska-Scharl–Pölzl, Karrieren 679. 772 Der Altist Giovanni Greco ist zwischen 1718 und 1765 am Hof nachweisbar. Vgl. KubiskaScharl–Pölzl, Karrieren 590. 773 Marc’Antonio Berti (1685–1741) gehörte von 1721 bis zu seinem Tode der kaiserlichen Hofkapelle an. Vgl. Lipp, Músicos 171; Kubiska-Scharl–Pölzl, Karrieren 337. 774 Zit. n. Haas, Karrieremöglichkeiten 66. 775 Vgl. zur heute noch immer aktuellen Problematik der lückenhaften Erforschung der italienischen Hofdichter vor Metastasio Noe, Hoftheater.

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Kantaten für den Kaiser

Francesco Fozio, der laut Alfred Noe hauptsächlich wegen seiner Oratoriendichtungen 776 bekannt gewesen ist, zeichnet für die Hochzeitskantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo verantwortlich. 777 Die restlichen Galatagskompositionen basieren auf Texten des Sienesen Giovanni Claudio Pasquini (1695–1763). Der Arkadier Pasquini (Pseudonym: Trigeno Migonitidio) wurde auf Empfehlung von Apostolo Zeno mit 1. November 1726 zum Poeta teatrale straordinario am Kaiserhof ernannt und war für Opern- wie Galatagsdichtungen zuständig. Von 1726 bis 1740 verfasste er jährlich mindestens ein Huldigungswerk, das von seinen Italienischschülerinnen, den Karlischen Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna, vorgetragen wurde. 778 Für Kantaten, die nicht zu den Galatagskompositionen bzw. nicht zu jenen Kantaten zählen, die für spezielle höfische Ereignisse entstanden sind, konnte der Textautor lediglich in zwei Fällen ermittelt werden. Auf der autographen Partitur von Che pretendi amor tiranno 779 ist der Hinweis auf den Textdichter Giovanni Battista Catena (1680–1752) von Caldaras Hand zu finden. Der Sienese war unter dem Pseudonym Lisalbo Pelopio Mitglied der arkadischen Akademie und stand unter dem literarischen Einfluss von Girolamo Gigli 780. Nachdem er für den kaiserlichen Botschafter in Venedig, Johann Baptist Colloredo-Waldsee, tätig gewesen war, wechselte er um 1730 als Sekretär zu Wolfgang Hannibal von Schrattenbach, dem Bischof von Olmütz. 781 Genau in diese frühen 1730er Jahre fällt die Kantatenkomposition Caldaras auf den Text von Catena. Der weitaus Bekannteste unter den Textdichtern ist Silvio Stampiglia (1664–1725). Der Poet und Mitbegründer der römischen Arkadischen Akademie folgte dem Ruf Kaiser Josephs I. 1706 nach Wien, um dort bis 1718 in der Stellung eines Poeta cesareo zu verbleiben. 782 Teresa Gialdroni gelang es, den

776 Für Caldara entstanden beispielsweise die Textbücher der Oratorien Ester (1723), Morte e sepoltura di Cristo (1724). 777 Vgl. Noe, Geschichte 411. Der Hinweis auf die Hochzeitskantate fehlt bei Noe. Die Biographie Fozios ist weitgehend unerforscht. 778 Vgl. zu Pasquini jüngst Mellace, Pasquini, darüber hinaus Noe, Geschichte 416 sowie eine Übersicht jener Huldigungswerke, die von den Erzherzoginnen gesungen wurden und zu denen Pasquini Texte vorlegte, Fritz-Hilscher, Virtù 138 f. 779 Vgl. A-Wgm A 404. 780 Gigli war Lehrer im Hause Ruspoli. Vgl. den Abschnitt Die Verbindung Ruspolis zur Accademia degli Arcadi. 781 Vgl. das Biogramm zu Catena, von dem ein Serenatentext für eine Vivaldikomposition nachweisbar ist, bei Talbot, Vivaldi 41. Vgl. zu seiner Tätigkeit bei Schrattenbach Spácˇ ilová, Hubda 47 f. 782 Vgl. zur Tätigkeit Stampiglias in Wien Kanduth, Stampiglia sowie Ritter, Sternen 106–109.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

1718 entstandenen Text Misero pastorello ardo di sete 783 Stampiglia zuzuschreiben; er ist in einer handschriftlichen Sammlung seiner Werke in der Biblioteca Medicea Laurenziana di Firenze überliefert. 784 Neben Forschungsergebnissen wie denen Gialdronis gewähren auch die Texte des Wiener Kantatenrepertoires mitunter Aufschluss über die Vorgehensweise der Textdichter, finden sich doch hier entsprechende direkte Zitate oder Anspielungen auf andere Autoren. Bis dato konnten einschlägige Verbindungen zu Petrarca, Dante und Giambattista Marino ausgemacht werden. Ein Zitat aus dem Werk des Letztgenannten sei beispielhaft herausgegriffen: Das erste Rezitativ der Kantate In un antro solingo 785 steht in direkter textlicher Beziehung zur Ekloge Il Lamento Marinos, aus der die ersten drei Zeilen am Beginn des Rezitativs wortgleich übernommen wurden. 786 Mit dem Anfangszitat, in dem das Liebesleid der Schäferin Clori geschildert wird, sollte bewusst an die parallele Situation des Schäfers Aminta aus Il Lamento erinnert und dergestalt der traurige Grundaffekt akzentuiert werden. Themenkreise der Kantatendichtung Das Textkorpus 787 der Wiener Kantaten lässt sich thematisch in sechs Kategorien einteilen, ohne dass diese trennscharf zu unterscheiden wären. Sie bilden jene thematische Einordnung ab, die am deutlichsten in den Kantatentexten hervorsticht. So kommt es bei den arkadisch-pastoralen Texten dieses Repertoires durchaus vor, dass Gottheiten der antiken Mythologie ins Spiel gebracht werden. In der arkadisch-pastoralen Kantate In onta a tuoi disprezzi 788 steht Pluto stellvertretend für die Unterwelt, in die eine nicht näher benannte treue Seele infolge ihres Liebesleids hinabschreiten werde: Che se poi del mio core Disprezzi anche l’ardore Dovrò morir; ma senti, 783 Vgl. D-MEIr Ed 118u (7). Die Angabe Bennetts, wonach die Kantate als Autograph im Kantatenband A-Wgm A 401 erhalten sei, ist falsch. Vgl. zum Kantatentext Gialdroni, CLORI, Scheda 226. 784 Vgl. Gialdroni, Città. 785 Vgl. A-Wgm A 402 (12). 786 Vgl. Marino, Lamento 329. 787 Von den 101 Kantaten wurden vier Texte zweimal vertont, hier und folgend aber nur einmal berücksichtigt. Die Textgrundlage beträgt somit insgesamt 97 Kantaten. Vgl. zu den Mehrfachvertonungen den Abschnitt weiter unten. 788 Vgl. A-Wgm VI 16569 Q 3712 (4).

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Kantaten für den Kaiser

Pria che l’alma fedele Si parta, e scendi a Pluto, Lascia che fra tue braccia Spiri languente, e fida Se mai verso il tuo cor si mostrò infida.

Die mythologischen Götter werden exakt an solchen Stellen herangezogen, an denen es zentrale Aussagen zu verdeutlichen gilt. Der Grundtenor der Kantate bleibt gleichwohl im Arkadischen, so dass der Text dieser Kategorie zugeordnet wird. Bei einigen Kantaten spielen politische und didaktische Elemente sowie die Nähe zu Opernstoffen eine Rolle. Sie alle führten zwar zu keinen eigenständigen Kategorien, doch wurden die jeweiligen Implikationen im Folgenden jeweils exemplarisch behandelt. Eindeutig fiel die Zuordnung zum arkadisch-pastoralen Sujet aus, wenn das übliche arkadische Personal eine Liebesklage vorbringt. Der bukolische Themenkreis, das verdeutlicht die Grafik 11, inspirierte die Textdichter des kaiserlichen Repertoires am häufigsten. Natürlich spielt hier wie bei den heroischen Texten, die am zweithäufigsten auftreten, die Liebesthematik eine tragende Rolle. Dennoch wurde eine eigene Kategorie »Liebe« gebildet, weil die hier ein45 40

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Themen Grafik 11: Kantatensujets

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Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

schlägigen Texte zwar eine Liebesklage oder -bezeugung in den Fokus rücken, aber keine nähere thematische Einordnung gestatten. Typisch ist, dass sich der wahlweise männliche oder weibliche anonyme Protagonist mit einem Liebeslamento an das eigene Herz, an die Augen der oder des Verehrten bzw. an das nicht näher charakterisierte geliebte Gegenüber wendet. Wie fließend die Übergänge zwischen den Kategorien sind, verdeutlicht die Kantate Tirsi nel primo Amore 789. Ohne den Hinweis auf Tirsi im Titel der Kantate müsste diese in die Kategorie »Liebe« fallen, geben doch im Text selbst lediglich die Worte »prato« und »ruscelletto« einen Hinweis auf das bukolische Ambiente. Bei den enkomiastischen Texten ist die Nähe zur Mythologie, Historie oder Allegorik gegeben, wiewohl sie alle klar auf die Würdigung eines kaiserlichen Familienmitglieds gerichtet sind und aus Anlass von Namenstags- oder Geburtstagsfeiern zur Aufführung kamen. Aus dem üblichen Rahmen der Kantatenthematik fallen Atalipa e Doriene 790 und Vieni o compagna 791 heraus, die auf ein exotisches Thema zurückgreifen. Mit Blick auf den Aufführungskontext – die Eröffnung von Faschingsbällen – mag die Themenwahl nicht über die Maßen verwundern. Arkadisch-pastorales Sujet Das Hauptaugenmerk der arkadisch-pastoralen Kantaten liegt, wie für diese Werke zeitgenössisch üblich, auf dem Lamento. Der Liebesschmerz, der bei 30 von 39 Kantaten thematisiert wird, wird von Untreue, Eifersucht oder Verlust ausgelöst und führt mitunter zu ausdrucksstarken Rachegefühlen. Bei Ingrato e perché mai 792 sowie Qual lampo rapido 793 kommt es zu ungewöhnlich dramatischen Gefühlsausbrüchen, misst man sie an der Elle der gängigen arkadischpastoralen Verarbeitung. Die Akteurinnen lassen ihren unversöhnlichen Gefühlen freien Lauf, wünschen ihren untreuen Geliebten gar Höllenfurien an den Hals:

789 790 791 792 793

Vgl. A-Wgm A 403 (1). Vgl. A-Wn Mus. Hs. 16435. Vgl. D-MEIr Ed 118l XI 4681/V NHs 23. Vgl. A-Wgm A 402 (9). Vgl. A-Wgm VI 16569 Q 3712 (8).

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Kantaten für den Kaiser

Ingrato e perché mai

Qual lampo rapido

[. . . ]

[. . . ]

Empio! Ingrato! Traditore!

Ingratissimo cor! Tirsi spietato!

Mi schernisti ma il mio amore

E questo il primo, e questo

Di te straggi ogn’or farà.

Dovuto a un fido amore?

Fra le furie delirante

Che con tiranno ardore

Ammarilli offesa amante

Perché mi cruccia, e mi divora l’alma.

A dar morti imponerà.

Tradirmi, e perché mai? Schernirmi, infido! Ahi stelle e qual offesa

Va mostro d’empietà, va nell’inferno

Ti feci onde per altre

Furia del cieco Averno

Havessi da lasciarmi? Ahi! Crudo fato,

Vivrò sol per crucciarti

Ingratissimo cor Tirsi spietato.

E sappi che il mio core Tutto per te furore

Vendicata de tuoi torti

Ti promette rigori

Forse un giorno mi vedrò.

Stragge, crucci, e martori.

E le furie dell’inferno

[. . . ]

Contro te risveglierò.

Ganz anders stellt sich die Situation für die Schäferinnen und Schäfer dar, die eine konkrete Liebeserklärung 794 abgeben, ganz grundsätzlich von der Liebe schwärmen 795 oder nach erlittenem Liebesschmerz wieder die Natur genießen möchten 796. Das Werk für zwei Stimmen Nigella e Tirsi sticht hierbei aus zwei Gründen hervor: Erstens bezieht sich dessen Textdichter am Beginn auf die tragische Philomela-und-Prokne-Episode 797, eine Erzählung, die auch von Jacopo Sannazaro in seiner für die Arkadier so bedeutenden Dichtung L’Arcadia 798 verarbeitet wurde. Im Laufe der Kantate wird zweitens eine Verbindung der Naturszene mit dem realen Aufführungsort hergestellt, dem Garten der Favorita auf der Wieden. Mit welchen Mitteln Pasquini Arkadien mit der Favorita verbindet, soll exemplarisch dargelegt werden, wofür es vorab knapp die antike Episode vorzustellen gilt: Die tragischen Umstände in Philomelas Leben hat ihr Schwager Tereus zu verantworten, als er sie entehrt. Damit sie ihn nicht verraten kann, sperrt er sie in ein Waldgefängnis und schneidet ihr die Zunge ab.

794 795 796 797

Vgl. Egli è pur dolce amor, A-Wgm A 404 (10). Vgl. Amor, or mi mostra d’oro un crin, D-MEIr Ed 118u (1). Vgl. Nigella e Tirsi, A-Wn Mus. Hs. 17645. Der Hinweis ist auf dem Titelblatt der Kantate zu finden: »Nigella e Tirsi / Si piglia in principio della nota favola di Progne e Filomena«, A-Wn Mus. Hs. 17645. 798 Vgl. Sannazaro, Arcadia.

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Philomela aber fertigt in ihrer Gefangenschaft ein Gewand für ihre Schwester Prokne, die Gattin Tereus’, in das sie ihre Leidensgeschichte einwebt. Prokne entschlüsselt die Botschaft, befreit ihre Schwester aus dem Gefängnis und gemeinsam töten sie Tereus’ Sohn Itys, um ihn dem Vater zur Speise vorzusetzen. Erst nach dem Mahl erkennt Tereus die Zusammenhänge, seinerseits auf Rache sinnend. Doch bevor es dazu kommt, schreiten die Götter ein, indem sie Philomela in eine Nachtigall, Prokne in eine Schwalbe verwandeln. Im ersten Rezitativ der Kantate wird eine Morgendämmerung geschildert. Man hört den weinerlichen Gesang der Nachtigall (»e col suo flebil canto Filomena dolente«), der an die erlittene Demütigung Philomelas erinnert. Gleich darauf schwenkt das Rezitativ auf Nigella, die beklagt, dass ihr treuer Schäfer Tirsi bei der Jagd statt bei ihr sei. Der hiervon ausgelöste Schmerz verbinde sie mit Philomela und Prokne. In der ersten Arie wird Nigellas Klage im Locus amoenus angesiedelt, in dem sie stets Ruhe gefunden habe, der sich aber unter den veränderten Bedingungen zum Ort der Schmerzen wandelt. Unvermittelt tritt Tirsi hinzu, versichernd, dass er der Schäferin auch in Abwesenheit immer nahe sei (allegorisch verpackt in dem Bild eines Bächleins, das stets an seine Quelle gebunden ist). Nigella schlägt Tirsi vor, den schönen Tag im Garten zu verbringen, lockend, dass es sich dabei nicht um einen beliebigen, sondern um »la bella Favorita«, also den kaiserlichen Garten handle. Alle den Locus amoenus nach dem Vorbild Sannazaros konstituierenden Merkmale werden in der Kantate mit dem Garten der Favorita verbunden: der Vogelgesang, die Quelle, der Bach und der Wald. Die in der Kantate geschlagene Brücke zur kaiserlichen Sommerresidenz parallelisiert geschickt das direkte Umfeld der kaiserlichen Familie mit dem arkadischen Ort schlechthin, der wiederum »als angenehmer Hintergrund für den Vortrag eines Liedes« dient. 799 Vom Text ausgehend erscheint es daher plausibel, dort auch den Aufführungsort der Kantate zu vermuten, die im Auftrag der Kaiserin getextet und komponiert wurde. Im selben Jahr entstand ein Text, der aus dem Kreis arkadisch-pastoraler Kantaten insofern hervorsticht, als er eine belehrend-didaktische Richtung einschlägt. Schon der Titel Come debba esser condotta una reciproca simpatia gibt einen Fingerzeig auf den moralischen Inhalt. Es vermag daher nicht zu verwundern, wenn der Text mit einer Antwort auf die indirekte Frage Eurillas beginnt, wie die Sympathie zweier Herzen zu erhalten sei. Der namenlose Antwortgeber warnt mehrfach vor einer plumpen Zurschaustellung von Gefühlen und gibt den Ratschlag: »ma dove altri l’osservi entro del seno / cauta rinchiudi il dolce genio e impara / che simpatica brama / quanto è segreta più tanto è più cara«. 799 Hass, Locus 88.

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Angemessene und freundliche Höflichkeit verstecke die Liebe, die nur dann gezeigt werden solle, wenn das geliebte Gegenüber sein Verlangen preisgebe, so der Ratgeber. Abschließend hebt er hervor, dass Eurilla von der Sonnenblume lernen solle, neige sich diese doch auch bei größter Entfernung immer ihrem Ziel, der Sonne, zu, um Beständigkeit und Treue zu zeigen. Heroisches Sujet Die Kantatentexte, die dem heroischen Sujet zuzuordnen sind, können in zwei etwa gleich große Gruppen unterteilt werden: jene, die auf einer historischen Vorlage basieren (14 Werke), und jene 13 weiteren, die mythologisch inspiriert sind. Zwar ist Liebe wiederum das tragende Motiv, nämlich in 18 Fällen, bei neun weiteren gehen die Textgrundlagen für das Kantatengenre indes außergewöhnliche thematische Wege. Zweimal kommt es zu Abschiedsworten eines Helden an das Volk bzw. an seine Truppen 800, einmal bittet Titan, der seine Qual nicht mehr ertragen kann, um Gnade 801, und einmal steht Oeta (Aietes) im Zentrum, der über einen Fehler seiner Tochter Medea erzürnt ist und Rache schwört. 802 Bei zwei Texten wird der Triumph über Bajazet thematisiert 803, bei weiteren dreien wird der (ehrenvolle) Tod als Ausweg diskutiert. 804 Die Kantaten des heroischen Sujets sind, wie Centanni festgestellt hat, von Merkmalen geprägt, die ihrem Entstehungskontext geschuldet sind: »In queste cantate [. . . ] soggetto e forma sono stravaganti e si discostano dispettosamente dal canone tradizionale, sono lamenti sì, ma non di Didoni, di Dafni, di Cloe o di Titiri: ma di eroi, spesso maturi, maschioni molto virili – quasi sempre, almeno apparentemente, molto ›virili‹ – colti in momenti particolari di deliquio o di disperazione«. 805 Im Regelfall steht ein männlicher Sprecher, der Heros, im Zentrum und bringt, von Ohnmacht oder Verzweiflung gezeichnet, seine Worte vor. Bemerkenswert ist, dass bei den Kantaten eher schwache Verbindungen zu den klassischen literarischen Vorbildern bestehen, weit häufiger könnten diese nach Centanni zu den zeitgenössischen Opern am Wiener Hof hergestellt werden. 806 Diese für die Kantaten außergewöhnlichen Eigenschaften – 800 801 802 803 804 805 806

Vgl. Codro sowie Epaminonda A-Wn Mus. Hs. 17603 (11) und (4). Vgl. Titano all’Inferno, A-Wgm A 403 (17). Vgl. Il lamento d’Oeta nel ratto di Medea, A-Wgm A 403 (18). Vgl. Bajazet sowie Tamerlano, A-Wn Mus. Hs. 17603 (7) und (6). Vgl. Agesilao, Temistocle sowie Iuba, A-Wn Mus. Hs. 17603 (10), (9) sowie (12). Centanni, Amante 403. Hilscher hat herausgearbeitet, dass Metastasio in den Opern für die Namenstage des Kaisers ausschließlich männliche historische Persönlichkeiten zum Thema gewählt habe und damit ein direkter Vergleich mit dem Herrscher angestrebt worden sei. Vgl. Hilscher, Mythologie 69.

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der thematische Sonderfall, die Nähe zur Oper sowie der Einsatz von männlichen Protagonisten – seien im Folgenden an Temistocle exemplifiziert. Die Kantate setzt jenen Moment in Szene, in dem der erfolgreiche Feldherr vor der Frage steht, ob er seine eigene Heimat Athen, aus der er verbannt wurde, verraten soll, um auf Seiten der Perser zu kämpfen. 807 Die vorwurfsvolle Frage »È forse questo o Atene / Il premio doveroso a miei sudori?«, die die Kantate eröffnet, versetzt den Zuhörer in die schwierige Entscheidung Temistocles. Er, der vormalige Kriegsheld Athens, fühlt sich betrogen und ist aufgebracht. Für den dramatischen Verlauf der Kantate ist das Element seiner Verbannung zentral, sinnt er doch nun auf Rache. Dieser Gedanke und die Hoffnung auf den Fall Athens prägen besonders die erste Arie: Dal Tartaro profondo Correte inique furie, E a vendicar l’ingiurie Destate l’alma il cor. Cada Atene fulminata Dal suo fasto l’empia, e ingrata Più non speri il mio potere, Più non tenti il mio valor.

Im folgenden Rezitativ wird sich Temistocle seines »perverso pensier« bewusst, schüttelt seine Rachegedanken ab. Seinen Zwiespalt – die Verpflichtung gegenüber der Heimat, das Angebot der Perser und der Wunsch nach Wahrung seiner Ehre – glaubt er nur mit Suizid auflösen zu können, den er entsprechend ankündigt. 808 Die Kantate behandelt das tragische Schicksal auf äußerst konzentrierte Weise. Der Stoff war am Kaiserhof bekannt und hatte bereits 1701 als Grundlage der Oper Temistocle (Apostolo Zeno / Marc’Antonio Ziani) gedient. 1736 war es dann Caldara selbst, der das Libretto Temistocle von Pietro Metastasio als Namenstagsoper in Musik setzte. Die Kantate steht zeitlich (sie muss vor bzw. um 1727 entstanden sein) zwischen beiden Opern und greift den dramatischen Höhepunkt heraus, also exakt den Augenblick der Entscheidung, der sich Temistocle stellen muss. Während Temistocle in den Opern gerettet und so – dem Anlass als Festoper entsprechend – die Großmut des Herrschers als Schluss-

807 Vgl. zu den literarischen Vorlagen Centanni, Amante 413–414. 808 Vgl. zu dieser Interpretation auch Centanni, Amante 405.

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punkt gesetzt wird, bleibt in der Kantate offen, ob der Selbstmord im Anschluss an die letzte Arie durchgeführt wird. 809 Kantaten des heroischen Sujets halten aber noch eine weitere Besonderheit bereit: Einige Texte nämlich stehen in direkter inhaltlicher Beziehung zueinander, was alleine noch nicht außergewöhnlich wäre, würde sich nicht überdies bei manchen der Inhalt auf mehrere Kantaten verteilen. Zu beobachten sind mithin zwei Stufen der inhaltlichen Verbindung: Entweder sind die Kantaten jeweils in sich geschlossen und es bestehen lediglich thematische Bezüge zueinander oder der Inhalt ist auf mehrere Werke verteilt, so dass sich der gesamte Sinngehalt erst unter Einbeziehung aller Einzelteile erschließt. Inhaltlich verbunden, aber jeweils in sich geschlossen, sind Tamerlano und Bajazet. Die Kantate Bajazet, die innerhalb einer Sammlung von zwölf Basskantaten Tamerlano nachgereiht ist, ist als Reaktion auf die Triumphrede Tamerlanos zu verstehen. Dieser ist im Siegestaumel und wendet sich an (den abwesenden) Bajazet, den er (im inneren Dialog) auffordert, ihn als Besieger und König anzuerkennen (»Per tuo scorno, e tuo dispetto / Riconosci nel mio aspetto / Il tuo re, tuo vincitor« 810). Der Angesprochene reagiert (in der zweiten Kantate) mit einer Schimpftirade: »Barbaro! Iniquo! Ingrato! / Ancor sazio non sei di tormentarmi? / Mostro di fellonia, / Centro di crudeltà, di tirannia!« 811 Doch Bajazet ist der Unterlegene, so dass zuletzt sein Wille zum Selbstmord anklingt, der ihm der einzige Ausweg scheint, um sich Schmach und Gefangenschaft zu entziehen. 812 Drei weitere Kantaten bilden einen eigenständigen Zyklus innerhalb der Sammlung der 24 Basskantaten 813, wobei der Erzählstrang über alle drei Texte hinweg fortgesponnen wird. Die inhaltliche Grundlage wurde Ovids Acis-undGalatea-Mythos entnommen: Im Fokus der ersten Kantate steht die Liebe Acis’ zu Galatea, deren baldiges Wiedersehen er zunächst ersehnt, bevor sie tatsächlich den Morgen gemeinsam genießen. Am Beginn der zweiten Kantate ist es bereits Mittag, und die Sonne hat die Erde erwärmt: »Giunto al meriggio il sole / dappertutto i suoi rai caldi spargea«. Acis und Galatea haben sich zu einer Quelle zurückgezogen, an der Galatea ihm ihre Liebe gesteht. So könnte das Leben der beiden weitergehen (»sempre vivendo insieme / pari nel buon disio e nella speme«), durchkreuzte nicht ein Schicksalsschlag die Idylle: Er wird gleich zu Beginn der dritten Kantate in Person von Polifemo eingeführt, der 809 810 811 812 813

Vgl. die direkte Gegenüberstellung der beiden Opern bei Feldman, Opera 234–240. Tamerlano, A-Wn Mus. Hs. 17603 (6). Bajazet, A-Wn Mus. Hs. 17603 (7). Vgl. zu dieser Interpretation und der historischen Vorlage Centanni, Amante 422–424. Vgl. A-Wgm A 403 (2) – (4).

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sich bereits vor Acis in Galatea verliebt hatte. Nun, da er den neuen Geliebten erblickt, schwört er Rache und ermordet Acis. Diesen Verlust beweinen die Grazien, die Amoren, die Nymphen sowie die Schäfer; Galatea hingegen verwandelt als Zeichen ihres unstillbaren Schmerzes Acis in einen Fluss, der aus des Hirten unerschöpflicher Ader gespeist wird. Abschließend wird der Text wieder etwas beschwingter, wenn er von süßen Küssen, die sich am Ufer des Flusses in Blumen verwandeln, berichtet. Die inhaltliche Verknüpfung der Kantaten wird mit Hilfe unterschiedlicher Mittel bewerkstelligt. Erstens werden über alle drei Werke hinweg die zentralen Elemente des Mythos entfaltet, wie er bei Ovid überliefert ist. Zweitens wird während der ersten beiden Kantaten die Handlung in einen chronologischen Ablauf gebracht, indem konkrete Zeitangaben erfolgen: der frühe Morgen (erste Kantate) bzw. der Mittag (zweite Kantate). Drittens schließlich folgen die Kantaten in der Musikalienhandschrift direkt aufeinander, so dass die Intention der Zusammengehörigkeit auf Basis der Musikalie klar nachvollziehbar ist. Liebessujet Im thematischen Fokus dieser Kategorie steht die Liebesklage, die im Regelfall von Untreue oder unüberwindbarer Ferne des Geliebten ausgelöst wird. Adressaten des Gesangs der anonymen Redner können das eigene Herz, die oder der nicht näher bestimmte Angebetete, das »Du«, Amor, der Schlaf oder die Augen sein. Exemplarisch für diese von Lamenti geprägte Kategorie steht die Kantate Sento nel petto mio 814: Eine untreue Schönheit bereitet dem Protagonisten furchtbaren Schmerz (»Un duol sì accerbo e rio«). Er behauptet, dass sie ihn tot sehen wolle, während er die Hoffnung nicht aufgeben könne, doch noch eines Tages erhört zu werden (»Voglio sperare und dì / Dal bel che mi ferì / raccoglier vezzi«). Der Liebesschmerz, die Hoffnung auf Erbarmen und damit zusammenhängend auf inneren Frieden sind in dieser Kategorie regelmäßig wiederkehrende Motive, lediglich in Ausnahmen treten moralische Ermahnungen hinzu, wie beispielsweise bei Io soff irò tacendo 815. In diesem Fall wird zu bedenken gegeben, dass das Schweigen und die Beständigkeit die treuen Stützen der Liebe seien, während weder Seufzer noch Tränen hülfen. Die Bewunderung sei »un glorioso eroico impegno«, und die wahre Liebe bestünde nicht aus dem trügerischen Brennen, weil das dem Herz keinen Frieden lasse.

814 Vgl. A-Wgm A 403 (7). 815 Vgl. D-B Mus. ms. aut. Caldara, A. 10.

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Enkomiastisches Sujet Die Kantatentexte dieser Kategorie wurden für die Galatage des Kaiserhofes verfasst, fünf der sieben für Namenstage, einer für einen Geburtstag und ein weiterer für eine Hochzeit. Der Anlass bestimmte dabei die inhaltliche Ausrichtung, mitunter wurde der Text auch mit politischen wie didaktischen Implikationen angereichert. Namenstag

Die kleiner besetzten Kantaten Caldaras anlässlich der Namenstage kaiserlicher Familienmitglieder, genauer: für Kaiser Karl VI. (zwei Werke), Kaiserin Elisabeth Christine (zwei Werke) und deren Tochter Maria Theresia (ein Werk), bedienen sich ganz unterschiedlicher Strategien, um Lob zu spenden. Bei der chronologisch ersten Namenstagskantate La garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore 816 (1729) konkurrieren die Göttinnen Pallas Athene und Venus um die Anerkennung durch die Namensträgerin. Athene gestaltet dafür ein Sternenfries mit deren Namen, während Venus ihren Sohn Cupido einspannt, der mit seiner Rechten Elisabeth Christines Namen in die Herzen des Kaisers und der treuen Vasallen einschreiben solle. Ein vollständig anderes Motiv wird bei Tempo distruggitor, dov’è orgoglio 817 (1732) in den Mittelpunkt gerückt, wenn die zerstörerische Zeit angeklagt wird, die freilich der Kaiserin nichts anhaben könne, deren Ruhm davon auf ewig unberührt bleibe. Trotz der unterschiedlichen thematischen Ausgangslage der Kantaten sind zwei Konstanten zu erkennen: Bei beiden Texten wird am Beginn auf die Funktion als Namenstagskantate verwiesen, indem der kaiserliche Name fokussiert wird. Im Anschluss werden jeweils die Tugenden der Kaiserin gepriesen. Bei Germana: il dì che splende 818, der Namenstagskantate für Kaiser Karl VI. von 1730, treten die beiden Erzherzoginnen als Arciduchessa maggiore (die 13-jährige Maria Theresia) und Arciduchessa minore (die zwölfjährige Maria Anna) auf. Die Erstgeborene eröffnet die Kantate, ihre Schwester auffordernd, sich mit offenem Herzen dem Vater zuzuwenden und ihn zu rühmen. Die Angesprochene entgegnet, dass der Vater es verabscheue, von seinem Ruhm zu hören. Um die Ehrerbietung mögen sich die »sagre muse« kümmern, während es sich für die beiden Schwestern gezieme, ihre für den Vater brennenden Herzen zu zeigen. Darauf folgt eine längere Diskussion, wie man mit diesem 816 Vgl. A-Wgm A 403 (3). 817 Vgl. A-Wgm A 404 (3). 818 Vgl. A-Wgm A 398 (3).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

vordergründig einfachen Mittel dem Vater Freude bereiten könne, wobei die ältere Erzherzogin als Ratgeberin auftritt und erklärt, das Herz selbst werde die richtige Sprache finden, um dem Vater die Aufrichtigkeit ihrer Gedanken und Wünsche zu übermitteln. Abschließend beeilen sich die Erzherzoginnen, ihre Worte vorzutragen, bevor der »tumultuario« des Volkes losbreche. Gestärkt in der Überzeugung, dass ihnen ihr Herz die richtigen Worte eingeben werde, treten sie vor den Vater. – Inhalt wie Aufbau der Kantate sind erkennbar am Zeremoniell orientiert. Dem Rang entsprechend obliegt der erstgeborenen Erzherzogin die Eröffnung der Kantate. Als tugendhaftes Vorbild tritt sie überdies als Ratgeberin der jüngeren Schwester auf. Letztere weckt Interesse mit ihren eigenständigen Gedanken, nicht zuletzt, indem sie die für den Fortgang der Kantate erforderlichen Fragen stellt. Es ist in diesem Fall weniger der Lobpreis der kaiserlichen Tugenden, der thematisiert wird, als vielmehr der Beweis des bedachten und adäquaten Auftritts der kaiserlichen Töchter im innerhöfischen Zirkel. Wie die eben skizzierte ist auch die Kantate Oh del Romano Impero Gloria 819 inhaltlich an ihrer zeremoniellen Funktion ausgerichtet, in diesem Fall als musikalische Begleitung des Servizio di tavola der kaiserlichen Tafel: Das römische Reich ist in Feststimmung versetzt, wird doch an diesem Tag »il Nome Augusto« gefeiert. Von 100 Trompeten begleitet, so der Text, werde der glorreiche Name erschallen. Inhalt und musikalische Besetzung sind ideal verbunden, da die üblichen Instrumente des Servizio di tavola, die Trompeten, während der Kantate prominent zum Einsatz kommen. Pasquinis Namenstagskantate Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio 820 (1730/1735) für Maria Theresia wiederum ist Teil einer »einheitlichen Reihe an Huldigungswerken sowohl in Hinblick auf Text und verwendete Topoi wie Form, musikalische Gestaltung und Besetzung«. 821 Die allegorischen Figuren Disziplin und Genius diskutieren in dieser Kantate die Frage, wer von ihnen der Geeignetere sei, um Teresas (Maria Theresias) Ruhm an diesem Feiertag zu ehren. Zu diesem Zweck zählen die beiden ihre jeweiligen Verdienste auf und schmücken sie mit Sentenzen aus. Jene von Disciplina stechen besonders hervor: »[. . . ] Il buon principio / val molto è ver, ma ben tu sai che il premio / il fine vuol seguir [. . . ]« oder »Chi ben comincia ha la metà dell’opra / Ma chi ben compie la corona acquista.« Die beiden kommen bei ihrer Diskussion auf keinen grünen Zweig, sind sich aber am Ende einig, dass Teresa selbst in der Lage sei zu entscheiden, »chi per più cura / merti di più«. – Fritz-Hilscher konnte bereits 819 Vgl. A-Wgm A 404 (1). 820 Vgl. A-Wgm A 398 (2). 821 Fritz-Hilscher, Virtù 131 f.

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für andere Kantaten dieser Art feststellen, dass in den licenzaartigen Schlussduetten auf die Nachfolge Maria Theresias im Herrscheramt angespielt wird. Dies ist zweifellos auch hier der Fall, wenn ihr der »nobil serto« und der »trono della virtù« angeboten werden, die »in der geltenden habsburgischen Ikonographie durchaus als Symbole für reale Herrschaftsansprüche gewertet werden« können. 822 Didaktische Elemente, die in die Diskussion der allegorischen Figuren bzw. deren Sinnsprüche eingebunden sind, wie auch die erwähnten politischen Anspielungen treten neben den Hinweis auf die »tenera beltà« der jungen Erzherzogin, um sich zu einer textlich-musikalischen Huldigung zu verbinden. Geburtstag

Obwohl den Namens- gegenüber den Geburtstagen im höfischen Festkalender der katholischen Habsburger der weitaus höhere Rang zukam, schlugen sich auch die Feierlichkeiten für Letztere in Galatagskompositionen nieder, so auch im Werk Scorre l’Istro festante 823, das im Zeichen des Geburtstags von Erzherzogin Maria Theresia steht. Im Gegensatz zum Hinweis auf dem autographen Material »Per il Glorioso Nome della S.ma Arciduchessa d’Austria Teresa«, der die Zuordnung zu einer Namenstagsfeier suggeriert, nimmt der Text der Solokantate zweifellos Bezug auf den Tag der Geburt der Erzherzogin (»perché nacque Teresa in questo giorno«). Der Horizont der Kantate wird mit der Frage aufgerissen, von welchem den Himmel zierenden »nuovo alter sovrano« Istro (i.e. die allegorische Figur der Donau) künde. Der Fluss, so die rasche Auflösung, mache die Freude über die Geburt der Erzherzogin in allen Ländern kund. Dieses Ereignis sei der Grund, warum sich goldene Palmzweige vom Himmel senken, um die kaiserliche Burg zu krönen, und warum die österreichische Sonne die ganze Welt erleuchte. Aus der Textanalyse geht völlig unzweideutig hervor, dass die Kantate aus Anlass der Geburt Maria Theresias 1717 komponiert wurde. Hochzeit

Die Kantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo 824 entstand 1722 für die Hochzeit der Josephinischen Erzherzogin Maria Amalia mit dem Wittelsbacher Karl Albrecht in den Räumen der Favorita auf der Wieden. Wie im Kapitel Der äußere Rahmen der Kantatenaufführungen am Kaiserhof beschrieben, kam die Kantate 822 Fritz-Hilscher, Virtù 135. 823 Vgl. A-Wgm A 394 (2). 824 Vgl. A-Wgm A 394 (1).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

als musikalische Umrahmung der Hochzeitstafel zur Aufführung. Mit dem Hochzeitsgott Hymenaios und Amor werden zwei für die implizite politische Botschaft nachgerade ideale Protagonisten eingesetzt. Amor inszeniert sich am Beginn der Kantate als überaus potenter Gott, der sich über Mars stellt und behauptet, über jede Seele triumphieren zu können (»Spesso non val consiglio / Di Marte a la vendetta / Sempre d’arciero dio potente è il dardo«). Dieser kühne Auftritt fordert den Widerspruch Hymenaios’ heraus. Er, so der Hochzeitsgott, sei der eigentlich Mächtige, denn erst mit seinen süßen Ketten könne die Verbindung zwischen Liebenden hergestellt werden (»Maggior vanto ho in cielo e in terra / Io che tutto annodo in petto / Con dolcissime catene«). Nach eingehender Diskussion, wer nun der Wichtigere und Größere von beiden sei, einigen sie sich, dass in der Verbindung Maria Amalias mit Karl Albrecht jeder seinen Teil beitrage und der Verdienst für beide gleich ausfalle. 825 Exotisches Sujet Die beiden diesem Sujet zuzurechnenden Kantaten weisen die Gemeinsamkeiten auf, dass sie den Auftakt für Faschingsbälle bildeten, jeweils für zwei Stimmen gesetzt wurden und überdies auf Figuren und geographische Orte zurückgreifen, die nicht dem üblichen Kanon von Kantaten zugeordnet werden können. Atalipa e Doriene – und das ist singulär innerhalb des Kantatenschaffens Caldaras – greift die Rollenbesetzung »fratelli indiani« 826 auf. Atalipa und Doriene verherrlichen verklausuliert den Kaiserhof, an dem sie gestrandet sind. Wie in Eritrea Edelsteine, so seien dort alle Nationen versammelt und anmutige Jugendliche seien bereit, um einen »indico ballo« zu tanzen, zu dem sie von den Protagonisten eingeladen werden. Die Kantate bereitet hier das ihr nachfolgende Geschehen vor, ist sie doch dramaturgisch so angelegt, dass sie direkt auf den darauffolgenden Tanz zuführt. Geht man der Figurenkonstellation nach, stößt man unweigerlich – ähnlich wie bei den Kantaten des heroischen Sujets – auf Figuren aus dem Musiktheater, in diesem Fall auf die der Oper Atalipa von Girolamo Gigli, der die Geschichte des Inka-Königs Atalipa mit dem Don-Quixote-Stoff verquickte. Genau dieser Stoff wurde von Pasquini für

825 Vgl. zu den politischen Implikationen dieser Kantate das Kapitel Zur Problematik der Mehrfachbedeutungen von Kantatentexten. 826 Vgl. die Angaben auf dem Meininger Exemplar »Cantata à due Voci da servir / per introduzione a Festa di Ballo. / Atalipa, e Doriene / Fratelli Indiani. / Del Sig.r Antonio Caldara, Vice Mstro di Cap.la/ di S: M: Ces.a Catt:a / Per Carnevale dell’Anno 1727«.

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die Faschingsoper Don Chisciotte in corte della Duchessa von 1727 am Kaiserhof herangezogen. Chiara Frenquellucci kann zwischen Giglis Libretto Atalipa, das wohl auch für den Kaiserhof hätte vertont werden sollen, und Pasquinis Don Chisciotte eine Verbindung herstellen. 827 Als mögliches Vorbild für Gigli wird René Bordiers Werk Grand Bal de la Douairière de Billebahaut genannt, das Ballets d’Atabalipa, & des Peuples d’Amérique vorsieht und 1626 unter Beteiligung des französischen Hofes aufgeführt worden sei. Offensichtlich griff man am Kaiserhof für den Fasching 1727 erneut die Idee auf, die Figur Atalipas mit einem Ball zu verquicken, wie es in der Kantate, deren Text möglicherweise von Pasquini stammt, thematisch verarbeitet ist. 828 Im Falle der Vieni, o compagna 829 hat Pasquini den Text nachweisbar für eine Aufführung mit den Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna gestaltet. Er lässt die beiden im Karneval 1728 in die Rollen von Priesterinnen der Göttin Isis schlüpfen. Der Inhalt konzentriert sich auf das Lob der Göttin, die den rauen Winter vertrieben und alles für die schönste Jahreszeit am Nil bereitet habe. Für diese Wohltat wollen die beiden Priesterinnen mit Gesang danken, der wiederum direkt in den nachfolgenden Hofball überleitete. Allegorisches Sujet La virtù und L’oro eröffnen den Reigen der 24 Basskantaten des bereits mehrfach erwähnten Sets, das dem Kaiser am 12. Oktober 1730 in der Favorita auf der Wieden überreicht, wenn nicht gar, zumindest partiell, für ihn sehr bald dort aufgeführt wurde. 830 In der ersten Kantate wird die Stärke der Tugendhaftigkeit gepriesen. Der wahrhaft Vorbildliche, so die Quintessenz, bleibe auch angesichts eines unglücklichen Schicksals aufrecht. Dafür bedarf er der Beständigkeit, die allegorisch ausgedeutet wird: Der Schiffer fürchte das erzürnte Meer nicht, denn mit Hilfe der »Costanza« bewahre er die Gewissheit, den sicheren Hafen zu erreichen. – Ganz offenkundig wurde mit dem Lob der Beständigkeit auf die Devise Kaiser Karls VI., Constantia et Fortitudine, Bezug genommen. Musik und Herrscherideal gleich zu Beginn der Kantatensammlung thematisch zu verquicken, ist für einen Widmungsband nachgerade ideal.

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Vgl. zu beiden Thesen Frenquellucci, Mancha 158. Vgl. zu den exotischen Maskeraden am Wiener Hof Sommer-Mathis, Amerika 153–156. Vgl. D-MEIr Ed 118l XI 4681/V NHs 23. Vgl. La virtù, A-Wn Mus. Hs. 17580 (1) und L’Oro, S-Smf MMS 375 sowie A-Wn Mus. Hs. 17580 (2). Beide Kantaten waren ehemals Bestandteil des Kantatensets A-Wgm A 403. Vgl. hierzu auch die Ausführungen im Kapitel Quellengrundlage.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Eine bemerkenswerte Verbindung zu Spanien – ein Thema, das Karl VI. lebenslang beschäftigte – wird dann in der nachfolgenden Kantate hergestellt: Im Mittelpunkt von L’oro steht das Edelmetall, das als ideales Attribut eines Herrschers inszeniert wird. In der Ich-Form preist es seine Schönheit und erklärt sich zum Sohn des klarsten Lichts. Es schmücke, so der Text, auf besondere Weise die Ufer des längsten der spanischen Flüsse, des Tajo. Mit einer Krone aus purem Gold könne jedes Herz gewonnen werden, denn Gold vereine Leben und Treue.

Protagonisten der Kantatentexte Solokantaten Bei 59 von 91 Solokantaten 831 ist der Redner anonym. Anhand der grammatikalischen Struktur und des Adressaten können sechs davon einer weiblichen und 18 einer männlichen Person zugeordnet werden. Bei zweien der Texte kann über den Inhalt erschlossen werden, dass einmal Apoll, ein andermal Orpheus spricht. Zehn der Kantaten, die aus der Sicht anonymer Protagonisten erzählt werden, sind überdies an nicht namentlich genannte Adressaten gerichtet, davon je drei an weibliche bzw. männliche. Lediglich bei Io soffrirò tacendo, La virtù sowie La primavera ist das Geschlecht weder der Protagonisten noch der Adressaten greifbar. Da das arkadisch-pastorale Thema am häufigsten verarbeitet wurde, werden die Worte meist an Filli gerichtet. Sie ist sechs Mal angesprochen, ihr folgen Clori und Irene (je viermal), Tirsi (dreimal) sowie das Herz und Eurilla (je zweimal). Bei den sprechenden Hauptfiguren lässt sich keine klare Tendenz herauslesen. Dem arkadisch-pastoralen Bereich lassen sich Amarilli, Amor, Clori, Daliso, Elisa, Fileno, Falceste, Filli, Ismene, Terilla und Tirsi zuorden. Bis auf Falceste und Tirsi, die zweimal den Protagonisten geben, tragen die anderen Figuren bei nur je einer Kantate ihre Worte vor. Neben den bereits Genannten werden bei den arkadisch-pastoralen Werken noch Coralma, Dorilne, das nicht näher bezeichnete »Du«, Elisa, Falceste, Fileno, Ismene, Gelsomino ( Jasmin), Lidia, die Numi, die Pensieri, Ninfe, Pastori, Fille, Aurora sowie Rosa (Rose) erwähnt. Die Götter Zeus und Pluto sowie die Furien werden als Chiffren der Rache für erlittenes (Liebes-)Leid eingesetzt.

831 Eigentlich besteht das Korpus der von Caldara vertonten Solokantaten aus 95 Werken. Vier davon wurden von ihm doppelt in Musik gesetzt und bei der Textanalyse daher nur einmal gezählt. Vgl. den Abschnitt Mehrfachvertonungen von Texten des Wiener Repertoires.

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Kantaten für den Kaiser

Auch die heroische Kategorie ist von einem ganzen Strauß von Figuren gekennzeichnet – diesmal von historischen, mythologischen und literarischen. Bis auf Orfeo, aus dessen Perspektive zweimal eine Kantate erzählt wird, kommen die folgenden jeweils nur einmal zum Zug: Aci, Agesilao, Apollo, Arsace, Artabano, Bajazet, Codro, Dario, Epaminonda, Ercole, Coriolano, Galatea, Iuba, Oeta, Oronte, Tamerlano, Temistocle, Tiridate, Titano, Ulisse Polifemo. Sie alle richten ihre Worte – mit Ausnahme von Aci, Cleopatra und Galatea (je zweimal) – lediglich in je einer Kantate an einen nicht näher genannten Amico, Apollo, die Athener bzw. deren Stadt, Cassandra, Dafne, Dori, Euridice, Fenice, Fraate, die Furien, Galatea, Giove, Iole, Madre, Marianna, Medea, Nereo, Padre, Penelope, Petreio, Serse, die Squadre und Tamerlano. Darüber hinaus finden Achronte, Arsinoe, Apollo, Cupido, Dafne, Elisa, Erebo, Erminda, Erode, Febo, Germano, Hymenaios (Imeneo), Giove, Mardonio und Paride Erwähnung. In der Kategorie »Liebe«, die von Anonymität sowohl der Erzähler wie der Adressaten gekennzeichnet ist, sind Letztere in vier Fällen die Augen, dreimal das »Du« und zweimal das Herz. Des Weiteren werden der Amor tiranno, der »Sogno«, die »bella adorata«, Giove, Marte, »Idol mio« und der »Nume infante« (Cupido) genannt. Bei den enkomiastischen Kantaten richten sich die Worte zwar vordergründig an den Ruhm, die Zeit, an Cupido und Istro (= Donau), die eigentlichen Adressaten, die auch benannt werden, sind indes einmal Carlo (Kaiser Karl VI.), zweimal Elisa (Kaiserin Elisabeth Christine) sowie einmal Teresa (Erzherzogin Maria Theresia). All diese Kantaten werden aus dem Blickwinkel eines anonymen Erzählers vorgetragen. Venere, Pallade sowie der »austriaco sole« werden erwähnt, um den feierlichen Texten Glanz zu verleihen. In den zwei allegorischen Kantaten La virtù und L’oro sind keine direkten Adressaten vorgesehen, und lediglich bei Letzterer tritt die allegorische Figur Gold direkt in Erscheinung. Kantaten für zwei Stimmen Die sechs Kantaten für zwei Stimmen stehen im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen am Kaiserhof und weisen zweimal eine bemerkenswerte Konstellation auf: So treten die Erzherzoginnen Maria Theresia und Maria Anna einmal in eigener Person als Arciduchessa maggiore und minore (Germana: il dì che splende), ein weiteres Mal als Sacerdotessa prima und seconda 832 (Vieni, o compagna) auf. Die erste Kantate ist wie der Trionfo d’Amore e d’Imeneo und 832 Auch hier wird die zeremonielle Rangfolge eingehalten, indem die ältere Erzherzogin die Rolle der Sacerdotessa prima und die jüngere die der seconda übernimmt.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

der Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio den enkomiastischen Stücken zuzuordnen. Die beiden Letztgenannten verraten schon im Titel die Rollenkonstellation. So streiten sich bei der Hochzeitskantate Amore und Hymenaios (Imeneo) um den Vorrang, während Disciplina und Genio um ebendiesen bei der Namenstagskantate konkurrieren. Im ersten Fall adressieren Amor und Hymenaios ihre Worte explizit an das Brautpaar (»sposo« = Kurprinz Karl Albrecht; Maria = Erzherzogin Maria Amalia) und den Kaiser (»Carlo«). Auch bei den Namenstagskantaten werden die eigentlich Angesprochenen, Teresa (= Erzherzogin Maria Theresia) und Genitor (= Kaiser Karl VI.), direkt erwähnt. Anders verhält sich bei der Kantate des exotischen Sujets Atalipa e Doriene. Die beiden Protagonisten erwähnen zwar Jugendliche, die zu einem indischen Tanz bereit seien, ohne diese freilich expressis verbis zu nennen. Die einzige dem arkadisch-pastoralen Raum zuzuordnende Kantate für zwei Stimmen wird von Nigella und Tirsi geprägt. Nigella bringt an deren Beginn die mythologische Figur Filomela ins Spiel, womit sie eine Verbindung zur antiken Episode herstellt.

Struktur der Kantatentexte Formale äußere Anlage Das Korpus der Wiener Kantaten kann in vier Formtypen unterteilt werden (siehe Grafik 12). Dabei zeigt sich, dass für Solokantaten ausschließlich die ab 1700 gängigen Kantatenformen ARA und RARA verwendet wurden. Zudem ist eine klare Tendenz zum Typ RARA abzuleiten. Die sechs Kantaten für zwei Stimmen können wiederum in zwei genau gleich große Gruppen aufgeteilt werden. Ohne Ausnahme werden dabei die Arien auf beide Rollen gleichmäßig verteilt und die Texte bei allen mit einem A-due-Abschnitt abgeschlossen. Rezitativgestaltung Legt man Quadrios Einschätzung, wonach die Rezitativlänge bei Solokantaten im Regelfall bei sechs Versen liegen sollte, 833 als Maßstab zugrunde, weicht nach dem römischen Textkorpus auch das Wiener von der Norm ab. Bei den Solokantaten wurden an die 50 % der 153 Rezitative mit acht bis 15 Versen versehen, während lediglich sieben die in der Theorie geforderte Anzahl von sechs Versen aufweisen. Der nachfolgenden Grafik lässt sich entnehmen, dass innerhalb dieser 50 % eine ausgesprochen regelmäßige Verteilung der Versanzahl bei 833 Vgl. die Ausführungen im gleich benannten Abschnitt für das römische Repertoire.

257

Kantaten für den Kaiser

70

64

60

50

Kantatenanzahl

258

40

30

27

20

10

3

3

0

Textstrukturen

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen A= Arie D= A 2-Abschnitt R= Rezitativ

Grafik 12: Kantatentextstruktur

den Rezitativen mit acht (18) bis elf Versen (18) vorliegt. Bei den Kantaten für zwei Stimmen können aufgrund der geringeren Anzahl von lediglich 24 Rezitativen keine vergleichbar validen Tendenzen abgeleitet werden; auffällig ist indes, dass es hier mit 26 834 und 30 Verszeilen 835 zu den längsten Rezitativtexten des gesamten Textkorpus kommt. Die Gestaltung der Rezitativverse erfolgt nach dem zeitgenössisch üblichen Prinzip mit sieben oder elf Silben. Lediglich drei Rezitative bilden eine Ausnahme, hat sich doch in einem Fall ein Quinario sowie ein Decasillabo 836, im anderen ein Ottonario 837 eingeschlichen. Im dritten Fall ist das Versschema am Ende des Rezitativtextes nicht ordnungsgemäß rekonstruierbar, d. h., der Endecasillabo ist nicht vollständig. Möglicherweise handelt es sich hier um einen

834 Vgl. Vieni o compagna, D-MEIr Ed 118l XI 4681/V NHs 23. 835 Vgl. Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio, A-Wgm A 398 (2). 836 Vgl. das erste Rezitativ von Dammi l’arco Cupido bendato, D-MEIr Ed 118 t (7). Möglicherweise handelt es sich es hier um einen Kopierfehler, der aber nicht so eindeutig wie bei Crudele, se tu mi vuoi tradir vorliegt. 837 Vgl. das erste Rezitativ von Che giova il sospirar povero core, A-Wgm A 404 (6).

259

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

25

21 19

20

Rezitativanzahl

18

18 15

15

13

13

10

7

7 5

5

5

4

4 3

3 2

1

2 1

1

1

10

11

2

2

2 1 1

1

1 1

1

1

1

23

26

30

0

5

6

7

8

9

12

13

14 15 16 Versanzahl

17

18

19

20

22

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen Grafik 13: Versanzahl bei Rezitativen

Kopierfehler, denn im Umfeld der fraglichen Stelle fehlt unter einer Note eine Silbe. 838 Nur zwei Rezitative des gesamten Textkorpus (185 Rezitative) sind durchgängig gereimt 839, die anderen weisen den üblichen Reim bei der Schlusswendung auf, der entweder direkt an der Stelle von der vorletzten zur letzten Verszeile oder verzögert gesetzt ist. Ein typisches Beispiel für ein Rezitativ des Wiener Repertoires ist das nachfolgend aufgeführte erste der Kantate Vola al mio bene in seno 840. Gang und gäbe ist, dass der erste Vers nicht per Reim mit einem weiteren verbunden ist und eine hohe Anzahl von Endecasillabi vorkommt. Der Schlussreim contento–vento wird beim folgenden Beispiel verzögert, auch das entspricht der Konvention:

838 Vgl. das erste Rezitativ von Crudele, se tu mi vuoi tradir, D-MEIr Ed 118q (3). 839 Es handelt sich hierbei um die jeweils ersten Rezitative der Kantaten Su l’ali de sospiri (A-Wgm A 404 [9]) sowie Perché sospiri, o core (A-Wgm A 403 [14]). 840 Vgl. A-Wgm A 402 (11).

260

Kantaten für den Kaiser

Silbenanzahl Vola al mio bene in seno Infelice cor mio se brami pace; Vanne se pur ti piace,

Reimschema

7

a

11

B

7

B

Scoppia in esso di duolo, e col torrente

11

c

Delle lagrime tue più molle almeno

11

D

Renderai la fierezza entro quel seno:

11

D

Ma poi ch’arso sarai, e fatto in polve,

11

e

Chiedi all’idol, che adori un sol contento,

11

F

Ch’ivi almeno ti serbi, e fia tua tomba,

11

g

O che il cenere tuo disperda al vento.

11

F

Ariengestaltung Die Arientexte 841 sind mit wenigen Ausnahmen zweiteilig angelegt und als Dacapo-Arien von Caldara in Musik gesetzt worden. Innerhalb des Repertoires überwiegen die Arien mit acht Verszeilen (siehe Grafik 14), die sich aus zwei Hälften zu je vier Verszeilen zusammensetzen. Innerhalb des Repertoires ist das Maximum bei zwölf Verszeilen erreicht, und es erweist sich, dass sich die Verse bei den Arien mit vier, sechs, zehn und zwölf Zeilen im Regelfall in zwei gleich große Abschnitte teilen lassen. Die Arien mit einer ungeraden Anzahl von Verszeilen weisen bei mehr als der Hälfte aller Fälle (17 von 30 Arien) einen längeren A-Teil auf. Die A- und B-Teile der Arien sind so gestaltet, dass die musikalisch bedingte Wiederholung des A-Teils nach dem B-Teil zu keinen inhaltlichen Problemen im dramaturgischen Aufbau führt. Die beiden Teile stehen sich inhaltlich entweder sehr nahe oder sie kontrastieren miteinander, wobei sie häufig entsprechend mit dem Wort »und« bzw. »aber« verbunden sind. Die Arientexte galt es auch hinsichtlich des Versmaßes und der verwendeten Reimschemata einer näheren Betrachtung zu unterziehen. So konnte festgestellt werden, dass der bevorzugte Vers zur Ariengestaltung der Ottonario (76) ist, gefolgt vom Senario (64). Es ist bemerkenswert, dass im Wiener Repertoire der Reim nicht das wichtigste Gestaltungselement der Arien ist, vielmehr liegt eine große Vielfalt von Kombinationen gereimter wie ungereimter Verszeilen 841 Im Gegensatz zum römischen Repertoire wird hier keine gesonderte Betrachtung von Solokantaten und Kantaten für zwei Stimmen vorgenommen. Das liegt daran, dass zu wenige Kantaten für zwei Stimmen vorliegen, um klare Tendenzen ableiten und damit einen Vergleich zu den Solokantaten herstellen zu können.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

80

71 70

60

Arienanzahl

60 50 40 30 20

16 12

10

5

4

8

6 3

2

1

1

5

2

4 1

0

4

5

6

7

8 9 Versanzahl

10

11

12

13

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen Grafik 14: Versanzahl bei Arien

vor. Mehr als die Hälfte (40) der 76 Arien zu acht Versen sind nicht durchgängig gereimt, und am häufigsten tritt dabei das Schema AAbCDDeC, gefolgt von AABCADDC auf. Ein typisches Beispiel für Ersteres ist die Arie Se sprezzato io son da te: 842 Silbenanzahl

Reimschema

Se sprezzato io son da te,

8–

A

Se schernita è la mia fe,

8–

A

Più s’accende nel mio petto

8

b

Di adorarti il bel piacer.

8–

C

Non pavento il fasto altero

8

D

Del tuo cor sempre severo,

8

D

Vivrò sempre a te fedele

8

e

Senza speme di goder.

8–

C

842 Das Beispiel stammt aus der Kantate L’Oronte, vgl. A-Wn Mus. Hs. 17603 (1).

261

262

Kantaten für den Kaiser

Gestaltung der Texte für A-2-Abschnitte der Kantaten für zwei Stimmen Die A-2-Abschnitte orientieren sich in Versmaß und Textstruktur an den Arientexten. Bis auf eine Ausnahme bei der Kantate Vieni, o compagna 843 sind sie zweiteilig und somit für die musikalische Umsetzung als Da capo angelegt. Der Text verteilt sich entweder vollständig auf beide Rollen oder einzelne Textpassagen werden von beiden Protagonisten vorgetragen. Bei der musikalischen Umsetzung bringen die Protagonisten häufig ihren Text gleichzeitig vor, selbst wenn dieser abweicht, so dass der Übereinstimmung des Versmaßes ein entscheidendes Moment zukommt. Elegant ist dies bei der Namenstagskantate Germana: il dì che splende 844 gelöst. Wie im Rahmen der Inhaltsanalyse festgestellt, treten die Erzherzoginnen in eigener Person auf, und der Text berücksichtigt die besondere Konstellation der Darbietung durch die Töchter vor dem Kaiser und dem innerhöfischen Zirkel. Die Schwestern teilen im A-Teil des A-2-Abschnitts lediglich die Kernaussage der Kantate, wonach ihr Herz schon die richtigen Worte vor und für den Kaiser finden werde (siehe Hervorhebung). Da der Text des B-Teils zum parallelen Vortrag vorgesehen ist, sind Versmaß und Reimschema aufeinander abgestimmt. Im A-Teil werden die textlichen und die vom Reimschema abweichenden Passagen dementsprechend versetzt vorgetragen.

Arciduchessa maggiore

843 Vgl. D-MEIr Ed 118l. 844 Vgl. A-Wgm A 398 (3).

Silbenanzahl

Reimschema

Andiamo al contento,

6

A

Che piú si sospira

6

b

Se manca l’accento

6

A

Il cor ch’è sagace

6

C

Per noi parlerà

6–

D

E il bello del vero

6

E

Il nostro pensiero

6

E

Più grato farà.

6–

D

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Arciduchessa minore

Andiamo al contento,

6

Che piú si sospira

6

A b

Se il labro si tace

6

C

Il cor ch’è sagace

6

C

Per noi parlerà

6–

D

Nel ver che diletta

6

E

Sua scelta perfetta

6

E

Il cor far potrà.

6–

D

Aspekte der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte Solokantaten Quadrios Forderung nach einem Rezitativ am Kantatenbeginn, das in das Geschehen einführen und den Zuhörer auf den Grundaffekt des Werkes einstimmen soll, entsprechen die Kantaten des Wiener Repertoires zwar überwiegend, doch wird immerhin ca. ein Drittel der Solokantaten mit einer Arie eröffnet (siehe Grafik 12). Unabhängig von der gewählten Binnenform, also Arie oder Rezitativ, beginnen 60 Kantaten dialogisch, mit einem fiktiven Zwiegespräch. Mit der Anrede eines imaginären Gegenübers ist sofort ein dramatischer Einstieg evoziert, der die Aufmerksamkeit des Zuhörers erregt. An den Beginn von 43 dieser 60 Kantaten wurde dafür ein Rezitativ gesetzt. Tu parti almo mio sol 845 weist typische Charakteristika für ein einschlägiges Eröffnungsrezitativ auf. Eine namenlose Protagonistin steht vor dem Abschied von ihrem Geliebten, der sie damit einem ungeheuren Schmerz preisgibt. Häufig wird das Rezitativ mit einer Exclamatio oder einer Frage eröffnet, so auch im folgenden Beispiel. Mit Vorwürfen, die das Interesse des Zuhörers erregen sollen, wendet sich die Entrüstete an ihren Geliebten: Tu parti almo mio sol? E me qui in preda D’un barbaro dolor lasciar ne puoi? E nè mi amasti? Ah come? S’hai cor . . . ma che favello? Te spinge il tuo dover a questo amaro Passo crudel: e me spinga la gloria A riportar sovra il mio amor vittoria. 845 Vgl. D-MEIr Ed 118 t.

263

264

Kantaten für den Kaiser

Bei 33 Kantaten sind dialogisch gestaltete Arien an den Beginn gesetzt. Stellvertretend sei auf die eröffnende Arie Se a morir tu mi condanni 846 verwiesen. Tiridate äußert im A-Teil in direkter Rede den klagenden Wunsch, in unmittelbarer Nähe seiner Geliebten sterben zu dürfen, wenn sie ihn schon zum Tode verurteilt habe. Allein diese Ausgangsbasis, artikuliert in der ersten Verszeile, stellt die Ausgangslage dar und eröffnet dem Zuhörer die Dramatik der Situation. Se a morir tu mi condanni Morirò; ma in tanti affanni Deh! concedi a questo core Di spirar vicino a te. Lascia almen ch’io dica moro Per te amabile tesoro Se d’amor la cara speme Pur svani lungi da me.

Die restlichen Kantaten sind von einer eher narrativen Einleitung gekennzeichnet, wobei 21 dieser Gruppe mit einem Rezitativ beginnen. In einigen Fällen ist dieses nicht durchgängig narrativ gestaltet, sondern es folgt auf eine erzählende Passage eine dialogische. Das Rezitativ Mentre tra balze e rupi aus der Kantate Il lamento d’Orfeo 847 kann hier stellvertretend angeführt werden. Es entspricht Quadrios Vorstellung von einem in das Geschehen einführenden Text insofern, als es den Ort des Geschehens, nämlich »della terra ultime parti«, vorstellt, die Dramatis Personae Orfeo und Euridice benennt sowie schließlich den Zeitpunkt und die Situation, in der Orfeo sich befindet, darlegt. Er sei »sen gia l’afflitto e addolorato Orfeo della sua bella Euridice in traccia« – die Kantate setzt also nach dem Abstieg in die Unterwelt ein. Der Übergang von Narration zu Dramatik geht mit dem Perspektivenwechsel vom Erzähler auf Orfeo einher, den der Textdichter als Überleitung formuliert und mit dem er so die direkte, an Euridice gerichtete, Rede ankündigt. Bemerkenswert ist, dass es im Anschluss daran zu einem Wechsel des Gesprächspartners kommt, der Auswirkungen auf die musikalische Textur hat. Wurde das Rezitativ bis dahin als Seccorezitativ vertont, so geht Caldara an jener Stelle, an der Orfeo seine Worte an Giove richtet (»Oh! Del profondo averno«), auf ein Accompagnatorezitativ über:

846 Vgl. Il Tiridate, A-Wn Mus. Hs. 17603 (5). 847 Vgl. A-Wgm A 402 (7) sowie A-Wgm A 403 (9).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Mentre tra balze e rupi Sen gia l’afflitto e addolorato Orfeo, Della sua bella Euridice in traccia, Disceso alle più cupe Del globo della terra ultime parti, Lasso le sue dolenti Pene discioglie in questi mesti accenti. Ombra dell’idol mio, cara Euridice, Eccomi giunto alfin per rivederti In queste oscure e tenebrose soglie Della patria dell’ombre, alma infelice. Oh! Del profondo Averno Monarca formidabile e severo, Tartareo Giove, le mie preci ascolta; Fa che da lacci sciolta La sospirata mia dolce consorte Sia tosto e a me si renda. O un’alma forte Or vedrai già nell’ombre unita a morte.

Schon bei der Untersuchung des Textkorpus für Ruspoli konnten einige dramaturgische Gestaltungsmittel herausgearbeitet werden, die nun auch für das Wiener Repertoire eine Rolle spielen. Diese werden im Folgenden aufgezeigt, wobei der Vergleich mit den römischen Kantaten es erlaubt, einige Besonderheiten besonders deutlich zu markieren. Steigerung

Die dramatische Entwicklung sukzessive zu steigern ist ein erprobtes Mittel, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers (genauso wie des Zuschauers) herzustellen und zu erhalten. In diesem Sinne zeigt sich bei den Kantaten des Wiener Repertoires, dass der Kantatentext entweder kontinuierlich einem dramaturgischen Höhepunkt zugeführt wird oder der Zuhörer gleich zu Beginn mit einem hohen Erregungszustand des Protagonisten überrascht wird, der dann freilich noch gesteigert wird. Die Kantate Vicino a un rivoletto 848 (RARA) steht exemplarisch für den zunächst genannten Typus. Im ersten Rezitativ wird die Ausgangslage vorgestellt: Ein anonymer Erzähler stellt Ort (»vicino a un rivoletto«) und Dramatis Personae vor, Coriolano und Cleopatra. Nach dem Perspektivwechsel auf Coriolano bittet dieser in der ersten Arie den Bach, die Vögel und den Wind um 848 Vgl. A-Wgm A 402 (1).

265

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Kantaten für den Kaiser

Hilfe in seiner Liebesangelegenheit – sie sollen Cleopatra von seiner Liebe zu ihr erzählen, da jene (so der B-Teil der Arie) »fiero, e a me crudel« zu ihm sei, was Coriolanos Dilemma verdeutlicht. Doch rasch wird der Liebende desillusioniert, als er realisiert, dass von außen keine Hilfe zu erwarten ist. Der dramatische Höhepunkt ist mit einer Exclamatio erreicht. Coriolano ruft zu Beginn des Rezitativs den Himmel an, wirft der Natur vor, alle hätten sich ihm gegenüber »mostrano crudele«, und geißelt vor allem Cupido – den wahren Schuldigen an seinem Liebesmartyrium. Die Vorwürfe an den Liebesgott (»Me feristi crudele! / Mi colpisti nel seno«) erhalten die Spannung bis zur folgenden Arie aufrecht, in der sie wieder abflaut. Dort wendet Coriolano sich schließlich resigniert an Cleopatra, da sie die Einzige sei, die sein Leid zu heilen imstande sei. Vicino a un rivoletto Ove canuta l’onda Increspata dall’aure Con rugoso zeffir la sponda ingemma Stava l’afflitto e sconsolato amante Coriolano fedel Principe errante Attendeva amoroso Cleopatra la diletta Nobile e vezzosetta E chiedendo ristor dall’aura, e venti Sciolse la lingua in questi dolci accenti.

"

&

$

Zeffiretto amorosetto Che scherzando vai vezzoso Con l’augello col fiore, e col rio Vanne vola al bel idolo mio Dilli o caro ch’io l’amo fedel Augelletto garuletto Che volando vai pietoso E per monti e verdi colli Va e ritrova il mio tesoro Dilli almeno ch’io l’adoro Se ben fiero, e a me crudel. Ma, oh ciel! Che insin le piante, E l’erbe i fiori e sassi Gli augelli i venti e l’onde Si mostrano crudeli a miei martori.

Ausgangslage

Steigerung

‘

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Ah nume cieco alato Cupido del mio fato Tu almeno abbi pietade. Me feristi crudele! Mi colpisti nel seno Ne vale dir ch’io peno Se la perfida ingrata Per più dar cruccio al core Favellando mi và d’antico amore. Aime sento il mio core Che sviene dal dolore Per te vago mio bene Languendo ogn’ora sta Tu sola o mio tesor Spegner puoi quell’ardor Che non tormento attroce In petto acceso và.

Steigerung

‘ " & $

Bruch / retardierendes Moment

"

&

Klage

$

Auf einem gänzlich anderen Intensitätslevel beginnt die Kantate Ingrato! E perché mai? 849 (RARA). Ansatzlos wütet Ammarilli mit einer Schimpftirade gegen ihren namenlosen Geliebten. Der vorwurfsvolle Ausruf »Ingrato!«, gefolgt von Fragen nach der versprochenen Treue, versetzt den Zuhörer unmittelbar in das Geschehen. Die Schäferin ist so erbost, dass sie ihren Geliebten innerhalb des ersten Rezitativs gleich mit einer für Rezitative eher ungewöhnlichen Wortdoppelung (»parti parti crudele«) auffordert zu verschwinden. Die Verwendung von Präsens und Futur verleiht der Situation überdies eine gegenwartsbezogene Note. Auch in der folgenden ersten Arie wird auf das Mittel der Exclamatio zurückgegriffen, wobei es zu einer Steigerung mit Hilfe eines dreifachen Ausrufs »Empio! Ingrato! Traditore!« kommt. Diese Worte leiten in zwei von Rachegedanken geprägte Passagen über. Im folgenden Rezitativ erreicht der Text einen Höhepunkt, wenn Ammarilli ihren Geliebten in die Hölle wünscht und beteuert, allein dafür zu leben, um ihm »rigori, stragge, crucci, e matori« zu bereiten. Nach einem kurzen retardierenden Moment, geprägt von Selbstzweifeln in der Frage, wieso er sie verlassen habe, und Selbstvorwürfen, dass sie ihn beleidigt habe, bekräftigt sie, für seinen Ruin zu leben. Mit der Einsicht, dass sie betrogen sterben werde, es aber für ihn keine Gnade gebe, wird die dramatische Entwicklung gebrochen und die Kantate zu einem für Ammarilli verzweifelten Ende geführt. 849 Vgl. A-Wgm A 402 (6).

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Kantaten für den Kaiser

Ingrato! E perché mai? Lasciarmi? Infido? Dove, dove è la fede Che mi giurasti? Oh dio? Parti parti crudele, Ma sappi ch’Ammarilli Per quel tuo fiero core Vivrà sempre in ardore, Mi tradisti il confesso, Ma quanto incauto fui nell’adorarti Tanto saprò crudele ogn’or sprezzarti. Empio! Ingrato! Traditore! Mi schernisti ma il mio amore Di te straggi ogn’or farà. Fra le furie delirante Ammarilli offesa amante A dar morti imponerà. Và mostro d’empietà, va nell’inferno Furia del cieco Averno Vivrò sol per crucciarti E sappi che il mio core Tutto per te furore Ti promette rigori Stragge, crucci, e martori. Ah dio? Perché lasciarmi? Qual offesa ti fecci? Empio? Spergiuro? Parti? Vivi? Ma sappi Che solo a danni tuoi per tuo martoro Vivrò se pur in tanto Dolor non mi udirai, ingrato io moro. La fiamma eterna e ria Che cruccia l’alma mia Crudel morte mi da Il spasimo ch’io sento Accresce il mio tormento Per me non v’è pietà.

"

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Ausgangslage/Anklage

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Steigerung

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Höhepunkt

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&

Bruch/retardierendes Moment

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&

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Klage

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Schlüsselbegriffe

Wie in Rom, so finden sich auch im Wiener Textkorpus Beispiele für die Verwendung von Schlüsselbegriffen zum inneren Zusammenhalt des Textes. Die Kantate L’Ercole 850 sei hierfür stellvertretend herangezogen. Sie steht im Zeichen des von der Liebe besiegten Heroen. Zu Beginn ist Ercole von dem für ihn ungewohnten Gefühl der Liebe zu Iole ergriffen. Dementsprechend kreisen die zentralen Termini um die Liebe und die daraus entstehenden Wünsche, Leiden und Einsichten. Sie werden mal wortwörtlich wiederholt, mal werden Synonyme und verwandte Ausdrücke eingesetzt, die wie folgt zu Wortgruppen zusammengefasst werden können: core/mio petto, amore/amante/ardore/piacer, smanie/pene sowie speme/spene/desio. Die zweite dieser Wortgruppen tritt sowohl insgesamt als auch in jedem einzelnen Abschnitt der Kantate am häufigsten auf, die Wörter core und amore lassen sich als die zentralen Termini deklarieren. Der Kantatenschluss wartet mit der Moral auf, dass sich jedes Herz der Kraft der Liebe ergeben müsse: Insolito stupor, m’ingombra il core, Scendono nel mio petto A numeroso stuol stragi e rovine, Mi divora e m’affanna Un non so che d’ardore, Numi, che mai sarà? Mi sembra amore. Amor, che al primo raggio Funesto alla mia pace Incatenommi l’alma, E con torbida calma, Scemandomi il contento Sopra l’arrido stel della mia spene, Mi lusinga il fellon, fra smanie e pene. Qual piacer provar poss’io, Se di speme il bel desio Pur svanì da questo cor. Reso amante è il mio pensier, Ma non prova quel piacer, Che pur suol donar amor.

850 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 17603 (2).

269

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Kantaten für den Kaiser

Dunque l’Ercole invitto! A cui trofeo onorato Fanno gloria, valor, la fama, il fato, Dovrà poi in mezzo a strazzi Viver sempre penante, Senza sperar pietà, deluso amante. Atterrati centauri E sostenuti cieli, Cerberi vinti ed espugnati inferni, Del mio braccio viril fu merto ed opra; Ma di Iole vezzosa, Invaghito il mio cor, Mutai la clave in rocca, il ferro in fuso E in feminile veste D’indomito leon l’orrendo manto: Tiro pendente il filo, E innaspando la trama, Il bel piacer d’amor, quest’alma brama. Ogni fasto audace, altero Cede vinto al dio d’amor. Ogni cor benché severo Nell’amar perde il vigor.

Wiederholung bzw. Variation von Textpassagen und Textstruktur

Die Wiederholung von Versen, auch in Variationen, schlägt sich im Gegensatz zum römischen Repertoire kaum im Kantatenkorpus für den Kaiserhof nieder. Lediglich bei drei Kantaten kommt es vor, dass die jeweils erste Zeile am Ende des Rezitativs vollständig wiederholt wird. Diese Repetition dient dem Zweck, die zugrunde liegende Aussage bzw. Fragestellung der Kantate zu akzentuieren. An Che giova il sospirar kann idealiter nachvollzogen werden, dass das neuerliche Fragen nach dem Grund für den Kummer die Basis der vorwurfsvollen Ausführungen bilden. Der verzweifelte Versuch, das Herz im Verlauf der Kantate vom »inganno« der Liebe, also davon zu überzeugen, dass es lediglich zu Gefahren führe und den Frieden raube, »suo tiranno« zu lieben, scheitert. Am Kantatenschluss wird noch einmal zum Mittel der Wiederholung gegriffen, wenn die Worte »Mio povero cor(e)« den untypischen Arientext rahmen. Zwischen A- und B-Teil lässt sich zwar auf Basis der Reimstruktur, nicht aber

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

auf der des Inhalts eine Zäsur feststellen. Die Klammer, die sich aus der Textwiederholung ergibt, führt zu einem stringenten textlichen Arienverlauf. Mit dem Ende auf »Mio povero cor« ist zudem eine größere Klammer zwischen erster und letzter Textzeile der Kantate geschaffen, die freilich auf dem Wege der musikalischen Umsetzung als Da-capo-Arie durchbrochen wird. Die musikalisch bedingte Wiederholung des A-Teils führt zu einem anders akzentuierten Schlusspunkt, der die schmerzliche Erfahrung in den Mittelpunkt rückt. Rezitativ 1

Che giova il sospirar povero core, Se l’alma rea tenace Di quel crudel, che ti rapi la pace A tormentare avvezza Di te non cura ti deride e sprezza. Misera: qualor si avvede Dell’angoscioso affanno Che ai gravi moti tuoi più forza accresce Simulando pietà sol per inganno Semiti si dimostra al tuo dolore Che giova il sospirar povero core?

Arie 2

Mio povero core Risolviti ormai Che cosa è l’amore Lo vedi lo sai Se provi l’affanno Ne senti dolor Se pace ti chiama Perché non rispondi? Più che ha ti brama Tu più ti confrondi. Ne scopri l’inganno Mio povero cor.

Perspektivwechsel

Der Perspektivwechsel erfolgt in der Regel von einer erzählenden zu einer dramatischen Passage, wobei von einem anonymen Erzähler auf die Protagonistin oder den Protagonisten gewechselt wird. Das kann sowohl von einem Kantatenabschnitt auf den anderen als auch innerhalb eines einzigen stattfinden.

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Kantaten für den Kaiser

Im Normalfall wird der Wechsel mit einer Überleitung deutlich gemacht. Bei L’Oronte 851 geschieht dies innerhalb des ersten Rezitativs verzögert mit »egli dicea« des Erzählers, bevor Oronte selbst das Wort ergreift. In der Exposition befindet sich Oronte am Olymp, wo sich gerade Steilhänge und Höhlen auftun; er wird als einsamer, rasender, verschmähter, enttäuschter und glühender Liebhaber charakterisiert. Danach schwenkt der Kantatentext auf ihn selbst, der sein Schicksal zu hinterfragen beginnt und damit die dramatische Entwicklung der Kantate ermöglicht. Ove l’altero Olimpo Erge mostruoso il tergo Di orridi spechi e dirupate balze, Giacea l’incauto Oronte, Solingo e delirante, Disprezzato, deluso, acceso amante. Ah! Barbarie inaudita[!] Egli dicea, Di qual fallo son reo? Morir mi lice? Un’ingrata mi sprezza e mi deride? O voi di fosca notte orridi numi, Sorgete e con gran scempio, Nell’Erebo profondo Precipitate il cielo, Oronte, il mondo.

Hypophora

Um den inneren Zusammenhalt der einzelnen Kantatenabschnitte zu stärken, dienen Fragen, deren Beantwortung nicht sofort im selben Abschnitt erfolgt, sondern verzögert wird. Povero Arsace: è vero 852 ist diesbezüglich ein bemerkenswertes Beispiel, denn mit der Beantwortung der Frage Che v[u]oi far? geht ein Perspektivenwechsel vom namenlosen »amico« auf Arsace einher; darüber hinaus wird die Frage innerhalb einer Arie und nicht, wie zu erwarten wäre, innerhalb eines Rezitativs gestellt. Die Antwort erfolgt im darauffolgenden Rezitativ mit der Bitte Arsaces an seinen treuen Freund, sich für seine Beziehung mit Erminda einzusetzen.

851 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 17603 (1). 852 Vgl. D-MEIr Ed 118 t (3).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Che v[u]oi far? Povero Arsace Dei pugnar contra il tuo core. Dei nemico a la tua pace Cercar danno e ancor dolore. A te mi volgo, ò dolce Fedele amico quando A te piaccia, e a virtù che di me sia La bella Erminda, vanne: Fa che il Padre, e il Germano al nodo assenta: E in pudico Imeneo Poscia viver potrem coppia contenta.

Kantaten für zwei Stimmen Im Zusammenhang mit dem römischen Repertoire für zwei Stimmen wurde bereits ausgeführt, dass das dialogische Prinzip das die Handlung vorantreibende Moment der Kantate für zwei Stimmen ist. Vier der sechs Kantataten des entsprechenden Wiener Bestandes beginnen demgemäß mit einer direkten Anrede des Gegenübers, zweimal in Form einer Aufforderung. Der Anschluss kann in Form eines Dialogs erfolgen oder in einer längeren Redepassage eines der beiden Akteure (so bei den folgenden Beispielen). Zusätzlich nehmen die zwei Werke im ersten Rezitativ direkt Bezug auf den Anlass, für den sie entstanden sind. 853 Beim Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio wird die Ausgangssituation (Namenstag Maria Theresias) dialogisch dargelegt, während bei Germana: il dì che splende (Namenstag Kaiser Karls VI.) zwar die Arciduchessa maggiore ihre Schwester mit »Germana« direkt anspricht, letztlich aber den Zuhörer in das Geschehen einführt, bevor die jüngere Erzherzogin darauf reagiert.

853 Die direkte Bezugnahme auf das feierliche Ereignis im ersten Rezitativ ist typisch für Namenstagswerke für Maria Theresia. Vgl. Fritz-Hilscher, Virtù 132.

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Kantaten für den Kaiser

Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio (D = Disciplina, G = Genio)

Germana: il dì che splende

D: Sieguimi, Genio amico.

Germana: il dì che splende

G. E dove D: Ove ci chiama

Sagro all’augusto nome

Al tempio del decoro,

Dell’almo genitor, le dotte, e belle

Delle virtù più belle, e delle grazie,

Castalidi sorelle

Al giubilo festivo unito il coro

Di chiari spirti accende,

G: Ma dimmi: non rammenti,

E i sagri voti alle suddite genti

Che dell’alma real, vaga doncella

Scuoprono il volto dei futuri eventi.

A noi commessa in cura,

Per tutto altro no si ode,

Il sempre fausto, e glorioso nome,

Che penetrare al ciel fervidi voti,

Nella paterna reggia,

Agli alti pregi suoi tesser corone,

Il popol tutto questo dì festeggia?

E cantar inni di verace lode.

D: Si, che il rammento, e questa

E noi che siam sue figlie

Appunto è la cagion, per cui desio,

Cui ne stringe dover, che aperto a lui

Ch’or tu siegua veloce il passo mio.

Si mostri il nostro cor, sol spettatrici Oggi sarem delle premure altrui?

Fritz-Hilscher stellt in Bezug auf die »einheitliche Reihe an Huldigungswerken« für Erzherzogin Maria Theresia fest, zu der auch der Dialogo zählt, dass in diesen Werken längere Passagen der Protagonisten vermieden und stattdessen »lebhaft gestaltete Dialoge, deren rasch wechselndes Frage-Antwort-Spiel den ausführenden Sängern und Sängerinnen virtuoses Können abverlangte«, eingesetzt würden. 854 Auf den Dialogo trifft das nicht zu. Mit 30 Verszeilen weist die Kantate zwar das längste Rezitativ innerhalb des Wiener Repertoires auf, das sich überdies am Beginn dialogisch entwickelt, ab dem ersten Drittel aber in eine 19-zeilige Rede übergeht, die ausschließlich diejenige Genios darstellt. Das dritte Rezitativ umfasst 20 Verszeilen und lässt ebenfalls eine dialogische Struktur vermissen – es wird als Monolog von Disciplina bestritten. Ein relativ rascher Frage-Antwort-Wechsel findet sich hingegen im Verlauf der Kantate Germana: il dì che splende. Es ist hier vor allem das Insistieren der Arciduchessa maggiore, das die Diskussion mit ihrer Schwester befeuert und damit den dramatischen Fortgang der Kantate bestimmt (AMi = Arciduchessa minore und AMa = Arciduchessa maggiore). Mit dem Beginn der jeweiligen Antwort vervollständigt die Arciduchessa maggiore die Verszeile ihrer Schwester, so dass jeweils Endecasillabi entstehen:

854 Fritz-Hilscher, Virtù 131 f.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

AMi: Ma dimmi: e qual potremo Spiegar con pochi accenti Del fervido desir le brame ardenti, Che abbiam per lui nel core? AMa: Il core istesso Lor la lingua saprà d’ogni periglio, Ch’e interprete fedel tra padre, e figlio. AMi: E qual de nostri voti Ei ne farà primiero? AMa: A lui non manca Lume per far la scelta; avrà ben cura Di ritrovar sollecito, e spedito, Il voto più perfetto, e più gradito.

Ohne Ausnahme sind die Werke des Wiener Repertoires für zwei Stimmen inhaltlich entweder von dem Ereignis oder von dem Ort, für den sie entstanden sind, bestimmt. Das wiederum bedingt eine anders geartete dramatische Struktur, als sie bei den Kantaten für zwei Stimmen des römischen Repertoires festgestellt werden konnte. Die Steigerung betreffend sind die Kantaten für zwei Stimmen (Atalipa e Doriene 855 sowie Vieni, o companga 856) als Einladung zum Ball konzipiert. Damit ist der Ball der zentrale Höhepunkt, er schließt sich aber erst an das Ende der Kantate an. Der Kantatentext selbst weist infolge dieses Konnexes keinen dramatischen Höhepunkt auf. Nigella e Tirsi wiederum orientiert sich an den Charakteristika des Ortes; auch sie entwickelt keine dramatische Steigerung, was darin begründet liegt, dass der Garten der Favorita ab dem dritten Rezitativ als Ort des Friedens und der Ruhe gezeichnet wird und somit im Zentrum des Verlangens der Schäfer steht, kann doch dort dem »dolce riposo« nachgegangen werden. Schlüsselwörter werden hier, anders als bei den fünf weiteren Kantaten für zwei Stimmen, reichlich gesetzt, um auf den Ort und dessen Ausstrahlung zu verweisen. Dafür werden die Worte prato, bosco, giardino für den Locus amoenus herangezogen und für die Wirkung des Ortes pace, risposo, ozio sowie sonno. Im Gegensatz zu den für Galatage entstandenen Namenstagskantaten wird der Anlass für Trionfo d’Amore e d’Imeneo, die Hochzeit, nicht explizit erwähnt, sondern ist nur auf Grundlage der Rollenbesetzung, des Inhalts und der Erwähnung des »magnanimo sposo« zu dekodieren. Diese Kantate sticht aus dramaturgischem Gesichtspunkt insofern heraus, als sie keine Einführung bereithält, sondern Amore sich mit seiner Prahlerei unmittelbar in Szene setzt, worauf ein Streitgespräch mit Hymenaios folgt, das erst gegen Ende des fünften Rezitativs 855 Vgl. A-Wn Mus. Hs. 16435. 856 Vgl. D-MEIr Ed 118l.

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beendet wird. Vom Einsatz Amors an, der als erster Höhepunkt konzipiert ist, kommt es im weiteren Verlauf der Kantate zu keinem Spannungsabfall, im Gegenteil – das Hin und Her der beiden Protagonisten befördert die Dramatik des Textes, deren hohe Intensität bis zum letzten Rezitativ durchgehalten wird; Hymenaios fällt Amor hier sogar einmal ins Wort. Erst in diesem Schlussrezitativ setzt bei »Stringar le nostre sorti in dolce calma« Entspannung ein, indem die beiden Protagonisten nun von ihren Eitelkeiten ablassen. Dies ermöglicht das versöhnliche Ende, das im letzten Teil der Kantate, im A 2, als abschließender Höhepunkt ausgekostet wird. Rolle Amore

Imeneo

Splenda d’Olimpo e scintillante biondo Sineggia il sol peregrinar trà segni E li arde ancor de la mia face al raggio: Or se trionfator già fui degl’astri Cedi a mie glorie [Imeneo:] Amore . . . Taci Imeneo, Deh taci Nel bel regno seren degl’astri anch’io Vanto vender concordi Le Deità superal Io pur del Ciel l’amenità vagheggio A par di te, ch’io son d’alto piacere La cagione suprema, E incatenar l’oblio Di grand alme al diletto è pregio mio. Dunque, si bell’incendio e bel legame De i già lodati diei Stringar le nostre sorti in dolce calma Pari sia dunque il merto egual la palma.

Imeneo Amore Imeneo beide

Si d’ogni alma e de’ bei numi con miei stral con mie catene lieto corro / volo a trionfar

Amore Imeneo beide

Arda in cielo il de be’ lumi Sian le stelle ognor serene Si bel modo a secondar.

Amore Imeneo

Amore

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Stilistische Mittel Vergleichendes und metaphorisches Sprechen Weitaus weniger als innerhalb des römischen Repertoires sind Metaphern als stilistisches Mittel feststellbar. Der Grund hierfür ist in der hohen Anzahl heroischer Kantaten zu suchen, bei denen es nur ausnahmsweise zu metaphorischem Sprechen kommt. Augen- und Schiffs- bzw. Schiffermetapher treten noch am häufigsten auf, um die Gefühlslage der Dramatis Personae zu kommunizieren oder die Zuwendung zur Geliebten zu verbildlichen. Ersteres ist in Che pretendi Amor tiranno 857 des Textdichters Catenas in Form einer Schiffermetapher als Schlusspunkt der Kantate gesetzt. Der namenlose Protagonist beklagt, dass Amor ihm die Freiheit des Herzen stehlen möchte. Er veranschaulicht seine Befürchtungen mit dem Bild des Schiffers, der unüberlegt handle, wenn er sein Boot sehenden Auges der Gefahr aussetze: Ti fuggo o nume arciero Ti temo al par di morte Tu vuoi d’ogn’alma forte Barbaro trionfar. Incauto è quel nocchiero Che certo del periglio Espone il suo naviglio Nell’onde a naufragar.

Weniger häufig als die bereits genannten treten die folgenden Metaphern auf: Metapher / Vergleich Bach Bienen Blicke blinder Affekt Flamme Garten göttlicher Vergolder Lichter Meerestoben Rose Schmetterling Sterne 857 Vgl. A-Wgm A 404 (8).

Bedeutung Lebensbringer Volk Pfeile Liebe Liebe Ruhepol Sonne Augen aufgewühlte Gefühle Frau Liebende / r Augen der / des Geliebten

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Kantaten für den Kaiser

Fragen Fragestellungen lösen bei ca. der Hälfte der Kantaten des Wiener Repertoires entweder einen imaginären oder einen realen Dialog aus. Im Gegensatz zu den Kantaten für zwei Stimmen, die durchweg nicht mit einer Frage eröffnet werden, ist dies bei Solokantaten sehr wohl, und zwar häufig, der Fall. Als typisches Beispiel kann erneut Che pretendi Amor tiranno dienen. Die Frage »Che pretendi Amor tiranno / Con quell’arco, e quelli strali?« stellt den Ausgangspunkt der Kantate dar. Dass es sich um eine rhetorische Frage handelt, wird in den darauffolgenden Versen offenbar, denn das namenlose Ich beantwortet seinen Vorwurf an den tyrannischen Amor im Anschluss selbst: »Io lo so vorresti togliere / Al mio cor la libertà«. Eine vergleichbare Frage-Antwort-Struktur liegt bei der Galatagskomposition Scorre l’Istro festante 858 vor, die mit der rhetorischen Frage nach dem neuen hohen Souverän einsetzt: »Scorre l’Istro festante / E dice in sua favella / Qual nuovo alter sovrano / Orna il ciel, dora i colli, ingemme il piano?« Darauf folgt sogleich der Hinweis auf Erzherzogin Maria Theresia: »Ma si, che ben s’avvede, / Perché nacque Teresa in questo giorno [. . . ]«. Innerhalb des gesamten Wiener Textkorpus stechen Fragestellungen als rhetorisches Mittel bei zwei Kantaten besonders hervor: Porgete per pietà und L’Artabano. Sie weisen eine hohe Dichte rhetorisch gestalteter Fragen auf, deren Inhalt stets Anklagen sind. Mit ihrer Hilfe wird die Dramatik befördert: Bei Porgete di pietà wendet sich das namenlose Ich vorwurfsvoll an seine untreue Geliebte. Wird zunächst nur die Zahl der vom Liebesleid ausgelösten Seufzer und Tränen angeprangert, wird ab der Vorhaltung »Et or cosi mi lasci e mi abbandoni?« dem Protagonisten bewusst, dass Höflichkeiten und Treueschwüre keinen Wert hätten, es keine gemeinsame Zeit mehr geben werde. Das Rezitativ endet mit ebendieser Einsicht auf dem dramaturgischen Höhepunkt: »Non è più tempo, nò perfida ingrata«. Bereits auf hohem Intensitätslevel setzt das Rezitativ von L’Artabano ein, in dem der Protagonist eingangs mit Rachegedanken an seinen Gegner Fraate beschäftigt ist. Die gehäuften, zum überwiegenden Teil kurzen, rhetorischen Fragen am Beginn des Rezitativs sind Ausdruck für Artabanos Empörung und münden in dem Vorwurf, dass die geschworene Treue von Fraate gebrochen worden sei.

858 Vgl. A-Wgm A 394 (2).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Porgete per pietà

L’Artabano

Quanti sospiri, e quanti

Ah spergiuro Fraate, è forse questa

Esalò questo petto [?]

La dovuta mercede al mio valore?

Quante lacrime infida

Artabano fra ceppi?

Versai dalle pupille,

Scopo dell’ira tua? Numi e ancor vivo?

Et or cosi mi lasci e mi abbandoni?

Chi fè libero altrui di vita privo?

Queste son le finezze,

Indegno, e perché mai?

Questa è la fè giurata?

Di tua giurata fè mancarmi iniquo!

Non è più tempo, nò perfida ingrata[!]

Rammentati che il sangue Sparso con tanto ador da questo petto Fu la sola cagion de tuoi contenti; E questo braccio invitto, e generoso Ch’ora vive tra ceppi, e fra ritorte Dandoti a vita, non ti tolse a morte? Quel scettro in cui s’innalza Ogni vana ambition de tuoi pensieri Artabano te’l diede, e tu protervo In tenebrosa carcere m’annodi, E negandomi Elisa, il sol mio amore Operi da qual sei, da un traditore.

Exclamatio Eine oder mehrere Exclamationes als stilistisches Mittel weisen ca. 40 Kantaten des Repertoires auf. Sie gehen üblicherweise mit dem Beginn oder dem Höhepunkt der Kantate einher. Bei der ersten Möglichkeit nimmt das rhetorische Mittel die Funktion eines Aufmerksamkeitserregers wahr, was mit Ingrato! E perché mai? 859 exemplifiziert werden kann. Die Exclamatio, die, wie in anderen Fällen auch, lediglich aus einem Wort geformt ist, ist Auftakt für eine Reihe rhetorischer Fragen, mit denen der Zuhörer nach dem aufrüttelnden »Ingrato!« über Amarillis Situation ins Bild gesetzt wird. In der darauffolgenden Arie wird der eingangs gesetzte Ausruf erneut aufgegriffen und in eine Accumulatio integriert, um der Empörung über den Betrüger Nachdruck zu verleihen: »Empio! Ingrato! Traditor! / Mi schernisti ma il mio amore / Di te straggi ogn’or farà.«

859 Vgl. A-Wgm A 402 (9).

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Kantaten für den Kaiser

Als Höhepunkt hingegen findet die Exclamatio z. B. in der Kantate Il lamento d’Orfeo 860 Verwendung. Freud und Leid liegen im zweiten Rezitativ der Kantate nahe beieinander und werden jeweils mit einem Ausruf gestaltet. Das Rezitativ beginnt mit Orfeos unbändiger Freude über das lange ersehnte Wiedersehen mit Euridice. Als er seine Geliebte auffordert, zu ihm zu kommen, gerät er ins Stocken, denn er realisiert, dass er Euridice verlieren wird. Mit den drei Exclamationes beklagt er den unvermittelten Verlust. Ma qual nume pietoso Euridice gradita, a me ti rende, E ti ritorna in vita! Vieni tra queste braccia, Sospirato tesor, idolo mio, E quest’amplesso fia . . . Ma . . . Come . . . Oh dio! Allor ch’io mi credea stringerti al seno! Io l’aure stringo, e schernito io sono! Ah, m’uccideste almeno Empio ciel, Giove ingiusto, e dei tiranni, Che contento sarei d’uscir d’affanni.

Antithesen Im Gegensatz zum römischen Repertoire finden sich innerhalb des Wiener Textkorpus nur selten antithetische Formulierungen; wenn doch, dann dienen sie der Artikulation von Liebesschmerzen. Nachgerade als Musterbeispiel kann die Kantate Colei ch’adoro gelten. Der Liebende erklärt zu Beginn seine ausweglose Situation, werden doch seine Bitten zurückgewiesen und seine Tränen nicht beachtet. Bei jedem Treffen fliehe die Geliebte, und wenn er spreche, werde er ausgelacht. Hochgradig ironisch betont der Anonymus seine glücklichen Schmerzen und freudigen Tränen, ausgelöst von der Hoffnung, die Gefühlshärte zu mildern: Fortunate mie pene Felici pianti miei! Se potessi sperar, che quest’ingrata In parte radolcisce il suo rigore E rendesse men dure Dell’afflitto mio cor l’alte sventure. 860 Vgl. A-Wgm A 402 (7) sowie A-Wgm A 403 (9).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Mehrfachvertonungen von Texten des Wiener Repertoires Mehrfachvertonungen kommen bei den Texten des Repertoires für den Kaiserhof selten vor. Lediglich neun Texte wurde ein weiteres Mal in Musik gesetzt. Caldara selbst hat hiervon vier wieder aufgegriffen, nämlich La Partenza d’Ulisse [Vogliono i numi] 861, Il lamento d’Orfeo [Mentre tra balze e rupi] 862, Porgete per pietà 863 und I sospiri d’Apollo [Ascolta o Dafni bella] 864. Nachhaltige Textveränderungen sind nur bei den beiden erstgenannten Kantaten feststellbar. Bei Il lamento d’Orfeo [Mentre tra balze e rupi] in der Vertonung als Basskantate (1730) ist eine einmalige Ausnahme im Bereich der musikalischen Umsetzung des Textes festzustellen. Der Text des B-Teils der zweiten Arie ist im Autograph wie in der Kopie identisch mit dem Text des A-Teils. Dennoch handelt es sich um eine Da-capo-Arie, bei der im B-Teil eigentlich ein anderer Text zu finden sein müsste. Da ein solcher bereits 1729 von Caldara für die Basskantate mit obligaten Instrumenten Il lamento d’Orfeo verwendet worden war, kann nicht nachvollzogen werden, wieso der Text des B-Teils (Su correte usw.) bei der SoloBasskantate von 1730 nicht ein weiteres Mal zum Einsatz kam und der Text des A-Teils wiederholt wird. Qual baleno, o larve squallide, Aspi sordi, hidri e ceraste, Sì, volate e qui venite Le mie membra a lacerar. Su correte ombre che pallide Al mio amor girate intorno E portate all’empio dite Questo core a saettar.

Zu einer Texterweiterung kam es bei La Partenza d’Ulisse [Vogliono i numi]: Die Basskantate mit Instrumenten von 1729 ist um zwei Verszeilen länger (Onde io usw.) als jene aus dem Jahr 1730. Dies wirkt sich auch auf die kompositorische Umsetzung aus, die auf diese außergewöhnliche Verlängerung des Textes reagiert. Io vincerò, ma che? Ma poi s’io penso a te

861 862 863 864

Vgl. A-Wgm A 402 (10) sowie A-Wgm A 403 (8). Vgl. A-Wgm A 402 (7) sowie A-Wgm A 403 (9). Vgl. A-Wgm A 402 (3) sowie A-Wgm A 403 (6). Vgl. A-Wgm A 402 (8) sowie A-Wgm A 403 (5).

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Kantaten für den Kaiser

Penso che perderò. Perché l’invitto Amore, Allor che rimirai Del tuo bel volto i rai, Di me già trionfò. Onde mio ben non so Se più ritornerò

Von folgenden Kantatentiteln liegt je eine weitere Vertonung aus anderer Hand vor: Titel

Komponist

Textautor

Misero pastorello

Giovanni Bononcini

Silvio Stampiglia

Signatur

Da te che pasci ogn’ora

Giovanni Bononcini

D-MEIr Ed 82e

Che giova il sospira povero core

Antonio Vivaldi (RV 679)

D-MEIr Ed 82 b (11)

All’apparir di risplendente Aurora

Leopold Timmer

D-MEIr Ed 115 f (4)

Son tradita e lo scorgete

Giuseppe Porsile

H-Bb 1577a; B-Bc 15155/1 (22)

US-SFsc M2.1 M53

Tab. 23: Mehrfach vertonte Kantatentexte

Lediglich zwischen Vivaldis und Caldaras Che giova il sospirar povero core-Kantaten sind beträchtliche Textänderungen feststellbar. 865 Bemerkenswert ist, dass die von Caldara mindestens acht Jahre später vertonte Version des Textes eine stärkere Fokussierung auf das Gespräch mit dem eigenen Herzen vorsieht, obwohl beide Stücke das Liebesleid beklagen. Der Rezitativtext führt am jeweiligen Beginn in das Geschehen ein, wobei die Vivaldi-Kantate die Auslösende des Kummers – Irene – gleich in der zweiten Zeile benennt, wohingegen in Caldaras Vertonung auf eine namentliche Erwähnung verzichtet wird, die Adressatin weitgehend anonym bleibt (sie tritt nur mit »alma rea« und »misera« in Erscheinung). Die Anfangsrezitative weisen die größte textliche Übereinstimmung auf (siehe Markierung). Ab der ersten Arie wendet sich in der Vivaldi-Version der Protagonist mal Cupido, mal Irene zu, während bei Caldara der imaginäre Dialog mit dem Herzen bis zum Schluss aufrechterhalten bleibt, sich aber zunehmend zu einer Anklage wandelt. Diese erreicht ihren Höhepunkt bei den 865 Vgl. zu Vivaldis Vertonung besonders Gialdroni, Vivaldi 206 f. und 212 sowie Talbot, Chamber cantatas 131–133 und 151–153. Gialdroni stellt hier die These auf, dass der Text Che giova il sospirar povero core eine Art Antwort auf G. Francesco Brusas Kantate Vezzose pupillete, D-MEIr Ed 82 b (10), sei.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Exclamationes, die innerhalb des zweiten Rezitativs erfolgen. Beschlossen wird das Stück mit der Aufforderung an das Herz, die trügerischen Liebe zu erkennen und sich davon zu lösen. Gänzlich anders bei Vivaldi: Cupido wird mit einem Wortspiel überredet, »pena« und »affanno« der Seele bzw. dem Herzen zu nehmen sowie dem Herzen Frieden und der Seele Liebe zu gönnen. Vivaldi (vor 1726) 866

Caldara (1734)

Che giova il sospirar, povero core,

Che giova il sospirar povero core,

Se la crudele Irene

Se l’alma rea tenace

A tormentare avvezza

Di quel crudel, che ti rapi la pace

Di te non cura, ti deride e sprezza?

A tormentare avvezza

E se talor si avvede

Di te non cura ti deride e sprezza.

Dell’angoscioso affanno

Misera: qualor si avvede

Che ai gravi moti tuoi più forza accresce,

Dell’angoscioso affanno

Sospira per inganno

Che ai gravi moti tuoi più forza accresce

Non già che pietà senta

Simulando pietà sol per inganno

Che pascere si vuol del tuo dolore.

Semiti si dimostra al tuo dolore

Che giova il sospirar povero core?

Che giova il sospirar povero core?

Nell’aspro tuo periglio

Struggi d’amore il nido,

Sento mio pover core

E ricomponi l’alma

Che tutta langue in sen l’anima mia.

Che la perduta calma

E cresce in quest’affanno

Vedrai tornare in te

La forza dell’inganno

Ascolterai l’infido

Che fa sempre magior la pena ria.

Col 〈pieno〉 tuo periglio Colmo di pianto il ciglio Addomandar mercè

Ma tu nume d’amor

Ma tu risisti ancora

Perché consenti a così fiero oltraggio?

Nel mal che ti 〈adolora〉 e ti dispiace

È questa la mercede

Strugete amor pur acquistar la pace

Che rendi ad un che volontario il piede

Povero cor, che fai? Pensa a te stesso

Pose ne’ lacci tuoi?

Languir sempre in affanno,

Troppo mi grava il giogo tuo pensante,

Amar il suo tiranno

O volgi al mio desir la bella Irene

Portar il giogo della rea catena

866 Die Transkription der Kantate Vivaldis wurde übernommen von Sciommeri, CLORI, Scheda 2498.

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Kantaten für den Kaiser

Vivaldi (vor 1726)

Caldara (1734)

O sciogli dal mio pie’ le tue catene.

Viver con onta, e pena Senza sperar giammai Un sol momento di respiro! Oh dio! Pensa che fai! Non t’ostinar cor mio.

Cupido tu vedi

Mio povero core

La pena dell’alma

Risolviti omai

L’affanno del cor.

Che cosa è l’amore

Fedele concedi

Lo vedi lo sai

Al core la calma

Se provi l’affanno

All’alma l’amor.

Ne senti dolor Se pace ti chiama Perché non rispondi? Più che ha ti brama Tu più ti confrondi. Ne scopri l’inganno Mio povero cor.

Dass Caldara bzw. zumindest sein Textdichter die Kantate von Vivaldi kannte, liegt freilich nahe, zumal sie in Wien, wie zahlreiche Musikalien Caldaras auch, für den Meininger Herzog kopiert worden war. Vivaldis Kantate zählt zu jener Gruppe von Musikmanuskripten, die Bennett den core manuscripts zuordnet, die 1728 für den Herzog von Wien nach Meiningen geliefert wurden. 867 Wieso es zu den weitreichenden Textänderungen ab der ersten Arie kam und der Bezug zu Irene entfiel, muss indes unklar bleiben.

Zur Problematik der Mehrfachbedeutungen von Kantatentexten Die Heterogenität der Themen sowie die zahlreichen Figuren, die in den Texten des Wiener Repertoires auftreten, erschweren die Untersuchung der Mehrfachbedeutung, die für das Gesamtrepertoire bis dato noch nicht in Angriff genommen wurde. 868 Lediglich zwei Kantaten standen bereits im Fokus von Textanalysen, bei denen der politische Bezugsrahmen untersucht wurde. Es han867 Vgl. Bennett, Collection 271–274 und die spezifischen Ausführungen zur Sammlung des Herzogs im Abschnitt Kantatenkopien des Kapitels Rekonstruktion des Wiener Kantatenkorpus. 868 Vgl. grundlegend zur Problematik der Mehrfachbedeutung den einschlägigen Abschnitt für Rom.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

delt sich um die Galatagskompositionen Dialogo tra la vera Disciplina, ed il Genio sowie Germana: il dì che splende. 869 Es wäre ein Leichtes, die Kantaten heroischen Gepräges auf einer oberflächlichen Ebene direkt mit dem Kaiser in Verbindung zu bringen, doch erst eine detaillierte Untersuchung in Verbindung mit einem komparatistischen Zugriff – und zwar sowohl im Vergleich mit Kantaten anderer Hofkomponisten wie mit der zeitgenössischen Hofoper – würde eine adäquate Thesenbildung ermöglichen. Selbst bei den Galatagskompositionen, die infolge von Umfeldquellen gut erschlossen werden können, liegt die intendierte (politische) Mehrfachbedeutung nicht prima vista auf der Hand. Am Beispiel der Hochzeitskantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo kann gezeigt werden, dass für die Entschlüsselung der politischen Implikationen die Kenntnis des Aufführungskontextes sowie der Vergleich mit weiterem musikalischem Material von Bedeutung sind. Betrachtet man den Kantatentext isoliert, steht der Wettstreit um die eigene Größe der Akteure Amor und Hymenaios im Vordergrund; weit schwieriger ist es nachzuvollziehen, dass die Kantate mit einer explizit politischen Botschaft verknüpft ist. 870 Erst die zeitgenössisch gedruckte Relation zur Eheschließung 871, die einerseits den chronologischen Ablauf der Feierlichkeit, andererseits eine detaillierte Beschreibung der servierten Galanteriespeisen wiedergibt, liefert aufschlussreiche Informationen zu dem politischen Gehalt von der Feier und damit auch von der Musik. Da das Schauessen in inhaltlicher Verbindung mit dem Werk steht, ist dessen Beschreibung ein wichtiger Schlüssel zur Interpretation des Kantatentextes: Das Bankett bestand aus fünf Gängen. Die dazugehörigen »Confecturen, und Schau-Essen auf der Tafel waren sehr prächtig und so schön, daß sie in keinem Lande können nachgemacht werden, weilen die Architectur, Statuen, Figuren, Blumen, Bäume, und Blätter, auch die Kleidung an denen Personen, und alles was nur zu sehen, aus lauter Zucker, und der Natur gantz ähnlich gemacht waren.« 872 Bereits der erste Blick zeigt, dass die Figurenkonstellation der Kantate mit denen der Speisen korreliert. Am Beginn des Banketts kommt Amor / Cupido eine zentrale Rolle zu:

869 Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen 92–168, Fritz-Hilscher, Virtù, Karpf, Beziehungen 96 sowie Schwab, Maria Theresia 60–65. Centanni hat ein Set an Solokantaten untersucht und ist der Frage nach literarischen Vorlagen der Kantatentexte nachgegangen, vgl. Centanni, Amante. 870 Vgl. zum Inhalt auch die Ausführungen im Kapitel Die Texte der Wiener Kantaten. 871 Vgl. o. A., Beschreibung 6. 872 O. A., Beschreibung 6.

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Kantaten für den Kaiser

»Die Haupt-Speise stellte vor den Tempel der Göttin der Tugend in dem Bild Vestæ. Im oberen Theil sasse im Gewülck die Vorsichtigkeit / ein mit Lorber-Blöttl umwundenen Apfel in der rechten, in der lincken aber einen Sternen-Krantz haltend / bey und neben selber im Gewülck sasse die Beständigkeit und Stärcke. Im unteren Theil stunde ein Thron auf 3 Staffeln / worauf ein Sessel von Adlern / darauf sasse Jupiter mit dem Scepter in der lincken Hand: vor seiner stunde rechter Hand der Frieden, lincker Hand Mars, aneinander die rechte Hand gebend / um welcher Jupiter den Ewigkeits- oder so genannten Schlangen-Ring legte. Dem Frieden brachte Mercurius den Stern-Krantz / dem Marti aber brachte Cupido den mit Lorber-Blötl gezierten goldenen Apfel: Jupiter, der Frieden / als auch Mars, tratten mit einem Fuß auf den unter ihren Füssen ligenden Betrug: rechter Hand unter denen Staffeln stunde die Freigebigkeit / und goldene Zeit; lincker Hand aber die wahre Freundschaft und Uberfluß. Bedeutet daß diese Vermählung die 3 Haupt-Tugenden nemlich die Stärcke / Beständigkeit / und Vorsichtigkeit / außgemacht / und vest gestelt haben. Welche Vermählung dann der Röm. Jupiter hiemit volziehet / den Frieden als Oesterreich / mit dem Marte als Bayrn / durch den Schlangen-Ring auf ewig verbindet / und durch solche Vermählung allen Betrug auf einmal von der Welt hindann nihmt / welche Götter Verewigung den Frieden Mercurius als der Götter Both überbringet / dem Marti aber der Liebes-Gott / den guldenen Apfel mit Lorber gezieret / als Zeichen des wahren Friedens zustellet / und durch solches Europæ die vier Haupt-Glückseligkeiten als die Freigebigkeit / goldenen Zeit / wahre Freundschaft / und Uberflus zubereitet.« 873

Im thematischen Zentrum der Hauptspeise steht also weniger die Freude über die eheliche Verbindung zwischen Bayern und Österreich als vielmehr die Friedensthematik. Der bayerische Kurprinz wurde bereits beim ersten Gang explizit an die jüngsten, massiven politischen Zerwürfnisse erinnert, hatte sich doch Bayern 1701 im Spanischen Erbfolgekrieg gegen Reich und Kaiser gestellt. 874 Eine der zentralen an die Hochzeit geknüpften Hoffnungen war die neuerliche Stärkung der Verbindungen zwischen den beiden reichspolitisch wichtigen, überdies benachbarten Häusern. Auch dies wird im Schauessen visualisiert. Cupido lässt sich von der Figur der Vorsicht vor den Augen Jupiters (= Kaiser) einen Apfel geben, um ihn als Zeichen »des wahren Friedens« an Mars (= Bayern) zu überreichen. Die auf Frieden gestellten Vorzeichen wiederholen sich am Beginn der Kantate, indem Amor über den »Dio guerriero« triumphiert und somit die Liebe über den Krieg: 873 O. A., Beschreibung 6. 874 Vgl. zu den Auswirkungen der bayerischen Haltung innerhalb des Spanischen Erbfolgekrieges jüngst Rudolph, Krieg.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Amore:

Armi del Dio guerriero Cedete al mio valor, da cui mai scampo Spirto d’Eroi non ebbe a vincer Numi Se avvezza è la mia destra, Con apre memorande Mio pregio è trionfar d’ogni alma grande. Al fulminar d’un ciglio Se uccide la saetta, Virtù dell’arco mio non è del guardo Spesso non val consiglio Di Marte a la vendetta Sempre d’arciero Dio potente è il dardo.

Mit Hilfe der Beschreibung des Schauessens ist es möglich, die Worte Amors innerhalb des politischen Koordinatensystems zu verorten, behält doch die Figuration der Liebe auf lange Sicht die Oberhand über die des Krieges. Im dritten Gang und nachdem die Visualisierung des Friedensschlusses im ersten Gang erfolgt war, geht es daran, die erwünschten Grundlagen dieser Liebesverbindung zu verbildlichen. Zudem wird hier erstmals auf das Brautpaar namentlich Bezug genommen. »Die dritte Speiß ein gleiche vierfache Triumph-Porten zu höchst eine Vase mit Blumen. In selber ein Triumph-Wagen von 2 Adlern gezogen im Gewülck / im Wagen sasse rechter Hand die Gerechtigkeit / lincker Hand die Göttin der Liebe / ober dem Wagen im Gewülck Cupido einen Sternkrantz in der rechten Hand / worin der verzogene Nahmen beeder höchster Braut-Personen / lincker Hand aber seinen Bogen haltend: unterm Wagen lage als todter der Neyd / an den vier Theilen stunde der Ruhm / allgemeine Glaub / Göttliche Gnade / und Großmüthigkeit. Bedeutet / daß diese Vermählung vermög beeder tugendlich so wol von Gerechtigkeit als wahrer Liebe / den Ursprung habe / welcher Gewisheit Cupido selbst als ein von Vorsichtigkeit / Stärcke / und Beständigkeit verewigt / und verbunden Namen überbringt / wo der Neid als Ertz-Feind der Glückseligkeit all schon ertödeter unter dem Wagen gelegen / hingegen aber die Braut-Paar die 4. wahren Töchter der Tugend / begleiten / als da seynd Göttliche Gnade / allgemeiner Glaub / Grosmütigkeit und Ruhm.« 875

Bei dieser Speise kommt Cupido wiederum eine wegweisende Rolle als Garant der Gerechtigkeit und der wahren Liebe zu. Dafür schwebt er über dem von 875 O. A., Beschreibung 7.

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Kantaten für den Kaiser

zwei Adlern geführten Wagen und hält in seiner Rechten ein Aeternitas-Symbol mit den Namen des Brautpaares. Dass der Wagen von Adlern gelenkt wird – also mit Blick auf das Wappentier von österreichischer Hand –, soll dem wittelsbachischen Bräutigam unmissverständlich verdeutlichen, in welchen Bahnen er sich zukünftig zu bewegen hat. Bevor im Kantatentext vom Brautpaar die Rede ist, stellt Amor selbst die Verbindung seiner Stärke mit dem Hause Habsburg her, denn er ist gerade dabei, den »austriaco splendor« zu vergrößern. An »gran Carlo« (= Karl VI.) könne man Amors Triumphe ablesen, was natürlich auf die erfolgreiche Heiratspolitik des Hauses Habsburg anspielt: Amore:

A gran serie d’esempj eccelsi e degni Ben nota è la mia forza. Ma se ferir mi è dato Con due pupille vaghe Contenti adopro a risanar le piaghe Nel gran Carlo rimira Eroe superno de miei trionfi Il celebrato segno. Ecco che nel mio degno L’altere lodi accresce Se ardendo ai rai de l’amorosa stella Hà in Austriaco splendor gioia si bella. No no altra v’è mà scampo Al dolce saettar Del braccio mio Di due begli occhi il lampo Per me sa innamorar L’arcier son’ io.

Im darauffolgenden Rezitativ bringt Amors Kontrahent, der Hochzeitsgott Hymenaios, das Brautpaar ins Spiel. Er verweist Amor in die Schranken und erklärt, dass es letztlich seine Ketten gewesen seien, die der Schlüssel zu einer erfolgreichen Verbindung waren. Imeneo: Su’l gran Danubio inondator de degni Se il magnanimo sposo il piè rivolge, Stretto non che piagato Corre a mete d’onor fra lacei d’oro,

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Al fulgor di Maria, Per mirai d’Imeneo che l’alme avvinse Fabro d’opre divine: Si per me solo, e per voler de’ Fati L’orme regni de’ due begl’occhi amati. Di felici con nodo beato Cerca amante Di scherzando sen va fra gl’ardori Arde e impiaga ma invato L’amore Nume infante S’io non lego il voler di due cori.

Abschließend einigen sich Amor und Hymenaios, dass beide zur glücklichen Verbindung beigetragen hätten – was mit dem entsprechenden Gang des Banketts korreliert. Nach dem Friedensschluss und der glücklichen Verbindung der Häuser Habsburg und Wittelsbach steht die Hochzeit selbst im Vordergrund: Es wird eine »Ehren-Saul« serviert, »auf solcher zu höchst Hymene, Gott der Vermählung« und zu deren Zierde »Liebs-Armaturen« angebracht sind. Die letzte Schauspeise steht im Zeichen der »ewige[n] Gedächtnus / daß alle Völcker der Welt / diese Vermählung / zu allen Zeiten / anrühmen / und in höchsten Ehren halten werden.« 876 Noch schärfer wird die politische Aussage von Schauessen und Kantate konturiert, vergleicht man sie mit jener der Hochzeitsfeier Maria Josephas (also der älteren Schwester Maria Amalias) mit dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August 1719. Eine solche Gegenüberstellung drängt sich vor allem deshalb auf, weil die Schautafel von 1722 auf jene von 1719 Bezug nahm. Nicht nur bei der Platzierung der präsumtiven Kurfürsten an der Tafel, also der Qualität des Sitzplatzes, auch bei der Anzahl der Gänge wurde Erstere als Blaupause herangezogen. 877 Für das Servizio di tavola von 1719 entstand die Kantate 876 Ausführliche und wahrhafte / Beschreibung, Wien 1722, 7. 877 Vgl. die einschlägigen Verhandlungen in A-Whh OMeA, ÄZA, Karton 30-17 (1721–1728), besonders den dritten und vierten Verhandlungspunkt. Vgl. zu den Feierlichkeiten die Vollständige Beschreibung / Derer / Vermählungs-/Ceremonien, / und / Abreise / Der Durchlauchtigsten Ertz-Hertzogin / Hertzogin zu Sachßen / Frauen Maria Josepha / Mit Ihro Hoheit / Herrn Friedrich August / Königlich-Pohlnisch- auch Sächsischen / Chur-Printzen / So vom 19. bis 22. August. 1719. in Wien beschechen. Nach dem zu Wien gedruckten Exemplar, o. O. 1719 [?]. Zum Vorbildcharakter der Hochzeit von 1719 besonders auch Sommer-Mathis, Austria 54. Zur Ausgestaltung der Feierlichkeit von 1719 in der Favorita vgl. dies., Austria 31–53 sowie Gugler, Hochzeit.

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Kantaten für den Kaiser

L’Istro 878 von Francesco Bartolomeo Conti auf den Text Apostolo Zenos. Dabei sprechen Tafelaufsatz und Kantate eine gänzlich andere Sprache, besonders in puncto Enkomiastik lassen sich gravierende Unterschiede ausmachen. Im Gegensatz zu Caldara / Fozio drückt die Solokantate von Beginn an eine außerordentlich festliche Stimmung aus, der Kantatentext Zenos rückt die Verherrlichung des Brautpaars in den Mittelpunkt: Due grand’alme a noi discese Da due stelle Le più lucide, e più belle Oggi accoppia il cielo e amor. Splende in loro con grandezza Gentilezza E in bel volto eccelso cor.

Zentral für die politische Aussage dieses Textes ist, dass Hymenaios Fama über die ebenbürtige königliche Abstammung des Brautpaares aufklärt: [. . . ] I due, se non lo sai sposi sublimi Di augusto, e regal tralcio Sono germogli ad essi Scarsa de beni suoi non fu fortuna: Non fu natura; e meno ancor virtude Degni de la lor sorte, e l’un dell’altro Degni ambo sono. [. . . ]

Im Anschluss daran setzt Fama zu ihrem Flug an, um die Namen des glücklichen Paares zu verkünden. Der Verweis auf die königliche Abstammung ist nicht allein bei der Kantate von zentraler Bedeutung, er wird auch bei den Speisen als thematischer Auftakt gesetzt und somit als politisches Statement in den Mittelpunkt gerückt: »Das erste Schau-Gerichte. [. . . ] Die Ehre mit der Liebe vereinbahret, fähret in einem Triumph-Wagen, über welchem ein Frohn-Geist (Genius) die Innschrifft obgehalten: HONORI & AMORI. In Mitten des Sächs. Rauten-Krantzes stehet folgende, nach uhralter Römer-Art abgefaßte

878 Vgl. D-Dl Mus. 2190-I-1 sowie D-MEIr Ed 119 g XI 4696/V NHs 38.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Beyschrift: Avete. Sanguen. Dis. oriundum. AUGUSTE & AUGUSTA.« 879 Anschließend folgt die Verknüpfung des Tugendlobs mit dem Anspruch der Erzherzogin auf den königlichen Purpur: »Auff der Durchl. Ertz-Hertzogin, Hertzogin zu Sachsen, eigenthümliche Tugenden, wodurch dieselbe den königlichen Purpur vor andern verdienet, zielt die Lob-Schrifft: Jam Munera Nuptæ. Præparat & pulchros, MARIÆ, sed Luce minores. El[i]git Ornatus.« Ist Claudianus Claudians Epithalamium de Nuptiis Honorii Augusti bereits bei der Kantate ein thematischer Bezugspunkt, tritt er noch klarer in den Inschriften der Galanteriespeisen zu Tage, die Claudians Hochzeitsgedicht in Teilen direkt zitieren, wie im Falle der eben genannten »Lob-Schrifft«, die wortwörtlich dem Epithalamium entnommen ist. 880 Im Gedicht Claudians ist Kaiser Honorius gerade mit der Vorbereitung von Brautgeschenken beschäftigt. Dem sächsischen Kurprinzen, dem wahrscheinlichen Nachfolger auf dem polnischen Königsthron, dürfte dies bedeutet haben, auch Maria Josepha alsbald mit der Königswürde zu schmücken. Eine ähnlich geartete politische Implikation war für die Hochzeit von 1722 nicht geeignet. Hier stand im Vordergrund, dass Bayern und Österreich wieder gemeinsame Wege beschreiten sollten, und diese Botschaft wurde immer wieder in das Zeremoniell der Hochzeit eingeflochten. Im Großen und Ganzen war sie zwar am Vorbild von 1719 ausgerichtet worden, Schauessen und Musik aber waren das Medium der abweichenden politischen Botschaft. Im direkten Vergleich beider Feierlichkeiten sticht hervor, wie unterschiedlich die Brautpaare in puncto Enkomiastik behandelt wurden. Stehen Maria Josepha und Friedrich August sowie die Freude über ihre Verbindung von Beginn an im Blickpunkt des Schauessens wie der Hochzeitskantate, ist dies drei Jahre später nicht der Fall. Erst nach der Friedensbotschaft wird im dritten Gang auf die Brautleute Bezug genommen, und auch in der Kantate geschieht dies mit dem zweiten Rezitativ von Hymenaios zu einem recht späten Zeitpunkt. Zusammengefasst bleibt die Mehrfachbedeutung des Textes bis zu dem Zeitpunkt verdeckt, als der klare Bezug zum Hochzeitsessen über die Beschreibung einzelner Gänge hergestellt werden kann. Mit Hilfe der detaillierten Beschreibung der Tafel und im Vergleich mit der Hochzeit von 1719 zeigt sich, dass mit der Kantate eine politische Botschaft transportiert wird, die allein auf Basis des Kantatentextes nicht vergleichbar offenkundig zu Tage tritt. *

879 Vgl. o. A., Vollständige Beschreibung (1719) 9. Die Inschrift war von Quintus Ennius inspiriert: »O pater, o genitor, o sanguen dis oriundum!«, Steuart (Hrsg.), Annals 14. 880 Vgl. auch Frings, Claudius.

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Kantaten für den Kaiser

Als Zwischenfazit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Mehrzahl der Wiener Kantatentexe auf Liebeslyrik basiert und dem arkadisch-pastoralen Milieu zuzuordnen ist. Auch der Kantatenaufbau entspricht den zeitgenössisch gängigen Formen. Keine der Solokantaten weicht von den etablierten Mustern RARA und ARA ab. Dieser Befund greift aber im direkten Vergleich mit dem römischen Repertoire zu kurz: Stellt man die beiden Textkorpora gegenüber, zeigt sich, dass die inhaltliche Ausrichtung des Wiener Textkorpus weit heterogener ausfällt. Die Texte können gleich sechs unterschiedlichen Themenkategorien zugeordnet werden, wobei neben der arkadisch-pastoralen insbesondere die heroische Thematik hervorsticht. In Rom bevorzugte man für »heroische« Kantaten Frauengestalten, nördlich der Alpen sind es männliche Protagonisten wie Ercole und Tamerlano, die ihre Klagen vorbringen. 881 Diesem Umstand trägt Caldara bei der Vertonung – und dies wird in der Folge noch näher zu zeigen sein – Rechnung, als er die Werke mit Bassstimme besetzt und damit auch von der Stimmlage aus gesehen das Virile betont.

Die musikalische Gestaltung der Wiener Kantaten Äußere Anlage und Gestaltungsprinzipien Vokalbesetzung Das Wiener Kantatenœuvre setzt sich aus Werken für die Stimmlagen Sopran, Alt und Bass zusammen. Von den 95 Solokantaten fallen 39 auf die Basslage, 38 wurden für Sopran- und 18 für Altstimme komponiert. In Meiningen ist eine der 95 Solokantaten in zwei Versionen überliefert, einmal für Sopran- und einmal für Altstimme. 882 Die sechs Kantaten für zwei Stimmen sehen zu gleichen Anteilen entweder die Besetzung für zwei Soprane oder für jeweils eine Sopranund eine Altstimme vor. Der Ambitus der Sopranpartien reicht von f′ bis c′′′ , wobei der Kernbereich zwischen e′ bis g′′ liegt. Die Altstimme bewegt sich in einem Ambitus von a bis e′′ . Ihre Stimmführung ist hauptsächlich im Bereich zwischen a und d′′ angesiedelt. Die Vokalpartien für die Bassstimme erreichen in der Tiefe den großen Oktavbereich und können bis zu D hinabsteigen. Sie steigen in die Höhe bis zu f′ , der Kernbereich liegt zwischen F und d′ .

881 Vgl. zu den römischen »heroischen« Kantaten Over, Hirtendasein 53. 882 Vgl. Dove sei, bella Clori, D-MEIr Ed 118 t (8) bzw. u (2). Sie wurde bei den statistischen Angaben den Soprankantaten zugeordnet und nicht doppelt gezählt, da es sich lediglich um eine Transposition handelt.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Instrumentalbesetzung Die typische Besetzung, die sich für Kantaten ab 1700 etabliert hat, ist jene mit Vokalstimme und Basso-continuo-Begleitung. Diese ist innerhalb des Wiener Repertoires am häufigsten anzutreffen (siehe Grafik 15). Informationen über die exakte Besetzung der Basso-continuo-Gruppe lassen sich aus dem Notenmaterial freilich nicht gewinnen. Die Besetzungspraxis zur Realisierung der Bassbegleitung war weitgehend flexibel, konnte sich diese doch aus Tasten-, Streich-, Blas- und Zupfinstrumenten wie Cembalo, Theorbe, Laute, Fagott, Violoncello und Kontrabass zusammensetzen, die am Kaiserhof allesamt zur Verfügung standen. 883 Die kleinstmögliche Variante, Gesang mit Cembalooder Theorbenbegleitung, ist bei einer Aufführung im kaiserlichen Umfeld wohl genauso zum Einsatz gekommen wie die einer Verstärkung der Bassstimme mit Violoncello, Kontrabass oder Fagott. Der Facettenreichtum von Caldaras Intrumentenverwendung zeigt sich besonders im Oberstimmenbereich der restlichen 32 Kantaten. An den 14 hierfür unterscheidbaren Besetzungen ist ablesbar, dass Caldara beinahe das gesamte 80

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Instrumentalbesetzung

Solokantaten Kantaten für 2 Stimmen

Grafik 15: Instrumentalbesetzung

883 Vgl. speziell zum Instrumentarium der kaiserlichen Hofkapelle Glüxam, Instrumentarium, zur Besetzung der Basso-continuo-Gruppe bei Opernarien besonders 212–254.

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 26: Arie Un aura placida aus: Stelle! Che udii?

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

ihm zur Verfügung stehende Instrumentarium der Hofkapelle eingesetzt hat. Zwölf Möglichkeiten weisen dabei den Einsatz von zumindest einem Streichinstrument auf, bei zweien verzichtet der Komponist auf diese Klangfarbe völlig und komponiert für ein Bläserensemble bzw. für eine Kombination von Bläsern und Zupfinstrumenten. Die Besetzung des Basso continuo

Anders als für die Solokantaten mit Basso-continuo-Begleitung gelang es für die 32 größer besetzten Kantaten einige Informationen hinsichtlich der Zusammensetzung und der Möglichkeiten bei der Gestaltung der Bassstimme zu gewinnen. In den Musikalien finden sich die Angaben »senza Fagotti«, »Fagotti soli« oder »un fagotto solo pia[no]« (Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio oder Stelle che udii), »Violoncello solo« (Vieni o compagna) oder »senza / con Cembalo« (E ancora il mesto ciglio) oder »senza Cembalo, e Contrabasso« (Trionfo d’Amore e d’Imeneo) bei der Bassstimme. An einigen Stellen lösen sich einzelne Instrumentengruppen von dieser, um eigenständig geführt zu werden. Anhand der Arie Un aura placida der Kantate Stelle! Che udii? (siehe Notenbsp. 26) ist es möglich, beide Varianten zu zeigen: Das Fagott tritt hier einmal (T. 49) aus der Gruppe des Basso continuo heraus, um mit den Oboen ein Holzbläsertrio und somit einen klanglichen Kontrast zum vorangehenden Streichersatz zu bilden. Ein anderes Mal erweitert (siehe Notenbsp. 27, T. 39) das Fagott den Bassstimmenbereich klanglich und wird eigenständig geführt. Die Aufgabe der Bassstimmen-Realisierung kann auch die instrumentalen Oberstimmen betreffen, wenn für sie die Vorschrift »Suonano il basso« oder »col basso« vorgesehen ist. 884 Die Arie Cari boschi, e selve addio der Kantate Misera me weist folgende einschlägige Angabe auf: »I Leuti quando concerteranno suoneranno il basso con li V.V. [= Violini]«. Hier übernehmen die beiden Violinen als Bassettchen streckenweise die Funktion des Basses, unterstützt von den Lauteninstrumenten, während die Basso-continuo-Stimme pausiert (siehe Notenbsp. 28). Im Takt 29 tritt der Wechsel der Streicher von den typischen Begleitfiguren in tiefer Lage zur Melodieführung in den Oberstimmen besonders bei der ersten Violine hervor.

884 Bereits Glüxam hat festgestellt, dass diese Form der Bassbegleitung vorzugsweise von Caldara verwendet worden sei. Vgl. Glüxam, Instrumentarium 120.

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 27: Arie Un aura placida aus: Stelle! Che udii?

Besetzungsvarianten

Besetzung mit einer Violine Sechs Kantaten weisen eine Besetzung mit einer Violinstimme auf, die in vier Fällen mit Solovioloncello sowie einmal mit Traversflöte und zwei Lauten ergänzt wurde. Die vier Werke (In un antro solingo, Vicino a un rivoletto, La di Parnasso, Porgete per pietà) mit Solovioline und -violoncello sind gemeinsam in einem Kantatenband aus dem Jahr 1729 überliefert. Bei drei Kantaten übernimmt jeweils ein Instrument den Solopart bei den Arien, bei Porgete per pietà sind Violine und Violoncello als Partner zusammengefügt. Die Stimmführungen der Soloinstrumente sind in diesen vier Werken phasenweise virtuos behandelt und verlangen von den Solisten neben schnellen Zweiunddreißigstelbewegungen auch Dreiklangs- und Vierklangsrealisierungen, wie Caldara sie beispielsweise bei der Arie Si volate all’idol mio (siehe Notenbsp. 29) einwob. Eine gänzlich andere Klangdisposition sah Caldara bei Che giova il sospirar vor. Jeweils eine Violin- und eine Flötenstimme treten hier zwei Lauteninstrumenten über der Gesangsstimme und dem Basso continuo gegenüber. Der Ambitus der Flötenstimme (g′ –d′′′ ) und die Bezeichnung »Flauto« (nicht etwa »Flauto Traversiere«, wie Caldara sie eigenhändig bei Atalpia e Doriene vornahm) erlauben

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 28: Arie Cari boschi, e selve addio aus: Misera me

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 29: Arie Si volate all’idol mio aus: In un antro solingo

den Schluss, dass er auf eine Besetzung mit Altblockflöte zielte. Die Stimmen der Lauteninstrumente, als »Leuti« bezeichnet, sind im G-Schlüssel notiert und können von einer elf- oder einer 13-chörigen Laute realisiert werden.

Besetzung mit zwei Violinen Charakteristisch, weil am häufigsten umgesetzt, ist für Caldara die Besetzung mit Violinenpaaren, die als instrumentaler Partner der Gesangsstimme auftreten oder sich solistisch von dieser abheben. Die Stimmbehandlung kann sich dabei gänzlich unterschiedlich ausformen, von besonders virtuos bis zum Unisono mit der Gesangsstimme. Für beide Ausprägungen sei zur Veranschaulichung je ein Beispiel herausgegriffen.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 30: Arie D’amor è la catena aus: Questo che all’erbe intorno

Bei der Arie D’amor è la catena der Kantate Questo che all’erbe intorno lässt Caldara die Gesangs- und Violinstimmen abwechselnd die Wellenbewegung des Flusses bzw. des Meeres, die der Kantatentext thematisiert, nachahmen. Bei der Arie Col suo vermiglio aus der Kantate Vieni o compagna führt er (siehe Notenbsp. 31, ab T. 12) die beiden Violinstimmen, die hier unisono gesetzt sind, mit der Gesangsstimme zusammen und lässt die Violinen piano colla parte begleiten. Zusätzlich reduziert er die Bassbegleitung auf das Violoncello solo.

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 31: Arie Col suo vermiglio aus: Vieni o compagna

Die genannten Arten der Stimmbehandlung bei den Violinen finden sich auch bei Kantaten mit erweiterter Instrumentalbesetzung. Darunter ist jene für erste und zweite Violine, Viola und Basso continuo am zweithäufigsten innerhalb des Wiener Repertoires anzutreffen, nämlich insgesamt elf Mal. Bei dieser Instrumentenverwendung finden sich folgende Ausprägungen, die mit einer Erweiterung oder Reduzierung des Satzes einhergehen und die in einzelnen Arien kombiniert auftreten können: 1. Violinen und Violen bilden einen dreistimmig besetzten Streicherkorpus, wobei die Violinen geteilt sind (Il Lamento d’Orfeo, La Partenza d’Ulisse); 2. Die Solovioline steht dem Ripieno, einem dreistimmig besetzten Streicherensemble, gegenüber (I sospiri d’Apollo); 3. Violinen werden unisono geführt und bilden mit den Violen einen zweistimmigen Streicherkorpus (Ingrato! E perché mai!); 4. Violinen werden unisono colla parte mit der Singstimme, geführt (Crudele, se tu mi vuoi tradir).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Weitere Besetzungen Besetzungsvarianten jenseits der aufgeführten Streicherkombinationen treten jeweils nur einmal auf und können in die nachfolgend näher zu beschreibenden vier Gruppen zusammengefasst werden. Vorab ist hinsichtlich der Besetzungspraxis darauf zu verweisen, dass Caldara bei den größer besetzten Kantaten auf klanglichen Kontrast Wert legte. Bei den Arienbesetzungen innerhalb einer Kantate wollte der Komponist Abwechslung erzielen, indem er zwei Klangkörper gegenüberstellt. Finden bei der einen Arie beispielsweise Streich- und Blasinstrumente Verwendung, kommt bei der anderen ein reines Streicherensemble zum Einsatz. 1. Kombination aus Streich- und Blasinstrumenten Das in den Opern des Wiener Hofes ab 1716 immer häufiger eingesetzte Chalumeau hat parallel dazu Eingang in das Instrumentarium der Kantaten gefunden, wenngleich es bei Caldara nur selten Verwendung findet. 885 Bei Povero Arsace tritt ein Chalumeaux-Paar in der ersten Arie Che v[u]oi far? zu einem Streicherensemble hinzu. Der Ambitus der Chalumeaux-Stimmen bewegt sich zwischen fis′ und b′′ und wurde wohl für Diskantinstrumente (Umfang zwischen f′ bis c′′′ ) konzipiert. Das Instrumentalvorspiel ist nur mit Chalumeaux und Streichern ohne Basso-continuo-Begleitung besetzt, ab dem Einsatz der Singstimme wechseln sich Chalumeaux und Violinen bei der Begleitung der Singstimme ab und erklingen lediglich bei den kürzeren instrumentalen Einwürfen wieder gleichzeitig. Auch bei der Kantate Stelle! Che udii? kommt es bei nur einer der beiden Arien zu einer Erweiterung über die Besetzung mit Streichern hinaus, in diesem Fall mit Oboen. Caldara setzt die Blasinstrumente hier entweder solistisch ein oder lässt sie streckenweise unisono mit den Violinen spielen. Klangliche Gegensätze erreicht er bei dieser Arie, indem er die Singstimme abwechselnd von Streichern ohne Basso continuo und von einem Bläsertrio, bestehend aus zwei Oboen und einem Fagott, begleiten lässt 886.

885 Vgl. Glüxam, Instrumentarium 453 f. 886 Das Bläsertrio war eine bevorzugte Besetzung, die in Caldaras Opernkompositionen zu finden ist. Vgl. Glüxam, Instrumentarium 515.

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2. Kombination aus Streich-, Blas- und Schlaginstrumenten Die spezifische Besetzung der Kantaten Oh del Romano Impero und Tempo distruggitor, dove orgoglio hat bereits in die Zuordnung der Kantaten zum Servizio di tavola Eingang gefunden. Die hier notierten Trompeten und Pauken waren jene Instrumente, die an Galatagen als hörbares Zeichen einen festen Platz in der höfischen Repräsentation einnahmen. 887 Sie nicht nur für die übliche »Sinfonia con trombe e timpani« zur Eröffnung der kaiserlichen Tafel einzusetzen, sondern auch bei der Kantate, verband diese nachgerade ideal mit den zeremoniellen Erfordernissen. Caldara unterscheidet bei beiden Kantaten innerhalb des vierstimmig gesetzten Trompetensatzes zwischen Clarini und Trombe, wobei die Notation der zwei Clarino-Stimmen im G-Schlüssel und die der Trombe-Stimmen im C-Schlüssel erfolgte. Üblich war hierfür die Besetzung mit C-Trompeten in Kombination mit Pauken. 888 In beiden Kantaten tritt Clarino primo solistisch hervor, während die anderen Blasinstrumente Begleitfunktion wahrnehmen. Glüxam hat festgestellt, dass vierstimmige Trompetenchöre in den Opernpartituren des Wiener Hofs in Kombination mit Pauken auftreten, die auf c und G gestimmt seien. 889 Genau dies trifft auch auf die beiden Kantaten Caldaras zu. Die Pauken treten den Trompeten vor allem dann klanglich an die Seite, wenn die Blasinstrumente keine solistische Funktion haben, sondern bei Tuttieinwürfen Signalfunktion entfalten sollen. 3. Kombination aus Streich-, Blas- und Zupfinstrumenten Bei Atalipa e Doriene und Misera me kommen jeweils Violinen, Lauten und Flöten zum Einsatz, wobei für Erstere eine Travers- und für Letztere eine Altblockflöte vorgesehen ist. Trotz der ähnlichen Besetzung könnte die Verwendung der Instrumente nicht unterschiedlicher ausfallen. Bei Atalipa e Doriene sind die Violinen stets getrennt von den Blas- und Zupfinstrumenten gesetzt. Die so bezeichneten Leuti und die Traversflöte werden lediglich einmal herangezogen und begleiten im Unisono in der zweiten Arie Si vede quel bene die Sopranstimme, während sich der Komponist bei der ersten Arie und dem Duett ausschließlich der Violinen bedient. Die Traversflöte in Kombination mit dem Lauteninstrument lässt sich seit den 1720er Jahren in Opernpartituren des Wiener Hofs nachweisen, wobei die Arien von schnellem Tempo und ei887 Kilian Reinharth, Rubriche Generali, A-Wn Mus. Hs. 2503, 38 r. 888 Vgl. Glüxam, Instrumentarium 557, darüber hinaus mit besonderer Berücksichtigung von Caldaras Opern Brown, Trumpet. 889 Vgl. Glüxam, Instrumentarium 646 f.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

nem »lebhaften, volkstümlichen Charakter der Stimmen, mit vorherrschender Sechzehntelbewegung« geprägt sind. 890 Eine solche lebhafte und tänzerische Stimmung findet sich auch in der im Allegretto gehaltenen Arie von Atalipa e Doriene. In der instrumentalen Introduzione lösen sich bei Misera me jeweils kurze, zweistimmig geführte Abschnitte der Flöten- und Violinstimme sowie der Lauteninstrumente über dem Basso continuo ab, während bei der zweiten Arie die Instrumente phasenweise gleichzeitig über der Gesangsstimme erklingen. 4. Kombination aus Blas- bzw. Blas- und Zupfinstrumenten Die bemerkenswerteste Besetzung innerhalb des Wiener Kantatenœuvres findet sich bei der Altkantate Come debba esser condotta una reciproca simpatia sowie bei der Kantate für zwei Stimmen Nigella e Tirsi. Caldara hat die erste Arie der Altkantate mit jeweils solistisch geführter Altposaune und Fagott und die zweite mit Chalumeau in Verbindung mit Fagott besetzt. Die 1726 für den Altkastraten Gaetano Orsini komponierte Kantate hat möglicherweise Johann Jacob Friederich begleitet, der von 1725 bis 1741 als erster Fagottist fungierte und dessen Anstellung zur Komposition virtuoser Fagottpartien innerhalb der Opernkompositionen führte. 891 Auch in den Arien dieser Kantate sind Abschnitte mit Zweiunddreißigstelketten in die Solopartien eingestreut, die Fingerfertigkeit beim Spiel des Fagotts wie der Altposaune bedürfen (siehe Notenbsp. 32). Die Altposaune kommt innerhalb des Kantatenschaffens von Caldara ausschließlich bei den genannten Kantaten zum Einsatz, und nur bei Nigella e Tirsi ist sie als Paar in Verwendung. Das Instrument ist im Altschlüssel notiert, und die Stimmführung bewegt sich bei beiden Kantaten im Ambitus von f bis d′′ . Bestätigt werden kann somit der Befund Stewart Carters, der anhand seiner Analyse von Wiener Partituren aus dieser Zeit festgestellt hat, dass Caldara die Altposaune gerne in Kombination mit anderen obligaten Instrumenten einsetzte, besonders in Verbindung mit Fagott – wie es auch auf die Besetzungspraxis dieser Altkantate zutrifft. 892 Eine bei den Opernpartituren des Wiener Hofes mehrfach anzutreffende Variante der Besetzung von Blasinstrumenten 893 findet sich in der ersten Arie von Nigella e Tirsi. Hier werden Traversflöte und Chalumeau benötigt, die streckenweise von Lauten verstärkt werden. Das Pastorale, das mit dieser Besetzung 890 891 892 893

Glüxam, Instrumentarium 490. Glüxam, Instrumentarium 505 f. und 521. Vgl. zur Besetzung der Posaune am Wiener Hof Carter, Trombone 61 f. Glüxam, Instrumentarium 491.

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 32: Arie Quando libera sarai aus: Come debba esser condotta una reciproca simpatia

unterstrichen wird, fügt sich ideal in den Aufführungskontext des Gartens von Schloss Favorita ein. Die zweite Arie, Se quel rio fosse contento, ist mit zwei im Allegro wettstreitenden Fagottstimmen und Basso continuo besetzt. Der Ambitus des Fagotts (C–f′ ) schöpft beinahe den vollen Umfang der Instrumente (C–g′ ) aus. Caldara komponierte hier zwei Partien mit »zierliche[r] Stimmführung« 894, die mit zahlreichen Trillern und Sechzehntelketten versehen sind. Formale Anlage Die Analyse der Textstruktur erlaubt es, die Texte in vier Kategorien einzuteilen. Der Anteil jener Werke mit der zeitgenössisch am häufigsten verwendeten Kantatenform RARA ist mit knapp 66 % am höchsten ausgefallen. Die idealtypische Kantate für das Kaiserhaus weist folglich eine Kantatenstruktur mit vier 894 Glüxam, Instrumentarium 525. Die Angabe von Glüxam zum Ambitus der Fagottpartien bei Nigella e Tirsi mit G bis g′ ist zu gering bemessen, sie müsste C bis f′ lauten.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

70

65 60

Kantatenanzahl

50

40

30

27

20

10

3

1

1

2

2

0

Solokantaten Kantatenstruktur

Kantaten für 2 Stimmen A= Arie D= A 2-Abschnitt I= Introduzione R= Rezitativ

Grafik 16: Kantatenstruktur

Nummern auf. Durch die Hinzufügung instrumentaler Einleitungen (hier analog zu der Bezeichnung in den Musikalien mit I für Introduzione statt Sinfonia benannt) ergeben sich insgesamt sieben Möglichkeiten des formalen Kantatenaufbaus. Instrumentale Einleitungsmusiken spielen – wie die Grafik verdeutlicht – innerhalb des Wiener Repertoires eine weitaus geringere Rolle als in Rom, lediglich fünf Kantaten sehen sie vor. Wie zu zeigen sein wird, unterscheiden sich die Instrumentalvorspiele darüber hinaus auch in Form und Gestalt von ihren römischen Pendants. Ein wichtiges Merkmal der Kompositionen Caldaras tritt aber, wie in Rom, so auch in Wien zu Tage, obschon unter anderen Vorzeichen. Caldara verfolgt hier wie dort streng das Prinzip der Abwechslung. Ton- und Taktarten sowie Tempovorschrift ändern sich bei den einzelnen Abschnitten der Kantate fortwährend. Dies betrifft ebenso die Instrumentalbegleitung, wenngleich in weit geringerem Umfang als bei den römischen Werken, da Caldara am häufigsten eine Continuo-Vertonung der Kantatentexte vorsieht und damit der Wechsel in den obligaten Teilen für das Gesamtrepertoire keine vergleichbar große Rolle spielt.

305

306

Kantaten für den Kaiser

Innerhalb der Solokantaten ist am zahlreichsten die Continuo-Kantate mit dem Muster RARA vertreten, die im Regelfall tonal abgerundet ist. Das bedeutet, dass das erste Rezitativ in jener Tonart beginnt, mit der die Arie am Kantatenende schließt. Im Fall der folgenden Beispielkantate Titano all’Inferno ist der Beginn des ersten Rezitativs in C-Dur gesetzt, der Haupttonart der Schlussarie Intatto sol resti. Die beiden Arien unterscheiden sich – und das ist typisch für das Repertoire – hinsichtlich der Tonart, der Tempovorschrift und der Taktart. Die zweite Arie ist häufig mit einer tänzerischen Rhythmik verbunden. Zum Zweck der Abwechslung geht Caldara bei den Continuo-Kantaten auf der Mikroebene einen Schritt weiter: Innerhalb der Arienkompositionen kommt es zu einer sehr abwechslungsreichen Ritornellbehandlung, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Abschnitt

Tonart

Taktart

1

Rez., Cessate inique furie, orridi spirti

C-Dur (T. 1)

C

2

Arie, Frangetevi, o catene

E-Dur

C

3

Rez., Ma se non v’è più speme

4

Arie, Intatto sol resti

Tempobezeichnung und Form

B, Bc Larghetta, ABA

C C-Dur

3/8

Besetzung

B, Bc B, Bc

Allegro, ABA

B, Bc

Tab. 24: Kantatenstruktur von Titano all’Inferno

Der formale Aufbau der Kantaten für zwei Stimmen lässt sich infolge der geringen Anzahl der Werke statistisch nicht valide auswerten. Gemeinsamkeiten innerhalb dieser Kategorie lassen sich dennoch ausmachen: Die zugrunde liegenden Texte ermöglichen jeweils eine gleichberechtigte Verteilung der Arien auf beide Rollen; ist eine Introduzione vorgesehen, kehren die Schlussduette in die Ausgangstonart der einleitenden Instrumentalmusik zurück; beginnt die Kantate mit einem Gesangsabschnitt, ist die tonartliche Geschlossenheit über die Brücke des anfänglichen Rezitativs mit dem A2-Abschnitt hergestellt, wie es bei Trionfo d’Amore e d’Imeneo 895 der Fall ist, bei der am Schluss wieder die Ausgangstonart C-Dur erreicht wird.

895 Vgl. A-Wgm A 394 (1).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

1

Rolle

Abschnitt

Tonart

Taktart

Amore

Rez., Armi del Dio guerriero

C-Dur (T. 1)

C

Arie, Al fulminar d’un ciglio

AsDur

C

2 3

Imeneo

4 5

Arie, Maggior vanto ho in cielo e in terra Amore

6 7

Rez., Ferma l’audace volo

Imeneo

8

C-Dur

9

Amore / Imeneo

Rez., Splenda d’Olimpo e scintillante biondo

10

Amore / Imeneo

A 2, Si d’ogni alma e de’ bei numi

Allegro, ABA

B-Dur

C /

Allegro, ABA

3/8

A, V1+2, Va, Bc S, Bc

Allegro, ABA

C

F-Dur

S, V1+2 unisoni, Va, Bc A, Bc

C

Rez., Su’l gran Danubio inondator de degni Arie, Di felici con nodo beato

3/8

Besetzung

S, Bc

C

Rez., A gran serie d’esempi eccelsi e degni Arie, No no altra v’è mai scampo

Tempobezeichnung und Form

S, V1+2 unisoni, Va, Bc A, Bc

Allegro, ABA

Rit.: V1+2, Va, Bc, Arie: A, Bc S, A, Bc

C-Dur

2/4

Allegro

S, A, V1+2 unisoni, Va, Bc

Tab. 25: Kantatenstruktur von Trionfo d’Amore e d’Imeneo

Tonartenbehandlung und -schemata Solokantaten

Bei den Solokantaten des Wiener Repertoires konnten 16 Haupttonarten ermittelt werden, die sich wie folgt verteilen:

307

308

Kantaten für den Kaiser

Tonart

Kantatenanzahl

c-Moll

12

B-Dur

9

d-moll

9

g-Moll

8

F-Dur

7

G-Dur

6

A-Dur

6

C-Dur

5

D-Dur

5

a-Moll

5

e-Moll

5

f-Moll

5

Es-Dur

4

E-Dur

3

h-Moll

3

fis-Moll

2

Tab. 26: Haupttonarten der Kantaten

Molltonarten überwiegen nur leicht und reichen von f-Moll bis fis-Moll. Bei den Durtonarten verteilen sich die Haupttonarten im Bereich von Es-Dur bis E-Dur. B-Tonarten dominieren deutlich gegenüber den Kreuztonarten. Bei der Ermittlung der Haupttonarten konnten im Falle dieses Repertoires sämtliche Solokantaten herangezogen werden, da im Unterschied zu den römischen Kantaten jene mit instrumentalen Einleitungen nur einen marginalen Anteil (drei Kantaten) und überdies keine so ausgeprägte Varianz bei den Arientonarten aufweisen. Die 95 Solokantaten beinhalten ohne Ausnahmen zwei Arien. Die 27 Kantaten mit der Form ARA sehen, bis auf eine Ausnahme 896, keinen Tonartenwechsel bei den Arien vor. Bei den Kantaten der Form RARA wird die Haupttonart – wiederum mit einer Ausnahme – im ersten Takt des ersten Rezitativs vorgestellt. Auf sie wird, um eine tonartliche Abrundung zu erreichen, bei der Schlussarie rekurriert. Bei der Ausnahme handelt es sich um Pianger sovra un estinto. 897 Das gleichnamige erste Rezitativ etabliert erst am Ende des Satzes die Haupttonart der Kantate. Die Werke der Form RARA sehen bei der ersten Arie 896 Es handelt sich hierbei um die Kantate Crudele, se tu mi vuoi tradir (D-MEIr Ed 118q [1]), bei der von d-Moll in der ersten Arie auf D-Dur in der zweiten Arie gewechselt wird. 897 Vgl. Pianger sopra un estinto, D-MEIr Ed 118 r (12).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

einen Tonartenwechsel vor. Hier kommen Subdominant-, Dominant-, parallele Moll- oder Durtonarten bzw. Tonarten der Subdominantparallele zum Einsatz, selten finden solche Verwendung, die in kein näheres Verhältnis zur Haupttonart zu bringen sind. Schematisch lässt sich ein typisches Beispiel (Senti Filli incostante) mit der am häufigsten gewählten Tonart c-Moll wie folgt darstellen: Rez.

1. Arie

c-Moll

Es-Dur

Rez.

2. Arie c-Moll

Haupttonart wird am Beginn vorgestellt

Tonart der Durparallele

Haupttonart

Tab. 27: Tonartenschema

Kantaten für zwei Stimmen

Die Tonartenpläne der sechs Kantaten für zwei Stimmen umfassen die drei Haupttonarten C-Dur, B-Dur und g-Moll, wobei Erstere bei gleich vier dieser Werke herangezogen wird. Die Wahl dieser festlichen Tonart ist dem Aufführungskontext geschuldet, wurden diese Kantaten doch alle an Galatagen dargeboten. Wie bei den Solokantaten wird die Haupttonart in der Introduzione oder im ersten Rezitativ vorgestellt, alle Abschnitte der abschließenden A-dueKompositionen greifen die Haupttonart wieder auf. Innerhalb der Kantaten findet sich eine große Bandbreite von Tonarten, unter denen wiederum die Durtonarten dominieren. Von den 18 Arienkompositionen sind lediglich vier in Moll gehalten. Caldara wechselt innerhalb der Kantaten für zwei Stimmen bis zu viermal die Tonart, wobei sich die Wahl der Tonarten, typisch für solche Werke, im Vergleich zu den Solokantaten als wesentlich freier herausstellt, um die Charaktere auch mit Hilfe dieses Mittels zu akzentuieren. 898

Innere Ausformung Introduzioni Fünf Kantaten des Wiener Repertoires werden mit einer instrumentalen Einleitung eröffnet: Es handelt sich um die Solokantaten Misera me, Che giova il sospirar, Oh del romano impero und die beiden Kantaten für zwei Stimmen Vieni 898 Vgl. beispielhaft die Tabelle 25, die den Tonartenplan der Kantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo wiedergibt.

309

310

Kantaten für den Kaiser

o compagna und Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio. Anders als bei den römischen Vergleichsbeispielen werden die instrumentalen Einleitungen in den autographen wie den kopierten Musikalien mit dem Terminus Introduzione bezeichnet. Mit einer Ausnahme sind diese instrumentalen Einleitungen einsätzig gestaltet und sehen die Vorschrift Allegro vor. Den römischen Kantaten- und damit den gängigen Opernsinfonien am nächsten steht die genannte Ausnahme. Es handelt sich um die Introduzione zum Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio, die zweisätzig gestaltet ist und eine den römischen Sinfonien vergleichbare Streicherbesetzung aufweist. Dem ersten Satz im schnellen Tempo ist, analog zu Caldaras römischen Kantatensinfonien, eine sechstaktige, in Largo gehaltene Coda angehängt, deren Merkmal die Modulation ist. Auf sie folgt ein als Aria bezeichneter dreiteiliger Schlusssatz, eine stilisierte Gavotte. 899 Drei weitere Introduzioni verbindet nicht nur ihre Einsätzigkeit, sie sind aufgrund ihrer Besetzung von starken Klangkontrasten geprägt. 900 Mal sind es Blasinstrumente, die klangliche Akzente gegenüber den Streichern setzen, mal Zupfinstrumente. Kontraste treten besonders bei der in C-Dur gehaltenen Introduzione zu Oh del romano impero hervor: Die als Tafelmusik dienende festliche Kantate beginnt mit einer reich besetzten Introduzione in C-Dur. Zum dreistimmigen Streichersatz (bestehend aus erster und zweiter Violine und Viola) und dem Basso continuo tritt ein vierstimmiger Trompetenchor mit Pauken. Die Trompeteninstrumente lassen sich paarweise in Clarini und Trombe einteilen. Ihren instrumentalen Möglichkeiten gemäß verfolgen die Clarintrompeten die Aktivität der Violinen und werden in Teilen solistisch eingesetzt, während die Trombe harmonische Funktion übernehmen und bei den fanfarenartigen Tutti zum Einsatz kommen. 901 Ein solches eröffnet den in Da-capo-Form angelegten Satz. Der erste achttaktige Teil, der als Da capo am Ende wiederholt wird, ist vom Wechsel der fanfarenartigen Tutti auf den Streichersatz geprägt. Die effektvollen Tuttieinsätze bestimmen auch den insgesamt 30 Takte umfassenden zweiten Teil der Introduzione. Zum Wechsel zwischen Trompeten und Streichern treten hier noch die virtuosen Solopartien der ersten Trompete. Mit dem jeweiligen Eintritt der Soloabschnitte geht eine satztechnische Reduktion einher: Entweder begleitet der Basso continuo (z. B. T. 21–23) oder

899 Vgl. die detaillierte Untersuchung dieser Introduzione bei Edler, Applausus-Kompositionen 183–185. 900 Glüxam hat festgestellt, dass Caldara mit der Gegenüberstellung der Bläser und des Tuttiensembles auf »eine in Wien schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts mit Vorliebe angewandte Vorgangsweise [zurückgegriffen habe], deren Wurzel wohl in der polychoralen Praxis der venezianischen Instrumentalmusik zu suchen ist.« Glüxam, Instrumentarium (2002) 140. 901 Vgl. auch weitere Analysen zu Caldaras Trompetenmusik bei Brown, Trumpet, besonders 18.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

der Basso continuo in Kombination mit den Streichern (T. 24–26). Am Ende des Abschnitts kommt eine weitere Variante zu tragen: Ab T. 34 werden die beiden Streicherstimmen zum Unisono zusammengefasst, sie begleiten nun als Bassettchen die letzten vier Takte des Trompetensolos. Mit dieser klanglichen Reduktion auf die Zweistimmigkeit ist ein effektvoller Übergang zum ersten klangstarken Tuttieinsatz im Da capo geschaffen. Der harmonische Verlauf der Introduzione konzentriert sich auf Tonika (C-Dur) und Dominante (G-Dur). Zwischen diesen beiden Polen wendet sich der harmonische Gang der Introduzione, bei dem insgesamt C-Dur dominierend ist. Arienkompositionen Das Korpus der Arienkompositionen umfasst für das Wiener Repertoire 208 Stücke. Caldara wählte für deren Vertonung beinahe ausschließlich die Dacapo-Form, lediglich eine Arie weicht hiervon ab. 902 Was bei den Partituren der Wiener Kantatenarien am stärksten ins Auge fällt, ist die spezifische Ritornellbehandlung und die sehr textausdeutende Kompositionsweise. Beide Mittel dienen dem Komponisten, um innerhalb der Continuo-Kantaten Gestaltungsvielfalt zu erreichen. Auch im Fall dieses Repertoires wurden auf Basis einer statistischen Untersuchung der Arienanlagen, des Satzes, der Besetzung, der Ton- und Taktarten sowie der Tempovorschriften drei Arien ermittelt, um Spezifika der motivischen Arbeit und der Textbehandlung im Detail zeigen zu können. Bevor diese am Ende des Kapitels näher vorgestellt werden, stehen die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung im Vordergrund.

902 Vgl. die Arie Vai Teresa, ch’in sorte otteneste aus der Kantate Scorre l’Istro festante, A-Wgm A 394 (2).

311

312

Kantaten für den Kaiser

Charakteristika der Da-capo-Arien

Die Anlage der Da-capo-Arien Die Teile A und B der Kantatenarien sind von einer großen Gestaltungsvielfalt gekennzeichnet und können drei bis acht Gesangsteile umfassen. Neben der typischen fünfteiligen Da-capo-Form (A1 – A2 – B – A1 da capo – A2 da capo) 903, die mit knapp 58 % am häufigsten verwendet wird, findet sich auffällig oft ein erweiterter B-Teil. Bei 21 % der Arien ist dieser zweiteilig gestaltet, d. h., dass die Strophe des B-Teils mindestens zwei Mal vollständig vertont vorliegt und der B1- vom B2-Teil mit einem Zwischenritornell getrennt ist. 904 Dreiteilige Da-capo-Arien machen darüber hinaus einen Anteil von 11 % aus und treten damit am dritthäufigsten auf. In Bezug auf die Anlage am umfangreichsten sind die Arien Parto senza sperar 905 sowie Vendicata de tuoi torti 906, die jeweils drei Gesangsteile im A-Teil und zwei im B-Teil aufweisen, also insgesamt achtteilig sind. Die dreiteiligen Da-capo-Arien Die Arien dieses Typs weisen in ihrem A- und B-Teil lediglich einen Gesangsabschnitt auf. Ein idealtypisches Beispiel mit dreiteiliger Arienstruktur (A – B – A da capo) ist hier die vor 1727 entstandene Sopranarie Quando tenti esser pietosa der Solokantate Pianger sopra un estinto. 907 Der kurze Arientext besteht aus lediglich mit Ottonari gebildeten Verszeilen (2 + 2). Silbenanzahl

Reimschema

Quando tenti esser pietosa

8

A

Più crudele allor ti rendi

8

B

Uno piangi; e poi sdegnosa

8

A

Mille cori in uno offendi

8

B

Der Text des A-Teils wird einmal vollständig vorgetragen, es folgt eine dreimalige Wiederholung des zweiten Verses. Mit dieser wird die im Text angelegte Anklage an die anonyme Geliebte hervorgehoben. Dieses Prinzip setzt sich im 903 Vgl. hierzu auch die Ausführung zu den Charakteristika der Da-capo-Arien des römischen Repertoires. 904 Vgl. zu dieser ab 1720 üblichen Form auch Edler, Applausus-Kompositionen 212. 905 Vgl. die zweite Arie der Kantate Che sarà mai di me, numi tiranni!, A-Wgm A 403 (15). 906 Vgl. die zweite Arie der Kantate Qual lampo rapido, A-Wgm VI 16569 Q 3712 (8). 907 Vgl. D-MEIr Ed 118 r (12).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

B-Teil fort. Nach dem ersten vollständigen Durchlauf der Strophe wird der Schlussvers (in diesem Fall: einmal) wiederholt. Das Ritornell zwischen A- und B-Teil greift auf das Anfangsritornell zurück. Es ist lediglich um zwei Takte verkürzt. A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–10

11–39

40–47

48–63

64–111

Abschnitt

R

A

R

B

R–A –R

Tonartliches Gerüst (Haupttonarten)

A

A–fis–E

A

fis–h

Tab. 28: Struktur der dreiteiligen Da-capo-Arie Quando tenti esser pietosa

Für das römische Repertoire wurde bereits auf die Problematik verwiesen, dass bei den dreiteiligen Arien eine vollständige Strophenwiederholung im A-Teil verankert sein kann, aber ein Ritornell oder Zwischenritornell an der Schnittstelle fehlt. Auch im Wiener Repertoire sind solche Fälle zu finden: Im A-Teil der Arie in F-Dur Quella morte, a cui la sorte ist beispielsweise beim ersten Strophenende (T. 10 und 11) eine Kadenz nach C-Dur vorgesehen. An dieser Schnittstelle wäre nun der Ort für ein Zwischenritornell, die Gesangsstimme setzt aber unmittelbar nach einer Achtelpause ein und zitiert im Anschluss tongleich das Anfangsmotiv.

Notenbsp. 33: Quella morte, a cui la sorte aus: Epaminonda

313

314

Kantaten für den Kaiser

Die fünfteiligen Da-capo-Arien Vergleichbar hoch wie bei den römischen ist auch bei den Wiener Kantatenarien der Anteil der fünfteiligen Da-capo-Arien. Die Anlage der Arien folgt einem festen Schema, sie sehen im A-Teil zwei Gesangsabschnitte vor, die durch ein instrumentales Zwischenspiel getrennt sind. Im Regelfall ist der A-Teil gegenüber dem B-Teil umfangreicher gestaltet, da der A2-Teil (Teil-)Verswiederholungen aufweist oder weitläufigen Koloraturen Platz bietet. L’aura del cieco averno, eine Bassarie in B-Dur, zeigt beispielhaft die zugrunde liegende Form. Sie weist zwei gleich lange Strophen auf, die Verse sind jeweils mit Settenari gestaltet: Silbenanzahl

Reimschema

L’aura del cieco averno

7

a

Col suo infernal vapore

7

B

Ingombri di terrore

7

B

La terra, il cielo, il mar.

7–

C

Sorga l’orrendo Pluto

7

d

D’ira, di sdegno armato

7

E

E il mio tiranno fato

7

E

Impari a fulminar.

7–

C

Nach dem ersten Strophendurchlauf folgt bei der Vertonung des A-Teils ein Zwischenritornell, das in den Abschnitt A2 mündet. Dieser ist länger als der A1-Teil, sieht eine ausgedehnte Koloratur über dem Wort terrore vor und wiederholt den letzten Vers. Bei den Kantaten des Wiener Repertoires, die zum Großteil aus Arien mit Continuo-Besetzung bestehen, sind Verswiederholung und Koloratur die meistverwendeten Mittel zur Gestaltung des A2-Teils. An dessen Ende folgt das Strophenritornell, das – typisch für das Wiener Arienrepertoire – das Anfangsritornell nicht vollständig übernimmt. Der B-Teil weist einen Strophendurchlauf auf, die beiden letzten Verszeilen werden wiederholt. Die Bassarie lässt sich schematisch wie folgt darstellen: A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–2

3–8

8–10

10–18

19–20

21–31

32–51

Abschnitt

R

A1

ZR

A2

R

B

R–A1 –ZR– A2 –R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

B

B–F– g

g

g–B

B

B–c– ES

Tab. 29: Aufbau der fünfteiligen Da-capo-Arie L’aura del cieco averno

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Da-capo-Arien mit erweitertem B-Teil Eine auffällig hohe Anzahl der Wiener Kantatenarien ist im B-Teil zweiteilig gestaltet, und daher soll dieses Merkmal gesondert vorgestellt werden. Es ist danach zu fragen, ob sich diese Behandlung auch auf die Grundstruktur der Da-capo-Arien auswirkt, bei denen der A-Teil grundsätzlich länger ist. Was den formalen Aufbau des B-Teils betrifft, wird bei diesen Beispielen die Strophe einmal vollständig wiederholt. Zwischen seinen beiden Gesangsteilen findet sich jeweils ein Zwischenritornell. Dieses kann motivisch mit dem Strophenritornell in Verbindung stehen oder eigenständig geformt sein. Um den Unterschied zu der eben vorgestellten fünfteiligen Da-capo-Arie noch schärfer zu konturieren, wurde zur Darstellung der formalen Anlage eine Arienkomposition gewählt, deren Textgrundlage vergleichbar aufgebaut ist. Der Text der Arie Aime sento il mio core 908 weist, wie die obige Arie, acht Verszeilen auf, die mit Settenari geformt sind: Silbenanzahl

Reimschema

Aime sento il mio core

7

A

Che sviene dal dolore

7

A

Per te vago mio bene

7

b

Languendo ogn’ora sta

7–

C

Tu sola o mio tesor

7

D

Spegner puoi quell’ardor

7

D

Che non tormento attroce

7

e

In petto acceso và

7–

C

Caldara setzt die zweite Strophe zweimal in Musik, was zu einer erheblichen musikalischen Ausdehnung des B-Teils hätte führen können. Tatsächlich aber bleibt hinsichtlich der Länge hier – wie bei den anderen Arien dieses Repertoires auch – die Dominanz des A-Teils erhalten. Die Altarie in a-Moll umfasst insgesamt 96 Takte und zählt mit der Tempovorschrift Larghetto in Bezug auf die Aufführungsdauer zu den längsten Kantatenarien für den Kaiserhof. Auf den A-Teil entfallen insgesamt 42 Takte, auf den B-Teil lediglich zwölf. Dieser

908 Vgl. die zweite Arie der Kantate Vicino a un rivoletto, A-Wgm A 402 (1), ediert in: Mandyczewski (Hrsg.), Caldara 43–45.

315

316

Kantaten für den Kaiser

ist im Vergleich zur fünfteiligen Arie L’aura del cieco averno lediglich um einen Takt länger. Schematisch lässt sich diese Arie wie folgt darstellen: A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–10

11–17

17–19

19–32

32–42

42–48

49–50

50–55

55–96

Abschnitt

R

A1

ZR

A2

R

B1

ZR

B2

R–A1 – ZR–A2 –R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

a–E– d–a

a–e

e–C

C–d– g–F– C–a

a–E– d–a

a–C– G–d

d

d–C

Tab. 30: Aufbau der Arie L’aura del cieco averno

Da-capo-Arien mit Devisen Devisen werden von Caldara ausschließlich bei den Continuo-Arien des Wiener Repertoires eingesetzt. Sie treten 13-mal auf und sind entweder direkt an den Beginn der Arie gestellt (drei Arien) oder im Anschluss an das Strophenritornell zu finden (zehn Arien). Zwischen der Devise und dem Gesangsteil A1 findet sich jeweils ein instrumentaler Abschnitt, der sein musikalisches Material aus dem Strophenritornell bezieht. Die Devisen beinhalten ohne Ausnahme das melodische Material, das vom Gesangsteil A1 in gleicher Form übernommen wird, können motivisch aber unabhängig vom Strophenritornell gestaltet sein. Bei der textlichen Gestaltung zieht Caldara (anders als in Rom, wo nur ein Teil des ersten Verses zum Einsatz kommt) entweder den vollständigen ersten Vers oder die ersten beiden Verse der Textgrundlage heran. Lediglich eine Devise dieses Repertoires ist ihren römischen Pendants ähnlich, nämlich die der Arie Viva la libertà 909 in c-Moll. Die Devise schließt direkt an das vorangegangene Rezitativ an, ist als Exclamatio geformt und leitet eine Arie ein, deren Thema, das Lob der Freiheit, bereits im vorangegangen Rezitativ vorbereitet wurde, wo es auch die wortgleiche Exclamatio aufweist. Im Rezitativ spricht sich ein Liebender dafür aus, seiner Geliebten Filli zu entfliehen, um nicht größeren Schaden zu erleiden:

909 Vgl. die zweite Arie der Kantate Senti Filli incostante, A-Wn Mus. Hs. 17567 (8).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenanzahl Viva la libertà poiche schernito

Reimschema

11

a

7

b

Perché ancor, che il fuggir è un crudo affanno

11

G

Sarebbe il non fuggir più fiero danno.

11

G

Mi accorgo degl’inganni [. . . ]

Viva la libertà

7–

A

E d’ingiusta beltà

7–

A

Fugga il mio core

5

B

Perché degno non è

7–

C

Un idol senza fè

7–

C

D’un fido amore.

5

B

A-Teil Takte

1–3

B-Teil

A-Teil da capo

3–11 11–23 23–24 25–58 59–66 67–84 85–86 87–103

Abschnitt

D

R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

c

c

A1

ZR

c–Es Es–B

A2

R

B1

ZR

B2

B–c

c

c–g

g–d

d–f

104–163 D–R–A1 – ZR–A2

Tab. 31: Aufbau der Da-capo-Arie mit Devise Viva la libertà aus: Senti Filli incostante

Die Devise mit Vivaruf wird, mit Ausnahme des allerersten Einsatzes der Singstimme, unbegleitet vorgetragen. Diese Art des solistischen Vortrags ist vergleichbar mit jenem der römischen Devisenarien, besonders mit dem bereits vorgestellten Beispiel Vinsi è ver. Der Vivaruf könnte sich nun zu einer hoffnungsvollen Tonfolge ausformen, doch mit Caldaras Vertonung der Devisenworte wird sogleich nachvollziehbar, dass sie zu keinem freudigen, signalartigen Ausruf führen. Die in c-Moll gehaltene Devise weist lediglich sechs Töne auf, deren Folge mit einem verminderten Quartsprung nach unten und einem darauffolgenden kl. Sekundschritt nach oben versehen ist. Diese Intervallfolge, genau bei den Worten la libertà gesetzt, lässt die schwierige Entscheidung des Liebenden, sich von Filli zu lösen, hörbar werden. Nach dem anschließenden Ritornell folgt der Gesangsteil A1, die erste Verszeile zitiert tongleich die Devise und ist von den restlichen Versen mit einer eintaktigen Pause abgespaltet, so dass es zu einer Art Doppeldevise kommt, die insgesamt viermal im Verlauf der Arie erklingt.

317

318

Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 34: Devise der Arie Viva la libertà aus: Senti Filli incostante

Bemerkenswert ist im Da-capo-Teil der reduzierte Einsatz der Ritornelle. Die Devise eröffnet den Da-capo-Teil und folgt direkt auf den Gesangsabschnitt B2. Ein Schlussritornell ist im Da capo überdies nicht vorgesehen, so dass die Arie mit einem Gesangsteil endet. Dieses Phänomen stellt keinen Ausnahmefall innerhalb des Wiener Repertoires dar. 910 Die Devisen der weiteren Arien weisen keine vergleichbar prägnante rhetorische Funktion auf und sind stärker an den melodisch-motivischen Verlauf gebunden. Die sechsteilige Arie Per tuo scorno, e tuo dispetto in A-Dur der Basskantate Tamerlano sei hier stellvertretend herausgegriffen. Inhaltlich ist sie vom Triumph Tamerlanos über Bajazet bestimmt. Tamerlano fordert im Verlauf des A-Teils seinen Feind auf, ihn als König und Sieger anzuerkennen, wobei der Sieger, und das hebt Caldara mit der Devise am Arienbeginn besonders hervor, sich die Schmähung und die Verhöhnung des Unterlegenen nicht verkneifen kann. Der Komponist zieht hierfür die vollständige erste Verszeile als Textgrundlage der Devise heran: Silbenanzahl

Reimschema

Per tuo scorno, e tuo dispetto

8

A

Riconosci nel mio aspetto

8

A

Il tuo re, tuo vincitor.

8–

B

Ma quel sdegno audace altero

8

C

Del tuo core empio, e severo

8

C

Diverrà scopo al furor.

8–

B

910 Siehe den Abschnitt zur Ritornellanlage.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

A-Teil Takte

1–3 3–11

B-Teil

11–23 23–24 25–58 59–66

A-Teil da capo

67–84 85–86 87–103 104–163

Abschnitt

R

D

ZR

A1

ZR

A2

R

B1

ZR

B2

Tonartengerüst (Haupttonarten)

A

A

A

A–E

H–E

E–A

A

fis–E

E

E–H– E

Tab. 32: Aufbau der Da-capo-Arie mit Devise Per tuo scorno, e tuo dispetto, aus: Tamerlano

Notenbsp. 35: Devise der Arie Per tuo scorno, e tuo dispetto aus: Tamerlano

R–D – ZR– A1 – ZR– A1 –R

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Kantaten für den Kaiser

Der Melodieverlauf der Devise wird, anders als bei der Arie Viva la libertà, bereits im Strophenritornell, genauer, in den ersten vier Takten im Basso continuo, vorgestellt. Das Ritornell zerfällt in zwei viertaktige Glieder, nämlich in jenen Teil, der von der Singstimme bei der Devise vollständig übernommen wird (T. 1–4, Notenbsp. 35), und einen zweiten Teil, der Bassfloskeln verarbeitet (T.5–8, Notenbsp. 35). Auf dem Schlusston des Ritornells setzt die Singstimme mit der Devise ein, die im Gegensatz zu Viva la libertà durchgängig vom Basso continuo begleitet wird. Im Anschluss folgt ein viertaktiges Zwischenritornell, das den zweiten Teil des Strophenritornells statt gekürzt vollständig wiederholt, so dass dieses mit der Wiederholung der Devise am Beginn des A1-Teils in der Gesangsstimme innerhalb der ersten 20 Takte der Arie durchgehend präsent ist, mal in der Gesangsstimme, mal im Basso continuo. Die Devise wird hier nicht mit einer vergleichbar starken Signalfunktion verknüpft wie jene der Arie Viva la libertà. Mit dem mehrfachen Anschließen an das unmittelbar Vorangegangene ist das Augenmerk stärker auf Wiederholung und also Beharrlichkeit gelenkt, um auf diesem Wege die Devisenaussage musikalisch zu akzentuieren.

Ritornellanlage Mehrfach schon wurde im Zuge der Arbeit auf ein Spezifikum der Ritornellanlage innerhalb des Wiener Kantatenarienrepertoires hingewiesen, auf das es nun näher einzugehen gilt. Zum Zweck der besseren Kontrastierung und damit Klärung der Besonderheit sei indes zunächst die reguläre Ritornellanlage vorgestellt. Ein Ergebnis der Ritornellanlage-Analyse römischer Kantatenarien bestätigt sich auch für das Wiener Repertoire: Am häufigsten finden sich vier Strophenritornelle innerhalb der Da-capo-Arien. Mit ihnen werden Arienbeginn und -schluss gestaltet, und im Regelfall sind sie vor und nach dem B-Teil gesetzt. Genau an diesen beiden Schnittstellen, also vor und nach dem B-Teil, kommen auch Varianten des Strophenritornells vor. Bei ca. 30 % der Arien sind die Ritornelle an den Schnittstellen im Vergleich zum Eingangsritornell entweder verkürzt oder (in unterschiedlichem Ausmaß) verändert. Lediglich einmal lässt sich ein »autonomes« Strophenritornell 911 ausmachen, dem im Vergleich zu Rom somit eine marginale Rolle zukommt. Zwischenritornelle des A-Teils der Continuo-Arien greifen in der Regel auf motivisches Material des Strophenritornells zurück, zum Teil auch vollständig, wie es sich bei der Bassarie L’aura del cieco averno zeigt: Das zweitaktige Ritornell leitet die in B-Dur gehaltene Arie ein. Es gliedert sich in zwei eintaktige 911 Vgl. die Arie Di felici con nodo beato der Kantate für zwei Stimmen Trionfo d’Amore e d’Imeneo, A-Wgm A 394 (1).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Motive, dessen erstes (a) auf der Dominanttonart (T. 1) endet, während das zweite (b) auf der ersten Zählzeit des dritten Taktes wieder in die Haupttonart mit einer vollständigen Kadenz zurückkehrt.

Notenbsp. 36: Strophenritornell der Arie L’aura del cieco averno aus: L’Oronte

Das Zwischenritornell setzt am Strophenende des Gesangsteils A1 in g-Moll ein, greift infolge seiner Kürze gleich auf beide Motive des Strophenritornells zurück, wechselt am Ende von Motiv a in die Dominanttonart (T. 9) und kehrt schließlich nach g-Moll zurück. Damit bestätigt das Zwischenritornell die vorangegangene Kadenz am Strophenschluss bei il cielo, il mar.

Notenbsp. 37: Zwischenritornell der Arie L’aura del cieco averno aus: L’Oronte

Bei längeren Ritornellen am Arienbeginn zieht Caldara zur Gestaltung der Zwischenritornelle für gewöhnlich nur einen kleineren Ausschnitt der Strophenritornelle heran. Bei den Kantaten mit obligaten Instrumenten ist eine größere Freiheit zur erkennen. Das folgende Beispiel ist der Arie Aime sento il mio core entnommen. Hier besteht zwischen dem Strophen- und dem Zwischenritornell keine motivische Beziehung, sehr wohl aber zwischen Letzterem und dem Gesangsteil A2, der den motivisch-melodischen Verlauf in den Takten 19 und 20 zunächst tongleich vom Zwischenritornell übernimmt. Auch harmonisch ist das Zwischenritornell weniger an den vorhergehenden als an den nachfolgenden Gesangsteil gekoppelt. Der Abschnitt A1 endet auf einer Kadenz in e-Moll, das Zwischenritornell greift anfänglich noch die Tonart auf, moduliert dann aber nach C-Dur, bestätigt also die vorangegangene Kadenz nicht, es bereitet vielmehr den Weg für den A2-Gesangsteil:

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 38: Zwischenritornell der Arie Aime sento il mio core aus: Vicino a un rivoletto

Fehlende Schlussritornelle Bedeutende Auswirkungen auf den Ablauf der Arie und schließlich auf das Kantatenende hat Caldaras Gestaltung des Arienschlusses, der unmittelbar mit dem Strophenritornell in Verbindung steht. Bei ca. einem Viertel der Arienkompositionen entfällt das Schlussritornell, so dass sie mit einem Gesangsund nicht mit dem gängigen Instrumentalabschnitt enden. 912 Die einschlägigen Arien sind, mit einer Ausnahme, an eine Basso-continuo-Besetzung gebunden, aber unabhängig von der Wahl der Gesangsstimme. Diese Gestaltung der Schlussarien stellt ein Spezifikum der Kompositionen Caldaras für den Wiener Hof und zugleich einen Rückgriff auf seine venezianischen Kantatenkompositionen dar, wo er sich derselben Technik bedient. Gleich bei dem ersten Werk der gedruckten Sammlung von 1699, L’Eulisse, etwa fehlt das Schlussritornell bei der zweiten Arie Prova ad’amarmi. Eine Fermate über der letzten Gesangsnote des A-Teils deutet an, dass die Arie mit dem Gesangsteil schließen und das nachfolgende Ritornell nicht mehr vorgetragen werden soll: 913

912 Auf diese Besonderheit hat bereits Dolcini in Bezug auf die Basskantaten hingewiesen. Vgl. Dolcini, Cantate 131. 913 Vgl. Caldara, Cantate 8.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Notenbsp. 39: Arienschluss von Prova ad’amarmi aus: L’Eulisse

Analog dazu wird der Arien- und somit der Kantatenschluss mit Fermate auch bei den Wiener Werken gestaltet, was am Beispiel der Arie Il tuo volto, inf ida, ingrata der Basskantate Aura de’ miei respiri 914 demonstriert sei:

Notenbsp. 40: Arienschluss von Il tuo volto, infida, ingrata aus: Aura de’ miei respiri

Bei den Kantatenkopien des Wiener Hofes sind die Da-capo-Abschnitte üblicherweise ausgeschrieben. Hier zeigt sich die Schlussgestaltung noch klarer, denn der Kopist fügt das Wort Fine hinzu:

Notenbsp. 41: Schluss der Arie Se sprezzato io son da te der Kantate L’Oronte

914 Vgl. F-Pn Ms 1677.

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Kantaten für den Kaiser

Im direkten Vergleich mit dem römischen Œuvre ist festzustellen, dass keine der für Ruspoli entstandenen Kantaten eine solche Ritornellbehandlung erkennen lässt. Des Weiteren ist dies kein punktuelles Phänomen einiger weniger Arien des Wiener Repertoires, im Gegenteil: Die außergewöhnliche Schlussgestaltung schlägt sich in 19 Sopran-, vier Alt- und 26 Bassarien nieder. Darüber hinaus gilt es festzuhalten, dass sich von den am frühesten datierbaren Kantaten für den Kaiserhof – die aus dem Jahr 1712 stammende Kantate Io soffrirò tacendo ist hier hinzuzuzählen – bis zu den Kantaten der 1730er Jahre einschlägige Arienschlüsse nachweisen lassen, sie sich also über das Gesamtrepertoire verteilen. Das zentrale Argument dafür aber, dass diese Ariengestaltung Caldaras im direkten Zusammenhang mit der höfischen Aufführungspraxis steht, ist ihr Überlieferungskontext: Die besondere Ritornellbehandlung zeigt sich nämlich bei den Basskantaten, die der Komponist unmittelbar dem Kaiser widmete. Mehr als die Hälfte der in dem Band vereinten Basskantaten entbehren die Ritornelle am Schluss. Ein Weiteres kommt hinzu. Der Band mit Cantate a basso solo setzt sich ausschließlich aus Werken mit dieser Ariengestaltung zusammen. Eine davon, Dario, ist bemerkenswerterweise dreifach überliefert, wobei sich die jeweilige Überlieferung nicht zuletzt in den Arienschlüssen niederschlägt: Zwei der Überlieferungen entstammen dem direkten Umfeld des Kaiserhofes. 915 Ihnen ist gemein, dass das Schlussritornell bei der zweiten Kantatenarie fehlt. Anders die dritte Version: In Bologna 916 überliefert, wird sie von einem Strophenritornell beschlossen. Wirft man überdies einen vergleichenden Blick auf die Generation von kaiserlichen Hofkomponisten vor Caldara, so lässt sich das Spezifikum des fehlenden Schlussritornells bei Kantatenarien nicht nachweisen. 917 Weitere vergleichende Untersuchungen zu Kantatenkompositionen für den Wiener Hof, etwa von Francesco Bartolomeo Conti oder Giuseppe Porsile, wären wünschenswert, könnten sie doch die Frage, ob es sich um eine Personen-, eine Orts- oder eine Zeitspezifik handelt oder um eine Kombination dieser Faktoren, noch weit schärfer konturieren.

915 Neben dem bereits genannten Wiener Band ist die Kantate in Meiningen erhalten. Vgl. D-MEIr Ed 118s (8). 916 Vgl. I-Bc DD.51 (14). 917 Vgl. Bennett, Cantata 159–203.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Besetzung und Satzstrukturen innerhalb der Da-capo-Arien Die auf die Basso-continuo-Instrumente reduzierte Besetzung der Da-capoArien stellt die häufigste Variante innerhalb des Wiener Repertoires dar. Abgesehen von der kleinen Besetzungsform kommt auch die am umfangreichsten besetzte Arie innerhalb des Caldara’schen Kantatenschaffens unter den Wiener Kantaten vor. Bei der Arie Di cento trombe, cento ist in den Oberstimmen neben einem vierstimmigen Trompetenchor und Pauken auch ein dreistimmiges Streicherensemble zu finden. Alle zusammen formen mit der Sopranstimme und dem Basso continuo die opulenteste Arienbesetzung, was sich in einem neunstimmigen Satz niederschlägt. Bei der Betrachtung der Satztechniken ist aufgrund der Besetzungsverteilung (69 Kantaten mit reiner Continuo-Besetzung und 32 Kantaten mit obligaten Instrumenten) zu berücksichtigen, dass das nachfolgend Beschriebene sich überwiegend auf jene 32 Kantaten bezieht, die keine reine Basso-continuo-Besetzung aufweisen. Für sie sind weder Unisononoch Bassetto-Techniken von großer Relevanz, und sie sind per se nie größer als zweitstimmig besetzt. Einstimmiger Satz: der Gebrauch von Unisono-Techniken Es ist interessant festzustellen, dass die in Rom häufig angewandte UnisonoTechnik für die kaiserlichen Kantatenarien in nur sehr begrenztem Ausmaß eine Rolle spielt. Für Wien findet sich daher kein entsprechendes Vergleichsbeispiel einer Unisono-Arie. Lediglich innerhalb der Arienkompositionen wird diese Satztechnik an einigen wenigen Stellen eingesetzt. Ein Beispiel hierfür bietet die Arie Sono amante, e amor voglio 918. Sukzessive kommt es im Verlauf ihres A1-Teils (siehe Notenbsp. 42) im fünfstimmigen Satz zur Stimmreduktion und damit zur Konzentration auf die Gesangslinie. Nach dem Strophenritornell begleiten die unisono geführten Violinen die Altstimme colla parte (ab T. 11), die Violenstimme bleibt vorab noch eigenständig (T. 12–15), wechselt dann aber in die Bassstimme, die von T. 15 bis 19 unisono mit der Gesangsstimme geführt ist. Im Unterschied zu den römischen Arien entfällt aber an dieser Stelle die Bassstimme nicht, ihr wird, im Gegenteil, mit der Hinzufügung der Viola ein noch stärkeres klangliches Gewicht verliehen.

918 Aus: Crudele, se tu mi vuoi tradir. Vgl. D-MEIr Ed 118q (1).

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 42: Arie Sono amante, e amor voglio der Kantate Crudele, se tu mi vuoi tradir

Zweistimmiger Satz: Basso continuo und der Gebrauch von Bassetto-Technik Der zweistimmige Satz ist das satztechnische Merkmal der Wiener Kantaten schlechthin. Er bestimmt nicht alleine die 69 Kantaten mit Basso-continuo-Besetzung, sondern stellt für Caldara auch den Bezugspunkt zur klanglichen Differenzierung der größer besetzten Da-capo-Arien dar. Es finden sich klangliche Abstufungen, die einen Wechsel von reicher besetzten Passagen auf reine Bassocontinuo-Begleitung der Gesangsstimme mit sich bringen, oder es findet Bas-

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

setto-Technik Anwendung, die wiederum zum zweistimmigen Satz führt. Entweder kontrastiert Caldara damit innerhalb eines großformatigen Abschnitts die unterschiedlichen Gesangsteile oder A- und B-Teil der Da-capo-Arie. Bei den Continuo-Arien kommt der Bassstimme sowohl die Aufgabe der Begleitung der Gesangsstimme zu als auch die Form- und Motivbildung im Arienverlauf. Caldara strebt hierbei häufig Gleichberechtigung zwischen Singund Bassstimme an. Um dies zu erreichen, setzt der Komponist auf Imitation oder lässt nicht nur die Gesangs-, sondern auch die Bassstimme an der Textausdeutung teilhaben. Bei der Bassarie Vo fra l’onde, e la procella 919 ist der gleichberechtigte Einsatz auf besonders anschauliche Weise realisiert: Die Gesangsstimme artikuliert hier mit den Septimsprüngen ab T. 33 die Probleme der sicheren Schiffsnavigation im Unwetter, während der Bass lautmalerisch die Wellenbewegung des sturmumbrausten Meeres formt.

Notenbsp. 43: Arie Vo fra l’onde, e la procella der Kantate Il Tiridate

Die weitere, mit Hilfe von Bassetto-Technik gestaltete Variante des zweistimmigen Satzes spielt im Wiener Repertoire keine vergleichbar große Rolle wie innerhalb des römischen, gibt es doch hier keine Arie, die infolge ihrer satztechnischen Faktur als Bassettchen-Arie im zweistimmigen Satz bezeichnet werden könnte. Auch findet diese Technik im Bereich der Strophenschlüsse im A2-Teil der Arien nicht annähernd so intensiven Einsatz wie bei den Werken für Ruspoli. Caldara legt transalpin sein Augenmerk stärker darauf, mit der Bassetto-Technik kontrastierende Klangeffekte innerhalb der Arien zu erzielen. 920 Bei der Altarie Crudele, se tu mi vuoi tradir 921 der gleichnamigen Kantate ist die Bassetto-Technik das charakteristische Merkmal innerhalb des A-Teils. 919 Aus: Il Tiridate, A-Wn Mus. Hs. 17603 (5). 920 Vgl. zu Caldaras Bassettchen-Technik in seinen Wiener Opern Glüxam, Instrumentarium (2002) 148 f. 921 Vgl. D-MEIr Ed 118q (1).

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Kantaten für den Kaiser

Notenbsp. 44: Wechsel vom drei- auf zweistimmigen Satz innerhalb der Arie Crudele, se tu mi vuoi tradir aus der gleichnamigen Kantate

Notenbsp. 45: Wechsel vom fünf- auf zweistimmigen Satz innerhalb der Arie Crudele, se tu mi vuoi tradir aus der gleichnamigen Kantate

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Der erste Gesangsteil ist nach dem dreistimmigen Strophenritornell und einer kurzen Solopassage der Singstimme beinahe vollständig im zweistimmigen Satz gehalten. Hierfür gehen die unisono geführten Violinen ab T. 10 colla parte mit der Altstimme, und die Viola wechselt ihre Aufgabe. Ist sie im Ritornell noch eigenständiger Partner der Violine und klanglich in höheren Regionen angesiedelt, so sind ab dem Einsatz der Singstimme die tieferen Klangbereiche für sie vorgesehen, und sie agiert als Bassettchen. Auch im Gesangsteil A2 zieht Caldara diese Technik heran, lässt aber die Violinen immer wieder kleine Einschübe gestalten, so dass nicht von einem rein zweistimmigen Satz gesprochen werden kann. Im B-Teil hingegen findet sich ein viertaktiger Bassetto-Abschnitt, der in auffällig starkem Kontrast zum vorangegangenen Strophenbeginn steht, der fünfstimmig gesetzt ist. Die erste Violinstimme begleitet ab T. 40 wiederum im Gleichschritt die Gesangsstimme, während die Viola erneut Bassfunktion übernimmt (siehe Notenbsp. 45). Satz- und Besetzungsabstufungen innerhalb der Arien mit instrumentaler / n Oberstimme / n (ein- bis mehrstimmiger Satz) Die beschriebene Kontrastierung, die unmittelbare Auswirkungen auf Reduktion oder Erweiterung des Satzes innerhalb der Da-capo-Arien zeitigt, ist ein zentrales Merkmal der Kantatenarien Caldaras. Dies gilt sowohl für das römische wie für das Wiener Repertoire. Ungleich stärker fallen die satztechnischen und damit einhergehenden klanglichen Gegensätze in der Metropole des Kaisers aus, boten sich an dessen Hof doch besetzungstechnische Möglichkeiten, wie sie in Rom im Haus des Fürsten eben nicht gegeben waren. Auch sind neben den Besetzungs- ebenso die Satzvarianten weit variabler, so dass sich, mit Ausnahme der Continuo-Kantaten, weder Besetzung noch Satz bei den Kantatenarien mit obligaten Instrumenten vergleichbar stabil wie in Rom ausprägen. Aus diesem Grund können, anders als bei den Kompositionen für Ruspoli, in diesem Abschnitt keine Arien als idealtypisch dargestellt werden, dafür muss exemplifiziert werden, wie Caldara die kontrastreiche Textur ausarbeitet. Grundsätzlich gilt, dass es beim ersten Einsatz der Gesangsstimme zu einer satztechnischen Reduktion kommt. Am stärksten fällt diese bei der Arie Centro Trombe, cento aus, die aufgrund ihrer zeremoniellen Funktion die umfangreichste Arienbesetzung aufweist und damit eine ideale Folie bietet, um die planvolle und kontrastreiche Satzdisposition Caldaras beispielhaft darzulegen. An der Schnittstelle zwischen Instrumentalvorspiel und Gesang (T. 11) wechselt der Komponist bei der Arie schlagartig von einem neunstimmigen Satz (Ritornell) auf einen zweistimmigen am Beginn des Gesangsteils A1 (Singstimme und Basso continuo). Im Anschluss kommt es zu einem kontrastieren-

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Kantaten für den Kaiser

den Wechselspiel von Tuttieinwürfen und dem vom Basso continuo begleiteten Gesang. Der Gesangsteil A2 ist weniger von Tuttieinwürfen als vielmehr von einem längeren Abschnitt (T. 32–38) der solistisch geführten Trompete am Strophenschluss gekennzeichnet, die gemeinsam mit der Singstimme den Koloraturabschnitt gestaltet und damit den längeren Abschnitt im dreistimmigen Satz ausformt. Der B-Teil der Arie (T. 49–58), im dichten vierstimmigen Satz gehalten, ist von gänzlich anderer Faktur als der A-Teil der Arie: Blasinstrumente, Pauken und Basso continuo pausieren, und die Singstimme ist in einen Violinenklang eingebettet. Die Violinen übernehmen dabei Bassettchen-Funktion.

Ton- und Taktarten sowie Tempovorschriften Caldara zieht zur tonartlichen Gestaltung der Wiener Kantatenarien überwiegend Molltonarten heran. Sie reichen von f- bis fis-Moll, wobei c- und d-Moll am häufigsten ihren Einsatz finden. Mit diesem Ergebnis (siehe Tab. 33) bestätigt sich auf der Mikro-, was auf der Makroebene schon sichtbar wurde: Molltonarten wurden bei den Arienkompositionen im Verhältnis von 106 zu 101 lediglich minimal öfter herangezogen als Durtonarten. Auch ein weiteres Resultat findet Bestätigung: B-Tonarten bestimmen die Arien. Wie zeitgenössisch üblich, sind bei den Taktarten die geraden stärker vertreten als die ungeraden; der C-Takt kommt wie bei den römischen Arien mit Abstand am häufigsten zum Tragen. Auch bei der Tempovorschrift wird Allegro öfter eingesetzt als Andante, aber nicht annähernd mit so großem Abstand wie in Rom. 922 Bemerkenswert ist, dass die Tempovorschriften bei den Wiener Arien stärker ausdifferenziert sind, so dass fast doppelt so viele Bezeichnungen auftreten. Einige von ihnen stufen die großen Kategorien wie Allegro mit der Beifügung »e risoluto« stärker aus und verbalisieren damit den Charakter Arie. Auch hier wurde versucht, mit Hilfe der Korrelation der drei ausgewerteten Merkmale Tendenzen herauszufiltern. Es zeigte sich, dass bei der Kombination von zwei Merkmalen eindeutige Tendenzen feststellbar sind: So sind 90 % der Arien mit der Tempovorschrift Risoluto im geraden Takt gehalten. Bezieht man indes die dritte Kategorie Tonart mit ein, so lässt sich kein Ergebnis mehr ableiten, das statistisch aussagekräftig wäre.

922 Dies bestätigt das Ergebnis von Edlers Arienanalyse. Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen 217.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Tonart

Arienanzahl

Taktart

Arienanzahl

Tempovorschrift

Arienanzahl

c-moll

22

C

76

Allegro

67

d-Moll

21

3/8

37

Andante

46

B-Dur

19

3/4

34

o. Angabe

21

g-Moll

19

C /

31

Allegretta / o

16

F-Dur

15

2/4

18

Largo

15

A-Dur

15

12/8

6

Larghetto

14

C-Dur

14

3/2

4

Risoluto

12

a-Moll

13

6/8

1

Non tanto presto

3

f-Moll

13

Tempo giusto

2

G-Dur

11

Moderato

2

D-Dur

10

Amorosa

2

E-Dur

9

Presto

2

e-Moll

8

Allegro e risoluto

2

Es-Dur

7

Allegro ma spiritoso

1

h-Moll

5

Allegro moderato

1

fis-Moll

5

Tempo di Minuetto

1

As-Dur

1

Tab. 33: Häufigkeit der Ton- und Taktarten sowie der Tempovorschrift

Beispielanalysen Beispielanalyse 1: Bassarie Sento nel petto mio un dolor Die Arie Sento nel petto mio un dolor entstammt der gleichnamigen Basskantate (1730), die Teil jener bereits mehrfach erwähnten umfassenden Kantatensammlung ist, die Caldara Kaiser Karl VI. zueignete. Der Arientext gehört der Lamentodichtung an und thematisiert eine Liebesklage: Dem von einer hartherzigen Schönheit hervorgerufenen Liebeskummer gibt sich der Protagonist im Laufe der Arie gänzlich hin.

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Kantaten für den Kaiser

Silbenanzahl

Reimschema

Sento nel petto mio

7

A

Un duol sì accerbo e rio

7

A

Per rigida beltà.

7–

B

Struggendomi vo’ in pianto

7

C

E pur crudele è tanto

7

C

Che dileguar mi fa.

7–

B

Der vollständig durchgereimte Text beinhaltet zwei gleich lange Strophen, die mit Siebensilblern gestaltet sind. Der Text ist als sechsteilige Arie mit der Haupttonart g-Moll im C-Takt und der Tempovorschrift Largo vertont. Hierfür ist die für das Wiener Repertoire am häufigsten herangezogene Besetzung mit Bassstimme und Basso-continuo-Begleitung realisiert. Die Arie wird mit einem viereinhalbtaktigen Strophenritornell eröffnet, das insgesamt viermal zum Einsatz kommt, zweimal nach dem A2-Gesangsteil um zwei Takte verkürzt und mit einer veränderten Schlussfloskel. Der A-Teil besteht aus zwei etwa gleich langen Gesangsteilen, bei denen jeweils der gesamte Strophenvortrag erfolgt. Sie sind mit einem eintaktigen Zwischenritornell voneinander getrennt, das motivisch auf das Strophenritornell zurückgreift. Die in Arien nicht allzu häufig angestrebte längenmäßige Ausgewogenheit der Abschnitte ist den Textrepetitionen geschuldet, die in beiden Gesangsteilen zum Tragen kommen und jeweils die letzten zwei Verszeilen betreffen. Die Signalworte duol, acerbo, rio und rigida stechen dabei nicht allein mit Hilfe der Repetition hervor, sondern werden durchaus plakativ besonders mit dem Einsatz von Chromatik hervorgehoben. Der ebenfalls zweiteilige B-Teil ist klar strukturiert, beide Teile sind von ungefähr gleichem Umfang und sehen keine Textwiederholungen vor. Dies lässt den A-Teil insgesamt länger als den B-Teil ausfallen. Motivische Gestaltung der Ritornelle Das viereinhalbtaktige Strophenritornell in c-Moll stimmt auf den klagenden Affekt der Arie ein. Es beinhaltet die beiden Hauptmotive, die die Arie prägen. Das erste (a) ist ein kurzes, das sich lediglich über eineinhalb Takte (T. 1 + 2a) erstreckt. Es wird mit einem Sekundschritt nach oben eröffnet, die darauffolgende Achtel- bzw. Sechzehntelkette führt in Sekundschritten von es’ bis g. Das zweite Motiv (b) verlässt über zwei Takte (T. 2b – 4a) den Terzraum nicht und ist sequenzartig gestaltet, indem sein erster Teil, bestehend aus einer Viertel (g), gefolgt von einem Sekundschritt auf fis (punktierte Achtel), wiederum gefolgt von Tonrepetitionen auf fis sowie einem kl. Sekundschritt nach oben und beschlossen von einem gr. Sekundschritt nach unten, wiederholt wird, lediglich

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

um eine Sekunde nach unten verschoben. Daran schließt sich eine Schlussfloskel an, die mit einer vollständigen Kadenz (T. 5) c-Moll wieder erreicht. Bei dem erneuten Einsatz des Strophenritornells nach dem Abschnitt A2 wird auf die sequenzartige Wiederholung des Motivs b verzichtet, stattdessen schließt sich sofort eine Schlussfloskel mit einer Kadenz auf c-Moll an (T. 24 und 25). Das kurze eintaktige Zwischenritornell des A-Teils greift in T. 14 auf Motiv a des Strophenritornells zurück, indem es, eine Quinte tiefer, die nach unten verlaufende Achtel- bzw. Sechzehntelbewegung zitiert und wieder nach c-Moll überleitet. Lediglich der Motivanfang ist variiert, statt einer Sekundbewegung ist eine kl. Terz nach oben gesetzt. Diese Motivvariation wird von der Singstimme übernommen (T. 14 und 15). Auch im B-Teil trennt ein eintaktiges Ritornell die beiden Gesangsteile voneinander, in diesem Fall ist es mit dem vorangehenden B1-Abschnitt motivisch verwoben und unabhängig vom Strophenritornell gestaltet. Motivische Gestaltung der Gesangsteile im Teil A Auf der Kadenzultima setzt die Gesangsstimme mit Motiv a in c-Moll (T. 5b) ein. Anders als es häufig vorkommt, übernimmt die Linie nicht den Ton der Bassstimme des Ritornells, sondern beginnt eine Quarte nach unten versetzt. Die Grenze von Motiv a ist in vollkommene Übereinstimmung mit jener des ersten Verses gebracht. Es schließt sich eine Pause der Singstimme an, die klanglich vom Bass mit der Wiederholung von Motiv a gefüllt wird. Motiv b verschränkt Caldara mit dem zweiten Vers, der, um das Motiv textlich vollständig auszufüllen, wiederholt wird, es entfällt lediglich die Schlussfloskel. Mit Vers 3 wird Motiv c eingeführt, das mit der ersten Koloratur der Arie auf der letzten Silbe des Wortes beltà aufwartet, die in die Tonikaparallele, Es-Dur, überleitet. Für die Verswiederholung wird Motiv d gesetzt, dessen Merkmal punktierte Achtel sind. Dieses Motiv beschließt den ersten Strophendurchlauf mit einer Kadenz auf f-Moll. Das Zwischenritornell leitet wieder nach c-Moll über, und die Gesangsstimme setzt mit Motiv a mit der kleinen Veränderung am Motivbeginn (a′ ) ein. Das folgende Motiv b′ ist im Unterschied zum ursprünglichen um einen kleinen Nachschlag bei e rio (T. 18) erweitert, mit dem Es-Dur erreicht wird. Analog zum Gesangsteil A1 gestaltet sich Vers 3, der verbunden mit Motiv d wiederum eine Koloratur auf der letzten Silbe von beltà mit sich bringt. Am Strophenschluss wird die letzte Verszeile zwei Mal wiederholt, dafür zitiert Caldara die Tonrepetition von Motiv b (b′′ ), um sie mit einer vollständigen Kadenz wieder zurück in die Haupttonart zu führen. Die Motive im Gesangsteil A2 werden kaum abgewandelt, und nur eine geringe Zahl weiterer Motive wird eingeführt. Diese Ausarbeitung lässt den A-Teil als motivisch geschlossen erscheinen.

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Kantaten für den Kaiser

Motivische Gestaltung im B-Teil Ähnlich strukturiert wie der A- ist auch der B-Teil. Die beiden Gesangsteile sind von ihrer Länge her ausgewogen (B1: 7 Takte, B2: 9 Takte), da keine Textwiederholungen vorgesehen sind. Der B1-Teil wird mit Motiv d eröffnet, das eine dreimalige Wiederholung derselben kl. Sekundschritte in der Gesangswie der Bassstimme vorsieht. Es ist mit Verszeile 1 verknüpft und wird gefolgt von Motiv e, das im starken Kontrast zu d mit großen Intervallsprüngen aufwartet, auf einen Quint- folgt ein Sextsprung. Das Motiv wird von einem gr. Dezimsprung in As-Dur beschlossen. In Anlehnung an den A-Teil ist die dritte Verszeile mit einer Koloratur (Motiv f ) verbunden, die im vorliegenden Fall mit längeren Notenwerten und kleinen Intervallschritten über einem bewegten Bass auf der letzten Silbe von dileguar gestaltet ist. Am Koloraturschluss findet sich eine Wellenbewegung mit einer Dreiklangszerlegung. Die nach unten führende Linie wird im Bass imitiert, im darauffolgenden Zwischenritornell als Motivzelle übernommen (Motiv f′ ) und mit einem Oktavsprung verbunden. Dieses Motiv wird sogleich von der Singstimme am Beginn von Gesangsteil B2 imitiert. Es wechselt nun bis zum Versende durch Gesangs- wie Bassstimme. Verszeile 2 variiert Motiv e (e′ ). Der Strophenschluss ist erneut mit einer Koloratur gestaltet, die den Duktus der vorangegangenen Koloraturen mit ihren längeren Notenwerten aufgreift, den Melodieverlauf aber umkehrt, indem er zuerst nach oben geführt wird. Die Bassstimme steht hierbei nicht im figurativen Kontrast, sondern antizipiert die Bewegung der Gesangsstimme, die kanonartig bis zur Kadenzphase folgt, die wiederum in Es-Dur beschlossen wird. Musikalische Akzentuierung des Arientextes Die Textgrundlage, die ganz dem Lamentoton verschrieben ist, wird von Caldara in c-Moll umgesetzt, jener Tonart, die zeitgenössisch bevorzugt für den traurigen Affekt herangezogen wurde. 923 Zur tonartlichen Grundcharakterisierung tritt die konsequente lautmalerische Darstellung von Signalwörtern, die von Caldara mit durchaus plakativem Pinsel gemalt werden. Der Liebesschmerz, der in der zweiten Verszeile mit den Worten acerbo und rio näher bestimmt wird, findet als Erstes seinen klanglichen Ausdruck in T. 7, indem der Komponist die Singstimme mit einem kl. Sekundschritt nach unten in einen übermäßigen Quintsextakkord eintreten lässt, und zwar exakt bei dem Wort duol. Die Singstimme ist gezwungen, mit Tonrepetitionen in diesem Spannungsverhältnis zu 923 Vgl. u. a. Mattheson, Orchestre 244.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

verharren, bis der Akkord auf rio kurz in die Dominante aufgelöst wird. Die sich sogleich anschließende Verswiederholung zeichnet neuerlich klangmalerisch den Liebesschmerz nach. Hier (T. 8) tritt bei dem Wort duol ein verminderter Septakkord auf, der wiederum erst verzögert der Auflösung zugeführt wird. Dissonante Sprünge und zahlreiche kl. Sekundschritte unterstreichen das schmerzerfüllte Szenario. Allein im Abschnitt A1 sind in der Gesangslinie 15 kl. Sekundschritte auszumachen, darüber hinaus haben der kl. Septimsprung (T. 9) und der Tritonus (T. 13) sinnausdeutende Funktion. Aber nicht allein einzelne Wörter werden akzentuiert, auch ganze Verse werden bildhaft vertont. Der Beginn des B-Teils etwa ist von einer ungewöhnlichen Abfolge an Sextakkorden geprägt, die aus den wiederholten Sekundschritten in Bass- und Gesangsstimme resultieren. Dieses Repetieren derselben Tonfolgen, mit dem der erste Vers unterlegt ist, repräsentiert das Sich-Verzehren des Liebenden, der in einem Meer an Tränen versinkt. Entscheidend für die affektgeladene Aussage der Arie ist weiterhin die Wahl der Worte für die Koloraturen. Im A-Teil wird, wenig überraschend, beltà mit diesem Mittel hervorgehoben, im B-Teil könnte nun das Reimwort fa damit verbunden werden, doch zieht Caldara als zu kolorierendes Gegenstück dileguar heran. Die beiden Begriffe werden mit der Koloratur inhaltlich näher aneinandergerückt, was wiederum eine Aussage vorbereitet, die erst im nachfolgenden Rezitativtext in aller Klarheit ausgesprochen wird: Die geliebte Schöne will den Tod des Liebenden. Beispielanalyse 2: Sopranarie Voi dovreste o duri sassi Dem arkadischen Milieu ist die Textgrundlage des zweiten Analysebeispiels zuzuordnen. Es handelt sich um die erste Arie der Kantate In un antro solingo (1729), in der Clori über Liebeskummer klagt und auf innere Ruhe hofft. Ganz den Intentionen Quadrios entsprechend wird der Arie ein Rezitativ vorangestellt, das dem Zuhörer aus Erzählerperspektive die Situation der Schäferin erläutert. Mit dieser einleitenden Rede entfaltet sich der traurige Affekt, der der bestimmende Grundton der Arie ist. Clori selbst richtet ihre Worte an die unmittelbare Umgebung, an die trockenen Steine, die infolge ihres Schmerzes auseinanderbrechen, oder die Wellen und Zweige, die deswegen verebben und vertrocknen müssten. Erst wenn die Angerufenen sich dem Schmerz beugen, werde das Herz der Schäferin Frieden finden und sie könnten gemeinsam in Tränen ausbrechen:

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Kantaten für den Kaiser

Silbenanzahl

Reimschema

Voi dovreste o duri sassi

8

a

Al mio duol frangervi in pezzi

8

b

Onde chiare e verdi fronde

8

c

Si dovreste diseccarvi

8

d

Al mio penar

5–

E

Se al mio duol v’intenerite

8

f

Qualche pace avrà il mio cor

8–

g

Nel vedervi meco insieme

8

h

A lagrimar

5–

E

Der Text zerfällt in zwei ungleiche Teile zu Strophen mit fünf bzw. vier Zeilen und ist überwiegend mit dem für Arien üblichen Versmaß Ottonario gebildet. Dass die Arie nicht vollständig durchgereimt ist, sondern sich Reimstellen lediglich an den Strophenschlüssen finden, ist für die Wiener Kantatenarien keine Ausnahme, sondern vielmehr ein typisches Merkmal. Der Mangel an Reim und der unruhige Strophenverlauf, der sich besonders im B-Teil in zwei TroncoVersen niederschlägt, korrespondieren mit dem inneren Konflikt und der emotionalen Instabilität Cloris ideal. Caldara wählt für die musikalische Gestaltung des Textes als Haupttonart d-Moll, schreibt Larghetto sowie das Taktmaß C vor und zieht als obligates Instrument ein Violoncello, sein persönliches Hauptinstrument, heran, dessen Stimme er facettenreich einkleidet. 924 Der Arientext wurde als sechsteilige Dacapo-Arie für Sopranstimme angelegt, A- und B-Teil der Arie sind somit jeweils zweiteilig. Die beiden Strophendurchgänge im A-Teil sehen keine Textwiederholungen vor, im B-Teil jedoch wird beim zweiten Strophenschluss die letzte Verszeile wiederholt. Trotz dieser Zweiteiligkeit und der Textwiederholung im zweiten Großabschnitt der Arie überragt der A-Teil hinsichtlich der Länge den B-Teil. Motivische Gestaltung der Ritornelle Ein siebeneinhalbtaktiges Strophenritornell im zweistimmigen Satz (Violoncello und Basso continuo) leitet die Arie ein und kommt in ein und derselben Form noch drei weitere Male im Verlauf der Arie vor. Es exponiert drei Motive (a, b und c), von denen besonders das erste die Gesangslinie bestimmt, während Motiv b für die Violoncellostimme von Bedeutung ist. Motiv a beginnt in 924 Vgl. zu Caldaras Verwendung des Violoncellos als Soloinstrument besonders Glüxam, Instrumentarium 389–400.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

d-Moll und wechselt am Ende des ersten Teils nach A-Dur. Darauf folgt eine Variante des Motivs (a′ ), die wieder nach d-Moll zurückkehrt. Motiv b ist in etwa gleich lang wie a und a′ , lässt sich aber nicht unterteilen. Sein Kennzeichen ist eine grazile Verzierung in der Violoncellostimme, mit der nach a-Moll übergeleitet wird. Motiv c ist zweiteilig. Der erste Teil ist von den klangreichen Arpeggi des Violoncellos bestimmt, der zweite besteht mehr oder minder aus dem Kadenzabschnitt, der nach d-Moll zurückführt. Das Zwischenritornell des A-Teils greift auf Motiv c und dessen Arpeggi zurück. Im B-Teil wird, ähnlich wie bei dem vorangegangenen Arienbeispiel, auf das musikalische Material der (dem Zwischenritornell direkt vorangestellten) Koloratur rekurriert. Das kurze instrumentale Zwischenspiel bestätigt harmonisch die zuvor vollzogene Kadenz nach F-Dur des Gesangsteils B1. Motivische Gestaltung im A-Teil Die Melodieführung der Gesangsstimme stimmt anfänglich mit jener des Strophenritornells überein. Die ersten beiden Verse können den Motiven a und a′ zugeordnet werden und werden ohne Begleitung des obligaten Instruments vorgetragen, das erst bei der dritten Verszeile (T. 10) einsetzt. Die Gesangsstimme verarbeitet an dieser Stelle Motiv a′ , während die Violoncellostimme Motiv b aufgreift und es bei der Verzierung lediglich etwas anders ausgestaltet, so dass es als Motiv b′ bezeichnet werden kann. Der dreistimmige Satz wird nun bis zum ersten Strophenschluss beibehalten. Die beiden letzten Verszeilen werden en bloc behandelt und warten mit einem neuen Motiv (d) in der Singstimme auf. Gesangsteil A1 endet mit einer Kadenz in der Dominanttonart, a-Moll (T. 13). Nach dem Zwischenritornell folgt ein ca. zweitaktiger Abschnitt, der analog zum Gesangsteil A1 im zweistimmigen Satz (Singstimme und Basso continuo) gehalten ist. Auf die erste Verszeile entfällt Motiv e, auf die zweite Motiv f, das beim Einsatz des Violoncellos (T. 16) von diesem imitiert wird. Bei der dritten Verszeile variiert die Singstimme Motiv b, während das Begleitinstrument die Wellenbewegung, die der Text unmittelbar vorgibt, nachzeichnet (Motiv g). Es folgt eine ausgefeilte Koloratur auf diseccarvi, bei der die beiden Oberstimmen imitierend über zwei Takte hinweg miteinander verschränkt sind. Die letzte Verszeile ist wiederum mit der Schlusskadenz verknüpft, die in Takt 23 wieder d-Moll erreicht.

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Kantaten für den Kaiser

Motivische Gestaltung im B-Teil Der B-Teil wird in d-Moll eröffnet (T. 30) und ist mit Ausnahme des Koloraturabschnitts und des Zwischenritornells im dreistimmigen Satz vertont. Der Violoncellostimme kommt im Gegensatz zum A-Teil eine stärkere Begleitfunktion zu, ihr Charakteristikum ist eine beharrlich wiederkehrende Figur aus drei Sechzehnteln (z. B. T. 31). Die Linie der Singstimme hingegen reiht neue Motive aneinander: Vers 1 trägt Motiv h, Vers 2 Motiv i. Die beiden letzten Verszeilen sind wiederum aneinandergekoppelt (Motiv j) und mit einer Koloratur verbunden, die mit einer Kadenz auf F-Dur (T. 36) beschlossen wird. Die Koloratur zeigt zahlreiche fallende Sekundschritte, die über dem Wort lagrimar das klagende Element betonen. Verstärkt wird der traurige Affekt, indem die Sechzehntelketten der Koloratur mit ihren fallenden Sekundschritten als Zwischenritornell vom Violoncello imitiert werden. Es endet erneut mit einer Kadenz auf F-Dur, die die vorangegangene damit bestätigt. Der Gesangsteil B2 führt analog zu B1 die Reihung weiterer Motive fort: Vers 1 trägt Motiv k, Vers 2 Motiv l, und die beiden Schlussverse werden erneut zusammengezogen, so dass sie unter Motiv m rubriziert werden können. Mit der sehr knapp gehaltenen Wiederholung des Schlussverses endet der B-Teil in g-Moll. Musikalische Akzentuierung des Arientextes Caldaras Vertonung ist ganz der Ausdeutung des Arientextes verpflichtet, wofür sich vier Merkmale herausdestillieren lassen: Erstens besteht das Gestaltungsprinzip der Arie darin, keine allzu starke motivische Vereinheitlichung anzustreben. Die additive Reihung der Motive passt, besonders im B-Teil, zur textlich vorgegebenen Unruhe und dient als Spiegelbild für Cloris innere Aufgewühltheit. Zweitens ist eine sehr plakative textlich-inhaltliche Auslegung zu beobachten. In den Takten 15 und 16 kommt es mit dem chromatischen Quartstieg in der Singstimme zu einer besonderen Affektdarstellung mit einer Pathopoeia-Figur, 925 mit der Mitleid erregt und die Umgebung davon überzeugt werden soll, in Cloris Klagen einzustimmen. Tonmalerisch wird in der Violoncellostimme in den Takten 17 und 18 die Wellenbewegung der onde chiare mit Zweiunddreißigstelläufen nachgezeichnet. Drittens ist die Arie von Moll-Harmonik dominiert, die dem Dissonanzgebrauch an jenen Stellen großen Raum gibt, um den Text auszudeuten. Einige wenige Beispiele mögen das veranschaulichen: Gleich am Beginn des Strophenritornells (T. 1) und analog dazu am Beginn des Gesangsteils A1 (T. 12) findet 925 Vgl. zur Definition dieser musikalisch-rhetorischen Figur Bartel, Handbuch 223.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

sich beim Wort dovreste ein verminderter Septakkord über cis. Im Gesangsteil ist dieser noch dazu auf die erste betonte Taktzeit gesetzt, was die Eindringlichkeit des Akkordes erhöht. Auch am Strophenbeginn des B-Teils kommt es zu einer wortausdeutenden Dissonanzbehandlung, wenn mit einem verminderten Septakkord über fis das Wort duol akzentuiert wird. Viertens ist ein auffälliger satztechnischer Kontrast zwischen A- und B-Teil festzustellen: Ersterer ist überwiegend im zweistimmigen Satz gehalten, nur Abschnitte im dreistimmigen Satz sind so gestaltet, dass die Oberstimmen jeweils eigenständig konzertant ausgearbeitet sind. Im B-Teil dominiert der dreistimmige Satz, wobei der Violoncellostimme eine andere Funktion zukommt. Ihre beharrlich wiederkehrenden Sechzehntel haben Begleitfunktion und sind zugleich Ausdruck von Cloris Wunsch, die äußere Welt möge sich ihrem Schmerz anschließen. Beispielanalyse 3: Sopranarie Ti fuggo o nume arciero Die Arie Ti fuggo o nume arciero (1732) für Sopran und Basso continuo ist die Schlussarie der Solokantate Che pretendi amor tiranno. Der Text Giovanni Battista Catenas ist der Liebesthematik gewidmet. Darin beklagt sich der Sprecher über Amors Tyrannei, denn dieser wolle ihm mit dem Liebespfeil die Freiheit des Herzens rauben. Um ihm einen solchen Triumph nicht gönnen zu müssen, plant er, vor Amor zu fliehen. Doch das Gleichnis des unsicheren Seemanövers in der zweiten Strophe der Schlussarie zeigt, dass der Sprecher sich der Aussichtslosigkeit seines Vorhabens bewusst ist: Silbenanzahl

Reimschema

Ti fuggo, o nume arciero,

7

A

Ti temo al par di morte,

7

B

Tu vuoi d’ogn’alma forte

7

B

Barbaro trionfar.

7–

C

Incauto è quel nocchiero

7

A

Che certo del periglio

7

D

Espone il suo naviglio

7

D

Nell’onde a naufragar.

7–

C

Der Text, der in zwei gleichartige, gereimte Strophen zerfällt, ist als dreiteilige Da-capo-Arie vertont, wofür Caldara c-Moll und den C-Takt wählt und Allegro vorschreibt. An den Beginn ist ein viertaktiges Strophenritornell gesetzt, das insgesamt dreimal zum Einsatz kommt, vor dem B-Teil in abgeänderter Form. Ein Schlussritornell ist nicht vorgesehen, so dass die Arie und somit die

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Kantaten für den Kaiser

Kantate mit einem Gesangsteil endet. Der A-Teil besteht aus einem Gesangsteil, der einen zweimaligen Strophendurchlauf aufweist. Zwischen den Strophen findet sich eine Zäsur, die mit einer Pause in der Singstimme (T. 14) gestaltet ist. Sie beginnt aber bereits nach der Achtelpause auf der Kadenzultima des Basso continuo mit der Strophenrepetition, so dass es zu keinem Zwischenritornell kommt. Die letzte Verszeile wird jeweils wiederholt, wobei das Wort barbaro mehrfach hintereinandergesetzt wird, es damit insgesamt sieben Mal im A-Teil vertont vorkommt. Im B-Teil ist eine ähnliche Textbehandlung zu beobachten. Auch hier wird ausschließlich die letzte Verszeile zur Wiederholung herangezogen und ein Versteil besonders hervorgehoben: nell’onde wird viermal und somit am häufigsten innerhalb des B-Teils in Musik gesetzt. Motivische Gestaltung der Ritornelle Das Strophenritornell umfasst vier Takte und beinhaltet drei Motive (a, b, c). Die Motive a und b sind jeweils nicht länger als ein Takt und etablieren c-Moll, das gleichzeitig die Haupttonart der Arie ist. Motiv c ist von Sechzehntelfiguren gekennzeichnet, die sequenzartig nach oben geführt werden, bis in Takt 4 nach c-Moll kadenziert wird. Das Ritornell vor dem B-Teil weist zwar eine vergleichbare Länge auf, übernimmt aber nicht alle Motive des Eingangsritornells. Auf Motiv a folgt sogleich Motiv c′ und damit eine langgezogene Sechzehntelpassage, die stufenweise nach oben geführt wird und wiederum c-Moll erreicht. Motivische Gestaltung im A-Teil Nach der vollständigen Beendigung des Strophenritornells setzt die Gesangsstimme mit Motiv a ein, und es folgt auf einer anderen Tonstufe erneut Motiv a für Vers 2. Vers 3 ist mit Motiv b gleichzusetzen, für Vers 4 hingegen sind vier Takte vorgesehen, die Motiv d und damit eine viertaktige Koloratur auf der letzten Silbe von trionfar beinhalten. Die Bassstimme löst sich hierbei von ihrer Begleitfunktion und wird zum Gegenpart der Singstimme. Es folgt Motiv e für die Verswiederholung mit einem charakteristischen Quintsprung nach unten und der Kadenz nach G-Dur. Auf der Kadenzultima (T. 14) setzt die Singstimme ein, wiederholt aber nicht die Motive des ersten Strophendurchlaufs. Vers 1 wird mit Motiv f (T. 14 und 15) vertont, das mit Vers 2 (T. 15 und 16) auf einer anderen Tonstufe wiederholt wird. Es folgt Motiv g (T. 17–20), das mit einer zweiten Koloratur – diesmal aber auf der ersten Silbe von forte – verwoben ist. Diesem schließt sich Motiv h an, das eine dritte Koloratur auf trionfar (T. 21–25) bringt. Die Verswiederholung ist einmal mit Motiv e′ (T. 25 und 26) und ein weiteres Mal mit Motiv c′ gleichzusetzen.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Motivische Gestaltung im B-Teil Der B-Teil wird mit Motiv b′ (Vers 1) eröffnet, das weiter verarbeitet und auch für die Verse 2 und 3 (Motive b′′ und b′′′ ) herangezogen wird. In Takt 35 wechselt innerhalb des zweiten Verses die Tonart nach f-Moll, das sich als Haupttonart des B-Teils herauskristallisiert. An die Verarbeitung des Motivs b schließt sich mit der Vertonung des letzten Verses eine Reihe neuer Motive an, wobei das Wort onde betont wird, indem es dreimal hintereinander koloriert wird (T. 37, 40–41 und 42). Im ersten Fall ist die Singstimme mit Motiv i gestaltet, während der Bass auf Motiv c zurückgreift, im zweiten wird die im Text thematisierte Wellenbewegung in der Koloratur nachgeahmt (Motiv j) und im letzten Fall ein neues Motiv (k) eingeführt, das die Schlussphase des B-Teils gestaltet. Es zieht sich über die letzten vier Takte und wird mit der Kadenz auf f-Moll beschlossen. Musikalische Akzentuierung des Arientextes Caldara setzt Catenas Text als temperamentvolle Sopranarie um und akzentuiert die Schlüsselbegriffe: für den A-Teil forte, barbaro und trionfar, denen er entweder Koloraturen zuordnet oder die er mehrfach hintereinander deklamieren lässt. Analog verfährt er im B-Teil: onde und naufragar sind die zentralen Termini, die er mit den gleichen Mitteln hervorhebt. Das Temperamentvolle wurzelt in der für Continuo-Kantaten ungewöhnlich hohen Zahl von Koloraturen und deren expressiver sowie exaltierter Ausgestaltung auf kleinem Raum. Dem Sänger wird mit den zahlreichen großen Intervallsprüngen (z. B. Septimsprünge in T. 18) nicht nur Beweglichkeit in der Stimme abverlangt, es muss überdies ein Ambitus von es’ bis c′′′ durchschritten werden. Als Ausdruck der inneren Stärke kann die Koloratur auf dem Wort forte (T. 18–20) interpretiert werden. Mit fünf Septimsprüngen innerhalb des Sechzehntellaufs, die auch den Spitzenton mit dem kl. Septimsprung von d′′ auf c′′′ (T. 20) erreichen, soll die Entschlossenheit des Sprechers nachgezeichnet werden, Amor standzuhalten. Dass jenes Unterfangen freilich nicht gelingen kann, zeigen Musik und Text gleichermaßen: das den B-Teil prägende Sinnbild einerseits, die Wahl der Haupttonart c-Moll andererseits. Die im Gleichnis thematisierten Wellen werden klangmalerisch besonders in der Koloratur auf onde der T. 40 und 41 umgesetzt. Aus Sicht der motivischen Ausarbeitung ist interessant, dass Caldara im B-Teil die ersten drei Verszeilen von der letzten abspaltet und dergestalt einen Kontrast zwischen Ursache und Wirkung nachzeichnet. Verszeile 1 bis 3, die das unüberlegte Vorhaben des Schiffers darlegen, lassen sich motivisch auf einen Nenner bringen (Motiv b). Vers 4 jedoch lässt die Konsequenzen mit mehreren

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Kantaten für den Kaiser

nacheinander gereihten unabhängigen Motiven hörbar werden. Die wogenden Wellen werden besonders in den Takten 40 und 41 musikalisch verdeutlicht. Fazit zur Arienanalyse Auch im Falle der Wiener Kantaten wurde darauf geachtet, bei den Beispielanalysen solche Da-capo-Arien heranzuziehen, deren Charakteristika als idealtypisch für das Repertoire gelten können – im formalen Aufbau, in den Ton- und Taktarten sowie in der Besetzung. An ihnen wurden wiederkehrende kompositorische Mittel oder Satzweisen Caldaras im Allgemeinen aufgezeigt, anstatt nur das Besondere in den Blick zu rücken. Dabei gilt es im Folgenden zu berücksichtigen, dass die Satztechnik der Continuo-Arien von der für Arien mit Instrumentalbegleitung erheblich abweichen kann. Die hieraus resultierenden Abweichungen finden daher gesondert Erwähnung. Die meisten Kompositionsprinzipien sind unabhängig von der Wahl der Besetzung und lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bei der musikalischen Umsetzung der Textvorlagen liegt das Gewicht auf dem A-Teil. Er ist im Regelfall zweiteilig gestaltet und übertrifft den B-Teil der Arie in der Länge, auch wenn dieser ebenfalls mehrteilig ist (siehe Beispielanalyse 2). Innerhalb der A-Teile sind Koloraturen auf den Schlüsselbegriffen nicht auf den A2-Teil beschränkt, sondern werden von Caldara gerne auch im Gesangsteil A1 eingesetzt. Das führt des Öfteren dazu, dass die beiden Gesangsteile längenmäßig nicht bedeutend abweichen (siehe Beispielanalyse 1 und 2). Trotzdem bleibt der Gesangsteil A2 der Ort, an dem stärker in den Textverlauf eingegriffen wird, indem Wort- oder Verswiederholungen eingesetzt werden, die besonders den Schlussvers betreffen (siehe Beispielanalyse 3). In Übereinstimmung mit dem römischen Repertoire lässt sich keine starke Kontrastierung zwischen A- und B-Teil der Arien ausmachen. Standard ist und bleibt der Tonartenwechsel vom A- auf den B-Teil, wobei eine der direkt benachbarten Tonarten gewählt wird, meist die parallele Dur-, Moll- oder auch die Dominanttonart. Eine Veränderung der Tempovorschrift oder der Taktart ist bis auf eine einzige Ausnahme zur Kontrastierung nicht vorgesehen: 926 Lediglich die Arie Così il povero mio core weist neben einem Taktwechsel im B-Teil einen erheblichen satztechnischen und motivischen Kontrast zum A-Teil auf. 927 Aus formaler Sicht bemerkenswert ist, dass Caldara in zahlreichen Continuo-Arien das Schlussritornell entfallen lässt (Beispielanalyse 3). Der damit 926 Auch bei den von Edler untersuchten Arien kommt lediglich ein Beispiel mit einem Wechsel von Takt- und Tempovorschrift vor. Vgl. Edler, Applausus-Kompositionen 217. 927 Vgl. die Kantate Dall’onda che siegue, A-Wgm VI 16569 Q 3712 (13).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

einhergehende Konventionsbruch im Bereich der Ritornellanlage muss noch eingehender untersucht werden, um festzustellen, ob es sich hierbei um ein komponistenspezifisches Phänomen handelt oder ob der Aufführungskontext am Wiener Hof auch bei anderen Komponisten eine Veränderung der Ritornellanlage bewirkte. Diese Arbeit konnte indes bereits nachweisen, dass sich diese Form der Ritornellanlage im Vergleich mit dem römischen Repertoire auf Caldaras Wiener Kantatenarien beschränkt und dass dies einen Rückgriff auf seine venezianische Kantatenkompositionsweise darstellt. Des Weiteren ist eine sehr textsensitive und -ausdeutende Art der Komposition festzustellen. Bei den Arien entsprechen musikalische Zäsuren im Regelfall Versgrenzen. Pausensetzungen oder Kadenzen sind hier die häufigsten Mittel, aber auch mit den gewählten Motiven wird Kongruenz auf der Ebene der Versstruktur angestrebt (siehe insbesondere die motivische Gestaltung des A-Teils, Beispielanalyse 1). Die im Strophenritornell vorgestellten Motive werden üblicherweise von der Gesangslinie aufgegriffen und verarbeitet, 928 wodurch bei den Continuo-Arien die Problematik entsteht, dass die Continuo-Stimme gleichermaßen für die motivische Arbeit wie die Begleitung zuständig ist. Häufig werden daher im Strophenritornell zwei oder drei Motive vorgestellt, und der Bass wechselt vor dem Eintritt der Gesangsstimme zu basstypischen Figuren, die für die motivische Ausgestaltung der Gesangsteile indes nicht von Bedeutung sind (siehe Beispielanalysen 1 und 3). Caldara setzt bei der Textbehandlung auf mehrere Mittel, unter denen die musikalisch-figurale Wortausdeutung wie der Dissonanzgebrauch zur Hervorhebung einzelner Textpassagen unabhängig von der Arienbesetzung eine hervorgehobene Stellung einnehmen. Die Arie Voi dovreste o duri sassi war für die Analyse prädestiniert, da hier an gleich vier Merkmalen gezeigt werden konnte, wie sich die Kompositionsweise bei gleichzeitiger Beibehaltung einer kantablen Melodieführung in den Dienst der Textausdeutung stellt: Die Wahl und die Anzahl der Motive sind textorientiert und verhelfen dazu, die kontrastierenden Elemente des Textes zu markieren; Melodieentwicklung und Dissonanzgebrauch zielen auf die Akzentuierung einzelner Textpassagen und Schlüsselwörter. Wortausdeutende Passagen finden sich in allen Arienabschnitten, an einzelnen Stellen werden musikalisch-rhetorische Figuren zur Intensivierung des Textes eingesetzt, um die Seufzer, den Liebesschmerz, aber auch die Wellenbewegung oder den Gesang der Vögel nachzuzeichnen (siehe insbesondere 928 Bei einigen Arien besteht keine motivische Beziehung zwischen dem Strophenritornell und dem Beginn des Gesangsteils A1. Vgl. hier besonders die Arien der Kantate L’Artabano, A-Wn Mus. Hs. 17603 (3).

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Kantaten für den Kaiser

Beispielanalyse 2 und 3). Für deren musikalische Abbildung wird bei den Continuo-Arien nicht allein auf die melodietragende Stimme gesetzt, auch der Bassstimme kommt textausdeutende Funktion zu (siehe Beispielanalyse 3). Diese musikalische Textur erlaubt einen affektgeladenen Vortrag und erleichtert es vor allem bei den Continuo-Arien, die im Text angelegte »drammaturgia virtuale« 929 nachzuvollziehen. Arie ohne Da capo

Das Arienkorpus des Wiener Repertoires weist lediglich eine Arie ohne Da-capo-Form auf; sie ist an die Form aber zumindest angelehnt. Es handelt sich um die erste Arie, Vai Teresa, ch’in sorte otteneste, der Kantate Scorre l’Istro festante. Ihr tänzerischer Duktus ist auf den 3/8-Takt zurückzuführen, der Menuettcharakter hat. Die Textgrundlage der Sopranarie in F-Dur besteht aus zwei Strophen, die jeweils zweimal in Musik gesetzt sind. Auf der Kadenzultima des 16-taktigen Ritornells (T. 17), das am Arienschluss wiederkehrt, setzt die Singstimme mit der ersten Strophe ein, an die sich die zweite Strophe (T. 26) direkt anschließt. Mit dem Beginn der zweiten Strophe ist C-Dur erreicht, das fortan bestimmend ist. Von Takt 43 bis 52 erstreckt sich ein vom Anfangsritornell motivisch unabhängig gestaltetes Zwischenspiel, es folgt eine vollständige Strophenwiederholung bis Takt 65 mit einer Kadenz auf a-Moll. Das darauffolgende Ritornell wendet sich sofort wieder nach F-Dur und greift auf das Anfangsritornell in verkürzter Form zurück. Die erste Strophe wird im Anschluss textlich und in Teilen auch musikalisch wiederholt, durch den Einschub einer sechstaktigen Koloratur und Versteilwiederholungen aber stark verlängert. Festzuhalten ist, dass im Vergleich zum Aufbau einer Da-capo-Arie das Ritornell vor der zweiten Strophe fehlt und die erste Strophe am Arienschluss nicht als Da capo behandelt ist. Rezitativgestaltung Das Wiener Kantatenrepertoire umfasst 185 Rezitative, die mit zwei Ausnahmen als Seccorezitativ vertont wurden. Im Folgenden werden anhand ausgewählter Beispiele die zentralen Merkmale von Caldaras Wiener Rezitativkomposition erläutert.

929 La Via, Poesia 109 f.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Seccorezitative

Im Vergleich zum römischen Repertoire kommt jenen Rezitativen, die Kantaten des Wiener Korpus eröffnen, rein quantitativ gesehen ein größerer Stellenwert zu. Mehr als die Hälfte, genauer: 69, weisen am Kantatenbeginn ein Rezitativ auf. Aus musikalischer Sicht wächst ihnen die Funktion zu, die Haupttonart der Kantate vorzustellen und den Weg zur ersten Arie harmonisch zu bereiten, wie es am Beispiel des ersten Rezitativs der Kantate Tamerlano nachvollzogen werden kann. Das Rezitativ besteht aus 15 Verszeilen, die, ganz der Konvention entsprechend, mit Settenari und Endecasillabi gestaltet sind. Auch der übliche Schlussreim am Rezitativende fehlt nicht. Weitere Reime markieren die syntaktischen Satzenden bei Vers 7 und 11 der an Bajazet gerichteten Siegesrede Tamerlans: Silbenanzahl

Reimschema

Il supremo poter, la forza, il merto

11

a

Paventi l’alma tua proterva audace,

11

b

Adora il mio furor, baccia que’ ceppi

11

c

Custodi del tuo ardire,

7

d

Rammentati superbo!

7

e

Che scopo, e centro sei

7

F

11

F

Del mio giusto rigor, de sdegni miei. Sei vinto: il Tamerlano

7

g

Formidabile al mondo, e alla natura

11

h

Soggiogò del tuo orgoglio il vil pensiere,

11

I

Il tuo fasto, spergiuro! È in mio potere.

11

I

7

j

Mi fulmini il tuo guardo, Di te nulla pavento;

7

k

Se carico di gloria, e di splendore,

11

L

D’un Bajazet or debellai il valore.

11

L

Caldara lässt Tamerlanos Rede in D-Dur, der Haupttonart der Kantate, beginnen. Dass die Wahl gerade auf diese Tonart fällt, ist dem Text hochgradig angemessen, zählt sie doch zu jenen, die zeitgenössisch »propre pour des chants de victoire« waren. 930 Die Hauptabsicht der Rede Tamerlanos ist es, Bajazet dazu zu bewegen, ihn als Triumphator anzuerkennen. Angelehnt an den Sty-

930 Zit. n. Auhagen, Entstehung 89.

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Kantaten für den Kaiser

lus politicus 931 wird auf starken Metapherngebrauch verzichtet, wie er etwa bei den arkadisch inspirierten Kantatentexten häufig vorkommt. Die Rede Tamerlans weist eine klare Struktur auf, die sich in der kompositorischen Umsetzung Caldaras spiegelt. Im Rezitativverlauf folgt der Komponist exakt der Versstruktur, er berücksichtigt noch die syntaktischen Vorgaben auf das Genaueste. Alle drei Satzenden beschließen jeweils einen Gedanken und sind mit vorgezogenen Kadenzen markiert, in Takt 9 mit einer regulären Kadenz auf fis-Moll, in Takt 15 auf H-Dur und am Rezitativende (T. 19 und 20) auf A-Dur. Die Kadenzen sind jeweils mit einem Quartfall der Singstimme in den Dominantgrundton gestaltet. Mit der Schlusskadenz ist die direkte Überleitung zur ersten Arie geschaffen, die in derselben Tonart (A-Dur) anschließt. Im Fall dieses Rezitativs ist der harmonische Verlauf der Interpunktion des Textes untergeordnet. Jeder größeren Sinneinheit, hier also jedem Satz, ist eine andere Tonart zugehörig, so dass die Nachvollziehbarkeit der Redestruktur erhöht wird. Die weiteren syntaktischen Einschnitte wie Kommata (außer bei Aufzählungen und Konjunktionen), Doppelpunkt und Semikolon sowie die Verszäsuren werden bei der musikalischen Umsetzung ebenso exakt berücksichtigt. Am häufigsten wird die Pausensetzung, die das jeweilige Versende markiert, in der Singstimme relevant. Doppelpunkt und Ausrufezeichen stehen nicht am Versende, sondern markieren textliche Höhepunkte. Beide bedenkt Caldara mit einer Pausensetzung, so dass es zu keiner Verschleifung der Vokale kommen kann, die sich aus der Verbindung von vinto und il (T. 10) sowie spergiuro und è (T. 14) ergeben hätte. Aus Sicht der Harmoniefolge ist die Passage von T. 10 bis T. 14 am bemerkenswertesten. Hier erklärt Tamerlan Bajazet zum Besiegten und fährt fort, sich als formidable al mondo, e alla natura zu beschreiben. Ansonsten wird – dem Duktus der Rede entsprechend – von einer großflächigen Dissonanzbehandlung abgesehen. Zwischen die zwei Arien der Kantate Vicino a un rivoletto bettet sich das Rezitativ Ma, oh ciel! Che insin le piante, das als Beispiel gewählt wurde, um zu zeigen, wie die harmonische Überleitung mit Hilfe des Rezitativs bewerkstelligt wurde. Die Haupttonarten der Rahmenarien sind F-Dur (1. Arie) und a-Moll (2. Arie). Das Rezitativ wird mit einer Exclamatio auf d-Moll, der parallelen Molltonart der Rahmenarie, eröffnet. Es schließt in e-Moll, in der Dominanttonart der nachfolgenden Arie. Rezitativbeginn und -schluss stehen damit in einer engen harmonischen Beziehung zu den Rahmenarien, wie sie häufig angestrebt wurde. Gleich zu Beginn des Rezitativs ist der dramatische Höhepunkt

931 Vgl. Stöckmann, Literatur 161.

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

der Kantate erreicht, Coriolano richtet sich mit seinem Liebeslamento an die Natur und später, angereichert mit Vorwürfen, direkt an den Liebesgott: 932 Silbenanzahl

Reimschema

Ma, oh ciel! Che insin le piante,

7

a

E l’erbe i fiori e sassi

7

b

Gli augelli i venti e l’onde

7

c

11

d

Ah nume cieco alato

7

E

Cupido del mio fato

7

E

Tu almeno abbi pietade.

7

f

Me feristi crudele!

7

g

Mi colpisti nel seno

7

H

Ne vale dir ch’io peno

7

H

Se la perfida ingrata

7

i

Per più dar cruccio al core

7

J

11

J

Si mostrano crudeli a miei martori.

Favellando mi và d’antico amore.

Die musikalische Umsetzung sieht neuerlich eine genaue Abbildung von Versstruktur und Syntax vor. Verszäsuren sind jeweils mit Pausen in der Singstimme gleichgesetzt, zudem markieren Pausen die Binnenzäsuren der beiden Endecasillabo-Verse (T. 5 und T. 14). Die drei Satzenden sind mit Kadenzen versehen, die jedoch nicht vergleichbar stark ausfallen wie bei dem vorangegangenen Beispiel. Bei den beiden ersten syntaktischen Einschnitten wurden statt dem Quintfall Sekundschritte im Bass (T. 5, Kadenz auf d-Moll und T. 8, Kadenz auf C-Dur) zur harmonischen Realisierung gesetzt, überdies fehlt der Quartfall in der Singstimme, mit der Folge, dass der harmonische Fluss an den Schnittstellen aufrechterhalten wird. Am Rezitativende ist eine Kadenzformel gewählt, die ebenso keinen der häufig auftretenden Quartschritte vorsieht, dennoch zu den gebräuchlichen Schlussgestaltungen zählt. Die Rezitativstimme endet in T. 15 mit einem Terzsprung auf dem Tonikagrundton. Der Bass schreitet von der Subdominante (T. 14) auf die Dominante, die zuerst mit einem Quartsextakkord, gefolgt von einem Septakkord nach e-Moll überleitet. Die Rede Coriolanos geht von der anfänglichen Exclamatio aus und ist von zwei Elementen bestimmt, von einem narrativen und von einem affektgeladenen. Analog dazu hat Caldara die Rezitativvertonung angelegt: Nachdem der 932 Vgl. zum Inhalt der Kantate den Abschnitt Solokantaten im Kapitel Aspekte der dramaturgischen Gestaltung der Kantatentexte.

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Kantaten für den Kaiser

Ausruf auf einem Quartsextakkord über d erfolgte, schließen sich drei Takte an, die erzählerischen Charakter aufweisen. Der Sextakkord im Bass über cis wird dabei nicht verlassen, darüber bewegt sich die Singstimme überwiegend mit Dreiklangszerlegungen. Chromatische Unruhe in dieses Geschehen bringt das Wort crudeli, die Singstimme schreitet in den Septimabstand zum Bass. In Takt 6 bis 8 kommt es erneut zu einer narrativen Passage, wieder ist die Bassstimme auf einem Akkord »festgefroren«, in diesem Fall aber auf einem spannungsgeladenen verminderten Septakkord, der erst in Takt 8 aufgelöst wird. Die verzögerte Auflösung ist vom Text motiviert und erfolgt bei der Bitte um Gnade (abbi pietade). Der Text fährt mit den Vorhaltungen Coriolanos fort, die mit einer melodischen Steigerung verbunden sind. Die melodische Linienführung der Verszeilen 8 und 9 korrespondiert mit der rhythmischen Ebene, die Ausgangstöne sind in beiden Fällen dieselben, mit den größeren Intervallsprüngen und dem erstmaligen Erreichen des Spitzentons (c′′ ) ist die Steigerung der emotiven Situation bei Verszeile 9 aber noch stärker nachgezeichnet. Die Zeile wird von einem Septimsprung (c′′ –dis′ ) der Stimme beschlossen, die sich im Anschluss mit Sekundschritten erst langsam wieder aufrichtet, bis sie in Takt 13 erneut den Spitzenton erreicht. Die harmonische Fortschreitung bleibt von der affektgeladenen Situation nicht unberührt. In Takt 10 folgt auf einen Quartsextakkord ein Septakkord über a (T. 12), der wiederum verzögert in der zweiten Takthälfte von Takt 13 aufgelöst wird. Die Schlussphase ist von Entspannung geprägt, mit dem letzten Vers wird textlich und harmonisch auf die Arie übergeleitet, die der Reflexion über den Liebeskummer Raum gibt.

Gestaltung der Seccorezitative in den Kantaten für zwei Stimmen

Die Kantaten für zwei Stimmen weisen ausschließlich Seccorezitative auf, die entweder monologisch angelegt sind (14 Rezitative) oder einen Sprecherwechsel vorsehen (zehn Rezitative). Im Fall der Wiener Kantaten geht mit dem Wechsel des Sprechers nicht in allen Fällen ein Stimmlagenwechsel einher, ist doch die Hälfte der Kantaten mit zwei Sopranen besetzt. Trotzdem verleiht Caldara deren Melodieführung einen unterschiedlichen Charakter, wie es am Beispiel des Rezitativs Ma dimmi: e qual portremo der Kantate Germana: il dì che splende unmittelbar einsichtig ist. Der Übergang von der einen zur anderen Protagonistin erfolgt innerhalb einzelner Rezitativverse (Verszeilen 4 und 8) oder an deren Ende (Vers 6 auf 7).

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Silbenanzahl

Reimschema

[Ami:] Ma dimmi: e qual potremo

7

a

Spiegar con pochi accenti

7

B

Del fervido desir le brame ardenti,

11

B

Che abbiam per lui nel core? [Ama:] Il core istesso

11

c

Lor la lingua saprà d’ogni periglio,

11

D

Ch’e interprete fedel tra padre, e figlio.

11

D

7

e

11

f

[Ami:] E qual de nostri voti Ei ne farà primiero? [Ama:] A lui non manca [. . . ]

Ist ein Wechsel vom Textdichter innerhalb eines Verses vorgegeben, so vertont Caldara dies jeweils mit einer Pausensetzung und einer veränderten Gestaltung der Gesangslinie. Der Ambitus der Melodielinie von Erzherzogin Maria Theresia ist hier gegenüber jenem ihrer Schwester erweitert, und auch die wiederholten Rezitiertöne liegen in einer etwas höheren Lage, so dass aus der Melodieführung, derselben Stimmlage ungeachtet, der Unterschied der Charaktere hörbar gemacht wird. Die weiteren Gestaltungsmittel bei den Rezitativen der Kantaten für zwei Stimmen unterscheiden sich nicht von denjenigen, die Caldara für die Vertonung der Solokantaten heranzieht.

Accompagnatorezitative

Den Text der Kantate Il lamento d’Orfeo vertonte der Venezianer zweimal als Basskantate. Die erste Version von 1729 ist mit obligaten Violinen gestaltet, die zweite wurde nur ein Jahr später fertiggestellt und ist als Solokantate für Bass und Basso continuo eingerichtet. Beim eröffnenden Rezitativ Mentre tra balze e rupi sind ein Wechsel des Sprechers und zwei Wechsel der Gesprächspartner vorgesehen: Silbenanzahl Mentre tra balze e rupi

Reimschema

7

a

Sen gia l’afflitto e addolorato Orfeo,

11

b

Della sua bella Euridice in traccia,

11

c

7

d

Disceso alle più cupe Del globo della terra ultime parti, Lasso le sue dolenti

11

e

7

F

Pene discioglie in questi mesti accenti:

11

F

Ombra dell’idol mio, cara Euridice,

11

G

349

350

Kantaten für den Kaiser

Eccomi giunto alfin per rivederti

11

In queste oscure e tenebrose soglie

11

i

Della patria dell’ombre, alma infelice.

11

G

Oh del profondo Averno

h

7

j

Monarca formidabile e severo,

11

k

Tartareo Giove, le mie preci ascolta;

11

L

Fa che da lacci sciolta

7

L

La sospirata mia dolce consorte

11

M

Sia tosto e a me si renda, o un’alma forte

11

M

Or vedrai già nell’ombre unita a morte.

11

M

Beim zweiten Wechsel des Gesprächspartners, ab Vers 12, ist in der Kantate von 1729 – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Wiener Kantaten Caldaras – ein Accompagnatorezitativ realisiert. Bemerkenswert ist das Nahverhältnis der beiden Umsetzungen beim eröffnenden Rezitativ, da nicht alleine die Melodieführung ähnlich gestaltet ist, sondern in der Continuo-Kantate auch versucht wird, den Duktus des Accompagnatorezitativs nachzuformen. Das Rezitativ Mentre tra balze e rupi zerfällt in drei Abschnitte. In den Versen 1 bis 7 wird der Zuhörer in die Ausgangslage eingeführt. Aus Perspektive eines Erzählers werden die Protagonisten Orfeo und Euridice vorgestellt und erläutert, dass Orfeo sich gerade an den Ort des Geschehens begeben habe, die Unterwelt. Ein Sprecherwechsel wird in Verszeile 7 angekündigt, dem sich eine vierzeilige direkte Rede Orfeos anschließt, in der er sich an Euridice wendet. Im Anschluss ruft er Zeus um Hilfe an. Dieser dritte Teil knüpft nicht unmittelbar an das Seccorezitativ an, sondern ist nach einer Fermate über der letzten Note in Takt 17 gesetzt. Das Accompagnatorezitativ beginnt in c-Moll und ist als fünfstimmiger Satz gestaltet, die Bassstimme wird von zwei Violinen, einer Viola und dem Basso continuo begleitet. Betrachtet man die Singstimme alleine, so werden im ersten Takt die Tiefen der Unterwelt, in die Orfeo hinabgestiegen ist, mit einem sprunghaften Abstieg über eine Oktave hinweg von g bis Es nachgezeichnet. In der Unterwelt erbittet Orfeo die Hilfe von Zeus. Der Nachdruck seiner Aufforderung, der Göttervater möge seinen Worten lauschen, wird in den Begleitstimmen mit der Achtelrepetition (T. 22) Ausdruck verliehen. Die zahlreichen Dissonanzbildungen wie Septakkorde (z. B. T. 18) nehmen die Unerfüllbarkeit seiner Hoffnung bereits akustisch vorweg. Die Verszäsuren sind im Accopagnatorezitativ berücksichtigt und jeweils mit einer Pausensetzung in der Singstimme angezeigt, das trifft auch auf das Semikolon nach ascolta zu, den hervorgehobenen syntaktischen Einschnitt vor dem Rezitativende. Es fällt mit einem Versende zusammen und steht in f-Moll. Die

351

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

Vertonung der letzten Zeile sieht eine Kadenz nah B-Dur vor, die aber nicht über einen Es-Dur-, sondern über einen es-Moll-Akkord geführt wird. Die Rezitativstimme endet auf dem Dominantgrundton (f ), nachdem sie mit einem Oktavsprung nach unten (ges – Ges) textausdeutend »vedrai giù nell’ombre« (T. 27) und im Anschluss einen Oktavsprung nach oben vollzogen hat. Mit einem kl. Sekundschritt muss sie sich in den Septimabstand zur Bassstimme begeben. Dann schweigen die Stimmen rund um sie mit einer Viertelpause. Die Singstimme wiederholt den Dominantgrundton, doch das lösende Moment der Kadenz wird ihr nicht mehr so richtig zu eigen, denn sie bricht nach einer Achtelnote auf der Schlusssilbe von morte ab, bevor die Instrumentalbegleitung das Rezitativ beschließt. A-2-Abschnitte Am Kantatenschluss der sechs Kompositionen für zwei Stimmen sind jeweils A-2-Abschnitte gesetzt. 933 Von ihrem Aufbau her sind sie ihren römischen Pendants vergleichbar, sind entweder durchkomponiert (zwei A-2-Abschnitte) oder weisen eine Da-capo-Anlage auf (vier A-2-Abschnitte). Mit einer Ausnahme werden sie von Ritornellen eingeleitet, die Tempovorschrift ist Allegro. Wiederum werden der 2/4- sowie der 3/8-Takt und Durtonarten (insbesondere C-Dur) für die Vertonung bevorzugt. Die Vokalbesetzung besteht entweder aus zwei Sopran- oder aus einer Sopran- und einer Altstimme. Entweder wird der A-2-Abschnitt ohne obligate Instrumente nur mit Basso continuo besetzt (Germana: il dì che splende) oder es begleitet ein Streicherensemble (alle weiteren A-2-Abschnitte), bei dem die Violinen in der Regel unisono spielen. Die Texte der beiden Rollen stimmen entweder vollständig überein oder weichen, zumindest partiell, voneinander ab, wie im A-2-Abschnitt der Kantate Trionfo d’Amore e d’Imeneo. Nicht allein die Worte, auch das Reimschema der Texte Imeneos (I) und Amores (A) sind anders gestaltet: (I:) Si d’ogni alma e de’ bei numi

8

a

(A:) Si d’ogni alma e de’ bei numi

8

Con mie catene Lieto corro a trionfar.

5

b

Coi miei stral

5–

b

8–

C

Lieto volo a trionfar.

8–

C

Sian le stelle ognor serene

8

d

Arda in cielo il fe de’ lumi

8

A

Si bel modo a secondar.

8–

C

Si bel modo a secondar.

8–

C

933 Vgl. zu diesen Abschnitten Edler, Applausus-Kompositionen 278–280.

A

352

Kantaten für den Kaiser

Caldara formt aus diesem kurzen Text eine Duettkomposition und greift auf die für seine A2-Abschnitte übliche Da-capo-Anlage zurück. Der Schlussabschnitt der Kantate ist in C-Dur gehalten, ein 2/4-Takt und Allegro sind vorgeschrieben. Sopran- und Altstimme werden von unisono gesetzten Streichern, Viola und Basso continuo begleitet. Schematisch lässt sich der A2-Abschnitt wie folgt darstellen: A-Teil Takte

B-Teil

A-Teil da capo

1–11

11–68

68–78

79–100

101–178

Abschnitt

R

A

R

B

R–A –R

Tonartengerüst (Haupttonarten)

C

C–G–C

C

a–e

Tab. 34: Aufbau des A-2-Abschnitts Si d’ogni alma e de’ bei numi

Ein elftaktiges Ritornell steht am Beginn, danach setzen die beiden Stimmen gleichzeitig mit ihrer übereinstimmenden Verszeile ein. Textkongruent vertont Caldara Abweichendes und Übereinstimmendes: Bei der Vertonung der textlich übereinstimmenden Verszeile 1 (T. 11–13) sind die Gesangsstimmen im Sextabstand parallel geführt, die zweite, abweichende Textzeile wird jeweils solistisch vorgetragen (T. 14–17), die dritte wiederum in Parallelführung (T. 18–21). Die Streicherbegleitung pausiert nach dem eingangs gesetzten Ritornell gänzlich, bis die erste Strophe vollständig vorgetragen wurde. Nach Verswiederholungen und einer fünftaktigen Koloratur (T. 31–36) auf volo bzw. corro, die parallel verläuft, folgt ohne ein Zwischenritornell der zweite Strophendurchlauf (ab T. 37), der ebenso mit einer Koloratur, in diesem Fall auf trionfar, beschlossen wird. Nach dem Strophenritornell ist der B-Teil gesetzt. Auch hier wird die erste textlich abweichende Versstelle (Vers 4) solistisch vorgetragen, der zweite Vers gleichzeitig von beiden Stimmen mit einer ausgedehnten Koloratur auf secondar. Die Duettkomposition ist überwiegend im dreistimmigen Satz gehalten, die Streicherbegleitung und der Gesang wechseln sich ab, nur an den Gelenkstellen (Versanfänge und -schlüsse) kommt es kurzfristig zur Satzerweiterung (z. B. T. 21). * Das Spektrum der Kantatenvertonungen für den Kaiserhof reicht von klein besetzten, kurzen Continuo-Kantaten der ARA-Form bis zu groß besetzten, umfassenden »Festkantaten« mit bis zu elf Sätzen, bei denen für die Gattung der Kantate durchaus ungewöhnliche Instrumente wie Chalumeaux, Trompeten und Pauken zum Einsatz kommen. Dem Text und der Form nach bewegt sich

Das Wiener Kantatenrepertoire Caldaras

das Gros der Werke freilich im Rahmen zeitgenössischer Standards, am häufigsten finden sich Continuo-Kantaten nach dem Muster RARA. Caldara entzieht sich der Konvention, wenn er – wie häufig geschehen – auf die Besetzung mit Bassstimme zurückgreift, die mit den musikalischen Vorlieben des Kaisers zu erklären sein dürfte. Kantatensinfonien, wie sie für den Aufführungsrahmen der Ruspoli’schen Conversazione gängig waren, finden sich transalpin nur in Ausnahmefällen und wurden komponiert, wenn die Stücke für festliche Ereignisse bestimmt waren. Außer auf der Makro- lassen sich auch auf der Mikroebene maßgebliche Veränderungen bei der Komposition nachzeichnen. Besonders augenscheinlich wird dies bei der Ritornellanlage, enden doch zahlreiche Arien am Kantatenschluss mit einem Gesangsteil, lassen also das übliche Schlussritornell vermissen. Der wesentliche Wandel im Kantatenschaffen des venezianischen Komponisten sei im abschließenden Schlusskapitel resümiert, indem er vor der Folie zweier für die jeweiligen soziokulturellen Kontexte in Rom und Wien idealtypischer Kantaten sichtbar gemacht wird.

353

Kontinuität und Wandel: Caldaras Kantatenkompositionen für Fürst und Kaiser Von Igor Strawinsky heißt es, er habe über Vivaldi geurteilt, dieser habe 600 Mal ein und dasselbe Konzert komponiert. Ähnlich gelagerte Aussagen, die das vermeintlich Konventionelle und immer Wiederkehrende an den Instrumentalwerken kritisieren, wurden gleichermaßen gegenüber Kantatenkompositionen vorgebracht, und, noch gravierender, sie haben lange Zeit auch die Forschung auf dem Gebiet der Kantate überschattet. 934 Ist die Hartnäckigkeit der Missbilligung also ein Ausweis ihrer Rechtmäßigkeit? Zumindest ihres wahren Kerns? Ein oberflächlicher Blick scheint tatsächlich nahezulegen, dass auch Caldaras Kantaten sich stark ähneln: Die Liebeslamenti, die Besetzung, der Aufbau und die Da-capo-Arien sind zentrale Elemente, und sie alle kehren innerhalb seiner Werke immer wieder. Doch dem Venezianer (und auch seinen Textdichtern) mangelte es weder an Ideenreichtum noch an kompositorischer Begabung, Technik und Eleganz; im Gegenteil, er wusste seine Kantaten in die beiden politisch-kulturellen Kontexte, Rom und Wien, so exakt einzupassen, dass man auch heute noch klar ausdifferenzieren kann, was als typisch für Fürst Ruspoli und was als typisch für das Kaiserhaus zu gelten vermag. Die Spezifik wird von Kernelementen bestimmt, die sich unmittelbar ausgeprägt haben und über die Jahre hinweg stabil bleiben. Das Wiederkehrende als konventionell zu interpretieren, gar abzuqualifizieren – wie es bei Vivaldis Concerti der Fall war – hieße, die Passgenauigkeit der Kantaten für das jeweilige soziokulturelle Umfeld zu ignorieren. Mit anderen Worten: Caldara gelang es mit seinen Kantaten, je spezifische Wünsche, Vorlieben und Vorstellungen, die seine Auftraggeber Ruspoli und Karl VI. an die Werke herantrugen, zu befriedigen, und zwar sowohl hinsichtlich des Textes als auch hinsichtlich der Musik. Daher zeigt der zweite, der tiefergehende Blick, dass es einen Unterschied macht, ob man sich in Rom oder in Wien, ob im neunobilitierten Fürsten- oder im altehrwürdigen Kaiserhaus befindet. Im Folgenden gilt es, die zentralen Elemente von Caldaras cis- und transalpiner Kantatenkomposition noch einmal zu resümieren und auf die Frage ihrer Funktionalität hin zuzuspitzen. Dies soll in einem ersten Schritt auf musikalischer Ebene geschehen, indem je eine idealtypische Kantate für beide Kulturkreise herausdestilliert und auf Kontinuitäten wie Brüche im Kantatenschaffen hin befragt wird. 935 In einem zweiten Schritt soll der soziokulturelle Raum, in 934 Vgl. die in der Einleitung bereits erwähnten Aussagen von Ambros und Rose. 935 Die beiden Werke, die als Idealtypus herausgegriffen wurden, sind im Anhang IV vollständig wiedergegeben.

Kontinuität und Wandel

dem der Venezianer seine Arbeit versah, zusammenfassend in die Überlegungen einbezogen werden. Erst diese Weitung des Blickwinkels wird die Funktion der Kantate schärfer konturieren. Zunächst zu Rom: Aus diesem Repertoire wurde die Kantate L’amor lontano herausgegriffen, die 1711 für Ruspoli kopiert wurde. Ausgehend von der Textgrundlage ist einiges Mustergültige für das römische Opus Caldaras festzustellen: Erstens die äußere Form; sie sieht sechs Textabschnitte und damit den ganz überwiegend anzutreffenden Ablauf nach dem Muster RARARA vor. Zweitens weist der Text ein eröffnendes Rezitativ mit zehn Verszeilen auf – eine innerhalb des Textkorpus wiederum mehrheitlich vorzufindende Länge. Die Rezitativtexte sind mit den üblichen Settenari und Endecasillabi gestaltet, am Rezitativschluss findet sich zweimal der Schlussreim bei den letzten beiden Verszeilen, einmal (Rezitativ 3) tritt er verzögert bei dem vorvorletzten und dem letzten Vers ein. Die beiden ersten Arientexte sind, drittens, jeweils sechszeilig mit den üblichen Ottonario-Versen gestaltet und durchgängig gereimt. Beide Merkmale entsprechen wiederum der statistischen Norm. Dies gilt gleichermaßen für das Reimschema AAB CCB, das die zweite Arie Allor quando il labro mio prägt. Des Weiteren sind alle drei Arientexte zweiteilig, waren mithin eine ideale Vorlage für die Vertonung als Da-capo-Arien. Betrachtet man die inhaltliche Ebene, darf auch der Text als typisch für dieses Repertoire gelten, indem er dem arkadisch-pastoralen Thema zugeordnet werden kann; dies ist bei weit mehr als 90 % der römischen Kantaten der Fall. Ebenso gängig ist die im Text verankerte Liebesklage. Bei L’amor lontano klagt eine der stets wiederkehrenden arkadischen Figuren (hier der Schäfer Daliso) über die Ferne von seiner Geliebten Irene. Die hier behandelte Lontananza stellt innerhalb der arkadisch-pastoralen Liebesthematik ein äußerst beliebtes Motiv dar. Charakteristisch für die einschlägigen Kantatentexte ist überdies ihr niedriger Grad an Dramatik. Sie greifen stattdessen gerne auf das stilistische Mittel der Schlüsselbegriffe zurück, um einen intratextuellen Zusammenhalt über einzelne Abschnitte hinweg herzustellen. Innerhalb der L’amor lontano sind es die gängigen Begriffe für Liebesschmerz wie tormento, pena, timore, martire, duol und dolor, die über alle Passus hinweg anzutreffen sind. Zentrale Funktion kommt dabei dem Begriff der lontananza zu, dem Grund für das Liebesleid. Wörter wie diese sind es, die bei der Vertonung üblicherweise mit spezifischen kompositorischen Mitteln hervorgehoben werden, etwa mit Koloraturen oder Dissonanzgebrauch. Die Kantate wird – anders als es der Text vorgibt – mit einer Sinfonie statt mit einem Rezitativ eröffnet. Dergestalt erweiterte Caldara die Kantatenform auf das Muster SRARARA; es sollte das am häufigsten verwendete zu Zeiten seines römischen Wirkens werden. Die Besetzung mit Sopranstimme, zwei

355

356

Kontinuität und Wandel

Violinen und Basso continuo, die Caldara zur Vertonung des Textes heranzog, erweist sich gleichsam als repräsentativ für das römische Kantatenrepertoire, findet sie sich doch bei mehr als zwei Dritteln der Kantaten. Der folgenden tabellarischen Übersicht kann man weitere gängige Merkmale entnehmen, die für das gesamte Repertoire Gültigkeit haben: Der Komponist wechselte bei jeder Arie die Ton- und Taktart. Im Bereich der Violinbegleitung strebte er Abwechslung an, indem er die Violinen mal unisono setzt, mal nur im Ritornell (hier im »autonomen« Strophenritornell) heranzieht oder mal als duettierendes Paar die Singstimme begleiten lässt.

Abschnitt

Tonart

Taktart

TempoBesetzung bezeichnung und Form

1.1

Sinfonia

c-Moll

C

Allegro assai

V1+2, Bc

1.2

Sinfonia

3/2

Adagio

V1+2, Bc

1.3

Sinfonia

c-Moll

C /

Allegro

V1+2, Bc

2

Rez., Irene idolo mio

c-Moll (Rezitativbeginn)

C

3

Arie, Ria cagion d’ogni tormento

B-Dur

C

4

Rez., Ma se la f è della mia bella Irene

5

Arie, All’or quando il labro mio

6

Rez., È ver che per pietade

7

Arie, Il mio core la mente e il penisero

S, Bc Larghetta, ABA

C Es-Dur

2/4

c-Moll

12/8

Rit.: V1+2, Bc, Arie: S, Bc S, Bc

Allegro, ABA

S, V1+2, Bc

Allegro, ABA

S, V1+2 unisoni, Bc

C

S, Bc

Tab. 35: Struktur der Kantate L’amor lontano

Auch im Inneren der Kantate findet sich Charakteristisches: Die Sinfonia ist, wie alle instrumentalen Einleitungen des römischen Repertoires, ihrer Form nach den italienischen Opernsinfonien vergleichbar, also nach dem Muster schnell – langsam – schnell aufgebaut. Wie alle anderen Sinfonien des Korpus führt auch die vorliegende die Haupttonart der Kantate ein, in diesem Fall c-Moll, die zweithäufigste Kantatentonart, die bei der letzten Arie wieder aufgegriffen wird. Die tonale Geschlossenheit stellt ein wichtiges Merkmal der römischen Kantaten dar, bleibt aber nicht – wie noch zu zeigen ist – auf dieses Repertoire beschränkt.

Kontinuität und Wandel

Die Rezitativvertonungen sind nachgerade als Musterbeispiele zu bezeichnen, alle drei schlagen harmonische Brücken zwischen der Sinfonia und der ersten Arie bzw. zwischen den Arien. Sie sind ausnahmslos als Seccorezitative gestaltet, bei denen Caldara die Textstruktur wie üblich exakt nachzeichnet, d. h. er berücksichtigt sowohl die Versenden wie die syntaktischen Einschnitte. Überhaupt ist seine Textbehandlung stark inhaltsbezogen: Dissonante Akkorde werden beispielsweise gezielt eingesetzt, um ausgewählte Worte aus dem Rezitativkontext hervorzuheben. In Bezug auf die Arien gilt es hier, nur die wesentlichen Merkmale zusammenzufassen, da Grundlegendes bereits im Fazit zur Arienanalyse resümiert wurde. Alle drei Arien der Kantate L’amor lontano sind als Da-capo-Arie gestaltet, womit sie freilich nicht alleine stehen; dies trifft auf weit über 90 % der Kantatenarien zu. Die jeweiligen A-Teile sind zweiteilig und weisen eine größere Ausdehnung auf als die B-Teile. Beim ersten Einsatz der Gesangsstimme wird jeweils eine Satzreduktion vollzogen, wobei der zweistimmige Satz für die Gestaltung dieser Passagen zentral ist. Die Violinstimmen pausieren, und die ersten Strophen werden mit Basso-continuo-Begleitung vorgetragen, um die Textverständlichkeit sicherzustellen. Bei den Arien 2 und 3 kommt es im Anschluss, in den A2-Abschnitten, zu den üblichen Satzerweiterungen. Darin geht es Caldara weniger um die Verdeutlichung des Textes, der ja schon bekannt ist; hier ist vielmehr der Raum für die musikalische Intensivierung einzelner Passagen. Daher sind diese Abschnitte in allen drei Arien länger als der Gesangsteil A1. Koloraturen und Vers(teil)wiederholungen sind die gängigen Mittel, um Schlüsselbegriffe zu akzentuieren, wie es innerhalb der ersten Arie bei den Worten lontananza und tormento geschieht. Der A2-Teil bietet darüber hinaus den Ort für satztechnische Finessen, wie etwa für die Bassettchen-Technik (Arie 2). Die motivische Arbeit bewegt sich bei den drei Arien in üblichen Bahnen: Die in den Ritornellen vorgestellten musikalischen Bausteine werden vollständig (Arie 1) oder nur in Teilen (Arie 2 und 3) im ersten Gesangsteil übernommen, insgesamt wird eine motivische Vereinheitlichung auch zwischen A- und B-Teil angestrebt. Starke Kontraste an der Schnittstelle zwischen A- und B-Teil sind dementsprechend nicht auszumachen. Wie die Beispielanalysen gezeigt haben, ist Caldaras Arienkomposition ausgesprochen textorientiert. Auch die Arien der Kantate L’amor lontano entbehren nicht der Mittel, mit denen Textpassagen musikalisch-figürlich nachgezeichnet (Arie 1, T. 18–20) oder gezielt Chromatik (Arie 1, T. 13) eingesetzt wird, beispielsweise um dem Liebesschmerz klanglich Ausdruck zu verleihen. Vergleicht man das bis dato Festgestellte, den römischen Idealtypus, mit einem ebenso idealtypischen Pendant aus Wien, so weicht Letzteres auf mehreren Ebenen ab. Doch lässt der direkte Vergleich der Korpora beides sichtbar

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Kontinuität und Wandel

werden – Veränderungen wie Kontinuitäten innerhalb des Kantatenschaffens Caldaras. Die Wahl für die besonders repräsentative Wiener Kantate fiel auf L’Oronte (∼ 1727). Sie unterscheidet sich bereits in ihrer äußeren Form von ihrem römischen Gegenüber, ihre Textgrundlage entspricht dem ab 1700 etablierten Modell RARA, das innerhalb des Wiener Œuvres am häufigsten musikalisch realisiert wurde. Ganz der Konvention verpflichtet ist der Bau der Rezitativverse, sie sehen den üblichen Wechsel mit Sieben- und Elfsilblern und am Ende die gängige Reimstelle vor. Die Rezitativlänge mit 13 Zeilen (1. Rezitativ) und elf Zeilen (2. Rezitativ) ist wiederum repräsentativ für das Wiener Textkorpus, da mehr als die Hälfte der einschlägigen Texte zwischen acht und 15 Verse aufweisen. Damit ist den Rezitativen der Textkorpora dies- und jenseits der Alpen gemein, dass sie von den in der Theorie geforderten kürzeren (sechszeiligen) Rezitativtexten abweichen. Ein solcher Konventionsbruch ist freilich kein Spezifikum des Venezianers, stellte doch Bizzarini mit Blick auf die Forderungen Quadrios fest, dass die Textgrundlagen von Caldaras Zeitgenossen Marcello im Bereich der Rezitative ebenso »molto ampi e di grande vigore« seien. 936 Die Arientexte von L’Oronte sind jeweils achtzeilig, weisen die übliche Zweiteiligkeit auf und bestehen aus zwei gleich langen Strophen. Was für die imperiale Haupt- und Residenzstadt getrost als Norm bezeichnet werden darf, unterscheidet sich erkennbar von der textlichen Form der römischen Kantatenarien, die im Schnitt um zwei Zeilen kürzer sind. Ein weiterer zentraler Unterschied ist an der zweite Arie Se sprezzato io son da te festzumachen, die nach dem überwiegend gewählten Reimschema AAbCDDeC aufgebaut ist, zeigt diese Struktur doch sogleich, dass vollständig gereimte Arientexte in Wien keine vergleichbar große Relevanz wie in Rom entfalteten. Damit zur inhaltlichen Ausgestaltung: Wie L’amor lontano beinhaltet auch L’Oronte ein Liebeslamento, doch ist es hier nicht in ein arkadisch-pastorales Gewand gekleidet. Der Kantatentext, der dem Liebeskummer Orontes dramatisch Ausdruck verleiht, lässt sich vielmehr dem heroischen Themenkreis zuordnen, der für Wien eine herausragende Rolle spielt; mit nur geringem statistischem Abstand nach dem arkadisch-pastoralen wurde er hier am zweithäufigsten herangezogen. In Rom kommt dieser Thematik lediglich der Status einer Randerscheinung zu. Innerhalb des Heroischen lassen sich überdies Differenzen in der Personenwahl ausmachen: Sind es südlich der Alpen Heroinen, die ihre Klagen vorbringen, so nördlich davon ausschließlich männliche Helden, denen Caldara mit der

936 Bizzarini, Marcello XII.

Kontinuität und Wandel

Besetzung Bassstimme und Basso continuo auch auf Ebene der Stimmlage virilen Charakter verleiht. Das Heros-Thema ist unmittelbar mit der Bassstimmlage verknüpft, die sich bei Caldara in der kaiserlichen Metropole erheblicher Beliebtheit erfreute – für das Wiener Repertoire wurde sie erkennbar am häufigsten zur Besetzung des Gesangsparts herangezogen. Zur dramatischen Gestaltung der Texte des heroischen Themenfeldes werden häufig Fragen und Exclamationes als stilistische Mittel eingesetzt, die entweder den dramatischen Fortgang der Kantate bestimmen oder ihren Höhepunkt markieren, wie es bei L’Oronte mustergültig mit dem Ausruf Ah! Cassandra crudele! im zweiten Rezitativ der Fall ist. Derartige Textpassagen hob Caldara gerne mit Intervallsprüngen oder dissonanten Akkorden (z. B. T. 7 im 2. Rezitativ) hervor. 937 Die Kantate wird der textlichen Vorgabe entsprechend mit einem Rezitativ eröffnet. Die für Rom typischen instrumentalen Einleitungen spielen innerhalb des Wiener Œuvres kaum eine Rolle. Aus diesem Grund fällt dem Rezitativ die Aufgabe zu, am Beginn, unmittelbar im ersten Takt, die Haupttonart der Kantate vorzustellen, in diesem Fall g-Moll. In Übereinstimmung mit der in Rom gepflegten Kompositionstechnik steht dann wieder die Ausgestaltung der abschließenden Kantatenarie, wenn diese die Ausgangstonart neuerlich aufgreift. Damit wird eine tonartliche Abrundung erreicht, die als generelles Merkmal der Kantatenkomposition Caldaras klassifiziert werden muss. Charakteristisch für Wien ist der Tonartenwechsel in eine der verwandten Tonarten bei der ersten Arie, wie es am folgenden Schema nachvollzogen werden kann. Abschnitt

Tonart

Taktart

1

Rez., Ove l’altero Olimpo

g-Moll (Rezitativbeginn)

C

2

Arie, L’aura del cieco Averno

B-Dur

C

3

Rez., Ma qual ristoro io provo

4

Arie, Se sprezzato io son da te

g-Moll

3/4

Tempobezeichnung und Form

B, Bc

Allegro, ABA

B, Bc

Risoluto, ABA

B, Bc

C

Tab. 36: Struktur der Kantate L’Oronte

937 Vgl. hierzu auch Edler, Applausus-Kompositionen 299.

Besetzung

B, Bc

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Kontinuität und Wandel

Das erste Rezitativ stellt nicht allein die Haupttonart vor, es leitet am Schluss überdies auf den nächsten Abschnitt über, indem es in der Tonart der ersten Arie (B-Dur) endet und diese dergestalt harmonisch vorbereitet. Auch das zweite Rezitativ übernimmt die übliche harmonische Vermittlerfunktion zwischen den beiden Arien. Die Vertonung folgt – und auch das ist ein gemeinsames Merkmal beider Repertoires bei der Rezitativbehandlung – der Versstruktur, syntaktische Einschnitte werden u. a. mit Kadenzen berücksichtigt (z. B. T. 8). Textwiederholungen, wie sie in T. 17 bis 19 (Rezitativ 1) und T. 14 und 15 (Rezitativ 2) vorkommen, bilden eher die Ausnahme und werden nur dann eingesetzt, wenn Caldara Aussagen besonders herausheben möchte. Beide Arien weisen Da-capo-Anlagen auf und entsprechen mit ihrer Fünfteiligkeit der statistischen Norm. Die jeweiligen A-Teile, auch das eine Konstante innerhalb der Caldara’schen Kantatenarienkompositionen, sind länger als die B-Teile. Die zwei Gesangsabschnitte innerhalb der A-Teile unterscheiden sich in ihrer Länge aber nicht so stark wie ihre römischen Pendants. Am Beispiel der zweiten Arie, Se sprezzato io son da te, kann die Längenangleichung mittels Verswiederholung und Koloratur in beiden Gesangsteilen nachvollzogen werden. Die Arien weisen markante Kopfmotive in den Strophenritornellen auf, die für die jeweiligen Gesangsteile im A-Teil prägend sind. Die Materialverwandtschaft zwischen Ritornell und Gesangsteil wird von Caldara repertoireübergreifend angestrebt. Bevor die Gesangsstimme in den Continuo-Kantaten einsetzt, lässt die Basso-continuo-Begleitung von ihrer Motivbildung ab und wechselt zur reinen Begleitfunktion; auch das ist ganz typisch für beide Standorte. Die zwei Kantatenarien von L’Oronte sind dementsprechend gestaltet. Die zweite Arie lässt am Schluss das Strophenritornell missen, endet stattdessen mit einem Gesangsteil. Bemerkenswert ist, dass diese Ritornellbehandlung einen Rückgriff Caldaras auf seine venezianische Kompositionsweise darstellt, bei der er diese Besonderheit bereits gepflegt hatte, bevor er in Rom von ihr abkam. Dort entsprach diese Art der Ritornellbehandlung nicht den gängigen Konventionen und fand entsprechend keine Anwendung. In Wien aber bediente er sich ihrer wieder; sie findet sich immerhin bei über einem Viertel der Arienkompositionen. Eine Konstante hingegen bleibt die textsensitive Vertonungsweise Caldaras, wobei die musikalisch-figurale Wortausdeutung sowie der Dissonanzgebrauch für das Wiener Repertoire mit seinen zahlreichen Continuo-Kantaten eine größere Bedeutung haben als satztechnische Abstufungen, die er besonders in Rom in den Dienst der Text- und damit der Affektausdeutung stellte. Auf Basis der hier herangezogenen idealtypischen Kantaten wird ersichtlich, dass die äußere Form starken Veränderungen unterlegen war. Bei der Besetzungspraxis waren in Rom Sopran- und Altkantaten die Norm; im kaiserlichen

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Umfeld hingegen traten Kantaten dieser Stimmbesetzung zurück und ließen Raum für die eher unübliche Besetzung mit Bassstimme. Findet sich in Rom neben Solokantaten eine hohe Anzahl von Kantaten für zwei Stimmen, spielen Letztere in Wien eine nur marginale Rolle. Und noch im Bereich der Instrumentalbegleitung lässt sich ein Wandel belegen: Waren in Rom Streichinstrumente bei der Kantatenbegleitung das Maß der Dinge, schöpfte Caldara am Kaiserhof beinahe das gesamte instrumentale Spektrum aus, das ihm die Hofkapelle zu Verfügung stellte. In diesem Umstand ist die Ursache für die Verwendung von Instrumenten zu sehen, die man auf den ersten Blick im Bereich der Kantatenkomposition nicht erwartet und die man in Rom dementsprechend vergeblich sucht, nämlich Chalumeau, Fagott, Trompete oder Pauke. Wendet man sich der äußeren Form zu, zeigt sich, dass diese insbesondere vom Text bestimmt ist. Innerhalb des Ruspoli’schen Textkorpus findet sich am häufigsten die Form RARARA, und ganz generell überwiegen längere Kantatentexte die um 1700 etablierten und gängigen Muster RARA und ARA. Letztere sind aber sehr wohl für das Wiener Repertoire bestimmend. Schließlich war auch die inhaltliche Ausrichtung nicht von Veränderungen unberührt. Sind in Rom die arkadisch-pastoralen Themen vorherrschend, so fällt das Wiener Textkorpus weit heterogener aus; neben die typisch arkadisch-pastoralen Dichtungen treten insbesondere heroische Themen. Auf Ebene der inneren Ausgestaltung werden ebenfalls Veränderungen greifbar, zugleich zeigen sich Kontinuitäten, die grundsätzliche Kompositionsprinzipien Caldaras erkennen lassen. – Ein erster zentraler Unterschied lässt sich an den Kantatenanfängen feststellen: Sind in Rom Instrumentaleinleitungen, die Sinfonie, eine wichtige Zutat, so kommt ihnen in Wien kaum Bedeutung zu. Anders im Bereich der Rezitativkomposition, in dem sich eine erste Konstante isolieren lässt: Caldara komponierte mit Ausnahme von fünf Accompagnato- ausschließlich Seccorezitative. Deren Gestalt ist da wie dort von Tonwiederholungen, Dreiklangszerlegungen, Schritten innerhalb der Tonleiter sowie Intervallsprüngen geprägt. Diese, vor allem große Intervallsprünge, kommen insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Komponist einzelne Wörter oder Textabschnitte betont wissen möchte. Auch der Basso continuo führt an solchen Stellen gerne dissonante Wendungen durch, und es kommen verminderte Septakkorde oder Ähnliches zum Einsatz. Bei den Arienkompositionen findet sich als maßgebliche Gemeinsamkeit die fünfteilige Da-capo-Form. Überdies ist die motivische Verschränkung zwischen den Ritornellen und den Gesangsteilen ein Charakteristikum beider Repertoires. Im Bereich der Satzausformung ist festzustellen, dass die in Rom häufig angewandte Unisono-Technik bei den Wiener Kantatenarien in weit begrenzterem Rahmen Einsatz findet. Innerhalb des Œuvres für das Kaiserhaus sind

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keine Unisono-Arien anzutreffen, wie sie für Ruspoli komponiert worden waren. In beiden Repertoires ist freilich wieder Caldaras Freude an satztechnischen Kontrastierungen zu beobachten, doch ist sie in Wien weit stärker ausgeprägt als in Rom, boten sich doch am Kaiserhof besetzungstechnisch Möglichkeiten, wie sie im Hause Ruspoli eben nicht gegeben waren. Die hier am Beispiel der Kantatenbesetzung skizzierten veränderten Rahmenbedingungen stehen direkt in Verbindung mit den verschiedenartigen Funktionen der Kantaten dies- und jenseits der Alpen. Eine Besetzung der Kantate mit Pauken und Trompeten war eben für die musikalische Begleitung der kaiserlichen Tafel als Servizio di tavola adäquat und hätte nicht Ruspolis Usus und Möglichkeiten entsprochen. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass auch Ruspoli, im Rang eines römischen Fürsten stehend, am Wettstreit um Ansehen und Würde des Adels beteiligt war und dafür adäquate Möglichkeiten fand. Als Homo novus unter den römischen Adeligen der Führungselite war ihm daran gelegen, seinen Rang zu stabilisieren, zu verteidigen und langfristig zu etablieren. Als ideales Mittel dienten ihm über Jahrzehnte hinweg die sonntäglichen Conversazioni, die für ihn Bühne der Repräsentation und der Exklusivität waren. Sie boten ihm den notwendigen Rahmen für gleichermaßen unverbindliche wie (politisch) wirksame Zusammentreffen, für Informationsaustausch und Vernetzung. Caldara wiederum verlieh den Abendveranstaltungen einen unverwechselbaren musikalischen Auftakt, indem er Kantaten vorlegte, die dem Repräsentationsbedürfnis seines Patrons ideal entsprachen. Ruspoli verfügte mit den Aufführungen, die beinahe ausschließlich von den hauseigenen Sängerinnen bewerkstelligt wurden, über einen gleichermaßen exklusiven wie distinktiven Klang, der ihn von der römischen Adelskonkurrenz abhob. Dem Großteil der Kantatenaufführungen am Wiener Hof kam keine vergleichbare Bestimmung innerhalb der kaiserlichen Repräsentation zu. Ausnahmen stellen solche Werke dar, die für Feierlichkeiten wie die Hochzeit der Josephinischen Erzherzoginnen Maria Amalia, mit dem bayerischen Kurprinzen Karl Albrecht, oder Maria Josepha, mit dem sächsischen Pendant Friedrich August, herangezogen wurden. Die dort zur Aufführung gebrachten Kantaten waren mit politischen Botschaften verknüpft, die an einen über die kaiserliche Familie hinausgehenden Rezipientenkreis adressiert waren. Der überwiegende Teil der Kompositionen indes diente der Unterhaltung bzw. der persönlichen Musikpraxis der kaiserlichen Familie und war auf deren zeremonielle Bedürfnisse und eben auch auf die stimmliche Disposition der erzherzoglichen Sängerinnen abgestimmt. Die Exklusivität ist hier wie dort ein Kennzeichen des Kantatenschaffens von Caldara. Aus diesem Grund spielen Phänomene wie Borrowings vom rö-

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mischen auf das Wiener Kantatenrepertoire – und das konnte in einem letzten Schritt mittels musikalischem Vergleich aller ein- und zweitstimmigen Kanaten überprüft werden – keine Rolle. Caldara wusste seinen Kompositionen »die schönste Melodie und Harmonie, und eine auserlesene Wahl und Ordnung des Vortrags und der Gedanken« 938 zu verleihen und diese im besten Sinne des Wortes in beiden kulturellen Kontexten distinguiert zu gestalten.

938 Scheibe, Musicus 762.

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Liste der verwendeten RISM-Siglen und Abkürzungen A-Gö A-Wgm A-Whh A-Wn A-Wös B-Bc B-Br D-B D-Dl D-DS D-Mbs D-MEII D-MEIr D-Mhsa D-MÜs F-Pc F-Pn GB-Lbl GB-Lcm GB-Mp GB-Ob H-Bb I-Bc I-BGi I-Ma I-Mas I-Nc I-Ra I-Rama I-Rasv I-Rc I-Rli I-Vgc

Göttweig, Benediktinerstift Göttweig, Musikarchiv Wien, Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Österreichisches Staatsarchiv Brüssel, Conservatoire Royal de Musique, Bibliothèque, Koninklijk Conservatorium, Bibliotheek Brüssel, Bibliothèque Royale Albert 1.er Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt München, Bayerische Staatsbibliothek Meiningen, Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, Staatliche Museen, Abteilung Musikgeschichte, MaxReger-Archiv München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv Münster, Santini-Bibliothek, Teil der Diözesanbibliothek Paris, Bibliothèque du Conservatoire Paris, Bibliothèque nationale de France, Département de la Musique London, The British Library London, Royal College of Music Manchester, Central Public Library Oxford, Bodleian Library Budapest, Bartók Béla Zenemu˘ vészeti Szakközépiskola Könyvtara Bologna, Museo internazionale e biblioteca della musica di Bologna Bergamo, Civico Istituto Musicale Gaetano Donizetti, Biblioteca Mailand, Biblioteca Ambrosiana Mailand, Archivio di Stato Neapel, Conservatorio San Pietro a Majella di Napoli, Biblioteca Rom, Biblioteca Angelica Rom, Accademia Nazionale di S. Cecilia, Bibliomediateca Rom, Vatikan, Archivio Segreto Vaticano Rom, Biblioteca Casanatense Rom, Biblioteca dell’Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana Venedig, Istituto di Lettere, Musica e Teatro della Fondazione Giorgio Cini, Biblioteca

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Liste der RISM-Siglen und Abkürzungen

S-Smf Stockholm, Stiftelsen Musikkulturens främjande US-Cu Chicago, University of Chicago US-NH New Haven, CT, Yale University, Music Library US-PHhs Philadelphia, Historical Society of Pennsylvania Library US-SFsc San Francisco, San Francisco State University

Abkürzungen Add. Additional (Teil der GB-Lbl) Cod. ital. Codices italici (Teil der D-Mbs) Dok. Dokument Fasc. Fascicolo GHA Geheimes Hausarchiv (Teil des D-Mhsa) K. schwarz Kasten schwarz (Teil des D-Mhsa) Kart. Karton Misc. Miscellanea Mus. ms. aut. Musica manuscripta autographa OMeA ZP Oberhofmeisteramt, Zeremonialprotokolle (Teil des A-Whh) Sant. Hs. Santini Handschriften (Teil der D-MÜs) StAbt Staatenabteilung (Teil des A-Whh)

Abbildungsverzeichnis und Notenbeispiele

Abbildungen Abbildung 1: Einlegeblatt von Aloys Fuchs, darunter: Beginn der Basskantate Aura de miei respiri, aus: F-Pn Ms 1677. Abbildung 2: Girolamo Odam: Der Bosco Parrasio am Aventin, aus: Giovanni Maria Crescimbeni, Stato della basilica diaconale, collegiate, e parrocchiale di S. Maria in Cosmedia (Rom 1719). Abbildungen 3 und 4: Ausschnitte aus dem Librettodruck Vaticini di Pace, aus: D-Mbs L.eleg.m. 3800. Abbildung 5: Ausschnitt aus: Girolamo Gigli, Balzana poetica. Detta in Arcadia nel chiudersi del Bosco Parrasio quest’anno MDCCXII (Siena 1712). Abbildung 6: Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände (1712), aus: Johann Georg von Deyerlsberg, Erbhuldigung, welche dem aller-durchleuchtigst-großmächtigsten und unüberwindlichsten römischen Kayser, Carolo dem Sechsten [. . . ] abgeleget (Graz 1728).

Notenbeispiele Notenbeispiel 1: Ausschnitt aus Nigella e Tirsi, aus: A-Wn Mus. Hs. 17645 Notenbeispiel 39: Arienschluss von Prova ad’amarmi aus: L’Eulisse, aus: Antonio Caldara: Cantate da Camera à voce sola D’Antonio Caldara consacrate a Sua Eccelenza Dona Giovanna de Movra Moncada Contarini. Opera terza, Venedig 1699. Notenbeispiel 40: Arienschluss von Il tuo volto, inf ida, ingrata aus: Aura de’ miei respiri, aus: F-Pn Ms 1677 Notenbeispiel 41: Schluss der Arie Se sprezzato io son da te der Kantate L’Oronte, aus: A-Wn Mus. Hs. 17603 (1) Alle Grafiken und weiteren Notenbeispiele des Bandes wurden von der Autorin erstellt.

Anhänge

Anhang I: Chronologische Übersicht der Kantaten für Ruspoli Die folgende Tabelle bietet eine chronologische Übersicht der Kantaten Antonio Caldaras für das Haus Ruspoli. Zur Datierung der Musikalien wurden die Angaben aus dem autographen Material und aus den Abrechnungen der Kopisten für die Casa Ruspoli herangezogen. Bei abweichenden Daten wurde die Kantate unter die frühestmögliche Datierung rubriziert; exakte Datierungen in der ersten Spalte ( Jahr / exakte Datierung) wurden ausschließlich dem autographen Material entnommen. Sofern mehrere Kantaten aus dem selben Zeitraum datieren, wurde eine alphabethische Reihung vorgenommen. 939 Datierungen der Musikalienkopien für das Haus Ruspoli sind gesondert ausgewiesen. Titel und Titelzusatz beziehen sich auf die für die Arbeit herangezogenen Hauptquellen. Wenn kein Titel auf den Musikalien vermerkt ist, wurde ein Teil des Textincipits übernommen und mit [ ] versehen. Autographes Quellenmaterial wurde kursiv in der Spalte Hauptquelle / weitere Quelle(n) gekennzeichnet. Der Vollständigkeit halber wurden bei den Signaturen des Archivs A-Wgm die Altsignaturen ergänzt (Beispiel: A-Wgm VI 16568 (15) [= Altsignatur] bzw. A 401 (15) [= neue Signatur]).

939 Bei der alphabethischen Sortierung bleiben die Artikel des Kantatentitels unberücksichtigt.

Datierung Kantatenkopien

23.6., 23. 9. 1709

30.6., 23. 9. 1709

20.7., 23. 9. 1709

7.8., 23. 9. 1709; 16. 5. 1710; 24. 12. 1715; 15. 2. 1716

23. 9. 1709

23. 9. 1709; 31. 7. 1710

23. 9. 1709

23. 9. 1709; 16.5., 31.7., 2. 8. 1710

Jahr: exakte Datierung

1709

1709

1709

1709

1709

1709

1709

1709

Eurilla, e fia pur vero

Lungi dall’idol mio

[Lungi dall’idol mio] / Del Sig.r Ant.o Caldara

La pastorella fedele / Cantata à 2. Canto, e Alto Con Violini Eurilla, e Daliso Musica del Sig.r Antonio Caldra

Belle mie voi siete rose

Che speravi semplicetto

E quando cessarete

Invida di mia pace

Cinto il fianco di saette

Perché t’adoro

Textincipit

[Belle mie voi siete rose] / Cantata con VV. Del Sig.r Antonio Caldara

Amante recidivo / Cantata Alto solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

La libertà contenta / Cantata à 2. Voci Con Strom.ti Del Sig.r Antonio Caldara Clori, e Tirsi

Invida di mia pace / Cantata a voce sola Poesia dell’Ecc.mo Pnpe D. Ant.o Ottoboni Musica Del Sig.r Ant.o Caldara

La caccia / Cantata a Voce Sola con strom.ti| Del Sig.r Antonio Caldara

Il perché / Cantata a voce sola con Strom.ti Del Sig.r Antonio Caldara

Titel / Titelzusatz

S, A, 2 Vl, Bc

S, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

Besetzung

D-MÜs Sant. Hs. 779

D-MÜs Sant. Hs. 751 / D-MEIr Ed 82c; D-Bsa SA 1235 (1)

F-Pc D1729 (4)

D-MÜs Sant. Hs. 758

D-MÜs Sant. Hs. 770

GB-Lbl Add. 34056 (2)

D-MÜs Sant. Hs. 766

D-MÜs Sant. Hs. 780 / F-Pc 1729 (5)

D-Bsa SA 1235 (1): A, bc und Alessandro Scarlatti zugeschrieben.

Textautor: Antonio Ottoboni

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

399

Datierung Kantatenkopien

23. 9. 1709;

23. 9. 1709; 31. 7. 1710

23.9., 14. 11. 1709; Januar 1710; 9. 12. 1713

14. 11. 1709

14. 11. 1709; 24. 8. 1711; 4. 7. 1712

24.3.,15. 12. 1710

16. 5. 1710

Jahr: exakte Datierung

1709

1709

1709

1709

1709

1710

1710

Daliso anima mia

Filen, Fileno ingrato

[Filen, Fileno ingrato] / Di Ant.o Caldara

Quanto ahi quanto

Amor dei cuori amanti empio tiranno

Se senza spine

Rusceletto a cui sen viene

Quante lagrime ahi quante mi costa

Textincipit

Clori, e Daliso / Cantata à due Soprano, e Contralto con V.V. Clori, e Daliso Del Sig.re Antonio Caldara 1710

[Quanto ahi quanto] / Cantata à voce sola Del Sig.r Antonio Caldara

[Amor dei cuori] / Cantata Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Scherzo di fiori / Cantata del Sig. Ant.o Caldara

Ruscelletto à cui sen’ viene / Cantata à Voce Sola Con Stromenti Del Sig.r Antonio Caldara

Quante lagrime / Cantata con VV. Del S.r Antonio Caldara Mastro di Cappella di S. M. C.

Titel / Titelzusatz

S, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

S, 2 Vl, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16568 (18) bzw. A 401 (18) / D-MEIr Ed 118 r (7)

D-MÜs Sant. Hs. 746

I-Nc Cantate 74|22.2.24 (1) / GB-Lbl Add 14212

D-MÜs Sant. Hs. 756

I-Nc Cantate 74|22.2.24 (3)

I-BGi XXVIII 8544C

F-Pc D1729 (3)

GB-Lbl Add 14212: A, Bc besetzt; letzte Arie weicht von der Hauptquelle ab

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

400 Anhänge

Datierung Kantatenkopien

16. 5. 1710

31. 7. 1710; 28. 9. 1715

31. 7. 1710

31. 7. 1710

2. 8. 1710

2. 8. 1710; 18.8., 24. 8. 1711

15. 12. 1710; 18.8., 24. 8. 1711

15. 12. 1710; 18. 8. 1711

Jahr: exakte Datierung

1710

1710

1710

1710

1710

1710

1710

1710

Io ti sento anima amante / Cantata à alto solo con V.V. Del Sig.r Antonio Caldara

Clori o tu non m’intendi / Cantata à Contralto solo. Con VV. Del Sig.r Antonio Caldara

Tu sempre infida Dori / Cantata à Canto solo con VV. Del Sig.r Antonio Caldara.

Begl’occhi / Elpino innamorato Cantata à Voce Sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

La lode premiata / Cantata à 2. Voci Clori, Silvo Del Sig.r Antonio Caldara

La costanza vince il rigore / Cantata à due Voci con Violini e Oboè Del Sig.r Antonio Caldara

Begl’occhi e bella bocca / Cantata à 2 con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Per il mare / Cantata à 2. per il Mare con Violini Clori, e Daliso Del Sig.r Antonio Caldara

Titel / Titelzusatz

Io ti sento anima amante

Clori o tu non m’intendi

Tu sempre infida Dori

Elpino innamorato guardava un dì

E pur sempre vorrai Clori

Bella bella s’io tanto t’amo

O bella Irene amante

Or che l’aura gentile

Textincipit

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, A, Ob, 2 Vl, Bc

S, A, Ob, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

Besetzung

D-MÜs Sant. Hs. 769

GB-Lam Ms. 48 (1)

GB-Lam Ms. 48 (2)

D-MÜs Sant. Hs. 747 / GB-Lbl Add. 34056 (21)

D-MÜs Sant. Hs. 771 / GB-Lam 47 (1)

D-MÜs Sant. Hs. 767 / GB-Lam 47 (2)

D-MÜs Sant. Hs. 776

D-MÜs Sant. Hs. 749

Textdichter: Antonio Ottoboni

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

401

Datierung Kantatenkopien

15. 12. 1710

16. 6. 1715

3. 5. 1711; 25. 7. 1713

28. 6. 1711

28. 6. 1711

Jahr: exakte Datierung

1710

1711: 13.3.

1711

1711

1711

Amor lontano / Cantata à Canto Solo Con V.V. d. Ant.o Caldara

Amor geloso / Cantata à Canto Solo Con V.V. d. Ant.o Caldara

In questo ameno bosco / Cantata à 2. Con Violini Daliso, et Irene Del Sig.r Antonio Caldara

[Filli convien ch’io parta] / Cantata di Ant.o Caldara

[Selve che mi vedeste] / Cantata à Voce Sola di Soprano. con stromenti Del Sig.r Antonio Caldara.

Titel / Titelzusatz

Irene idolo mio

Irene idolo mio

In questo ameno bosco

Filli convien ch’io parta

Selve che mi vedeste

Textincipit

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

A, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

Besetzung

D-B Mus.ms. aut. Caldara A 13

D-B Mus.ms. aut. Caldara A 12

D-MÜs Sant. Hs. 784

A-Wgm VI 16568 (19) bzw. A 401 (19) / D-MEIr Ed 118u (4)

D-MÜs Sant. Hs. 791

Der Titel Lontananza wurde auf dem Autograph gestrichen. In anderer Hand: Amor lontano.

Der Titel La Gelosia wurde auf dem Autograph gestrichen. In anderer Hand: Amor geloso.

Autograph datiert aus Rom; D-MEIr Ed 118u (4): S, Bc

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

402 Anhänge

Datierung Kantatenkopien

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

Jahr: exakte Datierung

1711: 10.8.

1711: 11.8.

1711: 12.8.

1711: 14.8.

1711: 16.8.

Risposta al Genio / Cantata di Ant.o Caldara Con V.V.

Il genio / Cantatata [sic!] Con V.V. di Ant.o Caldara

L’amor sofferente / Cantata con V.V. di Ant.o Caldara

Risposta all’amor costante / Cantata di Ant.o Caldara Con V.V.

Risposta all’amor sofferente / Cantata con V.V. di Ant.o Caldara

Titel / Titelzusatz

Caro Daliso mio

Irene idolo mio

Irene Idolo mio

Caro Daliso mio

Caro Daliso mio

Textincipit

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

Besetzung

D-MÜs Sant. Hs. 788 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (2) und 753 (2)

GB-Lbl Egerton, 2464 (2) / D-MÜs Sant. Hs. 748 (1) und 753 (1)

D-MÜs Sant. Hs. 762 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (11) und 753 (11)

D-MÜs Sant. Hs. 785 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (6) und 753 (6)

D-MÜs Sant. Hs. 786 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (12) und 753 (12)

Autograph datiert aus Mailand

Autograph datiert aus Mailand

Autograph datiert aus Mailand

Autograph datiert aus Mailand

Autograph datiert aus Mailand

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

403

Datierung Kantatenkopien

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

7. 9. 1711

3. 12. 1711

Jahr: exakte Datierung

1711: 19.8.

1711

1711

1711

1711

1711

1711

1711

La Zenobia / Cantata Alto Solo con V.V. di Ant.o Caldara

Risposta all’amor lontano / Cantata à Voce Sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

L’amor perfetto / Cantata à Voce Sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

L’amor lontano / Cantata à Voce Sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

L’amor geloso / Cantata à Voce Sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

L’amor costante / Cantata con V.V. del Sig.r Ant.o Caldara

Risposta all’amor geloso / Cantata à Voce sola con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Risposta all’amor perfetto / Cantata con V.V. di Antonio Caldara

Titel / Titelzusatz

Vincesti Aureliano

Caro Daliso mio

Irene Idolo mio

Irene idolo mio

Irene idolo mio

Irene idolo mio

Caro Daliso mio

Caro Daliso mio

Textincipit

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

Besetzung

A-Wgm III 2616 (1) bzw. A 400 (1)

D-MÜs Sant. Hs. 748 (8) und 753 (8)

D-MÜs Sant. Hs. 748 (3) und 753 (3)

D-MÜs Sant. Hs. 748 (7) und 753 (7)

D-MÜs Sant. Hs. 748 (9) und 753 (9)

D-MÜs Sant. Hs. 755 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (5) und 753 (5)

D-MÜs Sant. Hs. 748 (10) und 753 (10)

D-MÜs Sant. Hs. 787 / D-MÜs Sant. Hs. 748 (4) und 753 (4)

Autograph datiert aus Mailand

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

404 Anhänge

Datierung Kantatenkopien

2. 4. 1712

2. 4. 1712

2. 4. 1712; 20. 12. 1715

16.6., 20. 12. 1715

3. 5. 1712

24. 5. 1712

24. 5. 1712

28. 5. 1712; 20. 12. 1715

28. 5. 1712; 24. 12. 1715

Jahr: exakte Datierung

1712: 1.3.

1712:2.3.

1712:10.3.

1712: 7.4.

1712: 9.4.

1712:15.4.

1712: 20.4.

1712: 2.5.

1712: 10.5.

Bella mano / Cantata à Canto Solo Con V.V. di Ant.o Caldara

Tirsi, e Fileno / Cantata à due Voci Con V.V. di Ant.o Caldara

[Antri spelonche e rupi] / Cantata à Canto Solo Con V.V. di Ant.o Caldara

[Volate o fidi miei pensieri] / Cantata à Alto Solo con V.V. di Ant.o Caldara

Filli, e Tirsi / Cantata à due Voci Con V.V. di Ant.o Caldara

[Astri di quel bel viso] / Cantata di Ant.o Caldara

[Lontana d’ogni impegno] / Cantata à due Voci Canto, et Alto Con V.V. di Ant.o Caldara

[Vaghe luci] / Cantata ad Alto Solo di Ant.o Caldara Con V.V.

[Credea Niso credea] / Cantata à Canto Solo Con V.V. di Ant.o Caldara

Titel / Titelzusatz

Bella man che il filo aggiri

Tacete ormai tacete

Antri spelonche e rupi

Volate o fidi miei pensieri

Non ben ama

Astri di quel bel viso

Lontana d’ogni impegno

Vaghe luci è troppo crudo

Credea Niso credea

Textincipit

A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

A, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

Besetzung

I-Bc DD 226 (18)

I-Bc DD 226 (19) / D-MÜs Sant. Hs. 793

I-Bc DD 226 (9)

I-Bc DD 226 (15)

I-Bc DD 226 (12)

A-Wgm VI 16568 (1) bzw. A 401 (1) / D-MEIr Ed 118 r (3)

I-Bc DD 226 (13)

I-Bc DD 226 (11) / D-MÜs Sant. Hs. 795

I-Bc DD 226 (10)

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien; D-MEIr Ed 118 r (3): S, Bc besetzt.

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

405

Datierung Kantatenkopien

28. 5. 1712

20. 6. 1712; 20. 12. 1715; 24. 12. 1715

20. 6. 1712

24. 5. 1712; 24. 12. 1715

10. 9. 1712; 28.9., 20. 12. 1715

24. 9. 1712; 20. 12. 1715

22. 10. 1712

7. 12. 1712

Jahr: exakte Datierung

1712: 11.5.

1712: 14.5.

1712: 18.5.

1712

1712

1712

1712: 19.10.

1712

[Di crudel vuoi tu che muora] / Cantata di Ant.o Caldara

Cantata burlesca in Soprano Solo / di Ant.o Caldara

Quel duolo del mio core / Cantata à 2. Con Violini Daliso, e Clori Del Sig.r Antonio Caldara

O voi che in Ciel splendete / Cantata à 2. Con Violini Tirsi, e Clori Del Sig.r Antonio Caldara

Ardo gentil Fileno / Cantata à 2 Canto ed Alto con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

La viola Mammola / Cantata à Canto Solo Con V.V. di Ant.o Caldara

La rosa / Cantata Alto Solo Con V.V. di Ant.o Caldara

Amante, che và intraccia della sua Donna / Cantata Alto solo Con V.V. di Ant.o Caldara

Titel / Titelzusatz

Di crudel vuoi tu che muora

Già che ne men quest’anno

Quel duolo del mio core

O voi che in ciel splendete

Ardo gentil Fileno

Violetta vezzosetta

Nasco è ver

Mirti, faggi, tronchi e fronde

Textincipit

A, Bc

S, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 33907 bzw. A 405

S-Smf 374

D-MÜs Sant. Hs. 783

D-MÜs Sant. Hs. 778

D-MÜs Sant. Hs. 764

GB-Lbl Add. 34291 (1); S-Smf 376

I-Bc DD 226 (17)

I-Bc DD 226 (16)

Autograph datiert aus Albano

Autograph datiert aus Wien; S-Smf 376 weist die exakte Datierung auf.

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

406 Anhänge

Datierung Kantatenkopien

25. 7. 1713

25. 7. 1713; 20. 12. 1715

25. 7. 1713; 20. 12. 1715

25. 7. 1713; 28.9., 20. 12. 1715

25. 7. 1713; 20. 12. 1715

29.6., 5. 7. 1714

5. 7. 1714; 24. 12. 1715

5. 7. 1714; 24. 12. 1715

Jahr: exakte Datierung

1713

1713

1713

1713

1713

1714

1714

1714

Amante sdegnata / Mie pupille che versate Cantata Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Amante frenetica per gelosia / Alme voi che provaste Cantata à Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Da tuoi lumi, e dal tuo Core / Cantata Alto Solo Con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Va mormorando / Cantata à Canto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Su quel muscoso sasso / Cantata à 2 Con Violini, Filli, e Dori Del Sig.r Antonio Caldara

Qual mai cagion / Cantata Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Lo so pupille vaghe / Cantata Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Daliso e Nice / Concertino della Cant.a à Due Daliso, e Nice del S.r Caldara Daliso intorno à queste

Titel / Titelzusatz

Mie pupille che versate

Alme voi che provaste

Da tuoi lumi, e dal tuo core

Va mormorando quel Rusceletto

Su quel muscoso sasso

Qual mai cagion

Lo so pupille vaghe

Daliso intorno a queste

Textincipit

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

Besetzung

US-NH Misc. 35 (2)

US-NH Misc. 35 (1) / D-MÜs Sant. Hs. 757

D-MÜs Sant. Hs. 774

D-MÜs Sant. Hs. 794

D-MÜs Sant. Hs. 792

D-MÜs Sant. Hs. 782

D-MÜs Sant. Hs. 781

I-Rli Fondo Chiti-CorsiniMusica C 13

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

407

Datierung Kantatenkopien

5. 7. 1714; 20. 12. 1715

5. 7. 1714; 24. 12. 1715

5. 7. 1714

5. 7. 1714; 24. 12. 1715

5. 7. 1714; 20. 12. 1715

8.8., 28. 9. 1715

Jahr: exakte Datierung

1714

1714

1714

1714

1714

1715

La Violetta / Cantata Alto Solo Con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

[Vieni mia bella Dori]

L’Olimpia / Cantata à Canto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

La Medea / Cantata Alto Solo Con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Lontananza / Cantata à Canto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Dipartita amorosa / Io resto Io parto Cantata à 2 Con V.V. Clori, e Tirsi Del Sig.r Antonio Caldara

Titel / Titelzusatz

Cara e bella violetta

Vieni mia bella Dori

Bireno il dì s’appressa

Dunque Giasone ingrato

Non per pioggia del cielo

Io resto, e vivo? Io parto, e vivo?

Textincipit

A, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, A, 2 Vl, Bc

Besetzung

D-MÜs Sant. Hs. 797

US-NH Misc. 165 (9)

GB-Ob Tenbury 1347 / US-Cu MS f 442 (52); US-NH Misc. 165 (8); F-Pc 1729 (1); I-Rama A.Ms.3702

D-MÜs Sant. Hs. 775 / US-NH, Misc. 165 (11); F-PC 1729 (2)

D-MÜs Sant. Hs. 773

D-MÜs Sant. Hs. 768 / GB-Lam 47 (3); US-NH, Misc. 35 (3)

Textdichter: Paolo Rolli

Textdichter: Paolo Rolli

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

408 Anhänge

Datierung Kantatenkopien

7.9., 24. 12. 1715

28. 9. 1715

20. 12. 1715

20. 12. 1715

20. 12. 1715

20. 12. 1715

20. 12. 1715

Jahr: exakte Datierung

1715

1715

1715

1715

1715

1715

1715

Sempre mi torna in mente / Cantata Alto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Rotte l’aspre catene / Cantata à Canto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

[Non senti o bella Irene] / Cantata

Sempre mi torna in mente

Rotte l’aspre catene

Non senti bella Irene

Begli occhi adorati tant’è la fiamma

Ah ingrato pastorello

[Ah ingrato pastorello] / Del Sig.r Antonio Caldara

Begl’occhi adorati / Cantata à Canto Solo con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Ninfe e pastori, che nel cor nutrite

Oh de miei lunghi e tormentosi affanni

Textincipit

[Ninfe e pastori] / Introduzione alla Camera à Voce sola con V. V. di Soprano Del Caldara

Oh dei miei lunghi affanni / Cantata Alto Solo Con Violini Del Sig.r Antonio Caldara

Titel / Titelzusatz

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Va, Bc

A, 2 Vl, Bc

Besetzung

D-MÜs Sant. Hs. 790

D-MÜs Sant. Hs. 789

US-NH, Misc. 165 (10)

D-MÜs Sant. Hs. 765

F-PC 15352

D-MEIr Ed 118v

D-MÜs Sant. Hs. 777

Hauptquelle / Anmerkungen weitere Quelle(n)

Anhang I

409

410

Anhänge

Anhang II: Chronologische Übersicht der Kantaten für das Kaiserhaus Die folgende Tabelle bietet eine chronologische Übersicht der Kantaten Antonio Caldaras für das Kaiserhaus. Zur Datierung der Musikalien wurden die Angaben aus dem autographen Material, Zermonialprotokollen, Rechnungen, Inventaren und Bestandsverzeichnissen entnommen. Bei abweichenden Daten wurde die frühestmögliche Datierung in der ersten Spalte genannt; die exakten Datierungen wurden dem autographen Material entnommen, einige konnten nur mit Hilfe der Werkliste Caldaras von Simon von Molitor rekonstruiert werden. Titel und Titelzusatz beziehen sich auf die für die Arbeit herangezogenen Hauptquellen. Wenn kein Titel auf den Musikalien vermerkt ist, wurde ein Teil des Textincipits übernommen und mit [ ] versehen. Autographes Quellenmaterial wurde in der Spalte Hauptquelle kursiv gekennzeichnet. Der Vollständigkeit halber wurden bei den Signaturen des Archivs A-Wgm die Altsignaturen ergänzt (Beispiel: A-Wgm VI 16568 (15) [= Altsignatur] bzw. A 401 (15) [= neue Signatur]). Am Ende der Tabelle finden sich die undatierten Werke.

Titel / Titelzusatz

[Io soffrirò tacendo] / Cantata di Ant.o Caldara

[All’apparir di risplendente Aurora] / Cantata Undecima

[Arda il mio petto amante] / Cantata Di Antonio Caldara

[Cleopatra, ahi!] / Cantata Sesta

[Dall’onda che siegue] / Cantata Decima Terza

[E come Elisa amata] / Cantata Seconda

[Giunto è il giorno fatal] / Cantata Terza

[In onta a tuoi disprezzi] / Cantata Quarta

[Industriosa Fenice] / Cantata Set[t]ima

[Infausto punto] / Cantata Decima

Jahr / exakte Datierung

1712: 7.3.

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

Infausto punto! In cui m’entrò nel core

Industriosa Fenice sopra i monti

In onta a tuoi disprezzi

Giunto è il giorno fatal

E come Elisa amata

Dall’onda che siegue

Cleopatra, ahi! Mia Cleopatra

Arda il mio petto amante

All’apparir di risplendente Aurora

Io soffrirò tacendo

Textincipit

A, Bc

S, Bc

A, Bc

S, Bc

A, Bc

S, Bc

A, Bc

S, Bc

S, Bc

S, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (10) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (11)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (7) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (3)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (4) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (8)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (3) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (7)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (2)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (13) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (12)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (6) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (6)

A-Wn Mus. Hs. 17567 (5)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (11) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (9)

D-B Mus.ms.autogr. Caldara, A. 10 / A-Wn Mus. Hs. 17567 (2), B-Bc 24504

Hauptquelle / weitere Quelle(n) Autograph datiert aus Wien

Anmerkungen

Anhang II

411

Titel / Titelzusatz

[Mi tradisti Coralma] / Cantata Nona

[Partir tu vuoi da me?] / Cantata Quinta

[Qual lampo rapido] / Cantata Ottava

[Senti Filli incostante] / Cantata Di Antonio Caldara

[Son tradita] / Cantata Prima

[Sospira il Nume Apollo] / Cantata Duodecima

[Da te che pasci ognora]/ Cantata di Ant.o Caldara Ein später hinzugefügtes Titelblatt weist folgende Angaben auf: Originale / di / Antonio Caldara./ M. d. Capella della Corte a Vienna. / Nato 1671 + 1737 [sic!] / Cantata a Voce sola con Basso cont. Aus der Autographen-Sammlung / des Aloys Fuchs.

Cantata in risposta della gelosia in lontananza / di Ant.o Caldara

Jahr / exakte Datierung

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1712 (?)

1716: 22.7.

1716: 8.8.

Io crudele? Io tiranna? Ed io spietata?

Da te che pasci ognora

Sospira il nume Apollo

Son tradita, e lo scorgete

Senti Filli incostante

Qual lampo rapido

Partir tu vuoi da me? Falceste ingrato!

Mi tradisti Coralma?, e perché mai?

Textincipit

S, Bc

S, Bc

A, Bc

S, Bc

S, Bc

A, Bc

S, Bc

S, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16568 (12) bzw. A 401 (12) / D-MEIr Ed 118 r (8)

D-B Mus. Ms. Aut. Caldara A 7 / D-MEIr Ed 118 r (2)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (12) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (4)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (1)

A-Wn Mus. Hs. 17567 (8)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (8) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (2)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (5) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (5)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (9) / D-MÜs Sant. Hs. 754 (1)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Anmerkungen

412 Anhänge

La Rosa / Cantata di Antonio Caldara

[Scorre l’Istro festante] / Per il Glorioso Nome della S.ma Arciduchessa d’Austria Teresa. Cantata Con V.V. di Ant.o Caldara

[Misero pastorello] / Cantata Del Sig.r Ant.o Caldara

Trionfo d’Amore e d’Imeneo / Nello sposalizio di S.A. Elettorale Carlo Alberto Pnpe di Baviera, e di S. A. S. Maria Amalia Arciduchessa d’Austria Poesia del Sig.r Fran.co Fozio. Cantata a due voci con Istrum.ti Ant.o Caldara Vice Matro di Cap.a di S. M. C., e Catt.a

Come debba esser condotta una reciproca Simpatia / Cantata à voce Sola in Contralto con Scialmo. Trombone, e Fagotto Del Sig.r Ant.o Caldara, Vice Mstro di Capp.la di S.M.Ces.e Catt.a Nel Mese di Maggio 1726.

1716: 9.8.

1717 (?)

1718

1722: 5.10. 2

1726: Mai

Tu mi dimandi, Eurilla

Armi del dio guerriero

Misero pastorello

Scorre l’Istro festante

Al primo albore

Textincipit

A, Chal, Fg, A-Trb, Bc

S, A, 2Vl, Va, Bc

S, Bc

S, Vl, Bc

S, Bc

Besetzung

D-MEIr Ed 118q (1)

A-Wgm III 16138 bzw. A 394

D-MEIr Ed 118u (7)

A-Wgm 16567 (2) bzw. A 394 (2)

A-Wgm VI 16568 (15) bzw. A 401 (15) / H-Bb 1577b (1), B-Bc 15155 (32) 1

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

1 H-Bb 1577b (1), B-Bc 15155 (32) sind in RISM fälschlicherweise Emmanuele d’Astorga zugeordnet. 2 Hier nicht das Ende der Komposition, sondern das Aufführungsdatum genannt: »cantata a 5 8bre 1722«.

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

Textautor: Francesco Fozio

Textautor: Silvio Stampiglia

Autograph datiert aus Wien

Anmerkungen

Anhang II

413

Titel / Titelzusatz

[Crudele, se tu mi vuoi tradir] / Cantata del Sig.r Caldara

Pastorale à Due Voci Nigella e Tirsi / Si piglia in principe della nota favola di Progne e| Filomena Con Leuti, Scialmò Traversiere, due Fagotti e due Tromboni per Comando dell’| Augustissima Imperadrice Regnante L’Anno 1726 Poesia dell’Ab.e Giov. Claudio Pasquini La Musica di Ant.o Caldara Vice Mstro di Capp.la di S.M.Ces.a e Catt.a

[Dove sei, bella Clori, idolo mio?] / Cantata. Del Sig. Ant.o Caldara

[E ancora il mesto ciglio] / Cantata con Stromenti. Del Sig.r Ant.o Caldara.

[Povero Arsace] / Cantata Alto Solo con Istromenti del Sig:r Antonio Caldara.

[Stelle! Che udii?] / Cantata Alto Solo con Istromenti del Sig:r Antonio Caldara.

Jahr / exakte Datierung

1726

1726

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

Stelle! Che udii? Perder Arsinoe io deggio

Povero Arsace è vero

E ancora il mesto ciglio

Dove sei, bella Clori, idolo mio?

Sorta è già l’alba

Crudele, se tu mi vuoi tradir

Textincipit

A, 2 Ob, 2 Vl, Va, Vc, Fg, Bc

A, 2 Vl, Va, 2 Chal, Bc

A, 2 Vl, Va, Bc

S, Bc bzw. A, Bc

S, A, Fl, Chal, 2 Lt, 2 Fg, 2 A-Trb, Bc

A, 2 Vl, Va, Bc

Besetzung

D-MEIr Ed 118 t (4)

D-MEIr Ed 118 t (3)

D-MEIr Ed 118 t (2)

D-MEIr Ed 118 t (8) und 118u (2)

A-Wn Mus Hs 17645 / D-MEIr Ed 118q (2)

D-MEIr Ed 118q (3)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Textautor: Claudio Pasquini

Anmerkungen

414 Anhänge

Va al cieco baratro Vincesti, io son il reo Temi ingrato il mio Valore Germano il ricco suolo Trionfi il tuo desir sopra il mio scorno Popoli, amici, Atene Dammi l’arco Cupido bendato Piangerò sin ch’avrò vita Già che tiranno il fato

[Va al cieco baratro] / Cantata à Basso Solo, con V.V. unisoni. Del Sig.r Ant.o Caldara

Agesilao / Cantata 10.ma

L’Artabano / Cantata 3.a

Atalipa, e Doriene / Cantata a Due

Bajazet / Cantata 7.ma

Codro / Cantata 11.ma

Dammi l’arco Cupido bendato / Cantata. Del Sig.r Ant.o Caldara

Dario / Cantata 8.a

Epaminonda / Cantata 4.a

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

Tu parti, almo mio sol

[Tu parti, almo mio sol] / Cantata Alto Solo con Istromenti del Sig:r Ant.o Caldara.

1727 (vor)

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

B, Bc

B, Bc

A, 2 Vl, Bc

B, Bc

B, Bc

2 S, Vl, Fl, 2 Lt, Bc

B, Bc

B, Bc

B, 2 Vl, Bc

A, 2 Vl, Va, Bc

Besetzung

A-Wn Mus. Hs. 17603 (4) / D-MEIr Ed 118s (4)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (8) / D-MEIr Ed 118s (8), I-Bc DD.51 (14)

D-MEIr Ed 118 t (7)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (11) / D-MEIr Ed 118s (11)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (7) / D-MEIr Ed 118s (6)

A-Wn Mus. Hs. 16435 / D-MEIr Ed 118 t (1)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (3) / D-MEIr Ed 118s (3)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (10) / D-MEIr Ed 118s (10)

D-MEIr Ed 118 t (6)

D-MEIr Ed 118 t (5)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Anmerkungen

Anhang II

415

Insolito stupor m’ingombra il core Nell’estremo momento in cui sovrasta Ove l’altero Olimpo Il supremo poter, la forza il merto E forse questo, o Atene Se a morir tu mi condanni

L’Ercole / Cantata 2.da

Iuba / Cantata 12.a

L’Oronte / Cantata P.ma

Tamerlano / Cantata 6.a

Temistocle / Cantata 9.a

Il Tiridate / Cantata 5.a

[Amor, or mi mostra d’oro un crin] / Cantata à voce Sola Del Sig.r Ant.o Caldara

[Pianger sopra un estinto] / Cantata XII. Sig.r Caldara

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1727 (vor)

1728 (vor)

1728 (vor)

Pianger sopra un estinto

Amor, or mi mostra d’oro un crin

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

S, Bc

S, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

Besetzung

D-MEIr Ed 118 r (12)

D-MEIr Ed 118u (1)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (5) / D-MEIr Ed 118s (5)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (9) / D-MEIr Ed 118s (9)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (6) / D-MEIr Ed 118s (6)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (1) / D-MEIr Ed 118s (1)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (12) / D-MEIr Ed 118s (12)

A-Wn Mus. Hs. 17603 (2) / D-MEIr Ed 118s (2)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Anmerkungen

416 Anhänge

Vedrò senz’onde il Mare Porgete per Pietà

[Questo che all’erbe intorno] / Cantata Prima. Canto Solo, con due V.V. |di Ant.o Caldara.

[Vedrò senz’onde il Mare] / Cantata 2.da Con due Violini. di Ant.o Caldara Alto solo.

[Porgete per pietà] / Cantata 3.a Con Violino, e Violoncello. Canto solo. di Ant.o Caldara.

[Traditor, che già spezzasti] / Cantata quarta, con Strumenti, a Canto Solo. di Ant.o Caldara

[Vicino a un rivoletto] / Cantata Quinta, Alto solo, con un’Aria di Violino solo, e l’altra Violoncello di Ant.o Caldara

[Ingrato! E perché mai?] / Cantata 6.a in Soprano, Con Strum.ti di Ant.o Caldara

1729: 30.5.

1729: 31.5.

1729: 1.6.

1729: 2.6.

1729: 3.6.

1729: 4.6.

Ingrato! E perché mai?

Vicino a un rivoletto

Traditor, che già spezzasti

Questo che all’erbe intorno

Vieni o compagna e coll’eburnea mano

Festa di Camera per Introduzione al Ballo da Rappresentarsi dalle Serenissime Arciduchesse nel prossimo Carnevale Dell’anno 1728 / La Poesia del Sig.r Claudio Pasquini Abbte La Musica del Sig.r Ant.o Caldara Vice Mstro. di Capp.la di S. M. C.e Catt.a

1728

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

S, 2 Vl, Va, Bc

A, Vl, Vc, Bc

S, 2 Vl, Bc

S, Vl, Vc, Bc

A, 2 Vl, Bc

S, 2 Vl, Bc

2 S, Vl, Vc, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16571 (9) bzw. A 402 (9) / GB-Lcm 104 (6)

A-Wgm VI 16571 (1) bzw. A 402 (1) / GB-Lcm 104 (5)

A-Wgm VI 16571 (10) bzw. A 402 (10) / GB-Lcm 104 (4)

A-Wgm VI 16571 (4) bzw. A 402 (4) / GB-Lcm 104 (3)

A-Wgm VI 16571 (6) bzw. A 402 (6) / GB-Lcm 104 (2)

A-Wgm VI 16571 (5) bzw. A 402 (5) / GB-Lcm 104 (1)

D-MEIr Ed 118l XI 4681|V NHs 23

Hauptquelle / weitere Quelle(n) Textautor: Claudio Pasquini

Anmerkungen

Anhang II

417

Mentre tra balze e rupi Ascolta, o Dafni bella! In un antro solingo d’appio fiorito Vogliono i Numi

Il lamento d’Orfeo / Cantata 7.ma a Basso solo Con Strum.ti di Ant.o Caldara.

I sospiri d’Apollo / Cantata 8.a Alto Solo Con Un Violino di concerto, e Ripieni di Ant.o Caldara

[In un antro solingo] / Cantata 9.na Canto solo, con Violini e Violoncello. di Ant.o Caldara

La partenza d’Ulisse / Cantat 10.a a Basso Solo, con Strum.ti di Ant.o Caldara

[La di parnasso] / Cantata Duodecima Canto Solo con arie Una a Violino solo, e l’altra con Violoncello. di Ant.o Caldara

[Vola al mio bene in seno] / Cantata Undecima Alto solo Con Un Violino di Concerto, e ripieni. Di Ant.o Caldara

La Garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore / In festeggiare il Gloriosissimo Nome della S. C. C.R.M. di Elisabetta Christina Imperadrice Regnante. Cantata, con V.V. Uni.ni di Ant.o Caldara

1729: 6.6.

1729: 7.6.

1729: 8.6.

1729: 9.6.

1729: 10.6.

1729: 10.6.

1729: 14.11.

Ogni cor sta in gioia e in festa

Vola al mio bene in seno

La di parnasso

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

S, Vl, Bc

A, 2Vl, Va, Vc, Bc

S, Vl, Vc, Bc

B, 2 Vl, Va, Bc

S, Vl, Vc, Bc

A, 2 Vl, Va, Bc

B, 2 Vl, Va, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16138 (3) bzw. A 394 (3)

A-Wgm VI 16571 (8) bzw. A 402 (8) / GB-Lcm 104 (111)

A-Wgm VI 16571 (3) bzw. A 402 (3) / GB-Lcm 104 (12)

A-Wgm VI 16571 (12) bzw. A 402 (12) / GB-Lcm 104 (10)

A-Wgm VI 16571 (2) bzw. A 402 (2) / GB-Lcm 104 (9)

A-Wgm VI 16571 (7) bzw. A 402 (7) / GB-Lcm 104 (8)

A-Wgm VI 16571 (11) bzw. A 402 (11) / GB-Lcm 104 (7)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Anmerkungen

418 Anhänge

Di quel sol che ai suoi splendori

Dei piaceri messagiera Dolce sonno tu spiegasti

L’oro / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Tirsi geloso / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

La primavera / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Sogno / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Tirsi nel p[ri]mo Amore / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Dell’amorosa stella gia cadente] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Giunto al meriggio il sole] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Prima assai d’Aci Polifemo] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

I sospiri d’Apollo / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

1730: 2.7.

1730: 3.7.

1730: 4.7.

1730: 4.7.

1730: 5.7.

1730: 9.7.

1730: 10.7.

1730: 12.7.

1730: 13.7.

Ascolta, o Dafni bella

Prima assai d’Aci Polifemo

Giunto al meriggio il sole

Dell’amorosa stella gia cadente

Per me fù caro un di

Se si dasse, o bella Clori

Alle vicende infide di varia sorte

La virtù / Cantata Prima

1730: 29.6.

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16567 (5) bzw. A 403 (5) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (10)

A-Wgm VI 16567 (4) bzw. A 403 (4) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (9)

A-Wgm VI 16567 (3) bzw. A 403 (3) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (8)

A-Wgm VI 16567 (2) bzw. A 403 (2) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (7)

A-Wgm VI 16567 (1) bzw. A 403 (1) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (6)

D-B Mus. Ms. Autogr. Caldara, A. 14/ A-Wn Mus. Hs. 17580 (4)

US-PHhs Gratz Collection Case 13/ A-Wn Mus. Hs. 17580 (5)

A-Wgm A 403a/ A-Wn Mus. Hs. 17580 (3)

S-Smf MMS 375 / A-Wn Mus. Hs. 17580 (2)

A-Wn Mus. Hs. 17580 (1)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Autograph datiert aus Casalmaggiore

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Anmerkungen

Anhang II

419

Titel / Titelzusatz

[Porgete per pietà] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Sento nel petto mio un dolor / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Aura de miei respiri] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

La partenza d’Ulisse / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Il Lamento d’Orfeo / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Che dite, o miei pensieri?] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Ombre amiche, o pachi orrori] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Numi, aita! Oh, che tormento!] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Amar, ne più poter] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

[Perché sospiri, o core] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Jahr / exakte Datierung

1730: 15.7.

1730: 16.7.

1730: 19.7.

1730: 20.7.

1730: 21.7.

1730: 22.7.

1730: 24.7.

1730: 24.7.

1730: 25.7.

1730: 26.7.

Perché sospiri, o core

Amar, ne più poter l’amata

Numi aita! Oh, che tormento!

Ombre amiche, o pachi orrori

Che dite, o miei pensieri?

Mentre tra balze e rupi

Vogliono i numi

Aura de miei respiri

Sento nel petto mio un dolor

Porgete per pietà qualche segno

Textincipit

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16567 (14) bzw. A 403 (14) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (20)

A-Wgm VI 16567 (13) bzw. A 403 (13) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (19)

A-Wgm VI 16567 (12) bzw. A 403 (12) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (18)

A-Wgm VI 16567 (11) bzw. A 403 (11) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (17)

A-Wgm VI 16567 (10) bzw. A 403 (10) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (16)

A-Wgm VI 16567 (9) bzw. A 403 (9) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (15)

A-Wgm VI 16567 (8) bzw. A 403 (8) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (14)

F-Pn Ms 1677/ A-Wn Mus. Hs. 17580 (3)

A-Wgm VI 16567 (7) bzw. A 403 (7) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (12)

A-Wgm VI 16567 (6) bzw. A 403 (6) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (11)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Autograph datiert aus Casalmaggiore

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Anmerkungen

420 Anhänge

Titel / Titelzusatz

[Che sarà mai di me, numi tiranni] / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Orfeo amante infelice / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Titano all’inferno

Il lamento d’Oeta nel ratto di Medea / Cantata Basso solo di Ant.o Caldara

Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio / Festa di Camera a due Voci da cantarsi il Giorno del Felicissimo Nome di sua Altezza| La Sereni.ma Arciduchessa Maria Teresa Infanta di Spagna Nell’Anno 1730 Cantano la Vera Disciplina Soprano. Il Genio Contralto. Musica di Me Ant.o Caldara

[Germana: il dì che splende] / Cantata a due Voci per Servizio delle Seren.me Arciduch.e Cantano le med.me in Persona loro.

[Egli è pur dolce amor] / Cantata del Sig. Antonio Caldara

[Che pretendi Amor tiranno] / Cantata a Voce Sola di Ant.o Caldara

Jahr / exakte Datierung

1730: 29.7.

1730: 4.8.

1730: 19.8.

1730: 20.8.

1730: 8.10.

1730: 11.10.

1732: 20.4.

1732: 3.5.

Che pretendi Amor tiranno

Egli è pur dolce amor

Germana: il dì che splende

Sieguimi, genio amico

Saprò spergiura a tuo malgrado

Cessate inique furie

Ahi! Chi di nuovo al guardo

Che sarà mai di me, numi tiranni

Textincipit

S, Bc

S, Bc

2 S, Vl, Bc

2 S, 2 Vl, Va, Fg, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

B, Bc

Besetzung

A-Wgm VI 16570 (8) bzw. A 404 (8)

A-Wgm VI 16570 (10) bzw. A 404 (10)

A-Wgm III 15999 (3) bzw. A 398 (3) / A-Wn Mus. Hs. 17644

A-Wgm III 15999 (2) bzw. A 398 (2) / A-Wn Mus. Hs. 17626, A-Wn Mus. Hs. 17663 (1)

A-Wgm VI 16567 (18) bzw. A 403 (18) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (24)

A-Wgm VI 16567 (17) bzw. A 403 (17) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (23)

A-Wgm VI 16567 (16) bzw. A 403 (16) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (22)

A-Wgm VI 16567 (15) bzw. A 403 (15) / A-Wn Mus. Hs. 17580 (21)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Textautor: Giovanni Battista Catena

Textautor: Claudio Pasquini; 1735 noch einmal aufgeführt, daher datiert die Kopie A-Wn Mus. Hs. 17663 (1) aus dem Jahr 1735.

Autograph datiert aus Casalmaggiore

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Autograph datiert aus Casalmaggiore

Anmerkungen

Anhang II

421

Che giova il sospirar, povero core Misera me! Dove n’andò l’oggetto

[Colei ch’adoro] / Cantata Canto Solo di Ant.o Caldara

[Su l’ali de sospiri] / Cantata di Ant.o Caldara

Oh del romano impero / Cantata a Canto Solo con V.V. Trombe e Timpani. di Ant.o Caldara

[Che giova il sospirar] / Cantata di Ant.o Caldara

[Misera me!] / Cantata di Ant.o Caldara

[Al bel pianto di Nice] / Cantata quarta

A voi luci adorate / Cantate del Sig.re Antonio Caldara Cantata Prima

1732: 29.11.

1732: 1.12.

1733: 31.10.

1734: 17.2.

1734: 19.2.

o. J.

o. J.

A voi luci adorate

Al bel pianto di Nice

Oh del romano impero

Su l’ali de sospiri

Colei ch’adoro ahime piena di sdegno

Tempo distruggitor: dov’è l’orgoglio

[Tempo distruggitor] / Cantata Alto solo Con Strum.ti, Clarini, Trombe, e Timpani, di Ant.o Caldara Per servizio di Tavola il giorno glorioso di S.ta Elisabetta l’anno 1732 Per il Sig. Gaetano

1732: 14.11.

Textincipit

Titel / Titelzusatz

Jahr / exakte Datierung

S, Bc

S, Bc

S, 2 Vl, Fl, 2 Lt, Bc

S, Fl, Vl, 2 Lt, Bc

S, 2 Vl, Va, 2 Clno, 2 Tr, Timp, Bc

S, Bc

S, Bc

A, 2 Vl, 2 Clno, 2 Tr, Timp, Bc

Besetzung

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (1)

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (4)

A-Wgm VI 16570 (5) bzw. A 404 (5)

A-Wgm VI 16570 (6) bzw. A 404 (6)

A-Wgm VI 16570 (1) bzw. A 404 (1)

A-Wgm VI 16570 (9) bzw. A 404 (9)

A-Wgm VI 16570 (7) bzw. A 404 (7)

A-Wgm VI 16570 (3) bzw. A 404 (3)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Autograph datiert aus Wien

Autograph datiert aus Wien

Anmerkungen

422 Anhänge

Titel / Titelzusatz

[Occhi, che vi dirò] / Cantata Sesta

[Se bene a me non pensi] / Cantata terza

[Tiranne del mio cor] / Cantata Seconda

[Versai delle pupille] / Cantata Quinta

Jahr / exakte Datierung

o. J.

o. J.

o. J.

o. J.

Versai delle pupille

Tiranne del mio cor passioni ingrate

Se bene a me non pensi

Occhi, che vi dirò mentre con voi

Textincipit

S, Bc

S, Bc

S, Bc

S, Bc

Besetzung

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (5)

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (2)

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (3)

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (6)

Hauptquelle / weitere Quelle(n)

Anmerkungen

Anhang II

423

424

Anhänge

Anhang III: Texttranskriptionen des Wiener Repertoires Die folgenden Transkriptionen basieren auf den Texten, die mit den Musikalien überliefert sind. Die Kantatentexte sind alphabetisch nach ihrem Titel bzw. nach ihrem Textincipit geordnet, wenn kein eigenständiger Titel vorliegt. Dabei wurde eine Trennung nach Solokantaten und Kantaten für zwei Stimmen vorgenommen. Die jeweiligen Kopfzeilen über den Transkriptionen informieren über den Standort der Musikalie, über die Besetzung und den Zeitpunkt der Entstehung. Die Textwiedergabe folgt der geregelten Kleinschreibung, lediglich der erste Buchstabe der jeweiligen Verszeile ist groß gehalten. Unsichere, aber wahrscheinliche Lesungen werden durch 〈 〉 kenntlich gemacht. Der Text der Arienstrophen wurde eingerückt und das Da capo vermerkt. Solokantaten Agesilao Cantata 10.ma

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Vincesti. Io son il reo. Già non m’assolvo D’ucciderti tentai, Serse il confesso Sollecito fu il colpo, invitto il core Generoso il mio braccio alla vendetta Ma deluso il pensier l’alma confonde Se ancor respira ingrato Entro in quel petto un core empio, e spietato. Detestabile esempio Di funesta miseria, e di dolore Mardonio nel suo sangue Or giace al suolo esangue E tu barbaro intanto nel mio duolo Ergi le tue vittorie, e la tua spene Trionfi di mie angoscie, e di mie pene.

A-Wn Mus. Hs. 17603 (10)

Anhang III

Fiero oggetto Sempre sei del mio furor A dispetto Di quel fato che spietato L’alma ingombra di dolor. Mi vuoi morto? Sì crudele Morirò speralo iniquo, Dal mio intrepido valor. (Da capo) Da fine empio, e spergiuro nel mio petto Al tuo fasto al tuo orgoglio al tuo furore Ammorza nel mio sangue Tirannico il desir di vendicarti Dammi un supplicio in dono Sfoga tutto il mio sdegno, e ti perdono Importuna pietà per me non splendi, E incauta non sospendi Un colpo a me glorioso, e di tue schiere Esposta alle perfidie Spiri quest’alma indegna, e a te si dia Di compir l’opra, e la vendetta mia. Audace altero Fu il mio pensiero Ma l’alma in petto A tuo dispetto Costante sarà. Il colpo audace Reso fallace Mi fece indegno! Reo del tuo sdegno Di tua crudeltà. (Da capo)

425

426

Anhänge

Al bel pianto di Nice S, Bc

Al bel pianto di Nice Non prestar fede, o cor: poiché se spesso Nasce dall’amoroso ardente affanno. Spesso è mendace, e figlio e dell’inganno. Crudel non già pietosa Qual ti sembra, e quell’alma, Che il foco sente, e con pupille infide Il pargoletto ardor nell’acque uccide. Per farti naufragare in mar di pene Sa con arte ribelle Turbare i lumi, e poi svegliar procelle. Fulmina il guardo, e piace Se nudo arcier l’avventa Non piace, ma tormenta Se il pianto, e traditor. Ha in sen d’amor la face Beltà, che mira e alletta Lacrima per vendetta Un occhio ingannator. (Da capo) Non per pietà, dell’amorose piaghe Stillar pioggie di duol pupille vaghe. È ver ch’un dì cangiossi in pioggia d’oro Per bella prigioniera il re de numi; Che nel mar vener nacque entrò le sponde; È ver che si può spesso crede amor Di due bel’occhi all’onde. Ma per prova di Nice Copron l’interno sdegno Col lacrimar due luci menzognero: Che se d’amore ardesse, ai sguardi, ai vezzi

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (4)

Anhang III

Dovria far pompa nell’ardor che nacque L’elemento del foco, e non dell’acque. No creder no se miri Due pupillette a piangere Povero amante cor perché t’inganni. Son vani i tuoi sospiri Se accresce, e non può frangere Mentito, e rio dolor tuoi duri affanni. (Da capo)

All’apparir di risplendente Aurora Cantata Undecima

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

All’apparir di risplendente Aurora Spunta dal verde stelo il gelsomino, E appena pompa fa di sue bellezze, Che Fillide si adorna il bianco petto, Ove nutre ogni grazia ogni diletto. Ma incauto quanto sei candido fiore, Se credi di trovar fra quelle nevi Ristoro alle tue fiamme, Ben presto proverai l’ardor vorace Di un foco ch’ogni cor divora e sface. Gelsomino candidetto Non t’alletti semplicetto Di quel seno il bel candor. Tra le nevi di quel petto V’è nascosto orgogliosetto Di Cupido il fiero ardor. (Da capo)

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (11)

427

428

Anhänge

Ma quanto più felice amato fiore Tu sei di questo core Se in tanti tuoi tormenti Provi fra que’ splendori Il piacer di tua speme aspri martori. Sol io sospiro, e peno E al campeggiar di quel eburneo seno Sento che l’alma mia S’affanna dal dolore, E accesa da l’ardore Di tanto amaro foco Si va mesta struggendo a poco a poco. Son come farfalletta Intorno al vago lume, Che gira semplicetta E in fine a morte va. Qual fida navicella Fra l’orrida procella Ondeggia incauto il core Senza sperar pietà. (Da capo)

Amar, né più poter B, Bc

25. Juli 1730

Amar, né più poter L’amata sua veder, Oh dio che pena. Tal pena mai provò Chi stretta al piè portò Servil catena. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (13) bzw. A 403 (13)

Anhang III

Irene, idolo mio, Già che da te lontano Sfogar teco non posso i dolci accenti, Li fido all’aure e li consegno ai venti. A lei dunque voi gite E alla mia bella dite Che mi riserbi intatto Quel sen che mi donò; Né porga ad altro amante Quel labbro che il mio labbro un dì baciò. Ditele che se bene Ella il mio cor non vede, Spasimo per suo amor, Ma più per il timor della sua fede E che se vuol ch’io muora Basta ch’ella mi dica: Altri m’adora. Che sia spento il dì sereno Di scherzar nel tuo bel seno Leggier pena al cor mi dà. Bramo sol di morir pria Che in te alligni, anima mia, Un pensier d’infedeltà. (Da capo)

Amor, or mi mostra d’oro un crin Cantata XII.

aus: VIII CAN :TA TE DEL SIG CALDA RA

S, Bc

∼ 1728

Amor, or mi mostra d’oro un crin, Or un labro di rubin, Per farmi amar.

D-MEIr ED 118u (1)

429

430

Anhänge

Poscia un bel sen, D’occhio nero indi il seren, E mi dice, che felice Non saprò, cos’è penar. (Da capo) Mi piace un crin, un labro, un seno, un ciglio, Ma come leghi un crine, Come ferisca un labro, Come ch’un sen di neve abbrucci, e come D’un occhio al bel splendor agghiacci un core, Nella scuola d’amore Tant’ancor non appresi, e pur ogn’ora Sento di mille amanti Narrar i lacci, i stral, il foco, il gelo, Di Clori ammiro La beltà, e si mi piace, Né intendere poss’io, Come che piacci un volto, E che si peni, e com’il godimento D’una rara beltà sia di tormento. Non provo pene Di foco, o di gel, Non so di catene Non so di penar. Un volto, ch’è bel, Mi piace, e m’alletta, E quel che diletta Non fa sospirar. (Da capo)

Anhang III

Arda il mio petto amante Cantata di Antonio Caldara

Aus: Collectio operum musicorum a diversis auctoribus compositorum, quae »cantate« nuncupantur. Viva voce comitante clavichordio decantanda. Clavichordium comitans basso numerato notatur

S, Bc

1712 (?)

Arda il mio petto amante Olocausto fedel di quella diva, Di cui racolse il sen dolce, e pietoso Il cor, che mi rapì col suo bel ciglio; Arda però si accorto e rispettoso Che de l’ardor non scopra vampa alcuna; Perché spinte de facili impacienze Mai giovano al amore l’apparenze. Quella fiamma che risplende Troppo offende Alla gloria de l’amor. Perché il cor che il ben non tace Poi soggiace All’invidia ed al timor. (Da capo) Non è dunque d’amor trionfo o diletto Vantar gl’acquisti e publicar le glorie, Perch’oltre che d’amore le fortune Seguitano al felice più che al degno Quel che amato non tace E comparire studia favorito Ingrato alla pietà d’un fido core Pospone un degno amor al proprio amore. Trova nell’idol mio Un bene il mio desio Maggior di quel che brama.

A-Wn Mus. Hs. 17567 (5)

431

432

Anhänge

Perciò fedel mio petto Non vuole no diletto Fuor del bell’idol che ama. (Da capo)

L’Artabano Cantata 3.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Temi ingrato il mio valore, Dal mio braccio indegno aspetta Stragi, morte, ira e vendetta Sopra il barbaro tuo cor. Del tuo fasto il fiero orgoglio Vedrò estinto, e in quel tuo petto, D’empietade aspro, ricetto Farà pompa il mio furor. (Da capo) Ah spergiuro Fraate, è forse questa La dovuta mercede al mio valore? Artabano fra ceppi? Scopo dell’ira tua? Numi e ancor vivo? Chi fe libero altrui di vita privo? Indegno, e perché mai? Di tua giurata fe mancarmi iniquo! Rammentati che il sangue Sparso con tanto ador da questo petto Fu la sola cagion de tuoi contenti; E questo braccio invitto, e generoso Ch’ora vive tra ceppi, e fra ritorte Dandoti a vita, non ti tolse a morte? Quel scettro in cui s’innalza Ogni vana ambition de tuoi pensieri

A-Wn Mus. Hs. 17603 (3)

Anhang III

Artabano tel diede, e tu protervo In tenebrosa carcere m’annodi, E negandomi Elisa, il sol mio amore Operi da qual sei, da un traditore. Devo morir. . . spietato! Tutto furia e tutto sdegno Nell’ombroso, e fosco regno Vendicarmi io ben saprò. No, non teme il mio valore Del tuo cor l’aspro furore, Da gli Elisi ombra funesta Ben a te ritornerò. (Da capo)

Aura de’ miei respiri B, Bc

19. Juli 1730

Aura de’ miei respiri Io ti chiamai, fedele, Cagion de’ miei sospiri Io ti dicea, crudele, Ma s’ingannò il mio core Dal tuo, ch’è traditor. Fingesti dispietata D’essere innamorata Per dileggiar l’amore, Riderti al mio dolor. (Da capo) Furia non v’è, né mostro Di spaventoso orrore Quanto un ingrato core? Bugiarda, menzognera Vanne pur vanne e altrove Porta i tuoi tradimenti.

F-Pn Ms 1677

433

434

Anhänge

Ma se giurar d’amor io mai t’udissi Perfida ti dirò, va’, che tu menti. Il tuo volto infida ingrata, Vedrà il mio sì dispietata, Sol rigori fulminar. Risanata è la ferita D’altro amor che già m’invita Tutto ardore a trionfar. (Da capo)

A voi luci adorate S, Bc

A voi luci adorate, Del volto del mio ben faci ridenti Che il mio foco accendeste, io chiedo aita Sanar la mia ferita Col balsamo vital de vostri sguardi, Sol tocca a voi che ne vibraste i dardi Non pensò nel mirarvi Al vostro gran poter l’alma innocente: E mio l’incendio e del mio cor la piaga; Ma la cagion voi siete: Al vostro lampeggiar si vago, e forte Il languire per voi mi cadde in sorte. Basta, per consolarmi D’un vostro sguardo amante Un raggio di pietà Cari begl’occhi. Potete risanarmi Lo chiede il Nume infante:

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (1)

Anhang III

Più stral la crudeltà, Da voi non scocchi. (Da capo) Nel ciel dell’idol mio voi siete stelle: E rie comete ancor ma troppo belle. Scintillar come soli Di saette scoccar tempeste all’alma Pupilette vezzose, e pregio vostro: Ma più bel vanto è poi, Se il ristoro e il seren pur vien da voi. Se infiamma e diletta E cara, e mi piace La face d’amor. Quel dardo che alletta Fa dolce il tormento Che io sento nel cor. (Da capo)

Bajazet Cantata 7.ma

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Trionfi il tuo desir, sopra il mio scorno, Barbaro! Iniquo! Ingrato! Ancor sazio non sei di tormentarmi? Mostro di fellonia, Centro di crudeltà, di tirannia. Vittima al tuo furor, tra ceppi avvinto, Ludibrio di tue squadre al suol prosteso, Dimmi più che pretendi? La vita, il sangue mio, l’anima il core? Qual rispetto tel vieta? Ecco il mio petto Sfoga iniquo, il tuo sdegno il tuo dispetto.

A-Wn Mus. Hs. 17603 (7)

435

436

Anhänge

Sazia ingordo nel mio sangue Di vendetta il tuo furor. Vedrai il corpo mesto esangue, Ma quest’alma tutta ardor. (Da capo) Sì: quest’alma languente Di una morte crudel non teme l’ire Detesto il vano orgoglio Di tua mente proterva, empia, tiranna, Che a disprezzi, ed ingiurie mi condanna. Misero Bajazet, ahi stelle infauste: Vilipeso, e deposto Dall’invincibil suo glorioso impero: M’agita il reggio petto un giusto sdegno E pria che il duol m’uccida, e mi divori Deludermi io saprò di un empia sorte Con disperata, e ignominiosa morte. Vivi superbo, e vanta L’orgoglio del tuo cor Perfido traditor Di mia grandezza. Trovar saprò una morte Fra l’empie tue ritorte Sottrandomi al furor Di tua alterezza. (Da capo)

Anhang III

Cantata in risposta della gelosia in lontananza [Io crudele? Io tiranna?] S, Bc

Aus: 20 Cantaten a Voce Sola col Basso continuo com. di Antonio Caldara Partitura autographa 1710–1716 8. August 1716

Io crudele? Io tiranna? Ed io spietata? Deliri, o pur vaneggi Perfido ingannatore; Fosti tu ch’al mio amore Giurasti fedeltade E poi senza pietade Volgesti l’empio cor ad altro oggetto, Ed io restai schernita e abbandonata, Menti dunque, che sia Io crudele, io tiranna, ed io spietata. Non trovo fedeltà Amor non hai per me Ahi falso mentitor. Sei privo di pietà Il cor fedel non è Crudele ingannator. (Da capo) Si ch’io più tua non sono Si che ad altri volgei Il mio cor la mia fe gl’affetti miei Onde per tuo tormento E per dar al tuo cor doppie le pene Corro, volo al mio bene, Mentre al fin lo trovai Assai di te più fido E scherzando con lui, di te mi rido. Dunque in colpa l’incostanza Ne lagnarti dei di me.

A-Wgm VI 16568 (12) bzw. A 401 (12)

437

438

Anhänge

Se lo sdegno in me s’avanza Mancamento è di tua fe. (Da capo)

Che dite, o miei pensieri? B, Bc

22. Juli 1730

Che dite, o miei pensieri? Devo amar Filli, o pure Devo dal cor scacciarla? Se intraprendo ad amarla Mille amorose cure M’ingombrano la mente E poi chi sa se la crudel v’assente. De’ miei sospiri in sì dubbioso stato Sento e non sento amor, pur son piagato. Vorrei dal petto Sbandir l’affetto Ma il cor mi dice Che non si può. Con le faville Di sue pupille Già vincitrice Filli il piagò. (Da capo) Dunque, che far dovrò, Povero amante core? Di viver sosterrai più lungamente E non scoprir l’amore? Sì sì, devi tacer, questa è la pena Che ti prescrive Filli e che pur io, Amante sì, ma rispettoso ancora, A te dirò cor mio

A-Wgm VI 16567 (10) bzw. A 403 (10)

Anhang III

Che per amarla degnamente è duopo Esser de’ cenni suoi sol meta e scopo. Con qualche stilla Di pianto solo, Con un sospiro Pieno di duolo Chiedi pietà. Ma la favilla Che t’arde e cruccia Senza respiro Se ben t’abbruccia Svelar non sa. (Da capo)

Che giova il sospirar S, Fl, Vl, 2 Lt, Bc

17. Februar 1734

Che giova il sospirar, povero core, Se l’alma rea tenace Di quel crudel, che ti rapi la pace, A tormentare avvezza, Di te non cura, ti deride e sprezza. Misera: qualor si avvede Dell’angoscioso affanno, Che ai gravi 〈moti〉 tuoi più forza accresce, Simulando pietà sol per inganno Semi〈. . . 〉 si dimostra al tuo dolore. Che giova il sospirar povero core? Struggi d’amore il nido, E ricomponi l’alma Che la perduta calma Vedrai tornare in te.

A-Wgm VI 16570 (6) bzw. A 404 (6)

439

440

Anhänge

Ascolterai l’infido Col piè nel tuo periglio Colmo di pianto il ciglio Addomandar mercè. (Da capo) Ma tu risisti ancora Nel mal che ti adolora, e ti dispiace Struggere amor per acquistar la pace. Povero cor, che fai? Pensa a te stesso Languir sempre in affanno, Amar il suo tiranno, Portar il giogo della rea catena, Viver con onta, e pena Senza sperar giammai Un sol momento di respiro! Oh dio! Pensa che fai! Non t’ostinar cor mio. Mio povero core Risolviti ormai: Che cosa è l’amore Lo vedi lo sai Ne provi l’affanno Ne senti il dolor. Se pace ti chiama Perché non rispondi? Più che ha ti brama Tu più ti confrondi. Ne scopri l’inganno Mio povero cor. (Da capo)

Anhang III

Che pretendi Amor tiranno S, Bc

3. Mai 1732

Textautor

Giovanni Battista Catena

Che pretendi Amor tiranno Con quell’arco, e quelli strali? Io lo so vorresti togliere Al mio cor la libertà. Tendi invano a danno mio Strali, ed arco, o cieco dio Io non so lasciarmi vincere Dal poter d’una beltà. (Da capo) I tuoi trionfi, o Amore I dolci inganni, e i lusinghieri incanti Invan meco tu vanti. Vane sono con me quell’alte prove D’aver tratti al tuo impero e tanti numi, E sia l’istesso Giove Quell’amorose stille Che de seguaci tuoi spremi dal cuore, Non mi fanno pietà, ne fan timore. Tu, su gli affetti miei, su miei desiri Non dei 〈contar da〉 libertade, e in pace Lasciarmi il cor . . . . Che parlo? Questi affetti che son? . . . Ahimè, son figli Di te tiranno Amor! . . . . Amo, e m’avveggio (misero insieme, e stolto) Che mentre amor voglio scacciar dal petto, Ei con più rio veleno Quest’alma uccide, e mia ragion vien meno. Ti fuggo, o nume arciero, Ti temo al par di morte,

A-Wgm VI 16570 (8) bzw. A 404 (8)

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Anhänge

Tu vuoi d’ogn’alma forte Barbaro trionfar. Incauto è quel nocchiero Che certo del periglio Espone il suo naviglio Nell’onde a naufragar. (Da capo)

Che sarà mai di me, numi tiranni B, Bc

29. Juli 1730

Che sarà mai di me, numi tiranni! Sempre in continui affanni Sta involta l’alma mia; Così che meglio fia Ch’io viva nella selva E colà me ne stia sempre celato Per poscia pianger sempre Il miserabil mio penoso stato. Così dunque sì farò, Me n’andrò Nella selva a lagrimar. E ben ivi resterò E dirò Che non giova a me il sperar. (Da capo) Vana lusinga inver è la speranza; Li giorni che m’avanza Col pianto mio starò in selva e in bosco E passando così li giorni miei Dirò sempre al mio cor: sperar non dei.

A-Wgm VI 16567 (15) bzw. A 403 (15)

Anhang III

Parto senza sperar, Vado per lagrimar Le mie sventure. Almen lontan sarò E solo soffrirò Le rie sciagure. (Da capo)

Cleopatra, ahi! Cantata Sesta

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

Cleopatra, ahi! Mia Cleopatra, Anima del mio core, E come mai regnar vi può in quel petto Centro d’ogni bellezza Strazzio rigor disprezzo e rigidezza? Oh dio! V’ogn’or temendo Di perderti mia vita; Se con stragge inaudita Mi sprezzio mi deridi, E all’or quando sospiro, e per te moro Crescendo tu mi vai l’aspro martoro. Sei priva di pietà Ma solo crudeltà Vi regna nel tuo cor. Potessi dir almeno Piango sospiro e peno Per te mio dolce amor. (Da capo)

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (6)

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444

Anhänge

Ma prima che quest’alma In disperata calma Passi, fra l’ombre nere, e negli elisi, Quella mercè ricevi Che da te mai non ebbi Ascolta almeno senti Le mie fide proteste, E del mio amor le smanie, ed i tormenti T’amai fedele in vita E doppo morte ancora Sarò de tuoi bei lumi acceso amante: Ombra fedel errante Bacierò quel bel viso, Che sembra un paradiso Di grazia, e di splendore, Ma un inferno di pene, e fiero ardore. Non val beltà Che priva di pietà Non dona a un cor amante Il premio del suo amor E il sprezzare ogn’or la fe, Che il mio cor serba per te Non è parto di dolcezza Solo effetto del rigor. (Da capo)

Codro Cantata 11.ma

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Popoli. Amici. Atene. Addio vi lascio, L’anima, il sangue, il scettro, augusto il soglio Per vostra gloria oggi consacro invitto,

A-Wn Mus. Hs. 17603 (11)

Anhang III

Vado a morir, provido il nume chiede Vittima alla vittoria un reggio core Guerriera un’alma, ed un sublime amore. Più non si tardi il corso al vostro ardire Uccidetemi o cari, e sia mio vanto Di morire fedele al vostro pianto. Il sangue spargerò la vita il core L’anima spirerò per vostro amor. Di morte non m’ingombra un vil timore A voi consacro il spirto, e il mio valor. (Da capo) Non più Codro s’uccida Generosi vi scorga il mio desire, Ma oh dio, qual codardia Scuopro ne’ vostri petti Dunque perisca Atene! ahi qual tormento! Qual funesto dolor nel petto io sento. Ah! Tiranni crudeli Ben presto mi vedrette Fra le squadre nemiche, e tra i Doriesi Ricever quella morte Che con infausta sorte Voi mi negate, infidi, e veda Atene Fuori d’ogni timor, priva di pene. Non profani empio dolor Di mia morte il bel splendor V’apra il varco alla vittoria La grandezza, e non viltà. Viva Atene, e il vostro re De’ nemici estinto al piè Mora invitto e col suo sangue Doni a voi la libertà. (Da capo)

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Anhänge

Colei ch’adoro S, Bc

29. November 1732

Colei ch’adoro, ahi me piena di sdegno I miei prieghi rifiuta; I pianti miei non cura; Se l’incontro mi fugge, Se parlo mi deride; Dopo si tempestosa aspra procella Splenderà mai per me benigna stella? Si dimostra ancor ritrosa All’amante uscignoletto La sagace sua compagna, Che sen fugge qua, e la. Ma alla fin tutt’amorosa Vola in contro al suo diletto, E in vedendo che si lagna Più resistere non sa. (Da capo) Fortunate mie pene Felici pianti miei! Se potessi sperar, che quest’ingrata In parte radolcisce il suo rigore, E rendesse men dure Dell’afflitto mio cor l’alte sventure. Pien di procelle Miressi il mare E l’onde amare Fino le stelle Sembian toccar. Ma poi si calma Onde il nocchiero L’afflitta salma

A-Wgm VI 16570 (7) bzw. A 404 (7)

Anhang III

Spera nel porto Di ristorar. (Da capo)

Come debba esser condotta una reciproca simpatia Aus: III CANTA TE DEL SIG CALDA RA L’ANNO 1726 A, Chal, Fg, A-Trb, Bc

Mai 1726

Tu mi dimandi Eurilla, Come regger si debba La simpatia ch’è di due cori un laccio. Odi. A questo gentil tenero affetto Lascia libero il corso, e sciolto il freno, Ove asconder si possa al guardo altrui; Ma dove altri l’osservi entro del seno Cauta rinchiudi il dolce genio: e impara, Che simpatica brama Quanto è segreta più tanto è più c〈ar〉a. Quando libera sarai, S’ei ti scuopre il suo desire Al tuo ben mostrar potrai Ciò che brama anch’il tuo cor. Ma dov’altri sien presenti, Dei tacere, e dei soffrire, E celar l’ardor che senti Per decoro, e per timor. (Da capo) Frena all’ora anch’i guardi, ove si legge Ciò che impresso e nel core E civil gentilezza, O gentil cortesia nasconda amore. Così ancor la natura

D-MEIr ED 118q (1)

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Anhänge

Tutti di simpatia cuopre gli affetti Con arcano ingegnoso osserva intanto Per l’oggetto, che ti ama, Costanza, e fedeltà. Di Clizia il fiore Anche quando nol vede Al sol si aggira: e al polo anche lontano L’amante calamita ognor si volge. Da queste, Eurilla apprendi, E la tua simpatia da queste intendi Sia fedele e sia costante La simpatica vicenda Dell’affetto, e de la spene Sempre amato sia l’amante, E mercede a lui si renda Di sua fede e di sue pene. (Da capo)

Crudele, se tu mi vuoi tradir Aus: III CANTA TE DEL SIG CALDA RA L’ANNO 1726 A, 2 Vl, Va, Bc

1726

Crudele, se tu mi vuoi tradir, Crudele anch’io saprò seguir Quel crudo core. Vedrai l’alma che far saprò Sarai tu esempio in crudeltà, Io sol d’amore (Da capo) Forse, Eurilla t’inganni se incatenar tu pensi Con nodo indisso lubile il mio core, Disprezzandomi amante,

D-MEIr ED 118q (1)

Anhang III

Oltraggiando il mio amore E di mia servitù noia mostrando. Atti amorosi, e placide lusinghe Legano il nostro cor, e sol d’amore, Si alimenta l’amor, credilo Eurilla: Non esser dunque ingrata A chi fedel t’adora, e pensa alfine, Che crutade oscurai Preggi d’un bel volto, e d’un bel crine. Sono amante, e amor voglio; Che soffrir affanni e pene, Sempre ingrato e il sen d’amor. Per domar in te l’orgoglio La pietà non ti conviene Che nemica è del rigor. (Da capo)

Dall’onda che siegue Cantata Decima Terza

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Dall’onda che siegue L’altr’onda che fugge Comprendi ogni core Le smanie d’amor. Nel mar tempestoso Fra i vortici ondosi Ma|non perde la speme Di tanto suo ardor. (Da capo)

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (13)

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Anhänge

Al par dell’onda, o mia incostante Irene Vo seguendo il tuo bel se ben fugace E in tan aspri tormenti Mi nutro di speranza Ne bramo miglior sorte Di seguirti fedel sino alla morte. E ver non hai pietà, ma spero un giorno Di giungerti alla spiaggia, E stringendoti al seno Donar qualche ristoro Al povero mio core, Che sol brama mercé sol chiede amore. Giove il nume il gran tonante Reso amante Di due lumi un bianco seno Scese in terra a sospirar. Così il povero mio core Tutto amore Va seguendo il tuo bel volto, Che mi fa solo penar. (Da capo)

Dammi l’arco Cupido bendato aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A, 2 Vl, Bc

1727

Dammi l’arco Cupido bendato, Marte irato, in fuocate saette, Vuo far mie vendette Con quel traditor.

D-MEIr ED 118 t (7)

Anhang III

Ch’ingrato, spietato, Infranse la fede, La legge d’amor. (Da capo) Parla: accusami pure, Scuoprimi, i falli pur, scuopri l’errore, Infedel, disleale, e mentitore, Te perfido, inhumano, Crudel, barbaro, ingrato, Al tribunal d’amore accuso, e il cielo, Chiamo, ed imploro i Numi, Le Deità di quello, In testimonio di mia fe costante. Troppo, tiranno, è vero, Ch’ebbi sincero Il core, e fui, adoratrice amante. Non rispondi? Il tuo pallore, Ti convince, io ben lo so. Già t’accusa il proprio errore Che di fede a me mancò. Vanne, ingrato, a le sventure, Che per tè pietà non ho, D’altre fiamme, e d’altri ardori, Questo sen già s’avampò. (Da capo)

Dario Cantata 8.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Piangerò sin ch’avrò vita Del mio sol l’anima estinta, Di due luci il bel splendor.

A-Wn Mus. Hs. 17603 (8)

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Anhänge

Se perduto ho il caro bene Pur respiro in tante pene Non m’uccide il fier dolor? (Da capo) Ingiustissimi numi! Ingrate stelle? Che aumentate il mio duolo, e il mio martire Qualche raggio pietoso in voi si svegli, Dileguate il mio pianto Toglietemi alle pene, E con funesta sorte Uccidete il mio cor datemi morte. La grandezza di Dario, il merto eccelso, L’animo prode invitto e generoso Non si muove alle glorie, e alle prodezze Non invidia il valore D’Alessandro il possente il vincitore. Ma oh dio! che al suon funesto Di tai lugubri accenti Togliendomi il destin l’amata sposa Perde l’alma il vigor se mesta esangue Nel suo proprio dolor misera langue. Ombra dell’idol mio, Riedi al mio seno. Oh dio! Se m’agita nel petto Di pianto un rio dolor. Deh muoviti a pietà Di si rea crudeltà M’esanima il tormento, E mi divora il cor. (Da capo)

Anhang III

Da te, che pasci ognora S, Bc

22. Juli 1716

Da te, che pasci ognora Di sdegno l’alma, e di fierezza il guardo, Contro me, che t’amai sempre costante, Sciolto d’amore, e fede Moio a pari del cor libero il piede. Se ti piace di farmi morire Vuò morir ma lontano da te. Che di morte è più crudo il martire Quando penso, che manchi di fe. (Da capo) Spezzo catene, e dardi, Saldo la piaga, e di schernito amore, Per vendicar l’oltraggio L’empie tue voglie appago, Cancellando dal seno ancor l’imago. Mentre si ria sembianza Mirar più non poss’io, E l’acceso desio, Ch’ebbe per te crudele Estinto è nel mio seno, Onde quanto fu fida l’alma mia, Tanto non cura più tua tirannia Smorzo nel cor la face Odio la ria sembianza D’un viso mentitor D’un alma infida. Amar più non mi piace Chi privo di speranza Mi nutre di dolor Perché m’uccida. (Da capo)

D-B Mus. Ms. Aut. Caldara A 7

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Anhänge

Dell’amorosa stella già cadente B, Bc

9. Juli 1730

Dell’amorosa stella già cadente, Languia l’ultimo raggio, Quando di Galatea Aci, il pastore, Aci, che sì ne ardea, impaziente Per rivederla d’aspettare il giorno, All’amato soggiorno Di lei si recò innanzi; e in cotai detti, Dolce cantando, espresse i propri affetti. Idol mio, deh sorgi omai E vedrai Come bella la novella Spunti ’n ciel beata Aurora. Lei vedrai, e intanto poi, Io vedrò negli occhi tuoi Il bel sol, che m’innamora. (Da capo) Svegliossi Galatea E il biondo crine in bianco vel raccolto, Il caro amabil volto Fece pulito e terso A un vivo cristallino, e fresco umore; Indi lieta n’andò col suo pastore. Al piano, al colle, al monte, Al prato, al bosco, al fonte, Col suo fedele amante, Lieta scherzando va. E mentre in su le piante Il di lei nome incide, Ella sel vede e ride E un serto al crin gli fa. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (2) bzw. A 403 (2)

Anhang III

Dove sei, bella Clori, idolo mio? aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A bzw. S, Bc

1727

Dove sei, bella Clori, idolo mio? Deh vieni, e mira il tuo fedele amante, Gir sconsolato, e solo Intraccia ognor del vago tuo sembiante; Odi del tuo bel nome, La valle, e il monte risonare intorno: Clori, deh fa ritornar, e non voler Che disperato io mora Senza vederti un’altra volta ancora. Vi cerco ognora Pupille vaghe Del mio bel sole Per dar conforto Al mesto cor. Ma in van lo sguardo D’intorno giro, Che i rai sereni Più non rimiro, E sol ritrovo Il mio dolor. (Da capo) Fossi almen tra l’orror d’erme foreste, Ove ne spunta un fior ne scorre un rio, E tra quell’ombre meste Ritrovassi colà l’idolo mio, Che presso a te mio bene, Più caro a me saria quel cupo orrore, Benché senza del rio, senza del fiore.

D-MEIr ED 118 t (8)

455

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Anhänge

Dolce ancor saria la morte, Sarian dolci affanni, e pene Se potessi a tè mio bene, Dare un guardo, e poi morir. Che in mirar, l’aspra mia sorte, Forse ancor la bella mia, Per mercede a me, daria, Qualche tenero sospir. (Da capo)

E ancora il mesto ciglio aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A, 2 Vl, Va, Bc

1727

E ancora il mesto ciglio, Del cor l’espresso affanno, In te fiamma d’amor destar non sanno! Dimmi: con muti accenti Non ti favellan sempre Gl’occhi, da cui sgorgar soglion mie pene? Altro se non comprendi, Lor tacito linguaggio almeno intendi. Io non so, come tanto Puoi fuggir chi ti segue, E non ferina brama Sdegnare, amor, e non amar chi t’ama. O‘ non hai core in seno, Ò l’hai di forte scoglio Se a tanto mio cordoglio Non hai pietà di me. Crudel potessi almeno Lasciarti, ma non posso,

D-MEIr ED 118 t (2)

Anhang III

Che sento a mio dispetto, Occulta forza in petto, Che mi trattien con tè. (Da capo) Ah! Più fiere di tè, rie non sono Le fiere istesse e non più dura selce V’è, che al tuo cor somigli: onde infelice, Con l’acque del dolore, Col foco de’ sospiri Io tento invano ammolir tua fierezza: Ma per mio duol maggiore Assai più dura sorte Mi costringe a seguir chi mi dà morte. Non so, se stella, Ò simpatia, Mi lega al rio desir D’un alma ingrata. Troppo rubella Dirò che sia Perch’è nel mio languir, Tanto spietata. (Da capo)

Egli è pur dolce amor S, Bc

20. April 1732

Egli è pur dolce amor Quando non giunge al cor Dolor di gelosia. Non è vero goder S’è mista col piacer Tal pena accerba, e ria. (Da capo)

A-Wgm VI 16570 (10) bzw. A 404 (10)

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Anhänge

Senti mia Filli: io t’amo, e t’amo tanto Quanto può amar un core In cui pieno d’ardore Darsi non può altra fiamma; onde non devi Di me temer qual’io di te non temo, E felici così sempre saremo. Voglio amar lieto, e contento E non struggermi al tormento Or di sdegno or di timor. Folle è ben chi dice al core Alimento dell’amore Ciò ch’è offesa ed è furor. (Da capo)

E come Elisa amata Cantata Seconda

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

E come Elisa amata Lontan da te può viver il mio core! Fra queste selve care Vo passando fedel dolenti i giorni; Ma oh dio qual pena provo Se te cara non trovo, Sento l’augel che vezzosetto canta, Osservo il zeffiretto Che in mezzo al rivoletto scherza amoroso E fra l’onde d’argento Mi dice che il mio amore Non saran che al mio cor di fier tormento.

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (2)

Anhang III

Ruscelletto l’impiedetto Che fra molli, e verdi erbette Tu raggiri incauto il piè. Se a te viene il caro bene Del mio amore di lui le pene La costante, e salda fe. (Da capo) Così dicea l’afflitto, e sconsolato: Povero Ismene, e del suo ardor cocente Implorava dal ciel qualche ristoro; Dicea mio bene per te languisco, e moro. Quando Elisa da lei diletta amante Intenerita al suon di tai lamenti Al pastore vezzoso Le luci vaghe e belle Volgendo ver di lui qual vive stelle Così gli dice al core Per dar pace al suo amor al suo dolore. Vivi o caro mio diletto Se tu sei di questo petto Il ristor dell’alma mia. Tornerò costante, e fida Ne di te mai sarà infida La cocente fiamma mia. (Da capo)

Epaminonda Cantata 4.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Già che tiranno il fato, o amiche squadre, Dona legge al mio spirto, e vuol che parta,

A-Wn Mus. Hs. 17603 (4)

459

460

Anhänge

Deh pria ch’io resti esangue, udite o prodi D’un vostro capitan gli ultimi accenti D’un semivivo cor gl’aspri tormenti Per la gloria di Tebe in mille imprese Sparsi lieto il mio sangue, e in ogni incontro Avvido di vittorie con valore De’ molti imperii rintuzzai l’ardore. Sia gloria al vostro merto, o miei guerrieri Se compagni mi foste alle fatiche Dal vostro insigne ardire Conosca Tebe il Fasto, il suo gioire. Quella morte, a cui la sorte Mi condanna, non mi affanna, Non paventa questo cor. Nel mio sangue resti esangue Il spirto l’alma dolce calma Mi prepara il vostro ardor. (Da capo) Già sento su le labbra L’alma che spira, e parte Addio miei cari, addio, vi lascio, e moro Lo sa il ciel con qual pena, e qual martoro. Morirò, ma glorioso, e questo scudo Trofeo di mie vittorie, custodito Sia dal vostro valor, più non si tardi, Epaminonda mora, e già che il campo Nemico alla mia quiete ed or sconfitto Dalla piaga fatal si cavi il dardo Così spargendo il sangue sia mia gloria Di morire glorioso a una vittoria. Voi di Tebe eroi possenti Che qui udite i miei lamenti Date pace al vostro cor. Reprimete il vostro pianto, E il tormento ch’io fra tanto Spiro in braccio al vostro amor. (Da capo)

Anhang III

L’Ercole Cantata 2.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Insolito stupor, m’ingombra il core, Scendono nel mio petto A numeroso stuol stragi, e rovine, Mi divora, e m’affanna Un non so che d’ardore, Numi, che mai sarà? Mi sembra amore. Amor, che al primo raggio, Funesto alla mia pace Incatenommi l’alma, E con torbida calma, Scemandomi il contento, Sopra l’arrido stel della mia spene, Mi lusinga il fellon, fra smanie e pene. Qual piacer provar poss’io, Se di speme il bel desio Pur svanì da questo cor. Reso amante è il mio pensier; Ma non prova quel piacer, Che pur suol donar amor. (Da capo) Dunque l’Ercole invitto! A cui trofeo onorato Fanno gloria, valor, la fama, il fato, Dovrà poi in mezzo a strazzi Viver sempre penante, Senza sperar pietà, deluso amante. Atterrati centauri E sostenuti cieli, Cerberi vinti ed espugnati inferni, Del mio braccio viril fu merto, ed opra; Ma di Iole vezzosa,

A-Wn Mus. Hs. 17603 (2)

461

462

Anhänge

Invaghito il mio cor, Mutai la clave in rocca, il ferro in fuso, E in feminile veste D’indomito leon l’orrendo manto: Tiro pendente il filo, E innaspando la trama, Il bel piacer d’amor, quest’alma brama. Ogni fasto audace, altero Cede vinto al dio d’amor. Ogni cor benché severo Nell’amar perde il vigor. (Da capo)

La garra di Pallade dea delle virtù, e Venere dea d’amore S, Vl, Bc

14. November 1729

Ogni cor sta in gioia, e in festa, E l’amor di varie genti Fra le gale, e fra contenti Più fedel si manifesta. Con il mondo il ciel garreggia A far eco al nome amato, Che rischiava, e fa più grato Lo splendor di augusta reggia. (Da capo) Nel giorno in cui ritorna Dell’augusta sovrana il nome eccelso Scorre la gioia più provincie, e regni, E de suoi preggi si sublimi, e degni Tanto s’inalza da vassalli il grido, Che giunto a risuonar nell’emisfero,

A- Wgm VI 16138 (3) bzw. A 394 (3)

Anhang III

Pallade accorse con la dea di Gnido Ad accoglier le voti ardenti, e fidi, Che a ciel saliro da suggetti lidi; Pallado allor, che noto e caro avea Della regnante Elisabetta il nome, Invitò l’altra dea, A scoprirlo nel ciel con auree chiome, Perché le sue virtù sue chiare, e belle Giungano ad illustrare ancor le stelle; Piacque a Venere il freggio Del nome augusto e reggio; Ma scorgendo di gioia, e d’amor pieno L’invitto cuor di Carlo, e de vassalli, Volle che nel lor seno il caro nome S’imprimesse ancora ed al figlio Cupido Così lieto parlò la dea di Gnido. Con tua destra più fide, e giuliva, Si rinovi di Carlo nel cuore, E de suditi in petto si scriva Il bel nome ripieno d’amore. Stenda pure fra tutte le genti Su de cuori l’amabile impero, Che ben tosto vedere io spero I lor voti più lieti e contenti. (Da capo)

Giunto è il giorno fatal Cantata Terza

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Giunto è il giorno fatal, Dorilne amata, In cui tiranno il fato

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (3)

463

464

Anhänge

Fra tante amare pene Mi costringe a partir da te, mio bene. Più non ti rivedrò mi dice il core, Se misero, e dolente Passerò i giorni miei sott’altro cielo Spettacolo funesto Devo darti per fin l’ultimo addio, Ingiustissimi! Numi! Addio Dorilne Ti lascio e nel partire Sempre amante fedel, vado a morire Devo lasciarti al fin dolce mia vita Più non vi rivedrò pupille amate Se fida l’alma mia corre a morire. Senza di te dolcissimo cor mio Fra tanti affanni viver non poss’io Se mi sforza il destin d’ogn’or languire. (Da capo) Non piangere mio core Da tregua a tuoi sospiri Ne m’accrescer col tuo maggior dolore Ma pria che l’alma amante Parta da te mia cara ascolta almeno Le sincere proteste Del tuo fedel del tuo caro Falceste. M’arderà sempre in petto L’ardor, che mi tormenta E fra l’ombrose selve Desterò ancor pietà sino alle belve. L’ultimo addio Ti dona il cor mio Non pianger mia vita Dà pace al dolor. Ti lascio e non moro Io parto e ancor vivo Ahi strazzio inaudito Ahi fiero martor. (Da capo)

Anhang III

Giunto al meriggio il sole B, Bc

10. Juli 1730

Giunto al meriggio il sole Dappertutto i suoi rai caldi spargea; Ed Aci, e Galatea, Per rispirar più fresche aure leggere, S’eran posti a sedere Sul margine d’un fonte, Che scorrea limpidetto a piè del monte; Quando sciolse la bella in tali accenti; E l’ascoltaro innamorati i venti. Zefiretti, che lievi spirate, Deh qui intorno, qui intorno volate All’amato mio dolce desio. Ma degli occhi al vivace suo lume Lungi alquanto battete le piume Che arderanno com’arde il cor mio. (Da capo) Così la vaga ninfa, Cos’il gentil pastore, Sempre vivendo insieme Un istesso nudriam candido amore, Pari nel buon desio e nella speme: Ma guari non andò, ch’invido fato, D’accerbi casi armato, La tanta gioia loro Converse in un crudele, aspro martoro. Fra gioia e dolore, Fra speme e timore, Mai sempre ne tiene La sorte infedele.

A-Wgm VI 16567 (3) bzw. A 403 (3)

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466

Anhänge

E mentre che un bene Ci porge cortese, Prepara le offese, Ingrata, crudele. (Da capo)

Industriosa Fenice Cantata Set[t]ima

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Industriosa Fenice sopra i monti Dell’Arabia raccoglie Fascio odoroso di profumi e legni, E sparsi vi d’intorno Vari liquori, opposta D’un luminoso Febo a rai cocenti Vittima volontaria Con l’ale sue vi accende fiamme ardenti. Ma vedessi ad un tratto Cambiato il rogo in nido, Le fiamme in fascie e le ceneri in piume; Se con propitia sorte Trova la vita ove credea la morte. Più bella, e vezzosa Ritorna più cara Sfavilla da gl’occhi Eterno il splendor. Nel rogo funesto Di fiamme cocenti Ritrova la vita Con pari valor. (Da capo)

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (7)

Anhang III

O quanto sei felice Fortunata Fenice; Se ancor nel foco ardente Trovi la vita, e a noi ritorni, o cara Più splendida, e lucente Del sol da cui ricevi Ogni grazia, e bellezza Con rovina fatal di tua vecchiezza. Io solo fra le fiamme Del cieco arciero infante Vivo sempre penante, E trovando la morte Ove credea la vita, Non mi giova soffrire, Ne potendo sperar devo morire. Con la speranza D’un bel piacer Vanta costanza L’alma fedel. Ma dove crede Provar la pace Trova le pene D’amor crudel. (Da capo)

Infausto punto Cantata Decima

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

Infausto punto! In cui m’entrò nel core Il desio d’adorarti ingrato Tirsi. Perduta ho già la pace,

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (10)

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Anhänge

Sospiro all’aria, ai venti Non prova più quest’alma che tormenti Oh dio! Quanto fui incauta L’ubbidir a un destin, che mi vuol morta: Se priva di pietà Tirsi crudele Al mio fiero dolor vive infedele. Mesta e languente Quest’alma dolente Sospira s’affanna, Ne trova pietà. Il fiero tormento Che in petto mi sento, Non è che un rimorso Di mia fedeltà. (Da capo) Ma senti iniquo audace Più non ti vanterai di haver tradito, Il mio amor, la mia fe, gl’affetti miei; Se sprezzando il tuo volto traditore Scemerò del mio sen l’aspro dolore. Lo confesso t’amai ma quanto fida Fu l’alma in adorarti Tanto saprà fuggirti, e ogn’or sprezzarti. Se fedele fu il mio core Per te ingrato mentitore Or spietato al tuo martoro Ben deluderti saprà. Filli un giorno visse amante Per un empio un incostante, Ma pentita di sue pene Dolce calma goderà. (Da capo)

Anhang III

Ingrato! E perché mai? S, 2 Vl, Va, Bc

4. Juni 1729

Ingrato! E perché mai? Lasciarmi? Infido? Dove, dove è la fede Che mi giurasti? Oh dio? Parti parti crudele, Ma sappi ch’Ammarilli Per quel tuo fiero core Vivrà sempre in ardore, Mi tradisti il confesso, Ma quanto incauto fui nell’adorarti Tanto saprò crudele ogn’or sprezzarti. Empio! Ingrato! Traditore! Mi schernisti ma il mio amore Di te straggi ogn’or farà. Fra le furie delirante Ammarilli offesa amante A dar morti imponerà. (Da capo) Va mostro d’empietà, va nell’inferno, Furia del cieco Averno Vivrò sol per crucciarti, E sappi che il mio core Tutto per te furore Ti promette rigori Stragge, crucci, e martori. Ah dio? Perché lasciarmi? Qual offesa ti fecci? Empio? Spergiuro? Parti? Vivi? Ma sappi Che solo a danni tuoi per tuo martoro Vivrò, se pur in tanto Dolor non mi udirai, ingrato io moro.

A-Wgm VI 16571 (9) bzw. A 402 (9)

469

470

Anhänge

La fiamma eterna e ria Che cruccia l’alma mia Crudel morte mi da. Il spasimo ch’io sento Accresce il mio tormento Per me non v’è pietà. (Da capo)

In onta a tuoi disprezzi Cantata Quarta

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

In onta a tuoi disprezzi, Orgogliosetta Irene Mi costringe il destino D’adorar quel tuo volto ancor che infido. Gelosia mi tormenta, Il tuo ardir mi divora, E pur quest’alma amante Fra i gemiti e sospiri Vive sempre costante Acciò comprendi un dì che la mia fede Forse degna sarà di tua mercede. Con la speme di vedervi, Luci amate un dì pietose, Non pavento il rio martir. Pur ch’io possa in tante pene Dirti o cara sei il mio bene, Mi sarà dolce il languir. (Da capo) Che se poi del mio core Dispensi anche l’ardore,

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (4)

Anhang III

Dovrò morir; ma senti, Pria che l’alma fedele Si parta, e scendi a Pluto, Lascia che fra tue braccia Spiri languente, e fida Se mai verso il tuo cor si mostrò infida. Incontrerò la morte Forse con miglior sorte Di quel che in vita avrò. T’amai costante in vita E nelle morte ancora Fedele io t’anerò. (Da capo)

In un antro solingo S, Vl, Vc, Bc

9. Juni 1729

In un antro solingo D’appio fiorito, e verde musco adorno, A cui dentro e d’intorno La vaga Clori amante Solea volger le piante Posossi un dì su l’imbrunir del giorno; Mirossi al fin d’intorno, Mesto nel cavo sasso, sospirando L’umide luci, e molle al fin rivolse Ed ogni tronco al suo dolor si dolse. Voi dovreste, o duri sassi Al mio duol frangervi in pezzi; Onde chiare, e verdi fronde Si dovreste diseccarvi Al mio penar.

A-Wgm VI 16571 (12) bzw. A 402 (12)

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472

Anhänge

Se al mio duol v’intenerite Qualche pace avrà il mio cor, Nel vedervi meco insieme A lagrimar. (Da capo) Valli, montagne, e spiagge De miei lunghi lamenti ascoltatrici, Sassi forati, e cavi Dal lagrimar degl’occhi miei infelici, Ruscelletti e torrenti Che in sugli ardori estivi Sovente alle mie lagrime crescente, Narrate si narrate Al mio bel sol che adoro, Che qui vive nascosto, il suo tesoro. Si volate all’idol mio Augelletti, e chiaro rio Col soave e dolce canto Col sonoro mormorio, E narrate il mio dolor. Ma poi tosto a me tornate Per conforto del mio cor. (Da capo)

Io soffrirò tacendo S, Bc

7. März 1712

Io soffrirò tacendo questo incendio Nel qual patisce l’alma si tenace, Che nasconderne ancor la luce studia; Perché ama tanto il lume da cui nacque, Ch’ogni vampa ogni raggio, ogni riflesso, Che il suo sfogo ricerca,

D-B, Mus. Ms. Autogr. Caldara, A.10

Anhang III

Avara ogn’or ritiene, E vuol del suo dolor curando poco Chiudere tutto in sen si caro fuoco. Quella fiamma che scintilla Non è accesa in fido petto Ne men prova un degno amor. Perché scopre ogni favilla Ch’ella è sol un ciecco effetto Del desio e del timor (Da capo) Sian dunque il silenzio, e la costanza Sodi appoggi sui quali Inalzi un vero amor tutti i suoi voti; Ne con pianti, con lacrime, e sospiri Si lagni mai l’amante della sorte; Perché quella impatienza, quella brama Colla qual rallentar crede il dolore Mostra sol, che il suo amor è proprio amore. L’adorare oggetto degno È un glorioso eroico impegno Nel qual l’alma si compiace. Non è dunque puro amore Quel vorace ingrato ardore, Che col cuore non ha pace. (Da capo)

473

474

Anhänge

Iuba Cantata 12.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Nell’estremo momento in cui sovrasta Alla mia libertà, spergiuro il fato! Amico. Ahi se pietade Soggiorna nel tuo petto Con prode, e invitto acciaro Aprimi il seno, e passa L’intrepido valor di questo core, E trovi nel tuo ardir pronta una morte Che rendi men funesta iniqua sorte. Prova maggior di nobile prodezza Testimonio più caro del tuo affetto Non mi puoi dar che con amica mano Svellermi l’alma, e spargere il mio sangue Precipitar un Iuba al suolo esangue. In tanto rio dolor Uccidi e d’alma, e cor Spargi l’invitto sangue Dal petto mio regal. Contento morirò, E lieto volerò Tra i Numi alti, e possenti Glorioso, ed immortal. (Da capo) Altro non v’è: Petreio, La morte è il sol rimedio alle mie pene, È vana ogni dimora, Funesta ogni pietade: Intrepida quest’alma, Non paventa l’aspetto D’un orrido, lugubre, e mortal colpo: Su via, che tardi? Amico? Il solo amore

A-Wn Mus. Hs. 17603 (12)

Anhang III

Dia forza al braccio, e ti disponga il core. Così libero, e sciolto Dalle umane vicende il spirto: tema Il romano poter la mia fierezza, A Pluto scenderò di sdegno armato, Per vendicar l’oltraggio, empio, e tiranno, Sfiderò Giove il nume, a un fier cimento; Se de’ suoi strali invitto non pavento. Sin dall’etra Giove il nume Per vendetta io sfiderò E dall’Erebo profondo Furie e mostri io sveglierò. (Da capo)

Il lamento d’Oeta nel ratto di Medea B, Bc

20. August 1730

Saprò spergiura a tuo malgrado ancora Seguir tuoi passi. . . Ma! Che veggio! Oh stelle! Queste, che sparse al suol lacere membra, Sien’ del tenero figlio a me pur sembra, Ah, che pur troppo è ver; barbara figlia, Non fu bastante il tuo primiero errore Per goder di tue voglie impure e immonde Ch’anche dal petto ora mi svelli il core? Dite, numi perversi, ove s’asconde Fera d’essa peggior? Trovaste, iniqua, L’unica via d’indebolirmi e voi, Barbari, ingiusti dei, Di rendermi più odiosi i giorni miei. Figlio, si spezza il core, L’alma dal sen s’invola

A-Wgm VI 16567 (18) bzw. A 403 (18)

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Anhänge

E seco dal dolore Sento vacilla il piè. Tutto a me sembra orrore, Parmi che il suol si scuota E tutto il mio furore Sento mancar con me. (Da capo) Ma fra inutile pianto Di vendicarti, o figlio, io perdo il vanto; Pur ti consola, ché vedrai fra poco Là di cocito in quelle nere soglie Due vittime svenate aver suo loco; Io ministro sarò e se al mio braccio Si niega un tal piacer, io tutte allora Le più crudeli furie d’Erebo invocherò a tua vendetta E Giove ancor con la mortal saetta. Non speri placato Vedermi quel core, Ma tutto furore M’attenda ad ognor. Lo chiede, l’aspetta Un figlio svenato, D’un padre sdegnato Lo chiede il furor. (Da capo)

Il lamento d’Orfeo I B, 2 Vl, Va, Bc

9. Juni 1729

A-Wgm VI 16571(10) bzw. A 402 (11)

Anhang III

Il lamento d’Orfeo II B, Bc

9. Juni 1729

Quelle I Mentre tra balze e rupi Sen già l’afflitto e addolorato Orfeo, Della sua bella Euridice in traccia, Disceso alle più cupe Del globo della terra ultime parti, Lasso le sue dolenti Pene discioglie in questi mesti accenti: Ombra dell’idol mio, cara Euridice, Eccomi giunto alfin per rivederti In queste oscure e tenebrose soglie Della patria dell’ombre, alma infelice. Oh del profondo Averno Monarca formidabile, e severo, Tartareo Giove, le mie preci ascolta; Fa che da lacci sciolta La sospirata mia dolce consorte Sia tosto, e a me si renda, o un’alma forte Or vedrai giù nell’ombra unita a morte. già nell’ombre Questo, che dalle luci Amaro pianto io verso Son d’un afflitto cor L’ultime stille. Arride già le fauci, Manca lo spirto, e sento Chiudersi di dolor Le mie pupille. (Da capo) Ma qual nume pietoso Euridice gradita, a me ti rende, E ti ritorna in vita!

A-Wgm VI 16567 (9) bzw. A 403 (9) Quelle II

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Anhänge

Vieni tra queste braccia, Sospirato tesor, idolo mio, E quest’amplesso fia. . . Ma. . . come . . . , oh dio! Allor ch’io mi credea stringerti al seno! Io l’aure stringo, e schernito io sono! Ah, m’uccideste almeno Empio ciel, Giove ingiusto, e dei tiranni, Che contento sarei d’uscir d’affanni. Qual baleno, o larve squallide, Aspi sordi, hidri e ceraste, Sì, volate e qui venite Le mie membra a lacerar. Sucorrete ombre che pallide Al mio amor girate intorno E portate all’empio dite Questo core a saettar. (Da capo)

Dieser Textteil entfällt, der Text des A-Teils wird wiederholt.

La di parnasso S, Vl, Vc, Bc

10. Juni 1729

La di parnasso in cupa valle ombrosa Ove più fresca è l’onda Stava ninfa gentil tra frondi ascosa; Lagnavasi d’amor che a quella sponda Tratta l’avea per suo maggior tormento, E infelice dicea con flebil voce Ahi lassa il mio lamento, Ascolta tu che da me volgi i passi, Ma invan sospiro oh dio, S’altri non m’ode sol, che i tronchi, e i sassi.

A-Wgm VI 16571 (3) bzw. A 402 (3)

Anhang III

Deh voi cari almeno oh dio Dite si dite al cor mio, Che se ingrato m’abbandona Io ritorno a lagrimar. Dille ancor tu chiaro rio Col tuo dolce mormorio Quanto e grave caro il mio penar. (Da capo) A quell’ingrato ancora Dite se vuol ch’io mora Morrò se il brama e morirò contenta; Ma poi che sarà spenta Quella fiamma che amor per lui m’accese, Pentito dell’error mesto, e piangente Spero per me vivrà sempre dolente. Quando non v’è più speme Non giova il sospirar Nemeno il piangere. Ama quel cor che geme Più tosto che penar Potersi frangere. (Da capo)

Misera me! S, 2 Vl, Fl, 2 Lt, Bc

19. Februar 1734

Misera me! Dove n’andò l’oggetto Del mio beato ardore, Del tenero mio amore, La felice cagion de miei sospiri, L’unico mio piacer, Tirsi adorato? Parti; lasciommi in abbandono, e il pianto

A-Wgm VI 16570 (5) bzw. A 404 (5)

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Anhänge

Forza non ebbe, ad arrestar l’ingrato. La mia sincera fede Quei prove non gli diede Del mio costante affetto? Ma folle! A che rammento Le prove d’un amor disperso al vento? Lo strazio vedea Che fea del mio core Il proprio dolore La sua crudeltà. E pure l’ingrato Mostrar non sapea Un segno studiato Di falsa pietà. (Da capo) Ma poi che nel crudel miro perduta, La speme della pace Pace mi dia la morte. Il dolce affetto Duro altrui non saprei. L’alma agitata Mi fa sentir, ch’io l’amo, E che ingrato qual’è, così crudele Lo deggio ancora amar a mio dispetto. Or se amar lo degg’io, chi potrà dare A questo core amante Da viver nel suo duolo forza bastante? Cari boschi e selve addio A finire il suo cordoglio Per un anima di scoglio Questo core alfin sen va. Dite a lui se mai più torna, Che il piacer della mia fede È il saper che per mercede Forse un dì mi piangerà. (Da capo)

Anhang III

Misero pastorello Aus: VIII CAN :TA TE DEL SIG CALDA RA S, Bc

1718

Textautor:

Silvio Stampiglia

Misero pastorello Ardo di sete e trovo il rio senz’onde, Vo cercando alimento, E non so ritrovar che tronchi e fronde: Eccomi all’aria al vento Fuor della mia capanna, e il ciel s’imbruna, Raggio d’amica luna Splender non miro, e già si densa e l’ombra, Che abbandonato e lasso Convien, che aspetti il dì sovra d’un sasso. Se tarda l’Aurora À darmi conforto Io temo, che morto Trovarmi dovrà. E forse innuggiade Sciolgliendosi a l’ora Non senza pietade, Vedremi potrà. (Da capo) Consolati cor mio In oriente un non so, che si desta, L’Aurora che desio, l’Aurora è questa; Questa è la grande Aurora, Che feconda, che infiora i colli, e i campi Dove sparge i suoi lampi Produce il verno ancor cedri, e viole, E luminosa, è molto più del sole; Partiti, e fa ritorno A quelle piaggie in cui vivesti un giorno avventuroso tanto

D-MEIr ED 118u (7)

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482

Anhänge

Non rimaner più accanto Ad un contrario fato, Che a danni tuoi sempre sciagure aduna, E vanne a ritrovar la tua fortuna. Si si vi rivedrò campagne belle Ove non ebbi mai sorte tiranna. Il giorno pascerò le peccorelle E tornerò la sera a la capanna. (Da capo)

Mi tradisti Coralma Cantata Nona

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Mi tradisti Coralma? E perché mai? Non mi sei più fedel? Povero core Respira almeno. . . Ahi Ingrata! Viver più non potrà senza il tuo amore. Per monti, selve, e prati Qual fida tortorella ogn’or ti seguo Ma tu crudel mi fuggi, E priva di pietà per chi t’adora Non mi rispondi, e mi schernisci ogn’ora. Che dovrò far, morir. . . Crudele, addio; Già m’uccide quest’alma il duolo mio. Aure amene che dolci spirate, Per pietade il mio cor consolate, Se languisce per ninfa crudel. Augelletti vezzosi col canto, Voi togliete a miei lumi quel pianto, Che mi sforza a morire fedel. (Da capo)

A-Wgm VI 16569 Q 3712 (9)

Anhang III

Ma, oh dio! Non fu quest’alma Or scopo de tuoi sdegni Pria fiamma del tuo core. Dunque è ingiusto il tuo sdegno, il tuo furore. Non son più quel Falceste Unico, e caro oggetto Del tuo amoroso petto: Coralma, invan lo nieghi, Conosco il vero amore, E distinguo l’ardor da un altro ardore. T’amavo e che pretesi? Mi amavi e qual reitade? Reciproco l’amor fu pari il foco Ne dal mio al tuo cor altro non trovo Disparità che il tuo vive infedele Al mio che in questo seno e a te fedele. La fiamma tiranna Che il core m’affanna Fedele nel petto Eterna vivrà. L’ardore che sento Crudel non pavento Più fida quest’alma Costante vivrà. (Da capo)

Numi, aita! Oh, che tormento! B, Bc

24. Juli 1730

Numi, aita! Oh, che tormento! Il mio ben fugge da me.

A-Wgm VI 16567 (12) bzw. A 403 (12)

483

484

Anhänge

Chi l’arresta un sol momento, Chi m’insegna, oh dio, dov’è? (Da capo) Dentro queste frondose, Solitarie pendici, Amante abbandonato La ministra crudel delle mie pene Vado inseguendo, Irene. Fugge, né so perché: Mi soviene soltanto Che nel partir la bella Si morse il labro e diè Con dispettoso sguardo Certi cupi sospiri Che muore per timor Che fra queste foreste In traccia d’altro amante ella s’aggiri. Il fischiar della fronda, Il palpitar dell’onda Con mormorio tremante Par che mi dica: Ahimè. In questo istante Irene Fra queste piaggie amene In braccio ad altro amante Offende la tua fe. (Da capo)

Occhi, che vi dirò S, Bc

Occhi, che vi dirò, mentre con voi Il fraretrato amore

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (5)

Anhang III

Gli strali a guzza per ferirmi il core. In voi anche ha la sede Per regolar l’amanti, Per imponere leggi, E placide, e severe; Oh begli occhi d’amor lucide sfere. Occhi per me formante La sentenza fatale, Mentre a guisa d’un strale Mi trafigete il seno, O sia torbido il guardo, o sia sereno. Occhi belli, occhi legiadri Col splendor, che voi formate Apportate viva fiamma, E vivo ardor. Se mai torbidi, o sereni Siete a guisa di baleni Mentre a tutti ogn’or brugiate Così l’alma come il cor. (Da capo) Ben comprendo a qual fine Begli occhi idolatrati Neri amor vi formò; Per dare a dividere, Che ad ogni cor la morte cagionate, Poi col nero calor la publicate. Se m’alletate Poi m’impiagate Begli occhi neri Non m’uccidete Ch’è crudeltà. Io bramo amore Ristoro al core, Pace a pensieri E spero in voi Trovar pietà. (Da capo)

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Anhänge

Oh del romano impero S, 2 Vl, Va, 2 Clno, 2 Tr, Timp, Bc

31. Oktober 1733

Oh del romano impero Gloria immortal! Tu sei Oggi di te maggior. So, che non curi Di comparir tra noi Coi luminosi raggi De cesari più saggi Che 〈dier〉 pompa superba ai fasti tuoi. In si gran dì ti adorna Abbastanza di Carlo il nome augusto; Ed a ragion tu sdegni De nomi antichi lo splendor vetusto. Ancora l’Aurora Non cura le stelle Di poi che s’indora Coi raggi del dì. Col sol che ritorna D’un lume si accende, Che più che l’adorna Più paga la rende Di splender così. (Da capo) D’un tanto lume accesa Vanne superba pure, e allor che vedi Qualche grand’alma intenta Ad opre eccelse, il gran fulgor palesa L’esempio illustre, e raro Che non può far? Calcato Tu allor vedrai più spesso Il sentier degli eroi. N’andranno a schiere, a schiere L’alme nel tuo bel tempio, e udrai ben come Che stelle alzeran per tua mercede

A-Wgm VI 16570 (1) bzw. A 404 (1)

Anhang III

Di Carlo augusto il glorioso nome. Di cento trombe, cento Al suono strepitoso Quel nome glorioso Il tempio assorderà. E a gara nel concento L’eco festiva insieme, Udrai le voci estreme, Che replicar farà. (Da capo)

Ombre amiche, opachi orrori B, Bc

24. Juli 1730

Ombre amiche, opachi orrori, Tenebrosi, eccelsi monti, Raccogliete i miei sospiri. Piaggie apriche, amati fiori, O voi belli, argentei fonti, Date fine a′ miei martiri. (Da capo) Poiché il solo conforto Di vedermi morir dar non mi vuole Quella superba Clori Che sol de’ pianti miei si nutre e pasce, In questa solitudine di pace Abbia fin la mia vita e l’amor mio. Ed in ciò dir Daliso Col suo pungente dardo il petto apprissi E scolorito e bianco Sul sanguinoso prato venne manco.

A-Wgm VI 16567 (11) bzw. A 403 (11)

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Anhänge

Quante sono in questi boschi Amorose ninfe vaghe, Tante furo accerbe piaghe Al bel core di Daliso. Biondi crini e lumi foschi, Ciglia arciere e bocche belle Son quell’armi che rubelle Fra quest’erbe l’hanno ucciso. (Da capo)

Orfeo amante infelice B, Bc

4. August 1730

Ahi! Chi di nuovo al guardo Fia di voi che mi toglie il mio bel sole? Voi, voi tremenda prole d’Erebo e d’Acheronte, almen per poco Fate sì che sospenda il fatal remo Il pallido nochier del guado estremo; Iteme pronti e secondar vi piaccia D’un amante infelice il suo desire, Che anche una volta chiede Rimirare il suo ben e poi morire. Pur ch’io torni a vagheggiarti, Dolce speme e cara pace, Venga pur la parca audace Degna vittima a svenar. Vibri pur suo fatal colpo Che non pave orror di morte Questo cor, quest’alma forte Stanca omai di più penar. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (16) bzw. A 403 (16)

Anhang III

Ma niun m’ascolta e niun mi porge aita? Empio tartareo Giove, ingiusti numi, Invidi spirti e voi barbari dei, Perché sordi non foste a′ voti miei? Perché se dovea tanto Costarmi il bel piacer d’aver veduto, Perché ciecho non farmi in mezzo al pianto? Ah! Che viver non deggio allora quando Mi toglieste il mio ben, colei che in vita Sperai godei, alma con alma unita. Anche in mezzo a ria procella d’Acheronte in su la sponda, Ombra mesta, anima bella, A momenti scenderò. Ora in questa ed ora in quella Parte ombrosa, ove s’asconda La mia luce e chiara stella Anelante cercherò. (Da capo)

L’oro B, Bc

2. Juli 1730

Di quel sol, che ai suoi splendori Hanno vita, e l’erbe, e i fiori, Oro figlio, i cori avvivo, Serve a me suddito il fato. Quello io son di cui la sponda D’aurea arena il Tago innonda, Solo io sono il sospirato. (Da capo) Della più pura luce Prole illustre io mi vanto

S-Smf MMS 375

489

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Anhänge

Quindi con gelosia l’autor superno Per custodia mi diè de’ monti il seno. D’un mio solo baleno Al vago folgorar già cede ogn’alma; Ond’è, che amore ancora Contro un core ritroso in duro petto M’adopra per suo strale, e il colpo è accetto. Su la chioma ogn’or del re Son corona e son mercé, Ogni core al mio fulgore, E s’abbaglia e vinto cede. Son più puro fra gli ardori, Solo io formo i bei tesori, In me stringo, e vita e fede. (Da capo)

L’Oronte Cantata P.ma

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Ove l’altero Olimpo Erge mostruoso il Tergo Di orridi spechi e dirupate balze, Giacea l’incauto Oronte, Solingo e delirante, Disprezzato, deluso, acceso amante. Ah! Barbarie inaudita egli dicea, Di qual fallo son reo? Morir mi lice? Un’ingrata mi sprezza, e mi deride? O voi di fosca notte orridi numi, Sorgete, e con gran scempio, Nell’Erebo profondo Precipitate il cielo, Oronte, il mondo.

A-Wn Mus. Hs. 17603 (1)

Anhang III

L’aura del cieco averno, Col suo infernal vapore Ingombri di terrore La terra, il cielo, il mar. Sorga l’orrendo Pluto Di ira, di sdegno armato, E il mio tiranno fato Impari a fulminar. (Da capo) Ma qual ristoro io provo, Qual contento pretendo Nel tributar sospiri all’aura, ai venti, Se vie più atroci rendonsi i tormenti. Ah! Cassandra crudele! Tu sola del mio cor sei l’aspra pena, E l’amabil catena, Con cui nel petto l’alma mi annodasti, Pria che sciolta, vedrai mancar di vita Il vilipeso Oronte, e doppo morte, Di amarti ancor fedel, sarà sua sorte. Se sprezzato io son da te; Se schernita, è la mia fe, Più s’accende nel mio petto Di adorarti il bel piacer. Non pavento il fasto altero Del tuo cor sempre severo, Vivrò sempre a te fedele Senza speme di goder. (Da capo)

491

492

Anhänge

La partenza d’Ulisse I B, 2 Vl, Va, Bc

9. Juni 1729

A-Wgm VI 16571 (12) bzw. A 402 (12)

La partenza d’Ulisse II B, Bc

20. Juli 1730

Quelle I Vogliono i numi, e più la gloria mia, Ch’è l’idea, che distingue un’alma grande Dalle basse, e volgari, ch’io ti lasci, O mia sposa: Penelope diletta, Ad Ulisse fedele, et amorosa. Deggio lasciarti. In quest’amplesso, o cara Ricevi d’un amaro, e dolce addio Le misere agonie. Sento nell’alma Un non so che di gelo: al labbro manca Il respiro e l’accento. . . Ospite ingrato. . . Paride traditor! Quanto mi costa. . . Quanto costa alla Grecia Il tuo lascivo errore! Quanti costa tormenti a questo core! Parto; mi serba, o cara, La tua costanza e fe: Amami, e lascia a me La cura di tornar. Lascia la doglia amara Sin ch’io son teco accanto. Cara, col tuo bel pianto Più non mi tormentar. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (8) bzw. A 403 (8) Quelle II

Quanto serbi in me

Anhang III

Destin protervo! Una follia d’amore, L’armi dell’Asia e della Grecia i legni Ha posto in tal tumulto, e il cor d’Ulisse. Si vada. Il ciel ch’è pio De’ miei, de’ casi tuoi regga il governo. Né voglia che innocenti Del fallo altrui pagar dobbiamo il fio. Si vada. Ho cuore. Ho petto A gran pensieri, a grand’imprese usato, Io vincerò, sebben s’armasse il Fato.

Destin perverso!

Io vincerò, ma che? Ma poi s’io penso a te Penso che perderò. Perché l’invitto Amore, Allorché rimirai Del tuo bel volto i rai, Di me già trionfò. Onde mio ben non so Se più ritornerò

Die letzten zwei Verszeilen entfallen hier.

Partir tu vuoi da me? Falceste ingrato! Cantata Quinta

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Partir tu vuoi da me? Falceste ingrato! Di lasciarmi pretendi? Altra mercede Non potevo aspettar da un empio core Da un fellone, spergiuro, e mentitore. Qual offesa ti feci? Alma spietata, Di qual fallo son rea dimmi superbo,

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (5)

493

494

Anhänge

Forse troppo adorai quel tuo sembiante Al mio fedele amor sempre incostante? Numi se giusti siete Punite il traditor Scemate il mio dolor La pena ria. Questa non è mercé Dovuta alla mia fe Perfido ingannator Dell’alma mia. (Da capo) Va mostro d’empietà! Va ingrato! Infido! Ad ingannar con tuoi mentiti vezzi E sguardi simulati Altre ninfe, ch’io intanto Lieta godrò del loro incauto pianto. Va ch’io ti sprezzo e fuggo Ne pensar che il mio sdegno Nasca d’amor. T’inganni, Odio sol quel tuo petto, In cui regna un alma Che intorbida la calma D’ogni innocente ninfa, Se mostri di languire Solo per ingannar sol per tradire. T’inganni mentitore Se credi che il mio core Peni per te, crudel. Non vanto in questo petto Amor per un oggetto Tiranno ed infedel. (Da capo)

Anhang III

Perché sospiri, o core B, Bc

26. Juli 1730

Perché sospiri, o core? Sai pur che la beltà Fu sempre infida. Lascia dunque l’amore E sappi che lealtà Più non si annida. (Da capo) Filli fu sempre ingrata, Perfida, dispietata; E per costume sempre Non cangerà mai tempre. Onde convien pensare Che le pene d’amor son sempre amare. Devi pensar, sì sì, Che ninfa ti tradì E con tuo danno. Il stral che ti ferì Pensa che ancor un dì Sarà il tuo affanno. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (14) bzw. A 403 (14)

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496

Anhänge

Pianger sopra un estinto Cantata XII.

aus: XII CAN= TA= TE DEL SIG CALD [!]

S, Bc

∼ 1728

Pianger sopra un estinto, E negare una stilla Di lagrimoso umore A un alma, che agonizza a un cor, che more: Lagnarsi per un solo Che di tenera età troncò lo stance; E sfrir pianto, e sospiri A chi pianto, e sospir ne sente o vede È pietà senza merto e senza fede. Quando tanti esser pietosa Più crudele allor ti rendi. Uno piangi; e poi sdegnosa, Mille cori in uno offendi. (Da capo) Chiudi il varco ai lamenti Tergi gl’umidi rai, Con pioggie così belle Condanni a lagrimar due vive stelle Ma, che diss’io piangete Mie vaghissime pupille: Che immerso nelle stille A incenerirmi il core Verrà più moderato il vostro ardore. Se voi piangete Pupille care Posso sperare Qualche pietà. Ma quando siete Troppo vivaci

D-MEIr ED 118 r (12)

Anhang III

Vibrate faci Di crudeltà. (Da capo)

Porgete per pietà I S, Vl, Vc, Bc

1. Juni 1729

A-Wgm VI 16571 (4) bzw. A 402 (4)

15. Juli 1730

A-Wgm VI 16567 (6) bzw. A 403 (6)

Porgete per pietà II B, Bc

Porgete per pietà Qualche segno di pace, Prestate all’alma mia qualche ristoro, La fierezza d’un volto Ogni bene mi ha tolto, Fatto il cor semivivo Privo d’ogni contento Langue in braccio al dolor et al tormento. Amor quando sarà Che darai pace al cor, Quando si cangierà Per me la sorte? Che oppresso dal dolor, Non spera questo sen Dall’ingrato suo ben Altro che morte? (Da capo)

497

498

Anhänge

Quanti sospiri, e quanti Esalò questo petto, Quante lacrime, infida, Versai dalle pupille, Et or così mi lasci e mi abbandoni? Queste son le finezze Questa è la fe giurata? Non è più tempo, no perfida ingrata T’amai, non niego, è ver; In te posi il pensier, Ma con raggion il cor si è già mutato. Non porto più nel petto Alcun segno d’affetto E al libero voler son ritornato. (Da capo)

Povero Arsace aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A, 2 Vl, Va, 2 Chal, Bc

1727

Povero Arsace: è vero: Al tuo amore seconda È la Madre; ma pure Nemica la puoi dir perché da lei La tua bella virtù perder si vuole. No, no. Pera l’amore E di un affetto vil trionfi onore. Che v[u]oi far? Povero Arsace Dei pugnar contra il tuo core.

D-MEIr ED 118 t (3)

Anhang III

Dei nemico a la tua pace Cercar danno e ancor dolore. (Da capo) A te mi volgo, o dolce Fedele amico. Quando A te piaccia, e a virtù che di me sia La bella Erminda, vanne: Fa che il Padre, e il Germano al nodo assenta: E in pudico Imeneo Poscia viver potrem coppia contenta. Vanne convinci priega Quell’ alma ria per me E di nemica mia Falla mia sposa Ma pria con questo amplesso Prendi il mio core istesso Quel cor che tutto in te Vive e riposa. (Da capo)

Prima assai d’Aci Polifemo B, Bc

10. Juli 1730

Prima assai d’Aci, Polifemo ardea Per la figlia di Dori, La figlia di Nereo, per Galatea. Quando dall’alte cime Di quell’ispido monte, ahi, ch’egli vide, Vide la bella sua dolce nemica Starsene tutta amica al caro fianco Dell’odiato rivale: Onde pena sentendo aspra e mortale, Amore maladisse e sua saetta; E ne giurò, inumano, alta vendetta.

A-Wgm VI 16567 (4) bzw. A 403 (4)

499

500

Anhänge

Sì, sì: vendetta omai, Vo far di tanti guai, Della mia fede. Costui, già fatto esangue, Verserà l’alma e il sangue Al di lei piede. (Da capo) Sì detto, aimè, d’un fiero colpo atroce, Colpo tutto improviso, Ferì quel garzonetto Che, apperto segli il petto, Cadde sul duro suol, morto e conquiso. Pianser le Grazie allor; pianser gli Amori; Pianser ninfe e pastori; e Galatea, Per testimon dell’immortal sua pena, Fonte si fa d’inesorabil vena. Col 940 vivo pianto Che il sen le innonda, Cangiata 941 in onda, Aci suo amore 942 Baciando va. Ed Aci intanto Su quella sponda Converso 943 in fiore, Ai dolci baci Del caro umore, Bello si fa. (Da capo)

940 941 942 943

Ausbesserung in anderer Hand, ursprünglich: Al Ausbesserung in anderer Hand, ursprünglich: conversa Ausbesserung in anderer Hand, ursprünglich: Pastore Ausbesserung in anderer Hand, ursprünglich: cangiato

Anhang III

La primavera B, Bc

4. Juli 1730

Dei piaceri messaggiera Viene a noi la primavera E gradita Porge al fior nuova la vita, Su cui l’ape va superba. E spirando vezzosetta, Con ruggiade ancor l’auretta Fa ondeggiar nel prato l’erba. (Da capo) Già nel nascer de’ fiori Le gare pur fra lor nascono ancora Chi più vaga e odorosa Porpora scuopra intorno Della verde lor culla al raggio adorno Ma in siepe ombrosa La vaga rosa Più gl’occhi appaga Col suo color. E dalle foglie La man ne coglie Grato liquor. (Da capo)

US-PHhs Gratz Collection Case 13

501

502

Anhänge

Qual lampo rapido Cantata Ottava

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

Qual lampo rapido Durò il tuo amore Qual fronda instabile Fu la tua fe. Tiranno perfido, Spergiuro intrepido, Ancor respira Quell’alma ingrata Che mia non è. (Da capo) Ingratissimo cor! Tirsi spietato! E questo il primo, e questo Dovuto a un fido amore? Che con tiranno ardore Perché mi cruccia, e mi divora l’alma. Tradirmi, e perché mai? Schernirmi infido! Ahi stelle e qual offesa Ti feci onde per altre Havessi da lasciarmi? Ah! Crudo fato! Ingratissimo cor Tirsi spietato. Vendicata de tuoi torti Forse un giorno mi vedrò. E le furie dell’inferno Contro te risveglierò. (Da capo)

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (8)

Anhang III

Questo, che all’erbe intorno S, 2 Vl, Bc

30. Mai 1729

Questo, che all’erbe intorno Superbo va di fuggitivi argenti Limpido ruscelletto, Ascolta, o Lidia, e al mormorio soave Impara amor, mentre d’amor favella; D’occulto foco anch’ella Arder sembra la sponda, Che amor risuona al susurrar dell’onda. D’amor è la catena, Se in lacci d’onde amiche Ruscello al mar sen va. Ninfa d’amor in pena Cerca fra l’ombre apriche Dal suo pastor pietà. (Da capo) Mira pur queste piante Come stringon tra lor nodo tenace Con simpatia dell’amorosa face Odi quest’aure, e frondi, Che fan gara d’amor vezzose, e liete, Con placidi sospiri; Lusingando tra lor pace serena Nel mormorio della frondosa scena. Odi quel zefiretto Come sospira amor Se mormora talor Di fronda in fronda. Al canto ogni augelletto Spiega suo bel desio, Sospiro, ed amo anch’io Par, che risponda. (Da capo)

A-Wgm VI 16571 (5) bzw. A 402 (5)

503

504

Anhänge

La Rosa Aus: 20 Cantaten a Voce Sola col Basso continuo com. Di Antonio Caldara Partitura autographa 1710–1716 S, Bc

9. August 1716

Al primo albore Sul verde stelo Regina in fasce Spunta la rosa. Col dolce umore La nutre il cielo E’l sol che nasce La fa vezzosa. (Da capo) Quindi su gl’altri fiori Coronata di spine Fa una pompa real di sua bellezza, Ogni ninfa l’aprezza La coglie, la vezzeggia, S’infiora il crine, e se n’adorna il seno: Con l’odoroso suo linguaggio ameno Parla al cor degli amanti, E par che dica loro: Nasco in un giorno e nello stesso io moro. Se’l piacere non è colto Come rosa sparirà. E la forza d’un bel volto Su la sera sparirà. (Da capo)

A-Wgm VI 16568 (15) bzw. A 401 (15)

Anhang III

Scorre l’Istro festante S, Vl, Bc

1717 (?)

Scorre l’Istro festante, E dice in sua favella Qual nuovo alter sovrano Orna il ciel, dora i colli, ingemme il piano? Ma sì, che ben s’avvede, Perché nacque Teresa in questo giorno, Ed ammirando in essa Le cesaree sembianze Da per tutto palesa Co’ suoi devoti accenti Dell’immenso gioir, l’alti contenti. Vai Teresa, ch’in sorte otteneste Nella soglia cesarea la cuna; Ben si vede che ancor riceveste Quanto in ciel di splendore si aduna. Or basta, ch’a tal pregio Uniate ancor quei candidi costumi De nostri genitori, Che quei si son splendori Da fregiarmi la fronte inclita, e degna; Ed in si lieto giorno Mi sia anche permesso Ai numi 〈tuoi sterificar〉 me stesso. Deh palme aurate dal ciel calate Per coronare l’augusta mole. Splenda giocando per tutto il mondo Co’ raggi suoi l’austriaco sole. (Da capo)

A- Wgm 16567 (2) bzw. A 394 (2)

505

506

Anhänge

Se bene a me non pensi S, Bc

Se bene a me non pensi Filli Filli crudele io tutte l’ore Parlo con te d’amore, Mi lusingo, e mi piace Questo inganno amoroso, e mi dà pace. Dico al mio core Tu sei felice Filli già t’ama, Se ben non pare Più ancor di te. E se risponde Barbaro amore Filli non dice invano esclama voglio restare con questa fe. (Da capo) Così passando vado L’ore, i giorni, i momenti Ripieni di contenti Amorosi, e soavi Ne contrasta il mio cor più gelosia Non crudeltà, ma tutto Da questa frenesia, Resta vinto e convinto, Amo[r] godo, e soffrir non so che sia. Io mi rido di Cupido Che crudele esser non può. Per godere basta avere Nel pensiero un sì per no. (Da capo)

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (3)

Anhang III

Senti Filli incostante Cantata di Antonio Caldara

Aus: Collectio operum musicorum a diversis auctoribus compositorum, quae »cantate« nuncupantur. Viva voce comitante clavichordio decantanda. Clavichordium comitans basso numerato notatur

S, Bc

1712 (?)

Senti Filli incostante, Non già i teneri affetti di quest’alma Che adulò tante volte il tuo rigore Senti bensì la gioia del mio spirto, Che nasce della chiara conoscenza Del tuo genio fallace, e disuguale, E senti al fin che rotte le catene Non soggiacio no più a angoscie, e pene. Non vuol più un falso oggetto No il mio affetto Ne vuole più soffrire quel partire Per tiranna crudeltà. E se mai torna amare Vuol trovare Sincera sua finezza la bellezza Senza frode e infedeltà. (Da capo) Viva la libertà poiché schernito Mi accorgo degl’inganni Di volubil beltà mai non gradita, E le carceri dure Dove stie l’alma indegnamente appressa Romper ardisca intrepido il valore Perché ancor, che il fuggir è un crudo affanno Sarebbe il non fuggir più fiero danno.

A-Wn Mus. Hs. 17567 (8)

507

508

Anhänge

Viva la libertà E d’ingiusta beltà Fugga il mio core. Perché degno non è Un idol senza fe D’un fido amore. (Da capo)

Sento nel petto mio un dolor B, Bc

16. Juli 1730

Sento nel petto mio Un duol sì accerbo e rio Per rigida beltà. Struggendomi vo’ in pianto E pur crudele è tanto Che dileguar mi fa. (Da capo) Così ardendo m’en vo’ di fiamma in fiamma, Senza sperar conforto Da un’ingrata crudel che mi vuol morto. Chi sa però che un giorno, Vedendo il mio martoro, La mia bella adorata Non si risolvi ancor darmi ristoro. Sì, sì, ch’io soffrirò Dal bel che m’impiagò Tutti i disprezzi. Voglio sperare un dì Dal bel che mi ferì Raccoglier vezzi. (Da capo)

A-Wgm VI 16567 (7) bzw. A 403 (7)

Anhang III

Sogno B, Bc

4. Juli 1730

Dolce sonno, tu spiegasti Le tue piume, e m’involasti Anche l’ombra del piacer. Desto ogn’or se piango, e peno, Nel dormir deh lascia almeno Ch’io m’inganni di goder. (Da capo) Oh sfortunato amante! Non ritrosa o crudel pareami in sogno Veder la bella mia per cui sospiro; Già le dicea l’estremo mio tormento, Già le stringea la man, ma, oh sorte avversa! Quel fato che mi vuol sempre penando, Il contento rubbommi ancor sognando. Amor, che cieco sei, Deh chiudi gl’occhi miei Ritornami al riposo. Rendimi a quella frode Di cui frattanto gode Il mio pensier penoso. (Da capo)

D-B Mus. Ms. Autogr. Caldara, A. 14

509

510

Anhänge

Son tradita, e lo scorgete Cantata Prima

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

S, Bc

1712 (?)

Son tradita, e lo scorgete Sfere eterne che volgete Mille luci sui mortali L’opre ingiuste a rimirar. Ma se voi punir pensate L’empietà del mio Fileno Deh nol fate e questo seno Sol prendete a fulminar. (Da capo) Benché infido Filen mia fe tradisca, Con lo scempio di lui pace non bramo: Pace, o tregna al mio duolo Da morte impetro, e voglio: alme tradite Che nel perduto mondo errando andate Mirate pur mirate Dal vostro pianto eterno S’è più crudele il mio del vostro inferno Ma Terilla che badi? Ecco quel dardo che tante volte e tante A bella man che ancor mi striuge il core Strinse, e vibro questo anch’io stringo, e vibro, E sueno nel mio petto il dolor mio Ninfe, pastori, amate selve addio. Vieni per un momento Immago del mio ben A consolar del sen L’aspro martoro.

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (1)

Anhang III

Dolce sarà il tormento Nel rimirarti al cor Sola una volta ancor Quando mi moro. (Da capo)

Sospira il nume Apollo Cantata Duodecima

Aus: Cantate a voce Sola Di Antonio Caldara Vice Maestro di Capella Di S. M. C. e Catt.ca

A, Bc

1712 (?)

Sospira il nume Apollo, E al splendor di due lumi Abbaccinato, e vinto L’occhio del mondo cade al suolo estinto Ma Dafne ognor spietata Sprezzando le sue fiamme Fugge l’incauto amante E qual fiume veloce Da cui trasse i natali Con insolito corso, e orrenda stragge Precipita il suo duol, l’anima uccide, E di sue pene ingrata ogn’or si ride. Non lagnarti se tu non sei Luce amata degl’occhi miei Altra fiamma sospira il mio cor. Se l’amor per te non m’affanna Non son empia non son tiranna Altra face risveglia il mio ardor. (Da capo) Al suon di tali accenti il nume amante Un tanto ardir detesta e in fine tenta Disperato rapirla. Ahi strano evento!

A- Wgm VI 16569 Q 3712 (12)

511

512

Anhänge

Con sollecita fuga, Dafne ardita Corre veloce alle paterne rive, Lasciando Apollo immerso nel stupore, Scorgendo vilipeso il suo valore Ma nel fuggir ahi sorte! Incaute frondi Di vezzoso arboscello L’arrestan per il crine e di repente Cangiata in verde alloro Dona al languente Apollo Qualche pace al suo amor, qualche ristoro. Nobil pianta pur ti stringo Care frondi pur v’abbraccio Se in voi siede il mio tesor. Idolatra è già il mio core Del tuo caro, e bel splendore Che mi dona sol martor. (Da capo)

I sospiri d’Apollo I A, 2 Vl, Va, Bc

7. Juni 1729

A-Wgm VI 16571 (7) bzw. A 402 (7)

13. Juli 1730

A-Wgm VI 16567 (5) bzw. A 403 (5)

I sospiri d’Apollo II B, Bc

Ascolta, o Dafni bella ascolta. Oh! Dio Ove da sguardi miei t’involi, e fuggi? Deh lascia almen cor mio, Che palesar ti possa il rio martoro

Anhang III

Chi sol vive per te, si chi t’adora: Ma infelice ove son! Che parlo! E miro! Quando allora più lieto, o mio tesoro, Tra le braccia credea stringerti ogn’ora Un nudo troncho io stringo! Un verde alloro! Benché nudo e rozzo tronco Io ti bacio, e al sen ti stringo Dolce vita e dolce ador Già di pianto un vivo fonte Versan gl’occhi ad innaffiarti Cara effigie dell’mio amor (Da capo) Finché avrò spirto, e vita Ramingo si ne andrò, per selve e monti, Per valli, antri solinghi, e balze e rupi, E narrar di dolore il mio lugubre, E sventurato amore. Non sarà selva e in terra, Non sarà pianta in selva, Che non intendi, e porti in sua memoria Dell’idol mio la dolorosa istoria E nel fin di mia vita allor che lasso Di più penar di più bagnar col pianto Questo di verde allor gradito tronco, Scolpita in duro marmo A caratteri d’or fia, che s’intende Tragica istoria, ed ogni amante apprenda. Vi cingo al crine O verdi allori Che immago siete Dell’alma mia Del mio tesor. Vi lascio o tronchi E porto meco Questa memoria Per più dolor. (Da capo)

513

514

Anhänge

Stelle! Che udii? aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A, 2 Ob, 2 Vl, Va, Vc, Fg, Bc

1727

Stelle? Che udij? Perder Arsinoe io deggio? Arsinoe, che negl’anni, E meco al par crebbe in amor ancora. Arsinoe, per cui tanti rischi in contrai, Tal che per lei sin bella Parve mi morte. Arsinoe, che si fida Ogn’or mi fu. No: La mia Arsinoe io voglio, Ò morrò di cordoglio. Padre non curo il regno Madre ho la vita a sdegno Senza la fida e bella Anima del mio cor. Io non aspiro al trono Suddito nacqui è’l sono Sol mi si lasci un bene Che mio già fece amor. (Da capo) Ma, o lamenti, a quest’alma Date omai tregua. Ingiusto Non sarà il Padre, e quando anch’ei tal fosse, Da un comando spietato Difendermi sapria core di madre. Lungi, o vano timore, Su la fe del mio ben posa il mio Amore. Un aura placida mi vien d’intorno E’l fosco nubilo ne rasserena. L’alma lusinga si di più bel giorno L’alma che torbida sinor fu in pena. (Da capo)

D-MEIr ED 118 t (4)

Anhang III

Su l’ali de sospiri S, Bc

1. Dezember 1732

Su l’ali de sospiri Volate pur ove il mio ben risiede, Miei 〈contenti〉 desiri A narrar la mia fiamma, e la mia fede. Ditele pur che verso me ragiri I suoi lumi sereni; E benché poi m’impiaghi e m’incateni Sento da un guardo soltanto ristoro Ch’amo le piaghe, e le catene adoro. Occhi belli del mio bene Se per voi languisco, ed ardo Concedete alle mie pene La pietà d’un vostro sguardo. Ma se poi mi rimirate Luci belle e vezzosette Quegli sguardi che girate Gionti al cor si fan saette. (Da capo) No, no non mi mirate, Luci care, tiranne non v’aprite, Se da quelle vibrate Per saettarmi il cor mille ferite. Misero! E che diss’io? Rimiratemi pur, o luci vaghe Del bel idolo mio. Saprò soffrir le piaghe, Che m’apriran del cor i vostri sguardi. Saran care le pene, Saran pietosi i dardi. Scherzan d’intorno a voi Le grazie più gradite, O luci vaghe.

A-Wgm VI 16570 (9) bzw. A 404 (9)

515

516

Anhänge

Ma se piagate poi Son care le ferite Dolci le piaghe. (Da capo)

Tamerlano Cantata 6.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Il supremo poter, la forza, il merto Paventi l’alma tua proterva, audace, Adora il mio furor, baccia que’ ceppi Custodi del tuo ardire, Rammentati superbo! Che scopo, e centro sei Del mio giusto rigor, de sdegni miei. Sei vinto: il Tamerlano Formidabile al mondo, e alla natura Soggiogò del tuo orgoglio il vil pensiere, Il tuo fasto, spergiuro! È in mio potere. Mi fulmini il tuo guardo, Di te nulla pavento; Se carico di gloria, e di splendore, D’un Bajazet or debellai il valore. Per tuo scorno, e tuo dispetto Riconosci nel mio aspetto Il tuo re, tuo vincitor. Ma quel sdegno audace altero Del tuo core empio, e severo Diverrà scopo al furor. (Da capo) Fremi, delira: ahi cieli! E qual contento Provar poss’io maggior di tue sciagure?

A-Wn Mus. Hs. 17603 (6)

Anhang III

Mi diletta il tuo duol, cerco il rossore? D’un barbaro fellon di un mentitore. L’unico fasto sei di mie vittorie, Altro onor non pretende il mio valore E il scettro formidabile, che regge I Parti, i Sciti, i Persi, i Medi, e Albani Altra gloria non vanta, altro trionfo, Sia meta a miei desiri il tuo tormento, Più non bramo dal ciel, vivrò contento. D’empio fasto un vil vapor Che t’ingombra ed alma, e cor Non ti dona che tormento Solo è parto del tuo duol. Ma al fulgor del sdegno mio Si dilegua il tuo desio Ne di più sospiro e bramo Che il tuo orgoglio estinto al suol. (Da capo)

Temistocle Cantata 9.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

È forse questo o Atene Il premio doveroso a miei sudori? Di qual mercede ingrata Rimuneri il mio sangue Sparso per il tuo onor, per tua salvezza Se prode, invitto, e forte Per sottrarti, pugnai, da un empia sorte. Ma tu superba altera Vilipendi, e disprezzi il nome il merto La mia gloria il mio onor, la fama, il fato

A-Wn Mus. Hs. 17603 (9)

517

518

Anhänge

E ad’un perpetuo esilio Condanni il mio valore Scagli sopra di me tutto il furore. Dal Tartaro profondo Correte inique Furie, E a vendicar l’ingiurie Destate l’alma il cor. Cada Atene fulminata Dal suo fasto l’empia, e ingrata Più non speri il mio potere Più non tenti il mio valor. (Da capo) Non più mora l’ingrata Vada in eterno oblio Il suo orgoglio il suo ardir la sua grandezza, Dia campo il mio furor alla vendetta Un giusto sdegno intorbida il mio core Medita strazzi incendii il mio valore. Già m’accingo all’impresa, Temistocle l’invitto Con poderoso esercito s’avanza, Per debellar l’orgoglio empio spergiuro; Ma oh dio qual duol m’assalle, Qual perverso pensier m’ingombra l’alma? Perdona Atene il sdegno Dolce patria mi sei benché tiranna, E pria ch’io veda estinta la tua gloria E di Serse l’amor cangiato in odio Per sottrarti al periglio Contento morirò sono un tuo figlio. Alme invitte amiche squadre, Non trionfi il vostro sdegno Sopra Atene, e il suo valor. Che se bene esule e privo Del suo amor, ramingo io vivo, Non fia mai che cangi cor. (Da capo)

Anhang III

Tempo distruggitor A, 2 Vl, 2 Clno, 2 Tr, Timp, Bc

14. November 1732

Tempo distruggitor: dov’è l’orgoglio De tuoi fatali sdegni Che ostenti per trofeo Del ferro, mietitor, che irato solve In ombra vana, in 〈poche〉 Le vaste, modi di provincie e regni? Oggi, che il mondo ascolti Del nome augusto risonar d’Elisa Turbar ti miro in guisa Che par che sia de’ tuoi rapaci vanni Tolta al furore, la ragion degl’anni. La man rugosa avventi Su le canute chiome Quanto più senti il nome D’augusta replicar. Fremi di rabbia, e tenti Spiegar le piume altrove Che dove ti rivolti L’ascolti risonar. (Da capo) Fremi pur quanto sai, che a tuo dispetto La gloria di costei, che al mondo impera L’occaso non avrai giammai, ne sera. Le più belle virtù ne fan tesoro, E il fulgido lavoro Che 〈intenson〉 di lor man. tu lo vedrai Eterno star, quando perir dovrai. D’un ben fugace Non è lavoro, Ne a te soggiace L’almo tesoro Della virtù

A-Wgm VI 16570 (3) bzw. A 404 (3)

519

520

Anhänge

Ivi d’Elisa Posta è la gloria E splende in guisa Che la memoria Col tuo sperare Dovrà restare Chiara di più. (Da capo)

Tiranne del mio cor S, Bc

Tiranne del mio cor passioni ingrate, Che più mi tormentate! Non è forsi bastante Che voi rapresentiate All’alma mia che Filli Per lei più non sospira, Che più dell’amor suo cura non prende Che anche di più volete, Mostrarmi Filli amante D’altro vago sembiante, E per più pena mia Quel che in altri è pietà Voi la fate per me, sol tirania. Barbare luci vaghe A me mirate e poi Contento io morirò, Guardate le mie piaghe Aperte sol da voi; Voi le faceste, o no? (Da capo) Se tu Filli sei quella Ch’apri nel petto mio si cruda piaga

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (2)

Anhang III

S’ora più non ti appaga L’amor mio, ti dirò, empia, e rubella. Empia perché crudele Rubella, se infedele. Sai a tante promesse, e a tanti affanni, Ch’io soffersi per te, ed a te feci, E quelle a me fascesti, erano inganni. Che per te soffra la morte E mia sorte Pregio e questo del mio amor. Sol mio dolgo, e sol io peno Perché in seno Porti un cor si traditor. (Da capo)

Il Tiridate Cantata 5.a

aus: Cantate a basso solo

B, Bc

∼ 1727

Se a morir tu mi condanni Morirò; ma in tanti affanni Deh! concedi a questo core Di spirar vicino a te. Lascia almen ch’io dica moro Per te amabile tesoro Se d’amor la cara speme Pur svani lungi da me. (Da capo) Scherzo fatal d’instabile fortuna Misero Tiridate, e qual contento Qual pace puoi sperar se l’alma amante

A-Wn Mus. Hs. 17603 (5)

521

522

Anhänge

Vive in mezzo ai tormenti, ogn’or penante Dal mio soglio regale esule, e privo Disprezzato, ramingo, In odio del german, scopo dell’ira D’un falso d’un spergiuro e mentitore, D’un Erode crudel, di un traditore. Ma quel che più m’accora e più m’affanna Devo partir lontan dal mio bel sole Dall’invitta Marianna Centro d’ogni bellezza, D’un re geloso esposta alla fierezza. Numi! Che far dovrò? Sperar? Qual spene Può darsi in tante angoscie, e in tante pene. Vo fra l’onde, e la procella Qual perduta navicella Con timor di naufragar. Mesto, e privo di conforto, Vo cercando il caro porto Ma lo vieta irato il mar. (Da capo)

Tirsi geloso B, Bc

3. Juli 1730

Se si dasse, o bella Clori, Per due amori un core in seno, Saria un porgere il veleno Nella tazza del piacer. Vero amor non chiude in petto Chi divider può l’affetto E più amanti può voler. (Da capo)

A-Wgm A 403 a

Anhang III

Spaventose tempeste Si minacciano sempre Allor che in cielo appaiono due soli. Oh! Qual procella io provo nel mio petto Scorgendoti nel cor un doppio affetto. Ma no, non può già darsi Che solo un vero amor. O tu m’inganni, O inganni il mio rival e intanto, oh dei!, Di qual pena crudel cagion mi sei. Bramo d’amar con pace, Struggermi alla tua face Ma gelosia non vuò che mi divori. Colto dal tuo sembiante, Servo ti sono e amante, Ma voglio un solo ardor nei nostri cori. (Da capo)

Tirsi nel primo amore B, Bc

3. Juli 1730

Per me fu caro un dì Goder il vago fior Del ruggiadoso umor Goder vezzoso. E della sponda il rio I baci suoi rapir E poi lieto fuggir Tutto fastoso. (Da capo) Ma da quel dì che, infausta sorte, oh dio!, Mirai pria con stupor, pria con diletto E ben tosto con pena un bel sembiante,

A-Wgm VI 16567 (1) bzw. A 403 (1)

523

524

Anhänge

Noioso mi divenne ogn’altro oggetto, Tal che infelice, parmi, Che dal cielo inclemente Abbandonato il fior pianga nel prato E dalla verde sponda Fugga fremendo il ruscelletto ingrato. Più forte in petto, Più dolce al core, Non dassi affetto Di quel d’amore, Ma poi nell’alma Calma non v’è. Ma sospirando, Ma ancor penando S’adora un bene, Da cui ne viene Poi la mercé. (Da capo)

Titano all’inferno B, Bc

19. August 1730

Cessate inique furie, orridi spirti, Di tormentarmi ogn’or, che basta solo A lacerarmi il cor vedermi cinto Da nemiche catene in quest’orrore E il continuo pensar e dir son vinto: Questi, questi è il maggiore Dell’atroce supplicio: e in un vedere Girne fastoso un empio E goder di mie pene, e del mio scempio. Frangetevi, o catene, E duri ceppi omai,

A-Wgm VI 16567 (17) bzw. A 403 (17)

Anhang III

E voi cessate, o pene, Di lacerarmi il cor. Troppo crudeli siete In tormentar quest’alma; Deh se pietade avete, Scemate il mio dolor. (Da capo) Ma se non v’è più speme Empii mi date almen’ morte crudele, Ma cada meco insieme L’empio tiranno, il ciel s’oscuri e seco Scuotasi in fin’ dal fondo Il suol, l’inferno e pera tutto il mondo. Intatto sol resti Quel core inumano, Da me si calpesti E chieda, ma invano, Pietade e mercé. Qual sempre fu meco Tiranno, spietato, Sarò sempre seco Se il vedo al mio piè. (Da capo)

Traditor, che già spezzasti S, 2 Vl, Bc

2. Juni 1729

Traditor, che già spezzasti Del tuo amore i dolci strali I fulmini del ciel ben tosto aspetta.

A-Wgm VI 16571(10) bzw. A 402 (10)

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Anhänge

Ma del dio che profanasti, Benché sieno a te mortali, Sono i fulmini ancor poca vendetta. (Da capo) Per punir te spergiuro Che di un sincerto amor, d’un alta fede Tradisti senza orror le sacre leggi, Tutto il braccio di Giove e leve pena. Che per la tua impietade Da più folgori estinto Tu cada al suol misero, e reo, non basta. Che per la tua fierezza Tu rimanga colà pasto a le fiere Non basta ancor: senti o fellon; per quella Scellerata incostanza, Onde estinguer volesti La fiamma, che vantasti eterna in seno; A te si denno eterne fiamme; e queste In cocito tu avrai. L’infame spirto, Che di perfidia è un mostro, La fra mostri di stige avrà il ricetto; E invece di quel cor, per cruccio eterno Le tre furie d’Averno avrai nel petto. Quanto falso fu il tuo amore Tanto vero il tuo tormento Core ingrato al’or sarà. E l’eterno tuo dolore Diverrà maggior contento Di mia giusta crudeltà. (Da capo)

Anhang III

Tu parti, almo mio sol aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 A, 2 Vl, Va, Bc

1727

Tu parti almo mio sol? E me qui in preda Di un barbaro dolor lasciar ne puoi? E ne mi amasti? Ah come? S’hai cor. . . Ma che favello? Te spinge il tuo dover a questo amaro Passo crudel: e me spinga la gloria A riportar sovra il mio amor vittoria. Occhi belli, prendete un addio E voi cari un addio mi rendete Ma con raggio di affeto pietoso. Saria colpa del fido amor mio Il lasciarvi, e non dirvi che siete Mia delizia mio ben mia riposo. (Da capo) O dio mostro valor: fingo costanza; E pur, ahime: son qual Cipresso altero, Che in vista erge sublime La fronte, e in tanto il rode Tarlo crudel che il vano fasto atterra. Tal muove nel mio seno amor la guerra. Non mi giova d’esser forte Sento al duol che sono amante. Se nel rischio del mio bene Vo far fronte a le mie pene Crudel sembro, e non costante. (Da capo)

D-MEIr ED 118 t (5)

527

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Anhänge

Va al cieco baratro aus: VIII. CAN= TA= TE DEL SIG CAL= DARA L’ANNO 1727 B, 2 Vl, Bc

1727

Va al cieco baratro, Più cieco aligero, À cercar numero, À qualche eumenidi, Che irate infranganti, L’arco, e lo stral. La tra quei miseri, Trifance Cerbero, Con scempio misero, Di morsi rabidi, I torti vendichi D’egro mortal. (Da capo) Dalle sue furie, circondato, e involto, Il povero Fileno, Vilipeso, sprezzato, Si lagnava del Fato, E bestemiando il suol, se stesso, e amore, Contro l’ingrata Clori Rivolse tutto smanie, il suo furore I mostri dell’ircania, Del Caucaso le tigri, Divorino il tuo core, E con eterno ardore, Giove dall’etra irato, Impari a fulminar. All’empio tuo cadavere, Nieghi spietato il mare,

D-MEIr ED 118 t (6)

Anhang III

Ricovero la terra, Con stragge orrida guerra, Il mio tradito amore, Non tardi a vendicar. (Da capo)

Vedrò senz’onde il mare A, 2 Vl, Bc

31. Mai 1729

Vedro senz’onde il mare E il cielo senza stelle Pria, che le tue facelle D’amor ardin per me. Il vago tuo sembiante Adora un altro amante, Se ben ch’ogn’or l’ingrato Si burla sol di te. (Da capo) Non vale più celarmi Filli adorata Filli La fiamma che t’abbruccia, E ti divora il core. Languisci d’altro ardore, Io lo so, ti conosco anima cara La doglia accerta, e amara I lumi tuoi vezzosi La palesano ogn’or mesti, e pietosi. Lo so qual pena senti, Che per altri tormenti Mel dicono quei lumi, Che il suo perduto bene Son pronti a lagrimar.

A-Wgm VI 16571 (6) bzw. A 402 (6)

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530

Anhänge

Ma spera o vagha stella Che forse men rubella D’amor la cruda face Un giorno proverai Filli non ti lagnar. (Da capo)

Versai delle pupille S, Bc

Versai delle pupille, Lagrime a mille a mille, Per una rea beltà. E pur quel fiero core Non sente il mio dolore Non ha di me pietà. (Da capo) Tutto lice il soffrire, E gloria anche il partire, Per una fe sincera. Ma quando poi si scorge Incostante infedele, e lusinghiera, Qual furia, e qual megera Non ritorna quel cor, che vilipeso D’alma incostante, e infida, E con rigore eterno Non risorge per lei furia d’inferno. Batte il core con aspro martello Non ha il mongibello Si fiero l’ardor.

A-Wn Mus. Hs. SA.67.A.25. Mus (5)

Anhang III

Così pur questo misero seno Di fiamme, e ripieno D’un perfido cor. (Da capo)

Vicino a un rivoletto A, Vl, Vc, Bc

3. Juni 1729

Vicino a un rivoletto Ove canuta l’onda Increspata dall’aure Con rugoso zeffir la sponda ingemma Stava l’afflitto e sconsolato amante Coriolano fedel principe errante Attendeva amoroso Cleopatra la diletta Nobile, e vezzosetta E chiedendo ristor dall’aura, e venti Sciolse la lingua in questi dolci accenti. Zeffiretto amorosetto Che scherzando vai vezzoso Con l’augello col fiore, e col rio Vanne vola al bel idolo mio Dilli o caro ch’io l’amo fedel. Augelletto garuletto Che volando vai pietoso, E per monti, e verdi colli Va è ritrova il mio tesoro Dilli almeno ch’io l’adoro Se ben fiero, e a me crudel. (Da capo) Ma, oh ciel! Che insin le piante, E l’erbe i fiori, e sassi

A-Wgm VI 16571 (1) bzw. A 402 (1)

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Anhänge

Gli augelli, i venti, e l’onde Si mostrano crudeli a miei martori. Ah nume cieco alato Cupido del mio fato Tu almeno abbi pietade. Me feristi crudele! Mi colpisti nel seno Ne vale dir ch’io peno Se la perfida ingrata Per più dar cruccio al core Favellando mi va d’antico amore. Aime sento il mio core, Che sviene dal dolore Per te vago mio bene, Languendo ogn’ora sta. Tu sola o mio tesor Spegner puoi quell’ardor, Che non tormento attroce In petto acceso va. (Da capo)

La virtù aus: Vinti quatro Cantate a Basso Solo. Di Antonio Caldara Vice M[a]stro di Cap.la di Sua Maestà Cesarea e Catt.a Dell’Anno 1730 B, Bc

29. Juni 1730

Alle vicende infide Di varia sorte, il forte Giammai non piange o ride Ma sempre eguale ha il cor.

A-Wn Mus. Hs. 17580 (1)

Anhang III

È prova alla virtude Che in petto egli racchiude Il più fatal rigor. (Da capo) Sono a guisa di stelle Del forte le virtù che stan celate Quando a lui del piacer più splende il giorno. Qui nel mondo infelice Per la via del dolor s’entra al diletto E per lo più se ’n viene Sotto nube di mal luce di bene. Folgori il ciel sdegnato, Sibili il vento irato, Vortici siano l’onde, Giammai non si confonde Forte nocchiero in mar. Tutta costanza l’alma Ci serba alla speranza La calma di goder, Il porto d’afferrar. (Da capo)

Vola al mio bene in seno A, 2 Vl, Va, Vc, Bc

10. Juni 1729

Vola al mio bene in seno Infelice cor mio se brami pace; Vanne se pur ti piace, Scoppia in esso di duolo, e col torrente Delle lagrime tue più molle almeno Renderai la fierezza entro quel seno: Ma poi ch’arso sarai, e fatto in polve, Chiedi all’idol, che adori un sol contento

A-Wgm VI 16571 (8) bzw. A 402 (8)

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Anhänge

Ch’ivi almeno ti serbi, e fia tua tomba, O che il cenere tuo disperda al vento. Se tu vedi in quel bel volto Le sue luci a stillar pianto, Di che il cor per te ha già franto Il vedere il tuo dolor. Se confusa va pensando Di che amor cede a virtude E che vuole in servitude Far più pompa del tuo cor. (Da capo) Ah! Che mi lagno in vano Mentre certo son’io ch’entro quel seno Non annida per me sol che veleno. Oh! Perversa fortuna, E quando mai ti stanchi D’esser meco in amor così spietata? Se tu dell’idol mio brami mia morte, Consolarti saprò perversa sorte. Son sì pochi quei momenti, Che mi restano in vederti, E tu cruda a miei lamenti Sorda sei, non hai pietà. Quando lungi mi vedrai Spero si, che tu dirai Che fu troppa crudeltà. (Da capo)

Anhang III

Kantaten für zwei Stimmen

Atalipa, e Doriene 2 S, Vl, Fl, 2 Lt, Bc

Doriene

1727

Germano, il ricco suolo Del fulgido oriente, Ch’ambi ci accolse, ci diè vita, e regno, Con tante gemme sue, Con quante adorna al genitor la fronte, O non ha tanta luce, o almen gareggia Con esso lo splendor di questa reggia. Più, che la miro, Più vi ritrovo Sempre di nuovo Qualche beltà. E più che giro Vaghe le ciglia Per maraviglia Maggior si fa. (Da capo)

Atalipa

Bella Doriene il Gange, Che tributario a noi porta l’arene Di ciò che avvido cor brama, e sospira, Ci porta un certo bene Che perché troppo abbonda Non ha di ben per noi tutto l’aspetto; Quello è ben di fortuna, e in questa sede Un più sicuro ben sempre si vede. Si vede quel bene, Che nutre, che pasce La mente, e che nasce Da bella virtù.

A-Wn Mus. Hs. 16435

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Anhänge

E sparso nel volto Di schiera si vaga, Ciascuno si appaga Ne cerca di più. (Da capo) Doriene

Quivi raccolte son caro Atalipa Tutte le nazioni Come nell’eritreo tutte le gemme. Giovani vaghi, e belle Vezzose alme donzelle A intrecciar balli han ben disposto il piede; È il bel desir d’incominciar la danza A ciasche d’un di lor pronto si vede.

Atalipa

Orsù dunque si faccia Da noi cortese invito; Indico ballo incominciam: frattanto Il popolo diverso Che irresoluto ondeggia In così bella reggia, Plauso facendo a così buon pensiero Ci seguirà di poi col piè leggiero. [D:] Dammi la bianca mano Su cui mi poserò Poi lieta scioglierò Fastoso il piede. Tornando al patrio lido Potremo dir di poi Che ebbe un piacer per noi Questa della virtude inclita sede.

A2

[A:] Dammi la bianca mano Sostegno tuo sarò Poi lieto scioglierò Fastoso il piede. Tornando al patrio lido Potremo dir di poi Che ebbe un piacer per noi Questa della virtude inclita sede.

Anhang III

Dialogo tra la vera Diciplina ed il Genio 2 S, 2 Vl, Va, Fg, Bc

3. Juli 1730

Textdichter

Claudio Pasquini

[D:] Sieguimi, Genio amico. [G:] E dove [D:] ove ci chiama Al tempio del decoro, Delle virtù più belle, e delle grazie, Al giubilo festivo unito il coro [G:] Ma dimmi: non rammenti, Che dell’alma real, vaga doncella A noi commessa in cura, Il sempre fausto, e glorioso nome, Nella paterna reggia, Il popol tutto questo dì festeggia? [D:] Si, che il rammento, e questa Appunto è la cagion, per cui desio, Ch’or tu siegua veloce il passo mio. Gloria colà ci chiama, Che di Teresa al mertò Un serto destinò. E ad un di noi riserba L’onore in si bel giorno D’offrirle il serto adorno Ch’ella si meritò. (Da capo) Genio Disciplina

Genio

E in chi di noi cadrà sorte sì degna? In chi di noi s’impegna Fra più chiaro veder, che in sue bell’opre V’ha per cura maggior, parte maggiore. Quanto lieto son io; se gloria è giusta A me sia aspetta il riserbato onore.

A-Wgm III 15999 (2) bzw. A 398 (2)

537

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Anhänge

Disciplina

Genio

Facile è lusingarsi; il bel destino, Pende sospeso ancor. Posti al confronto, Poi ch’è noto chi sono, e chi tu sei, Vedrem, sei tuoi gran vanti Giugner potranno ad oscurare i miei. Come! La vera Disciplina a tanto Giugner potrà di contrastar col Genio? Non son forse quell’io, che l’alma bella Pel diritto sentiere a guidar prese, Per fin d’allor, che sceso Dall’almo sen di Giove, incominciando Coi teneri vagiti Sul cammin della vita i passi a sciorre Chi la bevvanda le apprestò, che i primi Semi del buon, del vero, Del giusto, e dell’onesto in essa sparse? Chi di virtù l’idea Nella sua mente ancor bambina impresse; Onde avvien, ch’or di se fatta sicura I degni frutti di virtù matura? Taci: posti al confronto, Poich’è noto chi sono, e chi tu sei, Vedrem, sei tuoi gran vanti Giugner potranno ad oscurare i miei. Il dir non giova Ch’or per te sola Si stende, e vola Poiché la regge La prima legge Ch’ebbe da me Così la pianta Che rigogliosa Le braccia stende, La forza prende Dal primo umore Che il buon cultore Bever le fe. (Da capo)

Anhang III

Disciplina

Oh quante piante vidi Da teneri virgulti, Licche di fiori il sospirato frutto Già vicino mostrar, ch’indi lasciate A libertà di quel primiero umore Col produr delle spine han poi delusa La speme del cultore Chi, se non io, quei primi semi sparsi In lei da te, con diligente mano Si tolse adirrigar? Chi dal germoglio, Poich’altero spunto l’erbe nocive D’estir par prese cura onde l’errore, Che circonda il mortale allor che nasce? Perder potesse il suo valeno in fasce? Non ostentar gran vanti; il buon principio Val molto è ver, ma ben tu sai che il premio Il fine vuol seguir, ch’esso non mira Le cose a prima vista Chi ben comincia ha la metà dell’opra Ma chi ben compie la corona acquista. Quel primo albor, che reca La mattutina stella, Se ben per lui s’abbella, Se ben per lui s’indora Quello non è che infiora Alla bell’alba il crin. Ma il sol, che siegue, e spunta Fulgidio su dall’onda Nascendo la circonda Col raggio suo divin. (Da capo) [G:] Per ingrandir tuoi merti, ingiuriosa A lei di vieni, ch’è tua gloria [D:] E come? [G:] Col far tuoi pregi. I pregi suoi. Qual opra Puoi tu d’essa vantar, ch’ella non abbia Fatta di buon volere? Appena intese I primi nomi di comando, e regno, Che senza porti al cimentoso impegno

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Anhänge

D’usar seco d’impulso Clemenza, e maestà nel suo bel core Da per se stessa accolse Nell’istante primier, che a lor si volse. [D:] Ma prevenne un mio lume il bel desio, Ch’avido in lei si accese. [G:] Dillo piuttosto istinto Del Genio augusto, che in suo cor discese. Scioglier confuso accento Non bene ancor sapea; Al breve passo, e lento Suo piè non rispondea: E pure assisa in volto Tenea la maestà. Fra i vezzi, e il riso ancora, Volgendo il regio aspetto, Impor sapea rispetto, Sua tenera beltà. (Da capo) Disciplina

Intempestiva insieme, e inutil cosa Sembrami adesso l’alterear fra noi. Verso del tempio il volo spieghi si, e a lei Che la merce dispone Al maggior merto, a lei ciascun procuri Di far meglio valer la sua ragione.

A2

Con ugual mano Saprà la gloria Pesare il merto Per dare il serto Da offrirsi in dono A lei ch’è torno Della virtù. Basta un sol guardo De’ lumi suoi Perché decida Tosto fra noi

Con ugual mano Saprà la gloria Pesare il merto per dar vittoria Sul nobil serto Da offrirsi al trono Della virtù.

Anhang III

Chi per più cura Merti di più. (Da capo)

Festa di Camera per Introduzione al Ballo da Rappresentarsi dalle Serenissime Arciduchesse nel prossimo Carnevale Dell’anno 1728 2 S, Vl, Vc, Bc

1728

Textautor:

Claudio Pasquini

Sacerdotessa 2

Sacerdotessa 1

Sacerdotessa 2

Vieni, o compagna, e coll’eburnea mano, Or tarda, ora veloce, or lieve, or grave Dolce scorrendo il cembalo sonoro, Fa, che le corde d’oro Coi lor soavi armonici concenti In vario suon rispondano, seguendo I miei canori accenti. Son pronta al tuo voler; ma qual ti veggio Di nuova luce adorno Il volto, e le pupille, Che spargon d’ogn’intorno Scintillanti faville. Iside nostra la propizia Dea M’agita, e vuol, che di verace lode Inno le canti [S 1:] Anch’io Voci festose scioglierò. [S 2:] Tu sai, Ch’ella fu sol, che scosse Il gelido rigor d’orrido inverno, Sai, che per lei sei mosse Lieta, e ridente la stagion più bella A rivestire il suol d’erba novella, E di novelli fiori Tornando adesso il suo splendor natiò; E il Nilo a cui più il corso non trattiene

D-MEIr Ed 118l XI 4681|V NHs 23

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542

Anhänge

Freddo Aquilon, ben sai, ch’oggi coll’onde I nostri campi a fecondar sen viene. Col suo vermiglio Col suo candore La rosa, e il giglio Sopra ogni fiore Spuntando mostrano pregio, e beltà. Or che vezzosa La primavera In folta schiera Tornar gli fa. (Da capo) Sacerdotessa 1

Mira or che giunge appunto, Come nel volto suo dolce, e sereno Ride contento il giubilo giocondo, Però, che vede al comparir di lei, Cambiar d’aspetto, e rallegrasi il mondo. Le verdi antiche spoglie Torna a vestirsi il monte, Or che la bruma algente Da se scacciando va E il denso giel, che scioglie Dalla canuta fronte Mostra il piacer che sente Nel mormorar che fa. (Da capo) Vieni stagion propizia, e mentre sciogli In lieve danza il picciol piè, che ancora, Perché nascente sei, L’orme intiere nel suol formar non puote: Noi con soavi note Ringrazierem la Dea, che ti produsse, Perché quel ben, che in noi per te deriva, Onde sabbella il prato, Il colle, il piano, il monte Nasce da lei, che d’ogni bene è fonte.

Anhang III

A2 Sacerdotessa 1

A te propizia dea Lode rechiamo, e onore, Che il verno distruttore A noi togliesti.

Sacerdotessa 2

E ritornar facesti Quella stagion serena Sempre feconda, e piena D’ogni bene.

Sacerdotessa 1

Questo da te proviene, Che d’ogni ben sei fonte, E colle mani pronte A noi lo piovi.

Sacerdotessa 2

E sempre lo rinnovi, Che in te si riproduce, Come suol far la luce All’alba in se.

Sacerdotessa 1

Tifon col suo veleno Più non infesta il mondo; Ma in aspetto giocondo Or più sei bea.

S1 + S2

A te propizia dea Lode rechiamo, e onore, Che il verno distruttore È già sparito.

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Anhänge

Germana, il dì che splende 2 S, Vl, Bc

Arciduchessa maggiore

11. Oktober 1730

Germana, il dì che splende Sagro all’augusto nome Dell’almo genitor, le dotte, e belle Castalidi sorelle Di chiari spirti accende; E i sagri voti alle suddite genti Scuoprono il volto dei futuri eventi. Per tutto altro no si ode, Che penetrare al ciel fervidi voti, Agli alti pregi suoi tesser corone, E cantar inni di verace lode. E noi che siam sue figlie Cui ne stringe dover, che aperto a lui Si mostri il nostro cor, sol spettatrici Oggi sarem delle premure altrui? La vermiglia vaga rosa Orgogliosa Fra la pallida famiglia Delle semplici viole, Spiegar suole Più superbo il suo color. Così noi dal popol tolte Far dobbiam più chiari, e noti Nostri puri accesi voti All’augusto genitor. (Da capo) [Ami:] È ben ragione, e lo conosco anch’io; Ma tu ben sai, che aborre Encomi udir delle sue glorie [Ama:] A queste Vi penseran le sagre muse, avvezze Coi loro veli ad occultare il raggio,

A-Wgm III 15999 (3) bzw. A 398 (3)

Anhang III

Che va di primo lampo Le pupille a ferire; a noi conviene Solo manifestar le brame accese Nel nostro cor per lui. [Ami:] Ma così pure, E semplici cosi, qual mai potranno Il suo guardo invitar? [Ama:] Col bel del vero. Non mira il genitor se non che a quello, Ne d’altro si compiace, e il ver tu sai Quanto semplice, è più tanto è più bello. Arciduchessa minore

Se questo è quel, che piace All’almo genitore, La brama più verace Ardere a noi nel core Lieto, mirar potrà. E in quella sua schiettezza Così svelata, e pura L’idea della bellezza Tutta vi troverà. (Da capo) Si gradita sarà la nostra cura Così svelata, e pura, Che ben vedrai qual volgerà ridente Verso di noi la maestà del guardo Dal di cui moto, o placido, o severo, Lieto gioisce, o sbigottito trema Tutto il soggetto impero.

Arciduchessa maggiore

L’almo contento, Che verrà in noi Dagli occhi suoi Di già lo sento Scendere in sen. S’egli è sì dolce Sol col pensiero Che farà poi Recando intiero

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Anhänge

Dagli occhi suoi Tutto il suo ben? (Da capo) [Ami:] Ma dimmi: e qual potremo Spiegar con pochi accenti Del fervido desir le brame ardenti, Che abbiam per lui nel core? [Ama:] Il core istesso Lor la lingua saprà d’ogni periglio, Ch’e interprete fedel tra padre, e figlio. [Ami:] E qual de nostri voti Ei ne farà primiero? [Ama:] A lui non manca Lume per far la scelta; avrà ben cura Di ritrovar sollecito, e spedito, Il voto più perfetto, e più gradito. Arciduchessa minore

Se da se stesso Scegliere il core Ne può il migliore Al cor si lasci La libertà. Che il più gradito Dei nostri voti Coi primi moti, Con cui ne tocca Poi sulla bocca Ci porterà. (Da capo) [Ama:] Dunque non più dimora; andiam sull’ali Di sì dolce desir portate a volo; E in fra la turba che in suo onor festeggia Nostro pensier si veggia Nelle sembianze sue più scielte, e belle Splender qual sol fra le minute stelle [Ami:] Sì sì, ne andiamo pur pria, che si accolga Tumultuario il popol desioso, Che per letizia scuote Talor del freno il morso. Tu ben sai, che intorno al genitore Fa, qual d’api uno stuol d’intorno al fiore.

Anhang III

A2

[Ama:] Andiamo al contento, Che più si sospira Se manca l’accento Il cor ch’è sagace Per noi parlerà.

[Ami:] Andiamo al contento, Che più si sospira Se il labro si tace Il cor ch’è sagace Per noi parlerà.

E il bello del vero Il nostro pensiero Più grato farà. (Da capo)

Nel ver che diletta Sua scelta perfetta Il cor far potrà. (Da capo)

Pastorale a Due Voci Nigella e Tirsi S, A, Fl, Chal, 2 Lt, 2 Fg, 2 A-Trb, Bc

1726

Textautor:

Claudio Pasquini

Nigella

Sorta è già l’alba, e col suo flebil canto Filomena dolente L’antico iniquo oltraggio Per proprio sfogo rammentar si sente, Cui la fedel sorella Del vivo sangue ancor macchiata il petto, Mesta risponde anch’ella, E accompagnano entrambe il mio dolore, Or che son lungi al mio fedel pastore. Questo è il prato, il bosco è quello Dove spesso Trovò pace, e dove adesso Trova sol tormento il cor. Il mio Tirsi infra le selve A seguir sen va le belve E non sa, ch’io preda vengo

A-Wn Mus Hs 17645

547

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Anhänge

Senza lui del mio dolor. (Da capo) Tirsi

Il fido tuo pastor, cara Nigella, Siegue il tuo piede, e se talor lontano Lo fa viver da te cura molesta Del pastoral governo, E se talor si desta In lui desio d’affaticar le selve Su gl’amati destrieri I dolci moti delle tue pupille Son la parte miglior de suoi pensieri. Se quel rio fosse contento Di giacer dov’egli nacque Che varebbono quell’acque All’armento ed al pastor. Ma di poi, che scioglie il passo Gode ognun di suo corrente, N’ei si scorda la sorgente D’onde accolse, il vivo umor. (Da capo)

Nigella

Ben mio, poich’or ti lice In libertà serena Al quanto respirar, lieto soggiorno Qui meco atrarre il bel giardin t’invita: La bella Favorita Schiera molle odoroso Di frondi erbette, e fiori Con ampio seno appresteratti al fianco, E l’aura passeggiera Col sussurar leggiera, Quando i soavi lumi Terrai nel vel delle palpebre ascosi Render saprà più grati i tuoi riposi.

Tirsi

Si faccia il tuo volere. Ecco mi assido Sul margine del fonte L’ozio a goder della stagion più bella; Se mai le tacit’ali

Anhang III

Movesse amico il sonno Per ricuoprir d’obblio le mie pupille, Arresta il sonno, e dille, Che in te si fissi, e poi Adopri a suo talento Meco la forza degl’incanti suoi. A2

[T:] Non d’altro riposo Nel sonno m’appago, Che in quel che l’immago Mi porta di te.

[N:] Quel dolce riposo Ti prenda, o mio vago, Mal quel, che l’immago Ti porti di me.

[T:] Che ancor nell’inganno La pace sen viene Se finge quel bene Che inganno non è. (Da capo)

[N:] È ancor nell’inganno Ti mostri il tuo bene Ma qual si conviene Ben colmo di fe. (Da capo)

Trionfo d’Amore e d’Imeneo S, A, 2 Vl, Va, Bc

5. Oktober 1722

Textautor:

Francesco Fozio

Amore

Armi del dio guerriero Cedete al mio valor, da cui mai scampo Spirto d’eroi non ebbe a vincer numi Se avvezza è la mia destra, Con opre memorande Mio pregio è trionfar d’ogni alma grande. Al fulminar d’un ciglio Se uccide la saetta, Virtù dell’arco mio non è del guardo.

A- Wgm 16567 (1) bzw. A 394 (1)

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Anhänge

Spesso non val consiglio Di Marte a la vendetta Sempre d’Arciero dio potente è il dardo. (Da capo) Imeneo

Ferma l’audace volo Di tante glorie all’usurpate come, Alato e cieco nume, Credi sterile idume A germogliar tue palme, E par che a strali tuoi non bastia l’alme. Maggior vanto ho in cielo e in terra Io che tutto annodo in petto / pace Con dolcissime catene. Se il tuo dardo al cor fa guerra Se consuma la tua face In piacer congio le pene. (Da capo)

Amore

A gran serie d’esempi eccelsi, e degni Ben nota è la mia forza. Ma se ferir mi è dato Con due pupille vaghe Contenti adopro a risanar le piaghe, Nel gran Carlo rimira Eroe superno de miei trionfi Il celebrato segno. Ecco che nel mio degno L’altere lodi accresce Se ardendo ai rai de l’amorosa stella Ha in austriaco splendor gioia si bella. No no altra v’è mai scampo Al dolce saettar Del braccio mio. Di due begli occhi il lampo Per me sa innamorar L’arcier son’io. (Da capo)

Anhang III

Imeneo

Sul gran Danubio inondator de degni Se il magnanimo sposo il piè rivolge, Stretto non che piagato Corre a mete d’onor fra lacei d’oro, Al fulgor di Maria, Per mirai d’Imeneo che l’alme avvinse Fabro d’opre divine: Si per me solo, e per voler de’ fati L’orme regni de’ due begl’occhi amati. Di felici con nodo beato Cerca amante Di scherzando sen va fra gl’ardori. Arde, e impiaga ma invato L’amore nume infante S’io non lego il voler di due cori. (Da capo) [A:] Splenda d’Olimpo, e scintillante, 〈. . . 〉ondo Sineggia il sol peregrinar tra segni, E li arde ancor de la mia face al raggio: Or se trionfator già fui degl’astri Cedi a mie glorie [I:] Amore. . . [A:] Taci Imeneo, deh taci [I:] Nel bel regno seren degl’astri anch’io Vanto vender concordi Le deità 〈superal〉 Io pur del ciel l’amenità vagheggio A par di te, ch’io son d’alto piacere La cagione suprema, E incatenar l’oblio Di grand alme al diletto è pregio mio. [A:] Dunque, si bell’incendio e bel legame Dei già lodati diei Stringar le nostre sorti in dolce calma

A2

[I:] Pari sia dunque il merto egual la palma. [I:] Si d’ogni alma, e de’ bei numi [A:] Si d’ogni alma, e de’ bei numi Con mie catene Coi miei stral Lieto corro a trionfar. Lieto volo a trionfar.

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552

Anhänge

Sian le stelle ognor serene Si bel modo a secondar. (Da capo)

Arda in cielo il fe de’ lumi Si bel modo a secondar. (Da capo)

Anhang IV

Anhang IV: »Idealtypische« Kantaten: L’amor lontano (1711) und L’Oronte (vor 1727)

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhänge

Anhang IV

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Anhang IV

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Riassunto

Cantate per il principe e per l’imperatore. Le cantate di Antonio Caldara tra divertimento e cerimoniale di corte Cantate per il principe e per l’imperatore. Le cantate di Antonio Caldara tra divertimento e cerimoniale di corte Il repertorio delle cantate secolari di Antonio Caldara (1670–1736) costituisce a tutt’oggi un tesoro musicale in gran parte sconosciuto. Una ragione di questo fatto è riconoscibile già nella biografia di Caldara: il compositore di origine veneziana fu impiegato stabilmente, per gran parte della sua vita, dapprima a Mantova (1699–1707), quindi a Roma (1709–1716) e infine a Vienna (1716–1736), esclusivamente per l’élite europea e soprattutto per il mecenate romano principe Francesco Maria Ruspoli e un grande melomane come l’imperatore Carlo VI. A differenza di contemporanei quali Georg Friedrich Händel o Alessandro Scarlatti, quindi, Caldara non fu costretto, per ragioni economiche, ad assicurare la diffusione e la conoscenza delle sue opere attraverso esecuzioni numerose, partiture in copia o, addirittura, edizioni. L’aspetto problematico di tale esclusività risiede nell’esigua diffusione delle sue composizioni. A differenza di Scarlatti – le cantate del quale si diffusero sotto la forma di migliaia di copie manoscritte – la musica di Caldara scomparve nell’ombra degli archivi familiari dei Ruspoli, degli Ottoboni e degli Asburgo dopo la prima (e, solitamente, unica) rappresentazione. L’illustre storico della musica Charles Burney deprecò questa circostanza nella sua influente General History of Music (1789) e ammise di non avere mai visto una cantata del Veneziano, benché – come poté constatare sulla base di altre composizioni – egli ne apprezzasse molto la qualità. Ancora oggi, la scarsa tradizione documentaria pesa sulla ricezione scientifica e musicale delle cantate di Caldara. Ciò vale soprattutto per l’attività del compositore espletata esclusivamente al servizio della corte imperiale di Vienna, che favorì in maniera determinante il sorgere di una vasta produzione del compositore. Le dimensioni della sua opera vengono stimate in 3.400 composizioni, delle quale fanno parte circa 350 cantate secolari, le quali, oltre che a Roma, furono composte specialmente a Vienna e che costituiscono il tema del presente libro. Nella Città Eterna, le cantate rappresentarono il fulcro dell’attività musicale di Caldara. Il loro scopo fu conferire alla conversazione del principe Ruspoli un’aura inconfondibile. Il compositore assicurò a questi eventi serali un esor-

Riassunto

dio musicale peculiare, presentandovi delle cantate che rispondevano idealmente alle esigenze di auto-rappresentazione del suo mecenate. Le esecuzioni diedero al parvenu Ruspoli un tono tanto esclusivo quanto distintivo, tale da contraddistinguerlo rispetto alla concorrenza aristocratica romana e da consentirgli di posizionarsi all’interno dell’élite urbana. La musica rivestì una funzione – anche – decisamente politica nei confronti di Ruspoli, che era stato elevato solo di recente al rango di principe romano. La situazione era differente a Vienna: la maggior parte delle cantate composte per la corte imperiale non ebbe una funzione politica. Fanno eccezione i brani impiegati per celebrazioni come i matrimoni dell’arciduchessa Maria Amalia con il principe elettorale bavarese Carlo Alberto (1722) e di Maria Giuseppa con il pendant sassone Federico Augusto (1719). Queste cantate furono integrate nella solenne cerimonia e rivolsero messaggi politici a una cerchia di destinatari dilatata oltre i confini della corte cesarea. Per la maggior parte, tuttavia, il repertorio viennese era destinato al divertimento e alla pratica musicale diretta della famiglia imperiale ed era quindi conformato alle loro esigenze cerimoniali e alle caratteristiche vocali delle arciduchesse. Caldara seppe accordare le sue cantate in modo tanto puntuale a entrambi i contesti politici e culturali che, attraverso un’analisi testuale e musicale, è ancora oggi possibile distinguere chiaramente ciò che è tipico del repertorio per il principe Ruspoli da ciò che è invece peculiare di quello per la casa imperiale. La specificità musicale di Caldara è determinata da caratteri fondamentali sviluppatisi immediatamente dal loro rispettivo contesto e che sono rimasti invariati nel corso degli anni. Definire convenzionali gli elementi ricorrenti (per esempio il soggetto arcadico o la specifica strumentazione romana) o, addirittura, squalificarli – come accade spesso nel caso delle cantate secolari – significherebbe ignorare la scrupolosa rispondenza di tali brani al relativo ambito socio-culturale. Analizzare le differenze tra il repertorio romano e quello viennese è stato dunque l’obiettivo dell’analisi scientifica. Il suo obiettivo principale è stato esaminare i mutamenti, ma anche le continuità nella funzione delle cantate, nella forma, nel testo e nella musica di Caldara dopo il trasferimento del compositore dal palazzo del principe romano alla corte imperiale di Vienna (1716). Il confronto tra questi due repertori è stato possibile principalmente per due motivi: da un lato l’attività del compositore nella Città Eterna era già intrecciata in molti modi con la corte asburgica, d’altro canto si è conservato un numero di cantate rappresentativo per entrambi i contesti (79 per Roma, 101 per Vienna). In ordine a tale finalità, si sono resi necessari i seguenti passaggi metodologici: a seguito dell’individuazione dei due corpora di cantate presso gli archivi e le biblioteche europee ed extraeuropee (non esiste ancora un catalogo delle

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Riassunto

opere di Caldara) i testi delle stesse sono stati dapprima trascritti e le strutture testuali sono state ricostruite nella loro rispettiva forma lirica. Il passo successivo è stato quello di analizzare il contenuto e la forma testuale, che a sua volta ha fornito una base per l’indagine sulle scelte stilistiche, formali ecc. di Caldara. In base a tale approccio metodologico, i risultati hanno potuto essere sviluppati su più livelli: grazie all’ausilio dell’ampio lavoro archivistico è stato possibile presentare una ricostruzione completa del corpus di cantate per quanto riguarda il repertorio sia romano che viennese del compositore. Analisi sistematiche e approfondite della musica (per esempio la strumentazione vocale e strumentale, la struttura formale, il trattamento del piano armonico-tonale) hanno condotto al riconoscimento di elementi tecnici, formali e compositivi specifici per entrambi i corpora o peculiari della composizione di Caldara in genere e quindi indipendenti rispetto al contesto. Le soluzioni compositive per quanto concerne le arie sono caratterizzate da una certa sensibilità del compositore verso la poesia. L’uso della dissonanza o di alcune figure retorico-musicali appaiono assai rilevanti nel caso del repertorio viennese, con le sue numerose arie a voce sola. Per contro, la varietà della strumentazione costituisce un fattore fondamentale per interpretare il testo, e quindi gli affetti, delle arie romane. Le analisi musicali sono condotte in maniera tale che esse potranno essere utilizzate in futuro per ricerche comparative, focalizzate ad esempio sulle cantate di Händel, il predecessore di Caldara nel suo impiego romano. L’esame dettagliato ha permesso di enucleare due cantate per entrambi i contesti (riprodotte in appendice) che possono essere classificate come »tipi ideali«. Scopo dell’analisi complessiva dei due brani è stato quello di illustrare continuità e fratture nello stile compositivo di Caldara. Inoltre, gli elementi caratteristici delle composizioni cis- e transalpine del compositore sono stati affiancati gli uni agli altri al fine di mostrare sinteticamente i risultati dell’analisi approfondita. Infine, è apparso opportuno includere nelle riflessioni anche il contesto socio-culturale nel quale il Veneziano svolse la sua attività. Soltanto tale ampliamento di prospettiva ha potuto conferire un profilo più netto alle funzioni politiche, cerimoniali e musicali rivestite dalle cantate del compositore.

Personen-/Werk-/Ortsregister Das Register erfasst Personen, Werktitel sowie Orte. Die Titel der Werke Caldaras wurden in die Kategorien: Kantaten für 1 Stimme, Kantaten für 2 Stimmen, Kantaten für 3 und mehr Stimmen / Serenaten, Opern / Feste teatrali und Oratorien untergliedert. Bei den ersten beiden Kategorien wurden nicht nur die Haupttitel, sondern auch die Textincipits aufgenommen; bei Letzteren wurde jeweils auf den Haupttitel der Kantate verwiesen. Nicht separat im Register ausgewiesen wird der Protagonist Antonio Caldara sowie seine beiden Hauptwirkstätten Rom und Wien. Acquaviva d’Aragona, Francesco 78, 87 Ago, Renata 19, 26, 59 Albani, Carlo 75, 78 Albani, Giovanni Francesco → Clemens XI. Albano 94 f., 406 Albinoni, Tomaso 198 Alighieri, Dante 241 Allacci, Leone 40 Altemps (Familie) 61 Ambros, August Wilhelm 15, 354 Amiller, Anton 38 Anguillara (Familie) 61 Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen 10, 36, 42, 47–49, 52, 70, 72, 75–79, 82, 216, 284 Antonicek, Theophil 21 Ariost, Ludovico 104 Astorga, Emanuele d’ 9, 50, 104, 133, 413 Antri spelonche e rupi 133 August der Starke → Friedrich August I. von Sachsen Avellino, Andreas 86 Avellino, Principe d’ → Caracciolo, Francesco Maria

Bizzarini, Marco Bologna

18, 358

31 f., 324

Bolognetti, Ferdinando Bonanni, Filippo

75

62

Bonelli, Francesco

75

Bonis, Ignazio de

59

Bononcini, Giovanni

9, 59, 282

Chiuso è già Borea nevoso (?) Da te che pasci ogn’ora Misero pastorello

282

Roma e la Fede (?) Bordiers, René

59

254

Borghese, Marcantonio

77

Borromeo Arese Albani, Teresa Boschung, Magdalena Bottari, Domenico

57

Judith triumphus

57

Breig, Werner

98

282

75

11 f., 17, 23, 147

172

Brenna, Filippo

57

Brown, A. Peter

235

Brunamonti, Francesco Brusa, Francesco

224 f.

282

Vezzose pupillette Badia, Carlo Agostino 218, 221 Barbieri, Patrizio 69 Benedikt XIII. 84 Bennett, Lawrence 13, 18, 47, 220 f., 226, 241, 284 Berkeley, George 76, 82 Berlin 31, 33, 44 Bernardi, Francesco 28, 99 f. Berti, Marc’Antonio 220, 239 Bichi Ruspoli, Girolama 60

Burney, Charles

9, 49

Burrows, Donald

20

Buxados Conde de Savallà, Juan Caetani (Familie) Caffiero, Marina

61 19

Calcaterra, Francesco

19

219

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Personen-/Werk-/Ortsregister

Caldara, Antonio Kantaten/Serenaten Kantaten für 1 Stimme Agesilao 246, 415, 424 f. Ah ingrato pastorello 409 Ahi! Chi di nuovo al guardo → Orfeo amante infelice Al bel pianto di Nice 422, 426 f. Al primo albore → Rosa, La All’apparir di risplendente Aurora 282, 411, 427 f. Alle vicende inf ide di varia sorte → Virtù, La Alme voi che provaste → Amante frenetica per gelosia Amante frenetica per gelosia 111, 133, 204, 206, 407 Amante recidivo 130, 170, 175, 399 Amante sdegnata 118, 131, 163, 195 f., 200, 408 Amante, che và intraccia della sua donna 129, 158, 406 Amar, ne più poter 420, 428 f. Amor costante, L’ 103, 404 Amor dei cuori 131, 169, 177, 400 Amor geloso 33 f., 101, 132, 402 Amor geloso, L’ 101, 103, 105, 132, 404 Amor lontano 33 f., 101, 132, 402 Amor lontano, L’ 101, 132, 355–358, 404, 553–567 Amor, or mi mostra d’oro un crin 244, 416, 429 f. Amor perfetto, L’ 103, 142, 404 Amor sofferente, L’ 105, 403 Antri spelonche e rupi 133, 405 Arda il mio petto amante 411, 431 f. Artabano, L’ 278 f., 343, 415, 432 f. Ascolta, o Dafni bella! → Sospiri d’Apollo, I Astri di quel bel viso 26, 32–34, 37, 120 f., 128, 405 Aura de miei respiri 41, 323, 397, 420, 433 f. A voi luci adorate 422, 434 f. Bajazet 246, 248, 415, 435 f. Begl’occhi 100 f., 117, 122, 401 Begl’occhi adorati 409 Bella man che il f ilo aggiri → Bella mano

Bella mano 109, 196, 405 Belle mie voi siete rose 37 f., 399 Bireno il dì s’appressa → L’Olimpia Caccia, La 399 Cantata burlesca 102, 104, 406 Cantata in risposta della gelosia in lontanza 44, 412, 437 f. Cara e bella violetta → Violetta, La Caro Daliso mio → Risposta all’amor costante/geloso/perfetto/sofferente/al genio Cessate inique furie → Titano all’inferno Che dite, o miei pensieri? 420, 438 f. Che giova il sospirar 258, 270 f., 282 f., 296, 309, 422, 439 f. Che pretendi Amor tiranno 240, 277 f., 339–344, 421, 441 f. Che sarà mai di me, numi tiranni 312, 420, 442 f. Che speravi semplicetto → Amante recidivo Cinto il f ianco di saette → Caccia, La Cleopatra, ahi! 411, 443 f. Clori o tu non m’intendi 401 Codro 246, 415, 444 f. Colei ch’adoro 45, 280, 422, 446 f. Come debba esser condotta una reciproca simpatia 233, 238, 245, 303 f., 413, 447 f. Corona di Rosa, La 42 Credea Niso credea 186–190, 194–196, 405 Crudele, se tu mi vuoi tradir 258 f., 300, 308, 325–328, 414, 448 f. Dall’onda che siegue 342, 411, 449 f. Dammi l’arco Cupido bendato 258, 415, 450 f. Dario 49, 324, 415, 451 f. Da te che pasci ognora 41, 96, 229, 282, 412, 453 Da tuoi lumi, e dal tuo core 161 f., 407 Dei piaceri messagiera → Primavera, La Dell’amorosa stella gia cadente 419, 454 Di crudel vuoi tu, che muora 121, 406 Di quel sol che ai suoi splendori → Oro, L’ Dolce sonno tu spiegasti → Sogno Dove sei, bella Clori, idolo mio? 292, 414, 455 f.

Personen-/Werk-/Ortsregister

Dunque Giasone ingrato → Medea, La E ancora il mesto ciglio 295, 414, 456 f. E come Elisa amata 48 f., 411, 458 f. E forse questo, o Atene → Temistocle Egli è pur dolce amor 45, 244, 421, 457 f. Elpino innamorato guardava un dì → Begl’occhi Epaminonda 246, 313, 415, 459 f. Ercole, L’ 269 f., 292, 416, 461 f. Eulisse, L’ 323 Filen, Fileno ingrato 37, 113, 400 Filli convien ch’io parta 32, 37, 116, 198 f., 402 Garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore, La 230, 232–234, 250, 418, 462 f. Genio, Il 34, 147 f., 150, 403 Già che ne men quest’anno → Cantata burlesca Già che tiranno il fato → Epaminonda Giunto al meriggio il sole 248, 419, 465 f. Giunto è il giorno fatal 411, 463 f. Industriosa Fenice 411, 466 f. Infausto punto 411, 467 f. Ingrato! E perché mai? 267 f., 279, 300, 417, 469 f. In onta a tuoi disprezzi 241, 411, 470 f. Insolito stupor m’ingombra il core → Ercole, L’ In un antro soligno 241, 296, 298, 335–339, 342–344, 418, 471 f. Invida di mia pace 100 f., 103, 111 f., 133, 206, 399 Io crudele? Io tiranna? → Cantata in risposta della gelosia in lontanza Io soffrirò tacendo 229, 255, 324, 411, 472 f. Io ti sento anima amante 151, 401 Irene idolo mio → Amor costante/geloso/lontano/perfetto/sofferente, L’/Genio, Il Iuba 246, 416, 474 f. La di parnasso 296, 418, 478 f. Lamento d’Oeta nel ratto di Medea, Il 246, 421, 475 f.

Lamento d’Orfeo, Il 264 f., 280 f., 300, 349 f., 418, 420, 476–478. Libertà contenta, La 27 f., 124, 145, 399 Lo so pupille vaghe 110, 407 Lontananza 27, 133, 408 Lungi dall’idol mio 37, 130, 132, 195, 399 Medea, La 23, 37 f., 101, 104, 108 f., 204 f., 408 Mentre tra balze e rupi → Lamento d’Orfeo, Il Mie pupille che versate → Amante sdegnata Mirti, faggi, tronchi e fronde → Amante, che và intraccia della sua donna Misera me! 295, 297, 302 f., 309, 422, 479 f. Misero pastorello 241, 282, 413, 481 f. Mi tradisti Coralma 412, 482 f. Nasco è ver → Rosa, La Nell’estremo momento in cui sovrasta → Iuba Ninfe e pastori 37, 106, 133, 409 Non per pioggia del cielo → Lontananza Non senti o bella Irene 409 Numi, aita! Oh, che tormento! 420, 483 f. Occhi, che vi dirò 422, 484 f. Ogni cor sta in gioia e in festa → Garra di Pallade Dea delle Virtù, e Venere Dea d’Amore, La Oh dei miei lunghi affanni 409 Oh del romano impero 232–235, 251, 302, 309 f., 422, 486 f. Olimpia, L’ 23, 26, 37 f., 101, 104 f., 408 Ombre amiche, o pachi orrori 420, 487 f. Orfeo amante infelice 421, 488 f. Oro, L’ 41, 254–256, 419, 489 f. Oronte, L’ 261, 272, 321, 323, 358–360, 397, 416, 490 f., 568–573 Ove l’altero Olimpo → Oronte, L’ Partenza d’Ulisse, La 281, 300, 418, 420, 492 f. Partir tu vuoi da me 412, 493 f. Perché, Il 37, 90, 103, 109, 141, 176, 399 Perché sospiri, o core 259, 420, 495 Perché t’adoro → Perché, Il Per me fu caro un di → Tirsi nel primo amore Pianger sopra un estinto 308, 312, 416, 496 f.

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Personen-/Werk-/Ortsregister

Piangerò sin ch’avrò vita → Dario Popoli, amici, Atene → Codro Porgete per pietà 278 f., 281, 296, 417, 420, 497 f. Povero Arsace 272 f., 301, 414, 498 f. Prima assai d’Aci Polifemo 419, 499 f. Primavera, La 41, 255, 419, 501 Qual lampo rapido 243 f., 312, 412, 502 Qual mai cagion 407 Qual superbo pensier t’abbaglia i sensi 48 Quante lagrime 37 f., 103, 400 Quanto ahi quanto 400 Questo che all’erbe intorno 44, 299, 417, 503 Risposta al genio 34, 102, 145, 403 Risposta all’amor costante 103, 403 Risposta all’amor geloso 103, 158, 404 Risposta all’amor lontano 404 Risposta all’amor perfetto 35, 103, 178, 404 Risposta all’amor sofferente 403 Rosa, La (Al primo albore) 413, 504 Rosa, La (Nasco è ver) 406 Rotte l’aspre catene 109, 409 Ruscelletto a cui sen viene 400 Saprò spergiura a tuo malgrado → Lamento d’Oeta nel ratto di Medea, Il Scherzo di f iori 400 Scorre l’Istro festante 233, 235 f., 252, 278, 311, 344, 413, 505 Se a morir tu mi condanni → Tiridate, Il Se bene a me non pensi 422, 506 Se senza spine → Scherzo di f iori Se si dasse, o bella Clori → Tirsi geloso Selve che mi vedeste 122, 147, 190–196, 402 Sempre mi torna in mente 129, 178, 409 Senti Filli incostante 309, 316–318, 412, 507 f. Sento nel petto mio un dolor 44, 249, 331–335, 342–344, 420, 508 Sogno 41, 419, 509 Son tradita e lo sorgete 48, 282, 412, 510 f. Sospira il nume Apollo 412, 511 f. Sospiri d’Apollo, I 281, 300, 418, 419, 512 f.

Stelle! Che udii? 294 f., 301, 414, 514 Su l’ali de sospiri 259, 422, 515 f. Supremo poter, la forza il merto, Il → Tamerlano Tamerlano 246, 248, 292, 318 f., 345, 416, 516 f. Temi ingrato il mio valore → Artabano, L’ Temistocle 246 f., 416, 517 f. Tempo distruggitor 232–235, 238, 250, 302, 422, 519 f. Tiranne del mio cor 422, 520 f. Tiridate, Il 264, 327, 416, 521 f. Tirsi geloso 41, 44, 419, 522 f. Tirsi nel primo amore 243, 419, 523 f. Titano all’inferno 246, 306, 421, 524 f. Traditor, che già spezzasti 417, 525 f. Trionf i il tuo desir → Bajazet Tu mi dimandi, Eurilla → Come debba esser condotta una reciproca simpatia Tu parti, almo mio sol 263, 415, 527 Tu sempre inf ida Dori 401 Va al cieco baratro 415, 528 f. Va mormorando 100, 133, 139, 407 Vaghe luci 167 f., 172 f., 405 Vedrò senz’onde il mare 417, 529 f. Versai delle pupille 422, 530 f. Vicino a un rivoletto 44, 265–267, 296, 315, 322, 346, 417, 531 f. Vieni mia bella Dori 408 Vincesti Aureliano → Zenobia, La Vincesti, io son il reo → Agesilao V ’ingannaste, o pensieri 40 f. Viola mammola, La 31, 133 f., 406 Violetta vezzosetta → Viola mammola, La Violetta, La 132–134, 408 Virtù, La 41, 254–256, 419, 532 f. Vogliono i numi → Partenza d’Ulisse, La Vola al mio bene in seno 259 f., 418, 533 f. Volate o f idi miei pensieri 405 Zenobia, La 34, 104, 404 Kantaten für 2 Stimmen Ardo gentil Fileno 148, 176, 406 Armi del dio guerriero → Trionfo d’Amore e d’Imeneo

Personen-/Werk-/Ortsregister

Atalipa, e Doriene 233, 235, 237, 243, 253 f., 257, 275, 302 f., 415, 535 f. Begl’occhi e bella bocca 148, 152, 160, 174, 401 Bella bella s’io tanto t’amo → Costanza vince il rigore, La Clori e Daliso 107, 110, 121, 154, 400 Costanza vince il rigore, La 97, 103, 107, 115, 167, 401 Daliso anima mia → Clori e Daliso Daliso e Nice 27, 125, 133, 202, 407 Daliso intorno a queste → Daliso e Nice Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio 14, 233, 235 f., 238 f., 251, 257 f., 273 f., 285, 295, 310, 421, 537–541 Dipartita amorosa 107, 203, 408 E pur sempre vorrai Clori → Lode premiata, La E quando cessarete → Libertà contenta, La Eurilla, e f ia pur vero → Pastorella fedele, La Festa di Camera per Introduzione al ballo → Vieni o compagna Filli, e Tirsi 32, 110, 148, 405 Germana: il dì che splende 14, 233, 235–237, 250, 256, 262, 273 f., 285, 348, 351, 421, 544–547 Germano il ricco suolo → Atalipa e Doriene In questo ameno bosco 123 f., 402 Io resto/parto, e vivo? → Dipartita amorosa Libertà contenta, La 27 f., 124 f., 145, 399 Lode premiata, La 98, 129, 180–186, 194–196, 207, 401 Lontana d’ogni impegno 148 f., 152, 405 Nigella e Tirsi 14, 46, 230, 233, 236, 238 f., 244, 275, 303 f., 397, 414, 547–549 Non ben ama → Filli e Tirsi O bella Irene amante → Begl’occhi e bella bocca O voi che in ciel splendete 165, 406 Or che l’aura gentile → Per il mare Pastorale a due voci → Nigella e Tirsi Pastorella fedele, La 115, 399 Per il mare 143, 401 Quel duolo del mio core 154–156, 204, 406 Sieguimi, genio amico → Dialogo tra la vera Disciplina ed il Genio

Sorta è già l’alba → Nigella e Tirsi Su quel muscoso sasso 106, 196, 407 Tacete ormai tacete → Tirsi e Fileno Tirsi e Fileno 405 Trionfo d’Amore e d’Imeneo 16, 23, 45, 232 f., 239 f., 252, 256, 275, 285–289, 295, 306 f., 309, 320, 351, 413, 549–552 Vieni o compagna 13, 233, 235, 237, 239, 243, 254, 256, 258, 262, 275, 295, 299, 309 f., 417, 541–543 Kantaten für 3 und mehr Stimmen / Serenaten Amarilli vezzosa 99 f. Amici pastorelli 88 f., 98 Amor, senza amore 28 f., 99 f. Cinesi, Le 238 Corona d’Imeneo, La 215 Giubilo della Salza, Il 40 Giuoco del Quadriglio, Il 79 Grazie vendicate, Le 238 Nice lascia d’amar → Amor, senza amore Riposan già 30 Trionfo d’Amore, Il 81, 98–100 Vaticini di pace 26, 35, 57, 96, 99 f., 135 f. Opern / Feste teatrali Adriano, L’ 215, 231 Asilo d’Amore, L’ 214 f. Euristeo 216, 237 Forza dell’amicizia ovvero Pilade ed Oreste, La 214 Oratorien Ester 240 Francesca Romana, La 228 Martirio di Santa Caterina, Il 69 Morte e sepoltura di Christo 240 Ribellione di Assalonne, La 29 Santo Stefano 96 Caldara, Caterina 43, 81, 94, 227 f., 231 Caldara, Maria Sofia 227, 231 Calella, Michele 14 Cantalice, Felix von 86 Capizucchi, Mario 75

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Personen-/Werk-/Ortsregister

Caracciolo, Francesco Maria, Principe d’Avellino 92 f. Casalmaggiore 215, 220, 230 f., 419–421 Casati, Pietro 28, 99 f. Castelli, Nicola 25 Castrucci, Domenico 62, 65, 81 Castrucci, Pietro 62, 65, 81 Catena, Giovanni Battista 137, 239 f., 277, 339, 341, 421, 441 Centanni, Monica 17, 19, 246, 285 Cerveteri 60, 68 Cesarini (Familie) 61 Cesarini, Carlo Francesco 15, 63 Invida di mia pace 133 Cesi (Familie) 61 Cesi Ruspoli, Maria Isabella 60 f., 75, 86 Checchino → Grandis, Francesco de Chiccheri, Vittorio 98 Christina von Schweden 85 Cimapane, Bartolomeo 65, 81 Claudian, Claudianus 291 Clemens XI. 52–59, 67 f., 78, 96, 135 f. Coccioli, Giancarlo 57 Cola, Maria Celeste 89 Colloredo-Waldsee, Johann Baptist 240 Colonna (Familie) 61, 87 Colonna, Carlo 48, 50, 57 Colonna, Fabrizio 77 Comacchio 54, 57, 67 f. Conti, Francesco Bartolomeo 13, 290, 324 Istro, L’ 290 Contini, Giovanni Battista 64, 75, 86 Corelli, Arcangelo 51, 62 Corsie, Agnesa 81, 95 Corsini (Familie) 84 Corsini, Lorenzo 87 Crescimbeni, Giovanni Mario 57, 64 f., 75, 85 f., 88 f. Darmstadt 23 Dolcini, Renato Francesco 17, 322 Dresden 47 Dublin 9 f. Dubowy, Norbert 16, 163 Durastante, Margarita 28, 52 f., 65 f., 81, 99 f.

Edler, Jörn 14, 18, 330, 342 Ehrmann-Herfort, Sabine 51 Eichholz, Nina 161 Eitner, Robert 39 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel 39, 49, 214, 224 f., 227, 230, 233, 236, 238, 245, 250, 256 Elwert, Theodor 18 Ennius, Quintus 291 Fabbroni, Carlo Agostino 87 Fagiolo, Marcello 57 Figari, Pompeo 65 Foresti, Sergio 10 Fozio, Francesco 239 f., 290, 413, 549 Franchi, Saverio 51, 56 f., 59, Frankfurt a.M. 94 Freitas, Roger 15 Friedrich August I. von Sachsen 212 Friedrich August II. von Sachsen 42, 47, 210–212, 232, 289, 291, 362 Fritz-Hilscher, Elisabeth Th. → Hilscher, Elisabeth Th. Fuchs, Aloys 39–41, 397, 412 Fux, Johann Joseph 10, 46, 210, 212, 214, 218 f., 229, Angelica vincitrice d’Alcina (K 310) 212, 227 Costanza e Fortezza (K 315) 214 Nozze d’Aurora, Le (K 314) 46 f. Gabrielli Capizucchi, Prudenza 140 Gaffi, Tommaso Bernardo 63 Garri, Alejandro 22 Gasparini, Francesco 9, 13, 31, 44 f., 72, 84, 104, 139, 146, 160 f. Crudel tu parti 44 Sente pur che maggio è nato 160 Gasparri, Francesco Maria 58 Genovesi, Gregorio 218 Ghezzi, Giuseppe 67 Gialdroni, Teresa M. 15 f., 240 f., 282 Gigli, Girolamo 88, 136 f., 240, 253 f., 397 Gini, Paolo 57, 96, 135 f. Ginnasi (Familie) 86 f.

Personen-/Werk-/Ortsregister

Giudice, Francesco del 64, 66, 75 Giulio 81 Glüxam, Dagmar 45, 295, 302, 304, 310 Göttweig 40 f. Grandis, Francesco de (gen. Checchino) 81 Gravina, Giovanni Vincenzo 57 Greco, Giovanni 239 Greenwood, Barrie L. 16, 39 Grimani, Vincenzo 57 Gualterio, Filippo Antonio 87 Haas, Maximilian 220 Hadamowsky, Franz 20 Händel, Georg Friedrich 10, 13, 15, 17 f., 30 f., 35, 50 f., 62, 64, 66–70, 75, 90 f., 97, 104, 106 f., 133, 135, 137–139, 160, 163, 172, 195 Armida abbandonata (HWV 105) 160 Arresta il passo (Aminta e Fillide, HWV 83) 66, 97 Diana Cacciatrice (HWV 79) 97 Ninfe e pastori (HWV 139a) 133 Nò se emenderá jamás (HWV 140) 35 Oh come chiare e belle (HWV 143) 135 Qual ti riveggio (Ero e Leandro, HWV 150) 160 Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo, La (HWV 47) 51, 67 Sans y penser (HWV 155) 35 Tra le f iamme (Il consiglio, HWV 170) 160 Tu fedel? Tu constante? (HWV 171) 160 Harris, Ellen T. 137 f., 195 Haupt, Herbert 21 Haymerle, Johann Wolfgang 219 Heighington, Musgrave 9 Heinichen, Johann David 50, 95, 161 Selve amene, antri ombrosi, o voi che un tempo 161 Hilscher, Elisabeth Th. 235, 246, 251, 274 Hochradner, Thomas 10 Hoffmann, Johann Georg 21 Hogwood, Christopher 20 Holzhauser, Theresia 239 Hotteterre, Jacques 62

Huss, Frank

23

Ignazio 98 Innozenz XII. 55 Innozenz XIII. 60 Jarmeritz 215 Johannsen, Robin 10 Joseph I. 18, 54, 67, 94, 218, 220, 227 Karl Albrecht von Bayern → Karl VII. Karl III. → Karl VI. Karl VI. 10, 14, 20 f., 37, 58, 92, 94, 210, 212, 214, 216–224, 227 f., 231, 233, 250, 255–257, 288, 331, 354 Karl VII. 28, 45, 70, 74 f., 77–80, 83, 96, 98 f., 213, 232 f., 252 f., 257, 286, 362, 413 Karlsbad 215 Katharina von Bologna 86 Kiesewetter, Raphael Georg 40 Kirkendale, Ursula 17, 28 f., 39, 48, 64, 66, 68, 71, 80, 88 f., 95–99, 137, 139, 231 Kirkendale, Warren 17, 29 Köchel, Ludwig von 20, 23 Köln 41 Kraus, Felix 39 f. Krumau 215 Küchelbecker, Johann Basilius 211, 216, 218 La Via, Stefano 18 Lamberg, Johann Ferdinand Graf von 219 Lamberg, Leopold Joseph Graf von 83 Lanciani, Francesco Antonio 26, 28 f., 35–38, 72, 90, 95, 176 Lanciani, Tarquinio 26, 35 Landsberg, Ludwig 33 Leonio, Vicenzio 140 Leopold I. 18, 218, 220 Leopold Johann von Österreich 211 f. Linz 215 Lobreau 37 London 31, 62 Lotti, Antonio 9, 133 Va mormorando 133 Ludwig XIV. 81

583

584

Personen-/Werk-/Ortsregister

Ludwig XV.

216

Maccarinelli, Marc’Antonio 21, 38, 45–48 Mailand 47, 93–95, 403 f. Mainz 11, 140 Mandyczewski, Eusebius 22, 39, 41 Marcello, Benedetto 9, 18, 133 f., 358 Cara e bella violetta 133 f. Clori e Daliso (Daliso intorno a queste) 133 Violetta, La 133 Marescotti, Galeazzo 63, 85 Marescotti, Giacinta 85 Marescotti-Ruspoli, Francesco 60 Maria Amalia von Österreich 45, 213, 232 f., 235, 252 f., 257, 289, 362, 413 Maria Anna von Österreich 23, 42, 226, 235–238, 240, 250–252, 254, 256, 262, 273, 413, 416, 541, 544 f. Maria Josepha von Österreich 212 f., 232, 289, 291, 362 Maria Kazimiera Sobieska (Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien) 59 Maria Theresia von Österreich 18, 23, 42, 212–214, 226, 233, 235–238, 240, 250–252, 254, 256 f., 262, 273 f., 278, 349, 413, 416, 420, 541, 544 f. Marino, Giambattista 241 Martello, Pier Jacopo 87 McGeary, Thomas 138 Meiningen 18, 36, 284, 292, 324 Metastasio, Pietro 19, 85, 215, 226, 238 f., 246 f. Molitor, Simon von 33, 39–42, 44, 410 Mollart, Ferdinand Ernst Graf von 210, 219 Morei, Michele Giuseppe 58 Muneretti, Giovan Battista 217 Münster 31, 35 f., 48, 62 Odam, Girolamo 87, 397 Odescalchi (Familie) 60 Odescalchi, Livio 57 Olivieri 67 Olivieri, Fabio 75 Orsini (Familie) 61, 84

Orsini, Pietro Francesco 87 Orsini, Gaetano 238, 303, 421 Ottoboni (Familie) 20, 84 Ottoboni, Antonio 100 f., 133, 139, 399, 401 Ottoboni, Pietro 20, 52, 56, 64, 68–70, 73, 75, 79, 81, 84, 87, 98, 100, 136, 138 Over, Berthold 11 f., 17 f., 23, 48, 50, 56, 69 f., 72, 84, 95, 104, 138 Palotta, Matteo 218 Pamphili, Benedetto 18, 20, 56 Paolini de’ Massimi, Petronilla 140 Paolucci, Fabrizio 53 Paracciani, Giandomenico 87 Pariati, Pietro 19, 85, 212, 214 Paris 41, 44 Parma 54 Pasqualino 81 Pasquini, Giovanni Claudio 19, 85, 215 f., 234, 239 f., 244, 251, 253 f., 414, 417, 421, 537, 541, 547 Passionei, Domenico 54 Peroni, Giuseppe Maria 81, 224 Perutková, Jana 21, 216 Petrarca, Francesco 241 Petrolli, Caterina → Caldara, Caterina Philadelphia 44 Philipp V. 215 Piacenza 54 Piedz, Anna Maria di 80 f. Pietschmann, Klaus 11 Pio di Savoia, Luigi 21, 216, 219 Piperno, Franco 74 Pius V. 86 Poli, Carlo Alfonso 70, 81 Porpora, Nicola Antonio 31, 50, 95 Porsile, Giuseppe 13, 217 f., 234, 282, 324 Telesilla 234 Son tradita e lo scorgete 282 Pradon, Jacques 88 Preysing, Maximilian Graf von 72 Pritchard, Brian 16, 39 Quadrio, Francesco 108 f., 112, 115, 121, 257, 263 f., 335, 358

Personen-/Werk-/Ortsregister

Quante, Johann Bernhard 36 Questenberg, Johann Adam Graf von 215

21,

Reinhardt, Johann Georg 218 Reinharth, Kilian 211, 222–225, 234 Reutter, Georg 214 f., 218, 234 Forza dell’amicizia ovvero Pilade ed Oreste, La 214 Reutter, Theresia → Holzhauser, Theresia Riedel, Friedrich W. 20, 217, 223, 225 Riepe, Juliane 51, 64, 66, 69, 79, 137–139 Rizzi, Vittorio 231 Rolli, Paolo Antonio 23, 62, 88, 100 f., 104, 108 f., 408 Romagnoli, Angela 16, 39, 68 Rose, Gloria 15, 354 Rosenthal, Carmen 39 Rotondi, Silvestro 81 Rudolph von Österreich 43, 48 Ruspoli, Bartolomeo 67 f., 88 Ruspoli, Francesco Maria 9 f., 14, 19 f., 22, 24, 26, 28 f., 31–38, 49–102, 104, 111, 113 f., 128 f., 132, 135–142, 146, 156–158, 161, 171 f., 187, 195, 204, 207, 209 f., 240, 265, 324, 329, 353–355, 361 f., 398 Sabadus, Valer 10 Saint Julien, Albrecht Graf von 215 Salvadori, Giuseppe Gaetano 108 Sannazaro, Jacopo 244 f. Santini, Fortunato 35–37, 48, 62 Santini, Johann Baptist 77 f. Savelli (Familie) 61 Scarlatti, Alessandro 9 f., 15 f., 50, 103, 133, 153, 399 Alme voi che provaste 133 Non per pioggia del cielo 133 Scarlatti, Alessandro Clemente 78 Schaal, Richard 41 Schmalzriedt, Siegfried 68 Schmitz, Eugen 15 Schnettger, Matthias 57, 68, 138 Schönborn-Wiesentheid (Familie) 9 Schrattenbach, Wolfgang Hannibal von 78, 240

Schulz, Mariana 238 Schwab, Gabriele 18, 237 Seitschek, Stefan 21, 237 Senesino → Bernardi, Francesco Sforza Cesarini, Gaetano 75 Sicuro, Stefano Giovanni Antonio 81, 97 Silva, Filippo 77, 80 Sommer-Mathis, Andrea 93 Stampiglia, Silvio 24, 85, 239–241, 282, 413, 481 Sticotti, Orsola 81 Stockholm 44 Strawinsky, Igor 354 Strohm, Reinhard 139, 158 Talbot, Michael 101 Tamblé, Donato 55 Tatti, Silvia 135 Teich Geertinger, Axel 153 Telemann, Georg Philipp 161 In Mesechs Angst-Getümmel (TVWV a:638, Nr. 5) 161 Tenbury 36 Tiepolo, Lorenzo 75, 84 Timmer, Leopold 282 All’apparir di risplendente Aurora 282 Timms, Colin 101 Trémoille, Joseph-Emmanuel de La 64, 66, 75, 78 Turinetti, Ercole Giuseppe 50 Uffenbach, Johann Friedrich von 76, 79, 82 f. Utrecht 54

70, 74,

Valentini, Giuseppe 81, 88 Valerii, Angelo 69 Venedig 9, 22, 56 f., 101, 211, 240 Vetra, Giovanni Battista della 71, 73 Vinaccesi, Benedetto 198 Visceglia, Maria Antonietta 19 Vignanello 62, 84 f., 91 Vivaldi, Antonio 15, 240, 282–284, 354 Che giova il sospirar povero core (RV 679) 282–284 Vöcklabruck 215

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Personen-/Werk-/Ortsregister

Wald-Fuhrmann, Melanie 26 Wiesentheid 9 Wilhelm, Ignaz Xaver 72, 77 f.

Zeno, Apostolo 85, 221, 240, 247, 290 Ziani, Marc’Antonio 221, 223, 247

Dank Der Weg zu diesem Buch führte zunächst nach Rom: Mit Unterstützung des Rom-Stipendiums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte die grundlegende Forschungsarbeit in den Archiven und Bibliotheken vor Ort erfolgen. Den seinerzeit am Österreichischen Historischen Institut in Rom Verantwortlichen, Prof. Dr. Richard Bösel und Dr. Ulrike Outschar, gilt daher mein erster Dank für die Aufnahme am Institut und ihren persönlichen Einsatz, der so manches römische Archiv schnell und unbürokratisch öffnete. Herrn Prof. Dr. Andreas Gottsmann bin ich für seine Bereitschaft und Unterstützung, den Band zu Caldaras römischen und Wiener Kantatenschaffen in die Schriftenreihe des Institutes aufzunehmen sehr zu Dank verpflichtet. Ohne die zahlreichen wertvollen Ratschläge und das immer offene Ohr von Prof. Dr. Michael Walter und von Prof. Dr. Klaus Pietschmann wäre der lange Weg zur Vollendung dieses Buches nicht zu beschreiten gewesen. Beiden gilt daher mein herzlichster Dank! Das Nachdenken über Caldara haben zahlreiche Personen begleitet, denen ich für die anregenden Gespräche und Diskussionen danken möchte: Da sind zunächst Magdalena Boschung und Dr. Berthold Over zu nennen, die unzählige wertvolle Hinweise beitrugen. Mit der Quellenproblematik des Wiener Hofes durfte ich mich mit Dr. Michael Pölzl, Dr. Andrea Sommer-Mathis, Prof. Dr. Martin Eybl, Prof. PhDr. Jana Perutková, Ph.D. und Doz. Ao. Univ.-Prof. Dr. Theophil Antonicek (†) austauschen. Dott. Ferdinando B. Agnello war in Rom mit Rat und Tat zur Stelle. Dr. Alessandro Cont sei für die Durchsicht des Riassunto herzlich gedankt. Die Arbeit an dem Manuskript erleichterte ein stets in allen Belangen unterstützendes familiäres Umfeld. Meinem Mann, der es so lange mit dem venezianischen Zweitmann ausgehalten hat, wie auch meinen Eltern sei das Buch gewidmet. Dass der Band nun vorgelegt werden konnte, wäre ohne die finanzielle Unterstützung des Österreichischen Historischen Instituts in Rom, des Vizerektorats für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Graz, der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein sowie der Stadt Wien nicht möglich gewesen. Den genannten Institutionen und dem Böhlau Verlag gilt daher für die Realisierung der Drucklegung mein abschließender Dank.